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German Pages 502 [504] Year 2019
Max Lühl Lachen als anthropologisches Phänomen
Max Lühl
Lachen als anthropologisches Phänomen Theologische Perspektiven
ISBN 978-3-11-065939-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066776-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066403-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Titelbild: Der Rommelpotspieler mit fünf Kindern. Frans Hals (1618–1622) Heritage Image Partnership Ltd / Alamy Stock Foto Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
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Inhalt . . .
Lachen als Forschungsgegenstand 1 Theoriegeschichtliche Fallen und epistemologische 1 Vorentscheidungen: Der theologische Gegenstandsbezug Lachen – Komik – Humor: Begriffliche Abgrenzungen und methodische Weichenstellungen 6 Annäherung an ein Natur-Kultur-Hybrid – Phänomenologische Differenzierungen zwischen Triumph und Verzweiflung 16
Satanisches Vergnügen oder göttliche Lust – zwischen Himmel und Hölle . . . . .
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Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches 27 Moment Der Körper, ein Tollhaus – physiologische Anarchie: von der 27 Renaissance bis zur modernen Neurologie Der Kollaps des Geistes und der voll engagierte Mensch: ein 31 theoriegeschichtlicher Abriss Das diätetische Paradox – psychosomatische Effekte: ein medizingeschichtlicher Überblick 43 Aggression und Sublimation, Triumph und Entwarnung: Phylo- und 58 ontogenetische Urszenen Gewalt und Gegen-Gewalt im faschistischen und postfaschistischen System: eine literatur- und filmgeschichtliche Skizze 71 Angst und Angstüberwindung: Tiefenpsychologische Qualitäten 87 und psychotherapeutische Potentiale Das Lachen als vitaler Impuls und kreatürlicher Aufstand 99 Die heitere Kraft des Eros: Phänomenologische, psychologische, 99 mythologische und literarästhetische Erkundungen Die Welt des Dionysischen und der groteske Leib: Die Ästhetik des Karnevalesken vom antiken Kult bis zur Atheologie George Batailles 106 Fruchtbarkeit und Sexualität, Tod und (Wieder)Geburt – mythen127 und religionsgeschichtliche Topik
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Inhalt
Homo festivus und homo ludens: Anthropologische Determinanten und ästhetische Distinktionen 132 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion 143 Schelme, Harlekine und Clowns: Kulturgeschichtliche Wandlungen 143 und Kontinuitäten des Konzepts der närrischen Wahrheit Blasphemisches Gelächter: Die Geschichte eines literarischen 171 Motivs Von der christlichen Dämonologie zur säkularen Utopie: Motivverwandlungen im Märchen und in der modernen Dichtung 191 Kontingenzschock und Katastrophenbewältigung: Literarische Figurationen und philosophische Horizonte 204 Sakrale Erfahrungsdimensionen nach dem Tod Gottes: Ansätze einer negativen Theologie 219 Eruptionen des Wahnsinns: Metaphorik des Satanischen in der Romantik und als subjektivitätstheoretisches Experimentierfeld der Moderne 229 Anarchie der Zeichen, Dekomposition von Sinn: Drahtseilakte des 240 Erkennens Farce, Groteske, Absurdität: Dramen-Semiotik von Kleist bis Beckett 241 Textstörungen: Exzesse der Dekonstruktion in der 249 Postmoderne Kognitive Kollisionen und Zündungen auf der Grenze von Sinn und Unsinn: Das Moment transgressiver Wahrheit 258
Satanisches Vergnügen und göttliche Lust – Profane Funken oder Offenbarungen des Heiligen . .
Lachen im Zeichen von Sexus und Eros: Schöpfungstheologische Perspektiven 269 Körperdisziplinierung und Sittencodices: Die ethische 269 Traditionslinie christlich-theologischer Agelastie Die Befreiung des Eros und die dionysische Spiritualität: Motivische und rituelle Spuren in den Offenbarungszeugnissen und in der Kirchengeschichte 294
Inhalt
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Die Wiederentdeckung der Leiblichkeit und die kreatürliche Lust am Spiel: Anthropologische Vertiefung 320 Lachen im Zeichen von Sünde, Tod und Auferstehung: Soteriologische Perspektiven 336 Der eschatologische Deutungsrahmen: Daseinspessimusmus als 336 agelastisches Motiv Die komische Banalisierung des Bösen und die leibseelische 347 Grenzüberschreitung: Ansätze einer Theodizee Göttliche Qualitäten: Die Komödie als heilsgeschichtliche Signatur und die Vollendung des menschlichen Daseins 366 Der therapeutische Wert der verleiblichten Spiritualität und des humoristischen Ethos vor dem Horizont ganzheitlicher Daseinsentfaltung 377 Lachen als Diskurs über Identität, Sinn und Wahrheit: 392 Offenbarungstheologische Perspektiven Der dogmatische Vorbehalt und die Herausforderung postmodernen Denkens 392 Narren in Christo: Grenzgänger der Gotteserkenntnis und 403 Protagonisten der Gegenkultur Erschütterungen, Entdeckungen und Erleuchtungen – die Ästhetik der Wahrheitsvermittlung 422 Theologische Anthropologie des Lachens und Neukonfigurierungen der Glaubenslehre – eine Verhältnisbestimmung 441
Literatur Index
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Bibelstellenregister
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1 Lachen als Forschungsgegenstand 1.1 Theoriegeschichtliche Fallen und epistemologische Vorentscheidungen: Der theologische Gegenstandsbezug Wer die akademische Literatur zum Lachen studiert, stößt auf allerlei Generalisierungen, Reduktionen oder monothematische Deutungslinien, die in der Regel einer notwendig begrenzten fachwissenschaftlichen oder weltanschaulichen Perspektive geschuldet sind. Ein Mediziner begutachtet die körperlichen Mechanismen, ein Evolutionsbiologe den phylogenetischen Nutzen, ein Soziologe die gesellschaftliche Funktion, ein Psychologe die therapeutische Potenz des Ausdrucksgeschehens. Doch das Verständnis vom Lachen, das in solcher fachspezifischer Forschungsarbeit gewonnen wird, kann ja nur auf ausschnitthaften Beobachtungen beruhen, eben solchen, die durch methodische und hermeneutische Vorentscheidungen auf ein fachinternes Erkenntnisinteresse gerichtet sind. Am ehesten traut man der Philosophie noch zu, einen gewissermaßen olympischen Standpunkt einzunehmen und die ganze Bandbreite wissenschaftlicher Ergebnisse systematisch zu kategorisieren. Doch sind die historischen Vertreter dieser geisteswissenschaftlichen Paradedisziplin nicht selten normativen Konzepten der Wirklichkeitsdeutung verpflichtet und so leuchten sie das Phänomen mit einschlägigem Begriffsinstrumentarium aus, bis sein Daseinssinn theoriekonform festgeschrieben ist.¹ Die meisten Lach-Theorien kranken zudem daran, dass sie einen separaten Gesichtspunkt des Lachens als Dreh- und Angelpunkt für weitreichende Distinktionen wählen. So kann die Bestimmung des Lachens als physiologische Reaktion auf einen basalen Reiz, nämlich das Kitzeln, einem ganzen kulturanthropologischen Abriss zugrunde liegen.² Aber wie verfährt die Theologie mit dem Lachen? Nimmt sie es überhaupt zur Kenntnis? Werner Elerts These, dass das Lachen zwar als Gegenstand einer
So basiert Alfred Sterns Philosophie des Lachens und Weinens (1980) auf einem konsistenten anti-naturalistisch-wertepsychologischen Konzept. Walo E. Hartmann will mit seiner existenzphilosophischen Studie Über das Lachen. Zur anthropologischen Bedeutung des Lachenkönnens und der Sinn des Lachens (1998) eine genuin existenzphilosophische Antwort auf die Abwesenheit eines umfassenden anthropologischen Horizonts in der Philosophiegeschichte des Lachens geben. Susanne Schröder interessiert sich in Lachen ist gesund!? – Eine volkstümliche und medizinische Binsenwahrheit im Spiegel der Philosophie (2002) dagegen nur für die medizingeschichtlichen Implikationen einer philosophischen Ethik des Lachens. Vgl. zur Kritik am Reduktionismus der philosophischen Lachtheorie auch Lenz Prütting, Homo ridens, 45 f. Das trifft zu auf Rainer Stollmann, Groteske Aufklärung, Studien zur Natur und Kultur des Lachens, 1997. https://doi.org/10.1515/9783110667769-001
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
epochen- oder kirchengeschichtlichen Betrachtung Beachtung verdiene, seine systematisch-theologische Deutung aber nicht existiere und auch nicht erforderlich sei,³ hat keineswegs entschiedenen Widerspruch provoziert oder eine Reflexion der Herausforderung angestoßen, die der Theologie mit dem Phänomen gestellt ist. Tatsächlich existieren weder in der Theologischen Realenzyklopädie noch im Evangelischen Erwachsenenkatechismus noch im Katechismus der katholischen Kirche Einträge zum Lachen.⁴ Doch auch größere systematische Entwürfe einer christlich-theologischen Anthropologie, Ethik, Schöpfungslehre oder Pneumatologie nehmen keine Kenntnis von jener fundamentalen Äußerungsform, die doch seit Aristoteles als Kennzeichen der conditio humana nicht mehr zu leugnen ist. Die Marginalisierung des Lachens im theologischen Diskurs mag noch ein Erbe der seit frühchristlicher Zeit vorherrschenden moralistischen Deutungstradition sein. Natürlich ist dieses Erbe nicht ungebrochen weitergegeben worden, aber es lebt sozusagen in einer nicht mehr denunziatorisch-inhibitionistischen, sondern vergeistigt-distanzierenden Weise fort. Denn ähnlich wie die Philosophie nimmt die Theologie die ontologische Vogelperspektive für sich in Anspruch. Es ist ihr Geschäft, das menschliche Dasein in allen seinen Bezügen zu überblicken und vor dem narrativen Horizont der Heilsgeschichte zu deuten. Darum übersieht sie nie das Große und Grundsätzliche. Die moralisch-metaphysischen Dimensionen, Wohl und Wehe, Schöpfung und Verantwortung, Tod und Ewigkeit hat sie fest im Blick.⁵ Doch das Kleine, Beiläufige, die scheinbar unbedeutenden Gesten und Signale, mit denen sich der Mensch als Mensch zu verstehen gibt und sich zu sich selbst und anderen verhält, nimmt sie oft nicht wahr auf ihren Adlerflügen durch die Sphären des Schicksalhaften und wenn sie es denn doch beachtet, dann nicht unbedingt mit der Liebe zum Detail des Geschaffenen, nicht mit der nötigen Erdgebundenheit und Aufmerksamkeit für das Wirkliche.⁶ Dieser Habitus einer
Vgl. Werner Elert, Das Lachen in der Kirchengeschichte, 189. Vgl. Peter Müller,Wie kommt man in den Himmel?, 24 f. Der Artikel zum ‚Lachen/Weinen‘ in der RGG beansprucht lediglich eine halbe Spalte. Vgl. auch Franz Gruber, Ironie: Grenzgang zwischen Aufklärung und Verzweiflung, 72 und Athina Lexutt, Humor und Theologie bei Erasmus und Luther, 4. In einer kulturprotestantischen Perspektive, wie sie Jörg Lausters Die Verzauberung der Welt, Eine Kulturgeschichte des Christentums (2014) zugrunde liegt, rücken zwar Kunst und Literatur, Musik und Architektur und die in ihnen chiffrierten „inneren Haltungen“, Gestimmtheiten, „Pläne und Hoffnungen“ (14) des Menschen, seine sozialen, politischen und ‚ökologischen‘ Bezüge in den Blick, doch die ungezähmte Leiblichkeit des Menschen, die expressive Performativität seiner Feste und Spiele, die körperliche Dimension seiner kreatürlichen Erfahrungen bleiben ausgeblendet. Als Kulturwesen ist der Mensch für Lauster in erster Linie Geistwesen und die Kultur-
1.1 Theoriegeschichtliche Fallen und epistemologische Vorentscheidungen
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empirieblinden Hyperperspektive ist auch der theologischen Rede über das Lachen eingezeichnet. Denn das Lachen berücksichtigen christliche Ethiker und Systematiker üblicherweise nur als eine Beigabe des Humors, womit sie es in einen schon bereit liegenden eschatologischen Deutungsrahmen einfügen. Diese unüberprüfte Unterkategorisierung des Lachens ist ein Symptom jener deduktiven Hermeneutik, die den Zuschnitt der Phänomene an der Kompatibilität für dogmatische Deutungskategorien bemisst. Werden die für das Lachen charakteristische körperliche Exzentrik und mentale Desorganisation jedoch übersprungen und wird die potentielle existenzielle Abgründigkeit des Lachausbruchs durch idealistische Konstruktionen eingeebnet, dann gerät auch die theologische Verortung des Ausdrucksgeschehens schief und es schrumpft zum Begleitklang erlöster Existenz oder gefriert zur Chiffre christlichen Freiheitsverständnisses.⁷ Theologische Studien zum Lachen neigen außerdem dazu, das Lachen zu ethisieren und einen statischen Gegensatz zwischen dem verwerflichen Lachen des Spotts und dem freudigen Lachen⁸ oder dem versöhnlichen Humor⁹ der Glaubenden zu konstruieren. Motivische Zwischenzonen sind in diesem normativen Dualismus ausgeblendet. Damit wird das Lachen in seiner Mehrdimensionalität verfehlt, in seiner Daseinsfunktion unterschätzt. Der theologische Mehrwert des Lachens kann jedoch erst dann angemessen bestimmt werden, wenn der Untersuchungsgegenstand als vielschichtiges Phänomen multiperspektivisch umkreist und erschlossen worden ist. Der theologische Gedankengang, der die empirische Welt überspringt, um sie aus sicherer Entfernung per dogmatischer Setzung und Operation einem christlichen Theoriegebäude einzuverleiben, begibt sich der Fülle erfahrener Wirklichkeit und verfällt der Anämie abstrakter Spekulation, eine Gefährdung jeder offenbarungstheologischen Systembildung.¹⁰ Gerade darum bedarf es im
geschichte des Christentums eine „Sinngeschichte“ (15), die auf den Gipfeln religiöser Ausdruckskunst den molekularen Tanz der Sinne übersieht. So haben Helmut Thielicke (Das Lachen der Heiligen und Narren, 1974), Werner Thiede (Das verheißene Lachen, Humor in theologischer Perspektive, 1986) und zuletzt Alexander Jaklitsch (Lächelnd von der Bibel zur Heiligen Schrift, Humor als mystagogische Hermeneutik, 2012) das Lachen in einem Konzept christlichen Humors entschärft. Vgl. II.2.3 und 2.4. Eine solche theologisch-ethische Fundamentalkategorisierung nimmt Karl-Josef Kuschel in Lachen. Gottes und der Menschen Kunst (1994) vor. Vgl. Hans Martin Dober, Sitzen, wo die Spötter sitzen?, 23. Meines Erachtens hat bis dahin allein Gerhard Marcel Martin (Zur Idee einer Theologie des Lachens, 1996) das Lachen als eigengesetzliches Phänomen, das weder den Imperativen einer eschatologischen Doxologie noch moraltheologischen Prohibitiven und Disziplinierungsansprüchen gehorcht, ernst genommen und eine Deutungsspur für die theologische Anthropologie des Lachens gelegt. Vgl. II.2.2.
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21. Jahrhundert einer neuen theologischen Annäherung an das Lachen. Apriorische Wahrheitspostulate sind aufzugeben; es ist Zeit geworden, zuallererst phänomenologisch und kulturgeschichtlich die vielfältigen Erscheinungsweisen der Äußerungsform zu erfassen und die versprengten fachwissenschaftlichen Einzelerkenntnisse als Mosaik zusammenzusetzen. Im Bewusstsein eines entsprechenden Desiderats in der Forschungsliteratur liefert diese Arbeit eine integrative Darstellung des Phänomens Lachen in seinem Facettenreichtum. Das schließt eine Abgrenzung vom heilsgeschichtlichen Zugriff der theologischen Tradition ein: Das Spezifische des Lachens darf eben nicht von vornherein mit ethischer oder eschatologischer Sonde gesucht werden, vielmehr gebührt zunächst den materiellen, den kreatürlichen und kulturanthropologischen und schließlich den existenzialontologischen und noetischen Aspekten des Phänomens Aufmerksamkeit. Das Reflexionsfeld, das diese Studie absteckt, umfasst die für eine Anthropologie wesentlichen Sphären von Bios und Sexus, von Bewusstsein und Unbewusstem, Geburt und Tod, Destruktion und Inversion, Katastrophe und Utopie. Sie berücksichtigt eher am Rande die kommunikationstheoretische und sozialpsychologische Wertigkeit des Lachens oder seine potentiellen narrativen und kompositionsästhetischen Funktionen. Im Mittelpunkt steht der Mensch in seiner charakteristischen Stellung auf der horizontalen und zur vertikalen Achse, in einem Kontinuum, das zwischen größter Erdenschwere und ekstatischem Aufschwung alle Facetten des Daseins auffächert. Angesichts der vielschichtigen Motivierung und komplexen Sinnstruktur des menschlichen Lachens ist das Deutungsprojekt über den homo risus nur interdisziplinär zu bewältigen. Ein theologisches Deutungsmonopol wäre hier vollkommen fehl am Platze, zumal die säkularisierte und partikularisierte Gegenwart auf den sinnstiftenden Dialog der Wissenschaften angewiesen ist. Dass die Hermeneutik dieser Arbeit eher Analogien, Synchronien und Symmetrien in den Blickpunkt rückt als Ausschlussfiguren, ist aber nicht alleine zeitdiagnostischen Rücksichten, einer der Leitdevisen wissenschaftspublizistischer Aufmerksamkeitsökonomie, geschuldet. Vielmehr sollte dem Realitätssinn der Vertreter unseres Fachs die Einsicht entwachsen sein, dass sich der christliche Glaube breiteren Bevölkerungsschichten nur noch als Leitmotiv oder integrative Funktion eines Bildungs- und Selbstkonzepts mitteilt. Dieser religionssoziologische Realismus ist die Rückseite einer das theologisch-anthropologische Deutungsunternehmen bestimmenden erkenntnistheoretischen Grundformel: Die Vielschichtigkeit humaner Ausdrucksformen verlangt nach der Pluralität wissenschaftlicher Hermeneutik. Wenn sich die theologische Wissenschaft der anthropologischen Reflexion solcher Ausdrucksformen widmet, dann kann sie auf die Beiträge der geistes- und humanwissenschaftlichen Nachbardisziplinen, vor allem der Philo-
1.1 Theoriegeschichtliche Fallen und epistemologische Vorentscheidungen
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sophie, Psychologie, Ethologie, der Mentalitäts- und Kulturgeschichte nicht verzichten. Doch warum sollte sich die Theologie überhaupt mit dem Lachen befassen? Welche Herausforderung ist ihr mit dem Phänomen denn tatsächlich gestellt? Und umgekehrt: Wie können Deutungsperspektiven auf das Lachen das theologische Anliegen erhellen? 1. Die bereits in den Anfängen der christlichen Lehrbildung virulenten Vorbehalte gegenüber dem Lachen, die sich a) auf die körperliche Exzessivität, b) auf die ersatzreligiöse Prolepsis und c) auf die philosophische Skepsis beziehen, richten sich damit gegen jene Eigenschaften oder Prädikationen des Ausdrucksgeschehens, die es als typisches Derivat säkularer Lebensformen und post-ideologischer Wahrheitskonzepte ausweisen. Das Lachen zeugt vom Konkurrenzverhältnis zwischen dem traditionellen eschatologischen Offenbarungsglauben und modernen gegenwartsorientierten Entwürfen der Existenzsteigerung und doch hat es die Theologie zu selten unternommen, diesen Konfliktlinien nachzugehen und die triebgesteuerte Leiblichkeit, die diesseitigen Erlösungssehnsüchte und den fundamentalen Zweifel mit dem Glauben in Beziehung zu setzen. 2. Da triebgesteuerte Leiblichkeit, diesseitige Erlösungssehnsüchte und fundamentaler Zweifel einerseits aus der Daseinskonstitution des glaubenden Menschen nicht mehr herausgerechnet werden können, andererseits im orthodoxen Dogmensystem kein Heimatrecht genießen und noch immer im theologischen Diskurs wie schwer integrierbare Fremdkörper erscheinen, eröffnet eine zeitgemäße Theologie des Lachens die Möglichkeit, jenen anthropologischen Konstanten ihren rechtmäßigen Ort in der Existenzform des Glaubens zuzuweisen. Das setzt allerdings voraus, dass das Lachen als Offenbarungsmedium anerkannt wird, d. h. als eine Art und Weise der Selbstbekundung Gottes im kreatürlichen Akt, die Zerstörung und Neuschöpfung miteinander verschränkt. Dieser schöpfungstheologischen Hypothese zu folgen erweist sich besonders deswegen als lohnenswert, weil sich essentielle Gehalte des christlichen Glaubens in heutiger Zeit nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in erster Linie rational, also etwa durch offenbarungstheologische Narrative oder theistische Spekulationen plausibilisieren lassen, sondern der sinnlich-materiellen Vermittlung bedürfen: Es geht bei der christlich-religiösen Selbstverortung um einen neuen Zugang zu den Dingen, um die Erschließung von Seinsqualitäten und Erfahrungsdimensionen. Das Lachen verweist damit nicht nur auf Leerstellen des Glaubens, es ist darüber hinaus ausgestattet mit deiktischen Komponenten der Seinserfahrung, die Komplemente bilden zu Niederschlägen der christlichen Heilsoffenbarung auf der Subjektebene. Die Theologie des Lachens geht somit von einer Phänomenologie des kreatürlichen Ereignisses aus, um in den jeweiligen Erfahrungselementen Kristallisate
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eines Heilsgeschehens zu bergen, die sich wiederum christlich-theologisch interpretieren lassen.
1.2 Lachen – Komik – Humor: Begriffliche Abgrenzungen und methodische Weichenstellungen Der Neuansatz bei der theologischen Deutung des Lachens gründet in der methodischen Weichenstellung, das Phänomen zunächst aus dem wirkungsästhetischen Komplex der Komik und des Humors herauszulösen und als anthropologische Größe sui generis zu betrachten. Der Sinn dieser hermeneutischen Vorentscheidung ist evident: Zwar reizt das Komische im Allgemeinen zum Lachen, aber das Lachen verweist nicht unbedingt auf Komisches zurück.¹¹ Das Lachen kann als Resonanz einer komischen Dissonanz erschallen, es kann jedoch auch ganz anderen Resonanzen und Motiven entspringen. Der Neuropsychologe Robert R. Provine kam sogar zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent aller Lachakte in der Lebens- und Alltagswelt des Menschen außerhalb der psychomechanischen Konstellationen des Komischen liegen.¹² Bloß werden markante Lachausbrüche, die häufig aus Effekten des Komischen resultieren, anders als das gleichsam allgegenwärtige, ins infinite Kommunikationsgeschehen eingestreute Lachen, bewusst wahrgenommen und im episodischen Gedächtnis gespeichert.¹³ Selbst die kausale Verkettung von Komik und Lachen erweist sich bei näherem Hinsehen als uneindeutige Hypothese. Dem Germanisten Rudolf Helmstetter verdankt sich die pointierte Bestimmung, dass die Komik Effekt einer nicht notwendig komischen Kunst sei, die Welt durch eine „Akzentverschiebung im Subjekt“¹⁴ verwandelt erscheinen zu lassen und ein nicht notwendig akustisches Alsob-Lachen auszulösen. Aggregiert das Komische in der Tonart des Clownesken, Grotesken oder Melancholischen,¹⁵ dann animiert es zudem nicht unbedingt zum Lachen, sondern weckt unter Umständen eher „Angst und Grauen“¹⁶. Auf der
Vgl. Andrea Wicke, Grenzen des Komischen um 1700, 296. Auf den einschlägigen Aufsatz Provines Laughter. In: American Scientist 84,1 (1996) verweisen Michael Titze und Rolf Kühn in ihrem Buch Lachen zwischen Freude und Scham (2010). Vor Provine hat bereits die Linguistin Gail Jefferson die komiktheoretische Reduktion des Lachens kritisiert (vgl. Hans Rudolf Velten, Scurrilitas, 20). Vgl. Barbara Sistenich, Frauen lachen über sich, Männer über andere!?, 7. Rudolf Helmstetter, Vom Lachen der Tiere, der Kinder, der Götter, der Menschen und der Engel, 769. Vgl. Horst Breuer, Närrische Verstörung, skeptische Aussöhnung, 101. Margarete Galler, Lachen und Lächeln in poetischen Texten, 12.
1.2 Lachen – Komik – Humor
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anderen Seite ist Widerstand gegen die Suggestivkraft des Komischen durch bewusstes Nicht-Lachen möglich; angesichts kontingenter Rezeptionsbedingungen sind die Lacheffekte, auf die gewisse komische Kunstgriffe spekulieren, zudem nicht programmierbar.¹⁷ Seit Platons moralistischer Ethik des Rhetorisch-Theatralischen ist es fernerhin fragwürdig geworden, das Lachen und das Lächerliche, das im platonischen Ordnungsmodell eine „rein negative“¹⁸ Seinsgestalt darstellt, kurzzuschließen, ganz abgesehen von der darin eingeschlossenen ontologischen Degradation. Denn wiederum hängt es vom Rezeptionszusammenhang ab, ob das Lächerliche Lachen provoziert oder Abwehrreflexe wie Ekel, Verachtung, Missbilligung. Folgt man diesen Argumentationslinien, dann liegt auch die Feststellung nahe, dass es „zum einen Humor ohne Gelächter gibt und zum anderen Gelächter ohne Humor“.¹⁹ Das charakteristische Kennzeichen des Humors besteht dem Philosophen Martin Seel zufolge eben nicht in zügelloser Erheiterung, sondern einem affektiven Mischungsverhältnis, dem „Wechsel von Lachen und Weinen, Empörung und Nachsicht, Wut und Tristesse“²⁰. Der Literaturwissenschaftler Stefan Busch grenzt das Lachen vom Humor dadurch ab, dass er jeweils unterschiedliche subjektive Strategien für die Bewältigung von Kontingenz unterstellt.²¹ Dem Humor liegt Distanz bei der Verarbeitung von Differenzerfahrungen zugrunde, während das Lachen einsetzt, wenn Orientierungsvermögen und Erwartungshorizont des Subjektes durch den „Anprall des Wirklichen“²² kollabieren.²³ Lachen hat – so könnte man Buschs diskutable Überlegungen zusammenfassen – seine weltanschaulichen Wurzeln im Nihilismus, während der Humor auf eine unendliche Bezugsgröße, aus religiöser Perspektive: auf die Wirklichkeit der Erlösung hindeutet.²⁴ Damit hat Busch zumindest einen Nerv
Vgl. Kaspar Maase, „Wer findet denn so etwas komisch?“, 879. Hans-Martin Gauger, Das Persönliche, Menschliche und Historische des Lachens, 844. Helga Kotthoff, Lachen über sich selbst, 60. Kotthoff greift hier auf Studien des Psychologen John Morreall zurück (Taking Laughter Seriously, Albany, NY: State University of New York Press 1983) zurück. Martin Seel, Humor als Laster und Tugend, 745. Vgl. Stefan Busch, Verlorenes Lachen, 23 f. Busch, Verlorenes Lachen, 24. Barbara Ränsch-Trill hat dagegen das Lachen nicht von Humor, Ironie und Satire unterschieden und es voreilig als eine Funktion der Vernunft definiert, da es „die Fähigkeit […], die unmittelbare Situation und das erlebende Subjekt reflektierend auseinanderzuhalten“ (Harlekin, 15), voraussetze. Aber eben das ist im Moment des Lachens nicht möglich, zumindest nicht bei jenem Typus, den Lenz Prütting Bekundungs-Lachen genannt hat. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 23 f. Im verzweifelten Lachen erlangt die Person dagegen die im Lachvorgang generell suspendierte Distanzierungsfähigkeit dank einer „intellektuellen Ope-
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
theologischer Abwehrreflexe gegen das Lachen getroffen und indirekt eine Erklärung dafür geliefert, dass die Theologie den Humor recht leichthändig, das Lachen aber nur unter größten intellektuellen Anstrengungen und mit wenig überzeugendem Ergebnis ins dogmatische System zu integrieren verstand. So wie also der komiktheoretisch verengte Begriff des Lachens abzulehnen ist, sind solche Definitionen unzureichend, die das Lachen zum bloßen Ausdrucksorgan des Humors erklären oder es vorbehaltlos mit den emotiven Qualitäten aus dem semantischen Bereich Freude/Vergnügen in Verbindung bringen. Die Einsicht in das weite semantische Spektrum des Lachens als eines motivischen Codes ist wissenschaftsgeschichtlich eher jüngeren Datums.²⁵ Das antike Gelehrtentum brachte das Lachen im moralpsychologisch-rezeptionsästhetischen Diskursschema einer Rhetorik des Komischen unter.²⁶ In der Neuzeit verlagerte sich das Erkenntnisinteresse hin zu ontologischen und anthropologischen Bestimmungen des Wirkungszusammenhangs von Humor, Komik und Lachen.²⁷ Der Literaturwissenschaftler Horst Turk zeichnet zwei gegenläufige Traditionslinien nach: Anthropologische Lachtheorien (Baudelaire, Bergson, Ritter, Plessner) gehen von der „allgemeinmenschlichen Disposition zum Lachen“²⁸ aus und betrachten den Lachanlass als sekundär. Im Paradigma der im weitesten Sinne poetologischen Deutungen (Jean Paul, Sigmund Freud, Walter Nash²⁹, Marcel Gutwirth³⁰) wird das Lachen dagegen aus Konstitutionsbedin-
ration“ (Busch, Verlorenes Lachen, 26) zurück, die die Anerkennung der faktischen Wirklichkeit und die Aufrechterhaltung des Sollen-Anspruchs miteinander verklammert. Das trotzig-höhnische „Festhalten an Vorstellungen“ und Normen gegen externe Entwertungen erklärt die spezifische „Klangwirkung [dieses] Lachens“ (26). Der Mediävist Walter Haug leitet aus der universellen Anlage des Phänomens gar die Forderung ab, sämtlichen (literar)historischen Variablen des Komischen eine Theorie des Lachens als Verständnisfolie zugrunde zu legen (vgl. Schwarzes Lachen, 50). Damit reproduziert er jedoch bloß unter umgekehrtem Vorzeichen das theoriegeschichtliche Subordinationsverfahren. Vgl. Arnd Beise/Ariane Martin/Udo Roth, Vorwort, 7. Michael Mader erklärt, dass sämtliche gängigen Klassifizierungsaspekte des Komischen in Platons Verschränkung von Superioritätsund Kontrasttheorie enthalten seien: „Hier sind zumindest im Keime die wesentlichen Kriterien der Komikforschung versammelt: Kontrast, Konflikt, Normverletzung auf der Objektseite, Unschädlichkeit des komischen Objekts, emotionale Spannung und ihre Entladung, Aggressivität und Überlegenheitsgefühl, Distanz und Teilnahmslosigkeit des Lachenden, die Mischung von Lust und Unlust, das Element des Spiels, die Polarität von Tragödie und Komödie“ (Das Problem des Lachens und der Komödie bei Platon, 28). Kritischer beurteilt zu Recht Lenz Prütting das platonische Erbe, das vor allem in der verhängnisvollen Ethisierung des Lachens und der Ausblendung des phänomenspezifischen Leibgeschehens besteht (vgl. Homo ridens, 130 – 136). Vgl. Beise/Martin/Roth, Vorwort, 7. Horst Turk, Kulturgeschichtliche und anthropologische Bedingungen des Lachens, 299. Vgl. Walter Nash, The language of humour, Style and Technique in Comic Discourse (1985).
1.2 Lachen – Komik – Humor
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gungen des Komischen abgeleitet.³¹ Turk ist der Auffassung, das die freudianische Wende zur „Kulturtheorie des Lachens“³² bei Hobbes, Kant und Jean Paul schon angelegt war, während Baudelaire, Bachtin und Ritter Wegbereiter waren für Plessners Reetablierung der Anthropologie als gelotologischer Leitdisziplin.³³ Zu den theoretischen Klassifikationen des Komischen gehört weiterhin das Modell, das David Victoroff in seiner Schrift Le rire et le risible (1953) vorschlägt: Es unterscheidet moralische Deutungszugriffe in der antiken Tradition, intellektuelle Kontrasttheorien neuzeitlichen Zuschnitts³⁴ und spieltheoretische Ansätze im Anschluss an die Veröffentlichung des Schriftstellers Max Eastman (The sense of humour, 1921).³⁵ Der Romanist Marcel Gutwirth schlägt in Gedanken zum Wesen des Komischen (1964/75) eine diachrone Rubrifizierung vor, die eine utilitaristischmoralische Epoche von Aristoteles bis zur Renaissance von einem psychologischen Zeitalter abgrenzt, das mit Hobbes begann und erst im 19. Jahrhundert durch den intellektualistischen Paradigmenwechsel bei Kant abgelöst wurde.³⁶ Gutwirth unterscheidet auch zwischen rationalistischen und irrationalistischen Definitionen des Lachens.³⁷ Der Literaturkritiker Elder James Olson entwickelt in
Vgl. Marcel Gutwirth, Lauging matter, An Essay on the Comic (1993). Vgl. Turk, Kulturgeschichtliche und anthropologische Bedingungen, 299 f. Turk, Kulturgeschichtliche und anthroplogische Bedingungen, 302. Bei genauerer Betrachtung verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen den Deutungsmodellen. Für Baudelaire hat das Lachen zivilisationsgeschichtlichen Symbolwert, Bergson qualifiziert es innerhalb seines vitalistischen Konzepts von Gesellschaft und Joachim Ritter erkennt in ihm einen Motor bei der Rehabilitierung des kulturell Verdrängten. Dagegen basiert Jean Pauls Komiktheorie auf dem romantischen Subjektbegriff, während Freud auf der Basis seiner entwicklungspsychologischen Einsichten argumentiert. Hobbes sozialpsychologischer Ansatz wiederum wurzelt in seiner negativen Anthropologie und Kants Untersuchung des Witzes bleibt unverständlich ohne Berücksichtigung der kognitionspsychologischen Analyse. Der Publizist Manfred Geier skizziert die frühaufklärerische Ablösung „der zweitausend Jahre lang vorherrschenden“ (Worüber kluge Menschen lachen, 152) Superioritäts- durch die Kontrasttheorie: Mit dem „Ideal der sozialen Lebensform“ (153) begründeten Shaftesbury, Alexander Pope und Joseph Addison ihre Abwendung vom „Paradigma der Superiorität“ (152), dem Hobbes noch einmal Geltung verschafft hatte. Bei Nietzsche, Baudelaire und Bergson kehrte aber das Superioritätstheorem in die philosophischen Bestimmungen des Lachens zurück. Vgl. Mader, Das Problem, 25. Vgl. Mader, Das Problem, 25. Dieses Schema erscheint ebenfalls zu grobmaschig, da in Hobbes Hypothesen das antike Erbe des funktionellen Moralismus deutlich fortlebt und erst mit Freud, Ferenczi, Reik und Lipps eine im engeren Sinne psychologische Schule der Theorie des Lachens begründet wurde. Die Plakette ‚intellektualistisch‘ wird der Vielfalt an Deutungszugängen zum Lachen im 20. Jahrhundert jedenfalls nicht gerecht. Für die rationalistische Auffassung stehen Gutwirth zufolge Hegel, Bergson und Marie Collins Swabey, die im Lachen nur eine vorübergehende Erschütterung der normativen Ordnung sehen und aus wichtigen Funktionen des Lachens wie dem Ausagieren von Aggressionen und vitalen
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
The theory of comedy (1968) eine Typologie, die zwischen Theoretikern differenziert, die am Objekt (Platon, Aristoteles, Cicero und Bergson), am Subjekt (Hobbes, Kant, Schopenhauer, Baudelaire, Hazlitt, Freud) oder an der Subjekt-ObjektBeziehung des Lachens orientiert sind (Jean Paul, Theodor Lipps).³⁸ Die für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Lachen sinnvollste Kategorisierung hat Lenz Prütting vorgelegt, der fünf gelotologische Diskursstränge unterscheidet: a) die philosophiegeschichtlich äußerst wirkmächtige „ethisch orientierte platonisch-stoisch-augustinische Tradition“³⁹ (Hobbes bis Baudelaire), b) den anthropologisch orientierten Ansatz (Aristoteles, Thomas von Aquin, Laurent Joubert, Helmuth Plessner), c) das physiologisch-mechanistische Modell (Descartes, Herbert Spencer, Freud), d) die ethologisch-evolutionsgeschichtliche Schule (Darwin, Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt) und e) Alfred Sterns wertepsychologisches Schema. Den Grundstein einer vom komiktheoretischen Paradigma abgelösten Gelotologie hat die Renaissance mit ihrer Neubegründung einer naturwissenschaftlich fundierten Anthropologie gelegt,⁴⁰ die wiederum an Aristoteles anknüpfen konnte, der das Lachen erstmalig als „natürliches Phänomen“⁴¹ in den Blick genommen hatte. Im ausgehenden 20. Jahrhundert hat sich die wissenschaftliche Perspektive allerdings von der theoretischen Beschreibung allgemein gültiger Bedingungen des Lachens zur Erschließung von kulturgeschichtlich gewachsenen Inszenierungskontexten und Funktionsvariablen verschoben.⁴² Die feministische Kommunikationswissenschaft nahm das Lachen als funktionales und
Bedürfnissen sowie der Verarbeitung von Ängsten den Effekt der Stabilisierung des status quo ableiten. Auf der anderen Seite vertreten die Irrationalisten wie Schopenhauer, Nietzsche, Bachtin die Meinung, dass das Lachen dem Chaos und der Kontingenz des Gegebenen Ausdruck verleiht (vgl. Lutz Koepnick, „Nochmal! Nochmal!“, 316 f.). Vgl. Mader, Das Problem, 26. Doch auch Olson muss sich den Vorwurf der Vereinfachung und Verunklarung von letztlich sehr viel komplexeren Ansätzen gefallen lassen, die sich nach der Maßgabe von Subjekt- oder Objektorientierung kaum ohne Sinnentstellungen kategorisieren lassen. Prütting, Homo ridens, 77. Manfred Pfister verdeutlicht anhand seiner Erforschung der literarischen Landschaft im frühneuzeitlichen England, wie die engagierte Diskussion über brisante ethische und ästhetische Aspekte des Lachens in damaliger Zeit jene über komik- oder komödientheoretische Gesichtspunkte substituierte (vgl. „An argument of laughter“, 203 – 227). Der elisabethanische Diskursraum ist in der Romanwelt Rabelais’ abgeschattet, die für Bachtins Theorie der Geburt des plebejischen Lachens aus dem Geist der Renaissance grundlegend wurde; die literaturwissenschaftliche Hinwendung zu einer „Anthropologie des Lachens“ (204) im späten 20. Jahrhundert wurde durch die Bachtin-Rezeption angeregt. Prütting, Homo ridens, 144. Vgl. Beise/Martin/Roth, Vorwort, 7 f.
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strategisches Element im Konversationsgeschehen und in unterschiedlichen interaktionalen Rahmungen unter die Lupe.⁴³ In der Mediävistik ist in jüngerer Zeit die Bedeutung des komischen Körpers und des rezeptionsästhetischen Vorgangs der Einleibung konturiert worden,⁴⁴ so dass ein deutlicher Gegenakzent zur Fokussierung der vis comica im leibskeptischen Gelehrtendiskurs seit den Distinktionen der antiken Rhetorik gesetzt ist. Die Formenvielfalt des Lachens – das Blödeln und alberne Lachen gehören ebenso dazu wie das Anlachen, das glückliche und erleichterte Lachen, das bittere, gezwungene oder dümmliche Lachen – haben gelotologische Publikationen jedoch nicht berücksichtigt oder jedenfalls nicht begrifflich erschlossen und unterschieden,⁴⁵ ehe Lenz Prütting in seinem monumentalen dreibändigen Grundlagenwerk Homo ridens. Eine phänomenologische Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens (2013) eine historische und systematische Analyse der verschiedenen Ausdrucksfacetten vornahm. Prüttings Entwurf hat dahingehend neue Maßstäbe gesetzt, dass er in herausragender Weise die Vorzüge und Grenzen der Lachtheorien von Platon bis zu Helmuth Plessner und Hermann Schmitz reflektiert und die unterschiedlichen Ausdrucksformen des Lachens phänomenologisch kategorisiert. An ihm kann zugleich das Konzept dieser Arbeit, dass sich in einigen Punkten von Prüttings luzider Systematik unterscheidet, profiliert werden. Während Prütting die Abgrenzung bestimmter Phänotypen des Lachens zum Ausgangspunkt einer kritischen ideengeschichtlichen Lektüre überkommener gelotologischer Ansätze macht, um in einem letzten Schritt deren theoretischen Reduktionismus zu überwinden, sind in dieser Arbeit thematische Querschnitte angelegt im Hinblick auf die Relevanz des Phänomens Lachen für die theologische Anthropologie und Glaubenslehre. Diese Querschnitte ergeben sich anders als bei Prütting nicht aus einer dezidiert theoriegeschichtlichen Betrachtungsweise, sondern verdanken sich der Exploration eines breiten interdisziplinären Forschungsgeländes, so dass nicht nur die leibseelische Repräsentation, sondern auch kulturelle Manifestationen, historische Metamorphosen und literarische Codierungen sehr viel mehr herangezogen werden, um die anthropologische Dimension des Lachens zu erschließen. Tatsächlich ist bei Prütting trotz der phänomenologischen Perspektiverweiterung eine gewisse Tendenz erkennbar selbst wieder reduktionistisch zu werden, wenn er etwa jeglichen Versuchen, das Lachen auf einer Linie, die von der Romantik über Nietz Vgl. dazu im Literaturverzeichnis die Veröffentlichungen von Helga Kotthoff, Barbara Merziger und Barbara Sistenich. Vgl. dazu Hans Rudolf Veltens breit angelegte Studien zur Scurrilitas, Körpergeschichte des Lachens in Literatur und Kultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, 2008. Vgl. Turk, Kulturgeschichtliche und anthropologische Bedingungen, 310.
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
sche, Bachtin und Bataille bis zur Postmodernetheorie führt, als eine mögliche Daseinshaltung oder eine bestimmte Form des Denkens zu entwerfen, eine Absage erteilt. Doch teilt diese Arbeit mit Prüttings Studie den Anspruch, den anthropologischen Grund der Äußerungsform tiefer und genauer auszuloten als es mit einer komik- und humortheoretischen Orientierung oder einer fachwissenschaftlichen Monoperspektive möglich wäre. Sie teilt jedoch nicht das Interesse, sämtliche Spielarten des Lachens einer filigranen Analyse zu unterziehen. Das kann im Übrigen auch nicht die Aufgabe der theologischen Anthropologie sein. Wenn Prütting also beklagt, dass die gegenwärtige Theologie keinen Beitrag zu einer „Ätiologie des Lachens“ leiste, dann müsste ihm entgegengehalten werden, dass nicht die wissenschaftliche Erklärung eines Phänomens, sondern seine Deutung vor dem Horizont der Schöpfungs- und Glaubenslehre die Aufgabe der theologischen Wissenschaft ist, und unter dieser Voraussetzung durchaus „von theologischer Seite“ noch „grundlegende Erkenntnisse über das Wesen des Lachens“⁴⁶ erwartet werden können und müssen. Denn Helmut Thielicke ist natürlich uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er feststellt: „Würden wir uns also weigern, über das Lachen nachzudenken, dann verweigerten wir zugleich die Frage nach uns selbst“.⁴⁷ Es ist der durch eine Überfülle kulturgeschichtlicher Zeugnisse belegte anthropologische Tiefensinn des Lachens, der die Theologie zu einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen zwingt. Prüttings Studie hat gleichwohl den Blick dafür geschärft, dass es nicht sinnvoll ist, vom Lachen an sich zu sprechen, sondern bestimmte Phänotypen auseinander zu halten. Seine grundlegende Unterscheidung des Resonanzlachens, das in leichtfüßiger Konversation gewissermaßen mitschwingt, des kommunikationsstrategischen zweckorientierten Interaktionslachens und des unverfügbaren, unkontrollierbaren Bekundungslachens⁴⁸ erweist sich als überaus hilfreich, um den Gegenstandsbereich deutlicher zu markieren. Die Sichtachsen, die diese Arbeit eröffnet, sind offensichtlich auf jene Lacharten gerichtet, die für die theologische Anthropologie besonders interessant sind, und das bedeutet, dass im Rahmen der Untersuchung vor allem Formen des Bekundungs-Lachens in den Blickpunkt rücken, während der Bereich des Resonanz- und Interaktionslachens eher gestreift wird, da er für die theologische Deutung m. E. unergiebig ist. Denn wenn es darum geht, den sozialen Wert oder die ethische Problematik jener Spielarten des Lachens zu bestimmen, dann ist Prütting, Homo ridens, 1157. Thielicke, Das Lachen, 10. Allerdings hat Thielicke dann eben nicht weiter über das Lachen, sondern über Witz, Komik und Humor nachgedacht. Vgl. Prütting, Homo ridens, 56 – 59.
1.2 Lachen – Komik – Humor
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nicht einzusehen, warum die Theologie dazu mehr sagen und beitragen könnte als eine formale philosophische Ethik, zumal ihr eine moralische Kasuistik nach scholastischem Schema nicht mehr zur Verfügung steht. Ausdrucksgestalten des Lachens werden in dieser Arbeit, anders als bei Prütting, nicht systematisch abgehandelt, sondern sie treten auf drei Themenfeldern (I.1– 3) in den Vordergrund, die sich im zweiten Teil (II.1– 3) für die theologische Deutung öffnen. Die in 1.1. schon umrissenen anthropologischen Konstitutiva haben aber eine Affinität zum Bekundungs-Lachen, selbst dort, wo die Variablen einer sozialen Dynamik nicht übersehen werden können. Prütting hat das Bekundungs-Lachen als „affektiv getöntes Verhalten“⁴⁹ definiert oder, genauer, als „je spezifische Antwort auf eine bestimmte Situation von Betroffenheit“⁵⁰, wobei es „immer ins Freie, Offene,Weite“ tendiert: „Alles BekundungsLachen“, so Prütting, „ist entweder ambivalentes Verharren in einer irritierenden Situation oder positive Aufnahme und Bestätigung einer stützenden, erhebenden oder beflügelnden Situation oder Flucht aus einer bedrängenden Situation“.⁵¹ In diesen Distinktionen klingen schon Motive der Schöpfungstheologie, der Theodizee und der Soteriologie an, die in II.1– 3 im Kontext einer Schöpfungstheologie, Theodizee und Soteriologie des Lachens entfaltet werden sollen. Die Anlage dieser Studie ist so konzipiert, dass der anthropologische, mentalitätsgeschichtliche und phänomenologisch-erkenntnistheoretische Ertrag von I.1– 3 eingespeist wird in theologische Diskurse (II.1– 3), die für die jeweiligen Ergebnisse in bestimmter Weise aufnahmefähig sind und mehr noch, sie als Impulse für die Erweiterung, Differenzierung oder Vertiefung des angestammten Reflexionsfeldes nutzen. Dass die Exploration der Vulkanlandschaft des Lachens zwischen satanischem Vergnügen und göttlicher Lust einen Überschuss erzeugt, der theologisch nicht vollkommen absorbiert werden kann, darf nicht nur als Äquivalent einer skeptischen Gottes- und Glaubenslehre verstanden werden, die um die Grenzen ihrer Erkenntnismöglichkeiten weiß, sondern stimmt auch mit dem epistemologischen Ethos des Verfassers überein, ein Phänomen zu würdigen, das sich in seiner Vielschichtigkeit und Abgründigkeit dem dogmatischen Zugriff je und je entzieht und die Theologie zuallererst in eine neue Reflexionsbewegung zwingt, die ihr bis dahin fremd geblieben ist. Oder um es pointiert auszudrücken: Die Theologie ist dem Lachen nicht voraus, sie kann nur versu-
Prütting, Homo ridens, 1773. Prütting, Homo ridens, 1772. Prütting, Homo ridens, 1782.
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chen ihm nachträglich sein Geheimnis abzulauschen und manchmal muss sie schweigen, wenn sie vom Lachen reden will. I.1 erörtert auf der Basis der Forschungs- und Diskursgeschichte die leibseelische Qualität des Lachens, wobei das physiologische Programm und die biologischen Muster ebenso zur Sprache kommen wie die kognitive Mechanik und die psychologische Dimension. Der Schwerpunkt liegt darauf, a) die Komplexität der Ausdrucksform im Hinblick auf die subjektive Erlebnisqualität begreifbar zu machen, b) mit Hilfe eines psychohistorischen Exkurses zu den Existenzbedingungen und Entfaltungsräumen des Lachens im totalitären System sein Widerstands- und Subversionspotential zu überprüfen und c) die therapeutischen Möglichkeiten des Lachens zu diskutieren. I.2 widmet sich einer Tiefenschicht des Lachens, die sich als Humus kreatürlicher Vitalität und existenzieller Bedürfnisse begreifen lässt oder als Substrat dionysischer Religiosität und Festkultur. Es gilt, der Affinität von Lachen und Eros auf verschiedenen Spuren nachzugehen, die Symbolkraft des Lachens im religionsgeschichtlichen Kontext zu erhellen und die These von den revolutionären Kräften karnevalesker Ästhetik kritisch zu erörtern. Auf diese Weise rücken zwei anthropologische Phänomene, nämlich das Fest und das Spiel, ins Themenfeld hinein, die auf der Schnittstelle von Natur und Kultur angesiedelt sind und auch deswegen als Modalitäten des Lachens gelten können. I.3 schlägt einen weiten literatur-, mentalitäts- und theoriegeschichtlichen Bogen, um das Lachen als eine metaphysisch brisante und erkenntnistheoretisch fragwürdige Äußerungsform in den Blick zu bekommen, die nicht nur die finstersten Abgründe durchmessen, sondern auch auf utopische Horizonte gespannt sein, die eingespielte Wahrheitskonzepte untergraben und neue Evidenzen erzeugen kann. Hier zeichnen sich bereits Konturen des christlichen Wertungshorizonts ab: Denn die Motivgeschichte des blasphemischen Gelächters und das schwarze Lachen der Romantik reflektieren in unterschiedlicher Weise, als Aufstand gegen dogmatische Ordnungskonzepte oder als Ausdruck vollkommener Orientierungslosigkeit und Verzweiflung, die Erfahrung eines Kontingenzschocks, den Nietzsche in der Parole vom Tod Gottes festgehalten hat. Im Märchen ist das Lachen zum Teil noch ganz durch die christliche Unheilskonzeption figuriert, doch transzendiert es diesen dualistischen Rahmen zuletzt im Gestus der Utopie und daran knüpfte wiederum ein literarästhetischer Seitenspross an. Die Philosophie hat das Lachen als Kontingenzbewältigungsstrategie entweder proklamiert und an die Stelle Gottes gesetzt (Nietzsche und Bataille) oder es phänomenologisch analysiert und ontologisch ausgeleuchtet (Plessner, die Katastrophentheorie). Für die seit der Romantik virulente erkenntnistheoretische Krise, die diesen so unterschiedlichen Ansätzen vorausliegt, gibt es in der Ge-
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schichte des Narrentums bereits einige Anzeichen, auch wenn jene noch die Idee transportiert, dass der Narr oder die närrische Redeweise eine bestimmte Wahrheit verbürgt. Davon kann in modernen Bühnen- oder Prosastücken, deren ästhetisches Zentrum die Wahrnehmung des Grotesken und die Begegnung mit dem Absurden bildet, nicht mehr ohne Weiteres die Rede sein, und auch die Postmoderne wertet das Lachen prinzipiell als Moment der Unterbrechung von Sinnproduktionsroutinen, ohne die epistemologische Leerstelle neu zu besetzen. Dennoch hat die tradierte Vorstellung, dass das Lachen Erkenntnis fördert, eine Neuauflage erfahren, und zwar in dem Sinne, dass es dabei nicht mehr um begriffliche Fixierungen in einem vorgegebenen Koordinatensystem geht, sondern um die Maieutik eines neuen Denkens oder um die Evidenz eines Einfalls. Die drei theologischen Kapitel können als Komplemente zu II.1– 3 verstanden werden. Da sie aber einer eigenen Systematik und argumentativen Kohärenz gehorchen, sind sie teilweise etwas anders aufgebaut, so dass II.1 zwar das Gegenstück zu I.2 bildet, II.2 dagegen Aspekte des gesamten ersten Teils aufgreift und in einigen Punkten auch an II.1 anschließt, während II.3 sich vor allem auf einige Unterkapitel in I.3 bezieht. Eine strukturelle Gemeinsamkeit der theologischen Argumentationsstränge in II.1– 3 besteht darin, dass sie jeweils die Darstellung der theologie- und kirchengeschichtlichen Ressentiments und Abwehrstrategien gegen das Lachen an den Anfang stellen, in einem zweiten Schritt an den Rändern dieser Ausgrenzungsgeschichte Zeugnisse einer nischenförmigen christlichen Lachkultur sammeln, um dort Anknüpfungspunkte für eine systematisch-theologische Revision der lachfeindlichen Dogmenbildung zu finden. In II.1 ist dieses Revisionsunternehmen von einer schöpfungstheologischen Perspektive geleitet. Die sittenkritische Direktive der kirchlichen Theologie zielte zwar auf die Konditionierung des individuellen und kollektiven Affekthaushalts, doch öffneten sich selbst im kultisch-rituellen Kontext Räume für dionysische Grenzüberschreitungen. Diese weitgehend verschütteten Ressourcen wiederzuentdecken und in eine Theologie des Festes und des Spiels einzuschleusen, muss das Ziel einer Schöpfungstheologie sein, der daran gelegen ist, das Lachen als Element einer leibfreundlichen Spiritualität zu rehabilitieren. II.2 nimmt das Lachen vor einem soteriologischen Deutungshintergrund in den Blick. Gegen die langlebige Bußtheologie soll an Spielformen einer ikonographischen, theatralen und homiletischen Ästhetik erinnert werden, die darauf abzielten, den Gewissensdruck und die Angst vor dem Bösen im Lachen aufzulösen. Sie können als Vorahnung einer Theodizee verstanden werden, die allerdings einer eschatologischen Fundierung bedarf. So wird es in diesem Kapitel einmal darum gehen, die heilsgeschichtliche Teleologie und das Selbstoffenbarungshandeln Gottes am Modell der Komödie zu vermessen und zum anderen,
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
Gehalte der religiösen Erfahrung, im Besonderen aber das Moment der Erlösung, mit dem Lachen als Modus leiblicher Selbstvergegenwärtigung in Beziehung zu setzen. Auf der Grundlage der Ergebnisse von I.1-3 und II.1-2 lässt sich zuletzt eine theologische Einschätzung der Heilkraft des Lachens vornehmen, die über die psychosomatischen und psychotherapeutischen Aspekte hinaus nach den Bedingungen des Glücks fragt und in diesem eudaimonistischen Deutungsrahmen auch dem Ethos des christlichen Humors Aufmerksamkeit schenkt. II.3 setzt der im engeren Sinne dogmatischen und christologischen Ablehnung des Lachens zwei Gegenerzählungen entgegen, nämlich a) das Konzept der närrischen Wahrheit als offenbarungstheologischer Hypothese und die Geschichte der christlichen Narren, die sich als Organe oder Repräsentanten dieser Wahrheit verstanden sowie b) den Befund einer kirchlichen Ästhetik, die viele Jahrhunderte lang das Komische und das Lachen als Medien der Wahrheitsvermittlung nutzte. Dass das Lachen angesichts seines seit jeher gefürchteten wahrheitskritischen Impulses zugleich in ein Spannungsverhältnis zum Glauben gerät und welche Herausforderungen sich daraus ergeben, soll abschließend diskutiert werden.
1.3 Annäherung an ein Natur-Kultur-Hybrid – Phänomenologische Differenzierungen zwischen Triumph und Verzweiflung Obwohl diese Arbeit, wie in 1.2 erörtert, nicht die Absicht verfolgt, das phänomenologische Spektrum des Lachens systematisch zu erschließen, kommen wir in den Vorbemerkungen nicht umhin, den Forschungsgegenstand begrifflich ‚schärfer zu stellen‘. In der Geschichte der Lachtheorien ist der Versuch, den genuinen Charakter des Lachens durch Fokussierung seiner naturhaften oder kulturellen Herkunft zu ermitteln, als wiederkehrende methodische Weichenstellung erkennbar. Jene macht aber zugleich deutlich, dass trennscharfe Abgrenzungen nur innerhalb abstrakter Konstrukte möglich sind. Die komiktheoretischen Kontrast- und Superioritätshypothesen verschränkten anthropologische und soziologische Befunde. Wenn Platon, Hobbes, Bergson oder Alfred Stern das Lachen in sozialethischen oder gesellschaftstheoretischen Kontexten erörterten, konnten sie psychologische Invariablen nicht außer Acht lassen. Auf der anderen Seite bieten die Ansätze von Existenzialphilosophen wie Walo Hartmann oder Phänomenologen wie Rolf Kühn, die einen Wesenskern des Lachens definieren, indem sie ihn von allen sozialen und kommunikativen Bezügen isolieren, zwar interessante
1.3 Annäherung an ein Natur-Kultur-Hybrid
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Typologien und werden den quecksilbrigen Erscheinungsweisen des Phänomens doch nicht vollends gerecht. Kurt Tucholsky hat die Metamorphosen und den geheimnisvollen Sog des Lachens im Bild vom Vulkan gefasst, der immer neue Formen des Lachens ausspuckt, die sich auf die Menschen ergießen.⁵² Um die Vielfalt der „Erscheinungsformen des Lachens“ zu beschreiben und jene auf ihre Gemeinsamkeiten hin zu überprüfen, könnte auch Norbert Elias’ Bild vom reich verzweigten und doch aus einer gemeinsamen Wurzel quellenden Baum herangezogen werden oder der „Begriff des Rhizoms“⁵³, den die Postmoderne-Theoretiker Gilles Deleuze/Félix Guattari geprägt haben und an dem sich Stefanie Hüttinger⁵⁴ in ihrer hervorragenden Studie Die Kunst des Lachens – Das Lachen der Kunst: Ein Stottern des Körpers (1996) orientiert. Henri Bergsons (Le rire, 1900) bildhafte Gleichsetzung des Lachens mit dem Schaum, der sich durch „unsichtbare Strömungen und Bewegungen“⁵⁵ auf den Wogen des Meeres bildet und am Strand angespült wird, mag der forschenden Annäherung an die vertraute und zuletzt doch rätselhafte menschliche Äußerungsform ebenso stimmig präludieren. Daher ist vorauszusetzen, dass theoretische Zugänge das Lachen nicht erschöpfend erklären können und eine derartige epistemologische Zauberformel auch keineswegs wünschenswert wäre, da sie das Lachen reproduzierbar machen und damit banalisieren würde.⁵⁶ Zwar ist das Lachen inzwischen als „universale Disposition des Menschen“⁵⁷ anerkannt, doch seine prinzipielle kulturelle und historische Situierung ebenso wie seine je subjektive Inkommensurabilität lässt reduktionistisch-ontologisierende Zugänge problematisch erscheinen. Für die theoretische Bewältigung des Phänomens Lachen ist die methodische Distinktion grundlegend, dass das Lachen einerseits einem spontanen Impuls, andererseits einer bestimmten gesellschaftlichen Norm bzw. einem bereits sozialisierten Affekt folgen kann, m. a. W. dass unterschieden werden muss „zwischen jenen Situationen, in denen jemand lachen musste, und jenen, in denen
Vgl. Dietmar Regensburger, Leben am Rande, 122. Eckhart Schörle, Die Verhöflichung des Lachens, 32. Hüttinger verfolgt epistemologisch einen ähnlichen Ansatz wie diese Arbeit, wenn sie in einer spiralförmigen Erkenntnisbewegung Lach- und ästhetische Theorien so miteinander in Beziehung setzt, dass sie sich gegenseitig bespiegeln und beleuchten können. Sie erteilt jedweden streng definitorischen Zugriffen eine Absage, da nur die partikularen Aspekte des Lachens erhellt werden und die vielfältigen Spielarten des Lachens sich nur wechselseitig erklären können (vgl. Die Kunst des Lachens – das Lachen der Kunst, 8 f.). Schörle, Die Verhöflichung, 33. Vgl. Andreas Michel-Andino, Kleine Philosophie des Lachens, 15 f. Schörle, Die Verhöflichung, 14.
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man lachen sollte“.⁵⁸ Im einen Fall erweist sich das Lachen als „autonomistisches und emergentes“⁵⁹ Körpergeschehen, eine „energetische Ausschüttung“⁶⁰ fernab eines „instrumentellen Selbstverhältnisses“⁶¹. Im anderen Fall treten seine psychosozialen, moralisch-institutionellen Determinierungen in den Vordergrund. Lenz Prütting unterscheidet, wie bereits erwähnt, zwischen drei Grundtypen des Lachens: a) das unadressierte, unverfügbare Bekundungslachen, b) das prinzipiell verweigerbare, nicht zielgerichtete Resonanzlachen und c) das meist mit Blickkontakt adressierte, verfügbare Interaktionslachen.⁶² Die an Plessners Phänomenologie angelehnte Theorie hat die eruptiv-unkontrollierbare Variante als Prototypen des Lachens ausgewiesen.⁶³ In jüngerer Zeit ist in den Wissenschaften jedoch der interaktionale Aspekt in den Vordergrund gestellt worden. Der Germanist Rudolf Helmstetter spricht für viele Lachforscher, wenn er feststellt, dass das Lachen in bestimmten kulturellen Kontexten und Kommunikationssituationen bewusst inszeniert, dass es „endogen und exogen erzeugt“⁶⁴, „manuell, […] mental, symbolisch und imaginativ stimuliert“⁶⁵, „sozialisiert und kultiviert werden kann“⁶⁶, und zwar, wie hinzuzufügen ist, mit jeweils ganz unterschiedlichen Absichten, die wiederum ethisch differenziert zu bewerten sind. Das Lachen erweist sich somit als ein Ausdrucksgeschehen, bei dem „physiologische, […] psychische […] und soziale Systeme“⁶⁷ interferieren, oder m. a. W., Affekt und körperliches Geschehen, Kognition und Kommunikationsvorgang potentiell als Einheit erfahren werden. Der Soziologe Justin Stagl bezeichnet das Lachen als quasi-sprachliche „Ausdrucksbewegung, mit der […] untertrieben, übertrieben oder gelogen werden kann“.⁶⁸ Es kann ein
Hans-Jürgen Diller, Lachen im geistlichen Schauspiel des englischen Mittelalters, 175. Velten, Scurrilitas, 12. Dass das Lachen zunächst als unverfügbares, nicht-steuerbares Ereignis naturphilosophisch anzuerkennen ist, hat erstmalig Aristoteles zur Geltung gebracht (vgl. Prütting, Homo ridens, 144). Velten, Scurrilitas, 11. Velten, Scurrilitas, 12. Vgl. Prütting, Homo ridens, 56 – 59. Vgl. dazu den Widerspruch Helga Kotthoffs in ihrem Aufsatz Lachen über sich selbst, Selbstbewitzelungen und ihre Funktion im Kontext informeller Gespräche, 2006. Helmstetter, Vom Lachen, 769. Helmstetter, Vom Lachen, 770. Helmstetter, Vom Lachen, 769. Helmstetter, Vom Lachen, 769. Justin Stagl, Nichtlachen und Nichtweinen als negative Gesten, 89. Da der Mensch erst rückblickend über die Gründe seines Lachens nachdenkt, kann es sein, dass er sich beim Lachen wohlfühlt und im nachhinein schämt (vgl. Burkhart Lindner, Die Spuren von Auschwitz in der Maske des Komischen, 85 f.).
1.3 Annäherung an ein Natur-Kultur-Hybrid
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Lächeln ersetzen oder sich in einem Lächeln verbergen.⁶⁹ Der Psychologe Juan A. Bernhardt zählt es aufgrund seiner kommunikativen Vieldeutigkeit zu den Formen non-verbaler Interaktion.⁷⁰ Jenes interaktionell-strategische Lachen kommt, wie wir schon festgestellt haben, weitaus häufiger vor als der spontane und explosive Lachausbruch.⁷¹ Doch mit der nicht nur nützlichen, sondern notwendigen Klassifizierung des Lachens gemäß der idealtypischen Dispositionen intentional/nicht-intentional darf nicht zugleich das überholte dualistische Schema der Wirklichkeitsdeutung reproduziert werden. Denn weder können die jeweiligen Bewusstseinszustände bedenken- und bruchlos auf ein bipolares Natur-Kultur-Ordnungsmodell abgebildet werden noch sind sie jederzeit so sauber auseinanderzuhalten, wie es das narzisstische Ich reklamiert. Zwar haben neurologische Studien⁷² das „pathologische“, das unwillentliche und das „freiwillige Lachen“⁷³ in verschiedenen funktionalen Hirnregionen zu lokalisieren versucht (vgl. I.1.1) und Heiner Uber/ André Steiner stellen sogar die Behauptung auf, das authentische Lachen sei an der Entstehung der Lachfalten am Auge erkennbar,⁷⁴ doch ist es in der sozialen Realität oft nicht möglich das unverbildete Naturereignis von einem künstlichen Artefakt zu trennen. Die Übergänge zwischen den Sphären von Natur und Kultur sind ebenso fließend wie die zwischen Körper und Bewusstsein und das Phänomen des Lachens ist für diesen komplexen, mehrdimensionalen Wirklichkeitsbegriff ein aussagekräftiges Beispiel. Einige Gelehrte haben das ätiologische Problem mit der Vorstellung einer sozialen Evolution des Lachens gelöst.⁷⁵ Der Kulturwissenschaftler Rainer Stollmann etwa bezeichnet das ursprüngliche „exzessive Gelächter“⁷⁶, das er mit dem Krabbeln analogisiert, als erste rhythmische „Gesamtbewegung des Körpers“⁷⁷ und unterscheidet es von einer „sekundären Aneignung“, mit der das Lachen in den Bereich der „Höflichkeitsformen“,⁷⁸ der Konversationstechniken und gesell-
Vgl. Christine Dartmann, Das lachen der vrouwe, 31. Vgl. Juan Andres Bernhardt, Humor in der Psychotherapie, 19 ff. Vgl. Barbara Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 3. Vgl. B. Wild, F. A. Rodden, W. Grodd, W. Ruch, Neurological correlates of laughter and humour, Brain 126, 2121– 2138. Wolfgang Behr, Etymologische Notizen zum Wortfeld ‚lachen‘, 438. Vgl. Heiner Uber/André Steiner, Lach dich locker, 26 f. Dieses Modell hat erstmalig der englische Psychologe James Sully (1842– 1923) vorgestellt, der die kulturelle Evolution des Lachens allerdings als Degeneration und Verfälschung des Naturzustandes verstand (vgl. Prütting, Homo ridens, 1370 f.). Rainer Stollmann, Groteske Aufklärung, 71. Stollmann, Groteske Aufklärung, 74. Stollmann, Groteske Aufklärung, 71.
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schaftlichen Theatralik verschoben wird. Alfred Stern geht von einem evolutionsgeschichtlichen Kategoriensprung aus, der den ursprünglich rein biologischen Vorgang des Lachens schließlich in die höhere Ordnung geistiger Operationen oder konkreter: der Werturteile gehoben hat.⁷⁹ Der Romanist Hans-Martin Gauger entnimmt der Redewendung, dass ‚einem das Lachen vergeht‘, das Wissen um die natürliche Gegebenheit des Lachens; doch sei der profane Vorgang offen für Vergeistigung und Verfeinerung.⁸⁰ Norbert Elias hat dargelegt, dass das „angeborene“, spontan auftretende und eigengesetzlich ablaufende „Bewegungsmuster“⁸¹ des Lachens zwar im Zuge des gesellschaftlichen Normierungsprozesses entschärft wurde und damit der willkürlichen Steuerung, Reproduktion oder Disziplinierung unterliege. Doch zeuge selbst der sozial überformte Lachakt noch von der Naturhaftigkeit des „unwillkürlichen Impulses“⁸². Einerseits ist der spontane Lachausbruch kaum je losgelöst ist von Rahmungen der Konvention, andererseits kann die „explosive Kraft“⁸³ des Lachens die Fesseln der Selbstkontrolle jederzeit zerreißen. Das Lachen verweist somit auf die Unerträglichkeit einer dauerhaften Unterdrückung von Triebenergien,⁸⁴ es trägt stets die „latente Katastrophengefahr“ für das „Geflecht von Verabredung [und] psychischer Kontrolle“⁸⁵ in sich. Eine Studie, die dem Lachen als anthropologischem Phänomen auf den Grund gehen will, muss die Reduktionismus-Falle auch in der Hinsicht umgehen, dass sie nicht wie so viele Vorläufer nur einen ganz spezifischen Lach-Typus fixiert, sondern die ganze Variationsbreite des Lachens in den Blick nimmt, die von der „leichten Heiterkeit über das thersiteshafte Spottlachen bis zum desparaten Gelächter in Bonaventuras Nachtwachen“ ⁸⁶ reicht. Der Germanist Helmuth Bachmaier unterscheidet das Lachen der Grenzüberschreitung von dem der Grenzfixierung: Die transgressive Variante begegnet beispielsweise im Tabubruch, die limitierende beim Auslachen.⁸⁷ Der Medizinpsychologe Andreas Lei-
Vgl. A. Stern, Philosophie, 105. Vgl. Gauger, Das Persönliche, 840. Michael Schröter, Wer lacht, kann nicht beißen, 866. Schröter, Wer lacht, 866. Stefanie Köhler, Differentes Lachen, 138. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 138. Für den Psychoanalytiker Martin Grotjahn besteht der Unterschied zwischen dem urwüchsig-organischen und dem vermittelt-kultivierten Lachen alleine im Maße der aufrechterhaltenen Zensurkontrolle (vgl. Vom Sinn des Lachens, 158). Wolfgang Jansen, Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, 13. Gert Ueding, Rhetorik des Lachens, 39. Vgl. Helmut Bachmaier, Warum lachen die Menschen?, 9.
1.3 Annäherung an ein Natur-Kultur-Hybrid
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tenberger referiert die „funktionalen Kategorien des Lachens“⁸⁸: Affiliation und Aggression, Furcht, soziale Ängstlichkeit und Interaktion, alle möglichen Formen von Freude und Traurigkeit, Komik, Ungläubigkeit und Selbstreflexivität. Die Soziologin Renate Jurzik stellt fest, dass das Lachen zwischen „das Höchste und Niederste“⁸⁹ gespannt ist. Es kann spöttisch, herzlich, verzweifelt, verlegen, hysterisch, unbekümmert, triumphal und verachtend sein,⁹⁰ kann, wie Stefanie Hüttinger anmerkt, „Glück, Liebe, Erotik und Genesung“ zum Ausdruck bringen oder von „Grauen, Scham und todbringender Krankheit“⁹¹ zeugen. Die Romanistin Elisabeth Arend markiert die semantische Bandbreite zwischen „Freude und Zustimmung über Unsicherheit, Verlegenheit, Koketterie und Erschrecken, Scham und Ärger bis zu Abwertung und Abneigung, Grausamkeit sowie Sadismus“.⁹² Auch Norbert Elias hat die Pluriformität des Lachens hervorgehoben, das „zwerchfellerschütternd, gepresst, zärtlich“⁹³ und mit diametral entgegengesetzten Einstellungen wie Liebe und Hass verbunden sein könne.⁹⁴ Hans-Martin Gauger und die Volkskundlerin Sabine Wienker-Piepho erschließen die Ausdrucksvarianz, die intentionale Polyvalenz und phonetische Gestalt des Lachens über das Angebot semantischer Zusatzbestimmungen.⁹⁵ Entscheidend für seine Signalwirkung sind neben situativen Bedingungen „Lautstärke, Stimmlage,
Andreas Leitenberger, Lachen als Symptom?, 26. Leitenberger beruft sich an dieser Stelle auf F. Poyatos, Nonverbal Communication across disciplines, Amsterdam/Philadelphia 2002, 114– 156. Renate Jurzik, Der Stoff des Lachens, 14. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 14. Ruth Ammann schlägt in ihrem Essay eine Farbenlehre des Lachens vor, die Hinweise auf die emotive Signifikanz und körperliche Herkunft des Lachens gibt (vgl. Die Farbe des Lachens, 19). Hüttinger, Die Kunst, 224. Elisabeth Arend, Das Lachen angesichts des Scheiterhaufens, 6. Schröter, Wer lacht, 861. Alfred Stern unterscheidet das Lachen der „Schadenfreude, das erotische Lachen, das nervöse, hysterische, das automatische Lachen“ (Philosophie, 130). Dass diese verschiedenen LachArten hinsichtlich ihrer kausalen und intentionalen Bestimmtheit und im Grad der kognitiven Kontrolle signifikant divergieren, wird aber in seiner Qualifizierung jeder Variante des Lachens als positives oder negatives Werturteil wieder eingeebnet. So kann das Lachen „leise, laut, schallend, dröhnend, wiehernd, brüllend, meckernd, pruschend; herzlich, fröhlich, freundlich, befreiend, hämisch, süffisant, überlegen; böse, bösartig, tierisch, dreckig, höhnisch, unheimlich, gezwungen, künstlich“ (Gauger, Das Persönliche, 846) sein, außerdem „dünn“, „breit“, „verhalten“ und „frostig“, „schrill, offen, sanft, warm, still, kalt, schneidend, geheim, müde, ausgelassen, spöttisch, traurig, unheimlich, histrionisch, sardonisch, frenetisch, hysterisch, verklemmt, […], blöde“ (Sabine Wienker-Piepho, „Homo narrans“ und „homo ridens“, 58).
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
Klang, Länge und Ausdruck“⁹⁶ sowie „Gesten, Grimassen, Blicke, Körperhaltungen“⁹⁷. Gauger versteht das Lachen als eine „Steigerung des Lächelns“⁹⁸: Es ist zwar nicht unbedingt, aber im Normalfall akustisch wahrnehmbar,⁹⁹ als Kichern, Gackern oder Glucksen, als gedämpftes, schallendes oder brüllendes Lachen.¹⁰⁰ Oft manifestiert sich der freigesetzte Energieüberschuss in exzentrischer körperlicher Aktivität: „Man lacht Tränen“, hält sich den Bauch, „klopft sich auf die Schenkel vor Lachen, bekommt keine Luft, schüttelt sich, […] wälzt sich“.¹⁰¹ Helmuth Plessner unterschied das Lachen mit seiner „gepresst-pressenden Automatik“¹⁰² vom Jubel, der Gebärde grenzenloser Freude.¹⁰³ „Echtes Lachen“ setzt für Plessner Desorientierung voraus und als desorientierende Variablen
Hüttinger, Die Kunst, 8. Sebastian Kühn, Gesellig, agonal, distanzierend, 214. Gauger, Das Persönliche, 845. Der Germanist Gert Ueding verweist auf den Versuch, „das Lachen seiner lautlichen Erscheinung nach […] zu deuten, also etwa das ‚Haha‘-Gelächter als offen, befreiend, herzhaft, das ‚Hihi-Kichern‘ als verschmitzt und schadenfroh […], das ‚Hehe‘-Lachen […] als scheelsüchtig und hämisch“ (Rhetorik des Lachens, 39). Mit Helga Kotthoff lässt sich das eher höhnische oder zotige Hohoho-Lachen als „Reaktion auf Ungeheuerlichkeit und Unverschämtheit“ (Lachen über sich selbst, 60) ergänzen. Günther H. Ruddies hat mit der disparaten Lach-Phonetik subjektive Dispositionen in Verbindung gebracht: „Lebenskraft, […] Freude und Energie“ (Vergnügliche Seelenkunde, 17) mit dem ‚haha‘, Verkrampfung und Heimlichtuerei mit dem ‚hehe‘, hexenartige Schadenfreude und teenagerhaftes Vergnügen mit ‚hihi‘, Überraschung, Angriffslust und Hohn mit ‚hoho‘, Erschrecken und Schaudern mit ‚huhu‘. Der italienische Astrologe Damascenus ordnete 1662 die unterschiedlichen Lachlaute den humoralpathologischen Temperamenten zu, das hi-hi-hi den Melancholikern, das he-he-he den Cholerikern, das ha-ha-ha den Phlegmatikern, das ho-ho-ho den Sanguinikern (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 38 und Gisbert Kranz, Das Göttliche Lachen, 13). Marion Bönsch-Kauke (Kinderhumor im Schulalltag beobachtet, Televizon 16, 2003/1) typisiert die divergente Lachvokalisation des Kinderlachens (vgl. Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 84). Vgl. Breuer, Närrische Verstörung, 103. Breuer, Närrische Verstörung, 103. Man kann „sich ausschütten, […], sich den Bauch halten, […] sich kugeln vor Lachen, sich krumm, schief, tot, halbtot, sich einen Ast, sich ins Fäustchen lachen“ (Gauger, Das Persönliche, 846). Man kann einen „Lachanfall“ und einen „Lachkrampf“ (846) bekommen. Helmuth Plessner, Philosophische Anthropologie, 79. Plessner gesteht zwar ein, dass das Lachen, wenn es dem Leiden abgerungen ist, eine Ausdrucksgestalt des Jubels sei (vgl. Philosophische Anthropologie, 80), doch weil er das Phänomen qualitativ von körpersprachlichen Programmen und Befindlichkeitssignalen abgrenzt, erfüllen die Eruptionen überschießender Freude ebenso wenig wie die durch Kitzeln ausgelöste Körpermechanik die Voraussetzung für eine Anerkennung als vollgültiges Lachen (vgl. Hartmann, Über das Lachen, 135).
1.3 Annäherung an ein Natur-Kultur-Hybrid
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kommen das „Spiel, Komik, Witz, Verlegenheit und Verzweiflung“¹⁰⁴ in Frage, nicht aber „Unbeschwertheit, gute Laune“, die eher als „klimatische Bedingungen“¹⁰⁵ fungieren.¹⁰⁶ Mit wachsender „ästhetischer Distanz“¹⁰⁷ kann sich das Lachen, so Helmuth Plessner, umso freier entfalten. Stefanie Hüttinger deutet darauf hin, dass dem Lachen die ambigue Struktur von Distanz und Nähe, Exklusion und Inklusion, Vernunft und Unvernunft, Ordnung und Unordnung zugrunde liege:¹⁰⁸ „Man kann lachen, weil etwas so dumm erscheint, dass man es auslacht, und ebenso kann man lachen aus purer Freude an etwas Wunderbarem. Vielleicht lacht man aber auch über das Wunderbare, weil es ein klein wenig dumm ist“.¹⁰⁹ Einen triftigen Einwand gegen simplifizierende psychologische Funktionalisierungen des Lachens liefert auch Rainer Stollmann, wenn er darauf aufmerksam macht, dass es wahrhaftige und schimärische Anlässe zum Lachen gibt: Im einen Fall ermöglicht das Lachen kathartische Entlastung für das Individuum oder das Kollektiv, im anderen hinterlässt es existenzielle Leere. Eine eindeutige Qualifizierung ist, wie schon angedeutet, oft nicht möglich,¹¹⁰ allerdings zeichnet sich das echte Lachen, so Lenz Prütting, durch „synergetische Zugleichheit“¹¹¹ aus, m. a. W. durch die Stimmigkeit der Körpersprache und das Einbezogensein des ganzen Körpers in den Vorgang des Lachens. Der Literaturwissenschaftler Paul Konrad Kurz unterscheidet „naives, noch vorbewusstes“ von „welterfahrenem, differenziert bewusstem, ironisch intellektuellem Lachen“, das Lachen „mit glücklichem Bewusstsein“ vom Lachen „trotz unglücklichem Bewusstsein“.¹¹² Kurz stellt fest, dass Säuglinge anders lachen als Mütter, „Teenager häufiger als Senioren, Verliebte anders als Sieger, Erfolgreiche leichter als Verlierer, Naive rascher als Intellektuelle, Angetrunkene leichter als
Hartmann, Über das Lachen, 135. Hartmann, Über das Lachen, 136. Menschenverachtendes Lachen gehört für Plessner nicht zu den Varianten ‚echten Lachens‘ (vgl. Galler, Lachen und Lächeln, 24). Plessner, Philosophische Anthropologie, 123. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 8. Hüttinger, Die Kunst, 202. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 63. Die Karnevalsfeiern in Paris nach der Befreiung durch die amerikanischen Soldaten mögen für diese Ambivalenz illustrativ sein (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 63). Branko Bokun macht darauf aufmerksam, dass das Eintreffen einer schlechten Nachricht ein Lachen verursachen mag, wenn diese Nachricht schon lange Zeit ängstlich erwartet wurde und sich die leidvolle „seelisch-körperliche Anspannung“ (Wer lacht, lebt länger, 52) auflösen kann. Prütting, Homo ridens, 1705. Paul Konrad Kurz, Das Lächeln am Fuße der Leiter, 316.
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1 Lachen als Forschungsgegenstand
Nüchterne, Enthemmte anders als kühl Bewusste“,¹¹³ Humorvolle schneller und freigebiger als Depressive und Zwanghafte, Arme in Entwicklungsländern häufiger und herzlicher als Wohlhabende in Industrieländern. Arthur Schopenhauer verknüpfte das herzliche Lachen mit dem Ernst und das künstliche Lachen mit Oberflächlichkeit und Leichtlebigkeit.¹¹⁴ Auch im Hinblick auf kollektives Gelächter sind verschiedene Ausdrucksformen unterscheidbar: Das aggressive Lachen der Soldaten, die Lachsalven im Theater oder Kabarett, das Gröhlen einer Bier trinkenden Skatrunde, das Kreischen in der Geisterbahn haben ihren jeweils eigenen Charakter.¹¹⁵ Die alten Griechen ordneten den verschiedenen Landschaften bzw. Regionen spezifische Lach-Arten zu: „feingeistiges, derbes, bitteres, heiteres und gutmütiges, […] bäurisches und […] naserümpfendes“¹¹⁶ Lachen. Das Lachen über den Witz kann „spielerisch und heiter“ oder „kaltschnäuzig und maliziös“¹¹⁷ sein. Ironie und Satire evozieren ein pädagogisch zurechtweisendes oder sarkastisch bloßstellendes, vernichtendes Lachen, wohingegen das Lachen über die Posse und den Schabernack zwar einen korrektiven, doch zugleich gutmütig-bewahrenden Zug hat.¹¹⁸ Dem Humor entspricht ein sympathetisches, heilendes Lachen, das Widersprüche und Unzulänglichkeiten mit Akzeptanz begegnet: Denn der humorvoll Lachende begreift sich selbst als Teil der „unproportionierten Welt“¹¹⁹, er kann sich von ihr und von sich selbst distanzieren und sie und sich selbst gleichzeitig liebend umfangen. Während das humorvolle Lachen den „Sinn des Seins“ bezeugt, behauptet das „grundlose Lachen […] den Unsinn des Seins“.¹²⁰
Kurz, Das Lächeln, 321. Vgl. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II, Teil 1, 118 f. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 10. Kranz, Das göttliche Lachen, 11 f. Kranz, Das göttliche Lachen, 20. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 20 f. Kranz, Das göttliche Lachen, 21. Kranz, Das göttliche Lachen, 26.
Satanisches Vergnügen oder göttliche Lust – zwischen Himmel und Hölle
1 Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches Moment 1.1 Der Körper, ein Tollhaus – physiologische Anarchie: von der Renaissance bis zur modernen Neurologie Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich der körperlichen Mechanik des Lachens widmen, setzen voraus, dass sich das Lachen der volitiven Kontrolle des Menschen entzieht. Der Typus des bewusst generierten pragmatischen Lachens ist in der Phänomenologie des physiologischen Programms ausgeblendet. Dass sich das Ausdrucksgeschehen des Lachens nicht positivistisch auf ein automatisch ablaufendes Körperprogramm reduzieren lässt, muss nicht mehr eigens begründet werden. Doch wollen wir den heuristischen Wert der empirischen Befunde für die geisteswissenschaftliche Deutung des Lachens nicht unterschlagen. Die Renaissancegelehrten waren die ersten, die der leiblichen Manifestation des Lachens die gebührende Aufmerksamkeit widmeten: Sie begannen, das Phänomen anhand somatischer Gesetzmäßigkeiten zu erschließen und es physiologisch zu transkribieren. Laurent Jouberts von der Forschung wiederentdeckter Traité du Ris (1579)¹ ist zwar ebenso wie noch die Barockmedizin, die Descartes seelenkundlicher Studie Les passions de l’âme (1649)² zugrunde liegt, der antiken humoralpathologischen Vier-Säfte-Lehre verpflichtet,³ hat jedoch das Joubert beschreibt das Lachen als eine flüchtige und „prozesshafte Bewegung“, die vom Herzbeutel auf das Zwerchfell und von dort auf die „inneren und äußeren Organe“ (Velten, Scurrilitas, 428) übergeht.Voraussetzung für das konvulsivische physiologische Geschehen ist die Biegsamkeit und Geschmeidigkeit des Körpers (vgl. 427). Das Gehirn mobilisiert zwar den Nervenapparat und ‚befiehlt‘ die beim Lachen symptomatischen muskulären Aktivitäten, doch seinen eigentlichen Ausgangspunkt hat das Lachen im Herzen, dem affektiven Zentrum der Person (vgl. Ursula Link-Heer, Physiologie und Affektenlehre des Lachens im Zeitalter Rabelais’, 265/267). Joubert verknüpft das Lachen also mit den Leidenschaften des Menschen, er findet eine „protowissenschaftliche“ (254) Sprache dafür, dass „man vor Lachen pisst, scheißt und schwitzt“ (255). Descartes (Die Leidenschaften der Seele, 187– 193) beschreibt vor dem Hintergrund seines mechanistischen Wissenschaftsverständnisses einen Reflex der Zirbeldrüse (vgl. Prütting, Homo ridens, 776), der eine physiologische Kettenreaktion verursacht: Aufgrund des „erhöhten Blutdrucks“ blähen sich die Lungenflügel auf und stoßen „gegen Zwerchfell, Brust und Kehle“ (Schröder, Lachen, 71). Herzklappen und Stimmorgan sind geöffnet, „eine analoge Nervenverbindung“ generiert den „vollen Ton des Lachens“ (71). Auch die Anatomy of Melancholy (1621) des Humanisten Robert Burton folgt dem humoralpathologischen Schema und rechnet das Lachen zu solchen Körperregungen, die wie das Schwitzen oder die Flatulenz zu den „materiellen oder immateriellen Ausscheidungen“ (Pfister, An arguhttps://doi.org/10.1515/9783110667769-002
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1 Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches Moment
konvulsivische Leibgeschehen organmedizinisch schon ansatzweise erfasst und eine akribische Notation der körperlichen Lachmechanik geliefert.⁴ Kant, Herbert Spencer und die „positivistischen Materialisten“⁵ der Darwin-Schule⁶ gaben der naturwissenschaftlich informierten Lachtheorie neue Impulse. Ihr Erbe trat im 20. Jahrhundert die empirische Gelotologie an, die auf physiologischer und neurologischer Basis die Erforschung des Phänomens vorantrieb. Wenn wir vom Lachen sprechen, dann meinen wir einen Vorgang, in den der ganze Körper verwickelt ist. Zwar lässt sich mit dem Zwerchfell ein „Explosionsort“⁷ lokalisieren, doch die Erschütterung betrifft nicht ein einzelnes Organ. Vielmehr verwandelt sich der gesamte Körper, gewissermaßen von den Zehen bis zu den Haarspitzen, in das Organ oder Instrument des Lachens.⁸ Lenz Prütting spricht vom „synergetisch-synästhetischen Prinzip“⁹ des Lachvorgangs.
ment, 216) gehören. Es entstammt „den Niederungen des Körpers“ (206) und geht auf eine Dysfunktion der Milz zurück. Jouberts Beschreibung des ekstatischen Lachvorgangs nahmen Marin Cureau de La Chambre (Les charaktères des passions, 1640 – 1662), Ernst Anton Nicolai (Abhandlung von dem Lachen, 1746), Louis Poinsinet de Sivry (Traité des causes physique et morales du rire, 1768) und Carl Julius Weber (Demokritos, 1832– 1840) auf (vgl. Prütting, Homo ridens, 746). Stollmann, Groteske Aufklärung, 45. In der gelotologischen Forschung wird häufig die Deskription des englischen Wissenschaftlers G. V. N. Dearborn zitiert, die Joubert jedoch in den Grundzügen schon vorweggenommen hat: „Beim Lachen […] gibt es klonische Spasmen des Zwerchfells, gewöhnlich etwa achtzehn an der Zahl, und eine Kontraktion der meisten Gesichtsmuskeln. Der obere Teil des Mundes und die Mundwinkel werden nach oben gezogen. Das oberste Augenlid wird hochgehoben, wie in einem gewissen Maße auch die Brauen, die Haut über der mittleren Fläche des Stirnbeins und die Oberlippe, während die Haut an den äußeren Mundwinkeln sich charakteristisch runzelt. Die Nüstern sind mäßig erweitert und nach oben gezogen, die Zunge ist etwas gestreckt, und die Wangen sind gebläht und leicht nach oben gezogen; bei Personen mit stark entwickelten Ohrmuschelmuskeln tendieren die Ohrmuscheln nach vorn. Der Unterkiefer vibriert oder ist zurückgezogen (zweifellos um möglichst viel Luft in die sich aufblähenden Lungen zu lassen), und der Kopf wird bei starkem Gelächter zurückgeworfen; der Oberkörper streckt sich und neigt sich sogar zurück, bis (und das tritt bald ein) Ermattung und Schmerz im Zwerchfell und der Bauchmuskulatur den Körper zur Entlastung deutlich beugen lassen. Das ganze arterielle Gefäßsystem weitet sich, so dass durch die Wirkung der Hautkapillaren Erröten des Gesichts und des Halses und manchmal auch der Kopfhaut und der Hände eintritt. Aus demselben Grund treten die Augen oft etwas hervor, und die Tränendrüse tritt in Aktion, aber gewöhnlich nur so weit, dass die Augen ‚glänzen‘, oft jedoch auch so stark, dass ihre Tränen ihre Kanäle ganz überschwemmen“ (The Nature of smile and laugh, Science 11 [1900], zitiert und übersetzt nach: Raymond A. Moody, Lachen und Leiden, 17 f.). Stollmann, Groteske Aufklärung, 62. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 62. Prütting, Homo ridens, 61.
1.1 Der Körper, ein Tollhaus – physiologische Anarchie
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Der enorme Aufwand, den der lachende Körper betreibt, ist besonders an der muskulären Hyperaktivität erkennbar, die einer immer stärker werdenden Welle ähnelt.¹⁰ Das Lachen aktiviert „etwa 15 Gesichtsmuskeln“, insgesamt aber „fast 300 Muskeln“¹¹. Es beansprucht je nach Intensität unterschiedlich stark die „Muskulatur von Schultergürtel, Rumpf und Gliedmaßen“¹² bis hin zur schmerzhaften Zerrung des Brustkorbs¹³ und zum Bauchmuskelkater¹⁴. Die Kaumuskeln werden beim Lachen dagegen gelockert, ebenso Beine, Hände, Kopf, u. U. sogar die Schließmuskeln.¹⁵ Mit der nachlassenden Spannung der Skelettmuskeln hängt es zusammen, dass der Lachende förmlich zusammenzubrechen scheint und kaum einen Gegenstand festhalten kann.¹⁶ Das muskuläre Geschehen versetzt den ganzen Körper in Schwingung und lässt ihn kapitulieren angesichts des unerträglich gesteigerten Stresszustands. Denn die erhöhte körperliche Aktivität umfasst nicht nur den muskulären, sondern auch den elektrodermalen Bereich, das kardiovaskuläre und „zentrale Nervensystem“¹⁷, die Hormonausschüttung, Tränenabsonderung und Pupillendilation. Differenzierte Forschungsergebnisse zur Vernetzung der neuronalen Arbeitsbereiche trägt Andreas Leitenberger vor, denen zufolge „Teile der frontalen und temporalen Hirnrinde sowie der vordere Hypothalamusanteil, der Thalamus, hintere Anteile des Dienzephalons, […] das limbische System und die Fazialiskerne, der motorische Vaguskern und die motorischen Vorderhornzellen der Atemmuskulatur […] an der cerebralen Steuerung des Lachens […] beteiligt“¹⁸ sind.¹⁹ Das neurophysiologische Zentrum des Lachens ist nach Auskunft des Arztes Henri Rubinstein die „rechte präfrontale Hirnrinde“²⁰, wo zum einen ko Vgl. Henri Rubinstein, Lachen macht gesund, 56. Thomas Auchter, „Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe“, 30. Rolf Michael Schneider, Gegen die Norm?, 544. Vgl. Caroline Rusch, Der Lachtherapeut, 82. Vgl. Brigitte Stemmer, Wie stark machen Lachen und Humor wirklich?, 25. Vgl. Rubinstein, Lachen, 56 ff. Vgl. Raymond A. Moody, Lachen, 21. Franz Dumbs, Humor in der Psychotherapie, 58. Leitenberger, Lachen, 11. Die zugrunde liegende Studie von Müller und Müller (1980) führt Leitenberger im Literaturverzeichnis leider nicht an. Bereits in den 60er-Jahren ließen Experimente die Vermutung zu, dass bei kortikalen Erregungen die Beteiligung kognitiv-distanzierter Motivationen am Lachen größer ist, bei „subkortikalen […] Erregungen“ (Niels Birbaumer, Zur Psychologie des Lachens, 18) dagegen der Anteil des triebhaft-affektiven Impulses. Barbara Wild hat allerdings zuletzt darauf hingewiesen, dass die neuronale Steuerung des Lachens noch nicht empirisch präzisiert werden konnte (vgl. Humor im Gehirn, 44). Rubinstein, Lachen, 62. Nach J. J. M. Ashkenasy (The functions and disfunctions of Laughter. In: Journal of General Psychology, October 114:4 [1987], 317– 334) ist das menschliche Lachvermögen im Hinterhirn lokalisiert. Vgl. dazu Köhler, Differentes Lachen, 54.
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1 Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches Moment
gnitive Funktionen koordiniert, zum anderen über die Verbindung mit dem limbischen System Triebimpulse und Affekte verrechnet werden. Der körperliche Ausnahmezustand schließt eine Veränderung der Atemphysiologie ein: Die Anspannung der Brustmuskulatur erhöht die Lungenelastizität²¹ und da sich die arteriellen Gefäße weiten und die Bronchien öffnen, kommt es zu stärkerer Lungenventilation.²² Die Einatmung ist nun vertieft und verlängert, die Ausatmung verkürzt, aber intensiviert, so dass eine „vollständige Luftentleerung in der Lunge“²³ und ein drei- bis vierfach gesteigerter Gasaustausch stattfindet. Zudem aktiviert das Lachen eine ausgeglichene und gleichsam musikalisch rhythmisierte Brustatmung.²⁴ Die Weitung des Kehlraums ermöglicht die stimmliche Intonation zwischen Schreien und Singen.²⁵ Stefanie Hüttinger beschreibt eine Analogie zwischen dem Lachen und „Sprachstörungen wie dem Stottern und der Aphasie“: Auch beim Lachen unterbricht die „unkoordinierte Bewegung der Atmungs-, Stimm- und Artikulationsmuskulatur“²⁶ die geregelte Lautproduktion. Die Sprache stottert, weil dem Menschen etwas Ungeheuerliches begegnet, das er mit adäquaten Worten nicht mehr bewältigen kann.²⁷ Der Psychoanalytiker Andreas Hamburger lenkt die Aufmerksamkeit auf den „charakteristischen temporalen Spannungsverlauf“²⁸ des Lachens. Bestimmte „Ausdrucks- und Wahrnehmungsmomente“²⁹ potenzieren und verdichten sich zu einem Verlaufsmuster, das nicht subjektiv regulierbar oder terminierbar ist.³⁰ Das Lachen bricht erst „bei Erreichen des Residualvolumens durch krampfhaftes Atemholen“ ab, es gehört somit zu den „kardinalen Rhythmuserfahrungen des
Vgl. Michael Titze/Christoph Eschenröder, Therapeutischer Humor, 19. Vgl. Rubinstein, Lachen, 58. Michael Titze, Die heilende Kraft des Lachens, 243. Titze beruft sich auf die Arbeiten des Psychiaters und Lachforschers William Fry (u. a. The respiratory components oft mirthful laughter, in: J. Biol. Psychology 19, 1977). Vgl. Günther Habermann, Physiologie und Phonetik des lauthaften Lachens, 20/22/106 f. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 116 Hüttinger, Die Kunst, 39 Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 39. Auf der Basis der Wärmelehre des Aristoteles hat die peripatetische Schule in der Schrift Problemata Physica das Stottern neben dem Lachen zu den propria hominis gezählt (vgl. Prütting, Homo ridens, 159). Andreas Hamburger, „Setzt ein Krug und schreibt dabei: Dem Amte wohlbekannt“, 134. Hamburger, Setzt ein Krug, 134. Das betrifft auch die sozialpsychologische Dynamik: „Als ansteckend gilt ein Lachen nur, wenn die Lachmelodie fallend ist, die Tonhöhe der einzelnen Lachtöne also abnimmt“ (Schröder, Lachen, 15). Außerdem scheint eine gewisse Dauer und akustische Varianz des Lachens die Voraussetzung dafür zu sein, dass „Stimmungsübertragung“ und „Schwellenerniedrigung“ (Dietmar Todt/Silke Kipper, Studien zum Lachverhalten, 32) ineinandergreifen und eine Lachsalve infektiös wirkt.
1.2 Der Kollaps des Geistes und der voll engagierte Mensch
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Menschen“.³¹ Heftiges Lachen ist meist an non-verbale Verhaltenskomponenten gekoppelt, an Stampfen oder Springen, abrupte Bewegungen des Kopfes, das Schließen der Augen und Tränenfluss, Klatschen und wildes Gestikulieren.³² Die starke Zwerchfellaktivität hat gelegentlich Husten oder Schluckauf zur Folge.³³ Rudolf Helmstetter bezeichnet das Lachen als sublimierte Form des Niesens, der die „Funktionslust des Immunsystems“ zugrunde liegt: Ausgelöst wird es durch den „feinen Staub der zerstäubten Koordinaten des Weltbilds, der Bedeutungen, Ordnungsmuster, Normalitätsannahmen, Erwartungen“.³⁴ Die metaphorischen Analogien – das geistige Niesen, das Stottern der Sprache – vereinen zwei grundlegende Momente des Lachens, die exzentrische Verselbständigung des Leibgeschehens und die wilde Desorganisation des Bewusstseinsapparates.
1.2 Der Kollaps des Geistes und der voll engagierte Mensch: ein theoriegeschichtlicher Abriss Wenn das Lachen einen Kontrollverlust auf körperlicher und geistiger Ebene bedeutet, dann besteht die Aufgabe einer Phänomenologie des Lachens nicht zuletzt darin, den anthropologischen Sinn dieses Kontrollverlustes zu ergründen. Tatsächlich handelt es sich, wie in 1.1 angedeutet, anders als beim Niesen oder beim Hustenanfall in der Regel nicht um einen bloßen leiblichen Reflex. Wenn hier Ausnahmen angesprochen werden müssen, dann bezieht sich das auf Formen des Lachens, die von der äußeren Realität abgespalten sind und künstlich, etwa durch Drogen wie Marihuana, Haschisch³⁵ und Opium³⁶, chemische Substanzen wie Lachgas (Distickstoffmonoxid/Stickoxydul)³⁷ und Xenon³⁸, Mangan-
Hamburger, Setzt ein Krug, 134. Barbara Sistenich, Frauen lachen über sich, Männer über andere!?, 16. Vgl. Moody, Lachen, 22. Der Lustfaktor unterscheidet den Lachkrampf vom Hustenanfall (vgl. Michael Rutschky, Der Lachkrampf, 931). Helmstetter, Vom Lachen, 770. Walter Benjamin verdanken wir die Schilderung einer Rauscherfahrung, der zufolge jene mit lautem Gelächter oder „stillerem, innigerem, aber desto beseligterem Lachen beginnt“ (Über Haschisch, 39) und der „Haschischesser minutenlang zu nichts fähig ist als zum Lachen“ (45). Baudelaire hatte eine „unwiderstehliche, völlig unangebrachte Heiterkeit“ beschrieben, eine gleichwohl „unbehagliche Vergnüglichkeit“ (Die künstlichen Paradiese, 68) und explosionsartiges Gelächter über sich selbst, das nüchternen Menschen wie die „Albernheiten eines Geistesgestörten“ (69) erscheint. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 114. Rubinstein (Lachen, 68 f./116 f.) und der US-amerikanische Psychiater Raymond Moody (Lachen, 68 f.) machen darauf aufmerksam, dass es im 19. Jahrhundert in New England eine Wan-
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1 Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches Moment
oder Strychnin-Vergiftungen³⁹ oder gezielte „elektrophysiologische Reizung“⁴⁰ hervorgerufen werden. Darüber hinaus kann das Lachen als Symptom einiger neurologischer Krankheiten bzw. als pathologische Reaktion auftreten,⁴¹ z. B. beim Schlaganfall oder bei epileptischen Anfällen.⁴² Schon Joubert kannte das krankhafte, toxisch induzierte⁴³ oder durch „Fieber, Phrenesien, Kopfwunden, Marasmus“⁴⁴ ausgelöste Lachen, ohne sich jedoch von solchen Phänomenen zu einem organmedizinischen Reduktionismus verleiten zu lassen. Im Paradigma der „Reziprozität von Innen und Außen“⁴⁵, das der renaissancetypischen „Episteme der Ähnlichkeiten und Signaturen“⁴⁶ zugrunde liegt, hob er die Rolle der Vorstellungskraft und der Affekte hervor und synthetisierte die leibliche und die
derschau mit Vorführsälen gab, in denen eine Dosis Lachgas die Besucher zu größter Heiterkeit und Geselligkeit animierte. Das „offene und starke“ (Rubinstein, Lachen, 117) Lachen, das die Substanz auslöst, wurde zumindest noch Anfang der 80er-Jahre in einigen „medizinischen Zentren der Vereinigten Staaten“ (116) für die Enthemmung der Gruppenkommunikation genutzt. Anders als Marihuana gilt das Lachgas nicht als Droge, da es nicht die Wirklichkeitswahrnehmung verzerrt, sondern direkt auf die „Zentren des Lachens“ (117) einwirkt. Dumbs (Humor, 55) beruft sich hier auf T. Kawaguchi u. a., Xenon is another laughing gas, Canadian journal of Anaesthesia 43, 1996, 641 f. Vgl. Moody, Lachen, 70 f. und Bokun, Wer lacht, 52. Leitenberger, Lachen, 11. Vgl. dazu Barbara Wild (Lachen, Lächeln und Weinen aus neurophysiologischer Sicht, 41), Rubinstein (Lachen, 64 f./69 f.), Sigmund Feuerabendt (Lachen heilt, aber wie?, 46), Moody (Lachen, 83 – 89), Rusch (Der Lachtherapeut, 93), Grotjahn (Vom Sinn, 158), Bokun (Wer lacht, 52) und Leitenberger (Lachen, 11 f.). Leitenberger beruft sich auf folgende Studien: Norman N. Holland/J. J. Askenasy, The functions and dysfunctions of laughter, Journal of general psychology 114, 1987, 317– 334; R. Göbel/P. Bräuning, Pathologisches Lachen, Krankenhauspsychiatrie 9, 1998, 93 – 97; T. Kratz/C. W. Wallesch, Pathologisches Lachen und Weinen, Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie 69 (2001), 353 – 358. Vgl. Prütting, Homo ridens, 1755. Generell schrieb man in der frühen Neuzeit gewissen Substanzen wie dem Safran die Eigenschaft zu, den subjektiven Bedingungsgrund des Lachens zu verändern (vgl. Misia Sophia Doms, Lachkrankheiten, 151 ff.). Link-Heer, Physiologie, 273. Prütting, Homo ridens, 678. Die Auslösung des Lachens erklärt Joubert mit dem Modell der „direkten Einleibung oder mimetischen Resonanz“ (Prütting, Homo ridens, 686), das wiederum auf die antike Sympathienlehre zurückgeht (vgl. 702): Es besagt, dass „das Plötzliche des komischen Aha-Erlebnisses im eruptiven Charakter des Lachens sichtbar wird, oder das Ambivalente einer risiblen Anmutung in der Gestottertheit dieser Eruption, oder dass die epikritischen Berührungs-Pointen beim Kitzeln im Gekicher des Gekitzelten mimetisch reproduziert werden“ (672) oder die „Privation der aufrechten Haltung beim Lachen die Privation der optimalen Form im komischen Objekt bekundet“ (726). Diese für das Lachen konstitutive Fähigkeit zur „leiblichen Kommunikation“ (698) ist laut Joubert das alleinige Vermögen des Herzens. Link-Heer, Physiologie, 253.
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geistige Sphäre in einer zeittypischen Theorie der Lebensgeister.⁴⁷ Die Erweiterung des Herzens, die Steigerung des Blutflusses und das konvulsivische Leibgeschehen führte Joubert auf ein „Emporsteigen der sanguinischen Säfte“⁴⁸, der vapeurs, und die Ausschüttung der Lebensgeister, der esprits, zurück. Das psychosomatische Denken hat jedoch nicht erst die Renaissance erfunden, es liegt bereits der galenischen Medizin und Humoralpathologie zugrunde. Aristoteles lokalisierte in seiner Schrift Über die Teile der Lebewesen (4. Jht. v.Chr.) die phrenes, das Zwerchfell, dessen „Erwärmung und Erschütterung“ den „unwillkürlichen Vorgang“⁴⁹ des Lachens auslöst, „in der Mitte des Leibes“⁵⁰; sie trennt den unteren Bereich (Bauch) des Körpers vom oberen (Herz, Kopf).⁵¹ Platon identifizierte sie als zentralen Schauplatz von agonalen Triebkräften affektiver, leiblicher und seelischer Natur.⁵² So betrifft die Verletzung des Zwerchfells im antiken Denken den gesamten Organismus⁵³ und damit „das Leben selbst“⁵⁴. Die phrenes ist also mehr als nur die organische Funktion des Lachens, sie ist das
Vgl. Link-Heer, Physiologie, 251 ff. Descartes dagegen fehlte aufgrund seiner Substanzentrennung das theoretische Bindeglied, um den methodischen und ontologischen Dualismus im Deutungskonzept des Lachens zu überwinden und die Kopplungen von affektiven Qualitäten und physiologischen Vorgängen zu erklären (vgl. Link-Heer, Physiologie, 253 und Prütting, Homo ridens, 755 – 760), auch wenn er mit der Zirbeldrüse ein Organ als Transitstelle „über dem ontologischen Abgrund zwischen der unkörperlichen Denkseele und allem Körperlichen“ (Prütting, Homo ridens, 763) definierte. Link-Heer, Physiologie, 265/269. Die vapeurs lassen die Wangen röten und das Gesicht freudig ‚strahlen‘, während die esprits für das Funkeln der Augen sorgen (vgl. Link-Heer, Physiologie, 265). Auf die Bildsprache des „Strahlend-Leuchtenden“ (Volker M. Tschannerl, Das Lachen in der altindischen Literatur, 141) hat z. B. die indische Poesie zurückgegriffen, um die heitere Lebenskraft des Lachens zu illustrieren. Geier, Worüber, 51. Schröder, Lachen, 41. Vgl. Geier, Worüber, 51. Wenn Aristoteles das Lachen im Zwerchfell und damit nah am „Zentrum der Gefühle“ (Prütting, Homo ridens, 152), auf der „Grenze von Animalität und Sinnlichkeit“ (161) verortet, dann definiert er es einerseits als nicht-intellektuelles Vermögen und andererseits als Grenzverhalten: Als solches gehört es aber wesentlich zum „zivilisierten Menschen“ (151). Vgl. Schröder, Lachen, 43 f. und Jurzik, Der Stoff, 17. Die Vorstellung, dass es sich bei der phrenes um eine affektive Spannungsenergie handelt, übernahm Platon von der homerischen Anthropologie (vgl. Prütting, Homo ridens, 151). Vgl. Schröder, Lachen, 45 f. Die Schlüsselfunktion des Zwerchfells für den menschlichen Organismus bestätigten medizinische Studien aus dem 2. Jht nach Chr.: Der Arzt Aretäus von Kappadokien erörtete im Referenzrahmen der humoralpathologischen Physiologie die Bedeutung des Zwerchfells für die Melancholie und Hypochondrie (vgl. Schröder, Lachen, 42 f.). Schröder, Lachen, 45 f.
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vitale Zentrum des Menschen und das Lachen damit ein Ausdruck des mehrdimensionalen Menschseins.⁵⁵ Das organizistisch-monistische Modell, das „Gefühls- und Körperveränderungen [als] zusammenhängende Manifestationen“⁵⁶ eines Vorgangs versteht, der in eine bestimmte Handlungsdisposition mündet,⁵⁷ hat Norbert Elias zufolge das animistisch-dualistische Leib-Seele-Konzept als epistemologischen Leitbegriff abgelöst. Elias unterstellt, dass die erhöhte Atmungsfrequenz und Aktivität von Gesichtsmuskelbewegungen, „im Blutkreislauf und Verdauungstrakt“ und die Veränderung „im Fühlen, in der Selbst- und Fremdwahrnehmung“⁵⁸ eine Einheit bilden. Der Medizinpsychologe Volkmar Ellmauthaler bezeichnet das Lachen folgerichtig als „Manifestation psychosomatischer Entität“⁵⁹ und rechnet es zu den „grundlegenden Vitalfunktionen“, die ähnlich wie die „primären Triebe“ durch „Sozialisationsprozesse lediglich modifiziert“,⁶⁰ aber nicht erschaffen werden. Es geht aus „embryologisch präformierten Funktions- und Integrationsprozessen“⁶¹ hervor und ist auf der „Schnittstelle der wichtigsten lebenserhaltenden Funktionen […] Atmung und Schluckakt“⁶² lokalisiert. Ob das auslösende Moment eher auf der kognitiven oder der affektiven Ebene markiert werden muss, ist eine Frage der phänomenologischen Akzentuierung: Platon hat im Philebos die ontologische Normverletzung durch die komische Ordnungswidrigkeit und das anthropologische Prinzip der „Konkurrenzsorge“⁶³ in der Psychologie des Abwärtsvergleichs aneinander gekoppelt.⁶⁴ Seine analytische Feststellung, dass Missgunst und (Schaden)Freude, abstrakter gefasst: „seelische Unlust“ und „seelische Lust“⁶⁵ interferieren,⁶⁶ wenn der Mensch lacht, hat eine sittenkritische Stoßrichtung.⁶⁷ Joubert ging ebenfalls vom affektiven
Klaus Heinrich („Theorie des Lachens“, 22) hat dagegen in der semantischen Mehrfachbesetzung des Lexems phren eine rationalistische Sublimierung der Unterleibszone zugunsten des abstrakten xenophonischen Gottesbegriffs erkannt. Schröter, 865. Vgl. dazu das alttestamentliche Menschenbild in II.1.3. Schröter, Wer lacht, 866. Volkmar Ellmauthaler, Lachen Weinen, 1. Ellmauthaler, Lachen, 67. Ellmauthaler, Lachen, 46. Ellmauthaler, Lachen, 58. Mader, Das Problem, 19. Vgl. Michael Titze, Gelotophobie, 91. Hartmann, Über das Lachen, 178. Vgl. dazu auch Mader, Das Problem, 13 – 23. Der Spott über das Lächerliche zeugt von der Selbstverkennung des Menschen, der sich der Welt des Scheins zuwendet (vgl. Jaklitsch, Lächelnd, 31– 34). Seit Platon ist die Beurteilung der
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Misch-Gehalt⁶⁸ und, wie wir gesehen haben, vom Herzen als organischem Zentrum des Lachens aus, doch die affirmative Naturphilosophie der Renaissance (vgl. auch I.1.3) lief der platonischen Denunzierung der Leidenschaften zuwider.⁶⁹ Descartes „psychosomatisches […] Erklärungsmodell“⁷⁰ für die Interdependenz von Außen- und Innenseite des Lachens sprengte zwar nicht den Rahmen stoischrationalistischer Ethik, andererseits qualifizierte Descartes die Affekte nicht als rein naturhafte Entitäten ab.⁷¹ So setzte er voraus, dass der vor Freude lachende Mensch sich in eben jenem Affekt selbst erfährt⁷² und dank der „Position des Selbstbeobachters“⁷³ der im Lachen konstituierten Selbstbeziehung gewahr wird. Das Lachen kann als körperlicher Vollzug dieser Erfahrung verstanden werden,⁷⁴ als Moment eines Selbsterlebens verwandelt es sich den Verstandes- und Seelenvermögen an.⁷⁵ Zu einer ganz und gar positiven Bewertung der Affekte gelangte Baruch de Spinoza (1632– 1677), indem er das dualistische Deutungsschema suspendierte.⁷⁶ Das Lachen grenzte Spinoza entschieden vom Spott ab und führte es monokausal auf „den Affekt der reinen Freude und Lust“⁷⁷ zurück. Hegel beschrieb es dagegen als Verleiblichung der Subjektivität, die sich im geistigen Akt der Abstoßung des Lächerlichen selbst genießt.⁷⁸ Damit nahm er wie auch Friedrich Theodor Vischer Affektivität des Lachens durch die Gelehrten bis zum Umbruch der Moderne moralphilosophisch grundiert gewesen. Das verbindet ihn mit Girolama Fracastaro (1476/78 – 1553) und Descartes (Die Leidenschaften, 193/279/301), für die jedoch nicht die Traurigkeit, sondern die Verwunderung das Komplement der Freude bildete. Vgl. Prütting, Homo ridens, 775. Vgl. Link-Heer, Physiologie, 265. Hartmann, Über das Lachen, 202. Vgl. Descartes, Die Leidenschaften, 207 ff. und Schröder, Lachen, 77 f. Vgl. Schröder, Lachen, 78. Schröder, Lachen, 166. Vgl. Schröder, Lachen, 78. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 200 ff. Vgl. Spinoza, Ethica Ordine Geometrico Demonstrata, In: B. de Spinoza, Opera, 2. Band, hrsg. v. K. Blumenstock, Darmstadt 1967, 84– 557 und Hartmanns Erörterung (Über das Lachen, 202 f.). Link-Heer, Physiologie, 265. Vgl. den Hegel-Rekurs Rainer Stollmanns (Lachen, Freiheit und Geschichte, 28 f.) und den Aufsatz von Niklas Hebing (Geschichte der Befreiung – Befreiung der Geschichte, 99 – 122). In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (HGW 20/HGW 25) hat Hegel dem Lachen einige Aufmerksamkeit gewidmet. Die Essenz des Lachens besteht laut Hegel darin, dass es einerseits die Anmutung eines „schockhaften Widerspruchs“ eruptiv nach außen stülpt und somit seelische Vorgänge verleiblicht, und sich andererseits dialektisch, als „Negation der Negation“ von der „fesselnden Macht der Empfindung“ löst und den Menschen „seelisch wieder mit sich zusammenstimmen“ (Hebing, Geschichte, 103) lässt. Das Lachen hat somit eine elementare Bedeutung für die „Stiftung des Selbstgefühls“: Es verhilft der Seele dazu, sich „inhaltlich auszudrücken“
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(1807– 1881)⁷⁹ die platonische Psychologie der Lust des Lachens wieder auf, d. h. die Vorstellung, dass das rasche Hin- und Herwechseln von „Lust und Unlust“⁸⁰ die Erheiterung über das Lächerliche kennzeichnet. Die Gründungsväter der modernen Psychiatrie, Ewald Hecker⁸¹ und Emil Kraepelin⁸² haben sie auf der Basis einer empirischen Anthropologie noch einmal plausibilisiert. Kraepelin deutete die wechselseitige Verstärkung von Lust- und Unlustgefühlen als einen Rückkopplungseffekt von intellektuellem und Gefühlskontrast.⁸³ In einer Dynamik des Aufschaukelns⁸⁴ ist das Lachen gleichzeitig Kulminationspunkt höchster Erregung und Bremsmechanismus,⁸⁵ „Höhepunkt und Ausklang“⁸⁶. Laut Immanuel Kant hat der psychosomatische Vorgang des Lachens darin seinen Ausgangspunkt, dass die Erwartungen des Verstandes im unwillkürlichen
(104) und bindet den Leib wieder zurück an einen „freien Geist“ (105), der sich von einer „störenden Empfindung“ (104) distanziert. Der Hegel-Schüler Arnold Ruge (1802– 1880) hat die „Selbsterkenntnis des Geistes“ im Lachen als „Akt der Selbstverwirklichung“ beschrieben, die wiederum recht eigentlich der „Grund des lachenden Genusses“ (108) sei. Vgl. Friedrich Theodor Vischer, Über das Erhabene und Komische, Ein Beitrag zur Philosophie des Schönen (1837). Eike Christian Hirsch, Der Witzableiter oder die Schule des Lachens, 52. Vgl. Ewald Hecker, Die Physiologie und Psychologie des Lachens und des Komischen (1873). Hecker versteht das Lachen als „Schutzmechanismus des Körpers“ in affektiv ambivalenten Situationen, wobei der intermittierende, rhythmisch in Anspannungs- und Entspannungsreaktionen gegliederte Vorgang als „freudige Gefühlserregung“ (Velten, Scurrilitas, 18) wahrgenommen wird. Er folgt einem „physiologisch vorgegebenen energeia-Programm“ (Prütting, Homo ridens, 1236), wobei das auslösende Moment als Merkzeichen und der ausgelöste Vorgang als Wirkzeichen gelten kann. Der physiologische Automatismus hat die Funktion, eine „körperliche Krise“ (1240) zu korrigieren. Vgl. Emil Kraepelin, Zur Psychologie des Komischen, in: W. Wundt (Hg.). Philosophische Studien, Bd. 2, Leipzig 1885, 128 – 160, 327– 361. Vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 278. Arthur Schopenhauer führte das Lachen auf die zerebrale Wahrnehmung einer Inkongruenz zurück und definierte es damit als Reflexbewegung, die im tiefsten Grunde eine Manifestation des „natürlichen Willens“ (Schröder, Lachen, 142) sei.Vgl. I.1.3. Vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 279. Die Impulse „vor Schreck“ einzuatmen und zum Zweck der Entlastung auszuatmen „blockieren sich gegenseitig“ (Hirsch, Der Witzableiter, 281), bis das Lachen herausplatzt. Der amerikanische Psychologe D. E. Berlyne (Humor and its kin, In: J. H. Goldstein & P. E. McGhee [Hg.], The psychology of humor, Theoretical perspektives and empirical issues [1972], 43 – 60) erklärt, dass die Erregung beim Lachen so weit ansteigt, bis sie unangenehm zu werden droht, um daraufhin wieder abzusinken: Die Überprüfung dieses Modells in verschiedenen Untersuchungen zeitigte allerdings widersprüchliche Ergebnisse (vgl. Dumbs, Humor, 24). Einen sanften Erregungsanstieg erlebt der Mensch in jedem Fall als angenehm (vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 181). Hirsch, Der Witzableiter, 281.
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„Spiel von Gedanken“⁸⁷ und Vorstellungen durch eine Widersinnigkeit enttäuscht werden.⁸⁸ Der kognitive Kollaps bringt die Physiologie von Anspannung und Abspannung in Gang,⁸⁹ die ins Nichts abgestürzten „gespannten Verstehenserwartungen“⁹⁰ vibrieren körperlich nach. Das Lachen kann somit als „Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“⁹¹ definiert werden.⁹² Der Positivist Herbert Spencer (Physiology of laughter, 1860) ist der kognitionspsychologischen Weichenstellung Kants gefolgt und verortet das Lachen auf der Schwelle zwischen kognitiv-emotiver und physischer Sphäre.⁹³ Vorstellungen werden nämlich grundsätzlich physiologisch ausagiert: Wenn gesteigerte Erwartungen nach dem Muster einer „absteigenden Inkongruenz“⁹⁴ in sich zusammenstürzen, dann löst sich die gleichzeitig aufgebaute nervlich-af-
Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, 276. Die für die Ursache des Lachens bemühte Hypothese von der enttäuschten Erwartung wurde auch in einem psychologischen Experiment verifiziert (Göran Nerhardt, Humor and Inclination to laugh, In: Scandinavian Journal of Psychology 11, 1970, 185 – 195). Vgl. dazu Hirsch, Der Witzableiter, 141. Henri Rubinstein erklärt: „Der Scherz lässt einen erwarteten Sinnbezug verschwinden“, das Lachen dient als „Entschädigung für diesen Entzug von Bedeutung“ (Lachen, 32). Vgl. Helmut Bachmaier, Texte zur Theorie der Komik, 24. Winfried Menninghaus, Kant über „Unsinn“, „Lachen“ und „Laune“, 281. Kant, Kritik, 276. Dieser Kantische Lehrsatz ist häufig Gegenstand der Kritik gewesen: So hat Eike Christian Hirsch daran festgehalten, dass sich der Affekthaushalt an der Einbruchstelle des Lachens durchaus in etwas inhaltlich Bestimmbares verwandle (vgl. Der Witzableiter, 104 f.). Der Psychoanalytiker Theodor Reik (Lust und Leid im Witz, Sechs psychoanalytische Studien [1929]) setzt an die Kantische Leerstelle das „unvorhergesehene Eintreffen einer unbewussten Erwartung“ (Willi Frings, Humor in der Psychoanalyse, 22). Auch Klaus Heinrich kritisiert, dass die Kantische Definition zu kurz greife (vgl. Theorie, 26 f.). Das groß zu schreibende ‚Nichts‘ deute auf die bedrohliche metaphysische Hintergrundkulisse des Lachens, die Kant einfach wegretuschiere, weil er das Lachen als Konversationsinstrument der vornehmen Gesellschaft und Element einer prätentiösen Geschmackskultur versteht und es in der ästhetischen Sphäre des Reizenden, Vergnüglichen, Gefallenden verortet (vgl. auch Manfred Frank, Vom Lachen, 214). Der Literaturwissenschaftler Horst Turk bemängelt, dass Kants These der Auflösung letzthin nicht offen für affirmative Bestimmungen sei, ob nun im Hinblick auf die Gesellschaft und die Kultur oder das Individuum und den Körper (vgl. Kulturgeschichtliche und anthropologische Bedingungen, 306). Tatsächlich ist diese Definition eng an Spinozas Bestimmungen angelehnt (vgl. Hartmann, Über das Lachen, 212). Die Grundfigur der komischen Abweichung von der Norm geht jedoch auf Aristoteles zurück, die ciceronianische Rhetorik erhob sie zur Standardformel für die Kunst des Lachenerregens (vgl. Gert Ueding, Rhetorik des Lächerlichen, 26 und Friedemann Richert, Kleine Geistesgeschichte des Lachens, 29 – 37). Das Moment der Plötzlichkeit als konstitutives Merkmal des Lachens hatte zuvor vor allem Hobbes hervorgehoben (vgl. Prütting, Homo ridens, 817). Vgl. A. Stern, Philosophie, 96 – 99. Schröder, Lachen, 150.
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fektive Spannung auf,⁹⁵ die „überschüssigen Energien“ werden freigesetzt und „in den konvulsivischen Zuckungen des Gelächters abgebaut“.⁹⁶ Der englische Psychologe James Sully (An Essay on laughter, 1902), der durch „systematische Analyse“ der überlieferten Lachtheorien die Gleichzeitigkeit „physischer, psychischer und sozialer Momente des Lachens“⁹⁷ explorierte, hat ebenso an Spencers Entladungsthese angeknüpft wie Freud (Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 1905) mit seiner Psychoökonomie des komischen Effektes. Das Lachen interessierte Freud vorrangig als integraler Bestandteil im „Lustmechanismus des […] Witzes“⁹⁸. Um seine affektdynamische Funktion zu verstehen, öffnete er im Anschluss an Theodor Lipps⁹⁹ den empirischen Zugang Spencers für die Hypothese des Unbewussten und entwickelte das energetischmechanistische Modell einer triebökonomischen Psychohydraulik.¹⁰⁰ Seine „These vom Lachen als Phänomen der Abfuhr seelischer Erregung“¹⁰¹ begründete Freud mit der „Aufhebung von Hemmung“.¹⁰² Das „Abreagieren von aufgehäufter […] Energie, die wider Erwarten nicht verlangt wird“,¹⁰³ muss man sich als lustvollen Vorgang vorstellen. Denn die Zensurtätigkeit des Unbewussten kostet Anstrengung: Wird der psychische Aufwand erspart, der die Verdrängung tabuisierter Vorstellungen sicherte,¹⁰⁴ dann kann „die so freigesetzte Energie […] im Lachen verausgabt“¹⁰⁵ werden. Es ist eine „unterirdische Energie“¹⁰⁶, die ohne Rücksicht auf die Kräfteharmonie der unteren und oberen Körperzonen herauf-
Im Unterschied zu Kant benennt Spencer noch andere Ätiologien von Gelächter, die sich jedoch darin gleichen, dass sie ziellose muskuläre Bewegungen darstellen: Mit der Reduzierung des Lachens auf die „Verschwendung frei gewordener nervlicher Energie“ (Prütting, Homo ridens, 1221) fällt Spencer nach Prüttings Auffassung wieder hinter Kant zurück. Das „energetische Argumentationsmodell“ (1315), dem noch Freud und die ethologische Schule Konrad Lorenz’ verpflichtet gewesen sind, war, so Prütting, schon damals nicht mehr auf der Höhe des „physiologischen Wissensstandes“ (1314). Gustav Seibt, Der Einspruch des Körpers, 761. Hüttinger, Die Kunst, 19. Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 131. Vgl. Schröder, Lachen, 151. Vgl. im Folgenden Freud, Der Witz, 131– 152 und die kritische Darstellung Prüttings (Homo ridens, 1291 f.). Renate Jurzik, Die zweideutige Lust am Lachen, 43. Freud, Der Witz, 177. Schröter, Wer lacht, 864. Vgl. Frings, Humor, 10. Schröter, Wer lacht, 864. Die Aufwandsdifferenz ist besonders groß, wenn das Lachen mit Verbitterung oder Enttäuschung gemischt ist (vgl. Leitenberger, Lachen, 23). Heinrich, Theorie, 37.
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schießt¹⁰⁷ und immer dann ausbricht, wenn mächtigen Bedürfnissen ein Widerstand begegnet, der zwar nicht aufzuheben ist, jedoch ebenso wenig in die Kapitulation zwingt.¹⁰⁸ In der zeitgenössischen Erzählliteratur hat das Lachen oft Signalcharakter für die Unterspülung des geordneten Bewusstseins durch Regungen des Unbewussten oder allgemeiner: das Eindringen der Natur in die Bezirke der Zivilisation.¹⁰⁹ Darum sind Ridicula häufig eingebettet in die Motivik des Traumes, des Schlafes und des Aufwachens.¹¹⁰ Sie codieren Hinweise auf den Vorgang der Trennung von Persönlichkeitsanteilen, auf die Spaltung in Bewusstes und Unbewusstes, auf Verschiebungen, Verdrängungen und Enthüllungen.¹¹¹ Als Moment des Erwachens oszilliert das Lachen zwischen Traum und Wachheit und weil es den Antagonismus von „Verstand und Gefühl“¹¹² nicht in einer dialektischen Bewegung auflöst, bewahrt es die zutage getretene Erkenntnis auf. Es erweitert das SelbstBewusstsein im freudschen Sinne um neue reflexive Aspekte und animiert es zur Integration disparater Bereiche der Identität.¹¹³ So vermittelt das Lachen zwischen „Denken und Fühlen, […] Geist und Körper“¹¹⁴ und bildet damit ein Scharnier zwischen Bekanntem und Anderem oder, auf psychohistorischer Ebene, zwischen Aufklärung und Mythos.
Besonders deutlich wird das am Lachen des Mannes über Zoten, denn hier wird nach Freud (Der Witz, 105 – 110) die „unerfüllte sexuelle Energie ersatzweise über das Lachen abgeführt“ (Prütting, Homo ridens, 1276). Vgl. Björn Ekmann, Wieso und und zu welchem Ende wir lachen, 15 f. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 189 f. Mit der Allegorie vom anschwellenden Fluss, der schließlich alle Dämme, Mauern, Gärten lachend überschwemmt, spielt A. S. Byatt in ihrem Roman Possession (1990) genau auf diesen Aspekt an (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 189). Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 119 – 127. In Doris Lessings Roman The golden Notebook (1962) begrüßt das Lachen den verheißungsvollen Schlaf, der eine Distanzierung von verbissenen vernunftgesteuerten Lösungsmöglichkeiten und somit seinerseits ein Lachen der Gelassenheit ermöglicht. Zudem transferiert das Lachen den Optativ der (unbewussten) Trauminhalte ins „bewusste Leben“ (Köhler, Differentes Lachen, 126) und belebt damit die Hoffnung auf eine vitalere Emotionalität und eine Daseinhaltung, die Ungereimtheiten aushält. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 102. Köhler, Differentes Lachen, 127. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 128. Selbst in seiner hysterischen Variante stellt das Lachen einen Akt der Bewusstseinserweiterung mit einer potentiell normen- und vernunftkritischen emanzipativen Funktion dar (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 152– 159). Das „projizierte Lachen“ (185) dagegen fördert zwar verdrängte Ängste und Bedürfnisse zutage, reflektiert jedoch zugleich autoaggressiv die desolate, durch Handlungsunfähigkeit gekennzeichnete Situation einer Figur (vgl. 186/189). Köhler, Differentes Lachen, 127.
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Die Verwirrung des Geistes hat in theorie- und rezeptionsgeschichtlich nachdrücklicher Weise Helmuth Plessner¹¹⁵ als anthropologisches Charakteristikum des Lachens näher zu bestimmen versucht, indem er sie im Rahmen seiner Phänomenologie der Personalität als „Grenzreaktion einer spezifisch menschlichen Seinsweise“¹¹⁶ definiert. Damit deutet Plessner auf die punktuelle Aufhebung der bipolaren Einheit von „Körper-Haben und Körper-Sein“¹¹⁷ durch das Lachen. Lachen ist also aufs engste verknüpft mit einer „signifikanten Desorganisation im Verhältnis der Person zu ihrem Leib“¹¹⁸ und ihrer Umwelt,¹¹⁹ die sich einstellt, wenn eine ambivalente Situation rational nicht mehr zu beantworten ist: „Als selbst ambivalenter Laut, der zwischen Sprache, Stottern, Singen und Schreien entsteht, erwidert das Lachen eine erkannte Ambivalenz“.¹²⁰ Die „kognitive Dissonanz“¹²¹, so die Begrifflichkeit der amerikanischen Sozialpsychologie, kann aus der Diskrepanz von „Alltagserfahrung und Anderssein der Lebenswelt, […] Bewusstsein und Unbewusstem“ oder der „symbolischen Ordnung und dem Anderen“¹²² resultieren. Plessner konstatiert die Paradoxien von Nähe und Distanz beim Kitzeln, von „Freiheit und Bindung“ beim Spiel, Schein und Sein in der Komik, „Überblick und Ohnmacht“¹²³ in der Verlegenheit. Das Lachen aber bewältigt deswegen die kritische Situation, weil es sich dem Spiel der Bedeutungen überlässt statt es argumentativ zu entscheiden und die ‚kognitive Dissonanz‘ im körpersprachlichen Automatismus auflöst.¹²⁴ Der lachende
Mit seiner Schrift Lachen und Weinen. Eine Untersuchung nach den Grenzen menschlichen Verhaltens (1941) hat Plessner die wohl bedeutendste anthropologische Studie zum Lachen vorgelegt. Hartmann, Über das Lachen, 131. Hartmann, Über das Lachen, 133. Christiane Voss, Das Leib-Seele-Verhältnis beim Lachen und Weinen, 175. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 57. Hüttinger, Die Kunst, 202. Anton C. Zijderveld, Humor und Gesellschaft, 62. Köhler, Differentes Lachen, 36. Plessner, Philosophische Anthropologie, 124. Vgl. Anton C. Zijderveld, Humor, 58 – 63. Die Kontrasttheorie zur Semantik des Komischen als Auslöser der kognitiven Mechanik des Lachens – im Kern antiken Ursprungs – profilierten zuerst die englischen Philosophen des 18. Jahrhunderts, z. B. Francis Hutcheson und James Beattie (vgl. Schröder, Lachen, 32). Arthur Koestler hat in seinem Buch Der göttliche Funke (1966) die Begrifflichkeit von der „Bisoziation“ (25) heteronomer Bezugssysteme geprägt. Der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht schließt an dieses Theorem an, wenn er sowohl Lachen als auch Weinen auf das „Aufeinanderprallen von zwei unvereinbaren Erfahrungen oder Sinnkomplexen“ (Amerika, wie es lacht, 823) zurückführt. Für das Lachen sei ausschlaggebend, dass sich der Mensch „die Uneindeutigkeit des Sinnverhältnisses leisten kann“ (823). Kontrovers ist unter Psychologen und Kognitionswissenschaftlern die Frage diskutiert worden, ob die vorliegende
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Mensch verliert dabei nicht nur das Verhältnis zu seinem Körper, er stellt es zugleich wieder her, indem er dem Körper die Antwort auf den Kollaps der Bewusstseinszentrale überlässt.¹²⁵ Das Lachen vollzieht sich auf der „Grenze zwischen den bewusst-bedeutsamen und den unbewusst-physiologischen Ebenen“¹²⁶. Seine paradoxe Signatur besteht in der Gleichzeitigkeit der Kollabierung des Leib-Seele-Systems¹²⁷ und der souveränen Distanz zum Unvermeidlichen, Unkontrollierbaren.¹²⁸ Der lustvolle Überschuss des Lachens resultiert aus der Spannungsentladung bei der Implosion des Ambivalenzphänomens und kommt in der hemmungslosen Selbstpreisgabe des Lach-Subjekts zum Ausdruck.¹²⁹ Der lachende Mensch gibt sich, so Lenz Prütting, dem ekstatischen
Inkongruenz der Auflösung bedarf, wie es Koestler und der Psychologe J. M. Suls (Cognitive processes in humour appreciation, in: P. E. McGhee/J. H. Goldstein, Handbook of humour research, Basic issues, New York 1983, 39 – 59) behaupten, oder, wie z. B. die Psychologin M. K. Rothbart argumentiert (Incongruity, problem-solving and laughter, in: A. J. Chapman/H. C. Foot (Hg.), Humour and laughter, Theory, research and applications, Chichester 1976, 37– 53), ob die „vollständige Problemlösung“ (Frings, Humor, 40) eher den komischen Effekt vereitelt. Empirische Studien (vgl. W. Ruch/F.-J. Hehl, A two-mode model of humor appreciation: Its relation to aesthetic appreciation and simplicity-complexity of personality, in: W. Ruch (Hg.), The sense of humor: Explorations of a personality characteristic, 1998, 109 – 142) lieferten Indizien dafür, dass die Auflösung der komischen Inkongruenz keine Voraussetzung ist für die Kanalisierung der Spannung im Lachen (vgl. Dumbs, Humor, 42 ff.). Die Gestalttheorie (vgl. Patricia Keith-Spiegel, Early conceptions of humor, varieties and issues, in: Jeffrey H. Goldstein/Paul E. McGhee (Hg.). The psychology of humor, New York/London 1972, 3 – 39) betont dagegen die „plötzliche Übereinstimmung“ (Hirsch, Der Witzableiter, 308) der zunächst unverbundenen Elemente. Vgl. Plessner, Philosophische Anthropologie, 75 f. und Seibt, Der Einspruch, 762. Das Verhaltenszentrum rückt unausweichlich nach außen, während der Körper „unhaltbar davonstürmt und in der Rückwendung auf den [zentrierten] Leib seine Befreiung herausprustet“ (Hans-Peter Krüger, Zwischen Lachen und Weinen, 158). Die „Konvulsionen des Körpers“ (Barbara Stauß, Lachen im Zwiespalt, 62) fangen die krisenhaften Erschütterungen auf. Zijderveld, Humor, 53. Plessner diagnostiziert eine Anonymisierung des Menschen aufgrund der Abspaltung der „Person vom Körper“ (Voss, Das Leib-Seele-Verhältnis, 180). Das ‚Körper-Haben‘ gewinnt die Oberhand über das ‚Körper-Sein‘ (vgl. Zijderveld, Humor, 53). Vgl. auch Plessner, Philosophische Anthropologie, 73 – 77. Vgl. Voss, Das Leib-Seele-Verhältnis, 177. Der Mensch, der über sich selbst lacht, verhält sich „zugleich distanzlos-zuständlich und distanziert-vergegenständlichend zu sich selbst“ (Voss, Das Leib-Seele-Verhältnis, 177), er baut eine „ästhetische Distanz“ (180) zu seiner eigenen Unzulänglichkeit auf. Vgl. Plessner, Philosophische Anthropologie, 124. Das Lachen erschallt Plessner zufolge umso befreiter je weniger der Mensch affektiv in die lachenerregende Situation verstrickt ist (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 58). Damit schließt Plessner allerdings eine existenzielle Tragweite des Lachens aus: Die alles andere als abwegige Vorstellung, dass das Lachen im Gegenteil an Intensität gewinnt, je mehr der Mensch persönlich betroffen ist und im Lachen Erleichterung und
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Vorgang willig mit ruckhaften Bewegungen und Verbiegungen des Körpers hin.¹³⁰ Er verliert seine Körperspannung, seine aufrechte Haltung; sein Blick verschwimmt, seine Atmung stottert, sein Handlungsspielraum verschwindet, seine Sprechfähigkeit ist außer Kraft gesetzt.¹³¹ Doch die „finale Gerichtetheit“ des Lachens, die mit seiner uroborischen Selbstverzehrung zusammenhängt, bedingt die kathartische Wirkung des regressiv-ekstatischen Aufschwungs, der als „kleine private und profane Heilsgeschichte“¹³² erlebt wird. Nur im Fall einer ungesicherten oder zerrütteten Personalität steigert sich das Lachen zum gefährlichen Exzess.¹³³ In ihrem Aufsatzband Lachen – Gelächter – Lächeln (1981), der als wesentlicher Beitrag zu einer philosophischen Deutung des Lachens in jüngerer Zeit gelten muss, haben Klaus Heinrich, Renate Jurzik und die Herausgeber Dietmar Kamper/Christoph Wulf ¹³⁴ im Anschluss an Plessner die Entgleisung der körperlichen Regelvollzüge und die Destabilisierung der Leib-Seele-Balance als eine spezifische Form der Katastrophenbewältigung gedeutet. Die irrationale „Chaoslust“¹³⁵ erklären sie mit dem kathartischen Effekt, der sich daraus ergibt, dass die Katastrophe zugleich dargestellt, beschworen und überwunden wird. Das lachende Ich löst sich von der Ursache seiner Ekstase, ihm entgleitet die Kontrolle über seine Sinne, so dass er den Kontakt zur Gegenstandswelt verliert und damit einen externen Sinn.¹³⁶ Folgt man Helmuth Plessner, dann erlebt der Mensch jedoch auf der „Grenze zwischen Sinn und Unsinn“¹³⁷ eine neue Sinnhaftigkeit, die ihm zufolge auch das Paradox, dass der unheimliche Kontrollverlust als lustvoll erlebt wird,¹³⁸ subjektivitätsphilosophisch plausibilisiert (vgl. I.3.4).
Entlastung von einer Bedrohung oder widrigen Umständen erlebt, ist zunächst vor allem durch Nietzsche (vgl. I.3.4) und die historische Verhaltensforschung (vgl. I.1.4) und in jüngerer Zeit durch die Katastrophentheorie (vgl. I.3.4) untermauert worden. Vgl. Prütting, Homo ridens, 1684 f. Vgl. Prütting, Homo ridens, 1694– 1700. Prütting spricht hier auch von einer „NullpunktSituation“ (1790). Prütting, Homo ridens, 1703. Vgl. Prütting, Homo ridens, 1704. Vgl. Dietmar Kamper/Christoph Wulf (Hg.), Lachen – Gelächter – Lächeln, 7– 67. Jurzik, Der Stoff, 14. Vgl. Dietmar Kamper/Christoph Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 7 und I.3.4. Auch Rainer Stollmann beschreibt einen „Zustand der Sinnenlosigkeit“: Die Organe verhalten sich nicht funktionsgerecht, die „sinnliche Beziehung zur Welt ist abgebrochen, das Individuum von seiner eigenen inneren Bewegung in Anspruch genommen“ (Groteske Aufklärung, 71). Evelyn Görlacher, Zwischen Ordnung und Chaos, 12. Vgl. Jurzik, Die zweideutige Lust, 42.
1.3 Das diätetische Paradox – psychosomatische Effekte
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Wenn man den Ertrag dieser theoriegeschichtlichen Skizze zusammenfassen möchte, dann gilt es festzuhalten, dass das Lachen ein mehrdimensionales Geschehen darstellt, an dem der verstehende Geist und das Unbewusste, Gefühl und Körper gleichermaßen beteiligt sind. Auf verschiedenen Ebenen der Subjektkonstitution finden Übertragungen statt, konkurrierende oder kollabierende Deutungen spiegeln sich in Ambivalenzerfahrungen und erzeugen eine Affektmischung aus Schmerz, Scham und Vergnügen, Spannungsenergien verdichten und entladen sich.¹³⁹ Dieser komplexe leibseelische Vorgang, der den ganzen Menschen beansprucht und in Erschütterung versetzt, besitzt einen hohen anthropologischen Wert, insofern als er 1. die Lust körperlicher Exzentrik sinnfällig macht, 2. das Ich aus der Umklammerung rationaler Kontrollnormen und Funktionsimperative befreit, 3. verdrängte Bedürfnisse und psychologisch-biographische Wahrheiten an die Oberfläche spült, 4. die Krise des Geistes im Medium leiblichen Selbsterlebens bewältigt. Diese Aspekte sollen in weiteren Kapiteln vertieft werden.
1.3 Das diätetische Paradox – psychosomatische Effekte: ein medizingeschichtlicher Überblick Es gehört zu den Paradoxa des anthropologischen Phänomens Lachen, dass das groteske Schauspiel der mimischen und organischen Verselbständigung positive psychosomatische Effekte freisetzt. Hinweise auf diese therapeutische Potenz finden sich seit der Antike in einer Vielzahl von Quellen der Mythen-, Literaturund Philosophiegeschichte.¹⁴⁰ Auch die alttestamentliche Spruchweisheit (Prov 17,22; Sirach 30,23) deutet die vitale Kraft eines fröhlichen Herzens an.¹⁴¹ Antike Ärzte gingen davon aus, dass das Lachen die Lungen und den gesamten Organismus stärkt¹⁴² und die Pythagoreische Schule entwickelte eine musikthera-
Vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 268 – 281 und Köster, Wir können, 66/135. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 171. Vgl. Rubinstein, Lachen, 47. Zur Medizingeschichte des Lachens gehört auch die Verwendung des Lachvorgangs als „Anästhetikum“ (Leitenberger, Lachen, 31) vor und als Heilmittel nach der Operation im 13. Jahrhundert – die entsprechenden Empfehlungen des Wundarztes Henri de Mondeville gab noch im 16. Jht. Johann Alexander Brambilla weiter (vgl. Rubinstein, Lachen, 47 f.) – oder seine Verschreibung als Wirkstoff gegen Erkältung, die ebenfalls im 16. Jahrhundert nachgewiesen ist (vgl. Leitenberger, Lachen, 31).
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1 Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches Moment
peutische Gemeinschaftspraxis,¹⁴³ die darin bestand, mit erheiternden „Liedern und Gesängen“¹⁴⁴ nach dem Aufstehen und vor der Nachtruhe seelische Blockaden aufzulösen.¹⁴⁵ An dieses kultisch-medizinische Heilprinzip knüpfte Aristoteles an, der in seiner Rhetorik eine Umkehrung negativer Affekte durch Stimulierung des Kontrastaffektes vorschlug und das Lachen zu jenen sanften EthosEmotionen rechnete, die im Charakter wurzeln und zur Bewältigung von „PathosSituationen“¹⁴⁶ nützlich sind. Aristoteles nahm zudem das „hippokratische Prinzip“ auf, das besagt, dass bestimmte affektive Regungen wie das Schaudern oder Lachen eine immanente Heilwirkung besitzen: Mit einem Lachanfall verband sich die Vorstellung, dass das „Übermaß an Wärme und Feuchtigkeit“ durch die Atemluft und die Tränen ventiliert oder kanalisiert wird, bis wieder ein „ausgeglichener Zustand“¹⁴⁷ erreicht ist. Als lebenspraktisches Ideal definierte Aristoteles in der Nikomachischen Ethik mit dem Begriff der Eutrapelie die „heitere Lebensgewandtheit“¹⁴⁸ und damit die Mitte zwischen „absoluter Leidenschaftslosigkeit“ und „hemmungsloser Leidenschaftlichkeit“.¹⁴⁹ Auch der Philosophenarzt Demokritos von Abdera, dem die Euthymia, die „Wohlgemutheit“¹⁵⁰ und Heiterkeit der Seele vorschwebte, beschwor die heilsamen Kräfte des Lachens.¹⁵¹ Die pseudo-hippokratische Schrift Peri manies aus dem späthellenistischen Corpus Hippocraticum widmete sich der „Manie […] des
Zum „antiken Wallfahrtsort des Heilgottes Asklepios“ in Epidauros gehörten neben einem Krankensaal auch ein „Theater zur Erheiterung der Kranken“ und ein „Stadion für Feste“ (MarieLouise Gubler, Die kostbare Perle Humor, 230). Ueding, Rhetorik des Lächerlichen, 22. Das Pythagoreische Heilprinzip hat noch bis in die Gegenwart hinein Resonanz gefunden: Volkmar Ellmauthaler nimmt an, dass in einer „personenzentrierten Therapie“ jenes Lachen einen therapeutischen Effekt ausübt, das sich mit regressiven Erlebniselementen beim Schwimmen im Kurbad und in der Musiktherapie verbindet und die „lustvollen unbewussten Erinnerungen“ an die Ur-Geborgenheit der „perinatalen Phase“ (Lachen, 66) heraufbeschwört. Ueding, Rhetorik des Lächerlichen, 23. Prütting, Homo ridens, 158. Hippokrates führte die Heilwirkung des Lachens darauf zurück, dass es „das Blut schneller fließen“ lässt und somit die „Bildung der schwarzen Galle“ (Velten, Scurrilitas, 432) verhindert. Prütting, Homo ridens, 235. Prütting, Homo ridens, 223. Als gesellschaftlicher Verkehrsform entspricht dieser Haltung der feinsinnige Witz (vgl. Prütting, Homo ridens, 235). Ueding, Rhetorik des Lächerlichen, 26. Die Euthymia verbindet sich mit einem ironischdistanzierten Lachen über die menschlichen Torheiten (vgl. Ueding, Rhetorik des Lächerlichen, 26). Vgl. Geier, Worüber, 36 – 85.
1.3 Das diätetische Paradox – psychosomatische Effekte
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lachenden Demokrit“¹⁵² und verschränkte erstmalig die „medizinische Forschung“¹⁵³ und die Philosophie in einer Weise, die für das Menschenbild von Renaissance und Humanismus und das Ideal der heiteren Autonomie grundlegend wurde.¹⁵⁴ In Übereinstimmung mit Demokrit, Aristoteles¹⁵⁵ und Seneca¹⁵⁶ betonte Cicero die psychosomatische Qualität des Lachens als Quelle der Revitalisierung im Dienste der Arbeit.¹⁵⁷ Quintilian empfahl das Lachen über Absonderliches als Rezept gegen die Schwermut,¹⁵⁸ da es wenigstens für einen Moment negative Affekte auflöst.¹⁵⁹ Allerdings gilt hier wie für die gesamte Heilkunde bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Feststellung, dass das Lachen nur unter der Bedingung einer „Harmonie des Maßes“¹⁶⁰, nicht aber als entfesseltes, exzessives Ausdrucksgeschehen Anerkennung fand. Den antiken Eutrapelie-Begriff nahm die mittelalterliche Anti-MelancholieDiätetik auf, die z. B. der Mediziner Constantinus Africanus (1017– 1087) in seinem Traktat De Melancholia programmatisch umriss.¹⁶¹ So war sie für Renaissancetheoretiker wie Laurent Joubert anschlussfähig,¹⁶² der dem echten Lachen, das
Geier,Worüber, 57. Der mittelalterliche Universalgelehrte Avicenna (ca. 980 – 1037) leitete aus dem Vorbild des Demokrit die Typologie des „lachenden Melancholikers“ (Link-Heer, Physiologie, 274) ab. Als Symbolfigur einer volkstümlichen, sanguinisch-melancholischen Heiterkeit verkörperte Demokrit noch für den Renaissance-Theoretiker Joubert jene therapeutische Weisheit, die dem Idealtypus des Lachens entspricht (vgl. 275 f.). Geier, Worüber, 59. Vgl. Geier, Worüber, 61/74. Plinius der Jüngere (61/62– 113/115) hat Stephanie Wolff zufolge dem Scherzen und Lachen schließlich einen anthropologischen und ästhetischen Autonomiestatus verliehen (vgl. Todesverlachen, 235 f.). Damit folgte Plinius aber letztlich der aristotelischen Weichenstellung. Die atomistische Lachlust Demokrits ging gleichwohl in der Spätantike unter und kehrte erst im Spätmittelalter „mit der Entdeckung des Individuellen“ (Joachim Ritter, Über das Lachen, 90) und dem „neu geschärften Sinn für das Närrische und Groteske“ (Geier, Worüber, 72) wieder. Grundsätzlich orientierte sich die philosophische Ästhetik und Affektenlehre der Spätantike an Aristoteles und den „hellenistischen Philosophenschulen“ (Christine Walde, Ovids Ars ridendi, 78). Vgl. Thomas O. H. Kaiser, Lachwurz, 102 ff. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 235. Vgl. Link-Heer, Physiologie, 252. Vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 39. Geier, Worüber, 43. Vgl. Tomas Tomasek, Bemerkungen zur Komik und zum ‚Humor‘ bei Wolfram von Eschenbach, 102. In der frühen Neuzeit kam dem Lachen eine zunehmende Bedeutung bei der Vorbeugung und Bekämpfung der Melancholie zu, die einige Wissenschaftler als Epochenkrankheit ausgemacht haben. Selbst die verruchte Komik der Schwänke und Possen, die das Lachen über Streiche, Skatologisches und Obszönes heraufbeschwört oder Geisteskranke mit Spott überzieht,
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einer lasziv-lustvollen „Ausgelassenheit“¹⁶³ entspringt, eine rekreative Wirkung zuschrieb. Da sich solches Lachen naturgemäß wieder mäßigt,¹⁶⁴ kann es bei seelischer Instabilität und unausgeglichenem Gemüt ein geeignetes Gegenmittel sein.¹⁶⁵ Auch einige Gelehrte der elisabethanischen Ära schätzten den diätetischen Aspekt des Lachens: So erkannte Robert Burton (1577– 1640) in der Erleichterung eines „strapazierten, überspannten Organs“¹⁶⁶ einen therapeutischen Vorgang. René Descartes stützte diese Sicht mit der These, dass das „freudige Lachen“ der Seele das Wissen darum vermittelt, welche „Tätigkeiten […] der Erhaltung und Vervollkommnung des Körpers dienen.“¹⁶⁷ Das Konzept einer Diätetik des Lachens, das Christoph Wilhelm Hufeland in seiner Schrift Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern (1796) populär machte,¹⁶⁸ schloss an das Gedankengut der frühen „Makrobiotiker wie Luigi Cornaro (1467– 1656), Leonard Lessius (1554 – 1623) oder Johan Baptist Helmont (1577– 1644)“¹⁶⁹ an und aktualisierte den von Horaz bis Montaigne und Francis
spekulierte auf die medizinischen Effekte einer ars iocandi (vgl. Hans-Jürgen Bachorski, Ersticktes Lachen, 104 f. und Doms, Lachkrankheiten, 144). Boccaccios Decamerone (1349 – 53), Castigliones Il libro del Cortegiano (1528) und Rabelais’ Gargantua et Pantagruel (1532– 1564) repräsentierten eine auf den diätetischen Affekt programmierte Wirkungsästhetik (vgl. Velten, Scurrilitas, 432). Link-Heer, Physiologie, 268. Joubert erklärte diese Ausgelassenheit damit, dass die ins Unendliche expandierende Freude und der Gegen-Affekt der Traurigkeit angesichts eines Hässlichen sich gegenseitig ausbalancieren (vgl. Link-Heer, Physiologie, 268). Die Ambivalenz der „affektiven Anmutung“ (Prütting, Homo ridens, 717) überträgt sich auf die physiologischen Vorgänge, womit z. B. das Wechselspiel einer „Engung und Weitung“ (718) des Herzens angesprochen ist. Vgl. Prütting, Homo ridens, 719. Vgl.Velten, Scurrilitas, 432. Eine „Diätetik des Lachens“ (Velten, Scurrilitas, 432) entwickelte auch Giovanni Pontano (1429 – 1503) in seiner Schrift De sermone. Die „medizinischen Traktate“ (Prütting, Homo ridens, 595) um 1500 empfahlen generell das Scherzen, Lachen und Narrenspiel in heiterer Gesellschaft nach dem Vorbild der griechischen Symposien oder der horazischen Anakreontik. Für die Renaissanceärzte war gleichwohl noch die humoralpathologische Säftelehre leitend, so dass sie das Lachen gewissermaßen nur dosiert verschrieben, da ja eine ausgewogene „Säfte-Verteilung im menschlichen Körper“ (592) angestrebt werden musste. Pfister, An argument, 206. Zum Zwecke der Förderung jener psychosomatischen Entlastung verteidigte Ben Jonson (1572– 1634) das Theater als eine „Veranstaltung des Lachens“, Burton zählte es zu den „Formen einer geselligen und körperbetonten Ausgelassenheit“ (Pfister, An argument, 207) wie der sportlichen Wettkampfpraxis, die als Mittel gegen die Melancholie besonders geeignet seien. So suchten die Publizisten die leiblichen Implikationen des Lachvorgangs vor dem Hintergrund der mentalen Krisenformation medizinisch, gesellschaftsethisch und theaterpädagogisch zu legitimieren (vgl. 207). Schröder, Lachen, 78. Vgl. Descartes, Die Leidenschaften, 207 ff. Vgl. Roger Paulin, „Lachen ist gesund“, 257– 263. Paulin, Lachen, 257.
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Bacon tradierten Topos vom Frohsinn geselligen Landlebens. Dem „leib-seelischen Ganzheitsdenken des 18. Jahrhunderts“¹⁷⁰ verpflichtet und als Wegbereiter der im 19. Jahrhundert stark rezipierten Theorie einer energetischen Lebenskraft¹⁷¹ verstand Hufeland die medizinische Nutzung des wohlgefälligen Lachens¹⁷² als Abwehrmaßnahme gegen Zivilisationskrankheiten wie die grassierende Maßlosigkeit. Immanuel Kant, der lustige Tischgesellschaften überaus schätzte, hat genau jenen gemütvoll-konversationellen, gesitteten Rahmen als Voraussetzung einer Heilkunst des Lachens gesehen, der er mit seinen scharfsinnigen Analysen psycho-physischer Korrelationen ein theoretisches Fundament verlieh. Kant beschreibt eine „wechselseitige Anspannung und Loslassung der elastischen Teile unserer Eingeweide, die sich dem Zwerchfell mitteilt, (…) wobei die Lunge die Luft mit schnell einander folgenden Absätzen ausstößt, und so einer der Gesundheit zuträgliche Bewegung bewirkt, welche allein und nicht das, was im Gemüte vorgeht, die eigentliche Ursache des Vergnügens an einem Gedanken ist, der im Grunde nichts vorstellt“¹⁷³ und darum „den Verstand […] nicht ernsthaft aufregen kann“¹⁷⁴. Konvulsivisches Atmen und Zwerchfellbewegung fördern die Verdauung und die Lebenskraft.¹⁷⁵ Die diätetische Funktion des Lachens besteht insbesondere in der Linderung bestimmter Symptome der Hypochondrie.¹⁷⁶ In Anlehnung an einen Voltaire-Gedanken rechnete Kant das Lachen mit dem Schlaf und der Hoffnung zu den himmlischen Entschädigungen für die „Mühseligkeiten des Lebens“¹⁷⁷.
Paulin, Lachen, 257. Vgl. Prütting, Homo ridens, 1174– 1178. Auch hier ist keinesfalls an das „olympische Lachen Weimars […], das vom-Stuhl-Fallen vor Lachen der Jenaer Romantiker, […] das närrische und verrückte Lachen von Wielands Abderiten“ oder das „Sich-Tot-Lachen Bonaventuras über die Absurdität der Menschheit“ (Paulin, Lachen, 260) zu denken. Kant, Kritik, 276. Geier, Worüber, 136. Vgl. Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, 182. Vgl. Schröder, Lachen, 165. Der Empirieschub in der neuzeitlichen Wissenschaft brachte die Ablösung des humoralpathologisch-psychosomatischen Melancholiebegriffs durch eine psychiatrische Definition des Phänotypen der Hypochondrie mit sich (vgl. Schröder, Lachen, 164 f.). Kant, Kritik, 280. Auch Lord Byron (1788 – 1824) entdeckte das Lachen als Möglichkeit der Distanzierung von sich selbst und allen komödienhaften weltlichen Verstrickungen. Seine Briefe bezeugen, dass er es zudem als soziales Bindeglied und Mittel gegen fatalistische Gedanken und melancholische Stimmungen schätzte (vgl. Günther Blaicher, Byrons Lachen und die zeitgenössische Rezeption, 263 ff.) und seine subjektive Entlastungsfunktion gegen die Vorbehalte seiner Umwelt, speziell den femininen „Gefühlskult seiner Zeit“ (268) verteidigen musste.
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Unter den Gelehrten der Romantik war es Novalis, der auf der Basis naturwissenschaftlicher Studien den medizinischen Nutzwert des Lachens ermittelte.¹⁷⁸ Novalis ging vom dualistischen Modell der Persönlichkeitsanlagen aus.¹⁷⁹ Dem sthenischen Typus¹⁸⁰ verhilft der asthenische Impuls des Lachens zur Entspannung.¹⁸¹ Für den asthenischen Typus übernimmt das Lachen eine psychohygienisch-verhaltenstherapeutische Funktion bei der Hypochondriebehandlung. Als Organ humorvoller Selbstinszenierung verwandelt es die destruktiven Energien der Hypochondrie in die schöpferischen Kräfte absoluter Affektdisziplinierung und Körperbeherrschung. Novalis orientierte sich offensichtlich am rationalistisch-stoizistischen Ideal der ausgeglichenen Persönlichkeit und der aufklärerischen Funktionalisierung des Lachens zugunsten der Charakterbildung.¹⁸² Als Anwalt der sinnlichen Wahrnehmung integrierte Arthur Schopenhauer das Lachen in sein Eudaimonia-Konzept; anders als Kant trennte er jedoch die diätetische Wirkung vom Körpergeschehen. Nicht den physiologischen Prozessen, etwa einem Wärmestoß oder der „Massage der inneren Organe“¹⁸³, verdankt sich das Vergnügliche und Wohltuende der konvulsivischen Erschütterung des Leibes, sondern der Kompromittierung der abstrakten Vernunft durch das Anschauliche.¹⁸⁴ Heiterkeit fördert das Glück des Menschen insofern, als sie in einem ge-
Vgl. Schröder, Lachen, 107 ff. Vgl. Schröder, Lachen, 117. Der sthenische Typus zeichnet sich durch Muskeln, „Wärme, Weinen, Festwerden, Einschlucken, Gerinnen, Starrwerden, Essen und Ernst“ aus, der asthenische durch „Sensibilität und Nerven, […] das Lachen, das Flüchtigwerden, Absondern, Übersättigung und Weichwerden“ (Schröder, Lachen, 117). Damit meinte Novalis, dass sich die muskuläre Verkrampfung des Lachens blitzableiterartig lockert. Das sthenisch-asthenische Schema soll z. B. erklären, weshalb Menschen mit prall gestopften Leibern nach einer üppigen Mahlzeit zum Lachen neigen (vgl. Schröder, Lachen, 117/124). So empfahl Hufeland das Lachen als Verdauungshilfe (vgl. Andreas Combe, Die Gesetze der Verdauung und die darauf zu gründende Lebensweise, Leipzig 1837, 99), wie es vor ihm schon die Renaissance-Medizin tat, und als solche schätzte auch Kant das Lachen (vgl. Anthropologie, 207). Noch Nietzsches Zarathustra empfiehlt: „Zehnmal musst du lachen am Tage und heiter sein: Sonst stört dich der Magen in der Nacht, dieser Vater der Trübsal“ (Also sprach Zarathustra, KSA 4, 32). Vgl. Schröder, Lachen, 169 f. Schröder, Lachen, 139. Vgl. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 109 – 122 und Schröder, Lachen, 141 f. Im Lachen triumphiert die Anschauung über den Intellekt, der Reflex über die Reflexion (vgl. Schröder, Lachen, 142). So lacht, wie Manfred Geier es formuliert hat, „Schopenhauer […] mit der anschaulichen Vielfalt gegen die begriffliche Einheit an, Kierkegaard mit der existenziellen Konkretheit gegen alle Abstraktionen“ (Worüber, 167).
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sunden Lebensstil wurzelt, der mit der „Vermeidung aller Exzesse und Ausschweifungen, aller heftigen und unangenehmen Gemütsbewegungen“ und mit „täglicher gehöriger Bewegung“¹⁸⁵ zusammenhängt, die nach Schopenhauer auch die reflexartigen organischen Bewegungsmuster beim Lachen umfasst.¹⁸⁶ Die Idee einer Diätetik der Heiterkeit blieb im 19. Jahrhundert attraktiv.¹⁸⁷ Darwin, Hecker und Spencer werteten die physiologische Wirkung des Lachens – Stabilisierung des Blutdrucks, Anregung des Kreislaufs und Körperentspannung – positiv als Beitrag zum „homöostatischen Ausgleich innerhalb des Organismus“¹⁸⁸. Die Forderung Erich Kästners, eine wissenschaftliche Lachkunde zu etablieren¹⁸⁹, war schon zur Jahrhundertwende von Vertretern der experimentellen Psychologie eingelöst worden.¹⁹⁰ Doch erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts setzen konzentriertere Bemühungen um die empirische Verifizierung organischer und physiologischer Heilungseffekte des Lachens ein. Pionierarbeit auf dem Forschungsfeld hat der amerikanische Entwicklungspsychologe Paul McGhee
Arthur Schopenhauer, Parerga und Polipomena I, 354 ff. Schopenhauer rechnet das Lachen also zu den Akten psychosomatischer Disziplin und diätetischer Anstrengungen und grenzt es damit von der Sphäre der Leidenschaften und der festlichen Ausgelassenheit ab. Mark Twain erzählt in Tom Sawyers Abenteuern (1876): „Aber der alte Mann lachte, lachte laut und herzlich heraus, so dass es ihn schüttelte und dann sagte er, solches Gelächter sei so gut wie bares Geld in der Tasche, denn es setze die Doktorrechnung herab wie sonst nichts“ (GW I, 201 f.). Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 38. Susanne Schröder unterscheidet die dramatischen Gattungen hinsichtlich ihrer therapeutischen Prinzipien: Die Tragödie ermöglicht Identifikation und Katharsis, die Komödie bedient sich des Karikaturistischen und Grotesken, um komische Gegensätzlichkeit zu erzeugen, die Tragödie hat somit eine homöopathische, die Komödie eine schulmedizinisch-allopathische Wirkung (vgl. Lachen, 163). Das „allopathische Medikament“ (Harald Weinrich, Was heißt: „Lachen ist gesund?“, 405) wirkt nicht unmittelbar als Substanz, sondern auf Umwegen, indem es das Lachen über Dritte ermöglicht, von denen sich der Zuschauer abgrenzen kann. Kästner schwebte dabei die Ergänzung der Graphologie durch eine Psychologie des Lachens vor (Gedanken über das Lachen, 294). Zu den Begründern einer modernen „empirischen Gelotologie“ (Ulrike Middendorf, Lachmodus und Tränenguss, 369) zählt der amerikanische Psychologe G. Stanley Hall mit seiner 1897 erschienenen Studie The psychology of Tickling, Laughing, and the Comic in: Journal of American Psychology 9/1, 1– 41. Wegweisend wurden auch die Forschungsarbeiten W. McDougalls (u. a. The theory of laughter, Nature 67, 1903; The new theory of laughter, Psyche 2, 1922) und J. C. Gregorys (The nature of laughter, London 1924). Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 242 und Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 38. Der amerikanische Arzt James J. Walsh (Laughter and Health, 1928) äußerte sich 1928 optimistisch hinsichtlich der körperlichen und seelischen Heilkräfte des Lachens (vgl. Moody, Lachen, 56 f.).
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geleistet, der 1972 im gelotologischen Standardwerk The psychology of humor die Summe seiner Forschungsergebnisse über „Gesundheits- und Stressmanagement“¹⁹¹ zog, die er seit den 60er-Jahren in zahlreichen Aufsätzen veröffentlicht hatte. Zur Weiterentwicklung der lachphysiologischen Forschung trug der Wissenschaftsjournalist Norman Cousins mit einem Selbstexperiment bei:¹⁹² Er ging davon aus, dass ein „konsequent hervorgerufener positiver Gefühlszustand“ dazu beiträgt, „das biochemische Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen“,¹⁹³ zog vom Krankenhaus in ein Hotelzimmer und ließ sich so oft wie möglich zum Lachen bringen. Das Ergebnis war nicht nur eine kurzfristige Schmerzlinderung, sondern die Überwindung seiner als unheilbar geltenden Knochengewebekrankheit.¹⁹⁴ Cousins Optimismus hinsichtlich des therapeutischen Nutzens von Heiterkeitsschüben begünstigte die Neuentdeckung einer clownesken Medizin,¹⁹⁵ die sich auf institutioneller medizinsoziologischer Ebene niederschlug.¹⁹⁶
Schröder, Lachen, 6. Vgl. Norman Cousins, Der Arzt in uns selbst, 1984. Titze, Die heilende Kraft, 242. Sigmund Feuerabendt dokumentiert Fälle, in denen kontinuierliches Lachen Brusttumore zum Verschwinden gebracht haben soll (vgl. Lachen heilt, 21– 30). Die clownesken Possen des Arztes Dr. William Battie, der zur Regierungszeit Georgs II. praktizierte, brachten einen seiner Patienten angeblich so zum Lachen, dass sein tödlicher Abzess aufbrach (vgl. Moody, Lachen, 52). Clown-Ärzte gab es nicht nur bei amerikanischen Indianerstämmen wie den Plains Ojibway, sondern auch in der abendländischen Kultur (vgl. Moody, Lachen, 57). Im christlichen Mittelalter hatten die Hofnarren die Aufgabe, missgelaunte, schwermütige oder krank gewordene Herrscher zu erheitern und damit auch Heilungsprozesse zu beschleunigen (vgl. die Beispiele Moodys, Lachen, 46 f.) oder Melancholie zu vertreiben (vgl. Velten, Scurrilitas, 425 f.). Der Clown Joey, der als Joseph Grimaldi 1779 geboren wurde, erzählt in seinen Memoiren, wie er einem taubstummen Mann mit seinen komischen Kunststücken dazu verhalf, seine Emotionen wieder äußern zu können und seine womöglich auf Hysterie zurückgehende Wahrnehmungsstörung zu überwinden (vgl. Moody, Lachen, 38 ff.). Moody berichtet von ermutigenden Fällen, in denen Clowns Menschen aus ihrer depressionsbedingten Unansprechbarkeit zurückholten (vgl. 36 ff./40 ff.). Seit den 80er-Jahren begann auch der bekannte Aktivist Patch Adams seine Karrière als Clownarzt (vgl. Titze, Die heilende Kraft, 14). In den Pariser Krankenhäusern und auch einigen deutschen Kliniken und Therapiezentren wird daher seit einiger Zeit unter der Anleitung von Clinic-ClownInitiativen mit Clowndoktoren gearbeitet, die sich besonders in den Clownsprechstunden für Kinder als sehr hilfreich erwiesen, da sie die Kinder von Angst und Schmerz ablenken und damit den Heilungsprozess beschleunigen konnten (vgl. Schröder, Lachen, 3, Dumbs, Humor, 77 f., Titze, Die heilende Kraft, 300). Titze/Eschenröder argumentieren, dass mit Hilfe der Clowns und humortherapeutisch ausgebildeter Ärzte und Schwestern die Kinder in eine lustige Spiel-Atmosphäre versetzt werden können (Therapeutischer Humor, 152 ff.). So sei es einerseits möglich, ängstigende Faktoren des Krankenhausmilieus, einer Operation oder Erkrankung, zu entschärfen, andererseits die physiologischen Effekte des Lachens zu nutzen, die z. B. „asthmakranken
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Die medizinische Qualität des Lachens kann zum einen an der Atmungsphysiologie festgemacht werden: Die natürlichen Atemimpulse werden frei von den „verspannenden geistig-seelischen Mitsteuerungen“¹⁹⁷. Die bewusstere Wahrnehmung des Zwerchfells und der gesunde Rhythmus von Ein- und Ausatmen steigern das Befinden und die Lebensqualität signifikant.¹⁹⁸ Bei Lungen- und Bronchienerkrankungen, aber auch bei chronischer Ängstlichkeit bzw. „neuromuskulärer Übererregbarkeit“¹⁹⁹ stellt die Lach-Atmung ein wirksames Gegenmittel dar. ²⁰⁰ Lachübungen haben sich zudem als „Entspannungstechniken“²⁰¹, als „Biofeedback-Training“, „Mittel für den Stressabbau“²⁰² und zur Bekämpfung von
Kindern“ (155) zugutekommen. Vgl. auch den Aufsatz von Christel Ruckgaber, Das Glück des Stolperns, Professionelle Clowns in Kinderkliniken und Pflegeheimen, in: B.Wild (Hg.), Humor in Psychiatrie und Psychotherapie, 290 – 306. Brigitte Stemmer macht allerdings darauf aufmerksam, dass es noch immer keine belastbaren Studien über die nachhaltige Wirksamkeit von Clownärzten gebe (vgl. Wie stark, 36 f.). Die an Depressionen erkrankte Journalistin Bea Ammidown führte auf der Grundlage von Cousins Erfahrungsbericht in einer Kinderklinik den „Gelächterwagen“ ein, dessen humoristisches Medienangebot die Heilung der „zum Teil schwerkranken Kinder“ (Titze, Die heilende Kraft, 242) förderte. Die von ihr gegründete Organisation HumoRX, Incorporated/Laugh Wagons will die mediale Lachumgebung fest in amerikanischen Krankenhäusern installieren (vgl. 242). In einigen Kliniken wurden unter der Anleitung von Humorberatern so genannte Gelächterzimmer eingerichtet (vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 150 f.). Die Organisation HumorCare hat es sich auf die Fahnen geschrieben, auch in Deutschland Elemente des Komischen in „Therapie, Pflege und Beratung“ (Dumbs, Humor, 13) zu implementieren. Mit Nurses for laughter und der American Association of Therapeutic Humor wurden weitere Fachgesellschaften für die Förderung des Lachens im heilpädagogischen Kontext gegründet; eine Gruppe von Krankenschwestern publiziert seit 1991 das Magazin Journal of Nursing Jocularity (vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 147). Feuerabendt, Lachen heilt, 37. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 243. Rubinstein, Lachen, 79. Dieser Befund lässt sich mit einer Verkettung physiologischer Reaktionen plausibilisieren: „Die Lunge [wird] reichlich mit Sauerstoff versorgt. Dadurch ergibt sich ein […] reinigender Effekt für die Inhaltstoffe des Blutes“ (Titze, Die heilende Kraft, 244). Vor allem aber „bewirkt die intensivierte Atmung […] eine Veränderung im Herzrhythmus: Dieser erhöht sich zunächst, um dann (in einer Entspannungsphase […]) abzusinken. Dabei verringert sich auch der Blutdruck. Schließlich beginnt sich die gesamte Muskulatur, die in der Anfangsphase des Lachens stark angespannt war, nachhaltig zu entspannen“ (244). Titze, Die heilende Kraft, 244. Titze verweist hier auf die Befunde des Lachforschers Paul McGhee. Das gezielte Training der Bauch- und der Reflexatmung wird im therapeutischen Setting als „heilgymnastische Übung“ (Titze, Die heilende Kraft, 243) eingesetzt. Rubinstein stellt die Rechnung auf, dass eine einzige Lachminute mit 45 Minuten Körperentspannung und mehrere Lachminuten am Tag mit einer Stunde Gymnastik aufgerechnet werden können (vgl. Lachen, 116).
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Müdigkeit²⁰³ bewährt. Denn neben der „Schockwirkung“ für das „neurovegetative System“²⁰⁴ ist die Stimulierung des „menschlichen Lustzentrums“²⁰⁵ zu registrieren. Die Hypophyse schüttet das Stresshormon ACTH aus und stimuliert damit indirekt die Nebennierenrinde.²⁰⁶ Der Körper befindet sich nun im Alarmzustand.²⁰⁷ Durch die starke Hin- und Herbewegung des Zwerchfells wird „eine Reihe von inneren Organen gleichsam massiert“²⁰⁸. Der „Grundumsatz“²⁰⁹ und der Blutzuckerspiegel steigen. Das Gehirn aktiviert Endomorphine der A und BKlasse, „Dopamin und […] andere Neurotransmitter“²¹⁰ des Belohnungssystems. Ihre euphorisierende Wirkung ist mit dem tranceartigen Zustand vergleichbar,²¹¹ den eine Droge herstellt.²¹² Rubinstein vermutet sogar, dass es ein spezifisches „Lachmolekül- oder hormon“²¹³ gibt und verbindet damit kühne pharmakologisch-therapeutische Hoffnungen. Allein „die Veränderungen der Gesichtsmuskulatur […] beim Lächeln“ wirken als Antidepressivum, da im Zentralnervensystem, speziell in bestimmten Regionen des Hypothalamus, die Hirn-Blut-Schranke aufgehoben wird und das Gehirn eine „Sauerstoffdusche“²¹⁴ empfängt.²¹⁵ Die Entspannung der Muskeln und die
Titze, Die heilende Kraft, 245. Neuere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass das Lachen der Frauen den Stress wirksamer reduziert als jenes der Männer, was Barbara Merziger auf die selbstironische Qualität des Frauen-Lachens zurückführt (vgl. Das Lachen der Frauen, 225). Dumbs (Humor, 72) beruft sich hier auf W. F. Frys Empfehlungen (Interview im SZ-Magazin, 24– 26, 18.05.1999). Rubinstein, Lachen, 81. Köster,Wir können, 56. Laura Chaplin, die Enkelin des großen Komikers Charlie Chaplin, hat sich vom amerikanischen Mediziner Roman Szeliga bestätigen lassen, dass die Körpermassage und Durchblutung der Organe die Intensität des Sexualerlebens steigern (vgl. Lachen ist der erste Schritt zum Glück, 272 f.). Vgl. Ellmauthaler, Lachen, 58 f. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 117. Michael Titze, Heilkraft des Humors, 17. Solarplexus, Blase und Darm (vgl. Rusch, Der Lachtherapeut, 82), Bauchspeicheldrüse, Magen und Leber (vgl. Uber/Steiner, Lach, 244) steigern ihre Aktivität. So fördert das Lachen den „Stoffwechsel der biologischen Fette“ und beschleunigt […] „die Verbrennungsvorgänge im Körper“ (Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 19). Hüttinger, Die Kunst, 117. Uber/Steiner, Lach, 119 f. Vgl. Ellmauthaler, Lachen, 59. Vgl. Uber/Steiner, Lach, 121. Rubinstein, Lachen, 65. Titze, Die heilende Kraft, 245. Den empirischen Nachweis hat der amerikanische Psychologe Robert A. Zajonc (Emotional and Facial Efference: A Theory Reclaimed, 1985) geliefert (vgl. Titze, Die heilende Kraft, 245). Vgl. auch Ellmauthaler, Lachen, 58 f.
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körpereigenen Morphine reduzieren gleichermaßen das Schmerzempfinden²¹⁶ wie „depressive Verstimmungen“²¹⁷ und können starke motivationale Effekte haben.²¹⁸ Auch das Aufblähen und Entspannen der Milz hat eine anti-depressive Wirkung.²¹⁹ Die Adrenalinverminderung nach dem Lachausbruch, die Senkung des Blutdrucks und Verlangsamung des Herzrhythmus wirken sich wiederum entlastend auf das Herz-Kreislaufsystem aus.²²⁰ Da das Lachen auch den Cholesterinstoffwechsel positiv beeinflusst, beugt es laut Rubinstein gegen Herz- und Gefäßkrankheiten vor.²²¹ Tatsächlich haben einige Wissenschaftler die Hypothese vertreten, dass „häufiges und regelmäßiges Lachen die Widerstandskraft gegen Krankheiten erhöhe“²²². Titze/Eschenröder²²³ und Dumbs weisen in diesem Zusammenhang auf die Befreiung der Atemwege hin, die darauf zurückgeht, dass die Restluft in der Lunge weitestgehend ausgestoßen und „durch sauerstoffreichere und trockenere Luft ersetzt“²²⁴ wird. Die Studien des Neurophysiologen L. S. Berk²²⁵ kamen zum Ergebnis, dass beim Lachen die Anzahl von „T-Zellen“, von „natürlichen Killerzellen, […] Immunglobin-A-Antikörpern“²²⁶ und der Zytokine, antiviral wirkender Botenstoffe, zunimmt und somit „signifikante neuroendokrinologische Veränderungen“²²⁷ ausgelöst werden. „Interzelluläre Transmitterstoffe“²²⁸ stärken die Immunabwehrzellen und begünstigen somit die Vernichtung von viral infizierten Körperzellen und Tumorzellen. Durch die Lockerung der Körperspannung wird das „Bindungsgewebe […] widerstandsfähiger gegen Entzündungen“²²⁹ und Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis. Der Verdau-
Vgl. Rubinstein, Lachen, 74. Eine nachhaltige Wirkung bei der Schmerz- und Stressreduktion stellt sich nach Ansicht von Uber/Steiner allerdings erst ein, wenn ein lang andauerndes und intensives Lachen erlernt worden ist (vgl. Lach, 149/155). Uber/Steiner, Lach, 142 f. Vgl. Uber/Steiner, Lach, 135 ff. Vgl. Rubinstein, Lachen, 85. Vgl. Reinhart Lempp, Das Lachen des Kindes, 83. Vgl. Rubinstein, Lachen, 81. Köster, Wir können, 57. Vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 19 f. Dumbs, Humor, 63. Vgl. L. S. Berk, New discoveries in psychoneuroimmunology, Humor & Health Letter 3 (6), 1– 8, 1994 und The laughter-immune connection: New Discoveries, Humor & Health Journal, 5 (5), 1– 5. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 22. Vgl. auch die bei Merziger (Das Lachen der Frauen im Gespräch, 21) zitierte Studie von Kathleen M. Dillion/B. Mindoff/K. H. Baker, Positive emotional states and enhancement of the immune system, International Journal of Psychiatry in Medicine 1986, 15, 13 – 18. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 22. Ellmauthaler, Lachen, 59. Bokun, Wer lacht, 184.
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ungstrakt, die Leber und die Gallenwege werden durchgeknetet und damit krankheitsresistenter.²³⁰ Auch bei Kopf- und Ischiasschmerzen sowie bei Schlafstörungen hat sich das Lachen als wirksames Rezept erwiesen.²³¹ Der Publizist Sigmund Feuerabendt, der innerhalb seines von Yoga-Tradition und fernöstlicher Medizin beeinflussten ganzheitlichen Heilungskonzeptes dem Lachen umfassende Lizenzen erteilt,²³² beschreibt das Lachen als geisthaltige „biopositive Information“²³³, als „physiologisches Gestaltphänomen“²³⁴ oder „Anpassungsverhalten an eine biopositive Ökonomie“²³⁵, das auf die „Sicherung des lebendigen Bestandes unserer Leibfunktionen“²³⁶ abzielt und physiologisch
Vgl. Rubinstein, Lachen, 81 ff. Vgl. Rubinstein, Lachen, 90/93 f. Eine Liste aller psychosomatischen Beschwerden, gegen die das Lachen als Medizin zu empfehlen ist, findet sich bei Sigmund Feuerabendt (vgl. Lachen heilt, 14). Die indischen Meditationslehrer Sri Sri Ravi Shankar und Osho haben das ausgiebige Gelächter zur inneren Reinigung empfohlen und kultiviert (vgl. Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 31). In den Lachclubs, die der Mediziner Madan Kataria Mitte der 90er-Jahre in Bombay gründete, soll ein vollkommen inhaltloses Lachen entfesselt werden, das der Körperentgiftung zugute kommt (vgl. Dumbs, Humor, 73). Es basiert auf der Idee des kollektiven Bauchlachens, das in den 70er-Jahren entdeckt und auf Partys zelebriert worden war: Der eine lag mit seinem Kopf auf dem Bauch des anderen und so lud sich das zunächst „künstliche Lachen“ (Hirsch, Der Witzableiter, 291) gewaltig mit Energie auf und verwandelte sich in ein echtes Lachen. Kataria geht davon aus, dass mittels „bestimmter pantomimischer Gesten“ (Uber/Steiner, Lach, 100 f.) oder jener Fuß- und Handhaltungen, die nach „vedischer Lehre“ (261) Bewusstseinszustände symbolisieren und unter Berücksichtigung gewisser Spielregeln wie dem Augenkontakt der Teilnehmer oder dem „rhythmischen Klatschen“ (242) das Lachen Movens eines Konditionierungsvorgangs werden kann, der langfristig zu einer positiveren Lebenseinstellung beiträgt: Die Grazer Neuropsychologen I. Papousek/G. Schulter (Associations between EEG asymmetries and electrodermal lability in low versus high depressive and anxious normal individuals, in: International Journal of Psychophysiology 41, 2001, 105 – 117) haben eine Verlagerung der Hirnaktivität im „frontopolaren Bereich […] von links nach rechts“ (Uber/Steiner, Lach, 114) beobachtet. Zu den Übungen des Reflexlachens und zur Idee und Methodik des Lachyoga vgl. auch Michael Titze,Wie therapeutisch sind Lachgruppen?, 270 – 277. Titze führt in seinem Aufsatz „evidenzbasierte Studien“ (278) jüngerer Zeit an, die den positiven gesundheitlichen Einfluss des Lachyoga nachweisen, der zum einen mit den bereits angesprochenen physiologischen Wirkmechanismen zu tun hat und zum anderen mit einer Steigerung der Stresstoleranz, des Wohlbefindens und Selbstwertgefühls. Feuerabendt, Lachen heilt, 41. Feuerabendt, Lachen heilt, 44. Feuerabendt, Lachen heilt, 34. Feuerabendt betont, dass das Lachen nur dem Anschein nach eine „überschwengliche Bewegungsverschwendung“ sei, „im Inneren“ walte dagegen „sorgfältigste Sparsamkeit“ (Lachen heilt, 40). Feuerabendt, Lachen heilt, 35. Die Lösung der Muskel- und psychischen Spannung bringt es mit sich, dass der Energiekreislauf Wärme durch den Körper leitet, die sich aufgrund der
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„den inneren Betrieb des Körpers“ mit dem „Außen der Umwelt“²³⁷ verschaltet. Die zunehmenden Heiterkeitsanfälle „mit beginnender Pubertät“ bezeugen den Zusammenhang von „Lachen und Gesundheit“.²³⁸ Lachen ist „Heilung durch den Ton“²³⁹, durch eine bestimmte Gestaltwirkung²⁴⁰ und die „angenehme Schwere“²⁴¹, die hinterher empfunden wird. Feuerabendt wertet es daher als „logosomatisches Heilmittel“²⁴² und empfiehlt sogar, Angst- oder Schmerzensschreie in Lachlaute umzufunktionieren.²⁴³ Zu einem ähnlichen Ergebnis wie Feuerabendt gelangt Henri Rubinstein: Er beschreibt das Lachen als „unerlässliches Mittel“, den physiologischen „Teufelskreis der Krankheit“ bzw. die Degeneration der Lebenssysteme zu durchbrechen und den „Tugendkreis der Gesundheit“²⁴⁴ wiederherzustellen. So mag es nicht verwundern, dass auch die Schule der Anthroposophen der psychosoma-
„rhythmischen Erschütterungen des Zwerchfells“ (Feuerabendt, Lachen heilt, 181) in der Mitte des Leibes sammelt. Die Blutüberfüllung im Gewebe, die arterielle Blutstrombeschleunigung, die Aufhebung des „venösen Rückstaus“, die Beseitigung des „Durchblutungsmangels im Gehirn“, die Förderung der Milzentleerung und die Erhöhung des Betriebsstoffwechsels unterstützen die Wärmebildung und beschleunigen den „Giftabtransport aus den Geweben“ (39). Feuerabendt, Lachen heilt, 35. Feuerabendt, Lachen heilt, 153. Die Ausschüttung von Azetylcholin, dem „Gegenspieler des Adrenalin“ (Feuerabendt, Lachen heilt, 39) fördert die zelluläre Entspannung und „Angepasstheit“ (38), die wichtig ist für die Krebsprophylaxe. Lachen stimmt den Körperhaushalt vagoton, d. h. Säure und „alkalischer […] Zustand“ (182) treten in ein heilsames Gleichgewicht. So regeneriert das „Nerven-, Blut- und Zellsystem“, das „vegetativ-affektive Triebverhalten stabilisiert sich“ (38), die „holographische Struktur unserer Gehirnwellen“ wird in eine „ursprüngliche Gesundheit“ (42) zurückverwandelt. Feuerabendt, Lachen heilt, 167. Die gesteigerte Empfänglichkeit für „heilsame Außenreize wie Licht, Schall, Berührung, Temperatur, chemische Veränderungen und Gerüche“ (Feuerabendt, Lachen heilt, 37) wirkt sich biopositiv auf die Organe und das Regelkreissystem aus. Die Reize werden in den Mikrospeichern von Rückenmark, Gehirn und Blut „als organische Verhaltensschemen und -muster für zukünftige Lebenseinstellungen, Organ- und Zellreaktionen gespeichert“ (38). Feuerabendt, Lachen heilt, 168. Feuerabendt, Lachen heilt, 90. Der psychosomatische Konnex ist daran erkennbar, dass die linke und die rechte Großhirnhälfte, die Repräsentationen der Intellektualität und der leiblichen Empfindung, beim Lachen vereinigt sind (vgl. Feuerabendt, Lachen heilt, 180). Vgl. Feuerabendt, Lachen heilt, 170. Rubinstein, Lachen, 15. Rubinstein nimmt an, dass das Lachen den häufigsten Todesursachen, dem Herzinfarkt und dem Krebs dadurch entgegenwirkt, dass es Stress und Blutdruck senkt und von Aggressionen befreit (vgl. Lachen, 98 ff.). Hildegard Elisabeth Keller verweist auf positive Befunde zur Heilwirkung des Lachens in onkologischen Forschungspublikationen in den USA (vgl. Lachen und Lachresistenz, 34). In Japan wurde das Lachen schon in der Tuberkulosetherapie genutzt (vgl. Dieter Goergen, Die heilende Kraft des Komischen, 57).
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tischen Qualität des Lachens Beachtung geschenkt hat.²⁴⁵ Rudolf Steiner rechnete das lange Einatmen und Erschlaffen des „astralischen Leibes“ ²⁴⁶ zu den Kräften, die der Befreiung des Ichs dienen. Ungeachtet der evidenten befindlichkeitsfördernden Wirkungen des Lachens, die psychosomatische Therapieeffekte nahelegen, sind jedoch laut Willibald Ruch noch keine sicheren Schlüsse aus den bereits durchgeführten gelotologischen Studien zu ziehen.²⁴⁷ Einzig der palliative Effekt bei Schmerzen habe sich im Experiment bewahrheitet.²⁴⁸ Auch Susanne Schröder hält fest, dass selbst in der renommierten Fachzeitschrift Humor – International Journal of Humor Research kaum empirisch belastbare Studien zur medizinischen Qualität des Lachens
Der anthroposophische Arzt Thomas Karenovics (Essenz des Menschlichen) spricht von einem „physiologisch vorgebildeten Lachen: Im Feuchten, Flüssigen des Blutkreislaufs, im feuchtigkeitsgesättigten Atem werden die Gegensätze ausgeglichen“ (Dimitri, Humor, 74 f.). Dank der Rhythmizität der „Herz-und Lungentätigkeit“ (74 f.) finden das kognitive und das volitivpragmatische System in eine Balance. Den gesundheitlichen Nutzen des Lachens beurteilt Karenovics aber zurückhaltend. Großartige Humoristen wie Christian Morgenstern oder Joachim Ringelnatz seien im Gegensatz zu manchen „humor- und geistlosen Bürokraten“ (76) nicht sehr alt geworden. Auch die Neurowissenschaftlerin Brigitte Stemmer kommt bei ihrer Zusammenfassung der einschlägigen Untersuchungen zum Ergebnis, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Lachen und der „Langlebigkeit“ gebe, ja dass Menschen, die „in ihrer Kindheit“ besonders heiter waren, sogar ein „höheres Sterblichkeitsrisiko aufwiesen“ (Wie stark, 35), möglicherweise aufgrund größerer Risikobereitschaft. Vgl. zum widersprüchlichen Forschungsstand auch Barbara Wild, Humor, Gesundheit und psychische Erkrankungen, 59. Vgl. Rudolf Steiner, Lachen und Weinen (27.04.1909), 267. Vgl. Willibald Ruch, Zeitmagazin, 17.11. 2011, Nr. 47. Vgl. Ruch, Zeitmagazin, 17.11. 2011, Nr. 47. Bestätigt wird dieser Befund durch das Selbstexperiment Cousins, aber auch durch die Studie V. M. Robinsons, Humor and Health, in: P. E. McGhee/J. H. Goldstein (Hg.), Handbook of Humor and Research, Bd. II, New York u. a. 1983, 109 – 122. Vgl. Köster, Wir können, 58. Brigitte Stemmer (Wie stark, 30 f.) resümiert die Ergebnisse zur stress- und schmerzreduzierenden Wirkung des Lachens affirmativ (zuletzt T. W. Buchanan u. a., Cortisol fluctuates with increases and decreases in negativ affect, In: Psychoneuroendocrinology 24, 1999, 227– 241). Barbara Wild (Humor, Gesundheit, 55 – 74) geht auf neuere Studien ein, die den Einfluss witziger Filme oder Interventionen auf die Schmerzwahrnehmung nachweisen konnten (vgl. K. Zweyer/B. Velker/W. Ruch, Do cheerfulness, exhilaration, and humor production moderate pain tolerance? A FACS study, Humor 2004, 17, 85 – 119 und R. I Dunbar u. a., Social laughter is correlated with an elevated pain threshold, Proc Biol Sci 2012, 279, 1161– 7). Allerdings stößt die körpereigene Schmerzmedikation an gewisse Grenzen und offenbar ist eher die „Intensität und Echtheit unserer Erheiterung“ (Stemmer, Wie stark, 31) für die höhere Schmerztoleranz verantwortlich als das Lachen selbst. Caroline Rusch vermutet, dass der nachlassende Schmerz mit der Ablenkungsfunktion des Lachens zu tun hat (vgl. Der Lachtherapeut, 101 f.). Norman Cousins selbst hat seine Heilung zuletzt mit der Aktivierung seines Lebenswillens, dem Glauben an die Regenerationskräfte seines Körpers und dem darauf beruhenden Placebo-Effekt in Zusammenhang gebracht (vgl. Der Arzt, 17– 42).
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publiziert worden seien.²⁴⁹ S. M. Sultanoff ²⁵⁰ und R. A. Martin²⁵¹ resümieren den qualitativen Wert der bisherigen Forschungsarbeiten ebenso kritisch wie Herbert M. Lefcourt und Stacy Thomas.²⁵² Nicht nur der immunologische Wert des Lachens ist nach wie vor umstritten,²⁵³ sogar die These von der stressvermindernden Wirkung des Lachens konnte nicht durch konkrete Indizien, etwa „Körperwerte“ wie „Hauttemperatur, Hautwiderstand, Herzschlag“ oder „Teilnehmeraussagen zur persönlichen Befindlichkeit“²⁵⁴ erhärtet werden; Langzeitstudien zu derartigen Interdependenzen sind noch gar nicht in Angriff genommen worden. Dem grenzenlosen Optimismus hinsichtlich der psychosomatischen Heilkraft des Lachens, den Norman Cousins, Henri Rubinstein und Sigmund Feuerabendt in den 80er und 90er-Jahren verbreiteten, fehlt weiterhin eine valide empirische Basis. Das spricht noch nicht gegen den therapeutischen Mehrwert des Lachens, der jedoch im größeren Zusammenhang einer heiteren Lebenskunst zu erschließen wäre (vgl. I.1.6 und II.2.4).
Vgl. Schröder, Lachen, 8. Vgl. S. M. Sultanoff, Examining the research on humor appreciation, Being cautious about our conclusions, President’s column in therapeutic humor, Publication of the American Association for Therapeutic Humor, Summer 1999, Vol. XIII(3). Vgl. Rod A. Martin, Humor, laughter and physical health: Methodological issues and research findings, Psychological Bulletin Special Issue, 127 (2001), 504– 519. Herbert M. Lefcourt/Stacy Thomas, Humor and stress revisited, in: W. Ruch (Hg.), The Sense of Humor. Berlin/New York 1998, 201. Den Hinweis auf obige Studien verdanke ich Dumbs (Humor, 14) und Schröder (Lachen, 11). Schröder (Lachen, 10) beruft sich hier auf das zurückhaltende Resumé von Herbert M. Lefcourt/Karina Davidson-Katz/Karen Kueneman, Humor and immune system functioning, in: Humor – International Journal of Humor, Vol. 3, 1990, 305 – 321. Brigitte Stemmer stellt erhebliche methodische Schwächen und uneinheitliche Ergebnisse jener Studien fest, die eine Korrelation zwischen dem Lachen und der Vermehrung bestimmter „Marker des Immunsystems“ (Wie stark, 29) behaupten.Vgl. auch R. A. Martin, Sense of humor and physical health, An integrative approach, Amsterdam 2007. Volkmar Ellmauthaler räumt ein, dass der experimentelle Nachweis einer „signifikant veränderten Ausschüttung von Hormonen, Neurotransmittern und Immunglobulinen der Klassen A und G“ und damit einer verbesserten „zellulären Immunabwehr“ (Lachen, 14) noch ausstehe. Vgl. auch Wild, Humor, Gesundheit, 61 f. Schröder, Lachen, 11. Schröder argumentiert hier mit einer Studie von Sabina White/Andrew Winzelberg, Laughter and stress, in: G. Kuipers/Th. E. Ford (Hg.), Humor, International Journal of Humor Research, Band 5, Heft 4, Januar 1992, 343 – 355.
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1.4 Aggression und Sublimation, Triumph und Entwarnung: Phylo- und ontogenetische Urszenen Wenn auch gewisse physiologische und immunologische Gesetzmäßigkeiten psychosomatische Heilwirkungen des Lachens plausibilisieren mögen, auf der Linie der katastrophentheoretischen Plessner-Lektüre erscheinen jene als paradoxe Implikation eines leibseelischen Kontrollverlusts. Der Indologe Volker Tschannerl spricht von der Gewalttätigkeit im Lachen des Menschen, vom animalischen Tremor des Lachen-Müssens, von der „subjektiven Vergewaltigung“²⁵⁵ des Sich-tot-Lachens und der objektiven des Verlachtwerdens.²⁵⁶ Schon das humoralpathologische Klassifizierungssystem der Antike wertete das Lachen nicht nur als heilsamen psychosomatischen Vorgang, sondern in Anbetracht seiner maßlosen Exzentrik zugleich als abnorme Gefühlsregung²⁵⁷ mit letaler Tendenz.²⁵⁸ Die frühe Neuzeit hat die doppelte Perspektive der antiken Tradition aufgegriffen²⁵⁹ und sowohl die Diätetik als auch die „Pathologie des Lachens“²⁶⁰ weiter aufgefaltet. Die „organischen Wirkungen“ und tödlichen Ver-
Tschannerl, Das Lachen, II. Die zahlreichen metaphorischen Redewendungen: „Sich-krank-lachen, […] Lachsalve, […] Lachkrampf“ (Jurzik, Der Stoff, 14), „vom Lachen geschüttelt“ werden oder sich vor Lachen „auf dem Boden […] wälzen“ (Köhler, Differentes Lachen, 52) illustrieren die unausweichliche, potentiell gefährliche körperliche Erschütterung. Dass man vor Lachen platzen kann, wie eine andere Redensart besagt, ist laut Rainer Stollmann so zu verstehen, dass sich die Natur gewaltsam gegen ihre virile Inbesitznahme öffnet (vgl. Groteske Aufklärung, 14 f./70). Vgl. Doms, Lachkrankheiten, 145. Die rätselhaften Lachanfälle Demokrits verwirrten nach antikem Zeugnis seine Mitbürger, die den berühmten Arzt Hippokrates beauftragt haben sollen, dessen Geisteszustand zu prüfen (vgl. Rusch, Der Lachtherapeut, 92 und Moody, Lachen, 77 ff.). Plinius d. Ä. (23/24– 79 n.Chr.) rechnete den Tod durch Lachen in der Naturalis Historia (ca. 50 n.Chr.) zu den bekannten Naturphänomen; den Maler Zeuxis und den „komischen Dichter Philemon“ (Rusch, Der Lachtherapeut, 95) soll er nach hippokratischer Überlieferung ereilt haben. Diogenes Laertius notierte, der Stoiker Chrysipp (ca. 280- ca. 210 v.Chr.) sei einem Lachkrampf zum Opfer gefallen (vgl. Prütting, Homo ridens, 1751). Joubert erinnerte an die Anekdote, nach der sich der spartanische König Kleomenes im Wahnsinn selbst verletzte und „lachend starb, mit kontrahiertem Mund“ (Link-Heer, Physiologie, 273). Das natürliche Lachen hielt Joubert allerdings für ungefährlich (Prütting, Homo ridens, 1752). Eine Dissertation von 1746 widmete sich dem durch Lachen verursachten Tod berühmter Männer (vgl. Hanns Bächtold-Staubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens V, 876). Prominente Beispiele für tödliche Lachanfälle liefert auch Guy Bechtels/Jean Claude Carrières Lexikon der Sonderlinge (2001). Vgl. Doms, Lachkrankheiten, 143 – 169. Doms, Lachkrankheiten, 145. Das Motiv des von tödlichem Wahnsinn infizierten Lachens ist von der Antike bis zur Moderne in Wissenschaft, Legende und Dichtung angeschlagen und thematisiert worden. Sigmund Feuerabendt verweist auf das „ungeheure Lachen des Mimes“ in Richard Wagners Siegfried (1876), ein Vorbote seines Todes, und auf Neros Lachen über den
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laufsformen „(zu) heftigen Lachens“²⁶¹ veranlassten Laurent Joubert dazu, grundlegend zwischen echtem und uneigentlichem Lachen zu unterscheiden, das als grimassenartige Verzerrung auch das Symptom einer tödlich verlaufenden Geisteskrankheit sein kann.²⁶² Die Aufklärung nahm grundsätzlich eine kritische Haltung gegenüber den Leidenschaften ein: Die zeitgenössische Medizin behandelte sie als urwüchsige, unkontrollierbare Artikulationen der „menschlichen Natur“²⁶³ auf der Schwelle zum Irrsinn.²⁶⁴ Noch im 19. Jahrhundert war der Gedanke, dass das Lachen den bedrohlich-vernunftwidrigen Anteilen der menschlichen Natur gehorcht, im öffentlichen Bewusstsein fest verankert; die spontane, impulsive, unbeherrschbar affektgesteuerte Äußerungsform mobilisierte die intellektuelle Reserve und setzte gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen in Gang.²⁶⁵ Ausgerechnet der große Humorist Jean Paul und der symbolistische Dichter Charles Baudelaire beschrieben das Lachen als genuinen Ausdruck der vom Wahnsinn infizierten
„Brand von Rom“ (Lachen heilt, 47), der zu seinem Tod führte. Auch Shakespeares todgeweihte Dramenfiguren Macbeth und King Lear verfallen in wahnsinniges Lachen (vgl. 49). In Canettis Die Blendung (1935) und Schnitzlers Das Schicksal des Freiherrn von Leisenbohg (1915) lachen sich die Protagonisten aus Verzweiflung tot ebenso wie die alte Frau Castorp in Thomas Manns Zauberberg (1924). Vgl. Rainer Stollmann, „Angst ist ein gutes Mittel gegen Verstopfung“, 207 und I.3.6. Doms, Lachkrankheiten, 151. Vgl. Link-Heer, Physiologie, 272 f. Nach alter Überlieferung sollen zudem der „Biss der Tarantula“ (Link-Heer, Physiologie, 273) oder das Gift der Sardonia-Pflanze ein irres und tödliches Gelächter hervorrufen. Noch die medizinische Forschung des 19. Jahrhunderts hielt an der Vorstellung fest, dass krampfartige Lachanfälle zum Tod führen können (vgl. Moody, Lachen, 74 f.). Der US-amerikanische Psychiater Raymond Moody macht in seinem 1979 erschienenen medizingeschichtlichen Sachbuch darauf aufmerksam, dass eine heitere Stimmung in bestimmten Fällen körperliche Symptome wie „Harndrang, Herzklopfen, Pulsunregelmäßigkeiten, MagenDarm-Störungen und Hautausschläge“ (Lachen, 103) verursachen und bei einigen Erkrankungen wie der Narkolepsie oder dem Tietze-Syndrom sogar fatale gesundheitliche Folgen haben könne. Michael Titze erwähnt Fälle, in denen unkontrolliertes Lachen Ohnmacht, Kataplexie, Asthmaanfälle, Stressinkontinenz oder andere organische Dysfunktionalitäten nach sich ziehen kann (vgl. Wie therapeutisch, 281). Tödliche Lachkrämpfe verursachen die „organischen Gifte“ (Prütting, Homo ridens, 1756), die bei der Kuru-Krankheit übertragen werden; auch beim Wundstarrkrampf hat man schon krankhaft-verzerrtes Lachen beobachtet. Grundsätzlich ist aber nur bei pathologischen Varianten ein tödlicher Verlauf des Lachens denkbar: In solchen Fällen ist zum einen der Affekt völlig vom Ausdrucksgeschehen losgekoppelt, zum anderen fehlt dem Subjekt jegliche Distanz zu seinem Lachanfall (vgl. 1753 ff.). Schröder, Lachen, 89. Starke Affekte wie das Lachen wirken sich demnach körperlich verheerend und potentiell tödlich aus: Es drohen stockender Blutfluss oder Nasenbluten, „Gesichtsröte und Gefäßzerreißungen im Gehirn“ (Schröder, Lachen, 88). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 8 – 40.
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Seele.²⁶⁶ Die Assoziation des willkürlichen Lachens mit gefährlichem Irrsinn begleitete sogar die psychiatrischen Klassifizierungsversuche bis weit ins 19. Jahrhundert hinein.²⁶⁷ Die Ästhetik des Dionysoskults, die in der saturnalisch-karnevalesken Festkultur und den Darbietungsformen des Grotesken das vitale Defizit des apollinischen Gestaltmaßes kompensierte, verschaffte dem Moment des Irrationalen psychohistorische Geltung. Im schwarzen Lachen der Romantiker (vgl. I.3.6) und in Nietzsches agonalem Gelächter (vgl. I.3.2) kehrten die wilden und destruktiven Elemente der dionysischen Kraft in den philosophisch-ästhetischen Diskurs zurück und so war der Grundstein für eine neue, nicht mehr moralphilosophisch diktierte Reflexion des Lachens gelegt. Im 20. Jahrhundert, als das rationalistische Koordinatensystem unter historisch einzigartigen Gewaltexzessen begraben, als es psychoanalytisch aufgelöst und auf den Theaterbühnen, in der Kunst und der Literatur in seine Einzelteile zerlegt und verabschiedet wurde, gewann die Auseinandersetzung mit den Affinitäten des Lachens zur Gewalt, zur Drohung und Bedrohung, zur Angst und zur Hysterie schärfere Konturen. Zwei thematische und theoretische Linien lassen sich aus diesem Motivkomplex entwickeln: a) die Aggressivität des Lachens und die Grenzen dieser Aggressivität bzw. ihre Selbstregulation im evolutions- und sozialgeschichtlichen Kontext und b) die Schutzund Ventilierungsfunktion des Lachens auf dem Interaktionsfeld von Stresssituation und Entlastung. Die These vom aggressiven Ursprungsimpuls des Lachens hat geistesgeschichtlich seit Platons moralistischer Psychologie die Beurteilung des Phänomens orientiert: Hobbes psychologisch-anthropologischer Pessimismus steht auf ihren Schultern, ebenso Baudelaires zivilisationsgeschichtliches Dekadenzverständnis (vgl. I.3.3), der gesellschaftstheoretische Vitalismus Henri Bergsons²⁶⁸ und Elias Canettis Phänomenologie der Gewalt.
Vgl. Baudelaire, Vom Wesen des Lachens und allgemein vom Komischen in der Bildenden Kunst, 122 f. Jean Paul erklärt in der Vorschule der Ästhetik: „Die letzte Fluchthöhle des aus einer festen Brusthöhle vertriebnen Herzens ist das Zwerchfell; es gibt ein Lachen des Zweifelns wie des Verzweifelns. Allein wo wird mehr gelacht als in einer Irrenanstalt?“ (401). Anfang des 19. Jahrhunderts stigmatisierte der Psychiater Johann Christian Reil in einem Kompendium das Lachen geistig verwirrter Menschen im Tonfall der moralischen Urteilsinstanz als närrisches Verhalten (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 28). Die gesellschaftlichen Rationalisierungs- und Ausdifferenzierungsprozesse führten schließlich zur Ausgliederung des Unvernünftigen in die Verwahrungsstätten für nicht funktionstüchtige Subjekte, in Gefängnisse und Irrenhäuser (vgl. 31 f.). Bergson definierte das Lachen in seiner Schrift le rire (1900) als „soziale Geste“ (Das Lachen, 23), die den erstarrten oder mechanisierten Bereichen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens ihre ursprüngliche Geschmeidigkeit und Spannkraft zurückgibt (vgl. auch Holger Glinka,
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Canetti schließt in seiner berühmten Studie Masse und Macht (1960)²⁶⁹ an Baudelaires Feststellung an, dass es sich beim grimassenhaft verzerrten Lachen um ein Beißen, einen Ausbruch abgründiger Gewalt handelt.²⁷⁰ Zur Illustration jener Gewalttätigkeit verwendet Canetti das Motiv des hyänischen Lachens, das einerseits kannibalische Lust und Angriffsbereitschaft, andererseits Servilität und Unterwerfung signalisiert.²⁷¹ Die entblößten Zähne erinnern an das Zähnefletschen des Tieres vor der Ergreifung der Beute und damit an die archaische Konstellation von Jäger und Beuteobjekt, zugleich stehen sie jedoch für den Verzicht auf die Einverleibung des Opfers und für die „Sublimierung der Gewalt“²⁷² in einer Geste symbolischer Kommunikation.²⁷³ Der atavistische Tötungsimpuls bricht sich am kulturellen Tabu, die „dynamische Aggressionsspannung“ wird in einem „leerlaufenden psychophysischen Vorgang“²⁷⁴ abgeführt. Die drohende Überlegenheitsgeste substituiert den Akt des Verschlingens:²⁷⁵ Der lachende Mensch lässt „Gnade vor kannibalischem Recht ergehen“²⁷⁶.
Die Mechanik des Lebendigen, 144). Die phänomenologisch orientierte Psychotherapie (vgl. I.1.6) hat das Moment der Revitalisierung in Bergsons Lachtheorie isoliert und zum therapeutischen Schlüsselprinzip erhoben. Dieser Reduktionismus darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bergson ausdrücklich die Erzeugung von Furcht und die Ausübung von Zwang mit der Sozialtechnik des Lachens in Zusammenhang gebracht hat (vgl. Glinka, Die Mechanik, 145). Die Kritik hat darum nicht zu Unrecht den Bergson’schen Sanktionsmechanismus als Gewaltmaßnahme des Überlegenen zur Durchsetzung gesellschaftlicher Funktionsimperative bezeichnet (vgl. Anne D. Peiter, Komik und Gewalt, 274– 277) oder sogar, wie Klaus Heinrich, als „präfaschistische Lachtheorie“ (Theorie, 27), ein Urteil, dem sich Renate Jurzik (Der Stoff, 38 f.), Rita Bischoff (Lachen und Sein, 57) und Lenz Prütting (Homo ridens, 1261– 1271) angeschlossen haben. Canettis Interesse gilt hier der Zuordnung bestimmter Psychopathologien und Lach-Arten, der Modifikation des Lachens in der Zone des Letalen, seiner Dämpfung durch den Intellekt und der Frage, inwiefern sich die Herausbildung einer durchrationalisierten, technisiert-amorphen, identitätslosen Massengesellschaft auf das Lachen auswirken wird (vgl. Peiter, Komik, 281 ff. und I.1.5). Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 120. Auch Nietzsche kannte ein „Raubvogel-Gelächter“ (Dionysos-Dithyramben, KSA 6, 390), ein Lachen der Mordlust (vgl. auch Helmstetter, Vom Lachen, 765 f.). Im Zarathustra heißt es: „Wer am gründlichsten töten will, der lacht“ (KSA 4, 392). Vgl. Peiter, Komik, 273 – 279. Peiter, Komik, 274. Peter L. Berger meint, das Lachen rühre deswegen an das letzte Geheimnis der menschlichen Natur, weil sich in ihm das, was besonders nah am Tier und das, was besonders weit entfernt vom Tier ist, berührt (vgl. Erlösendes Lachen, 54). Peter Friedrich, Kannibalisches Gelächter, 283. Vgl. Helmuth Bien, Im Spiegelkabinett der Schadenfreude, 253. Die Zwerchfellbewegungen ersetzen die „inneren Schlingbewegungen des Leibes“ (Elias Canetti, Masse und Macht, 262). Peiter, Komik, 277. Zur Absorption, Entstellung oder Überformung des Lachens in Akten der körperlichen Deformation und Brutalität ist der Aufsatz von Anna-Sophie Jürgens aufschlussreich
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Canettis „Psychologie des Essens“²⁷⁷, die, wie Peter Friedrich zutreffend diagnostiziert hat, auf einem kruden „surrealistischen Naturalismus“²⁷⁸ beruht, erhellt das Lachen als ambivalenten Akt, der zwar animalische Ursprünge besitzt und doch von der Zivilisationsleistung zeugt, triebhafte Gewalt zu humanisieren und den Tötungsimpuls umzuprogrammieren.²⁷⁹ Trotz dieses zurückhaltenden Optimismus bleibt Canetti skeptisch gegenüber „allen Theorien […], die die Bekämpfung der Gewalt durch das Lachen als kulturelle Überwindung des Animalischen zelebrieren“.²⁸⁰ Diese Skepsis reflektiert auch die Motivverknüpfung in seinem literarischen Werk:²⁸¹ Höhnische Aggression und kannibalischer Zerstörungsdrang, mörderischer und suizidaler Wahnsinn, Ohnmacht, Vereinzelung²⁸² und „das langersehnte Aufgehen“²⁸³ in einer nicht-bedrohlichen Masse sind Manifestationen eines gesellschaftlichen Gewaltzusammenhangs, in dem das Lachen der Hysterie und dem Grauen verwandt ist.²⁸⁴ Die historische Anthropologie des 20. Jahrhunderts hat die AggressionsSublimierungs-Hypothese verhaltensbiologisch zu untermauern versucht. So stellte Konrad Lorenz²⁸⁵ fest, dass das Lachen in seinem Ursprung „Ausdruck einer aggressiven Überlegenheit des Siegers“²⁸⁶ qua „Zähne zeigen“²⁸⁷ sei. Doch
(Das versehrte Lachen – Neomoderne Gewaltclowns in der Literatur, in: K. Liggierei (Hg.), „Fröhliche Wissenschaft“, 296 – 318). Peiter, Komik, 273. Friedrich, Kannibalisches Gelächter, 278. Vgl. Peiter, Komik, 274– 277. Auch Heinz Otto Lüthe geht davon aus, dass dem Lachen grundsätzlich die Entscheidung vorausliegt, dem Fremden nicht aggressiv zu begegnen, sondern die Alteritätsspannung abzubauen, auch wenn ihm noch „Reste aggressiver Impulse“ (Komikübersetzung – ein Feld auszuhandelnder symbolischer Ordnung, 53) innewohnen mögen. Peiter, Komik, 279. Vgl. Peiter, Komik, 284. In Canettis Roman Die Blendung lacht keine einzige Figur „heiter, entspannt oder wohlwollend“ (Peiter, Komik, 209). Innerhalb dieses Motivzusammenhangs ist auch das grausame, gewalttätige „Lachen über die geschundene Kreatur“ (Thomas Rothschild, Die Würde als Metzger, 105) zu verorten, das dem Protagonisten von Ernst Tollers Theaterstück Hinkemann (1921/22) widerfährt. Peiter, Komik, 328. Die Verbindung von „Lachen und Schrecken“ (Barbara Stauß, Schauriges Lachen, 37) aggregiert im Galgenhumor oder schwarzen Humor, im Sarkasmus, in der Tragikomödie, der Groteske und gelegentlich auch in der Satire. Vgl. I.3.4 und 3.7.1. Vgl. Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse, 408 ff. Michael Titze/Rolf Kühn, Lachen zwischen Freude und Scham, 32. Diese Auffassung hat dezidiert auch J. C. Gregory in The nature of laughter (1924) vertreten (vgl. Friedrich, Kannibalisches Gelächter, 282). Helmstetter, Lachen, 765. Der Philosoph Christoph Türcke stößt hier auf die „inhumanen Anfangsgründe“ (Götter lachen, Gott nicht, 774) des Lachens. Die Kulturgeschichte ist reich an Zeugnissen dieser Urszene der Gewalt: Walter Haug erinnert an das Lachen des Königs Artus nach
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gehorche es nicht nur einem Befehl der Instinktnatur, sondern auch einem Programm der Selektion²⁸⁸ bzw. einem evolutionsgeschichtlich erworbenen Verhaltenscode.²⁸⁹ Die Zähne, so Norbert Elias in seinem unveröffentlichten Essay on laughter (1956), werden schließlich nicht komplett entblößt, sondern durch die „vorgespannte Oberlippe“²⁹⁰ abgeschirmt und somit eher spielerisch gezeigt.²⁹¹
dem tödlichen Streich gegen den „Riesen von Mont St. Michel“ (Schwarzes Lachen, 50). Xenophons Anabasis berichtet davon, wie das griechische Heer in Lachen ausbricht, als es die Barbaren „in die Flucht geschlagen“ hat, und wie jene daraufhin „in Schrecken verfielen“ (Karl-Heinz Bohrer/Kurt Scheel, Vorwort, 742). Die altgermanische Literatur erzählt vom gellenden angsteinflößenden Lachen der Krieger beim Angriff und von ihrem Lachen über den gefallenen oder verwundeten Feind (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 27); die mittelalterliche Heldenepik ist voll vom kriegerischen Überlegenheitslachen der Ritter (vgl. Nina Bartsch, „… nu lach oder zurne“, 68 ff.). In der Isländersaga fungiert das Lachen als „ein Mittel der Ausdruckskunst, […] Symbol der Beleidigungen, die am Anfang der Totschläge stehen, des Racheverlangens […], der Rachefreude, der unerschütterlichen Standfestigkeit“ (Karl Richard Kremer, Das Lachen in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters, 167). Vgl. Leitenberger, Lachen, 10. Vgl. Lorenz, Das sogenannte Böse, 276 f. und Titze, Heilkraft, 20 – 26. Der Germanist Björn Ekmann resümiert unter Berufung auf u. a. Konrad Lorenz und Desmond Morris, dass das Lachen in einer sozialen Gemeinschaft einerseits als Drohgebärde im „Kampf um Beute, Territorium, Sexualpartner und Status“ fungierte und somit Macht- und Besitzansprüche demonstrierte, andererseits Kompromissbereitschaft signalisierte, Konflikte entschärfte und damit „Paar- und Gruppenbindungen“ (Wieso, 10) festigte. Der Lachende programmierte den aggressiven Impuls in ein Befriedungsritual um, das eine wichtige Funktion für die „Selbst- und Arterhaltung“ (11) übernahm. Norbert Elias zählte es in diesem Sinne zu den Relikten eines „endogenen Codes von Zeichensignalen“ (Schröter, Wer lacht, 870), das unseren Vorfahren dazu verhalf, verschiedene Tätigkeiten sozialverträglich zu koordinieren. Dank seiner Eigenschaft, eine bestimmte Handlungsbereitschaft akustisch wahrnehmbar zu machen, vermochte es von Anfang an eine wichtige Integrationsfunktion in größeren Gruppen zu übernehmen (vgl. 869 f.). Der Philosoph Felix Belussi nimmt an, dass das Lachen im Zuge einer kulturellen Evolution von einer Droh- zu einer Begrüßungsformel avanciert ist (vgl. Dimitri, Humor, 108). Der Altphilologe Albert Rapp (A phylogenetic theory of wit and humor, in: The Journal of Social Psychology 30, 1949, 81– 96) vermutet, dass das archaische attackierende Lachen des Zweikampfs schließlich einer kultivierteren Form wich, nämlich dem Lachen des Siegers im antiken Erzählwettbewerb, das dazu einlud, „das Ganze als Spaß zu sehen“ (Hirsch, Der Witzableiter, 169) und mitzulachen. So ersetzten die grönländischen Inuit blutige Fehden durch Spottduelle, wobei die Demütigung des Verlierers die Verbannung nach sich zog (vgl. Moody, Lachen, 29). Schröter, Wer lacht, 862. Schröter zitiert hier aus Elias’ Essay on laughter. Irenäus Eibl-Eibesfeldt spricht vom „Spielgesicht“ bzw. „entspannten Mundoffengesicht“ und einer „freundlichen Beißintention“ (Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung, 250).
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Selbst der boshaft-spöttisch lachende Mensch ist im Vollzug des Lachens unfähig, dem Anderen physische „Gewalt anzutun“²⁹². Auf der anderen Seite ähnelt die ursprüngliche lautliche und mimische Gestalt des Lachens der aggressiven Verteidigungshaltung, die in einer bedrohlichen Situation zur Bändigung der Angst eingenommen wird.²⁹³ Der physiologischen „Serie von Paroxysmen“ liegt somit die archetypische Konstellation von „Angriff, Selbstverteidigung und Furcht“²⁹⁴ zugrunde. Die Katharsis des Lachens hängt mit der Erleichterung darüber zusammen, dass eine Gefahr überstanden oder abgewendet wurde²⁹⁵ und eine Konfliktsituation sich entspannt.²⁹⁶ Die „Bewegungsenergie“, die sich als „angstvolle Spannung“²⁹⁷ staute und unter großen Anstrengungen rational gebändigt werden musste, explodiert in einem Rausch lustvoller Aggression,²⁹⁸ in dem Geist und Instinkt als Einheit erlebt werden.²⁹⁹ Der urwüchsige Lachausbruch wurzelt also, so Björn Ekmann, in „elementaren Trieben“³⁰⁰ wie dem Sexualtrieb, dem Selbsterhaltungstrieb und dem Geltungsbedürfnis. Die „ursprüngliche Aggressivität“³⁰¹ des Lachens bildet das notwen-
Schröter,Wer lacht, 861. Schröter zitiert hier wiederum Elias. Schon Platon hatte beobachtet, dass das schadenfrohe Lachen den Gegner nicht vernichten will und die Rivalität daher nicht in „faktische Aggressivität“ (Prütting, Homo ridens, 123) umschlägt. Vgl. Ekmann, Wieso, 10 f. Peter Pörtner, Risus japonicus, 41. Vgl. Titze/Kühns (Lachen, 32) und Ernst Peter Fischers (Vom Zeigen der Zähne und dem Lächeln der Lippen, 44) Rekurs auf K. Lorenz, I. Eibl-Eibesfeldt und D. Morris. Doch schon Nietzsche hat in Menschliches, Allzumenschliches (1878) das Lachen als Moment einer Metamorphose beschrieben: Die Ur-Angst vor dem plötzlichen Eintreffen einer Gefahr verwandelt sich in Übermut angesichts dessen, dass sich ein unerwartetes Ereignis als harmlos erweist. Dass der Mensch häufiger lacht als sich dem Tragischen zu ergeben, führt Nietzsche darauf zurück, dass die Angst vor dem Unerwarteten, die das Lachen affektiv bedingt, dem Menschen stets gegenwärtig sei. Sehr viel seltener dagegen herrsche die Grundstimmung des Übermuts, die dem Tragischen vorausliegt (vgl. KSA 2, 157 f. und Bachmaier, Warum, 15). Hirsch (Der Witzableiter, 170) folgt hier K. Lorenz, J. C. Gregory und D. Hayworth. Der Psychologe Donald Hayworth (The social origin and function of laughter, in: Psychological review 35, 1928, 367– 384) nahm an, dass das Lachen ursprünglich ein „kommunikatives Zeichen“ (Zijderveld, Humor, 182) der Entwarnung am Ende eines Kampfes war. Titze, Heilkraft, 25. Auch neuere psychobiologische Studien haben das Moment der Euphorisierung hervorgehoben (vgl. Uber/Steiner, Lach, 33). In Anlehnung an den Psychoanalytiker Friedrich Hacker (Aggression, Die Brutalisierung unserer Welt, 1973) sprechen Titze/Kühn von „expansiver Lebensenergie und ungestümer Lebensfreude“ (Freude, 33). Ekmann, Wieso, 13. Titze/Kühn, Lachen, 33.
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dige Gegengewicht zum Unterlegenheitsgefühl des Menschen, der für die Konkurrenz mit seiner natürlichen Umwelt mangelhaft ausgestattet ist. Die kulturtheoretische Aggressionstheorie der Lorenz-Schule hat Lenz Prütting als hochspekulatives Konstrukt entlarvt und erst recht das Derivat einer lachkulturellen Evolution nachdrücklich hinterfragt.³⁰² Doch selbst wenn man wie Prütting das Lachen nicht auf einen Instinkt oder Trieb, sondern auf ererbte Verhaltensdispositionen zurückführen möchte³⁰³ und auch Haeckels Biogenetisches Grundgesetz, die Analogisierung von Phylo- und Ontogenese, nicht mehr für eine valide Bemessungsgrundlage hält,³⁰⁴ lassen sich m. E. doch bestimmte phylogenetische Urszenen und ontogenetische Schlüsselmomente sinnvoll miteinander in Beziehung setzen. So kann zum einen auf die delikate Verbindung von Lachen und Gekitzeltwerden verwiesen werden. Das Kitzeln stellt ja einen affektiv prekären Akt dar; in der Mutter-Kind-Interaktion irritiert es das kindliche Urvertrauen.³⁰⁵ Die sinnlich ambivalente Gleichzeitigkeit von „Lust und Gefahr, Wunsch und Abwehr, Festhalten und Loslassen“³⁰⁶ geht auf eine sanfte Gewalteinwirkung zurück, die im Falle der Entgrenzung körperliche Qual hervorruft.³⁰⁷ Das Lachen fungiert in diesem Affektgeschehen als Mittel gegen den sich anbahnenden Schmerz,³⁰⁸ als Notreaktion auf die Ausschaltung der körperlichen Schutzvorrichtungen bzw. -reflexe durch die manuelle Aktivität des anderen³⁰⁹ und damit als Übersprunghandlung³¹⁰. Da das „Urvertrauen zur Mutter“ zuletzt die „Oberhand behält“,³¹¹ kann der Impuls der Angst lustvoll überwunden werden.
Vgl. Prütting, Homo ridens, 1390 – 1395. Prütting streitet grundsätzlich ab, dass es eine „phylogenetische Entwicklungsgeschichte“ des Lachens gebe, so dass auch nicht das Lachen selbst, sondern nur „Einstellungen gegenüber dem Lachen dem historischen und kulturellen Wandel unterworfen sind“ (Homo ridens, 1667). Vgl. Prütting, Homo ridens, 1402. Vgl. Rainer Stollmann, Die Lust des Lachens, 112. Daher schlägt das Lachen der Kinder in Weinen um, wenn sie zu lange oder heftig gekitzelt werden (vgl. Jurzik, Der Stoff, 31). Stollmann, Groteske Aufklärung, 75. Dieses Wissen steht hinter der Erfindung einer Foltermethode, von der z. B. Grimmelshausen im Simplicissimus (1669) erzählt. Die Herrnhuter Brüdergemeinde soll im 16. Jahrhundert das ZuTode-Kitzeln als Hinrichtungsmethode entdeckt haben (vgl. George M. Gould/Walter L. Pyle, Anomalies und Curiosities of Medicine, Bell Publishing Co., 1956 und den Hinweis bei Moody, Lachen, 75). Vgl. Köster, Wir können, 67. Der Reiz des Kitzelns wird über die Schmerzrezeptoren empfangen, er stellt in gewisser Weise einen „Vorschmerz unter der Schmerzschwelle dar“, einen „unterbrochenen Schrei“ (Rainer Stollmann, Über die Natur des Lachens, 65). Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 55. Vgl. dazu Stollmann, Über die Natur, 62 f. Das Spiel mit den sensiblen Körperzonen setzt die angeborene Angst und Abwehrbereitschaft außer Kraft (vgl. Bokun, Wer lacht, 52). Die Natur will
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Eine weitere Geburtsszene des Lachens in der Kindheit bildet die Resonanz auf die Auflösung eines Schreckens, der sich als unbegründet erweist.³¹² Der primäre Entstehungskontext dieses „charakteristischen […] Entlastungslachens“³¹³ ist im spielerischen Verschwinden oder Drohen des Erwachsenen zu finden³¹⁴ bzw. in (gespielten) Bewegungen, die unverhältnismäßig oder ungewöhnlich wirken, ohne aber bedrohlich zu werden.³¹⁵ Darüber hinaus wächst dem Kinderlachen die Bedeutung eines Indikators für „eine vorbegriffliche Elementarform“³¹⁶ von Erkenntnis zu, eines Erfahrungslernens. Wenn das Kind über normalitätswidrige Körper-Ereignisse lacht, dann transportiert sein Lachen – so das psychoanalytische Theorem – die Erleichterung darüber, dass es die Ungeschicklichkeit und das Unvermögen einer früheren Lebensphase dem Anscheine nach überwunden hat³¹⁷. Der narzisstische Triumph
sich zwar dem Kitzelreiz entziehen, gleichzeitig ist die Nähe desjenigen, der kitzelt, so attraktiv, dass der Widerspruch lieber ausgehalten und sogar goutiert wird (vgl. Jürgen Brummack, Heines Lachen, 35). Stollmann, Angst, 12. Desmond Morris führt das Lachen stammesgeschichtlich auf die „magische Kombination“ im Wechselspiel von Erschrecken und Beruhigung in der Mutter-Kind-Interaktion zurück: So kann es als Amalgam von „Schreireaktion“ und „glucksendem Eltern-Erkennen“ (Der nackte Affe, 172) begriffen werden. Lempp, Das Lachen, 85. Vgl. auch Grotjahn, Vom Sinn, 160. Tritt das Lachen zuerst als „Reaktion auf auditive und taktile Stimulierung“ (Hamburger, Setzt einen Krug, 140) auf, so werden in der zweiten Phase soziale und visuelle Reize zum Anlass des Lachens. Das betrifft z. B. das beliebte Guckguck-Spiel, das die komische Ursituation der zeitweiligen Verhüllung inszeniert (vgl. Lempp, Das Lachen, 85). Das „plötzliche Verschwinden“ der Bezugsperson beunruhigt das Kind, die Erleichterung über das „alsbaldige Wiederauftauchen“ (85) ventiliert es im Lachen. Hamburger spricht in diesem Zusammenhang vom Effekt eines „spielerischen Aufschaukelns pseudoaversiver Reizsituationen“ (Hamburger, Setzt einen Krug, 138). Immer dann, wenn überraschende und fremde Reize das Kind in Schrecken versetzen und es seine Sicherheit wiedererlangt, verwandelt sich der Schrecken in eine Lust, die sich im Lachen entlädt, erkannte Mary Rothbart (Laughter in young children, in: Psychological Bulletin 80/3, 1973, 247– 256). Vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 182. Das beliebte „Ichbin-jetzt-böse-Spiel“ (Hamburger, Setzt einen Krug, 141) mit seinem raschen Wechsel von Erschrecken des Kindes und „freundlicher Zuwendung“ (Lempp, Das Lachen, 86) der Mutter ist ein weiteres Beispiel für die „temporale, sequentielle Zweiphasigkeit“ (Hamburger, Setzt einen Krug, 140) des Lachens. Vgl. Jurzik, Die zweideutige Lust, 45. Türcke, Götter lachen, 774. So deutet Prütting das erschöpfende präpersonale Resonanzlachen des Säuglings beim Guckguckspiel als Reaktion auf den plötzlichen Wechsel von „Stutzen und Staunen“ (1721) und damit als ein „Aha-Lachen“ (Homo ridens, 1720). Vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 28f. und Breuer, Närrische Verstörung, 107– 112.
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ist allerdings einem „psychischen Masochismus“³¹⁸ abgetrotzt und durch die Sublimierung „kindlicher Wut und Angst“³¹⁹ erkauft. So fungiert das Lachen als „kompensatorischer motorischer Mechanismus“³²⁰: Die Drohung des Über-Ichs, das aus der Latenzzone des Bewusstseins hervorbrechende Unvollkommenheitserleben, kann nur psychodynamisch ausagiert und abgewehrt werden durch die Übertragung der Auto-Aggression auf „die komischen Objekte“³²¹. Damit ist bereits angedeutet, dass das Ausdrucksgeschehen des Lachens auch in seinen ontogenetischen Ursprüngen nicht ohne seine Funktion für die Bewältigung von Angst und nicht ohne die Berücksichtigung der kreatürlichen Aggressivität zu verstehen ist, die letztlich auf die Aufrechterhaltung der „Selbstkohärenz“³²² zielt. Vom vierten Lebensjahr an,³²³ spätestens aber ab dem Schulalter heftet sich die Angst des Kindes zunehmend an das Fremde, das bedrohlich Unbekannte³²⁴ und mit der Neubesetzung oder Neukonturierung des Angstgegenstandes gewinnt die Aggressivität des Lachens eine ‚aktivere‘ Sozialgestalt. Sie setzt einen Mechanismus der Stigmatisierung von Abweichungen und der Ausgrenzung von „komischen Außenseitern“³²⁵ in Gang.³²⁶ Kinder lachen hämisch und boshaft, empathie- und gedankenlos über Sonderlinge und Minderheiten,³²⁷ um aus ihrer schmerzlichen Mangellage in ein Überlegenheitsgefühl zu flüchten und Selbstsicherheit zu gewinnen.³²⁸ Die Raufereien und wilden
Breuer, Närrische Verstörung, 111. Breuer, Närrische Verstörung, 110. Leitenberger, Lachen, 13. Breuer, Närrische Verstörung, 111. Breuer rekurriert hier auf Edmund Bergler (Laughter and the sense of humor, 1956). Zur Psychoanalyse des Kinderlachens vgl. auch die Veröffentlichungen Edith Jacobsons, u. a. Über das Lachen, 62– 89. Breuer, Närrische Verstörung, 110. Vgl. Titze/Eschenröders (Therapeutischer Humor, 33) Rekurs auf den Aufsatz von T. J. Socha/ B. Kelly, Children making fun, Humorous communication, impression management and moral development, Child Study Journal 24, 1994, 237– 252. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 30 f. Titze, Gelotophobie, 99. Mit der Affinität des Komischen und des Ängstigenden in der Wahrnehmung der Kinder spielt z. B. der Struwwelpeter (1845): In Heinrich Hoffmanns Erzählung lachen die Kinder ausgelassen über den „schwarzen Mohren“ (Jurzik, Der Stoff, 30 f.). Vgl. Lempp, Das Lachen, 90 und Helmstetter, Vom Lachen, 765. Ein Experiment mit acht- bis fünfzehnjährigen amerikanischen Schulkindern im Jahr 1961 machte deutlich, dass viel mehr als Verbalkomik Streiche, Erniedrigung, Ungeschick und Indisponiertheit Lachen erregten (vgl. Koestler, Der göttliche Funke, 45). Michael Schröter führt „empirische Studien“ (Wer lacht, 862) an, die einen Rückgang des skrupellosen und schadenfrohen Lachens der Kinder ab dem neunten bis elften Lebensjahr konstatieren. Vgl. Titze, Heilkraft, 57 ff.
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Spiele von Kindern begleitet und beendet oft ein Gebrüll, das zwischen Triumphgeschrei und Auslachen des Unterlegenen changiert.³²⁹ Eibl-Eibesfeldt nahm das Gelächter balgender Kinder sogar zum Anlass, den Hass zur eigentlichen Triebwurzel des Lachens zu erklären.³³⁰ Die Aggressivität des Kinderlachens kann sich schließlich auch gegen Autoritätspersonen,³³¹ gegen repressive Vorgaben und Tabus richten: In der Pubertät gewinnt dieser Impuls die Oberhand.³³² Die emotionspsychologischen Befunde widerlegen also die allzu idealistische Sicht auf das Lachen der Kinder,³³³ die sich nicht nur in literarästhetischer Motivik
Vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 313 und E. P. Fischer, Vom Zeigen, 43 f. Hirschs Referenz ist Gerhard Szonn, Der Witz und das Lachen, in: Beiträge zur analytischen Kinder- und JugendlichenPsychotherapie 31– 32, 1980, 79 – 91. Fischer beruft sich auf N. G. Blurton-Jones/M. J. Konner, Sex differences in Behaviour of London and Bushman Children, in: Richard P. Michael/John H. Crool (Hg.), Comparative Ecology and Behaviour of Primates, London 1973. Branko Bokun führt das übermütige Lachen der Kinder im Spiel darauf zurück, dass sich das Kind in diesem Moment von ererbten Ängsten, z. B. vor dem Fallen, vor einem mit Schreien angekündigten Angriff oder generell vor dem „Überdimensionalen“ (Wer lacht, 51) befreit. Das Spiel der Kinder oder der Sportler hat, so der Literaturwissenschaftler Paul Konrad Kurz, eher eine Disposition zum Ernst als zum Lachen (vgl. Das Lächeln, 316). Vgl. Eibl-Eibesfeldt, Grundriss, 249 – 253. Vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 33. Mit seinen Struwwelpeter-Erzählungen und -zeichnungen hat Heinrich Hoffmann das Prinzip des kindlichen Ungehorsams ins Absurde hinein ausgereizt und damit ein Lachen entfesselt, das die Angst vor den Machtdemonstrationen und Sanktionen der Eltern durchbricht (vgl. Roswitha Burwick, Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter, 135 – 147). Kästners Kinderbücher oder die Feuerzangenbowle (1944) zeugen von diesem rebellischen Impuls (vgl. Titze, Heilkraft, 70 f.). Björn Ekmann weist darauf hin, dass Freud Kindern irrtümlicherweise den „Sinn für Komik“ (Wieso, 41) abgesprochen habe, da sie noch nicht über die Fähigkeit der ‚Vergleichung‘ verfügten (vgl. Freud, Der Witz, 254 f.). Es war Alfred Adler, der die mit Angst und Ehrfurcht verbundene Abhängigkeit der Kinder von den Erziehungsberechtigten als latentes Vergleichsmoment erkannte, das dann zur Quelle erleichterten Lachens wird, wenn die Unvollkommenheit der Autoritäten einmal zutage tritt oder die Normen der Erwachsenenwelt „ausnahmsweise außer Kraft gesetzt sind“ (Ekman, Wieso, 42). Vgl. Christine Bierbach, „Chi non caca un kilo – zahlt 20 Mark Strafe!“, 252. Der phänomenologische Konnex von Lachen und Pubertät ergibt sich daraus, dass die Strukturmerkmale der Pubertät, „erwachende Sexualität, […] impulsive Aggressivität, […] Geltungsstreben und Imponiergehabe“ (Titze/Kühn, Lachen, 62) auch dem Lachen eingeschrieben sind. Harmlose Späße und „verwegener Unfug“ sind im Jugendalter oft von „wildem Gelächter und unbändigem Kichern“ (Brigitte Boothe, Prächtige Selbstdarstellung und humoristischer Scharfblick, 49) begleitet. Die „affektive Selbststeigerung“ (Titze, Die heilende Kraft, 269) bei der lustvollen Demontage der Erwachsenenideale immunisiert gegen die Scham und steht damit im Dienste der Selbstbehauptung. Vgl. Dietmar Kamper, Die Sonne lacht, 272 und Jurzik, Der Stoff, 30. Schon Charles Baudelaire hatte festgestellt, dass die unschuldig-kreatürliche Freude der Kinder den Keim dämonischer Leidenschaft und Volition in sich trägt (vgl. Vom Wesen, 128). Christoph Türcke deutet das
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kristallisierte,³³⁴ sondern noch Konzepte der psychologischen Anthropologie jüngeren Datums orientierte.³³⁵ Im Zuge des Erwachsenwerdens eröffnen sich zwar Spielräume der Neucodierung des aggressiven Impulses zugunsten einer verhaltenspsychologischen Steuerung, die den Zweck der Annäherung, des Arrangements und der Auflösung von Berührungsängsten erfüllt.³³⁶ Doch dem höhnischen Lachen des Erwachsenen bleibt das Angst-Aggressions-Muster eingeschrieben.³³⁷ Dieser Sachverhalt soll in einer abschließenden Betrachtung an dem für die Psychoanalytiker paradigmatischen Typus des hysterischen Lachens verifiziert werden.³³⁸ Es ist Martin Grotjahn zufolge eben jenes Lachen, das ursprünglich der „emotionalen Labilität“³³⁹ nach überstandener Gefahr entspringt, doch, wie Eike Christian Hirsch bemerkt hat, einer psychohistorischen Sublimation und Kontextverschiebung unterlag: Aus dem Siegergeschrei über den Gegner im Duell wurde der Triumph über den „inneren Feind, über Gewissensangst und Verklemmung“³⁴⁰. Theodor Reik wies in diesem Zusammenhang auf die Affinität des Lachens zur „manischen Stimmung“³⁴¹ bei der Überwindung neurotischer Ängste
Glucksen der Kinder als eine „kultivierte Spätform“ (Götter lachen, 774) des ursprünglich rohen, höhnischen Lachens. In Konrads von Würzburg Der trojanische Krieg (bis 1287) rettet unschuldiges Lachen dem als Baby ausgesetzten Paris, dem späteren trojanischen Prinzen, das Leben, ebenso dem Findelkind im Gregorius (um 1190) von Hartmann von Aue.Vgl. Kremer, Das Lachen, 33 f., Winfried Wilhelmy, Seliges Lächeln, 162 und I.3.3. Das Lachen des Säuglings, so Rudolf Helmstetter, nährt sich aus „lauter Lebenslust und ahnungslos somatischer Weltfreude“ (Vom Lachen, 765), aus dem Triumph und grenzenlosen Optimismus des Menschgewordenseins. Reinhard Lempp wertet das Kinder-Lachen als unmittelbaren Ausdruck des „Wohlbefindens, […] der Freude an sich und seiner Umwelt […] und der positiven Erwartung an die Zukunft“ (Das Lachen, 90). So wurde das idealisierte Bild vom ungetrübten, unverdorbenen Lachen des Kindes bis in die Gegenwart hinein reproduziert. Vgl. auch Gisbert Kranz, Was Menschen gerne tun, 88/128. Vgl. Uber/Steiner, Lach, 65. Das höhnische Lachen verrät die Erleichterung darüber, dass man selbst von der gesellschaftlichen Aggression verschont wurde; in oder hinter der „bizarr verzerrten Lachfratze“ (Josef Lederle, Befreiendes Lachen, lächerliche Befreiung, 19) kann sich jedoch auch die Angst vor eben dieser Aggression verbergen. Nach Freuds neurophysiologischer ‚Grammatik‘ liegt dem Lachen die gleiche nervliche bzw. psychische Erregung zugrunde wie den somatischen Symptomen der Hysterie bzw. der (Angst) Neurose (vgl. Schröder, Lachen, 171 f.). Grotjahn, Vom Sinn, 161. Hirsch, Der Witzableiter, 171. In bestimmten afrikanischen Stammesgesellschaften wird allerdings noch heute die Wiedervereinigung nach überstandener Katastrophe mit einem kollektiven Lachritual gefeiert (vgl. Stagl, Nichtlachen, 96 f.). Reik, Lust, 113.
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hin und führte das Triumphgefühl des Lachenden auf die Befriedigung des Tabuund Triebdurchbruchs zurück.³⁴² Die ekstatisch-euphorische Befreiungslust folgt dem Zusammenzucken beim „Gedankenschrecken“³⁴³, der im Lachen förmlich ‚abgezittert‘ wird. Die moderne Literatur hat das hysterische Lachen gegen seine Denunzierung als psychische Fehlreaktion bzw. unzulängliches situationsunangemessenes Verhalten³⁴⁴ zum Zeichen eines berechtigten subjektiven Widerstandes gegen den herrschenden Normalitätsbegriff aufgewertet, wobei dieser Widerstand nicht in einem rationalen Einspruch besteht, sondern einem affektiven Widerstreit abgerungen ist.³⁴⁵ Das hysterische Gelächter kann zwischen Selbstverachtung und Protest oszillieren, es kann einen hohen Anteil an Verzweiflung besitzen oder den Sprung in die innere und äußere Unabhängigkeit bezeugen.³⁴⁶ In jedem Fall ist es ein Verhalten auf der „Grenze zwischen Weisheit und Narrheit“, das eine fundamentale „Differenz zwischen Norm und Tabu“³⁴⁷ enthüllt und eine innovative Sichtweise eröffnet. Das hysterische Lachen deutet damit auf jene katastrophische Dimension, die die verschiedenen ambivalent verschränkten Ebenen und widerstreitenden Zielrichtungen des Lachens erhellt, den Vorgang der Affektregulation wie jenen der kognitiven Desorganisation, den sadistischen Impuls der Zerstörungsfreude wie den masochistischen der Angstlust,³⁴⁸ den Kompensati-
Vgl. Reik, Lust, 99 – 115. In seinem Buch Das Lachen der Täter (2015) hat Klaus Theweleit, ausgehend von Henry Fondas sadistischem Gelächter in Sergio Leones berühmtem Anti-Western Spiel mir das Lied vom Tod (1968), das Lachen der Mordlust als „emblematisches Abzeichen des Killers“ (7) bezeichnet und anhand zahlreicher Beispiele, von afrikanischen Kindersoldaten bis zum Attentäter Anders Breivik, analysiert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das Mordgelächter ein Reflex auf scheinbar gelungene Selbstermächtigung ist (vgl. 115 f.), und das bedeutet konkret: „Begleitempfinden zur eigenen Körperkomplettierung“ und Begleiteruption zur Geburt des „Männer-Selbst in der Eigengruppe“ (137). Reik, Lust, 111. Als solches gelten üblicherweise unkontrollierbare Lachausbrüche im streng reglementierten sozialen Kontext, z. B. „bei einer Beerdigung oder in einer wichtigen Konferenz“ (Köhler, Differentes Lachen, 152). Vgl. dazu I.3.4 und Stefanie Köhlers Betrachtungen zur Motivik (Differentes Lachen, 152– 159) in Fay Weldons Female friends (1975), Doris Lessings The golden Notebook (1962) und A. S. Byatts The virgin in the garden (1978). Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 153 ff. und I.3.1. Köhler, Differentes Lachen, 159. Bei einer Achterbahnfahrt oder der Lektüre von Gruselgeschichten sind es die menschliche Lust am Widerspruch und am Risiko und das Bedürfnis nach Ventilierung der Stressenergie, die zum Lachen reizen (vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 238 und Titze, Heilkraft, 27– 30).
1.5 Gewalt und Gegen-Gewalt im faschistischen und postfaschistischen System
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onsmechanismus von Degradation und Exklusion wie den kathartischen Effekt vitalen Triumphes. Im folgenden Kapitel wird es darum gehen, die psychohistorische Rolle des Lachens als Gewalt und Gegen-Gewalt im totalitären politischen System zu prüfen, um in Kap. I.1.6 im Anschluss an die bisherigen Ergebnisse das therapeutische Potential des Lachens auf dem psychodynamischen Spannungsfeld von Repression, Angst und Aufbegehren voll ausschöpfen zu können.
1.5 Gewalt und Gegen-Gewalt im faschistischen und postfaschistischen System: eine literatur- und filmgeschichtliche Skizze Das 20. Jahrhundert mit seinen schroffen Gegensätzen, Totalitarismus und säkulare Demokratie, Masse und Individuum, Unterdrückung und Widerstand, Opportunismus und Rebellion, erweist sich als besonders aussagekräftig für die Dynamik des Lachens in historischen Kontexten der Gewalt. Das Lachen der Straße hat Kierkegaard in Die Wiederholung ³⁴⁹ (1843) noch als Phänomen der Unmittelbarkeit gefeiert, als heitere Enthemmung einer selbstbewussten Rezeptionsgemeinschaft, die das Leiblich-Triebhafte affirmiert und die „sozialen Hierarchien“³⁵⁰ nivelliert. Das kleinlich-berechnende, abgemessene Kunstgenuss-Lachen des gebildeten Bürgertums im Parkett, das den ästhetischen Gegenstand zur Ware degradiert, grenzt Kierkegaard vom weit und mächtig schallenden „teutonischen“³⁵¹ Lachen der Unwissenden auf den billigen Galerieplätzen ab, das einen „Akt der Gewaltfreiheit“³⁵² darstellt, weil es seinen Zweck in sich selbst hat und ganz an den Augenblick gebunden ist. Diese ungebrochen optimistische Beurteilung des entfesselten Kollektivgelächters hat jedoch im Zuge der Kriege und Vernichtungsorgien des 20. Jahrhunderts ihre Glaubwürdigkeit verloren. Bei der „Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 in der Krolloper“³⁵³ zielte die karnevaleske Machtübernahme der Straße mit ihrem rohen Gelächter nicht etwa auf die Befreiung der Unterdrückten, sondern koinzidierte
Kierkegaard reflektiert hier seine Erfahrungen im Theater: Das heftige raumgreifende Gelächter, das ihn bei einer Aufführung der Nestroy-Posse Der Talisman von allen Seiten umwogt, erlebt er als lustvolles Zerriebenwerden (vgl. Peiter, Komik, 13 f., 69 – 96). Peiter, Komik, 13. Peiter, Komik, 80. Peiter, Komik, 83. Peiter, Komik, 14.
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mit der Androhung von Gewalt gegen Andersdenkende.³⁵⁴ Das Lachen des unwissenden Volkes in der Galerie wandte sich aggressiv gegen den bildungsbürgerlichen Wertekanon.³⁵⁵ Die Judenkarikatur und der antisemitische Witz³⁵⁶ stigmatisierten eine ganze Volksgruppe zum Opfer des Gelächters.³⁵⁷ Die Vernichtungsphantasie des Nazi-Regimes traf auch die „jüdische Lachkultur“³⁵⁸ und ihre Kunst der Anerkennung von Widersprüchen. Die NS-Unterhaltungskultur vereinheitlichte und instrumentalisierte das Lachen im Sinne der Propaganda.³⁵⁹ Der totalitäre Repressionsapparat verdrängte subversiven Humor durch
Es mag dabei auch eine gewisse mentalitätsgeschichtliche Disposition des Humors in der deutschen Volkskultur eine Rolle gespielt haben: „Die Prügelszenen des Kasperletheaters, […] die Schwänke des Bauerntheaters“ (Bien, Im Spiegelkabinett, 257), die Typenkomödie, Wilhelm Buschs Bildergeschichten, die Till Eulenspiegel-Legenden oder Märchen wie Hans im Glück bezeugen eine Pädagogik der Schadenfreude und der spottlustigen Sozialdisziplinierung, die in der nationalsozialistischen Ära zugunsten der ‚Herrenmoral‘ instrumentalisiert werden konnte. Wilhelm Raabe hat in seinem Roman Der Hungerpastor (1864) bereits geschildert, wie ein jüdischer Junge Opfer einer hohnlachenden Hetzjagd wird (vgl. Prütting, Homo ridens, 1568 f.). Vgl. Peiter, Komik, 89. Walter Benjamin und Elias Canetti haben die Wirkungsästhetik der Satire Karl Kraus’ daraufhin analysiert, ob sie ein enthierarchisierendes und befreiendes Lachen hervorruft oder nicht vielmehr eine applaudierende und gewaltbereite Masse beschwört, der sie das Gelächter als „Tötungsinstrument“ (Peiter, Komik, 95) an die Hand gibt. Während Walter Benjamin (1931) die Ansicht vertrat, dass der Satiriker die Gewalt kannibalisieren müsse, um Gewaltkritik üben zu können (vgl. 111), und „im Menschenfresser Kraus den anarchisch operierenden Revolutionär“ (118) erkannte, während er also die „zerstörerischen Anteile des Lachens“ als „Voraussetzung gesellschaftlicher Veränderungen“ (97) anerkannte, hat Elias Canetti in der Nachkriegszeit eine direkte Linie von der intellektualistischen Zerstörungswut des kraussischen Gelächters zur Shoa und zur Tötungslust der infiltrierten Masse im Dritten Reich gezogen (vgl. zur Krauss-Rezeption von Benjamin, Canetti und Soma Morgenstern 14 ff./97– 127). Auch propagandistische Unterhaltungsfilme förderten die Ressentiments gegen Juden in der Bevölkerung (vgl. Rudolph Herzog, Heil Hitler, das Schwein ist tot!, 141). Die Komödie Robert und Bertram (1939) verfolgte eine besonders perfide ästhetische Enteignungsstrategie, insofern als sie den „jüdischen Humor“ (Ralph Wiener, Gefährliches Lachen, 151) des zugrundeliegenden Bühnenstücks in antisemitischen Witz verkehrte. Vgl. Peiter, Komik, 14. Rainer Stollmann, Lachen, Freiheit und Geschichte, 26 f. Seine genozidalen Pläne deutete Hitler mit der Bemerkung an, dass den Juden, die einst über seine Voraussagen gelacht hätten, das Lachen schließlich vergehen werde (vgl. Margrit Frölich, Hanno Loewy, Heinz Steinert, Lachen darf man nicht, Lachen muss man, 11). Die nationalsozialistische Propaganda veröffentlichte 1933 zur Imagepflege eine Sammlung ausländischer Hitlerkarikaturen, denen kommentierte Gegendarstellungen an die Seite gestellt waren, und versuchte damit das Lachen der Bevölkerung im Sinne der Parteikonformität zu lenken (vgl. Herzog, Heil Hitler, 64). Solche Bestrebungen waren nicht immer von Erfolg gekrönt: Die Nazi-Comedy-Serie Tran und Helle (1939/1940) verfehlte ihren propagandistischen Zweck (vgl. 171 ff.). Systemfreundlicher Komik begegnete man zwar in Alltagskontexten selten, doch war
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ideologischen Ernst.³⁶⁰ Die Angst des Diktators vor dem Spott³⁶¹ schlug sich in potentiell tödlicher Intoleranz gegenüber Karikatur und Satire nieder.³⁶² Beispielhaft für die „Verschiebung“ des Lachens „hin zum Letalen“³⁶³ wurden die „mephistophelischen Späße“³⁶⁴ und das dämonische Gelächter der Kriegsverbrecher,³⁶⁵ das einer politisch-weltanschaulich aufgeladenen Vernichtungslust
z. B. in der frühen Phase des Krieges der geschmacklose und selbstgefällige Sieger-Humor populär (vgl. 110 ff.). Im Landser-Kabarett wurden die Truppen mit unpolitischer und gefälliger Nummernrevue erheitert (vgl. 183). Auch „Hitler und seine Entourage“ (114) neigten der seicht-humoristischen Unterhaltung zu, die ihnen regimetreue Komödianten und Kabarettisten boten. Revuefilme, „harmlose Lustspiele“, Erziehungsfilme und „historische Streifen“ (Wiener, Gefährliches Lachen, 146) zielten auf das sedierend-affirmative Lachen der Volksgemeinschaft. Perfide missbrauchten die Nazis die Ablenkungsfunktion des Humors, wenn sie in den Konzentrationslagern jüdische Kabaretts gründeten: In Westerbork und Theresienstadt stand der prominente UFA-Regisseur Kurt Gerron im Mittelpunkt der hochkarätig besetzten Ensembles (vgl. Herzog, Heil Hitler, 236 – 240). In Buchenwald zwangen die SS-Schergen den Komiker Fritz Grünbaum unter Androhung von Schlägen, sie zum Lachen zu bringen (vgl. 234 f.). Vgl. Gisela Dischner, Wer lacht denn hier im Sicherheitsbereich?, 30. Alice Miller führt diesen Angst-Komplex auf ein Trauma zurück, das der junge Hitler beim Versuch erlitt, aus seinem Elternhaus zu flüchten: Sein Vater ertappte ihn unbekleidet und lachte ihn aus (vgl. Bien, Im Spiegelkabinett, 257 f.). Rudolph Herzogs Befund, das Regime hätte die meisten Witzeerzähler aufgrund ihrer offenkundigen Harmlosigkeit „eher milde“ (Heil Hitler, 11) bestraft, wird durch Ralph Wieners Darstellung nicht bestätigt. Wiener geht davon aus, dass bereits ab 1935 Witzemacher denunziert und deportiert wurden (vgl. Gefährliches Lachen, 171 f.). 1938 führte die NS-Führung mit dem ‚Heimtückegesetz‘ die Todesstrafe für ‚wehrkraftzersetzende Witze‘ ein (vgl. Alfred Kirchmayr, Witz und Humor, 57) und vor allem nach der Katastrophe von Stalingrad verschärfte sich die Rechtsprechung in dieser Hinsicht: Unter den Angeklagten, die 1944 wegen Defätismus vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wurden, waren offenbar viele Witzeerzähler (vgl. Wiener, Gefährliches Lachen, 9). Ein strenger Maßstab galt für die subversiv-humoristischen, als gefährlich-endemisch eingestuften Kabarettisten wie Karl Valentin oder Werner Finck (vgl. Herzog, Heil Hitler, 30), die 1935/36 systematisch zum Verstummen gebracht wurden (vgl. 78 ff./115 f./190 – 198). Finck überlebte das KZ und versuchte bereits ein Jahr nach dem Krieg mit der Münchner „Gipfelkonferenz des Lachens“ (Heinz Greul, Bretter, die die Welt bedeuten, 377) die verschütteten Lachpotentiale zu reaktivieren. Vgl. dazu Bien, Im Spiegelkabinett, 259. Valentin dagegen starb 1948 unterernährt an einer Lungenentzündung. Peiter, Komik, 71. Bien, Im Spiegelkabinett, 255. In diesem Zusammenhang wäre auch Hitlers zynischer Witz zu erwähnen (vgl. Wiener, Gefährliches Lachen, 37 ff.). KZ-Schergen lachten „über die Qualen ihrer gefolterten Opfer“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 28). Volker Koop zitiert in seiner Höß-Biographie einen Häftling mit folgenden Worten über den SS-Oberführer und Lagerkommandanten in Sachsenhausen, Hermann Baranowski: „Dann dröhnte sein Lachen durch die Nacht, er brüllte und schlug sich auf die Schenkel. Den Häftlingen rief er zu: Wenn ich lache, lacht der Teufel“ (Rudolf Höß, 77).
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und kollektiven Eskalationsdynamik folgte, deren „Fluchtpunkt […] das Ende des Lachens überhaupt“³⁶⁶ ist. Wenn das nationalsozialistische Regime das Lachen aber entweder propagandistisch entschärfte, es gnadenlos verfolgte oder selbst sadistisch zelebrierte, dann wirft das die Frage auf, welche Gegen-Gewalt das derart depravierte oder in die Enge getriebene Lachen noch ausüben kann, ob es also unter den Bedingungen von Diktatur und Unterdrückung noch eine Widerstandskraft zu mobilisieren vermag, die im besten Fall den Umsturz der politischen Verhältnisse erzwingt. Friedrich Dürrenmatt hat in seinen Theaterschriften und Reden (1966) die These aufgestellt, dass das Lachen die unaustilgbare Freiheit des Menschen bezeugt und daher im Gegensatz zu Klageliedern, Heldengesängen und religiösen Dichtungen dem Tyrannen die Stirn zu bieten vermag.³⁶⁷ Allerdings ist gegenüber allzu weitreichenden Subversionshypothesen doch Skepsis geboten.³⁶⁸ Zwar bedienten sich Teile des „antifaschistischen Widerstands“ im Dritten Reich der li-
Bien, Im Spiegelkabinett, 262. Vgl. Karl-Josef Kuschel, Lachen, Gottes und der Menschen Kunst, 165 f. Ein grundsätzlicher psychologischer Einwand gegen die Subversionstheorie des Lachens lautet, dass der Entspannungszustand, in den das Lachen mündet, eher zur Anpassung an die bestehenden Umstände und Vorgaben führt. Vgl. dazu Bernhardts Rekurs (Humor, 126) auf J. C. Flugel, Humour and laughter, in: G. Lindzey (Hg.), Handbook of Social Psychology, Vol. II. Cambridge 1954, 731 sowie R. L. Coser, Some Social Functions of Laughter, in: Human Relations 1959, No. 12, 171– 182. Dieser Befund kann auf die Wirkungsästhetik der Komödie übertragen werden: So hat der Philologe Reinhold F. Glei festgestellt (Aristoteles im Mönchskloster, 300), dass ein subversiver Effekt durch die Psychologie der Katharsis ausgeschlossen sei und Lenz Prütting weist in diesem Zusammenhang auf die uroborische Verlaufsform des Lachens hin, die einer Dynamik der Rebellion zuwiderlaufe (vgl. Homo ridens, 548). Aus mentalitätsgeschichtlicher Perspektive hat Theodor Rapp (Toward an Eclectic and Multilateral Theory of Laughter and Humor, in: J. of gen. Psychol. 1947, Nr. 36, 207– 219) den reaktionären Charakter des Lachens hervorgehoben: Er macht darauf aufmerksam, dass „Pioniere der Menschheit“ (Bernhardt, Humor, 126) oft ausgelacht wurden. Anton Zijderveld begründet seine Ansicht, dass das Lachen zuletzt die herrschende Norm triumphieren lässt, mit der Rolle des „zeremoniellen Clowns“ (Humor, 181), der das Normengefüge nur deswegen ins Lächerliche zog, um es wieder neu zur Geltung bringen zu können (vgl. I.3.1). Zwar kann das Lachen über die Unzulänglichkeit der Autoritäten, wie es sich am ‚komischen Helden‘ entzündet (vgl. Hans Robert Jauß, Über den Grund des Vergnügens am komischen Helden, 106 – 109), für ein unterdrücktes Kollektiv befreiend sein und Ansätze einer Protestkultur bergen in dem Sinne, dass es einen verdrängten Inhalt über die Zensurschranken hinweg wieder ins Bewusstsein hebt und damit die rationalisierenden Ausschlussmechanismen einer Kultur oder eines Systems hinterfragt. Ob daraus tatsächlich Energien für revolutionäre Aktionen resultieren, hängt allerdings „maßgeblich vom Ausmaß des Totalitarismus“ (Köhler, Differentes Lachen, 46) im jeweiligen politischen System ab, das wiederum den Regulationsgrad des Lachens in einer Gesellschaft bestimmt (vgl. 48).
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terarischen Codierungen des Lachens, „Karikaturen blühten und Flüsterwitze machten die Runde“³⁶⁹. Doch vereinzelte Zeugnisse resistenter Lachkultur³⁷⁰ dürfen nicht über die historische Wahrheit hinwegtäuschen, dass das Lachen einerseits kaum je „gegen den Faschismus imprägnierte“³⁷¹, andererseits das Provokationspotential dort an Grenzen stieß, wo der staatliche Terror überhandnahm: Naziwitze florierten laut Rudolph Herzog nur vor dem Krieg³⁷² und hatten zudem kaum „politische Sprengkraft“³⁷³. Mit ihrer Komik der Verharmlosung³⁷⁴ waren sie als „Form des aktiven Widerstands“³⁷⁵ und der Demaskierung des Terrorregimes ungeeignet und fungierten eher als Surrogat von Zivilcourage. Mithin ermöglichte es der politische Witz Aggressionen so zu ventilieren, dass die Anpassung fortan leichter fiel.³⁷⁶ Das Lachen ersparte den Aufwand der Kollision ebenso wie jenen der Systemstabilisierung und verschaffte die „momentane Erleichterung“, die der „Status der Ohnmacht“³⁷⁷ in sich birgt. Auch die späteren
Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 11. Ralph Wiener weist nach, dass der „politische Witz“ (Gefährliches Lachen, 15) schon bald nach der nationalsozialistischen Machtergreifung aufkam und im Dritten Reich keine Einzelerscheinung blieb. Insgesamt scheint mir Wiener aber die aufklärerische Wirkung der „antinazistischen Flüsterpropaganda“ (139) zu überschätzen. Karl Valentin gelang es, die „lächerlichen Figuren und finsteren Vorstellungen in seinem Kopf“ (Geier, Worüber, 212) zu bannen, indem er sein Publikum darüber lachen ließ. Am Grotesken entzündete er ein „Lachen über das Unbehaustsein des Menschen auf der Erde“ (Jansen, Scherz, 24), das einerseits „über die Bitterkeit der menschlichen Existenz“ hinweghalf, andererseits als „vitalistische affekthafte Bejahung“ eine „dionysische Dimension“ (27) eröffnete und so die rationale Ordnung staatlicher und ideologischer Systeme bedrohte. Bedingungsgrund von Karl Valentins Lachen war somit sein „anti-autoritärer Charakter“ (Geier, Worüber, 208). Walter Grasskamp, Glanz und Elend des Humors, 779. Ralph Wiener kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass der sarkastische Flüsterwitz vor allem in der Endphase des Krieges und der nationalsozialistischen Herrschaft stark verbreitet war. Allerdings bezieht er sich dabei hauptsächlich auf den Wiener Kontext (vgl. Gefährliches Lachen, 111– 124). Herzog, Heil Hitler, 63.Wiener unterscheidet den bitteren, empörten, aggressiven Flüsterwitz der Regimegegner vom Entlastungswitz der Opportunisten und Mitläufer und den Witzen der Anhänger des Systems (vgl. Gefährliches Lachen, 10 f.). Es handelte sich oft um bloße Sticheleien, die auf bestimmte Gepflogenheiten gemünzt waren (vgl. Herzog, Heil Hitler, 44 f.). Herzog, Heil Hitler, 11. Hirsch, Der Witzableiter, 250 und Hans Speier, Witz und Politik, 77 f. Ränsch-Trill, Harlekin, 82. In Freuds Humorverständnis ist jener restaurative Zug des Lachens deutlich markiert: Es besagt, dass das humorvolle Lachen auf der vorbewussten Suspendierung eines Affekts basiert, der an bestimmte unangenehme Vorstellungen gekoppelt ist (vgl. Freud, Der Witz, 260 – 269 und Carl Pietzcker, Sigmund Freud, 33). Die „drohende Unlust“ von Mitleid, Ärger oder Schmerz wird zumindest punktuell durch die Lust des „Humoraffekts“ (Dumbs, Humor, 17) substituiert.
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Dachau-Witze transportierten keine „ernsthafte Kritik“, sondern verhalfen eher dazu, „sich im Schrecken einzurichten“.³⁷⁸ Angesichts der Unauflösbarkeit der Verhältnisse blieb den Menschen oft nur das zynische, „grimmige Lachen“³⁷⁹; zum Kriegsende hin wurde der Humor zunehmend resignativ,³⁸⁰ in den Luftschutzkellern erzählte man nervöse Witze.³⁸¹ Doch wenn auch das vitale, resiliente Lachen im totalitären System zu ersticken drohte,³⁸² so überlebte es doch in Nischen als ersatzrevolutionäre „gedankliche Freiheit“³⁸³, die nicht auf politischer Macht beruht, als Selbstbehauptung des Humanen und Widerstand des Individuums gegen die Brutalität des Kollektivs³⁸⁴ oder die Einfältigkeit des Regimes.³⁸⁵ Der jüdische Humor behauptete
Herzog, Heil Hitler, 72. Wiener hingegen hebt hervor, dass solche Witze ein hohes Risiko bargen: Wer über das Konzentrationslager scherzte und denunziert wurde, landete im schlimmsten Fall selbst im Konzentrationslager (vgl. Gefährliches Lachen, 15). Dischner,Wer lacht, 30. Manfred Geier bezeichnet das von Helmuth Plessner (1941) definierte Lachen als ein solches bitteres Lachen, als „Dennoch in einer Grenzsituation“ (Worüber, 174), einer Zeit, die aus den Fugen geraten ist. Der resignativ lachende Mensch positioniert sich zwischen dem „Ernst des Lebens und dem Ernst des Todes“ (Ränsch-Trill, Harlekin, 82 f.). Mit dem „Lachen der Verzweiflung“ (Dartmann, Das lachen, 30) gewinnt er zwar nicht mehr die distanziertere Sicht des Galgenhumors, doch er kapituliert auch noch nicht vor seinem Geschick. Vgl. Herzog, Heil Hitler, 202– 208. In Italien gab es unter dem faschistischen Regime für kurze Zeit sogar ein Verbot des „lauten Lachens in der Öffentlichkeit“ (Uber/Steiner, Lach, 48). Ränsch-Trill, Harlekin, 82 f. Odo Marquard hat in einer trefflichen Formulierung von der „kleinen Subversion“ gesprochen, die uns „die große Subversion erspart: den absoluten alternativen Gestus, bei dem man nichts mehr zu lachen hat“ (Loriot laureat, 98). Vgl. auch Reinhold Niebuhr, Humor und Glaube, 76. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 40. So hat Anna Seghers in ihrem Roman Das siebte Kreuz (1942) ein triumphales Lachen über die „versklavenden Machthaber“ beschworen, das sogar unter der Folter der Nazis stolz „die eigene Würde in einer unwürdigen Situation“ (Dischner, Wer lacht, 49) verteidigt und Franz Werfel hat 1944 mit seiner Erzählung Jacobowsky und der Oberst eine Shoa-Komödie geschrieben, die als Artefakt einer subversiven Ästhetik in die alles umfassende Tragödie hineingebettet ist (vgl. Ezra BenGershôm, Der Esel des Propheten, 180 f.). Das Lachen über Hitler bot, wie der Regisseur Herbert Achternbusch festgestellt hat, die Möglichkeit die Unterdrücker zu verunglimpfen und den Hass gegen die Nazi-Diktatur in ein Überlegenheitsgefühl zu verwandeln (vgl. Joachim Paech, Das Komische als reflexive Figur im Hitler- oder Holocaust-Film 65). Diese psychodynamische Entlastung verspricht auch das wirkungsästhetische Programm der Nazi-Satiren des amerikanischen Unterhaltungskinos (1943): Hangmen also die, Hostages und Hitler’s Madman (vgl. Ronny Loewy, Der Lächerlichkeit preisgegeben, 129) und der berühmten Nazi-Grotesken Charlie Chaplins The Great Dictator (1940) und Ernst Lubitschs To be or not to be (1942), die wohl erstmalig die komische ‚Banalität des Bösen‘ (Hannah Arendt) inszenierten. Vgl. Herzog, Heil Hitler, 161– 172 und Reinhard Middel, Über das Entsetzen lachen?, 111.
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sich als Überlebensprinzip³⁸⁶ noch in der Erniedrigungsmaschinerie des Konzentrationslagers:³⁸⁷ Der große Tiefenpsychologe Viktor Frankl³⁸⁸ und seine Schülerin, die Auschwitz-Überlebende Edith Eger, haben das bezeugt,³⁸⁹ ebenso wie der Komiker Fritz Grünbaum, der noch bis zu seinem Tode im KZ Dachau die Mitgefangenen aufzuheitern versuchte.³⁹⁰ Der Historiker Christian Meier geht sogar davon aus, dass die „Qualität des Lachens“ mit der „Qualität des Ernstes“³⁹¹ korreliert und das Lachen nur dort als Akt der Befreiung erlebt wird, wo es sich starkem Druck entwindet.³⁹² Das Zwischenfazit muss daher lauten, dass das Lachen zwar höchstens in historischen Ausnahmefällen ein revolutionäres geschichtsmächtiges Subjekt darstellt³⁹³ und doch in den historischen Mikrostrukturen, in inoffiziellen Autonomiebezirken den Widerstandsgeist stärken, Keime einer Gegenkultur streuen und die Idee eines Umsturzes sinnlich vergegenwärtigen kann. In der Nachkriegszeit war nicht mehr die Widerstandskraft und subversive Energie des Lachens einer historischen Bewährungsprobe ausgesetzt, sondern
Vom Widerstand gegen die „Herabsetzung ihrer Würde und die Auslöschung ihres Lebenswillens“ (BenGershôm, Der Esel, 228) zeugen die zugeflüsterten Witze von Lagerinsassen und Ghettobewohnern. Der jüdische Witz gilt generell als Aggregat der Überlebenskunst des schwarzen Humors, als eine Strategie, die Abgründigkeit der historischen Realität und die fundamentale Fremdheitserfahrung im Fluidum des Grotesken und Tragikomischen zu bewältigen (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 107 ff.; Kuschel, Lachen, 176; Marc Tanenbaum, Der Humor im Talmud, 374). Rudolph Herzog hat die wesentliche Bedeutung des schwarzen Humors für die jüdische Identität in einer Abwandlung von Descartes subjektivitätstheoretischem Kerngedanken zusammengefasst: „Ich lache, also lebe ich“ (14). Vgl. II.2.2. Vgl. Wiener, Gefährliches Lachen, 203 f./217 ff. und Herzog, Heil Hitler, 227– 233. Lenz Prüttings Humorbegriff ist dagegen an die eutrapelistische Lachkultur der „Heiteren Aufklärung“ gebunden, die nur in einer „entspannten Atmosphäre“ (Homo ridens, 1933) gedeiht und die Anwesenheit existenzgefährdender Bedingungen ausschließt. Viktor Frankl, … trotzdem Ja zum Leben sagen, 35, 71– 74. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 238 f. Vgl. Herzog, Heil Hitler, 234 f. Christian Meier, Homerisches Gelächter, 790. Wenn man den Erzählungen glaubt, dann zündeten im kommunistischen Osten mit seinen politischen Repressionen und ideologischen Verhärtungen Witze stärker und die Menschen lachten entfesselter (vgl. Peter Bender, So lachte der Osten, 854– 859 und Marleen Stoessel, Lob des Lachens, 179 – 184). Das anti-autoritäre Lachen über die Borniertheit und Unzulänglichkeit der Systemvertreter stärkte die „Opfer der Tyrannei“, es half ihnen, ihre Würde zu bewahren, tröstete, wie in Ungarn, über desolate Lebensbedingungen hinweg, nährte die Widerstandskraft und das Selbstbewusstsein der Demonstranten der Vorwendezeit: „Die friedlichen Revolutionen des Herbstes 1989 nahmen […] [selbst] heitere Züge an“ (Bender, So lachte, 859). Helmut Bien erinnert daran, dass der tote Mussolini nach dem Karnevalsprinzip verkehrt herum aufgehängt wurde, umringt von schadenfrohen Italienern (vgl. Im Spiegelkabinett, 260).
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seine Funktion bei der Bewältigung der traumatischen Erfahrung von Terror und Krieg.³⁹⁴ Der Grund dafür, dass die meisten Überlebenden zunächst weder über Hitlers Suizid und die Beseitigung des nationalsozialistischen Terrorregimes noch über die Beendigung des Krieges befreit lachen konnten, ist wohl vor allem darin zu sehen, dass eben jenes Lachen unter den Trümmern zerstörter Existenzen und dem Gewicht der Trauerhypotheken begraben war.³⁹⁵ Doch schon die Flüsterwitzsammlungen, die nach dem Krieg in Umlauf gerieten,³⁹⁶ und die Entstehung der politischen Kabarette³⁹⁷ deuten auf das kollektive Bedürfnis nach Entlastung von der postnazistischen Depression³⁹⁸ und es begann die Entsakralisierung des Schrecklichen durch Komik und Groteske in der gehobenen Populärkultur, im Film und in der Literatur.³⁹⁹
Vgl. Herzog, Heil Hitler, 20. Vgl. Stollmann, Lachen, 31 f. Rainer Stollmann vertritt die These, dass Deutschland den „heiteren Abschied“ (Stollmann, Lachen, 32) vom autoritätshörigen Mittelalter verpasste, weil es das proletarische Karnevalslachen, das ‚gros rire‘ Rabelais’, in dem das historische Subjekt die „Freiheit der Städte“ (29) ergriff, nicht erlernte. Darum gerieten die Relationen von Weinen und Lachen in Unordnung: Die unangemessene „Fröhlichkeit von 1914“ (31) hatte die Trauerhypothek von 1918 zur Folge, die das Lachen über den Tyrannen im Keim erstickte. Später konnte man sich zwar über die Hitler-Imitationen Chaplins, Lubitschs oder Brechts amüsieren, doch der Diktator selbst war nicht totzulachen (vgl. Bien, Im Spiegelkabinett, 260). Vgl. Herzog, Heil Hitler, 20. Erich Kästner gründete in München gleich nach dem Krieg die Schaubude, es folgten das Kommödchen in Düsseldorf (1947), die Stachelschweine in Berlin (1949), die Distel in Ost-Berlin (1953), die Pfeffermühle in Leipzig (1954) und die Münchner Lach- und Schießgesellschaft (1955). Vgl. Kaiser, Lachwurz, 207. Als die US-amerikanische Entnazifizierungspolitik es für unvereinbar mit dem demokratischen Läuterungsprozess erklärte, dass dem deutschen Kinopublikum bereits ein Jahr nach Kriegsende Charlie Chaplins Der große Diktator vorgeführt wurde, wandte Alfred Andersch ein, dass die Auflösung verdrängter Scham- und Schuldgefühle im Lachen eine heilsame kollektivpsychologische Wirkung haben würde (vgl. Lindner, Die Spuren, 83). Vgl. Silke Wenk, Happy-End nach der Katastrophe?, 202. Die Kulturkritik machte indes lange Zeit große Vorbehalte geltend gegenüber dem literarischen Konzept der Ent-Dämonisierung und -mystifizierung des Diktators durch komische Banalisierung (vgl. Herzog, Heil Hitler, 251 ff.). Nicht die differenzierten „poetischen und theoretischen“ (Stephan Braese, Antifaschistische Satire, 121 f.) Stellungnahmen Heinrich Manns und Bertolt Brechts zur Komik des Grauens, sondern Joachim Kaisers adornitische Polemik gegen die klamaukhaft-verharmlosende Schwejkiade oder die reaktionäre Belustigung in der literarischen Nazi-Satire gab der Rezeptionsästhetik noch bis Ende der 90er-Jahre die Richtung vor, als der erste Band von Walter Moers Comic-Satire Adolf, die Nazisau (1998) auf viel Ablehnung stieß. Erst in den Nuller-Jahren verschoben sich die Maßstäbe: Helge Schneiders Hitlerdarstellung in Dani Levys Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (2007) fand bei der Filmkritik viel Zustimmung, auch Timur Vermes Hitler-Satire Er ist wieder da (2011) löste kein großes negatives Medienecho aus; dem Vorwurf der Verharmlosung
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Zu den literarischen Versuchen, die „Inkommensurabilität“⁴⁰⁰ des Grauens im ästhetischen Modus des Komischen zu bewältigen und im Lachen aufzufangen,⁴⁰¹ zählen Günter Grass’ Schelmenroman Die Blechtrommel (1959)⁴⁰², die Erzählungen Alexander Kluges, Albert Drachs Roman „Z. Z.“ das ist die zwischenzeit (1968) und die Annäherungen an den Holocaust mit Edgar Hilsenraths Satire Der Nazi & der Friseur (1971)⁴⁰³, Jurek Beckers Ghetto-Roman Jakob der Lügner (1969), Romain Garys KZ-Groteske La Danse de Gengis Cohn (1967)⁴⁰⁴ und den „Erzählungen von Tadeusz Borowski Bitte, die Herrschaften zum Gas, […] Menschen, die gingen … (1946)“⁴⁰⁵. Doch auch die Film- und Bühnenkünste haben die Farbpalette des Subgenres der Auschwitz-Groteske und -Komödie ausgereizt.⁴⁰⁶ George Taboris Theater-Experiment Kannibalen (1968)⁴⁰⁷ erprobt die Grenzen einer ästhetisch vertretbaren KZ-Dramatik.⁴⁰⁸ Das Remake von Lubitschs Sein oder Nichtsein (1983), das Mel konnten allerdings weder der Roman noch die filmische Parodie ganz entgehen (vgl. auch Herzog, Heil Hitler, 251 ff.). Seel, Humor, 744. Vgl. Wenk, Happy-End, 202 und Georg-Michael Schulz, Schmerzerfüllte Kalauer, 135 – 148. Vgl. Hans Wißkirchen, Das Lachen in Zeiten des Krieges, 235 – 249 und die Ausführungen in I.3.1. Der „exzentrisch-grotesk“ (Rüdiger Steinlein, Das Furchtbarste lächerlich?, 103) erzählende Roman stellt nationalsozialistische Ideologeme satirisch bloß und karikiert den Identitätswechsel des SS-Überzeugungstäters und KZ-Aufsehers zum Zionisten (vgl. G.-M. Schulz, Schmerzerfüllte Kalauer, 143 ff.). Die Lachpalette reicht von der „gleichsam metaphysischen Lachstimmung der sogenannten ernsten Satire“ bis zur „Atmosphäre wahren Höllengelächters“ (Steinlein, Das Furchtbarste, 105). In seinem Erstlingsroman Nacht (1954) hat Hilsenrath ein karnevaleskes Zerrbild der Alltagswirklichkeit in einem Ghetto entworfen (vgl. 103 f.), das einer komischen „Dekonstruktion des Opfer-Narrativs“ (Norbert Otto Eke, Der Witz als ästhetische Entautomatisierung, 333) gleichkommt. Vgl. Elrud Ibsch, „Nur dem Menschen ist das Lachen eigen“, 149 – 161. Gary wählte die Stilebene des aggressiv Satirischen, derb Komischen und tragisch Grotesken: Der skandalösen „Symbiose des ehemaligen SS-Offiziers“ (Ibsch, Nur dem Menschen, 152) und seines jüdischen KZ-Opfers liegt ein karnevalesker Parasitismus zugrunde, der sowohl satirische als auch utopische Züge trägt. Ruth Liberman, „Diejenigen, die selbst beim Lachen keinen Spaß haben“, 273 f. Borowski schildert „mit sardonischem Humor“ (Liberman, Diejenigen, 289) und dem Sinn für karnevaleske Komik das Abnorme und Absurde als das Normale, Alltägliche. Vgl. auch Steinlein, Das Furchtbarste, 99 f. Vgl. Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 12. Vgl. Herzog, Heil Hitler, 251 ff. In seiner derb-satirischen Farce Mein Kampf (1987) karikiert Tabori Hitler als geistig beschränkten, emotional labilen, gehemmten und ressentimentgesteuerten Egozentriker. Die sarkastischen Anspielungen auf die Shoa verraten die für Tabori typische kalkulierte Geschmacklosigkeit (vgl. G.-M. Schulz, Schmerzerfüllte Kalauer, 137 ff./146 f. und Rothschild, Die Würde,
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Brooks mit Alan Johnson produzierte, lässt den Schrecken und das Entkommen in einer grotesken Szene so ineinander kippen, dass der Zuschauer zwischen Angst und Lachen hin- und hergeworfen ist.⁴⁰⁹ Auch Radu Mihaileanus Train de vie (1998) nutzt die Komik karnevalesker Ästhetik zur Bewältigung des Holocaust.⁴¹⁰ Der Entwurf einer verkehrten Erzählwelt ist als Antwort auf den Verlust der Normalität⁴¹¹ zu verstehen: Die karnevaleske Darstellung reflektiert den zwiefachen Verhaltenstypus, den der Holocaust hervorgebracht hat, einerseits die Transgression, andererseits die Rollenfixierung. So erzeugt sie „ein Gefühl der Mechanisierung und der Unvermeidlichkeit“⁴¹², das mit einer nihilistischen Grundhaltung gepaart ist. Das Lachen erwächst auf dem Humus von karnevalesker Tragik und anarchischer Gewalt, es zeugt von einer tiefen Beunruhigung und Verstörung.⁴¹³
113 ff.). Wie Hilsenraths Nazi-Groteske setzt auch Tabori wirkungsästhetisch darauf, dass „zynische Veralberung“ und makabre Überbelichtung, Nonsens und sogar Obszönität das „Erschreckend-Tödliche“ (G.-M. Schulz, Schmerzerfüllte Kalauer, 146) erst aus den eingeschliffenen Verdrängungsmechanismen der Erinnerungskultur herausholen und somit erfahrbar machen (Eke, Der Witz, 328 f.). Als programmatisch kann die Anmerkung zu seinem dem Vergessen der ShoaOpfer entgegengestellten Theaterstück Jubiläum (1983) gelten: „Die Witze der Toten und ihr Gelächter, nicht das homerische, sondern das bitterernste, werden als Unterhaltung empfohlen für Nekrophobe, Exorzisten, Gespensterjäger, frustrierte Liebende und den Rest der schweigenden Mehrheit.“ (Jubiläum, 51). In dieser Szene erhalten die Juden eine besondere Form der Fluchthilfe: Sie werden „als Clowns verkleidet“, um schließlich „singend, scherzend und lachend“ (Kathy Laster/Heinz Steinert, Von der Schmierenkomödie zur Broadway-Show, 238) aus dem Theater gelangen zu können, in dem Wehrmachtsoffiziere und SS-Angehörige dem Führer bei einer Gala-Vorstellung beiwohnen. Als ein altes Ehepaar vor der nervlichen Belastung kapituliert, eilen ihnen „professionelle Clowns“ (238) zu Hilfe: Sie verspotten sie als Juden und integrieren ihre Angst in das Spiel der Verstellung. Der Zuschauer, der sich zuerst über den Slapstick amüsiert und dann erschrickt, lacht zuletzt einerseits erleichtert über „die Möglichkeit der Unterlegenen davonzukommen“ (238 f.), andererseits schadenfroh über die „autoritäre Dummheit“ (240) der Nazis und den „komischen Hitler“ (238). Dieses Lachen triumphiert über das grausam bloßstellende RessentimentGelächter der Hakenkreuzträger (vgl. 240). Die Judendeportation inszeniert Mihaileanu als fantastische Selbstdeportation mit dem Ziel der „Rettung von Menschenleben“ und damit als „logische Inversion“ (Geraldine Kortmann, Das Absurde als Element der Komik, 300). Die euphemistische Sequenzierung des realgeschichtlichen Überlebenskampfes in komisch-absurde Einzelkonflikte und die karnevaleske Übernahme des Nazi-Rollenfachs durch die Juden reizen den Zuschauer zum Lachen (vgl. 300/304). Doch dieses Lachen bleibt ihm wieder „im Halse stecken“ (311), es befreit ihn nur vorübergehend, erlöst ihn aber nicht von den Zumutungen des Schreckens. Vgl. Liberman, Diejenigen, 274 f. Liberman, Diejenigen, 290. Vgl. Liberman, Diejenigen, 289 f.
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Auch in Roberto Benignis Das Leben ist schön (1998) sind die Elemente der karnevalesken Strukturambivalenz und Wirkungsästhetik nachzuweisen: Die fragile Komik des tragischen „Ausgeliefertseins an einen Mechanismus“⁴¹⁴, das erstickende oder erschauernde Lachen⁴¹⁵ auf der einen, die „Deutungsmacht des Individuums“⁴¹⁶ und das „erstaunte und befreiende Lachen“⁴¹⁷ auf der anderen Seite. „Komödie und Tragödie“⁴¹⁸ sind in Benignis KZ-Phantasie ineinander verschachtelt. Das witzige Spiel ruft zwar Rührung hervor,⁴¹⁹ mündet aber nicht in ein Happy-End.⁴²⁰ Die Schlussszene spielt auf die „Darstellungstradition des Totentanzes“⁴²¹ an, das Komische wird makaber.⁴²² Die Regiearbeiten von Mihaileanu und Benigni repräsentieren eine Filmästhetik der Inszenierung des Nicht-Darstellbaren,⁴²³ die sich dadurch auszeichnet, dass Mainstream-Elemente, satirische oder ironische (Selbst)Reflexion, Groteske und „komödienhafte Versöhnungswünsche […] prekäre Balancen“⁴²⁴ eingehen. Anarchische Komik verbindet sich mit „Schamlosigkeit, antiautoritäre Demas-
Wenk, Happy End, 215. Vgl. auch Stauß, Lachen im Zwiespalt, 65 und Franz Günther Weydrich, Hiob lacht, 190. Joachim Valentin, Das Komische als Destruktion des Schreckens, 135. Benigni bekennt sich zur Autonomie des Narren, der sich dem „umfassenden Zugriff“ (Valentin, Das Komische, 134) des totalitären Apparates entzieht. Vgl. I.3.1. Valentin, Das Komische, 134. Wenk, Happy-End, 200. Vgl. Christian Schneider, Wer lacht wann?, 148 f. Vgl. Wenk, Happy-End, 215. Das triumphierende Wiedersehen-Lachen von Mutter und Kind, Vorschein eines glücklichen Weiterlebens, beruht auf einer Selbsttäuschung (vgl. Wenk, HappyEnd, 217). Wenk, Happy-End, 215. Dokumentarische Tableaus belegen die schmale Scheidewand zwischen dem Komischen und dem Grauen (vgl. Elmar Buck, Vom Lachen im Theater, 229). Bei einer Vorführung von Erwin Leisers Holocaust-Dokumentationsfilm Mein Kampf (1959) provozierten die Bilder von den abgemagerten Körpern der vergasten Juden, „die über eine Holzrutsche wie Gegenstände in eine Erdgrube rutschten“ (229), die anwesenden Schüler zum Lachen. Eine kalifornische Schülergruppe lachte offenbar über heftige Gewaltszenen bei einer Vorführung von Schindlers Liste (1993) (vgl. Yosefa Loshitzky, Verbotenes Lachen, 22). Im Bühnenstück Mysteries, das 1965 vom Living Theatre in Berlin gezeigt wurde, amüsierte sich das Publikum zunächst über die noch undurchschaute Inszenierung vom Tod in der Gaskammer und der Aufschichtung von Leichen (vgl. Buck, Vom Lachen, 230 und Paech, Das Komische, 65). Als repräsentativ können auch Mike Nichols Verfilmung (1970) von Joseph Hellers antimilitaristischem Roman Catch 22, Stanley Kubricks Anti-Kriegs-Satire Dr. Strangelove: Or how I learned to stop worrying and love the bomb (1964) oder Robert Altmans Mash (1970) und Barry Levinsons Good morning, Vietnam (1987) gelten (vgl. Seel, Humor, 744 und Thomas E. Schmidt, Töten, dealen, lachen). Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 15.
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kierung von Macht und Ideologie mit der Sehnsucht nach neuer Gemeinschaft zu einer bequemen oder auch unheimlichen Mischung“,⁴²⁵ in der die Hoffnung auf die Auflösung von Schuldkomplexen und Traumata chiffriert ist.⁴²⁶ Das gilt selbst für den nihilistisch getönten Typus des Genres wie Lina Wertmüllers Pasqualino Settebellezze (1975)⁴²⁷, aber erst recht für die regressiv-versöhnliche Variante wie Mel Brooks The Producers ⁴²⁸ (Filmkomödie: 1968, Broadway-Musical 2001), Peter Glenvilles Me and the Colonel (1958) oder Paul Mazurskys Enemies. A love Story (1989)⁴²⁹, die eher den Massengeschmack bedient. Ebenso gilt es für die (Dokumentations)Filme israelischer Regisseure, die im Spiel mit der Erinnerungskultur ein Lachen entzünden, das zur Distanzierung von den generationell vererbten „Prägungen, neurotischen Mechanismen, Idiosynkrasien“⁴³⁰ verhelfen soll.⁴³¹
Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 15. Vgl. C. Schneider, Wer lacht wann, 149 – 152. Das farcenhafte Ende des Pedro, der mit anarchistischer Parole in die Jauchegrube springt und stirbt, kündet weder von der Würde noch von der Erlösung des Toten: Es macht dagegen anschaulich, dass der Tod nichts Heroisches hat, sondern etwas Erbärmliches sein kann (vgl. Liberman, Diejenigen, 277). Vgl. Laster/Steinert, Von der Schmierenkomödie, 239 f. Laster/Steinert werfen Brooks vor, dass er in The Producers den Zuschauer zum „Komplizen des Nazi-Kitschs“ mache und zu einem allzu „herzlichen Lachen“ (Von der Schmierenkomödie, 239) animiere. Vgl. Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 15. Hanno Loewy, Fiktion und Mimesis, 61. In seinem Spielfilm Made in Israel von 2001 evoziert Ari Folman mit einer Travestie des „kulturellen Wissens“ (Loewy, Fiktion, 61) um den Holocaust ein dissonantes Lachen, in dem das Aporetisch-Absurde oder Absurd-Aporetische der „gemeinsamen Erfahrung“ (62) anklingt. In der witzigen Pointe und satirischen Zuspitzung, die „auf das Nichtsagbare […] verweist“ (62), ist eine Gewitztheit am Werk, die, wie Loewy es ausdrückt, „dem Tod eine Maske umhängt und diesem Gesicht in dasselbe lacht“ (62). Zur ethischen Problematik des spezifischen Holocaust-Gelächters hat Ernst Bloch schon 1938 in seinem Aufsatz Der Nazi und das Unsägliche angemerkt, dass das Grauen der nationalsozialistischen Verbrechen am ehesten „mit den Verfremdungsmitteln des bittersten Witzes“ und der „grotesk-komischen Satire“ (Steinlein, Das Furchtbarste, 99) zu bewältigen sei. Robin Williams, der Darsteller des Protagonisten in der Verfilmung von Jakob der Lügner (1999) bemerkte, dass komische „Darstellungen des Holocaust“ legitimiert seien durch die Relevanz, die das Lachen „über die Absurditäten der Situation“ (Paech, Das Komische, 65) als Überlebensstrategie für die KZ-Insassen hatte. Der amerikanische Literaturwissenschaftler Terrence des Pres, der zunächst in einem stark beachteten Essay (‚Holocaust Laughter‘?, in: Berel Lang (Hg.), Writing and the Holocaust, New York London 1988) eine restriktive „Holocaust-Etikette“ (Loshitzky, Verbotenes Lachen, 21) vorschlug, erkannte schließlich an, dass das Lachen als Mittel der Distanzierung vom absoluten Geltungsanspruch der historischen Wirklichkeit die produktive Auseinandersetzung mit ihr erst ermögliche und plädierte für einen nicht-mimetischen, nicht-tragischen, humorvollen Darstellungsmodus (vgl. Loshitzky, Verbotenes Lachen 22, Wenk, Happy-End, 200, Kathy Laster/Heinz Steinert, Eine neue Moral in der Darstellung der Shoa, 184 f. und Liberman, Diejenigen, 291). Art Spiegelman hat in seinem Holocaust-Comic-Strip Maus. Geschichte eines
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In Deutschland hat sich das detraumatisierende Lachen in sublimen Mustern der humoristischen Vergangenheitsbewältigung verborgen. So ermöglichte der Sylvester-Sketch Dinner for one – seit 1963 in Deutschland ausgestrahlt – einen heiteren Abschied vom traumatischen Totenkult im Gewand skurrilen britischen Humors.⁴³² Die Komik Heinz Erhards und Loriots brach auf je unterschiedliche Weise – Erhard durch antifaschistisch-dadaistische Destruktion instrumenteller Sprachstrukturen und „kindliche Unsinns- und Sprachspiellust“⁴³³, Loriot durch absurde Szenen von entgleitenden Normen und privatem Scheitern – mit dem preußischen Ordnungs- und Kontrollwahn und löste die latente Angst der Deutschen vor der Bestrafung⁴³⁴ und dem „großen historischen Chaos“⁴³⁵ im Lachen auf.⁴³⁶ Im Hinblick auf das schwere psycho-moralische Erbe der Shoa sind im deutschen Spielfilm Tendenzen einer Verdrängungs- und Versöhnungsästhetik zu
Überlebenden (dt. 1989) die These des Pres’ umgesetzt: Seine Poietik der „ironischen Verfremdung“ (Wenk, Happy-End, 200) macht allerdings deutlich, dass es dabei nicht um Erlösung durch ein frohes, glückliches Lachen geht; die vermeintlich „scherzhafte Verharmlosung“ zielt vielmehr auf „ein revoltierendes Lachen“ (BenGershôm, Der Esel, 230) über das Grauen. Rüdiger Steinlein argumentiert, die Spiegelung des „Furchtbarsten im Lächerlichen“ sei nur dann legitim, wenn sie auf ein Katastrophengelächter ziele, das „unversöhnt im Halse stecken“ (Das Furchtbarste, 105) bleibt. Der „israelische Komiker Gil Kopatch“ (Stoessel, Lob, 176) zielt mit seinen HolocaustWitzen allein auf das Lachen der Juden. In den Nach-Holocaust-Erzählungen des jiddischen Schriftstellers Isaac Bashevis Singer flüchtet sich das Lachen in die „absurde Szene“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 154) und in die tragikomische Farce. Um dem überwältigenden Schatten des Holocaust zu entkommen, rebellieren einige Figuren offen gegen Gott oder verwerfen ihn sogar (vgl. 154). Auch in Elie Wiesels Romanen lässt „sarkastisches Lachen“ (BenGershôm, Der Esel, 230) dem versöhnlichen Humor keinen Raum mehr. Vgl. Stollmann, Die Lust, 115 ff. Stollmann, Die Lust, 120. Als eine harmlose, liebenswürdige, rührend-amüsante Synthese von Vater und Kind eröffnete die Figur des Heinz Erhardt zudem die Möglichkeit, das nationalsozialistisch geprägte Bild vom militärisch potenten Sohn zu verabschieden (vgl. Stollmann, Die Lust, 121 f.). Stollmann, Die Lust, 123. Verfahren des Komischen haben sich auch bei der filmischen Bewältigung der DDR-Geschichte als wirkungsvoll erwiesen, z. B. in Leander Hausmanns Teenager-Komödie Sonnenallee (1999) und Wolfgang Beckers melancholischer Farce Good-bye Lenin (2003). Sonnenallee unternimmt gleichsam einen „karnevalistischen Lach-Angriff“ (Waltraud Wende, „Die Wahrheit ist nur eine zweifelhafte Angelegenheit“, 330) auf den Widerspruch von Ideal und Wirklichkeit in der DDR-Gesellschaft. Zugleich persifliert der Film die Geltungsansprüche privater und „offizieller Geschichtsbilder“, indem er die „kritisch-satirische und (n)ostalgisch-ironische Lesart der deutsch-deutschen Geschichte polyvalent changieren“ (330) lässt. Auch in Good-bye Lenin ist es der amüsante Zuschnitt unideologischer historischer Metareflexion, das amüsante Spiel mit alternativen Geschichtsverläufen und -deutungen, das zum Lachen reizt (vgl. 330 – 339).
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beobachten gewesen.⁴³⁷ Max Färberböcks Melodram Aimée und Jaguar (1999) beschwört mit „heiteren Bildern und Tönen deutsch-jüdischer Unmittelbarkeit“⁴³⁸ eine durch gemeinsame Träume und Traumata konstituierte Schicksalsgemeinschaft. Das „rauschhafte Lachen“⁴³⁹ der Protagonistinnen erklingt in einem privaten Raum des amourösen Glücks, der gegen die sozialen und politischen Verwerfungen jener Zeit geschützt ist.⁴⁴⁰ Als Katalysator einer detraumatisierenden Wirkungsästhetik verweigert sich das Lachen letztlich eindeutigen ethischen Zuschreibungen: Es kann von einer geglückten Bewältigung grauenhafter Ereignisse ebenso zeugen wie von einer Verdrängung des Grauens, es kann schmerzhaft-heilsame Erkenntnisse zutage fördern oder an seiner eigenen Fragwürdigkeit ersticken, es kann Zeichen der Kritik, der Humanität, der Wahrhaftigkeit sein oder eine Manifestation der Täuschung und des Scheins. Die postfaschistische Gesellschaftstheorie hat die Geschichte des Lachens als Gewaltakt und Mittel der Auflösung von Gewalt im Rahmen einer Fundamentalkritik der Unterhaltungskultur fortgeschrieben. Mochte das Lachen für die demokratische Revolution konstitutiv gewesen sein, weil es als Instrument der „Distanzierung des Anderen und […] des Eigenen“ weder vor Machthabern und Würdenträgern noch vor der „Religion und Gott“⁴⁴¹ Halt machte und somit den gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt im Sinne eines säkularen Gemeinwesens beförderte, so ging in der Nachkriegsmoderne die „Verbindung von Freiheitlichkeit und Gelächter“⁴⁴² im „gesellschaftlichen Enteignungsprozess des Lachens“⁴⁴³ verloren. Die Pointe dieses Deutungskonzepts einer ‚Dialektik der Aufklärung‘ besteht in der Behauptung einer strukturellen Identität von totalitärer Gewalt und Vgl. Koepnick, Nochmal, 332 und Lea Wohl von Haselberg, Er ist ein humorvoller Mann, wir haben sehr gelacht, 325 – 338. Wohl von Hasenberg kritisiert vor allem die humoristische Vermittlung eines „folkloristischen Bildes“ (344) von jüdischer Witzkultur, das dem Wunsch entspreche, die weitestgehende Abwesenheit jüdischen Kulturlebens nach der Shoa „fiktiv aufzuheben“ (349), wobei der zugrunde liegende Exotismus von der typischen wenn auch ins Positive gewendeten Differenzmarkierung zeugt. Koepnick, Nochmal, 331. Koepnick, Nochmal, 320. Lutz Koepnick hat dem Film eine eskapistisch-revisionistische Programmatik vorgeworfen: Hinter dem zeitenthoben-glücklichen, vermeintlich „zwanglosen Lachen“ der jüdischen Frau walte die „imperative Mechanik“ einer naiven und verschleiernden Erlösungsphantasie, die den „Zuschauer vom Wiederholungszwang einer nicht zu bewältigenden Geschichte kathartisch“ (Nochmal, 332) entlasten soll: „Felices Lachen ist erpresst, um die deutsche Geschichte von dem Schatten der jüdischen Opfer zu befreien“ (329). Bohrer/Scheel, Vorwort, 742. Karl-Heinz Bohrer, Individualismus, Realismus, Freiheitlichkeit, 820. Stollmann, Groteske Aufklärung, 37.
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der Tyrannei der Vergnügungsindustrie. Das Lachen, das die blutige Epoche faschistischer Gewaltherrschaft in der ersten und die materialistische Ära der westlichen Wohlstands- und Industriegesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verklammert, resultiert aus einem sozialpsychologischen Mechanismus der Angstbewältigung, der sowohl auf die Befreiung von der Repression als auch auf die opportunistische Zuwendung zur Macht gerichtet sein kann.⁴⁴⁴ Seit der Aufklärung steht das Lachen damit unter dem Vorzeichen eines geschichtsphilosophischen Antagonismus: Es kann humane Vernunft repräsentieren oder sich inhumaner instrumenteller Vernunft unterwerfen, es kann „sich autoritärer Macht entziehen“⁴⁴⁵ oder mit ihr arrangieren. In der konsumistischen Eventkultur der Nachkriegszeit verbirgt es sich in einer „zwanghaften, fratzenartigen Munterkeit“⁴⁴⁶. Milan Kundera hat sich in seinem Buch vom Lachen und Vergessen (1978) dem kritischen Befund der Kritischen Theorie angeschlossen. Die „verordnete Heiterkeit“, das „permanente dämliche Lachen“, das die reibungslose Funktionalität des „totalitären Systems“ garantierte, ging in der westlichen Konsumgesellschaft einen Pakt mit der institutionell gelenkten „Werbung und den Massenmedien“⁴⁴⁷ ein. Doch diesseits des politischen Theaterspiels und des ökonomischen Ausbeutungszusammenhang gilt es, das ursprüngliche Lachen reiner Daseinsfreude zurückzugewinnen.⁴⁴⁸ Allerdings verschleiert, wie Dirk Schümer diagnostiziert hat, die gegenwärtige Comedykultur eben jene Systemzwänge. Während in der Diktatur Parodie und Gelächter die sakrale Aura des Herrschers attackieren, läuft das komödiantische Lachen der Spaßgesellschaft ins Leere oder biegt sich in sich selbst zurück.⁴⁴⁹ In einer „Epoche des Komikdiscounts und Komiküberschusskonsums“⁴⁵⁰ und der
„Allemal begleitet das Lachen, das versöhnte wie das schreckliche, den Augenblick, da eine Furcht vergeht. Es zeigt Befreiung an, sei es aus leiblicher Gefahr, sei es aus den Fängen der Logik […] Das versöhnte Lachen ertönt als Echo des Entronnenseins aus der Macht, das schlechte bewältigt die Furcht, indem es zu den Instanzen überläuft, die zu fürchten sind. Es ist das Echo der Macht als unentrinnbarer“ (Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, 149). Vgl. dazu Stollmann, Groteske Aufklärung, 94. Dietmar Goldschnigg, Lachende Moderne – Kafkas Proceß-Roman, 66. Hüttinger, Die Kunst, 209. Hüttinger schließt hier an eine Passage bei Theodor W. Adorno an (Ist die Kunst heiter?, 603). Rothschild, Die Würde, 111. Vgl. Milan Kundera, Das Buch vom Lachen und Vergessen, 78 – 81. Vgl. Dirk Schümer, Lachen mit Bachtin – ein geisteshistorisches Trauerspiel, 852. Helmstetter, Vom Lachen, 772.
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quasi-religiösen Herrschaft des massenmedialen Amüsierbetriebs⁴⁵¹ degradiert das Lachen zum Reflex auf die künstlichen Reize arrangierter komischer Settings, zum „schrillen Gelächter“⁴⁵² einer „hektischen Albernheit“⁴⁵³. Populärkulturelle Phänomene wie der Weltlachtag am 7. Mai und therapeutisch orientierte Lachseminare können auch ein Klima begünstigen, in dem der Verzicht auf das Lachen unter Verdacht gerät,⁴⁵⁴ während die Lachkonserve als „Hintergrundgeräusch“⁴⁵⁵ der Sitcoms genau das mechanisch reproduziert, was der Mensch, der im Raster von Nützlichkeits- und Besitzdenken, von Konkurrenzdruck und Prestigestreben gefangen ist, verlernt hat.⁴⁵⁶ So hat die Unterhaltungsindustrie mit ihrer regressiven „kulturellen Symbolik“ und ihren technischen Artefakten das „authentisch-souveräne Lachen“⁴⁵⁷ des Individuums, das eine „rettende Reaktion auf die Zumutungen des Lebens“⁴⁵⁸ darstellt, im banalisierten Lachen der Massen erstickt. Es hat das Lachen seiner existenziellen Dringlichkeit und politischen Widerständigkeit beraubt.⁴⁵⁹ Auch das politische Kabarett ist seit den 60er-Jahren zu einer restaurativen Instanz verkommen: Abgesehen von einigen Solo-Künstlern wie Volker Pispers oder Georg Schramm, enthält es sich fundamentaler Systemkritik,⁴⁶⁰ zielt auf den Konsens mit dem Zuschauer⁴⁶¹ und lädt die Mächtigen zum Mitlachen ein.⁴⁶² Ein genauerer Blick auf die Comedy-Szene und über sie hinaus kann jedoch nicht übersehen, dass die Komikkultur der jüngeren Zeit keineswegs so einheitlich ist, wie es konservative Intellektuelle unterstellen, und es in ihr durchaus
Vgl. Neil Postmans vieldiskutierte Publikation Wir amüsieren uns zu Tode, Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie (1985). Hamburger, Setzt einen Krug, 170. Grasskamp, Glanz, 782. Vgl. Stagl, Nichtlachen, 99. Helmstetter, Vom Lachen, 772. Vgl. Kurz, Das Lächeln, 322. Leitenberger, Lachen, 21. Leitenberger bezieht sich hier auf K. Neumann, Amüsieren wir uns zu Tode?, Göttinger Zeitschrift für Erziehung und Gesellschaft 31, 1991, 270 – 279. Hirsch, Der Witzableiter, 290. Vgl. Hirsch, Der Witzableiiter, 290. Das Lachen ist, in den Worten James Agees, „vereinzelt, flach, gedämpft und kurz geworden“ (Das goldene Zeitalter der Filmkomödie, 65). Den Inszenierungen moderner Lachkulturarbeiter kommt in der Regel „die Funktion des Sicherheitsventils“ (Köhler, Differentes Lachen, 47) im Interesse der Stabilisierung des gesellschaftlichen Normen- und Machtgefüges zu. Vgl. auch zum Hofnarrentum I.3.1. Vgl. Hans Hoppe, Si(e)chere Zeiten – oder: Kabarette sich, wer kann, 186 f. Vgl. Knut Hickethier, Vom Fernsehkabarett zur Tele-Comedy, 196 f. In der DDR duldeten die Machthaber das Lachen im politischen Kabarett, z. B. „in der Leipziger „Pfeffermühle oder der Berliner Distel, […] nur unter der Bedingung der grundsätzlichen Loyalität“ (Rothschild, Die Würde, 110).
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Ansätze gibt, die Mechanismen kommerzieller Vereinnahmung und Ausbeutung zu durchbrechen oder sichtbar zu machen, nicht zuletzt in der Mediensatire Harald Schmidts und im Nonsense-Witz Helge Schneiders.⁴⁶³ Die derbe Körperkomik in der Mainstreamkultur scheint zwar auf den ersten Blick nichts anderes als das Geschäft einer banal-blödelnden Witzeproduktion, die auf das „fortgesetzte Ablachen“⁴⁶⁴ von Frustrationen zielt, doch mag sie eine wichtige Ventilfunktion für die Geltungsbedürfnisse unterdrückter Lohnarbeiter haben (vgl. I.2.2), während die vordergründig flache Komik der unvorhergesehenen Widerstände und des Scheiterns als eine Resonanz auf den Flexibilitätsdruck und die Kontingenzerfahrung des modernen Individuums gewertet werden kann: Comedy-Formate vermitteln auf diese Weise Risiko- und „Chaoskompetenz“⁴⁶⁵.
1.6 Angst und Angstüberwindung: Tiefenpsychologische Qualitäten und psychotherapeutische Potentiale Wer die Geschichte des Lachens im 20. Jahrhundert erzählen will, der muss, wie wir gesehen haben, ihrer thematischen Leitlinie folgen, der verwickelten Mechanik und Reziprozität von Totalitarismus und Revolution, von Gewalt und Gegengewalt, von Repression und Subversion, von Anpassung und Widerstand. Auf dieser Linie gewinnt auch die Feststellung einer psychotherapeutischen Qualität des Lachens einen existenziellen Sinn. Erörterte I.1.2 die im engeren Sinne psychosomatische, diätetische Wirkung des Lachens, dann ist in diesem Kapitel davon die Rede, ob und in welcher Weise das Lachen auf einer mentalen oder tiefenpsychologischen Ebene befreiend und heilsam sein kann. In diesem Zusammenhang wird es darum gehen, die Impulse aggressiven Ausagierens und den Akt der Überwindung destruktiver Mächte, m. a. W., die Momente von Gewalt und Gegengewalt aufeinander zu beziehen und auf ihre jeweiligen therapeutischen Potentiale hin zu überprüfen. Michael Titze und Rolf Kühn haben aus psychologisch-phänomenologischer Doppelperspektive die therapeutische Strahlkraft des nicht-mutwilligen, überfallartigen Lachens auf die Entbindung des aggressiven und schöpferischen Lebenstriebs zurückgeführt.⁴⁶⁶ Die „affektiv-freudige Übereinstimmung“ von „Ich und Leiblichkeit“⁴⁶⁷ birgt eine ursprüngliche vitale Energie und Potenz, die sich in
Vgl. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 199 f. und Hüttinger, Die Kunst, 210 f. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 201. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 206. Vgl. Titze/Kühn, Lachen, 117. Titze/Kühn, Lachen, 107.
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der Auflösung von Spannungen, im Abbau von Hemmungen und in der Mobilisierung von Selbstheilungskräften manifestiert.⁴⁶⁸ Das Selbstgefühl leiblicher Lebendigkeit und das „Ich-kann-Gefühl in allem Tun“⁴⁶⁹ vereinen sich in einer ursprünglichen affektiven Grundschicht,⁴⁷⁰ die einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die psychotherapeutische Arbeit bietet, insbesondere für die Behandlung von Zwangs- und Selbstwertstörungen.⁴⁷¹ Das psychologische Lachtherapiemodell, das Titze⁴⁷² und Waleed A. Salameh⁴⁷³ entwickelt haben, zielt auf die Aktivierung dieser Schicht durch das Instrument der komischen Paradoxie. Es geht zurück auf die humanistisch-normenkritische Psychologie Viktor Frankls (Das Leiden am sinnlosen Leben, 1978), der „Ironie und Übertreibung“⁴⁷⁴ als therapeutisch-rhetorische Hilfsmittel nutzte, um die katastrophischen Fiktionen des perfektionistischen Selbst ad absurdum zu führen.⁴⁷⁵ Seine Methode der „paradoxen Intention“⁴⁷⁶ initiiert einen Perspektivwechsel: Der Patient soll sich wünschen, was er bis dahin gefürchtet hat,⁴⁷⁷ und zu „riskantem Verhalten“⁴⁷⁸ ermutigt werden. Die komische Überbelichtung
Vgl. Titze/Kühn, Lachen, 31. Titze/Kühn, Lachen, 31. Andreas Leitenberger hält fest, dass „gesunde Menschen“ im Allgemeinen häufiger als „psychisch Kranke“ (Lachen, 30) lachen. Vgl. auch Lothar Wittmann, Lachen in der Psychotherapie, 90 – 107. Auch der Roman hat das Lachen als Motiv der Verflüssigung affektiver Blockaden entdeckt: Eine Figur in Martin Amis’ Success (1978) lacht, weil sie eine fundamentale Wendung ihres bis dahin misserfolgsorientierten Schicksals erlebt (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 129 f. und zur vergleichbaren Märchenmotivik I.3.3). Vgl. Titzes Veröffentlichungen im Literaturverzeichnis. Vgl. Waleed A. Salameh, Humor in der Kurzzeitpsychotherapie (2007). Titze, Heilkraft, 103. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 245 f. Viktor Frankl, Das Leiden am sinnlosen Leben, 55. Diese Methodik ist allerdings keine Erfindung Frankls: Bereits Alfred Adler erwog die Möglichkeiten komisch-paradoxer Intervention im Rahmen seiner ressourcenorientierten Individualpsychologie (vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 67 f.). Vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 77 ff. Die paradoxe Intention beruht nach Frankl auf einer genuinen Eigenschaft des Humors, seiner Selbsttranszendenz (vgl.Winfried Rohr, Humor als Existential, 65). In die „transzendente Sinndimension“ stößt das Lachen genau dann, wenn die „humoristische Angriffsbewegung“ den Befürchteten in das Befürchtete hineinführt und dort die Pointe entzündet, die den „pathologischen Zirkel“ (65) zusammenbrechen lässt.Weil der über die Pointe lachende Mensch ganz an den „intendierten Gegenstand“ und den darin „ihm aufgegebenen“ Sinn hingegeben ist, wird ihm jene „Selbstvergessenheit und Selbsterfüllung“ (66) zuteil, die der therapeutische Prozess anstrebt. Der Sinn und der Grund zum Lachen fallen zusammen (vgl. 69). Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 135.
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von Schamängsten und Angstneurosen ist auf den Zweck einer lustvollen Affirmation der eigenen Lächerlichkeit abgestimmt⁴⁷⁹ und hat den wiederum paradox zu nennenden Effekt, dass sich das „Misstrauen […] gegenüber dem eigenen Selbst, der eigenen Affektivität und Körperlichkeit“⁴⁸⁰ auflöst und eine vertrauensvollere Haltung gegenüber der sozialen Wirklichkeit wächst.⁴⁸¹ Frankls Ansatz einer humorzentrierten Psychotherapie haben Gregory Bateson und Paul Watzlawick aufgegriffen, die mit dem Theorem von der „kommunikativen Doppelbindung“ und ihrer „paradoxen Auflösung“⁴⁸² auf den Aspekt der Selbstdistanzierung abheben.⁴⁸³ Die Verhaltenstherapie integriert das Verfahren der komischen Intervention in ihr Programm der „Gegenkonditionierung“ oder „kognitiven Umstrukturierung“,⁴⁸⁴ z. B. bei der Behandlung von Angststörungen und in Selbstsicherheitstrainings.⁴⁸⁵ Der amerikanische Psychologe Frank Farrelly hat auf der Basis der Franklschen Psychologie die Methodik der Provokativen Therapie entwickelt, die durch die Persiflage und Überzeichnung der Ängste und Probleme des Klienten ein Lachen des Widerstands gegen die Verstrickung ins eigene Unglück evoziert.⁴⁸⁶ Dieses Lachen über sich selbst setzt Denken, Fühlen und Verhalten produktiv miteinander in Beziehung,⁴⁸⁷ und zwar so, dass einerseits „vergangene Dummheiten und Beschränktheiten“⁴⁸⁸, Täuschungen und Enttäuschungen akzeptiert werden können. Somit zeugt es von „geistiger Freiheit“⁴⁸⁹ und Weisheit. Andererseits fördert es das Verantwortungsbewusstsein und ermöglicht die Befreiung aus der Opferrolle.⁴⁹⁰ Es ist das
Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 14. Titze, Die heilende Kraft, 246. Vgl. Titze/Kühn, Lachen, 150. Titze, Die heilende Kraft, 10. Die humanistische Psychologie hat aus dieser Grundidee abgeleitet, dass der Humor das Selbst aus Verhaltenszwängen, Denkfixierungen und der Verhaftung mit leidvoller Vergangenheit befreit und einen „neuen Bezugsrahmen“ für „das Erkennen der eigenen Möglichkeiten“ (Bernhardt, Humor, 93) vorgibt. Der Psychoanalytiker Heinz Kohut übernahm das Konzept vom Lachen des Humors als Schlüssel zu einem realistischen Selbstbild (vgl. Narzissmus, 364– 366). Dumbs, Humor, 90. Vgl. Dumbs, Humor, 108 ff. und G. Buchkremer/S. Buchkremer, Humor in der Verhaltenstherapie, in: B. Wild (Hg.), Humor in Psychiatrie und Psychotherapie, 145 – 158. Eine kompakte Einführung in Farrellys Ansatz bietet E. Noni Höfner, „Es ist nicht immer Humor, wenn man trotzdem lacht!“ – der provokative Ansatz in der Therapie, in: B. Wild (Hg.), Humor in Psychiatrie und Psychotherapie, 175 – 195. Vgl. Schröder, Lachen, 5. Rüdiger Haas, Ist Lachen in der Erziehung erlaubt?, 88. Haas, Ist Lachen, 87. Vgl. Schröder, Lachen, 4 f. Der lachende Mensch gewinnt zudem an Charme, er öffnet sich für die Gemeinschaft und entrinnt damit seiner Einsamkeit (vgl. Bokun, Wer lacht, 89 f.).
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Lachen des Clowns,⁴⁹¹ der mit dem „Mut zur Unvollkommenheit“⁴⁹² die zwanghafte Selbstkontrolle zugunsten einer Rückgewinnung der expansiv-trotzigen Lebensenergie des Kindes und des verschütteten Urvertrauens aufgibt und seinen Außenseiterstatus in das affirmative Selbstbild einer Persönlichkeit transformiert, die den Impulsen energetischer Vitalität folgt.⁴⁹³ Bereits Freud⁴⁹⁴ hatte erkannt, dass der hemmungslos lachende Mensch gewissermaßen anamnetisch in die Erlebnissphäre der Kindheit zurückkehrt, die sich ihm in der Lust des Lachens als vitaler Freiraum öffnet, als imaginäre Spielbühne für „sexuelle und aggressive Wünsche“⁴⁹⁵, über die er sich erheben, die er aber zugleich genießen kann. Er erlebt eine „spielerische Befreiung“ von den internalisierten Gesetzmäßigkeiten des Vorfindlichen, die einer „zeitweiligen Regression in die kindliche […] Unverantwortlichkeit“⁴⁹⁶ gleichkommt und eine Entlastung von Seriositätszwängen mit sich bringt. Die „spontane Lebensäußerung“⁴⁹⁷ reintegriert die antiautoritären, anarchischen Impulse des Menschen, so
Der Typus des Clowns besitzt eine Schlüsselfunktion bei der Verflüssigung schambesetzter Persönlichkeitsstrukturen und zwar in doppelter Hinsicht, a) indem sein Rollenmuster den Zugang zu den affektiven Quellen des „un-verschämten“ (Titze/Kühn, Lachen, 152), expansivspontanen Kindseins eröffnet und b) insofern als er durch bewusste Überakzentuierung und Überdehnung von Auffälligkeiten in die Lächerlichkeit hinein die Dressurzwänge der Erwachsenensphäre und die daraus resultierten Mechanismen perfektionistischer „Hyperreflexion“ (Frankl, Das Leiden, 65) ad absurdum führt. Im Humordrama übernimmt der „therapeutische Clown“ den Part des „Co-Therapeuten“ (Titze/Kühn, Lachen, 153). J. A. Bernhardt (Humor, 129 ff.) unterscheidet die sozialpsychologische Funktion des ausgegrenzten Narren und des selbstbestimmten Clowns (vgl. auch I.3.1). In der Psychotherapie gilt es, Narrenstigmatisierung aufzubrechen und Clownspotentiale in kontrolliertem Umfange zu nutzen. Ziel darf nämlich nicht die völlige Identifikation mit der Clownsfigur sein: Dies würde den Ausstieg in die Verrücktheit bedeuten (vgl. Titze, Heilkraft, 88). Vielmehr wird eine vorübergehende Identifikation angestrebt, die auf der Fähigkeit zur Rollendistanz basiert und mit ihr spielt. Vgl. auch II.3.2. Titze, Heilkraft, 107. Ernst Kiphard (E. Kiphard/Hans J. Pade, Der Clown in dir, 1986), der Entdecker der Psychomotorik, fordert Mut zur Idiotie, zum Risiko und zur Unordnung, wenn er mit dem inneren Clown eine Instanz aufruft, die Begriffs- und Vorstellungswelten auf den Kopf stellen kann. Vgl. dazu Titze, Die heilende Kraft, 259 f. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 210 ff. Die vom deutsch-amerikanischen Psychologen George Bach begründete kreative Aggressionstherapie knüpft ebenfalls an die positiven aggressiven Energien des Kindes an (vgl. Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 121 ff.). Vgl. Freud, Der Witz, 252– 260/269. Bachmaier, Texte, 94.Vgl. dazu die Ausführungen in I.2.1 über die libidinösen Ursprünge des Lachens. Ekmann,Wieso, 11. Das Lachen entlastet von Sinnansprüchen, „seine Unwillkürlichkeit und Trivialität, seine Bosheit und Amoralität dementieren die Anstrengung, eine erwachsene, sozial verantwortliche und reflektierte Person zu sein“ (Karsten Visarius, Ohne Sinn und Verstand?, 15). Goergen, Die heilende Kraft, 158.
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erinnert sie ex negativo an die Anstrengungen und „Kosten des Zivilisationsprozesses“⁴⁹⁸. Michael Titze hat daher die psychotherapeutische Provokation des Lachens als clowneske Revolte gegen die Normalitätsprinzipien und Haltungsgebote der abstrakten Erwachsenenlogik aufgefasst.⁴⁹⁹ Sie durchkreuzt einerseits die gewohnten Bahnen des Denkens und der Alltagsorientierung⁵⁰⁰ und verhilft andererseits „aggressiven, sexuellen und skatologischen Impulsen“⁵⁰¹ gegen die kulturelle Zensur zum Durchbruch.⁵⁰² Denn das reanimierte Lachen des Kindes hat, so Titze, seine affektiven Wurzeln in der Freude über die Verletzung von Reinlichkeitsidealen, die ihm im Rahmen einer sterilen Hygieneerziehung begegnen und seiner Lust an Ausscheidungsdekreten und schmutziger Materie die Schranken des Ekels und des Anstands setzen.⁵⁰³ Farrelly bedient sich daher auch Lederle, Befreiendes Lachen, 21. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 288 f. Der Kulturwissenschaftler Siegfried J. Schmidt hat die Ansicht vertreten, dass das Lachen die vorübergehende Normirritation durch den komischen Kontrast, den Riss, der die Labilität und Kontingenz unserer Ordnungen offenlegt, wieder begradigt (vgl. Komik und Humor, 290 f.). Es entlastet vom kognitiven und affektiven Stress, den der Einbruch des Komischen mit sich brachte, überdröhnt die „dunkle Seite“ des Vorgangs und bietet sich damit als „affirmativer Ausbruch“ aus den Schein-Evidenzen, als „Training für den Möglichkeitssinn“ (291) an. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 288 f. Konfusionstechniken zur Auflösung normativer Denkstrukturen bedienen sich der kindlichen Lust am Widersinn und sollen eine ursprüngliche affektive Lebenskraft wecken (vgl. Titze, Die heilende Kraft, 264). Paul Watzlawick hat solche Übungen entwickelt, sie sind jedoch auch für die buddhistische Zen-Praxis kennzeichnend: Die sogenannten koans, rätselhafte Antworten auf Fragen nach dem Wesen der Dinge, haben eine Schlüsselfunktion für die „Aufhebung des rationalen Denkens“ (257). Zen-Praxis ist, wie W. A. Salameh (Laughter and Emotional Liberation, in: Humor & Health Letter IV/I., 1995) resümiert, Lachmeditation mit dem Ziel, kausale Begründungsschemata und logikgebundenes Denken zu überwinden. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 258 f. Das sprachliche Paradox zieht den Menschen in ein Verwirrspiel, das ihn vom quälenden Zwang zu diskursiven Herleitungen und vernunftorientiertem Perfektionismus befreit: Auf diesem Wirkungsmechanismus basieren die Seminare der Lachtherapeutin Devi Euler und die Lachübungen des „modernen Hasya-Yoga“ (Uber/Steiner, Lach, 82). Uber/Steiners Lachseminare, die mit dem Heilkonzept der indischen Medizin arbeiten, setzen ebenfalls auf die Entbindung von Lebensenergie durch Abschaltung des Denkens und Regression ins kindliche Spiel (vgl. 82 ff.). Titze, Die heilende Kraft, 290. Besonders in schamdominierten Gesellschaftsordnungen mit strengem Geltungsanspruch von Erwachsenennormen fungiert das Lachen als „psychologisch notwendiges Regulativ“ in dem Sinne, dass es „widersinnige“ und „schamlose Normverletzungen“ (Titze, Die heilende Kraft, 292) quittiert. Eine „aggressive Lebensfreude“ durchbricht nämlich oft gerade solche kulturellen Praktiken, die einen „bedingungslosen Zwang zur ernsthaften Selbstbeherrschung“ (225 f.) vorschreiben. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 268 ff.
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der obszönen Ausdrücke des kindlichen Humors, um die Quellen dieser kindlichen Lebensfreude wieder freizulegen.⁵⁰⁴ In der Psychoanalyse galt die therapeutische Methodik des komischen Impulses aufgrund ihrer aggressiven Anteile und der Verletzung des Neutralitätsgebotes lange Zeit als problematisch.⁵⁰⁵ Der Analytiker scheute es, das Lachen des Patienten zu thematisieren, da es in der Regel einem Mechanismus der ‚Affektverkehrung‘ und der Abwehr unliebsamer Inhalte entsprang und damit eine gefährdete Psychoregulation indizierte.⁵⁰⁶ Die freudianische Deutung des Witzes als sprachlicher Code verdrängter Wünsche, Ängste, Aggressionen und Schuld⁵⁰⁷ eröffnete jedoch die Möglichkeit, den Verdrängungsvorgang positiv als eine Form der psychoökonomischen Abarbeitung und Bewältigung von negativen Affekten
Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 272. Eike Christian Hirsch bestätigt, dass Witze über Fäkalien, über Ekliges und Unappetitliches für Kinder die häufigste Quelle komischer Lust seien (vgl. Der Witzableiter, 222 f.). Vgl. Bernhardt, Humor, 62– 71 und Auchter, Das Gelächter, 30. Frings (Humor, 85 f.) beruft sich hier auf einen Aufsatz von M.W. Brody, The meaning of laughter, The psychoanalytic Quaterly 19, 1950, 192– 201. Schon Freud berichtete aus seiner analytischen Praxis, dass das Lachen gelegentlich auch dann ausbreche, wenn es inhaltlich ungerechtfertigt sei (vgl. Ludger Lütkehaus, Freud zum Vergnügen, 221– 233). Vgl. auch Leitenbergers Beobachtungen zu verschiedenen Varianten eines Patientenlachens, das innerhalb von L. Luborskys Klassifikationsraster als unbewusster Mechanismus zur „Sicherung der Selbstkonstanz“ (Lachen, 48) zu deuten wäre. Vgl. Frings, Humor, 56 ff. und Grotjahn, Vom Sinn, 42– 48. Der Witz vergegenwärtigt eine „unbewusste Denkweise oder […] Wunschvorstellung“ (Pietzcker, Sigmund Freud, 23) und setzt durch einen Tabubruch lustvolle Hemmungsenergie frei. Dies gelingt ihm, indem er die Zensurvorrichtungen durch eine Verschleierungstechnik umgeht, er muss – das kann man bereits bei Karl Groos (Einleitung in die Ästhetik, 1892) nachlesen – das Bewusstsein überlisten, indem er das Verbotene in der geistreichen oder grotesken Form, hinter Anspielungen versteckt (vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 129). Theodor Reik (vgl. Hören mit dem dritten Ohr, Die innere Erfahrung eines Psychoanalytikers, 1948) hat das Schockartige der „Erkenntnis unbewusster Inhalte“ (Frings, Humor, 121 f.) auf die Präsenz uralter Tabus oder symbolischer Verbote zurückgeführt. Eike Christian Hirsch erkennt die Leistungskraft des Witzes darin, die Blockade von „Trieb und Zensur“, „Besetzung und Gegenbesetzung“ oder, in der Begrifflichkeit der empirischen Psychologie, von „Angst und Verdrängung“ bzw. „Annäherung und Vermeidung“ (Der Witzableiter, 191) für einen Moment aufzulösen, und zwar so, dass die widersprüchlichen Impulse gleichermaßen zur Geltung kommen und das Gefährliche als harmlos – da es ja bloß den fiktiven Anderen betrifft – erscheint. Die „traumatischen Befürchtungen“ begegnen als „lächerliche Schatten“ und können verdrängt werden: „Der Witz macht für einen Augenblick das Verbotene erlaubt und das Gefürchtete erfreulich“ (276), so verhindert er den Ausbruch roher Aggression (vgl. Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 28).
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zu begreifen.⁵⁰⁸ Die Witze, über die der Patient am meisten lachen kann, können unter dieser Voraussetzung Einblick in seine „Konfliktproblematik“⁵⁰⁹ geben und überraschende Wahrheiten enthüllen. Stefanie Köhler hat an Motivkonstellationen im zeitgenössischen englischen Roman die Signalwirkung des Lachens in einem Prozess der Verdrängung und Bewusstwerdung illustriert.⁵¹⁰ So kann das Lachen die Einsicht in die Dysfunktionalitäten des Selbst und seiner Beziehung zur Umwelt begleiten. Im besten Fall verhilft es dazu, das Leiden an Fragmentierungen und Spaltungen der Persönlichkeit zu überwinden und zu einer „integrativen Existenz“⁵¹¹ zu gelangen.⁵¹² In der Psychoanalyse gewinnt das „lachende Erkennen“⁵¹³, wie Martin Grotjahn gezeigt hat, mit Hilfe geeigneter Deutungskategorien schärfere Konturen.⁵¹⁴ So kommt dem Lachen eine Schlüsselfunktion für die „schöpferische Vgl. Frings, Humor, 85. Selbst der schwarze Humor kann therapeutisch wirken, wenn er das Trauma nicht bloß verdrängt, sondern es mit Hilfe grotesker Verzerrungen und „in erträglicher Dosis“ (Hirsch, Der Witzableiter, 234) reinszeniert. Dumbs, Humor, 88. Dumbs bezieht sich u. a. auf eine Veröffentlichung von J. Richmann, Jokes as a projective technique: The humor of psychiatric patients, American Journal of Psychotherapy 50 (1996), 336 – 346. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 106 – 119/124– 131. Köhler, Differentes Lachen, 131. In A. S. Byatts Possession (1990) befreit sich das lachende Individuum von den Normierungen seines Trieb- und Affektlebens bzw. aus dem Korsett einer rationalistischen und chauvinistischen Wissenschaftskultur und bekennt sich zu den irrationalen Elemente der Persönlichkeit (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 114 ff.). Das Lachen indiziert die Bewusstseinserweiterung und das zunehmende Selbstbewusstsein der Protagonistin. Vgl. zur Motiventwicklung in Doris Lessings The golden Notebook 128 f.. Das Wissen um die Unvereinbarkeit bestimmter Persönlichkeitsanteile oder die Destruktivität eines Zwangsverhaltens mündet jedoch nicht zwangsläufig in befreiendes Lachen. Julian Barnes’ Roman Before she met me (1982) erzählt von einem leisen Lachen, dem der Ausbruch aus der Negativität der Affekte versagt bleibt (vgl. 112 f.). Grotjahn, Vom Sinn, 144. Auch der Psychotherapeut Lothar Wittmann erklärt, dass das Lachen in stark affektiv besetzten Problemlösungsprozessen, z. B. bei der Behandlung von Phobien, einer befreienden Erkenntnis Luft verschaffen kann (vgl. Lachen, 95 ff.). Vgl. Grotjahn,Vom Sinn, 84/148 – 152. Seit in den 80er- und 90er-Jahren die positive Funktion des humorvollen Lachens für „die Ich-Stärkung, die Lockerung depressiver Strukturen und die Verminderung von übermäßigen Über-Ich- und Ich-Ideal-Tendenzen“ (Auchter, Das Gelächter, 30) Anerkennung fand (vgl. auch Frings, Humor, 56 ff. und Josef Shaked, Der Witz in der analytischen Gruppenarbeit, 121 f.), nutzen auch die Analytiker zunehmend das Instrument der humorvollen Intervention und damit zugleich distanzierten und empathischen „Mitteilung der Gegenübertragung“ (Frings, Humor, 94), um im „geistigen Spiel mit Tabus“ (97) Verstehensprozesse zu fördern, das Wissen um die Grenzverläufe von Tabuisierungsbewegungen und die Funktionsbedingungen von Komplexen sinnfällig zu machen und den Klienten vom Leiden an der Fremdbestimmung zu befreien (vgl. Dumbs, Humor, 136). Die Wirksamkeit des therapeutischen Humors
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Kommunikation zwischen Bewusstem und Unbewusstem“ zu: Es entbindet die in der „verdrängten Aggression“⁵¹⁵ gestauten libidinösen Energien und befreit das Ich von „bedrohlichen Introjekten“⁵¹⁶, den mentalen Repräsentationen unserer Urängste und verdrängten Hassgefühle.⁵¹⁷ Im angstfreien Spiel mit dem Unbewussten erneuert sich die produktive Einbildungskraft und es ereignet sich eine lachende Wiedergeburt⁵¹⁸ oder „spielerische Neuschöpfung“⁵¹⁹ der Identität des Menschen. Lachend entwirft sich der Mensch selbst,⁵²⁰ denn er löst sich von
ist grundsätzlich abhängig von den „Basisvariablen Empathie, Akzeptanz, Kongruenz“ (136): Nur wenn der komische Impuls auf das Symptom gerichtet ist und nicht auf die Person und wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut stabil ist, kann eine stärkere affektive und motivationale Beteiligung des Patienten und damit langfristig die Auflösung dysfunktionaler Denk- und Verhaltensmuster erzielt werden (vgl. 335 f./347 f.). Das dosierte, auf die Situation und die Persönlichkeit des Patienten abgestimmte Einschleusen des Humors in Gestalt indirekter Mitteilungen, zwangloser Deutungen, ironischer Spiegelungen oder skurriler Übertreibungen fördert die „freie Assoziation“ (Bernhardt, Humor, 135) und die Erkenntnis verdrängter Bewusstseinsinhalte, es regt Perspektivwechsel an und eröffnet dem Klienten den Zugang zu seinen vitalen Energiequellen (vgl. 136 ff.). Der Humor gewährt einen Mentalisierungsraum, um Ohnmachtsgefühle spielerisch für einen Moment zu überwinden (vgl. Ulrich Sachsse, Humor ist, wenn man trotzdem lacht, 134 ff./143). Vgl. zur Wirksamkeit des Humors in der Jung’schen Psychoanalyse Verena Kast, Humor in der tiefenpsychologischen Psychotherapie, 113 – 119. Grotjahn, Vom Sinn, 36. Grotjahn, Vom Sinn, 170. Das Ein- und Ausatmen beim Rauchen deutet Grotjahn als symbolisches Äquivalent des Lachens. Das Rauchen macht den Atem sichtbar, das Lachen macht ihn hörbar. Rauchen und Lachen realisieren damit die Erfassung der Grenzen oder inneren Bilder des Ichs und die Vertreibung der Dämonen aus der Vergangenheit (vgl. Grotjahn,Vom Sinn, 164– 170). Das Lachen hat zudem eine ähnlich erleichternde Wirkung wie das Stöhnen: Der Schrecken wird förmlich ausgeatmet (vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 239). Die Aussonderung des Lebensfeindlichen, Bedrohlichen, Unlustvollen ist auch in unseren Redewendungen präsent: ‚ein Lachen ausstoßen‘, ‚sich ausschütten/losplatzen vor Lachen‘ (vgl. Auchter, Das Gelächter, 31). Die kathartische Wirkung des Lachens stellt sich im Zuge freigesetzter Erinnerungen und auf der Basis einer „ästhetischen Distanz“ (Thomas J. Scheff, Explosion der Gefühle, 70) zum affektiven Gehalt dieser Erinnerungen ein. Vgl. Grotjahn, Vom Sinn, 212 f. Albert Ellis, der Begründer der Rational-Emotiven Therapie hat Grotjahns Sicht im Wesentlichen bestätigt: Denn der Humor löst Überheblichkeit auf, unterbricht „selbstabwertende und hasserzeugende Ideen“, zeigt dem „Menschen die Absurdität, den Realismus, die Fröhlichkeit und Erfreulichkeit des Lebens“ und eröffnet die Möglichkeit für „effektivere Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens“ (Fun as psychotherapy, in: A. Ellis/R. Grieger [Hg.], Handbook of Rational-emotive Therapy, New York 1977, 269). Ins Deutsche übers. bei Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 107 f. Breuer, Närrische Verstörung, 112. Breuer rekurriert hier auf Norman N. Holland, Laughing: a psychology of humor, New York 1956. Vgl. Turk, Kulturgeschichtliche und anthropologische Bedingungen, 304.
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falscher Objektfixierung und öffnet sich für eine „vielseitige Weltaufnahme“⁵²¹ und eine heitere Bewältigung des Lebens.⁵²² Horst Breuer postuliert: „Gelächter ist Spiel, Freiheit, Hochstimmung, Lösen von Einengung, Aufbrechen von Verkrustung“.⁵²³ Die Hochgestimmtheit des Gemüts⁵²⁴ reflektiert in einer „befreienden, sich öffnenden, aufwärtsstrebenden Bewegung“, wobei „der Lachende den Kopf zurückwirft, mit den Armen rudert, die Brust weitet, sich hochreckt und sich leicht fühlt“.⁵²⁵ Die Überwindung der Angst im Lachen hat, wie schon Nietzsche erkannte, den Charakter triumphaler Selbstvergegenwärtigung und -vergewisserung, sie gleicht einem Akt der Aufrichtung und Entfaltung.⁵²⁶ Doch wenn das tiefenpsychologisch-nietzscheanische Denken die therapeutische Dimension des Lachens an den Impuls des kreatürlichen Aufbegehrens und der Existenzsteigerung rückbindet, dann unterschlägt es wiederum jene Qualität, die schon im Totalitarismusdiskurs als kritischer Vorbehalt gegen die Utopie einer lachenden Daseinsrevolution zur Sprache kommen musste, nämlich das konservative und restaurative Element der Äußerungsform. Diesen Aspekt hebt Paul Leroy hervor, der in der „Grimasse des Lachens“⁵²⁷ den mimetischen Ausdruck eines Spiels mit der inneren Balance erkennt, die
Goergen, Die heilende Kraft, 160. Auch im Psychodrama hat das Lachen eine wichtige Bedeutung bei der Erlangung innerer Freiheit, die ihr Begründer, Jacob Levy Moreno (1892– 1974) so in Worte gefasst hat: „Jede Gestalt aus Sein wird durch sich selbst in Schein aufgehoben und Sein und Schein gehen in einem Lachen unter“ (Das Stegreiftheater, 78). Vgl. Bachmaier, Warum, 15. Breuer, Närrische Verstörung, 103. Das deutsche Lexem Angst deutet auf das räumliche Erleben einer Verengung, der zugeschnürten Kehle. Die metaphorische Redewendung vom Lachen, das einem ‚im Halse stecken bleibt‘, geht auf diese Etymologie zurück: Sie suggeriert, dass das Lachen durch eine latente Angst bedroht ist und ihr entrinnt, indem es triumphal Bahn bricht (vgl. Jurzik, Der Stoff, 24). Franz von Baader hat das Lachen als „Explodieren der Angstspitze“ (Über den Blitz als Vater des Lichts, 55) verstanden und damit das Umschlagen von „massiver zentripetaler Engung […] in exzessive zentrifugale Weitung“ (Prütting, Homo ridens, 1011) angedeutet. Auf die Affinität der „Lach-Bewegung“ des Sich-Öffnens mit der Hinwendung zu „lustvollen Gegebenheiten“ (Zur Psychologie, 17) hat Niels Birbaumer hingewiesen. Breuer, Närrische Verstörung, 103. Die Bewegungen des Körpers haben eine zentrifugale Tendenz: „Mund und Augen werden aufgerissen“ (Prütting, Homo ridens, 1702), Arme und Beine weggeworfen, die Körperhaltung ist konvex (vgl. Prütting, 1780). Gemessen an dieser körpersprachlichen Aktivität ist das Lachen dem Hochspringen und Arme-Hochreißen des Jubels doch sehr nahe (vgl. Breuer, Närrische Verstörung, 103 f.). Allerdings ist auch eine gegenläufige Choreographie denkbar, der gekrümmte, in sich zusammenfallende, auf den Boden geworfene Körper. Vgl. Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, KSA 2, 157 f. Selbst die „adulte Albernheit“ (Vom Lachen, 765) kann, wie Rudolf Helmstetter anmerkt, ein Mittel gegen die Verzweiflung sein. Paul Leroy, Angst und Lachen, 135.
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zugunsten neuer Vergewisserung bewusst auf die Probe gestellt wird. Selbst das sardonische Lachen, das einer „Angst ohne Hoffnung“⁵²⁸ abgetrotzt ist, verschafft die Befriedigung des wiederhergestellten oder sich bald wieder einstellenden Gleichgewichts.⁵²⁹ Generell bietet das Lachen im therapeutischen Prozess die „Möglichkeit, emotionale Spannungszustände konstruktiv abzuarbeiten“.⁵³⁰ Es befreit von Perfektionismus und Über-Ernsthaftigkeit,⁵³¹ es kann bei der Verminderung von Ärger und der Dissoziation von Distresserfahrungen eine wichtige Rolle spielen⁵³² und auf der anderen Seite die Aufmerksamkeit, die Reaktionsfähigkeit und innere Flexibilität erhöhen.⁵³³ Wenn es also eine wichtige Entspannungsfunktion inne hat und sich zugleich belebend auf die geistigen Aktivitäten auswirkt, dann muss es auch als eine Form der Anpassung an die Umwelt gelten.⁵³⁴ In den vergangenen Dekaden ist die Programmatik therapeutischen Gelächters jedoch einer gesellschaftskritischen Tiefenströmung gefolgt. Henri Rubinstein beklagte, dass die Räume des Lachens in der westlichen Welt geschrumpft seien⁵³⁵ und schlug als Kontrastprogramm vor, den Heiterkeitsspiegel durch humoristische Gruppensitzungen zu erhöhen.⁵³⁶ Der indische Mediziner Madan Kataria initiierte die Bewegung der Lachclubs⁵³⁷ und empfahl „ein gemeinsames Leroy, Angst, 137. Das verlegene Lachen zeugt immerhin vom Bewusstsein um Rehabilitierungsmöglichkeiten (vgl. Leroy, Angst, 138). Wittmann, Lachen, 101. Vgl. Thomas Laubach, „…der Hoffnung letzte Waffe“, 44. Leitenberger (Lachen, 29) beruft sich hier auf die Studien von A. Lemma, Humour on the couch, London 2000. Vgl. Rubinstein, Lachen, 74. Hirsch (Der Witzableiter, 317) argumentiert hier mit J. Levine, Responses to humor, in: Scientific American 194/2, 1956, 31– 35. Angeblich lachten die Franzosen kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs täglich 19 Minuten, 35 Jahre später dagegen nur noch sechs Minuten und auch der Nationalfeiertag des Lachens, der 1. April, ist nicht mehr so präsent im öffentlichen Bewusstsein, der Brauch der erfundenen Pressenachrichten in der Tradition des Aprilscherzes beinahe ausgestorben (vgl. Rubinstein, Lachen, 113 f). Eine Untersuchung an der Stanford-Universität ergab, dass „Kinder noch 400 Mal am Tag“ lachen, Erwachsene dagegen „nur noch 15 bis 20 Mal“ (Jenny Karpawitz/Udo Berenbrinker, Humor-Kompetenz, 87) und noch seltener am Arbeitsplatz (5 Mal). Dabei sollen Lachreflexübungen, komische Kulturprodukte, „Methoden der psychologischen Entkonditionierung“ (Rubinstein, Lachen, 137), Blödeleien oder Hanswurst-Rollenspiele helfen. Lachklubs haben sich nicht nur in Indien ausgebreitet, wo auch ein Wettbewerb um das natürlichste Lachen stattfindet (vgl. Uber/Steiner, Lach, 76). Der Neodadaist René Schweizer importierte die Lachyoga-Methodik nach Europa; inzwischen gibt es Lachyoga-Verbände in Deutschland und Lachclubs in verschiedenen deutschen Städten. 1998 rief Kataria den Welt-
1.6 Angst und Angstüberwindung
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morgendliches Gruppengelächter am Arbeitsplatz, in der Schule oder auch bei der Armee“⁵³⁸, um die physische und psychische Befindlichkeit zu steigern.⁵³⁹ Humortherapeutische Verfahren fanden zunehmend Beachtung,⁵⁴⁰ die psychologische Gelotologie, die sich der Erforschung des Lachens als Heilquelle und der Entwicklung humorbasierter Therapiekonzepte widmet, erlebte seit Mitte der 90er-Jahre einen Aufschwung.⁵⁴¹ Allerdings dürfen alle positiven Erfahrungsberichte und Einzelfallstudien nicht über die Grenzen der therapeutischen Potentiale des Lachens hinwegtäuschen. Titze/Eschenröder haben festgehalten, dass es weder zur Provokativen Therapie noch zu den „humoristischen Methoden der Rational-Emotiven-Therapie“⁵⁴² bisher belastbare empirische Wirksamkeitsstudien gibt. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Lachen als leibseelische Resonanz auf die Überraschungseffekte komischer Interventionen und den Perspektivwechsel, den Paradoxien, ironische Kommentierungen und parodistische Übertreibungen nahelegen, Blockaden auflösen und die Schleusen
lachtag aus: 1999 erschienen in Mumbai zum Unesco-zertifizierten Happening 8000 Menschen, in Kopenhagen 2001 sogar 10000 Anhänger der Bewegung (vgl. Titze, Wie therapeutisch, 276 und Schröder, Lachen, 16). Katarias Lachyoga-Schüler nehmen sich zudem jeden Sonntag um 14.00 MEZ eine Minute Zeit, um für den Weltfrieden zu lachen (vgl. Kaiser, Lachwurz, 251). Der Unternehmer und Fluxus-Künstler Michael Berger hat zuletzt in Wiesbaden eine interreligiöse Kirche des Humors gegründet, in der auch Katarias Lach-Yoga praktiziert wird (vgl. Chaplin, Lachen, 200 – 206 und Titze, Wie therapeutisch, 276). Vgl. Schröder, Lachen, 16. Kataria geht davon aus, dass die positive emotionale Umprogrammierung, die das Lachen mit sich bringt, auch eine anti-aggressive, deeskalierende Wirkung erzielt (vgl. Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 22). Vgl. Uber/Steiner, Lach, 77 f. Vgl. J. A. Bernhardt, Humor, 49 – 104 und Barbara Wild, Humor in Psychiatrie und Psychotherapie, Neurobiologie – Methoden – Praxis. So hat der bedeutende Lachforscher Paul McGhee das 7-Humor-Habits-Programm als wichtigen Beitrag zur Stressbewältigung, zur Erhöhung der Resilienz und Vermehrung positiver Affekte beschrieben (vgl. Humor als Copingstrategie, 208 – 228). Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 13. Auch die gruppentherapeutische Praxis nutzt die positiven Effekte des Lachens: In einer Bonner Gerontopsychiatrie sollen komische Gruppensitzungen eine lachtherapeutische Überwindung von Grübeleien, Schamgefühlen, Depressionen und eine Steigerung der Lebensfreude bewirkt haben (vgl. Schröder, Lachen, 3 f.).Vgl. auch Beat Hänni, Humor mit betagten Menschen – ein Praxisbeispiel, in B. Wild (Hg.), Humor in Psychiatrie und Psychotherapie, 101– 109 und Rolf D. Hirsch, Humor in der Behandlung von kranken alten Menschen, in B. Wild (Hg.), Humor in Psychiatrie und Psychotherapie, 244– 267. In Angehörigengruppen haben sich eine humorvolle Ausrichtung und gemeinsames Lachen schon bewährt (vgl. Titze/ Eschenröder, Therapeutischer Humor, 164 ff.), in Pflegeheimen und bei der Alzheimer-Therapie wird das Programm Humor Cart eingesetzt (vgl. 149). Titze/Eschenröder, Therapeutischer Humor, 108.
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1 Das Lachen als leibseelischer Vorgang und psychohistorisches Moment
für die Energien der Revitalisierung erstarrter Existenzbereiche öffnen kann.⁵⁴³ Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass sich die Natur des Lachens dagegen sperrt, unter Berufung auf eine therapeutische Rationalität wieder funktionalisiert und institutionalisiert zu werden.⁵⁴⁴
Vgl. zur theologischen Deutung der therapeutischen Wirkung des Lachens II.2.4. Vgl. Stollmann, Angst, 206. Vor diesem Hintergrund gewinnt Laura Chaplins Lachmanifest, in dem sie das Lachen zu einem Menschenrecht erklärt, groteske Züge: Chaplin fordert, Städte und Gemeinde sollten die Menschen dazu animieren, sich in „öffentlichen Verkehrsmitteln“ (Lachen, 322) anzulächeln.
2 Das Lachen als vitaler Impuls und kreatürlicher Aufstand 2.1 Die heitere Kraft des Eros: Phänomenologische, psychologische, mythologische und literarästhetische Erkundungen Die diätetisch-therapeutische Dimension des Lachens ist nur dann angemessen erfasst, wenn sie auf das Ganze der menschlichen Existenz bezogen wird, also nicht nur auf die (sozial)psychologische (Binnen)Dynamik oder den metaphysischen und erkenntnistheoretischen Problemhorizont (vgl. I.3), sondern auch auf die Daseinssphäre des Dionysischen, die Eros und Sexus, das Fest und das Spiel vereint. Die enge Verwandtschaft von risus und eros ist ein transkulturell bezeugtes, literarisch chiffriertes und tiefenpsychologisch ausgedeutetes Phänomen mit breiter semantischer Farbpalette: Es besitzt die Facette der bedrohlichen Sinnlichkeit¹ und des vergnüglichen Liebesspiels,² des ekstatisch erbebenden und grotesk verzerrten Körpers,³ der unterdrückten und befreiten Sexualität. Diese Aspekte erhellen sich wechselseitig: Denn der Mechanismus von Verdrängung und Entbindung, der bereits in den psychologisch-psychohistorischen Studien (vgl. I.1.2, 1.4– 6) in unterschiedlichen Zusammenhängen begegnete, kennzeichnet auch den Bereich des Dionysischen. Die Bündnisse von Lachen und Eros
Schon die „buddhistische Mönchsliteratur“ warnte davor, sich dem „verführerischen Lachen der Frauen“ (Tschannerl, Das Lachen, 36 f.) auszusetzen, das „Verstellung und Untreue“ (143) signalisiere. Ein meditierender Mönch erblickt in den Zähnen einer sinnlich-erotisch lachenden Frau „Skelettknochen des menschlichen Leibes“ (143). Im alten Babylonien transportierte das Lachen gute Stimmung und erotische Anklänge: Sumerische Wortbildungen für Gelächter können mit Flirt oder Liebesspiel übersetzt werden und „die Göttin Gazbaba, die den Beinamen […] die Lächelnde/Lachende“ (Annette Zgoll/Kai Lämmerhirt, Lachen und Weinen im antiken Mesopotamien, 470) trägt, war offenbar eine „göttliche Dirne“ (471). „Bei den Eskimos meint miteinander lachen so viel wie miteinander schlafen“ (Walter Haug, Schwarzes Lachen, 52). In Japan werden „pornographische Bilder“ auch „Lachbilder“ und Sexspielzeuge „Lachwerkzeuge“ (Pörtner, Risus japonicus, 38) genannt. Vgl. zur alttestamenlichen Semantik II.1.2. So hat die „indische Literatur“ der vorepischen Epoche „Lachen, Tanz und Geschlechtlichkeit“ (Tschannerl, Das Lachen, VIII) motivisch verknüpft. In der griechisch-römischen Antike verlieh die „Ikonographie der Nymphen und Mainaden“ der rauschhaften Körperlichkeit des Tanzes und des Sex in einer „unverfremdeten Form des Grinsens“ (R. M. Schneider, Gegen, 570) sinnbildlich Ausdruck. https://doi.org/10.1515/9783110667769-003
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bilden ästhetische Widerstandszellen gegen die zivilisationsgeschichtliche Domestizierung vitaler Leiblichkeit im Namen einer doktrinären Rationalität. Einige literaturgeschichtliche Schlaglichter auf Manifestationen dionysischer Resistenz sollen einer anthropologischen und psychoanalytischen Auslotung des Resonanzraumes zwischen Lachen und Eros den Weg weisen. Das erste Schlaglicht fällt auf das Lachen der homerischen Götter, das offenkundig frivole Züge trägt: Im 8. Gesang der Odyssee (321– 341) lachen die Götter hemmungslos beim Anblick der listigen Fesseln, mit deren Hilfe Hephaistos den als besonders flink geltenden Ares und die reizende Aphrodite des Ehebruchs überführt hat und sie lachen abermals, als Hermes einräumt, er würde die Fesseln für eine Liebesstunde mit Aphrodite sehr gerne in Kauf nehmen.⁴ Das Liebeslachen und die Lachliebe der Aphrodite stiften, wie der Renaissancegelehrte Jean Ferrand Anfang des 17. Jahrhunderts feststellte, Verwirrung in der olympischen Beziehungsökonomie. Doch die homerische Mythologie entschärft den Topos der moralischen Verderblichkeit des weiblichen Lachens im Spott.⁵ Selbst Platon, der das homerische Gelächter ausdrücklich missbilligte, hat im Symposion den Rahmen seiner leibfeindlichen Moralphilosophie überschritten: Das lebhaft vergegenwärtigte Gastmahl rahmt eine Disputation über den Eros, Sokrates erscheint als „lebensfroher Festgenosse“, ein tüchtiger Zecher, „der allen anderen durch die vitalen Kräfte überlegen“ und „immer zu Scherzen [….] bereit“ ist; der betrunkene Alkibiades identifiziert die Philosophie des Sokrates mit „erotischem und bacchantischem Taumel“.⁶ Das Symposion endet mit dem sokratischen Bekenntnis zur Gleichwertigkeit von Tragödie und Komödie.⁷ Für das Mittelalter mag die teils obszön-makabre Komik der Ehebruchschwänke illustrativ sein, die dem Chaotischen die Lizenz des Temporär-Karnevalesken verleiht: Das schwarze Schwankgelächter, das der „leer gewordenen […] Ordnung“ geschuldet ist, bezeugt die Befreiung des „fröhlichen Lebens“⁸ und der ungezähmten Sexualität aus der tödlichen Erstarrung.⁹ Erotisches Lachen als
Vgl. Bachmann, Texte, 10, Werner Röcke/Hans Rudolf Velten, Lachgemeinschaften, Einleitung, IX/X, Peter Kuhlmann, Das Lachen in der Antike, 14, Rolf M. Schneider, Nachwort, 98. Vgl. Gerhild Scholz Williams, Das Fremde erkennen, 83. Noch sehr viel aggressiver, lüsterner und obszöner als die Götter lachen die Freier der Penelope (Odyssee, 20. Gesang, 345 – 349). Kurt Hildebrandt, Einleitung zu Platon, 23. Ein Bild, das den alten Aristoteles als Reittier einer üppigen thrakischen Magd zeigt, spielt spöttisch darauf an, wie der Intellektuelle „Sklave seiner Lust“ (Christoph Auffarth, Alle Tage Karneval?, 82) wird und der Sinnlichkeit einer Frau verfällt. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 126 f. Walter Haug, Die Wahrheit der Fiktion, 363. Vgl. auch Walter Haug, Das Komische und das Heilige, 261.
2.1 Die heitere Kraft des Eros
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Flirtverhalten oder Zeichen der „gegenseitigen Verfallenheit“¹⁰ begegnet z. B. im Tristanstoff und in der Artusepik. Die Renaissance entdeckte die Rolle der Einbildungskraft, die alle vitalen Impulse dirigiert, Gefühlsregungen ins Leidenschaftliche steigert oder sogar zur Liebeskrankheit potenziert und auch Lachen und Weinen als Symptome hochgradiger affektiver Erregung hervorruft.¹¹ Das literarische Komplement zu jener „frühneuzeitlichen Psychologie und Physiologie“¹² war neben der Novellistik¹³ die commedia dell’arte, die das sexuelle Begehren als Motor des dramatischen Geschehens installierte und mit den theatralen Effekten grotesker und obszöner Komik Lachreize schuf.¹⁴ Die Commedia endet mit einer Hochzeit: Die Bejahung des begehrenden Körpers und der sexuellen Vereinigung reflektiert im „Lachen des Zuschauers“¹⁵. Dabei handelt es sich natürlich auch um ein Märchen- und Minnesangmo¹⁶ tiv , das die Komödien aus der Traumfabrik des Kinos, den Hollywood-Studios, aufgenommen und variiert haben:¹⁷ Das Lachen figuriert hier als Schlüssel zur Liebe¹⁸ und für die ersehnte Hochzeit der Prinzessin. Die psychoanalytische Märchendeutung hat das erkennende und heilende Lachen,¹⁹ das z. B. in einer
Velten, Scurrilitas, 88. Vgl. Scholz Williams, Das Fremde, 82 f. Scholz Williams greift hier auf Laurent Jouberts Lachtraktat zurück, dessen Anschauungen sein Zeitgenosse Jean Ferrand mit mythologischen Referenzen unterfütterte (vgl. Scholz Williams, 83). Scholz Williams, Das Fremde, 83. Als prominentes literarisches Beispiel sei Boccaccios Decamerone (1349 – 1353) erwähnt: Auf der Ebene der Binnenerzählung erdröhnt das Lachen über Obszönes und Skatologisches, über Frauenraub und Frauenzucht, in flagranti ertappte Liebende, gehörnte und bestrafte Ehemänner und die Überschreitung sexueller Tabus, über Entblößungen, „Voyeurismus, […] Belauschen“ (Wolfgang Beutin, Das Lachen über das Obszöne in der Dichtung, 256). Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 123. Hüttinger, Die Kunst, 123. Das „ersehnte Lachen der vrouwe“ (Wilhelmy, Seliges Lächeln, 236) ist eine zentrale Triebfeder des Minneritters und seit Heinrich von Morungen (gest. 1222) und Walther von der Vogelweide (1170 – 1230) nimmt auch das Wort ‚Lachen‘ im Minnesang mehr Raum ein, bis es in den Liebesliedern des schwäbischen Minnedichters Gottfried von Neifen (um 1200 – um 1255) allgegenwärtig ist. Vgl. Michel-Andino, Kleine Philosophie, 64. Vgl. Haug, Schwarzes Lachen, 52. Man denke an die Motivik im Parzival (1200 – 1210) des Wolfram von Eschenbach – die Jungfrau Cunewâre vermag erst zu lachen, als sie denjenigen „erblickt, der den höchsten Ruhm besitzt oder erringen wird“ (Kremer, Das Lachen, 73) – und in Gottfried Kellers Novelle Das verlorene Lachen (1874): Hier erklingt das ‚schöne Lachen‘ der Protagonisten im Moment ihrer Wiedervereinigung und als Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit.Vgl. Galler, Lachen, 145 und I.3.3.
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2 Das Lachen als vitaler Impuls und kreatürlicher Aufstand
von Martin Montanus’ Schwankerzählungen erschallt,²⁰ mit dem Ende der kindlich-jungfräulichen Isolation und der Öffnung für die „Herausforderung des Männlichen“²¹ in Zusammenhang gebracht. Die zeitgenössische Literatur spielt auf die tiefenpsychologische Dimension der „ersten sexuellen Erfahrungen“²² an; das Lachen der unerfahrenen weiblichen Protagonisten speist sich aus der brisanten Mischung von Verlegenheit, Verwirrung, Angst sowie unterdrückter und aufbegehrender Sexualität.²³ Im Hinblick auf die Dialektik von Verdrängung und Enthüllung ist für die Psychoanalyse jedoch nicht nur das Lachen der sexuell unerfahrenen Frau, sondern auch das Lachen über die entblößten (weiblichen) Genitalien in der phallischen Phase aufschlussreich gewesen: Dieses Lachen, das ebenfalls im Märchen vorkommt²⁴ und im Demetermythos eine wichtige Rolle spielt,²⁵ kann im Die Erzählung Nr. 15 in der Schwanksammlung Wegkürzer (1557) handelt von einer Prinzessin, der eine Warze wächst, nachdem der König sie zur Ehelosigkeit verurteilt hat. Schließlich verkleidet sich ein Jüngling als Frau, besucht sie und verleitet sie dazu, seine eigene ‚Warze‘ zu betasten. Als die Prinzessin diese ‚Warze‘ nun in ihrer Hand wachsen fühlt, eine komisch-verhüllende Metaphorik für das Schwellen des männlichen Gliedes, beginnt sie zu lachen und ist im selben Moment von ihrer Traurigkeit und Lebensmüdigkeit geheilt. Die Warze entpuppt sich als zunächst beängstigendes und dann befreiendes Symbol ihres kaum beherrschbaren sexuellen Verlangens (vgl. Beutin, Das Lachen, 259 f.). Wolfram Ellwanger, Sieben an einer Gans – Zur Psychoanalyse der Situationskomik im Märchen, 175 f. Köhler, Differentes Lachen, 146. In Julian Barnes’ Roman Staring at the sun (1986) kontrastiert die rational-gynäkologische „Definition von Undefinierbarem“ (Köhler, Differentes Lachen, 147) mit dem tatsächlichen sexuellen Erleben. Die weibliche Figur überträgt die Erinnerung an ein Geschicklichkeitsspiel aus Kindheitstagen auf die unbekannte Situation. Diese ‚Bisoziation‘, in der Verdrängtes an die Oberfläche kommt, reizt sie zu einem Lachen, das durch ein Husten kaschiert werden muss, um den biederen Ehemann nicht zu provozieren (vgl. 147 f.). Die Protagonistin in A. S. Byatts Roman The virgin in the garden (1978) fängt dagegen in dem Moment zu lachen an, da sie kurz vor der Defloration durch den väterlichen Freund steht, weil massive Ängste vor dem Kontroll- und Gesichtsverlust mit dem aufwallenden Begehren und ihren Idealvorstellungen vom Geschlechtsverkehr kollidieren (vgl. 148 f.). Als sie den Geschlechtsakt schließlich mechanisch mit einem gleichaltrigen Schulkameraden vollzieht, registriert sie aus der distanzierten Beobachterrolle heraus lachend die Gleichzeitigkeit von „unkontrollierbarem und kontrollierbarem [Körper]Gewebe“ (149). In der Rahmenerzählung von Giambattista Basiles Pentamerone aus den 1720er-Jahren lacht die Prinzessin über den hochgehobenen Rock des alten Weibes (vgl. Lutz Röhrich, Das Märchen und das Lachen, 29). In einem maltesischen Märchen empfiehlt der König einer armen Frau, deren Maultier verendet, sich zu entkleiden, das Tier mit einem albernen Scherzritual zu überraschen und es auf diese Weise von seiner Apathie zu heilen. Jahre später wendet die Frau dieses Mittel erfolgreich beim König selbst an, der an einem Geschwür erkrankt ist (vgl. Goergen, Die heilende Kraft, 164 f.). Im Märchen Der Hahnenbalken aus der Grimm’schen Sammlung hebt eine Braut, die
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analytischen Verweissystem als Abwehrreflex angesichts der Kastrationsangst oder der Bedrohung durch das weibliche Geschlechtsteil, als Surrogat für die „konvulsivischen Bewegungen“²⁶ beim Geschlechtsverkehr oder als Analogie zur Konvulsion beim Gebärvorgang gedeutet werden. Ein sublimer libidinöser Lustgewinn ist auch mit dem primären Lachen der „analen Phase“²⁷ verbunden: Die Wiederaufnahme des Obszönen in die züchtigen Umgangsformen bereitet ein subversives Vergnügen, da sie die inopportune, psychoökonomisch regulierte anale Lust wieder zugänglich macht.²⁸ Vor diesem Hintergrund definierte Freud den „obszönen Witz“ als Symptom von „sexueller Aggression“²⁹ und Triebbefriedigung.³⁰ „Das prustende Lachen“ erinnert an das Geräusch des Flatus, den „infantilen Vorläufer“³¹ des gesellschaftlich akzeptierten Lachens.³² Dem ungarischen Psychoanalytiker Sandor Ferenczi (1873 – 1933) zufolge bildet das Lachen die „physiologische Abwehr unangenehmer Lust“, signalisiert aber zugleich das „Misslingen der Verdrängung“.³³ Der lachende Mensch ist verwickelt ins „Widerspiel“ der ungehinderten Lust an der „sündigen Regung“, der moralischen Brechung dieser Lust bzw. der Intervention des „Sündenbewusstseins“ und der Akzeptanz der Sünde in einer „Sündengemeinschaft“³⁴. sich auf dem Weg zu ihrer Trauung befindet, den Rock, um einen Bach durchqueren zu können: Sie wird von der Hochzeitsgesellschaft ausgelacht und verjagt (vgl. Jurzik, Die zweideutige Lust, 46). Heinz Rölleke nimmt an, dass sie unter dem Einfluss von Hypnose steht, und deutet das Heben des Rockes als Akt der Prostitution (vgl. „Und lachte überlaut und sprach“, 48 f.). Indem sie ihre Scham entblößt, bringt Baubo die depressive Demeter zum Lachen und initiiert damit ihre Heilung (vgl. Jurzik, Die zweideutige Lust, 50). Jurzik, Die zweideutige Lust, 46. Jurzik, Der Stoff, 31. Vgl. Sigmund Freud, Charakter und Analerotik, 206 f. George Bataille hat das Lachen aufgrund von physiologisch-muskulären Analogien mit der „Ausscheidung von […] Exkrementen“ (Rita Bischoff, Souveränität und Subversion, 42) in Beziehung gesetzt. Hüttinger, Die Kunst, 25. Obszönitäten in der Konversation werden Gail Jefferson zufolge durch das Lachen zugleich versteckt und kenntlich gemacht (vgl. Helga Kotthoff, Beim Lachen doch die Zähne zeigen, 7). Das zotige oder frivole Lachen ist auch an der phonetischen Gestalt erkennbar, und zwar an der Häufung „nasalierter Vokale und Halbkonsonanten“ (Günther Habermann, Stimme und Sprache, 88). Grotjahn, Vom Sinn, 65. Die Flatulenz klingt aber nicht nur wie jenes Hervorprusten, sie provoziert auch selbst das hervorprustende Lachen (vgl. Rusch, Der Lachtherapeut, 54 ff.). Sandor Ferenczi, Lachen, 188. Ferenczi, Lachen, 187. Ferenczi hat den „Lustmechanismus und Unlustmechanismus des Lachens“ auch als „eine Wiederholung der Lust und Unlust beim Geborenwerden“ (Lachen, 185) bezeichnet. Dabei handelt es sich, so der Soziologe Frithjof Hager, um die Unlust der Verbannung
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Martin Grotjahn hat die Ansicht vertreten, das Lachen könne „durch Freisetzung von Aggression“³⁵ die sexuelle Aktivität aus der paralysierenden Sphäre von Rollenanforderungen, ehelichen Verpflichtungen und diffusen Ängsten befreien und als Ausdruck von Unbeschwertheit und Spontaneität eine stimulierende Funktion haben.³⁶ Es kann, wie Hüttinger in Anlehnung an Italo Calvino unterstrichen hat, beim Übertritt von der „profanen Welt“ in die „Welt des Eros“ befreiender „Ausdruck von Scham“³⁷ sein und sexuelle Neurosen verflüssigen. Das wussten schon die alten Chinesen, die es als eine Möglichkeit schätzten, die sexuelle Interaktion in die Spielsphäre³⁸ zu transponieren und damit von Versagensängsten und Unsicherheiten zu entlasten.³⁹
aus dem schützenden, wärmenden Mutterleib und die Lust auf das Erfassen der ganzen Welt (vgl. Können Tiere lachen?, 309 f.). Das Lachen vergegenwärtigt die „Entfernung“ und zugleich ihre „Überwindung“ (310) und befreit den Menschen so aus Blockadehaltungen und Zerwürfnissen zum Genuss von Nähe und Selbstwirksamkeit. Grotjahn, Vom Sinn, 100. Vgl. dazu auch Rubinstein, der das Lachen bei der „Behandlung gewisser sexueller Störungen“ (Lachen, 95) für produktiv hält. Grotjahn weist jedoch darauf hin, dass das Zusammenspiel des Geschlechtlichen und des Lachens jederzeit aus der Balance zu geraten droht und sich in heftigen Irritationen auflösen kann (vgl. Vom Sinn, 96). Stefanie Köhler hat auch diese prekäre Verschiebung an der Motivik englischsprachiger Gegenwartsprosa illustrieren können (vgl. Differentes Lachen, 175 ff.). So erzählt Helen Zahavi in Dirty Weekend (1991) von der Verletzung eines brisanten Lachtabus: Die rachsüchtige weibliche Hauptfigur bestraft die Erektionsprobleme ihres akademischen Bettgefährten mit Lachen. In der Perspektive des Mannes betrifft diese Degradierung den Kern seines „leistungsorientierten Rollen- und Selbstbildes“ (176). Seine phallische Größe besitzt gottgleichen Status, umso tiefer stürzt der sexuell gedemütigte Mann. Das „Lachen der Frau“ (177) bringt das Regelsystem symbolischer Macht zum Einsturz und lässt damit die Situation eskalieren. Der Mann kann den Bedeutungsverlust nur durch einen ebenfalls symbolisch aufgeladenen Gewaltakt kompensieren: Er schlägt der Frau mit dem Schuh auf den Mund. Die Abwertung der männlichen Sexualität kann Grotjahn zufolge massive psychophysische Schäden wie Impotenz nach sich ziehen (vgl. Vom Sinn, 96). Hüttinger, Die Kunst, 125. Calvino fasst diesen Vorgang als „mimetischen Exorzismus“ auf: Die „geringere Erschütterung der Heiterkeit“ fängt die „absolute Erschütterung“ (Kybernetik und Gespenster, 39) des sexuellen Affiziertseins auf. Besonders im Spiel des Kitzelns sind sinnliche Reize, erotische Assoziationen und Phantasien, Kichern und Lachen untrennbar miteinander verbunden (vgl. Rusch, Der Lachtherapeut, 54 ff.). Branko Bokun nimmt an, dass es geradezu die Voraussetzung für das Gelingen des Liebesaktes (und die Verhinderung von Unfruchtbarkeit) sein könne, ihn als heiteres Spiel zu praktizieren (vgl. Wer lacht, 166). Vgl. Middendorf, Lachmodus, 385. Das chinesische Wort für Witzeln und Scherzen hat eine Affinität zum sexuellen Spiel (vgl. Middendorf, Lachmodus, 384 f.). Vgl. dazu wiederum die alttestamentliche Semantik in II.1.2.
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Tatsächlich folgen die Sexualität und das Lachen einer ähnlichen physiologischen Teleologie.⁴⁰ Mit seinem „plurimodalen Erregungspotential“⁴¹ reproduziert das Lachen die Phasensequenz des Geschlechtsakts; so ist es auch als Äquivalent des Orgasmus „in der oberen Körperregion“⁴² bezeichnet worden. Wie beim Orgasmus fällt die „Lachlust“ mit „Konsumation, Befriedigung [und] Erfüllung“⁴³ in eins; der „dissoziierte Bewusstseinszustand“, die biochemischneurophysiologische Schmerzblockade und die „spannungslösende Wirkung“ evozieren das Erlebnis des „petit mort“.⁴⁴ Das Glücksempfinden ist eng an die Präsenz des Körpers gebunden.⁴⁵ Das Erlebniskontinuum ekstatischer Lust, das „in bestimmten und zwar steilgezackten Kurven verläuft“⁴⁶, ist dem des Lachens darin verwandt, dass es den „glücklichen Ausgang tödlicher Abstürze“⁴⁷ sinnlich erfahrbar macht. Risus und Eros wurzeln beide im Lebensinstinkt und einer ursprünglichen Lust oder, m. a. W., in den „alten neurologischen Strukturen“, die auf unsere „fundamentalen Bedürfnisse“⁴⁸ ausgerichtet sind. Volkmar Ellmauthaler wertet das Lachen daher als wesentlichen psychophysischen Stabilisierungsfaktor⁴⁹ und der Philosoph Alfred Stern nimmt an, dass das Lachen, das aus den „Freuden des Eros“⁵⁰ erwächst, als Zeichen einer radikal bejahten Gegenwart eine gleichsam existenzsteigernde Qualität besitzt.⁵¹ Eros und Risus befähigen den Menschen, so Stefanie Hüttinger, gleichermaßen dazu „im Überschwang der Emotionen die Zeit auszublenden“ und Situationen „spielerisch-ästhetisch“⁵² zu lösen. Einen originellen Neuansatz bei der Verknüpfung von ontogenetischer Lust und Kreatürlichkeit des Lachens vertritt Rainer Stollmann, der Lachen und Sexualität vor evolutionsbiologischem Hintergrund und mit Hilfe einer Phänomenologie der Leiborganisation miteinander in Beziehung setzt. Stollmanns These lautet, dass das Lachen die naturgeschichtlich-evolutionäre Delegierung des
Vgl. Rubinstein, Lachen, 97/140 f. Helmstetter, Vom Lachen, 770. Türcke, Götter lachen, 774. Helmstetter, Vom Lachen, 770. Ellmauthaler, Lachen, 64. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 70. Helmut Thielicke, Theologische Ethik III, 533. Stephan Wyss, Der gekreuzigte Esel, 12. Rubinstein, Lachen, 26. Vgl. Ellmauthaler, Lachen, 380. A. Stern, Philosophie, 167. Vgl. A. Stern, Philosophie, 163/167. Hüttinger, Die Kunst, 131. Hüttinger schließt hier an Überlegungen Kierkegaards in Entweder/ Oder (1843) und Michel Foucaults (Sexualität und Wahrheit 1– 3, 1972/1989) an.
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Lustempfindens an den Genitalbereich revidiert und damit den gesamten Leib, jedes einzelne Organ und jede Zelle als Lustzone zurückerobert.⁵³ Damit bringt das Lachen die „Sehnsucht nach einem ungeschiedenen Leben“⁵⁴, nach der Einheit des Körpers zum Ausdruck. Der Leib restituiert sich als „unsinnige, […] aber lustvoll-rhythmische Einheit“⁵⁵, paradoxerweise indem er ins Chaos verfällt.⁵⁶ Trotz der gegenläufigen Mechanik des Leibempfindens – im Geschlechtsakt strebt der Mensch nach Verschmelzung mit dem anderen, beim Lachen droht er im Inneren in seine Einzelteile zu zerfallen und zu platzen – sind Lachen und Sexualität auf eigentümliche Weise verwandt.⁵⁷ Denn das Lachen beschwört die prä-genitale leibliche Lust vor der evolutionären Arbeitsteilung und Ausdifferenzierung,⁵⁸ während der Geschlechtsverkehr die „körperliche Erinnerung“ an den „ursprünglichen, paradiesischen Zustand des Lebens“⁵⁹ evoziert. Das Lachen artikuliert den „körperlichen Zweifel an der Struktur des Körpers selbst“, die „Sexualität ist die sehnsüchtige Erinnerungslust der organischen Körperstruktur“.⁶⁰ Wenn das Lachen aber als körperliches Regressionsphänomen die ursprüngliche Trennungs- oder Chaoslust zelebriert und doch zugleich die Unteilbarkeit der Person vor Augen führt, dann repräsentiert es die „Lust des Geistes“⁶¹ an der individuellen prä-ödipalen Selbstbehauptung.
2.2 Die Welt des Dionysischen und der groteske Leib: Die Ästhetik des Karnevalesken vom antiken Kult bis zur Atheologie George Batailles Die Kultfigur des Dionysos, der im Mythos zerteilt und verschlungen, von Zeus jedoch wieder zusammengesetzt und zum Leben erweckt wird, symbolisiert die metaphysische Natur des Lachens: „Zerstückelung und Vereinigung, […] Tod und
Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 62 f. Stollmann, Über die Natur, 74. Stollmann, Die Lust, 110. Alle „Anstrengungen der Differenzierung“, die im Widerstand gegen den Tod unternommen wurden, zerplatzen; es gibt nur noch die „Grenze von innen und außen“ (Stollmann, Über die Natur, 74). Vgl. Stollmann, Über die Natur, 74. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 60 ff. Frithjof Hager geht hingegen davon aus, dass das Lachen die Erinnerung an den sexuellen Genuss aufbewahrt (vgl. Können Tiere, 305). Stollmann, Groteske Aufklärung, 62. Stollmann, Angst, 17. Stollmann, Angst, 18.
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Geburt, […] Chaos und Kosmos“⁶². Sie ist das Prinzip des Unheimlich-Andersartigen, das, wie in Euripides Bakchen (um 406 vor Christus uraufgeführt), als mythisches Hybridwesen Gestalt annimmt und die Erscheinungsweisen und Lebensformen des Göttlichen, Menschlichen und Tierischen in sich vereint.⁶³ So repräsentiert sie die philosophische Ästhetik des Karnevals.⁶⁴ Das singuläre Kennzeichen des Dionysos, der im „eleusinischen Ritual“ als der „Gott Iakchos“ gemeinsam „mit Demeter und Koire angerufen“⁶⁵ wurde, ist die „lachende Maske“⁶⁶. Das „gewaltige Lachen“ oder der „mächtige Schrei“, den der „weit aufgerissene Mund“ ⁶⁷ der Dionysosmaske andeutet, überschreitet alle kreatürlichen Grenzen. Seit dem 5. Jahrhundert ist das Lachen und Grinsen in der vorchristlichen „antiken Ikonographie“ den „mythischen Figuren“⁶⁸ aus dem dionysischen Umkreis, den Mänaden und den Satyrn⁶⁹ vorbehalten.⁷⁰ Die Bilder der Satyrn⁷¹ vereinen die enthemmte Freude an der Exzentrik und am sinnlichen Genuss mit einer „unheimlichen Wildheit“⁷² und bringen eine von der Nachwelt
Hüttinger, Die Kunst, 181. Vgl. R. M. Schneider, Gegen, 558. Mit ihrer „exzentrischen Stellung“ im Pantheon verwiesen Dionysos und Demeter auf die „Umkehrung der Gesellschaftsordnung“ (Jan Bremmer, Witze, Spaßmacher und Witzbücher in der antiken griechischen Kultur, 20). Wiebrecht Ries, Das Lachen bei Nietzsche, 121. Bei der athenischen Prozession zur Einweihung der Bürger in die Mysterien der Demeter wurden prominente Bürger von einer Dirne oder einem Mann verspottet (vgl. Bremmer, Witze, 20). R. M. Schneider, Gegen, 558. Die Dionysosmaske ist ab etwa 500 v.Chr. nachweisbar (vgl. Schneider, Gegen, 559). Die Maske, so Norbert Schindler, zeigt die ausgeschlossene Seite der Dinge, sie „stiftet […] Erfahrungsegalität“ (Karneval, Kirche und verkehrte Welt, 135). R. M. Schneider, Gegen, 559. R. M. Schneider, Gegen, 574. Vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 121. Antike Gelehrte haben die Bezeichnung satyrn (wohl fälschlicherweise) vom Verb seseränai abgeleitet, das auf die auseinandergezogenen Lippen anspielt (vgl. R. M. Schneider, Gegen, 566). So verband man in „hellenistischer Zeit“ seseränai mit gelan und verwies „in Ausdrucksbeschreibungen des Lachens“ (566) auf die Entblößung der Zähne. Pollux, ein Lexikograph der Kaiserzeit, bezeichnete die Vorderzähne als Lachzähne (vgl. 566). Gelegentlich verlieh die antike Kunst auch „Schauspielern, Spaßmachern, Hetären und Nymphen“ (R. M. Schneider, Gegen, 551) sowie Kindern eine „lachende Miene“ oder eine „erstarrte Grimasse“ (Mader, Das Problem, 14). Die frühesten bildlichen Zeugnisse lachender Satyrn stammen vom Ende des 6. Jhts. v. Chr. (vgl. Schneider, Gegen, 551). R. M. Schneider, Gegen, 562. Hans-Dieter Bahr (Die Schildkröte und die Leier, 91) geht davon aus, dass die verzerrte Physiognomie der Satyrn und die „grinsende Grimasse der Medusa-Masken“ die zwanghaft-künstliche Bewältigung des Unheilvollen und die „Demonstration von Überlegenheit“ (92) ins Bild setzen, gegen die sich Platons Einspruch richtete.
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verdrängte Facette der griechischen Kultur⁷³ zum Vorschein: das Bedürfnis nach ästhetischer Anregung zum „öffentlichen Diskurs“ über „die Triebe und Begehrlichkeiten des Menschen“.⁷⁴ Das „Lachen der Satyrn“ hat in Kultgegenständen auch „die peripheren Lebensräume der griechisch-hellenistischen Kultur“⁷⁵ und noch „den Bereich der Wohnkultur der römischen Kaiserzeit“⁷⁶ durchdrungen, stets in enger Verbindung mit dionysischer Heiterkeit und rauschhaftem Trinken.⁷⁷ Der antike Dionysoskult speiste sich aus der prä-karnevalistischen Synthese zweier Elemente, des „Volksbedürfnisses“⁷⁸ nach sinnlicher Entgrenzung und ekstatischem Frohsinn im Tanzen und Lachen und des Bekenntnisses der Kunst zu einer Ästhetik der Verunsicherung.⁷⁹ Die Attraktivität, die der trieb- und sozi-
So wie die sittliche Rationalität im philosophischen Denken der Heiterkeit in der homerischen oder ovidischen Dichtung (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 72 und Walde, Ovids ars ridendi, 82), in der satirischen Skizze (vgl. Karl-Wilhelm Weeber (Hg.), Humor in der Antike, 2006) oder der dramatischen Szene (vgl. Gregor Maurach, Kleine Geschichte der antiken Komödie, 2005) nicht im Weg stand, verdrängte auch im alten China die affektfeindliche konfuzianische Moral das Lachen keineswegs vollständig aus dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben (vgl. Middendorf, Lachmodus, 374 f.). Die Antithese zum moralphilosophischen Ideal formulierte das Buch Meister Zhuang (3.–4. Jht. v. Chr.), dem zufolge die Essenz des Lachens gerade im Protest gegen die herrschende Vernunftideologie und in der Realisierung einer Wahrheit der Verneinung bzw. Alterität besteht (vgl. 389). Zur Reintegration des Skurrilen und Obszönen im Sinne von Meister Zhuangs Wahrheitskonzept verhalfen jene kulturellen Artefakte, die die „emotionale, intellektuelle und soziale Ordnung“ verkehrten und den „Spaß am Grotesken“ beförderten, z. B. Plastiken und Reliefs von „Spaßmacher-Figuren“ und „buffonesken Tänzern“ (386). R. M. Schneider, Gegen, 562. Im Zeitalter des Hellenismus gewann „das Lachen der Satyrn“ für die skulpturale Kunst eine große Bedeutung, auf das Herrschaftsverständnis nahm die „DionysosAngleichung“ (R. M. Schneider, Gegen, 560) Einfluss. Hellenistische Könige knüpften mit ihrer Wertschätzung „rauschhafter Lebenslust [und] kollektiver Festkultur“ an das „Herrscherideal der dionysischen Tryphe“ (R. M. Schneider, Nachwort, 86) an. Die Athener Bürger empfingen den „makedonischen König Demetrios Poliorketes beim Einzug in ihre Stadt“ als tanzende und „lachende Satyrn“; „Lachkünstler“ (87) nahmen an Städtesymposien teil und leisteten dem Dionysos-König Gesellschaft. Das europäische Mittelalter nahm mit der Figur des Hofnarren und dem Topos des „rex facetus, des freundlich-witzigen Königs“ (Jacques Le Goff, Das Lachen im Mittelalter, 21), den beispielhaft Heinrich II. von England (1133 – 1189) verkörperte, Anleihen an der dionysischen Machtsymbolik. R. M. Schneider, Gegen, 571. R. M. Schneider, Gegen, 572. Der lachende Dionysos verschwand nach und nach aus den Bildern, während er in den Texten bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. – so in den Dionysiaka des byzantinischen Dichters Nonnos von Panopolis ̶ gegenwärtig ist (vgl. R. M. Schneider, Gegen, 559). Heinrich, Theorie, 21. Noch unheimlicher erscheint das Lachen in der „indischen Mythologie“ (Heinrich, Theorie, 21). Maya, der die „Kräfte aller Götter“ in sich aufnimmt, zelebriert einen von rasendem Lachen
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alanarchische Kern der kultischen Simulation für die vergesellschafteten Menschen seit jeher besaß und der psychohygienische, vitalisierende Effekt der „kollektiven Grenzüberschreitung“⁸⁰ in rauschhafte Heiterkeit und exzessives Gelächter begründen das Fortleben des dionysischen Ritus in der Kulturgeschichte, von den bacchantischen Festivitäten der Römerzeit, den Saturnalien,⁸¹ bis zu den Fastnacht- und Karnevalsaktivitäten, die noch im 21. Jahrhundert in verschiedenen Weltregionen lebendig sind.⁸² Das Trinkgelage der Männer im dionysischen Kultkontext, der komos, mündete in die Komödie, das ekstatische Lachen hallte im Gewebe der Komödienhandlung nach,⁸³ die Lächerlichkeit derjenigen, die in betrunkenem Zustand „obszöne Lieder“⁸⁴ vortrugen und wiederum von anderen Kultteilnehmern nachgeäfft wurden, schrieb sich in die Typologie des dramatischen Figurentableaus ein. Die Komödie übernahm die wichtige Funktion der Zerstreuung,⁸⁵ wenn
begleiteten „Vernichtungstanz“ (21), wobei alle möglichen Körperteile von Mensch und Tier am chaotisch-konvulsivischen Geschehen teilnehmen. Titze, Die heilende Kraft, 293. Die römischen Dichter, Horaz, Catull oder Lukian, haben das saturnalische Festtreiben lebhaft beschrieben (vgl. Klaus Bringmann, Der Triumph des Imperators und die Saturnalien der Sklaven in Rom, 55 – 58 und Karl-Wilhelm Weeber, Alltag im alten Rom, 297 f.) In der traditionellen indischen Gesellschaft gibt es rituelle Parallelen zum Tabubruch des dionysischen Lachens: Auf dem Weg zur Braut pflegen die oft von Transvestiten angeführten Kompagnons des Bräutigams obszön zu scherzen und ausgelassen zu tanzen (vgl. Beatrix Pfleiderer, Anlächeln und Auslachen, 348). Beim Frühlingsfest Holi werden die streng reglementierten Scherzbeziehungen entritualisiert und universalisiert und damit sämtliche sozialen Grenzen überschritten, „Kastenniedrige berühren die Stirn Kastenhöherer, Unberührbare berühren Brahmanen und singen Zoten in deren Präsenz, […] Frauen stellen Männer, lachen sie aus“ (348). Der Vodun-Kult, den man z. B. im Süden Benins praktiziert, enthält ebenfalls das Element des Dionysisch-Entgrenzten: Die Initiierten tanzen mit „obszönen Gesten“ und Gelächter um den „hölzernen Phallus“, Symbol der Trickstergottheit Legba, die „Chaos und Blödsinn“ (Karola Elwert-Kretschmer, Bemerkungen zum Lachen und Weinen in Benin,Westafrika, 206) repräsentiert. Die poetologische Norm, die Aristoteles in den überlieferten Fragmenten zur Komödientheorie mit der Vorgabe setzte, die Komödie dürfe nur harmlose Schwächen gewöhnlicher Menschen vorführen, sollte den dionysischen Exzess begrenzen. Doch nicht zuletzt die aristophanische Inszenierung von Gewalt, Schmerz und Vergeblichkeit widersetzte sich der ästhetischen Domestizierung (vgl. Heinrich, Theorie, 22 f.). Titze, Die heilende Kraft, 199. Peter L. Berger definiert die „komische Katharsis“ als Wiederholung der „urtümlichen Katharsis der dionysischen Orgie“ (Erlösendes Lachen, 95): Denn auch die Komödie schafft eine „Gegenwelt zur Welt des Alltags“ (96).
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sie nach der hochkonzentrierten und -intensiven Vorführung der Tragödie⁸⁶ als vergnügliches Satyrspiel auf die Bühne gebracht wurde.⁸⁷ Der Karneval, wie ihn Michail Bachtin⁸⁸ verstanden hat, nimmt das dionysische Formprinzip in sich auf, er steht in einer „osmotischen Beziehung zu allen anderen Festen“⁸⁹, bewahrt die „ältesten Formen des rituellen Lachens“⁹⁰, die vorkulturellen, auf das Elementare und Kosmische bezogenen Korrekturbedürfnissen entstammen. Indem er einen unzensierten Schutzraum für die Entgrenzung des Triebhaften und die Integration des Krisenhaften und Schicksalsschweren schafft, erweist er sich als der „Ritus aller Riten und die Grenzerfahrung rituellen Handelns zugleich“⁹¹. Diesem universellen Karnevalskonzept⁹² hat Bachtin eine geschichtsphilosophische Dimension verliehen: Er beschreibt eine karnevaleske Volkskultur, die in einer inoffiziellen Parallelwelt ihre Opposition gegen das repressive Normensystem der kirchlichen und weltlichen Machtinstanzen symbolisch ausgieren
Die „lachende Maske“ ist der Tragödie wesensfremd, in Euripides Bakchen, dem blutrünstigen Drama von der Rache des Dionysos, symbolisiert sie jedoch die bipolare Struktur der „kultischen Rituale“: „Maßlosigkeit und Selbstbeherrschung, Vorbild und Gegenbild, Emanzipation und Restitution“ (R. M. Schneider, Gegen, 558). Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 20 ff. und Christian Meier, Homerisches Gelächter, 796. Die Komödie des Aristophanes setzte sich noch über das bestehende Tabu des Komischen bei der Illustration der Götterwelt hinweg, wobei Homers anthropomorphe Göttergesellschaft dem aristophanischen Spott schon den Weg bereitet hatte (vgl. Türcke, Götter lachen, 775 f.). In Die Frösche (405 v.Chr. uraufgeführt) präsentiert Aristophanes den Gott Dionysos innerhalb eines Possenspiels als prahlende und feige, lächerliche Gestalt im Herakles-Kostüm, die schmutzige, rohe Worte „mit seinem hanswurstigen Sklaven Skanthias“ (Martin Andree, Die Komik der Emphase, 61) wechselt. In der mittleren griechischen Komödie verschwand das Element des Komischen und wurde erst in der römischen Komödie (Plautus, Terenz) wiederbelebt (Bernhard Greiner, Die Komödie, 30). Vgl. Michail Bachtin, Rabelais und seine Welt, Volkskultur als Gegenkultur (1965) sowie Literatur und Karneval, Zur Romantheorie und Lachkultur (1969). Schindler, Karneval, 137. Köhler, Differentes Lachen, 42. Schindler, Karneval, 137. Bachtin subsumiert sämtliche Feste, die einem proletarischen Geist zu entspringen scheinen, ob nun die antiken Saturnalien oder die „mittelalterlichen Eselsfeste“ (Dietz-Rüdiger Moser, Schimpff oder Ernst?, 266), sogar Mysterienspiele, Sottien und Kirchweihfeste (vgl. Velten, Scurrilitas, 104) unter die essentialistische Kategorie des Karnevals. Das historische Karnevalsfest ist allerdings vor 1200 nicht belegt (vgl. Moser, Schimpf, 290 und Aaron Gurjewitsch, Bachtin und seine Theorie des Karnevals, 59).
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konnte.⁹³ Die ästhetische Signatur der plebejischen Festtradition kennzeichnet Bachtin mit den Begriffen „Exzentrizität“, „Familiarisierung“, „Mesaillance“ und „Profanation“⁹⁴ und meint damit die Aufhebung hierarchischer Normierungen, die Entfesselung der triebhaft-animalischen Kräfte, die Amalgamierung der heilstheologischen Sphären und Vertauschung der christlich-metaphysischen Determinanten. Dogmatischer Ernst, ehrfürchtige Scheu vor höheren Instanzen, Furcht vor ewiger Verdammnis oder Naturgewalten und hierarchische Ordnungen wurden in das Spiel lachender Verkehrung hineingezogen.⁹⁵ Die Renaissance verhalf der im Mittelalter noch insularen volkstümlich-karnevalesken Lachkultur zur Blüte, ehe sie im 17./18. Jahrhundert in den Randzonen der „niederen Gattungen des literarischen Kanons“⁹⁶ versickerte.⁹⁷ Im Zuge eines Zivilisationsprozesses, der „Aufklärung, Körperbildung und -hygiene, Volkspädagogik, Disziplin, Rationalität und Individualität“⁹⁸ förderte, verschwanden jene Räume der Wirklichkeitserfahrung, die nicht den Rationalisierungs- und Dressurzwängen eines funktionalen Arbeitssystems unterlagen,⁹⁹ und so versiegten allmählich die Quellen der „karnevalistischen Lachkultur“¹⁰⁰. Nur bei den Vagabunden und im sogenannten Lumpenproletariat, das am „Er-
Vgl. Moser, Schimpf, 263 f. Anton C. Zijderveld hat die Frage aufgeworfen, ob die autoritären und repressiven Strukturen im Mittelalter nicht geradezu die Voraussetzung der nuancenreichen Lachkultur und des robusten Humors dieses Zeitalters gewesen sind (vgl. Humor, 104). Bachtin, Literatur und Karneval, 49. Vgl. dazu Gerhard Schmitz, Ein Narr, der da lacht, 145 und Moser, Schimpf, 263 f. Die Hingabe an die „Vitalsphäre“ des Daseins, exzentrische Kostümierung, Fress- und Saufexzesse, obszöne und fäkalische Theatralik, derb-bäurische und sexualisierte Sprache waren Komponenten eines Rollenspiels, das die geltenden Ordnungsmuster durchkreuzte und selbst „Hohes und Heiliges […] in den Schmutz“ (Hellmut Thomke, Jm schimpff man offt die worheit seyt, 89) zog. Goldschnigg, Lachende Moderne, 66. Die Poetisierung des Karnevals implizierte seine „EntLeiblichung und Ver-Geistigung“; bei der Verwandlung des synkretistischen Wertungskollektivs in die literarästhetische Ausdrucksgestalt verlor der Lach-Wert die „Universalität des Rituellen“ (Gun-Britt Kohler, Karneval und kultureller Raum, 37). Das mythische „Prinzip der Erneuerung“ (37) verbindet das dialogische Schreiben und das gemeinschaftliche Karnevalslachen nur auf der Metaebene. Barbara Marx geht davon aus, dass schon in der Renaissancekultur mit ihrer regelgeleiteten „Produktion von Lachformen“ (Komik der Renaissance, IX) der karnevaleske Volkskörper einer urbanen Ritualisierung und normativen Institutionalisierung unterlag (vgl. Xf.). Hans Rudolf Velten verlegt die Diskursivierung der Hofnarren- und Spaßmacherkunst als Symptom des Übergangs in die Schriftlichkeit ins 16. Jahrhundert (vgl. Scurrilitas, 415). Stollmann, Groteske Aufklärung, 89. Vgl. Wolfgang Dreßen, Possen und Zoten, 151. Rainer Stollmann vermutet, dass sich mit der neuen Wertschätzung der Arbeit im 15./16. Jahrhundert im Gefolge Luthers das Regime der Ernsthaftigkeit und Selbstdisziplin etablierte (vgl. Groteske Aufklärung, 95 f.). Stollmann, Groteske Aufklärung, 89.
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ziehungsprozess zur friedlichen Einheit normierten Lebens“¹⁰¹ nicht partizipierte, blieb das Lachen, das die verfemten leiblichen Bedürfnisse und Funktionen sichtbar macht, unkonditioniert.¹⁰² Unter dem Einfluss der „höfisch-ständischen Disziplinierung“¹⁰³ und des Sittenregimes von Reformation und Gegenreformation (vgl. II.1.1) verwandelte sich der umfassend integrative Volks-Karneval im 15. und frühen 16. Jahrhundert¹⁰⁴ in einen „öffentlichen Schaubrauch coram publico“¹⁰⁵. Die Etablierung des Vernunftregimes im gesellschaftlichen und kulturellen Leben¹⁰⁶ zwängte das universelle, kollektive, ambivalente Karnevalslachen im 17. und 18. Jahrhunderts in ein „strenges Benimmkorsett“¹⁰⁷ und substituierte
Dreßen, Possen, 166. Dieses Lachen barg abgründige, unerschlossene Facetten. So erschrak und rätselte man über das „höllische Lachen“ der Frauen, die während der Revolution den gefallenen Soldaten die Genitalien abschnitten, das spöttische Lachen der Gefängnisinsassen, das Lachen der Kinder in den Irrenanstalten oder das der Armen, die von ihren städtischen Besuchern nach ihrem „sittlichen Lebenswandel“ (Dreßen, Possen, 167) gefragt wurden. „Karikaturen aus den Bauernkriegen oder Flugblätter aus der Französischen Revolution“ illustrieren, wie „auf Adelsprivilegien und Verbotsakten […] gepisst und geschissen“ (166) wurde. Das derbe Gelächter der plebejischen Schichten kompromittiert, so Dreßen, die mit der Feigenblatt-Metapher der Genesiserzählung chiffrierte Verhüllungspose der gesellschaftlichen Subjekte ebenso wie die säkulare Fortschrittsideologie und stellt dem linearen Geschichtsmodell die Pluralität der Erzählungen sowie die Lust des Augenblicks entgegen (vgl. 167 f.). Schindler, Karneval, 141. Die Dosierung und Veredelung des Lachens im höfischen Verhaltenskodex und die „formale Perfektion“ (Franziska Meier, Das Lachen des Hofmanns, 804) des Hofmannes sind auch als Reaktion auf die rohe und „anarchische […] Lachkultur des Volkes“ (802) und die im 16. Jahrhundert verbreitete Dekadenz zu verstehen, die sich in libertärem Amüsement und einem sinnentleerten, moralisch desintegrativen Kult des Parodierens und Scherzens niederschlug. Wolfgang Dreßen liefert Belege dafür, dass der Brauch der Fastnachtspiele schon zum Ende des 15. Jahrhunderts inneren und äußeren Disziplinierungsmaßnahmen unterlag und damit seine anarchische und eruptive Kraft verlor; die Geschichte des Brauches zeichnet den Wandel vom „plebejischen zum pädagogischen Lachen“ (Possen, 158) nach. Werner Röcke bestätigt diesen Befund weitestgehend: Während das Nürnberger Fastnachtspiel die Triebwelt des Menschen noch ungeniert inszenierte und damit die lachende Bewältigung des Bösen ermöglichte (vgl. Literarische Gegenwelten, 431), stellte Hans Sachs seine Fastnachtdichtung in den Dienst einer „stadtbürgerlichen Ethik“ (436). Allerdings öffnete Ernst Jakob Ayrer (1544– 1605) die Gattung wieder für die dionysische Dimension, indem er Figuren der commedia dell‘arte und des Singspiels in die Dramaturgie einführte, und später lösten sich einige Schweizer Fastnachtspiele vom Primat der protestantischen Lehrvermittlung (vgl. 439 f./444). Vgl. auch II.1.1. Schindler, Karneval, 141. Vgl. Burkhardt Lindner, Das Lachen im Tempel der Schönen, 268 f. Hüttinger, Die Kunst, 149.
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es schließlich durch das partikulare satirische Zerstörungslachen.¹⁰⁸ Zwar betrieb im frühen 19. Jahrhundert die „bürgerliche Honoratiorengesellschaft“ mit ihrem Vereinswesen die „romantisch-folkloristische Wiederaufnahme“¹⁰⁹ des Karnevals, doch jener war nun domestiziert und Teil der Geselligkeitskultur bürgerlichen Frohsinns geworden. Der große Rezeptionserfolg von Bachtins Geschichtsmodell in den Geisteswissenschaften verdankt sich nicht zuletzt der neomarxistischen Idealisierung eines subversiven Proletarierlachens und dem Reiz einer „utopischen Revolutionsprosa“¹¹⁰. Die Vorstellung von einem dionysischen Aufstand des Volkes gegen scheinbar zeitlose Hierarchien, Privilegien und Normen beeinflusste besonders den „politischen Poststrukturalismus“¹¹¹ Michel Foucaults und Jean Baudrillards und inspirierte die geisteswissenschaftliche Hinwendung zur Antivernunft als nicht korrumpierbarer Gegeninstanz zur symbolpolitischen Macht. Doch vor allem die historische Forschung hat kräftig am Fundament von Bachtins dichotomischer Kulturgeschichtsschreibung gerüttelt: Die Kritik richtete sich gegen die sozialgeschichtlich unzulängliche und begrifflich undifferenzierte Ontologie der Phänomene Lachkultur, Karneval und Volk.¹¹² Die Mediävisten sind sich weitgehend darin einig, dass sich die volkstümliche und kirchlich-offizielle Sphäre in lachkultureller Hinsicht sehr viel stärker vermischten als es in Bachtins Geschichtsbild zur Geltung kommt.¹¹³ Dietz-Rüdiger Moser lieferte wiederum ei-
Vgl. Kohler, Karneval, 30, Hüttinger, Die Kunst, 149 und Bischoff, Souveränität, 38. Von der antidionysischen Staatspropaganda des Florentiners Savonarola im Rahmen seiner etatistischen Festkulturpolitik Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Substituierung der Karnevalsumzüge durch die Kulte staatlicher Vernunft unter Napoleon zur Zeit der Französischen Revolution kann auch eine Linie staatsdoktrinärer Repression gegen die plebejische Lachkultur gezogen werden (vgl. Dreßen, Possen, 161). Schindler, Karneval, 141. Schümer, Lachen, 850. Vgl. auch Moser, Schimpf, 271 f. und Ekmann, Wieso, 33 – 36. Dieser Faszination ist auch Rainer Stollmann erlegen, der sich zu der Aussage hinreißen lässt, die Religion der agrarischen Gesellschaften sei stets säkularer Optimismus gewesen, Vertrauen in die Natur und Familiarität, ihr „Gottesdienst das Lachen“ und „ihre Bilder- und Vorstellungswelt der groteske und karnevalistische Realismus“ (Die rätselhafte Stimme des Volkes, 120). Schümer, Lachen, 849. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 145, Thorsten Unger, Differente Lachkulturen?, 15 und Moser, Schimpf, 261– 309. Vgl. Unger, Differente Lachkulturen?, 16, Hermann Bausinger, Lachkultur, 15, Le Goff, Das Lachen, 42, Gerhard Wolf, O du fröhliche, Zur Komik im hessischen Weihnachtsspiel, 159, Schmitz, Ein Narr, 146, Gurjewitsch, Bachtin, 61 f. Lenz Prütting wendet gegen die „Theorie der mittelalterlichen Lachkultur als Angst-Exorzismus“ (Homo ridens, 549) ein, dass es zur Überwindung der Angst im Lachen eines Anschubes von außen bedürfe. Nur weil Bachtin das Lachen zum Geschichts-Subjekt hypostasiert, kann er, so Prütting, die Lachkultur des Volkes zur autarken Par-
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nen brauchtumssoziologischen und theologischen Begründungszusammenhang dafür, dass die Inszenierung der ‚verkehrten Welt‘ ihren eigentlichen Sinn darin hatte, die asketischen Tugenden wieder in Kraft zu setzen.¹¹⁴ Sie war – in der kritischen Paraphrase Schindlers – „Bestandteil eines großangelegten Bußrituals“ und „willfähriges Werkzeug der kirchlichen Didaxe“.¹¹⁵ Auf dieser Argumentationslinie fungierte die rituelle Organisation des Karnevalsgeschehens als „altbewährte Integrationsstrategie seitens der dominanten Kultur“¹¹⁶, die die Gültigkeit der sozialen und gesellschaftlichen Normen im patriarchalen Rollenskript festschrieb¹¹⁷ und die Ventilierungsfunktion und Simulationslust der festlichen Exzentrik restaurativen Zwecken zuordnete.¹¹⁸ Das revolutionäre Gedan-
allelwelt stilisieren, obwohl es sie unter der Bedingung allumfassender Angst gar nicht hätte geben dürfen (vgl. 548 ff.). Vgl. Moser, Schimpf, 267– 278 und II.3.3. Schindler, Karneval, 122. Busch, Verlorenes Lachen, 10. Moser präsentiert Belege dafür, dass die Fastnachtaktivitäten von Anfang an „Schaubräuche“ waren, die „von einer überschaubaren Gruppe von Akteuren“ (Schimpf, 269) organisiert und dargeboten wurden, wobei die Teilnahme ausgewählten Männergesellschaften, z. B. „religiösen Bruderschaften“ (268) oder den Mitgliedern der Zünfte, von der Obrigkeit sogar vorgeschrieben wurde. Wolfgang Dreßen referiert, dass die spätmittelalterlichen Fronleichnamszüge in Spanien zwar die verfemten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen integrierten und am Possenspiel beteiligten, – selbst „gesuchte Kriminelle durften an bestimmten Tagen […] mitfeiern“ (Possen, 157) –, die dramaturgischen Rahmenbedingungen jedoch indirekt die Gültigkeit der sozialen Normen und Rollen bestätigten. So wurden die gesellschaftlichen Außenseiter, Ausländer, Bettler, Behinderte durch „groteske Puppen“ (149) dargestellt und verspottet, die Zoten in erster Linie von den Darstellern der Bauern erzählt und die klugen und emanzipierten Frauen von Männern verkörpert bzw. karikiert. Dem „gegenbildlichen Chaos“ (Köhler, Differentes Lachen, 46), an dem der Mensch partizipierte, war die Dialektik einprogrammiert, dass sich der Mensch seiner Welthaftigkeit und Zugehörigkeit zu einer „sinnhaften Ordnung“ (48) vergewissert. Der Brauch, den Karneval schließlich in einer Gerichtsverhandlung zu verurteilen, hinzurichten und zu beerdigen kann als offizielles Signal verstanden werden, dass die Inversion der Ordnungsprinzipien nur eine befristete Daseinsberechtigung besitzt (vgl. Peter Burke, Helden, Schurken und Narren, 216). Irmtraud Morgner hat in ihrem Hexenroman Amanda (1998) nicht nur der Alltagsrealität in der DDR eine „phantastisch-mystische Welt“ (Görlacher, Zwischen Ordnung, 129) mit karnevalesken Elementen gegenübergestellt, sondern auch mit der Technik der intertextuellen Montage den Karneval selbst daraufhin überprüft, ob er tatsächlich subversiv wirkt oder nicht im Wesentlichen als affirmativ einzuschätzen ist. Der „strukturelle Karneval“ der Narration unterläuft den „dargestellten Karneval“ (130) und entlarvt „funktionalisierte Karnevalseinrichtungen“ (189). Schon der antike Gelehrte Plutarch (ca. 45 – ca. 125) bezeugte das Bewusstsein der herrschenden Klasse für die Notwendigkeit einer rituellen Einbindung des Lachens zwecks gesellschaftspolitischer Triebkontrolle (vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 84). So unterstützten staatliche Herrschaftssysteme – man denke an die „venezianische Oligarchie“ (Schümer, Lachen, 852) – eine karnevalistische Festkultur, um der Bevölkerung die Reaktivierung der im Alltagsreglement
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kengut verdampfte im Pamphlet, die subversiven Energien wurden umgeleitet in ein quasi-exorzistisches Restitutionsprogramm mit pogromartigen Zügen.¹¹⁹ Werner Röcke hält fest, dass die karnevaleske Inszenierung der „Gewalt, des Kampfs der Geschlechter, des Begehrens oder des leiblichen Genusses“¹²⁰ dazu diente, die Spannungen und Brüche in der moralischen Ordnung der Gesellschaft vorzuführen, damit aber einen neuen Konsens herzustellen und die Abweichung von der Norm zu sanktionieren.¹²¹ Die Bachtin-Apologetik¹²² dagegen berief sich auf historische Zeugnisse, die belegen, dass umgekehrt die symbolische Inszenierung „der verkehrten Welt“¹²³ in „reale Gewalt“¹²⁴ und die närrische Simulation in offene Rebellion umkippen konnte.¹²⁵ Norbert Schindler zufolge verraten die „spielerische Entgrenzung“¹²⁶
tabuisierten Körperfunktionen zu ermöglichen (vgl. Dreßen, Possen, 157), oder boten, wie im antiken Rom und den „Hofgesellschaften von Renaissance und Barock“, Unterhaltungsprogramme und Spektakel, um die „lächerlich ungerechten Verhältnisse“ (Schümer, Lachen, 852) zu verschleiern und das Lachen der Untertanen zu kontrollieren. Wenn die Komödie der Tragödie, der Karneval der Fastenzeit, das Kabarett der Staatsaktion, der Leichenschmaus dem Begräbnis folgt, dann handelt es sich um Ritualisierungen von Heiterkeit (vgl. José Sánchez de Murillo, Vorwort, 13), die zwar vorübergehend verdrängte Wünsche oder „ersehnte Freiheiten“ (Köhler, Differentes Lachen, 47) realisieren, systemimmanente Tabus jedoch unberührt lassen. Vgl. Schümer, Lachen, 848 ff. Röcke, Literarische Gegenwelten, 421. Natalie Z. Davis (Die Narrenherrschaft, 106 – 135) hat auf die ins Karnevalsgeschehen integrierten Rügebräuche, die Charivaris hingewiesen. Vgl. auch Schindler, Karneval, 142 f./150. Das Charivari stellt eine burlesk-lärmende Inszenierung zur Diffamierung von wehrlosen Ehemännern, schwachen Familienvätern und ehrlosen Vermählungen dar (vgl. Katja Gvozdeva, Narrenabtei, 279). Moralische Konflikte und Delikte, die nicht rechtlich angreifbar sind, wurden in einen performativen Spottrahmen gestellt, um die „Institution der Ehe“ (279) zu schützen. Somit waren die Charivaris ein „Medium der Kritik“ (Auffarth, Alle Tage, 99) an der „gestörten Ordnung der Volkskultur“ (Schindler, Karneval, 142). Auch die Turnier-Parodien und die „ritualisierten Schlage- und Prellbräuche“ (164) können unter dem Gesichtspunkt der Herrschaftsstabilisierung gedeutet werden. Björn Ekmann hält fest, dass die karnevalesken Tabuverletzungen Ausfluss einer „chthonischen Religiosität“ waren, die auf Menschenopfer, Angst und „Unterwerfung der arbeitenden Klasse unter machterhaltene Riten und Tabus“ (Wieso, 34) beruhten. Gegen Dietz-Rüdiger Moser (Schimpff oder Ernst, 261– 309) Werner Mezger (Narrenidee und Fastnachtsbrauch, 482– 513) und Jean-Marc Pastré (vgl. Fastnachtspiele, 149 f.) halten Norbert Schindler, Peter Burke (Helden, 169 – 218), Michael Kuper, Rolf Johannsmeier und Natalie Z. Davis an dem „Eigensinn des Festes“ (Christoph Auffarth, Glaubensstreit und Gelächter, 6 f.) und den „Eigengesetzlichkeiten der populären Kultur“ (Schindler, Karneval, 124) fest. Schindler, Karneval, 137. Schindler, Karneval, 164. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 98 und Kuper, Zur Semiotik, 43 – 46. Die Symbolik des Karnevals war mitunter Anlass und Legitimationsgrund von Aufständen (vgl. Davis, Die Narrenherrschaft, 130 f.). Burke (Helden, 218) erinnert an das Massaker in Basel am Fastnachtdienstag 1376, den
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der Erfahrungswirklichkeit, die theatralische Inszenierung der sozialen Realitäten mit „mehrfach doppeltem Boden“¹²⁷ und das parodistische Ausagieren festgeschriebener gesellschaftlicher Rollen durchaus eine „Disposition […] zur Revolte“¹²⁸. Das „gesteigerte Lebensgefühl“¹²⁹ der Renaissance, das aus der ästhetischen und sinnlichen Freiheit, der Lust am „grotesken Körper“ und der „gewaltsamen Auseinandersetzung“¹³⁰ erwuchs, bedrohte die Obrigkeit, die die „implizite Moral einer symbolischen Kommunikation der Körper“¹³¹ nicht anzuerkennen vermochte. Die grobianische Inszenierung des Widerstreits von „elementaren und […] kultivierten Bedürfnissen, des Zwangs und der Freizügigkeit“¹³² verdächtigte sie als Apotheose der „Weltlichkeit und Diesseitigkeit“¹³³, als „respektlose Zurückführung“ aller metaphysischen Ansprüche und „sozialen Erscheinungsformen“ auf ihr „materielles Substrat“.¹³⁴ „In der körperlichen Eskalation des Lachens“, im „Aufstand gegen die leibesfeindliche Wohlanständigkeit“¹³⁵ befreite sich der Mensch von der Bindung an die norma-
Bauernaufstand des Berner Karnevals 1513 und den ‚bösen Maitag‘ 1517 in London. Die Basler Fastnacht 1529 mündete in einen „gewaltsamen Bildersturm der Protestanten“ (Kuper, Zur Semiotik, 45). Beim Karneval von Romans 1580 kulminierten „soziale Interessenkonflikte“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 95) in einem blutigen Bauernaufstand und bürgerkriegsähnlichen Zuständen; die politische Revolte scheiterte jedoch zuletzt (vgl. dazu Emmanuel Le Roy-Ladurie, Karneval in Romans, Von Lichtmeß bis Aschermittwoch 1579 – 1580, 1982). In Dijon erhoben sich nach den Karnevalsfeiern 1630 die Weinbauern, in Katalanien kam es am Fronleichnamstag 1640 zum „großen Aufstand“ (Burke, Helden, 218). Für den Karneval sind diesen Befunden zufolge brutale, mitunter tödliche „ritualistische und spontane Exzesse“ nicht untypisch, die „zwischen harmlosem Scherz und ernster Gefahr, […] Darstellung und Realisierung, […] Schauspielerei und Handeln“ (Liberman, Diejenigen, 275) hin- und herpendeln. Schindler, Karneval, 137. Schindler, Karneval, 136. Schindler, Karneval, 137. Aaron Gurjewitsch hebt im Anschluss an eine Studie des französischen Historikers Yves Bercé (Fête et révolte: des mentalités populaires du XVIe au XVIIe siècle, 1976) hervor, dass „Hass und Furcht“ (Bachtin, 59), Streit und Grausamkeit die karnevaleske Revolte entzündeten. Schindler, Karneval, 136. Schindler, Karneval, 160. Schindler, Karneval, 136. Schindler, Karneval, 166. Thomke, Jm schimpff, 89. Schindler, Karneval, 166. Den Karneval stellte man als „jung, fröhlich, dick und sexy […], als starken Fresser und Säufer“ (Burke, Helden, 202) dar. Die Visualisierung des aufgesperrten Mundes versinnbildlichte die Gemeinsamkeit von Essen, Sprechen und Lachen (Bachtin, Rabelais und seine Welt, 380 f.). Hüttinger, Die Kunst, 121. Wolfgang Dreßen hat sich dieser Sicht insoweit angeschlossen, dass er die Vermählung von Fruchtbarkeitskulten und Narrenfestivitäten in der „europäischen
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tiven Instanzen und erlebte die „Freiheit zur Ausblendung der Zeit“¹³⁶. Die Angst vor der Hinfälligkeit und Verletzbarkeit der körperlichen Existenz war in der obszönen oder skatologischen Zurschaustellung des Körpers aufgehoben.¹³⁷ Die „Sehnsüchte nach Ganzheitlichkeit“ nahmen in der lachenden Begegnung mit dem Tod Gestalt an,¹³⁸ die ein wirkmächtiges Tabu außer Kraft setzte und Einverständnis mit dem Unvermeidlichen herstellte.¹³⁹ Als großer Integrationsritus
Volkskultur“ belegt, die sich u. a. in der symbolsprachlichen Verschlüsselung sexueller Vitalität manifestierte: So praktizierte man den dionysischen Brauch, „hölzerne Phalli durch die Straßen zu tragen“ (Possen, 157) und versah Heiligenstatuen mit Phalli oder Löchern. Auf Symbole der Potenz und sexuellen Lust hat auch Burke hingewiesen, der zudem auf die anhand der Geburtsstatistiken nachweisbare gesteigerte sexuelle Aktivität während der Karnevalstage im Frankreich des 18. Jahrhunderts aufmerksam macht (vgl. Helden, 200). Hüttinger, Die Kunst, 122. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 100 f. Günter Bader hat die leibliche Selbstvergegenwärtigung als einen närrisch-ironischen Vorgang beschrieben: „Dann übt der Leib seine närrische Funktion dadurch aus, dass er die Verschlossenheit des Geistes öffnet. […] Der Leib ist nicht nur Gewährung grenzenloser Lust und Offenheit, sondern um in dieser Grenzenlosigkeit nicht zu zerfließen, bedarf er aus sich heraus der Grenze; die Offenheit bedarf der Perspektive, um nicht nichts zu sein; die Lust bedarf der Unlust; das Leben des Todes. So vollendet sich die Narrheit des Leibes darin, dass sie dem, der aus der skeptischen Eingezogenheit sich der Lust öffnen wollte, den Tod als Wunsch des Lebens selbst zeigt. Der Leib wird zum Substrat fundamentalster Widersprüche: er ist Verheißung auf Wärme und macht zugleich die Kälte spürbar; er ist die Verheißung von Hingabe, zugleich isoliert er – und indem und während er das eine tut, forciert er zugleich das andere. Er gewährt sich, ja scheint das Wünschenswerteste aller Gewährungen zu sein, und im selben Moment sinnt er auch schon auf Entzug. So ist der Leib in sich verkehrt; Ironie scheint ursprünglich eine Sprache des Leibes gewesen zu sein. Der Katalog der Tropen, anhebend bei der Metapher und endend mit der Ironie, lässt somit eine urtümliche Sprache des Leibes durchscheinen; die Summe und Grenze der Erfahrung des Leibes ist mit der Ironie erreicht“ (Assertio, 122). P. L. Berger weist darauf hin, dass der „spätmittelalterliche Totentanz […] Symbole und Gesten des Karnevals“ (Erlösendes Lachen, 100) aufnahm. Die Nacktheit der Charivaristen verkörperte „Eros und Begierde“ (Johannsmeier, Spielmann, 45) der Toten. Das Lachen der mittelalterlichen Fabliaux über den desakralisierten Körper löste die Angst vor dem Tod, dem Teufel und dem „anderen Geschlecht“ (Velten, Scurrilitas, 92) auf. Das subversive Lachen der libertins im frühneuzeitlichen Frankreich feierte die „Harmonie von Körper und Geist“, die Einheit von „eros und thanatos“ (S. Wolff, Todesverlachen, 315) als Befreiung zur Autonomie. Auch Molières Komödie Le malade imaginaire (1673 uraufgeführt) hat einigen Interpreten zufolge den Tod und das Lachen im Sinne epikuräischer Selbstermächtigung miteinander in Beziehung gesetzt, und zwar so, dass das Lachen den Tod in das Kraftfeld sinnlicher Freude und heiterer Vitalität hineinzieht (vgl. 320 ff.). Solche karnevaleske Umdeutung des Todes hat noch im modernen englischen Roman Resonanz gefunden (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 133 – 137), so in Julian Barnes’ Staring at the sun, wo der sinn- und kontrollfixierten Wissensideologie des Sohnes, der an der Unerforschbarkeit des Todes förmlich verzweifelt, der Altersgleichmut der Mutter gegenübersteht. In Peter Ackroyds Chatterton (1987) bildet das Lachen
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formulierte der Karneval auch die Utopie der Transzendierung des eigenen Körpers in der „gemeinsamen Körpergroteske“¹⁴⁰. Das Lachen der egalitären Karnevalsgemeinschaft, das die Trennung von Bühne und Zuschauer aufhob,¹⁴¹ duldete „keine fremden Götter neben sich“¹⁴² und bemächtigte sich mit „hegemonialem Zugriff“¹⁴³ der Lebenswirklichkeit. Auf der anderen Seite machte die groteske „Leiblichkeit des Lachens“¹⁴⁴ die Ambivalenz von Herab- und Heraufsetzung, von vernichtendem Spott und der Integration heterogener Elemente sichtbar.¹⁴⁵ Während Bachtin das affirmative Moment der Festkultur akzentuierte, wertete Ol’ga Michajlovna Frejdenberg (1890 – 1955) das Karnevalslachen als zynische Degradierung des Erhabenen¹⁴⁶ auf der Schwelle vom „ungeschiedenen bildli-
das Bindeglied zwischen der postmodernen Idee vom Kulturprodukt als historischem Diskursphänomen und der grotesken Anschauung von der Unsterblichkeit im Medium des Kunstwerks. Die Kompensation des drohenden Individualitätsverlusts durch die ironische Ästhetisierung des Todes setzt ein versöhnliches Lachen frei. Colin Higgins Harold and Maude (1971) lässt die groteske Semantik des Todes im sinnlichen Lebensstil und bewussten Sterben der gealterten Maude anschaulich werden, die „einer Heiligen in der Kirche einen lachenden Mund“ (137) aufmalt und lachend nicht nur ihre körperlichen Einschränkungen und ihren Verfall akzeptiert, sondern sogar ihren eigenen Tod in die Wege leitet. Schindler, Karneval, 161. Prütting hat mit der Kategorie des Resonanz-Lachens die „Selbsttranszendierung des Einzelnen ins lachende Kollektiv“ (Homo ridens, 1898) beschrieben. Vgl. Schindler, Karneval, 165. Schindler, Karneval, 168. Schindler, Karneval, 166. Hüttinger, Die Kunst, 122. „Körperliche Triebe, Hunger und Eros“ (Hüttinger, Die Kunst, 122) oder, abstrakter gefasst, die Plastizität des Verlusts der Körperbeherrschung löst Lachen aus. Mit jener Ur-Komik spielen die clownesken Figuren, der Harlekin, der Arlecchino oder der Hanswurst. Noch in der Gegenwartsliteratur nimmt der Körper zuweilen die Funktion des Ridiculums ein, wie Stefanie Köhler an Textpassagen aus Julian Barnes’ Before she met me, A. S. Byatts The Virgin in the garden und den Romanen Angela Carters Wise Children (1991) und The Passion of new Eve (1977) deutlich macht (vgl. Differentes Lachen, 139 ff.). Generell kann das Lachen in der Literatur eine auf die Körperlichkeit gepolte Stimmung indizieren, die der Reibefläche zwischen „Denken und Fühlen“ (144), zwischen dem körperlichen und geistigen Sensorium einer Persönlichkeit entspringt. Vgl. auch Unger, Differente Lachkulturen?, 17. Die „vorübergehend erniedrigten Machthaber“ (Köhler, Differentes Lachen, 42) sind mit der herabsetzenden Dynamik konfrontiert, wohingegen das Volk, das die Zwänge der gegenwärtigen Welt lachend relativiert, vor allem das integrative Moment vergegenwärtigt. Vgl. Ute Brylla, Ol’ga Michajlovna Frejdenberg, Die Komödie und das Lachen, 12– 15. Damit reproduziert Frejdenberg die Sittenkritik Platons und Aristoteles’, der in seiner Poetik verfügte, dass sich das Lachen nur auf „geringfügige Fehler“, aber nicht auf das „Hohe und Heilige“ (Hüttinger, Die Kunst, 102) beziehen dürfe. Der polnische Dichter Adam Mickiewicz (1798 – 1855) hat vor diesem Hintergrund den westlichen Kulturtypus als urbanes Dekadenzphänomen, eine moralisch-künstlerische Verfallsform bezeichnet und ihm eine verhängnisvolle Lust an der Satire,
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chen hin zum differenzierten begrifflichen Denken“¹⁴⁷. Auch Stefanie Hüttinger beschreibt das Lachen, das sich im Fest mit der „theatralisch-künstlerischen Sphäre“¹⁴⁸ vereint, als einen Akt der Blasphemie.¹⁴⁹ Denn der „explosive Lachausbruch“ ist ein Reflex auf die Ausschweifung und Maßlosigkeit des Festes, auf die „Übertretung von Verboten und die universelle Verwirrung […] vor der Neuordnung der Welt“.¹⁵⁰ Hüttinger spielt damit auf das Prinzip des inversus mundus an, das sie ebenso wie Peter Burke und Rolf Johannsmeier im Bachtin’schen Sinne deutet: Die „frühbürgerliche städtische Öffentlichkeit“ nutzte, so Johannsmeier, seit dem 14. Jahrhundert den karnevalistischen Freiraum für ein „amoralisches Spiel mit Rollen, Ständen, Masken und Bedeutungen“.¹⁵¹ Kostümierung und Komödienspiel erlaubten den Rollentausch von Männern und Frauen,¹⁵² Herren und Knechten;¹⁵³ die Oberschicht fürchtete die subversive Wirkung der gegenweltlichen Symbolik.¹⁵⁴ Dmitrij S. Lichačev und Aleksandr M. Pančenko haben dagegen die reale und die verkehrte Welt nicht als Konkurrenzverhältnis, sondern als spiegelsymmetrische Anordnung verstanden.¹⁵⁵ Das bedeutet, dass die „Institutionen und Agen-
der Bachtin’schen parodia sacra und dem mephistotelischen Lachen unterstellt (vgl. Kohler, Karneval, 46/50 f.). Den ostslawischen, noch in Gogols Gott-Teufel-Dualismus verankerten Typus zeichne dagegen die rurale Neigung zur Poesie und zum „authentischen, unvernünftigen, fröhlichen Lachen“ (49) aus, in dem die freudige Hinwendung zur Schöpfung Gottes anklingt (vgl. 46/ 48). Brylla, Ol’ga Michajlovna Frejdenberg, 12 ff. Hüttinger, Die Kunst, 102. Hüttinger (Die Kunst, 78) argumentiert hier mit Florens Christian Rang (Historische Psychologie des Karnevals, 1909). Das Karnevals-Lachen lässt das „glückselige Lachen“ (Hüttinger, Die Kunst, 78) der römischen Saturnalien hinter sich, es gründet in der aggressiven Selbstermächtigung des Menschen, qua Maske die Heiligkeit der Götter zu übernehmen und sich ihrer höhnisch zu entledigen. Rang zeichnet diesem religionsgeschichtlichen Vorgang jedoch eine Dialektik ein: Das gegen die Götter und seine Manifestationen gerichtete Lachen und das Freiheits- und Selbstbewusstsein, das darin zum Ausdruck kommt, zielen zuletzt auf die Erneuerung der göttlichen Instanzen (vgl. 79). Hüttinger, Die Kunst, 102. Johannsmeier, Spielmann, 15. Auch in Fastnachtspielritualen wie dem Blochziehen (vgl. Velten, Scurrilitas, 95) oder in der Hofnarrenkunst (vgl. 181 f.) wurde das theatrale cross-dressing zum veritablen Lachanlass. „Ehrbare Frauen“ (Burke, Helden, 216) wagten sich auf die Straße, jüngere Männer niedrigeren Standes machten ihnen Avancen. Vgl. Burke, Helden, 203 f. Vgl. Renate Lachmann, Einleitung, X/XI. Das Prinzip des gegenweltlichen Lachprinzips übertragen Lichačev/Pančenko sogar auf die „Gegenordnung des Rechtsbruchs“ wie das „Theater der Grausamkeit“, das Ivan der Schreckliche mit seinem „Staat im Staate“ (Lachmann, Einleitung, XIII) errichtete, und verleihen jenem damit einen höheren kulturellen Sinn.
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ten“¹⁵⁶ der alternativen Lachwelt, die bei Lichačev/Pančenko anders als die Bachtin’sche Gegenkultur diskontinuierlichen Charakter und eine starke Verbindung zum magischen Volksglauben hat, zwar die symbolische Ordnung auf den Kopf stellten, ohne jedoch wie die blasphemische Handlung aus ihr auszubrechen.¹⁵⁷ Selbst wenn man wie D.-R. Moser oder Christoph Auffarth davon ausgehen möchte, dass das christliche Wertesystem dem Narrenfest vorausliegt, so waren jenem offensichtlich Lizenzen für Exzess und blasphemischen Spott erteilt.¹⁵⁸ Das Karnevalsgelächter profanisierte das „sakrale Ritual“ und bewahrte dabei seine „magischen Potenzen“¹⁵⁹. Denn es setzte dem eschatologischen Ernst der christlichen Weltanschauung ein neues ästhetisches Ideal und die Hoffnung auf eine „bessere Welt“¹⁶⁰ entgegen: „Die Welt der Utopia, die Welt von Cocagne bzw. das Schlaraffenland“¹⁶¹ unterlaufen in der Motivik des Jungfrauenbrunnens und der erotischen Lust theokratische Ordnungsmuster und postlapsarische Verhängnisse wie den Alterungsprozess und die mühevolle Arbeit. Dennoch hat die Forschung das verführerische Bachtin’sche Karnevalskonzept nicht in letzter Instanz bestätigen könnten. Peter Rusterholz hat in einer angenehm ausgewogenen theoriegeschichtlichen Stellungnahme festgehalten, dass die Frage, ob der Karneval eine restaurative oder revolutionäre Stoßrichtung besitze, nicht prinzipiell, sondern nur von Fall zu Fall beantwortet werden könne.¹⁶² Ebenso wenig lässt sich ohne Berücksichtigung der historischen Rahmenbedingungen entscheiden, ob der Karneval durch eine weltliche Motivation oder eine kirchliche Bindung definiert war.¹⁶³ Bachtin hat die karnevaleske Motivik offensichtlich aus den Quellen seiner literarästhetischen „Zeichenlehre des Lachens“¹⁶⁴ geschöpft.¹⁶⁵ Er hat aus den „Fäkalwitzen und Körpermonströsitäten“ der „apokryphen Fastnachtspiele“,¹⁶⁶
Lachmann, Einleitung, XI. Jurij Lotman und Boris Uspenskij lösen dagegen das Konzept einer organisierten Gegenkultur auf, weil sie wie Mickiewicz davon ausgehen, dass die russische Kultur das Lachen denunzierte und somit alle Spielformen einer Gegenwelt nichts anderes als heidnisch-blasphemische Rituale waren (vgl. Lachmann, Einleitung, XV). Vgl. Auffarth, Glaubensstreit, 5. Hüttinger, Die Kunst, 101. Kuper, Zur Semiotik, 10. Auffarth, Glaubensstreit, 5. Vgl. Peter Rusterholz, Fastnachtspiel und Reformation, 247. Vgl. Rusterholz, Fastnachtspiel, 249 f. Schümer, Lachen, 848. Vgl. auch Kremer, Das Lachen, 126/139 f. Schümer, Lachen, 849.
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aus der derben Körperkomik in der Schwankdichtung,¹⁶⁷ den grotesken Schrecken der „mittelalterlichen Mysterienspiele“, den Parodien und „Travestien von kirchlichen Liturgien und Satiren auf Ärzte, Philosophen, Geistliche“¹⁶⁸, sprich: aus der literargeschichtlichen Kontinuität des „epithalamischen Stils“¹⁶⁹ mit seinen lachenerregenden Grobianismen und Respektlosigkeiten die historische Kontinuität einer proletarisch-karnevalesken Gegenkultur abgeleitet.¹⁷⁰ In Hieronymus Boschs’ Garten der Lüste (um 1500) und den Komödien Shakespeares, in Wittenwilers Ring ¹⁷¹, Fischarts Geschichtklitterung ¹⁷² und dem Finckenritter ¹⁷³, in
Vgl. Kremer, Das Lachen, 139 f. Schümer, Lachen, 848 f. Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters, 113. Das schamlose und unkontrollierbare Lachen plebejischer Körperversessenheit, das die „tierische Natur des Menschen“ (Kremer, Das Lachen, 139 f.) entblößt, behauptet seine Rechte gegen das weiblich ästhetisierte und idealisierte schöne Lachen der „höfischen Lebensart“ (140). Der Mediävist Klaus Grubmüller hat allerdings die Meinung vertreten, dass die Darstellung „kruder Sexualität, […] Gewalttätigkeit, […] Grausamkeit“ (Wer lacht im Märe – und wozu?, 123), wie sie z. B. für einige spätmittelalterliche Mären kennzeichnend ist, nicht zur mythologisch-metaphysischen Dimension geöffnet und auf dionysische Verschmelzung angelegt sei. Denn sie bedient sich eines Verfremdungsverfahrens, das dem distanzierten Blick „funktionslose Einzelteile“ (123) präsentiert. Das Gelächter angesichts der zusammenhanglosen Schau leiblicher oder organischer Desorganisation hat darum auch nicht die Kraft einer kritischen oder affirmativen Bewältigung und „mit dem Ende des Lachens beginnt die Protokollierung der Ratlosigkeit“ (124). Vgl. zu Spielformen karnevalesker Literatur wie die bizarr-obszönen Fatrasien-Gedichte (1290) oder die z.T. absurde Troubadour- und Vagantenlyrik Ralph N. Köhnen, Das Lachen in den Gesichtern der Literatur, 60 f. Heinrich Wittenwilers Ring (1408/10) beschwört mit der karnevalesken Inversion der „symbolischen Ordnung“ (Velten, Scurrilitas, 94) ein befreiendes, zuletzt jedoch ins Schwarze kippendes Lachen. „Fastnächtliches Lachen“ (Peter Rusterholz, Fischarts Prolog der Geschichtklitterung, 272) vibriert in Johann Fischarts experimenteller Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung (1575), einem Roman, der durch groteskes Sprachspiel und karnevaleske Phantastik die Sinnrelationen, Werte und Zuschreibungen ironisch perspektiviert, die dem utopischen Ernst der protestantischen Lastersatire zugrunde liegen. Jenseits aller kirchlich-theologischen und soziologisch-materialistischen Vereinnahmungen bezeugt Fischarts „satyra diabolica“ (264) eine humanistisch grundierte Lebenskunst. Der Finckenritter, ein um 1560 entstandener parodistischer Reiseroman, radikalisiert die relativistische Tendenz von Fischarts karnevalesker Ästhetik. Er setzt sich nicht nur mit den Mitteln der Parodie gegen die zunehmenden klerikal-theologischen Angriffe auf die närrischen Bräuche und die innerkirchlichen Lachtraditionen zur Wehr (vgl. Thomas Cramer,Von einem, der auszog, 292 und II.1.1), sondern transzendiert mit seiner „sinnzerstörenden Komik“ (283) noch die produktionsästhetischen Gesetze des mundus inversus. Das erzählende Renaissance-Ich, dessen „Subjektanspruch sich an der zerbrechenden Welt komisch bricht“ (298), kann die Kohärenz des Daseins nur fingieren und dem ohnmächtigen Leser damit ein Lachen des Widerstands gegen den
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Cervantes Don Quijote (1605/15)¹⁷⁴ und dem Decamerone Boccacios¹⁷⁵, am eindrucksvollsten jedoch in Francois Rabelais’ monumentalem Roman Gargantua et Pantagruel (1532– 1564) tobte sich der rebellische Karnevalsgeist aus.¹⁷⁶ Im Gargantua dröhnt das Lachen in seiner ganzen existenzialen und kosmischen Variationsbreite, mit seinen kreatürlichen und utopischen Momenten, als „Ausdruck des Lebens“¹⁷⁷. Es entzündet sich an grotesken Elementen, „(Körper) Zeichen“ für eine unorthodoxe Weltsicht, die „Skepsis gegenüber […] Idealität“ und „Toleranz gegenüber der Fülle der Möglichkeiten menschlichen Denkens und Handelns“¹⁷⁸ bekundet. Der „dialogisch-dialektische“¹⁷⁹ Darstellungsmodus des Textes hebt das Un(ein)gelöste und Widersprüchliche des menschlichen Daseins im Lachen auf. Die ästhetische Poiesis wirkt „göttlich-human“¹⁸⁰, weil sie in dem
Schrecken des geistig-moralischen „Trümmerfeldes“ (297) abtrotzen. Die Macht des erzählenden Subjekts reicht jedoch nicht für eine Neukonstitution des Seins: Der Finckenritter erweist sich damit als eine frühneuzeitliche „komische Variante des Faustus“ (297). Vgl. Auffarth, Alle Tage, 80 und I.3.1. Giovanni Boccaccios Novellensammlung Decamerone aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, eines der großen literarischen Zeugnisse der italienischen Renaissance und „kanonischer Text im Bereich der Lachkultur“ (Sebastian Neumeister, Die Praxis des Lachens im Decameron, 65), verschränkt die subversiv-karnevaleske und regulativ-kultivierte Erscheinungsform der Erheiterung, indem sie zwei unterschiedliche Erzählebenen aufeinander bezieht. In der Binnenerzählung dominiert das ungezügelt-heitere, hemmungslos-spöttische und bodenlos-schlüpfrige Gelächter über anzügliches Parlieren in zwielichtigen Situationen, über Obszönitäten und Untreue, „Naivität und Dummheit“ (71), gelungene Streiche und „grausame Rache“ (E. Arend, Das Lachen, 3). Die sinnliche Vitalität dieses enthierarchisierenden Lachens trifft in der Rahmenerzählung auf eine „Atmosphäre lebenszugewandter, urbaner, heiterer und gesitteter Kultiviertheit“ (14). Mit dem Decamerone geht die Literatur der Renaissance einen großen Schritt in Richtung einer Relativierung und Demaskierung kirchlicher Tugenden und theologischer Begriffe, einer Aufwertung säkularer „Urteils-und Verhaltensklugheit“ (Köhnen, Das Lachen, 65) und einer Liberalisierung von Lebensformen und Sexualmoral. Die Rabelais’sche Synthetisierung von „Volksphantasie“ und humanistischer Bildung, von karnevalistischen Motiven und „gebildeter Renaissance“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 139) fand in der deutschen Literatur kein Äquivalent. Johann Fischart, Sebastian Brant, Thomas Murner und Erasmus von Rotterdam kultivierten humanistischen „Gelehrtenhumor“ (100), Till Eulenspiegel wurzelt dagegen alleine in der Volkskultur. Der soziale und kulturelle Partikularismus in Deutschland verhinderte, dass sich humanistischer Geist und Volksseele versöhnen konnten (vgl. Stollmann, Lachen, 30). Maria Moog-Grünewald, „Pour ce que rire est le propre de l’homme“, 155. Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 163. Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 164. Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 162. Mit seiner poetischen Strategie, „das Lachen als Text“ oder literarisches Zeichen zu konstituieren, avanciert der Gargantua zum ästhetischen Code einer „Ethik der Weltklugheit“ (Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 165), der Freiheit und der Versöhnung (vgl. 157).
2.2 Die Welt des Dionysischen und der groteske Leib
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Maße, wie sie bestimmte Haltungen der Lächerlichkeit preisgibt, ihr eigenes libertäres Moralsystem zur Geltung bringt.¹⁸¹ „Im Namen der geistigen Freiheit“ verschafft Rabelais dem „weltlichen Lachbedürfnis“¹⁸² Raum und verteidigt es gegen scholastische Asketen.¹⁸³ Da das Lachen zu den elementaren Lebensäußerungen wie dem „Schreiben, Dichten, Trinken“¹⁸⁴ gehört, besitzt es „die einzigartige Dignität“¹⁸⁵, ein kulturelles Wesensmerkmal des Menschen zu sein. Im Bild vom „Kloster ohne Mauern“, das die Lust und das Laster feiert, entwirft Rabelais die Gegenutopie zu Thomas Morus, der 50 Jahre zuvor den „Übergang vom äußeren Zwang zur inneren Regulierung“¹⁸⁶ als Fortschritt postuliert hatte. Rabelais’ von jeglichen Zeitreglements, internen und externen Verpflichtungen freie Welt des Müßiggangs und der Sinnenfreude bildet die Antithese zum feudalen und klerikalen Normensystem.¹⁸⁷ In diesem Kosmos befreit das Lachen vom „Wahn“ des „geordneten Ernstes“¹⁸⁸ und kehrt wie eine „parodistische Enzyklopädie“¹⁸⁹ die Herrschaftsverhältnisse um: Der Körper tritt an die Stelle des Kopfes als neues Organisationszentrum des Menschen, die Rebellion ersetzt die Macht als Handlungsprinzip, die Hölle den Himmel als Ideal. In der „verkehrten Welt“¹⁹⁰ des Karnevals regiert der harlekineske Teufel;¹⁹¹ die Angst vor dem Jüngsten Gericht löst sich im „Bild von der spottfröhlichen Fastnachtshölle“¹⁹² auf. Der Roman scheut sich nicht, die „Theologen der Pariser Sorbonne“ (Frank-Rutger Hausmann, Differente Lachkulturen?, 37) mit obszönen Wortspielen zu beleidigen, die Mutter Gottes skatologisch zu brüskieren und die letzten Worte des sterbenden Jesus (‚Warum hast du mich verlassen?‘) in einen dubiosen Kontext zu stellen: Eine betrogene Frau adressiert sie, eingraviert in einen „unechten Diamanten“, an den „untreuen Pantagruel“ (38). Stagl, Nichtlachen, 98. Mit seinen skurrilen Obszönitäten rehabilitiert der Roman die Leiblichkeit des Menschen und animiert zur curiositas. Die Karnevalsmotive, die Satire des scholastischen Universitätsbetriebs, die „Travestie auf das heldische Abenteuergenre“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 104) sind literarische Indikatoren für die Wende zur empirischen Anthropologie. Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 166. Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 167. Dreßen, Possen, 156. Vgl. Dreßen, Possen, 156 f. Vgl. auch II.1.2. Dreßen, Possen, 155. Bausinger, Lachkultur, 14. Hüttinger, Die Kunst, 105. Die Rabelais’sche parodia sacra, z. B. in der obszönen Deutung des Anfangsverses von Psalm 121 und 122 „Zu dir erhebe ich…“ oder im Traummotiv vom Markt der Phallussymbole hat Bachtin mit dem Konzept des grotesken Körpers gedeutet, der „Tod und Leben, Hohes und Niedriges gleichermaßen in sich trägt“ und eben deshalb ein „ambivalentes Lachen“ hervorruft, das „Lob und Preis, […] „Hohn und Spott“ (Bernhard Teuber, Vom mittelalterlichen zum frühneuzeitlichen Lachen?, 245) enthält. Kuper, Zur Semiotik, 98.
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So reproduziert der Gargantua den ontologischen Bezugsrahmen unter dem umgekehrten Vorzeichen¹⁹³ der „prästabilierten Disharmonie“¹⁹⁴ der Welt. Die groteske Bebilderung, die grobianische Verbalisierung organischer und sexueller Realien und das Lachen über die Illustration der „chaotischen, […] materiellleiblichen Seite des Lebens“ figurieren als „einzig mögliche“¹⁹⁵ ästhetisch-theologische Antwort auf die Kontingenzerfahrung. Vor diesem Hintergrund konzeptualisiert Rabelais das Lachen auch im Kontext von „Leben, Geburt und Tod“: Gargantuas innerer Konflikt nach dem Tod seiner Frau im Kindsbett und der Geburt seines Sohnes, seine emotionale Unentschiedenheit löst sich nicht durch „scholastische Sophistereien“¹⁹⁶ einseitig und undialektisch zugunsten unbeirrten Frohsinns auf, sondern ist poetisch derart stilisiert, dass sich der Raum für das Lachen gewissermaßen auf den umgestürzten Kulissen des Todes eröffnet.¹⁹⁷ Das Gelächter der oppositionellen Denkkultur Rabelais’ kristallisiert sich Bachtin zufolge noch in den Körper-Dramen und der Formensprache einer volkstümlich-grotesken oder humoresk-polyphonen Literatur.¹⁹⁸ Im Theater der Neuzeit belebte die commedia dell’arte mit ihrer charakteristischen Verschränkung von strenger quasi-liturgischer Stilisierung und improvisiertem Schauspiel die Magie des Dionysischen: Die mythopoetischen Narrengestalten, der Harlekin, der Pierrot und andere, gehorchten einer ganz bestimmten Typologie und Dramaturgie, deren ästhetischer Fluchtpunkt die Feier des Augenblicks ist.¹⁹⁹ Die in den Zonen des Sexuellen und Fäkalischen wildernde Körperkomik des Harle-
Vgl. Dreßen, Possen, 156 f. Bausinger, Lachkultur, 15 f. Bausinger, Lachkultur, 15 f. Moog-Grünewald, Pour ce que rire, 158. Stollmann deutet die grotesken Züge des Werkes als literarische Figuration der Umbrüche „zwischen Mittelalter und Neuzeit“ (Groteske Aufklärung, 138). Wenn Gargantua angesichts des Todes der Mutter bei der Geburt Pantagruels gleichzeitig lacht und weint, dann erblickt die Rezeptionsgemeinschaft darin das „komische Bild [ihrer] eigenen Lage“ (112). So bewahrt Dostojewskis literarisches „Konzept der Dialogizität“ (Kohler, Karneval, 34), seine Poetik des Phantastischen und Exzentrischen, der Doppelgänger und Kontrastpaare die Ambivalenz und Subversivität des Karnevals (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 150). Das offene, expressive Renaissance-Gelächter aggregiert seit dem 18. Jht. in den Artefakten des modernen, ironisch irisierenden Humors (Kohler, Karneval, 36 f.). Aufgrund seiner „materiell-leiblichen Motive“ und karnevalesken Elemente, der grotesken Züge und „zahlreichen Verbindungen zur Volkskultur der Ukraine“ hat Bachtin auch das Erzählwerk Gogols als „neuzeitliches Gegenstück zu Rabelais“ (39) anerkannt, zumal in Gogols Erzählton dessen utopisch-universelles Lachen widerklingt. Stefanie Hüttinger rechnet außerdem die Prosa von Günter Grass, Thomas Bernhard und Werner Schwab zu den Beispielen für eine karnevaleske Literarästhetik der Moderne (vgl. Die Kunst, 147 f.). Vgl. auch I.3.1. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 96 ff. und B. Greiner, Die Komödie, 69 – 75.
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kins²⁰⁰ beschwor jenes derb-vitale Karnevalsgelächter,²⁰¹ das von einer unnormierten Wirklichkeit zeugt.²⁰² Die sprachliche oder visuelle Konstruktion des monströsen Körpers in der commedia oder auf der „englischen Wanderbühne“²⁰³ überschritt den Referenzrahmen der horazischen Normen von „aptum und decorum“²⁰⁴ und desavouierte damit die regelpoetischen Setzungen der barocken Dichtungstheorie, die Scherz und Lachen nur als Funktionsvariablen innerhalb eines moraldidaktischen Programms vorsah.²⁰⁵ Die Aufklärung vertrieb zwar den Hanswurst von der Schauspielbühne, doch die avantgardistische Bühnenkunst des frühen 20. Jahrhunderts wie Alexander J. Tairows ‚Entfesseltes Theater‘²⁰⁶ entdeckte die Narrenfigur wieder und öffnete sich auch für „Zirkus, Varieté, Revue und Kabarett“²⁰⁷. In der vor-cineatischen Music Hall wurde nach dem Vorbild der „frühen vulgären commedia“ der „italienischen Wandertruppen“ noch einmal die „materielle und rohe Gegenkultur“ der Groteske inszeniert: Das Publikum durfte am Bühnengeschehen partizipieren, kulinarische Genüsse und interaktive Unterhaltungselemente trugen zu einer alltagsenthobenen „Sphäre der Kommunikation“²⁰⁸ bei. Die Figur des Pantalone, des „lüsternen Alten“²⁰⁹ aus der commedia, trat in den Variété-Theatern und
Vgl. Stefanie Stockhorst, Lachen als Nebenwirkung der Barockkomödie, 47. Vgl. Buck, Vom Lachen, 231. Vgl. Dreßen, Possen, 151 f. Ralf Haekel, Von Bottom zu Pickelhering, 212. Bei den Englischen Komödianten, die vor Shakespeare die Bühne beherrschten, bediente der Pickelhering die Lust des Publikums an derber Sinnlichkeit: Dabei übernahm er zwar eine „kathartische Funktion“ (Haekel, von Bottom, 219) für das normierte Publikum, die grobianischen und grotesken Elemente des Schauspiels bestätigten jedoch indirekt gesellschaftliche Hierarchien und Ordnungsprinzipien, insofern als sie „Figurenkonstellationen und Handlungsstrukturen“ (Daniel Fulda, Komik des Sichtbarmachens, 72) markierten. Stefanie Arend/Dirk Niefanger, Einleitung, 21. Vgl. Stockhorst, Lachen, 47 f. Grotesk-komische Körpersprache war auch ein Erkennungsmerkmal des spätmittelalterlichen Bauerntanzes und lokaler Karnevalsbräuche wie dem Moriskentanz: Die Tanzlehrbücher des 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts unterwarfen solche anti-höfischen Ausdrucksformen einem Kodex (vgl. Marie-Thérèse Mourey, Körperrhetorik und -semiotik der volkstümlichen Figuren auf der Bühne, 105 – 141). Vgl. B. Greiner, Die Komödie, 70 f. Jens Roselt, Chips und Schiller, 229. Theaterregisseure wie Max Reinhardt (1873 – 1943) konnten dabei an „ästhetische Konzepte“ (Roselt, Chips, 228) wie Adam Müllers Vorlesungen Über die dramatische Kunst (1806) anknüpfen. Thomas Brandlmeier, Das Groteske im Kino, 232. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 95.
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Jahrmarktsbuden Amerikas wieder auf. Die Vaudeville- und Burlesque-Bühnen entfesselten die volkstümlichen Energien der komischen Gegenkultur.²¹⁰ Das gewaltig dröhnende Lachen der Stummfilmära ist zwar verhallt²¹¹ und die rabelais’sche Karnevalsästhetik hat ihre universelle Kraft und Reichweite eingebüßt, doch auf abgesunkenen Stufen finden sich noch ihre Spuren, in der skatologischen Fixierung des Kinderhumors oder der gewaltlüsternen, körperbezogenen Komik der Slapstick-Komödie,²¹² im nihilistischen Sprachspiel des Blödelns,²¹³ im „anarchistischen Witz“ und der „obszönen Sprache“.²¹⁴ Proll-
Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 91. James Agee (Das goldene Zeitalter, 66 ff.) erinnert an die Komödien Mack Sennetts und unterscheidet vier Abstufungen des Lachens in der Sprache der alten Filmkomiker: das Gekicher, das Gejaul, das ein „entlaufenes Gekicher“ bildet, das „dröhnende Gelächter“ und das „übergeschnappte Lachen“ (63). Vgl. Bausinger, Lachkultur, 18 und Buck, Vom Lachen, 233. Der Schriftsteller Dieter Wellershoff hat das Blödeln als ein regressives, anti-soziales, quasidebiles Kommunikationsspiel bezeichnet, das einen freiwilligen Niveau- und Kontrollverlust und die „fortschreitende Chaotisierung der Realität“ (Infantilismus als Revolte oder das ausgeschlagene Erbe, 338) in sich vereint. Die anarchische Zerstörung des Ernstes und der rationalen Kommunikationsstrukturen führt an der Rand der Psychose, doch gehen das „Bewusstsein der Grenze“ und die Freiheit zum Überstieg nicht ganz verloren: „Das Lachen löst die Erfahrung der Entformung, die es anzeigt und ausdrückt, auch schon wieder auf“ (351). Der Romanist WolfDieter Stempel hebt dagegen in einer Replik auf Wellershoff die Konstruktivität, Sinnhaftigkeit und „formale Evidenz“ (Blödeln mit System, 452) des Blödelaktes hervor. Der Psychoanalytiker Alfred Kirchmayr (Witz und Humor, 35 – 56) versucht zwischen beiden Ansätzen zu vermitteln, wobei er im Gegensatz zum Literaturwissenschaftler Gert Mattenklott die diätetische Qualität des Blödelns positiv beurteilt. Mattenklott hat in einem luziden Essay (Versuch über Albernheit) die Albernheit als humus eines Lachens unter die Lupe genommen, das jeglichen Kultivierungsansprüchen und Disziplinierungsversuchen eine Absage erteilt. Das alberne Lachen hat keinen kritischen Impetus, mit seiner bodenlosen Selbstbezüglichkeit und körperlichen Schrankenlosigkeit ist sein anarchischer Gestus fundamentaler als der Impuls satirischer Erheiterung. Es destruiert nicht nur „alles bürgerlich Repräsentative“, sondern die „Ordnung von Repräsentation“ (211) überhaupt. Beim albernen Lachen ist der Restsinn, der dem auslösenden Kommunikationsmittel noch anhaften mochte, zerschmolzen. Nachdem es, oft befördert durch kollektive Erregung, die „Hürde der Peinlichkeit“ (210) übersprungen hat, löst es sich von seinem Anlass und schwemmt in einem „schmerzhaft-reizenden Lustschwall […] das Bedeutende aus dem Körper […] bis zur körperlichen Erschöpfung“ (211). Die „soziale Innenseite“ der Albernheit ist die „Verantwortungslosigkeit“ (211): Im Maße ihres Fortschreitens unterschreitet sie die Niveaugrenzen humaner Selbstverständigung. Zudem schränkt Mattenklott die kathartische Wirkung des Alberns ein: Während das Lachen im Plessnerschen Sinne dadurch ausgezeichnet ist, dass es kraft seiner Hingabe und „leibseelischen Unwillkürlichkeit“ die Personeinheit in prekärer Lage bewahrt, – daher die auf offene Schlacht und ritterliche Kriegsführung anspielende Metaphorik –, täuscht die Albernheit Spontaneität vor und macht sich einer „Entschlossenheit zum Lachen“ (217), einer Inszenierung von Heiterkeit schuldig. Lenz Prütting deutet das Phänomen der kol-
2.3 Fruchtbarkeit und Sexualität, Tod und (Wieder)Geburt
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Komödien wie Voll normaal (D 1994) oder die Werner-Zeichentrickfilme provozieren ein Lachen, das regressive und dissidente Phantasien, „ausgegrenzte Sehnsüchte und verdrängte Ohnmachtsgefühle“²¹⁵ des Menschen an die Oberfläche zieht.
2.3 Fruchtbarkeit und Sexualität, Tod und (Wieder)Geburt – mythen- und religionsgeschichtliche Topik Die mythologischen Narrative beschwören die Sexualität und das Lachen als eine magische Kraft:²¹⁶ In seiner urwüchsigen Unmittelbarkeit bricht das Gelächter Isolation und Rückzugstendenzen auf, überwindet „elementare Krisen“ und stiftet „neues Leben“.²¹⁷ Der griechische Hymnus von Demeter, der Göttin des Wachstums, erzählt davon, dass die nackte Scham der Baubo die Göttin Demeter zum Lachen reizt und Demeter auf diese Weise die Verzweiflung über die Entführung ihrer Tochter Persephone überwindet.²¹⁸ Die ägyptische und japanische Mythologie variieren dieses Grundmuster: Die Enthüllung des Geschlechts weckt Lachen und das Lachen gibt der Welt das Licht zurück.²¹⁹ Marie Ramondt hat die orgiastische Klarheit des mythologischen Gelächters²²⁰ von der Gravität des „Heiligen und Göttlichen der Mysterien“²²¹ abgehoben.²²²
lektiven Albernheit als „sekundäre Infantilität“ (Homo ridens, 1744) und das alberne Lachen oder Kichern als grundloses regressives Resonanzphänomen. Das „dramaturgische Prinzip“ der Albernheit, das in der „sinnlos penetranten Wiederholung des Immergleichen“ (1789) besteht, erklärt den orientierungs- und ziellosen Gestaltverlauf des Lachens. Lederle, Befreiendes Lachen, 25. Lederle, Befreiendes Lachen, 25. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 197. R. M. Schneider, Nachwort, 101. Vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 98. Vgl. Pörtner, Risus japonicus, 34. Die Sonne lacht über den tanzenden ägyptischen Gott Bes (vgl. Marie Ramondt, Studien über das Lachen, 37). Die ägyptische Religion kennt auch die Erzählung (um 1160 v.Chr.) von Hathor, der „Göttin der Freude und der Liebe, der sexuellen Lust und des Lächelns“ (Maria Caterina Jacobelli, Ostergelächter, 72), die dem verstimmten Sonnengott Ra-Harakhti ihre Geschlechtsteile zeigt und ihn damit zum Lachen und zur Rückkehr aus seinem Versteck animiert (vgl. auch R. M. Schneider, Nachwort, 99 und Waltraud Guglielmi, Das Lachen der Götter und Menschen am Nil, 155). In einer mythologischen Erzählung Japans präsentiert die Göttin Amano-Uzume-no-Mikito ihr Geschlecht: Das Lachen der Myriaden-Götter lockt die Sonnengöttin Ama-Terasu heraus und führt sie in die Welt zurück (vgl. Eugen Fehrle, Das Lachen im Glauben der Völker, 1, Jacobelli, Ostergelächter, 75 und R. M. Schneider, Nachwort, 100). Vgl. Ramondt, Studien, 37. Ramondt, Studien, 37.
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Octavio Paz ist in seinem Essay Die Rückseite des Lachens ²²³ dem Urgeheimnis des Lachens auf den Grund gegangen: Es erweist sich als poetische Chiffre für einen Geburts- und Wachstumsvorgang, der seinen Zweck in sich selbst hat, und als kultische Vergegenwärtigung des dynamischen Gesetzes der „kosmischen Zeit“²²⁴. Die Enthauptungszeremonie des Sonnenritus in den indigenen Kulturen des alten Mexiko versinnbildlicht die weise Verrücktheit oder verrückte Weisheit, dass „Tod und […] Wiederkunft“²²⁵ zusammengehören. Der anthropologische Kern des Lachens verbirgt sich im mythischen Beziehungsgeflecht von Opferblut und Fruchtbarkeit, von Spiel, Schöpfung und Ritus.²²⁶ Im naturreligiösen Kult der agrarischen Gesellschaften war das Lachen daher an die Heilsverheißung oder die Heilserfüllung gebunden.²²⁷ Als „ritual sanktionierter Normbruch“²²⁸ sollte es, folgt man Bachtins Deutungsansatz, höchste Instanzen wie die Sonne oder die Götter zur Erneuerung zwingen²²⁹ und die er Die Resonanzen dieses Gelächters sind noch in einem Brauch zu vernehmen, der in Moldavien im 17. Jahrhundert praktiziert wurde: Um die Pest von ihrem Dorf fernzuhalten, „zogen zehn junge Männer, gefolgt von zehn Mädchen, alle zusammen vollkommen nackt, mit dem Pflug eine Furche um das Dorf, unter Gesang und Gelächter“ (Jacobelli, Ostergelächter, 75). In der wissenschaftlichen Moderne ist jedoch die Dimension der kreatürlich-rituellen Beschwörung verloren gegangen (vgl. Ramondt, Studien, 37). Als Relikt jenes magischen Denkens haben sich noch alte Bräuche erhalten wie im Erzgebirge, wo die Wäscherin „drei Mal in eine Unterhose hineinlachen“ (Bächtold-Staubli, Handwürterbuch, 871) soll um des guten Wetters willen. Vgl. Octavio Paz, Essays, Band 1, 41– 64. Paz, Essays, 49. Paz, Essays, 49. Vgl. Paz, Essays, 50 f. und Kamper, Die Sonne, 271. Vgl. Pörtner, Risus japonicus, 34. Der Große Nilhymnus der alten Ägypter läutet mit dem Lachen das Ende der Dürreperiode durch die Nilüberschwemmung und den Anbruch einer Heilszeit ein (vgl. Guglielmi, Das Lachen, 156). Auch in altjapanischer Zeit konnte das Lachen den Dank erbringen für die göttliche Gunst eines „(unerwartet glücklichen) Ereignisses“ (Pörtner, Risus japonicus, 35) wie eine Flut, die das Land nicht verwüstet, sondern mit Fischen überschwemmt. Die „magische Praxis des Herbeilachens“ (35) wie die Besänftigung und Beschwörung der Götter in Fruchtbarkeitsriten hat in der japanischen Kultur zahlreiche Spuren hinterlassen. Japanische Lachfeste hatten oft den Zweck, das häusliche Glück zu beschwören (vgl. 36 f.). Das organisierte Lachen beim waraiko soll den Dank für die eingefahrene Ernte und „die Bitte um eine gute Ernte im nächsten Jahr“ kundtun, es soll „alle Schwierigkeiten“ (37) wegkatapultieren und damit die Gunst der Götter erringen. In der Stadt Kawabe-Cho wird bis heute ein Lachfest zelebriert, um die zornige Shintogöttin Niutsuhime gnädig zu stimmen (vgl. Uber/Steiner, Lach, 49 f.). Stagl, Nichtlachen, 96. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 42. Das rituelle Lachen muss allerdings nicht im Bachtin’schen Sinne als ein Auslachen übernatürlicher Mächte oder Götter verstanden werden: Seine magische Potenz besteht laut Prütting eher darin, im „mimetischen Nach- und Mitvollzug des jeweiligen mythischen Szenarios stirb und werde“ (Homo ridens, 573) eine sympathetische Verbindung herzustellen.
2.3 Fruchtbarkeit und Sexualität, Tod und (Wieder)Geburt
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sehnte Regeneration des sozial und klimatisch bedrohten Kosmos dem kollektiven Erleben zugänglich machen.²³⁰ „Mythen und Märchen“²³¹ kennen das Lachen als Ausdruck des beginnenden kreatürlichen Lebens und der göttlichen Schöpferkraft²³² und versinnbildlichen das Zusammenspiel von „Erneuerung, Fruchtbarkeit, Sexualität“²³³, das den vitalen Energieüberschuss des Lachens ausmacht.²³⁴ Die Symbolik von Zeugung und Geburt²³⁵ begegnet auch in den antiken Kosmogonien, die die schöpferische Kraft des göttlichen Lachens zum Schlüsselprinzip des Weltursprungs erheben.²³⁶ Ägyptische und iranische Schöpfungsmythen haben dem religiösen Bewusstsein die Anschauung einer creatio ex risu vermittelt.²³⁷ Nach einem griechisch-ägyptischen Papyrus des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. „schafft der Theurg durch siebenmaliges Lachen die Gestalt von sieben Göttern, die den Kosmos bilden“²³⁸, u. a. Hermes, Nous und Psyche.²³⁹ So bindet der kosmogonische Mythos zusammen, was im Weltbild jener Epoche
Vgl. Stagl, Nichtlachen, 96. Kommt das Lachen in der Epoche der „sesshaften Ackerbauern“ dem „Wachstum der Pflanzen“ (Jacobelli, Ostergelächter, 61) zugute, so initiierte es bei den Jägern und Sammlern die Wiedergeburt des erlegten Tieres. Jacobelli, Ostergelächter, 60. Das Lachen beschwört den Regengott oder begrüßt seine Wiedergeburt im Frühling; in einer von Walter Haug bezeugten neuaramäischen Erzählung erschafft eine Heilsfigur lachend eine blühende Natur (Die Wahrheit, 359). Vgl. auch Fehrle, Das Lachen, 2. Haug, Schwarzes Lachen, 51. Die Frauen der Jakuti, einem „nordasiatischen Steppenvolk“ (Jacobelli, Ostergelächter, 131), haben diesen kreatürlichen Lebenszusammenhang verinnerlicht: Bei einem „rituellen Mahl“, das nach der „Geburt eines Kindes […] zu Ehren der Geburtsgöttin […] abgehalten wird“ (61), stimmen sie ein Lachen an, das die Frauen der Überlieferung nach schwanger werden lässt. Im Erzgebirge nahm man an, der Storch komme wieder, wenn das Kind in den ersten vierzehn Tagen lacht und er bringe Zwillinge, sollte es zweimal lachen (Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 877). Vergil verknüpft in der „vierten Ekloge“ den Beginn einer „neuen Welt“ mit einem lachend zur Welt kommenden „göttlichen Kind“ (Jacobelli, Ostergelächter, 61). Das neugeborene Gotteskind bekundet seine Abstammung vom lachenden Sonnengott Helios (vgl. Eduard Norden, Die Geburt des Kindes, 66 f.). Diese Motivik bestimmt auch die Erzählung von der Geburt des persischen Religionsgründers Zoroaster (vgl. Kuschel, Lachen, 125 f.). Plinius der Ältere bemerkte, dass das „neugeborene Kind“ (Jacobelli, Ostergelächter, 61) am 40. Tag lacht und erst von diesem Moment an am Leben partizipiert. Vgl. zur alttestamentlichen/neutestamentlichen Geburtsmotivik II.1.2/II.2.3. Vgl. Helmstetter, Vom Lachen, 766. Vgl. Galler, Lachen, 813 und II.1.3. Rabelais hat in seiner Paris-Ätiologie diesen Mythos aufgenommen (vgl. Helmstetter, Vom Lachen, 766). Guglielmi, Das Lachen, 155. Der Gedanke, dass die Seele aus dem Lachen geboren wird, taucht auch in Umberto Ecos Roman Der Name der Rose auf (vgl. Guglielmi, Das Lachen, 155).
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zusammengehört: die Entstehung der Welt und die Geburt der griechischen Götter.²⁴⁰ Im magischen Weltbild lässt der Tod zwar das Lachen verstummen: Die Begegnung mit dem Jenseitigen, das Lächeln Verstorbener, der Umgang mit den Geistern wecken das Grauen des Numinosen.²⁴¹ Die Initiation des Todes im Ritus schließt das Lachen aus.²⁴² Gemessen an der religionsgeschichtlichen Zuschreibung kann die vitale Potenz des Lachens jedoch als unverwüstlich gelten: Im „griechischen Mythos“²⁴³ trotzt das Lachen noch der Bannkraft des Todes²⁴⁴ und die Initiationsriten, die die Rückkehr ins Leben symbolisieren, gehen mit Lachen einher.²⁴⁵ Der Volksglaube hat die magische Verbindung von Lachen, Tod und Lebenskraft aufbewahrt,²⁴⁶ z. B. in der Vorstellung, dass gelacht werden muss, wenn ein Kind gestorben ist, um die Verbliebenen vor dem Tod zu schützen.²⁴⁷ In der westlichen Gesellschaft setzt der Leichenschmaus, der auf den Kannibalismus des Dionysos-Kults und die „christliche Kommunion“ zurückverweist, die Verordnung „rituellen Ernstes“²⁴⁸ bei der Begräbniszeremonie außer Kraft.²⁴⁹ Er erlaubt das Lachen zur „Entlastung von der übermächtigen Trauer“²⁵⁰ und zur Bewältigung der „unfassbaren Tatsache des Todes“ und erhellt damit die „sakrale
Vgl. auch Jacobelli, Ostergelächter, 61 f. Die ägyptische Religion hat während der „römischen Kaiserzeit“ (Guglielmi, Das Lachen, 155) die Vorstellung von der Erschaffung der Götter durch das Lachen der Schöpfergottheiten Chnum-Re und Re literarisiert. Beim Neuplatoniker Proklos ist es der Sonnengott Helios, der die Götter lachend erschafft (vgl. 155). Vgl. Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 874 und Goergen, Die heilende Kraft, 161. Wenn in indischen Erzählungen umgekehrt tote Lebewesen und Geistererscheinungen lachen, dann drücken sie damit „ein Höchstmaß an Freude und Spott“ (Tschannerl, Das Lachen, II) aus oder beschwören Gefahr und Unheil herauf. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 60. Galler, Lachen, 16. Vgl. Fehrle, Das Lachen, 1 f. und Franz Dölger, Lachen wider der Tod, 85. Ein römisches Frühlingsfest versinnbildlichte Tod und Wiedergeburt der Jünglinge und „beim Orakel von Trofonius“ in Boeotien gab es einen rituell-symbolischen Nachvollzug vom Austritt aus und dem „Wiedereintritt ins Leben“ (Jacobelli, Ostergelächter, 60). Bewohner der „Gegend von Mosbach“ (Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 871) glauben, dass sie beim Pflanzen der Petersilie lachen müssen, wenn sie nicht eingehen soll. In Westböhmen müssen spitze Gegenstände „lachend übergeben werden“ (881), damit die Liebe nicht in Mitleidenschaft gerät. Haug, Das Komische, 263. In einem Volkslied aus Serbien erweckt eine Mutter „ihren verstorbenen Sohn durch Lachen wieder zum Leben“ (Haug, Das Komische, 263) und Jesus macht das Kind, das der Vater auf göttliche Weisung hin schlachtete, mit kraftvollem Lachen wieder lebendig. Vgl. auch Dölger, Lachen, 84 f. Hüttinger, Die Kunst, 106. Vgl. Bausinger, Lachkultur, 11. Bausinger, Lachkultur, 11.
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Verbindung von Lachen und Tod“.²⁵¹ Die Begräbnisrituale in den verschiedenen Kulturen bezeugen die Kraft, die dem Lachen im Umgang mit dem Tod zugeschrieben wird.²⁵² Dort wo die dualistische Metaphysik des christlichen Mittelalters die naturreligiösen Kulte und Fruchtbarkeitsmythen ablöste, ersetzte sie das korrelative „Freudenlachen“²⁵³ durch das intentionale, aggressiv-objektbezogene Lachen, das Lachen „der sich erneuernden Welt“²⁵⁴ durch das Auslachen des Todes (vgl. II.2.2). Der Karneval vertauschte abermals „die Relationen“²⁵⁵ und drehte die Pole „lebensbejahender Positivität“²⁵⁶ um, indem er aus dem „verlachten“ den „lachenden Teufel“²⁵⁷ machte und das Negative oder negativ Konnotierte auf der Basis kultischer Lizenzen affirmierte. Grotesk-komische Bilder und Lachfiguren wie der „schwangere Tod“²⁵⁸, ein Amalgam von „Geburt und Sterben“²⁵⁹, symbolisieren das Verwandlungsgeschehen, die „Erneuerung des Lebens“²⁶⁰ entspringt der diabolischen Verwirrung. Die fin de siècle-Symbolik der vorletzten
Hüttinger, Die Kunst, 106. In Sardinien gab es noch im 19. Jahrhundert die Tradition des „lustigen Marsches“ (BächtoldStaubli, Handwörterbuch, 869) bei der Beerdigung: Eine Spaßmacherin animierte die Frauen zum Lachen, wenn die Bahre weggetragen wurde. Auch in Indien wartete der Spaßmacher beim „alltäglichen Begräbnisritual“ (Ramondt, Studien, 12) auf. Die „Bestattungshymne X. 18 des Rigveda“ (Pfleiderer, Anlächeln, 349), ein Zeugnis der indischen Mythologie, fordert die Anwesenden zum Tanzen, Lachen und Weiterleben auf. Manche Kulturen erlauben den scherzhaften Umgang mit der Leiche oder schreiben ihn sogar vor, auch aus Rücksicht gegenüber anderen: In Japan gilt das Lachen angesichts eines Todesfalls als Höflichkeitsgebot (vgl. Bausinger, Lachkultur, 11 f.). Die indigene Bevölkerung Mexikos feiert einen „Tag der Toten“, um den Tod auszulachen: Er verbindet das Gedenken mit einem Friedhofsmahl, bei dem die Ahnen „lustige Anekdoten“, die „neuesten Possen“ und die „aktuellsten Witze“ (Uber/Steiner, Lach, 61) erzählen. Auch im westafrikanischen Burkina Faso gibt es die Sitte, dass die Familienangehörigen und Freunde die trauernde Person mit mündlichen Erzählungen zum Lachen bringen, um die Geister der Schwermut zu verscheuchen (vgl. Ingrid Riedel, Weinen und Lachen, 15 f.). Haug, Die Wahrheit, 359. Haug, Die Wahrheit, 360. Haug, Die Wahrheit, 360. Haug, Die Wahrheit, 359. Haug, Die Wahrheit, 360. Haug, Die Wahrheit, 360.Wolf Wucherpfennig erklärt, dass der lachende Tod Gott verspottet, weil er den Anspruch des (Heiligen) Geistes, die Natur zu zähmen und zu leiten, ins Lächerliche zieht (vgl. Das Schreckliche und die Schönheit, 45/68). Hüttinger, Die Kunst, 106. Haug, Die Wahrheit, 359.
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Jahrhundertwende hat dagegen umgekehrt das Lachen in die Sphäre des Todes hineingezogen.²⁶¹
2.4 Homo festivus und homo ludens: Anthropologische Determinanten und ästhetische Distinktionen Wenn das ursprüngliche Lachen dem mythologisch-dionysischen Kraftfeld entspringt und wenn es stimmt, dass der Mensch nur als homo festivus seiner geschöpflichen Bestimmung entspricht, dass seinem Dasein also das Element der Festlichkeit eignet,²⁶² dann ist der anthropologische Rang des Lachens nicht zu verstehen ohne die gebührende Würdigung der kultisch-rituellen „Aufsprengung des Bewusstseins- und Lebensfeldes“²⁶³. Um diesen in 2.2 und 2.3 bereits in den Blick genommenen Zusammenhang zu schärfen, soll der Beobachtung nachgegangen werden, dass das Lachen nicht bloßer Begleiteffekt oder psychosoziales Derivat des Festtreibens ist, sondern phänomenologisch mit dem Charakter des Festes auf eigentümliche Weise verwandt. Eine Annäherung an diese Affinität erlaubt die dionysische Ästhetik des französischen Philosophen Georges Batailles (1897– 1962).Während bei Nietzsche das Kontinuum über die Sakralisierung des Lachens zum „diesseitigen Trost“²⁶⁴ führt, verläuft es bei Bataille von der „Profanierung des Heiligen“²⁶⁵ zum Durchbruch der Transzendenz und Moment religiöser Ekstase.²⁶⁶ Im Bataille’schen Gelächter sind das Skandalös-Sakrilegische und das Mystisch-Religiöse gleich-
In der Straßenmusikanten-Szene von Thomas Manns Novelle Tod in Venedig (1913) begegnet das Motiv des ‚grinsenden Todes‘: Das eruptive Lachen der Musikanten steckt die Zuschauer an und verweist darauf, dass der ‚hässliche Tod‘ in Gestalt der Cholera von den Stadtbewohnern Besitz ergriffen hat, während der lachimmune Aschenbach einem sanften, schönen, mystischekstatischen Tod entgegengeht (Galler, Lachen, 193). Shakespeare hat die Motivik im Hamlet gegenläufig codiert: Hier soll der grinsende Schädel des verstorbenen Spaßmachers die Mutter Hamlets erheitern (vgl. Ränsch-Trill, Harlekin, 70). Die Barockkunst zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges integrierte dagegen den „grinsenden Totenschädel“ (Kaiser, Lachwurz, 238 f.) in ihre Vanitas-Ästhetik. Vgl. Harvey Cox, Das Fest der Narren, 19. Gerhard M. Martin, Fest und Alltag, 22. Friedrich Nietzsche, Geburt der Tragödie, KSA 1, 22. Nietzsche hat die Heiterkeit auch als „heimlichen Vorgenuss des Todes“ (Nachgelassene Fragmente 1882– 1884, KSA 10, 629) bezeichnet. Jürgen Habermas, Zwischen Erotismus und Allgemeiner Ökonomie, 252. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 160 f.
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zeitig.²⁶⁷ Das Lachen überschreitet die Grenze zu den Tabuzonen „der Erotik, […], der Gewalt, dem Tod, dem Heiligen“²⁶⁸ und strebt um der mystisch-erotischen Grenzerfahrung und Selbsttranszendierung willen zur Blasphemie.²⁶⁹ So vermittelt es zwischen dem negativen und positiven Sakralen, stellt die Einheit der Oppositionen von „Lust und Schmerz, Leben und Tod“²⁷⁰ her. Das blasphemische Gelächter²⁷¹ entspringt einem „göttergleichen Luststreben“²⁷²: „Erotische Leidenschaft“ und ein nicht dogmatisch zugerichtetes „religiöses Gefühl“²⁷³ vermischen sich. In der „wellenartigen Bewegung des Lachens […] bleibt [der] Glaube als [bloße] Spielform aufrechterhalten“.²⁷⁴ Die anarchische Kraft, die Gewalt, Erotik und Tod verschmilzt, verweigert sich jedweder Eingrenzung durch die sozialen oder ökonomischen Funktionssysteme oder die sprachliche Diskurslogik.²⁷⁵ Als „Echo des Inkommensurablen, Unbenennbaren“²⁷⁶ eröffnet das Lachen jenseits differenter Identitäten und fixierter Wahrheiten den Erfahrungsraum ei-
Vgl. Katja Gvozdeva, Das ABC des heiligen Lachens, 237– 270. Der autobiographische Roman Abbé C. (1950) entfaltet im literarischen Experiment einer neuen Mythologie den atheologischen Grundgedanken, dass das Göttliche sich in der Bipolarität des Sakralen, der gläubigen und der ungläubigen Persönlichkeitsanteile offenbart (vgl. Gvozdeva, Das ABC, 254 ff.). Die „Parodie des Heiligen“ (258) bringt die Ambiguität von „Lust und […] Schrecken“, hohem Ernst und sinnlicher Niedrigkeit, „Heiterkeit der Prostituierten in der Kirche und der Gravität des Gottesdienstes“ (265) zur Geltung. Busch, Verlorenes Lachen, 163 In Büchners Dantons Tod (1835) bekundete die Antwort des Camille auf die „lachende Willkür“ der Götter noch die „resignierte Akzeptanz der Subordination“ (Barbara Rodt, Heterologie als poetische Inszenierung, 210). In Batailles Geschichte des Auges (1928) steht das „souveräne Lachen über die Anmaßung und Hinfälligkeit des […] Göttlichen“ dagegen am Endpunkt einer Revolte und das „unabreißbare Gelächter“ ereignet sich als „befreiendes Sakrileg“ (210).Vor dem Grab des Don Juan schütten sich die Anwesenden vor Lachen aus und erleben jenes Ereignis als eine „Form der Auflösung, Ansteckung“ und des „eruptiven Ausfließens“ (212). Gvozdeva, Das ABC, 245. Das ‚große Lachen‘ des Spottes und der Verachtung antwortet auf den Schrecken der Sexualität, es bringt die „tiefe Verwandtschaft von […] Lust und Schmerz“ (Rodt, Heterologie, 213) zum Vorschein. Der Gegensatz und die Affinität von „Lust und Tod“ manifestieren sich umgekehrt in jenem Lachen, das der „äußersten sexuellen Zügellosigkeit“ (Karin Uecker, Hat das Lachen ein Geschlecht?, 119) entspringt. Bataille hat jenen Moment als biographisches Schlüsselerlebnis beschrieben, in dem sich seine religiöse Ehrfurcht auflöste und er in ein ungehemmt spöttisches Lachen über die NotreDames verfiel (vgl. Gvozdeva, Das ABC, 239 f.). Rodt, Heterologie, 213. Gvozdeva, Das ABC, 239. Gvozdeva, Das ABC, 239. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 163. Rodt, Heterologie, 203.
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ner transformativen communitas.²⁷⁷ Die ungebrochene Vitalität, die das im Eros wurzelnde Lachen noch in der Sphäre des Todes durchwirkt und es für die sakrale Dimension öffnet, nimmt idealtypisch im Fest Gestalt an (vgl. I.2.2) ²⁷⁸ Wie das ekstatische, rauschhafte Lachen gehört das Fest zu den „Formen der Verausgabung“²⁷⁹. Roger Caillois hat es als Einheit dreier Akte beschrieben, des Exzesses, des Sakrilegs und der Verkehrung²⁸⁰ und tatsächlich kann auch das Lachen mit Hilfe dieser Kategorien erschlossen werden. Die Exzessivität des Festes manifestiert sich als eine „Exaltation, die sich in Schreien und Gebärden verausgabt und dazu disponiert, sich unkontrolliert völlig unüberlegten Antrieben hinzugeben“²⁸¹, als ein „Rausch bis zur Erschöpfung, bis zum Umfallen“²⁸², als „Frenesie und Orgiastik“²⁸³, als tänzerisch-rhythmisierter Taumel. In Spielformen der Ausschweifung und Verschwendung unterbricht es den „Rhythmus des profanen Lebens“, der durch „Ökonomie, Akkumulation und Maßhalten“²⁸⁴ bestimmt ist.²⁸⁵ Für die Psychodynamik des Festes wie des Lachens ist der Überschuss, das Explosive und Eruptive ebenso kennzeichnend wie die Rückbindung an eine Zeit der Angst und der Repression, die durch „den kraftvollen Atem allgemeinen Überschwanges“²⁸⁶ förmlich hinweggeblasen wird. Das Festerleben zeichnet die „volle Gegenwart von Selbst und Welt“²⁸⁷ aus, eine gesteigerte Wachheit und Weite, eine Hingabe an die Endlichkeit; das Lachen macht diese Gleichzeitigkeit von Bewusstseinserweiterung und -erdung sinnfällig. Es bejaht das geschöpfliche Dasein, selbst in der Tragik seines Vergehens,²⁸⁸ hilft
Vgl. Gvozdeva, Das ABC, 241 f. Das „parodistische Gegenbild zur Passion Christi“ (Gvozdeva, Das ABC, 260) in Abbé C. – der Abt wird als erniedrigtes „Opfer des heiligen Lachens […] zum Gott“ – bringt die Paradoxie des Evangeliums zum Ausdruck; die Gemeinde tritt für einen Moment als „theopathische Lachgemeinschaft“ (259) in Erscheinung. Vgl. Hüttingers Rekurs (Die Kunst, 127 f.) auf Batailles Publikation Der heilige Eros (1963). Busch, Verlorenes Lachen, 163. Vgl. Roger Caillois, Der Mensch und das Heilige, 125 – 166. Caillois, Der Mensch, 127. Caillois, Der Mensch, 128. Caillois, Der Mensch, 129. Caillois, Der Mensch, 158. Caillois hat auch von der „Beseitigung der Abfälle“ (Der Mensch, 162) des ökonomisch berechnenden Machtapparats gesprochen. G. M. Martin unterscheidet die Ektase als Modus eines „radikalen Kräfteverschleißes“ (Fest, 85) und vitaler Erschöpfung von der lustvollen Auflösung der Spannung im Exzess. Das Lachen verbindet die beiden Momente, die im Fest laut Martin nicht zwingend zusammengehören (vgl. 85). Caillois, Der Mensch, 130. G. M. Martin, Fest, 25. Vgl. Cox, Das Fest, 38.
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dem Fest bei der „Verabschiedung der verbrauchten Zeit“²⁸⁹ und markiert doch auch die Differenzerfahrung, die im gegenkulturellen Programm des Festes zum Tragen kommt:²⁹⁰ in der „Ausschweifung des verbalen und gestischen Ausdrucks“²⁹¹, der Anwesenheit des Obszönen und Blasphemischen, der bewussten Verletzung der sittlichen Tabus und Missachtung der gesellschaftlichen Regeln. Das Fest und das Lachen verbünden sich für ein „Zwischenspiel universeller Verwirrung“:²⁹² Die „Umkehrung der Sozialordnung̴“²⁹³ und die temporäre Freizügigkeit in den saturnalischen Festaktivitäten gleicht der „Rückkehr ins schöpferische Chaos“²⁹⁴ vor der Sanktionierung der „kosmischen Ordnung“²⁹⁵. In dem Augenblick, da der Mensch von den „Einschränkungen und Zwängen des menschlichen Daseins“ befreit ist, da er „einzig gehalten ist, auszugeben und sich zu verausgaben“,²⁹⁶ taucht er wieder ein in den Mythos. Wenn das Fest eine „magische Kraft“²⁹⁷ der Verjüngung und Erneuerung entfesselt, dann ist das Lachen der Modus jener kreatürlichen Wiedergeburt (vgl. I.2.2/3.3). Die Phänomenologie des Festes ist wiederum nicht zu trennen von den Grundeigenschaften, die dem Spiel zugeschrieben werden. Dort, wo sich der Mensch dem Festtreiben hingibt, spielt er.²⁹⁸ Mensch zu sein im Vollsinne bedeutet nicht nur homo festivus, sondern auch – nach Johan Huizingas kulturtheoretischer Anthropologie²⁹⁹ – homo ludens zu sein. In Huizingas viel zitierter Definition ist für unseren Untersuchungszusammenhang vor allem die Bestimmung wichtig, dass das Spiel sein „Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und dem Bewusstsein“³⁰⁰ einer außeralltäglichen, andersartigen Situation. Die Freiheit der Spielsphäre von weltlichökonomischen Zwecksetzungen, auf die schon Kant aufmerksam gemacht hatte,
Caillois, Der Mensch, 162. Vgl. G. M. Martin, Fest, 28 – 31. Caillois, Der Mensch, 158. Caillois, Der Mensch, 150. Caillois, Der Mensch, 159. Caillois, Der Mensch, 162. Caillois, Der Mensch, 150. G. M. Martin, Fest, 164 f. Caillois, Der Mensch, 132. Spätestens mit Schillers berühmtem Diktum in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) hat das Spiel als anthropologisches Thema seinen Platz im Gelehrtendiskurs gefunden: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Friedrich Schiller, Briefe, 63). Vgl. Johan Huizinga, Homo ludens, 37. Huizinga, Homo ludens, 37.
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setzt voraus, dass die Arbeit und der „Kampf ums Dasein“³⁰¹ aufgehoben sind, so dass die Hingabe an die Schein-Realität, die „reine Gegenwärtigkeit“³⁰² und das „lustvolle Tun“³⁰³ des Spiels möglich wird. Die Affinität des Spiels zum Fest hat auch mit den Elementen „Komplexität und Risiko“³⁰⁴ zu tun, mit dem Ein-Fall des Überraschungsmoments und der Dramaturgie von Spannungsrhythmen, also der Dynamik von Erhitzung, Auflösung und erneuter Intensivierung von Spannungsenergien.³⁰⁵ Auch die Etymologie deutet auf die gemeinsamen Wurzeln von Fest und Spiel, denn das althochdeutsche Wort ‚spil‘ bezeichnete wahrscheinlich eine Tanzbewegung im Sinne eines „Hin-und-her“ oder eines „In-sich-Kreisens“³⁰⁶, mit der wiederum der Schwindel der Kirmesattraktionen assoziiert werden kann. Es ist unschwer zu erkennen, dass das Interaktionsfeld des Spiels eine besondere Disposition für das Lachen besitzt. Verhaltensbiologische Studien legen es sogar nahe, das Spiel als wesentlichen zivilisationsgeschichtlichen Rahmen des Lachens zu definieren (vgl. I.1.4). Wenn das ursprüngliche Lachen dem Triumph und der Selbstbehauptung entspringt, dann entbindet das Fest in seiner Exzessivität genau jene verdrängten aggressiven Impulse. Das Spiel-Lachen repräsentiert dagegen das evolutionsgeschichtliche Stadium der Sublimierung von Gewalt:³⁰⁷ Indem es Kompromissbereitschaft oder Entwarnung signalisiert, übt es eine „Ritualisierung des spielerischen Umgangs“³⁰⁸ ein.³⁰⁹ Im Spiel-Lachen der
Michael Roth, Sinn und Geschmack fürs Endliche, 18. Roth beruft sich hier auf Anmerkungen G. W. F. Hegels und Arnold Gehlens. Vgl. auch Thielicke, Theologische Ethik III, 825. Roth, Sinn, 21. Roth, Sinn, 19. G. M. Martin, Fest, 72. Unter den Spieltypen, die Caillois namhaft gemacht hat, entspricht der Typus des Ilinx, der rauschhaften Desorganisation der Wahrnehmung beim Schaukeln oder auf dem Karussel, dem Charakter des Festes (Die Spiele und die Menschen, 32– 36). Günter Hagedorn, Philosophie des Spiels, 149. Sabine Fries hat darauf aufmerksam gemacht, dass sowohl die Choreographie des Tanzes als auch das „laute Lachen“ einen Raum herstellen, der durch die „Sprache des Körpers“ (Entzugs-Erscheinungen, 29) herausgestülpt wird. Es ist eine „Sprache aus der Fremde innerhalb der eigenen Grenzen und Grenzenlosigkeiten“ (30). Rainer Stollmann hat die Entlastungsfunktion des Spiels hervorgehoben, das im evolutionär-naturgeschichtlichen Überlebenskampf die überschießenden oder platzenden Lebensenergien ventiliere (vgl. Über die Natur, 66). Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 17. Die Primatologen scheinen die Hypothese der historischen Verhaltensforschung zu bestätigen. Jan van Hooff (Comparative approach to the physiogeny of laughter and smiling, in: R. A. Hinde (Hg.). Non-verbal communication, Cambridge 1971, 209 – 237) erläutert, dass in der Primatenkultur der entspannt geöffnete Mund in – zeitlich entkoppelter – Verbindung mit einer dem Lachen ähnelnden Lautproduktion als „metakommunikatives Signal“ des fröhlichen (Kampf)
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Kinder ist einerseits das aggressive Moment des primären Lachens aufbewahrt, andererseits ist für das frühkindliche Spiel die Psychodynamik von Spannungsaufbau und -auflösung charakterisch, die mit der Suggestion von Gefahr und dem Kenntlichmachen der Als-Ob-Situation zusammenhängt (vgl. I.1.4).³¹⁰ Auch der lustvolle Reiz im Spiel des Kitzelns ergibt sich aus der Schein-Bedrohung des körperlichen Übergriffs: „Spielerische Laune“³¹¹ oder Gelöstheit, der kommunikative Rahmen einer „intimen Dyade“³¹² und die „temporale Übereinstimmung von Erregung und Reiz“³¹³ gewährleisten, dass die Heiterkeit und das Lustgefühl des Kitzels nicht in Unbehagen umkippen. Der Gekitzelte gibt sich freiwillig der „spielerisch-heiteren Erotomachie“³¹⁴ hin. Das Lachen oder Kichern indiziert das Gelingen der Interaktion, die ihren Zweck in sich selbst hat. In der Albernheit des Kitzelspiels befreit sich der Mensch vom „Kulturdruck der Zivilisation“³¹⁵ und Spiels fungiere und damit auch „als Ausdruck emotionaler Intonation“ (Leitenberger, Lachen, 9). Vgl. auch Todt/Kipper, Studien, 32. S. Preuschoft (Laughter and smile in Barbary macaques, Ethology 3, 1992, 220 – 239) berichtet vom freundlichen und fröhlichen Spiel-Lachen der Berberaffen (vgl. Leitenberger, Lachen, 9). Die berühmte Primatenforscherin Jane Goodall beobachtete, wie Schimpansen und Bonobos beim „spielerischen Balgen“ (Uber/Steiner, Lach, 28) und über Unannehmlichkeiten, Missgeschicke und Streiche lachten (vgl. 32). Rainer Stollmann hat Goodalls Befund in seinem jüngsten Buch noch einmal bestätigt (vgl. Angst, 199 f.). Konrad Lorenz machte darauf aufmerksam, dass das ausgelassen-heitere Herumtollen und ‚hechelnde‘ Minenspiel der Hunde sehr ans Lachen erinnere (vgl. So kam der Mensch auf den Hund, München 1983, 37). Im Anschluss an Robert Provines Studie (Laughter, A scientific investigation, 2000) könnte darauf verweisen werden, dass es sich bei derartigen Äußerungsformen von Hunden oder Affen um Varianten des Hechelns handelt, von denen sich das Lachen physiologisch deutlich abhebt (vgl. Prütting, Homo ridens, 1383). Darüber hinaus fehlt bei der Kategorisierung tierischen Verhaltens, wie im Anschluss an Plessner festgestellt werden müsste, das „Kriterium der Personalität“ (Prütting, 1385), das es erst erlaubt, zwischen verschiedenen Lach-Typen zu unterscheiden. Vgl. auch Kranz,Was Menschen, 83. Niels Birbaumer hält dagegen am Prinzip physiologischer und psychischer Identität aufgrund „stammesgeschichtlicher Homologie“ (Zur Psychologie, 17) fest. Die Sympathie des Kindes für den Clown hat damit zu tun, dass er jene lustige Spielsphäre erzeugt, die im therapeutischen Kontext eine wichtige Ablenkungsfunktion ausüben kann (vgl. Titze/Eschenröder, Der Lachtherapeut, 152 ff., Dischner, Wer lacht, 37 und I.1.6). A. Stern, Philosophie, 103. Stern greift hier auf Charles Darwins Anmerkungen zum Phänomen zurück (vgl. Expression of the Emotions in Man and Animal, 1872). Hamburger, Setzt einen Krug, 135. Schon der belgische Philosoph und Soziologe Eugene Dupréel konstatierte in seiner Schrift Le problème sociologique du rire (1928), dass es beim Kitzeln auf das Element der Vertrautheit in der sozialen Beziehung ankomme (vgl. A. Stern, Philosophie, 103). Hamburger, Setzt einen Krug, 135. Als gelophile Zonen gelten das Kinn, die Fußsohlen, die Achseln, die Seiten und die Kniekehlen (vgl. Rubinstein, Lachen, 115 und Hüttinger, Die Kunst, 114). Prütting, Homo ridens, 1649. Hüttinger, Die Kunst, 185.
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regrediert in den distanzlosen Naturzustand des Kindes oder des Tieres, der körperliche Selbstvergegenwärtigung ermöglicht.³¹⁶ Helmuth Plessner hat das Lachen und das Spiel als Ambivalenzphänomene aufeinander bezogen.³¹⁷ Mit dem Spiel schafft der Mensch eine Sphäre, die er beherrscht und eigenständig gestalten kann. Umgekehrt bindet das Spiel jedoch auch den Menschen und spielt mit ihm: „Auf diese Ambivalenz eines doppelten Zwischen: zwischen Wirklichkeit und Schein, zwischen Binden und Gebundensein reagiert der Mensch – mit Lachen“.³¹⁸ Im Lachen bestätigt der Mensch „den Widerstand dieser Bindung“³¹⁹ und überwindet ihn gleichzeitig. Der Religionsphilosoph Frederik Neumann hat den ästhetischen Sinn des Lachens darin erkannt, dass es genau die Balance herstellt zwischen den Polen einer reinen Spielexistenz ohne Beteiligung des Selbst und einer rigiden moralischen Existenz ohne Integration des „scherzhaften Spiels“³²⁰. Der anmutig-heitere Spielgeist verwandelt die „Wirklichkeit zur Bühne“³²¹ und evoziert Momente der Verwunderung, die im freudigen Lachen widerhallen.³²² Das Lachen hat stets mit dem Staunen und der Freude über das „ins Spielzeug verwandelte Wirkliche“³²³ zu tun,³²⁴ ob es nun der schadenfrohe Reflex auf die Absurdität des Versagens und die Bewährung einer anerkannten Gerechtigkeitsnorm³²⁵ oder die Antwort des Humors auf das Walten der Güte und den unwahrscheinlichen Triumph des hu-
Vgl. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt a. M. 1970, 180 ff. Stollmann verortet das ursprüngliche Kitzel-Lachen dagegen im Begründungszusammenhang einer Theorie der Entwöhnung (vgl. Angst, 10): Es hat somit die Funktion der Kompensation des TrennungsSchmerzes (vgl. 34). Vgl. Plessner, Philosophische Anthropologie, 84– 88, Hartmann, Über das Lachen, 136 f. und Prütting, Homo ridens, 1530 ff. Plessner, Philosophische Anthropologie, 87. Hartmann, Über das Lachen, 138. Frederik Neumann, Über das Lachen, 35. Neumann, Über das Lachen, 17. Vgl. Neumann, Über das Lachen, 16 f. Das Spiel und die Kunst schöpfen aus der Wirklichkeit und nehmen zugleich eine Distanz zu ihr ein: Das ist der Bedingungsgrund dafür, dass das Spiel sorglos und die Kunst zweckfrei sein kann (vgl. Thielicke, Theologische Ethik III, 832). Neumann, Über das Lachen, 19. Eine Ausnahme bilden offensichtlich das „dumme Lachen“, das durch die „bloße Mimesis der Freude“ charakterisiert ist, sowie jenes „melancholische und höhnische Lachen“, das versucht, „in der nur angenommenen Gestalt des Spieles die Weltordnung Lügen zu strafen“ (Neumann, Über das Lachen, 31). Vgl. Neumann, Über das Lachen, 19 – 21.
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manen Vermögens ist.³²⁶ Als Movens eines „theoretischen Spiels“³²⁷ mit dem Typischen, das die „Beziehung des Grundes des Lachens auf den Lachenden“³²⁸ kennzeichnet, kann es „zum Gespielen der Liebe, zum Beistand der Freundschaft, zur Würze echter Gemeinschaft, zum Korrektor kindischer Sonderlichkeit, zur Geißel des Untermenschlichen, zum Feind des Überheblichen und Geschraubten, des Steifen, Stolzen und Höhnischen“³²⁹ werden. Neumann spielt damit auf die mögliche Tragweite der anthropologischen Prädikationen des homo ludens und homo festivus an. Allerdings sind sich die Gelehrten darüber uneinig, ob das Spiel und das Fest bloß autonome Nebenwelten darstellen (Huizinga, Odo Marquard³³⁰), die zwar eine wichtige psychosoziale Funktion besitzen und doch ontologisch und ästhetisch von der Alltagsrealität abgespalten bleiben, oder ob sie jene durchdringen und verwandeln können (Nietzsche, Bataille). Im einen Fall wäre der Mensch nur dann und wann homo festivus und nur hier und dort homo ludens, die Daseinsalternative zum homo faber, zum Typus der instrumentellen Vernunft, wäre geschrumpft auf die punktuelle Verwirklichung eines Ausnahmezustands, der die Hegemonie des zweckrationalen Wertesystems lediglich vorübergehend außer Kraft setzt. Im anderen Fall könnte der Mensch in allen seinen Daseinsvollzügen homo ludens und homo festivus sein, der Gegentypus zum homo faber wäre eine alternative ästhetische Lebensform. Die theologische Reflexion des Lachens im Kontext von Lachen und Spiel wird dieser anthropologischen Frage nachgehen (vgl. II.1.3). Doch lässt sich schon an dieser Stelle sagen, dass der Moderne-PostmoderneDiskurs die Sphäre des Spiels erheblich aufwertete, indem er sie zum einen wieder für die Dimension der Kunst öffnete und zum anderen jenen epistemologischen Kategoriensprung vollzog, den Platon gefürchtet hatte³³¹, und die ästhetische Darstellungsform mit der philosophischen Seins- oder Wahrheitsgestalt verschmolz. Protagonisten jener Überwindung der platonischen Ontologie waren nicht zuletzt Nietzsche und Adorno, die den ethisch-anthropologischen Wert der Affi-
Vgl. Neumann, Über das Lachen, 23 – 33. Dabei können, so Neumann, Recht und Güte nicht etwa substituiert werden durch Gott, da Gott außerhalb des Scherz- und Spielmodus stehe (Neumann, Über das Lachen, 30 f.). Neumann, Über das Lachen, 33. Neumann, Über das Lachen, 34. Neumann, Über das Lachen, 34. Vgl. dazu Odo Marquards häufig zitierte Definition vom Fest als „Moratorium des Alltags“ (Kleine Philosophie des Festes, 414). Das unaufhörliche Lachen, das in der Dichtung erschallt, läuft – so Platon in der Politeia – subjektiv auf einen Sinneswandel und objektiv auf den Umsturz hinaus (vgl. Geier, Worüber, 20).
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nität von „Lachen und Ästhetik“³³² erkannten.³³³ Das Bindeglied zwischen der „freien Würdelosigkeit“³³⁴ des „mimetischen Naturzustands“³³⁵ und dem „Triumph der bewussten und spielerischen Freiheit“³³⁶ bildet die Poietik der komischen Anspielung, die das Unsagbare der Natur in die mimetisch-verfremdende Sprache der Kunst übersetzt³³⁷ und auf diese Weise den Widerspruch der Natur gegen den „Ernst der Rationalität“³³⁸ erkennen lässt. Das als „ästhetische Denkkultur“³³⁹ definierte Lachen stellt Distanz zum Objekt her und löst diese Distanz zugleich in der „dionysischen […] Erkenntnis- und Erfahrensform“, im „magischrauschhaften Aufgehen in der Natur“³⁴⁰ wieder auf. Oder anders gesagt: Das SpielLachen verdankt sich dem „mimetischen Vermögen“³⁴¹ des Leibes, es liefert das Individuum dem kontingenten Naturgeschehen aus, doch zeugt es umgekehrt von einem Akt der geistigen Distanzierung.³⁴² Im „permanenten Lachen“³⁴³ des Kunstrezipienten, der in das Spiel der Signifikanten involviert ist und doch Abstand zum Geschehen gewinnt, kippen Apollinisches und Dionysisches ineinander.³⁴⁴ Das heitere, kathartische Lachen des Kunst-Genusses³⁴⁵ kann damit als eine genuin menschliche Form „körperlich-gestischen Sprechens“³⁴⁶ verstanden wer-
Hüttinger, Die Kunst, 137. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 140 f. Hüttinger, Die Kunst, 185. Hüttinger, Die Kunst, 199. Hüttinger, Die Kunst, 139. Vgl. dazu Claude Saulnier, Le Sens du comique, Essai sur le charactère esthétique du rire, Paris 1940, 166 – 168. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 146 f. Hüttinger, 156. Vgl. auch Adorno, Ästhetische Theorie, 181 f. Hüttinger, Die Kunst, 143. Hüttinger beruft sich auf das Mimesisverständnis Walter Benjamins (Lehre vom Ähnlichen, 204– 210). Hüttinger, Die Kunst, 180 f. Diesen Grundzug des Lachens haben vor allem Nietzsche, Adorno und Bachtin hervorgehoben (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 180). Hüttinger, Die Kunst, 146. Hüttinger (Die Kunst, 186) nimmt hier wiederum Adornos Reflexionen auf. Hüttinger, Die Kunst, 192. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 193. Im avantgardistischen Theater leisten die „Abschaffung der Rampe“ (Hüttinger, Die Kunst, 188) und der Rückgriff auf Elemente des Jahrmarkttheaters und der commedia dell’arte einer Grenzüberschreitung der Kunst und „Ästhetisierung des Lebens“ (192) Vorschub. Der Prolog von Schillers Wallenstein (1799) schließt mit den Versen: „Des Tanzes freie Göttin und Gesangs,/ Ihr altes deutsches Recht, des Reimes Spiel,/ Bescheiden wieder fordert – tadelts nicht!/ Jah danket ihrs, dass sie das düstre Bild/ Der Wahrheit in das heitre Reich der Kunst/ Hinüberspielt, die Täuschung, die sie schafft,/ Aufrichtig selbst zerstört und ihren Schein/ Der Wahrheit nicht betrüglich unterschiebt,/ Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ (Friedrich Schiller, Wallenstein, 13).
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den, das die ästhetische Wahrheit in die „sozial-leibliche Realität“³⁴⁷ zurückschleust. Diese ästhetische Wahrheit ist jedoch „seit dem Umbruch der Moderne“, seit dem „Verlust von verbindlichen Wahrheiten […] und Intentionen, […] von Götterbild und Kunstdefinitionen“³⁴⁸ nicht mehr sprachlich vermittelbar, sondern vielstimmig;³⁴⁹ sie verbirgt sich im Nicht-Identischen und Absurden.³⁵⁰ Die Mimesis des Lachens erweist sich vor diesem Hintergrund als orakelhaftes Stottern,³⁵¹ das die „rhythmisch sich wiederholende Einförmigkeit des Werktages“³⁵² unterbricht, um die ästhetischen Spielformen der Freiheit und des Denkens zu beglaubigen. Die Postmoderne hat im Spielmodus eines „poststrukturalistischen Synkretismus“³⁵³ die dehierarchisierende Semiotik³⁵⁴ der karnevalesken Lachkultur, die die „Verhältnisse zum Tanzen“³⁵⁵ bringt, reanimiert. Derridas Deutungskonzept der Dekonstruktion, das Destruktion und Neukonstruktion ineinssetzt, korreliert mit Deleuze/Guattaris „rhizomatischem und labyrinthischem Lachen“³⁵⁶. Es ist das „allumfassende Lachen“ einer Denkkultur, die zwischen „Erlebnis und Fiktion, […] Wahrheit und Simulation“³⁵⁷ nicht mehr unterscheiden will und die „Leerstellen der Kunst und des Lebens“³⁵⁸ besetzt. Zuletzt lacht die Kunst über sich selbst, die Grenzen zur Realität lösen sich auf.³⁵⁹ Hans-Peter Krüger hat in seiner Plessner-Lektüre die Bedeutung des Lachens als Moment eines Identitätsspiels ausgelotet. Wenn sich der ins Spiel verwickelte Mensch selbst spielt „in der Fülle seiner Möglichkeiten“³⁶⁰, dann vermittelt das Spiel-Lachen zwischen selbstentworfener Rolle und realisierten Möglichkeiten,³⁶¹ versöhnt die Person mit ihrer Individualisierung und lässt somit hinter den Spiel Hüttinger, Die Kunst, 155. Hüttinger, Die Kunst, 139. Hüttinger, Die Kunst, 205. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 45. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 199. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 45. Hüttinger, Die Kunst, 140. Hüttinger, Die Kunst, 213. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 207. Volker Rittner, Das Lächeln als mimetischer Stoßdämpfer, 322. Hüttinger, Die Kunst, 213. Hüttinger, Die Kunst, 212. Hüttinger, Die Kunst, 211. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 143. Thielicke, Theologische Ethik III, 827. Das Lachen überschreitet den „Spielraum aller Rollenkompetenzen“ und balanciert „das Kategorische und das Konjunktivische der je eigenen Lebensführung“ (H. P. Krüger, Zwischen Lachen, 179) aus.
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Masken Konturen eines Charakters hervortreten.³⁶² Die „Erlösung des Lachens“³⁶³ hat daher nicht nur mit der Rückgewinnung des Leibes, sondern auch mit dem Hervortreten des Charakters als Medium des spielerischen Umgangs mit der Unbestimmtheit des Selbst zu tun.³⁶⁴ Eben jenes Identitätsspiel aber kennzeichnet seit jeher den Typus des Narren, dem zu Beginn des nächsten Kapitels eine ideengeschichtliche Studie gewidmet ist.
Vgl. H. P. Krüger, Zwischen Lachen, 161. Das primäre Lachen durchbricht den habituellen Rahmen sozialen Rollenspiels oder markiert das rechtzeitige Gewahrwerden der „kritischen Schwelle“ (H. P. Krüger, Zwischen Lachen, 126) des Auffliegens. In den marionettenhaften Rollenspielen und simulativen Interaktionen Erwachsener hat das Lachen allerdings häufig nur noch eine „präventiv antizipatorische oder strategische“ (152) Funktion: Als „spielerische Gebärde“ (126) soll es entlarvende Lachausbrüche gerade verhindern. Das spontane, ungespielte Lachen des Kindes im Verwechslungsspiel ist verschüttet oder zur paralytischen Bewegung „ohne innere Bindung“ (159) degeneriert. Der „Perspektivenwechsel“ im „Spiel der Verspottung“ kann nicht mehr in den „Positionswechsel“ des kindlichen „Verhaltensspiels“ (160) umgemünzt werden. H. P. Krüger, Zwischen Lachen, 162. Im Spiel riskiert das Selbst die Bindungslosigkeit, setzt sich dem „Schwindel, Taumel, Höhengefühl“ aus, doch gibt es nicht die „Selbstbeherrschung über den eigenen Körper“ (H. P. Krüger, Zwischen Lachen, 155) vollends preis. Es entsteht zwar ein „unbeherrschbares Ungleichgewicht“ zwischen der „bestimmten Verkörperung“ (158) des Spiel-Lachens und der Kontrolle über den Leib. Diese Verkörperung ist jedoch anders als beim unwillkürlichen Lachen in dem Sinne stabil, dass sie das Signal für das „Auslachen des Leibes“ ab- und das „Maß des Lacheinsatzes“ (158) vorgibt.
3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion 3.1 Schelme, Harlekine und Clowns: Kulturgeschichtliche Wandlungen und Kontinuitäten des Konzepts der närrischen Wahrheit Die Konfiguration einer närrischen Daseinsform kann einerseits unter dem Gesichtspunkt dionysisch-karnevalesker Ekzesse und kreatürlich-vitaler Energieentladung gedeutet werden, wozu die Reflexionen in I.2 beigetragen haben, andererseits im Sinne einer bestimmten Modalität von Wahrheit. Die archetypischen Ursprünge des Narrentums repräsentiert der Trickster der nordamerikanischen Indianer, ein mächtiges dionysisches Kultwesen, verfemt und verehrt,¹ das in immer neuen Metamorphosen die Pole des Paradoxen verkörpert, göttliche und tierische Natur, schöpferische und zerstörerische Kräfte, Spiritualität und sexuelle Begierde vorbewusst in sich vereint.² Als Grenzgänger „zwischen verschiedenen Seinsweisen, […] Kunstgenres und zwischen den Zeiten“ formuliert der Trickster gewissermaßen einen kritischen „metasozialen Kommentar“ zu den „herrschenden Regeln, Beziehungen, Mustern und Kategorien“³ und verweist auf das „Wunderliche und Sonderbare unter der Oberfläche“⁴ des normierten Alltags. Er tritt gegen die bestehende Ordnung an, indem er ihre Gegensätze, „Gut und Böse, […] Ideal und Gegenbild, […] Ordnung und Chaos“⁵ in sich austrägt und nach außen stülpt. Doch gerade sein widersinniges und maßloses Verhalten, seine „schamlosen Normverletzungen“⁶ und Tabubrüche zielen auf die Erneuerung der sakralen Tradition. Das Geheimnis des Tricksters besteht darin, dass er als „Kind und Heiliger“⁷ in einer Person die Rebellion impulsiver Vitalität, die karnevaleske Inversion der Ordnungsprinzipien und die Neukon-
Vgl. Stoessel, Lob, 65. Vgl. Georg Feuerstein, Heilige Narren, 28 und Gisela Matthiae, Clownin Gott, 269 f. Der mittelalterlich-frühneuzeitliche Possenreißer kann in dem Sinne als Nachfolger des Tricksters gelten, dass er normative Körperkonzepte, wie etwa Männlichkeit, Gesundheit, Selbstkontrolle, transgrediert (vgl. Velten, Scurrilitas, 126 – 134). Matthiae, Clownin, 269 f. Kuper, Zur Semiotik, 175. Kuper, Zur Semiotik, 175. Titze, Die heilende Kraft, 292. Titze, Die heilende Kraft, 291. https://doi.org/10.1515/9783110667769-004
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stituierung des Wertesystems in Einklang bringt.⁸ Als „archaisches Prinzip des Wandels“⁹ und „ambivalent kreatives und destruktives Sinnbild“ für die Erweiterung des Handlungsspielraums ins „Unendliche und unbegrenzt Mögliche“¹⁰ ist der Trickster unsterblich. Er war von Anfang an da¹¹ und wenn er doch einmal „im Kampf getötet“¹² wird, dann darf seine Auferweckung antizipiert werden. Die transkulturelle Verbreitung des Narrentums¹³ legt die Annahme universeller Dispositionen nahe, konkreter: einer Bedürfnisstruktur des Menschen, die dahin drängt 1) triebhafte Energien durch Verletzung von Tabus, Verspottung von Autoritäten und Symbolen, Umkehrung von Sprache und Etikette zu entriegeln und in die soziale Ordnung zu integrieren,¹⁴ 2) die magischen, numinosen Kräfte des Komischen zu vergegenwärtigen¹⁵ und 3) die Wirklichkeit hinter den instrumentellen Begriffsfassaden und dem rationalen Normengefüge zu erschließen. Das Wahrheitsprinzip des Tricksters hat unter verschiedenen Namen Gestalt angenommen und so kann die Geschichte des Narrentums auch als Geschichte des Schelms, Harlekins, Hanswursts oder Clowns geschrieben werden, also jener Symbolfigur, der es zukommt, die Welt auf den Kopf zu stellen oder in einem „verzerrten wie scharf beleuchteten“¹⁶ Spiegel zu zeigen. Die historische Kontinuität des Phänomens ist wiederum auf drei Ebenen nachweisbar: a) in der kulturgeschichtlichen Tradition des Spaßmachers und Hofnarren, b) in der mythologischen und literaturgeschichtlichen Typologie des Schelmen, c) in der clownesken Poetik und karnevalesken Ästhetik. a) Die Ahnengalerie der Gaukler und Narrenkünstler reicht zurück in die Antike.
Während der „Trickster der Winnebago“ (Constantin von Barloewen, Clown, 11), der Wakdjunkaga, eher den Typus des gutmütigen Demiurgen repräsentiert, gab es auch Schelmenriten, die den satanischen Zug der Kultfigur hervorhoben. Stoessel, Lob, 70. Kuper, Zur Semiotik, 163. Vgl. Stoessel, Lob, 61. Feuerstein, Heilige Narren, 28. Das Phänomen der Narrengestalt ist nicht nur in der westlichen Kultur belegt, sondern ebenso bei den Inkas und Azteken, den Chinesen, Mongolen und Japanern, im arabischen Raum und bei afrikanischen Stämmen, „in den Theaterstücken des alten Indien“ und noch „im gegenwärtigen javanischen Drama“ (P. L Berger, Erlösendes Lachen, 93). Vgl. auch Titze, Die heilende Kraft, 291. Ränsch-Trill geht davon aus, dass die Narren und Harlekine von den antiken Satyrn abstammen (vgl. Harlekin, 17). Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 94. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 78.
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Der Typus des „philosophischen Narren“¹⁷ war die Erfindung der Kyniker, die mit einem „bewusst provokativen Lebensstil“¹⁸ die degenerierte „politisch-moralische Lebensform“¹⁹ der Polis vorführten. Durch eine bestimmte Art der Maskierung und Kostümierung und den Verzicht auf jedweden Luxus demonstrierten sie ihre Autarkie.²⁰ Der berühmteste der Kyniker, Diogenes von Sinope, kultivierte die Lehrmethode der performativen Inszenierung und parodierte mit seinen grotesken Selbstdarbietungen die Gewohnheiten und Haltungen, Verblendungen und Verirrungen seiner Umwelt.²¹ Als Narren-Philosoph galt auch Demokrit von Abdera, dem die pseudo-hippokratischen Briefe im Rahmen der Legendenbildung ein unaufhörliches misanthropisches Gelächter nachsagen.²² Semi-professionelle Spaßmacher gab es schon im antiken Athen²³ und Rom²⁴ und der Hofnarr diente bereits beim altägyptischen Pharao,²⁵ in den Königshäu-
Prütting, Homo ridens, 255. Prütting, Homo ridens, 254. Prütting, Homo ridens, 258. Vgl. Prütting, Homo ridens, 267. Das kynische Denken vermag ein spielerisches, ironisches Selbstverhältnis zu begründen, doch kann die „umfassende Weltverachtung“ (Homo ridens, 271) auch in rückhaltlose Selbstverachtung übergehen und das respektlose Trotzlachen in zynisches Ekelgelächter umschlagen. Vgl. Prütting, Homo ridens, 255 – 258. Als Symbolfigur und „Prototyp des mutigen Gesellschaftskritikers“ (Georg Braungart, Le ridicule, 230) blieb Diogenes, in dem viele Gelehrte einen Vorläufer des Hanswursts sehen, in der abendländischen Geistesgeschichte eine wichtige Referenzgröße bis hin zu Nietzsches ‚tollem Menschen‘. Der „kynische Impuls“ (Prütting, Homo ridens, 272) inspirierte Rabelais’ Gargantua und Erasmus’ Lob der Torheit. Vgl. Prütting, Homo ridens, 262 ff. Auf die Modellfunktion des ‚lachenden Philosophen‘ Demokrit für Wieland und die heitere Aufklärung hat Wolfgang Promies hingewiesen (vgl. Der Bürger und der Narr, 160). Xenophons Symposion (ca. 365 – 369 v. Chr.) bietet die „ausführlichste Beschreibung eines professionellen Spaßmachers“ und damit wohl ein „realistisches Bild“ (Bremmer, Witze, 19) von der Unterhaltungskultur der Eliten im Athen des 5. Jhts. v. Chr. Auch die Komödie stellte einige in Athen bekannte Parasiten und Spaßmacher vor; Ruhm erlangten Rhadamanthys und Palamedes, die als „mythische Erfinder“ (22) der Clownsrolle gelten können. In der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. gab es in Athen einen sogar König Philipp II. von Makedonien bekannten „Verein der Spaßmacher“ (23), Die ‚Sechzig‘, Mitglieder der athenischen Oberschicht, die als Amateure wohl bewusst subversiv wirkten in einer Zeit abnehmender Toleranz gegenüber der Produktion von Späßen (vgl. 25). In römischer Zeit brachte man die Spaßmacher mit den gesellschaftlich wenig angesehenen Mimus-Schauspielern in Verbindung (vgl. Bremmer, Witze, 23). Auf den scurra der plautinischen Komödie bezogen sich die Negativzuschreibungen Ciceros (vgl. Velten, Scurrilitas, 125 – 128). Der Statusverlust des Spaßmachers im Umfeld der „städtischen Elite“ (Bremmer, Witze, 23) begann aber vermutlich schon in hellenistischer Zeit.
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sern des Orients,²⁶ an den thrakischen und makedonischen Königshöfen,²⁷ bei den Herrschern im frühen China.²⁸ Besonders im Spätmittelalter erfreuten sich die ‚Schalksnarren‘ an den Fürsten- und Königshöfen großer Beliebtheit und besaßen die – allerdings keineswegs bedingungslose – Narrenfreiheit zur humoristischen Demaskierung der Macht- und Wahrheitsmonopole „von weltlicher und kirchlicher Obrigkeit“²⁹. Die Narrenkappe erteilte ihnen die Lizenz, mit Spott, „Balgereien und Streichen“³⁰ die Schwächen der höfischen Gesellschaft aufs Korn zu nehmen. Die Ermächtigung zu satirischer Herrschaftskritik darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hofnarren generell einen unterprivilegierten Status besaßen³¹ und ihre Eulenspiegeleien³² nur deshalb gefördert und honoriert wurden, weil sie „höfische Freude“³³ verbreiteten, subversive Phantasien stellvertretend ausagierten und Entlastung vom „normativen Zwang“³⁴ des Hoflebens ermöglichten. Zwar besaß das westeuropäische Hofnarrentum vom 15.– 17. Jht. einen institutionellen Status und gewann auf diese Weise Spielräume und Autonomie,³⁵ doch die Idealisierung des Hofnarren zum Protagonisten „kritischer Vernunft“³⁶ und humanistischer Aufklärung verschleiert seine restaurative Funktion als Abbild oder Doppelgänger des Herrschers.³⁷ Gleichwohl bewegte
Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 291. Das Alte Testament erzählt davon, dass die Philister dem „gefangenen und geblendeten Simson“ (Silvia Schroer/Thomas Staubli, Weinen und Lachen in der Bibel, 508) die Narrenrolle aufgezwungen haben (Ri 16, 23 – 25). Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 508. Vgl. Bremmer, Witze, 25. Vgl. Middendorf, Lachmodus, 382. Titze, Die heilende Kraft, 294. Derek Brewer, Schwankbücher in Prosa hauptsächlich aus dem 16.–18. Jahrhundert in England, 104. Vgl. Zijderveld, Humor, 131 f. Vgl. Gerhard Wolf, „dass die Herren was zu lachen hetten“, 167. Der Schwankheld kann insofern als fiktionale Nachbildung der historischen Hofnarren gelten, als er sich den komischen Erzählstoff der historischen Vorbilder in den Narrenspäßen und, mehr noch: in der Performanz des Körpers anverwandelt (vgl. Hans Rudolf Velten, Text und Lachgemeinschaft, 136 f.). Velten, Scurrilitas, 169. Wolf, dass die Herren, 152. In diesem Zusammenhang muss an die medizinisch-therapeutische Funktion der Hofnarren, insbesondere bei der Behandlung der Melancholie, erinnert werden (vgl. Prütting, Homo ridens, 625 f. und I.1.3/I.6). Constantin von Barloewen führt den Verlust der Existenzgrundlage des Hofnarren am Ende des feudalen Zeitalters darauf zurück, dass die Melancholie ihre Geltung als höfisches Privileg verlor und in den Affektpool der bürgerlichen Gesellschaft überging (vgl. Clown, 62 ff.). Vgl. Zijderveld, Humor, 129 f. Gabriel Laub, Die Kunst des Lachens, 137. Vgl. Velten, Scurrilitas, 168. Werner Mezger hat die These aufgestellt, der Hofnarr sei in einer typologischen Struktur als Gegenbild zum weisen Herrscher definiert gewesen (vgl. Hofnarren im
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sich der Hofnarr in der gefährlichen Zone des Prellbocks, immer hart an der Grenze zur Inopportunität, und das Lachen über seine Späße konnte abrupt enden und „mutwilligen Aggressionen“³⁸ weichen.³⁹ Abseits des Hofes und des institutionalisierten Bühnenspiels gehörte der Narr zur Gesellschaft des ‚fahrenden Volkes‘, zu den umherziehenden Spielleuten, Akrobaten und Gauklern, unter ihnen verarmte Kleriker und „entlaufene Mönche“⁴⁰, die man Vaganten oder Goliarden nannte. Bei ihren grobianischen Vergnügungen und der parodistischen Verspottung der geistlichen und weltlichen Autoritäten genossen sie beachtliche Freiheiten.⁴¹ Die vom Bürgertum angestoßenen Rationalisierungsprozesse vertrieben die „wandernden Narren“⁴² schließlich von der Straße und auch der Hofnarr unterlag einer Zivilisierung und Intellektualisierung.⁴³ In Frankreich unter dem ancien regime und in Russland unter Peter dem Großen (1672– 1725)⁴⁴ erlebte er noch einmal eine Blütezeit, ehe er mit dem absolutistischen Herrschaftsmodell von der historischen Bühne abtrat.⁴⁵
Mittelalter, 15 – 23). Keith Thomas (The place of laughter in Tudor and Stuart England, in: Times Literary Supplement 21, [21. Januar 1977], 77– 81) nimmt an, dass sich die Späße der Hofnarren nur gelegentlich in die Zone der Herrschaftskritik wagten (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 26), während Anton C. Zijderveld davon ausgeht, dass der Fürst oder König seine Souveränität gerade dadurch untermauerte, dass er sich dem Spott einer Außenseiterfigur aussetzen konnte, ohne Einbußen seines Machtstatus befürchten zu müssen (vgl. Humor, 132 f.). Auch Hans Rudolf Velten hält fest, dass die Fürsten aufgrund ihrer Machtposition im Prinzip über die Narrenspäße erhaben waren (vgl. Scurrilitas, 176). Velten, Scurrilitas, 176. Vgl. dazu die zahlreichen Beispiele bei Velten (Scurrilitas, 174 ff.). Luke de Barra wurden, nachdem er Heinrich I. von England (ca. 1068 – 1135) verspottet hatte, zur Strafe „die Augen ausgerissen“ (Brewer, Schwankbücher, 105). P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 89. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 89. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 88. Vgl. Velten, Scurrilitas, 424. Par excellence verkörperte der am „sächsischen Fürstenhof in Dresden“ (Velten, Scurrilitas, 424) zum Ende des 16. Jht. tätige Claus Narr den Typus des gesitteten, erbaulich wirkenden Hofnarren. Vgl. Ränsch-Trill, Harlekin, 37. Vgl. Zijderveld, Humor, 127 f. In England endete die Geschichte des Hofnarren bereits Ende des 17. Jahrhunderts (vgl. Brewer, Schwankbücher, 106 und Jan Bremmer/Herman Roodenburg, Humor und Geschichte, 16). Elisabeth I. (1533 – 1603) hatte noch eigene Hofnarren unterhalten, James I. (1566 – 1625) und Charles I. (1600 – 1649) erwiesen sogar dem böswillig-dünkelhaften Unruhestifter Archie Armstrong (gest. 1672), der mit unanständigen Schimpfereien die Aufmerksamkeit auf sich zog, ihre Gunst (vgl. Brewer, Schwankbücher, 104 f.).
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Dennoch endet die Kulturgeschichte des Narrentums nicht mit dem Zeitalter der Hofnarren und komischen Volkshelden.⁴⁶ Die bürgerliche Institution des Zirkus, eine Erfindung des späten 18. Jahrhunderts,⁴⁷ bot dem Clown,⁴⁸ der auch im Pickelhering der englischen Wanderbühne und in den Figuren der commedia dell’arte, dem Harlekin und dem Pierrot, oder im Hanswurst des Stegreiftheaters⁴⁹ in Erscheinung trat, die Bühne des Manegenkomikers. In der paradoxen Persönlichkeit des Clowns spiegelt sich die ambivalente Struktur der Narrenfigur, die bereits erkennbar geworden ist. Einerseits repräsentiert der Clown jenen Opfertypus der „verkrüppelten Hofnarren“⁵⁰, der Liliputaner und anderer abnormer Gestalten des Jahrmarktamüsements, die sich den Privilegierten als Objekt degradierenden und exkludierenden Gelächters darboten⁵¹ und damit eine wichtige „sozialpsychologische Funktion“⁵² für die symbolische Organisation der Gesellschaft übernahmen.⁵³ Die Merkmale des Clowns Nach der Auflösung des feudalistischen Systems betraten Narren und Spaßmacher den bürgerlichen Haushalt, die Gasthöfe, Märkte und Bordelle (vgl. Ränsch-Trill, Harlekin, 36 f.), Harlekine belebten die französische Unterhaltungskultur im 18. Jahrhundert und die Maskenbälle des Rokoko (vgl. 104/120 f.). Der erste Zirkus wurde 1768 von Philip Astley in London gegründet. In Europa und Nordamerika feierte die Manegenkunst seitdem große Erfolge (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 91 f.). Als Erfinder des Clowns gilt der Engländer Dick Tarlton, der in den 1580er-Jahren auftrat (vgl. Haekel, Von Bottom, 219). Der Hanswurst steht für den Anti-Helden, der listiger Dummheit eine sinnige Gestalt gibt.Vgl. dazu Titzes Rekurs (Die heilende Kraft, 294 f.) auf die Bestimmungen Jean Pauls, Karl Kerenys, C. G. Jungs und des Psychoanalytikers Lutz Müller. Die französischen Bezeichnungen für den Hanswurst, ‚Colon‘ oder ‚Claude‘, können ins Deutsche auch mit ‚Bauerntölpel‘ übersetzt werden (vgl. 295). Bien, Im Spiegelkabinett, 254. Die institutionell definierte soziale Rolle des Narren als Verkörperung der Torheit darf nicht mit der ‚natürlichen‘ Narrheit eines Menschen aufgrund geistiger Verwirrung oder eines angeborenen Defekts verwechselt werden. In der frühen Neuzeit war das ungenierte Lachen über den deformierten Körper der „Buckligen und Verkrüppelten“ (Ferdinand von Ingen, Komik im Roman des 17. Jahrhunderts, 224) weit verbreitet und noch im 18. Jahrhundert amüsierten sich „englische Bürger“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 25) beim Sonntagsausflug ins Irrenhaus über die Geisteskranken. Titze/Kühn, Lachen, 41. Die „komischen Außenseiter“ (Titze/Kühn, Lachen, 41) können als Katalysatoren eines Sündenbockmechanismus bezeichnet werden: Die normenkonforme Gemeinschaft bestraft auf der Grundlage des „Abwärtsvergleichs“ (41) denjenigen, der die gängigen Ordnungsmuster und Normalitätsprinzipien verletzt und sichert damit ihre Position in der symbolischen Ordnung ab. Titze argumentiert hier mit Leon Festingers A Theory of Social Comparison Processes, in: Human Relation Nr. 7 (1954), 117– 140. Daher verbirgt sich hinter der sozialen Clownsrolle oft genug die „tragische Entwicklung“ (Grotjahn, Vom Sinn, 46) des ungeliebten Kindes, das die erlittenen
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kostüms weisen zurück auf den Brauch der höfischen Gesellschaft, den Hofnarren mit „Symbolen der Impotenz“⁵⁴ auszustatten, um ihn als ernstzunehmende kritische Instanz zu entmächtigen.⁵⁵ So ermöglicht es der Clown dem Zuschauer, sadistische und obszöne Impulse durch das Lachen der Schadenfreude zu kanalisieren.⁵⁶ Andererseits eröffnet er mit seinen Verirrungen, Missgeschicken und Niederlagen Identifikationsangebote.⁵⁷ Zudem erlebt der Clown selbst eine lustvolle Selbststeigerung, indem er das triebhaft-anarchisch-destruktive Prinzip ausagiert.⁵⁸ Da er eine magische Unverletzlichkeit besitzt, kann ihn sein Antipode zwar anfechten, aber nicht besiegen.⁵⁹ Das clowneske Prinzip beruht somit auf einem Antagonismus, der sich in einer Spaltung der Clownsrolle manifestiert hat. Der „kompetente ‚Weißclown‘ der dem Harlekin und dem Pierrot in der commedia dell’arte entspricht, vertritt die Gebote der Vernunft, die Vorgaben der Erwachsenenautorität und die Strafen für Übertretungen jener Gebote und Vorgaben.⁶⁰ Er konkurriert mit dem inkompetenten ‚Minimalclown‘, der im ‚Dummen August‘ und ‚Hanswurst‘ Gestalt angenommen hat: ⁶¹ Der Minimalclown ist der lustige Clown, der als obszöner Trunkenbold an die Silenen, die Gefährten des Weingottes erinnert.⁶² Der weiße Clown sucht seine Statusüberlegenheit durch
Zurückweisungen nur durch obszönes und feindseliges Verhalten kompensieren kann und im Grunde seines Wesens einsam ist. Grotjahn, Vom Sinn, 78. Aus psychoanalytischer Sicht repräsentiert die Clownsfigur den machtlosen, lächerlichen Vater (vgl. Grotjahn, Vom Sinn, 78 – 82). Allerdings inszenieren professionelle Clowns wie W. C. Fields die Clownsrolle mit ihrer Technik der sublimen Symbolisierung und der Andeutung so geschickt, dass der degenerierte Held weder allzu großes Mitleid noch Schuldgefühle weckt, sondern liebenswürdig erscheint: Der Zuschauer weint nicht betroffen, er lacht den Clown aber auch nicht hämisch aus, sondern lacht solidarisch und sympathetisch mit ihm. Dem Mann verhilft der Clown auf diese Weise dazu, den „Ambivalenzkonflikt“ (82) mit dem Vater ästhetisch aufzulösen. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 295 f. Vgl. von Barloewen, Clown, 79. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 295 f. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 92. Der Urahn des ‚Weißclowns‘ ist der „sogenannte ‚weiße Mime‘ […], der in den Komödien der alten Griechen und Römer eine lustige Rolle spielte“ und Vorbild der Darsteller des Fegefeuerkampfes im „mittelalterlichen Mysterienspiel“ (Titze, Die heilende Kraft, 297) war. Die „weißgeschminkte Maske“ trug auch der „Pierrot der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“ (von Barloewen, Clown, 57). Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 297. Vermutlich hat Tom Belling den August um 1869 erfunden (vgl. Klaus Peter Müller, Clown, 228). Vgl. Jurzik, Der Stoff, 8. Mit seinem „bunten Kostüm“, „Kahlkopf“ und den „überdimensionierten absatzlosen Schuhen“ weist „der Spaßmacher römischer Komödien, der Centunculus“ (Titze, Die heilende Kraft, 297), auf den Minimalclown unserer Zeit voraus. Das bunte Lumpen-
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makellose Darbietungen und die „autoritäre Erziehung“⁶³ des August zu demonstrieren, der wiederum das perfektionistische Normierungsdiktat und dessen eingeschliffene Verwendungslogiken mit seinem instinktiv-impulsiven Verhaltensmuster unterläuft. Seine Regression in die Lächerlichkeit vorsprachlicher Unbeholfenheit enthält das Moment der Vereinzelung, aber auch jenes der Selbstbehauptung und der Revolte.⁶⁴ Das Geheimnis der Widerstandskraft des Clowns besteht offensichtlich in jenem „kindlichen Eigensinn“⁶⁵ des August, dessen hervorstechende Merkmale „die Macht der Wünsche und der Sadismus“⁶⁶ sind. Die „Triebkraft“ seiner Komik speist sich aus der „Imagination von Befriedigungsmöglichkeiten“⁶⁷ und der Rehabilitierung der Relationen und Proportionen kindlichen Denkens.⁶⁸ Der August fungiert somit als Antithese zu bürgerlichen Daseinsvorkehrungen und Zukunftsprognosen.⁶⁹ Er praktiziert eine triebfreundliche Philosophie der Abweichung und Verschiebung, der Selbstverminderung und des Scheiterns.⁷⁰ Das heißt: Er stolpert über das Realitätsprinzip, setzt sich dem Abgrund in der Mitte des Alltags aus, der nicht zu umgehen ist, legitimiert und kultiviert den
gewand verbindet den Minimalclown auch mit dem Arlecchino der commedia dell’arte (vgl. von Barloewen, Clown, 57). Jurzik, Der Stoff, 184. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 295 f. Die drastische Variante einer spielerischen Rebellion gegen den Schrecken illustriert die Erzählung vom diebeslustigen Pierrot, der englischen „Pantomimenfigur des 19. Jahrhunderts“ (Jurzik, Der Stoff, 184), der nach seiner Enthauptung noch genügend Chuzpe besitzt, um seinen Kopf an sich zu nehmen und einzustecken. Über das Lachen des englischen Pierrot sagte Baudelaire, dass es den Saal erzittern ließ (vgl. Vom Wesen, 132 f.). Jurzik, Der Stoff, 181. Jurzik, Der Stoff, 182. Jurzik, Der Stoff, 181. Vgl. Freuds Komikverständnis in I.1.5. Darum ist der August eine Identifikationsfigur der Kinder (vgl. Jurzik, Der Stoff, 184 und K. P. Müller, Clown, 228). Klaus Peter Müller erkennt in den Inkompetenzen und Unzulänglichkeiten des Clowns die Spur einer Erzählung von individueller Selbstbildung, die als Alternative oder zumindest Komplement des im Odyssee-Mythos chiffrierten Personalitätskonzeptes gelesen werden kann. Während sich die humanistisch-bürgerliche Variante von der Irrfahrt Souveränitätsgewinn durch Naturbeherrschung verspricht, steht der clowneske Entwurf für die Möglichkeit eines Seins im Labyrinthischen (vgl. K. P. Müller, Clown, 224). Leben und Denken des Clowns sind oft mit dem Mülleimer (oder dem Kanalschacht) und das heißt, mit dem Verfall und dem Verschwinden, mit dem Unheilvollen und Unheimlichen in Verbindung gebracht worden. Im Modus des Verschwindens deutet sich der Protest gegen Identitätszwänge und -prothesen an, der Ausbruch aus der in der Kalkulation und dem Surrogat erstarrten Existenz (vgl. K. P. Müller, Clown, 225 – 228).
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Irrtum.⁷¹ So entlarvt er das gesellschaftliche Ideal der Widerspruchslosigkeit als Wahn und die Vermeidung des Misslingens als morbide Erlösungsphantasie.⁷² Sein habituelles Scheitern ist die Voraussetzung für das selbstvergessene Spiel, das die Kraft des Möglichen reaktiviert⁷³ und den Raum zum Wunderbaren öffnet.⁷⁴ Oder umgekehrt: Indem der August im „scheinbar Wirklichen“⁷⁵ das Wunderbare zur Geltung bringt, bricht er die von der Suggestion der Oberfläche abgeleitete Tatsachengläubigkeit auf und erlaubt den distanzierten Blick auf die Dingwelt. Er protestiert gegen natur- und sozialgeschichtliche Determinierung,⁷⁶ gegen die „fugenlose Totalität“⁷⁷, die jedwede Spontaneität im Keim erstickt, hebelt mit der nonkonformen Choreographie seines Körpers das „rationale Zweckdenken“ aus und vermittelt „verbotene Passagen“⁷⁸ der Phantasie und Revolte hin zu neuen utopischen Ordnungen. Das Zusammenspiel des weißen Clowns und des Minimalclowns, die Renate Jurzik als „Urbild des komischen Paares“⁷⁹ bezeichnet hat, ist somit zu einer metaphysischen Dimension hin geöffnet. In ihm verbinden sich „die Präsenz des Imaginären, der animalischen Instinkte, der Grausamkeit, der schrecklichen Geschehnisse sowie die Anwesenheit des Todes“⁸⁰ zu einer „Parabel auf Leben und Tod“⁸¹. Während der primitive lustige Clown die dionysische Enthemmung beglaubigt, beschwört der traurige „große Clown“⁸² den Untergang und die Tragikomik des Daseins.⁸³
Vgl. K. P. Müller, Clown, 224. Vgl. K. P. Müller, Clown, 226 f. Man könnte mit Klaus Peter Müller auch davon sprechen, dass der Clown den Sieg der Anschauung über das Gedachte vertritt. So hat Karl Valentin über die Dekonstruktion einer rein funktionalen Grammatik der Spracherzeugung und ihrer normativen Kohärenz-Semantik der kindlichen Lust am Möglichen und Schöpferischen weiten Raum geöffnet (vgl. Jurzik, Der Stoff, 181). Vgl. Jurzik, Der Stoff, 182 und K. P. Müller, Clown, 224. Die Narrheit und der Zirkus haben gemeinsam, dass sie einen Raum des Zauberischen in einer kühlen, rationalen Welt eröffnen (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 92 f.). K. P. Müller, Clown, 225. Vgl. Cox, Das Fest, 184. von Barloewen, Clown, 154. von Barloewen, Clown, 135. Jurzik, Der Stoff, 8. Jurzik, Der Stoff, 183. Jurzik, Der Stoff, 8. Die weiße Maske steht für die Hypostasierung des Realen und die Objektivierung von Identität: Damit der August ihrer paralysierenden Wirkung nicht erliegt, muss eine Versöhnung der Gegensätze ausgeschlossen werden (vgl. K. P. Müller, Clown, 228). Grotjahn, Vom Sinn, 104. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 8. Lenz Prütting hat im traurigen Clown den regredierten und deformierten Nachfolger des Titanen Atlas gesehen und in seinem Gegenpart, dem strahlend-schönen,
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Unter den komischen Anti-Helden der Moderne hat vor allem Charlie Chaplin der clownesken Metaphysik eine Haltung gegeben.⁸⁴ Es ist die Haltung des Tramps, der der universellen Tragik des Exilantentums⁸⁵ mit „lachlustigem Kinderblick“⁸⁶ begegnet. „In den kleinen Katastrophen“ zitiert Chaplin „die großen“ herbei und „durchwandert“ sie, damit seine Zeugen sie „lachend exekutieren“⁸⁷ können.⁸⁸ Doch das Lachen über Chaplin ist nicht das überlegene Lachen über den lächerlichen Zirkusclown, sondern das existenziell „befreiende Lachen“ mit dem Verfolgten, der „den Gefahren entkommt“, mit dem Scheiternden, der seine Resignation durchbricht, mit dem Unterdrückten, der gegen das System rebelliert, mit „dem Ohnmächtigen, der doch nicht untergeht“.⁸⁹ Denn Charlies Lachen steht im Bunde mit der „Wunschkraft des Märchens“⁹⁰ oder, anders gesagt: In ihm scheint die „märchenhafte Utopie“ auf, dass man sich „in dieser harten, oft unmenschlichen Welt verwundbar zeigen darf“⁹¹, weil in der rührenden Menschlichkeit des Anti-Helden die Rettung eingeschlossen ist.⁹²
alterslosen Pikaro den „umfassend pfiffigen Hermes/Merkur“ (Homo ridens, 1943). So kontrastiert er umgekehrt einen melancholischen Typus des Scheiterns, Stolperns und Stürzens mit dem sanguinischen Gegenentwurf des leichthändigen Gelingens, der Schwerelosigkeit und des Wiederauferstehens (vgl. 1942). Zur Ästhetik der Filmclowns, die Chaplin folgten, ob Stan Laurel und Oliver Hardy, Harold Lloyd, Jacques Tati, Pat und Patachon, W. C. Fields, die Marx Brothers oder Woody Allen vgl. von Barloewen, Clown, 77 f. und Brandlmeier, Das Groteske, 232– 252. Vgl. Jürgen Wertheimer, „Geflecht aus Narrheit und Schmerz“, 50 und Franz Günther Weydrich, Hiob lacht, 177. Jurzik, Der Stoff, 129. Heinrich, Theorie, 30. In A king in New York (1957) befällt Chaplins König, der sich einer „verjüngenden Schönheits-Gesichtsoperation“ unterzogen hat, das „blanke Entsetzen“, als er bei einer Slapstick-Vorführung dem Reiz des „kollektiven Gelächters“ (Lindner, Die Spuren, 103) nicht widerstehen kann und gewahr wird, wie die Nähte aufplatzen. Die Chaplin’sche „Manifestation des höchsten Schreckens“ reflektiert die Auflösung des Körpers, dem jeder geistige, „sprachliche und leibliche Ausdruck“ (103) entwichen ist. Chaplins „Kunst der Maske“ beschwört ein Lachen herauf, das die „Erfahrung des Grauens“ (103) zugleich verbirgt und entbirgt. Federico Fellini erklärte „das Irrationale, das Infantile und Instinktive“ (Jurzik, Der Stoff, 189) der Clownsfiguren zum Substrat ihrer Katastrophenbewältigung. Dischner, Wer lacht, 38. Darum verbirgt sich in der „Rolle des grotesken Komikers“ ein „tief verwundetes […] Ich“ (Dischner, Wer lacht, 42) und der Zuschauer muss, so Walter Benjamin, wenn er sich nicht „vor Lachen biege, […] tieftraurig sein“ (Charakteristiken, 137). Jurzik, Der Stoff, 114. Dischner, Wer lacht, 38. Constantin von Barloewen erklärt, der Clown wisse von seiner „privaten Tristesse“ und erkenne das „Entsetzliche und Absurde des Seins“ (Clown, 114), seine Rettung bestehe alleine darin, dass er sich auf die Stärke seiner Clownerie besinne und die poetischanarchische „Freiheit des Unverstandenen“, die Erwartung des Zufalls, Spontaneität, Intuition
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Chaplins Clownerien können allerdings auch als Reflex auf den fundamentalen Autonomieverlust angesichts der Technisierung der Lebenswirklichkeit und der Vermassung der Gesellschaft gedeutet werden⁹³ und gewinnen damit im Zeitalter der Digitalisierung und der mit ihr zusammenhängenden Fremdbestimmungsmechanismen und psychosozialen Dynamiken neue Aktualität. Die Einfalt und der „lachende Sadismus“⁹⁴, mit dem Charlie der Verselbständigung der technischen Mechanik entgegentritt,⁹⁵ die Bewegung der Flucht und des Verschwindens,⁹⁶ mit der er sich der Repression durch die „monströsen Ordnungs- und Verwaltungsorgane“⁹⁷ entzieht, fungieren als Strategien der Selbstbehauptung. Das kollektive Gelächter, das die tragikomischen Filme Chaplins oder Buster Keatons auslösen, kann im Sinne Walter Benjamins als kathartischer Vorgang vor dem Hintergrund der mentalen Verwerfungen begriffen werden, die die Eingliederung der Massengesellschaft in die Funktionsapparaturen der Technik verursacht.⁹⁸
und Rebellion der existenziellen Unbehaustheit und morbiden „Fassade bürgerlicher Lebensformen“ (122) entgegensetze. Vgl. Dischner, Wer lacht, 40. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 107 ff./124 ff., von Barloewen, Clown, 165 f. und Barbara Stauß, Lachen im Zwiespalt, 60. Jurzik, Der Stoff, 182. Vgl. Ränsch-Trill, Harlekin, 87. Die Devise der „Tarnung und Verkleinerung“ erinnert an „Kafkas Figuren“ (Wertheimer, Geflecht, 51). Wertheimer, Geflecht, 51. Jurzik (Der Stoff, 116) argumentiert hier mit Walter Benjamins berühmtem Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In Modern Times (1936) protestiert Chaplin gegen die in der Mechanik seiner eigenen Bewegungen zu beobachtende Assimilation an maschinelle Programme mit parodistisch getönten Sabotage- und Racheakten gegen die Maschine und den an sie gekoppelten Unterdrückungsapparat (vgl. 126 f.). So wehrt er sich gegen die fortschreitenden Verdinglichungsprozesse in der humanen Lebenswelt (vgl. 114/119/129 f.). Das erleichterte Lachen des Zuschauers hat damit zu tun, dass das groteske Spiel mit den Gegenständen die Feindseligkeit der gegenständlichen Welt unterläuft (vgl. Dischner, Wer lacht, 43). Anders als der rebellisch agierende Chaplin hat Buster Keaton den Typus des von den Repressionsapparaten der „verdinglichten Massengesellschaft“ (Jurzik, Der Stoff, 108) bereits verschluckten Zeitgenossen verkörpert. Die absolute Selbstentfremdung des Menschen, die Auflösung seiner Individualität und Handlungssouveränität spiegeln sich in Keatons unbewegter, lebloser Miene (vgl. 108 – 111). Seine Maske steht jedoch zugleich für ein „unberührtes Incognito“, eine ungebrochene „Widerstandskraft“ (115). Mit ihr hängt paradoxerweise Keatons Funktionslust zusammen, sein selbstvergessenes Wetteifern mit der Maschine zwecks Synchronisierung und Assimilierung, die jedoch nicht völlig gelingt (vgl. 127 f.). Es bleibt ein Restposten des Ichs, auf den der nach Verdinglichung strebende Mensch Mal um Mal zurückgeworfen wird (vgl. Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1, 89 ff. und Jurzik, Der Stoff, 126 f.). Chaplins Ver-
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Die politischen und gesellschaftlichen Transformationen der Moderne haben die „Protestmacht“⁹⁹ des August und seiner Verwandten jedoch in Frage gestellt. Der Sog magisch-ideologischer Erlösungsphantasien drohte den Aufstand der kindlichen Einbildungskraft zu absorbieren. Clowneske Befreiung schien angesichts der Gewaltsamkeit und Tragweite sozialgeschichtlicher Prozesse zwecklos. Chaplin thematisierte die Legitimationsnöte des Clowns in seinem Film Limelight (1952), Federico Fellini inszenierte in I Clowns (1970) schließlich die Trauerfeier für den August.¹⁰⁰ b) und c) Die theatrale Narrenfigur hat ihre Heimat in den Possen des Mimus, der volkstümlichen Variante des griechischen und römischen Theaters.¹⁰¹ Sie trug von Anfang an das Fleckenkleid, das der Clown der Neuzeit übernahm, und avancierte gerade deswegen zur performativen Verwirklichung von Wahrheit, weil sie keiner „literarischen Fixierung“ gehorchte und ohne Scheu vor den Ausdrucksformen des Vulgären „aus dem Stegreif improvisierte“.¹⁰² Ihr unzensiertes Rollenspiel partizipierte an der „magischen Narrheit“ im „orgiastischen Bacchanal“¹⁰³ und wenn die etymologische Herleitung der Satire von den Satyrn des Dionysosmythos richtig ist, dann wäre das ein weiterer Hinweis darauf, dass jene närrische Exzentrik ursprünglich eine kritische Funktion besaß.¹⁰⁴
hältnis zur Maschine ist satirisch, Keatons Verhältnis fatalistisch: Es lässt „den hohen Preis einer durch die Maschine repräsentierten Gattung“ (Jurzik, Der Stoff, 128 f.) erkennen. Der Zuschauer lacht über die Momente, in denen die maschinengleiche Bewegung Keatons unterbrochen und Keaton wieder seiner Ichheit gewahr wird (vgl. 125 f.). So solidarisiert er sich mit Keaton und distanziert sich zugleich von ihm, um seine pathologische Struktur zu durchbrechen (vgl. 140). Jurzik, Der Stoff, 185. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 185 ff. Vgl. Bader, Assertio, 82. In den volkstümlichen Phlyakenspielen des 5./4. Jht. v.Chr. verbreitete ein harlekinesker Schwätzer Heiterkeit, die „römischen Possenspiele“ (Ränsch-Trill, Harlekin, 18) kultivierten auch die Eselsgroteske und den Eselstanz und begründeten damit eine Ikonographie, die im Christentum eine gewisse Rolle spielen sollte (vgl. II.1.2). Bader, Assertio, 82. Allerdings waren beispielsweise die atellanischen Stegreifspiele des 1. Jht. v.Chr. wie die spätere commedia dell’arte komische Typenkomödien (vgl. Ränsch-Trill, Harlekin, 18 f.), so dass es durchaus einen poetischen und rhetorischen Rahmen für die närrische Performanz gab. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 187. Der Harlekin der commedia dell‘arte hatte die Macht, „menschliche Schicksale zu verwirren oder zu entwirren“ (Ränsch-Trill, Harlekin, 21), die Anmaßenden zu beschämen, die Dummen lächerlich zu machen, die Lügner zu entlarven und die Bösen zu bestrafen.
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Im homerischen Epos übernimmt die mythische Figur des Odysseus auf den ersten Blick die Rolle des Schelmen:¹⁰⁵ Mit seinen listigen Manövern und Überlebensstrategien trotzt er mythischer Schicksalhaftigkeit, bleibt aber letztlich der aufgeklärten Zweckrationalität verhaftet.¹⁰⁶ Die Umkehrung von einer besonnenen, auf die delphische Weisheit abgestimmten Narrenrede in die dionysische Narrenrolle vollzieht sich in Platons Symposion (ca. 385 – 378 v.Chr.): Denn hier deutet Alkibiades den sokratischen „Schmerz der Negation“¹⁰⁷ angesichts des unaufhebbaren Nicht-Wissens um zur glücklichen Vergegenwärtigung des Göttlichen.Wenn die „Narrheit nicht mehr das Göttliche außer sich hat, sondern selbst seine Erscheinung ist“,¹⁰⁸ dann ist Sokrates nicht mehr als Weisheitslehrer im klassischen Sinne, sondern als Satyr zu verstehen. Das Sokratesbild des Alkibiades kontrastiert mit dem Narrenkonzept der Stoiker, das mit alttestamentlichen Weisheitslehren (II.3.1) darin übereinstimmt, dass die Narrheit ein negatives Phänomen darstellt und der Belehrung durch die Weisheit bedarf.¹⁰⁹ Paulus knüpft im 1. Korintherbrief an das Gedankenspiel des Symposions an, indem er die göttliche Wahrheit mit der Narrheit der Christus-Offenbarung identifiziert: Die Weisheit der Philosophen enthüllt sich im Licht der närrischen Wahrheit als wahre Torheit.¹¹⁰ Die alttestamentliche Identifikation von „Narrheit und Sünde“¹¹¹ nahm jedoch in den mittelalterlichen Psalmnarren wieder Gestalt an. Aus dem Typus des lächerlich-einfältigen, unersättlichen und irrsinnigen Toren wurde eine dämonische Figur.¹¹² Das griechische Paradigma vom schel-
In der griechischen Göttergesellschaft repräsentiert der ingeniöse und fintenreiche Hermes, der den Ordnungsrahmen der „Gesetze und Sitten“ (von Barloewen, Clown, 15) überschreitet, die Schelmenfigur (vgl. Stoessel, Lob, 58/66 f.). Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 28. So hält auch Klaus Peter Müller fest, dass Odysseus als Protagonist einer rationalen Selbstermächtigung recht eigentlich den Gegenentwurf zur clownesken Existenzweise bilde (vgl. Clown, 224) und Horkheimer/Adorno verlauten in der Dialektik der Aufklärung: „Das abenteuerliche Element seiner Unternehmungen ist ökonomisch nichts anderes als der irrationale Aspekt seiner Ratio gegenüber der noch vorherrschenden traditionalistischen Wirtschaftsform. Diese Irrationalität der Ratio hat ihren Niederschlag in der List gefunden als der Angleichung der bürgerlichen Vernunft an jede Unvernunft, die ihr als noch größere Gewalt entgegentritt. Der listige Einzelgänger ist schon der homo oeconomicus, dem einmal alle Vernünftigen gleichen“ (Dialektik der Aufklärung, 68 f.). Bader, Assertio, 87. Bader, Assertio, 87. Vgl. Bader, 80. Vgl. auch Bader, Assertio, 147 f. Kuper, Zur Semiotik, 64. Vgl. Kuper, Zur Semiotik, 56 und Claudia Erhart-Wandschneider, Das Gelächter des Schelmen, 103. Die Gestalt des unschuldigen Toren, der aus Naivität Unsinn redet und schon bei Homer
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misch-listig agierenden Helden (Odysseus) trat hinter den heilsgeschichtlichen Topos vom überlisteten Widersacher zurück: Die Sagen und Märchen ersetzten dabei den einäugigen Riesen Polyphem¹¹³ durch den „geprellten Teufel“¹¹⁴. Abseits ästhetischer Praktiken der Dämonisierung und Verspottung nutzte jedoch z. B. die Schwankliteratur die Möglichkeit einer positiven Bestimmung des Narren als Unterhaltungskünstler¹¹⁵ und in der Bildkunst oder Satire übernahm der Narr wieder die Funktion eines performativen Subjekts der Wahrheit.¹¹⁶ Die horazische Devise, „mit Lachen die Wahrheit [zu] sagen“¹¹⁷, gewann vor allem für die Humanisten an Bedeutung.¹¹⁸ Der Narrenbegriff blieb jedoch auf dem Weg in die Neuzeit ambivalent. An die begriffsgeschichtliche Negativindikation knüpften Sebastian Brants Narrenschiff (1494) und die Narrensatiren Thomas Murners (1475 – 1537) an,¹¹⁹ die das Motiv in
im Dorfdepp Margites begegnet, verwandelt sich in einen Narren, wenn das Moment der Eitelkeit und Selbstverkennung hinzutritt (vgl. Prütting, Homo ridens, 599 ff.). Die Motive dieser Erzählung, die im „Fabelgut der Völker“ in verschiedenen Variationen vorkommt, kehren noch im Grimm’schen „Märchen vom Räuber und seinen Söhnen“ (Klaus Hermsdorf, Lachen in der Zeit und in der Geschichte, 527) wieder. Hermsdorf, Lachen, 528. Zu den fiktionalisierten Narrenfiguren wie Neithart Fuchs (1491– 97), dem Gonnella aus Franco Sacchettis Novellensammlung Trecentonovelle (1385 – 1400) und dem Till Eulenspiegel (Ein kurtzweilig lesen von Dil Ulenspiegel, 1509/10) vgl. Velten, Scurrilitas, 328 – 379/422 ff. So ist der Narr in vielen Kunstwerken des Mittelalters als „Warn- und Mahnfigur“ angesichts der „Allgewalt des Todes“ (Kuper, Zur Semiotik, 57) gezeichnet, auf satirischen Flugblättern übernimmt er die Rolle des moraldidaktischen Subjekts. Auf der anderen Seite trug eine vielschichtige Narrengestalt wie die vor allem im Spätmittelalter beliebte Markolf-Figur, die die Positionen des „Schalks, Dämons und Teufels, Bauern und Knechts“ (Velten, Scurrilitas, 301) besetzte, wesentlich zur Demontage einer sentenzenhaften Weisheit bei, wie sie par exzellence sein Dialogpartner, der „biblische Weisheitsexperte Salomon“ (Kuper, Zur Semiotik, 130) repräsentierte. Wenn Markolf Salomon zum Lachen bringt, dann bricht in diesem Moment das lachfeindliche salomonische Weisheitskonzept in sich zusammen (vgl. Velten, Scurrilitas, 303 – 309/ 316). Von Ingen, Komik, 233. Vgl. auch Promies, Der Bürger, 159. So empfahlen die Rhetoriklehrer des frühneuzeitlichen Englands die Narrenrede unter der Voraussetzung einer feinen Dosierung als wirkungsvolles Mittel der Entlarvung (vgl. Pfister, An argument, 214). Während Brandts Narrenschiffbewohner ins Schlauraffen landt, nach Narragonien verfrachtet werden, um sich dort im Sinne der christlich-humanistischen Normen zu bewähren und zu bessern (vgl. Köhnen, Das Lachen, 65), rückt bei Murner der dämonisierende Zug wieder in den Vordergrund (vgl. Max Wehrli, Christliches Lachen, christliche Komik?, 29). Propagandistischantikonfessionell verwendet er das Narrenmotiv im Großen Lutherischen Narren (vgl. Velten, Scurrilitas, 417 f.).
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den Dienst satirisch-didaktischer Lasterkritik stellten.¹²⁰ Auch der frühen Aufklärung galt der Narr, den sie an den Idealen der reglementierenden Vernunft maß,¹²¹ als Symbolfigur des Verkommenen, der Lüge und der Unmoral:¹²² Darum ersetzte sie das derbe und rohe Gelächter der Harlekin-Bühne¹²³ durch das analytisch-instrumentelle, moralisch belehrende Lachen des zensierten Schauspiels.¹²⁴ Doch der Moralismus der Aufklärung war gewissermaßen ein weltanschaulich restauratives Projekt. Die berühmte Satire des Erasmus von Rotterdam, das Lob der Torheit (1511), hatte in raffinierter Weise die Narrheit nicht nur als Stimme der Wahrheit wieder zur Geltung gebracht, sondern, mehr noch, sie zum inneren Bewegungs- und Erhaltungsgesetz der Welt¹²⁵ und zur Quelle „dauerhaft beglückender Freigebigkeit“¹²⁶ erklärt (vgl. auch II.3.3). Dem „komischen Weltbild“¹²⁷, das die Frau mit der Narrenkappe, die stultitia, mit ihrem satirisch-ironischen Lobpreis menschlicher Schwächen und Torheiten konturiert, liegt die frühneuzeitliche Säkularisierung des moralischen Werturteils oder, m. a. W., die „Soziologisierung der
Vgl. von Ingen, Komik, 233, Dreßen, Possen, 152 und Thomke, Jm schimpff, 92. Bei Murner oder Hans Sachs erscheinen die Narren als heimatlose amorphe Parasiten; diese Tendenz zur Pathologisierung erreicht mit Tomaso Garzonis Hospitale de‘ pazzi incurabili (1586) einen Höhepunkt (vgl. Velten, Scurrilitas, 419 f.). Vgl. Dreßen, Possen, 151. Vgl. Dreßen, Possen, 152. Schon Molière (1622– 1673) definierte das Lächerliche als ästhetische Gestalt des Unvernünftigen, behaftet mit dem Stigma der „Narretei und Affektation“ (Seibt, Der Einspruch, 756). Die Aufklärung übernahm mit der tugendethischen Ästhetik der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch die Untergattung der satirisch gefärbten Verlachkomödie des Barock. Johann Beers Lehrstück Narrenspital (1681) führt die Gestalt des Narren als abschreckende Verkörperung einer aus den Fugen geratenen Welt vor (vgl. von Ingen, Komik, 224 f.). Die Narrensatire Die Hundert Ausbündigen Narren (1709) des berühmten Wiener Hofpredigers Abraham a Sancta Clara warnt aus pädagogischer und obrigkeitsstaatlicher Sicht vor dem schädlichen Einfluss der obszönen Spaßmacher und Possenreißer auf Frauen, Kinder und das Dienstpersonal (vgl. Dreßen, Possen, 153 f.). Auch Wieland nutzte in seinen Abderiten (1774/80) das Narrenmotiv als Kontrastfolie zum aufklärerischen Ethos (vgl. Ränsch-Trill, Harlekin, 97 ff.). Vgl. Stagl, Nichtlachen, 95/99. Vgl. Dreßen, Possen, 151 f. Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) denunzierte den Hanswurst als kasperleartige Camouflage des Teuflisch-Widervernünftigen (vgl. Dreßen, Possen, 151) und leitete mit der symbolträchtigen Harlekin-Verbrennung die Vertreibung des Lachens aus dem Theater ein, das den Bedürfnissen des geschäftigen und zivilisationsbewussten Bürgertums des 18. Jahrhunderts entsprechend als moralische Anstalt begriffen wurde (vgl. Buck, Vom Lachen, 231 f.). Der französische Dramatiker Marivaux (1688 – 1763) dagegen wertete die ChargenRolle des Harlekins zur Charakterrolle auf (vgl. Prütting, Homo ridens, 959 f.). Vgl. Walter Nigg, Der christliche Narr, 129/136 – 139 und Rusterholz, Fischarts Prolog, 260 f. Kuper, Zur Semiotik, 78. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 27.
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Normen“¹²⁸ zugrunde. Vanitas-Symptome tragen nicht mehr das Stigma der Sünde, sie erscheinen als Kindereien, als lächerliche Kapriolen und Verstiegenheiten,¹²⁹ die jedoch nicht bloß akzidentielle Momente des menschlichen Daseins darstellen. Die Narrenphilosophie des Erasmus setzt vielmehr voraus, dass das Leben schlechthin ein wahnhaftes, komödiantisches Bühnenspiel darstellt und es dem Menschen aufgegeben ist, sich am Theater der Unvernunft lustvoll zu beteiligen, indem er seine Rollen heiter auskleidet und unter der Karnevalsmaske seinen Platz im närrischen Getriebe des Universums einnimmt.¹³⁰ Die närrische Wahrheit lässt zwar eine „höhere göttliche Ordnung“¹³¹ aufleuchten und entzieht sich doch „eindeutigen Wertordnungen und Normkategorien“¹³². So verhilft sie einer mit dem Attribut der Blödheit versehenen Lebenseinstellung zur Geltung, die Lachen und Singen, Scherz und Vergnügen hoffähig macht und auf der anderen Seite scholastischen Gelehrten, eitlen Fürsten oder dem kriegslüsternen Papst den Zerrspiegel vorhält.¹³³ Den doppeldeutigen Inversionen der Narrenrede entspricht die ironische Selbstrelativierung der stultitia,¹³⁴ die das olympische Lachen einer befreienden Selbsterkenntnis ermöglicht.¹³⁵ Nun legte es das traditionelle christliche Wertesystem allerdings nahe, das ungenierte Maskenspiel als einen Akt der Selbsterhebung zu deuten und mit jener Haltung der „weltlichen Torheit“ ineins zu setzen, die Paulus der „Torheit vor Gott“¹³⁶ gegenüberstellte. Da die stultitia das Wahrhaftigkeitspathos der Bußpredigt parodiert oder travestiert
Lothar Fietz, Von der Sündhaftigkeit zur Lächerlichkeit der vanitas, 195. Vgl. Fietz, Von der Sündhaftigkeit, 192 und Nigg, Der christliche Narr, 126 f. In der Comicall Satyre Ben Jonsons (1572– 1637) sind menschliche Schwächen nicht mehr als gottlos, sondern als lächerlich qualifiziert, „an die Stelle des Sünders“ tritt der „modische Tor“ (Lothar Fietz, Die Geburt der englischen Komödie im Spannungsfeld von Sakralität und Profanität, 162). Neben Jonson hat Shakespeare in seinen Komödien die Übersetzung der moraltheologischen VanitasDiagnose in Ridicula der „gesellschaftlichen Eitelkeiten“ (Fietz, Von der Sündhaftigkeit, 195) eingeleitet. Für Henry Fieldings (1707– 1754) Komödientheorie wurde Shakespeares Begriff des Lächerlichen konstitutiv. Dr. Samuel Johnson (The Vanity of Human Wishes, 1749) und William Thackeray (Vanity Fair, 1847/48) haben die frühneuzeitliche Vanitas-Poetik in satirischer Manier fortgeschrieben (vgl. 198 – 202). Vgl. Nigg, Der christliche Narr, 132– 139 und P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 26. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 119. Die Narrenlogik der Geschichte besteht darin, dass die Geschichten, aus denen sie sich zusammensetzt, im Wesentlichen Umkehrungen menschlicher „Pläne und Inszenierungen“ (Bader, Assertio, 120) sind. Kuper, Zur Semiotik, 76. Vgl. Köhnen, Das Lachen, 64– 67. Vgl. Kuper, Zur Semiotik, 82 f. Vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 120 f. Prütting, Homo ridens, 620.
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und damit unterläuft, erschien ihre frivole Hoffart umso skandalöser.¹³⁷ So hat Erasmus jene Keime kritischen Denkens gesät, die eine „weitreichende Gärung im abendländischen Geistesleben verursacht“¹³⁸ haben. Eine vergleichbare ideengeschichtliche Verschiebung vollzieht sich in der Entwicklung des modernen Schelmenromans. In der spanischen Pikareske ist der Schelm zunächst noch als Sünder stigmatisiert¹³⁹ und die Funktion des Lachens an Konzepte heilstheologisch instrumentierter Didaktik gebunden. Doch in Cervantes epochalem Don Quijote (1605/1615) drehen sich die Vorzeichen um. Mit seinem ästhetischen Konzept einer „Karnevalisierung der Welt“¹⁴⁰ und der kontrastiven Doppelperspektivierung affirmiert der Roman den Erscheinungsreichtum der Wirklichkeit und relativiert letztgültige Wahrheitspostulate. Don Quijotes tragikomischer Kampf gegen Spukgebilde entbirgt die närrische Weisheit des Romans: Die komische „Entmystifizierung des Helden“ und des „heroischen Ideals“¹⁴¹ steht im umgekehrten Verhältnis zur Größe des Narren, der in allen „lächerlichen Auseinandersetzungen“¹⁴² und Niederlagen unangefochten und souverän bleibt und eine höhere trans-rationale Wahrheit bezeugt. In der Schelmenliteratur, von den Till Eulenspiegel-Legenden (1510) über Goethes Reinecke Fuchs (1794)¹⁴³ bis Günter Grass’ Blechtrommel (1959), ist die Narrenstimme lebendig geblieben.¹⁴⁴ Die Fähigkeit, „übertriebene Geltungsansprüche“¹⁴⁵ zu desavouieren und damit einerseits die gestürzte Machtinstanz mit Spott zu überschütten und andererseits die triumphale Zustimmung seines Publikums zu sichern, verbindet „den schlauen Fuchs“¹⁴⁶ der Fabel mit Grimmelshausens Simplicius,¹⁴⁷ den Odysseus aus der griechischen Mythologie mit dem Vgl. Prütting, Homo ridens, 617– 621. Tatsächlich wurde das Buch in Paris auf den Index gesetzt (vgl. Köhnen, Das Lachen, 67). Nigg, Der christliche Narr, 131. Vgl. Hermsdorf, Lachen, 533. Frank Baasner, Lächerliches und Gelächter im Roman des siglo de oro, 184. Ursula Delhougue, Zur Komik des Don Quijote in einigen deutschen Übersetzungen, 90. Thielicke, Das Lachen, 126. Vgl. von Barloewen, Clown, 31/33. Barbara Ränsch-Trill (Harlekin, 103 – 117) zieht eine Linie der literarischen Harlekinaden von den kathartisch-unterhaltsamen Münchhausen-Erzählungen über Jean Pauls unversöhnlich-gesellschaftskritische Erzählung Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch (1801) bis zu Thomas Manns diabolischem Hochstapler-Roman Felix Krull (1954). Claudia Erhart-Wandschneider hat gezeigt, dass der moderne Schelmenroman mit seiner spielerisch-karnevalesken Ästhetik auf das postmoderne Paradigma vorausweist (vgl. Das Gelächter, 260 – 264). Hermsdorf, Lachen, 526. Hermsdorf, Lachen, 525. Der barocke Schelmenroman Simplicius Simplicissimus (1668/69) des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen lässt die Stimme der Wahrheit und der Vernunft im commedia dell’arte-
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Figaro in Beaumarchais’ Komödie (Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit, 1784). Das unbezwingbare gleichsam „philosophische Lachen“ des Schelmen markiert dessen prekäre Position zwischen „Freiheit und Bestimmung, Anpassung und Widerstand“.¹⁴⁸ In Deutschland repräsentiert Till Eulenspiegel,¹⁴⁹ in Frankreich der Gil Blas aus Alain-René Lesages Pikareske (Histoire des Gil Blas de Santillane, 1715 – 1735), in Tschechien der Schwejk Jaroslav Haseks (1911– 1923)¹⁵⁰ den „sozialen Typus“¹⁵¹ des Schelmen, dessen Verhaltensstruktur in erheiternder Weise mit den gegebenen Klassenverhältnissen kollidiert. Als recht- und besitzloser Vagant besitzt dieser Typus einen Hang zum anarchischen Einzelgängertum, in der Rolle des komischen Abenteurers und Provokateurs¹⁵² und mit dem naiven
artigen Spiel der Verkehrung hörbar werden (vgl. von Ingen, Komik, 233). Szenen derber Vitalkomik übernehmen die Funktion eines konfessionssatirischen Performativs oder der allegorischen Vanitas-Entlarvung (vgl. Uwe Wirth, „…Habt ihr denn keine Mäuler mehr?“, 187). Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 230. Der „Lachgestus“ des Till Eulenspiegel demonstriert „Listigkeit, Narrheit, […] unverschämte Schalkhaftigkeit“ (Sebastian Coxon, Hehe!, 149) und „heitere Gelassenheit“ (Kremer, Das Lachen, 67): Mit seinen Possen und Streichen und seiner humoristischen Lust am Grotesken steht Eulenspiegel für den Protest des unterdrückten Bauernstandes und für die Selbstbehauptung des Einzelnen gegen die „bürgerliche Gesellschaft“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 156). Vgl. auch Kremer, Das Lachen, 67 und von Ingen, Komik, 227. Eulenspiegels Vorliebe für den Betrug erinnert an das „normkonträre Verhalten“ (Kuper, Zur Semiotik, 152) des Tricksters. Auf Eulenspiegels Schultern steht zum Beispiel der Hauptmann von Köpenick, der mit einem Streich den Formalismus des preußischen Obrigkeitsstaates entblößt (vgl. Hermsdorf, Lachen, 533). Carl Zuckmayer hat ihm in seinem Theaterstück ein Denkmal gesetzt (Der Hauptmann von Köpenick, 1931). Während sich hinter der Gerissenheit Eulenspiegels bäurische Dummheit versteckt, verbirgt sich hinter der äußerlichen Blödheit des Prager Hundehändlers Schwejk das Geistreiche (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 238). Die „halbhohe“ (246) Erzählperspektive des Hundes ermöglicht ein pointenloses Schwadronieren, dessen groteske und hochamüsante Kapriolen „das gesellschaftliche Unbewusste“ (245) enthüllen. Schwejks angstfreie „Haltung […] des naiven Spottes oder der zynischen Naivität“ (259) durchbricht „für einen Moment“ die Eigengesetzlichkeit der Dingsphäre, genauer: den „versteinerten, bösartigen Zusammenhang“ (258) der unwirklichen Dingherrschaft, wie sie nicht zuletzt die monströse Bürokratie im k.u.k-Reich darstellt (vgl. Hermsdorf, Lachen, 534 f.). Hermsdorf, Lachen, 529. Im orientalischen Kulturraum gab es mit dem Nasreddin Hodscha (13./14. Jahrhundert) eine berühmte paradigmatische Schelmenfigur, dessen Erbe die Mullahs, volkstümliche Wanderprediger, antraten (vgl. Stoessel, Lob, 199 – 203). Vgl. Hermsdorf, Lachen, 532 f. Besonders im „englischen, holländischen und […] deutschen Schelmenroman“ (Hermsdorf, Lachen, 533) des 17. Jahrhunderts ist der Typus als Verbrecher oder räuberischer Bürgerschreck gekennzeichnet: Neben Till Eulenspiegel und Grimmelshausens Simplicissimus seien der Guzmán de Alfarache (1599), Daniel Defoes Moll Flanders (1722) und der Macheath aus der Beggar’s Opera (1728) erwähnt, aus dem in Brechts Dreigroschenoper (1928) Mackie Messer wurde. Für die literarische Figur gab es häufig historische Vorbilder: Der kriminelle Pariser Dichtervagant François Villon (1431– 1463) stand Pate für viele „pikareske Antihelden“
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Blick des Kindes vermag er es, die Risse im überkommenen Ordnungsgefüge aufzuzeigen¹⁵³ und überlebte Moralvorstellungen und Machtansprüche ad absurdum zu führen.¹⁵⁴ Rezeptionsgeschichtlich gewinnt der komische Anti-Held das Format einer in sich widersprüchlichen „mythischen Gestalt“¹⁵⁵. Die für die Weltsicht des Schelmen konstitutive „Metapher des Welttheaters“ verweist darauf, dass es dem Schelmen auf dem Weg in die Moderne um die Entlarvung der „Welt in ihrer Totalität“¹⁵⁶ geht. Der moderne Schelm spielt mit der Welt und sich selbst im Stil der „clownesken Entgrenzung“¹⁵⁷. Sein Lachen folgt der Erfahrung des Tragischen, dem nihilistischen oder erkenntnistheoretischen Schock und zielt auf die Anerkennung von Mehrdeutigkeit.¹⁵⁸ Denn seit der Wende zur Neuzeit sind die Schelmenfiguren „nicht mehr Werkzeug der Götter, sondern der Geschichte“¹⁵⁹ und sie verkörpern eine weltliche, dionysische Heiterkeit, die noch im letzten Augenblick vor dem Tod gegen die
(Dieter Arendt, Vom Lachen unter dem Galgen, 91). Der Großkophta aus Goethes Opera buffaEntwurf Die Mystifizierten (1792) wurde durch den religiösen Hochstapler Cagliostro inspiriert, der spanische Pikaro durch die armen Kleinkriminellen einer Epoche der sozioökonomischen Desintegration, Gil Blas durch die Unterweltexistenzen „in der zerfallenden aristokratischen Gesellschaft Frankreichs“ (Hermsdorf, Lachen, 532). Der Hochstapler Georges Manolescu, einer von vielen Pikaros in der Weimarer Republik, die ihre Narrenabenteuer in „vielgelesenen Memoiren“ (534) präsentierten, war das Vorbild für Thomas Manns Felix Krull. Vgl. Hermsdorf, Lachen, 529/532. So travestieren die Geschichten von Schelmen und Vaganten, die Chaos anrichten, das „frühbürgerliche Wertverständnis“ mit seinen „zweckrationalen Klugheitsregeln“ (Kuper, Zur Semiotik, 142) und seinem „affektkontrollierten Leibeskanon“ (186). Klaus Hermsdorf stellt fest, dass der Triumph schelmischer Schlauheit im geistigen Klima historischer Sattelzeiten besondere Resonanzen findet und das Lachen über die bloßgestellte Macht oft am „Vorabend gesellschaftlicher Umbrüche“ (Lachen, 530) erschallt. Vgl. auch Kuper, Zur Semiotik, 182. Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 126. Erhart-Wandschneider kritisiert die „Mythisierung der Pikaro-Gestalt“, in der sich häufig nur die „domestizierte Irrationalität“ (Das Gelächter, 270) des pseudo-rebellischen „bürgerlichen Intellektuellen“ (269) selbst bespiegelt. Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 202. Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 232. Das „anarchische Lachen“ der Schelmenfigur legt die „Destruktion von Logik und Ordnung“ (Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 271) frei. Vgl. Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 234. Shakespeares Narren, z. B. in König Lear (ca. 1605) oder Was ihr wollt (1601), sind in diesem Sinne Philosophen gewesen (vgl. Dimitri, Humor, 92). Mit ihrer „hintersinnigen, auf die Sprache konzentrierten Komik“ (Haekel, Von Bottom, 219) gelten sie als äußerst vielschichtig. Hermsdorf, Lachen, 529. Constantin von Barloewen skizziert eine weitere kulturgeschichtliche Entwicklung, nämlich die Ablösung des „satanischen Clowns“, der die mythologische Ordnung ex negativo bestätigte, durch die vernunftbegabten, tölpelhaft-liebenswerten, unendlich traurigen Clowns der Moderne, vom Narr Königs Lears bei Shakespeare über Goldonis „wortkargen Diener“ (Clown, 70) bis zu den Figuren Nestroys.
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Vergänglichkeit des Daseins aufbegehrt.¹⁶⁰ So lassen sich die Schelme der Galgenschwänke als „pervertierte Heilige“ charakterisieren: Ihr Lachen ertönt als „verzerrtes Echo des betenden Ernstes“, es „kokettiert freimütig mit dem Nichts“, tritt an die Stelle des abwesenden Gottes und synthetisiert auf diese Weise „Humor und Religion“.¹⁶¹ In diesem Sinne hat Heinrich Heine das Rollenbild des modernen Dichters, der die Gesellschaft dadurch repräsentiert, dass er ihre Gebrechen und seine eigenen Leiden kurzschließt,¹⁶² in der Verkleidung des „Narren und Menschheitsretters und zuletzt […] des aussatzbehafteten Klerikus mit der Lazarusklapper“¹⁶³ transzendiert und damit wieder Anschluss an die Schelmentradition¹⁶⁴ und die ästhetischen Spielformen des dionysischen Lachens gefunden. Das „Klingeln der Schellenkappe“ oder das „Kichern aus Nirgendwo“, das in Heines Lyrik ertönt, verhilft dem Dichter dazu, noch das „Grauenhafteste lachend“¹⁶⁵ zu ertragen.¹⁶⁶ Heines Lachen fängt die Erfahrung des „Widerspruchs und des Todes“ aber nicht deswegen auf, weil es sich an den „Ewigkeitstrost der Jenseitsreligion“ ¹⁶⁷ klammert, sondern weil es den Augenblick bejaht. Den Zwiespalt zwischen diesseitiger
Vgl. D. Arendt, Vom Lachen, 101 f. und Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 234. D. Arendt, Vom Lachen, 102. Vgl. Brummack, Heines Lachen, 13. Wenn Goethe der Verzweiflung die poetische Leidensaussprache entgegensetzte, dann entsprach er diesem überkommenen poetischen Selbstverständnis (vgl. Brummack, Heines Lachen, 11). Brummack, Heines Lachen, 14. Auch für den Sturm und Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz war das närrische Lachen ein Schlüssel für die künstlerische Poiesis: Das Romanfragment Der Waldbruder (1776) deutet es an: „Lachst du? Narr, wenn du lachen kannst, so ist alles gewonnen“ (J. M. R. Lenz, Werke und Briefe, Bd. 2, 387). In Dichtung und Wahrheit (1808 – 1831) disqualifizierte Goethe rückblickend unter Berufung auf den klassischen Normenmaßstab die clownesken Tiraden des Lenz als „zweckfreie Exzentrik“ (Ariane Martin, Bald abgeklungenes „Lachfieber“, 66), die sich den Anschein des Vernünftigen gebe und unzulässig mit Sinnansprüchen aufgerüstet sei. Die Rezeptionsgeschichte folgte Goethes Urteil. Obwohl Lenz’ Bühnenstücke Elemente einer parodistischen oder grotesken Komik enthalten, tilgte sie das Lachen aus dem Lenz-Bild und dem werkgeschichtlichen Deutungsrahmen (vgl. 61– 77). Brummack, Heines Lachen, 22. Auf der anderen Seite führen die „unbekümmerten, traumhaft-irrealen, verwegenen Außenseitertypen“ (Wertheimer, Geflecht, 49) in Heines Prosa vor Augen, dass die Lage schlemihlscher Vaganten im 19. Jahrhundert in dem Maße prekärer wurde wie antisemitische Stimmungen das gesellschaftliche Klima prägten. In der Transitzone „zwischen Ghetto und feindlicher Gegenkultur“ entzündet sich das „absurde, obskure“ (49), das „hybride oder panische Gelächter“ (49 f.) des Narren Jäkel und des clownesken Nasenstern in der Erzählung Rabbi von Bacherach (1840), das als „affektische Überreaktion im Kontext von Angstzuständen“ (50) zu verstehen ist. Brummack, Heines Lachen, 18. Im Gedicht Rückschau (1851) holt das Lachen den Tod durch Ironisierung des Trostgedankens ins Leben hinein (vgl. Brummack, Heines Lachen, 24).
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Genussorientierung und unbedingter Schwärmerei hebt Heine als Harlekin auf,¹⁶⁸ der mittels einer Sprache der Überschreitung eine nicht-sprachliche, spirituelle Wahrheit zum Leben erweckt, die sich im Körper, in der Liebe, in geschichtlichen Erfahrungen, in der „verlorenen Kindheit“ und „angehaltenen Revolution“¹⁶⁹ verbirgt, eine weise Narrheit,¹⁷⁰ die den „Gedanken der Emanzipation“ und das „gegenwärtige Leben“¹⁷¹ verbürgt. Das „Lachen der Unabhängigkeit“¹⁷² und der Selbstbehauptung,¹⁷³ das Heine im literarischen Spiel mit dem Leser beschwört,¹⁷⁴ ist eine „Chiffre für [sein] gesamtes Weltverhältnis“¹⁷⁵. Ansätze einer Rehabilitierung der karnevalesken Lachkultur finden sich schließlich bei Hegel, der gegen die Dominanz des „klassizistischen Antikebildes“¹⁷⁶ an den Gegenpol, die aristophanische Komik erinnerte.¹⁷⁷ An einer ästhetischen und narrativen Erneuerung der von Aristophanes über die „mittelalterlichen Eselsfeste“¹⁷⁸ bis Rabelais verlaufenden Traditionslinie versuchte sich Vgl. Brummack, Heines Lachen, 13. Der Harlekin repräsentiert nach Jean Paul jenes Lachen der Romantiker, das zwischen dem „Endlichen und dem Unendlichen“ (Ränsch-Trill, Harlekin, 75) versöhnt und die Zwiespältigkeit moderner Welterfahrung, die Kluft zwischen der dinglichen und der ‚sentimentalischen‘ Welt überwindet. Er ist Vorbild für die Bewältigung von Kontingenzerfahrungen und die Anerkennung der metaphysischen Wahrheit, dass zum Dasein dunkle und helle Seiten gehören. Auch das Lachen des melancholischen Pierrot verweist auf das Ineinander von Heiterkeit und Ernst (vgl. 86 f.). Brummack, Heines Lachen, 17. In der fragmentarischen Verserzählung Bimini (1853/54) erfindet der Dichter ein Narrenschiff, dessen Passagiere die Leser selbst sind, „begleitet von dem Gekicher und Gelächter schnippischer Undinen aus der Meerestiefe“ (Brummack, Heines Lachen, 23). Im komischen Epos Atta Troll (1847) mobilisiert Heine das „Lachen des Gassenjungen“, der den bornierten Zeitgenossen den Zerrspiegel vorhält und gegen den philisterhaften Zeitgeist die „heiligsten Ideen“ (19) der Menschheit zur Geltung bringt. Brummack, Heines Lachen, 17. Brummack, Heines Lachen, 11. Vgl. Brummack, Heines Lachen, 8. Dieses Lachen thematisiert Heine auch im dritten FreskoSonett an Christian S. (1817– 1826). Vgl. Brummack, Heines Lachen, 8. Vgl. Brummack, Heines Lachen, 11. Brummack, Heines Lachen, 8. Burkhardt Lindner, Das Lachen im Tempel, 274. Im ironischen Maskenspiel des Komödiensubjekts erkennt Hegel (Phänomenologie des Geistes, 397 ff.) eine Befreiung von der schicksalhaften Notwendigkeit und der Furcht vor den Göttern in der Tragödie (vgl. Hebing, Geschichte, 110 f.). Im „heimgekehrten Lachen“ (111) tritt die Individualität hervor, erwacht der Geist zu sich selbst. Wenn das „fröhliche Ende der Komödie“ auf eine „freiheitlich ausgelassene Lebensbejahung“ hinausweist, dann setzt diese karnevaleske Utopie „das Lachen der selbstsicheren Subjektivität“ (112) voraus. Die Hegel-Schüler Heinrich Theodor Rötscher und Bruno Bauer haben den Gedanken der „lachenden Revolution“ (112) mit staats- oder religionskritischer Stoßrichtung weiterverfolgt. Lindner, Das Lachen, 275.
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Jean Paul, der auf die „Krise der Kunst“¹⁷⁹ in der Moderne mit der metaphysischen Konzeption des satirischen Humors und der parodistischen Weltsatire antwortete. Die romantische Revolte gegen den Kult der Ordnung in der Weimarer Klassik wird sinnfällig im entfesselten Lachen des Jenaer Kreises bei der Lektüre von Schillers Glocke (1799).¹⁸⁰ Dieses kollektive Gelächter quittiert die ungewollte Ironie des Gedichtes, das den vitalen Tribut an die normative Ordnung pathetisch leugnet.¹⁸¹ Auch Bonaventuras Nachtwachen (1804) richten sich in der Radikalität ihrer Ästhetik der Bedeutungsvernichtung und der Enttabuisierung des Leibes satirischsubversiv gegen das „Opfer an Sinnlichkeit und Gesellschaftskritik, das der Kult des schönen Scheins und das klassisch-humanistische Maß verlangten“.¹⁸² Dem Scheitern der ästhetischen Autonomiebestrebungen und des idealistischen Ringens nach der Unsterblichkeit der Seele trotzen sie ein Lachen ab, das nicht nur als Reflex auf, sondern auch als Heilmittel gegen die „nihilistische Weltverzweiflung“¹⁸³ zu verstehen ist. Zwar haben die in der „grotesken Gestalt des Leibes“ kristallisierten „sinnlich-materialistischen Erfahrungen“¹⁸⁴ in der solipsistischen Erfahrungs- und Reflexionsstruktur des Ich-Erzählers nur noch eine geringe Bedeutung und die karnevalistischen Kollektivpraktiken spielen in der literarischen Frühmoderne ebenfalls keine Rolle mehr. Doch zumindest in reduzierter Form wirkt in den Nachtwachen die alte subversiv-utopische Lachkultur im Dienste eines avanciert „aufklärerischen Literaturmodells“¹⁸⁵ fort. Besonders eindringlich hat Friedrich Nietzsche den Gegengeist der karnevalesken Ästhetik wieder beschworen. Nietzsche postuliert ein Lachen, das der „Freude am Unsinn“¹⁸⁶, dem Spiel der Einbildungskraft mit dem Beliebigen, Zwecklosen entspringt, und ruft auf zum „Karneval großen Stils, zum geistigsten Fasching-Gelächter und Übermut, zur transzendentalen Höhe des höchsten
Lindner, Das Lachen, 276. Vgl. Peter von Matt, Lachen in der Literatur, 92. Das Lachen der Jenaer Romantiker ruft die Gegenwart auf, es annihiliert den Zukunftsaspekt der Glocke, die das „geschichtliche Selbstverständnis einer Gesellschaft“ reflektiert, die programmatisch auf den Aufbau einer Ordnung ausgerichtet ist und das Lachen nur als Angriff auf die „historisch überlebten“ (von Matt, Lachen, 99) oder oppositionellen Ordnungssysteme erlauben kann. Vgl. von Matt, Lachen, 95 ff. Das Individuum vollzieht mit dem Lachen auch einen Aufstand gegen sich selbst, insofern als es Teil dieser Ordnung ist (vgl. von Matt, Lachen, 100). Das Zwerchfell registriert eher als das Denken den „Rand der Ordnung“ (96). Lindner, Das Lachen, 279. Lindner, Das Lachen, 279. Lindner, Das Lachen, 276. Lindner, Das Lachen, 276. Friedrich Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, KSA 2, 174.
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Blödsinns und der aristophanischen Welt-Verspottung“.¹⁸⁷ Dies ist der Aufstand der Sklaven am Saturnalienfest gegen die unerbittliche Herrenmoral¹⁸⁸ und die Herrschaft der Theorie, die Befreiung des Körpers von der „rationalen Kontrolle des Ichs“¹⁸⁹, von Kohärenzzwängen und intellektuellen Machtbedürfnissen. Die Hingabe ans Dionysische bedeutet „spielend, tanzend, lachend, närrisch, maskiert, böse, frech und übermütig“¹⁹⁰ zu leben. Der angstvoll in sich gekrümmte Mensch richtet sich im dionysischen Lachen auf, er wird seiner kreatürlichen Lebendigkeit gewahr¹⁹¹ oder, m. a.W., er erlebt die „Auferstehung des Leibes“, die mit der „Befreiung des Geistes“¹⁹² koinzidiert. Die „Kunst des Lachens“¹⁹³ ist somit eine Kunst der Selbst-Überschreitung, des Über-sich-Hinwegtanzens, der Distanzierung von allen „schmerzerfüllten Dissonanzen“¹⁹⁴. Die Tragödie geht in der „ewigen Komödie des Daseins“¹⁹⁵ auf. Nietzsche schwebte ein mentalitätsgeschichtlicher Lernprozess vor mit dem Ziel der Verwirklichung des dionysischen Existenz- und Lachprinzips.¹⁹⁶ Der dem Dionysischen verschriebene Mensch findet im Lachen einen Wahrheitsmodus, der die Welt der Zweckgebundenheit transzendiert.¹⁹⁷ Er tritt ein in die Existenzweise der Eigentlichkeit,¹⁹⁸ die sich nicht psychologisch oder physiologisch beschreiben lässt. Die Abkehr von „platonisch-christlicher Weltflucht“ und Jenseitsorientierung zugunsten einer radikalen Affirmation dionysischer Lebendigkeit läuft jedoch nicht auf eine anarchische Daseinsform, sondern auf neue „apollinische Ordnungen“ hinaus: „Zarathustras Lachen entpuppt sich […] als Motor des mutwilligen Zerbrechens alter Gebotstafeln und einer revolutionären Umwertung bei der Selbstüberwindung oder einem historisch-kulturellen Paradigmenwechsel hin zu höheren Werten und Zielen“.¹⁹⁹ Es gibt nicht einfach dem Unvollkommenen, Ordnungswidrigen Recht, sondern erneuert „Mut und Schöpferkraft“²⁰⁰.
Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, KSA 5, 157. Vgl. Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, KSA 2, 174. Köhler, Differentes Lachen, 53. Hartmann, Über das Lachen, 215 ff. So hat Nietzsche im Zarathustra das Bekenntnis formuliert, er könne nur an einen tanzenden Gott glauben (vgl. KSA 4, 49 und KSA 13, 526). Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 215 ff. Stauß, Schauriges Lachen, 34. Ries, Das Lachen, 118. Ries, Das Lachen, 117. Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, KSA 3, 372. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 220. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 219. Mit der ontologischen Aufwertung des Lachens geht Nietzsche wesentlich über die Deutungsansätze der philosophischen Tradition hinaus (vgl. Hartmann, Über das Lachen, 200). Dagmar Fenner, Warum lacht der Mensch?, 21.
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Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erprobten deutsche Literaten mit dem Schelmenmotiv die Möglichkeiten „hermetischer“²⁰¹ Existenz in der modernen Gesellschaft, so Gerhard Hauptmann mit der Mutter Wolffen im Biberpelz (1893), in Der Rote Hahn (1901) oder im Eulenspiegel-Epos (1928), Heinrich Mann mit dem Andreas Zumsee im Schlaraffenland (1900), Frank Wedekind im Marquis von Keith (1901), Carl Sternheim mit dem Theobald Maske in Die Hose (1911), Bertolt Brecht mit dem Leben des Galilei (1939) und der Mutter Courage (1938/39), mit dem Schwejk im Zweiten Weltkrieg (1943) und dem Azdak des Kaukasischen Kreidekreises (1944/45) und natürlich Thomas Mann mit dem Josef der Romantetralogie Josef und seine Brüder (1933 – 1943) und dem Felix Krull (1954)²⁰². Franz Kafka schlüpfte als Autor gewissermaßen selbst in die Rolle des poetischen Hofnarren, der sein groteskes Spiel mit dem Leser treibt.²⁰³ Der Lachtypus in seiner Prosa bemisst sich an der Position und dem Habitus des Schlemihls, dem „traurig-komischen Versager oder Verlierer“²⁰⁴ aus dem jiddischen Kulturraum, der seinen Außenseiterstatus mit dem Spott über die gesellschaftlichen Ordnungen kultiviert.²⁰⁵ Das Lachen von Kafkas Schlemihls speist sich aus dem Im-
Fenner, Warum lacht, 38. Das existenzformende Lachen, das die Vision vom neuen Menschen prägt, unterscheidet sich kategorial vom „Herdenlachen […] kollektiver Uneinsichtigkeit und intellektueller Starrheit“ (Mario Bührmann, Zarathustras Lachen, 228) oder dem Lachen des Heiligen, der die paradoxale Redeweise Zarathustras nicht versteht (vgl. Ulrich Klingmann, Ein Dämon, welcher lacht, 41). Es hat eine andere Qualität als das „gewöhnliche Lachen“ (Bührmann, Zarathustras Lachen, 224), die kümmerlich-profanen, ja geradezu hilflosen Lach-Reflexe der Zeitgenossen auf die Hegemonie der Zwänge und Zwecke in der verwalteten Welt (vgl. Hartmann, Über das Lachen, 222 f.) oder die Boshaftigkeit des wiehernden Gelächters (vgl. Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, KSA, Bd. 2, 330). In einigen Schriften Nietzsches kommentiert das Lachen die Unredlichkeit, Bequemlichkeit und Eitelkeit im Denken der Zeitgenossen (vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 222 f.). Es bringt die Verachtung gegenüber der „Mittelmäßigkeit der Mitmenschen“ zum Ausdruck und fungiert damit als dynamischer Impuls einer „Rückzugsund Individuationsbewegung“ (223). Hermsdorf, Lachen, 536. Vgl. Hermsdorf, Lachen, 536 und Stoessel, Lob, 123. Im Prozess (1914/15) wimmelt es von Anspielungen auf historische Ereignisse oder Figuren: Der Roman zeichnet die „grotesken Züge der österreichischen Politik“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 298) nach und führt die „tollen Sprünge“ (293) der Geschichte vor. Thomas Koebner, Lachen ohne Grenzen?, 56. Vgl. Wertheimer, Geflecht, 48 f. Ezra BenGershôm hat in seiner kenntnisreichen Studie zur Literaturgeschichte des jüdischen Humors dargelegt, wie der „Humor der Unterdrückten“ (Der Esel, 34) mit der Aufklärung im späten 18. Jahrhundert nuancierter in Erscheinung trat und die zuletzt wirkungslos gebliebene satirische (Selbst)Kritik im Laufe des 19. Jahrhunderts abgelöst wurde durch den Schlemihl, den „jüdischen Narren“ (40), der gegen den unausrottbaren „antisemitischen Spott […] an seinem Erwählungsglauben“ (43) festhält und mit seiner heillosen Naivität und Weltfremdheit nicht nur (unbeabsichtigt) Lachen provoziert, sondern auch seiner-
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puls des Aufbegehrens gegen das gesellschaftliche oder metaphysische Verhängnis, in das sie immer tiefer hineingeraten, es hat daher den Charakter eines blasphemischen, orgiastisch-respektlosen „absoluten Gelächters“²⁰⁶. In Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz (1929) und Günter Grass’ Blechtrommel spiegelt sich die närrische Wahrheit in der Literarästhetik des Grotesken. Döblin hat an der Figur des Franz Biberkopf nicht nur den Untergang des aufklärerischen Ideals von der Autonomie des Subjekts demonstriert, sondern auch die lächerliche Selbsttäuschung über die geschichtliche Fremdbestimmung hinweg.²⁰⁷ Die Hauptfigur Franz Biberkopf degeneriert zur kriminellen UntotenExistenz und damit zum Anti-Helden oder, anders gesagt: zur grotesken Zerfallserscheinung des „humanistischen Aufklärers“²⁰⁸. Grass’ Roman setzt mit seinem makaber-zynisch gefärbten humoristischen Gewebe die Tradition der „barocken Schelmengeschichte“²⁰⁹ fort. Groteske Szenarien wie das Lachen und Tanzen der „aus den Fugen“²¹⁰ geratenen Dingwelt²¹¹
seits von „jüdischen Humoristen“ (89) ironisiert wird. Woody Allen hat den Schlemihl, der in der Erzählliteratur noch bei Isaac Bashevis Singer und Saul Bellows weiterlebte, unter dem Einfluss der subversiven (Selbst)Ironie und skeptizistisch-antiautoritären Komik des Judentums für die kritische Auseinandersetzung mit der konformistischen Leistungsgesellschaft wiederentdeckt (vgl. Brandlmeier, Das Groteske, 242). Dem „Wanderer zwischen den Hochhausschluchten“ (Werner Schneider, Die Mutter, die Stadt und die Psychoanalyse, 119) wird das Kontingenzleiden und wiederholte Scheitern erträglich, wenn er über sich selbst lacht; der Kinobesucher lacht befreit über die vergeblichen Versuche des Schlemihls, es auf die Sonnenseite des Lebens zu schaffen (vgl. Koebner, Lachen, 56). Wertheimer, Geflecht, 48. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 340 ff. Stollmann, Groteske Aufklärung, 340. Döblin hat mit Berlin Alexanderplatz einen Bildungsroman als Farce geschrieben, die das „Kriminelle als Schwundstufe des Politischen“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 362), als „Scheitern der Vergesellschaftung von Gewalt und Liebe“ (364) literarisch visualisiert. In einer Gesellschaft, in der sozio-ökonomische Determinanten und geschichtliche Kontingenzen närrische Tänze vollführen, gibt es keinen Begriff vom Tragischen und darum „auch keine Komödie mehr“ (365). Der posttragische Raum ist der Resonanzboden der Groteske mit ihrer unentschiedenen Wirkungsästhetik: Sie ruft Lachen oder Weinen hervor (vgl. 365). Hans Wißkirchen, Das Lachen in Zeiten des Krieges, 237. Wißkirchen, Das Lachen, 241. Als das „Kinderzimmer in der Wohnung des ehemaligen Oberpostsekretärs“ (Wißkirchen, Das Lachen, 240 f.) von einer Granate getroffen wird, gewinnt es den Anschein eines komischen Musiktheaters; die Dinge zerbröseln und zerstäuben, als ob sie dabei lachen würden. Grass hat in der Blechtrommel auch die Reichskristallnacht karnevalesk geschildert (vgl. Steinlein, Das Furchtbarste, 100 f.).
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oder der lächerliche Tod Alfred Matzeraths²¹² codieren die elementare Erfahrung des Krieges: Gängige Werte sind auf den Kopf gestellt, die Affektgrenzen werden durchlässig.²¹³ Der verwachsene Pikaro Oskar Matzerath trommelt die Vergangenheit herbei und gegen ihre Verdrängung an, er ist der ‚umgepolte Säulenheilige‘, berufen vom Holzfigur-Jesuskind der Herz-Jesu-Kirche, „allen Erlösungslehren, woher sie auch kommen, dem Christentum wie dem Marxismus, dem Nationalsozialismus wie dem Goetheschen Humanismus wie der Wohlstandsreligion“²¹⁴ den närrischen Einspruch seiner Trommel entgegenzusetzen. So hat die literarische Schelmenfigur ihren Platz im fiktionalen Arrangement behauptet. Im absurden Theater Becketts, Ionescos und Genets, das in Paris nach dem zweiten Weltkrieg einen bemerkenswerten Aufschwung erlebte, manifestiert sich die närrische Wahrheit in „Nonsense-Aktionen oder Nonsense-Sprache“²¹⁵. Ionesco hat die Dekonstruktion der sprachlich verfassten Wirklichkeit als eine „magische Transformation“²¹⁶ verstanden, die das „Wunder der Existenz“²¹⁷ sinnfällig macht. Die „Erfahrung des Absurden“²¹⁸ schlägt sich daher nicht unbedingt in Entsetzen, Schwindel und Angst nieder, sie kann auch in Euphorie und befreiendes Lachen münden.²¹⁹ Samuel Becketts Clowns Wladimir und Estragon
Oskar Matzeraths Vater verschluckt sich tödlich an der Nadel des Parteiabzeichens: „Nun würgte er an dem sperrigen Bonbon, lief rot an, bekam dicke Augen, hustete, weinte, lachte und konnte bei all den gleichzeitigen Gemütsbewegungen die Hände nicht mehr oben behalten“ (Günter Grass, Die Blechtrommel, 518), weshalb ihn die ahnungslosen russischen Soldaten erschießen. Vgl. auch Wißkirchen, Das Lachen, 248. Vgl.Wißkirchen, Das Lachen, 239. So heißt es über Klepp, dass das Weinen ihn amüsiere und er beim Begräbnis einer Tante, mit der er durchaus persönlich verbunden war, besonders ungeniert gelacht habe. Umgekehrt belustigt Oskars Narrenkleid beim Düsseldorfer Karneval die Menschen nicht, sondern erschreckt sie (vgl. Wißkirchen, Das Lachen, 239). Volker Neuhaus, Die Blechtrommel, 136. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 216. Ein wichtiger Vorläufer der dramensprachlichen Kunst des Absurden war Alfred Jarry (1873 – 1907), ein exzentrischer schalkhafter Bohemien, dessen Gesamtwerk als großer Streich einer beeindruckenden Gelehrsamkeit verstanden werden kann. Jarrys Theaterzyklus um den unförmigen Ubu und andere groteske Gestalten setzt lächerliche Handlungen und Dialoge todernst in Szene. Sein (sog. neo-wissenschaftlicher) Roman Taten und Meinungen des Doktor Faustroll, Pataphysiker (1911) stellt eine schwer verständliche Enzyklopädie des Nonsens dar. Nach Jarrys Tod arbeiteten renommierte französische Autoren an einer eigens gegründeten Universität der Pataphysik „nur halb im Scherz“ (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 210). P. L. Berger, Erlösendes Lachen,216. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 215. Das übersetzte Zitat entstammt Eugène Ionesco, „Mes pieces et moi“, in: Notes et contre-notes, Paris 1966. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 216. In der fernöstlichen Mystik vergegenwärtigen die Zen-Techniken (vgl. I.1.6) in gewisser Weise die „Weltsicht des Absurden“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 216): Die koans stellen witzige,
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trotzen in Waiting for Godot (1952) der Leere des Daseins in einer erschütternd sinnlosen und doch würdevollen Pose.²²⁰ Dem ersterbenden Lachen des Zuschauers, der seine „Vorstellungsgegenstände von Clownerie und Rettung“²²¹ als Zwangsmechanismus aufscheinender und wieder erlöschender Projektionen durchschaut,²²² entspricht das strangulierte Lachen der Dramenfiguren angesichts der Misere der conditio humana, das jedoch als Moment der Selbsterkenntnis und Subjektwerdung einen unverwüstlichen Kern humaner Größe bewahrt und damit utopisch über sich hinausweist (vgl. auch I.3.7.1).²²³ Neben den Protagonisten auf der Theaterbühne des Absurden erprobten der Surrealismus und der Kubismus²²⁴ den Ausbruch aus der „aufgeklärten Lachkultur“²²⁵ öffentlicher Rationalität. Die Dadaisten übersetzten Nietzsches „verzweifelnd-bejahendes Lachen“ in die Kunst der „laut lachenden Subversion“²²⁶ und legten es ihrer anarchistischen Skepsis zugrunde.²²⁷ Mit „Unsinnsgedichten, Lautpoesie, destruierten Montagen oder Zufallskunst“, d. h. mit einer Kunst, die die Akzeptanz des tödlichen Chaos und die Revolte der Komisierung des Schrecklichen miteinander verschränkt, trotzten sie der Verzweiflung angesichts der „Destruktion des Ersten Weltkrieges“.²²⁸ Der „Rhythmus moderner Poesie“ passte sich dem „zerfetzten, unterbrochenen, fragmentarischen Laut“²²⁹ des La-
parabelartige Rätsel dar, für die es keine sprachlich und logisch kohärenten Lösungen gibt. Die Antwort kann nur eine Erleuchtung oder spirituelle Haltung sein bzw. die am dekonstruktiven Denken geschulte Fähigkeit zur Selbstironie (vgl. 51 f.). Vgl. Jurzik, Der Stoff, 188 f. Im Endgame (1957) spielt die Figur des Clov den lachenden Clown (vgl. Norbert Greiner, Beckett und das Lachen, 131). Wolfgang Iser, Die Artistik des Misslingens, 26. Die Beckettsche Dialogkunst entzieht dem Lachen über das Clownspaar die noetische Grundlage (vgl. Iser, Die Artistik, 26). Die kontinuierliche Desavouierung seiner Deutungsversuche macht den Zuschauer selbst zum Clown, der sich jedoch zu sehr mit den „imaginären Anteilen“ seiner sprachlichen Bedeutungskonstrukte identifiziert, um „sie im Lachen zum Unernst […] erklären“ (57) zu können. Vgl. N. Greiner, Beckett, 135. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 151. Stollmann, Groteske Aufklärung, 80. Hüttinger, Die Kunst, 205. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 143. Hüttinger, Die Kunst, 206. Auch Karl Valentins so genannte Grillenkrankheit äußerte sich in „sprachlichen Katastrophen und Schockmomenten“ (Geier, Worüber, 213): Das Lachen des Publikums über den Widerstreit von erwachsener Sprachvernunft und der „schöpferischen Infantilität“ des Künstlers, die kindlich-regressive Belustigung angesichts des „lustvoll Angeschauten“ (241) hob die Bedrohung jener Momente der Desorganisation wieder auf. Hüttinger, Die Kunst, 207.
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chens an, das stotternde Lachen in den Kunstrichtungen der Moderne und Postmoderne reflektierte fortan den „allgemeinen Werteverlust“²³⁰ (vgl. I.2.4). Die Kultivierung des Unsinns, die ironische Konvertierung jeglicher Inhalte und Formen können Äquivalente eines Modernisierungsprozesses sein, der sich nicht mehr mit vertrauten Erklärungsmustern, moralischen Maßstäben oder ideologischen Kategorien begreifen und kommentieren lässt.²³¹ Loriot popularisierte den „satirischen Unsinn“²³², der ein intellektuell befriedigtes Lachen evoziert; „komödiantische Formen“²³³, die mit der Bedeutungsverweigerung und dem Nonsense spielen, wurden seit den 70er-Jahren attraktiv. Postmoderne Entertainer wie Harald Schmidt oder Helge Schneider unterlaufen mit gezielten selbstreferentiell-medienkritischen Anspielungen²³⁴ die habituellen Rezipientenerwartungen an planvolle Komikproduktion und Pointenlieferung, sie verweigern sich den Systemzwängen und führen dem Zuschauer im Stile einer „Anti-Komik“, eines „radikalen Medien-Dada“²³⁵ die Lächerlichkeit und Konditionierung ihrer Belustigungsrituale vor Augen. Die kulturgeschichtlichen Wandlungen und Variationen närrischer Rede können damit im Hinblick auf sein erkenntnistheoretisches Potential folgendermaßen resümiert werden: Im Zerrspiegel des Narren leuchtet eine dem gewöhnlichen Blick entzogene Wahrheit auf. Diese Wahrheit ist im Schatten des Herrschaftsdiskurses, des ideologischen Verblendungszusammenhangs, der rationalen Projektionen verborgen. Im Sinne Joachim Ritters verhilft sie dem Nichtigen und Marginalisierten wieder zur Geltung, in dem sie ihm Präsenz verleiht.²³⁶ Die närrische Wahrheit setzt somit ein spiegelsymmetrisches Weltbild voraus, in dem die etablierte Ordnung als defizitäres oder konverses Gebilde reflektiert. Dort, wo Narren ihre Stimmen erheben, existiert noch ein Maßstab, der zum Widerstand gegen Missverhältnisse herausfordert oder an dem das Uneigentliche, Scheinhafte sichtbar wird. So ermöglichen sie ein Lachen der Selbstbehauptung in einer „verkehrten Welt“²³⁷. Mit der Moderne setzt eine semantische Verschiebung ein und die Clownerie gewinnt den Charakter einer ästhetischen Denkform, die den Entzug vorgegebenen Sinns und den Verlust noetischer Wahrheitsmaßstäbe reflektiert und die Feier des Unsinns kultiviert.
Hüttinger, Die Kunst, 145. Vgl. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 204. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 199. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 198. Vgl. Hickethier, Vom Fernsehkabarett, 200. Hüttinger, Die Kunst, 210 f. Vgl. Ritter, Über das Lachen, 62– 92. Geier, Worüber, 67.
3.2 Blasphemisches Gelächter
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3.2 Blasphemisches Gelächter: Die Geschichte eines literarischen Motivs In der christlichen Mythologie umspielt das unheimliche, bösartige, unheilverkündende Lachen Luzifers lustvoll die blasphemische Abschüssigkeit und Abgründigkeit. So lacht der Teufel in mittelalterlichen Texten oft, wenn es ihm gelungen ist, Menschen zu verführen oder wenn schlechte Eigenschaften das Wesen des Menschen bestimmen; bei Hugo von Trimberg (13. Jht) lässt er die Selbstsüchtigen lachend „zur Hölle fahren“²³⁸. Der boshaft lachende Teufel ist ein geläufiges Motiv im Volksglauben²³⁹, in mittelalterlichen Sagen, in Heiligenlegenden wie der Legenda aurea (ca. 1264) und in der Bildenden Kunst.²⁴⁰ Wer von ihm besessen ist, verfällt selbst in ein „wahnsinniges, orgiastisches Gelächter“²⁴¹ und ist dem Tode geweiht.²⁴² Die Dämonisierung des Lachens bekundet sich schon in der von Plinius d. Ä. in der Naturalis historia (ca. 77 n.Chr.) erzählten Legende von Zoroaster, dem Erfinder der magischen Künste, der bei seiner Geburt gelacht haben soll.²⁴³ Augustin bezog sich auch auf diese Überlieferung, wenn er die Verbindung des Lachens mit „heidnischer Zauberei“²⁴⁴ moraltheologisch inkrimierte. Im Volksglauben lebten die mythischen Anschauungen fort: Böse Geister oder
Kremer, Das Lachen, 92. In „niederländischen Theatertexten“ (H. E. Keller, Lachen, 36) versucht der Teufel, die Zuschauer zum inopportunen Lachen zu provozieren. Vgl Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 881 ff. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 105. Am rechten Hauptportal des Basler Münsters sieht man das fröhlich-trügerische Lachen zweier skulpturaler Figuren, der „törichten Jungfrau und des Fürsten der Welt“, dessen Rücken dämonisch verunstaltet, von „Kröten, Schlangen und Ungeziefer“ (Busch, Verlorenes Lachen, 1) befallen ist. Hüttinger, Die Kunst, 104 f. Als Sakrileg stellt sich das Lachen schon im mythisch-religiösen Kosmos des antiken Griechenland dar: Es verrät eine Verkennung der ‚heiligen Gesetze‘, des ‚Orakels von Delphi‘ (vgl. Gerrit Walther, Das Lächeln der Klio, 55). In Herodots Historien (5. Jht. v.Chr.) ereilt den lachenden Xerxes die „göttliche Nemesis“ (55.). Diesen Vergeltungsgedanken übernimmt die christliche Lehrtradition: In der Legenda Aurea lacht der „böse Geist“ ungehemmt, aber nicht ungesühnt: „Das Lachen ungläubiger Priester straft Gott mit dem Tode“ (Kremer, Das Lachen, 172). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 30. Der Topos erwies sich als ausgesprochen langlebig: Ungewöhnlich begabten Menschen wie dem Wortakrobaten Rimbaud (1854– 1891) sagte man nach, dass sie lachend das Licht der Welt erblickten (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 31). Im badisch-schwäbischen Raum unterstellte der Volksglaube dagegen, dass das vorzeitige Lachen des Kindes seinen Tod vorwegnimmt oder es als Dämonen kennzeichnet. Lachenden Neugeborenen konnte auch prophezeit werden, dass sie verdummen werden (Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 877). Busch, Verlorenes Lachen, 30.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
unheimliche Wesen lachen, wie eine Vielzahl von „Märchen, Sagen, Gebräuchen, […] Sprichwörtern“²⁴⁵ und sogar Kinderspiele²⁴⁶ bezeugen. Das finstere schadenfrohe Gelächter enthüllt die Identität von „Kobolden und Hexen“²⁴⁷ (vgl. auch I.3.3). Frühneuzeitliche Gelehrte wie die Barockdichter Georg Philipp Harsdörfer (1607– 1658) und der Enzyklopädie-Herausgeber Johann Henrich Alstedt (1588 – 1638) maßen das Lachen an der Vernunftbegabung des Menschen und denunzierten unangemessenes Lachverhalten als Geisteskrankheit bzw. Symptom des Närrischen (vgl. I.1.4).²⁴⁸ Das Wertesystem der Justiz arbeitete mit dem negativen Narrenbegriff ²⁴⁹ der alttestamentlichen Tradition (vgl. II.3.1) und stellte einen Zusammenhang zwischen Gelächter, Kriminalität und Gotteslästerung her. Das „Lachen der Deliquenten“ verriet ihre apostatische Gesinnung, es erschien als Ausdruck einer Ohnmacht, die jederzeit „in Gewalt umschlagen“ und das Ethos und „sozio-ökonomische Regelwerk der Gesellschaft“²⁵⁰ angreifen konnte.²⁵¹ Die
Busch, Verlorenes Lachen, 31. Bei einem Kitzelspiel darf um den Preis eines Pfandes nicht gelacht werden, in einem anderen Spiel-Ritus muss ein Kind drei Mal, ohne zu lachen, über einen Strich springen, um zu beweisen, dass es nicht dem Geisterreich entstammt (vgl. Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 874). Busch, Verlorenes Lachen, 31. Einige Redensarten suggerieren, dass ein Kobold die körperliche Reaktion des Lachens bewirkt (vgl. Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 874 und I.3.3). Vgl. Doms, Lachkrankheiten, 146 f. Dazu zählten das naive Lachen permanenter Verwunderung, das mitleidlose Lachen über Misshandlungen und Grausamkeiten, das manische Lachen im Zustand des Deliriums, das entfesselte Lachen eines erheiterten Kollektivs, das täuschende Lachen des tödlich Erkrankten oder auch die Unfähigkeit über wahrhaft lachhafte Konstellationen zu lachen (vgl. Doms, Lachkrankheiten, 147 ff.). Die medizinische Klassifizierung auffälligen Lachens in der frühen Neuzeit war mit dem moraltheologischen Code für die Identifizierung närrischen Gelächters und die Stigmatisierung sündhafter Selbstverkennung kompatibel; die spätbarocken Narrenrevuen Tomaso Garzonis und Valentin Neiners verweigerten gleichwohl die naturwissenschaftliche Enträtselung und damit die Ent-dämonisierung des „krankhaften Lachens“ (168). Vgl. auch I.1.4. Als „lächerlicher Narr“ (Doms, Lachkrankheiten, 167) galt derjenige, der sich selbst oder andere zu einem törichten Lachen reizt. Er ist damit zugleich das fragwürdige „Subjekt [und] Objekt des Lachens“ (168). Busch, Verlorenes Lachen, 27. Ende des 18. Jahrhunderts wurde im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde detailreich und sensationslüstern der Fall von einem Eremiten erzählt, dessen Wahnvorstellungen und Blasphemien von törichtem Gelächter begleitet waren (vgl. Stefan Busch, Irre, Tod und Teufel, 127 f.). Auch Dokumentationen von Gerichtsprozessen vom Beginn des 19. Jahrhunderts belegen die Abhängigkeit forensisch-juristischer Beweisführung vom überlieferten theologischen Denkschema, das Lachen, Narrheit und Unglaube in einen engen Verweisungszusammenhang stellte (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 30). Das Gelächter des 1835 angeklagten Mörders Pierre Rivière
3.2 Blasphemisches Gelächter
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„aufgeklärte Gesellschaft“ fürchtete „das ausgeschlossene Andere der Vernunft“.²⁵² Der „bürgerliche Sittenkodex“, dem z. B. Lord Chesterfield (1694– 1773) in seinen Briefen Autorität verlieh, wurde nach den Maßstäben „christlicher Ethik“²⁵³ gebildet, so dass auch das ungenierte Gelächter von Libertins wie dem berühmten Chevalier Casanova (1725 – 1798) unter das Blasphemieverdikt geriet.²⁵⁴ Die Internalisierung der pietistischen Lachverbote (vgl. II.1.1) war der Bedingungsgrund für die Entwicklung eines „literarischen Motivs“²⁵⁵. Denn die Aufklärung hielt zwar einerseits am Maßstab moralischer Vernunft und dem sanktionierten christlichen Sittenkodex fest, andererseits löste sie sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von den Geltungsansprüchen der theologischorthodoxen Monoperspektive.²⁵⁶ Begünstigt durch einen „gesteigerten psychologischen Realismus“²⁵⁷ erscholl im literarästhetischen Kosmos des späten 18. Jahrhunderts das Lachen „religiös induzierter Verzweiflung“²⁵⁸, Anfang des 19. Jahrhunderts zunehmend mit apostatisch-atheistischen Leit- und Untertönen. Eine literaturgeschichtliche Motivstudie verdeutlicht die Modifikationen und
denunzierte man als höhnische Reaktion auf die Passion Christi und verortete den Delinquenten damit in jener mythischen Vorstellungswelt, der die antisemitisch gedeutete Sagengestalt des „Ahasver und Wagners Kundry entstammen“ (Busch, Irre, 131). Das „unheimliche Lachen“ (Busch, Verlorenes Lachen, 37) des Verbrechers, das die Gerichtsakten erwähnen, wurde wohl häufig bloß imaginiert, doch ist es auch denkbar, dass sein Provokationspotential von den gesellschaftlichen Außenseitern in einer hochsensibilisierten Umwelt umso bereitwilliger genutzt wurde. Schiller lässt in seinem Drama Die Räuber (1781/82) den Schurkenmonolog des Franz Moor mit dem Lachen des „Menschen-, Welt- und Selbsthasses“ (Prütting, Homo ridens, 1139) beginnen, Edgar Allen Poes Erzählung The imp of the perverse (1845) thematisiert das aggressive Lachen des Verbrechers (vgl. 1136) und noch im frühen 20. Jahrhundert nutzte G. K. Chesterton das Motiv in einer seiner Pater Brown-Erzählungen: Der Mörder entlarvt sich in den Augen des Ermittlers mit seinem dämonischen Lachen (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 27). Busch, Irre, 120. Mit der Auflösung des magischen Denkens verschwand das Element des Unheimlichen aus den Figurationen des Lachens (vgl. Goergen, Die heilende Kraft, 163), doch lassen sich noch in der Gegenwart Tendenzen für die Dämonisierung mörderischen Gelächters beobachten. Um die unbegreifliche Bösartigkeit im Lachen zweier Schüler, die an einer High School in Colorado 1999 Amok liefen, kognitiv zu bewältigen, verwies ein Zeitungsartikel auf die satanische Komponente dieses Lachens (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 40). Promies, Der Bürger, 71. Vgl. Busch, Irre, 126 f. Georg Friedrich Meier etwa bezeichnete in der aufklärerischen Zeitschrift Der Gesellige den maßlosen und boshaften Spott als teuflisches Vergnügen (vgl. Prütting, Homo ridens, 971 f.). Busch, Verlorenes Lachen, 21. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 127. Busch, Verlorenes Lachen, 10. Busch, Verlorenes Lachen, 21.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
Verwandlungen des blasphemischen Gelächters auf dem Weg in die Moderne und Postmoderne. Klopstocks Messias (1773) richtete noch einmal den heilsgeschichtlich-metaphysischen Deutungsrahmen auf: Wer aus dem Affekt ohnmächtiger Wut mit schaurigem Lachen sein Leben beendet, findet zwar Gnade vor dem himmlischen Richter, derjenige, der die Menschen zu spöttischem, frevlerischem Lachen verführt, hat dagegen sein Leben verwirkt.²⁵⁹ Doch bereits in Lessings Dramatik kündigte sich das Scheitern des aufklärerischen Programms einer rationalen Verifizierung religiöser Traditionsbestände an, mit dem wiederum eine Glaubensund Sinnkrise zusammenhing, die in tiefer existenzieller Not und mentaler Desorganisation, in ohnmächtigem Scheitern und tödlichem Untergang kulminieren konnte.²⁶⁰ Dem zynischen Gelächter Tellheims in Minna von Barnhelm (1763) liegt jene Melancholie zugrunde,²⁶¹ die ideengeschichtlich, seit die Bestimmungen der antiken Humoralpathologie moraltheologisch gedeutet wurden, mit einer blasphemischen Gestimmtheit verknüpft war.²⁶² Das höhnische und bitter-verzweifelte Lachen des Seinsverlustes und Selbsthasses samt seiner blasphemischen Komponente bildet ein zentrales Motiv in Friedrich Maximilian Klingers Sturm
Vgl. Busch,Verlorenes Lachen, 41– 51. Im verzweifelten und zugleich trotzig aufbegehrenden Lachen Philos, der durch die Auferstehungsnachricht als Mörder des Gottessohns überführt wird und sich daraufhin das Leben nimmt, subjektiviert Klopstock das triumphale Hohnlachen Satans und Anamelechs in Salomon Geßners Prosagesängen Der Tod Abels (1758). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 42. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 3 f. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 52– 65. In Minna von Barnhelm bohrt sich der Zweifel an der göttlichen Providenz in das Gemüt des Major von Tellheim und provoziert sein „bitter-anklagendes Gelächter“ (Busch, Verlorenes Lachen, 61), das scharf mit dem von der Minna empfohlenen moralpädagogischen Komödienlachen kontrastiert. Tatsächlich reagiert Tellheim hier sarkastisch auf die Bonhomie der Minna, die ihrerseits erschrocken ist über den gottlosen Zynismus Tellheims. Das erleichterte Lachen des Komödienendes rettet die tradierte theonome Ordnung nur dem Anscheine nach. Vgl. auch Prütting, Homo ridens, 924 ff. Isidor von Sevilla (ca. 560 – 636), der medizinische Schriftsteller Palladios aus der Alexandrinischen Schule (7. Jht.) oder der Bagdader Arzt Ishaq Ibn Imran (9./10. Jahrhundert) tradierten die Anschauung, dass die Milz Produktionsstätte der schwarzgalligen Melancholie und zugleich des Lachens sei; Hildegard von Bingen (1098 – 1179) wertete den medizinischen Befund im Sinne einer organischen Lokalisierung der menschlichen Sündhaftigkeit aus (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 53). Bis weit in die Neuzeit hinein, in Timothy Brights Treatise of Melancholy von 1586, Burtons Anatomy of Melancholy, „in den Schriften der philosophischen Ärzte des 18. Jahrhunderts“ (55), in Casanovas Autobiographie und James Boswells Dr. Johnson-Biographie (1791) bildeten „Gelächter, Melancholie und Blasphemie“ (56) eine Einheit. Die französischen Enzyklopädisten und zuletzt auch deutsche Gelehrte wie Karl Julius Weber (1767– 1832) machten den repressiven Geist der christlichen Doktrin für das verbreitete Phänomen einer religiös grundierten Melancholie verantwortlich (vgl. 8 f.).
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und Drang-Drama Die Zwillinge ²⁶³ (1776) und Karl Philipp Moritz’ psychologischem Roman Anton Reiser (1785/86).²⁶⁴ Biographischer Hintergrund von Moritz’ Figurenkonzeption ist die Internalisierung der pietistischen Verdammung des Lachens. Sie setzt eine fatale Psychodynamik in Gang: In das höhnische Gelächter der Mitschüler, das sich für Anton Reiser in eine satanische Verfolgungsjagd verwandelt, stimmt er ein und „verwendet es auf diese – pathologische – Weise im Sinne quietistischer Selbsttötung oder -auslöschung“.²⁶⁵ Das gegen sich selbst gewendete zitathafte Kainslachen Reisers erprobt den letztlich vergeblichen Aufstand gegen die pietistische Werteordnung.²⁶⁶ Das mephistophelische Lachen in Goethes Umsetzung des Faust-Stoffes (1775/ 1808) kann dagegen als säkularer Einspruch gegen die Einseitigkeit einer theonomen und idealistischen Weltanschauung gewertet werden.²⁶⁷ Es ist ein sublimiertes, als Ironie und Sarkasmus getarntes Lachen; „Witz, List und Gaunerei“²⁶⁸ bilden den Motor des diabolischen Zersetzungswerks. Das respektlos-satirische, höhnisch-ironische Lachen des Mephistoteles richtet sich zwar zuallererst gegen den Gott der christlich-theistischen Religion, der sich „das Lachen abgewöhnt“²⁶⁹ hat und über den miserablen Zustand der Welt klagt,²⁷⁰ in einer Zeit fortschreitender Säkularisierung gewinnt es jedoch auch an Bedeutung als Affront gegen die harmonistische Ordnungskonzeption des metaphysischen Idealismus und
Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 66 – 73. In Die Zwillinge reflektiert das Gelächter das volle Bewusstsein des Melancholikers und Brudermörders Guelfo von seiner zwanghaften KainsIdentität, die ihm ein verhasstes, von Größenphantasien gespeistes, tödliches Rollenspiel aufzwingt, und es koinzidiert zuletzt sinnbildlich mit der „Zertrümmerung des Spiegels und des Anblicks darin“ (Busch, Verlorenes Lachen, 66). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 74– 88. Busch, Verlorenes Lachen, 76. Vgl. auch Prütting, Homo ridens, 1812 f. Das Lachen als symbolischer autoaggressiver Selbstverleugnungakt korrespondiert mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur: Das permanente Scheitern am unaufgebbaren Ich-Ideal lässt Reiser ebenso in verzweifeltes Hohngelächter verfallen wie die letztlich vergeblichen Versuche der fiktionalisierenden Verklärung seiner trostlosen Situation, z. B. durch eskapistische Selbststilisierung zur Shakespeare’schen Dramenfigur (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 80 – 84). Vgl. Annette Graczyk, Mephistos Lachen, 105 f. Graczyk, Mephistos Lachen, 107. Johann Wolfgang Goethe, Faust, Der Tragödie erster Teil, 10. Vgl. Graczyk, Mephistos Lachen, 101– 112. In der prästabilierten Harmonie der Faust’schen Kosmologie vermag Mephisto es zwar, die „ritualisierte Statuarik“ (Graczyk, Mephistos Lachen, 103) mit den Mitteln sprachlicher und habitueller Komik aufzubrechen, doch so wie der Narr das höfische Gesellschaftsgefüge nicht ernsthaft aushebeln kann, hat auch Mephisto nicht die Macht, die göttliche Ordnung in letzter Instanz zu gefährden (vgl. 107 f.).
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seine Fiktion einer unbeschwerten Heiterkeit.²⁷¹ Die komischen Figuren im Faust rehabilitieren das Vitale gegenüber dem Ideellen: In der Walpurgisnacht sind es „die grotesken Gestalten des Tierischen, Dämonischen und Monströsen“, die mit ihrem obszön-blasphemischen Treiben und ihrer „wüsten Ausgelassenheit“ […] „das Ideal menschlicher Gottebenbildlichkeit“²⁷² unterminieren und das Unbeherrschbare und Archaisch-Irrationale der menschlichen Triebnatur ironisch in Szene setzen gegen die wissenschaftlichen Maximen und kulturellen Sublimationen des idealistischen Aufklärungszeitalters.²⁷³ Im satirischen Roman Karl Wezels Belphegor oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne (1776) zeigt das bittere Lachen die skeptische Grundhaltung der späten Aufklärung an.²⁷⁴ Das Missverhältnis zwischen dem empirisch Vorfindlichen und dem normativ Erstrebten schlägt sich auf der Subjektebene in melancholischen Anwandlungen nieder, deren Abwehr jenes kaltblütige Lachen gilt, das nur vordergründig die Ideale stützt. Denn die ironisierende Schwärmerkritik unterwandert noch die „aufklärerischen Ideen über moralische und politische Verbesserung“²⁷⁵, die Satire rückt in die Nähe der Groteske. Der entscheidende gattungsgeschichtliche Sprung erfolgt schließlich mit Bonaventuras Nachtwachen (1804), die den Zweifel an einer vernünftigen und moralischen Ordnung des Seins radikalisieren:²⁷⁶ Das „bittere Lachen“ verwandelt sich in das „aggressive, teuflische Weltverlachen des Nachtwächters“.²⁷⁷ Der Nihilismus dieses frühromantischen Textes bleibt damit negativ auf das überlieferte metaphysische Ordnungskonzept bezogen. Denn er konkretisiert sich in der „Identifikation mit dem Teufel“²⁷⁸ und dem Kult des Widergöttlichen. Das, was sich in
Vgl. Graczyk, Mephistos Lachen, 111. Die himmlische Sphäre mit ihrer würdevollen, frohlockenden Heiterkeit erweist sich im Faust ebenso als idealistische Projektion wie das „positive, bejahende Lachen“ (Graczyk, Mephistos Lachen, 102) des Schöpfer-Gottes. Graczyk, Mephistos Lachen, 109. Die Norm des Kulturell-Domestizierten, die im „göttlichen Frohlocken“ (Graczyk, Mephistos Lachen, 109) ihren Ausdruck findet, verkörpert Gretchen. Das im Brauchtum wurzelnde Volk lässt sich von der nobilitierten Heiterkeit am Osterfest zum Lachen animieren, während die Studenten beim Osterspaziergang eher im mephistophelischen Sinne aggressiv und ungehemmt lachen. Konträr zur Verfeinerung der komischen Kunst bei Mephisto verroht der zunächst feingeistigidealistische Titelheld in dem Maße seines Manipuliertseins (vgl. Graczyk, Mephistos Lachen, 110). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 89 – 100. Busch, Verlorenes Lachen, 95. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 89/100 – 109. Busch, Verlorenes Lachen, 100. Busch, Verlorenes Lachen, 104. Kreuzgang, der Held des Romans, dessen Zeugung Satan lachend beiwohnt und der sich bereits als Kind mit seinem Lachen verdächtig macht, ist als
3.2 Blasphemisches Gelächter
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den „zeitgenössischen Gestaltungen des Fauststoffes“²⁷⁹ durch Klinger und Chamisso schon abzeichnete, Jean Paul aber aus ästhetischen Gründen noch ablehnte, wird in den Nachtwachen konsequent umgesetzt: Das Lachen des enttäuschten Idealisten und das satanische Gelächter vereinigen sich. Eben dies ist das Lachen der Groteske, in dem sich das Grauen der Kontingenzerfahrung und die anarchische Lust an der Demaskierung der moralischen Autoritäten und Sinngebungsinstanzen mischen.²⁸⁰ Nur im diabolischen Gelächter über die kompromittierten Ideale gelingt es dem Subjekt, das bedrohliche Chaos der vorfindlichen Wirklichkeit zu depotenzieren. Die negative Totalität der ins Groteske verzerrten Welt impliziert allerdings den Verlust eines erfahrungsoffenen Weltzugangs.²⁸¹ In diesem Sinne ist das Lachen des Protagonisten in Büchners Lenz-Fragment (1835) mitbedingt durch seine manisch-depressive Psychostruktur,²⁸² es ist ein gezwungenes Lachen, das Ergebnis einer Entsubjektivierung, die mit dem Untergang des Helden endet.²⁸³ Das Motiv des Weltverlusts deutet jedoch darüber hinaus auf den Zusammenbruch einer Ordnungs- und Gottesvorstellung.²⁸⁴ Das fürchterliche und verzweifelte Lachen fungiert zugleich als „Ausdruck des Grotesken wie der Blasphemie“²⁸⁵ und kann daher auch als Akt der für den Sturm und Bundesgenosse des allenthalben höhnisch lachenden Widersachers Gottes prädestiniert (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 104). Busch, Verlorenes Lachen, 105. Das Lachen der Groteske etabliert das satanologische Prinzip der Verkehrung auf der unteren Ebene des Wortspiels, auf der mittleren des „deplatzierten Lachens […] in Kirchen und Freudenhäusern, in Komödien und Tragödien“ (Busch, Verlorenes Lachen, 107) und auf der höchsten Ebene, der „Annahme einer teuflischen Identität“ (108). Vgl. Busch,Verlorenes Lachen, 108 ff. Lenz Prütting hat eine Parallele gezogen zwischen dem schwarzen Lachen der Romantik und dem weltverachtenden Hohngelächter der antiken Gnosis (vgl. Homo ridens, 1140). Das blasphemische Lachen richtet sich gegen den nach dem Scheitern der Theodizeekonzepte nur noch gnostisch zu verstehenden Schöpfer-Gott, zeugt jedoch, so Prütting, zugleich von der Selbstverachtung desjenigen, der „diesen Gott überhaupt noch ernst nimmt“ (1149). Vgl. I.3.6. Vgl. A. Martin, Bald abgeklungenes ‚Lachfieber‘, 69. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 138 f. In Dantons Tod (1835) lachen noch die Götter, doch markiert ihr Gelächter bereits den Abgrund zwischen ihnen und dem Menschen (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 49). Busch, Verlorenes Lachen, 112. In Ludwig Tiecks Romanfragment Der Aufruhr in den Cevennen (1826) liegt dem metaphysischen Kollaps der „ikarische Absturz“ (Busch, Verlorenes Lachen, 113) aus der schwärmerischen Anbetung Gottes in die Kälte und Leere der Wirklichkeit zugrunde, doch das blasphemisch-prometheische Gelächter bereitet hier die Rückkehr zum Glauben vor (vgl. A. Martin, Bald abgeklungenes ‚Lachfieber‘, 72 f.). Während in Schillers Räubern die Vision der Verdammung das blasphemische Gelächter des sterbenden Franz Moor erstickt, bringt in Tiecks William Lovell (1795/96) selbst das Stöhnen der ‚Höllenangst‘ das wahnsinnige
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Drang typischen prometheischen Befreiung und Selbstbehauptung gedeutet werden.²⁸⁶ Unter dieser Voraussetzung wäre es das Lachen einer höheren Vernunft und des „autonomen Subjekts“²⁸⁷, das seine Befindlichkeit reflexiv vergegenwärtigt und sich weltanschaulich positioniert. In Mozarts Oper Don Giovanni (1787) setzt das hedonistische Lachen des moralisch dubiosen Protagonisten nicht nur die „bürgerliche Ordnung“²⁸⁸ außer Kraft, es verspottet sogar den Tod. Don Giovanni fährt in die Hölle, nachdem er die „steinerne Statue“²⁸⁹, eine Personifikation des Todes, die ihn zur Umkehr aufforderte und ihm mit Rache drohte, mit Häme und Beleidigungen abgewiesen hat. Die schadenfrohe Reaktion der Umwelt stellt zwar symbolisch die sittliche Ordnung wieder her,²⁹⁰ doch zeugt das „fröhliche Nachspiel“²⁹¹ von einem Verdrängungseffekt: Denn zu Lebzeiten waren diejenigen, die den süßen Triumph der Rache auskosten, in Don Giovannis Vergehen verwickelt, sie setzten seiner Libertinage keineswegs entschiedenen Widerstand entgegen, sondern überließen sich ihr mitunter genießerisch. Das sakrilegische Lachen einer noch nicht rationalisierten und moralisch disziplinierten Sinnlichkeit, wie sie Schnitzlers Reigen (1903) vor dem Hintergrund psychoanalytischer Einsichten dramatisch entfalten sollte, war für die Zeitgenossen des Don Giovanni durchaus attraktiv.²⁹² In der Tradition der „frühneuzeitlichen Groteske“²⁹³ ruft es den Widerstand gegen die Metaphysik „des einmaligen, unwiderruflichen Todes und des absoluten Bösen“²⁹⁴ auf.
und unheimliche Lachen des sterbenden Bösewichts nicht zum Verstummen (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 114). In Charles Robert Maturins Schauerroman Melmoth der Wanderer (1820) schließt der Protagonist einen Teufelspakt: Sein unbändiges Hohn- und Verzweiflungsgelächter verflüchtigt sich auf dem Sterbett zum geisterhaft-grausigen Grinsen (vgl. Prütting, Homo ridens, 1137). Vgl. A. Martin, Bald abgeklungenes ‚Lachfieber‘, 69 f. A. Martin, Bald abgeklungenes ‚Lachfieber, 70 f. So bricht Lenz erneut in Gelächter aus, als das Autonomieprinzip auch auf weltanschaulicher Ebene triumphiert und er angesichts der offenkundig götterleeren Himmelssphäre zum Atheismus konvertiert (vgl. A. Martin, Bald abgeklungenes ‚Lachfieber, 71). Günter Gebauer, Lachen auf Leben und Tod, 190. Gebauer, Lachen, 188. Die französische Redewendung mourir de rire vereinigt zwei Momente des Sterbens, die (in diesem Fall nachträgliche) Vernichtung der sozialen Existenz durch Spott und den körperlichen Tod als moralische Konsequenz (vgl. Gebauer, Lachen, 187). Gebauer, Lachen, 189. Vgl. Gebauer, Lachen, 196 f. Gebauer, Lachen, 196. Gebauer, Lachen, 197.
3.2 Blasphemisches Gelächter
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Die literarische Beschwörung des satanischen Lachens kann auch, wie schon die zeitgenössischen Kritiker erkannten, als ein Grundzug der Schriften Lord Byrons (1788 – 1824) gelten.²⁹⁵ Dem Byronschen Lachen ordnete man die Attribute „kaltblütig, herzlos, bösartig, gefährlich, herausfordernd-trotzig, revolutionär“²⁹⁶ zu. Da es sich auf den Gegenstandsbereich des Erhabenen richtete²⁹⁷ und nicht nur „zynisch das Elend der Welt und der conditio humana“²⁹⁸ kommentierte, sondern auch in den Tabuzonen von „Religion, Sitte, Vaterland“²⁹⁹ wilderte, verurteilten es die Repräsentanten des herrschenden Normensystems als „Hohnlachen eines Frevlers“³⁰⁰. Byrons Einsicht in die Bedingtheit von Moralvorstellungen und das theatrale Wesen alles Weltgeschehens mündete in eine satirische Haltung gegenüber der „englischen Gesellschaft“³⁰¹. Im Märchen (vgl. I.3.3), in der Sage und im Roman hat die Dämonie des Lachens oft jene höhnische, aggressive Grundierung,³⁰² die noch Baudelaire als ihren dominanten Wesenszug beschrieben hat. Das „ehrfurchtslose Lachen“³⁰³ ist, wie wir bereits gesehen haben, ein Merkmal der satanischen Figuren, ob von Goethes Mephisto, Tirso de Molinas Don Juan und Calderóns oder Heines Belsazar.³⁰⁴ Dass jedoch in der Tonspur blasphemischen Lachens Verzweiflung und
Vgl. Blaicher, Byrons Lachen, 259 – 274. Blaicher, Byrons Lachen, 259. Widerspruch erregte die unzulässige ästhetische und literaturpsychologische Kontaminierung des Würdevollen mit dem Lächerlichen bzw. das unvermittelte Umkippen vom einen ins andere (vgl. Blaicher, Byrons Lachen, 261 ff.). Blaicher, Byrons Lachen, 269. Blaicher, Byrons Lachen, 260. Byron beherrschte die Kunst der Leserlenkung: Er provozierte das Lachen über den Widerstand des Unschicklichkeitsempfindens hinweg. Selbst der um bissige und subversive Komik nicht verlegene Heinrich Heine beklagte die sittliche Schieflage von Byrons destruktiven Lachattacken (vgl. Blaicher, Byrons Lachen, 260 – 263). Blaicher, Byrons Lachen, 261. Die durch Byrons Texte ausgelösten Lachzwänge stießen aber nicht nur auf die entschiedene Ablehnung der Empfindsamkeit und der christlichen Moraltheologie, es gab auch Versuche der Legitimierung des dubiosen Amüsements durch Hinweis auf die Folgenlosigkeit der Byronschen Sittenverstöße oder, wie bei Karl Rosenkranz (Ästhetik des Hässlichen, 1853), durch die Funktionalisierung der Komik des Hässlichen zugunsten einer ästhetisch-moralischen Befreiung (vgl. Blaicher, Byrons Lachen, 272 ff.). Blaicher, Byrons Lachen, 271. Man denke an das ‚wiehernde Gelächter‘ des Grünen in Jeremias Gotthelfs Die schwarze Spinne (1842) oder des luziferischen Pferdehändlers in George Bernanos Die Sonne Satans (1926). In Bernanos Romanen oder in Leon Bloys La femme pauvre (1897) ist der Teufel noch der Urheber höhnischen, hysterischen und infernalischen Lachens (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 29 f.). Kranz, Das göttliche Lachen, 29. Paul Claudel (1868 – 1955) merkte in einem Brief an Jacques Rivière an, der Mensch, der von „Hass gegen Gott besessen“ sei, könne „nicht umhin zu lachen“ (Briefwechsel 1907– 1914, 158).
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Rebellion gleichermaßen das Grundrauschen bilden können, ³⁰⁵ wird auch in der Prosa Heinrich Heines sinnfällig. In Heines Romanfragment Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski (1834) erklingt das bittere Lachen des suizidalen Claas Hinrichson angesichts der vergeblichen Suche nach dem Sinn des Daseins.³⁰⁶ Der ‚fliegende Holländer‘ dagegen, dem eine Erzählepisode im Schabelewopski-Fragment gewidmet ist, lacht über die traditionelle monotheistische Sühnetheologie und ihr Konzept der ‚ewigen Verdammnis‘, das er als Aberglauben versteht.³⁰⁷ Analog dazu untergräbt das Lachen der Eva in einer erotischen Erzählepisode Schnabelewopskis das Narrativ des Sündenfalls und des „strafenden Gottes“³⁰⁸. In Wilhelm Raabes Akten des Vogelsangs (1896) nimmt das verzweifelte und zugleich souverän-distanzierende Lachen des untergehenden Protagonisten die Stelle der „Tröstungen des Glaubens oder der Philosophie“³⁰⁹ ein. Unüberhörbar sind die Anklänge an Jean Paul³¹⁰ und Friedrich Nietzsche, der im fünften Buch der Fröhlichen Wissenschaft (1882) erklärte, dass das wahre Lachen auf den Tod Gottes folgt³¹¹ und die existenzielle Verzweiflung³¹² des Menschen überwindet.³¹³
So ist bei Christian Dietrich Grabbe (1801– 1836) das dämonische Lachen von Verzweiflung gefärbt, in Franz Grillparzers König Ottokars Glück und Ende (1825) kündigt es hingegen das Verderben an (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 29). Vgl. Galler, Lachen, 126 f. Vgl. Galler, Lachen, 129. Galler, Lachen, 130. Erkme Joseph, Spott – Wohlbehagen – Verzweiflung, 62. Das private Unglück, der Verlust der großen Liebe, hat das selbstironische und zugleich siegesgewisse, weltüberwindende Lachen des Velten Andres gebrochen. Selbst die sonnige Heiterkeit der Mutter kann den Kummer nicht heilen (vgl. Joseph, Spott, 61 f.). Der Protagonist von Jean Pauls Hesperus (1795) hält am Osterfeiertag einen komischen Leichensermon, der Züge einer Predigtpersiflage trägt (vgl. Daniel Weidner, Erbauung, Satire und höhere Wahrheit, 208). Der „Kontrast von [Sprach]Spiel und tödlichem Ernst“ (208) ermöglicht zunächst ein tröstliches Lachen, das jedoch in dem Moment verstummt, da eine schauerromantisch-alptraumartige Sequenz den verspielt-parodistischen Ton der Predigt in einen grotesknihilistischen kippen lässt. Vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 219. Die Fröhliche Wissenschaft konserviert das im Zarathustra (KSA 4, 230) beschworene usurpatorische Lachen der Götter über den monotheistischen Anspruch des jüdisch-christlichen Gottes als Lachen des Menschen über den ‚Tod Gottes‘ (vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 14). Der junge Flaubert führte dämonisches Lachen auf numinose Mächte, nämlich die geheimnisvolle, grausame Gottheit (Un parfum à sentir, 1836) bzw. den Gott des Grotesken Yuk (Smarh, 1839) zurück. Im afrikanischen Kulturraum sind die „maskierten Ahnengeister“ (32) seine Urheber. In den Nachgelassenen Fragmenten erklärte Nietzsche das „liebliche Lachen“ zur Mutter Zarathustras, das „grause Schicksal“ (KSA 10, 629) zu seinem Vater. Das nietzscheanische Lachen ist stark durch diese väterliche Komponente bestimmt (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 182).
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Das nietzscheanische Lachen nimmt die aristophanische Weltverspottung und die karnevaleske Negation der bestehenden Seinsordnung und reaktionären Mächte auf ³¹⁴ und bricht von der Anerkennung der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins zur radikalen Affirmation diesseitigen Lebens und Machtstrebens durch. Die „Proklamation reiner Diesseitigkeit“³¹⁵ gewinnt allerdings eine neue quasi-metaphysische Qualität: Letztlich geht es bei Nietzsche nicht nur um die Feier welthaften Daseins, sondern um die Evokation des „dionysischen Prinzips“³¹⁶ und Zarathustra, jene Kult- und Symbolfigur des Dionysischen und Vorbild des Über-Menschen,³¹⁷ der über seine eigenen Begrenzungen lacht und sich damit selbst überschreitet,³¹⁸ verleiht dem Lachen den paradoxen Rang einer heiligen Handlung zur Überwindung jenseitsbezogener Hoffnungen.³¹⁹ Dieses Lachen hat eine aggressive Komponente:³²⁰ Es speist sich aus einer fundamentalen Religions- und Moralkritik und so depotenziert es die alten Bastionen des Heiligen,³²¹ tötet den Geist der Schwermut³²² und verbannt die Giftmischer der traditionellen Metaphysik.³²³ Auf der anderen Seite befreit das ‚heilige Lachen‘ des Zarathustra³²⁴ den Geist zum Spiel kindlicher Unschuld und zum schöpferischen
Vgl. auch I.3.4. Das Lachen begegnet in Nietzsches Werk allerdings in einer Fülle von unterschiedlich werthaltigen Varianten (vgl. I.3.1), es kann derb, hämisch oder vergeistigt sein (vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 217– 235). Distanziert, überheblich und verständnislos lacht die Menge im berühmten Aphorismus 125 aus der Fröhlichen Wissenschaft über den Herold, der den Tod Gottes verkündet. Ihr hybrider Spott kann mit Georg Braungart auch als Verzweiflungsreflex auf die „Verschwindenserfahrung schlechthin im Zeitalter nach der Aufklärung“ (Le ridicule, 238) gedeutet werden, ehe die emphatische Anklage „Wir haben ihn getötet“ (Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, KSA 3, 481) jegliches Gelächter zum Verstummen bringt. Vgl. Ueding, Rhetorik des Lachens, 40. Busch, Verlorenes Lachen, 160. Hartmann, Über das Lachen, 217. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 182. Vgl. Linda Simonis, Fröhlichkeit und Lachen im Werk Friedrich Nietzsches, 174 f. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 217 ff. Gustav Seibt hat eingewandt, dass das Lachen des Über-Menschen nichts Befreiendes habe, da es auf die christlich-metaphysische Drohkulisse rückbezogen bleibe (vgl. Der Einspruch, 760). Lenz Prütting verweist auf die Komponente der Selbstverachtung und des Weltekels in Nietzsches Lachen und vergleicht es mit dem „notorischen Gelächter des gnostischen SethChristus“ (Homo ridens, 554). Vgl. II.2.1. Vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 230. Vgl. Klingmann, Ein Dämon, 47. Vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 147. Zarathustra ist nach dem Zeugnis von Plinius d. Ä. der einzige Mensch, der je „sofort nach der Geburt gelacht“ (Hüttinger, Die Kunst, 182) hat.
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Neubeginn.³²⁵ Der Daseinsschwere, dem Pessimismus und der Weltabkehr des sündlosen Jesus³²⁶ setzt Zarathustra das lachende Ja zur „ewigen Wiederkunft“, zum „Perspektivismus jeder Erkenntnis“³²⁷ und zum Risiko der eigenen Existenz entgegen.³²⁸ Das schließt die Auflösung des Vernunft-Ichs in der Präsenz des Leibes ein und den Verlust der in der logo- und theozentrischen Ordnung verankerten Identität.³²⁹ Zarathustras Lachen lässt sich gleichwohl nicht „diskursiv vermitteln“, sondern rundet eine therapeutische und „intellektuelle Entwicklung“³³⁰ ab, die im „Ideal des Übermenschen“³³¹, das Leben zu bejahen und
Vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 226 – 231. Im Bild vom ‚lachenden Dämon‘, das Nietzsche in Ecce homo verwendet und im Zarathustra variiert, kommt die Paradoxie zum Ausdruck, dass sich das Destruktive bzw. das „Prinzip der Negation“ als eine „schaffende Kraft“ (Klingmann, Ein Dämon, 48) erweist, die den höchsten Zielen des Menschseins zugeordnet ist. Vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 230 f. Bührmann, Zarathustras Lachen, 232. Dabei ist das Ja des Lachens nicht als sprachlich-begriffliche Assertion zu verstehen, die wieder eine neue „philosophische Position“ (Simonis, Fröhlichkeit, 175) begründen würde, sondern wie der Tanz eine „rhythmisch-musikalische Ausdrucksform“, die es vermag, den „Impuls des Lebens“ (177) mimetisch abzubilden, und somit eine „poetisch-prophetische“ (176) Qualität gewinnt. Vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 14 f. Bührmann, Zarathustras Lachen, 235. Zarathustra sucht das Lachen der unsagbaren Erkenntnis, das Lachen abseits des Bedeutens, das den Lebensekel überwindet und den Wiederkunftsgedanken erträglich macht (vgl. Tina-Karen Pusse,Von Fall zu Fall, 78/98). Er findet es aber nicht innerhalb seines eigenen Zeichensystems (vgl. 187), sondern in der Erzählepisode vom Hirten, der in der „höchsten, existenziellen Not“ (Bührmann, Zarathustras Lachen, 221) der Schlange, die in seinen Hals gekrochen ist, den Kopf abbeißt, sie ausspeit und lacht. Die Abtrennung des Kopfes vom Körper kann einerseits als ungewollte Potenzierung der durch den Sündenfall in die Welt gekommenen „Trennung von Körper und Geist“ (Pusse, Von Fall, 105) gedeutet werden. Andererseits markiert der Tod der Schlange im Referenzrahmen der GenesisErzählung die Aufhebung des „erdhaft-teuflischen Lebensprinzips“ (Richert, Kleine Geistesgeschichte, 145), und das bedeutet nun allerdings für Zarathustra die „aktive Unterbrechung eines eingefahrenen Verstehens“ (Pusse, Von Fall, 107), die Dementierung absoluter Wahrheitsansprüche und die daraus resultierende Beendigung der Lügenverkettung. Zarathustras Hermeneutik stellt also gewissermaßen die traditionelle sündentheologische Symbolik auf den Kopf. Das Lachen steht als „Metapher der Differenz für eine Überlagerung simultan vorkommender aber unvereinbarer Wahrheiten“ (71). Der Hirte befreit sich lachend von der „Urverführung zur Lüge“ (106) im Schöpfungsmythos, er entledigt sich seines durch den Sündenfall begrenzten und versehrten Menschseins und feiert eine „triumphale Selbstgeburt“, indem er das „Hier und Jetzt des Abbeißens […] im vollen Bewusstsein der Macht von Kunst und Interpretation zu den Ursachen seines Seins macht“ (107). Sein Lachen ist damit „Ausdruck einer höchsten Befindlichkeit“ (Klingmann, Ein Dämon, 45). Das visionäre Bild vom lachenden Hirten weckt in Zarathustra die „Sehnsucht nach dem eigenen verwandelten Lachen“ (Bührmann, Zarathustras Lachen, 221). Doch seine Wiederauferstehung verdankt sich alleine dem Leser (vgl. Pusse, Von Fall, 77): Wenn
3.2 Blasphemisches Gelächter
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„Widersprüche auszubalancieren“³³² ihr Ziel findet.³³³ Der dionysische Held Zarathustra³³⁴ bringt diese quasi-göttliche Qualität als ein ‚Wahrlacher‘ zum Vorschein: Er zitiert die tradierte „Dichotomie zwischen dem Weisen und dem lachenden Narren“³³⁵ und wertet sie um.³³⁶ Georg Hauptmanns Erzähltexte nehmen den nietzscheanischen Impuls auf, insofern als sie dem Lachen jenseits nihilistischer Reflexe eine neue ästhetische und metaphysische Qualität auf dem Spannungsfeld „zwischen den Polen christlicher Weltüberwindung und dionysischer Daseinsbejahung“³³⁷ verleihen.³³⁸
Zarathustra das „Gesicht des lachenden Hirten“ beschreibt und empfiehlt darin zu lesen, dann eröffnet er dem Rezipienten die „Möglichkeit, selbst in dieses Lachen einzustimmen“ (187) und damit die Lektüre zu leisten, die er innerhalb des sprachlichen Systems der Bezeichnungen nur andeuten kann. Auf diese Weise widerfährt Zarathustra eine gleichsam stockende Beatmung und Beseelung, die mit dem „pneumatischen Ereignis“ (77) des Schöpfungsakts in Gen 2,7 und dem Pfingstwunder verglichen werden kann (vgl. II.1.3). Im Lachen rettet er „das Selbst, ohne es an die Sprache zu verlieren“ (106). Bührmann, Zarathustras Lachen, 235. Als positives Vorbild für das Lachen des Über-Menschen nennt Nietzsche Napoleon, der dem Papst seine Privilegien verweigerte und sich selbst zum Kaiser krönte (vgl. Bührmann, Zarathustras Lachen, 230 f.). Bührmann, Zarathustras Lachen, 234. Hier setzt die Kritik des Philosophen Walo Hartmann an, die auf den Vorwurf hinausläuft, die Prävalenz des Möglichen gegenüber dem Faktischen laufe auf eine ontologische Bedeutungsleere des Lachens hinaus (vgl. Über das Lachen, 222 f.). Auch der Germanist Ulrich Klingmann äußert sich skeptisch hinsichtlich der Tragfähigkeit der nietzscheanischen Lachmotive im Hinblick auf die angestrebte Erneuerung der „menschlichen Wirklichkeit“ (Ein Dämon, 50). Den in Stücke geschnittenen Dionysos, der „ewig wieder geboren“ wird, prädiziert Nietzsche als Anti-Christus; er ist die mythische Gestalt, die stets aufs Neue „aus der Zerstörung“ heimkommt, und als jene „eine Verheißung des Lebens“ (Nachgelassene Fragmente, KSA 13, 267) ist. Pusse, Von Fall, 75. Vgl. auch I.3.1. Der Aphorismus 294 in Jenseits von Gut und Böse (1886) „erprobt den Gedanken eines dialektischen Verhältnisses“ zwischen der philosophischen Erkenntnis und der Fähigkeit des Philosophen zu lachen und bringt die „göttliche Kunst“ des Lachens mit der „Spottlust der Götter“ (Ries, Das Lachen, 119) in Verbindung. Vgl. I.3.7.3. Busch,Verlorenes Lachen, 144. In der Erzählung Der Ketzer von Soana (1918) kontrastiert das „mänadische“, diesseitsbejahende Lachen der „weiblichen Figuren“ mit dem verzweifelt-blasphemischen der „männlichen Hauptfigur“ (Busch, Verlorenes Lachen, 145). Je mehr Francesco in den Bannkreis bacchantisch-erotischer Symbolik gerät, desto mehr nähert er sich jenem dionysischen Gelächter, das der unio mystica entstammt, der „Teilnahme an einer Natur, in der Leben und Tod auf ewig ineinander übergehen“ (149). Doch auch die Verdrängung des „machtlos-lächerlichen Gottes am Kreuz durch die Gottheiten der Fruchtbarkeit“ entfesselt bei Hauptmann, so die literaturkritische Anmerkung Stefan Buschs, letztlich nicht das vollkommen ungezwungene Lachen der „dionysischen Weltfeier“ (149). Das blasphemische „Lachen des Neuheiden“ (153) bleibt in der negativen Rückbindung an die christliche Metaphysik gefangen. Émile Zolas Die Sünde des Abbé Mouret (1875) versucht dagegen gar nicht erst, den traditionellen Gegensatz von
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Hauptmanns Prosa schreibt jedoch auch die Motivik blasphemischen Gelächters vor dem Hintergrund pietistischer Lachfeindlichkeit fort³³⁹ und lässt die Erfahrung der Teilnahmslosigkeit Gottes im bitteren, hysterischen und ironischen Lachen widerhallen.³⁴⁰ In Thomas Manns Prosawerk stehen verschiedene Lachtypen in einer bestimmten Beziehung zu den existenzphilosophischen Willens- und Machtkonzeptionen Schopenhauers und Nietzsches.³⁴¹ Das „Lachen der Hellsichtigen“, das den Schleier der Illusionen zerreißt und die wahren „Interessen, Motive und Triebe“ der Menschen zutage bringt, entspricht mit seiner Lust an der „Entthronung von Autoritäten und der Entlarvung des Ideellen“³⁴² dem traditionellen Topos des teuflischen Gelächters. Der Doktor Faustus (1947) stellt allerdings, wenn man sich Bernhard Schuberts Deutung anschließt, die „ikonologische Überlieferung“³⁴³ vom Teufel als zynischem Non-Konformisten und Repräsentanten aller Formen der satirischen Kritik auf den Kopf.³⁴⁴ Denn der Teufel verkörpert hier den „totalitären Zeitgeist“³⁴⁵, der die Liebe und das Lachen verbietet. Der Protagonist Adrian Leverkühn träumt von der Neuschöpfung der Kunst im Geist des Dionysischen, doch mit seinem Teufelspakt verschreibt er sich einer „antiskeptizisti-
„sündig-naturhaftem Lachen und sündenbewusstem Glaubensernst“ (154) zu überwinden, sondern schreibt ihn in polemischer Zuspitzung fort. Auch in Bertolt Brechts frühem Bühnenstück Im Dickicht der Städte (1927) ist das Lachen „Zeichen des Selbstvertrauens […] und der gesteigerten Lebenslust“ (Ulrich Klingmann, Lachen, Plattform und Planet, 101). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 141– 153. In der frühen Erzählung Fasching (1887) und der berühmten Novelle Bahnwärter Thiel (1888) erschallt das wahnsinnige oder trotzig-herausfordernde Gelächter der untergehenden Helden (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 142). Im Versdrama Der arme Heinrich (1902) bedingen sich das wilde und höhnische Lachen eines zerstörungswütigen Gottes und das „verzweifelte Lachen“ (142) einer hiobartigen Hauptfigur. Vgl. Bernhard Schubert, Das boshafte Lächeln, 203 – 211. Im Alt-Lübecker Milieu von Kaisersaschern, der Heimat des Helden Leverkühn im Doktor Faustus, findet das zwanglose, befreiende Lachen keinen Raum. Hier herrscht „das auftrumpfende Hohn- und Spottgelächter“ (Schubert, Das boshafte Lächeln, 203) als Vollstreckung des Machtwillens am Außenseiter. Kaisersaschern ist voller Sonderlinge und Geisteskranker, die von den Kindern und jenen, die sich ihre „soziale Anpassung“ (205) schmerzhaft erkämpften mussten, mit Verachtung bestraft werden. Schubert, Das boshafte Lächeln, 203. Schubert, Das boshafte Lächeln, 204. Eine andere Lesart bietet Werner Röcke an, der die traditionellen Gehalte im „satanischen Gelächter“ (Teufelsgelächter, 349) des Doktor Faustus hervorhebt: Verachtung, Hass und Sadismus, zynische Kälte, Isolation und die höhnische Verweigerung jedweder Errettung. Schubert, 204.
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schen und heiterkeitsfeindlichen Geisteshaltung“³⁴⁶. Die Lachanfälligkeit Leverkühns erhellt der Erzähler Serenus Zeitblom, indem er die Geburtslegende vom Magier Zoroaster auf den Romanhelden überträgt, ohne jedoch dem nietzscheanischen Befreiungspathos damit Recht zu geben:³⁴⁷ Leverkühns zwanghaftes verzweifeltes Lachen angesichts der „unmöglich erscheinenden Gnade“³⁴⁸ erinnert eher an die Biographie Nietzsches als an das Ideal Zarathustras³⁴⁹ und verblasst zuletzt zum blasierten Lächeln des Dandys.³⁵⁰ Generell ist das Lachen in Thomas Manns Prosa als wichtiges Element der „fiktionalen Anthropologie und Psychologie“³⁵¹ der Sphäre des Faustischen zugeordnet, in der es verschiedene Erscheinungsformen annehmen kann. Das Komplement zum unheimlichen Lachen des Adrian Leverkühn bildet der parodistische Humor des Rüdiger Schildknapp, der das Fremde, Genialische des Lachens repräsentiert, das dem Bereich des Unterweltlichen entstammt und mit
Schubert, Das boshafte Lächeln, 211. Zu den Bedingungen des Pakts gehört der Verzicht auf die Selbstironie der Kunst und auf die Parodierung der artifiziellen Konventionen des Kunstbetriebs. Leverkühn verpflichtet sich einer Ästhetik der allgemeingültigen Formgesetze, die seinen Innovationsbestrebungen faschistoide Züge verleiht. Der Versuch, die Kunst aus ihrer auratischen Isolation zu befreien, ihr die dionysischen Kräfte und somit gesellschaftliche Relevanz zurückzugeben, ist somit von vornherein zum Scheitern verurteilt (vgl. Schubert, Das boshafte Lächeln, 207). Die verheißungsvoll inaugurierte „Kultur der Heiterkeit“ (206) erstarrt in Formzwängen. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 174– 178. In diese Richtung deutet auch, dass der Erzähler, anders als die augustinische Überlieferung, behauptet, nicht Zoroaster selbst, sondern sein Vater Cham habe bei dessen Geburt gelacht (vgl. Peter Rau, Lachtrunkenheit, 82 und Busch, Verlorenes Lachen, 175). Busch,Verlorenes Lachen, 175. Leverkühns Lachkrampf reflektiert Werner Röcke zufolge das hybride, distanzierte und exkludierende Lachen des Teufels (vgl. Teufelsgelächter, 362). Es hat sich somit weit entfernt vom Fastnachtgelächter der Faust-Historia von 1587, das sich mit „aufgerissenen Mündern“ und „leiblichem Genuss“ (364), mit gesteigertem Gemeinschaftserleben und karnevalesken Wunscherfüllungsphantasien verbindet und in der Weise das apotropäische Gelächter des Lesers ermöglicht, dass es das genuin „menschliche Vergnügen am Bösen“ (Romy Brüggemann, Die Angst vor dem Bösen, 257) bedient. Stefan Busch vertritt die Ansicht, dass das im Grunde obsolete Motiv des dunklen, satanisch infizierten Lachens im Doktor Faustus nur durch den Kunstgriff des zwischengeschalteten Erzählers gerettet werden konnte und Zeitbloms Dämonisierung von Leverkühns Lachzwang den missglückten Versuch darstelle, das Moment des Unsagbaren in den Kompositionen des Helden noch einmal metaphysisch-satanologisch aufzuhellen (vgl. Verlorenes Lachen, 177 f.). Das stoisch-verächtliche Lächeln des Dandys löste seit Baudelaire allmählich das satanischrebellische Lachen ab (vgl. Prütting, Homo ridens, 1149 – 1154 und den Aufsatz von Felix Hüttemann, Désinvolture oder die heitere Verachtung, Vom Dandy und seinem kalten Lächeln, in: K. Liggieri (Hg.). „Fröhliche Wissenschaft“, 251– 272). Rau, Lachtrunkenheit, 103.
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der Koboldhaftigkeit der Phantasie zusammenhängt.³⁵² Das faustische Gelächter begleitet auch die Objektivationen von affektiver Leiblichkeit, hybrider Triebnatur und dumpfer Materie,³⁵³ die häufig mit der „Motivik des Südens“³⁵⁴ und des Weiblichen oder der Figur der Mutter³⁵⁵ verknüpft und als Negationen des Fruchtbar-Lebendigen und Erbaulich-Geistigen codiert sind.³⁵⁶ Lachtrunkenheit steht bei Thomas Mann im Zeichen der fin de siècle-typischen „Verfalls- und Untergangsthematik“³⁵⁷. Es dominiert eine zeitkritische Grundhaltung: Die „Phänomenologie, Pathographie und Kritik des Lachens“³⁵⁸ ist eingebettet in eine narrativ-ästhetische Recherche der neuzeitlichen Säkularisierung. Innerhalb der „heilsgeschichtlich-figuralen Strukturierung“³⁵⁹ einer „negativen Ethik“³⁶⁰ verweisen die „Verkennungen und Verblendungen der Protagonisten“³⁶¹ nicht nur auf die mephistotelische Selbstverfallenheit des Narzissten und damit auf biblisch-christliche Topoi,³⁶² sondern auch auf die Inversionen der „europäischen Moderne“³⁶³. Die kosmopolitisch-universalgeschichtliche Weltsatire entlarvt die ästhetische Entgrenzung und Existenzsteigerung als Pakt von „Triebnatur und
Vgl. Rau, Lachtrunkenheit, 79. Die Figur des Rüdiger Schildknapp ersetzt den Serenus Zeitblom mit seinem gutmütigen Lachen aus dem Geiste des Neuhumanismus als Partner Leverkühns (vgl. Rau, Lachtrunkenheit, 79). Vgl. Rau, Lachtrunkenheit, 79/83. Der Hund Bauschan verkörpert in der Erzählung Herr und Hund (1919) die Einheit von „Dämonie, Tierischem und Gelächter“ (Rau, Lachtrunkenheit, 93). Rau, Lachtrunkenheit, 82. Vgl. Rau, Lachtrunkenheit, 86. Vgl. Rau, Lachtrunkenheit, 79. Rau, Lachtrunkenheit, 82. Diese Feststellung gilt ganz sicher für die Novelle Tod in Venedig (1913), in der das Mythologem des ominösen Straßensänger-Lachens bzw. des „fortwährenden Totentanzgelächters“ (Busch, Verlorenes Lachen, 176) eine ungebrochene ästhetisch-psychologische Aussagekraft besitzt. Solches Untergangslachen kann auch in die Physiognomie und Biographie einer Figur eingeschrieben sein: Die Figur des Chefarztes Behrens im Zauberberg (1924) repräsentiert den in postkoitaler Depression und Alkoholsucht gefangenen Zyniker, der die „Dialektik von Lachen und Schrecken, Verblendung und Desillusionierung“ (Rau, Lachtrunkenheit, 81) am eigenen Leib erfahren hat. Rau, Lachtrunkenheit, 102. Rau, Lachtrunkenheit, 102. Rau, Lachtrunkenheit, 91. Rau, Lachtrunkenheit, 102. Dem depravierten Leben entspringt das Höllengelächter, das auf die „platonischen, patristisch verschärften Argumente wider Kunst und Lust, Schein und Sinnlichkeit, Komik und Lachen zurückführt“ (Rau, Lachtrunkenheit, 86). Vgl. II.1.1 und 3.1. Im Felix Krull (1954) und in Der Erwählte (1951) sind wiederum Lachgeschichte und Sühneprozess zusammengeschlossen (vgl. 104). Rau, Lachtrunkenheit, 102.
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Geld“³⁶⁴ und unterwirft die „durch den Konsum von Kunst gleichsam drogierte Gesellschaft“ der „Untergangsdynamik von Lachen und Gelächter“.³⁶⁵ Auf der Kontrastfolie der Verelendung des lustigen Helden, einer Variante des Untergangsschemas, bewertet Thomas Mann jedoch schließlich „die Funktion von Lachen […] für den Kernbereich der Dialektik von Ethik und Ästhetik“ neu im Sinne einer „Idealisierung […] des lachenden Lebens“,³⁶⁶ dessen „Personifikationen“ eine universelle Bedeutung haben: Denn sie bilden „lebensgeschichtliche Existenziale“ wie „Glück, Lust und sinnliche Fülle“ ab, die in der „innerfiktionalen Welt- und Geschichtsauslegung“³⁶⁷ gegen den „Typus des Ressentiments“³⁶⁸ gerichtet sind und somit einen kulturkritischen Akzent erhalten. Das Motiv des blasphemischen Gelächters ist in Thomas Manns Erzählkosmos somit offensichtlich Metamorphosen unterworfen; es verändert seine Funktion durch ästhetische Doppelperspektivierung, so dass es weder eine ungebrochen affirmative Bedeutung erhält noch bloßer Indikator einer Verfallsdiagnose ist. Eine derartige Ambivalenz eignet Oskar Panizzas Schauspiel Das Liebeskonzil. Eine Himmelstragödie in fünf Aufzügen (1894),³⁶⁹ das im Gestus der Satire³⁷⁰ ein
Rau, Lachtrunkenheit, 86. Thomas Mann verbindet den „Binnenbezirk des Ästhetisch-Erotischen“ mit jenem der Außenzone des „gesellschaftlichen Verkehrs“ (Rau, Lachtrunkenheit, 98): Der „lachenden Emanzipation des Sinnlichen aus religiösen und ethischen Bindungen“ entwächst die „neuzeitliche Einheit von Geld-Schein und Kunst-Schein“ (101). Rau, Lachtrunkenheit, 89. Rau, Lachtrunkenheit, 92. Das „neue lachende Leben“ ist im Mann’schen Zeichensystem bestimmt durch die Vorrangigkeit des Männlichen, die Heiterkeit des „nördlichen Touristen“ und die „moderne Technik“ (Rau, Lachtrunkenheit, 99), die den Raum einnehmen, der zuvor durch die unheimliche Topographie des Südens besetzt war. Das Tragische ist zwischen „südlichem Lachen und innerem nordischen Gelächter“ (87) angesiedelt. Rau, Lachtrunkenheit, 85. So entwirft der Roman Der Erwählte die in die Vor-Neuzeit rückprojizierte, an Bachtins Konzept erinnernde Utopie von einem „universalen und ubiquitären Lachen“ (Rau, Lachtrunkenheit, 104). Rau, Lachtrunkenheit, 93. Einen häretischen Neuansatz in der theologischen Bewertung des Lachens verfolgte Franz von Kobells Mitte des 19. Jahrhunderts publizierte heitere Mär vom Brandner Kaspar, deren Bühnenfassung äußerst populär wurde (vgl. Uber/Steiner, Lach, 47). Kobell literarisiert hier den subversiven Gedanken von einem erlösenden anti-patriarchalen Lachen. Der Protagonist, der sich gegen die „göttliche Vorsehung“ (47) ein ums andere Male die Verlängerung seines Lebens erschwindelt, wird durch das Lachen der Mutter Maria, das schließlich das gesamte himmlische Personal ansteckt, vor dem Fegefeuer bewahrt. Formal und poetologisch knüpft Panizza an die kirchliche Literaturtradition der „mittelalterlichen Osterspiele“ (Anja Schonlau, Warum der Teufel Medizin studiert hat, 166) an, die er durch die Überblendung moralisch-mythologischer Lehrbestände des Christentums und sozialdarwinistischer Wissenschaftstheoreme parodiert. Panizza hat zudem in der „kontroverstheologischen Satire“ (168) der Reformationszeit, z. B. in Ulrich von Huttens Fieber-Dialogen, ein lite-
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anti-idealistisches und -dogmatisches Lachen provoziert,³⁷¹ nicht. Der Gott der Katholiken ereifert sich über die sittliche Verkommenheit der Menschen, erteilt aber angesichts seiner geschwundenen Autorität und der sprachlosen Apathie seines Sohnes dem Teufel den Auftrag wirkungsvolle Gegenmaßnahmen einzuleiten, der wiederum, von der machtbewussten und intriganten Maria assistiert,³⁷² seine biologischen Kenntnisse nutzt, um die Syphilis unter den Menschen zu verbreiten.³⁷³ Dabei handelt es sich um einen naturwissenschaftlich beschlagenen, akademischen Teufel, gebildet, eloquent und spottlustig, der – anders als die Teufel in den romantischen Märchen³⁷⁴ – eher maliziös lächelt als höhnisch lacht³⁷⁵ und dessen Witz von der intellektuellen Kälte der instrumentellen Vernunft zeugt.³⁷⁶ Die Parodierung des Osterspiels durch die von Gott veranlasste epidemische Strafaktion verwandelt die Heils- in eine Unheilsgeschichte.³⁷⁷ Sie spielt damit auch den Gedanken einer „christlichen Legitimation der Satire durch das Problem der Theodizee“ durch und lässt sich darüber hinaus als satirischer Reflex auf die Blindheit der „christlichen Satire“³⁷⁸ deuten (vgl. II.3.3). Indem der
rarisches Vorbild für seine kleruskritische Dramatik gefunden. Weiterhin orientiert er sich an „Texten des späten 18. Jahrhunderts“ (168) wie dem La Guerre des Dieux anciens et modernes, einem satirischen Gedicht des Évariste-Désiré de Forges (1753 – 1814), das einer dekadenten Götterwelt frivole Züge verleiht, und dem pseudonym veröffentlichten Bühnenstück Germania, ein Trauerspiel (1800), das als Sprachrohr protestantischer Polemik die gottväterliche Macht bzw. moralische Reinheit der Maria banalisiert und konvertiert. Vgl. Schonlau, Warum, 168 f. Da Maria außerhalb der „patriarchalischen Hierarchie“ (Schonlau,Warum, 177) steht, verfügt sie zwar im Gegensatz zur männlichen Sippe über große Willenskraft, doch wird auch sie der Lächerlichkeit preisgegeben, nicht nur wegen ihrer sittsamen Weitschweifigkeit, sondern vor allem hinsichtlich ihrer Eitelkeit und Putzsucht. Vgl. Schonlau, Warum, 165 f. Vgl. Schonlau, Warum, 179. Die literarische Ablösung des unheimlichen durch den distinguierten Teufel erfolgte bereits, wir gesehen haben haben, in Goethes Faust. Vgl. auch Schonlau, Warum, 180. Vgl. Schonlau, Warum, 179. Vgl. Schonlau, Warum, 181 ff. Indem der Teufel in die Rolle des Arztes schlüpft, interpretiert er die imitiatio christi als diabolisch veranlagte Herrschaftspraxis. Wenn er tabuisierte sexuelle Vorgänge klinisch beschreibt und seine epidemiologische Vererbungstheorie mit naturwissenschaftlicher Akribie perfide umsetzt, dann parodiert er nicht nur den „göttlichen Schöpfungsakt“ (Schonlau, Warum, 184), sondern auch die menschlichen Versuche, Krankheit systematisch einzudämmen und das Problem der Theodizee zu bewältigen. Panizza baut mit der Höllenfahrtszene und dem Satansprozess traditionelle Elemente in sein Stück ein, die auf den Topos der Hiobgeschichte und die neutestamentliche Legende in Mt 4,1– 11 zurückgehen (vgl. Schonlau, Warum, 167 f.). Schonlau, Warum, 172. Um einen himmlischen Lasterspiegel präsentieren zu können, bedient sich Panizza der „poetischen Strategie“ (Schonlau, Warum, 169) der Perspektivverschie-
3.2 Blasphemisches Gelächter
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Autor die himmlische Welt durch die naturwissenschaftliche Demaskierung blamiert³⁷⁹ und sein Publikum so zum mitleidlosen Lachen reizt, erweist er sich „als teuflischer Verführer“³⁸⁰. Das „anti-dogmatische Lachen“, zu dem Panizza verleitet, ist eines, mit dem der Zuschauer oder Leser im Baudelaire’schen Sinne seine „gläubige Unschuld“³⁸¹ verliert. In den literarischen Werken des nachmetaphysischen 20. Jahrhunderts begegnet das Motiv des blasphemischen Lachens, wenn man der These Stefan Buschs folgen möchte, nur noch als zitathaftes Spiel.³⁸² In Becketts Waiting for Godot (1952) ist lediglich das durch intertextuelle Referenzen erzeugte Echo des frevlerischen Gelächters zu vernehmen. Vladimirs Lachen über die theologische Rückkopplung von Reue und Geborensein im Erbsünden-Dogma bricht nicht etwa aufgrund eines Gewissensreflexes ab, sondern wegen des Blasendrucks, also einer banalen körperlichen Schwäche: Das Blasphemische verkehrt sich ins Farcenhaft-Clowneske.³⁸³ Bei Hermann Broch ist das Motiv noch im Affront gegen die Neuauflage eines christlich-theologischen Ethos erkennbar oder es verbirgt sich
bung, die zum Inventar der menippeischen Traumsatire gehört. Dieses Verfahren setzt er so ein, dass er die elitäre Moralperspektive der himmlischen Repräsentanten karikieren und die satirische Weltkritik in eine antidogmatische Kleruskritik ummünzen kann. So zeichnet Panizza die Engel als psychisch degenerierte, lüsterne Wesen ohne karitativen Sinn. An ihrem Erdenleben macht er die Unmenschlichkeit der katholischen Sexualmoral sichtbar, der im Ritual erstarrten Marienverehrung und bestimmter Kultpraktiken wie dem Ablasshandel (vgl. 170 ff./177). Die Dekadenz der göttlichen Familie schlägt sich gemäß der damals modischen sozialdarwinistischen und naturalistischen Degenerationstheorien in „physiologischen und psychologischen Defiziten“ (Schonlau, Warum, 174) nieder, deren Darstellung komische Effekte erzeugt: Wenn Gottvater als tuberkulosekrank bezeichnet wird, dann stellt das eine extreme „pathologische Profanisierung Gottes“ (175) dar, die durch die Parodierung liturgischer Gegenstände und Rituale wie der eucharistischen Wandlung im Detailrealismus der Krankheitssymptomatik und der himmlischen Krankenbetreuung noch gesteigert wird. Die sprachspielerische Parallelisierung von Spucknapf, Messkelch und der „hochmodernen Taschenspuckflasche“ (176) führt die Abhängigkeit Gottes von medizinischen Errungenschaften spöttisch vor Augen. Schonlau, Warum, 179. Denn es ist anzunehmen, dass sich zur Jahrhundertwende weder ein tolerantes liberales noch ein konservativ-katholisches Auditorium an der „massiven Polemik“ (Schonlau, Warum, 178) des Stückes vorbehaltlos delektierte. Schonlau, Warum, 185. Einen ähnlichen Effekt hatte viele Jahre später der Film Life of Brian (1979) des britischen Komikerensembles Monty-Python, der am Leitfaden der Lebensgeschichte Jesu die Auswüchse kollektiv-fanatischer Religiosität parodiert und von der katholischen Kirche als blasphemisches Kunsthandwerk verurteilt wurde (vgl. Angela Krewani, Die Absurdität der Normalität, 64 f.). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 179 – 193. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 179 f.
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in kollektiver Gottvergessenheit und karnevaleskem Hohn.³⁸⁴ Joseph Roths HiobRoman (1930) bindet es in ein komplexes literarisches Allusionsnetz und damit ins Spiel ironischer Distanzierung ein.³⁸⁵ In Dürrenmatts Der Richter und sein Henker (1950/51) wirken das gleichgültige Lachen des nihilistischen Verbrechers Gastmann beim Disputationsspiel mit Kommissar Bärlach und sein mit schaurigem Lachen vollzogener Abgesang wie anachronistische Formeln.³⁸⁶ Robert Schneiders „historischer Roman“³⁸⁷ Schlafes Bruder (1992) stellt den literaturgeschichtlichen Konnex zwischen dem Theodizeeproblem und der blasphemischen Geste im entsetzlichen Lachen des zerquälten musikalischen Genies Johann Elias Alder her.³⁸⁸
Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 154– 160. Im abschließenden Teil der Schlafwandler-Trilogie (1930 – 32) diskreditiert der größenwahnsinnige Gödicke lachend die mystisch verschattete geschichtsphilosophische Hoffnung, die das neochristliche Ethos dem allgemeinen Werteverfall entgegensetzt. Brochs späterer Roman Der Tod des Vergil (1945) lässt schließlich die blasphemischen Bedeutungskomponenten im „subjektlosen Gelächter der depravierten Masse“ sowie im grobianisch-obszönen Lachen „dreier Betrunkener“ (Busch, Verlorenes Lachen, 155) verschwinden. Dieses eher gottvergessene als gottwidrige Hohnlachen reißt den gesamten ‚sachlichen Weltbestand‘ in den Strudel der „karnevalesken Entwertung“ (159) und Allzertrümmerung. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 168 – 174. Roths Hiob-Figur Mendel Singer erklärt nach dem Verlust sämtlicher Familienangehöriger Gott lachend die Feindschaft, hebt sie aber in dem Moment mit einem „erschreckenden Lachen, das schließlich in Weinen übergeht“ (Busch,Verlorenes Lachen, 170) wieder auf, da er ein Lebenszeichen von einem seiner Söhne erhält. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 181 f. In seinem Buch vom Lachen und Vergessen (1978) hat Milan Kundera die traditionellen Motivgehalte wieder zur Geltung gebracht, wenn er das teuflische Lachen über die Sinnlosigkeit vom ‚Lachen der Engel‘ über die vernünftige Ordnung und die Schönheit aller Dinge abgrenzt (85 – 87). Auch im grausam-zynischen, blasphemischen Spott des Henkers in Hochhuths Der Stellvertreter (1963) hallt jenes teuflische Lachen nach (vgl. Karl-Josef Kuschel, Im Spiegel der Dichter, 133 – 137). Busch, Verlorenes Lachen, 183. Für problematisch hält Busch die Anspielung auf das blasphemische Lachen des Büchnerschen Lenz im Dienste einer Ästhetik der Verzweiflung bei John von Düffel, dessen Roman Vom Wasser (1998) eigentlich ein Programm naturalistischer Poetik diesseits metaphysischer Spekulationen verfolgt (vgl. Verlorenes Lachen, 185 f.). Christoph Ransmayrs Die letzte Welt (1988) löst dagegen das „verzweifelte Lachen“ von der „Anklage Gottes“: Das Lachen des Römers Cotta erschallt im Moment der Einsicht in die Vergeblichkeit seiner Suche nach Ovid, dem Fixstern rationaler Ästhetik; doch die der Untergangsvision entspringende Ausdrucksbewegung mündet in die Hingabe an „eine wunderbare Welt der fließenden Identitäten“ (185).
3.3 Von der christlichen Dämonologie zur säkularen Utopie
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3.3 Von der christlichen Dämonologie zur säkularen Utopie: Motivverwandlungen im Märchen und in der modernen Dichtung Als Verständnisfolie für eine weitere mentalitätsgeschichtlich aufschlussreiche und theologisch-anthropologisch relevante Motiventwicklung eignet sich Charles Baudelaires Reflexion des Lachens,³⁸⁹ die die überkommenen Wertungen der christlichen Sündentheologie mit einer kulturkritischen Ätiologie der Moderne verklammert. Baudelaire hat im Lachen den Aufstand der Affekte, Nerven und Organe gegen die Herrschaft des Geistes, die logozentrische Allmacht bzw. die „transfigurale Reinheit des göttlichen Logos“³⁹⁰ erkannt. Indem das Lachen den „Bruch zwischen Ding und Wort, zwischen Körper und Sprache“ abbildet, unterläuft es die bewusstseinslogischen Homogenitätskonzepte. Im Lach-Krampf, in der Verzerrung des Körpers zur Ungestalt, reflektiert der Verlust der „imaginären Selbstidentität“³⁹¹ oder, anders gesagt, die Spaltung des menschlichen Wesens in das Hohe und das Niedrige, in schuldhaftes Wissen und unschuldiges Unwissen. Der Riss, dem das Lachen als teuflischer Impuls entspringt, ist bereits in der Schöpfung angelegt: Er verläuft zwischen unendlicher Unterlegenheit des Menschen im Angesicht des Höchsten und unendlicher Überlegenheit gegenüber dem Tier.³⁹² Der „teuflisch-menschliche Charakter des Lachens“³⁹³ hängt daher eng mit der Katastrophe einer frühen Erniedrigung zusammen, die wiederum als Geburtsstätte elementarer Aggressivität und hoffärtiger Selbsterhebung verstanden werden kann. Die Feindseligkeit der Physiognomie, der Grimasse, kennzeichnet das Lachen als Gewaltakt.³⁹⁴ Die Augen und der Mund, also jene Organe, die moralische Erkenntnis transportieren und dem Lachen zum Ausdruck verhelfen,
Vgl. Charles Baudelaire, Vom Wesen des Lachens und allgemein von dem Komischen in der Bildenden Kunst (1855). Marianne Schuller, „Wenn’s im Feminismus lachte …“, 65. Vgl. auch Peter Rehberg, Lachen lesen, 31. Schuller, Wenn’s, 65. Lachen markiert den Übergang vom „mythischen Paradies“ (Rehberg, Lachen, 30) zur Welt des gefallenen Menschen, der physisch und moralisch zur komischen Figur geworden ist. In einer spezifischen Abwandlung von Hobbes’ Komiktheorie hebt Baudelaire darauf ab, dass gerade das Überlegenheitsgefühl und der unbeirrte Frohsinn des Menschen angesichts seiner „seelischen und körperlichen Hässlichkeit“ (Hans-Werner Ludwig, „This terrible deformity of laughter“, 367) grotesk erscheinen (vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 125). Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 124 f. und Seibt, Der Einspruch, 760. Jurzik, Der Stoff, 28. Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 123, Jurzik, Die zweideutige Lust, 44 und I.1.4.
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verraten die sittliche Degeneration des Menschen.³⁹⁵ Der Habitus der Überlegenheit indiziert eine „Zivilisationskrankheit“³⁹⁶. Er enthüllt sich bei näherem Hinsehen als „Gestus der Anfälligkeit“³⁹⁷ und markiert das Moment verlorener Unschuld.³⁹⁸ Baudelaire begreift das Lachen als Reflex auf das Auseinanderbrechen von Zivilisation und Natur und damit auf jene Schockerfahrung, die zu den Grundbedingungen der Moderne gehört.³⁹⁹ Der traditionelle christliche Wertungshintergrund, der Baudelaires dämonologischer Metaphysik zugrunde liegt, hat zweifellos die Gattungsgeschichte des Märchens eingefärbt. In den meisten Grimm’schen Märchen lachen die Figuren böse und spöttisch,⁴⁰⁰ die Stiefschwestern über Aschenputtel, die älteren Brüder über den Dummling.⁴⁰¹ Es lacht die böse Königin im Schneewittchen,⁴⁰² es lacht
Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 120 und Hüttinger, Die Kunst, 106. So ist „die Geschichte der Vertreibung“ (Rehberg, Lachen, 31) am Körper abzulesen, die körperliche Zügellosigkeit des Lachens weist auf die nachparadiesische moralische Erkenntnisfähigkeit zurück. Jurzik, Der Stoff, 27. Jurzik, Die zweideutige Lust, 44. Baudelaire illustriert diesen Sachverhalt mit der Geschichte von der moralisch ‚unbefleckten‘ Virginie, die beim Anblick einer Karikatur zunächst erschrickt, sich jedoch bei längerem Aufenthalt in Paris den verkommenen Stadtbewohnern angleichen und zum Lachen über die groteske Hässlichkeit reizen lassen wird (vgl. Vom Wesen, 121 f.). Vgl. Jurzik, Der Stoff, 27. Die hier skizzierte fundamental negative Wertung des Lachens steht allerdings kaum im Einklang mit Baudelaires Elogen auf den „wunderbaren poetischen Humor“ (Vom Wesen, 131) Rabelais’, auf die „Trunkenheit des Lachens“ (133) im englischen VarietéTheater oder die rauschhafte Heiterkeit eines E. T. A Hoffmann, also die verschiedenen Spielarten einer grotesken Komik. So müsste man sagen, dass Baudelaires Ästhetik das Lachen zuletzt von der sündentheologischen Stigmatisierung befreit und es in jene Dimension des Wunderbaren entführt, wo es auch für das Kunstmärchen wieder ein tragendes Motiv werden konnte (vgl. die Darstellung in diesem Kapitel). Bösartig, sadistisch oder todeslüstern ist das Lachen der Räuber in Der starke Hans und im Simeliberg, des Wirtes in Fürchtenlernen, der Festgesellschaft in König Drosselbart oder der Königstöchter in den Zertanzten Schuhen. Unbeschwertes, lebensfrohes Lachen begegnet nur beim Schneider in Die beiden Wanderer (vgl. Rölleke, Und lachte, 46/48). Vgl. Lutz Röhrich, Das Märchen und das Lachen, 29 f. Franz Vonessen illustriert exemplarisch an den Grimm’schen Märchen Die Wichtelmänner, Knoist un sine dre Sühne und Der Gevatter Tod, dass viele Märchen über den Menschen lachen, über seine Versuche, das Glück zu ergründen und festzuhalten, über seine Schlechtigkeit und Dummheit, seine Gier und Selbstgerechtigkeit (vgl. „Diese sehr ernsten Scherze“, 208 – 219). Rezeptionsästhetisch ist allerdings festzuhalten, dass die Grimm’schen Schwankmärchen anders als der französische Märchenklassiker Perrault, der am Kontrast von „übernatürlichem Geschehen“ und der „aufgeklärt-rationalistischen Einstellung“ (Röhrich, Das Märchen, 27) des Lesers Lachen entzündet, dem Lachen kaum Reizpunkte geben. Das hat auch damit zu tun, dass die Brüder Grimm, vom biedermeierlichen Sittlichkeitsempfinden geleitet, die Schwanküberlieferungen weitestgehend von obszönen und skatologischen Elementen reinigten (vgl. Wienker-Piepho, Homo narrans, 61 f.). Schon eher erzielen die
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die Hexe in Hänsel und Gretel, in Die sechs Diener und Der Trommler, es lacht der Zauberer in Der Gläserne Sarg und der Teufel in Das Mädchen ohne Hände;⁴⁰³ es kichern und grinsen die Hexen, Dämonen und Höllengeister.⁴⁰⁴ Schwache, Missgestaltete und Hässliche, körperliche und charakterliche Defekte, Dummheit und Verwahrlosung werden dem Gelächter preisgegeben.⁴⁰⁵ Das aggressiv-triumphale, höhnisch-gellende Lachen der unheimlichen oder bösartigen Figuren des Volksmärchens folgt jener Psychologie des Sadismus und der Feindseligkeit,⁴⁰⁶ die von der christlichen Morallehre inkrimiert wurde.⁴⁰⁷ Das biblischchristliche Ethos (vgl. II.1.1, 2.1, 3.1) spiegelt sich in den Genregesetzen: Das boshaft-schadenfrohe, unheilvolle Lachen der verderbten Figuren, Dämonen und Hexen bestimmt zwar häufig die Märchenhandlung,⁴⁰⁸ doch verstummt es mit ihrem Untergang.⁴⁰⁹ Die moralischen Helden des Märchens sind der verlachte Tunichtgut, Einfaltspinsel oder Zwerg, der Missgebildete oder Arme, die Opfer von Spott und Verachtung (vgl. II.3.1). In den meisten Schwänken und Sagen der Grimm’schen Sammlung triumphiert der Märchenheld zuletzt, allerdings artikuliert sich die grenzenlose Freude nicht im Lachen (vgl. auch II.2.3).⁴¹⁰
Märchen durch „doppelbödige Ernsthaftigkeit“ (59) eine der Tragik verwandte Komik. Die Leser lachen höchstens schadenfroh, oft vergeht ihnen sogar das Lachen (vgl. Röhrich, Das Märchen, 21). Gelegentlich treibt das Märchen den Leser an jene Grenze zwischen Komik und Grauen, an der sich das halb wahnsinnige Lachen entzündet, das dem Spannungsabbau und der Befreiung von der Furcht dient (vgl. 38 f.). Vgl. Röhrich, Das Märchen, 29. Vgl. Rölleke, Und lachte, 46. Vgl. Röhrich, Das Märchen, 40. Heinz Rölleke weist auch auf das leise Lachen der Bosheit in Chamissos Peter Schlemihl (1813) und das markerschütternde dämonische Gelächter im Finale von Jacques Offenbachs 1851 uraufgeführten Hoffmanns Erzählungen hin (vgl. Und lachte, 45). Vgl. Röhrich, Das Märchen, 30 f. In ihrer Boshaftigkeit und Spottsucht geben sich die typologischen Figuren des Märchens – so Rölleke – als Kinderseelen zu erkennen (vgl. Und lachte, 51). In Hans Christian Andersens Kunstmärchen von Des Kaisers neuen Kleidern ist das Lachen des Kindes die Initialzündung für das demaskierende Gelächter über den nackt stolzierenden Kaiser (vgl. 43). Vgl. auch I.1.4. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 28 f. Vgl. Rölleke, Und lachte, 45 f. In den Grimm’schen Märchen Der Fuchs und die Frau Gevatterin oder Lieb und Leid teilen behält das spöttische Lachen sogar das letzte Wort (Rölleke, Und lachte, 48). In Nixe im Teich reißt das böse Wasserweib den jungen Jäger lachend in den Tod, das Märchen endet jedoch mit der Wiedervereinigung der Geliebten (vgl. 49 f.). Vgl. Jurzik, Der Stoff, 29. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 29 und Rölleke, Und lachte, 47. In den 210 Zaubermärchen der Grimm’schen Sammlung wird zwar 29 Mal gelacht (vgl.Wienker-Piepho, Homo narrans, 58), doch viele wichtige Figuren, mit denen der Leser sympathisiert, lachen nicht, weder Rotkäppchen noch Dornröschen, Pechmarie noch Goldmarie, Blaubart noch die Sieben Zwerge (vgl. Röhrich, Das Märchen, 21).
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Auf der anderen Seite transzendiert bereits das Volksmärchen den christlichen Wertungshorizont, oder anders gesagt: In der Phantasie des Volksmärchens ist die Überwindung des christlich-mittelalterlichen Lachressentiments möglich.⁴¹¹ Rainer Stollmann erkennt im Märchenlachen sogar die Intention, jene monastisch-theologischen Pamphlete zu persiflieren, die vor der Gefahr des TotLachens warnen.⁴¹² Der Märchentopos von der Heilung des traurigen Prinzen konvertiert die vom Stricker, einem mittelhochdeutschen Dichter des frühen 13. Jahrhunderts stammende Bispel vom ernsthaften König, der sich angesichts des Martyriums Christi und der Gefährdung seines Heilsstatus das Lachen abgewöhnt hat.⁴¹³ Die Grimm’schen Märchen Die Zwölf Brüder und Die Sechs Schwäne ⁴¹⁴ präsentieren das Wissen um das Lachen als Signum des Menschlichen ex negativo: Das Lachverbot bringt den Ausschluss aus der Gesellschaft mit sich,⁴¹⁵ es steht für das „symbolische Sterben“, das Wieder-Lachen versinnbildlicht umgekehrt das Wiedererlangen des Menschlichen, „Wiedergewinnen des Selbst“,⁴¹⁶ Wiederauferstehung und Erlösung.⁴¹⁷ Diese Topik gehört zu den Grundzügen des Märchens ungeachtet seiner kulturellen Herkunft.⁴¹⁸ Das Lachen gewinnt eine
Vgl. Ueding, Rhetorik des Lachens, 40 f. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 18 f. Wolfgang Kuhlmann geht aber m. E. zu weit, wenn er meint, das Volksmärchen sei noch vom selbstverständlichen Lachen der griechisch-antiken „heiteren Seele“ (Witz, Humor und Komik in Märchen und Schwänken, 8 f.) erfüllt. Vgl. Ueding, Rhetorik des Lachens, 40 f. In beiden Dichtungen geht es darum, dass die Schwestern ihre Brüder, die in Raben bzw. Schwäne verwandelt wurden und wieder zu Menschen werden sollen, durch ein Schweigegelübde erlösen wollen (vgl. August Nitschke, Zeiten ohne Lachen und Weinen, 45 f.). Im Sprech- und Lachverzicht bekundet sich ihr Bestreben, den Männern die Rückkehr in die Familie zu ermöglichen (vgl. 55 f.). Sie opfern sich auf, nehmen Trennung, Isolation und Tod in Kauf und stellen als Verstummte einen Stoff her, der die Rückverwandlung der Brüder bewirkt (vgl. 84 ff.). Vgl. Rölleke, Und lachte, 49 f. Rölleke spricht mit Blick auf Die zwölf Brüder von einer freiwilligen Selbstisolierung. Andere Interpreten verstehen die Lachabstinenz als ein Arbeitsethos, das auf Vorschriften für gewisse Initationsriten zurückgeht, die seit jeher den „Reifungsprozess junger Frauen“ (Nitschke, Zeiten, 52) begleiteten. Goergen, Die heilende Kraft, 167. Vgl. Nitschke, Zeiten, 45 f. Nitschke resümiert, dass Lachen und Nicht-Lachen grundsätzlich „Gefühle der Menschen ausdrücken“ oder Verwandlungsprozesse begleiten können, die dem Menschen „eine neue Zukunft“ (Zeiten, 85) eröffnen. Einige Tierbräutigam-Märchen variieren dieses Motiv: Solange der Tierbräutigam nicht erlöst ist, darf die Heldin nicht lachen, sie kehrt nur für kurze Zeit zu ihren Angehörigen, in den diesseitigen Bereich zurück und trägt das „Zeichen […] des Noch-nicht-ganz-Menschlichen“ (Goergen, Die heilende Kraft, 167). In einem „irischen Zaubermärchen“ (168) gibt der für sein schallendes Lachen bekannte Gruagach seine Lachabstinenz erst auf, als seine zwölf ermordeten Söhne wieder zum Leben erweckt werden. Der Opferwidder in einem buddhistischen Märchen lacht, weil er in einer künftigen Wiedergeburt seine Erlösung gesehen hat (vgl. Goergen, Die heilende Kraft, 168). Das persische
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positive Qualität als Macht der Heilung, Katastrophenbewältigung⁴¹⁹ und Erneuerung.⁴²⁰ Es bricht die „Starre des Wechselbalgs“⁴²¹ auf und lässt das „Monsterkind“⁴²² zum „sprechenden Menschen“⁴²³ werden und es hilft der Bohne, die gescheiterte Bachüberquerung ihrer Gefährten ‚Kohle‘ und ‚Strohhalm‘ zu verarbeiten. Es kann einem befreienden Schuldbekenntnis folgen wie im Märchen vom Eisenhans.⁴²⁴ Es bewirkt die Überwindung von Krankheit, seelischen Blockaden und Agonie.⁴²⁵ In einem sardinischen Legendenmärchen, das auch in anderen Gegenden des Mittelmeerraumes verbreitet ist, bringt ein drolliger Witz des Frosches die trauernde Jungfrau Maria zum Lachen.⁴²⁶ Einige Grimm’sche Märchen erzählen davon, wie das Lachen die Prinzessin vom „gesellschaftlichen Bann“⁴²⁷ befreit und ihre Isolation und Depression beendet.⁴²⁸ Es erweist sich als
Märchen von Sänäma erzählt von einer Biene, die durch drollige Verkleidung die zufällig ihren Weg kreuzende Tochter des Päri-Königs zum Lachen bringt und sie damit von einem Handicap befreit; aus Dankbarkeit verhilft die Königstochter der Biene zur Menschwerdung (vgl. 165). In einigen kulturellen Überlieferungen aus Südamerika übernimmt das Lachen umgekehrt die Erzählfunktion, die Verwandlung des Menschen in ein Tier zu initiieren (vgl. Nitschke, Zeiten, 85). Vgl. Heinrich, Theorie, 24 f. Die mongolischen Märchen Der schwarze Hundsbulle und die schwarze Rohrdommel und Der Sohn vom Berg lassen das Lachen im Moment der Trennung, der unmittelbar bevorstehenden Katastrophe ersterben und eröffnen ihm dort neuen Raum, wo die Bedrohung noch auf Distanz gebracht werden kann (vgl. Goergen, Die heilende Kraft, 169). Davon erzählen schon der antike Mythos und die nordgermanische Sage (Edda): Das Lachen über den derben Scherz durchbricht die Klage Demeters um ihre entführte Tochter Persephone und lässt den Frühling zurückkehren. Das skurrile Verhalten des Loki bringt die um ihren toten Vater trauernde Göttin Skadi zum Lachen und ins Leben zurück (vgl. Röhrich, Das Märchen, 28 f.). Vgl. auch I.2.1. Heinrich, Theorie, 24. Jurzik, Die zweideutige Lust, 39. Röhrich, Das Märchen, 28. Rölleke bezeichnet den Wechselbalg als „untergeschobenes Dämonenkind“, das zum Lachen provoziert wird, damit es platzt und verschwindet oder „von seinen Dämoneneltern wieder abgeholt“ (Und lachte, 51) wird. Rainer Stollmann erklärt, die „äußere Absurdität“ des in Eierschalen gekochten Wassers errege das Lachen des „bösen Klotzkopfs“, der „damit seine eigene unmenschliche Absurdität aufgeben und verschwinden“ (Lachen, 38) muss. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 29. In vielen Märchen hat dabei das Motiv der Entblößung aus der Demetersage eine Schlüsselfunktion. Vgl. I.2.1/2.3. Vgl. Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 874. Heinrich, Theorie, 24. In Die Goldene Gans löst der Anblick der Menschen, die an der Gans kleben und damit in gewisser Weise auch aneinanderkleben, das Lachen der Prinzessin aus (vgl. Goergen, Die heilende Kraft, 165 f.). Die Pointe des Märchens besteht laut Karl-Josef Kuschel darin, dass das Grotesk-Tragikomische nicht ins Tragische abgleitet, sondern im Lachen aufgefangen wird. So leitet das Lachen die Lebenswende für den schwächlichen Gottfried ein, der die Prinzessin hei-
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Schlüssel für die ersehnte Hochzeit;⁴²⁹ amerikanische Spielfilme haben dieses Motiv aufgenommen und variiert.⁴³⁰ Heinrich Anz hat das Grimm’sche Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen und Alfred Anderschs Roman Die Rote (1960) als poetische Referenz für seine These herangezogen, dass das Lachen in seinem innersten Kern „Signum und Garant einer sinnvoll geordneten Welt“⁴³¹ ist. Auf der Negativfolie des „alten Märchens vom Gruseln und der modernen Parabel vom Grausen“ scheint seine „metaphysische Qualität“⁴³² auf. Perversionen ontologischer und moralischer Art lassen das Lachen verstummen, der lachende Mensch dagegen wird „seiner Welthaftigkeit ‚positiv‘ inne“, seiner Zugehörigkeit zur „sinnhaften Ordnung“.⁴³³ Auf der anderen Seite bringt das Märchen eine Tiefenschicht des Lachens zum Vorschein, die viele Gelehrte als Mangel- und Unvollkommenheitsbewusstsein
raten darf, und schließlich für die Prinzessin selbst, die durch das Lachen aus der Isolation ihrer Trauer und ihres goldenen Käfigs herausgeholt wird. Mit dem Lachen kehren Natürlichkeit, Gesundheit und Menschlichkeit zu ihr zurück (vgl. Kuschel, Lachen, 179 ff.). Vgl. zur psychoanalytischen Deutung I.2.1. Diese Motivik begegnet schon im spätmittelalterlichen Roman Mai und Beaflor, der mit dem Topos vom wiedergefundenen Lachen auf Gottfried Kellers Novelle Das verlorene Lachen vorausweist: Für Beaflor endet eine Zeit der schmerzhaftesten Trennung und „tiefsten Trauer“ (Astrid Bußmann, Im Bann der Inszenierung, 108) mit dem Lachen der Freude über die ersehnte Wiedervereinigung mit dem Geliebten. Ihr Lachen, das mit zunehmender Vertraulichkeit und wachsendem Liebesaffekt noch an Intensität gewinnt, steht unter dem Vorzeichen einer „minnesangtypischen Frühlingstopik“ (109) und erweist sich somit als Klang-Chiffre des Wiedererwachens. Eine Variation des Märchenmotivs kann auch im niederdeutschen Gedicht von Flos und Blankflos (13. Jht.) gefunden werden, wo „das befreiende Lachen des Königs […] den Liebenden die Freiheit schenkt“ (Kremer, 52). Vgl. Michel-Andino, Kleine Philosophie, 64. Heinrich Anz, Wenn einem das Lachen vergeht, 48. Anz erörtert den vermeintlichen Widerspruch dieser Sichtweise zu den Bestimmungen der antiken Gelehrten: Die römisch-griechische Rhetorik verstand das Lachen ja als Akt des Lächerlichmachens und die platonische Philosophie definierte das Lächerliche als das Nichtige (vgl. Anz, Wenn, 48/50). Allerdings bestätigte die komische Äußerungsform, wie Gert Ueding festhält, den „gemeinsamen Sinn für das Wahre und Rechte“, indem sie die „Abweichung des Charakters“ (Rhetorik des Lachens, 36) von der Norm markierte. Am Ende von Platons Symposion kommen Aristophanes und Sokrates daher zu dem Ergebnis, dass der Tragödien- zugleich Komödiendichter sein müsse und verweisen damit auf das beiden Gattungen zugrundeliegende Wahrheits- bzw. Ordnungskonzept (vgl. Anz, Wenn, 49). Anz, Wenn, 48. Anz, Wenn, 48
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erkannten.⁴³⁴ Friedrich Th. Vischer (1807– 1887) und Joachim Ritter (1903 – 1974) erklärten, dass die Quellen des Lachens „außerhalb des Paradieses liegen“⁴³⁵. Doch transzendiert das Lachen – so Joachim Ritter im Einklang mit Baudelaires Begriff von der ‚Freude‘⁴³⁶ und der romantischen Ästhetik des Humors – das melancholische Defizitempfinden und evoziert eine Ahnung von Unendlichkeit und Vollkommenheit.⁴³⁷ Im Rückgriff auf Baudelaires Bestimmungen des Grotesken (vgl. II.2 und II.3.1) spricht Rita Bischoff von der neuen Qualität des Lachens im technisch-wissenschaftlichen Zeitalter als Ausdruck eines „absolut Komischen“: Da es „aus der Negation der Bedingungen der menschlichen Existenz entspringt“, markiert es einen „Bruch mit der faktischen Normalität“ und den „Übergang ins Reich des Wunderbaren“.⁴³⁸ Rainer Stollmann zeichnet einen geschichtlichen Wandel des Lachens auf dem Weg in die „europäische Bauernkultur des Mittelalters“ nach, der mit dem „distanzierteren und komplexeren gesellschaftlichen Verhältnis zur Natur“⁴³⁹ korrespondiert. Das Konzept der ‚einfachen‘ Natur und ihrer Entbergung im Lachen wird abgelöst durch die Vorstellung, dass das Lachen die korrumpierte Natur in einen heilen Urzustand zurückverwandelt.⁴⁴⁰ Stollmann spielt damit auf die Entwicklungslinie vom Mythos zum Märchen an, die Adorno/Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung (1947) in einen größeren geschichtsphilosophischen Rahmen gestellt haben: „Ist Lachen bis heute das Zeichen der Gewalt, der Ausbruch blinder, verstockter Natur, so hat es doch das entgegengesetzte Element in sich, dass mit Lachen die blinde Natur ihrer selbst als solcher gerade innewerde und damit der zerstörenden Gewalt sich begebe“.⁴⁴¹ Das „märchenhafte Lachen“ tendiert im adornitischen Sinne dazu „mythenzerstörend und herrschaftszersetzend“⁴⁴² zu sein. Selbst in boshaft-spöttischer Gestalt zielt es dialektisch auf die
So wies der Märchendichter Georg Fülleborn 1789 auf die Melancholie im Lachen des Märchens hin (vgl. Rölleke, Und lachte, 43) und Baudelaire hielt fest, dass in einer vollkommenen Welt kein Widerspruch mehr existierte, der Lachen provoziert (vgl. Vom Wesen, 120). Köhler, Differentes Lachen, 16. Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 127. Vgl. Vgl. Ritter, Über das Lachen, 86 – 92 und Köhler, Differentes Lachen, 15 f. Bischoff, Lachen, 62. Stollmann, Groteske Aufklärung, 15. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 17 f. Horkheimer/Adorno, Dialektik, 85. Stollmann, Groteske Aufklärung, 15. So hat die Rückgewinnung des Lachens der Prinzessin im Grimm’schen Märchen von der goldenen Gans einen gesellschaftskritischen Rückkopplungseffekt in dem Sinne, dass die „Dummheit und Traurigkeit“, die den verkehrten Lebenszusammenhang der „Geld- und Besitzgier, des untertänigen Gehorchens, der sexuellen Begierde“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 22) charakterisieren, aufgebrochen sind. In den Grimm’schen
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Regeneration der Natur, ist es auf einen heilen Urzustand der Schöpfung gerichtet, dessen Kennzeichen die Einheit von Mensch und Tier, Natur und Kultur ist.⁴⁴³ Diese Gleichzeitigkeit von Natur und Kultur spiegelt sich in der wechselseitigen Annäherung von Mensch und Tier.⁴⁴⁴ Im Unterschied zu Stollmann und Ueding geht Rudolf Helmstetter davon aus, dass die „Verteufelung des Lachens“⁴⁴⁵ erst im Kunstmärchen zurückgenommen wurde.⁴⁴⁶ Unbestreitbar ist, dass das Kunstmärchen die Utopie von der Versöhnung ontischer Gegensätze, der Aufhebung von Entfremdung und der Erneuerung der Schöpfung in eine literarische Phantasie verwandelt hat. Die geistige Struktur der Utopie, der in der bestehenden Wirklichkeitsordnung isolierte Nicht-Ort und die zumindest fiktive Koexistenz beider Welten, reflektiert im Lachen, das dem ausgegrenzten Anderen zur vorübergehenden Präsenz verhilft.⁴⁴⁷ In Friedrich de la Motte Fouqués romantischer Erzählung Undine ⁴⁴⁸ (1811) markiert das Lachen der Wasserfrau die Bruchstelle ihrer gespaltenen Identität zwischen „heidnischer Körpernatur“ und einer sprachlich codierten „christlichen
Märchen vom Wechselbalg/den Wichtelmännern und von Strohhalm, Kohle und Bohne sind die Komponenten des mythischen Lachens ironisiert und transformiert (vgl. 16f.). Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 23. Frithjof Hager hat den Gedanken der Lachgemeinschaft aller Kreaturen in einer Vision abgewandelt, die prophetisch-utopische und jahwistisch-lapsarische Dichtung kulturkritisch parodiert: Die Tiere und alle sonstigen Lebewesen verlachen den Menschen, der zuletzt seiner Nacktheit und Naturhaftigkeit gewahr geworden ist und sich seiner natürlichen Umwelt demütig nähert (vgl. Können Tiere, 301 f.). Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 77 ff. Robert Musil hat diese Annäherung in einem Erzählbild unter dem Titel Kann ein Pferd lachen? geschildert. Das Pferd, das vom Stallburschen gekitzelt wird, verhält sich so, als könnte „es sich vor Lachen nicht halten“ (Ges. Werke 7, 482), während der Stallbursche „vor Lachen wiehert“ (483). Zur Erhellung des mentalitätsgeschichtlichen Hintergrunds dürfte es aufschlussreich sein, dass die Erzählung in Italien spielt, dem „Land der Renaissance“ (Stollmann, Groteske Aufklärung, 80), der Neugeburt des Menschen: Hier stehen Knecht und Nutztier noch auf einer gemeinsamen Stufe im sozialen Gefüge. Im ersten Weltkrieg brachte es die industrielle Deformierung der menschlichen Natur mit sich, dass auch die Brücke der Verständigung von Mensch und Tier im Lachen abriss (vgl. 81). Von einem lachenden Pferd hat auch Erich Kästner einmal erzählt (vgl. Gedanken, 293 f.). Helmstetter, Vom Lachen, 768. Doch auch das Kunstmärchen spielt noch mit dem Verdammungsmotiv: In Wilhelm Hauffs Kalif Storch (1826) müssen der Kalif und der Wesir Störche bleiben, weil sie beim Anblick der anderen Störche in unbändiges Gelächter ausgebrochen sind (vgl. Röhrich, Das Märchen, 27). Hans Christian Andersens Märchen Die Schneekönigin verdichtet die kirchlich-abendländische Dämonisierung des Lachens in der Metapher des vom Teufel erschaffenen Spiegels, der alles, was Gott wohlgefällig ist, als schiefes Grinsen reflektiert und das frevlerische Lachen des bösen Zauberkünstlers hervorruft (vgl. Irene Erfen, Das Lachen der Cunewâre, 76 f.). Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 50. Vgl. Ute Luckhardt, Undine lacht, 253 – 257.
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Verstandeskultur“.⁴⁴⁹ Undines Lachen ist Ausdruck einer unschuldigen Vergnüglichkeit, die mit ihrer konstitutiven inneren Distanz zur „Menschen- und Naturordnung“⁴⁵⁰ zusammenhängt.⁴⁵¹ Mit der Eheschließung tritt Undine zwar „in die menschliche Ordnung“⁴⁵² ein, ohne aber in ihr aufzugehen.⁴⁵³ Die Menschwerdung vollzieht sich für sie nicht durch schlichte „Beseelung“⁴⁵⁴, sondern mit dem Bewusstsein ihrer Fremdheit, das zuletzt in ein kritisches Bekenntnis gegenüber der freudlosen menschlichen Kultur mündet. Undine muss nach Hulbrands Verrat erkennen, dass ihr Versuch, die konträren Ordnungen durch die Liebe zu versöhnen, gescheitert ist. Den Konflikt zwischen der „Realität und dem utopischen Potential der Liebe“⁴⁵⁵ hat Ingeborg Bachmann in ihrer Undine-Erzählung (1961) mit feministischer Programmatik fortgeschrieben.⁴⁵⁶ In Eduard Mörikes Historie von der schönen Lau (1853) darf die wegen ihrer Totgeburten verbannte Wasserfrau erst dann in die Ehe zurückkehren, wenn sie durch fünfmaliges Lachen ihre Traurigkeit überwunden und damit ihre Gebärfähigkeit zurückerlangt hat.⁴⁵⁷ Das erlösende Lachen besiegelt einen „Prozess der Vermenschlichung“⁴⁵⁸ und der Erneuerung, der eine „Therapie des Herzens“
Luckhardt, Undine, 253. Luckhardt, Undine, 254. So beschwört Undine in neckischer Manier die Unwetterwolken, versichert Hulbrand, ihrem Anvertrauten, lachend, dass es sich bei solchem Zwiegespräch mit den Naturgewalten natürlich nur um ein Kinderspiel handle, und lacht ausgelassen über die missgelaunten Menschen, die Schelte der Adoptivmutter und das schrumpfende Weinlager (vgl. Luckhardt, Undine, 253). Luckhardt, Undine, 254. Bei der Hochzeitsfeier folgt Undine wieder ihrer kindlich-frohmütigen Natur und lacht ahnungslos, als der Priester sie darauf aufmerksam macht, dass sie von nun an eine Seele besitze (vgl. Luckhardt, Undine, 256). Luckhardt, Undine, 256. Luckhardt, Undine, 261. Vgl. Luckhardt, Undine, 261– 265. Bachmanns Undine lacht erstaunt über die von Furcht und philisterhaftem Geist zusammengehaltene „patriarchalische Ordnung“ (Luckhardt, Undine, 264). So distanziert sie sich einerseits von der Zweckrationalität des Bürgertums und appelliert andererseits an die Einsicht der von ihr beeinflussten Männer. Der utopische Gegenentwurf zum zweckrationalen Dasein scheitert in Undine geht an der Schwäche des männlichen Protagonisten, der zwar das radikale, subversive Undinengelächter kennt und prinzipiell bejaht, ohne jedoch existenziell in es einstimmen zu können (vgl. 263 f.). In einem Vorläufer dieser Erzählung, dem Hörspiel Der gute Gott von Manhattan (1957), lässt das Lachen, das die Beziehung zwischen dem ausstiegsbereiten Jan und der undinenartigen Jennifer kennzeichnet, in verschwörerischer und verstörender Weise Utopisches anklingen (vgl. 261 f.). Als Chiffre einer „absoluten Liebe“ bedroht es die „gesellschaftliche Ordnung“ (262) und provoziert den tödlichen Anschlag auf Jennifer. Vgl. Luckhardt, Undine, 257– 260. Kuschel, Lachen, 182.
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ebenso einschließt wie die Verjüngung und „Verschönerung des Körpers“.⁴⁵⁹ Anders als bei de la Motte Fouqué steht hier keine christliche Seelenlehre mehr im Hintergrund, sondern das antagonistische „Verhältnis von Natur und Mensch“⁴⁶⁰. Das Lachen beglaubigt in Mörikes Märchen die Überwindung der konfliktreichen Fremdheit zwischen Natur und Mensch, Mensch und Mitmensch zugunsten eines harmonischen Zusammenlebens durch „gutwillige Kontrakte des Nehmens und Gebens“⁴⁶¹. Es ist „ein Zeichen von Menschlichkeit, von Kommunikation, von Fruchtbarkeit, von Leben und Lebensfreude“.⁴⁶² Das kindliche Lachen des Wohlgefallens, das die Undine in der romantischen Erzählung auszeichnet, stellt einen Akt der Welterneuerung dar.⁴⁶³ Es „stiftet Gemeinschaft […] selbst zwischen Gegnern“, zeugt von „halbem Einverständnis, […] beginnender Vertrautheit“.⁴⁶⁴ Im Paradies des Müßiggangs, das Schlegels Lucinde (1799) zur Anschauung bringt, ist das „befreite Lachen“ der Liebenden Ausdruck „reiner Freude“, der „Freude erlebter Gemeinsamkeit“.⁴⁶⁵ Es führt in die Kindheit zurück und kann sich dionysisch steigern.⁴⁶⁶ E. T. A. Hoffmanns Prinzessin Brambilla (1820) erzählt von der Verwandlung der Melancholie des Königs Ophioch und des dämonischlustvollen Gelächters der Königin Liris in ein „entzücktes Lachen“⁴⁶⁷ der Heilung und des „paradiesischen Liebes-Erkennens“⁴⁶⁸. Literarische Präsenz gewinnt das Lachen einer säkularen Utopie auch im leichtfertig-unbeschwerten, gutmütigen Lachen der Philine in Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) und im übermütigausgelassenen, warmherzigen Lachen der Minna von Barnhelm in Lessings gleichnamiger Komödie⁴⁶⁹ oder in den Novellen Gottfried Kellers, z. B. im heiter-
Kuschel, Lachen, 183. Luckhardt, Undine, 257. Luckhardt, Undine, 260. Röhrich, Das Märchen, 28. Schließlich begünstigt die ländliche Frauengesellschaft, die sich mit der Lau solidarisiert, die Rückkehr des Lachens. Die Undinenmotive wie Liebesverrat und Vereinigung klingen zwar nur noch als obszön-blasphemische Traummotive nach und sind damit der Lächerlichkeit preisgegeben und doch bekundet sich im Lachen über verbotene, geleugnete und bestrafte Küsse der Witz einer heilsamen Differenzerfahrung (vgl. Luckhardt, Undine, 258 ff. und Hans-Christoph Hahn, Wie die schöne Lau das Lachen wieder lernte, 38 – 41). Vgl. Hans Keller, Lachen und Weinen, 316. H. Keller, Lachen, 316. Dischner, Wer lacht, 44. Vgl. Dischner, Wer lacht, 44. Stoessel, Lob, 48. Stoessel, Lob, 50. Die Utopie der Erneuerung ist insofern gebrochen, als die verlorene paradiesische Anschauung nur in der komischen Verkehrung des Spiegelbilds zurückgewonnen wird und die Rückkehr in eine geistige Heimat das Bewusstsein von der Spaltung der Realität nicht aufhebt (vgl. Stoessel, Lob, 49 ff.). Vgl. H. Keller, Lachen, 320 f.
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natürlichen, unbefangen-gewinnenden Lachen des Jukundus in Das verlorene Lachen (1874)⁴⁷⁰ und im naiv-vergnügten, sorglosen Lachen der Vreneli in Romeo und Julia auf dem Dorfe (1855/56), das erfüllt ist von der „Nähe des Geliebten“ und dem „Glück des Daseins“.⁴⁷¹ Generell entspringt das Lachen von Gottfried Kellers Figuren der „Sympathie, dem herzlichen Gutmeinen, […] der jugendlich überschwänglichen oder wiedergewonnenen Lebensfreude“.⁴⁷² In Das verlorene Lachen ist das ‚schöne Lachen‘ der Protagonisten zudem der natürliche Ausdruck ihres Gleichklangs als Ehepartner, „Erkennungsmoment des Zueinandergehörens“⁴⁷³ und der darin erfahrenen gemeinsamen Heimat.⁴⁷⁴ Sein Verlust ist gleichbedeutend mit Unglück und Seelenlosigkeit, Entfremdung und Einsamkeit, seine Wiederkehr steht nicht nur für aufblühende Schönheit und partnerschaftliches Glück, sondern auch für die Heilung des Identitätsrisses und die Beheimatung in der Natur und einer nichtentfremdeten sozioökonomischen Lebensform.⁴⁷⁵ In Hesses autobiographischen Notizen (Die Kindheit des Zauberers, 1974) kennzeichnet das einfältige Lachen des Glücklichseins die herrschaftsfreie Kommunikation zwischen dem jungen Hermann und der Nachbarsfrau Anna.⁴⁷⁶ Christa Wolf hat in ihrem Roman Kein Ort. Nirgends (1979) in der fiktiven Begegnung Karoline von Günderrodes und Heinrich von Kleists ein Lachen heraufbeschworen, das zwei unvermeidlich unglückliche und dem Tode geweihte Seelen in einem singulären Augenblick das Glück durchbrochener Einsamkeit
Vgl. H. Keller, Lachen, 311. H. Keller, Lachen, 322. H. Keller, Lachen, 317. Bei T. S. Eliot (1888 – 1965) symbolisiert „Kinderlachen aus einem Laubversteck im Garten […] irdisches Glück und […] ewige Seligkeit“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 70), eine Symbiose, die auch im Lachen des Jukundus anklingt. Im Lachen der Kinder kann sich nach Baudelaire „die Freude zu empfangen […] sich zu öffnen, […] zu schauen, zu leben, zu wachsen“ (Vom Wesen, 128) verbergen. Galler, Lachen, 145. Auch Thomas Mann verbindet mit dem Lachen nicht nur „dämonische Bedrängnis und tückisches Teufelswerk“, sondern auch „helle Übereinstimmung und glückhafte Begegnung“ (Karl J. Keppler, Das Lachen der Frauen, 132). Vgl. Galler, Lachen, 146 f. Justine bewahrt sich dieses Lachen zunächst, da sie „im vollkommenen Einklang mit sich und der Umwelt“ (Galler, Lachen, 148) lebt, und versichert damit dem Jukundus, der als Geschäftsmann versagt und sein Lachen verloren hat, die Unauflöslichkeit ihrer Verbindung. Nach der Entzweiung von Jukundus kommt auch Justine das Lachen abhanden, erst die Wiedervereinigung schenkt es beiden Protagonisten zurück (vgl. 149 – 153). Vgl. Kuschel, Lachen, 184– 194. Die dem europäischen Realismus verpflichtete bildende Kunst des 19. Jahrhunderts figuriert das Lachen als Ausdruck eines freien, unschuldigen, naturverbundenen Landvolkes oder des vitalen, lebensfrohen Arbeiters (vgl. Heike Frank-Ostarhild, Weiterlachen – ein Ausblick in die Neuzeit, 107). Vgl. Annemarie Mejcher-Neef, Theorie und Praxis des Lachens, 23 ff.
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bzw. „gelingender Kommunikation“⁴⁷⁷ erfahren lässt. Es ist, wie Günter de Bruyn anmerkte, kein „Lachen der Weltverachtung“⁴⁷⁸, sondern eines, das sich für einen Moment der Illusion einer freien, menschenwürdigen Welt überlässt. Der utopische Kern des Lachens ist auch in der Komödie angelegt, deren versöhnlicher Schluss für den erleichtert lachenden Zuschauer die Bedrohlichkeit lebensweltlicher Verstrickungen auflöst.⁴⁷⁹ Hayden White versteht das Lachen der Komödie im Hegel’schen Sinne als Medium der Versöhnung bzw. Erlösung von der mit der Erbsünde gegebenen Entzweiung.⁴⁸⁰ Das im „Anderen der Vernunft“ verborgene Ungeschiedene, das „Paradiesische und Utopische“⁴⁸¹ leuchtet für einen Moment auf. Das utopische Lachen kann im literarischen Kosmos, wie wir bereits an Ingeborg Bachmanns Undine-Variationen gesehen haben, auch eine politische Dimension eröffnen. Heinrich Heine evozierte im Anklang an französische Freiheitsideale und aristophanische Sinnenfreude ein „vitales, weltoffenes Lachen“⁴⁸². Dem lebenslustigen ‚kleinen Aristophanes‘ Heine blieb in den autobiographischen Geständnissen aus der ‚Matratzengruft‘ nur noch bitter-sarkastisches Gelächter gegen den Schöpfergott, den grausamen Spaßmacher, in dem jedoch auch etwas Versöhnliches anklingt.⁴⁸³ In ihrem Roman Kassandra (1983) hat Christa Wolf das systemstabilisierende, machtorientierte, degradierende Lachen „der troischen Gesellschaft“⁴⁸⁴ und das integrative, synthetisierende Lachen in der Höhlensiedlung kontrastiert. Letzteres steht für das Wolf’sche Ideal des gewaltfreien Diskurses, da es Körper und Geist, Signifikat und Signifikant ver-
Busch, Verlorenes Lachen, 188. Günter de Bruyn, „Sie Kleist, nehmen das Leben gefährlich ernst“, 153. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 49. Vgl. C. Schneider, Wer lacht, 145. Hegel erkannte im Gelächter der Individuen den Triumph ihrer Subjektivität allen Auflösungserscheinungen zum Trotz (vgl. C. Schneider, Wer lacht, 145). Peter von Matt weist in seiner Untersuchung des Komödienschlusses in Lessings Minna von Barnhelm (1763), Grillparzers Weh dem, der lügt! (1838), Hauptmanns Biberpelz (1893) und Hofmannthals Der Schwierige (1921) nach, dass mit dem „rituellen Element“ des „segnenden Vaters“ (Das letzte Lachen, 139) folgerichtig auch das Zeichensystem und der Deutungsrahmen der Weltversöhnung in die Krise geriet und sich in das Gelächter des Publikums fortan Dissonanzen mischten. Die auch von Marx vorgenommene komödientheoretische Integration des Lachens ins „dialektische Schema“ (Souveränität, 39) weltgeschichtlicher Versöhnung kritisiert Rita Bischoff mit dem Hinweis, dass das Lachen den Widerspruch zwar offenbare, jedoch nicht aufhebe. Köhler, Differentes Lachen, 78. Kurz, Das Lächeln, 323. Vgl. auch BenGershôm, Der Esel, 238 f. Görlacher, Zwischen Ordnung, 186.
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schmilzt.⁴⁸⁵ Die „sozialisierten Mitglieder der neuen Gesellschaft“⁴⁸⁶ in Aldous Huxleys Schöne Neue Welt (1932) werden durch Anspielungen an eine verlorene „authentische Wertewelt“⁴⁸⁷ erinnert und brechen in Lachen aus. Peter Handke hat in seinem Bühnenstück Zurüstungen für die Unsterblichen (1979) das heitere Lachen mit einer poetisch-religiösen Phantasie des Friedens verschmolzen.⁴⁸⁸ Zwei Schwestern bringen nach einer Vergewaltigung in einem von Gewalt und Zerstörung zerrütteten Land jeweils einen Sohn zur Welt: Der verkrüppelte Felipe durchbricht mit seinem heilen, ansteckenden Lachen die in den Familienstamm eingeschriebene Genealogie der Verlierer – eine Reminiszenz an das „Lachen des Bethlehem-Sohnes“⁴⁸⁹ im Weihnachtslied –, der als „künftiger Befreier“ und König inaugurierte Pablo stimmt ein jauchzendes Lachen an und begründet ein Friedensreich, das von einer „heiteren Phantasie“⁴⁹⁰ beseelt und einem „weisen Gesetz“⁴⁹¹ regiert wird. Im Lachen der Kinder liegt der Anfang des Widerstands gegen die Aggressoren und einer neuen, von „österlicher, ja pfingstlicher Stimmung getragenen“⁴⁹² Lebensweise verborgen. ⁴⁹³
Vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 161. Damit verbürgt dieses Lachen die Lebendigkeit und Authentizität der (Sprech)Handlungen des Subjekts (vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 161 f./ 186). Die nicht-entfremdete Sprache beugt der „kriegerischen Selbstzerstörung“ (186) vor. Köhler, Differentes Lachen, 50. Köhler, Differentes Lachen, 51. Vgl. Kurz, Das Lächeln, 329 f. Uber/Steiner zeichnen Konturen des Traums von einer versöhnten Menschheit, deren verfeindete Parteien sich in einem „einzigen, globalen Lachrausch“ (Lach, 271) vereinigen. Kurz, Das Lächeln, 333. Kurz, Das Lächeln, 329. Kurz, Das Lächeln, 333. Die Vision einer von unendlicher Freude durchpulsten Gesellschaft nimmt auch in Dostojewskis Erzählung Traum eines lächerlichen Menschen (1877) Gestalt an. Kurz, Das Lächeln, 330. Jean Paul hat dagegen in der Philistersatire der Flegeljahre (1804/05), einem „Sittengemälde von gewaltiger Komik, in Gelächter jeder Klangfarbe getaucht“ (von Matt, Lachen, 98), das Programm eines „konfliktfreien gesellschaftlichen Zustandes“ (94) konterkariert. Die poetische Aufladung des Lachens ist auch ein wichtiges Erzählmoment in Bruno Schulz’ Buch Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen (1994). Dort läuft die vitale Verausgabung des Vaters im Lachen seinem sozialen Bedeutungsverlust und seinem körperlichen Zerfall zuwider, der durch den Rückzug vom rituellen Mittagsmahl und den Verzicht auf Nahrungsaufnahme besiegelt wird (vgl. Claudia Jost, Heimsuchung ins Gelächter, 38 f.). Der Vater tauscht die Stoffwaren, mit denen er handelte, gegen die „phantastischen Stoffe“ (36) des Lachens, die als Merkzeichen des Unvollkommenen, Überflüssigen, Trödlerhaften eine Sättigung jenseits des Gesättigten und Routinierten versprechen. Die orgiastischen Lachkrämpfe des Vaters haben ihr Gegen-Stück in dem fröhlichen, leichtsinnigen, nervösen Lachen der Näherinnen, in dem sich Karneval und Maskerade, „Theater des Begehrens“ (37), Hysterie und obszöner, wollüstiger Zynismus verbergen.
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3.4 Kontingenzschock und Katastrophenbewältigung: Literarische Figurationen und philosophische Horizonte Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel gehen davon aus, dass der Mensch zu lachen begann, als sich der Würgegriff seiner ‚metaphysischen‘ Furcht lockerte.⁴⁹⁴ Während das Erhabene der Tragödie das Selbstgefühl unterdrückte, richtete das Belustigende der Komödie es wieder auf.⁴⁹⁵ Denn das Wirkungsprinzip der Komödie beruht auf der ästhetischen Freiheit des lachenden Betrachtens⁴⁹⁶ und als Ethos der Krisenbewältigung zielt jenes Lachen auf ein Einverständnis mit der grundlegenden Inkommensurabilität des menschlichen Daseins.⁴⁹⁷ So bildet die Komödie ein literarisches Modell für den Umgang mit Kontingenzen. Die Dichter haben allerdings oft die Verwandtschaft des Lachens mit dem Ernst und dem Weinen hervorgehoben⁴⁹⁸ und damit den ästhetischen Grund der Tragikomödie berührt.⁴⁹⁹ Thomas Mann erkannte in der ambiguen Struktur des
Vgl. Bohrer/Scheel, Vorwort, 741. Vgl. Kuno Fischer, Über den Witz, 27– 30. Kierkegaard bestimmte das Tragische als den „leidenden Widerspruch“ und das Komische als den „schmerzlosen Widerspruch“ (Philosophische Brosamen und Unwissenschaftliche Nachschrift, 70). Vgl. K. Fischer, Über den Witz, 75 f. Vgl. Robin Detje, Warum Komik?, 928 ff. In Homers Ilias lacht Andromache unter Tränen, als sie sich von Hektor verabschiedet, der dem Tod im Zweikampf entgegengeht (6. Gesang, 483 – 485). Gryphius schrieb in einem Sonnett: „Wer lacht, fühlt, wenn er lacht, im Herzen tausend Plagen“ (Sonette, 35). Goethe übersetzte einen Vers aus einem neugriechischen Liebe-Skolion mit „Lachen, Weinen, Lust und Schmerz sind Geschwisterkinder“ (Poetische Werke, Band 1, 623). Auch für den Romantiker Achim von Arnim waren Lachen und Weinen nur „zwei Seiten einer Medaille“ (Jürgen Knaack, Lachen und Weinen im Frühwerk Achim von Arnims, 250). Der katholische Theologe Stefan Orth ist der Auffassung, dass erst der Hintergrund des Ernstes dem Lachen Würde verleiht (vgl. Zwischen Lachen und Komik, 18). Vgl. dazu Oswald Panagl, Lachen und Weinen im Wortschatz der indogermanischen Sprachen, 531. Der früheste Entwurf einer Poetik der Tragikomödie (vgl. Martin Stern, Lustiges Trauerspiel – Tragische Komödie, 359 – 376) liegt mit Lessings Hamburgischer Dramaturgie (1767/69) vor, die das unauflösliche Ineinander von Ernst und Lachen in der Wirklichkeit zur ästhetischen Rahmenbedingung der Kunst erklärt. Als Bühnenautor hat Lessing das Tragische und das Komische allerdings noch sauber getrennt, erst Jakob Michael Reinhold Lenz fügte dem dramatischen Verlauf seines Bühnenstücks Der Hofmeister oder Vortheile der Privaterziehung (1774) den doppelten Boden des Ambivalenten, Paradoxen, Grotesken ein und ließ ihn in tragikomischen Verwicklungen enden (vgl. 361 ff.). Die Verweigerung eines harmonistischen Komödienausgangs ist als Reflex auf den mentalitätsgeschichtlichen Umbruch der Spätaufklärung zu verstehen, der mit der Ablösung religiöser Konventionen und dogmatischer Setzungen durch neue Konzepte von Welt und Subjektivität zusammenhängt (vgl. 373). Nicht nur in der nördlichen protestantisch geprägten Kulturwelt des J. M. R. Lenz wirkte sich dieser Wandel des Zeitgeistes auf die drama-
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Tragikomischen das genuine Kennzeichen einer Ästhetik der Moderne.⁵⁰⁰ Die jiddische Literatur, die im 19. Jahrhundert mit Mendele Moicher-Sforims (1836 – 1917) Schriften in Erscheinung trat und im Werk Isaac Bashevis Singers (gest. 1991) einen letzten Höhepunkt erreichte, hat die Erzählhaltung des Tragikomischen kultiviert.⁵⁰¹ Darüber hinaus hat die Moderne im ästhetischen Paradigma der Groteske literarische, theatrale und bildnerische Figurationen eines dunkel kolorierten Lachens gebildet. Charles Baudelaire, der das Lachen als „Kind der Mühsal“⁵⁰² bezeichnete, entwickelte seinen Begriff des Grotesken in Anlehnung an den Schauerroman der Romantik, E. T. A. Hoffmanns Prinzessin Brambilla (1820)⁵⁰³ und die Semantik des Satanischen (vgl. I.3.6).⁵⁰⁴ Franz Kafka, dessen
tische Konzeption aus, „sondern auch im Theater des katholischen Wien“ (373), bei Philipp Hafner und Johann Nestroy, den man als Satiriker (Karl S. Guthke), aber auch als resignierten Zyniker bezeichnet hat, der angesichts der zunehmenden „Undurchschaubarkeit aller Verhältnisse […] und […] Verantwortlichkeiten“ (372) nicht mehr einzelne Missstände, sondern das Gesamtgeflecht der Wirklichkeit anklagt. Vgl. M. Stern, Lustiges Trauerspiel, 359 f. Im dramatischen Werk Friedrich Dürrenmatts nahm das Tragikomische vollends Gestalt an. Für Dürrenmatt war die Komödie das zeitgemäße Genre, um der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, allerdings unter der Voraussetzung einer bitterbösen Schlusswendung (vgl. M. Stern, Lustiges Trauerspiel, 373 f.). Indem sie die disharmonische Welt in der Groteske spiegelt, entsetzt sie den Menschen (vgl. Paul Konrad Kurz, Gott in der modernen Literatur, 133) und verhilft ihm andererseits dazu, sich im Lachen vom Schrecken der individuellen Ohnmacht und des gesellschaftlichen Zerfalls zu distanzieren (vgl. M. Stern, Lustiges Trauerspiel, 359). Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 141 f. und zu Isaac Bashevis Singer BenGershom, Der Esel, 181– 191. Der Schriftsteller und Emigrant Scholem Alejchem (1859 – 1916) ließ es sich als Anwalt seines Volkes angelegen sein, in einer „elenden Welt“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 143) Lachen hervorzurufen. Seine bekanntesten Geschichten sind die des Erzählers Tewje und seiner in „Unglücksfälle und Missgeschicke“ (143) verwickelten Töchter. Tewje versucht „im Scherz zu sprechen, während sein Herz weint“ (145), denn selbst wunderschöne Tage sind voller Plagen. Es vermischen sich „Resignation, Ironie“ (143) und Überlebenswille. Baudelaire, Vom Wesen, 120. Das Nebeneinander von Lachen und Weinen ist auch im „gefühlsbetonten amerikanischen Unterhaltungskino“ (Weydrich, Hiob lacht, 178) zu beobachten. Der Filmkritiker Andreas Kilb hat im Minenspiel der Schauspielerin Julia Roberts in der romantischen Filmkomödie Notting Hill (1999) das permanente Hin-und Herkippen von strahlendem Lachen und tränenreichem Weinen beobachtet (vgl. Peter Hasenberg, Die Unvermeidlichkeit des Happy End, 39). Allerdings ist Roberts Filmfigur Anna nicht immer dazu in der Lage, in misslichen Situationen zu lachen und auf diese Weise Zorn und Verzweiflung zu bannen (vgl. Hasenberg, Die Unvermeidlichkeit, 43). In der literarischen Utopie, die E. T. A. Hoffmann entwirft, zieht nicht das Bürgertum, sondern ein „buntes, närrisches Völkchen von Randexistenzen, […] Gauklern und Magiern, […] Abenteurern und Künstlern“ (Bischoff, Souveränität, 40) in das einstmals von Adeligen bewohnte Schloss ein.
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Prosa mit Thomas Mann als eine lachenerregend genaue Mimesis unserer närrischen Träume gedeutet werden kann,⁵⁰⁵ legte seinen narrativen Gebilden die Kompositionsprinzipien des Paradoxes,⁵⁰⁶ der Leere und des allumfassenden Zweifels zugrunde⁵⁰⁷ und ließ auf diese Weise das Groteske und das Absurde ineinander kippen⁵⁰⁸. So ist beispielsweise der Prozess-Roman (1914/15) nicht nur auf der inneren Kommunikationsebene voller Lachen, wobei es sich meist um ein Lachen darüber handelt, „dass es nichts mehr zu lachen gibt“⁵⁰⁹. Er ist zudem in der Wahrnehmung des Protagonisten als Komödienspiel,⁵¹⁰ als „Lach-Roman“⁵¹¹ angelegt, der trotz einiger komödiantisch-retardierender Momente mit dem Tod Josef K.’s in „tödliche Tragik“⁵¹² kippt. Dem Protagonisten bleibt das befreiende, versöhnliche Lachen versagt, dennoch vibriert im Roman ein Gelächter, das sich der „aussichtslosen, katastrophalen Finalisierung“⁵¹³ des Geschehens widersetzt. In K.’s Überlebensstrategie, die Verhaftung und den Prozeß als „Spaß, Spiel und Komödie aufzufassen“⁵¹⁴ oder, m. a. W., die Wirklichkeit zu negieren und vom Indikativ in den Konjunktiv zu wechseln, leuchtet, so die These Dietmar Goldschniggs, eine Utopie auf, „die dem Individuum Heimkehr zum verlorenen Paradies des Ursprungs, der Natur, der Kindheit und damit Befreiung von oder Ver-
Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 127– 137 und Ludwig, This terrible deformity, 367. Zu Baudelaires ästhetischen Vorbildern zählen darüber hinaus die „englische Pantomime, […] die Karikaturen Hogarths und Cruikshanks sowie […] Goyas Caprichos“ (Ludwig, This terrible deformity, 367). Vgl. Goldschnigg, Lachende Moderne, 68. Ein Charakteristikum von Kafkas Stil ist die subjektlos-teilnahmslose Darstellung des Entsetzlichen: Dem Autor selbst bereitete die grausame Hinrichtung seines Protagonisten Josef K. sogar Freude (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 285 – 289/307) und seine Freunde lachten herzlich bei der Lesung des Prozess-Romans (vgl. Wertheimer, Geflecht, 45). Auch Teile des weiblichen Publikums bei einer Lesung der Strafkolonie in München sollen von Lachen infiziert worden sein (vgl. 45). Ein Paradox stellen beispielsweise die (selbst)bewussten, redenden Tier-Figuren Kafkas dar, die den Zweifel des Lesers an der Bewusstheit und Zurechenbarkeit seiner rationalen Orientierungsversuche hervorrufen (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 273). Vgl. dazu Stollmann, Groteske Aufklärung, 268 – 308. Vgl. Goldschnigg, Lachende Moderne, 70 f. Goldschnigg, Lachende Moderne, 73. Schock und Spaß kennzeichnen besonders die Romananfänge Kafkas; das Lachen selbst ist zwar als Möglichkeit präsent, findet aber nicht statt, seine „versöhnliche Bestimmung“ (Rehberg, Lachen, 47) bleibt hypothetisch. So sind in Kafkas Roman wenigstens zwei „Bauprinzipien der Komödie“ nachzuweisen, zum einen der „Spielcharakter“ und zum anderen die „Be- oder Verlachbarkeit des Geschehens“ (Goldschnigg, Lachende Moderne, 73). Pusse, Von Fall, 188. Goldschnigg, Lachende Moderne, 75. Goldschnigg, Lachende Moderne, 76. Goldschnigg, Lachende Moderne, 74.
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söhnung mit der bedrohlichen Welt verheißen könnte“.⁵¹⁵ Der Leser wiederum kann sich mit den „dargestellten Existenzmöglichkeiten […] spielend und lachend auseinandersetzen“.⁵¹⁶ In Kafkas Roman Das Schloss (1926) steht das Lachen auch im Zusammenhang mit K.’s Gleichgewichtsproblemen, mit seinen „weichen Knien“⁵¹⁷. Es deutet jedoch die Möglichkeit an, „den Entzug des Anderen und den Entzug des Sinns nicht mehr als Bedrohung, als lauernde Falle zu verstehen, sondern als Chance, sich gerade in dieser Unsicherheit immer wieder neu einrichten zu können. Der eschatologische Impuls weicht damit einem ganz alltäglichen Aufatmen, die Ordnung der Erlösung wird in eine (Un‐)Ordnung der Erleichterung überführt“. ⁵¹⁸ Indem das Lachen den Gesamtzusammenhang des Lebens in die Wahrnehmungsperspektive der Groteske rückt, löst es ihn aus den Mechanismen der Angst heraus.⁵¹⁹
Goldschnigg, Lachende Moderne, 74. Rainer Stollmann wertet diese Strategie dagegen als groteske Verdrängung des Todes, die in verschiedenen Variationen durchgespielt wird. Josef K. stirbt, weil er sich an ein vordergründiges Realitätsprinzip hält: Er verlässt sich darauf, dass die vernünftigen Instanzen der „bürgerlichen Lebensordnung“ (Groteske Aufklärung, 307) sein Geschick als bloße Komödie entlarven. Weil er „auf der grotesken Gratlinie zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit“ (306) in die Dingideologie abrutscht und seine Sterblichkeit verkennt, erleidet er einen lächerlichen Tod. Goldschnigg, Lachende Moderne, 76. Pusse, Von Fall, 123. Pusse, Von Fall, 88. Der Schloss-Roman beginnt damit, dass K. die Dorfbewohner auffordert die Komödie zu beenden, und endet mit K.’s Lachen (vgl. Pusse, Von Fall, 188) nach dessen „vergeblichen Versuchen, ins Schloss vorgelassen zu werden“ (123). Der „Sprung des Lachens“ enthüllt die Schlosswelt als Kampfwelt und macht die „paranoische Ordnung“ (147) sichtbar, die K.’s Reflexionstrauma, seine Fixierung auf die Legitimationsinstanz ‚Schloss‘ und seine manische Stellensuche bedingt. K.’ s Lachen bedeutet den entschlossenen Abschied von der „Fiktionalität eines Planes des Schlosses“ und zugleich das Eingeständnis, dass „die Fiktionalität dieses Planes die Dinge am Laufen hält“ (166). Seine „unbestimmte Angst vorm Erkanntwerden“ und die „gelachte Erkenntnis“ (127), die Einsicht in die Absurdität seines Sicherheitsbedürfnisses, sind motivisch aufeinander bezogen. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 273 – 280. In der Erzählung Der Bau (1923/24) gelingt es Kafka, die Angst vor der Vergeblichkeit aller Lebensäußerungen und -leistungen aus der Perspektive eines Tieres derart in die Spiralen unverhältnismäßiger Reflexion hinein zu perpetuieren, dass sie schließlich lächerlich wirkt und sich auflöst. Kafka aktiviert damit ein tiefenpsychologisches Muster, das für die Arbeit des Clowns ebenso grundlegend ist wie für die Poetik von Märchen und Mythen und die humortherapeutischen Ansätze seit Alfred Adler, nämlich die Befreiung vom Engegefühl einer fundamentalen Bedrohung durch das Lachen (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 279 und I.1.6/3.3). Auch in seinen Tagebüchern hat Kafka traumatische Situationen durch groteske Schilderung und karikierende Detailkomik zu bewältigen versucht (vgl. Wertheimer, Geflecht, 51 f.). Im Konflikt mit dem übermächtigen Patriarchen vermag das
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
Im Werk Friedrich Nietzsches tritt die Kontingenzproblematik als Bedingungsgrund des Lachens noch expliziter in den Vordergrund. Das Lachen bildet in unterschiedlichen Färbungen die „akustische Resonanz“⁵²⁰ des ästhetisch vermittelten Widerspruchs zwischen der Erhabenheit der menschlichen Bedeutungskonstruktionen und ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit.⁵²¹ Es reflektiert „die ewige Wiederkehr des Gleichen“⁵²², die Relativität aller Werte und Wahrheiten und versöhnt die Widersprüche,⁵²³ doch tut es dies nicht in einem idealistischen Sinne. Als „Merkmal einer freien, nichtrationalen Erkenntnis“⁵²⁴ stellt das Lachen vielmehr eine existenzialistische Übung in der Kunst der Erleichterung des Daseins,⁵²⁵ der Bewältigung des Absurden dar. In den Nachgelassenen Fragmenten heißt es: „Das leidendste Thier auf Erden erfand sich – das Lachen“.⁵²⁶ Diese ‚Erfindung‘ erhöht Nietzsche zur rhetorischen Heldenpose:⁵²⁷ Der Mensch begründet eine neue Souveränität, indem er sein existenzielles Unglück und sein metaphysisches Unbehaustsein in der radikalen Affirmation des Diesseitigen aufhebt.⁵²⁸ Das Lachen avanciert somit zum Instrument recht verstandener Aufklärung, zum „triumphalen Zeichen des freien Geistes“, der „christliche Passion“⁵²⁹ und Metaphysik überwunden hat.⁵³⁰ Zarathustras Verlangen nach dem „übermenschlichen Lachen“ zielt auf die Aufnahme in den olympischen Götterhimmel mit ihrem „ewigen Gelächter“ über die „absurde Komik alles irdi-
ironische Lachen, das sich in der Karikatur der dominanten Instanz verbirgt, Spielräume der Ablösung zu eröffnen (vgl. 57 f.). Ries, Das Lachen, 116. Die unterschiedlichen Farbtöne und Grade des Lachens – in Nietzsches Werk ist das expressive Lachen „reinen Glücksempfindens“ (Ries, Das Lachen, 118) ebenso zu vernehmen wie das depressiv getönte und das „leise Lachen“ […] „sommerlicher Heiterkeit“ (116) – entsprechen „der fluktuierenden Dynamik des Lebens im antagonistischen Spiel des Willens zur Macht“ (118). Hüttinger, Die Kunst, 183. Vgl. Ries, Das Lachen, 117. Hüttinger, Die Kunst, 183. In der Fröhlichen Wissenschaft beschwört Nietzsche vor dem Hintergrund einer „Phänomenologie des Schmerzes“ (Ries, Das Lachen, 119) das entlastende Lachen. Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, KSA 11, 576. Vgl. Seibt, Der Einspruch, 760. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 218 ff. Ries, Das Lachen, 118. Wiebrecht Ries hat die Schlange, der der Hirte in Also sprach Zarathustra (1883 – 85) den Kopf abbeißt (vgl. I.3.2), als Sinnbild für die erdrückende Schwere der „ewigen Wiederkehr“ (Das Lachen, 119) gedeutet. Das Lachen steht damit für die Befreiung von der Bitternis der Sterblichkeit und der Verzweiflung an der Absurdität des Daseins hin zu einer „göttlichen Leichtigkeit“ (120).
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schen Treibens“.⁵³¹ Die „expressive Entladung“⁵³² der Kontingenzerfahrung verspricht das Entschweben in höhere Sphären, eine „dionysische Trunkenheit“, die das Menschliche transzendiert und doch, „sobald ihr Rausch verflogen ist, den brennenden Schmerz eines ewigen Mangels“⁵³³ verstärkt. Im Vorwort zu Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik (1872) weist die „Metapher der Rosenkranz-Krone“⁵³⁴, die das Märtyrer-Motiv der neutestamentlichen Passionsgeschichte verkehrt, gleichwohl über die Mangelerfahrung hinaus auf die Überwindung des Leidens an der Individuation im apollinischen Gestaltmaß des Traumes oder durch das dionysische Prinzip der Ich-Erweiterung.⁵³⁵ Das Lachen wäre in diesem „romantischen Projekt der Sympoesie“ ein „ästhetischer Ausnahmezustand […], in dem sich Selbstnichtung und Selbstsetzung die Waage halten“.⁵³⁶ Nietzsches existenzialphilosophische Ästhetik hat der Theorie vom Lachen als Mittel der Kontingenzbewältigung die Richtung vorgegeben. Der Germanist Rudolf Helmstetter erklärt, das Lachen habe die wichtige immunologische Funktion eines „geistigen Niesens“, das den Zerbruch von „Ordnungsmustern [und] Normalitätserwartungen“⁵³⁷ quittiert. Der Kontingenzschock erweist sich als ungefährlich, der Mensch ventiliert die Erfahrung des überraschenden Entkommens.⁵³⁸ Die Angst des bedrohten Menschen angesichts der existenziellen
Ries, Das Lachen, 120. Der empirische Mensch ist eine lächerliche Gestalt, er ist der Affe, den der Schöpfer-Gott schuf, um einen Anlass für permanente Erheiterung zu haben (vgl. Friedrich Nietzsche, Der Wanderer und sein Schatten, 880), der „Komödiant“, der in der „Sphärenmusik“ das „Spottgelächter aller übrigen Geschöpfe“ (Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, KSA 2, 548 f.) vernimmt. Ries, Das Lachen, 117. Ries, Das Lachen, 120. Pusse, Von Fall, 118. Vgl. Pusse,Von Fall, 120. Auf der Ebene des Textes steht das Dionysische für die Öffnung „zu einem Außen“ (Pusse, Von Fall, 122), für die Überschreitung zum Lachen. Die Potenzierung der apollinischen Reflexion im Wort muss stets aufs Neue im Lachausbruch enden (vgl. 122). Pusse, Von Fall, 120. Das „epikureische Vergnügen“ von Voltaires Candide (1759) weicht im Spätwerk Nietzsches der schwerblütigen „dionysischen Lust“ (Nachgelassene Fragmente, KSA 11, 33). Das Lachen ist nun der „tragischen Philosophie im Zeichen des Dionysos“ (Ries, Das Lachen, 122) abgerungen und erhält eine „dunkle Färbung“ (123). Im Aphorismus 295 von Jenseits von Gut und Böse bildet die antike Tragödie den Hintergrund: In Euripides‘ Bakchen befreit sich Dionysos lachend von den Fesseln, die ihm Pentheus angelegt hatte, verwandelt sich in einen Stiergott und führt Pentheus in eben dieser Gestalt in den Untergrund; die blitzartige „tödliche Erkenntnis“ lässt das „Lachen in Entsetzen“ (123) umschlagen. Helmstetter, Vom Lachen, 770. Vgl. Helmstetter, Vom Lachen, 770.
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Grundgegebenheit, dass die subjektiv hergestellte „Ordnung der Dinge“⁵³⁹ jederzeit umkippen kann, verwandelt sich – so hatte Nietzsche das ja in Menschliches, Allzumenschliches beschrieben – in vorübergehenden Übermut. Der lachende Mensch trotzt seiner Gefährdung und Zerbrechlichkeit und transformiert die „gefahrenquellende Umwelt“⁵⁴⁰ in eine begehbare Welt. Hervorzuheben ist nach Helmstetter auch die kreative „Eigenbeitragsleistung“⁵⁴¹, die darin besteht, dass der Mensch den Daseinswiderspruch, genauer: den „Konflikt zwischen Akkomodation und Assimilation“⁵⁴² auflöst. Das Lachen erweist sich, wie Frölich/ Loewy/Steinert ausführen, als eine Kulturtechnik und eine der „höchsten Kulturleistungen“, insofern als es Komplexität und die Begegnung mit dem „Anderen, Aufbegehrenden“⁵⁴³ auszuhalten verhilft. Es stemmt sich selbstironisch oder subversiv gegen die „Gleichgültigkeit von Natur und Gesellschaft gegenüber unseren Einsichten und Wünschen, dem technischen Können und unseren moralischen Anstrengungen“.⁵⁴⁴ Indem der Mensch, so Helmstetter, die Differenz als Prinzip „alles Seins“ anerkennt, adoptiert er das Daseinsprinzip, „Spaß zu sein“.⁵⁴⁵ Helmstetter spricht im Zusammenhang einer „Kybernetik des Lachens“ von einem „transzendentalen Lachmuskel“ und der fundamentalen Grenzerfahrung des „intransitiven Lachens“⁵⁴⁶ oder Weltlachens. Der Philosoph Walo E. Hartmann hat aus seiner Heidegger-Lektüre geschlossen, dass das Existenzial des Sterbenmüssens, das sich in der ‚Gestimmtheit‘ der Daseinsangst manifestiert und im Moment des Kontrollverlusts virulent wird, das Lachenkönnen bedingt.⁵⁴⁷ Im Lachen stellt der Mensch nicht nur seine
Helmstetter, Vom Lachen, 771. Helmstetter, Vom Lachen, 764. Helmstetter, Vom Lachen, 764. Helmstetter, Vom Lachen, 771. Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 10. Frölich, Loewy, Steinert, Lachen, 10. Auch die Lachanfälle im Kino reflektieren den „Gegenangriff auf die Widersprüche“, mit denen wir beim Anblick der „grausam-lustigen Unmenschlichkeiten auf der Leinwand“ (Kreimeier, Komische Mechanik, 33) konfrontiert sind. Den Kinozuschauer springen die Körperunfälle wie in Cary Grants Screwball-Comedys an und „die Zuckungen des Lachens springen aus ihm heraus“ (33). Es ist, so Klaus Kreimeier, als würden wir beim Lachen den Mund deswegen so weit aufreißen, um die „Verletzung unseres Schamgefühls“ (33) auszukosten und die „Kluft […] zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit“ (31) zu überbrücken. Helmstetter, Vom Lachen, 771. Helmstetter, Vom Lachen, 771. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 161 ff. Dabei stützt sich Hartmann auf mythologisches Erzählgut, z. B. auf die grölende Erheiterung der homerischen Götter vor dem Eifersuchts-Mord des Odysseus, auf das Lachen der sterbenden Helden in der nordischen Sage oder die Reprä-
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Handlungssouveränität wieder her, er positioniert sich neu als welthaftes Wesen in der Beziehung zu seiner Endlichkeit und behauptet sich gegen das Faktum der Sterblichkeit gerade dadurch, dass er seine Lebendigkeit in einem Geschehen vergegenwärtigt, das nicht von einem Objektbezug oder spezifischen Anlässen abhängt.⁵⁴⁸ Zum tieferen Verständnis des anthropologischen Kerns der Äußerungsform und zur differenzierteren Erfassung der Kontingenzbewältigung, die sie leistet, haben die katastrophentheoretischen Deutungsversuche Klaus Heinrichs, Renate Jurziks, Florian Rötzers und Dietmar Kampers/Christoph Wulfs beigetragen, die ihren Ausgangspunkt in Helmuth Plessners phänomenologischen Studien und seiner Bestimmung des Lachens als Ausdruck einer „spezifischen menschlichen Krisenanfälligkeit“⁵⁴⁹ nehmen. Im Lachen, sagt Helmuth Plessner, übernimmt der Körper die Antwort für die bei der Vermittlung von Leib und Seele kollabierende Bewusstseinszentrale.⁵⁵⁰ Katastrophentheoretisch ausformuliert bedeutet das: Das „unsinnige und grundlose Schütteln“ setzt ein, wenn der Mensch vom „Anderen“ als etwas, „das gleichwohl auch immer er selbst ist“,⁵⁵¹ affiziert wird.⁵⁵² Dieser Vorgang stellt eine dämonisch erscheinende Okkupation des Subjektes dar, das aus dem angenehmen Trägheitszustand einer Sinnerwartung katastrophisch herausgerissen wird.⁵⁵³ Die Erfahrung der Desorganisation und Disparatheit von Willensbestrebungen und Motivkonstellationen mobilisiert das lachende Ich, das als ekstatisches Körpergeschehen an die Stelle des handelnden Subjekts tritt.⁵⁵⁴ Der Körper sentation des Todes als „lachendes Gerippe“ (161) in den Totentanzdarstellungen der Frührenaissance. Vgl. auch zum sardonischen Gelächter I.3.6. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 164 ff. Voss, Das Leib-Seele-Verhältnis, 171. Vgl. Plessner, Philosophische Anthropologie, 75 f. Der französische Gelehrte Louis Poinsinet des Sivry (1733 – 1804) hat wohl erstmalig das Lachen als Krisenzustand aufgefasst, wobei er den „vernunftfernen und gefährlichen Leerlauf der Körpermaschine“ (Prütting, Homo ridens, 1066) vor dem Hintergrund des augustinisch-jansenistischen Menschenbildes verurteilte. Florian Rötzer, Wie einen das Lachen ankommt, 76. Freuds Abfuhrhypothese erteilt Florian Rötzer nicht nur deswegen eine klare Absage, weil sie dem überholten Paradigma einer teletischen Verlaufsform und in sich geschlossenen Subjektivität verpflichtet sei. Zudem werde die energetische Spannung im Subjekt beim Lachen nicht etwa, wie Freud meinte, ab-, sondern aufgeladen (vgl. Rötzer, Wie, 75 f.). Vgl. Rötzer, Wie, 75 f. Vietnamesische Frauen sollen beim Anblick von Photographien ihrer zerstörten Heimatdörfer in unkontrolliertes Lachen ausgebrochen sein (vgl. Robert C. Solomon, Emotionen und Anthropologie, 233). Martin Seel verweist auf die blasphemischen Ausrufe einiger Zeugen der brennenden Twin Towers: Die von Amateurkameras aufgenommenen Szenen sind ausgesprochen
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usurpiert in einem Akt der Rebellion gegen den kulturellen Überbau der Rationalisierungen und Funktionalisierungen, denen er gewöhnlich unterworfen ist, das Handlungszentrum des Subjekts.⁵⁵⁵ Es ist daher besonders die hysterische Variante, die die katastrophische Dimension des Lachens erhellt.⁵⁵⁶ Franz Kafka hat die irrationale Macht und Eskalationsdynamik des Gelächters, das als „Einfallstelle der mentalen Dekomposition“⁵⁵⁷ alle Tabus, Hemmungen und Grenzen hinwegschwemmt und das soziale Gefüge destabilisiert, in einer autobiographischen Notiz genau beschrieben.⁵⁵⁸
lachenerregend (vgl. Humor, 743). Das Lachen des Betrachters sollte aber, meint Seel, keineswegs als moralisch dubios beurteilt werden, vielmehr dokumentiert es die Unfähigkeit des Menschen, „zu dem Schrecklichen eine schlüssige Einstellung zu finden“ (743). Auch Hermann Bausinger bescheinigt dem Lachen über makabre Witze eine ethische Legitimität, wenn es dazu verhilft, das Entsetzliche und Unaussprechliche zu bewältigen (vgl. Lachkultur, 20). Vgl. Dietmar Kamper/Christoph Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 7. Hysterische Lachausbrüche gelten im Allgemeinen als psychische Fehlreaktion (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 152). Grotjahn hat von den „hysterischen Proportionen“ einer „pathologischen, unkontrollierten Belustigung“ (Vom Sinn, 160) gesprochen. Doch der Eindruck der Inadäquatheit und Unzulänglichkeit dieses Gelächters täuscht: Stefanie Köhler hat das am literarischen Beispiel verdeutlicht. Das vermeintlich deplatzierte Lachen der weiblichen Figur in Fay Weldons Roman Female Friends zeugt in Wirklichkeit von ihrem Sprung in die innere und äußere Unabhängigkeit. In Doris Lessings The Golden Notebook wendet die Schriftstellerin die Bezeichnung ‚hysterisches Gelächter‘ auf ihre teils autoaggressiven, teils zynischen Reaktionen auf den bigotten Agenten an, der bei der Verfilmung ihres Romans aus rein kommerziellen Gründen jede Beziehung zur sozialkritischen Vorlage tilgen möchte. Eine rationale Antwort auf die perfide Marketingstrategie des Agenten kann der von emotionalen Motiven geleiteten Autorin kein angemessenes Mittel mehr sein, um ihre Selbstverachtung und Protesthaltung gleichermaßen auszudrücken, wobei selbst das Lachen ihre Verzweiflung nicht zu suspendieren mag (vgl. Differentes Lachen, 153 ff.). Die „Grenzen zwischen Weisheit und Narrheit“ (156) sind in ihrem Verhalten nicht mehr zu unterscheiden. Ähnlich ergeht es der Verlobten in Byatts The virgin in the garden, die völlig zerrissen ist zwischen der verlockenden Aussicht auf die Gegenwart des warmherzigen, seelsorgerlich begabten Ehemannes und der Angst vor dem Verlust ihrer „geistigen Freiheit“ (157) und der Verkümmerung ihrer intellektuellen Veranlagung. Die Innensicht der Figur verrät die Kollision des persönlichen Wertesystems mit dem allgemeingültigen moralischen Referenzrahmen (vgl. 157 ff.). Ihr hysterisches Lachen stellt den herrschenden Normalitätsbegriff in Frage und eröffnet damit eine neue Sichtweise, wobei dem lachenden Subjekt hier die „Initialzündung, die zum Aufbruch in Neues notwendig wäre“ (158), verweigert bleibt. Wertheimer, Geflecht, 47. In einem „Brief an Felice, [seine Geliebte], vom 8. und 9. Januar 1913“ (Wertheimer, Geflecht, 45) rekonstruiert Kafka en detail den Lachanfall, den er bei einer feierlichen Auszeichnung erlitt, als ein Würdenträger ihn und einige seiner Kollegen in einer Rede auszeichnete und die Begünstigten Dankesreden anstimmten. Während Kafka unter dem Eindruck der Lächerlichkeit des gespreizten präsidialen Habitus die ersten Lachattacken noch als Hustenanfall tarnen kann, verstärkt der rhetorisch pompöse Auftritt den Lachreiz derart, dass er ihm schließlich nicht mehr
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Sein Lach-Exzess, die Ausweitung einer „verstreuten Partialität“⁵⁵⁹ zu einer zeitlichen und physikalischen Großflächigkeit, deutet auf die Über-Flüssigkeit des Phänomens, die von keinem Gesetz und keinem ökonomischen Verstehen zu bändigen ist.⁵⁶⁰ Die Verlängerung des Katastrophenkontinuums endet, wie bei der Kitzel-Folter, im Kollaps,⁵⁶¹ während beim Lach-Krampf die Erleichterung „in Katastrophen-Obsession zurückverwandelt“⁵⁶² wird. Die sinnlich-sexuellen, triebhaft-impulsiven Komponenten des Lachens fügen sich im Referenzsystem der Katastrophentheorien zu einer neuen Sinngestalt, die die emanzipatorischen Potentiale des psychoanalytischen Deutungsansatzes sichtbar macht. Der freudianischen Deutungslinie zufolge erlebt das lachende Subjekt die „Befreiung von den Zwängen des Erwachsenwerdens und der Unterwerfung unter das Realitätsprinzip“, und zwar „als regressive Wiederherstellung des Lustprinzips […] und seiner katastrophalen Gegenseite: der Angst, dem Verlassensein, der Zerstückelung des Körpers, der Ohnmacht gegenüber dem Trieb, dem somatischen Erschrecken vor der Vernichtung. Nach dieser konvulsivischen Zwerchfellerschütterung und Verausgabung des Atems erfolgt […] der Wiedereintritt in die Normalität, die Macht des Realen ist wieder hergestellt“.⁵⁶³ Das katastrophische Moment wird auch daran deutlich, dass der Mensch vergeblich sein Triebschicksal zu verdrängen sucht und das Ich der Lächerlichkeit
widerstehen kann, so dass die spontane Rede eines weiteren Kollegen seine Kontrollvorrichtungen vollends außer Gefecht setzt (vgl. Kuschel, Lachen, 195 – 199). Auch Eichendorff erzählt im Taugenichts (1826) von einem Geistlichen, der „lachte so herzlich, dass er dabei ganz blau im Gesicht wurde und ihm die Tränen aus den Augen rollten […] und konnte sich noch immer nicht vor Lachen zugute geben, bis er sich endlich ganz verhustete“ (Aus dem Leben eines Taugenichts, 94). Rehberg, Lachen, 265. Goethe hat als Theaterdirektor mit dem entrüsteten Ausruf ‚Man lache nicht!‘ versucht, den inopportunen Heiterkeitsausbruch des Publikums beim tragischen Höhepunkt in Friedrich Schlegels uraufgeführtem Alarcos aufzuhalten (vgl. Kranz, Was Menschen, 108). Die Möglichkeit einer solchen rationalen Domestizierung des Lachens hat Thomas Bernhard später in seiner Kurzprosasammlung Der Stimmenimitator (1978) ins Lächerliche gezogen: Dort lässt der Dramatiker alle erschießen, die an den falschen Stellen lachen (vgl. Pusse, Von Fall, 8). Die Unterbindung des Lachens erfolgt denn auch nicht, wie Kant schon anmerkte, aufgrund inhärenter Regelungsmechanismen, sondern nur durch externe Instanzen wie die moralische Vernunft, die einer bestimmten Art des Unsinns die organische Ventilierung verweigert (vgl. Jurzik, Der Stoff, 18). Generell gewährleistet der „uroborische Impuls“ (Prütting, Homo ridens, 285), dass sich der Vorgang des Lachens nicht entgrenzt und das körperliche oder seelische Gleichgewicht nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt ist. Heinrich, Theorie, 37. Lindner, Die Spuren, 85.
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verfällt.⁵⁶⁴ In der seelischen Regression ist der Mensch auf seinen Triebgrund zurückgeworfen; im Lachausbruch erlebt er „Bedrohung und Befreiung […] simultan“⁵⁶⁵. Denn das Lachen durchschreitet die Trieb- und Affektkatastrophe.⁵⁶⁶ Klaus Heinrich hat für diesen psychoökonomischen Vorgang in Analogie zur Freudschen Trauerarbeit den Begriff der Lacharbeit geprägt, die die Katastrophenerfahrung reinszeniert und somit verarbeitet.⁵⁶⁷ Ihr Substrat ist die Triebschicht: Das ‚dreckige Lachen‘ zerreißt den Schein sittlicher Reinheit, es enthüllt Tabus und macht Verdrängtes hörbar.⁵⁶⁸ In diesem Sinne ist die Katastrophenbewältigung des Lachens von einer tieferen Erkenntnis geleitet, die Lacharbeit klärt auf.⁵⁶⁹ Renate Jurzik stellt daher eine psychoanalytisch orientierte Lachtherapie in Aussicht, die ein lustvolles Durcharbeiten der Katastrophe ermöglicht. Wenn die Psychoanalyse unbewusste Verdrängungsmechanismen demaskiert, dann beschwört sie das Katastrophische in Gestalt skurriler Neurosen herauf, die belacht werden können.⁵⁷⁰ Dabei korrelieren Triebkonflikte und gesellschaftliche Ordnungskonflikte: „So droht [die] obszöne Qualität [des Lachens] allen züchtigen Umgangsformen, seine unbeherrschte Qualität allen Ordnungs- und Beherrschungsunternehmen, seine feindselige Qualität allen Versöhnungen. Das Lachen signalisiert die nicht zu harmonisierenden Konflikte als Katastrophendrohungen für jede Zivilisation. In ihrer Lachkultur reflektieren die Kulturen ihre Katastrophen, und zwar nicht nur die bereits ausgestandenen, sondern die drohenden, nicht nur die kleinen, sondern in ihnen anklingend die großen“.⁵⁷¹ Die Katastrophentheorien gehen jedoch über die Beschreibung der trieb- und sozialanarchischen Substruktur des Lachens hinaus, indem sie die Ambivalenz des Phänomens auch im Resonanzraum „universeller Absurdität“⁵⁷² abhorchen. In ihrer metaphysischen Tiefenanalyse definieren Kamper/Wulf das Bedeu-
Vgl. Jurzik, Der Stoff, 45 f. Es mag sogar vorkommen, dass der Mensch „sich vor Lachen in die Hose“ macht und „damit einem natürlichen Trieb des Körpers“ hingibt „ohne jede schamvolle Rücksicht auf die von der Gesellschaft oktroyierte Kleidung.“ (Hüttinger, Die Kunst, 153). Dischner, Wer lacht, 48. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 46 ff. und Die zweideutige Lust, 41. Vgl. Heinrich, Theorie, 30. Vgl. Heinrich, Theorie, 25 f. So ist es möglich, dass unser Lachausbruch uns über einen ungekannten „undomestizierten Aspekt“ unseres Inneren erschrecken lässt, weswegen wir „hinter vorgehaltener Hand lachen“ (Dischner, Wer lacht, 50). Leitenberger lokalisiert das Lachen „an der Grenze zwischen […] Ich-kontrolliertem Verhalten und Es-kontrolliertem Ausdrucksverhalten“ (Lachen, 24). Jurzik, Der Stoff, 44– 47. Jurzik, Die zweideutige Lust, 48. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 14.
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tungskontinuum des Lachens als Krisenmanagementprozess des desorganisierten Subjekts zwischen den Polen des Nichts und der „momentanen Freiheit“⁵⁷³. Als Grenzphänomen hat das Lachen anthropologische und ontologische Hintergründe. Das rationale Ich kollidiert mit dem Heterogenen, vom ihm selbst nicht Beherrschbaren, es stößt auf die Unverfügbarkeit des Daseins⁵⁷⁴ und erleidet einen epistemischen Ordnungs- und Objektivitätsverlust, da für den Moment die internalisierten gesellschaftlichen Wertungskriterien versagen.⁵⁷⁵ Das Kohärenzempfinden erweist sich als konstruiert und konventionsbasiert.⁵⁷⁶ Die Verstörung durch den Kontingenzschock wird im Lachen zwar suspendiert, doch auf rätselhafte und uneindeutige Weise.⁵⁷⁷ Denn das Lachen umspielt die „Grenze zwischen Schweigen und Sprechen,Wissen und Nicht-Wissen“,⁵⁷⁸ tanzt auf messerscharfem Grat über den Abgründen der Verzweiflung, auf der Schwelle zwischen Schrecken und Lust. Eine Ahnung von jenem ontologisch-katastrophischen Gehalt des Lachens transportierte schon die ägyptische Religion, die mit der „topischen Schilderung des Chaos“ das „bittere, verzweifelte Lachen“ als zynischen Reflex auf die „Pervertierung der alten Wertvorstellungen“⁵⁷⁹ und die Vergeblichkeit jedweder Verständigung ertönen ließ. Von dieser mythischen Kosmologie kann eine Linie zu Shakespeare⁵⁸⁰ und zur Prosa der französischen Existenzialisten gezogen werden. In Sartres Erzählsammlung Le Mur (1939)⁵⁸¹ und Camus’ Roman La Chute (1956) erschallt das Lachen in der Vibrationskammer „existenzieller Situationen“⁵⁸². Nicht immer bricht das Lachen die Bannkräfte des Schicksals und wendet den katastrophischen Verlauf ins Positive.⁵⁸³ Doch heben die Katastrophentheorien Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 14. Vgl. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 7. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 45. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 101 f. Vgl. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 14. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 14. Guglielmi, Das Lachen, 156. In Shakespeares Tragödie Titus Andronicus (ca. 1594) bricht das fürchterliche, quasi-pathologische Gelächter in dem Moment als Signal des „radikalen Protests“ gegen die „Greuel der Existenz“ und der „äußersten Hilflosigkeit“ (Manfred Pfister, Inszenierungen des Lachens im Theater der Frühen und Späten Neuzeit, 231) hervor, da den Titelhelden der nächste grässliche Schicksalsschlag trifft. Die Geschlossene Gesellschaft in Sartres gleichnamigem Bühnenstück von 1944 realisiert, dass „die Hölle die anderen sind“ (Kevin Liggieri,Wissenschaft lacht nicht, 234) und verfällt in ein Lachen des Wahnsinns. E. Arend, Das Lachen, 3. Kultur- und literaturgeschichtlich kann, wie bereits deutlich wurde und hier an weiteren Beispielen illustriert werden soll, sowohl die anti-katastrophische als auch die letale Dynamik des
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zweifellos eher die positiven Momente von Widerstand und Überwindung als finale Bestimmungsfaktoren der Affektdynamik hervor. Heinrich macht die befreiende Kraft des Lachens daran fest, dass es „Katastrophenangst und Katastrophenlust“⁵⁸⁴ in den Akt des Widerstands integriert. Diese Sicht stützt er mit der Hypothese, das Lachen habe seinen ursprünglichen Ort in jenen eschatologisch grundierten Kulten gehabt, die die Herrschaftsverhältnisse und Ordnungspole auf den Kopf stellten.⁵⁸⁵ Diesen utopischen Überschuss des Lachens bringt auch Jurzik zur Sprache, wenn sie aus mythologischem Erzählgut ableitet, dass das Lachen ein „in Bewegung gebrachtes Grinsen“⁵⁸⁶ sei. Während die „grinsende Fratze der Gorgo“⁵⁸⁷ durch ihre Starrheit Feinde paralysiert, bildet das Lachen die Katastrophenbewegung physiologisch nach, ohne zu erstarren, und trotzt so „dem Schicksal ein Stück Befreiung“⁵⁸⁸ ab. Das Erschrecken über den Verlust berechenbarer Wirklichkeitskoordinaten und souveräner Handlungsdispositionen schlägt um in die Lust der Überwindung von Kontingenzängsten und der Rückgewinnung von Eigenmächtigkeit.⁵⁸⁹
Lachens belegt werden. Für erstere steht u. a. die Möglichkeit einer Besänftigung der griechischen Götter: Hermes gelingt es mit lachenerregenden Narreteien Zeus vom Gedanken an eine Bestrafung abzubringen (Homerische Hymnen, An Hermes, 389) und folgt man Horkheimer/Adorno, dann steht das komische Verhalten, zu dem Teiresias Odysseus in seiner Weissagung rät (Odyssee, XI, 119 – 137) im Dienste der Versöhnung: Wenn Odysseus das Ruder als Wurfschaufel ausgibt, dann soll diese Posse Poseidon, „den grimmigen Elementargott zum Lachen bringen, auf dass in seinem Gelächter der Zorn sich löse“ (Dialektik, 84 f.). Ebenso überwindet die ‚schöne Lau‘ in Mörikes Märchen ihren Zorn im Lachen über einen drolligen Versuch sie zu besänftigen (vgl. H.-C. Hahn, Wie, 39). Im Märchen vom Wechselbalg hat das Lachen die Macht, das ‚Monsterkind‘ von seinem Bann zu befreien (vgl. Jurzik, Die zweideutige Lust, 39 und I.3.3). Das sogenannte PhobosLachen holt das Subjekt aus tödlichem Schrecken ins Leben zurück (vgl. Prütting, Homo ridens, 1817 f.). Die letale Tendenz begegnet z. B. im suizidalen, fatalistischen Lachen des Herrn Kien (vgl. auch I.3.6) in Canettis Roman Die Blendung (1931/32), im morbiden Gelächter der Totengeister in Sartres Drehbuch Das Spiel ist aus (1947) oder in der sadistisch-voyeuristischen Lachorgie der Menge angesichts des todesschwangeren Arenakampfes gegen den Minotauros in Fellinis Film Satyricon (1969). Vgl. Jurzik, Die zweideutige Lust, 39. Das „verzweifelte Auflachen“ (Prütting, Homo ridens, 1816) des Anton Reiser in Karl Philipp Moritz’ Roman strebt zwar nach Durchbruch und Öffnung, bleibt aber in den autoaggressiven Impulsen gefangen (vgl. auch I.3.2). Heinrich, Theorie, 30. Vgl. Heinrich, Theorie, 26. Jurzik, Die zweideutige Lust, 49. Jurzik, Die zweideutige Lust, 48. Jurzik, Die zweideutige Lust, 49. Gerhard M. Martin hält fest, dass nicht „Lachen und Weinen“ die „anthropologische Grundopposition“ bilden, sondern Lachen (oder Weinen) und „tödliche Erstarrung“ (Zur Idee einer Theologie des Lachens, 383). Vgl. Jurzik, Der Stoff, 35.
3.4 Kontingenzschock und Katastrophenbewältigung
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Auf der gleichen Linie formulieren Kamper/Wulf: Lachen bedeutet Bändigung des Schicksalhaften durch einen Akt der Freiheit „jenseits der Freiheit der Vernunft“⁵⁹⁰. So gesehen stellt es eine „Körperreaktion außerhalb des Sinnes“ dar, die wir aber durch metakommunikative Vereinbarung „sinnhaft verorten“⁵⁹¹. Als Vollzugsorgan einer „Krise des Geistes“ reflektiert das Lachen die punktuelle Aufhebung der Negativität, es macht ein „Einverständnis mit dem Fremden“⁵⁹² erfahrbar und leistet damit Widerstand gegen die „Selbstzerstörungsprozesse der Gattung“⁵⁹³. Zudem mobilisiert die „sinnlose Heiterkeit […] am Rande des Vulkans“⁵⁹⁴ eine leibliche Vitalität, in der sich eine verlorene subjektive Einheit wieder verdichtet.⁵⁹⁵ Anders als die idealistische Ästhetik Friedrich Theodor Vischers⁵⁹⁶ stellt sich die Katastrophentheorie jedoch die Herstellung einer solchen Personeinheit keineswegs harmonisch vor; ihre Pointe besteht in der Feststellung, dass das Lachen deswegen einen Subjektivitätsgewinn erzielt, weil es das Prinzip souveräner Selbstbestimmung aushebelt und die Krisenhaftigkeit der Person nach-vollzieht.⁵⁹⁷ Helmuth Plessner bleibt insofern hinter der katastrophentheoretischen Krisenindikation zurück, als er „im Verlust der Herrschaft“⁵⁹⁸ über den Körper die Unangreifbarkeit einer auf autonomer Selbstobjektivation beruhenden Persona-
Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 9. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 8. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 8. Heinrich, Theorie, 30. Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 14. Im Hermann Hesses Steppenwolf-Roman (1927) versöhnt sich der gespaltene und lebensuntüchtige Held lachend mit den Widersprüchen seiner Existenz: Dank der Epiphanie einer überzeitlichen heiteren Sphäre, wie sie in Mozarts Musik aufscheint, gewinnt das Lachen für Harry Haller die Qualität einer „geistigen Überlebenskunst“ (Karl-Josef Kuschel, Christus hat nie gelacht?, 123), die der Mitte zwischen Problemverdrängung und Verteufelung des Daseins zustrebt. Auch Kurt Martis Unsinns-Poesie zielt auf ein antifatalistisches Lachen (vgl. Kuschel, Im Spiegel, 102 ff.). Vgl. Friedrich Th. Vischer, Über das Erhabene und Komische, 206. Jurzik parallelisiert in diesem Zusammenhang die dritte narzisstische Kränkung des menschlichen Geistes in Folge der Entdeckung des Unbewussten durch Freud mit dem Kontrollverlust, den das menschliche Subjekt beim Lachen erleidet (vgl. Der Stoff, 42 f.).Während hier das ordnende Ich-Bewusstsein sozusagen schockartig aus den Angeln gehoben wird, wird es dort unterspült von einem verselbständigten Triebgeschehen. Lenz Prütting versteht die Philosophie des Lachens als „Kritik an der faustischen […] imperialen Selbst- und Weltbemächtigungsideologie“ (Homo ridens, 62), die die abendländische Kultur aufgrund der Dominanz des „biblischplatonisch-cartesischen Denkens“ (63) geprägt hat. Plessner, Philosophische Anthopologie, 76.
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lität erkennt, die den Kontingenzschock in einer stabilen Konstruktion von Subjektivität wieder auffängt. Wenn der Mensch dem Körper die Antwort auf die rational nicht zu beantwortende Lage überlässt, dann findet er laut Plessner eine sinnvolle und gesichtswahrende Antwort auf den affektstimulierenden Anlass. Die Sinnhaftigkeit, die der lachende Mensch erlebt, ist jedoch nicht anschlussfähig in Bezug auf rationale, religiöse, ästhetische oder moralische Deutungsmuster und Verhaltenskodices.⁵⁹⁹ Vielmehr erschließt sie sich ihm im Residuum des Leibes als „affektive Erschlossenheit der eigenen Natur“⁶⁰⁰. Der Leib erscheint beseelt, der Mensch wird zum „lachenden Leib“, er feiert sich als „leibseelisches Lebewesen.“⁶⁰¹ Das ekstatische selbstreferentielle Körpergeschehen verhindert eine statuarische „Harmonisierung […] des Geist-Körper-Konflikts“ und die Erstarrung der personalen Subjektivität im „rationalen Selbstentwurf“.⁶⁰² Die Rebellion des Körpers gegen seine Instrumentalisierung, der Aufstand des lachenden Ichs gegen das funktionalistische Korsett des vernünftig handelnden Subjekts offenbart die Macht des Menschen „in der Ohnmacht“, seine „Freiheit und Größe im Zwang. […] Er hat, wenn auch nicht das letzte Wort, doch die letzte Karte im Spiel, dessen Verlust ein Gewinn ist“.⁶⁰³ Während dieser Gewinn bei Plessner durch seine platonisch-stoische Aufassung von „integraler Personalität“ als absoluter Selbstbehauptung bestimmt ist, hat Hermann Schmitz⁶⁰⁴ (Die Person, 1980) fernab katastrophentheoretischer Indizierung das „dynamische Zusammenspiel von personaler Regression und personaler Emanzipation“⁶⁰⁵ als integratives Movens des Lachens erkannt. Das Lachen folgt einem teleologischen Programm in der Weise, dass es sich durch die „personale Regression“⁶⁰⁶ hindurch zum Triumph aufschwingt, um das „Aus-
Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 58. Voss, Das Leib-Seele-Verhältnis, 184. Seibt, Der Einspruch, 762. Stauß, Lachen im Zwiespalt, 62. Plessner, Philosophische Anthropologie, 76. Renate Jurzik hat Plessners vitalistisch anmutende „Metaphern triumphierender Selbstüberwindung“ (Der Stoff, 43) zum Anknüpfungspunkt ihrer Kritik gemacht. Anstatt die „fundamentale Krise“ (42) des menschlichen Selbstverhältnisses, die durch die Erschütterung des Lachens ausgelöst wird, in ihrer schroffen Unzugänglichkeit und existenziellen Tragweite zu Ende zu denken, erhebe Plessner die Grenzreaktion des Lachens zur Apotheose des Menschseins und mache damit ihren „Skandal […] rückgängig“ (43). Auch Klaus Heinrich bemängelt an Plessners phänomenologischer Analyse das Fehlen einer doppelten Bedeutungsebene: Die Interdependenz des auslösenden und ausgelösten Moments bleibe semantisch unterbestimmt (vgl. Theorie, 29). Vgl. Hermann Schmitz, Die Person, 114– 126. Prütting, Homo ridens, 1601. Prütting, Homo ridens, 49.
3.5 Sakrale Erfahrungsdimensionen nach dem Tod Gottes
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gangsniveau personaler Emanzipation“⁶⁰⁷ zurückzugewinnen. Lenz Prütting, der sich wesentlich an Schmitz’ Bestimmungen anlehnt, spricht in diesem Zusammenhang vom uroborischen Impuls einer Verhaltensweise, die sich in einer „dramatischen Verlaufsgestalt […] gleichsam selbst verzehrt“⁶⁰⁸ und deswegen eine kathartische Wirkung besitzt, weil sie auf Beendigung drängt und die ursprüngliche Lachmündigkeit wiederherstellt.⁶⁰⁹ Schmitz geht davon aus, dass im Lachen der regressive und der Selbstbehauptungsimpuls versöhnt sind,⁶¹⁰ so dass der lachende Mensch weder ganz der „primitiven Gegenwart“ verfällt noch in die „Entfremdung von sich selbst entgleitet“.⁶¹¹ Unter dieser Voraussetzung hat das Lachen eine „fundamentale Lebensfunktion“, die in einer „eudämonistischen Könnens-Ethik“⁶¹² zu kontextualisieren wäre.
3.5 Sakrale Erfahrungsdimensionen nach dem Tod Gottes: Ansätze einer negativen Theologie Platons Maxime, das göttliche bzw. vernünftige Sein vor dem Lachen, „dem Ungeheuer aus der Tiefe der menschlichen Seele“⁶¹³ zu schützen, hat der Etablierung der „Ernsthaftigkeit als Imperativ“⁶¹⁴ des philosophischen Denkens Vorschub geleistet. Bedrohlich war für die metaphysischen Ordnungskonzepte vor allem die Vorstellung, dass das Lachen nicht nur die karnevaleske und temporär befreiende Konvertierung des binären Zeichensystems mit sich bringt, sondern grundsätzlich die Grenzen einer „stabilen Repräsentationsordnung“⁶¹⁵ durchbricht. So galt in der Philosophiegeschichte der Grundsatz „Im Lachen wird Weisheit vergossen“⁶¹⁶
Prütting, Homo ridens, 54. Prütting, Homo ridens, 50. Das gilt jedenfalls für ausgeprägtes Lachen, das an der „Überformung von Gestus, Vultus, Habitus und Respiration“ (Prütting, Homo ridens, 54) erkennbar ist. Generell unterscheidet Prütting die verschiedenen Lacharten hinsichtlich des jeweiligen Anteiles und Mischungsverhältnisses von Selbstpreisgabe und Selbstbehauptung: Wenn das Moment der Selbstbehauptung verschwindet, kippt das Lachen ins Weinen, wenn es dagegen vollkommen dominiert, erstirbt das Lachen in der „Sackgasse wahnhafter Verstiegenheit und Selbstentfremdung“ (52 f.). Vgl. Prütting, Homo ridens, 1641. Prütting, Homo ridens, 1652. Prütting, Homo ridens, 1601. Das „Ethos des Humors“ (Prütting, Homo ridens, 1661) integriert Schmitz in eine Kulturtheorie, deren Kern die „Hygiene von Personalität“ (1657) ist. Prütting, Homo ridens, 102. Rehberg, Lachen, 13. Rehberg, Lachen, 14. Rehberg, Lachen, 13.
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und die epistemologische Formel, das Phänomen entweder moralphilosophisch (Platon)⁶¹⁷ oder begrifflich (Aristoteleles) zu domestizieren,⁶¹⁸ bis Friedrich Nietzsche es zum „Kennzeichen des […] wahrhaften Menschen“⁶¹⁹ aufwertete. Die christliche Zuschreibung der satanischen Natur nimmt Nietzsche in Also sprach Zarathustra auf, wenn er das Lachen als Akt der Zerstörung und Überwindung metaphysischer und dogmatischer Wahrheitsmaßstäbe ausweist.⁶²⁰ Das „wahre Lachen“⁶²¹, das er im Zarathustra und in der Fröhlichen Wissenschaft thematisiert, begegnet dem „Verlust eines absoluten Maßstabs zur Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge“.⁶²² Es ist ein „Lachen über sich selbst“⁶²³, jedoch nicht als dialektische Bewegung im Sinne Hegels, die auf eine Aufhebung hinausliefe, sondern als Kundgabe der fundamentalen Einsicht, dass die eigene Wahrheit „eine selbstgesetzte war“⁶²⁴: Das Lachen unterbricht das Inszenierungsgeschäft des Verstandes und „das zuvor scheinbar Erreichte“ ist „einfach weggewischt“.⁶²⁵ Laut Nietzsche sind es die „höheren Menschen“⁶²⁶, die die Fähigkeit erworben haben, über sich lachen zu können und ihr ordinäres Menschsein zu überwinden. So beweisen sie den höchsten Wahrheitssinn.⁶²⁷ Darum bemisst sich die Rangordnung der Philosophen an der göttlichen Tiefe ihres Lachens.⁶²⁸ Nietzsche scheute sich nicht, wie wir bereits gesehen haben, das Lachen heilig zu sprechen, da es seiner Auffassung nach über die „Dignität, […], Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit“⁶²⁹ des Menschen entscheidet. Es umfasst die Höhe und die Tiefe, bezeugt „ewige Lebensfülle, unerschöpfliche Kraft“ und das „Wissen von Vollkommenheit“,⁶³⁰ hebt die Zeit und den Tod auf.
Tina-Karen Pusse ist der Auffassung, dass Heideggers Philosophie in ihrer Grundanlage die platonische Abwertung des Lachens als ein Phänomen der „Uneigentlichkeit“ (Pusse, 23) übernimmt. Vgl. Heinrich, Theorie, 25. Hartmann, Theorie, 212 f. Vgl. Pusse, Von Fall, 14. Pusse, Von Fall, 186. Pusse, Von Fall, 32. Pusse, Von Fall, 186. Pusse, Von Fall, 186. Pusse, Von Fall, 187. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, KSA 4, 367 f. Vgl. Tschannerl, Das Lachen, II. Vgl. Geier, Worüber, 148. Hartmann, Über das Lachen, 220. Ulrich Klingmann, Ein Dämon, 45.
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Das „stotternde Lachen“, so Stefanie Hüttinger, erinnert an das Murmeln der „russischen Christusnarren“ und kann daher auch als „göttliches Sprechen gedeutet“⁶³¹ werden (II.3.1). Der musikalische Verlauf, das „helle Auflachen“, der auf einen Höhepunkt zulaufende und von ihm „abfallende Rhythmus“, ähnelt einer „durchkonstruierten Symphonie“.⁶³² So erscheint das Lachen als nicht-symbolische, schallförmig-rhythmisierte Ursprache, dem „musikalischen Gesang“⁶³³ verwandt. Vom harmonischen und heiteren Lachen ist das höhnisch-diabolische Gelächter abzuheben, das sich mit der Grimasse des Grinsens verbindet und deswegen schrill und irrsinnig erklingt, weil es dem Grotesken und Absurden, der „radikalen Negation alles Seins“⁶³⁴ geschuldet ist. Dieses Lachen lässt in den Schlund, den Abgrund des Lachenden blicken, es offenbart den Menschen in „all seiner inneren Verletzlichkeit“⁶³⁵.Wenn es an den Rändern der Existenz aufbricht, in den Tabuzonen und Grenzbereichen, dann lässt es das eine Extrem im anderen aufleuchten, „den Tod […] im Leben, die Distanz in der Nähe, das Satanische im Göttlichen“.⁶³⁶ Dietmar Kampers Lektüre von Octavio Paz’ Essay Die Rückseite des Lachens (1979) geht eben jenem Lachen nach, das sich „am Rande des Sinns der Diskurse“⁶³⁷ entzündet. Der „abgrundtiefe Schrecken des Menschen“⁶³⁸ über die Gleichgültigkeit seiner angestrengten Wertschöpfungsunternehmungen hallt im gleichsam nihilistischen Lachen der Götter wider.⁶³⁹ Doch wenn ihr „grausames Lachen“⁶⁴⁰ den Menschen niederschmettert und die Schöpfung in ihren Grundfesten erschüttert, dann ist es nur ein Echo der Leere auf dem Grund alles Seins. Der Abgrund unter der Projektionsfläche der „Bedeutungen, Zeichen, Symbole“⁶⁴¹ verschlingt auch die Götter. Angesichts dieser universellen metaphysischen Ver-
Hüttinger, Die Kunst, 44. Vgl. auch II.3.1. Die Ähnlichkeit des Lachens und der Epilepsie, der man im Mittelalter und der Antike mancherorts eine prophetische Qualität zuschrieb, macht diese Deutung noch plausibler (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 44). Hüttinger, Die Kunst, 36. Hüttinger, Die Kunst, 39. Hüttinger, Die Kunst, 36. Hüttinger, Die Kunst, 38. Hüttinger, Die Kunst, 7. Kamper, Der unerschöpfliche Ausdruck, 273. Kamper, Der unerschöpfliche Ausdruck, 267. Das Lachen der Götter kompromittiert den gläubigen Ernst der menschlichen Arbeit, die utilitaristischen Kontrollmaximen und profanen Daseinskalkulationen des Menschen und dementiert den Sinn aller Ordnungsprojekte, das orientierende Prinzip der Mittel-Zweck-Relationen (vgl. Kamper, Der unerschöpfliche Ausdruck, 271 f.). Kamper, Der unerschöpfliche Ausdruck, 271. Kamper, Der unerschöpfliche Ausdruck, 272.
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lorenheit kann das Lachen „die Sehnsucht nach der verlorenen Einheit“⁶⁴² zum Vorschein bringen. Doch die romantische Vision von einer Rückkehr zum ursprünglichen, unverfälscht-wilden Lachen der Kinder und einem erneuten Eintauchen in den bunten und exzentrischen Götterkosmos ist auf dem Weg in die Moderne erloschen. Da auch die mythologische Lösung der Entbindung des Lachens im rituellen Spiel und Opferkult und das hybride Projekt der Moderne, den Tod zu leugnen und das Opfer abzuschaffen, historisch abgedankt haben, erwägt Octavio Paz eine Rückwende zum magischen Lachen, das den Menschen wieder an die Erde, und das heißt an den zeichenlosen Ur-Abgrund ausliefert.⁶⁴³ Dieses vormythische Lachen entstammt einer „Zeit vor den Göttern“⁶⁴⁴, einem existenzialen Resonanzraum, in dem die vertrauten Kategorien der Sinnkonstituierung, die Konstruktionsprinzipien einer rationalen Geschichtsphilosophie und Kosmologie versagen. Der Rückweg zu dieser vormythischen Realität umgeht die Wiederherstellung des Opferritus, er vollzieht einen Bewusstseinsprozess nach, der über die Negationsstufen der kritischen Reflexion schließlich in die „absolute Verneinung“ führt: „Auf allen seinen Abenteuern wird das Bewusstsein vom Lachen begleitet.Wenn das Denken sich denkt, lacht es über das Lachen, wenn es das Undenkbare denkt, stirbt es vor Lachen“.⁶⁴⁵ Doch dieses „nur dem Anschein nach diabolische“⁶⁴⁶ Lachen, das sich recht eigentlich der Poiesis der Einbildungskraft auf der Oberfläche sinnleeren Seins verdankt, ist eine Chiffre für die Möglichkeit des Lebens. Tatsächlich sind einige Gelehrte nach der Ausrufung des postmetaphysischen Zeitalters und der Ablösung des Denkens vom Absoluten dazu übergegangen, das Lachen nicht mehr als bloßes Übergangsphänomen, als Einbruch des Zufälligen in die Statik des Seienden zu werten,⁶⁴⁷ sondern, wie George Bataille, als einen poetisch-existenziellen Zugang zu den Gegenständen der Erkenntnis⁶⁴⁸, die „vorästhetische Gegebenheit einer ästhetischen Weltsicht“⁶⁴⁹ oder, wie Jacques Derrida, als Modus einer „dekonstruktiven Lektürehaltung“⁶⁵⁰.
Paz, Essays, 56 f. Kamper, Die Sonne, 268 f./272 f. Kamper, Die Sonne, 267. Paz, Essays, 61 f. Kamper, Die Sonne, 273. Vgl. Pusse, Von Fall, 26. Kevin Liggieri schließt an das Bataille’sche Denken an, wenn er in der Literatur einen Rückzugsort für das wahnsinnige Lachen erblickt, das im alles umgreifenden wissenschaftlichen Denken kein Heimatrecht genießt (vgl. Wissenschaft, 248). Bischoff, Souveränität, 41. Pusse,Von Fall, 22. Lachen erweist sich als „Kulminationspunkt dessen […], was eine Lektüre ausmacht“ (Pusse, Von Fall, 189), die sich der Vorläufigkeit aller Wahrheit aussetzt. Es erinnert
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Im poetisch-narrativen Zeichenkosmos der Literatur gewinnt das Lachen an „Radikalität und Tiefe“⁶⁵¹; denn es besitzt ein „verneinendes wie ein bejahendes, ein agonales wie ein schöpferisches Element“.⁶⁵² Daher ist es weder „abstrakte Negation“⁶⁵³ oder dialektische Aufhebung im Hegelschen Sinne, sondern eine „potente Lebensäußerung“⁶⁵⁴ und als solche, wie Derrida expliziert, Ausdruck von Mündigkeit. Als solcher konstituiert es eine Souveränität im „Verhältnis zum Tod“⁶⁵⁵ und genießt sich dabei selbst im Wissen, ein Simulacrum zu sein und das heißt: ein „Fast-nichts“, das „das absolute Wagnis“⁶⁵⁶ vortäuscht, sich selber eine Komödie vorspielt.⁶⁵⁷ Bataille hat jenes Wagnis mystifiziert, wenn er es darin gründen lässt, dass das Lachen den Tod in sich aufnimmt, indem es den Sinn opfert, mit dem die Philosophie seit Platon jenen zu bewältigen suchte.⁶⁵⁸ Es treibt die imperialen Totalitätserklärungen auf die Spitze, um sie in den Abgrund nackter Subjektivität stürzen zu lassen, stellt die theonome Ordnung auf den Kopf, macht das Absolute zum Spielball einer Krisis des Geistes, zieht das Ewige in den Sog des Transitorischen und Prozessualen.⁶⁵⁹ Die Dialektik von Tod und Erneuerung versinnbildlicht den Einbruch der Zeit in das erstarrte System. Das „souveräne Lachen der Moderne“ definiert die „Beziehung von Sein und Zeit“⁶⁶⁰ neu, indem es die in den unerbittlichen Ernst geltender Seinsbestimmungen daran, dass metaphysische Sinneffekte, „Stabilität und Gleichgewicht“, die sich beim Schreiben einstellen, die Ausnahme sind und jederzeit drohen, „in die Zerrissenheit zurückzustürzen“ (190). Wer beim Lesen lacht, kommt ins Stocken, „unterbricht die Lektüre“ (25) und gewärtigt die Vermessenheit seiner eigenen Sinnperspektive. Das „absolut Komische des Grotesken“ fordert den „schöpferischen Nachvollzug“ (Dischner, Wer lacht, 46) des Lachens als seine Beglaubigung. Bischoff, Souveränität, 41. Bischoff, Lachen, 66. Vgl. dazu I.2.2 und 2.3. Jacques Derrida, Die Schrift und die Differenz, 387. Pusse, Von Fall, 28. Derrida, Die Schrift, 388. Derrida, Die Schrift, 389. Wie die Poesie kreist das Lachen um eine Leere, in der alles Geschaffene unter tragischem oder komischem Vorzeichen versinkt. Doch wenn die Literatur das Tragische ins Komische hinein steigert und somit vor der Degradierung ins Lächerliche bewahrt, dann reflektiert das Lachen, wie E. T. A. Hoffmann erklärte, eine Selbsterkenntnis, die den Kern der Subjektivität betrifft (vgl. Bischoff, Lachen, 62 ff.). Vgl. Pusse, Von Fall, 23. Im Lachen der literarischen Moderne hallt somit das vormythische Lachen des Octavio Paz nach. Vgl. Bischoff, Lachen, 65 ff. „Das Lachen ahnt die Wahrheit, die die Zerrüttung des Gipfels bloßlegt: dass unser Wille, das Sein zu fixieren, verflucht ist. Das Lachen gleitet an der Oberfläche leichter Bodensenkungen entlang: die Zerrüttung öffnet den Abgrund. Abgrund und Bodensenkungen sind ein und dieselbe Leere: die Verflüchtigung des Seins, das wir sind.“ (George Bataille, Die innere Erfahrung, 129). Bischoff, Lachen, 67.
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eingeschlossene Angst entmächtigt. Als Organ des Komischen ist es das letzte Vehikel metaphysischer Verhandlungsmasse⁶⁶¹ oder, anders gesagt: Es ist der Zufluchtsort einer „neuen Metaphysik, die aus der Revolte gegen die hypostasierten Zentren des Seins entspringt“⁶⁶². In einer „Bewegung der Insubordination“⁶⁶³ enthüllt es nicht nur das Seiende, sondern das Sein selbst in seiner ganzen Fraglichkeit, demontiert dessen fiktive Entwürfe, während die „Gestalten des Nichtseins […] zu fassbaren, fühlbaren Möglichkeiten“⁶⁶⁴ werden. Auf der anderen Seite rechnet Bataille das Lachen zu den „Erfahrungen der Grenzüberschreitung wie der Angst, den Tränen und der Ekstase“.⁶⁶⁵ Er beschreibt ein mystisch-chaotisches Geschehen: Das Unbekannte, Unbegreifbare berührt den Menschen und reizt ihn umso mehr zum Lachen, je unvorgesehener es ihn trifft und je größer die Fallhöhe des Lachgegenstandes ist.⁶⁶⁶ Diesen Lachgegenstand, m. a. W. das Lächerliche, klassifiziert Bataille als das „abstürzende Heilige“⁶⁶⁷ und deutet damit an, dass es beim Freudentaumel um das Widerfahrnis einer Offenbarung geht und zwar einer solchen, die den Schleier des profanen, kompromissartigen Weltgetriebes zerreißt und den Menschen auf den ungesicherten Grund seiner Wirklichkeit wirft.⁶⁶⁸ Die Offenbarung besteht in der Erfahrung, dass Gott Nichts ist; das alte Leben löst sich im Gelächter fundamentalen „Nicht-Wissens“ auf, das jedoch im Deutungsmodus der negativen Theologie, der „Essentialisierung des Unbekannten“⁶⁶⁹, eine numinose Qualität erhält. An die Stelle der Kantischen ‚Verwandlung in nichts‘ tritt die Epiphanie des Wunderbaren; der Schrecken angesichts des „Abgrunds der Gottlosigkeit“⁶⁷⁰ schlägt in die Freude auf dem leeren Grund der „Atheologie“⁶⁷¹ um. Das „heilige Vgl. Bischoff, Lachen, 62. Bischoff, Souveränität, 45. Bischoff, Lachen, 64. Bischoff, Lachen, 63. Dieses Lachen einer literarischen Ontologiekritik verkehrt die gewöhnliche Statik und Machtbalance, die in Anlehnung an Baudelaire expliziert werden kann: Während der sozial Höherrangige im Lachen einer ontologischen Wertehierarchie gewahr wird und so die „Gewissheit des Seins“ (Leitenberger, Lachen, 18) erlangt, vergegenwärtigt das Objekt des Gelächters die „Abwesenheit des Seins“ (Bischoff, Lachen, 52). Jurzik, Der Stoff, 40. Vgl. Jurzik, Der Stoff, 40. Jurzik, Der Stoff, 40. Jener quasi-religiöse Ausbruch, so kritisiert die Katastrophentheoretikerin Renate Jurzik, werde in der Bataille’schen Konzeption als Sprung auf ein neues Qualitätsniveau des Daseins verstanden, ohne dass die Rückbindung an „die gesprengten Instanzen“ (Der Stoff, 41) noch zur Sprache käme. Gvozdeva, Das ABC, 247. Gvozdeva, Das ABC, 249. Gvozdeva, Das ABC, 250.
3.5 Sakrale Erfahrungsdimensionen nach dem Tod Gottes
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Lachen“⁶⁷² verdankt sich der affektiven Vergegenwärtigung der Rätselhaftigkeit des Seins, in dem „das Göttliche und das Menschliche auf eine paradoxe Weise vereint“⁶⁷³ sind. Dieser Moment der „irrationalen Erkenntnis“ koinzidiert mit dem „Höhepunkt der Ekstase, […] an dem das Lachen nicht mehr lacht“.⁶⁷⁴ Batailles nicht-lineare Anschauung von der „oszillierenden Gleichzeitigkeit des objektbezogenen und objektlosen, des überlegenen und passiv-theopathischen Lachens“⁶⁷⁵ ist auf den utopischen Horizont des heiligen Kollektivs ausgerichtet.⁶⁷⁶ Das Lachen öffnet die Sphäre menschlicher Interaktion für das Sakrale als Moment der „außeralltäglichen Erfahrung von Solidarität und Gemeinschaft“⁶⁷⁷. Dabei legt Bataille den Akzent zum einen darauf, dass die Individuen transformiert und zu einem dynamischen, fluiden Kollektiv verbunden werden.⁶⁷⁸ Zum anderen nimmt er eine spezifische Umdeutung Freud’scher und Bergson’scher Termini vor, um den Exklusionsmechanismus des Lachens zu erklären. Freud hatte Bergsons Betonung der Superiorität des Lachenden dadurch abgemildert, dass er mit der These von der Regression in die Lust der Kindheit die „Identifikation […] mit dem Opfer“⁶⁷⁹ hervorhob. Bataille transponiert das psychoanalytische Modell in eine Theorie des Opfers, die den komischen Sturz als „symbolische Repräsentation des Todes“ und das „kollektive Gelächter“ als einen „rituellen Mord“⁶⁸⁰ versteht: Im sakralen Akt des Lachens wird der Andere geopfert, um den eigenen Tod zu verdrängen, Lachkommunikation und „rituelle Kommunikation“⁶⁸¹ fallen in eins. Zugleich löst sich das Subjekt des Lachens jedoch vom Überlegenheitsgefühl des Priesters, identifiziert sich als Ritualteilnehmer mit dem Opfer und überschreitet „mit ihm heiter die Grenze zur heiligen Sphäre des Todes“⁶⁸². Die „Transformation des Todesschreckens in Freude“⁶⁸³ erhellt die sakrale Dimension des Lachens.
Gvozdeva, Das ABC, 266. Gvozdeva, Das ABC, 262. Gvozdeva, Das ABC, 250. Gvozdeva, Das ABC, 252. Bei Nietzsche dagegen hat die Göttlichkeit des Lachens über den tragischen Untergang ihren Fluchtpunkt in der elitären Subjektivität (vgl. Gvozdeva, Das ABC, 251 f.). Gvozdeva, Das ABC, 241. Vgl. Gvozdeva, Das ABC, 242. Gvozdeva, Das ABC, 243. Gvozdeva, Das ABC, 244. An diesem Punkt berührt sich das Lachen mit dem Wahn und der Grausamkeit (vgl. Liggieri, Wissenschaft, 240). Gvozdeva, Das ABC, 269. Vgl. auch Bataille, Die innere Erfahrung, 136 f. Gvozdeva, Das ABC, 246. Gvozdeva, Das ABC, 245.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
Wenn Batailles Ästhetik der parodistischen Neuschöpfung des Mythos „nach dem Tod Gottes“⁶⁸⁴ darauf abzielt, dass der „ekstatische Lacheffekt“⁶⁸⁵ auf den Leser überspringt und ihm die Erfahrung einer „mystisch-mythischen Totalität“⁶⁸⁶ zuteil wird, dann fungiert sie zugleich als Akt des Widerstands gegen die „Einschüchterung des Todes“⁶⁸⁷, während das Lachen umgekehrt nicht zu verstehen ist ohne das Affiziertsein durch den Tod: So ermöglicht es eine Steigerung von Seinsbewusstsein und Ich-Erfahrung jenseits der von rationaler Kulturökonomie geprägten Subjektivität.⁶⁸⁸ Im Kontinuum des Überschreitens und Umwälzens von festgeschriebenen Identitäten erschafft es eine Sphäre unendlicher Freiheit und verkörpert auf diese Weise das Daseinsprinzip der Moderne.⁶⁸⁹ Von Batailles atheologischer Apotheose des Lachens können Verbindungslinien zu buddhistischer, mystischer und pantheististischer Spiritualität, zu Rudolf Steiners Anthroposophie und vitalistisch-phänomenologischer Psychologie gezogen werden. Im Buddhismus kann sich das Lachen mit der Fokussierung des Augenblicks, dem Loslassen weltbezogener negativer Gedanken, der Überwindung der SubjektObjekt-Dichotomie oder, anders gesagt: der Erfahrung einer „kosmischen Einheit“⁶⁹⁰ verbinden. Der chinesische Chan- und der japanische Zen-Buddhismus werten jenes nicht-gegenstandsbezogene Lachen zu einem Medium der Erlösung auf.⁶⁹¹ Auch die christlichen Mystiker haben die göttliche Qualität des Lachens
Gvozdeva, Das ABC, 269. Gvozdeva, Das ABC, 270. „Der Tod Gottes ist ein Opfer, das mich erschauern und dennoch lachen lässt.“ (Bataille, Die innere Erfahrung, 219). Gvozdeva, Das ABC, 266. Mit den Darstellungsmitteln der Clownerie und der Charade markiert Bataille den „transgressiven Augenblick“, der „den Zugang zum Sakralen öffnet“ (Gvozdeva, Das ABC, 263). Zu den meditativen Verfahren, die jene mystische Erfahrung des Zusammenfallens der Gegensätze anstreben, zählt Bataille die Paradoxa des Zen-Buddhismus und die antidiskursive ‚Dramatisierung‘ durch Exerzitien wie die „rituelle Rezitation von Mythen“ im „Theater [und] Opferritual“ (251). Sowohl die „profane Musik“ Mozarts als auch die „geistliche Musik einer Messe“ lösen das „trunkene Lachen […] jubilierender Selbstgewissheit“ (Rodt, Heterologie, 212) aus. Vgl. auch Bataille, Die innere Erfahrung, 166/233/257– 261. Rodt, Heterologie, 212. Vgl. Stauß, Schauriges Lachen, 60. Vgl. Bischoff, Lachen, 63. Uber/Steiner, Lach, 57. Vgl. Uber/Steiner, Lach, 52. Das Lachen korrespondiert mit „der nicht ernst zu nehmenden Welt“ (BenGershôm, Der Esel, 125) und der Abwesenheit eines identifizierbaren Selbst. Laut einer buddhistischen Legende ernannte der Buddha Shakyamuni ausgerechnet den Mahakashyapa, der bei einer Blumenmeditation zu lachen begonnen hatte, zu seinem Nachfolger. Im 10. Jahrhundert verkörperte in China der später oft in Reliefs und Bildnissen als dickbäuchiger, schelmisch und breit lachender Buddha dargestellte zen-buddhistische Mönch Budai das Prinzip des
3.5 Sakrale Erfahrungsdimensionen nach dem Tod Gottes
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bezeugt (vgl. II.2.1). Henri Nouwen berichtet in seinem Tagebuch (Ich hörte auf die Stille, 1978) über seine Erfahrungen in einem Trappistenkloster von der Begegnung mit dem als Einsiedler lebenden Bruder Elias, der oft in ein ganz natürliches Lachen verfiel, das seine eigentümliche Weise des „Bei-sich, Beim-Du, des In-derWelt-seins“⁶⁹² reflektierte.⁶⁹³ Die chassidische Mystik würdigt das Lachen als religiöses Erfahrungs- und Lerninstrument.⁶⁹⁴ Eine pantheistische „Religion der Freude“⁶⁹⁵ bekundet das Lachen der Seraphine in Heinrich Heines Romanfragment Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski (1834).⁶⁹⁶ Anders als das biblische Vorbild, die bei Jesaja erwähnten Seraphim, überschreitet Heines Seraphine das Schuld- und SühneSchema und propagiert einen „lachenden Gott“, der die „christliche Religion des Schmerzes und der Entsagung“⁶⁹⁷ ablöst. Rudolf Steiner definierte Lachen und Weinen als „Physiognomie des Göttlichen im Menschen“⁶⁹⁸. Das Lachen verdankt sich einer göttlichen Ermächtigung. Der lachende Mensch erhebt sich über die Sphäre des Niedrigen, er mobilisiert „die Kräfte […] seiner Selbstbefreiung, seines Erhabenseins und In-sich-geschlossen-Seins in der Welt“.⁶⁹⁹ Der Psychologe Michael Titze und der Philosoph Rolf Kühn heben die zweckfreie Vitalität des Lachens hervor. Die Lebensenergie und der Lebenstrieb, die im Lachen ihre „innere Erfüllung“⁷⁰⁰ finden, sind Manifestationen von „göttlicher Liebe, Gnade, Kraft“, tragen „Präsenz dieser Ewigkeit“⁷⁰¹ in sich.
grundlosen, aber damit umso intensiveren und ansteckenderen Lachens als Weg zur Erleuchtung (vgl. Uber/Steiner, Lach, 51– 54). Zur Denunziation des Lachens in der buddhistischen Tradition vgl. II.1.1. Kurz, Das Lächeln, 328. „Bruder Elias lacht über die gute Nähe von Gott und Natur, über den brüderlichen Besuch, den gelingenden Tag, die gelungene Schöpfung, die gute Gegenwart“, sein Lachen entspringt dem „Frieden, der geweiteten Präsenz, der Einung von Leib und Seele mit dem göttlich Nahen, weltlich Größerem: Sonne und Wind, Regen und Wachstum […]“ (Kurz, Das Lächeln, 328). Vgl. Katharina Ceming, Aus dem Tal der Tränen zum Gipfel der Glückseligkeit, 140. Galler, Lachen, 126. Vgl. Galler, Lachen, 114. Das Lachen der Seraphine beglaubigt die Aussaat des kleinen Schnabelewopski, aus der seiner Meinung nach Hosen für den Vater hervorgehen werden, als einen Akt des ‚Gott-Schauens‘, der Identifikation mit dem Schöpfer (vgl. Galler, Lachen, 126). Galler, Lachen, 124. Heine lässt im Schnabelewopski sogar den Heiligen Geist lachen (vgl. Galler, Lachen, 114). Zum Symbol der „zukünftigen Religion“ (134) nach dem Tod des ‚personalen Gottes‘ wird die zugleich lachende und anbetende Figur der ‚Panna Jadviga‘. Rudolf Steiner, Lachen und Weinen (27.04.1909), 278. Rudolf Steiner, Lachen und Weinen (03.02.1910), 178. Titze/Kühn, Lachen, 114. Titze/Kühn, Lachen, 119.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
Im Anschluss an Helmuth Plessners Feststellung, dass das lachende Subjekt zur Welt und zur Einheit mit dem Mitmenschen geöffnet sei, registriert Lutz von Werder eine Beziehung des Lachens zum Überbewusstsein.⁷⁰² Das „große philosophische Gelächter“⁷⁰³ entzündet sich an elementaren Daseinswidersprüchen, an der Verlorenheit der Welt, der Endlichkeit des Menschen und der Vergeblichkeit seiner Unternehmungen, an der Konfrontation mit dem Tod und dem Nichts, den Enttäuschungen der „sexuellen Kommunikation“ und dem Verlust der „göttlichen und himmlischen Liebe“: Man könnte auch von einer „lachenden Existenzerhellung“⁷⁰⁴ sprechen. Im Lachkrampf, der Verstand, Gefühl und Körper ergreift, lösen sich jedoch die „Welt und das Ich“⁷⁰⁵ auf. Oder anders gesagt: Das im Nichts gründende Lachen erlöst vom Ich,⁷⁰⁶ indem es das Ich abheben und verschwinden lässt, und so ermöglicht es Weltüberwindung und Einswerden mit dem Kosmos,⁷⁰⁷ „Erfahrung des schöpferischen Urgrundes alles Daseins“, der „transpersonalen Seins-Energie“.⁷⁰⁸ Weil es „alle Anthropomorphisierungen“ und begrifflichen Okkupationen des Nichts hinter sich lässt,⁷⁰⁹ fungiert es als „Praxis gottloser Mystik“⁷¹⁰ und „negativer Theologie“⁷¹¹, als „letzte Chiffre“⁷¹² für das Unsagbare. Der „spaßigen Metaphysik“, für die von Werder plädiert, geht es letztlich um einen philosophischen Dialog, der in der Kluft zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit das Lachen Gottes vernimmt.⁷¹³ Dieses Lachen lässt durch die
Vgl. Lutz von Werder, Das große philosophische Gelächter, 7. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 18. Es ist das Lachen des Buddha und das Lachen im „Lied des Orpheus, der aus dem Hades freikommt“ (von Werder, Das große philosophische Gelächter, 18 f.). Auch Camus’ Sisyphos muss man sich, so von Werder, als „lachenden Menschen“ (15) vorstellen. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 15. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 202. Vgl. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 104. Vgl. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 15. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 146. Von Werder rekurriert hier auf Batailles Lachen übers Universum, das von der Schwerkraft befreit (vgl. Das große philosophische Gelächter, 203). Daher trifft das Lachen der Philosophen, von den Sophisten über die Romantiker bis Feuerbach, auch die Personifikationen Gottes (vgl. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 177). Von Werder hält fest, dass es allerdings auch Zeugnisse dafür gibt, dass Gott selbst über Personifikationen, theologische Spekulationen und Definitionen des Menschen lacht. Die griechischen Götter lachen im Gegensatz zum biblischen Gott sogar über sich selbst (vgl. 184 f.). von Werder, Das große philosophische Gelächter, 18. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 104. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 144. von Werder, Das große philosophische Gelächter, 15.
3.6 Eruptionen des Wahnsinns
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„Risse in der Realität […] das Licht der Transzendenz“⁷¹⁴ aufscheinen und so führt es zur Erleuchtung, es lässt das Denken und Erkennen wieder von Neuem beginnen und so führt es zur Freiheit. Batailles Sakralisierung des Kreatürlichen, die vitalistische Ineinssetzung des Göttlichen und der nicht-intentionalen, selbstvergessenen Hingabe an das affektive Leben bei Titze/Kühn und die kosmisch-metaphysische, von fernostasiatischer Religiosität gefärbte Apotheose des Lachens bei Rudolf Steiner und Lutz von Werder fordern die jüdisch-christliche Tradition heraus, die jegliche diesseitsorientierte Erlösungskonzepte unter den eschatologischen Vorbehalt stellt.
3.6 Eruptionen des Wahnsinns: Metaphorik des Satanischen in der Romantik und als subjektivitätstheoretisches Experimentierfeld der Moderne Die Aufklärung misstraute dem ekstatischen Lachen als dem Anderen der Vernunft.⁷¹⁵ Die idealistische Philosophie, allen voran Hegel, intellektualisierte das Lachen und verklärte es als kultivierte Repräsentation einer Kontrasterfahrung⁷¹⁶ und Zeichen der „absoluten Freiheit des Geistes über alle wesentlichen Zwecke und Normen“⁷¹⁷. In der nachtheistisch-dionysischen Überhöhung Nietzsches und Batailles gewann es eine neue sakrale Qualität und transzendierte die Erratik und Hermetik der Kontingenzerfahrung. Das toll-titanische Lachen, das die „deutschen Romantiker“ entfesselten, hob dagegen die „Widersprüche des Endlichen“⁷¹⁸ nicht auf. Jean Paul, E. T. A. Hoffmann und andere loteten die metaphysische Abgründigkeit des Lachens und seinen diabolischen Charakter aus.⁷¹⁹ Das teuflische Lachen gehört zu den motivischen Erzählkernen der schwarzen Romantik und fungiert in verschiedenen Motivfärbungen bis in die Gegenwart hinein als Resonanzkörper subjektiver Befindlichkeiten und psychosozialer Verwerfungen.⁷²⁰ Literatur, Film und Theater der Moderne haben es in Unterwelt-
von Werder, Das große philosophische Gelächter, 203. Vgl. Prütting, Homo ridens, 940 – 991. Vgl. Heinrich, Theorie, 33. Liggieri, Wissenschaft, 236. Lederle, Befreiendes Lachen, 23. Vgl. Heinrich, Theorie, 33. Vgl. dazu Heinrich, Theorie, 23. Die kulturgeschichtlichen Wurzeln des teuflischen Lachens reichen zum sardonischen Gelächter der Antike zurück, dessen Herkunft nicht eindeutig bestimmbar ist. Es kann a) auf einen schrecklich lachenden kleinasiatischen Gott zurückgehen, b) auf das tödliche sardische Kraut, das zu Gesichtsverzerrungen führt, c) auf das Verzweiflungs-
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
gefilden und Verzweiflungshöllen des Daseins als Echo der Ohnmacht verlorener Existenzen, Widerhall des Wahnsinns, schaurige Klangkulisse des nahenden Untergangs ertönen lassen. Peter Bexte hat die wesentliche mentalitätsgeschichtliche Metamorphose des „satanischen Gelächters“⁷²¹ darin erblickt, dass es aus der kosmisch-mythologisch chiffrierten Moralsphäre der Blasphemie (vgl. II.3.1), die noch im Barockzeitalter den weltanschaulichen Rahmen bildete,⁷²² hinübergleitet in den Diskursraum ästhetisch-psychologischer Ich-Orientierungen. In der literarischen Imagination der schwarzen Romantik, die sich auch von der Prüderie bürgerlicher Sittlichkeit in der Aufklärung abgrenzte, gewinnt das satanische Lachen eine erkenntnistheoretische Qualität.⁷²³ Es steht nicht für den Triumph, sondern die Desintegration der Personalität und bricht dort auf, wo eine Wahrnehmung nicht mehr abgebildet werden kann, die sprachliche Repräsentation der Dinge versagt⁷²⁴ und die Ich-Bildung kollabiert.⁷²⁵ So „schießt es […] in die sprachlose Leerstelle einer versagenden Mitteilung, in die geordnete Rede, die intersubjektive Verbindlichkeit hätte“.⁷²⁶ Indem es die gängigen sprachlichen Muster der Situierung des Ichs in der Welt unterläuft und die Eigenmächtigkeit des Subjekts in steuerloses Vagabundentum regredieren lässt, wirkt es wie ein „Motor der Entlachen der Todgeweihten oder das unheimliche Lachen der jungen Henker, das die Schreie der in die Schlucht geworfenen Greise übertönt. Die Hypothesen a) und c) illustriert z. B. das schon angesprochene „Gelächter einer Hetzmeute“ (Jurzik, Die zweideutige Lust, 39) in Fellinis Film Satyricon (1969): Die Verehrung des Lach-Gottes und der sadistische Kommentar zur tödlichen Verfolgung des Minotauros gehen in dieser Szene Hand in Hand. Der Aspekt der verzerrten Gesichtszüge in Hypothese b) begegnet im hysterischen Gelächter der todgeweihten Freier Penelopes in Homers Odyssee (20. Gesang, V. 345 – 349). Das Lächerliche und das Tödliche liegen hier sehr nah beieinander, wobei das Lachen Teil des Wahnsinns ist und nicht Methode seiner Überwindung. Dennoch könnte es einer der ursprünglichen Impulse des sardonischen Lachens gewesen sein, das Tödliche ins Lächerliche zu verkehren. So hat Odysseus den Angriff eines Nebenbuhlers, der ihn mit dem Fuß einer Kuh bewirft, mit sardonischem Lachen beantwortet (vgl. Heinrich, Theorie, 23). Die Katastrophentheorie hält jedenfalls beide Momente fest: die Irrationalität der Heiterkeit, die das Fieber des Wahnsinns in sich trägt, und die Transzendierung der Schrecken des Katastrophenszenarios im Lachen (vgl. Heinrich, Theorie, 23 und Kamper/Wulf, Der unerschöpfliche Ausdruck, 14). Peter Bexte, Orte des satanischen Gelächters, 276. So repräsentierte z. B. der große Barockprediger Abraham a Sancta Clara (1644– 1709) den metaphysischen Dualismus traditioneller Religion, indem er die Instinktzonen der materiellen Wirklichkeit als teuflische Operationsbasis identifizierte (vgl. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. V, 881 f. und Bexte, Orte, 276). Vgl. auch II.1.1. Vgl. Bexte, Orte, 276 f. Vgl. Anne Fleig, Grauenvolle Stimme, 120. Vgl. Bexte, Orte, 278 ff. Bexte, Orte, 278.
3.6 Eruptionen des Wahnsinns
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subjektivierung“⁷²⁷. Das zügellose Es tritt an die Stelle des souveränen Ichs. Quell dieses Lachens ist ein „Nicht-Ort, ein schwarzes Loch im Kosmos der Bedeutung“⁷²⁸: Es verschluckt das Ich und wird zum Vibrationsraum einfacher körperlicher Präsenz. Das Gelächter der schwarzen Romantik versetzt „die Polaritäten des Theaters, die Differenzen von Sein und Schein, von Körper und Bedeutung, von Ich und Rolle“⁷²⁹ in Spannung und bringt sie zugleich zum Verschwinden.⁷³⁰ In diesem Sinne lässt sich das abgründige Gelächter der romantischen Ästhetik auch als schrill alarmierende Stimme gegen die Automatisierung des Lebendigen verstehen:⁷³¹ Ein überhitzter, in die Enge gedrängter Geist demonstriert die Rechte einer vitalen Leiblichkeit.⁷³² Insofern als das Lachen auf der „Materialität der Stimme“ beruht, beschwört es eine den Schriftsinn und die sprachliche Repräsentationsordnung transzendierende „mündliche Tradition“⁷³³, die eine von der rationalistischen Moderne verdrängte sinnliche Wahrheit verbirgt. Lachen entzündet sich somit an der Schnittstelle von „aufklärerischer und romantischer Weltwahrnehmung“⁷³⁴. Diese ästhetisch-motivische Struktur ist E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann (1816) eingezeichnet, die das Lachen genau auf der Grenze zwischen „Stimme und Schrift, Wahn und Wirklichkeit, […] aufgeklärtem Wissen und romantischer Poesie“⁷³⁵ lokalisiert. Nathanaels Lachanfall in der Schlussszene
Bexte, Orte, 277. Bexte, Orte, 285. Bexte, Orte, 284. Bonaventuras Nachtwachen erzielen genau diese ästhetische Wirkung durch eine bestimmte poetische Strategie: das Pseudonym des Verfassers zur Vermeidung des Ich-Sagens, den grotesken Erzählstil zur Kompromittierung von Authentizität und das auf satirische Zwecke abgestimmte Rollenspiel. Das abgründige Lachen ersetzt „die Tiefenstruktur eines Sinnes“ (Bexte, Orte, 286). In Prinzessin Brambilla hat Hoffmann im Grunde Bergsons These vom Lachen als Reaktion auf das Automatenhafte einer Handlungsweise vorweggenommen (vgl. Pusse, Von Fall, 58). Vgl. Fleig, Grauenvolle Stimme, 131 f. Fleig, Grauenvolle Stimme, 132. Das irre Gelächter durchkreuzt die Reflexion und untergräbt damit die lineare sinnkonstituierende „Ordnung der Schrift“ (Fleig, Grauenvolle Stimme, 116). Andererseits bewahrt die Schrift das Lachen als flüchtiges „stimmliches Phänomen“ (116) auf, und zwar vornehmlich im Erzähltext, der das Geheimnis des Lachens birgt. Fleig, Grauenvolle Stimme, 132. Fleig, Grauenvolle Stimme, 115. Nathanael ist zu Beginn der Erzählung noch dazu fähig, sein wildes und unkontrolliertes Lachen selbständig zu deuten: So versteht er es als Schockreaktion, Antwort auf das Unsagbare, „Leerstelle der Kommunikation“ (Pusse, Von Fall, 62) in der symbolisch überfrachteten Kleinfamilie oder, m. a. W., Zeichen für den vergeblichen Versuch, die verworrenen Gedanken zu ordnen und mitzuteilen (vgl. Fleig, Grauenvolle Stimme, 114).
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
markiert den Durchbruch des Wahnsinns:⁷³⁶ „Innen- und Außenwelt“ sind vollkommen durchlässig geworden, „Himmel und Hölle“, in die der „gefallene Engel“⁷³⁷ Nathanael hinabstürzt, ununterscheidbar. Das „grauenvolle Lachen“⁷³⁸ substituiert die Sprachlosigkeit, die der fundamentalen Erkenntnisstörung folgt. Die leiblich-seelische Erschütterung reflektiert in der Auflösung der grammatischen Struktur; die Verweigerung einer ordnenden Darstellung ist Ausdruck dafür, dass das Lachen tödlich endet.⁷³⁹ Hoffmanns Sandmann entlarvt die Idee von der Heilkraft des Lachens als Illusion,⁷⁴⁰ entzieht damit auch der „Verbindung der Liebenden“⁷⁴¹ die Grundlage. Im wahnsinnigen Untergangsgelächter des Nathanael hallt das satanisch-mörderische Lachen des „bösen Sandmanns“ wider, den die Figur des „Coppelius bzw. Coppola“⁷⁴² verkörpert, der als teuflische „Vater-Imago“⁷⁴³ aus der traumatisch besetzten Vergangenheit hervorbricht.
Der Wahn Nathanaels hatte sich bereits angekündigt, seinem Lachen eignete jedoch zunächst noch etwas Zitathaft-Ungefähres, wie die Anspielung auf Schillers Räuber deutlich macht, und es haftete ihm noch das unbestimmte Äußerliche einer „Erinnerung oder […] [der] Begegnungen mit Coppelius/Coppola“ (Fleig, Grauenvolle Stimme, 114) an. Fleig, Grauenvolle Stimme, 129. „Die Topographie von Himmel und Hölle“ spiegelt sich in der körperlichen Verlaufsrichtung des Lachens, das von „unten nach oben“ (Fleig, Grauenvolle Stimme, 125) drängt. Darauf spielt die Erzählmotivik des Sandmanns an: Coppelius kommt stets von unten die Treppe hinauf und auch das „letzte Lachen“ (129), dem Nathanael suizidal entgegenstürzt, kommt von unten. Fleig, Grauenvolle Stimme, 131. Vgl. Bexte, Orte, 278. Vgl. Fleig, Grauenvolle Stimme, 131. Der von einer bedrohlichen Unruhe ergriffene Nathaniel verfasst einen Brief um einer Heilwirkung willen. Ein irrsinniger Lachanfall unterbricht seine Reflexionen und während er wiederum Ordnung und Struktur in seine Gedanken zu tragen versucht, stellt er sich vor, dass Clara und sein Freund Lothar herzlich über seine Grillen lachen und bittet sie schließlich sogar um diesen Gefallen, um den sich anbahnenden Wahnsinn zu bannen (vgl. Fleig, Grauenvolle Stimme, 113 ff.). Dieser paradoxe Wunsch deutet intertextuell auf Schillers Räuber und die gleichlautende Bitte des wahnhaften Franz Moor: Der angesprochene Diener Daniel, der noch ganz der christlichen Metaphysik verpflichtet ist, geht jedoch davon aus, dass die Träume seines Herrn göttlichen Ursprungs sind, und entscheidet sich anders als Clara für das Gebet (vgl. 126 ff./131). Doch auch Clara kann die Hoffnung, die Nathanael mit dem Ausgelachtwerden verbindet, nicht einlösen: Das „laute Lachen“, mit dem sie den teuflischen Coppola aus den Alpträumen Nathanaels vertreiben will, erstarrt „im Status des geschriebenen Wortes“ (119). Fleig, Grauenvolle Stimme, 130. Pusse, Von Fall, 61. Bexte, Orte, 278. Coppelius Lachen ertönt hämisch, durchdringend schrill und grässlich gellend. Es begleitet seine sadistischen Experimente am Körper Nathanaels und verschmilzt förmlich mit seiner grauenerregenden Stimme und Erscheinung (vgl. Fleig, Grauenvolle Stimme, 121 ff.). Als Indikator eines „lustvollen und undisziplinierten Körpers“ (124) und Symptom der menschlichen Kernsünde, der Hybris, verweist es auf die traditionellen Attribute des Teuflischen.
3.6 Eruptionen des Wahnsinns
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Michael Wetzels Deutung des Lachens findet ihren Ansatzpunkt im Motiv des Doppelgängertums, einer romantischen Konfiguration des Unheimlichen, das die identitätstheoretischen Selbsterkundungsversuche im frühen 19. Jahrhundert begleitet.⁷⁴⁴ Sie gipfelt in der Feststellung, dass das Lachen Modus eines tieferen Erkennens sei, nämlich die „glückende und glückliche Form des Nachdenkens über das Ich“⁷⁴⁵, das sich seiner Fragmentarität und damit der Lächerlichkeit aller seiner Selbstfixierungen bewusst wird. Der Akt des Lachens dekonstruiert somit die „neuzeitliche Ich-Philosophie“⁷⁴⁶ mit ihrem substanzontologischen Subjektbegriff. Für seine Argumentation beruft sich Wetzel auf E. T. A. Hoffmanns Grundbestimmung im Hinblick auf die Satire und die Groteske, das Lächerliche sei die „einzig authentische Erscheinungsweise des Wahren“⁷⁴⁷, und auf Jean Paul, der mit seiner Humordefinition den Verständnisschlüssel für diese ästhetische Kodifizierung des Erkennens geliefert hat:⁷⁴⁸ Das ‚umgekehrt Erhabene‘ begreift Jean Paul als Epiphanie einer sinnlichen Wahrheit, die das prometheische Ich und den „kategorischen Imperativ des Idealtypus“⁷⁴⁹ als bloßen Popanz entlarvt. Denn sie ist die Triebfeder eines Spiels der Einbildungskraft, das den „Kontrast zwischen Erwartung und Erfüllung“⁷⁵⁰ nicht auf der Basis eines exklusiven Wahrheitsanspruchs auflöst, sondern ihn an den Siedepunkt der Explosion treibt. Hier verdichtet sich die Opposition von Idee und Erscheinung zum „Geheimnis unseres Seins“⁷⁵¹. Die delphische Forderung „Erkenne dich selbst“ wird durch ein „Lach über dich selbst“⁷⁵² eingelöst. Dieses Lachen hat mit dem Tod einer kohärenten Ichstruktur zu tun, es ist ein „sich Totlachen“⁷⁵³, das der Farce, der Rückseite des Grauens, entspringt. Weil es das Lächerliche und Leidvolle affirmiert, konvertiert es den „Todesmechanismus“ des Tragischen in die „positive Fülle eines Werdens“.⁷⁵⁴ Der Weg der Selbstverwirklichung führt also über die „rückhaltlose Preisgabe an die Monstrosität und Paradoxität“⁷⁵⁵, der Weg zum Glück über die radikale Bejahung der materiellen Wirklichkeit.
Vgl. Michael Wetzel, Die Raesonanz des Ego, 170 f. Wetzel, Die Raesonanz, 171. Wetzel, Die Raesonanz, 171. Wetzel, Die Raesonanz, 172. Vgl. Wetzel, Die Raesonanz, 173 f. Wetzel, Die Raesonanz, 176. Wetzel, Die Raesonanz, 174. Wetzel, Die Raesonanz, 174. Wetzel, Die Raesonanz, 179. Wetzel, Die Raesonanz, 180. Wetzel, Die Raesonanz, 181. Wetzel, Die Raesonanz, 176.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
Peter Bexte erörtert die kritische Beziehung des satanischen Gelächters zum Fichteschen Ich.⁷⁵⁶ Denn der „Lachteufel“, der „auf der Schwelle zwischen Mythos und Vernunftfortschritt haust“,⁷⁵⁷ bedroht Fichtes Ideal der sittlichen Autonomie und das daraus abgeleitete Gesellschaftskonzept. Er unterwirft die geschichtsphilosophische Utopie der nach der Maxime des freien Willens vernünftig kommunizierenden Menschheit dem radikalen Zweifel. Dieser Zweifel entzieht der totalitären Geschichtsteleologie die Grundlage und widersetzt sich ihrer Programmatik der Naturunterwerfung.⁷⁵⁸ Er richtet sich, wie Bernhard Lypp gezeigt hat, auch gegen das harmonisierende Wahrheits- und Persönlichkeitsideal Hegels. Hegel definierte das Lachen in der Phänomenologie des Geistes als Durchgangsstadium in einem dialektischen Prozess der Selbstbildung:⁷⁵⁹ Die „verzerrte Physiognomik“ markiert in diesem Modell den „Durchbruch der Negativität“ und bezieht sich doch affirmativ auf den „Willen des Menschen zu einem authentischen Weltverhältnis“.⁷⁶⁰ Die Verfahren der verwirrenden Rede und skrupellosen Parodie treiben das Selbst in die Entfremdung und Empörung und führen es eben dadurch zu sich selbst.⁷⁶¹ Dieses idealistische Authentizitätsideal ist jedoch im satanischen Gelächter der Romantik pulverisiert. Die romantische Ironie im Sinne Schlegels radikalisiert die Identitätskonzeption Tiecks und Schellings und die ihr zugrunde liegende subjektivitätstheoretische Bestimmung des Lächerlichen,⁷⁶² indem sie das ironi-
Vgl. Bexte, Orte, 280 ff. Bexte, Orte, 282. Vgl. Bexte, Orte, 282 f. Vgl. Bernhard Lypp, Das authentische Selbst, 106 ff. Lypp, Das authentische Selbst, 108. Vgl. Lypp, Das authentische Selbst, 108 f. Zuletzt muss die „Verkehrung und Entfremdung“ in die „Sprache moralischer Überzeugung“ (Lypp, Das authentische Selbst, 110) übersetzt werden, um intersubjektive Verbindlichkeit zu gewinnen. Daher ist in Hegels Sicht der körperlichnatürliche Vorgang des Lachens dem sprachlichen Ausdruck ontologisch nachgeordnet (vgl. Stollmann, Angst, 30). Vgl. Frank,Vom Lachen, 211– 231. Ausgangspunkt ist die Subjektivierung des Lächerlichen in Jean Pauls Vorschule der Ästhetik (1804), die Einsicht, dass der komische Kontrast keine objektive Größe ist, sich nicht als die Natur einer Sache definieren lässt, sondern erst durch den Widerspruch entsteht, den der menschliche Geist in diese Sache hineinträgt (vgl. Frank, Vom Lachen, 216 f.). Den „von Bruyère bis Hegel“ formulierten Gedanken, das komische Missverhältnis bestehe in der „Inkongruenz von Sein und Anmaßung einer Person“ (216) greift die Tieck’sche Reflexion im unvollendeten Buch über Shakespeare auf und differenziert ihn dahingehend, dass der Mensch nur lachen und zum Gegenstand des Gelächters werden könne, weil er nicht einfach ist, sondern „in ungleichen Momenten existiert“ und in eine „spannungsreiche Beziehung zu seinem Gewordensein“ (217) treten kann. Eine komplementäre Theorie hat Schelling in seiner Philosophie der Kunst (1802/03) entwickelt, nach der die Abwesenheit jedweden Handlungszwangs und die
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sche Negationsprinzip totalisiert.⁷⁶³ Sie dementiert das Endliche im Namen des Absoluten und das Absolute als bloße Negation des Endlichen,⁷⁶⁴ hält die Spannung zwischen dem Bestimmtem und dem Unbestimmten aufrecht. In den Werken Schlegels, Tiecks oder Novalis’ sind „Sehnsucht, Vielschichtigkeit, Ungeborgenheit, Inkonsequenz, Widersprüchlichkeit, Verworrenheit“⁷⁶⁵ als Determinanten des Menschseins markiert. Der skeptizistische Impuls der romantischen Ironie sprang auf die Moderne über: So ist Robert Musils Mann ohne Eigenschaften (1930/32) ein beispielhaftes literarisches Dokument für den geistigen Nährboden, dem das ironische Lachen entspringt: die „Unsicherheit und Unfestgelegtheit“ unserer Existenz, die „Grundlosigkeit unseres Tuns […] und die Unverlässlichkeit unserer Erwartung“.⁷⁶⁶ Die Metamorphosen von Personalität und Identität bestimmen auch die Semiotik des Lachens in Elias Canettis Roman Die Blendung (1931/32).⁷⁶⁷ Das Lachen spendet hier einer Figur den Namen, der sie in das Kontinuum einer Geschichte einfügt und ihr damit Verwandlungschancen eröffnet, andererseits jedoch ihr tödliches Schicksal besiegelt.⁷⁶⁸ Analog zu dieser paradoxen Figuration kommt
daraus resultierende Selbstentzweiung die Voraussetzung der Lächerlichkeit eines Subjekts ist. Schelling verdeutlicht den Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit an den Figuren der Komödie, die behaupten, nicht anders handeln zu können, als sie es tun, obgleich in Wirklichkeit nichts sie zu ihren Handlungen zwingt (vgl. Manfred Frank, Über Komik, Witz und Ironie, 199). Vgl. Frank, Vom Lachen, 224. Vgl. Pusse, Von Fall, 52. Frank, Vom Lachen, 227. Frank, Vom Lachen, 229. In Christa Wolfs Roman Kein Ort. Nirgends (1979) bildet das frühromantische ‚Höllengelächter‘ der DDR-Intellektuellen angesichts des Verlusts jeglicher „gültiger Weltorientierungen […] und utopischer Hoffnungen“ (Busch, Verlorenes Lachen, 187) das Rahmenmotiv. Vgl. Bernhard Greiner, Meta-Phoren, 336 – 340. Der charakteristische Zug der überkommenen Deutungen des Lachens besteht in der Eingliederung der anarchischen Körperäußerung in eine vorgegebene Zeichenordnung (vgl. B. Greiner, Meta-Phoren, 325). Sie erfolgt apriorisch wie in den Kontrasttheorien der philosophischen Ästhetik und den Integrationsmodellen Joachim Ritters und Freuds oder nachträglich wie in der Vätergeschichte des Alten Testaments und im Theater: Die Vätergeschichte unterwirft das Lachen dem „Herrschaftsanspruch des göttlichen Worts“ (326), das Theater begrenzt karnevalistische Erheiterung durch die institutionelle Ordnung. Die besondere Leistung Elias Canettis besteht nach Bernhard Greiner darin, mit dem Leitkonzept der Metapher den Akt des Lachens und die „Ordnung der Zeichen“ (326) ineinander gleiten zu lassen und als ineinander verschränkte Seinsweisen zur Geltung zu bringen. Vgl. B. Greiner, Meta-Phoren, 338. Der Name des Protagonisten Peter Kien, dessen „ungeheures Lachen“ (B. Greiner, Meta-Phoren, 338) über die Möglichkeit eines Verbrennens sämtlicher Bücher seine personale Existenz konstituiert und zugleich seinen Untergang in den Flammen begleitet, war in der Werkgeschichte ursprünglich ‚Brand‘. Er geht auf einen realen Vorfall zurück,
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auch das Autoren-Ich erst durch die lachende Namensgebung zur Welt⁷⁶⁹ und geht im „Lachen, das die Welt der Bücher verschlingt“⁷⁷⁰ unter, ohne dass sich Anfang und Ende gegenseitig aufheben würden.⁷⁷¹ Das „verschlingende Lachen“⁷⁷² fällt mit dem schöpferischen zusammen. Das Leitmotiv von Canettis Poetik des Lachens ist das „apokalyptische Sprechen“, das die „Entwerfung des Untergangs“ und die „Öffnung zum Anderen“⁷⁷³ in einer Groteske der sich wechselseitig spiegelnden subjektiven Wahnsysteme koppelt. So tritt das Lachen als Strafgericht des Verlachens auf, das die starre „Logik des Identischen“⁷⁷⁴ in die Differenz aufbrechen lässt und das Wahngebilde einer Figur indiziert,⁷⁷⁵ oder als stimuliertes Lachen bzw. Mitlachen, dem die Freisetzung unterdrückter Triebe und die „Aufhebung der Ordnungsinstanz“⁷⁷⁶ entspricht. Canettis Schreiben vollzieht die Ambivalenz nach, dass im Lachen der sinnlich-physische und der „geistige As-
nämlich das „stürmische Lachen“ (336) des Studenten Marek, dem Canetti vom brennenden Justizpalast und von der Klage einer anwesenden Person über den Verlust der Akten erzählte. Canettis Geburtsmotivik spielt auf den Namen ‚Isaak‘ an und damit auf das Wort Gottes, das jede Ordnung sprengt und neues Leben erschafft, sowie auf das Isaak-Opfer, das für die „Erneuerung des Bundes“ (Bernhard Greiner, Lachen – die Sprachwerdung der Apokalypse, 200) steht. Vgl. II.1.2 und II.3.1. B. Greiner, Meta-Phoren 339. Peter Friedrich erklärt, dass die Theorie hier zum einen die Nichtigkeit der leiblichen Existenz, zum anderen aber auch sich selbst verlacht (vgl. Kannibalisches Gelächter, 281). In Canettis autobiographischem Roman Die gerettete Zunge kommt das Lachen zwar nur am Rande vor und hat doch eine Schlüsselfunktion in zwei Schwellenmomenten der Identitätsbildungsgeschichte des Autors (vgl. Friedrich, Kannibalisches Gelächter, 274). Es verknüpft das Trauma des Ausschlusses und der Bedrohung durch das enthemmte, dämonische Lachen einer Menge über das Missverhältnis im Vortrag des Kindes mit der Inaugurierung des Schriftstellers (vgl. B. Greiner, Metaphoren, 327 f.). Der kindliche Sprechakt übernimmt, psychoanalytisch gedeutet, die väterliche Liebesrede und suggeriert das „Glück erotischer Gemeinschaft“ (338) mit der Mutter. Das Schreiben über jene Szene, die den „Tod des Vaters“ (333) impliziert, wiederholt den ödipalen Frevel und erweist sich damit als Akt der Selbstbestrafung. Im Zuge dessen verwandelt sich die libidinöse Anmutung für das „schreibende Ich“ (333) in die Angst vor dem Verschlungenwerden durch die „groteske Lachgemeinde“ (330). Doch im tröstlichen und kompensatorischen „Sich-der-Nachwelt-als-Speise-Darbieten“ (340) des Schriftstellers offenbart sich zugleich das identitätsstiftende Moment des Lachens als biographisches Schlüsselereignis. B. Greiner, Meta-Phoren, 339. B. Greiner, Lachen, 189. B. Greiner, Lachen, 196. Vgl. B. Greiner, Meta-Phoren, 337. B. Greiner, Lachen, 198.
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pekt“, die „Organisationsprinzipien Masse (Entstrukturierung, Auflösung) und Macht (Unterscheidung, Festlegung)“⁷⁷⁷ vereint sind. Dass der Begriff des Satanischen abseits moralischer Stigmatisierungen als Schlüsselprinzip neuer, riskanterer, prekärerer Konstitutionen von Identität operieren kann und dem satanischen Gelächter dabei eine fundamentale Bedeutung zukommt, das ist die Argumentationsgrundlage von Tina-Karen Pusse, Karin Tholen-Struthoff und Florian Rötzer. Pusse weist auf den Zusammenhang zwischen den Diskursen des Lachens und des Fallens hin, der von der Slapstick-Komödie bis zur Antike zurückzuverfolgen ist.⁷⁷⁸ Lachen und Fallen überbrücken die „Distanz zwischen Hohem und Niedrigem, Fülle und Leere, zwischen dem Vollendeten und dem Nichtigen“.⁷⁷⁹ In beiden Fällen schiebt sich der Körper in den Vordergrund⁷⁸⁰ und „es findet […] eine Selbstalterierung statt“⁷⁸¹. So hat das Lachen mit dem Sündenfall, der mit der „Spaltung des Bewusstseins […] die Differenz […] und damit eine unendliche
B. Greiner, Meta-Phoren, 339. Das „groteske Lachen“ (B. Greiner, Meta-Phoren, 331) über das normabweichende Sprechen des Kindes, dass Canetti in seiner Autobiographie schildert, ist auf der einen Seite ein Akt überlegener Distinktion, auf der anderen Seite öffnet es die Schleusen für die „Mächte der Auflösung“ (332) und lässt die „Charaktermaske“ (331) des Ichs zusammenstürzen. Vgl. Pusse, Von Fall, 184. Par exzellence sind die Motive verschränkt in der berühmten Anekdote von Thales, dem Philosophen, der sich so sehr in die Betrachtung des Sternenhimmels vertieft, dass er den Blick für seine nähere Umgebung verliert und in den Brunnen stürzt, woraufhin eine Zeugin, die thrakische Magd, in Lachen ausbricht (vgl. Prütting, Homo ridens, 127 f.). Hans Blumenberg hat sich in seiner Deutung der Thales-Episode auf die platonische Überlieferung im Theaetet bezogen und das Moment der sokratischen Selbstironie hervorgehoben: Die „Komik des zerstreuten Professors“ (Der Sturz des Protophilosophen, 13) bezeugt das „Lachhafte an der reinen Theorie“ (12), der Philosoph, der über das Wesen der Dinge nachsinnt, erkennt nicht mehr die Anwesenheit des Wirklichen, körperlich Präsenten. Die Disjunktion von Geist und Körper ist schließlich in der Komödie der herausragende Grund des Lachens (vgl. Rehberg, Lachen, 176). Pusse, Von Fall, 14. Hans Rudolf Velten hat auf die strukturelle Übereinstimmung zwischen dem verrutschten, verdrehten, außer Kontrolle geratenen Körper als komischem Stimulus und der „Desorganisation des eigenen Körpers im Lachen“ (Scurrilitas, 31) aufmerksam gemacht. Er erklärt diesen Zusammenhang mit der Hypothese von der „körperlichen Teilhabe am Lächerlichen“ (66), die voraussetzt, dass wir den Körper des anderen „mittels einer von der Aufmerksamkeit ermöglichten leiblichen Übertragung in unseren Körper einleiben“ (65), ein Phänomen, das zuerst von Joubert und Herder beobachtet und thematisiert worden ist (vgl. Prütting, Homo ridens, 1020). Der „körperliche Nachvollzug“ gefährdet jedoch das „leibliche Selbstverhältnis“, so dass mit der „kognitiven Erkenntnis des komischen Vorgangs“ (Velten, Scurrilitas, 74) eine Distanzierung erfolgt. Pusse, Von Fall, 14.
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Produktion von Doppelgängern“⁷⁸² hervorbrachte, das „Moment einer plötzlich auftretenden/aufgetretenen Dualität“⁷⁸³ gemeinsam. Der „Problemkontext der Erkenntnis und Selbsterkenntnis“, in den schon die „christliche Tradition“ den Sündenfall eingebettet hat, ist „in den Theorien des Lachens präsent“⁷⁸⁴ (vgl. II.3.1). Tholen-Struthoff hat jenen motivischen und pragmatischen Kern des teuflischen Gelächters näher bestimmt und in einer erkenntnistheoretischen Dekonstruktion des Sündenfallmythos die Funktion des Teufels für die Herstellung personaler Identität freigelegt.⁷⁸⁵ Sie besteht, wie es ja schon Pusses Deutung des Sündenfalls nahelegte, in der Verdopplung bzw. Spaltung der ontischen Einheit des Subjekts. Die Setzung des Abwesenden oder die Konstituierung des Gegensatzes sind noetische Voraussetzung der Selbsterkenntnis, insofern als sie Urteilsbildung erst ermöglichen.⁷⁸⁶ Jedoch erträgt der Mensch die Aufspaltung seiner geschlossenen Ich-Konzeption in die Differenz nicht. Um jeden Preis versucht er den fremden „Doppelgänger“⁷⁸⁷ reflexiv einzuholen und so die Fiktion homogener Identität aufrechtzuerhalten. Er verschreibt sich der moralischen Maxime der Irrtumsvermeidung, einem informationsverhafteten Positivismus, er hierarchisiert Wahrheit und Simulation, weil er den Anteil des Paradoxen, Rätselhaften an jeglicher Formulierung von Wahrheit verkennt.⁷⁸⁸ Den Relativismus der sophistischen „Dialexis“⁷⁸⁹ hat er gegen die sokratische Dialektik eingetauscht, den diabolischen Möglichkeitssinn gegen den Glauben an schicksalhafte Notwendigkeit, die Sinnerfahrung im flüchtigen Augenblick gegen die Sinnfixierung in der Kohärenz und der Identifikation. Das teuflische Lachen ist die höhnische Reaktion auf das „Leiden“ des Menschen „am Sinn des Unsinns“,⁷⁹⁰ auf seine panischen Unternehmungen, die Manifestationen der Willkür einzudämmen. Es bietet sich dem Menschen aber zugleich als Komplizen an, fordert ihn dazu heraus, das Schema logischer Alternativen auf den Kopf zu stellen und den Unsinn zu kultivieren.⁷⁹¹
Pusse, Von Fall, 17. Pusse, Von Fall, 184. Pusse, Von Fall, 14. Vgl. Karin Tholen-Struthoff, Die Verkehrung der Schöpfung oder das Lachen des Teufels, 289 – 300. Vgl. Tholen-Struthoff, Die Verkehrung, 291 ff. Tholen-Struthoff, Die Verkehrung, 293. Vgl. Tholen-Struthoff, Die Verkehrung, 297 f. Tholen-Struthoff, Die Verkehrung, 297. Tholen-Struthoff, Die Verkehrung, 299. Vgl. Tholen-Struthoff, Die Verkehrung, 299 f.
3.6 Eruptionen des Wahnsinns
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Auf dieser Linie hat auch Florian Rötzer die katalysatorische und operative Funktion des Lachens für das Identitätsspiel des Subjekts weitergedacht. Die Beschreibung positiver Funktionen des Lachens darf nach Rötzer allerdings nicht dazu verleiten, dem Lachen eine innere Teleologie zu unterstellen.⁷⁹² Als automatisch hervorbrechendes urwüchsig-lebendiges Phänomen unterliegt es eben keiner intentionalen Steuerung oder symbolischen Verdichtung, im Gegenteil: Es ist der natürliche Reflex auf missratene Bestrebungen und das Verlöschen farcenhafter Identitäten.⁷⁹³ So bezeichnet Rötzer das Lachen als Modus der Depersonalisation bzw. Metamorphose in der Selbstbeziehung des Subjekts.⁷⁹⁴ Als solcher ermöglicht es dem Selbst, seine hermetische Konstitution aufzubrechen, sich zu teilen und zu öffnen. Doch wie ist dieser Vorgang genauer zu verstehen und wie erklärt sich die merkwürdige Vergnüglichkeit des schockartigen Einbruchs in die Ruhelage der intentionalen Akte?⁷⁹⁵ Rötzer kommt in seiner phänomenologisch filigranen Aufschlüsselung der Kantischen Definition des Lachens zum Schluss, dass das Nichts der enttäuschten Erwartung sich in die Gegenständlichkeit des Körpers birgt, präziser: Die Körper-Ektasis füllt die Leere des kognitiven Nichts, verhindert somit den Ausbruch tödlichen Wahns.⁷⁹⁶ Indem die Körperbewegung die Gemütsbewegung in sich aufnimmt, stellt sie das Gleichgewicht wieder her. Der therapeutische Effekt des Lachens geht darauf zurück, dass eine delikate Form der Selbstbeziehung durchgespielt wird, die Reibung des Subjektes mit dem Anderen.⁷⁹⁷ Daher erscheint das Lachen als Lebewesen, als diabolisches Subjekt. Das Identitätsspiel, von dem hier die Rede ist, setzt die Annahme voraus, dass das Lachen die Einseitigkeiten cartesischer und kantischer Philosophie mit ihrem monadisch-rationalistischen Subjektbegriff hier und ihrer ästhetisierenden Entwirklichung der körperlichen Apperzeptionsmodi dort transzendiert und damit eine Ich-Struktur zum Vorschein bringt, die in mehrere relationale und responsive Instanzen zergliedert ist.⁷⁹⁸ Unter der Prämisse der multiplen Subjektstruktur wird es plausibel, im Ineinander von kognitiver Verunglückung und körperlicher Selbstvergegenwärtigung eine „Reali-
Vgl. Rötzer, Wie, 72. Vgl. Rötzer, Wie, 82. Vgl. Rötzer, Wie, 82 f. Vgl. Rötzer, Wie, 79 f. Das Theorem von der ‚Verwandlung in Nichts‘ ist so zu verstehen, dass der Körper als „Substitut des Nichts“ (Rötzer,Wie, 81) auf den Plan gerufen wird. Zwei gegenläufige Bewegungen sind auszumachen: die sich verselbständigende, raumöffnende Gemütsbewegung und die bremsende „Nichtungsbewegung des Lachens“ (80). Vgl. Rötzer, Wie, 80 ff. Vgl. Rötzer, Wie, 71 f.
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tätsversicherung“⁷⁹⁹ anzunehmen, die zudem die Komponente des Geselligen besitzt.⁸⁰⁰ Rötzers Essay schält die gesellschaftskritische Programmatik heraus, die dem Phänomen ‚Lachen‘ inhärent ist: Dabei geht es einerseits um einen neuen Wissensbegriff, der sich nicht dem Diktat „faktischer Eindeutigkeit“⁸⁰¹ beugt und andererseits um eine Rückgewinnung wirklichkeitsgesättigter Erfahrung, die in Zeiten ökonomischer Rationalität und künstlicher Freizeitanordnungen ein seltenes Gut geworden ist.
3.7 Anarchie der Zeichen, Dekomposition von Sinn: Drahtseilakte des Erkennens Die methodische Problematik bei der theoretischen Erschließung des Lachens besteht zum einen in der Aporie, die schon Jean Paul und Bachtin beschrieben, dass die spezifische Wahrheit des Lachens durch programmatischen Ernst gerade verfehlt wird und zum anderen darin, dass sich die Äußerungsform einer abschließenden oder erschöpfenden Definition verweigert.⁸⁰² Der Begriff des Lachens verbindet sich mit dem „allegorischen Wissen“⁸⁰³ um den Verlust des theoretisch zu erfassenden Phänomens, die Theorie des Lachens steht damit im Zeichen der Trauer. Da das Lachen selbst „nicht zum Bewusstsein zurückfindet“⁸⁰⁴ und seines Verlustes nicht gewärtig wird, erweist es sich als Nicht-Ort, weder als Theorie noch als Rhetorik begreifbar, der „Intelligibilität und Zeitlichkeit“⁸⁰⁵ entzogen. Die Schwäche aller historischen und anthropologischen Theorien des Lachens besteht also darin, dass sie das Lachen mit Bedeutung ausstatten und seine „aufdringliche Bedeutungslosigkeit“⁸⁰⁶ durchstreichen. Mit der „hermeneutischen Resistenz“⁸⁰⁷ des Lachens hängt wiederum seine intel-
Rötzer, Wie, 81. Zwar ist das Gelächter nicht notwendig Ansteckungsphänomen, sympathetisches Element der „dionysischen Horden“ (Rötzer,Wie, 75). Doch gerade indem es „unser Anderssein“ expliziert, „offenbart“ es, dass „keiner mit sich allein ist“ (75). Rötzer, Wie, 84. Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 1. Rehberg, Lachen, 15. Rehberg, Lachen, 85. Rehberg, Lachen, 86. Rehberg, Lachen, 250. Visarius, Ohne Sinn, 10. An Maya Derens Film Meshes of the afternoon von 1943 illustriert Sabine Fries, dass der verstehende Zugriff auf das Lachen dem Blick in einen „fliehenden Spiegel“ gleicht, der den Betrachter „in den Widerspruch zwischen der Flüchtigkeit von Bedeutungen
3.7 Anarchie der Zeichen, Dekomposition von Sinn
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lektuelle Dubiosität und wissenschaftliche Marginalität zusammen: Das Lachen macht die Unvernunft sichtbar, der homo sapiens versteht den homo ridens nicht mehr.⁸⁰⁸ Wenn wir auf die Unvernunft und Bedeutungslosigkeit des Lachens als theoretischen Gegenstand aufmerksam machen, dann ist dies jedoch nicht so zu verstehen, als könnte schlechthin nichts Vernünftiges oder Bedeutungsvolles über das Lachen mehr gesagt werden. Wir wollen es also präzisieren: Die Unvernunft des Lachens besteht in seiner rationalen Unverfügbarkeit und seine Bedeutungslosigkeit darin, dass es jedenfalls als strukturales Text-Phänomen keine Sinn-Konfigurationen bzw. Signifikanzen nachbildet oder herstellt. Unter dieser Voraussetzung ist jedoch ein sinnvolles Reden über das Lachen und die Störfrequenzen, die es sendet, möglich, und so soll in den folgenden Kapiteln der Versuch unternommen werden, auf der Grundlage der identitätsphilosophischen Neudefinition des satanischen Lachens in der Romantik die Grenzlinien von Sinn und Unsinn abzuschreiten und anthropologische Gehalte des Lachens zu bergen.
3.7.1 Farce, Groteske, Absurdität: Dramen-Semiotik von Kleist bis Beckett Die semiotische Desorganisation des Lachens manifestiert sich in Kleists Zerbrochenem Krug (1811) dramensprachlich als „Verlust des Paradieses“⁸⁰⁹. Die Einheit der Zeichenrelation bricht auf und die Komödie des Mitlachens und Verlachens⁸¹⁰ vermag sie nicht wiederherzustellen und den „tragischen Horizont“⁸¹¹ des dramatischen Geschehens nicht zu eliminieren. Das Lachen kommentiert zuletzt Eves Verwechslung einer bloßen emblematischen Verweisung mit der Gewissheit einer performativen Wahrheit⁸¹² und entlarvt somit den Gericht-
einerseits und den Wunsch nach der Beständigkeit von Imaginationen andererseits“ (EntzugsErscheinungen, 28) hineinreißt. Vgl. Tschannerl, Das Lachen, II. Bernhard Greiner, Gerichtstag des Lachens am ‚Morgen danach‘, 178. Richter Adam, der das semiotische Verwirrspiel zum Handlungsprinzip macht, um sein Sexualdelikt zu vertuschen, hält die Ansprüche von aufklärendem Wissen und sanktionierender Moral zum Narren und provoziert so das Mitlachen der Zuschauer (vgl. B. Greiner, Gerichtstag, 182 f.). B. Greiner, Gerichtstag, 183. Im Schlusstableau gibt sich Eve schwärmerisch der Illusion hin, dass ihr die Anschauung eines Symbols die Vertrauenswürdigkeit der staatlichen Instanzen verbürgen werde. Wenn Frau Marthe an den bleibenden Schaden des Kruges erinnert, dann entlarvt sie die komische Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf die performative Beglaubigung von Wahrheit und der Ernüchterung, die in der symbolischen Verweisung enthalten ist (vgl. B. Greiner, Gerichtstag, 184 f.).
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stag als rein symbolischen Akt, als Komödienspiel.⁸¹³ Es tritt an die Stelle jenes mythischen Moments, in dem „Bild, Abgebildetes und Bedeutung“⁸¹⁴ zur Einheit verschmelzen und das Theaterspiel endet.⁸¹⁵ Im Amphitryon (1807) geht Kleist noch einen Schritt weiter und entzieht dem Konstitutionsgrund der Komödie, dem Theatralischen,⁸¹⁶ den Boden, indem er die „patriarchalische Zeichenordnung“ zuletzt dem „entstrukturierenden Lachen“⁸¹⁷ unterwirft. Konsequent endet das Drama mit jenem Ausruf der Alkmene (‚Ach‘), der ganz nahe am Nicht-Wort, NurLaut ist, und die Komödie zu ihren Wurzeln zurückführt, zum Dionysischen, Unstrukturierten. Das schaurige Lachen des vom Grauen angefassten Titus Andronicus in der gleichnamigen Shakespeare-Tragödie (1589 – 92) ist der dramatische Vorläufer jenes Gelächters, das der Kontingenzerfahrung der Moderne abgerungen ist.⁸¹⁸ Die Moderne verabschiedete sich, wie bereits angedeutet, von den rationalistischen, komiktheoretischen Konzepten des Lachens und sondierte die Essenz des Lachens im Absurden und Grotesken und in seiner nicht-diskursiven, körperlichen Artikulationsform.⁸¹⁹ Als Theoretiker des Ästhetischen legten Nietzsches Vision vom dionysischen Lachen der Kontingenzbewältigung, Fritz Mauthners These vom Schweigen und Lachen als Reflex auf die „Unzulänglichkeit des Diskursiven gegenüber der inkommensurablen Wirklichkeit“⁸²⁰ und T. S. Eliot mit
Es ist somit klar geworden, dass die „paradiesische Ungeschiedenheit“ (185), die auch durch die mit dem Pfingstwunder, dem Wunder der aufgehobenen Sprachverwirrung, motivisch verknüpfte genretypische Hochzeit wiederhergestellt worden wäre, nicht zurückzugewinnen ist. Daher fungiert das Lachen als strukturelle Bedingung der Wendung zur Komödie (vgl. B. Greiner, Gerichtstag, 185). B. Greiner, Gerichtstag, 185. Tina-Karen Pusse bezeichnet Den zerbrochenen Krug als Meta-Komödie: Das Lachen markiert hier den „Moment des Fallens in eine neue Reflexionsebene“ (Von Fall, 21), die selbst als vorläufig begriffen wird. Denn der „schwindelerregende, die Aufmerksamkeit absorbierende Lachausbruch“ demonstriert die „Haltlosigkeit der eben selbst noch eingenommenen Position“ (21), setzt den binären Code gut-böse, wahr-falsch, Glaube-Misstrauen, Identität-Differenz, Ursache-Wirkung, Subjekt-Objekt außer Kraft. Die männlichen Figuren erfahren durch „doppelten Betrug in der Zeichenverweisung“ (B. Greiner, Gerichtstag, 187) eine Negativierung ihrer Identitätsbildung: Der Zuschauer verlacht mit der weiblichen Figur (Alkmene) das „männliche Ohnmachts-Theater“ (188). Da er das Leiden an verhinderter oder negierter Identität kennt, kann er jedoch auch befreit darüber lachen, dass der „verneinende Dritte“ (188) selbst verlacht und damit entmächtigt wird. B. Greiner, Gerichtstag, 188. Vgl. Pfister, Inszenierungen, 231. Vgl. Pfister, Inszenierungen, 232. Pfister, Inszenierungen, 231.
3.7 Anarchie der Zeichen, Dekomposition von Sinn
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seiner Konzeption einer „grässlichen, einer tragischen Farce“⁸²¹ das Fundament für das lachende ‚Theater der Grausamkeit‘ Antonin Artauds. Eng angelehnt an die Programmatik des Théatre Alfred Jarry forderte Artaud (1896 – 1948), dass das Theater dem ‚absoluten Lachen‘, das den tragischen Grund der menschlichen Existenz durch eine Ästhetik der Verkehrung, der Desorganisation und Destruktion unterminiert, Geltung verschafft. An der Theaterkultur seiner Zeit kritisierte er, dass ihr der Sinn für den gefährlichen anarchischen Lach-Geist der Poesie fehle und setzte ihr eine theatrale Ästhetik entgegen, die im Lachen das physische Destruktions- und Dissoziationspotential feiert.⁸²² Auf einer Schallplattenaufnahme hat Artaud eine Lachkomposition mit allen möglichen Arten des Lachens präsentiert, die mit ihrer monströsen Steigerung „erschütternd und lustvoll-unheimlich wirkt“⁸²³. Das ersterbende und sich wieder erneuernde Lachen erscheint als „Ausdruck entfesselter Triebe“, als ein Vorgang „unterhalb unseres Denkens“.⁸²⁴ Es dröhnt aus dem eigenen Körpergedächtnis wie das „Weinen und Lachen der Babys“ oder wie Tierlaute, „ein Gemisch von Klagelaut und Lachen wie bei Möwen, ein Wiehern wie bei Pferden, ein Gurren wie von Tauben“⁸²⁵, und klingt doch zugleich wie ein tragisch-heroisches Dennoch-Lachen. In der unökonomischen, vorsprachlichen Lachkomposition sind „die unkontrollierbaren Triebe zu einem synergetischen Rhythmus synthetisiert“⁸²⁶, in dem Innen und Außen lustvoll zusammenfallen. Das Artaudsche Lachen ist anti-rituell, antidiskursiv, asozial, grundlos, als eine regressive „Sprache der Gefühle“ hält es sich „in uns verborgen“⁸²⁷ und bricht plötzlich hervor. Dabei entzieht es uns den Boden unserer alten Identität, doch wirkt es zugleich initiatisch.⁸²⁸ Denn es spiegelt uns „als ein Ganzes“⁸²⁹ und nimmt so unsere Selbstzerrissenheit zurück. In der „unauslotbaren Tiefe eines Ungrundes“⁸³⁰ erkennen wir uns selbst als Andere, als sich dauernd Verwandelnde. Wir hören das „Gelächter der Götter“⁸³¹ über unsere
Pfister, Inszenierungen, 232. Die gattungsgeschichtliche „Ablösung der Tragödie“ durch die „tragische Farce“ (Ludwig, This terrible deformity, 363) im 20. Jahrhundert weist zurück auf Artauds Auffassung vom lachenden Theater. Vgl. Ludwig, This terrible deformity, 364 f. Dischner, Wer lacht, 51. Dischner, Wer lacht, 51. Dischner, Wer lacht, 52. Dischner, Wer lacht, 53. Dischner, Wer lacht, 52. Vgl. Dischner, Wer lacht, 53. Dischner, Wer lacht, 52. Dischner, Wer lacht, 53. Dischner, Wer lacht, 53. Vgl. dazu Octacio Paz‘ Skizzierung des vormythischen Lachens in I. 3.5.
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Illusion von Identität, geben lachend den überkommenen Sinn auf und müssen die Welt wieder neu zusammensetzen. In Eugène Ionescos⁸³² Theaterstück La cantatrice chauve (1948/49) sind die Identitätslosigkeit der Figuren und die Auflösung ihrer Sprache miteinander verschränkt. Der in die Sinnleere der Wirklichkeit geworfene Mensch verliert in dem Maße die Kontrolle über sein Sprachzentrum wie er realisiert, dass er ohnehin nur der mechanische Produzent von Sprechformeln ist, die ihrerseits bloß schematisierte „Alltagsbanalitäten“⁸³³ reproduzieren. Das Lachen über die sprachlichen Verwirrungen der Figuren schlägt jedoch angesichts der fehlenden Möglichkeit eines Rückzugs auf eine vernünftige Ordnung in Entsetzen um.⁸³⁴ Es gibt bei Ionesco keine dramatische Lösung jenseits der Komik des Absurden.⁸³⁵ Auch im Theater Samuel Becketts potenziert sich das Lachen vereinzelter Zuschauer, das Beckett ausdrücklich als „Spaß des Unglücks“⁸³⁶ intendierte, nicht zu erlösendem Kollektivgelächter: Im Gegenteil, es bricht, vom „Gefühl einer ungebührlichen Reaktion“⁸³⁷ sabotiert, vorzeitig ab. Dem Zuschauer ist, obwohl das Stück seine „Lust am Unsinn“⁸³⁸ bedient, das befreiende Lachen deswegen versagt, weil ihn die konsequente Verweigerung jedweder Lösungsansätze überfordert. Wolfgang Isers Theorie vom Komischen als Kipp-Phänomen präzisiert diese Deutung der negativen Rückkopplung des Lachens in der Beckettschen Dramatik: Die Wirkungsästhetik von Becketts Bühnenstück Waiting for Godot (1952) verdankt sich nach Iser der Übertragung des karnevalesken Prinzips der Exzentrizität und Umpolung auf die pragmatische Ebene. Indem sich die semantischen Kontraste wechselseitig negieren – Iser spricht in diesem Zusammenhang vom „Kipp-Effekt der Gegensinnigkeiten“⁸³⁹ –, löst sich die weltanschauliche Tendenz, die dem „Karnevalseffekt des Komischen“⁸⁴⁰ eingeschrieben
Vgl. Ulrike Bunge, Die Komik des Absurden, 243 – 259. Bunge, Die Komik, 246. Vgl. Bunge, Die Komik, 246. Das Lachen des Absurden im Theater Ionescos kann aber auch in Anlehnung an programmatische Aussagen Ionescos mit der Erfahrung des Wunderbaren in Beziehung gesetzt werden (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 215 und I.3.1). Vgl. Bunge, Die Komik, 249. Weder die Alltagssprache noch Religion oder Magie können das Absurde zum Ausdruck bringen. Magische oder charismatische Sondersprachen wie die Glossolalie sind der Sprache des Absurden allerdings darin vergleichbar, dass sie Außenstehenden wie „barer Unsinn“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 209) erscheinen und eine potentiell komische Wirkung haben. Iser, Die Artistik, 7. Iser, Die Artistik, 6. Iser, Die Artistik, 35. Iser, Die Artistik, 30. Iser, Die Artistik, 18.
3.7 Anarchie der Zeichen, Dekomposition von Sinn
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ist, jedoch auf. Der Kollaps des semantischen Ordnungsgefüges überträgt sich auf die „Haltung des Rezipienten“⁸⁴¹, dessen Bewusstseinszentrale nun ebenfalls kollabiert. Das Lachen ermöglicht oder leistet selbst die Verarbeitung des Ordnungsverlustes, indem es ihn „zum Unernst erklärt“⁸⁴². Kippt der Unernst als „Möglichkeit der Befreiung“ wiederum im Vollzugsmoment des Lachens zurück in den Ernst, dann befreit „das Lachen nicht mehr aus der Starre […], vielmehr beginnt unser Lachen [selbst] zu erstarren, und eben das geschieht im Theater Becketts“.⁸⁴³ Mit seinem radikalen sprachkritischen Verfahren, der Auslöschung der Lösungsspur des Komischen in der Grammatik perpetuierter Gegensinnigkeit raubt Beckett dem Zuschauer also noch die letzte Möglichkeit einer lachenden Bewältigung, ja er reißt das Lachen als funktionalen Akt selbst in den Kippvorgang hinein.⁸⁴⁴ Den Souveränitätsgewinn, den Plessner der Selbstpreisgabe des Lachenden unterstellte, lässt Becketts Theater „noch einmal verspielen“⁸⁴⁵. Dem ersterbenden Lachen des Zuschauers entspricht das „freudlose Lachen“⁸⁴⁶ der Dramenfiguren als Reaktion auf die intellektuelle Einsicht in „Unwahrheit und Unglück“, den Konstitutionsmerkmalen der conditio humana, auf die mit den „selbstgewählten oder übernommenen Normen der eigenen Stabilisierungsbemühungen“⁸⁴⁷ kein Zugriff mehr zu gewinnen ist. Norbert Greiner kommt in seiner Deutung vom Endgame (1956) hingegen zum Ergebnis, dass das Lachen dem Zuschauer wie der Dramenfigur als Überlebenshilfe dient.⁸⁴⁸ Da, wo der Mensch auf Distanz zu sich selbst geht und sein eigenes „Unglück belacht“, bringt das Lachen gelungene Subjektwerdung zum Vorschein und weist damit utopisch „über sich hinaus“.⁸⁴⁹ Im Endgame löst es sich zwar völlig von seinem Referenzpunkt, seinem Verweischarakter und seiner Korrek-
Iser, Die Artistik, 11. Iser, Die Artistik, 12. Iser, Die Artistik, 13. Vgl. Iser, Die Artistik, 13. Iser, Die Artistik, 31. Iser, Die Artistik, 33. Iser, Die Artistik, 34. Vgl. N. Greiner, Beckett, 132 f. Im Endgame verlernen Nagg und Nell, die verkrüppelten Eltern des Hamm, das Lachen: Während aber Nagg, der sich das Lachen über einen Witz abringt, über den Nell nicht mehr lachen kann, am Leben bleibt, stirbt Nell (vgl. N. Greiner, Beckett, 131 f.). N. Greiner, Beckett, 135. Im Einpersonenstück Krapp’s Last Tape (1959) distanziert sich die Dramenfigur im Lachen von den beiden wesentlichen Sinngebungsversuchen, der „Liebe und der Lebenserfahrung“ (N. Greiner, Beckett, 129). Sowohl „kathartisches Leiden“ als auch „befreiendes Lachen“ sind damit ausgeschlossen: „Doch es ist und bleibt das Lachen des sich begreifenden Subjekts“ (129).
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turfunktion.⁸⁵⁰ Damit gewinnt es aber nicht nur die dunkle Färbung einer „zynischen Kommentierung der Endzeit“, sondern auch die befreiende Wirkung einer „Entlastung vom Deutungszwang“⁸⁵¹ im Widerstand gegen eine in Repräsentationszwängen und Bedeutungszuschreibungen erstarrten Sprache, mit der sich das Subjekt von sich selbst entfremdet. Auch Iser hält zuletzt fest, dass im Theater Becketts „Evidenzen verloren gegangenen oder verschütteten Lebens“⁸⁵² wieder zutage treten, und so resümiert er: „Wenn es ihm [dem Zuschauer] daher auch das Lachen über seine eigene Komik verschlägt, so liegt in der Distanz des Sich-Sehen-Könnens ein letzter Rest jener Humanisierung, durch den die Komik die conditio humana annehmbar macht“.⁸⁵³ Diesseits existenzphilophischer Auslotung kann das Beckettsche „Lachtheater“ als distinkte Variante eines „Theaters der Körper“⁸⁵⁴ gedeutet werden. Nicht komische Ambivalenzen oder „komödienhafte Verwicklungen“ rufen Lachen hervor, nicht Veränderungen des Bewusstseins oder der „emotionalen Befindlichkeit“.⁸⁵⁵ Vielmehr ist bei Beckett der „psychosomatische Rhythmus“ von
Da sich die Dimension „des Tragischen und des Komischen“ (N. Greiner, Beckett, 126) im Nichtigen aufgelöst hat, gibt es auch kein Lachen mehr, das affirmativ oder kritisch Stellung bezieht, sondern nur noch, wie Adorno erkannte, ein Lachen „ohne Bezugnahme“, eine „Parodie des Lachens und des homo ridens“ (127). Constantin von Barloewen hat „das Lachen, das aus der Absurdität geboren wird“, daher als „dianoetisches Lachen“ bezeichnet: „Es ist das Lachen über das Lachen über das Unglück“ (Clown, 107). N. Greiner, Beckett, 134. Iser, Die Artistik, 8. Iser, Die Artistik, 58. Pfister, Inszenierungen, 218. Im Gegensatz zu Shakespeare hat Beckett minutiöse Regieanweisungen für die „Aus- und Aufführung des Lachens“ (Pfister, Inszenierungen, 223) notiert und auch bei seinen eigenen Inszenierungen diesbezüglich größte Sorgfalt walten lassen. Stets sind die Darstellungen des Lachens gebrochen, ob nun das Lachen erstirbt oder durch den Inszenierungskontext in den Gegensatz von Vitalität und Determination getrieben wird (vgl. 223 f.). Im Drama Happy Days (1960) gibt Beckett „Intervalle“ vor, um für die unterschiedliche Semantik von Winnies und Willies Lachen über die Eier tragende Ameise ein „musikalisches und choreographisches“ (225) Äquivalent zu gewinnen und die „physisch-physiologische Qualität des Lachens“ (225) zur Geltung zu bringen. Während Winnie durch die physische Präsenz der Ameise unangenehm berührt ist, ihr Unbehagen aber überwindet, indem sie in Winnies Lachen einstimmt, amüsiert sich Willie über ein schlüpfriges Wortspiel und delektiert sich, so Manfred Pfisters Deutung, an der grausamen Vorstellung eines um Winnies Körper herum wimmelnden Ameisenheeres (vgl. 225). Solches Lachen stellt bloß noch eine „hilflose physiologische Reizreaktion“ auf den „schlechten Witz“ (226) der menschlichen Daseinsbedingungen dar, die jederzeit abbrechen oder ins Weinen umkippen kann. Das Komödienspiel der Sprache, das die „Perpetuierung des Präsens“ mit der „lachenden Präsenz“ (Anne Kolb, Lachen, 209) des erbebenden Körpers kurzschließt, kennzeichnet auch Becketts Roman Molloy, Malone stirbt (1951). Pfister, Inszenierungen, 218.
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„intellektuellem Aufschwung“ ins Pathetische und „Absturz in die Niederungen des […] Körperlichen“⁸⁵⁶ für das Lachen signifikant. Das Tragische und Komische der „menschlichen Existenz“⁸⁵⁷ ist auf banale physische Vorgänge reduziert. Körperliche Koordinations- oder Kooperationsprobleme im Verhältnis zur Objektwelt und zum intentionalen Bewusstsein stehen in enger Verbindung mit dem Lachen als verselbständigtem Körpergeschehen. In der Tradition der frühneuzeitlichen Lachtheoretiker assoziiert das Beckettsche Dramenpersonal das Lachen mit physiologisch gesteuerten Ausscheidungsvorgängen.⁸⁵⁸ In Becketts Theater hat das Lachen nicht mehr die Macht, eine Balance von Körper und Geist oder Ich und Welt herzustellen. In Anbetracht der hinfälligen Körperlichkeit des menschlichen Seins kann es höchstens „Abwehrmechanismen gegen die eitlen Tröstungen sinnversprechender Ideologien“⁸⁵⁹ mobilisieren. Die Körperlichkeit des Lachens ist „groteske Korporealität und zugleich Metapher für eine radikale und exklusive Daseinsbindung im Hier und Jetzt“.⁸⁶⁰ Unter den Bühnenautoren der Nachkriegszeit haben Friedrich Dürrenmatt und Heiner Müller dem Gelächter des Absurden eine zentrale dramatische Funktion gegeben. In Heiner Müllers Theaterstücken verbirgt sich im makabren, gespenstischen, sadistischen, perfiden, mörderischen Gelächter das Gegenprogramm zum befreienden Lachen oder comic relief einer humanistischen Gesellschaftsutopie.⁸⁶¹ Der englische Dramatiker Howard Barker (geb. 1946) knüpft mit seiner „Technik des experimentellen Umprogrammierens“ abendländischer Mythen für die Erforschung gegenwärtiger Bewusstseinslagen und seinem Rückgriff auf die sinnlich-anarchischen Ausdrucksformen der mittelalterlichen Farce an das Anti-Theater Jarrys und Artauds und andere „Entwicklungslinien des mo-
Pfister, Inszenierungen, 218. Pfister, Inszenierungen, 218. Vgl. Pfister, Inszenierungen, 218 und I.1.1. In I.3.2 haben wir bereits auf die Szene in Waiting for Godot hingewiesen, in der Vladimirs theologische Spekulationen angesichts des komischen Kontrasts von Reuegebot und Erbsünden-Dogma in ein Gelächter übergehen, das nicht etwa auf einen Gewissensappell hin verstummt, sondern allein aufgrund der „physiologischen Nähe […] des Zwerchfells und der Blase“ (Pfister, Inszenierungen, 219), die eine peinliche Situation heraufbeschwört. Pfister, Inszenierungen 220. Mit dem Strukturmuster der ästhetischen Selbstparodie nehmen Becketts Stücke auch die spielerische „Selbstreflexivität der Postmoderne“ (N. Greiner, Beckett, 136) vorweg. Das Absurde verbirgt sich in der „Selbstsubversion der Literatur“ und ihrem „sich selbst untergrabenden Lachen“ (136). N. Greiner, Beckett, 130. Greiner bezieht sich hier auf Manfred Pfister, Beckett, Barker, and Other Grim Laughers, in: M. Pfister (Hg.), A History of English Laughter, Laughter from Beowulf to Beckett and Beyond, Amsterdam/New York 1994, 176 – 181. Vgl. Pfister, Inszenierungen, 229 ff.
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dernen Theaters“⁸⁶² wie Camus’ existenzialistische Ästhetik und Baudelaires Konzept des Grotesken an, wobei er den Figuren wie dem Zuschauer den „komischen Ausweg aus einer farcenhaften Situation verbaut“⁸⁶³ und ihnen kathartisches Lachen verwehrt. Das ‚schreckliche Lachen‘ in Barkers Theater der Katastrophe, das das befreiende, stabilisierende und harmonisierende comic-reliefLachen ersetzt, ist ein Lachen der Desillusionierung, der Enttäuschung und des Schocks.⁸⁶⁴ Doch gerade weil es aus dem Zusammenbruch jeglichen Weltorientierungswissens resultiert und eine „radikale Beunruhigung“⁸⁶⁵ und Sinnverweigerung⁸⁶⁶ reflektiert, offenbart sich in ihm die conditio humana.⁸⁶⁷ Milan Kundera, dessen Werk die „Abgründe des Lachens“ vermisst und die Kippstelle zwischen „Pathos und Komik“⁸⁶⁸ markiert, hat in einem Zeitungsbeitrag einmal einen literarästhetischen Wandel beschrieben, der von der fröhlichen Komik Rabelais’ und ihrer zarten Abschattung bei Laurence Sterne (1713 – 1768) und Denis Diderot (1713 – 1784) über den melancholischen Humor Nikolai Gogols (1809 – 1852) zur Komödie des Schreckens bei Eugène Ionesco (1909 – 1994) führt, und betrachtet die europäische Lachgeschichte mit dem Gelächter des Absurden
Ludwig, This terrible deformity, 363. Ludwig, This terrible deformity, 369. Vgl. Ludwig, This terrible deformity, 370. Ludwig, This terrible deformity, 372. In The Europeans (1990) sind Lachen und Schmerz allerdings wesentliche Stadien eines Prozesses der „Wiedergewinnung von […] Identität“, in dem es zum Durchbruch der „Kräfte des Lebens“ gegen die „Absurdität des Seins“ (Ludwig, This terrible deformity, 49) kommt. Barker hat in seinen Bühnenwerken verschiedene Situationen und Zeichenwerte des Lachens modelliert und variiert. Das Drama Golgo (1989) zieht in einer grotesk-profanierenden Variante des neutestamentlichen Heilsdramas den betrogenen Josef, der sich als Versager und zugleich als Leidensmann stilisiert, ins Lächerliche und „demaskiert zielgerichtet das Rollenverhalten der Figuren“ (Ludwig, This terrible deformity, 352). Selbst der „existenzialistische Entwurf“ (355) läuft ins Leere: Whatto und Gloria fassen zwar lachend den Vorsatz, ihrem Leben ein Ende zu machen und das Prinzip der Selbstbestimmung damit auf die existenzphilosophische Spitze zu treiben, doch der Plan scheitert. Dass Barkers Dramen neben dem Echoraum des Absurden ähnlich wie Beckett das Terrain „grotesker Körperlichkeit und Sexualität“ (355) als Bedingungsgrund des Lachens explorieren, kann u. a. in The Last Supper (1988) studiert werden. Wiederum spielt Barker auf christliche Traditionsbestände an: Der Sektenführer Lvov verweigert das vermeintlich deformierende Lachen, als er sich selbst zum Propheten ernennt, nimmt jedoch im Zuge der „Desintegration der Prophetenrolle“ (358) die Verweigerung zurück. Ein weiteres Motiv der Barkerschen Figurierung des Lachens ist die Anonymisierung, die oft in der chorischen Rede begegnet. Das entkörperlichte, subjekt- und objektlose Lachen, das in The last supper der „revolutionären Masse“ (360) zugeordnet wird, erzittert als beunruhigendes „Signum der Zeit“ (361) und Symptom einer umfassenden Ordnungskrise. Rothschild, Die Würde, 109.
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als abgeschlossen.⁸⁶⁹ Die Postmoderne hat das Lachen jedoch wieder aus der nihilistischen Sackgasse befreit, indem sie seinen Status als finales sprachliches Zeichen und mentalitätsgeschichtliche Grenzmarkierung aufbricht und es mit einer dynamischen Funktion als permanenter Textstörung und Disruption von Sinnbildungsprozessen austattet.
3.7.2 Textstörungen: Exzesse der Dekonstruktion in der Postmoderne Florian Rötzer widmet sich mit seiner lachtheoretischen Skizze einer Präzisierung und Erweiterung der Plessnerschen These, dass das Lachen im Wesentlichen die körperliche Repräsentation einer Dialektik von Unsinn und Sinn sei. ⁸⁷⁰ Der analytische Verstand ist paradoxal darauf gerichtet, der Unordnung und dem Unsinn einen Telos bzw. Sinn zu unterstellen. Komiktheoretische Ansätze lösen die Aporie mit Hilfe eines Zwei-Welten-Schemas⁸⁷¹ oder der Plessnerschen Grundformel auf, nach der eine Sinnhaftigkeit höherer Ordnung entsteht, wenn sich die teleologische Ordnung auflöst und der überkommene Sinnzusammenhang kollabiert. Diesem Vorgang entspricht in der subjektiven Erfahrung ein kognitiv abrollender Repressions-Befreiungs-Mechanismus.⁸⁷² Doch Rötzer geht es gerade um die Unterscheidung von Komiksituation und Lachvorgang, der unter komiktheoretischen Voraussetzungen nur als „sekundäres und abgeleitetes Ereignis“⁸⁷³ Beachtung findet. Darum kommt es darauf an zu erfassen, wie sich das Lachen leiblich vollzieht und inwiefern sich darin ein anderes Sein konstitutiert.⁸⁷⁴ Der Unsinn des Lachens geht über die semantisch-pragmatische SinnNegation hinaus, die den Verstand „voraussetzt, nicht aber negiert“⁸⁷⁵. Er ist nicht
Vgl. Stollmann, Lachen, 40 f. Rita Bischoff hat diese These in gewisser Weise verschärft, wenn sie diagnostiziert, dass „die moderne Groteske“ dem Bürger fremd geworden sei, der sich dem „schwindelerregenden Taumel, in den ihn die Relativierung seiner Wahrheiten stürzt“ (Souveränität, 41) nicht mehr auszusetzen bereit ist. Vgl. F. Rötzer, Wie einen das Lachen ankommt, 68 – 86. So hat der Soziologe Peter L. Berger in Anlehnung an Alfred Schütz (On multiple Realities, Collected Papers, Bd. I, The Hague 1962) die dominante Alltagsrealität von der Nebenwelt des Komischen unterschieden, die einer eigenen Logik und eigenen Spielregeln gehorcht (vgl. Erlösendes Lachen, 8 – 15). Hierbei handelt es sich um das komplementäre psychoanalytische Theorem (vgl. Rötzer, Wie, 72 f.). Peter Rehberg hat die Abfuhrlust des Lachens, der „der Todestrieb eingetragen“ (275) ist, von der ökonomischen Austauschlust des Witzes abgegrenzt (vgl. auch Rehberg, Lachen, 248). Rötzer, Wie, 73. Vgl. Rötzer, Wie, 68 ff. Rötzer, Wie, 73.
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im „Zwischenreich“ des Lächerlichen, in der Sphäre der „Halbwesen des Gebrochenen und Grotesken“⁸⁷⁶ zu verorten, sondern äquivalent mit dem Sturz ins Nichts und damit selbstreferentielles Ereignis jenseits aller Wirklichkeitsmontage und Bedeutungsproduktion.⁸⁷⁷ Das Verwandlungsmoment dieses Vorgangs verdankt sich dabei nicht einer Transformation von einem Aggregatzustand in den anderen, sondern einer „objektiven Dialektik des Schlüpfrigen, des Anspielenden, des Anstößigen, des Entgleitenden, des Taumelnden oder des Stolpernden“⁸⁷⁸. Rötzers Überlegungen laufen auf die epistemologische Pointe hinaus, dass das Lachen das „moderne Wissen“ an die Grenze des „ihm Unverständlichen“⁸⁷⁹ führt. Die Theorie des Lachens kann somit als programmatischer Argumentationsleitfaden einer skeptizistischen Philosophie formuliert werden. Stefanie Hüttinger analogisiert das Lachen mit der Aphasie, einer Krankheit, die das Sprechvermögen limitiert und eine „an die Grenzen ihrer Erkenntnisfähigkeit gelangte Sprache“⁸⁸⁰ versinnbildlicht. Es bricht nur dann aus, wenn etwas nicht erklärt oder in einen Zusammenhang eingeordnet werden kann, m. a. W., wenn der Gegenstand der Erkenntnis unsicher ist. So offenbart sich im Lachen „das Unmitteilbare“⁸⁸¹, das „Chaos der Artikulation“,⁸⁸² der Körper stolpert und die Sprache stottert angesichts der zerstörten Sagbarkeit.⁸⁸³ Das „stotternde Lachen“⁸⁸⁴ vertritt seine eigene Weltsicht, eine „relativierende, ambivalente und spekulative Weltanschauung“⁸⁸⁵, und zwar als „Signifikat eines Denkens, das vom Rande her seine Ideen einkreist und auf zitathaft springende Weise sich an die Zentren herantastet, um bald darauf – mit einem Lachen über die Unsicherheit aller Erkenntnis – weiter zu setzen“.⁸⁸⁶ Rötzer, Wie, 73. Das unterscheidet dieses Lachen von den Effekten, die die Kulturarbeiter des Komischen durch Kunstgriffe der Entlarvung und Enttabuisierung, der Verfremdung und Verwandlung, der Überschreitung und Simulation erzielen (vgl. Rötzer, Wie, 73 f.). Rötzer, Wie, 74. Rötzer, Wie, 71. Hüttinger, Die Kunst, 38. Lachen kann, wie Peter von Matt festgehalten hat, nur als Paradox begriffen werden: Wir lachen, weil wir es müssen, und fühlen uns doch befreit; wenn wir lachen, dann vergeht uns die Sprache und doch lachen wir, weil die Sprache uns dazu animiert (vgl. Lachen, 100 f.). Hüttinger, Die Kunst, 42. Walter Benjamin, Anmerkungen, 956. So hat Michel Foucault jenes Lachen, das die Lektüre von Jorge Luis Borges auslöst, mit der Zerstörung der Sprache und einer stabilen Repräsentationsordnung in Beziehung gesetzt (vgl. Die Ordnung der Dinge, 21). Hüttinger, Die Kunst, 44. Hüttinger, Die Kunst, 8. Hüttinger, Die Kunst, 38.
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Die Romantiker schleusten das Lachen in der Gestalt des Fragments, der Parodie und Ironie in die Kunst, um auf diese Weise Tabus aufzulösen und Wahrheitsansprüche jeglicher Art zu relativieren.⁸⁸⁷ Die postmoderne Ästhetik tritt in gewisser Weise die Nachfolge des romantischen Projekts an, wenn sie doktrinäre Positionen in einem absoluten Lachen verflüssigt, das allerdings selbst wieder, wie einige Kritiker eingewandt haben, als Diktat der Ironie totalitäre Züge gewinnt.⁸⁸⁸ In der Postmodernetheorie Foucaults dient die „Rhetorik der Ironie“⁸⁸⁹ dem Menschen als Ausdrucksexperiment mit dem Ziel, die Beziehung zu sich selbst neu zu justieren. Dort, wo nicht die diskursive Philosophie, sondern „Literatur und Kunst“ die „Rationalitätsformen der Aufklärung“⁸⁹⁰ parodieren, wo sie die „erschütterte Rede des Deliriums“ inszenieren, stößt der Mensch auf sein „eigenes Double“, Chiffre für die „Fremdheit seiner selbst“⁸⁹¹, die sich in der negativen Physiognomie des Lachens manifestiert.⁸⁹² Im Lachen, so Stefanie Hüttinger, erobert der Kulturmensch „seine Ambivalenz zurück“⁸⁹³. Er lacht sich, wie die Redensart lautet, „krumm und schief“ oder „krümmt und biegt sich vor Lachen wie ein Baum im Wind“, er entzieht sich also „der geraden Linie des Raums und fügt sich in die gebogene der Natur ein“.⁸⁹⁴ So wendet er sich gegen die „Linearität und Stringenz des Seins“ und erweist sich als nicht „funktionierendes Glied der Gesellschaft“.⁸⁹⁵ Während Rötzer, Foucault und Hüttinger die Exzentrik des leiblichen Ausdrucksgeschehens und die dekonstruktive, disruptive Denkbewegung aufeinander beziehen, tendiert die an Derrida angelehnte postmoderne Literaturtheorie dazu, das Lachen als Agens in der „Spielbewegung“⁸⁹⁶ der Differenzen zu be Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 142. Vgl. Kurt Walther Zeidler, Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, 32. Lypp, Das authentische Selbst, 112. Lypp, Das authentische Selbst, 112. Die „Dekonstruktion des Sinns historischer Texte“ hallt, so Gerrit Walther, in Foucaults „schrecklichem Lachen“ (Das Lächeln, 68) wider. Lypp, Das authentische Selbst, 113. So evoziert die Lektüre von Kafkas Texten ein potentiell delirierendes Lachen auch über sich selbst, das die beiden Grenzorte der theoretischen Erfassung markiert, „maßlose Übertreibung“ oder „die Verrücktheit des Denkens“ auf der einen, „Einfältigkeit des Dummen“ (Rehberg, Lachen, 113) und Untertreibung auf der anderen Seite. Das bedeutet: Das Lachen kann durch die abermalige Ironisierung der Ironie provoziert werden, die Maßlosigkeit der permanenten Grenzbewegung des Denkens, oder durch das Moment der Armut und Einfalt, die „Unterbrechung des Denkens“ (114) im Zeichen seiner Endlichkeit. Hüttinger, Die Kunst, 202. Hüttinger, Die Kunst, 153. Hüttinger, Die Kunst, 153. Jacques Derrida, Die différance, 89.
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stimmen, die „die Phänomenalität im Allgemeinen […] exzediert“⁸⁹⁷ und darum in der Lautsprache nicht hörbar wird. Die Sprache des Lachens entzieht sich einem „eindeutigen Code“⁸⁹⁸, sie verweist auf etwas Unfassbares, eine Nicht-Identität; ihre Bedingung ist der „absolute Verzicht auf den Sinn“ ⁸⁹⁹, eine in – so die Bataille’sche Begriffswelt – „Trunkenheit“ und erotischer Ekstase, in „poetischer Ergießung“⁹⁰⁰ und Heroismus des Opfers, in Revolte und Verweigerung, Ohnmacht und „boshafter (oder fröhlicher) Selbstzerstörung“⁹⁰¹ aufleuchtende Souveränität außerhalb des Systems der Herrschaft. Die ‚geschichtliche‘ Erfahrung des Lachens konkretisiert sich, wie Kevin Newmark festgestellt hat, in der Literatur als „Erfahrung der Sprache“⁹⁰², konkreter: in der Leerstelle der „poetischen Prosa“⁹⁰³, im ästhetischen Schock, und so könnte man eine „Historiographie des Lachens“ als eine Möglichkeit betrachten, die für die Moderne konstitutive komische Heterogenität zu beschreiben und jene „strukturell-historische Aporie“⁹⁰⁴ zu erhellen,⁹⁰⁵ die mit der Unbestimmtheit ihres Anfangs und der Fragmentarität ihrer Erzählungen zu tun hat. Denn das ideologisch-geschichtsphilosophische Denken hat sich im „olympischen Lachen“⁹⁰⁶ Nietzsches aufgelöst. Umgekehrt eröffnet das Lachen der Moderne erst Geschichte als unaufhörliche Folge von Sprüngen oder Fallgeschichten.⁹⁰⁷ Damit verwirft es die Denkmöglichkeit theologisch-teleologischer Geschichtsmodelle⁹⁰⁸ und verliert zugleich seine eigene „geschichtliche Bestimmbarkeit“⁹⁰⁹. Als nichtteleologisches Ursprungsmoment konstituiert es die Geschichte als endliche.⁹¹⁰ Es kennzeichnet die Geschichtlichkeit der Zeit, indem es den Eingang und den
Jacques Derrida, Die Schrift, 388. Hüttinger, Die Kunst, 208. Jacques Derrida, Die Schrift, 388. Bataille, Die innere Erfahrung, 258. Bataille, Die innere Erfahrung, 264. Traumatic poetry, Charles Baudelaire and the shock of laughter, in: American Imago, Psychoanalysis Culture, Volume 48, Number 4, Baltimore 1991, 533. Übers. bei Rehberg, Lachen, 7. Rehberg, Lachen, 46. Rehberg, Lachen, 49. Rehberg argumentiert hier mit den Zeitdiagnosen Walter Benjamins und Baudelaires, der das Lachen und die Moderne mittels der Erfahrungskategorie des Schocks aufeinander bezogen hatte (vgl. Rehberg, Lachen, 25 und I.3.3). Friedrich Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, KS 1, 260. Vgl. Rehberg, Lachen, 35 f. Rehberg (Lachen, 36) rekurriert hier auf Newmarks Aufsatz (Traumatric poetry, 525 f.). Rehberg, Lachen, 34. Vgl. Rehberg, Lachen, 34.
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Ausgang der Geschichte zwischen „mythischer Vergangenheit“ und „utopischer Zukunft“⁹¹¹ markiert.⁹¹² Wenn das Lachen eine nicht sprachlich formulierbare Wahrheit verbürgt, eine Wahrheit, die außerhalb rationaler oder „linearer Konstruktionen von Sinn“⁹¹³ liegt, dann fungiert es, wie Stefanie Köhler festgestellt hat, auch als spezifisches Wahrnehmungs- und Orientierungsmedium einer postmodernen Literatur, die der „fundamentalen Dissoziation“⁹¹⁴ rational konstruierbarer Sinnzusammenhänge mit einer Ästhetik der Entgrenzung begegnet.⁹¹⁵ Evelyn Görlacher expliziert, dass das Lachen zwar den Un-Sinn bzw. die Un-Ordnung repräsentiert, seine subversive Wirkung jedoch davon abhängt, dass eine dominante Ordnung existiert, auf die es einwirken kann.⁹¹⁶ Sie beschreibt ein „produktives Wechselspiel“, in dem die „Grenzen zum Anderen“⁹¹⁷ durchlässig werden. Julia Kristeva hat die Zerstörung des Symbolsinns durch den Triebimpuls des Lachens mit der pragmatischen Struktur moderner Literatur parallelisiert. Sprache kann einerseits der symbolischen Ordnung entsprechen und das Lachen unterdrücken, andererseits den im Lachen codierten Unsinn in neue sinngebende Sprachstrukturen übersetzen.⁹¹⁸ Das ‚semiotische‘ Lachen ist gleichbedeutend mit einer innovativen Schreibpraxis, die die „Einheit des Subjekts“⁹¹⁹ aufbricht,
Rehberg, Lachen, 34. Jean Baudrillard hat 1989 die inzwischen von der Wirklickeit überholte These vom Ende der Geschichte vertreten: Sie basiert auf der Feststellung, dass das Paradox der Freiheit im Westen durch konsumistische Übersättigung und im Osten durch ideologische Repression eingefroren worden sei, wobei die neu gewonnene Freiheit des Ostens nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von der westlichen Konsum- und Erregungskultur ein für allemal absorbiert werde. Gerrit Walther hat zu Recht eingewandt, dass Baudrillards Rede vom Verschwinden der Paradoxien selbst paradoxal sei und sich damit selbst widerlege, so dass sich das aus ihr resultierende „apokalyptische Lachen“ in ironischer Volte in einen „Akt der Befreiung von der Tyrannei modischer Untergangsvisionen“ (Das Lächeln, 69) verkehre. Köhler, Differentes Lachen, 1. Köhler, Differentes Lachen, 7. In den Romanen, die die soziale Konstitution von Geschlechterdifferenzen thematisieren, gewinnt das Lachen für die Auflösung der Rationalisierungskonzepte eine besondere Relevanz (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 7 f.). Vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 15. In „polydiskursiv angelegten“ (Görlacher, Zwischen Ordnung, 17) literarischen Texten ist es nach dem Modell von Kurt Röttgers die Ordnung der ‚Vatersprache‘, die durch den Diskurs der ‚Muttersprache‘ so berührt und unterlaufen wird, dass sich beide Bedeutungssysteme reziprok verändern. Görlacher, Zwischen Ordnung, 15. Vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 17 ff. Görlacher, Zwischen Ordnung, 18.
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konventionelle Sprachgrenzen und -regeln überschreitet und verschiedene Diskurse miteinander verschränkt.⁹²⁰ Peter Rehberg hat in seiner Kafka-Lektüre die „linguistische Nichtigkeit und Insubstanzialität“⁹²¹ als Spezifikum des Lachens expliziert. Er kennzeichnet das Lachen als eine nicht-sprachliche Lautäußerung, die sich jedoch „auf eine sprachliche Bedeutung“⁹²² bezieht. Sie tut das jedoch in der Weise, dass sie den sprachlichen Signifikationsprozess unterbricht: Lachen hat damit die Funktion eines „leeren Signifikanten“, eines „Null-Phonems“ bzw. „Nullphänomens“.⁹²³ Als eine „unbestimmte Negativität“ konfrontiert es die Sprache „mit einem Außen“,⁹²⁴ bedroht sie und wird umgekehrt wieder sprachlich gebannt. Affiziert es die literarische Sprache,⁹²⁵ dann begegnet es als Textstörung, als Moment des Widerstands gegen den Anspruch der Lesbarkeit und den Zugriff der Interpretation.⁹²⁶ Wenn das Verstehen eine „sadistische Geste der Einverleibung“⁹²⁷ dar-
A. S. Byatts Roman Possession (1990) verortet das Lachen im Zwischenstadium der Trance bei einer Séance und damit auf der Schnittstelle zwischen banaler Lebenswirklichkeit und den in der Erinnerung aufbewahrten Wahrheiten (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 193). Das Lachen der „Stimme aus der Vergangenheit“ und das „lachend durch den Raum geschleuderte Buch“ finden ihr Echo im „Lachen und Weinen“ (193) einer Teilnehmerin. Die Anspielung auf Goethes mephistotelischen „Geist, der stets verneint“ stattet das „rätselhafte Lachen“ (193) mit einer Verweisfunktion aus: Es erteilt jedem Anspruch auf die Orientierung an einem durch sprachliche Definition oder durch andere Ordnungssysteme vermittelten Sinn eine klare Absage. Auch die weibliche Figur in Lessings The golden notebook (1962) kommt zu dem Schluss, dass wahre Erfahrung nicht mit sprachlichen Kategorien kommuniziert werden kann (vgl. 207 f.). Das Lachen kann zwar die „innere Wahrheit“ (208) nicht näher bestimmen, allerdings macht es sie sinnfällig im Modus unmittelbaren körperlichen Erlebens, das sich potentiell intersubjektiv mitteilt. Rehberg, Lachen, 9. Rehberg, Lachen, 130 f. Rehberg, Lachen, 131. An Kafkas Strafkolonie (1919) expliziert Rehberg, wie das Lachen dem Text fehlt, ihm aber „als dieses Fehlen“ (Lachen, 154) eingetragen bleibt. Einem Scherz vergleichbar und einem Schweigen ähnlich, substituiert es eine Leere, als Zu-Fall gewinnt es die „Kraft des Beweises“ (90). Rehberg, Lachen, 9. In Kafkas ‚Lach-Parabel‘ Gibs auf (1922) und im Prozess-Roman steht das Lachen für das „Enden in der Unentschiedenheit“ (Pusse,Von Fall, 126) und die „Unbestimmtheit eines Anfangs“ (127). Der Roman Das Schloss endet mit einer „performativen Wendung des Textes auf sich selbst“: Das Lesen hört auf und das Lachen fängt an – in der rezeptionsästhetischen Annäherung Tina-Karen Pusses – wie ein paradoxer „Wachzustand […], der dem Wegdämmern der Welt im Schlaf gleichkommt“ (147). Es handelt sich um ein Lach-Ende „jenseits literarischer Folien vom romantischen Fragment oder Anleihen an Konzeptionen progressiver Universalpoesie“ (124). Vgl. Rehberg, Lachen, 16. Vgl. Rehberg, Lachen, 96. Das Lachen über Kafkas Texte bekundet eine vorsprachliche Wahrheit, die sich im Rätsel verbirgt und den totalitären Anspruch des Verstandes desavouiert
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stellt, dann steht das Lachen für den Vorgang des Wieder-Ausspuckens.⁹²⁸ Als „Akt der Distanzierung“ bedingt es zwar Reflexion, doch schiebt es sie zugleich auf, es verdichtet die Lektüreerfahrungen von „Unterbrechung und Neuansatz“⁹²⁹ und verweigert dem Leser die semantisierende, narrativierende Einebnung der Widersprüche. Rehberg hat es folgerichtig als Ferment einer „Ästhetik des Verschwindens“⁹³⁰ charakterisiert. In die „absolute Vergessenheit“ des Lachens sind Verlorenheit und Melancholie eingezeichnet, wobei „der Umstand des Verlustes selbst verloren ging“⁹³¹. Während die Trauer Erinnerung voraussetzt, „betrifft das Lachen die Unmöglichkeit von Erinnerung“⁹³². Es ist „das Trauma dieses Traumas“⁹³³. Als absolutes Vergessen hat das Lachen „eine Beziehung zum Toten“⁹³⁴. Es zeigt die Vergessenheit als Vergessenheit, präsentiert den „Tod als nicht repräsentierbaren“⁹³⁵ und hält somit die Balance zwischen dem Tod und dem Leben. Wenn das Lachen
(vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 304). Es kann somit als Antwort auf das permanente „SichUnterlaufen von Interpretationen“ (Pusse, Von Fall, 148) begriffen werden. Rehberg, Lachen, 10. Kafkas Prosa zeichnet den Antagonismus vom „hermeneutischen Kannibalismus“ (Rehberg, Lachen, 11) des Einverleibens und Sattessens und der „bulimischen Ästhetik“ (10) des Sattlachens nach. Im rhythmisch-konvulsivischen Ausspucken des Unverständlichen aus dem Textkörper ist das Lachen des Textes zu vernehmen (vgl. 133 f.). Pusse, Von Fall, 18. Rehberg, Lachen, 112. Die Literatur verdichtet die Sprache zur kunstvollen Gestalt, doch strebt sie immer wieder auf das Lachen zu, um sich selber aufzuheben (vgl. von Matt, Lachen, 101). Rehberg, Lachen, 257. Sabine Fries parallelisiert die raumzeitliche Erfahrung der Filmrezeption mit der klanglichen Ästhetik des Lachens (vgl. Entzugs-Erscheinungen, 27). Der Film und das Lachen präsentieren eine Gestalt und zugleich ihr Verschwinden. Lachen kann das „Vorgängige der Melancholie, der Leere sein“, die der Film, der die „körperliche Bewegung des Lachens“ (27) aufnimmt, als Projektionsraum der Phantasien bespielt. Rehberg, Lachen, 258. Rehberg, Lachen, 85. Rehberg, Lachen, 261. Die Denarration von Kafkas Romanen hat ihren tiefsten Grund in jenem „absoluten Vergessen“ (Rehberg, Lachen, 157) des Lachens. In einer schönen Formulierung resümiert Rehberg, dass sich in einer „Geste des Entzugs“ das Geistige zu Geistern verflüchtigt, die lachend durch die „Trauma-Zone unendlicher Wiederholungen“ (114) schweben. Kafkas OdradekFigur markiert jenes Lachen der Vergessenheit als „narrativen Bruch“ (260). Odradek ist das geschichtslose, leere Zeichen, das ein „anagrammatisches Spiel mit sich selbst“ betreibt, „etymologische Deutungen provoziert, die nicht bestätigt werden können, weil das sie begründende Gesetz fehlt“ (260). Sein „lungenloses Lachen“ hat den „Körper als möglichen Referenzpunkt hinter sich gelassen“, es ist asignifikantes, „rohes Klangmaterial“ und mit seiner Affinität zum Husten der Tuberkulose ein – im Prinzip unmögliches – „totes Lachen“ (261). Rehberg, Lachen, 261.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
ein Geschenk ist, dann muss es daher als eine „Gabe ohne Rückkehr“⁹³⁶ verstanden werden, mit anderen Worten: Das Lachen besitzt keine „Selbstheit“, da ihm nicht die „Sicherheit einer Präsenz als Anwesenheit“⁹³⁷ eignet. Sein „ontologischer Status“ ist „prekär“⁹³⁸, als ein unvorhersehbares, stets neues Ereignis holt es seine Darstellung immer wieder ein und verschwindet in ihr. Die dem Lachen ausgesetzte Schrift ist, wie bereits angedeutet, ein verletzter Text,⁹³⁹ sie ist einer „semiotischen Gewaltsamkeit“⁹⁴⁰ ausgesetzt und zerbricht. Als ein solches Textphänomen begegnet das Lachen allerdings unter „anderen Namen“, denen wiederum „eine Leere eingetragen bleibt“,⁹⁴¹ in Momenten der Defigurierung, „als Aussetzer, Verwundung, Unwissenheit,Vergessenheit, Exzess, als Frage einer anderen Zeit, die sich wiederholt und als unmöglicher Ort“⁹⁴². Das ‚semiotische‘ Lachen ist das „unmögliche Bild“⁹⁴³, das den Ort besetzt, den einst das Erhabene einnahm, die „vulgäre Fratze“ und „Grimasse des Realen“, lokalisiert auf der „Grenze des Symbolischen“.⁹⁴⁴
Rehberg, Lachen, 263. Beim Unsinnswitz wird zwar die „Erwartung von Sinn“ im Lachen über die Pointe bestätigt, doch „der Sinn richtet sich nicht ein, […] er zieht sich im Lachen auch wieder zurück“ (Rehberg, Lachen, 255). Lachend genießt der Mensch „einen Moment lang“ (255) den Unsinn; der Witz mit seinem Sinn ist bereits vergessen, das Lachen, das gebracht wird, von dessen stets neuem Gebrachtwerden auch das Lachen-Machen abhängt, tritt „in Opposition zu Erinnerung auf“ (257). Es existiert als Vergessenheit, wobei das Wissen um seine Vergessenheit selbst vergessen ist. Die Vergessenheit des Lachens korrespondiert mit der Unerzählbarkeit, dem „Zusammenbruch der Narration“ (257). Rehberg, Lachen, 249. Rehberg, Lachen, 249. Vgl. Rehberg, Lachen, 250. Rehberg, Lachen, 197. Rehberg, Lachen, 249. Rehberg, Lachen, 276. Die „redundante Leere“ verbirgt sich in der „Figur der Tautologie“ (Rehberg, Lachen, 134), die z. B. den Satz „er lachte ohne Worte“ in Kafkas Strafkolonie charakterisiert. Das Lachen ist in diesem Fall doppelt negativ bestimmt, es ist wortlos und lautlos oder höchstens, wie Rehberg an anderer Stelle sagt, an der „Grenze der Artikulation“ (136) zu vernehmen, und kann deswegen „auf der Aussagebene“ nicht „positiv bestimmt“ (135) werden. Zu den „unmöglichen Artikulationen“ des kafkaesken Lachens gehört ferner, dass es auf dem Gesicht nicht verschwindet; damit kann es aber nicht mehr als „empirisches Phänomen“ (136) oder Metapher begriffen werden. Denn die Idee von der „dauerhaften Bildlichkeit“ (137) widerspricht der für das Lachen kennzeichnenden Endlichkeit und Diskontinuität. Das Lachen ist also paradoxerweise „als seine Unmöglichkeit beschrieben“ (137). Rehberg, Lachen, 201. Rehberg, Lachen, 183. Noch in der zweifelhaften Lektüre ist das Lachen nicht lesbar. Die „zweifelhafte Lektüre“ (Rehberg, Lachen, 271) geht zwar auf das Lachen zurück, doch ist diese Zweifelhaftigkeit selbst zweifelhaft.
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Daher droht auch der Text über das Lachen, „der der Unverständlichkeit, Dummheit, Maßlosigkeit und Verrücktheit, die immer am Horizont der Frage nach dem Lachen lauern, nicht ausweicht, […] zum Gerede und Gestotter zu werden“.⁹⁴⁵ Das Lachen führt in den Dialog die Struktur einer „offenen Ökonomie“ ein, löst den „Wunsch zu wissen“⁹⁴⁶ ab und das Wissen auf; als Nicht-Antwort ist es, wie schon Nietzsche wusste, ein Zeichen von Weisheit. Die passende Antwort auf das Lachen kann darum nur das Lachen selbst sein, nicht jedoch die Allegorie, die die semantische Negativität ins Wissen zurückbiegt, und auch nicht die (strukturelle) Ironie, die trotz ihrer „referentiellen Ungewissheit“ den „hermeneutischen Imperativ“⁹⁴⁷ aufrechterhält. Die „Ironie hat one-night-stands mit dem Lachen“⁹⁴⁸, das einfältige, maßlos-verrückte Lachen, das einem libidinösen Impuls entspringt und die Wahrheit des Dionysischen berührt, überwindet aber noch die „ironische Distanz“⁹⁴⁹ in der „homerischen Heiterkeit“⁹⁵⁰, es restituiert den in der Repräsentation geopferten Körper.Wenn es die ironische Rede unterbricht, dann lässt es sie endlich werden.⁹⁵¹ So markiert es den „instabilen Zustand“⁹⁵² der Schrift und verhindert, dass die Schrift zum Gesetz wird.⁹⁵³ Rehbergs Überlegungen laufen also auf die Pointe hinaus, dass das Lachen seiner Verabsolutierung notwendig zuwiderläuft, da es per definitionem ein transitorisches Phänomen darstellt, das Rehberg, Lachen, 16. Rehberg, Lachen, 17. Rehberg, Lachen, 18. Zwar hat die Ironie als ästhetisches Strukturprinzip mit dem Lachen das Moment der Asignifikanz gemeinsam (vgl. Rehberg, Lachen, 85), doch ist das „Ereignis des Lachens“ (245) von der Ironie strukturell zu unterscheiden. Denn die Ironie ist eine Figur der Selbstreflexivität, des „Aus-der-Rolle-Fallens“, die ein „intelligibles Wissen“ (85), ein „Wissen ihrer Negativität“ (247) transportiert. Das „ironische Sprachbewusstsein“ (180) verfällt nicht ins Asemantische, es ist das Äquivalent der sublimierten „Heiterkeit des theoretischen Menschen“ (179). Durch Rückbindung an die Allegorie bewahrt es, wie Paul de Man anmerkte, vor dem Sturz ins Lachen (vgl. 179). Rehberg, Lachen, 84. Das Lachen kann die Ironie, die sich in der „Demontage stabiler Denkformen“ manifestiert, ins „performative Register“ (Rehberg, Lachen, 19) übertragen. Dabei wird es seinerseits „im Ausdenken immer neuer erzählerischer Formen“ (19) Element einer textuellen Austragung, die als Umkehrbewegung erkennbar ist. Rehberg, Lachen, 18. Rehberg, Lachen, 85. Vgl. Rehberg, Lachen, 246. Rehberg, Lachen, 147. „Die Realisierung des Lachens“, so Rehberg, „führt zum Unterschied zwischen Theorie und Erzählbarkeit“ (Lachen, 277). Diese Vorstellung einer narrativen oder ästhetischen Wahrheit des Lachens hat auch Jean-Luc Nancy (Wild Laughter in Throat of Death, in: Modern language Notes, Volume 102, Nr. 4, Baltimore 1987, 720) mit seinem Vorschlag bekräftigt, das Gedicht „als eine Präsentation von Lachen“ zu lesen, wobei das eben nicht auf eine „ökonomische Repräsentation“ oder „Lektüre des Lachens“ (Rehberg, Lachen, 272) hinausläuft.
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Sinngebungsprozesse je und je unterbricht, ohne sich zu einer dogmatischen Haltung verfestigen zu können.
3.7.3 Kognitive Kollisionen und Zündungen auf der Grenze von Sinn und Unsinn: Das Moment transgressiver Wahrheit Das postmoderne Denken, so können wir es zusammenfassen, bezieht das Lachen zum einen negativ auf das Zeichensystem und versteht es als Zu-Fall der Unterbrechung, der Störung und des Schocks, Platzhalter des Nicht-Wissens und der Nicht-Identität, eine verwischte semiotische Spur des Verlusts, der Leere und des Vergessens. Es schließt damit an die vor allem von Nietzsche, Bataille und Plessner begründete Vorstellung an, dass das Lachen „den Tod, die Opferung eines Sinns“⁹⁵⁴ bedinge und inauguriert ein neues Denken, das als verfemtes „unvordenkliches menschliches Sein“⁹⁵⁵ zu uns zurückkehrt⁹⁵⁶ und nichts als das Wunder des Augenblicks und die „Geburt der Präsenz“⁹⁵⁷ markiert. Dieses Denken steht für die Abkehr vom abendländischen Konzept einer „verdinglichenden, objektivierenden Vernunft“ und für die Hinwendung zu einer „unproduktiven Verausgabung“.⁹⁵⁸ Es lässt die Zeichen zirkulieren und ersetzt die „distinkte Erkenntnis“⁹⁵⁹ durch das Moment der Evidenz. Weil das lachende Denken keiner teleologischen Zeitstruktur gehorcht, weil es um die „Leere der Bedeutung“⁹⁶⁰ kreist, kann es dem Toten, in der „symbolischen Ordnung Vergessenen“⁹⁶¹ zur Erscheinung verhelfen. Die Behauptung vom noetischen Mehrwert des Lachens lässt sich vor diesem Hintergrund nur dann aufrechterhalten, wenn dem Kontinuum des (Selbst)Erkennens das dialektische Gesetz der Sinnstiftung qua Sinnnegation oder Sinnverzicht zugrunde gelegt wird. Nun besteht allerdings ein kategorialer Gegensatz zwischen zwei grundlegenden Formen der Sinnnegation: dem Unsinn und der Sinnlosigkeit. Können etwa beide Negationstypen den Vorgang lachenden Erkennens anstoßen?
Bahr, Die Schildkröte, 91. Kolb, Lachen, 193. Vgl. Kolb, Lachen, 189. Kolb, Lachen, 196. Kolb, Lachen, 191. Kolb, Lachen, 192. Kolb, Lachen, 197. Kolb, Lachen, 198.
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Rainer Stollmann entscheidet sich für die trennscharfe Lösung und ordnet den Unsinn dem Lachen, die Sinnlosigkeit dagegen dem Weinen zu.⁹⁶² Wenn das Lachen Resonanz des Unsinns ist, dann ist das Weinen Reflex auf die Sinnlosigkeit, deren Bannkreise das Lachen stört. Lachen würde also, gemäß der paradoxen Wirkungsästhetik der Groteske, gerade dann Sinn stiften, wenn es den Unsinn als einzig mögliche Antwort auf die Sinnlosigkeit nach-vollzieht. Auch der Funktionszusammenhang Lachen-Kitzeln macht das komplementäre Verhältnis von Unsinn und Lachen deutlich.⁹⁶³ Denn die „Überlistung der Natur“ durch das „kultivierteste Organ, die Hand“,⁹⁶⁴ verweigert sich eindeutiger Sinnzuschreibung. Die entgleiste, unkontrollierbare Körpermechanik schließt eine strukturierte verbale Kommunikation aus. Der Unsinn, der zum Lachen anregt, ist jedoch in dem Sinne positiv attribuiert, dass er a) das Äquivalent eines unbedenklichen Wohlgefallens darstellt⁹⁶⁵ und b) die Komplexitäten in der zwischenmenschlichen Interaktion eliminiert: Unter der Bedingung des Unsinns erweist sich das Lachen als Gemeinschaftssprache, Medium störungsfreier, unmittelbarer Verständigung.⁹⁶⁶ In Helmuth Plessners Analyse des Lachens hingegen verschwimmen gelegentlich die Grenzen zwischen Unsinn und Sinnlosigkeit. Ihren Ausgangspunkt nimmt sie in der philosophischen Anthropologie, um schließlich über komiktheoretische Befunde zu klareren Distinktionen zu gelangen. Als Formel des Lachens hält Plessner fest, dass das schwebende Spiel der Signifikanten im Komischen seinen genuinen Ausdruck, das Komische im Lachen wiederum seine Resonanz findet.⁹⁶⁷ Das Lachen im eigentlichen Sinne lässt sich nach Plessner nicht ohne die Begegnung mit Ambivalenzen und Widersinnigkeiten verstehen. Damit meint Plessner aber wohl eher den Unsinn als (komischen) Auslöser des Lachens als die Sinnlosigkeit, die dem Lachvorgang selbst eignet, der anders als die Geste oder die sprachliche Äußerung keine zweckbestimmte Handlung darstellt. Im Lachen beantwortet das Subjekt den Unsinn mit einer apriori sinnlosen Delegierung des Handlungszentrums an den Körper, stellt aber genau damit
Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 63 – 66. Der Unsinn kann jedoch „Ausdehnung des Sinns bis an die Grenzen der Sinnlosigkeit“ oder sogar „harmloser Vorposten“ (Stollmann, Angst, 35) der Sinnlosigkeit sein. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 59. Stollmann, Groteske Aufklärung, 58. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 64. Stollmann, Groteske Aufklärung, 59 f. Marianne Schuller formuliert es so: Nicht nur bricht im Lachen „das Andere des Ich“ (Wenn’s, 65) auf, das Lachen bricht auch zum Anderen hin auf. Vgl. Plessner, Philosophische Anthropologie, 97.
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neuen Sinn her.⁹⁶⁸ Das Unsymbolisierbare wird im Lachen sinnhaft verdichtet.⁹⁶⁹ Allerdings erlaubt Plessners Phänomenologie keine Theorie vom Lachen als einer Quelle der Erkenntnis. Der Philosoph Hans-Dieter Bahr wiederum macht auf eine alternative Deutungslinie aufmerksam, die von Derrida, der dem Lachen die prädiskursive Qualität zugeschrieben hatte, den Sinn nicht etwa zu negieren,⁹⁷⁰ sondern seine Aufhebung zu kommentieren, zu Nietzsche zurückführt, dessen Philosophie den Akzent nicht unbedingt auf den Verlust des sokratischen Wahrheitskonzepts⁹⁷¹ setzte, sondern mit der Figur des Zarathustra, dem „ersten Menschen“, der lachend zur Welt gekommen ist, „die lachende Geburt des Sinnlosen“⁹⁷² begrüßte. Das Zarathustra-Lachen destruiert den „metaphysischen Schein“⁹⁷³ der Komödie der Daseinszwecke und affirmiert zugleich die Wiederkehr des Lebenswillens. Somit erweist es sich als exzentrisches oder exterritoriales „Organ der Wahrheit“⁹⁷⁴, die aber „ihre Berechtigung nicht mehr von einem Absoluten her“ erhält, „sondern daher, dass der Mensch sie braucht, um existieren zu können“.⁹⁷⁵ Somit markiert „das Wahr-Lachen Zarathustras“ den „Ursprung eines neuen Diskurses“, einen „unsagbaren Anfang“.⁹⁷⁶ Die „Philosophie der Zukunft“ lässt die schuld- und leidfixierte Ideologie des Christentums hinter sich, um die „vitale
Vgl. Rötzer, Wie, 69 f. Vgl. Görlacher, Zwischen Ordnung, 12. Dass es Sinnverlust ohne Lachen gibt, liegt ohnehin auf der Hand (vgl. Bahr, Die Schildkröte, 95). Vgl. Pusse, Von Fall, 104 f. Bahr, Die Schildkröte, 91. Anz, Wenn, 49. Anz, Wenn, 50. Man könnte an dieser Stelle auch auf Jouberts Ansatz verweisen, eine lachende Vernunft an die Erkenntnis des Herzens zurückzubinden (vgl. Prütting, Homo ridens, 704). Pusse, Von Fall, 102. Die „Pole von Ursache und Wirkung“ lösen sich auf, „die Wirkungen bringen ihre eigenen Ursachen hervor“ (Pusse, Von Fall, 107): Der Belachte avanciert zum (über sich selbst) Lachenden und „der Kreislauf des Umschlags von Komödie und Tragödie des Daseins“ wird als „Teil einer Komödie“ begriffen, „deren Sinn erst noch zu erfinden wäre, deren Rückfall in die Vernunft und den Glauben nun aber nicht mehr als Tragödie erfahren wird“ (102). Pusse, Von Fall, 107. Auch wenn das Lachen die vorige Wahrheitsinstanz annihiliert, endet die nietscheanische „Philosophie des Lachens“ (Pusse, Von Fall, 187) somit nicht im Schweigen. Indem das Lachen „die Grenze zwischen dem gerade noch Sagbaren und dem noch nicht Sagbaren“ markiert, öffnet es den Text des Zarathustra auf die Zukunft hin, für ein Wissen, das, obwohl es im Text schon enthalten ist, „von der Zukunft her“ (Nietzsche, Also, KSA 4, 100) kommt. Nietzsche selbst hat in diesem Zusammenhang von der „Zukunft des Lachens“ (Rehberg, Lachen, 110) gesprochen (vgl. Also, KSA 4, 153).
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Dimension des Denkens“⁹⁷⁷ erschließen zu können. Im Anklang an die provenzalische Troubador-Kultur plädiert Nietzsche für ein heiteres Wissen,⁹⁷⁸ dem ein Denken zugrunde liegt, das sich von der konventionellen Schwere befreit⁹⁷⁹ und das „produktive Potenzial des positiven, freudigen Affekts“⁹⁸⁰ nutzt. Indem das Lachen kathartisch-therapeutisch die Affektökonomie des Subjekts wieder in Ordnung bringt, stärkt es auch dessen geistige Produktivkräfte.⁹⁸¹ Aufgrund seiner „spezifischen medialen Dynamik“⁹⁸² überschreitet es den intentionalen Rahmen des Denkens und öffnet es für neue Horizonte.⁹⁸³ Auf der anderen Seite gewinnt das „dem paralingualen Impetus der Fröhlichkeit“ entspringende Denken eine „handlungsförmige Kontur“,⁹⁸⁴ es läuft nicht auf „begrifflich-logische Erkenntnis“⁹⁸⁵ hinaus, sondern leitet zu einer handlungsorientierten Art des Philosophierens an. Seit der nietzscheanischen Wende in der Philosophie des Lachens hat der Gedanke an Überzeugungskraft gewonnen, dass im Lachen die Performativität von Wahrheit und „die radikale Ausstellung ihrer Negativität“ in eins fallen und die Schönheit des „kritischen Diskurses“⁹⁸⁶ verborgen ist. In diesem Sinne hat auch George Bataille das Lachen nicht nur von der Prämisse des Sinnentzugs her verstanden.⁹⁸⁷ Wenn sich „im Lachen das Denken
Simonis, Fröhlichkeit, 164. Dem Aphorismus 324 In media vita aus dem Vierten Buch der Fröhlichen Wissenschaft (Nietzsche, KSA 3, 552 f.) ist der Gedanke zu entnehmen, dass das Lachen jener Existenzhaltung entspricht, die „das Leben als Experiment des Erkennenden“ (Ries, Das Lachen, 119) versteht. Die Stimmung des „frohen Denkens“ assoziiert Nietzsche innerhalb seiner „kulturkritisch inspirierten Topographie“ (Simonis, Fröhlichkeit, 159) mit der Heiterkeit des mediterranen Südens. Dass die Geburt des neuen, heiteren Denkens nicht ohne Wehen und Anstrengungen erfolgt, sondern einem harten Ringen und Widerstehen abgerungen ist (vgl. Simonis, Fröhlichkeit, 160), dürfte nach den vorangegangenen Betrachtungen zu Nietzsches Philosophie des Lachens nicht mehr überraschen (vgl. I.3.1/3.2/3.5). Simonis, Fröhlichkeit, 159. Bei Nietzsche ist die Gott-ist-tot-Erkenntnis mit einem solchen heiteren Erleben verbunden, das sich in eine neue Haltung und „intellektuelle Aktivität“ (Simonis, Fröhlichkeit, 163) verwandelt. Die „Übung des Lachens“ (171) tritt in eine Analogie zum „Verfahren der Wiederholungslektüre“ (170), das die der prophetischen Rede des Zarathustra angemessene rezeptionsästhetische Haltung darstellt. Vgl. Simonis, Fröhlichkeit, 162. Simonis, Fröhlichkeit, 169. Vgl. Simonis, Fröhlichkeit, 162. Simonis, Fröhlichkeit, 178. Simonis, Fröhlichkeit, 177. Rehberg, Lachen, 105. Mit seinem ontologiekritischen Verstehensansatz knüpft Bataille an Jean Paul an, der davon ausging, dass die Widersinnigkeit der komischen Situation im „Innern der Subjekte“ entsteht: Ein stolpender Mensch erscheint nur deswegen komisch, weil in der Wahrnehmung des Stolperns das
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in sein Objekt auflöst und das Objekt in nichts“, dann blitzt hier ein „prekäres Wissen“ auf, das an „die subjektive Form und die Kontingenz des Augenblicks gebunden bleibt“.⁹⁸⁸ Die Erkenntnis des Lachens kann nicht durch Lösungen verifiziert werden, sie „verifiziert sich […] durch nichts anderes als durch dieses Lachen“⁹⁸⁹, das sich wiederum aufgrund seiner Ungegenständlichkeit „dem erprobten Rüstzeug diskursiver Erkenntnis“⁹⁹⁰ entzieht. Erst das Lachen des Nichts, so der Philosoph José Sánchez de Murillo, konkretisiert und konstituiert das Sein, doch als ein „Lachen des Übergangs“⁹⁹¹ befreit es das Sein auch wieder aus seiner Festgelegtheit und öffnet es für die Geschichte.⁹⁹² Hans-Dieter Bahr knüpft an die Vorstellung vom erkennenden Lachen oder einer lachenden Erkenntnis an. Dieses Lachen ist nicht an Ausdrucksweisen,⁹⁹³ Motive und Wirkungen gebunden, es deutet vielmehr auf ein neues Wissen, das weder durch Inhalts- noch logische Analyse enträtselt werden kann.⁹⁹⁴ Bahr
hehre Würdeideal des wahrnehmenden Subjekts zu Schwanken beginnt und die „conditio humana überhaupt […] in Frage gestellt“ (Bischoff, Lachen, 60) zu sein scheint. Pusse, Von Fall, 27. Vom Lachen wiederum bleibt nichts zurück „außer vielleicht ein kleiner Schmerz im Zwerchfell“ oder ein „Außer-Atem-Sein“ (Pusse, Von Fall, 190). Pusse,Von Fall, 27. Die Sphären reflexiver und lachender Selbsterkenntnis diffundieren (vgl. Bischoff, Lachen, 52– 67). Denken und Lachen, so der Philosoph Felix Belussi, sind aufeinander verwiesen, da das Denken unvollständig, das Lachen hingegen bedeutungslos ist ohne den jeweils anderen Part (vgl. Dimitri, Humor, 110). Darum scheitert die Philosophie am Lachen, wenn sich ihre Hypostasierungen und ontologischen Beschreibungsmodelle nicht in einem Modus radikaler Subjektivität verflüssigen, wenn „das Denken [und] die Erkenntnis [nicht] selbst […] in Lachen übergehen“ (Bischoff, Lachen, 59). Vgl. auch Bataille, Die innere Erfahrung, 251. Bischoff, Lachen, 59. de Murillo, Vorwort, 24. Tina-Karen Pusse macht darauf aufmerksam, dass das Lachen und das Fallen zwar eine „passive Struktur“ (Von Fall, 183) gemeinsam haben. Dennoch ist das Lachen weder als „ein passives Überlassen“ noch als „triumphaler Entwurf“ zu verstehen, vielmehr vermittelt es die Ahnung, dass die „Gesetze der Schwerkraft für das Denken als Sein in Bewegtheit“ (183) keine Gültigkeit haben. Dabei ist der Genuss des Lachenden dem „sich wiederholenden Drama der Entund Verbergung von Sinn“ (23) entgegengesetzt. Bahr kritisiert Plessners Definition des Lachens dahingehend, dass sie den unkontrollierbaren leiblichen Ausdruck zum Authentizitätsmerkmal der Äußerungsform erkläre. Dabei repräsentiere das vermeintlich echte, in einem körperlichen Automatismus abrollende Lachen recht eigentlich das künstliche Lachen, da es in zwanghafter Mechanik erstarrt (vgl. Die Schildkröte, 92 ff.). Die Schauspielkunst des Leibes hingegen, die „eine lachende Welt ohne Gelächter“ (93) erschafft, verbirgt, so Bahrs paradoxale These, das Authentische. Das wahre Lachen markiert die Leerstelle eines Ernstes, es spielt mit der „Differenz zwischen Künstlichkeit, Kunst und Echtheit […], ohne sie je zur Entscheidung zu bringen“ (94). Vgl. Bahr, Die Schildkröte, 90 – 97.
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verortet jenen Urtypus des Lachens mit Hilfe von mythologischem Material⁹⁹⁵ in einer „Geschichte der Erfindungen“⁹⁹⁶, deren Signatur die „Kämpfe des Begehrens“⁹⁹⁷ sind, und identifiziert ihn als Vollzugsmoment eines Einfalls, der das Kontinuum des vorgängigen Diskurses und normativen Sinnzusammenhangs unterbricht.⁹⁹⁸ So markiert er einerseits „eine unüberholbare Differenz“, den „abwesenden Sinn“⁹⁹⁹ und deutet andererseits eine Wende an, nämlich den Augenblick, in dem ein anderes, noch nicht verwendbares Wissen zutage tritt, wobei jener Augenblick beim Versuch, das neue Wissen in einem vertrauten Ordnungssystem festzuhalten, wieder entschlüpft.¹⁰⁰⁰ Der jähe Schrecken über den unbekannten Anfang, über die Geburt eines Diskurses,¹⁰⁰¹ der vom Schrecken des Plessner’schen Sinnkollapses grundsätzlich zu unterscheiden ist, weicht schließlich der Freude an der Kunst des ordnenden Spiels mit den Funden.¹⁰⁰² Das Motiv des Lachens als Geburt¹⁰⁰³ kann, wie Leitenberger angemerkt hat, sowohl mit dem psychoanalytischen Theorem vom „Bewusstwerden eines unbewussten“¹⁰⁰⁴ Inhalts als auch mit kognitionspsychologischen Hypothesen erhellt werden. Der Filmpublizist Karsten Visarius erklärt, dass das Lachen „die Figur des Fragens ins Spiel“¹⁰⁰⁵ bringt und „etwas jenseits der Begriffe“¹⁰⁰⁶ begreift. Tatsächlich hat ja schon die antike Philosophie, sozusagen im Rahmen vorkritischer Erkenntnistheorie, das Lachen mit der Enthüllung von Wahrheit in
Bahr erörtert u. a. die Erfindung der Schildpattleier durch Hermes. Als Hermes seinem Bruder Apollon zu Ehren auf dem Instrument ein Lied spielt, beginnt Apollon zu lachen, da er in der Schildkröte „die Leier entdeckt“ (Die Schildkröte, 89). Das Lachen begleitet hier, wie TinaKaren Pusse erklärt, prädiskursiv, vor aller Benennung, einen Anfang, nämlich die „Entdeckung einer Möglichkeit eines noch unbekannten […] Instruments“ (Von Fall, 16). Bahr, Die Schildkröte, 87. Bahr, Die Schildkröte, 89. Bei Bahr ersetzt das Lachen das diskursive Denken als Subjekt des Einfalls. Es ist weder ein „Lachen über etwas“ noch eines „aus etwas“ (Die Schildkröte, 90). Bahr, Die Schildkröte, 89 f. Vgl. Bahr, Die Schildkröte, 103. Der „lachende Einfall“ koinzidiert mit dem „Zurücktreten vergangener Wahrheiten“ (Pusse, Von Fall, 17), mit einem Sinnvakuum, das im krampfartigen Luft Schnappen körperlich fühlbar wird. Vgl. Bahr, Die Schildkröte, 104. Zur mythologischen Topik vgl. I.2.3. Leitenberger, Lachen, 25. Visarius, Ohne Sinn, 10. Visarius, Ohne Sinn, 12. Das Lachen begreift und bewertet etwas, bevor es rational erfasst wurde (vgl. Prütting, Homo ridens, 1445). Wenn es nicht nur einem Einfall folgt, sondern einer „veritablen Entdeckung“ (1792), bekundet es schallend einen Triumph.
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Verbindung gebracht: Aristoteles führte die Kunst, die Wissenschaft und Philosophie ebenso wie das Lachen auf die Quelle des Staunens und der Verwunderung zurück.¹⁰⁰⁷ Er ging davon aus, dass komische Doppelsinnigkeiten den Bruch in der Wirklichkeit aufdecken und das Lachen somit „zur gemeinsamen Wahrheitserkenntnis hinführt“¹⁰⁰⁸. Diese komiktheoretische Grundannahme hat die englische Aufklärung präzisiert: Im Anschluss an John Lockes Bestimmung des wit als „eine Form vergnüglicher Erkenntnis“¹⁰⁰⁹ entwickelte Francis Hutcheson seine einflussreiche Kontrast-Theorie. In Deutschland definierte Christian Wolff den Witz als eine „kreative Fähigkeit“¹⁰¹⁰ des Verstandes, die rezeptionsästhetisch auf „phänomenale Evidenz“¹⁰¹¹ ausgerichtet ist; Georg Friedrich Meiers (1718 – 1777) „Kritik der scherzenden Vernunft“¹⁰¹² schloss an Wolffs Bestimmungen an. Man könnte die Linie weiterziehen zu Schopenhauers Begriff vom Lachen als Reflex auf eine „anschauliche Erkenntnis“¹⁰¹³ und Arthur Koestlers¹⁰¹⁴ Bisoziationsbegriff, der das Lachen aus der komischen Kollision, der überraschenden
Vgl. Prütting, Homo ridens, 156. Der Gesichtspunkt der Verwunderung stand auch bei den muslimischen Ärzten und Philosophen des Mittelalters im Mittelpunkt ihrer Theorien des Lachens (vgl. Ludwig Ammann, Vorbild und Vernunft, 14– 19) und später haben ihn die Renaissanceforscher thematisiert, z. B. Juan-Luis Vives (De anime et vita libris tres, 1538) und Vincenzo Maggi (De ridiculis, 1550). Vgl. Velten, Scurrilitas, 431. Louis Poinsinet hat schließlich in seinem Traktat über das Lachen von 1768 festgestellt, dass das Lachen nicht etwa mit der Verwunderung gleichzeitig ist, sondern aus dem Schockzustand befreit (vgl. Prütting, Homo ridens, 1064). Richert, Kleine Geistesgeschichte, 33. Selbst der späte Platon gesteht (Nomoi, 816d-817a) ein, dass das Lächerliche, das zum Beispiel die Komödie in Szene setzt, den Menschen über seine Unvernunft aufklären und somit ex negativo zur Tugend erziehen könne (vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 28 f.). Demokrit hob in der pseudo-hippokratischen Schrift Peri manies aus der „Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts“ (Geier, Worüber, 67) im fingierten Gespräch mit dem berühmten Arzt Hippokrates den anthropologischen Wert des Lachens über die Torheiten und Falschheiten der Welt hervor. In der frühen Neuzeit haben viele Gelehrte das Konzept der „lachenden Vernunft“ (Richert, Kleine Geistesgeschichte, 128) wiederentdeckt und ästhetisch ausgearbeitet: Thomas Morus legte mit der Utopia (1516) eine „gesellschaftskritische Komödie“ (126) oder „scherzhafte Satire“ (125) vor, die das Ernste und Tragische so präsentiert, dass es „einer komisch-befreienden Klärung“ (129) zugeführt werden kann. Vgl. zum Konzept der lachenden Wahrheit auch I.3.1 und II.3.2. Prütting, Homo ridens, 944. Prütting, Homo ridens, 943. Prütting, Homo ridens, 944. Prütting, Homo ridens, 945. Prütting, Homo ridens, 952. Hegels Analyse der „komischen Kunst“ arbeitet heraus, dass das Lachen als Reflex auf die Entlarvung „leerer Hüllen“ und „abstrakter Figuren“ (Hebing, Geschichte, 114) eine Geschichtswende markiert, oder genauer: den Moment der Selbstdistanzierung, in dem das Ende einer Epoche erkennbar wird. Vgl. Arthur Koestler, Der Mensch, Irrläufer der Evolution, 129 – 192.
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Pointe, der durchkreuzten Erwartung ableitet und es in einen Zusammenhang mit dem kreativen Denken, dem Erstaunen und der wissenschaftlichen Entdeckung stellt.¹⁰¹⁵ Dieses Theorem greift der Publizist Thomas Vogel im Gespräch mit dem Kybernetiker Valentin Braitenberg auf.¹⁰¹⁶ Die wissenschaftliche Erkenntnis, den Heureka-Moment begreift Vogel als Variante des Aha-Erlebnisses im Witz, das im Hahaha phonetische Gestalt gewinnt.¹⁰¹⁷ Lenz Prütting versteht das Lachen in einem solchen Kontext als „Epiphanie des Unerwarteten und völlig Neuen“, als „Blitz aus heiterem Himmel“, der „die Welt einen Augenblick lang überhell ausleuchtet“.¹⁰¹⁸ Es bildet somit die „mimetische Signatur einer plötzlich einsetzenden beflügelnden Situation, die uns ins Weite und Freie des schlagartig erweiterten Horizonts führt“.¹⁰¹⁹ Andreas Michel-Andino hat auf die Bipolarität des Lachens aufmerksam gemacht, das einerseits auf den Zweifel, die Täuschung, das Erstauntsein zurückweist, andererseits eine „bessere Welt“ aufleuchten lässt und somit die Spannung von „Skepsis und Utopie“¹⁰²⁰ in sich trägt. Lachen enthält, so Stefanie Hüttinger, die „Idee des Geistes“¹⁰²¹, es ist der Kunst darin verwandt, dass es das poietische Potential des Menschen versinnbildlicht. Peter Pörtner bezeichnet es als Ausdruck eines „existenziell relevanten“ Spiels mit „Sinn und Bedeutung, mit Sinnkatastrophen, Karambolagen von Inhalt und Form, Symmetriebrüchen verschiedener Art“.¹⁰²² Darum gehört es „zweifellos zu den Elementarien des Welt- und Selbstbezugs“¹⁰²³.
Der Humor des Narren, die Forschung des Weisen und die Innovation des Künstlers bezeichnen für Koestler verschiedene Formen der Kreativität (vgl. auch P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 74), die oft zum Lachen reizende „bisoziative Störlogik“ ist ein „Grundmoment des schöpferischen Aktes“ (Friedrich, Kannibalisches Gelächter, 294). Vgl. Thomas Vogel, Über das Lachen, 93 – 105. Vgl.Vogel, Über das Lachen, 93. Diesen Aspekt des Lachens hat auch Hans-Ulrich Lessing in seiner Plessner-Kritik hervorgehoben (vgl. Lachen und Lächeln in der philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners, 193 f.). Prütting, Homo ridens, 809. Prütting, Homo ridens, 1795. Daher sind Bekehrungserlebnisse in der Bekenntnisliteratur, von Paulus und Augustinus bis zu Jakob Böhme, Blaise Pascal und August Hermann Francke mit „ekstatischen Erlebnissen“ (Prütting, Homo ridens, 1795) verbunden, und das gleiche gilt auch für wissenschaftliche Entdeckungen (Archimedes, Goethe) und philosophische Durchbrüche (Descartes, Rousseau, Nietzsche). Michel-Andino, Kleine Philosophie, 91. In diesem Sinne stiftet z. B. das Lachen im epischen Theater Brechts Erkenntnis (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 150). Hüttinger, Die Kunst, 119. Pörtner, Risus japonicus, 33. Pörtner, Risus japonicus, 33.
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3 Das Lachen als metaphysische Rebellion und noetische Subversion
Selbst dort, wo der Witz nicht mehr zündet, meint Rudolf Helmstetter, endet das Lachen nicht, sondern es nimmt die spirituell-transzendentale Form eines „profunden Staunens“ an, mit dem der Mensch „erst so richtig auf Erden ankommt“.¹⁰²⁴ Dass er sich aus der Welt der Zwänge und Denkkonventionen herausund in eine neu beleuchtete und erschlossene Welt hineinlacht, erklärt das religiöse Lachverbot; denn die Religion kann ‚Weltbeheimatung‘, wie Jan Assmann es ausgedrückt hat, nicht dulden.¹⁰²⁵ Doch auch die Improvisationsfreude und Innovationsbereitschaft, die mit dem Phänomen assoziiert werden, haben die Skepsis konservativer und reaktionärer Weltanschauungen gegen das Lachen geschürt.¹⁰²⁶ Schon Augustin stigmatisierte bekanntlich das wissenschaftliche Erkenntnisstreben als teuflische Neigung und die Gefährdung des theozentrischen Weltbildes durch die kosmologischen Entdeckungen ließ diese Zuordnung im ausgehenden Mittelalter allzu plausibel erscheinen.¹⁰²⁷ Wenn die Religion jedoch die Impulse des Lachens erstickt, weil sie Neugierde und Kreativität, Forschergeist und Diesseitsorientierung fürchtet, dann provoziert sie damit den Aufstand gegen die dogmatische Repression und das Lachen wird zum Instrument blasphemischer Sabotage.
Helnstetter, Vom Lachen, 772. Helmstetter, Vom Lachen, 772. Vgl. Bachmaier, Warum, 17. Vgl. Schonlau, Warum, 179 f.
Satanisches Vergnügen und göttliche Lust – Profane Funken oder Offenbarungen des Heiligen
1 Lachen im Zeichen von Sexus und Eros: Schöpfungstheologische Perspektiven 1.1 Körperdisziplinierung und Sittencodices: Die ethische Traditionslinie christlich-theologischer Agelastie Es ist kein Geheimnis, dass die traditionelle christliche Lehre der Leiblichkeit des Menschen eher geringe Wertschätzung erwies. Dieser Befund darf zwar nicht zu dem Rückschluss verleiten, dass es in den heilsgeschichtlichen Offenbarungszeugnissen und der christlichen Frömmigkeitsgeschichte gar keine Anknüpfungspunkte zu einem positiven Leibverständnis gäbe. Doch lässt sich schwerlich leugnen, dass das frühe Christentum seiner Lehrbildung unter dem Einfluss griechischen Denkens und spätantiker Weltanschauungen¹ einen hamartiologisch-soteriologischen Dualismus zugrunde legte, der nicht nur die mittelalterliche Theologie kennzeichnete,² sondern im Wesentlichen auch von der Reformation, vom Pietismus und weiten Teilen der protestantischen Theologie bis ins 20. Jahrhundert hinein übernommen wurde.³ Die ontologische und moralische Im antiken Denken galten jene Körperteile als edel, die, wie der Kopf und das Herz, der sittlichen Vernunft zu ihrem Recht verhelfen konnten, während „Bauch, Hände und Geschlecht“ (Richert, Kleine Geistesgeschichte, 99) mit den niederen Begierden und Instinkten konnotiert wurden. Immerhin fächerte sich der theologische Begriff vom Körper ab dem 12. Jahrhundert in verschiedene Diskurse auf: In der „Mystik und der Visionsliteratur, […] in Hagiographie und Bußbüchern“ (Velten, Scurrilitas, 77 f.) wurde die einseitige platonische Abwertung des Körpers zugunsten neuer Symbolisierungen und kosmologischer Deutungen überwunden. Vgl. Robert Gugutzer, Die Sakralisierung des Profanen, 287 und Harald Schroeter-Wittke, 6 Auftakte zum Verhältnis von Tanz und Religion, 14 ff. Die Religionswissenschaft hat von Schleiermacher über Dilthey bis Gerardus von Leeuw (Phänomenologie der Religion, 1933, 2. stark erweiterte Ausgabe 1956) die „religiöse Dimension“ (Jürgen Mohn, Körperkonzepte in der Religionswissenschaft und der Religionsgeschichte, 49) als Phänomen der Innerlichkeit behandelt, ohne die eigenständige Rolle des Körpers zu würdigen, und auch die Praktische Theologie des 19. Jahrhunderts nahm die Leiblichkeit des Menschen nicht in den Blick (vgl. Albrecht Grözinger, Vom Verschwinden und der Wiederkehr des Körpers in der Praktischen Theologie, 77). Ernst Christian Achelis (1838 – 1912) und Friedrich Niebergall (1860 – 1932) entwarfen die Figur des Theologen von Idealvorstellungen her und ignorierten seine leiblich verfasste Lebenswelt (vgl. Grözinger, Vom Verschwinden, 84). Der körper- und bedürfnislose Schleiermacher’sche Kirchenfürst findet noch in Karl Barths „theologischem Reflexionsagenten“ (85) einen Nachfolger. Allerdings erörterten im 19. Jahrhundert die Pastoraltheologen, allen voran Claus Harms (1788 – 1855), die „körperliche Wahrnehmung“, Präsenz und Expression des Theologen „zwischen Sinnlichkeit und Transzendenz“ (Grözinger, Vom Verschwinden, 79) als Basis seiner „sozialkommunikativen Kompetenz“ (81 f.) und diskutierten dabei auch die Frage, unter welchen Behttps://doi.org/10.1515/9783110667769-005
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1 Lachen im Zeichen von Sexus und Eros
Abwertung des Leibes gegenüber der geistigen Sphäre ist tief in den genetischen Pool des christlichen Lehrsystems eingesickert. Ob und in welcher Weise der leibfeindliche Dualismus schon in der paulinischen Theologie angelegt ist, haben die Forscher durchaus kontrovers diskutiert. Wolfgang Schrage⁴ hat den Schöpfungsglauben des Paulus als Korrektiv zu dualistisch-asketischen oder eremitisch-sinnenfeindlichen Tendenzen erkannt. Ähnlich verlautet Helmut Thielicke, dass die christliche Anthropologie des Paulus die ontologische Degradierung des Körpers im hellenistischen Umfeld ablehne und den „Körper als eine Weise meines Selbst-seins“⁵ verstehe. Auch Michael Tilly geht davon aus, dass „die Vorstellung der unverfügbaren Geschöpflichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen für Paulus die Möglichkeit einer grundsätzlich positiven Wahrnehmung der zur Heiligung und Erlösung bestimmten Leiblichkeit“⁶ eröffne. Paulus setze die „psycho-physische Einheit“ des Menschen voraus und stelle keineswegs „einen bösen, […] unreinen, […] sündigen Leib und die reine Seele als Antonyme gegenüber“.⁷ Die Widersprüchlichkeit dieser wohlwollenden Paulus-Deutung tritt allerdings deutlich hervor, wenn Tilly ins hamartiologische Fach wechselt und Paulus mit der Aussage zitiert, dass die „geschenkte Leiblichkeit des geschöpflichen […] Menschen […] seit dem Sündenfall Adams […] von Sünde und Tod beherrscht“⁸ sei. Denn die Anschauung von der Erlösungsbedürftigkeit des Leibes schließt doch offensichtlich ein, dass die empirische leibliche Verfasstheit des Menschen keineswegs dem Schöpfungswillen Gottes entspricht. Nun gilt es allerdings Sorgfalt walten zu lassen bei der Übersetzung der paulinischen Termini. Wolfgang Stegemann⁹ setzt die destruktive sarkische Macht, der der Mensch post lapsum unterworfen ist, mit der fleischlich-körperlichen Existenz gleich und dem Verstand als Empfangsorgan für Gottes Willen gegenüber. Der Mensch, so Stegemann, sündigt mit dem Körper, Fleisch ist ein „Inbegriff für die Verderbtheit,
dingungen „es erlaubt sei, auf der Kanzel zu lachen oder zu weinen“ (82). In der Praktischen Theologie gewann der zunächst noch rein humanwissenschaftlich und später auch religionsphänomenologisch-theologisch gedeutete Körper (Manfred Josuttis, Gottesliebe und Lebenslust, 11– 49) erst mit der Wende zur Handlungswissenschaft in den 60er-Jahren und den Impulsen der feministischen Theologie die ihm gebührende Aufmerksamkeit (vgl. Grözinger, Vom Verschwinden, 87), ohne allerdings schon aus der Vormundschaft moralkatechetischer Kontrollmaximen befreit zu werden (Josuttis, Gottesliebe, 8). Vgl. Wolfgang Schrage, Ethik des Neuen Testaments, 192 f. Thielicke, Theologische Ethik III, 541. Michael Tilly, Aspekte der Leiblichkeit im paulinischen Denken, 78. Tilly, Aspekte, 78. Tilly, Aspekte, 77. Vgl. Wolfgang Stegemann, Das Fleisch ward Wort, 39.
1.1 Körperdisziplinierung und Sittencodices
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für die konstitutionell negative Verfasstheit des Menschen“¹⁰. Nach Lorenzo Scornaienchi dagegen manifestiert sich das Sarkische als eine Destruktivität der Affekte,¹¹ ohne dass jedoch eine stoffliche Grundlage mitzudenken wäre. Scornaienchi bestreitet damit, dass Paulus einen substanzontologischen Moralismus vertreten habe; σάρξ und πνεῦμα versteht er als zwei unterschiedliche Daseinsperspektiven oder Antriebskräfte.¹² Die Abtötung der σάρξ zielt nicht wie bei den Stoikern auf die Beseitigung der Affekte,¹³ sondern auf die konstruktive asketische Disziplinierung des Körpers¹⁴ aus der Kraft des Geistes.¹⁵ Wenn Scornaienchi das Dualismus-Verdikt entschärft, so kann jedoch auch seine Argumentation nicht darüber hinwegtäuschen, dass das affektiv-körperliche Sein des Menschen offenbar einer destruktiven Macht unterliegt und somit auf Heiligung und Erlösung angewiesen ist.¹⁶ Das empirische oder – neutestamentlich gesprochen – sarkische Subjekt ist der sündige Mensch,¹⁷ seine „geschöpfliche Existenz“¹⁸ bedarf der Erneuerung.
Stegemann, Das Fleisch, 44. Vgl. Lorenzo Scornaienchi, Sarx und Soma bei Paulus, 343. Vgl. Scornaienchi, Sarx, 288. Vgl. Scornaienchi, Sarx, 350. Vgl. auch Udo Schnelle, Neutestamentliche Anthropologie, Jesus – Paulus – Johannes, 66 f. Vgl. Scornaienchi, Sarx, 109 ff. Scornaienchi argumentiert hier ähnlich wie Hans Conzelmann (Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, 211). Conzelmann verweist darüber hinaus auf explizit dualistische Stellen im paulinischen Schrifttum (vgl. 196). Ferdinand Hahn (Theologie des Neuen Testaments, Band II) hält hingegen daran fest, dass die „biblische Anthropologie“ generell eine „ganzheitliche Sicht des Menschen“ (312) vertrete. Er gelangt vor diesem Hintergrund zu einer neutralen Bestimmung der σάρξ, die in erster Linie die „Geschöpflichkeit, Vergänglichkeit und Zeitbedingtheit menschlicher Existenz“ (312) bezeichne. Wie Hahn erkennt auch Christl Maier keinen Bruch zwischen den Körperkonzepten der Hebräischen Bibel und des Neuen Testaments: „Im Neuen Testament wird diese körperbezogene und zugleich die ganze Person umfassende Vorstellung fortgeführt und zwar gegen die in der zeitgenössischen Philosophie und in manchen hellenistisch-jüdischen Schriften zu findende Aufspaltung des Menschen in Körper und Seele/Geist, die mit einer Abwertung des Körpers einhergeht“ (Beziehungsweisen, Körperkonzept und Gottesbild in Ps 139, 185). Wolfgang Stegemann vertritt die These, dass das Johannes-Evangelium im zentralen inkarnationstheologischen Satz „Das Wort ward Fleisch“ (Johannes 1,14) das alttestamentliche Körperkonzept aufgenommen und die Leiblichkeit als Grundsubstanz der conditio humana ausgewiesen habe (vgl. Das Fleisch, 5). Vgl. II.1.3 und 2.4. Vgl. Christian Frevel/Oda Wischmeyer, Menschsein, 105. Lenz Prütting hat Röm 7,14– 25 als Schüsselstelle für das dualistische Menschenbild des Paulus gedeutet (vgl. Homo ridens, 320 ff.). Die Sünde erweist sich darin, dass die leibliche Existenz des Menschen der Fremdbestimmung durch „feindliche Mächte“ (321) unterworfen ist. Hahn, Theologie, 336.
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Udo Schnelle hält fest, dass das neue pneumatische Sein am Körper „sichtbare Gestalt gewinnt“¹⁹, jener damit aber der Verfügungsgewalt Gottes unterworfen ist. Wenn Paulus dazu aufruft, Gott mit dem Leibe zu verherrlichen (1 Kor 6,12– 20), dann sind keineswegs expressive Äußerungsformen einer unbändigen Vitalität gemeint, sondern, wie ja auch Scornaienchi konzediert, Akte der körperlichen Selbstdisziplin.²⁰ In 1 Kor 9,25 ordnet Paulus an, dass „der Leib als Ort menschlicher Begierden und Schwächen […] gezähmt werden“²¹ müsse und er prahlt „… ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn“ (9,27). Dieser asketische Zug der neutestamentlichen Theologie (vgl. auch 1 Joh 2,15 – 17)²² ist zwar auf das Ziel der Leidensbewährung in der Nachfolge Christi hingeordnet und hat seinen Zweck nicht in sich selbst, etwa im Sinne „kynischer Entsagung“ oder „stoischer Apathie“,²³ doch ändert das nichts an der Abwesenheit einer affirmativen Rede von vitaler Leiblichkeit. Helmut Thielicke verschleiert diese anthropologische Konsequenz, wenn er feststellt, dass das Selbst nicht nur durch sarkische Abhängigkeit, sondern auch durch den „aufständischen Geist“, den Paulus „Weltweisheit“²⁴ (vgl. 1 Kor 3,19) nennt, fehlgeleitet werden könne und die dämonische Monstrosität nicht als natürliche Konstitution, sondern nur als Möglichkeit des Fleisches betrachtet. Wenn Thielicke erklärt, dass der Mensch zur Transzendierung seiner leiblichen Existenz aufgerufen sei und damit seine geschöpfliche Bestimmung an die Vergeistigung seiner natürlichen Dispositionen bindet, dann ist das Gefälle zu einer platonischen Höherrangigkeit der geistigen Sphäre nicht zu übersehen.²⁵ Paulus – so Stegemann – rechnet zwar mit der „Auferstehung des Leibes“, aber damit ist nicht etwa die Wiederherstellung unseres alten „fleischlichen Körpers“²⁶ gemeint, sondern seine Transformation in die „himmlische Substanz Pneuma“²⁷. Auch wenn der Leib die „Lebensform des Ich“²⁸ bleibt, so hat dieser „neue Körper“²⁹ mit unserer empirischen Leiblichkeit nicht mehr viel zu tun.
Schnelle, Neutestamentliche Anthropologie, 68. Vgl. Eckhart Reinmuth, Anthropologie im Neuen Testament, 239. Schnelle, Neutestamentliche Anthropologie, 66. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bewegung Johannes des Täufers und auf das Ethos des Verzichts hinzuweisen, das dem Nachfolgeprinzip des Jesus von Nazareth zugrunde liegt (vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 105). Rudolf Schnackenburg, Die sittliche Botschaft des Neuen Testaments, 212. Thielicke, Theologische Ethik III, 542. Vgl. Thielicke, Theologische Ethik III, 544. Stegemann, Das Fleisch, 37. Stegemann, Das Fleisch, 38. Reinmuth, Anthropologie, 233. Stegemann, Das Fleisch, 37.
1.1 Körperdisziplinierung und Sittencodices
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Selbst wenn man einräumen möchte, dass Paulus kein „prinzipiell körperfeindlicher Theologe“ war, so lässt sich die Körperskepsis in seinem „soteriologischen Denken“ nicht verkennen, die sicherlich auch auf kulturelle Einflussfaktoren zurückzuführen ist: „das universale Denken des hellenistischen Judentums, […] die Bildungselemente aus der stoischen Popularphilosophie, die antike Rhetorik und nicht zuletzt die Sprache, durch die auch griechisches Gedankengut vermittelt“³⁰ wurde. Die Kirchenväter haben die leibfeindlichen Ansätze im Neuen Testament entschieden zur Geltung gebracht. Die origenestische Theologie übersetzte die „griechisch-römische Dichotomie von Körper und Geist“ in eine „globale Dichotomie von Welt und Heil“ und qualifizierte die menschliche Triebstruktur als inkarnierte Sünde, wohingegen das „Ideal der Leidenschaftslosigkeit“³¹ eine heilstheologische Bedeutung erhielt. Tertullian (160 – 220) bezeichnete jedwede weltliche und sinnliche Freuden „als schlechthin unvereinbar mit der christlichen Sittlichkeit“³². Nur auf dem „Fleisch, das hier in dieser Welt geduldig das Martyrium auf sich nimmt“, liegt die Verheißung der Verwandlung, während „das Fleisch, das sich hier in unreinen Lüsten wälzt“³³, unter dem Fluch der Verdammnis steht. Tertullians inkarnationstheologische Aufwertung des Fleisches gegen die dualistische Leibfeindlichkeit der hellenistischen Schulen und den Doketismus der Valentianer und der „marcionitischen Gegenkirche“³⁴ mündete also keineswegs in eine sinnen- und genussfreudige Daseinshaltung.³⁵ Die Heiligung und Verherrlichung des Leibes läuft auch bei Tertullian auf eine Vergeistigung hinaus mit dem Ziel, einen unvergänglichen, bedürfnislosen, entsexualisierten Körper zu erwerben.³⁶ Dieses Körperkonzept wurde mit der Sakralisierung des Christuskörpers christologisch abgesichert.³⁷ Das Askeseideal,³⁸ das der mo-
Regina Ammicht-Quinn, Körper – Religion – Sexualität, 124. So ist im 1. Johannesbrief (u. a. 2,15 ff.) der Einfluss gnostischer „Körper- und Weltverachtung“ (Prütting, Homo ridens, 319) deutlich zu erkennen. Ammicht-Quinn, Körper, 121. Elert, Lachen, 185. Katharina Greschat, Caro salutis est caro, 163. Greschat, Caro salutis, 153. Helga Kuhlmann hat m. E. den Fehler gemacht, von der Abwehr der Gnosis in der inkarnationstheologischen Formel der Zwei-Naturen-Lehre auf eine generell leibfreundliche Haltung des frühen Christentums zu schließen (vgl. „Wir haben euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt“, 221 f.). Vgl. Greschat, Caro salutis, 163 f. Diese Feststellung gilt ebenso für Clemens von Alexandrien, den Prütting m. E. zu einseitig als Freund der körperlichen Existenz profiliert und von der Leibverachtung bei Origenes und Augustin abgrenzt (vgl. Homo ridens, 336). Vgl. Velten, Scurrilitas, 117.
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nastische Kulturraum kultivierte³⁹ und von dort ins klerikale Leben zurückstrahlte, hinterließ noch in Luthers Glaubenslehre deutliche Spuren⁴⁰ und hat nach Max Webers berühmter mentalitätsgeschichtlicher Analyse im Calvinismus, der den Typus einer protestantischen Rationalität und Triebkontrolle kultivierte, eine neue Heimat gefunden. Es ist jedoch nicht, wenn wir es zusammenfassen wollen, eine prinzipielle, auf einer Substanzontologie basierende Leibskepsis, die das problematische Verhältnis des historischen Christentums zur Leiblichkeit des Menschen begründet hat, sondern der soteriologische Gegensatz zwischen einer vitalen, sinnenfrohen, ekstatischen und einer rationalisierten, sittlich disziplinierten und pneumatisch verwandelten Leiblichkeit. Da das Lachen unverkennbar die Tendenz zur obszönen Entgrenzung des Körpers aufweist und nicht losgelöst vom Selbstgenuss des lachenden Subjekts ist,⁴¹ war es zunächst als Epiphänomen der Sünde negativ indiziert. Zudem lag den „theologischen Ressentiments“ der für das Ethos der Antike charakteristische Gegensatz von „Lachen und Würde“⁴² zugrunde.⁴³ Der antiken Gelehrtenkultur mangelte es bekanntermaßen nicht an einem rhetorischen und poetischen Sinn für das Erheiternde, doch die „Tugend- und Weisheitsideale“⁴⁴, an denen sie das Lachen maß, hinterließen ihren Abdruck in den biblischen Schriften vor allem seit der hellenistischen Spätzeit des Alten Testaments⁴⁵ und
Prütting macht darauf aufmerksam, dass der Schöpfungsauftrag der Weltbemächtigung (Gen 1,28) das Gebot der Selbstdiszplinierung und -ermächtigung miteinschließt (vgl. Homo ridens, 65). Vgl. die Darstellung in diesem Kapitel. Vgl.Volker Leppin, Madensack und Tempel des Heiligen Geistes, 93. Erst die Ehe erweiterte, so Leppin, Luthers bis dahin ganz auf Kontrolle und Disziplinierung ausgelegte „Vorstellung von Leiblichkeit“ (Leppin, Madensack, 93). Vgl. Prütting, Homo ridens, 377– 380. Alleine die Affinität des Lachens zu den sinnlichen Genüssen und zur „weltlichen Lust“ (Prütting, Homo ridens, 384) musste den Argwohn Augustins wecken, dessen Satz aus dem 31. Sermon äußerst wirkmächtig wurde. ‚Und die Menschen lachen und die Menschen weinen, und dass sie lachen, ist zum Weinen‘ (vgl. 360 – 368 und II.2.1). Ceming, Aus dem Tal, 136. Davon zeugt vor allem die christliche Hagiographie: Das Ideal der „seelischen Ausgeglichenheit“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 52 f.), das für den frühchristlichen Asketismus maßgeblich war, soll z. B. nach dem Zeugnis des Athanasius der Einsiedler Antonius verkörpert haben. Die Passage über den nie lachenden Heiligen aus Athanasios’ Vita Antonii (360) ist Porphyrios’ Leben des Pythagoras (Pythagórou biós) entnommen; sie inspirierte wiederum Sulpicius Severus’ Biographie des Martin von Tours (Vita sancti Martini, 397). Vgl. Bremmer, Witze, 31. Helmstetter, Vom Lachen, 767. Scherz und Lachen waren als Elemente des orientalischen Götterkults, den Israels Kultfeier vor dem Goldenen Kalb nachahmte, verpönt (Ex 32,6). Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 501/504. Mit dem Einfluss eines kanaanäischen Ritus, in dem die „Wiedergeburt Baals belacht wird“ (Hüt-
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prägten die Urteilsstruktur der klerikalen abendländischen Theologie. Die Alte Kirche münzte das stoische Ethos der Mäßigung und Selbstbeherrschung⁴⁶ in ein sittenethisches Prohibitiv um, das die moralische Reserve noch heilstheologisch auflud.⁴⁷ So grenzte sie sich vom sinnlich-anarchischen Zug heidnischer Religiosität⁴⁸ wie der rauschhaften dionysischen Tryphe ab,⁴⁹ indem sie die positiven Wertungen des Lachens in den „antiken Religionen“ als „heidnische Irrlehren“⁵⁰
tinger, Die Kunst, 85) begründet Flemming Friis Hvidberg (Weeping and laughter in Old Testament, A Study of Canaanite – Israelite Religion, 1962) die Hypothese, dass das Lachen im kultisch-rituellen Ordnungsrahmen Israels dennoch eine eschatologische Daseinsberechtigung besaß. Dass in der Spätzeit des Alten Testaments im geistigen Klima des hellenistischen Rationalismus (vgl. Kuschel, Lachen, 115 und Kurz, Das Lächeln, 317) zunehmend negative Wertungen des Lachens begegnen, könnte daher auch mit der prophetischen Kritik am Baalskult zusammenhängen (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 86). Im biblischen Kanon bedient sich zum einen die apokryphe Schrift Jesus Sirach (27,14) eines im engeren Sinne sittlichen Urteils, indem sie das Lachen als Symptom „sündhafter Lust“ (Schörle, Die Verhöflichung, 97) bzw. „Ausdruck [der] […] Leichtsinnigkeit und Unbedachtheit“ (Kuschel, Christus, 115) des Toren denunziert. Sirach warnt auch davor, einen betrübten Menschen zu verspotten (7,12) oder die Kinder zu Narren zu erziehen (20,6 f.). Das Schriftwort Sirach 21,29 („Ein Narr lacht überlaut, ein Weiser lächelt ein wenig“) haben die Theologen der Alten Kirche, z. B. Basilius der Große (330 – 379), als Begründung für die Unterscheidung zwischen maßlosem und beherrscht-heiterem Lachen herangezogen (vgl. Joachim Suchomski, Delectatio und utilitas, 15). Die stoische Ethik nahm den Topos vom Lächeln des Weisen auf (vgl. Prütting, Homo ridens, 303). Bei Kohelet (10,19) klingt Kritik am Lachen als hedonistischem Dekadenzphänomen an. Auch in den neutestamentlichen Schriften stößt man auf die Warnung vor närrischen Reden und albernen Späßen, so in Mt 12,36 und Epheser 5,4: Indem der Epheserbrief das Ethos der Eutrapelia im Kontext von unsittlichen Handlungen und törichtem Geschwätz lokalisierte, hat er es seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt und die antike „Tugend zu einem Laster“ (243) umgedeutet. Vgl. Prütting, Homo ridens, 280 – 289. Clemens von Alexandrien und der Wüstenvater Antonius schätzten zwar „die Gestalt des heiteren Weisen in der Tradition der aristotelisch-ciceronianischen Eutrapelie“ (Prütting, Homo ridens, 79). Offenbar galt das „eutrapelistische Scherzen und Lachen“ in der anachoretisch-konöbischen Frühphase des Mönchstums noch als „existenzund heilsnotwendige Entspannung“ (407). Chrysostomos (345 – 407 n.Chr.) und Ambrosius (339 – 397) ersetzten jedoch die demokritische Euthymie durch den „agelastischen stoischen Weisen“ (80), für den Epiktets (ca. 50 – 120 n.Chr.) Maxime galt, nur wenig und keinesfalls hemmungslos zu lachen (vgl. Marius Reiser, Von allen Lebewesen lacht nur der Mensch, 22). Eine frühe Dämonisierung des Lachens begegnet im „apokryphen Evangelium des Bartholomäus“ (Prütting, Homo ridens, 313). Vgl. Orth, Zwischen Lachen, 17. Das christliche Askese-Ideal bildete einen schroffen Gegensatz zum „dionysischen Bios“ und so bekämpften seine Repräsentanten auch die heidnischen Vegetationskulte und das „magisch-mythische Weltverständnis“ (Bernhard Maurer, Theologische Aspekte des Spiels, 292). Vgl. Prütting, Homo ridens, 813 f. Schörle, Die Verhöflichung, 22.
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abstufte, und verurteilte die „Lachpraktiken der Spätantike“⁵¹ wie den römischen Mimus.⁵² Der griechische Gelehrte Clemens von Alexandrien (2.–3. Jahrhundert) übernahm Platons ontologische Degradierung und sozialethische Diskreditierung der komischen Künste und forderte in seinem Paidagogos ⁵³ die Verbannung der heraklitischen Heiterkeit samt der minderwertigen Possen, der Protagonisten des weltlichen Theaters und anderer närrischer Figuren aus der „christlichen polis“⁵⁴. Denn die Poetik der Lächerlichkeit, die der antiken Komödie zugrunde liegt, ist laut Clemens für die christliche Ethik in doppelter Hinsicht inakzeptabel: Zum einen verträgt sich das Ethos der griechischen Bühnenkunst, das den „inneren Wert des Menschen“ an seinen „äußeren Eigenschaften und sozialen Bezügen“⁵⁵ bemisst und seine Darstellung als Witzfigur goutiert, nicht mit der schöpfungstheologischen und soteriologischen Anschauung vom „Heil der Seele“.⁵⁶ Zum anderen unterläuft die „komische Dramaturgie […] die sittliche Autonomie des Menschen“; das „blinde Geschick“ und das Los der Lächerlichkeit in der Komödie stehen im Widerspruch zum Gebot der Entscheidung und zur Möglichkeit von Reue und Umkehr, „Vergebung und Trost“⁵⁷ in der christlichen Kairos-Theologie.
Velten, Scurrilitas, 120. Als mentalitätsgeschichtlicher Hintergrund darf zudem die traumatische Erfahrung der frühen Christen mit dem Spott ihrer Gegner vermutet werden (vgl.Velten, Scurrilitas, 120): Die Mimen im „spätantiken Volkstheater“ (146) karikierten auch Kirchenfürsten oder christliche Rituale. So ließ Tertullian in seiner moralkatechetischen Schrift De spectaculis die Verdammung der „römischen Spiel- und Theaterpraxis“ (Werner Röcke, Heiliger Spott, 43) in eine schadenfroh-sadistische Gewaltphantasie von der Rache des Jüngsten Gerichts münden, die an gewisse alttestamentliche Gerichtsszenarien (Ps 59,7– 9) anknüpfen konnte (vgl. II.2.2). Als Erzieher der Christen ist natürlich Jesus Christus selbst in der „Gestalt des stoischen Weisen“ (Prütting, Homo ridens, 328) prädisponiert. Le Goff, Das Lachen, 49. Augustin (354– 430), Clemens von Alexandrien und Chrysostomos (3451– 407) urteilten streng über den unsittlichen Einfluss der Spaßmacher (vgl. Velten, Scurrilitas, 119 f.). Seit den frühchristlichen Streitschriften und Konzilsbeschlüssen richtete sich das kirchliche Bestreben darauf, die joculatores, jene nomadischen Musikanten, Tänzer, Gaukler und Pantomimen zurückzudrängen, die man mit moralischer Unbeständigkeit, schlüpfrigen Scherzen und schamloser Freizügigkeit in Verbindung brachte und wegen ihrer transgressiven Körper- und Verkleidungspraktiken mit den verfemten Prostituierten gleichsetzte und dämonisierte (vgl. Suchomski, Delectatio, 28 ff. und Velten, Scurrilitas, 144 f./149). Das Theater galt grundsätzlich als Schauplatz der „Ehrbezeugungen für fremde Götter“ (Hüttinger, Die Kunst, 97). Abseits der offiziellen Linie waren die Spielräume der Toleranz auch innerhalb der Institutionen allerdings deutlich größer (vgl. II.1.2). Wolf-Daniel Hartwich, Die Harmonik der Erlösung, 238. Hartwich, Die Harmonik, 239. Hartwich, Die Harmonik, 239.
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Clemens unterscheidet das „ataraktische Lachen der Christen“ kategorisch von den griechischen „Spott- und Rügeliedern“⁵⁸ und den dionysischen Wechselgesängen. Polemisch wendet er sich gegen das verrufene ekstatische Lachen, das die „verbalen und alkoholischen Exzesse heidnischer Gastmähler“ entzünden: Seitdem verband die christliche Anthropologie „Lachmanieren mit Tischmanieren“⁵⁹. Die ungedämpfte Affektentladung verunreinigt laut Clemens das Wort Gottes, das man sich als ein kostbares, in den Menschen eingelassenes Gut vorzustellen hat.⁶⁰ Der „psychische und moralische Kontrollverlust“⁶¹ triebhaften Gelächters, die „eitle und wahnhaft überspannte Selbstüberdehnung“⁶² ist mit dem stoischen Leitbild unvereinbar⁶³. Clemens schwebt ein verständiges Lachen vor, das der Maßgabe des Taktes und der Harmonik gehorcht und sich in einem entspannten Gesichtsausdruck äußert.⁶⁴ Damit hat er zumindest im Geiste der aristotelischen Anthropologie und auf der Basis einer strengen Kriteriologie dem Lachen eine ethische Existenzberechtigung erteilt.⁶⁵ Generell unterschieden die Kirchenväter und altkirchlichen Theologen, ob Origenes (184/185 – 254), Hieronymus⁶⁶ oder Gregor der Große (ca. 540 – 604),⁶⁷
Hartwich, Die Harmonik, 236. Le Goff, Das Lachen, 50. Eine ähnliche Sittenkritik ist von Tertullian überliefert (vgl. Elert, Das Lachen, 50). Damit ist ausgeschlossen, dass ein Schelm, Schlemmer, Liebhaber und komisches Idol wie Heraklit Vorbild des Glaubenden sein kann (vgl. Hartwich, Die Harmonik, 237). Le Goff, Das Lachen, 49. Das maßlose Lachen, das die Gesichtszüge verzerrt, konnotiert Clemens mit dem Gekicher der Dirnen und dem zuchtlosen Gelächter der Freier (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 12). Hartwich, Die Harmonik, 237. Prütting, Homo ridens, 339. Clemens greift dabei auf die stoische Tonos-Lehre zurück und versteht das exzessive Lachen als „Haltungsverlust aus Mangel an innerer Spannung“ (Prütting, Homo ridens, 331). Die weit verbreitete Schrift Formula vitae honestae des Martin von Braga (ca. 515 – 579), die neben dem ungebärdigen Gelächter jenes Lachen verurteilt, das üblen Motiven entstammt, bezeugt vor allem eine starke Seneca-Rezeption (vgl. Suchomski, Delectatio, 37 f.). Vgl. Hartwich, Die Harmonik, 233 ff. Daher hat das Lachen seinen Platz in der würdevollen Gesellschaft von Männern. Frauen und Heranwachsenden steht es nicht zu und selbst im familiären Rahmen ist das Lachen zu vermeiden (vgl. Le Goff, Das Lachen, 50). Vgl. Prütting, Homo ridens, 337 ff. Unter den Kirchenvätern hat nur Laktanz (ca. 250 – 340) den aristotelisch-stoischen Ansatz des Clemens übernommen (vgl. Prütting, Homo ridens, 339 – 342). Hieronymus rechnete das exzessive Lachen den Schülern und Betrunkenen, den Barbaren und den Besuchern der Komödie zu (vgl. Velten, Scurrilitas, 119). Da Gregor der Körper als „das erbärmliche Kleid der Seele“ (Le Goff, Das Lachen, 25) galt, grenzte er in seinem Hiobkommentar das „Lachen des Herzens“, die „Freude der Gemütsruhe“ vom „Lachen des Körpers“ (Suchomski, Delectatio, 16) ab, das der Freude an vergänglichen Dingen und somit weltlicher Lust entstammt (vgl. S.Wolff, Todesverlachen, 88). Gregor berief sich dabei auf das biblische Vorbild von der Fröhlichkeit der Gerechten und der heiteren Glückseligkeit
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das „übernatürliche, körperlose Lachen des Herzens“, das einer erhabenen Freude Ausdruck verleiht, vom zügellosen und unreinen „körperlichen Lachen“⁶⁸ des (Schau)Spiels, des Müßiggangs und der Unterhaltung.⁶⁹ Tertullian und Chrysostomos führten solches Lachen auf das Wirken des Teufels zurück, der Affekte evoziere, um die Widerstandskraft des Gläubigen zu schwächen.⁷⁰ Augustin rechnete es dem „niedrigsten Teil des Menschen“⁷¹ zu und wertete es als Aufruhr des von der Sünde deformierten, unkontrollierbaren Fleisches.⁷² Die neuplatonisch-augustinische Leibfeindlichkeit lässt sich aber nicht trennen vom Disziplinierungsideal⁷³ und der Skepsis der monastischen Theologie gegenüber leiblichen Automatismen.⁷⁴ Das nach Westen expandierende Mönchtum regulierte bei der Formulierung der Ordensregeln die Sozialpraktiken des
der Auserwählten (Hiob 8,20 ff., Joh 16,20), dem viele schriftliche Zeugnisse des Mittelalters, z. B. Sulpicius Severus’ Vita s. Martini oder der Lentulusbrief als Kontrastmodell zum ausgelassenen Lachen Geltung verschafften (vgl. Suchomski, Delectatio, 16 f.). Ungemäßigtes Gelächter und unangemessene Scherze verurteilte Gregor immerhin nur milde als geringere Sünden (vgl. Prütting, Homo ridens, 436). Busch, Verlorenes Lachen, 14. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 324 und Hüttinger, Die Kunst, 91. Vgl. Prütting, Homo ridens, 348 – 357. Seibt, Der Einspruch, 754. Vgl. Prütting, Homo ridens, 377– 380. Vgl. auch S. Wolff, Todesverlachen, 162. Die Kirche bekämpfte auch die „sexuelle Dimension“ (Cox, Das Fest, 71) des Tanzes: So bezeichnet die Vulgata Davids ekstatischen Tanz mit dem abfälligen Begriff für die Possenreißerei (vgl. Velten, Scurrilitas, 122). Basilius der Große befürwortete zwar den Kirchentanz, wandte sich aber entschieden gegen die Sinnlichkeit der Ostertänze, während Augustin den Tanz schlechthin dämonisierte (vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 293). Ambrosius (339 – 397) und der an ihn anknüpfende Vincenz von Beauvais (1184/94– 1264) lehnten den akrobatischen Tanz der biblischen Salome ab (vgl. Monika Müller, Das Lachen ist dem Menschen eigen, 84 f.). Da die Sittlichkeit des Tanzes nicht zu gewährleisten war und im Gegenteil manche mittelalterlichen Tänze zu „wahren Hexensabbaten“ (Maurer, Theologische Aspekte, 293) ausarteten, erließ die Kirche Dekrete bis hin zum Verdammungsurteil des Konzils von Würzburg 1298 (vgl. Cox, Das Fest, 71).Vgl. zu den Motiven der (alt)kirchlichen Diabolisierung des Tanzes auch Schroeter-Wittke, 6 Auftakte, 20 f. und Silke Petersen, Salome: Die Tochter der Herodias tanzt und bekommt einen Namen, 49 ff. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 23. Schon die syrischen und ägyptischen Mönche aus der Frühzeit des Christentums schlossen das Lachen in ihr asketisches Ideal ein (Schmitz, Ein Narr, 130). Pachomius (ca. 287/292-ca. 346) untersagte es in den Räumen „des Gebets, der Mahlzeiten und […] des Unterrichts“ (Hasselhoff, Lachen als Element der Religionsphilosophie, 20). Doch differenzierte er noch zwischen dem situativ unangemessenen Lachen, dem beleidigenden Spott und dem erotisch aufgeladenen Scherz auf der einen und unbedenklichen Formen der Eutrapelie auf der anderen Seite (vgl. Prütting, 413 – 416). Ammonas (gest. ca. 403), ein Schüler des Mönchsvaters Antonius, schloss das Lachen dagegen komplett aus dem mönchischen Verhaltensrepertoire aus (vgl. Hasselhoff, Lachen, 20).
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Lachens und verfeinerte damit den sittlichen Humus der Spätantike und des frühen Mittelalters.⁷⁵ Die Regula magistri aus dem 6. Jahrhundert, die der Benediktregel, der „seit dem 9. Jahrhundert quasi allgemeinverbindlichen Ordensregel“⁷⁶, als Muster dienten, legten mit der affektsprachlichen Kategorisierung medizinisch-physiologischer Vorgänge ein ethisch-anthropologisches Fundament für das Verbot des Lachens.⁷⁷ Sie setzen voraus, dass der Körper nicht einfach Quelle des Unheils oder „Werkzeug des Teufels“⁷⁸ ist, sondern durch die Gesichtsöffnungen von innen und von außen gute und böse Impulse empfangen kann. Bei der Eindämmung ungebührlicher Affekthandlungen kommt der Filterfunktion des Mundes und der Zähne eine besondere Bedeutung zu.⁷⁹ Da das Lachen den Rahmen sanktionierter Interaktionssignale sprengt und den Verlust der Selbstbeherrschung mit sich bringt,⁸⁰ muss es im ‚Gefäß‘ des Körpers eingesperrt bleiben. Wie die frühen „Mönchsregeln aus dem 5. Jahrhundert“⁸¹ thematisieren die Regula magistri den Ausschluss des Lachens daher im Begründungszusammenhang des Schweigegebots und stellen die entsprechenden Direktive in den „rituell-formalen Kontext“⁸² der Taciturnitas-Übungen.⁸³ Auf der anderen Seite eröffnete das skalare Demuts- und Heiligungsethos der „griechischen Mönchsväter“⁸⁴ Spielräume gemäß der unterschiedlichen Reifestadien der Mönche in ihrer Frömmigkeitsentwicklung.⁸⁵ So erlaubte Basilius von Cäsarea das Lachen in den Längeren Regeln (357– 359) im Rückgriff auf die griechische Tugendethik unter der Bedingung der Mäßigung.⁸⁶ Doch damit legitimierte Basilius wiederum nicht die Freude über weltliche Dinge: Da das monas-
Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 85. Le Goff, Das Lachen, 24. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 59. Le Goff, Das Lachen, 26. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 26 f. und 56 ff. Vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 112. Le Goff, Das Lachen, 24. Le Goff, Das Lachen, 59. Schweigen und Lachen bilden die ethische Antinomie: Während das Schweigen die angestrebte „Weltflucht“ verschärft, stört das Lachen als „Ausdruck höchster Immanenz und Präsenz“ (Hans Rudolf Velten, Lachen und Schweigen in Wolframs Parzival, 79) diese Rückzugsbewegung. Le Goff, Das Lachen, 59. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 58. Die Jakobsleiter der regula magistri, die sich an Cassians „zehnstufige Skala der Demut“ (Prütting, Homo ridens, 428) anlehnt, sieht den Verzicht auf voreiliges Lachen erst auf der neunten Stufe vor. Die „zwölf Stufen der Demut“ (Richert, Kleine Geistesgeschichte, 86) münden schließlich in ein von jedwedem Lachen befreites Sein. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 51. Auch die Regula Ferreoli aus dem 6. Jahrhundert ordneten keinen kompletten Verzicht des Lachens an, sondern lediglich, dass der Mönch nur selten lachen dürfe (vgl. Tobias A. Kemper, Jesus Christus risus noster, 20 f.).
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tische Leben ein Exerzitium zur Vorbereitung auf den Tod darstellt, hat nur die spirituelle Freude, die sich dem Ausblick auf die nahende Vollendung des Daseins verdankt, vor der göttlichen Autorität Bestand.⁸⁷ Das Lachen, das aus äußerlichem Affiziertsein resultiert, ist dagegen als „sündhaftes Aufbegehren“⁸⁸ sinnlicher Regungen zu unterdrücken.⁸⁹ Auch die Benediktregel (529) stellte das frühmonastische Demutsethos in den Vordergrund, das eine differenziertere Regulierung des Lachens erlaubte,⁹⁰ übermäßiges und schallendes Lachen jedoch ebenso streng untersagte wie scherzhafte oder schlüpfrige Konversation,⁹¹ da sie das Streben nach Verinnerlichung,⁹² nach einer konzentrierten Geisteshaltung und vollkommenen Ausrichtung auf Gott unterliefen.⁹³ Im „abendländischen Mönchtum“⁹⁴ erwies sich zudem die rigoristische Linie von Basilius’ Kürzeren Regeln als einflussreich,⁹⁵ die speziell im Codex Regularum (816/17) des Benedikt Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 166 f. In den Regulae fusius tractatae betont Basilius, die Schrift rechne das Lachen nicht ausschließlich dem „sündhaften Spaß“ (Kemper, Jesus Christus, 20) zu, sie kenne es auch als Ausdruck spiritueller Freude. S. Wolff, Todesverlachen, 162. Auch in den buddhistischen Mönchsschriften indiziert das Lachen die „Verhaftung an die äußeren Gegenstände der Welt“ und die „Vorherrschaft des Körpers über den Geist“ (Tschannerl, Das Lachen, 57): „Lachenden Menschen und Spaßmachern wird eine Wiedergeburt in einer niederen Existenzform oder in einer speziellen Form der Hölle vorhergesagt“ (Ceming, Aus dem Tal, 142). Das Lachen, das die Zähne entblößt, kennzeichnet die Dämonendarstellungen (vgl. 138). Der subtile urbuddhistische Sinn für Humor verträgt sich nicht mit „exzessivem Lachen“ (144). Allerdings hat der Buddhismus, vermutlich in späterer Zeit, auch die spirituelle Dimension des Lachens erschlossen (vgl. I.3.5). Vgl. Le Goff, Das Lachen, 58. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 130. Dieses Prohibitiv der „Mönchsregeln des frühen Mittelalters“ (Ceming, Aus dem Tal, 137), das sich nicht zuletzt auf die Diskreditierung unnützen Geredes in Mt 12,36 und närrischen Betragens in Eph 5,4 gründete, tradierten u. a. Gregor der Große, Paschasius Radbert, Abt von Corbie im frühen 9. Jahrhundert, und Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153). Vgl. Suchomski, Delectatio, 23 f. Die meisten theologischen Kommentatoren von Eph 5,4, von Victorinus bis Luther, klassifizierten das in der Vulgata als scurrilitas bezeichnete Verhalten als Zungensünde (vgl. Velten, Scurrilitas, 129 ff.). Weiter gefasst hat die scurrilitas Hieronymus, der in seinem Epheserkommentar das „unangemessene Erregen von Lachen“ (132) als thematische Zielrichtung des Verses hervorhob. Dieser Deutungslinie folgte die monastische Theologie, von Martin von Braga und der Benediktregel bis Bernhard von Clairvaux. Die Scholastik legte den Akzent entsprechend ihrer Fixierung auf die Schrift wieder auf die Wortsünde (vgl. 134– 140). Lenz Prütting erklärt, dass der zentripetale Movens der kontemplativen Haltung seit jeher dem zentrifugalen Bewegungsgesetz der Heiterkeit zuwiderlief (Homo ridens, 878). Vgl. Marianus Bieber, Humor – die vergessene christliche Tugend, 276 f. Le Goff, Das Lachen, 52 f. Basilius schreibt für klösterliches Lachen eine Woche, die Regula Patrum (ca. 535) sehen sogar zwei Wochen Klosterbann vor, die Regula magistri und die Regula monasterii Tarnatensis belassen es bei einem Verweis (vgl. Hasselhoff, Lachen, 20 f.). Damit war das frühmonastische Diszipli-
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von Aniane, mit dem die Benediktregel als maßgebliche Ordensregel für die monastische Lebensordnung durchgesetzt wurde, wiederzuerkennen ist.⁹⁶ Für den „Verhaltenskodex der mittelalterlichen Kirche“⁹⁷ wurde die Benediktregel maßgeblich: Die „zisterziensische Reform“ (12. Jahrhundert) unter Bernhard von Clairvaux brachte sie gegen Verweltlichungstendenzen im „klösterlichen Leben“⁹⁸ in einer verschärften Form wieder in Stellung.⁹⁹ In der franziskanischen¹⁰⁰ und jesuitischen Ethik¹⁰¹ lebte der Geist der Ordensregeln weiter,¹⁰² der allerdings vorrangig den Weltklerus und die „christliche Elite“¹⁰³ orientierte.
nierungsregime sogar milder als die Gemeinderegel von Qumran (250 v.Chr. bis 70 n.Chr.), die „dreißig Tage Gemeinschaftsausschluss“ für „törichtes Lachen“ (13) verordnete. Im monastischen Umfeld der Lateiner, bei „Johannes Cassianus im 5., Ferreolus im 6., Columban im 7. Jahrhundert“ (Nitschke, Die lachenden fränkischen Könige, 590) waren jedoch sogar körperliche Strafen bei Verstößen gegen das Lachverbot nicht ausgeschlossen. Das entfesselte Lachen beim Mahl einer Delegation am Ende einer Visitation im Kloster St. Gallen 966 hatte die Konsequenz, dass der verantwortliche Abt Abbitte leistete (vgl. Schmitz, Ein Narr, 139). Noch im Spätmittelalter zog das Lachen des Mönches grundsätzlich einen Akt der Buße nach sich (vgl. Ceming, Aus dem Tal, 137). Vgl. Le Goff, Das Lachen, 51 ff. Diller, Lachen, 181. Prütting, Homo ridens, 461. Bernhard identifizierte das Lachen im Rahmen einer hamartiologischen Pneuma-Theorie als „Ausgießung des unheiligen Geistes“ (Prütting, Homo ridens, 465) in dem Sinne, dass sich die „Aufgeblasenheit des Sünders“ explosionsartig entlädt und die „Winde der Eitelkeit“ (467) ungehindert austoben. Vgl. auch Winfried Wilhelmy, Das leise Lachen des Mittelalters, 42. Franz von Assisi (1181/82– 1226) brach zwar mit der Tugend des Ernstes und ließ in seinem berühmten Sonnengesang die vorherrschende Theologie der Tränen hinter sich, die monastische Tradition, anstößige Reden und lautes, körperliches Lachen zu verurteilen, setzte er jedoch fort (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 54). Die jesuitische Ethik reproduzierte den moraltheologischen Generalverdacht gegen das Lachen: Ignatius von Loyola formulierte mit kompromissloser Strenge: „Ich soll nicht lachen und auch nichts sagen, was zum Lachen reizt“ (Geistliche Übungen, 55). Hildegard von Bingen (1098 – 1179) erklärte das irdische Gelächter zum postlapsarischen Phänomen inadäquater Sinneslust und quasi-sexueller Erregung (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 13 f. und Prütting, Homo ridens, 489 ff.). Sie verurteilte auch das von bitterer Melancholie gefärbte Lachen als sündhaft (vgl. Prütting, Homo ridens, 487 f.). Der „antilollardische Bischof Reginald Peacock“ (Diller, Lachen, 180) nahm in seiner einflussreichen Schrift Reule of Christen Religoun (1443) zwar das benediktinische Zugeständnis an eine „maßvolle Fröhlichkeit“ (181) auf. Doch die „tridentinische Klausur“ brachte wieder eine Verschärfung der Ideale von der „Abgrenzung zur Welt“ (S. Wolff, Todesverlachen, 186) und der maximalen Selbstkontrolle mit sich. Prütting, Homo ridens, 442. Viele „Laien und Herrscher“ (August Nitschke, Die lachenden fränkischen Könige in den einer Ausdehnung unterworfenen Räumen, 604) unterstützten das monastische Affektreglement allerdings aus der Überzeugung heraus, dass das Lachen die Mönche nur davon ablenken würde, sich ganz dem Heilshandeln Gottes zu widmen.
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Zur Idealisierung eines Typus des vollkommenen Gleichmuts, der nach monastischem Disziplinierungsanspruch und stoischem Tugendideal geformt und durch die Abwesenheit starker Affekte und den Verzicht auf expressives Verhalten wie das Lachen gekennzeichnet ist, haben auch die Heiligenviten beigetragen. Selbst die Fröhlichkeit der Märtyrer bekundete eine extreme Leib- und Weltverachtung und kann daher nur unter großen Vorbehalten als eine Ausprägung christlichen Humors gewertet werden.¹⁰⁴ Die „lehrhaften Dichter“¹⁰⁵ und bildenden Künstler¹⁰⁶ des Mittelalters variierten das dichotomische Strukturprinzip¹⁰⁷ der kirchlichen Wertung des Lachens im Anklang an die alttestamentliche Weisheit.¹⁰⁸ Der monastischen und klerikal-theologischen Repression zum Trotz wird man gleichwohl nicht behaupten können, dass Gelächter und Vergnügen in der Mentalitäts-, Kultur- und Sozialgeschichte des Christentums keine Räume besetzt hätten (vgl. II.1.2, 2.2, 3.2, 3.3). Das Eindringen von Elementen der Heiterkeit und Ausgelassenheit in die kirchliche Festkultur und die damit verbundene Emotionalisierung und Vitalisierung des „religiösen Lebens“¹⁰⁹ rief jedoch Gegenkräfte auf den Plan. Die im Umkreis der Weihnachtsfeier entstandenen Narrenfeste und die Passions- und Osterspiele waren im späten Mittelalter Anlass für Kontroversen über den legitimen Ort des Komischen in der Verkündigung.¹¹⁰ Die Kirche reagierte darauf, dass das „klerikale Drama“¹¹¹ von profanen, charivaresken Ele-
Vgl. Schmitz, Ein Narr, 133 f. und Mo. Müller, Das Lachen, 87 f. Kremer, Das Lachen, 139. In Hugo von Trimbergs (geb. ca. 1230) Sündenspiegel gehört das Lachen zu den „weltlichen Freuden“ (Kremer, Das Lachen, 58) der sieben Todsünden. Thomasin von Zirklaria (1186 – 1238) richtete in Der wälsche Gast (1215/16) besonders an die Edelknaben, die Kirchenbesucher und Richter die Forderung, das grundlose und unnütze Lachen zu mäßigen (vgl. Kremer, Das Lachen, 89 und Sebastian Coxon, Was betütt das Lachen dein?, 140). Hugo von Montfort (1357– 1423) stellte das „schadenfrohe, böse Lachen des Teufels“ dem „fröhlichen Lachen des Herzensreinen“ (Kremer, Das Lachen, 57) gegenüber. In der bildenden Kunst des Mittelalters brachte das „expressive Lachmotiv“ nicht unbedingt wie später bei Alberti, da Vinci und Dürer „Freude oder Spott“ zum Ausdruck, oft deutete es auf den „liederlichen Charakter der dargestellten Person oder deren Zugehörigkeit zu einem zwielichtigen Milieu“ (Ulrich Rehm, Zur Geschichtlichkeit des Lachens im Bild, 643). So zeigt die christlich-mittelalterliche Ikonographie die beim Lachen „entblößten Zähne“ (Erfen, Das Lachen, 76) als Ausdruck des Lasterhaften und kompromittiert selbst „höchste Würdenträger aus Religion und Politik durch die Fratze des Lachens“ (R. M. Schneider, Nachwort, 121). Vgl. Suchomski, Delectatio, 16. So hob der Zisterzienserabt Burchard von Bellevaux (gest. 1163) das „heitere Lachen der Weisen“ (S. Wolff, Todesverlachen, 88) vom Scherzen und Auslachen der Törichten ab. Rehm, Zur Geschichtlichkeit, 648. Vgl. Wolf, O du fröhliche, 156 f. Johannsmeier, Spielmann, 257.
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menten unterwandert worden war.¹¹² So untersagte die Synode von Utrecht (1293) theatrale Präsentationen im sakralen Raum¹¹³ und der Bischof von Gnesen verbot den Geistlichen jedwede Berührungspunkte mit Spielleuten, Goliarden¹¹⁴ und den Kultpraktiken des geistlichen Spiels (1326).¹¹⁵ Die Maskenspiele wanderten auf den Marktplatz, wo die „städtische Öffentlichkeit“¹¹⁶ ihnen eine dionysisch-gegenkulturelle Stoßrichtung gab und damit wiederum die kirchliche Reaktion provozierte: 1431 verwarf das Konzil von Basel die Narrenfeste.¹¹⁷ Die kirchliche Unterdrückung und moraltheologische Diffamierung der theatralen Lachkultur war in der Frühen Neuzeit flankiert durch den humanistisch-pädagogischen Anspruch umfassender Körperdisziplinierung¹¹⁸ und den Optimismus der „frühbürgerlichen Gesellschaften“¹¹⁹, die willkürliche Instinktnatur des Menschen beherrschen zu können.¹²⁰ Vor diesem Hintergrund bezeichnete Erasmus von Rotterdam den Karneval in seiner Schrift Notwendigkeit
Papst Innozenz III. wandte sich 1207 gegen das obszöne Schauspiel der Goliarden in den Kirchen, während Innozenz IV. 50 Jahre später einräumte, dass jenes sittliche Absichten verfolgen könne und deswegen nicht per se zu verurteilen sei (vgl. Prütting, Homo ridens, 506). Vgl. Johannsmeier, Spielmann, 257. In Frankreich sind noch im 17. Jahrhundert Exkommunikationen von joculatores belegt (vgl. Suchomski, Delectatio, 26 ff.). In Padua läuteten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Glocken, um die fahrenden Komödianten, die sich auf der Piazza eingefunden hatten, zu übertönen (vgl. Uber/Steiner, Lach, 48). Vgl. Johannsmeier, Spielmann, 257. Auch die Synode von Langres 1404 grenzte sich von den Charivaris entschieden ab, die zwar vordergründig als karnevaleske Rügebräuche die normative Ordnung stützten und den kirchlichen Sittenkodex doch aufgrund ihres respektlos-parodistischen und wild-obszönen Charakters sprengten (vgl. Johannsmeier, Spielmann, 26). Im romkritisch-vorreformatorischen Wycliff’schen Umkreis wurde die Kritik am geistlichen Spiel durch eine heilstheologische Wendung radikalisiert (vgl. Diller, Lachen, 181). Schindler, Karneval, 153. Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 119. Das humanistische Programm setzte der Faszination an grotesken Modellierungen des Körpers und der Freude an Gestik und deiktischer Theatralik lernwilliges Hören, vernünftige Einsicht und die Komik der Didaxe entgegen (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 226 f.). Das Kirchenpersonal wurde auf die Haltung der gravitas verpflichtet, der Typus des Schelmenpriesters, den z. B. Arlotto (1396 – 1486), „ein Freund des Weines und der Frauen“ (Burke, Helden, 169) und fra Mariano (gest. 1531) verkörperten, verdrängt (vgl. Peter Burke, Grenzen des Komischen im frühneuzeitlichen Italien, 72 f.). Dreßen, Possen, 158. Umgekehrt begünstigten christliche Lehrtraditionen wie die monastische Verurteilung körperlicher Ausdrucksformen und die altkirchliche Ablehnung weltlicher Vergnügungen den frühneuzeitlichen Rationalisierungs- und Zivilisierungsprozess (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 296).
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einer frühzeitigen wissenschaftlichen Unterweisung der Knaben (1529) als Vorhut der Unsittlichkeit.¹²¹ So traf die Fastnachttradition auch die reformatorische Kritik: Sie berief sich auf Luthers Lehre von der doppelten Natur des Gläubigen (simul iustus et peccator) und vom Alleinvertretungsanspruch des Glaubens für das Heil des Menschen, die ein eigenmächtiges Changieren zwischen „Lasterhaftigkeit und Frömmigkeit“¹²² ebenso ausschloss wie das kultisch zensierte Lachen über das Heilige.¹²³ Da die Gnade Gottes nach reformatorischer Lehre nicht von der Ritualisierung eines Bußaktes, wie sie in der kirchenkalendarischen Anordnung von Fastnacht und Fastenzeit vorliegt, abhängig ist und das Prinzip der sola gratia die temporäre Überschreitung religiöser Gebote überflüssig macht, ¹²⁴ blieb die Adaption des augustinischen Zwei-Staaten-Modells für den liturgischen Kalender aus: Luthers Zwei-Reiche-Lehre entließ das Weltreich nicht aus dem Herrschaftsbereich Gottes,¹²⁵ sanktionierte aber umgekehrt auch nicht die eigenmächtige Verkehrung der gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien und den Kult des inversus mundus.¹²⁶ Folgerichtig kodifizierten die „evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts“¹²⁷ Fastnachtverbote. Einige Städte der Reformation wie Nürnberg oder Basel feierten dennoch Karneval, doch in den meisten reformatorischen Hochburgen wurde das Fest abgeschafft, weil das Karnevalslachen auch für die neue Ordnung eine Gefahr darstellte.¹²⁸ Dem Fastnachtverbot der Amtskirche zum Trotz entstand im evangelischen Raum eine eigene Tradition der Fastnachtdichtung.¹²⁹ Der moral- und volkspädagogische Impuls der Reformatoren, die Menschen an die „Wiederherstellung von
Vgl. Dreßen, Possen, 159 f. Moser, Schimpff, 278. Vgl. Regina Toepfer, Herodes und sein Narr, 436. Die spätmittelalterlichen Fastnachtspiele stellten die heilstheologische Ordnung auf den Kopf und inszenierten mit der Verhöhnung des christlichen Gottes und dem „lachenden Triumph des Teufels“ (Klaus Ridder, Erlösendes Lachen, 205) gewissermaßen eine dialektische Rechtfertigung des Bösen. Vgl. Volkhard Wels, Der theologische Hintergrund von Andreas Gryphius’ Absurda Comica, 386 und Toepfer, Herodes, 436. Vgl. Moser, Schimpff, 278. Toepfer, Herodes, 436. Moser, Schimpff, 273. Vgl. Auffarth, Alle Tage, 88. In Nürnberg verteidigte die Bürgerschaft letztlich vergeblich den Schembartlauf, einen karnevalistischen Protestmarsch, gegen den reformatorischen Prediger Andreas Osiander (1498 – 1552). Vgl. Auffarth, Alle Tage, 88 f. Die calvinistischen Reformatoren bekämpften die Charivari-Traditionen und Narrenabteien, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg (Davis, Die Narrenherrschaft, 131 f.). Vgl. Thomke, Jm schimpff, 90.
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Sitte und gesellschaftlicher Ordnung“¹³⁰ und die Disziplinierung der „Affekte und Triebe“¹³¹ zu gemahnen, verdrängte jedoch, z. B. bei Hans Sachs (1494– 1576), das „subversive Element“¹³² des „im Sinne eines gegenchristlichen Mythos“¹³³ delektarischen und triebökonomisch entlastenden Lachens. Glaubensernst und Gewissenserforschung ersetzten die hemmungslosen Späße, derben Witze und heiteren Obszönitäten der Fastnachtspieltradition.¹³⁴ Das Lachen übernahm wie in den humanistischen Schwankerzählungen¹³⁵ die Funktion, einen moralischen, religiösen oder politischen Sinneswandel zu erleichtern.¹³⁶ Im Zuschnitt auf kirchensatirische Belehrungsabsicht kündigte sich bereits die Ablösung der Gattung durch das Bibel- oder Schuldrama an,¹³⁷ das die Narrenfigur, Komik und Scherz bloß noch als katechetische Spiel- und Illustrationsfiguren verwendete.¹³⁸ Offiziell verfolgte der „protestantische Klerus“¹³⁹ das Programm einer Ausgrenzung performativer Elemente aus „Predigt und Ritus“¹⁴⁰. Unter calvinistischem, puritani-
Thomke, Jm schimpff, 90. Rusterholz, Fastnachtspiel, 259. Thomke, Jm schimpff, 89. Ulrich Müller/Klaus Wolf, Das neu entdeckte ‚Königsberger Fastnachtsspiel‘, 329. Vgl. Thomke, Jm schimpff, 93 ff. Wenn der Humanist Poggio Bracciolini (1380 – 1459) in seinem liber facetiarum tradierte Normen und Wahrheitsansprüche mit seiner pointenreichen Diagnostik noch spielerisch unterlief, dann ordnete die zunehmend narrative Fazetiendichtung Augustin Tüngers (1455 – 1486) und Heinrich Bebels (1472/73 – 1518) die witzige Pointe der moralischen Lehrabsicht unter (vgl.Werner Röcke, Lizenzen des Witzes, 96 ff.). Vgl. Thomke, Jm schimpff, 88. Fastnachtspiele waren fortan neben Flugblättern und Karikaturen ein ästhetisch-literarisches Mittel der Demaskierung kirchlicher Missstände, der antirömischen Polemik, wie bei Hans von Rüte (1500 – 1558), und der Unterweisung in evangelischer Frömmigkeit (vgl. Thomke, Jm schimpff, 89 f.). Vgl. auch II.3.3. Vgl. Thomke, Jm schimpff, 95. Der Protestantismus integrierte die spätmittelalterliche Fastnachtspieltradition, die besonders durch die Veranstaltungen der Handwerkergesellschaften in den Städten lebendig war, in sein konfessionell zugeschnittenes Schuldrama (vgl. Wels, Der theologische Hintergrund, 387). Der Nürnberger Hans Sachs, der Zürcher Jakob Rueff und der Augsburger Sebastian Wild schrieben Passionsspiele (U. Müller/K. Wolf, Das neu entdeckte, 331). Das evangelische Schultheater substituierte auch institutionell den Fastnachttermin, grenzte sich aber von der fastnächtlichen Volkstümlichkeit ab, indem es an den Abschied von „weltlichen Vergnügungen“ (Wels, Der theologische Hintergrund, 393) zugunsten wahrer spiritueller Freude appellierte (vgl. 393 – 398). Vgl. Thomke, Jm schimpff, 101 f. Schindler, Karneval, 145. Wolf, O, du fröhliche, 156.
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schem und pietistischem Regime verschwanden das Lachen und das Spiel von der Bühne.¹⁴¹ Vor diesem Hintergrund dürfte es kaum verwundern, dass die evangelische Kirche im Einklang mit der erasmianischen Sittenkritik¹⁴² auch den Brauch des Osterlachens (vgl. II.1.2) und den „Verfall der Predigtsitten“¹⁴³ bekämpfte: Die närrischen Erheiterungsrituale im Ostergottesdienst disqualifizierten schon die Reformatoren als „Symptom der gefallsüchtigen Volkspredigt“¹⁴⁴ und des Aberglaubens.¹⁴⁵ Der aufklärerische Protestantismus knüpfte an das reformatorisch-
Vgl. Thomke, Jm schimpff, 103. Im nachreformatorischen England wirkte die puritanische Theologie mit einer Fülle von Pamphleten – Mitte des 17. Jahrhunderts in London auch mit einigem Erfolg – auf die Abschaffung des Theaters als Schaubühne des frivolen und törichten Lachens hin, wie es z. B. in den Stücken Shakespeares und Ben Jonsons erschallte (vgl. Pfister, An argument, 215). Der Quäker Robert Barclay postulierte: „Denn Lachen, Spielen, Scherzen, Spoetterey, Possen und Gaukelwerk […] sind weder christliche Freiheit noch unschuldige Fröhlichkeit“ (Apologie oder Vertheidigungs=Schrift der wahren christlichen Gottesgelahrheit [1740], 698). Im Hamburger Opernstreit wandten sich die Pietisten entschieden gegen jedwede weltliche Vergnügungen, gegen „Theater, Tabak, Tanzen, Scherzen oder Spielen“ (Schörle, Die Verhöflichung, 107 f.). Der Gothaer Pietismus, der nach der Vollkommenheit der Wiedergeborenen strebte, schloss die „schönen Künste“ (108) wie das Drama oder die Schulkomödie und die weltlichen Vergnügungen aus dem Bereich der Adiaphora aus und berief sich dabei auf Speners Begriff von der Heiligung des Herzens und das Pauluswort in Eph 5,4, das er als Absage an den von Aristoteles legitimierten „höflichen Scherz“ (113) auslegte. Narrenkünste, Komödien und Schultheater begünstigen August Hermann Francke zufolge eine weltliche Heiterkeit, die mit dem Ethos der Buße nicht zu vereinbaren ist (vgl. 111). Francke sanktionierte nur das frui deo, weltliche Stoffe erachtete er als bloße Gebrauchsgegenstände, „die Freude an dem im Spiel stattfindenden Entzug von der Sphäre des Nützlichen“ (Roth, Sinn, 24) als sündhafte Zeitverschwendung. In seiner Schrift Ecclesiates (1555) verurteilt Erasmus das clownhafte Gestikulieren und die Grimassenschneiderei von Predigern (vgl. Bremmer/Roodenburg, Humor, 15). Er wendet sich auch gegen die Predigtmärlein und schwankhaften Elemente im Gottesdienst, für die es kein biblisches Vorbild gebe (vgl. Volker Wendland, Ostermärchen und Ostergelächter, 73 und Hanns Flucks, Der Risus paschalis, 197 f.). Thomas Cramer, Gottes-Scherz, 159. Schörle, Die Verhöflichung, 103. Die mitunter durch Obszönitäten erkaufte rituelle Heiterkeit provozierte den Baseler Disput zwischen den humanistisch geprägten Predigern Wolfgang Capito und Johann Oekolampad: Capito argumentierte, dass der risus paschalis den Menschen unterhalte und wachhalte und ihm damit einen Anreiz biete, in die Messe zu gehen (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 12– 20). Oekolampad, der an die Moralkritik der Humanisten Jakob Wimpfeling, Geiler von Kaysersberg und Heinrich Bebel anknüpfte (vgl. Wendland, Ostermärchen, 60 f.), geißelte die weibische Schamlosigkeit des Brauches, der der Tätigkeit der „fahrenden Spielleute“ (63) nachgeahmt sei und die Predigt zur Volksbelustigung degradiere (vgl. 68). Generell vertrage sich das Lachen als Ausdruck der „niederen weltlichen Sphäre“ (64) nicht mit dem Ernst der Heilsverkündigung. Capito fand durchaus Unterstützung bei einigen Bischöfen, – im Volk waren die österlichen Possen ohnehin
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pietistische Ethos an und setzte sein Programm einer anti-delektarischen Homiletik¹⁴⁶ erfolgreich um, so dass die Thematik des rituellen Lachens in den theologischen Debatten des 18. Jahrhunderts schon nicht mehr sehr präsent war und der Brauch des risus paschalis weitestgehend ausstarb.¹⁴⁷ In der katholischen Kirche fand das „liturgische Lachen“¹⁴⁸ dagegen noch größere Räume (vgl. II.3.3), wenngleich auch hier Dekrete gegen ausschweifende und bodenlose Fabulierlust erlassen wurden,¹⁴⁹ z. B. durch „das Laterankonzil von 1524 und die Konzilsbeschlüsse von Sienna und Mailand (1528; 1565)“¹⁵⁰ oder durch das Kölner Diözesanstatut von 1662. Die Gegenreformation setzte schel-
beliebt –, allerdings regte sich Widerstand unter den gebildeten Reformatoren (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 12– 20), der durch antipapistische Reflexe verstärkt wurde (vgl. Flucks, Der risus paschalis, 193). Der als „Chronist der Reformation“ (H. E. Keller, Lachen, 34) bekannte Johannes Kessler (1502– 1574) polemisierte gegen die Bettelorden, weil sie das Osterlachen in unwürdiger Weise forcierten. Der Sittenlehrer und Kosmograph Sebastian Franck (1534) verurteilte die Scherzrituale in der römisch-katholischen Kirche ebenso wie der Lutherschüler Johannes Mathesius (1563), der allerdings hinter den missbräuchlichen Auswüchsen den historischen Kern einer volkstümlich-illustrativen Katechetik erkannte (vgl. Wendland, Ostermärchen, 72/74 f.) und sich davon abgesehen in seiner eigenen Predigtpraxis nach dem Zeugnis Johann Balthasar Schupps geradezu als ‚Fabelhanns‘ gerierte (Flucks, Der Risus paschalis, 195). Die „offizielle Kirche“ glaubte zwar „gebildeten Lesern“ (Schörle, Die Verhöflichung, 101) Predigten zumuten zu können, die Fabeln und fiktionale Elemente enthalten, hielt jedoch eine theologische Scherzpraxis im Gottesdienstraum für inakzeptabel, wie ein Universitätsgutachten in Wittenberg 1658 unterstrich. So ist eine kritische Stellungnahme Johann Conrad Fueßlins in den Acta selecta Ecclesiae Augustinae von 1753 überliefert, die sich wiederum gegen obszöne Brauchtumspraktiken in katholischen Kirchen richtete (vgl. Flucks, Der risus paschalis, 202). Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 53. Schörle, Die Verhöflichung, 104. Nicht ohne Grund erhob die katholische Kirche das Osterfest zum höchsten Feiertag und nicht wie die Protestanten den Karfreitag (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 104). Vgl. Renate Zelger, Risus paschalis, 128. Bei der Verurteilung albernen Lachens im rituellen Rahmen handelt es sich um einen alten Topos der internen Kirchenkritik, den auch Dante in der Göttlichen Komödie, im 19. Gesang des Paradiso aufruft (vgl. Cramer, Gottes-Scherz, 159). Der Bischof von Verona, Gian Matteo Giberti (1495 – 1543), verurteilte Priester, die ihre Gemeinden durch amüsante Geschichten zum Lachen bringen (vgl. Thomas Cramer, Von einem, der auszog, die Welt kaputt zu lachen, 294). In der Predigt-Literatur war es zudem üblich, die ansteckende Wirkung des Lachens zu problematisieren und das Lachen der Gottesdienstbewohner neben dem Predigtschlaf zu den Verhaltensweisen zu rechnen, die von der Kanzel bekämpft werden müssten. In der Anstandsliteratur des 18. Jahrhunderts richtete sich die Kritik gegen die Höflinge, die ihre erlernte Selbstdisziplin im Gottesdienst vermissen ließen (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 99 ff.). Vgl. II.3.3. Zelger, Risus paschalis, 128.
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mische Erzählungen wie Till Eulenspiegel auf den Index (1554),¹⁵¹ zensierte kirchenkritische Komik, z. B. in Boccaccios Decamerone (1582) oder Castigliones Il Cortegiano (1584), und indoktrinierte Schelmenstücke wie die gedruckten beffa.¹⁵² Die „Modewelle“¹⁵³ der weltlichen Dichtung brandmarkte sie als Symptom der Unbildung und Geschmacklosigkeit. Auf der nachtridentinischen Linie verurteilte Papst Benedikt XIV. (1740 – 1758) unterhaltsame und schlüpfrige Geschichten in der Predigt und eine Regensburger Synode von 1853 untersagte die Verwendung komischer Literatur und grotesker Elemente im liturgischen Rahmen.¹⁵⁴ Wenn hier und dort noch die possenhaften Predigtmärlein im Umlauf waren, so verflüchtigte sich das Element des Obszönen bis Mitte des 19. Jahrhunderts.¹⁵⁵ Da das Konzil von Trient dem sittlichen Selbstregulierungsdiktat des Erasmus und der evangelischen Kultkritik folgte, denunzierte es die dionysischen Festkomponenten als heidnische Bräuche und rief dazu auf, Bilder, Reliquien und Feste im Dienste der Heiligenverehrung von sinnlichen und ekstatischen Elementen zu reinigen.¹⁵⁶ Unter dem Einfluss des Klassizismus distanzierte sich die kirchliche ‚Oberschicht‘ von Elementen der Volkskultur, dem transgressiven Kult des Scherzens,¹⁵⁷ den zügellosen Festivitäten¹⁵⁸ und unterleibgesteuerten Lachexzessen; sie zog sich vom närrischen Treiben zurück¹⁵⁹ und stärkte die Kirchenzucht.¹⁶⁰ Damit die „sakralen Orte“ und die „liturgischen Riten“ nicht mehr ins Spiel der karnevalesken Verkehrung gezogen werden, traf der Klerus allerlei
Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 95. Vgl. Burke, Grenzen, 71 f. Der Index von Papst Sixtus V. von 1590 umfasste sogar die FazetienSammlungen ‚moralistischer‘ Herausgeber (vgl. Burke, Grenzen, 73). S. Wolff, Todesverlachen, 199 f. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 29 und Flucks, Der Risus paschalis, 203. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 30 und S. Wolff, Todesverlachen, 221 ff. Vgl. Dreßen, Possen, 160 f. So wandte sich Robert Bellarmine, eine „führende Persönlichkeit der Gegenreformation“ (Burke, Grenzen, 73), gegen enthüllende, zum Lachen reizende Darstellungen von Heiligen. Viele Prediger des Barock wie Amandus von Grätz (1637– 1700) übernahmen das pessimistische Weltbild der gegenreformatorischen Kirche und prangerten die Oberflächlichkeit des Lachens an (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 102). Die Konzile von Trient (1545 – 1563) und Toledo (1633) erneuerten das Verbot der kirchlichen Narrenfeste (vgl. Matthiae, Clownin, 272); der gegenreformatorische Erzbischof von Mailand Carlo Borromeo verurteilte 1565 die Osterspiele (vgl. Burke, Grenzen, 73). Vgl. Schindler, Karneval, 138. In England polemisierte man 1541 „gegen die karnevaleske Wahl von Narrenäbten und Kinderbischöfen“, ein „Pariser Theologengremium“ verurteilte 1565 „die allenthalben üblichen komischen Gesellentaufen […] als Verspottung und Profanierung der Taufe“ (Cramer, von einem, 292). Vgl. Burke, Grenzen, 71 ff. und Johan Verberckmoes, Das Komische und die Gegenreformation in den Spanischen Niederlanden, 77 f.
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Maßnahmen, erließ Verbote, errichtete „rituelle Sperrriegel“ zwischen Fastnacht und Fastenzeit „wie die Verkirchlichung des Aschermittwochs“.¹⁶¹ 1608 wurde in Bayern sogar das „erste generelle Fastnachtsverbot“¹⁶² dekretiert. Die jesuitischen Studienordnungen im späten 16. Jahrhundert autorisierten das Schauspiel noch unter der Bedingung, dass es die „schwankhaften, fastnachtspielartigen volkssprachlichen Intermedien“¹⁶³ der Frühzeit entsorgte und den kirchlich-moralischen Lehrauftrag erfüllte, Vorbildfiguren in Szene zu setzen.¹⁶⁴ Jacques-Benigne Bossuet (1627– 1704), der unter den gegenreformatorischen Theologen einer der entschiedensten Verfechter eines reaktionären und restitutiven Kurses war, lehnte dagegen das Theaterspiel prinzipiell ab und brachte speziell die Komödie und das Lachen in Verruf, da sie die Fundamente des Glaubens untergraben.¹⁶⁵ Seine Argumentation erinnert an jene des Abt Jorge in Umberto Ecos Roman Der Name der Rose (1980):¹⁶⁶ Die Sündhaftigkeit des Lachens hängt nämlich laut Bossuet mit der evidenten Negativität des Leibgeschehens zusammen. Die hässliche Entgleisung der Gesichtszüge indiziert einerseits eine ästhetische Deformation,¹⁶⁷ andererseits verrät die Verselbständigung körperlicher Vorgänge die Verirrung und Gottvergessenheit des Geistes.¹⁶⁸ Die geistlichen Autoritäten, die „Provinzialkonzilien und Synoden“¹⁶⁹ der Gegenreformation übernahmen die strengen Regeln des Ignatius von Loyola oder der Beginen¹⁷⁰ und verurteilten das profane Lachen als moralisch fragwürdiges, eitles Vergnügen¹⁷¹ oder sogar als blasphemischen Mutwillen.¹⁷²
Schindler, Karneval, 139. Schindler, Karneval, 139. Christel Meier, Sakralität und Komik im lateinischen Drama der Frühen Neuzeit, 165. Bissige Satire im Stile des römischen Dichters Terenz oder ausgelassene komödiantische Späße hatten im Rahmen dieser Programmatik keinen Platz (vgl. Christel Meier, Sakralität, 165 f.). Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 111– 154. Der Benediktinerabt verurteilt das Lachen auch deswegen, weil es das Vergnügen am Missgebildeten, Hässlichen, Scheußlichen zum Ausdruck bringt und das ästhetische Gleichmaß des menschlichen Körpers ins Affenartige verzerrt (vgl. Kuschel, Christus, 108). Hugo von St. Viktor (ca. 1097– 1141) vertrat die gängige kirchliche Sicht, wenn er Grimassen generell als diabolische Entstellung der Gottebenbildlichkeit verurteilte (vgl. Velten, Scurrilitas, 214). Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 127 ff. Verberckmoes, Das Komische, 80. Der Bischof von Gent bestätigte 1645 die monastische Norm; Visitatoren rügten das Lachen im Krankenhaus und Schlaftrakt einer Benediktinerabtei und erwähnten Gerüchte über einen clownesk predigenden Priester (vgl. Verberckmoes, Das Komische, 80 f.). Papst Pius V. (1504– 1572) verbot in einem Dekret „unmäßiges Lachen in der Kirche“ (Burke, Grenzen, 73). Doch auch volkstümliche Literatur wie das in den Spanischen Niederlanden po-
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Auch im Protestantismus basierte der grundlegende moraltheologische Verdacht gegenüber dem Lachen auf der tradierten Dichotomie von spiritueller und weltlicher Freude.¹⁷³ Im elisabethanischen England, wo die theologische Zunft leidenschaftlich über das Lachen als ethisches Kardinalproblem diskutierte,¹⁷⁴ beriefen sich rigoristische Morallehrer auf Schriftzitate (Koh 2,2, Lk 6,25, Eph 5,4) und die „lachfeindlichen Kommentare der patristischen Tradition“¹⁷⁵. Der Puritaner William Perkins (1558 – 1602) nahm zwar in seiner Schrift Direction of the Government of the Tongue (1593) wie der anglikanische Theologe Thomas Jackson (1578 – 1640) die aristotelische Prädikation des homo ridens auf, insistierte aber auf der Notwendigkeit, die problematischen affektiven Impulse des Lachens einer strengen Regulierung zu unterwerfen,¹⁷⁶ um nicht der Schadenfreude, Obszönität, Maßlosigkeit und Blasphemie zu verfallen.¹⁷⁷ Im Wesentlichen unterschied sich die sittliche Direktive des Puritanismus gegen das Lachen aber nicht von der Haltung der Anglikaner¹⁷⁸ oder der christlichen Humanisten.¹⁷⁹ Es bedarf kaum der Erwähnung, dass auch der kontinentaleuropäische Calvinismus¹⁸⁰ mit seinem Askese-Ethos die Lachfeindlichkeit im protestantischen
puläre Büchlein Duyfkens ende Willemynkens pelgrimagie (1627) warnte vor dem eitlen Gelächter (vgl. Verberckmoes, Das Komische, 79). So lautet das Verdikt in Laurentius Beyerlincks Apophtegmata Christianorum (1608). Vgl. Verberckmoes, Das Komische, 81. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 16. Vgl. Pfister, An argument, 207. Pfister, An argument, 209. Mit ihrem Hang zu sittenstrenger Trübsinnigkeit und Bigotterie wurden die Puritaner oft Gegenstand des Spotts. So hat Shakespeare in Twelfth Night die Figur des Malvolio als Puritanerkarikatur angelegt (vgl. Pfister, An argument, 209 f.). Vgl. Pfister, Inszenierungen, 227 f. oder An argument, 208 ff. Jeremy Taylor (1613 – 1667), der Kaplan u. a. Charles’ I., griff auf die rhetorische Tradition zurück, wenn er das heilsame, wohltemperierte Lachen in harmonischer Gesellschaft vom „aggressiven Verlachen“ (Pfister, An argument, 211) der Satire abgrenzte; die anglikanischen Bischöfe ließen sogar im Jahr 1599 Satiren verbieten und verbrennen (vgl. 208). Im merkwürdigen Gegensatz zum kühnen und heiteren Narrenspiel im Lob der Torheit von 1509 verschärfte Erasmus im Kommentar zu seiner 1516 publizierten lateinischen Neuedition des Neuen Testaments die paulinische Kritik am eutrapelistischen Reden (vgl. Pfister, An argument, 208). In den reformierten Staaten des 17. Jahrhunderts hat sich „die streng reglementierte Kultur des sozial gestaffelten (Nicht‐)Lachens“ nicht zuletzt in der „niederländischen Porträt- und Genremalerei“ (Frans Hals, Jan Vermeer, Gerrit van Honthorst) niedergeschlagen, die das Lachen als Signum der „Unbeherrschtheit und Dummheit“ von „Kindern, unanständigen Frauen, Bauern und Fischern, Narren und Trunkenbolden“ (Frank-Ostarhild, Weiterlachen, 103) darstellt, die sich über die Vanitas ihres genussorientierten Lebenswandels hinwegtäuschen.Wenn das Cover dieses Buches also Frans Hals’ Der Rommelpotspieler (1618) zeigt, dann gilt es das Bildmotiv gewisser-
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Raum förderte.¹⁸¹ In Deutschland adoptierte der Pietismus die überlieferte Polemik christlicher Morallehrer gegen das Lachen.¹⁸² Die pietistische Glaubenslehre legte den Akzent auf Innerlichkeit und Herzensbildung, „innere Seelenruhe“¹⁸³ und Zufriedenheit. Ihr Welt-Pneuma-Dualismus, ihre Synthese von Glaubensernst und Askese in einem missionarischen „Arbeits- und Nützlichkeitsethos“¹⁸⁴, ihre Skepsis gegenüber dem ästhetisch Reizvollen und dem leibseelischen Genuss schlossen das Lachen als Ausdruck vitalen Überschusses aus.¹⁸⁵ Für August Hermann Francke konnte zwar die geistliche Freude im entzückten Lachen des Frommen über widerfahrene Segnungen ihren Ausdruck finden.¹⁸⁶ Auf der anderen Seite warnte Francke vor dem Lachen, das im Bunde mit unnützen Scherzereien und leichtsinnigen Possen oder anderen sündhaften Zerstreuungen steht.¹⁸⁷ In seinen XXX Regeln zur Bewahrung des Gewissens und guter Ordnung in der Conversation oder Gesellschaft (1689) geht er allerdings von der Möglichkeit einer sittlichen Strukturierung von Geselligkeit aus.¹⁸⁸ So beschreibt er die Möglichkeit eines zurückhaltenden Lachens angesichts einer zarten Gemütsregung.¹⁸⁹ Ähnlich wie Francke inkriminierte Ludwig Graf von Zinzendorf (1700 – 1760) die „Verbindung von Sexualität und Lachen“¹⁹⁰ in der schlüpfrigen Konversati-
maßen gegen den Strich zu lesen und das denunzierte Lachen als Ausdruck einer unverfälschten und sinnfälligen Vitalität wieder ins Recht zu setzen. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 104. Das Luthertum war dagegen, ehe die Orthodoxie die Diskurshoheit übernahm, weniger asketisch orientiert und erkannte den Wert der „natürlichen Freuden“ (Werner Elert, Morphologie des Luthertums, 399) und eines „kreatürlichen Lebensgefühls“ (403), ohne die Gefahren des Tanzes oder des Spiels zu leugnen. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 15. Schörle, Die Verhöflichung, 107. Busch, Verlorenes Lachen, 16. Daher enthält z. B. Johann Porsts (1668 – 1728) Theologia Practica regenitorum oder Wachsthum der Wiedergeborenen (1726), das „Standardwerk des Halleschen Pietismus“, nicht nur Warnungen vor ungezügelter Erheiterung, sondern auch „pädagogische Ratschläge“ (Prütting, Homo ridens, 879) zu ihrer Vermeidung. In diesem Geist ist auch die Historie der Wiedergeborenen von Heinrich Reitz (1655 – 1720), ein pietistischer Bestseller von 1698, geschrieben (vgl. 880). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 110 f. Francke bezeugt die überwältigende Freude in seiner Bekehrungsgeschichte, die sich wiederum an das Vorbild Augustins und Jakob Böhmes (1575 – 1624) anlehnt (vgl. Prütting, Homo ridens, 1792– 1799). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 110. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 17. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 110. Schörle, Die Verhöflichung, 120.
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on.¹⁹¹ Zinzendorf beschreibt – gewissermaßen prä-freudianisch – eine negative Psychodynamik:¹⁹² Der „unwillkürliche Ausbruch des Lachens“¹⁹³ verführt zum Mitlachen, wobei die Gewalt des Lachausbruchs umso heftiger ist, je mehr Anstrengung darauf verwendet wurde, ihn im Bewusstsein der eigenen Schwäche und unter dem merklich erhöhten Gewissensdruck zu vermeiden. Nicht nur verfällt der Lachende also der Sünde, das Sündenbewusstsein provoziert umgekehrt das Lachen.¹⁹⁴ Der Kontrollverlust des Lachens gefährdet das reglementierte, konstruktive, auf „gottgefällige Nützlichkeit“ abgestimmte Gespräch, in dem der „Austausch der Seelen und die Mitteilung der inneren Befindlichkeit“¹⁹⁵ im Vordergrund stehen.¹⁹⁶ Die sittlichen Normen des Pietismus waren für das Affektreglement und die Heiterkeitskultur des protestantischen Christentums verheerend: Maßgebliche pietische Erbauungsliteratur, ob Johann Arndts Bücher vom wahren Christentum (1610) oder Christian Skrivers noch im 19. Jahrhundert gelesenes Werk Gottholds zufällige Andachten (1667) denunzierten das Lachen als leiblichen Exzess und forderten seine Ausmerzung durch strenge Selbstdisziplinierung.¹⁹⁷ Zahlreiche Anstandsbücher übernahmen das Erbe der pietistischen Lachfeindlichkeit.¹⁹⁸ Die Deutungshoheit über das Lachen, die „englische Puritaner, […] Quäker, […] französische Jansenisten und Trappisten und [….] deutsche Pietisten“ in der „zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“¹⁹⁹ beanspruchten, kassierte zwar die Auf-
Zinzendorf war zwar theologisch dem Luthertum verpflichtet, übernahm jedoch nicht dessen großzügigere Haltung gegenüber dem Lachen (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 119). Vgl. in I.2.1 die Ausführungen zu Sandor Ferenczis psychoanalytischem Verstehensansatz. Schörle, Die Verhöflichung, 121. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 119 ff. Schörle, Die Verhöflichung, 122. Pietistische Mediziner wie Georg Ernst Stahl (1659 – 1734) stellten auch die therapeutische Wirkung des Lachens in Abrede und warnten vielmehr vor der gefährlichen Neigung des sanguinischen Temperaments, die „Lebenskraft zu zerrütten“ (Prütting, Homo ridens, 881). Zum radikalen pietistischen Spektrum zählt auch die Ablehnung der „aristotelischen Eutrapelie“ (Schörle, Die Verhöflichung, 116) bei Gottfried Vockerodt (1665 – 1727), die Verurteilung der possenhaften Maßlosigkeit des Lachens und der sittlichen Verdorbenheit amüsierbereiter Menschen in Ahasverus Fritschs Sündlichem Lacher von 1689 (vgl. 108 ff.) und der Rigorismus der Straßburger Pietisten um Johann Heinrich Krafft, die im frühen 18. Jahrhundert Aufsehen erregten (vgl. 117). Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 15 – 22. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 116. Gisela Matthiae berichtet von der Dynamik der Erheiterung bei einer Pfarrwitwentagung, die das tradierte protestantische Anstandsdiktat offensichtlich, wie die Teilnehmerinnen bestätigten, unterlief (vgl. Wo der Glaube ist, da ist auch Lachen, 80 f.). Schörle, Die Verhöflichung, 105.
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klärung im späten 18. Jahrhundert wieder ein. Doch vor allem in pädagogischen Anschauungen wirkte die pietistische Dämonisierung fort, das „literarische Motiv“²⁰⁰ des unnützen, metaphysisch „verdächtigen Lachens“²⁰¹ zeugt von der psychohistorischen Internalisierung der Lachverbote. Zudem hielt im 19. und noch lange im 20. Jahrhundert Kants Pflichtenethik das Bewusstsein von der sittlichen Norm aufrecht und stabilisierte damit die rationalistischen Ausschlussmechanismen.²⁰² Noch im Jahr 1948 grenzte der katholische Theologe Heinrich Suso Braun in seiner Erbauungsschrift Vom Humor der Christen den christlichen Humor von weltlichen Späßen und scherzhaftem Lachen ab.²⁰³ Der protestantische Theologe Hans Bruns rechtfertigte in seinem Kommentar zur Übertragung des Neuen Testaments (1961) die paulinische Ablehnung von Zoten und Witzen in Eph 5,4 als eine sittliche Haltung²⁰⁴ und noch der evangelische Pfarrer Friedemann Richert verurteilt in seiner Kleinen Geistesgeschichte des Lachens von 2009 „billige Possenreißerei“²⁰⁵ und „törichtes Lachen“²⁰⁶ und erkennt nur jenes Lachen an, das die vernünftige Ordnung wiederherstellt. In merkwürdigem Widerspruch zu dieser Argumentationslinie räumt Richert zwar zuletzt ein, dass das Lachen auf einen Sinnbereich verweist, der jene Ordnung transzendiert, dass es, m. a. W., das Mysterium und das Heilige berührt.²⁰⁷ Indem er jedoch die
Busch, Verlorenes Lachen, 21 f. Das Leiden an der pietistischen Inkriminierung des Lachens thematisierten z. B. Ulrich Bräker in seiner Autobiographie Lebensgeschichte und Natürliche Ebenteuer des Armen Mannes im Tockenburg (1788/89) oder der autobiographisch gefärbte Roman des Karl Philipp Moritz Anton Reiser (1785 – 1790). Hans-Ulrich Treichel legt in seiner Erzählung Der Verlorene (1998) vom lachfeindlichen Erbe der pietistischen Religiosität noch einmal Zeugnis ab (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 19/22). Hertha Müller hat den Widerstand des Lachens gegen religiöse Lachfeindschaft so beschrieben: „Sie schlugen mich, weil sie nicht begriffen, dass Lachanfälle nichts mit Freude zu tun haben, sondern Fallen sind. Sie schnappen zu, und man muss sich abwärts lachen. Und sie verknoten den Nerv, den man glatt haben müsste für den Halt. Im Lachanfall vergrößert sich der Schrecken. Und nach dem Lachanfall dann diese schockierend klare Stille, wie ein Glasauge schaut sie einen an – diese wahllos selbstzugefügte, splitternackte Blamage“ (Schau, wie sie lachen, Nein, sie weinen. In: NzzFolio, Humor/ November 2002). Vgl. auch I.3.2. Busch, Verlorenes Lachen, 21. Vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 195. Vgl. Suchomski, Delectatio, 22 f. Vgl. Prütting, Homo ridens, 240. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 151. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 157. Zur neueren Kritik an der Zersetzung eines sittlichen oder liturgischen Ernstes durch die epidemische Ausbreitung der Spaßgesellschaft vgl. Kaiser, Lachwurz, 289 ff. Vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 155 ff.
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„Erfahrung des Heiligen“²⁰⁸ an die antike Eutrapelie zurückbindet und damit an eine „Balance zwischen schönwendigem Lachen und gesitteter Bildung“²⁰⁹, domestiziert er jene und das Lachen zugleich. Richerts kulturprotestantisches Heiterkeitsideal zeugt vom Elend der theologischen Ethik des Lachens, die eine durch vitalen Überschuss und dionysische Entgrenzung gekennzeichnete Äußerungsform viele Jahrhunderte lang verfemte und nun durch Ästhetisierung und Sublimierung zu bewältigen sucht.
1.2 Die Befreiung des Eros und die dionysische Spiritualität: Motivische und rituelle Spuren in den Offenbarungszeugnissen und in der Kirchengeschichte Im sittlichen Koordinatensystem der christlichen Hochkultur war das Lachen, das körperlicher, kulinarischer und sexueller Lust entspringt, als teuflisch-vitalistische Affirmation der „irdischen Existenz“²¹⁰ negativ markiert. Seine Verdrängung hängt daher eng mit der Tabuisierung der Leiblichkeit und des Todes als Fatum der Endlichkeit zusammen.²¹¹ Daher bringt das Lachen stets auch das Erschrecken des Menschen über den Bruch der Tabus zum Ausdruck und befreit ihn zugleich von jenem existenziellen Schuldkomplex, den ihm das Christentum vererbte.²¹² Doch es existiert zweifellos eine Gegen-Erzählung zur Verbots- und Verdrängungsgeschichte des Lachens im christlichen Kulturkreis. Sie beginnt mit dem Namen eines jüdischen Stammvaters: ‚Isaak‘ bzw. ‚Jitschak‘ oder ‚Jizchak‘ (vgl. II.1.3) entstammt der Wurzel ‚zachaq‘, einem hebräischen Denotat für das Lachen.²¹³ Das Lexem enthält Bedeutungskomponenten des Tanzes,²¹⁴ des
Richert, Kleine Geistesgeschichte, 155. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 157. Jansen, Scherz, 17. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 128 f. Während das Lachen die Sphäre des Todes berührt und durchschreitet und als Expression des Körpers die Sterblichkeit des Menschen gewärtigt, verkennt die christliche Norm die unaufhebbare Vergänglichkeit des menschlichen Seins und grenzt den Tod aus der Sphäre des Heils aus. Vgl. George Bataille, Der heilige Eros (1963) und Hüttinger, Die Kunst, 127 f. Vgl. René Voeltzel, Das Lachen des Herrn, 26. Es bezeichnet z. B. die Vergnügungen beim Tanz um das goldene Kalb (Ex 32,6). Vgl. Hasselhoff, Lachen, 10.
1.2 Die Befreiung des Eros und die dionysische Spiritualität
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Scherzes und sexuellen Vergnügens:²¹⁵ In Gen 26,8 bezeichnet es das schlüpfrige Spiel Isaaks mit Rebekka²¹⁶ und verknüpft somit ihr Lachen und ihre erotische Annäherung.²¹⁷ Die jüngere im Hebräischen gebräuchliche Verbform für das Lachen (‚sekaq‘) hat ein ähnliches semantisches Spektrum,²¹⁸ sie bringt – gleichermaßen onomatopoetisch²¹⁹ – das „körperliche Lachen“²²⁰ zum Ausdruck, das in der Festgemeinschaft,²²¹ beim Trinken und Scherzen, Tanzen und Spielen erschallt, ein Lachen, das von Spott oder Freude gefärbt sein kann.²²² Zachaq ist in frühen Texten insgesamt 14 Mal bezeugt, in sieben Fällen enthält es die Nebenbedeutungen ‚tändeln‘, ‚scherzen‘, ‚liebkosen‘ (vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 46 und 161). Vgl. die Belegstellen bei Richert, 161. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 26 und Schroer/Staubli, Weinen, 501. Die Alte Kirche, allen voran Clemens von Alexandrien, hat die Genesisepisode allegorisch gedeutet und Isaaks Lachen typologisch auf die Osterfreude bezogen: Das Spiel mit Rebekka versinnbildlicht die Übernahme der „Freude über die Erlösung“ in die „Gemeinschaft der Glaubenden“ (Alexander Jaklitsch,Verurteilt das Christentum das Lachen?, 43). Diese Auslegung haben mittelalterliche Theologen, u. a. Hildegard von Bingen, übernommen (vgl. II.3.1). Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 501. In Gen 21,9 ruft das Verhalten Ismaels, in dem man spielerischen Mutwillen und lachenden Spott vermuten darf, aufgrund seiner symbolischen Brisanz den Zorn Saras hervor (vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 499 und Voeltzel, Das Lachen, 26/ 28). Laut G. M. Martin vermittelt ‚zachaq‘ eine Ahnung von den aggressiv-libidinösen, ekstatischen, abgründigen Kräften des Lachens (vgl. Zur Idee, 381 f.). Vgl. die insgesamt 49 Belegstellen zum vor allem in der Exils- und der Weisheitsliteratur begegnenden ‚sekaq‘ bei Richert, Kleine Geistesgeschichte, 161 f. Vgl. Jaklitsch, Lächelnd, 110. Hasselhoff, Lachen, 10. Jeremia erinnert sich sehnsüchtig an die Feste, die Israel in besseren Zeiten feierte (30,19; 31,4). Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 501. Wenn man davon ausgeht, dass die Mahlgemeinschaften Jesu „im Rahmen der […] jüdischen Wallfahrtsfeste“ zelebriert wurden und Anleihen an der Feierkultur der „griechischen Symposien“ (509) nahmen, dann werden auch sie dem übermütigen, zügellosen Lachen Räume geöffnet haben. Ohnehin erscheint es unwahrscheinlich, dass der historische Jesus, der herzlichen Umgang mit Kindern pflegte, an Festen und Tischgemeinschaften teilnahm und nach Ansicht seiner Gegner alles andere als asketische Maßstäbe walten ließ, resistent gegen das Lachen war (vgl. Kuschel, Lachen, 129 f.). So halten es Henning Schröer (Lachend ins gelobte Land, 6) und P. L. Berger (Erlösendes Lachen, 234) für selbstverständlich, dass Jesus auf der Hochzeit zu Kana gelacht hat (vgl. zur gegenläufigen Lesart Hans Conrad Zander, Darf man über Religion lachen?, 32). Bernhard Lang hat die These aufgestellt, dass die Abendmahlsfeiern in den frühen paulinischen Gemeinden dionysischen Charakter hatten (vgl. Heiliges Spiel, 409 – 421). Bevor sich mit den Anweisungen an Timoteus der belehrende Gottesdienst durchsetzte, bestimmten „Frauen mit offenem Haar“, die „mänadischem Brauch folgten“ (413 f.), Trunkenheit, „Trance und Ekstase“ (415) den Charakter des Herrenmahls. Das 2. Buch Samuel (2,14 f.) erwähnt das Scherzen „zum Zeitvertreib“ (Schroer/Staubli, Weinen, 506) und die scherzhaften Frivolitäten, die sich David bei einer Prozession erlaubt (6,14 ff.). Nach 2 Sam 6,20 – 23 missbilligt der Gott Israels ausdrücklich die Kritik Michals an der exhibitionistischen Ausgelassenheit Davids, wenngleich jene die Kultetikette und das Sittlich-
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1 Lachen im Zeichen von Sexus und Eros
Die Verknüpfung von „Liebe, Lust und Lachen“²²³ qualifiziert in der Geburtsgeschichte Isaaks den göttlichen Schöpfungsakt selbst:²²⁴ Das Lachen Saras, für Jürgen Ebach eine kokette, „kicherige Erinnerung an die Lust“²²⁵, kommentiert die Verheißung der sexuellen Potenz, die Sara aufgrund des „hohen Alters“ der Verheißungsempfänger bezweifeln muss; es lässt somit die sexuellen Motive der „Zeugungskraft […] und […] Gebärfähigkeit“²²⁶ anklingen. Die göttliche Namensgebung²²⁷ verleiht dem mit erotischem Hintersinn versehenen Lachen den Rang²²⁸ eines bundestheologischen Performativs.²²⁹ Der Alttestamentler Alfred Jeremias (Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients, 1916) hält fest, dass das Geburts-
keitsempfinden Israels repräsentieren dürfte (Othmar Keel, Die Weisheit „spielt“ vor Gott, 28 f.). Otmar Keel (36 f.) erkennt in der altägyptischen Hathor-Episode (vgl. I.2.3) ein religionsgeschichtliches Vorbild für Davids Entblößung und in der scherzenden Weisheit das biblische Äquivalent (vgl. 21 f. und II.1.3). Zum „kultischen Tanz“ (18) der Frauen Israels vgl. Ri 11,34 und 1 Sam 18,6. S. Wolff, Todesverlachen, 87. Schon Philo von Alexandrien (15/10 v.Chr. – 40 n. Chr) hat das Lachen, das mit dem Namen ‚Isaak‘ verknüpft ist, in diesem Sinne gedeutet: Es sei mehr als bloß ein körperliches Zeichen wahrhaftiger Freude. Denn wenn „Gott der Schöpfer des Lachens“ (Hasselhoff, Lachen, 14) ist, dann weist er den Neugeborenen mit jenem Namen als Sohn Gottes aus. Ein jüdischer Midrasch hat sich dieser Auslegung, die Sara typologisch mit der Jungfrau Maria in Beziehung setzt, entgegengestellt (vgl. Matthias Morgenstern, Humor in Talmud und Midrasch, 124– 127). In der christlichen Kulturgeschichte erwies sich die Genesis-Rahmenerzählung von Isaaks Geburt gleichwohl als der einzige biblische Text neben dem Gleichnis von den törichten Jungfrauen, der die „szenische Schilderung irdischen Gelächters“ (Rehm, Zur Geschichtlichkeit, 648) im Bild erlaubte oder nahelegte. Jürgen Ebach, „Nein, du hast doch gelacht“, 76. R. M. Schneider, Nachwort, 94. Der Name ‚Isaak‘ deutet auf das Beziehungsgeschehen des Lachens, insofern als er mit „Er, der Vater (Abraham) lacht“ oder mit „Es, das Kind (Isaak) lacht“ (Richert, Kleine Geistesgeschichte, 63) übersetzt werden kann. Eduard Norden stellte das heitere, strahlende Lachen des ‚göttlichen Kindes‘ in eine religionsgeschichtliche Tradition (vgl. Die Geburt des Kindes, 59 – 72). Martin Noth hat in seiner Studie (vgl. Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namensgebung, 210) eine weitere Übersetzungsvariante vorgeschlagen, indem er Jis’chak als Kurzform des Namens Jis’chak-El deutet und damit Gott selbst zum Subjekt des Lachens macht. Sublimierungszwänge, die aus dem skandalösen Potential des Lachens resultieren, haben die Übersetzungspraxis beeinflusst. Gen 9,18 – 29 berichtet, wie Ham seinen Vater Noah betrunken und nackt erblickt und seinen Brüdern von dem Vorfall erzählt. Die Übersetzungen der Lutherund der King-James-Bibel unterschlagen jedoch die sittlich und sippenethisch brisante Nebenbedeutung, dass Ham angesichts des peinlich-amüsanten Anblicks vom Reden ins Lachen verfiel (vgl. Grotjahn, Vom Sinn, 32 f.). Vgl. II.3.1. Vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 95 f.
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und Fruchtbarkeitsmotiv in Saras Lachen den Beginn einer „neuen Zeit“²³⁰ markiere. Die johanneische Kyrios-Prädikation schreibt gewissermaßen diese Motivik fort: Die sprachliche Wurzel ‚kew‘ enthält nämlich die Bedeutung von ‚befruchtet, schwanger sein‘²³¹. Der inkarnierte Gott ist damit als der „elementar Lebenskräftige“ ausgewiesen, die „Zuwendung Gottes zum Menschen“ mit dem Vorgang von „Zeugung und Geburt“²³² ineins gesetzt. Lukas variert in 1,44 den „mythischpoetischen Topos“, der die „Zeit der Erneuerung, der Fruchtbarkeit, der Geburt und Wiedergeburt […] eine Zeit des Lachens sein lässt“.²³³ Trotz der Abgrenzung von benachbarten Kulten und Synkretismen haben sich zudem Spuren der dionysischen Religiosität in das Gottesbild Israels deutlich mehr eingegraben, als es den Kirchenvätern, „die vom sittlichen Ideal der Stoa, dem Ideal der Leidenschaftslosigkeit des Weisen herkamen, in dem Einsicht und Wille das irrationale Gefühl beherrschen und überwinden“, lieb war: „Der Gott des Alten Testaments, der zürnt, mitleidet, liebt, schien manchmal näher bei den Göttern der überwundenden Religionen als bei dem hohen Gottesbegriff der antiken Philosophie angesiedelt, durch den der Durchbruch des Monotheismus in der Welt des Mittelmeeres möglich geworden war“.²³⁴ Wenn das Neue Testament von der leidenschaftlichen Emotionalität Jesu von Nazareth erzählt, von seinem göttlichen Zorn, richtenden Furor und seiner abgrundtiefen Traurigkeit, dann implantiert es das dionysische Element in den inkarnierten Logos.²³⁵ Darüber hinaus verdient die prominente Rolle des Esels in der Heilsgeschichte Aufmerksamkeit:²³⁶ Tatsächlich kann der Esel, dem neben anderen Eigenschaften wie dem Eigensinn Geilheit und Lüsternheit zugeschrieben wurden, als eine Symbolfigur für die Integration des Eros in die heilsgeschichtliche Erzählung gelten.²³⁷ Im jüdisch-christlichen Überlieferungszusammenhang sind
Wendland, Ostermärchen, 111. Vgl. Gerhard Blocher, Gottes Lachen im Leichenzug der „Kirche“, 104. Blocher, Gottes Lachen, 104. Kuschel, Lachen, 125. Die schwangere Elisabeth ruft aus: „Denn siehe, da ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte mit Freuden das Kind in meinem Leibe“ (Luk 1,44). Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth, 680. Vgl. Ratzinger, Jesus, 680. Vgl. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 23 – 47. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 34. Die ägyptische Religion importierte Israels Jahwe-Gott und bezeichnete ihn mit dem koptischen Wort für den Esel (vgl. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 31 f.). So wurde der „ägyptische Judengott“ (31) an die Seite anderer Götter in Eselsgestalt gestellt und in die Nähe des Dionysos gerückt.
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Spuren der dionysischen Kultsymbolik²³⁸ bewahrt: So deutete das Judentum „Eselsträume als Ansage messianischen Heils“, eine Verheißung, die sich nach neutestamentlichem Zeugnis mit „Christus auf dem Palmesel“ erfüllte, der als „jüdischer Dionysos“²³⁹ nach Jerusalem einreitet (u. a. Joh 12,12 – 19). Der Palmesel Jesu versinnbildlicht den „dionysischen IA-Sager“²⁴⁰: In der „heiligen Zweifaltigkeit von Gott und Esel“²⁴¹ ereignet sich der „Aufstand der Leiber“²⁴². Der zornige Protest des Gottessohnes gegen die „gesellschaftliche Organisation“ der Abspaltung des Leibes (vgl. II.2.4) und der Enthusiasmus des Griechengottes für „das rauschhafte Eins- und Ganzwerden des zersplitterten Menschen“²⁴³ halten sich die Waage. Entgegen der pejorativen Bedeutung, die der wilden Sinnlichkeit des Esels schon von den frühchristlichen Mönchen Hilarion (291– 371) und Paulinus (354– 431) beigemessen wurde und die dem antik-mittelalterlichen Brauch zugrunde liegt, die „Ehebrecherin […] zur Strafe verkehrt auf einem Esel sitzend durch die Stadt reiten“²⁴⁴ zu lassen, könnte das Christentum wieder an die Idee anknüpfen, dass der reitende Messias den „sinnlich-anschaulichen Anspruch“ erhebt, die Kluft zwischen „Mensch und Natur“²⁴⁵ zu schließen, indem er den leiblichen Aufstand des Tieres heiligt und auch der „zerrissenen Kreatur“²⁴⁶ die Auferstehung des Leibes zusagt.²⁴⁷ Mehr noch: Die Verwachsenheit des Göttlichen und Animalischen könnte als Sinnbild für eine bereits im Hier und Jetzt wenigstens punktuell erlebbare Verschmelzung von Geist und Leib gedeutet werden. Im Mittelalter richtete sich die literarische, theatrale und rituelle Performanz des Lachens nach einer Ästhetik der Transgression, die Sakralität und Profanität in spannungsreicher Weise aufeinander bezog und unterhalb des Radars der or Als Repräsentant des Phallischen war der Esel kultfähig: Die Wildeselgespanne bei der „großen Dionysos-Prozession des Ägypterkönigs Ptolemäos II.“ oder die Eselsköpfe über den „römischen Ehebetten“ (Wyss, Der gekreuzigte Esel, 34), denen man Fruchtbarkeitszauber unterstellte, zeugen davon. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 34. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 45. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 47. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 38. Auch Bileams Eselin trotzt in ihrem komischen Eigensinn den – so Stephan Wyss – „nekrophilen Begriffsakrobaten der Wissenschaft und kalkulierenden Zweckrationalisten von Wirtschaft und Politik“ (Wyss, Der gekreuzigte Esel, 43). Wyss, Der gekreuzigte Esel, 46. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 35. Vgl. auch Davis, Die Narrenherrschaft, 109 ff. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 46. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 12. Die Auferstehung der Leiber wäre als Entschädigung für die gnostische Spaltung „in die asketische und die laszive Gestalt von Mönch und Satyr, von Arbeits- und Freizeitleib“ (Wyss, Der gekreuzigte Esel, 39) zu verstehen.
1.2 Die Befreiung des Eros und die dionysische Spiritualität
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thodoxen Normativität pikante Berührungspunkte von Eros und Ethos schuf. So provozierten die Märtyrerlegenden und hagiographischen Lesedramen Hrotsvids von Gandersheim (geb. ca. 935) durch die anti-machistischen Reibungen und Zündungen des Heiligen und Sexuellen²⁴⁸ ein desavouierendes Gelächter über irregeleitete männliche Triebwünsche, das allerdings noch mit antiheidnischer Polemik aufgeladen ist.²⁴⁹ Die sexuellen Gelüste auf der Reibungsfläche von „heiligem Ernst und Komik“ erhellen nicht nur karikaturistisch die Lächerlichkeit des „paganen Christenverfolgers“²⁵⁰, sondern auch die Gefährdung des Glaubens durch innere Dämonen. Die altfranzösischen Schwankerzählungen pflegten dagegen umgekehrt Ordensgeistliche, Priester und Bischöfe zu karikieren, indem sie deren „burleske Abenteuer, […] peinliche Entdeckungen“²⁵¹ und sexuelle Verirrungen vorführten. Die Motivik des lüsternen Mönchs und ehebrecherischen Priesters schürte gerade deswegen Lachreize, weil ihr die „Opposition zwischen der Erhabenheit des moralischen Anspruchs und der Niedrigkeit der körperlichen Realität“²⁵², der grelle Kontrast zwischen dem geistig-moralischen Anspruchsprofil des Berufsstandes und der „unkontrollierbaren Libido“²⁵³ des einzelnen Geistlichen zugrunde liegt. Die Fabliaux-Autoren, die sich mit den clerks, Geistesverwandten der mittellosen und machtlosen Spielleute, ein „idealisiertes Abbild“²⁵⁴ schufen, verfolgten zwar keine antiklerikale Wirkungsabsicht. Doch inszenierten sie ein karnevaleskes Jongleurspiel mit einer „literarischen Klischeefigur“²⁵⁵ und ermöglichten dem Zuhörer die Identifikation mit dem „geprellten Mitbürger“²⁵⁶, der Rache am ehebrecherischen Priester üben darf und vom wehrlosen, ‚kleinen Mann‘ zum „siegreichen Helden“²⁵⁷ avanciert. Damit eröffneten sie den Raum für
Hrotsvid bedient sich zwielichtiger Motive und Figuren wie der „unkeuschen Liebe“, der Verführung, der Hetäre und der„Heiligen im Bordell“ (Wehrli, Christliches Lachen, 21). Vgl. Wolfgang Maaz, Das Lachen der Frauen vor des Teufels Küche, 135/146 ff. In der Verslegende über den jugendlichen Pelagius gibt der „christliche Tugendheld“ (Maaz, Das Lachen, 138) und spätere Märtyrer den Annäherungsversuch des tyrannischen Kalifen mit einer beleidigenden Geste der Lächerlichkeit preis und triumphiert mit höhnischem Gelächter über den als triebhaften Päderasten überführten Widersacher. Pelagius’ Lachen ist zwar von satanischer Aggressivität durchdrungen und wirkt doch ungeheuer befreiend (vgl. 137 ff.). Christel Meier, Sakralität, 172. Karin Becker, Der Priester als Gerant des Gelächters, 68. Becker, Der Priester, 67. Becker, Der Priester, 71. Becker, Der Priester, 73. Becker, Der Priester, 74. Becker, Der Priester, 69. Becker, Der Priester, 74.
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ein Gelächter gegen die Furcht vor den repressiven Autoritäten, ein kathartischbefreiendes, letztlich allerdings systemstabilisierendes Gelächter.²⁵⁸ Immerhin gibt es in der mittelalterlichen Schwankliteratur auch Beispiele für eine tendenziell subversive Komik, die als Gegenkommentar zur zölibatären Lustfeindlichkeit und Andeutung einer anthropologischen Wertschätzung der Sexualität gelesen werden kann.²⁵⁹ Die Unterwanderung der „sakralen Sphäre“²⁶⁰ durch die Komik der Banalität oder des Sexuellen stellt ein wirkungsästhetisches Movens vieler mittelhochdeutscher Mären dar. In der höfischen Minnedichtung sind Sakralisierung und
Vgl. Becker, Der Priester, 74. Auch die Vagantenlyrik in der Carmina Burana (11.–13. Jht.) zeugt davon, wie sehr „Witze über geile Mönche, verfressene Pfaffen oder unkeusche Nonnen“ (Rusch, Der Lachtherapeut, 123) im katholischen Kulturraum goutiert wurden (vgl. auch Zander, Darf man, 16 f.). In den Passauer Klerikalschwänken, einer Gruppe von Schwanksammlungen über den Pfarrer vom Kalenberg, die Philipp Frankfurter ein halbes Jahrhundert vor der Reformation veröffentlichte, macht der im Geist und mit den Methoden der Spielleute unterhaltende Kalenberger die Einfältigkeit, Lasterhaftigkeit und Bigotterie der kirchlichen Würdenträger zum Gegenstand des Gespötts (vgl. Ralph Breyer, Die Herrschaft zum Lachen bringen, 76). Die Ausstattung der „harmlosen Klerikerfigur mit den Zügen eines listigen und burlesken Possenreißers“ (Velten, Scurrilitas, 384) erklärt wesentlich die Attraktivität der Figur, die Rudolf Velten als „Priester-Narren“ (397) bezeichnet hat, da sie mit ihren obszönen Ritualparodien und Tabubrüchen die profane und sakrale Sphäre spannungsreich in Beziehung setzt. Der Priester nimmt die Gestalt eines „närrischen Triebwesens“ (398) an, das magisch-euphorisierende Kräfte besitzt. Seine blasphemischen und sittlich anstößigen Akte holen das Ausgegrenzte in die „liturgische und höfische Ordnung“ (398) hinein und fungieren als vitalistischer, apotropäischer Impuls. Das „entheiligende Spiel“ (400) des Kalenbergers entspricht dem inversiven Code der karnevalesken Kirchweihfeste. Die Verunreinigung der sakralen Sphäre im Spiel hat jedoch den paradoxen psychologischen Effekt einer Reinigung und stabilisiert somit zuletzt die normative Ordnung (vgl. 401). Der Pfaffe Amis, den Ralph Köhnen als einen auch kirchliche Laster bloßstellenden „Vorfahren des Till Eulenspiegel“ (Das Lachen, 63) bezeichnet, oder der „lustige Klosterbruder“ Friar Tuck, ein „Verehrer guter Speisen“ (Burke, Helden, 202), waren ebenfalls als schelmische Anti-Helden populär. So spielt die dem späten 13. Jahrhundert entstammende Schwankmäre Die Teufelsacht mit der Komik, die der theologisch-juristische Ehevollzugsgedanke enthält, wenn die gerade entjungferte sexuell unerfahrene Braut ihn arglos rekapituliert (vgl. Johannes K. Kipf, Mittelalterliches Lachen über semantische Inkongruenz, 124– 127). Im alemannischen Häslein aus dem späten 13. Jahrhundert kann sich der Minneritter in dem Moment, da das Mädchen, das sich immer noch für jungfräulich hält, bei seiner Hochzeitsfeier mit dem Symbol der gemeinsam „genossenen Liebesfreuden“ (117) erscheint, ohne sich dessen bewusst zu sein, vor Lachen nicht mehr halten. Das Gänslein dagegen, ein seit dem frühen 14. Jahrhundert verbreiteter Schwank, lenkt zwar zunächst das Spottgelächter auf den weltfremden und sexuell unkundigen Mönch, wendet sich am Ende jedoch kritisch gegen eine Auflockerung monastischer Sexualmoral (vgl. 120 ff./127). Kipf, Mittelalterliches Lachen, 111.
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komische Profanisierung „direkt aufeinander abgestimmte literarische Strategien“²⁶¹, um entweder die idealistischen Minnenormen ex negativo zu bestätigen oder sie parodistisch zu anthropologisieren.²⁶² So begründet die komische Hyperbolik das Minneverhältnis neu als „ethisches Modell“, das die Erfahrung „sinnlicher Schönheit“²⁶³ und erotischen Spiels mit der Hochgestimmtheit der Ritter-Aventiure und der Beständigkeit des Minnesängers vereint.²⁶⁴ Das Lachen beglaubigt die erzählerische Wendung des Minneschwanks zum „utopischglücklichen Ende“²⁶⁵. Im hohen Mittelalter, als die Städte sich zu kulturellen Zentren entwickel²⁶⁶ ten und die Gesellschaft sich im Spiegel von „Satire und Parodie“²⁶⁷ zu erkennen begann, gedieh vor allem im universitären Umfeld eine Mentalität der Genussfreude und Spottsucht, die vor der Profanisierung des Heiligen nicht zurückschreckte: Es gab Persiflagen kirchlicher Lehren und Profitsucht, parodistische „Säufer- und Trinkermessen“²⁶⁸. Schlüpfrige weltliche Literatur erfreute sich sogar im monastisch-klerikalen Kontext einer gewissen Beliebtheit.²⁶⁹ Der Minorit Salimbene de Adam (1221– 1288) fügte in seine Chronik allerlei Vagantenlieder und „derbe Scherze“²⁷⁰ ein. Das sogenannte „Liebeskonzil von Remiremont“, eine Parodie des Evangeliums, stellte „unter Beachtung aller synodaler Formen“²⁷¹ die Liebesfähigkeit von Klerikern auf den Prüfstand. Mit der „Abtei von Thélème“ ²⁷², einer Episode in François Rabelais’ Gargantua, nahm nicht nur eine „karnevaleske Jungmännerutopie“²⁷³, sondern auch ein
Hans Rudolf Velten, Sakralisierung und Komisierung im „Frauendienst“ Ulrich von Liechtensteins, 121. Vgl. Velten, Sakralisierung, 143 f. Velten, Sakralisierung, 144. In Ulrich von Liechensteins Frauendienst (1255) kontrastiert die „Selbststilisierung“ des Protagonisten zum „Minne-Märtyrer“ (Velten, Sakralisierung, 143) oder sogar „Minne-Heiland“ (124) mit dessen „körperlich-schwankhafter Unzulänglichkeit“ (143). Die burleske Schilderung des „Scheiterns der Vereinigung“ (136) und die Parodierung von Minnenormen in den „Rollen des Minnetoren, der Frau Venus oder des Clowns“ (144) lassen jedoch umso deutlicher den sakralen Status von Minnedienst und Minnedame hervortreten. Im zweiten Teil des Frauendienstes profiliert die parodistische Engführung von „christlichen und minne-erotischen Elementen“ (142), von „Pilgerreise und Minnelohn“ (143) eben jene Sakralität. Kipf, Mittelalterliches Lachen, 120. Vgl. auch I.3.3. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 142 f. Le Goff, Das Lachen, 39. Schmitz, Ein Narr, 143. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 143. Schmitz, Ein Narr, 143. Schmitz, Ein Narr, 143. Gvozdeva, Narrenabtei, 264.
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kulturgeschichtliches, seit dem Spätmittelalter beurkundlichtes Phänomen literarische Gestalt an.²⁷⁴ Die Thélème, die mit „burlesken Prahl- und Spottpraktiken“²⁷⁵ rituelles Gemeinschaftslachen beschwört, wurde fortan zum Vorbild für die Gründung fröhlich-närrischer Orden,²⁷⁶ die die Heilige Schrift durch die „pantagruelistischen Chroniken“²⁷⁷ ersetzten.²⁷⁸ Die Renaissance kultivierte die Komik des Obszönen als ästhetisches Mittel der Degradierung und Kompromittierung klerikaler Autoritäten²⁷⁹ und auch im
Gvozdeva, Narrenabtei, 284. Vgl. Davis, Die Narrenherrschaft, 106 – 135. Gvozdeva, Narrenabtei, 285. Die Narrenabteien waren in den Ortschaften und Stadtvierteln des „Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit“ recht verbreitet, wie die „historischen Berichte“ (Gvozdeva, Narrenabtei, 266) über ihre karnevalesken Lachpraktiken und burlesken Gebrauchstexte belegen. Rabelais war selbst „Mitglied einer fröhlichen Männergesellschaft in Orléans“; zentrale Elemente seines „utopischen Entwurfs“, die derb-komische sexuelle Prahlerei und das „spöttische Vorgehen gegen eine defiziente Männlichkeit“ (285) finden sich bei den britischen Thelemiten wieder: Mitte des 18. Jahrhunderts gründete der „englische Aristokrat Sir Francis Dashwood“ in einer zerfallenen Zisterzienserabtei mit Freunden die Rabelaisian Monks, einen heiter-ausgelassenen Orden, der mit „obszönen Streichen“ und Ritualen wie „Bacchus- und Venushuldigungen“, „Parodien religiöser Zeremonien“, schlüpfrigen Witzen und „Lesungen von zotigen Stellen aus komischen Werken“ ein von zügellosen männlichen Phantasien gespeistes Gelächter begünstigte, das qua „königliches Edikt“ (262) als blasphemisch verurteilt wurde. Die Narrenabtei war auch als implizites Sozialisierungs- und Disziplinierungsprogramm für männliche Jugendliche im Sinne von rites de passage gedacht, die in ihren informellen Gruppen die Charivaris praktizierten (vgl. Schindler, Karneval, 142, Davis, Die Narrenherrschaft, 112 und I.2.2). Mit der „fortschreitenden Privatisierung der Ehe“ nahm die „rituelle Wirksamkeit der burlesken Jungmännerinstitutionen“ (Gvozdeva, Narrenabtei, 285) ab. Gvozdeva, Narrenabtei, 284. Auch in der bereits vom 14. Jahrhundert an existierenden Abbaye de Conards, einem karnevalistischen Verein, in dem ein „närrischer Abt“ mit „burlesken Anordnungen und Bullen […] festliche Zusammenkünfte“ (Gvozdeva, Narrenabtei, 264) einberief, las man, wie die Quellen berichten, im Februar 1540 während eines Karnevalsrituals mit Umzug, Gelage und Narrenpredigt statt der Bibel Rabelais’ Text vor. Noch im 18. Jahrhundert griff eine „Vereinigung Pariser Literaten und Pamphletisten“ in ihren „spöttischen Edikten“ (Gvozdeva, Narrenabtei, 285) auf die Traditionen und Symbole des Karnevals und des Charivari zurück. Die säkularen sociétés joyeuses, Narrenvereinigungen und Geckengemeinschaften, die kirchliche Sermone travestierten und gesellschaftliche Hierarchien persiflierten, waren zwar vorübergehend marginalisiert, gewannen aber Ende des 18. Jahrhunderts wieder an Bedeutung und erwiesen sich noch im 19. Jahrhundert als ein Modell politischer Subversion und Brutstätte satirischer Publizistik (vgl. von Barloewen, Clown, 25 und Davis, Die Narrenherrschaft, 134). Vgl. Beutin, Das Lachen, 251– 260. In Mantua verkleidete sich der Hofnarr Mattello als Mönch und „parodierte kirchliche Rituale“ (Burke, Grenzen, 65). Gelegentlich schlüpften sogar Priester in die Rolle des Spaßmachers wie fra Mariano am Hof Leos X. (vgl. 65). Vgl. auch II.3.2.
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Kulturleben des 17. Jahrhunderts war die Indienstnahme amüsanter sexueller Pikanterien für „blasphemische Wendungen“²⁸⁰ oder konfessionelle Polemik durchaus verbreitet. Die Gegenreformation bestand zwar offiziell auf der Trennung von Heiligem und Profanem und setzte dem Lachen einen engen spirituellen und katechetischen Rahmen, doch vor allem die Popularität von Witzen im 16. Jahrhundert, z. B. über die christliche Zeremonie oder die dominante Position des Priesters, und von Schwänken über den Katechismus, die Beichte oder den Bischof, belegt, dass die bestehenden Spielräume zumindest großzügig genutzt wurden.²⁸¹ Die kirchlichen Abgrenzungsbestrebungen gegenüber der dionysischen Festkultur, die seit den Verlautbarungen des Konzils von Orléans 533 nachweisbar sind,²⁸² geben zudem Aufschluss darüber, dass die christliche Kultpraxis seit ihrer Frühzeit offen für Elemente der Ausschweifung und des paganen Vergnügens war und dem Ekstatischen und Orgiastischen der komischen Erfahrung Räume bot, selbst wenn ihr subversive, sakrilegische Tendenzen eigneten.²⁸³ So gab es in ganz Europa vom 9. bis zum frühen 20. Jahrhundert den Brauch, am Vorabend von „Weihnachten, Pfingsten, Allerheiligen“, bei Begräbnisgottesdiensten, „Bittmessen für Verstorbene“²⁸⁴, Leichenschmausen und auf Friedhöfen durch „Tanz, Essen, Vorführungen, Lieder“²⁸⁵ eine sexuell aufgeladene, heitere Zügellosigkeit heraufzubeschwören und vergnügliches Lachen mitten im sakralen Raum erschallen zu lassen.²⁸⁶ Das leibliche Vergnügen konnte sogar in der „gottesdienstlichen Handlung“²⁸⁷ selbst platziert werden. Die Kirche verbreitete im 13. und 14. Jahrhundert die sogenannten Predigtmärlein, „anschauliche Bei Eberhard Mannack, Grimmelshausens Ewig-währender Calender als Medium der Komik, 204. Das im 16. Jht. gepflegte Stereotyp von der „Völlerei, Dummheit und Habsucht“ (Verberckmoes, Das Komische, 87) der Ordens- und Amtsträger übernahmen viele Schwänke, die Ende des 17. Jahrhunderts erschienen. Vgl. Verberckmoes, Das Komische, 85 ff. Der humanistisch gebildete römische Kurienkardinal Gabriele Paleotti (1522– 1597) schloss zwar das Komische aus der christlichen Bildkunst aus, erlaubte aber den „Genuss profan-komischer Bilder“ (Frank-Ostarhild, Weiterlachen, 102) um der humoralpathologisch beglaubigten Heilwirkung des Lachens willen. Im 17. Jahrhundert veröffentlichte z. B. der Benediktinermönch Adriano Banchieri „komische Werke“ (Burke, Grenzen, 73). Vgl. auch II.1.3 und 3.3. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 45. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 20. Jacobelli, Ostergelächter, 31. S. Wolff, Todesverlachen, 223. In vortridentinischer Zeit war dieser Brauch begünstigt durch das niedrige Bildungsniveau der Priester (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 44 f.). Jacobelli, Ostergelächter, 41. Vgl. zum Osterlachen die späteren Ausführungen in diesem Kapitel.
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spiele“²⁸⁸, die nicht nur der Belehrung und Erbauung dienten, sondern zum Zwecke der Erholung auch Lachen provozierten (vgl. II.3.3).²⁸⁹ Manche Pfarrer ließen sich dazu verleiten, Witze und Schwänke losgelöst von Verkündigungsabsichten zu erzählen.²⁹⁰ Darüber hinaus waren in den Kirchen vom 12.–17. Jahrhundert karnevaleske Riten, Prozessionen und Schauspiele populär,²⁹¹ die der Obrigkeit erstaunliche Zugeständnisse abrangen.²⁹² Der „niedere Klerus“²⁹³ nutzte die Freiräume für parodistischen Unfug und sakrilegischen Exzess: Bereits „seit dem frühen Mittelalter“ feierten vor allem jüngere und minderrangige Kleriker „zwischen Weihnachten und Epiphanias“²⁹⁴ – dies waren auch die „Tage der heidnischen Saturnalien“²⁹⁵ – das Narren- oder Eselsfest.²⁹⁶ Das festum stultorum stellte einen „karnevalisierten Gottesdienst“²⁹⁷ dar mit „blasphemischen Handlungen“²⁹⁸ aller Art wie profanierten Riten, parodierten Elementen der Liturgie – „statt der Evangelien wurden Zoten verlesen“²⁹⁹ –, Verkleidungen, Tänzen und Ballspiel im Chorgestühl, Würfelspiel während der Messfeier, Lärmerzeugung durch Schellen
Schmitz, Ein Narr, 143. Ein Dekret des Erzbischofs von Reims, Hinkmar, aus dem Jahr 852 belegt, dass es offenbar schon im frühen Mittelalter vorkam, dass der Priester seine Gemeinde zum Lachen animiert (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 31). Vgl. Schmitz, Ein Narr, 144. Die Thematik des „Schlemmens, der Sexualität, der Gewalt“ (Burke, Helden, 208) und der Erneuerung standen beim Hock Tuesday in England, beim Maifest und Johannisfest im Vordergrund. Der Fronleichnamstag, der im 13. Jht. an Bedeutung gewann und für seine Mysterienspiele bekannt war, erhielt vor allem in Spanien karnevalistische Züge (vgl. 208). In Prag gab es sogar vorübergehend einen für das Lachen in der Kirche zuständigen Stand von Spaßmachern (vgl. Flucks, Der risus paschalis, 203). Matthiae, Clownin, 270. S. Wolff, Todesverlachen, 192. G. M. Martin, Fest, 18. Dieser Zeitraum, der ganz unter dem Stern der „Geburt des Gottessohnes in einem Stall“ und damit unter dem Vorzeichen einer „Verkehrung der Welt“ (Burke, Helden, 207) stand, hatte in den Augen der Zeitgenossen prinzipiell einen karnevalesken Charakter. Auch im alten Ägypten gab es einen „Tag des Esels“ (Guglielmi, Das Lachen, 169). So lässt sich eine aufschlussreiche ikonographische Linie ziehen vom Esel als Symbol des Gottes Seth, der „Chaos und Widersetzlichkeit“ verkörpert, über die Darstellung des „Esels als Lehrer“ in hellenistischen Reliefs bis zu den „Feiertagen des Esels“ in der Schule des Mittelalters, die sogar die „Parodie heiliger Texte“ (169) zuließen. Anja Grebe, Heilige Narren, 9. Die Verspottung der „christlichen Rituale“ innerhalb der „invertierten Messe“ (Hüttinger, Die Kunst, 95) erinnert Nietzsches Zarathustra an sein eigenes zornlos vernichtendes Lachen. Grebe, Heilige Narren, 10. Dreßen, Possen, 150.
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und Kesseln. (Amts)Hierarchien wurden auf den Kopf gestellt,³⁰⁰ „falsche Bischöfe und Äbte gewählt“³⁰¹; den Narrenbischof, den man „aus dem Kreis der jüngeren Geistlichen“ gewählt hatte, führte man „auf einem Esel zum Altar“,³⁰² „maskierte Priester tanzten im Kirchenchor und sangen obszöne Lieder“³⁰³. Neben den harmlosen Maskeradespäßen, dem Schabernack zügellosen Tanzes, dem abschließenden Fress- und Trinkgelage und Streichen wie der Wasserfontäne, die der precentor stultorum an manchen Orten über sich ergehen lassen musste, standen provokative Regelübertretungen, Grenzüberschreitungen und „öffentliche Ruhestörungen“³⁰⁴ wie die Beleidigung von Passanten bei der Narrenprozession durch vulgäre Gebärden und Lieder. Überlieferungen zufolge wurde das öffentliche Publikum nicht nur „mit Possen unterhalten“, sondern mitunter sogar „mit Exkrementen beworfen“.³⁰⁵ Das Element der Sinnlichkeit stand im Dienste des sakrilegischen Spottes und umgekehrt holten die närrischen Späße und schlüpfrigen Possen das Sinnliche wieder hinein in die sakrale Sphäre. Die Profanierung der Kultelemente brachte es mit sich, dass jene ihren „Tabu- und Magiecharakter“³⁰⁶ verloren. Die Gläubigen überwanden ihre Scheu vor Liturgie und Sakrament und erneuerten auf diese Weise ihre Kultfähigkeit.³⁰⁷ Auch aus diesem Grund erwiesen sich das Narren- und das Eselsfest als wirksames „Melancholietherapeutikum“³⁰⁸ und behaupteten sich noch gegen die tridentinischen Konzilsbeschlüsse, bis sie in „symbolischen Gesten“³⁰⁹ ausdünnten. Neben den „Eselsmessen [und] Narrenkrönungen“ traten mit den „Bacchanalien des St. Adolphs-Festes“ und den „Obszönitäten der Chorknaben-Initia-
Vgl. Grebe, Heilige Narren, 10. Dreßen, Possen, 150. Grebe, Heilige Narren, 10. Dreßen, Possen, 150. Grebe, Heilige Narren, 10. Grebe, Heilige Narren, 10. In „Italien und Sizilien“ wurde eine „burleske Prozession“ (Jacobelli, Ostergelächter, 33) veranstaltet, die darin gipfelte, dass ein in Bischofsgewänder gekleideter Knabe in die Kirche einzog, um dort in unanständiger Weise zu predigen. Auch die Witze in den Predigten der spätmittelalterlichen Leutpriester und die Beschimpfung der Pfingstprozession im Straßburger Münster durch einen hinter der Figur des Roraffen an der Orgel versteckten Bürger können als Belege für Variationen närrischer Lachkultur in der sakralen Sphäre verstanden werden, die in schallendes Lachen mündeten (vgl. Auffarth, Glaubensstreit, 10 und Johannsmeier, Spielmann, 118 f.). Der Roraffe hatte nicht nur die Funktion des „karnevalesken Clowns“ (Johannsmeier, Spielmann, 150), er symbolisierte auch die plebejische Rebellion. G. M. Martin, Fest, 83. Vgl. G. M. Martin, Fest, 83. S. Wolff, Todesverlachen, 192. S. Wolff, Todesverlachen, 193.
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tion“³¹⁰ weitere Profanisierungsphänomene im kirchlichen Raum auf. Bei den Charivari-Umzügen und den Goliarden, die vor allem in Frankreich mit ihren gelehrt-witzigen Reden und obszönen Liedern in Erscheinung traten, bildeten sich kirchennahe Lachkulturen, die traditionelle Dogmen unterliefen.³¹¹ Wie tief mit den närrischen Festen Eros und Risus in das christliche Kulturleben eindrangen, kann auch an skulpturalen Eigentümlichkeiten mancher romanischer Kirchen verifiziert werden: So findet man noch heute auf Kirchenportalen Phallusoder Penetrations-Darstellungen und „an Chorgestühlen oder Kreuzgangs-Kapitellen“³¹² spöttisch lachende und obszön posierende Figuren.³¹³ Die Hochblüte des karnevalesken Gegen-Kultes im 14. und 15. Jahrhundert strahlte auf den theologischen Diskurs aus:³¹⁴ So verfasste die „theologische Fakultät von Paris“ 1444 eine Apologie des Possenspiels und legitimierte damit die ästhetische Praxis, die „alltägliche Grammatik der Macht“ und der repressiven Vernunft im sakralen Raum durch das Regime „von Bauch und Geschlecht“³¹⁵ zu ersetzen. Ohnehin waren die Fastnachttraditionen seit der „Perikopenordnung für den Fastnachtsonntag“, die „unter Gregor dem Großen (vor 600) eingeführt wurde“,³¹⁶ integraler Bestandteil des kirchlichen Kalenders, „terminlich und sachlich abhängig von der christlichen Osterfastenzeit“³¹⁷. Sicherlich muss man nicht so weit gehen wie Dietz-Rüdiger Moser, der die These aufstellte, der liturgische Bezugsrahmen habe das historische Überleben des Karnevals gesichert
Johannsmeier, Spielmann, 152. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 96. Grebe, Heilige Narren, 11. In den skulpturalen Phallus-Darstellungen der Kirchenarchitektur im spätmittelalterlichen Frankreich oder Italien oder den Vagina-Skulpturen an irischen Kirchen lebte der heidnische Priapos-Kult fort, der in einer Kirche des italienischen Isernia noch bis 1780 in Form eines jährlichen Fruchtbarkeitsfestes praktiziert wurde (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 46 ff.). Vgl. auch Mo. Müller, Das Lachen, 77 f. Wenn „Rankenfiguren der gotischen Gewölbekunst, […], Zwickelgemälde“ oder die „Außenwände von Sakralbauten“ Figuren zeigen, die nackt tanzen, lachend das Maul aufreißen oder obszöne Spottgebärden ausführen, dann kann dies natürlich auch als ein Versuch der „christlichen Bildkunst“ gewertet werden, das brisante Motiv der Entblößung „durch Einbindung als Marginalie des Heiligen“ (Velten, Scurrilitas, 217) zu entschärfen und zugleich die eigene kollektive Identität zu festigen. So sind auch die vermutlich der „Vorstellungswelt der Charivaris“ entstammenden Masken von Reims, die mit offenem Mund lachende, „dämonische Gesichter“ (Jörg Widmaier, Vultus hilaris et risus daemonum, 100) zeigen, zu erklären oder die obszönen Motive in den Bildern des Karmeliters Johann von Hildesheim, einem kirchlichen Gelehrten aus dem 14. Jahrhundert (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 46). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 24. Dreßen, Possen, 150. Moser, Schimpff, 267. Moser, Schimpff, 268.
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und die Fastnachtbräuche hätten in vorderster Linie die katechetische Funktion der Einübung einer geheiligten Existenz gehabt: Demnach spekulierte der Klerus darauf, dass das närrische Treiben als theatrale Pervertierung der Gottesherrschaft erst das Sündenbewusstsein hervorruft und die Notwendigkeit der Buße erkennen lässt.³¹⁸ Peter Rusterholz hat eingewandt, dass die kirchlichen Versuche einer Aneignung der parodistischen Festtraditionen zugunsten einer allegorischen Katechese zumal in vorreformatorischer Zeit an der mangelnden Bildung der Kleriker oder der Eigendynamik des karnevalesken Spiels scheiterten und verweist auf Zeugnisse einer „Diabolisierung der Fastnacht“³¹⁹ seit dem 15. Jahrhundert. Dennoch duldete oder integrierte die Kirche die Karnevalsexzesse nicht zuletzt aus religions- und moralpsychologischen Gründen:³²⁰ Denn sie öffneten, so das Kalkül des „antiken ‚Brot-und-Spiele‘-Musters“³²¹, das Ventil für anarchische Impulse und erneuerten damit die Bereitschaft zu Reue und Verzicht, harter Arbeit und Unterordnung.³²² Das bedeutet aber: Der Klerus erkannte in den Parodien und possenhaften Degradierungen kirchlicher Ordnungen und Rituale keine reale Gefährdung der sakralen Sphäre, sondern eher umgekehrt eine Systemstabilisierung via negationis.³²³ In den evangelischen Territorien hatte die reformatorische Verbotspraxis des 16. Jahrhunderts zwar keinen „durchschlagenden Erfolg“³²⁴, doch kann die im
Vgl. Wels, Der theologische Hintergrund, 382. Rusterholz, Fastnachtspiel, 249. Vgl. auch Moser, Schimpff, 273 – 278. Grebe, Heilige Narren, 11. Die gegenreformatorische Theologie markierte zwar die Grenzen zwischen „Heiligem und Profanem“ deutlicher, doch leitete die offizielle katholische Lachkulturpolitik noch immer die „Doppelstrategie von Duldung und […] innerer Distanzierung“ (Schindler, Karneval, 138). Moser leitet aus dem Befund, dass die katholische Kirche in sämtlichen Missionsgebieten, selbst in Japan, die Fastnacht einführte und noch Papst Benedikt XIV. 1748 den Brauch verteidigte, sogar eine theologische Programmatik ab (vgl. Schimpf, 272). Vgl. Grebe, Heilige Narren, 11. Für die römischen Liturgiereformer der Renaissance waren das „Ungereimte, Abgeschmackte und Vulgäre“ (Nikolaus Staubach, Ritus und Risus, 249) zwar Inbegriff des Götzendienstes und sie erlaubten es nur in Ausnahmefällen, dass die „groberen Vergnügungen“ der „Gaukler, Spielleute und Komödianten“ (245) Eingang in die römische Liturgie fanden. So richtete sich die „Ästhetik des Performativen“ (249) des Paris de Grassis (1470 – 1528) auch explizit gegen die „derbe Komik“ (248) mancher Prediger, die dem Osterlachen und gewissen Pfingstbräuchen zugrunde lag. Allerdings öffneten am „Papsthof der Renaissance“ die langlebige „mittelalterliche Sakralparodie“ und die „humanistisch-kuriale Lach- und Spottkultur“ (235) dem Lachen Tür und Tor (vgl. 243 ff.). Scherz und Neckerei waren anerkannt als Spielformen „eines Lachens souveräner Ausgeglichenheit“ (246), das die virulenten Spannungen und Konflikte entschärfte oder schlichtete. Schindler, Karneval, 141.
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Verhältnis zum Protestantismus ungleich größere Aufnahmebereitschaft der katholischen Kirche für Elemente einer volkstümlichen, profanen Komik nicht übersehen werden. Dafür steht nicht nur das Bündnis mit den Karnevalstraditionen, sondern auch die Offenheit für eine rituelle und theatrale Lachkultur.³²⁵ Allerdings dürfen die ästhetischen Austauschprozesse nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kirche seit jeher den eschatologischen Charakter des karnevalesken Inversionsprinzips³²⁶ verkannte und ein eher pragmatisches Verhältnis zu den Festtraditionen unterhielt. Dabei wäre es überaus anregend, den amüsanten Geschlechtertausch, den Mönche und Nonnen beim Renaissancekarneval vornahmen,³²⁷ im Sinne von Gal 3,28 („Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“) als Vorwegnahme der neuen Ordnung im Reich Gottes zu verstehen und die Karnevalsästhetik somit als Vorspiel oder rituelle Einstimmung auf das neue Sein zu deuten. Das semiotische Parasitentum, die parodistische Adoptionsfreudigkeit und „universelle Spottlust“³²⁸ des Karnevals stellten eine Herausforderung für die Kirche dar, die in den Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen oder in den Mysterienspielen die „karnevalesken Elemente“ integrierte und damit die „Freude am weltlichen Mummenschanz“³²⁹ kanalisierte. Die Oster- und Passions-, Weihnachts- und Fronleichnamsspiele, „Mirakel-Aufführungen mit Stoffen aus Heiligen- und Märtyrerlegenden“, darunter das Weltgerichts- und das Antichristspiel, standen nicht alleine im Dienste der Vanitas-Predigt und der moraltheologischen Katechese; sie adoptierten auch Elemente der volkssprachlichen Vagantendichtung, der „Spiel-, Trink- und Tanzlieder“.³³⁰ Das geistliche Spiel ist damit charakteristisch für die „Vermischung von Heiligem und Profanem“³³¹ im späten Mittelalter.³³²
Vgl. Schindler, Karneval, 139. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 95. Vgl. Burke, Grenzen, 65. Schindler, Karneval, 138. Schindler, Karneval, 139. Matthiae, Clownin, 271. Sogar einige ‚biblische Dramen‘ nach dem jesuitischen Modell integrierten Momente des comic relief. In einem Drama des Fuldaer Jesuitenkollegs vom Verlorenen Sohn (1576) parodieren die Zechbrüder in einer Eloge auf den Weingott einen Marienhymnus (vgl. Christel Meier, Sakralität, 173). Wolf, O, du fröhliche, 162. Die Spielräume für die komische Theatralik bemaßen sich nicht zuletzt an der Hierarchie des Sakralen: Gott-Vater rangierte oberhalb der Darstellungssphäre des Komischen, während Christus zumindest in camouflierter Gestalt, z. B. als Gärtner, komisch in Erscheinung treten durfte. In diesem Fall reizte die Diskrepanz zwischen der sakralen Hoheit Christi, die noch in der Figur des
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Das wahrscheinlich „in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandene“ Hessische Weihnachtsspiel inszenierte die Widersprüche „zwischen Kerygma und Alltagserfahrung“ so, dass sowohl „das Recht des Heiligen im Alltag“³³³ als auch „der Anspruch konkreter Bedürfnisse gegenüber dem Heiligen“³³⁴ zur Geltung kamen. Die komischen Brüche und Mehrdeutigkeiten des Kerygmas gründen in der Menschwerdung Gottes: „Die Existenz menschlicher Schwächen“³³⁵ setzt die Heilszusage nicht außer Kraft. Darum konnte der Zeuge der theatralen Darstellung einerseits befreit lachen und andererseits dem Menschlich-Kreatürlichen mit Spott oder solidarischem Schmunzeln begegnen.³³⁶ In der Partizipation am festlichen Spiel durch „Gesang, Tanz und Lachen“ wurde eine punktuelle Überwindung des „Gegensatzes von Alltagswelt und Transzendenz“³³⁷ erfahrbar. Auch das Innsbrucker Osterspiel stellte das Heilsgeschehen so dar, dass es körperlich vergegenwärtigt werden konnte.³³⁸ Einerseits erzeugte es eine rituelle quasi-exorzistische Komik, indem es die „Herrschaft des Körpers und der Gewalt“³³⁹ als groteske „Deformationen des Bösen“³⁴⁰ vorführte. Andererseits bediente es, u. a. in den Salbenkrämerszenen auch die „Lust am sprachlichen Unsinn“³⁴¹ und die Freude an Gewalt, Schmerz und Sexualität.³⁴² Offensichtlich
Gärtners präsent ist, und dessen alltagsweltlichen Verstrickungen zum Lachen. Bei der Inszenierung der Apostel und der Darstellung gewöhnlicher Figuren wie dem Krämer gab es großzügigere Lizenzen der Komisierung (vgl. Rüdiger Schnell, Geistliches Spiel und Lachen, 88 ff./92): So wurde ein Wettlauf von Petrus und Johannes inszeniert, bei dem die beiden heiligen Apostel „ständig vom Essen und Trinken reden und sich gegenseitig beschimpfen“ (90 f.). Die komische Diskrepanz setzte das Wissen um den sakralen Rang der Protagonisten voraus und bestätigte ihn damit. Die motivische Färbung des Lachens richtete sich im geistlichen Spiel nach dem „sakralen Status des Referenzobjekts“ (92). Das Spektrum reichte vom sympathisierenden Lachen „mit den wettlaufenden Aposteln“ und der Erheiterung über die Salbenkrämer bis zum schadenfrohen Lachen über die düpierten „Wächter am Grab“ und gehässigen Spott über den „gegeißelten Christus“ (92). Vgl. II.2.2. Wolf, O du fröhliche, 166. Wolf, O du fröhliche, 167. Wolf, O du fröhliche, 171. Hier ist an die Begriffsstutzigkeit der Herbergswirte, die Hilflosigkeit des genarrten Josef und die Triebhaftigkeit der Mägde zu denken (vgl. Wolf, O du fröhliche, 170). Wolf, O du fröhliche, 171. Vgl. Werner Röcke, Ostergelächter, 340. Typische Elemente des Innsbrucker Osterspiels sind Eheburlesken, ein „komisches Wettrennen“ (Haug, Das Komische, 264) zum Grab, der Schabernack, den der Auferstandene mit Maria treibt und die groteske Darstellung von Jesu Höllenfahrt. Röcke, Ostergelächter, 341. Röcke, Ostergelächter, 342. Röcke, Ostergelächter, 343.
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zeugt die Ästhetik des geistlichen Spiels³⁴³ weitaus eher vom „lachenden Vergnügen“ an einer sexualisierten und „aggressiven Körpersprache“ als von „Leibfeindlichkeit und Askese“.³⁴⁴ Der kirchliche Brauch des risus paschalis,³⁴⁵ der im theatralen Rahmen der „paraliturgischen kirchlichen Osterfeier“³⁴⁶ praktiziert wurde, übernahm zumindest partiell die körpersprachliche Exzentrik des Osterspiels. In der Ostermesse der christlichen Kirche erregten sexuelle Anspielungen, „obszöne Witze, Lieder und Tänze“³⁴⁷ Gelächter. Man bediente sich allerlei Späße aus dem Arsenal der Groteske, der Parodie und des Unsinns: Die „Imitation von Tierlauten“³⁴⁸ und skurillen Figuren gehörte dazu; mit zwielichtigen Geschichten oder respektlosen Gesten, z. B. der pantomimisch-komödiantischen Darstellung sexueller Handlungen wie der Onanie, wurden die Gläubigen provoziert und erheitert. Die teils derbe und burleske Komik der nach dem Vorbild des Schwanks³⁴⁹ gestalteten Ostermärlein förderte ebenso das Osterlachen³⁵⁰ wie die clowneske Inszenierung der Ostergeschichte.³⁵¹ Oft bereitete die rhetorische und theatrale Exzentrik einem
Angesichts der markanten grobianischen Komponenten erscheint es doch etwas eindimensional, wenn Jörn Bockmann das Selbstverständnis der Osterspiele auf eine „heilsdidaktischtropologische“ (Inszenierung des Dogmas oder (Re)Mythisierung?, 155) Funktionalität reduziert. Röcke definiert die groteske Leiblichkeit wie Klaus Grubmüller nicht im Bachtin’schen Sinne als dionysische Einheit der Gegensätze, sondern als Neufiguration separierter Funktionsbereiche (vgl. Ostergelächter, 344). Röcke, Ostergelächter, 344. Das schließt das Vergnügen daran ein, dass die „Konventionen des Minnesangs und des monastischen Keuschheitsgelübdes“ (Röcke, Ostergelächter, 343) an der Alltagsrealität körperlicher Bedürfnisse und Defizite scheitern. Wendland macht darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung ‚risus paschalis‘ ursprünglich ein Topos der Kritik an einer bestimmten mit Lachen verbundenen „Episode des Erzählbrauches“ (Ostermärchen, 59) war. Vermutlich geht sie auf Capito zurück, der sie in seinem Vorwort zu Oekolampads Streitschrift in den Diskurs einführte (vgl. 61/69) und ihr damit auch den Titel gab (de risu paschali, 1518). Die deutsche Wortschöpfung ‚Ostergelächter‘ begegnet das erste Mal 1694 in einer Schrift Veit Ludwigs von Seckendorff (vgl. 80). Haug, Das Komische, 264. R. M. Schneider, Nachwort, 97. Jacobelli, Ostergelächter, 20. Viele Schwänke, die der Franziskaner Johannes Pauli 1521 in seiner Sammlung Schimpff und Ernst vorlegte, spekulieren auf „analerotische Komik“ (Prütting, Homo ridens, 560). Vgl. Schmitz, Ein Narr, 144. Ein beliebtes Element war der Appell an den hörigen Ehemann (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 21 f.). Besonders lautes Gelächter erregten auch die Schwänke, in denen Nachbarn und Nachbardörfer oder der Gutsherr zum Gespött wurden (vgl. Zelger, Risus paschalis, 123). Vgl. Matthiae, Clownin, 271.
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Festmahl den Boden, das durch „Mutwilligkeiten, Rollenvertauschungen und Obszönitäten“³⁵² gekennzeichnet war. Nach dem Zeugnis des Reformers Ludwig von Seckendorff (1626 – 1692) war der risus paschalis vom 14. bis zum späten 16. Jahrhundert³⁵³ fester Bestandteil der Liturgie, sogar im Mönchtum;³⁵⁴ im 16. Jahrhundert ist er besonders oft bezeugt.³⁵⁵ In katholischen Gegenden, „etwa im Rheinland und vor allem [in] Bayern“³⁵⁶ erfreute sich der Brauch zumindest bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, teils noch im 19. Jahrhundert, großer Beliebtheit,³⁵⁷ ehe sich auch dort der „ernsthaft-belehrende Gottesdienst“³⁵⁸ der Aufklärung durchsetzte.³⁵⁹ Die durch humanistische Geschmacksdistinktionen³⁶⁰ mitbedingte Kritik an obszönen Vorführungen und
Stagl, Nichtlachen, 97 f. Vgl. Flucks, Der risus paschalis, 197 f. Prütting vermutet, dass der risus paschalis in der Zeit um 1200 aufkam (vgl. Homo ridens, 556), Matthiae verweist auf frühe Belege aus dem 9. Jahrhundert (vgl. Wo der Glaube, 97). Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 24 f. Der Brauch war sowohl in „kleinen Kirchen auf dem Land“ (Jacobelli, Ostergelächter, 38) als auch in den Kathedralen der Städte zu Hause und sein Hauptakteur war stets der zumindest minimal gebildete Prediger, in der Regel also der Priester. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 27. Während Hanns Flucks (vgl. Der risus paschalis, 207 f.) davon ausgeht, dass der risus paschalis nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in den romanischen Ländern kultiviert wurde, setzt Volker Wendland voraus, dass die Sitte auf den oberdeutschen Raum beschränkt war, wobei sie nur im katholischen Süden über das 16. Jahrhundert hinaus fortexistierte, nicht jedoch in den protestantisch geprägten schwäbisch-alemannischen Gebieten (vgl. Ostermärchen, 77/90/115/298 f.). Zur Ehrenrettung des Protestantismus sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass neben dem jesuitischen Domprediger Wolfgang Rauscher (1641– 1709) auch der evangelische Rhetoriker Johann Balthasar Schupp (1610 – 1661) zu den Befürwortern der Tradition gehörte (vgl. Zelger, Risus paschalis, 137, Flucks, Der Risus Paschalis, 195 und Röcke, Ostergelächter, 336) und sich in der reformierten Schweiz der Brauch erhalten hat (vgl. Köster, Wir können, 171). Jacobelli, Ostergelächter, 53. Gegen die protestantische Stigmatisierung des Osterlachens als mittelalterliches Dekadenzphänomen stand die Idealisierung des derb-naiven Mittelalters in der katholischen Geschichtsschreibung (vgl. Wendland, Ostermärchen, 94– 97). Schörle, Die Verhöflichung, 105. Die „Josefinischen Reformen des späten 18. Jahrhunderts“ (Prütting, Homo ridens, 561) verdrängten den Brauch aus dem liturgischen Raum der katholischen Kirche. In der Steiermark war der Brauch noch Anfang des 20. Jahrhunderts lebendig (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 34). Allerdings scheint die katholische Theologie, wenn man die Beiträge zu einer Geschichte der Osterfrömmigkeit in der Festschrift Paschatis Sollemnia (1959) zum Maßstab nimmt, die die Osterspiele und -märchen gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen oder banalisieren (Carl Maier, Österliches Brauchtum im Dorf, 265 f.), keinen Sinn mehr für die spirituelle Dimension des Osterlachens zu besitzen. Vgl. Prütting, Homo ridens, 574– 580.
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Gesten³⁶¹ und derb-zotigen Anekdoten in der Brauchtums- und Predigtpraxis³⁶² führte dazu, dass letztere zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert allmählich durch schwankhafte Geschichten und lehrhafte Exempla abgelöst wurden.³⁶³ Die Narrativierung der Lachinszenierung begünstigte den Rückzug „derber Possenhaftigkeit“³⁶⁴ in nachtridentinischer Zeit. Doch blieben die sexuelle Konnotation und Motivik in den lustigen Ostermärlein präsent.³⁶⁵ Der risus paschalis weist auf ein religionsgeschichtliches Vorbild zurück: Am jüdischen Pessahfest war es Brauch, das Hohelied der Liebe in der Synagoge zu verlesen und damit jenes Zeugnis alttestamentlicher Dichtung zum Klingen zu bringen, das „die Liebe Jahwes zu seinem Volk“³⁶⁶ in der Sprache des Begehrens und der Metaphorik körperlicher Schönheit spiegelt.³⁶⁷ Die alttestamentliche Konnotierung des Lachens mit dem erotischen Spiel und der „sexuellen Lust“³⁶⁸ schrieb sich zudem begriffsgeschichtlich in die Textur des Ostergelächters ein: Der risus paschalis wurde, wie der Göttinger Taschen Calender von 1787 belegt, auch mit Issac bezeichnet, also jenem Namen, der einerseits ätiologisch unauflösbar mit der unerwarteten sexuellen Erfüllung und Fruchtbarkeit Saras und
Die „obszönen Gesten“ (Röcke, Ostergelächter, 344) erinnerten an die „Körperkunst der Histrionen“ (345), jener Gaukler, Spielleute und Possenreißer, die trotz gewisser Differenzierungen ab dem 13. Jahrhundert noch im Spätmittelalter auf erhebliche Vorbehalte der Kirche stießen, weil sie keinerlei Banalitäten, Albernheiten und Obszönitäten scheuten und selbst die „Gesten und Rituale“ (Velten, Scurrilitas, 160) der Priester gelegentlich parodierten (vgl. II.1.3). Während die Kirche jedoch jedwede „Transgression der Körpergrenzen“ (167) und „deiktische Präsentation des Körpers“ (Röcke, Ostergelächter, 347) als widergöttliches Ridiculum ablehnte, blieb sie tolerant gegenüber den vis comica. Im 18. Jahrhundert waren die Ostermärlein laut Röcke auch in der evangelischen Kirche noch sehr verbreitet (vgl. 347). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 103 f. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 27 und Röcke, Ostergelächter, 347 ff. Der bayrische Pfarrer Andreas Strobl (1698) sammelte in einem Predigerhandbuch mit Imprimatur für den Gottesdienstgebrauch zensierte Fassungen von ursprünglich eindeutig obszönen Schwankerzählungen, die so Eingang in die Liturgie fanden (vgl. Flucks, Der risus paschalis, 198 f. und Jacobelli, Ostergelächter, 27 f.). Jacobelli, Ostergelächter, 27. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 27 f. Jacobelli, Ostergelächter, 67. Das Hohelied weist mit dem „neckischen Versteckspiel und […] Lachen der Liebenden“ (BenGershôm, Der Esel, 153) voraus auf die jüdische Dichtung des spanischen Mittelalters, die in ihrer Blütezeit vom 9.–12. Jahrhundert „Wein, Weib und Gesang“ (22) feierte und ab dem 14. Jht. auch unter dem Einfluss der Renaissance frivoler Sinnenfreude und „unverhohlener Erotik“ (28) das Wort gab, worauf wiederum die rabbinische Zensur reagierte. Auch die parodistische Verwendung „biblischer Texte oder talmudischer Diskussionen“ (31) stieß auf die Bedenken von Rabbinern. S. Wolff, Todesverlachen, 229.
1.2 Die Befreiung des Eros und die dionysische Spiritualität
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dem beglückten Lachen über dieses Wunder verknüpft ist und andererseits das scherzhaft-schlüpfrige Geschlechterspiel andeutet.³⁶⁹ Da die „Auferstehung Christi“ und das „Wiedererwachen der Natur“³⁷⁰ motivisch zusammenstimmen, lag es nahe, bei der historisch-genetischen Herleitung des Osterlachens auch vorchristliche Naturkulte zu berücksichtigen. Das Aufkommen der „volkskundlichen Forschung“³⁷¹ in der Romantik und das neue Interesse am heidnischen Kult verhalfen der zuerst von Jakob Grimm (Deutsche Mythologie II, 1844) aufgestellten These zur Konjunktur, dass der risus paschalis seinen Ursprung in paganen Fruchtbarkeitsriten hat.³⁷² Solche simplifizierenden Ätiologien sind zwar inzwischen überholt, doch die Prämisse der religionsgeschichtlichen Interdependenzen ist vor allem durch Reiner Warning mit gewichtigen Argumenten wieder untermauert worden.³⁷³ Einen Konsens in der Forschergemeinschaft gibt es jedoch zu dieser Frage nicht, die ja den Nerv der theologischen Skepsis gegenüber dem Osterlachen berührt³⁷⁴: Die Rückführung der christlichen Auferstehungsfeier und -freude auf heidnische Frühlingsfeste scheint auf die Fragmentierung der Glaubensessenz zum Mythisch-Versatzstückhaften hinauszulaufen.³⁷⁵ Eine Theologie des risus paschalis sollte jedoch der Möglichkeit nachgehen, dass die Integration paganer Naturkulte in die rituelle Inszenierung des christli-
Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 62 f. Stagl, Nichtlachen, 98. Wendland, Ostermärchen, 105. So ging Eugen Fehrle von der ideellen Verwandtschaft des risus paschalis als liturgischer Inszenierung der Auferstehungsfeier mit jenen in der germanischen Mythologie wurzelnden Frühlingsfesten aus, die das Lachen zur Überwindung des Todesbanns beschwören (vgl. Das Lachen im Volksglauben, 2). Vgl. Rainer Warning, Funktion und Struktur, 107– 122. Renate Zelger schließt an Fehrles Auffassung an, wenn sie das Osterlachen mit der Verehrung der germanischen Fruchtbarkeits-, Licht- und Frühlingsgöttin Ostara in Verbindung bringt, deren Vorbild oder Verwandte bei den Römern Aurora, bei den Griechen Eos war (vgl. Risus paschalis, 120 f.). Vgl. auch Monika Schulz, Die Oster- und Emmausspiele, 11 f./68 f. So bestreitet Volker Wendland, dass es überzeugende Belege für die Herleitung christlicher Festbräuche aus vorchristlichen Traditionen gibt (vgl. Ostermärchen, 111) und Hanns Flucks vertrat entschieden die Ansicht, dass der risus paschalis aus der Messliturgie der mittelalterlichen Kirche erwuchs, wobei man sich für die Legitimierung der unverschämten Heiterkeit auf den Osterpsalmvers „Dies ist der Tag, den der Herr macht, lasst uns freuen und fröhlich darinnen sein“ (118,24) berufen konnte (Der Risus paschalis, 199/207). Vgl. Wolf, O du fröhliche, 157. Walter Haug führt die Natursymbolik der Osterspiele auf den Einfluss der „antiken Kosmosreligion“ (Das Komische, 266) zurück und räumt damit die Möglichkeit einer Unterwanderung des heilsgeschichtlichen Erinnerungskultes durch Elemente eines naturmythologischen Denkens ein.
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chen Osterfestes verschüttete Gehalte des Osterglaubens wieder zum Vorschein bringt. So erkennt Rainer Warning im Osterspiel und im risus paschalis die Reanimierung jenes archaisch-animalischen Gelächters, das unter der Vorherrschaft der aristotelischen Normierung des Komischen, die scholastischen Zugeständnissen an die Katechese den Rahmen vorgab, mit einem negativen Vorzeichen behaftet war. Im Gegensatz zu den „depotenzierten Kultformen“ des exklavischen Karnevals steht die „rituelle Groteske“ des Osterspiels zwar „im Zeichen des heilsgeschichtlichen Ernstes“,³⁷⁶ setzt jedoch die ausgrenzende kerygmatische Norm selbst aufs Spiel, indem sie die „Identifikation des Religiösen mit dem geistlichen Ernst“³⁷⁷ aufhebt.³⁷⁸ So affirmiert sie den verfemten Wirkungsmechanismus des Lachens, die Gravität der Heilsbotschaft³⁷⁹ zu unterminieren und das Heilige zu banalisieren.³⁸⁰ In Sequenzen der Heilsgeschichte wie der EmmausEpisode oder mit Figuren wie dem Salbenkrämer trivialisiert das Osterspiel das Kerygmatisch-Erhabene und entbindet „naturhaft-sexuelle Ausgelassenheit“³⁸¹. Theologisch inkommensurable Elemente konstituieren in der rituellen Inszenierung zwar keine „säkulare Theatralität“, sondern haben „kultischen Antwortcharakter“.³⁸² Allerdings untergräbt das Ostergelächter das „monotheistische Dogma“ von der Inferiorität des Teufels insofern, als es das luziferische Gegenprinzip ins „lebensweltliche Ganze“³⁸³ zurückholt. Damit lässt der risus paschalis eine „tendenzielle Paganisierung christlicher Osterfreude“³⁸⁴ erkennen, der „kerygmatische Surrexit-Jubel“³⁸⁵ hat Anteil an einer rituellen Archaik. Indem der
Warning, Funktion, 112. Warning, Funktion, 121. Das Karnevalslachen lebt von der „wohlwollenden Duldung seitens der Welt des Ernstes, aus der es sich ausgrenzt. Im geistlichen Spiel dagegen entzündet es sich an diesem Ernst selbst“ (Warning, Funktion, 121 f.). Vgl. Wolf, O du fröhliche, 156. Hüttinger, Die Kunst, 98. In diesem Sinne hat Jean Paul in seiner Satire Des Feldpredigers Schmelze Reise nach Flätz (1808) das Ostergelächter als Beleg für das „pietätlose Lachen“ thematisiert, das seiner „ästhetischen Theorie“ (Wendland, Ostermärchen, 100 ff.) zufolge aus dem Kontrast zwischen dem Erhabenen und dem Profanen resultiert. Um den Kern dieses Vorgangs zu erfassen, greift auch Jean Paul auf die christlich-dualistische Metaphorik zurück und spricht vom „zweiten Ich“ (102), dem Ich des „inneren Teufels“, das dem ersten Ich die Lächerlichkeit andichtet. Warning, Funktion, 118. Besonders drastisch veranschaulicht dies das Sterzinger Bruderspiel: Die grobianischen Wirtshausszenen, der Weingenuss und der Verzehr der Ostereier beschwören die verdrängte fruchtbarkeitsmagische Dimension (vgl. Warning, Funktion, 120). Warning, Funktion, 119. Warning, Funktion, 116. Warning, Funktion, 114. Warning, Funktion, 115.
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Ritus das Kerygma in den Mythos zurückspielt,³⁸⁶ bindet er die Heilsgewissheit zurück an eine neue Weltverlässlichkeit und eröffnet die „archetypische Dimension […] wiederkehrender Lebenskraft und Fruchtbarkeit“³⁸⁷. Das Evangelium bietet sich als Frühlingsfeier und damit als „Verlockungsprämie potentieller Lustsuche“³⁸⁸ an. Folgt man Warnings These, dann hat die Ästhetik des Grotesken dem von der klerikalen Öffentlichkeit Verdrängten zur Anwesenheit im kirchlichen Raum verholfen: Sie beschwor das obszöne Ostergelächter herauf und rief damit das „Sakrale der Sexualität und der sexuellen Freude“³⁸⁹ in Erinnerung. Jener Einheit des Geschöpflichen und des Göttlichen ist Maria Caterina Jacobelli auf den Grund gegangen: Wenn die „sexuelle Komponente“³⁹⁰ wesentlich zum Lachen und damit zum Menschsein gehört, dann kann sie aus dem österlichen Gelächter über die Entmachtung von Tod und Sinnlosigkeit nicht herausgefiltert werden. Das Osterlachen erscheint somit als die geglückte Synthese von Auferstehungsfreude und einer tief in der Geschöpflichlichkeit des Menschen wurzelnden sexuellen Lust.³⁹¹ Die „christliche Liturgie“³⁹² bediente sich der vulgären Ausdrucksformen, um der sexuell-österlichen Freude Raum zu geben und die Auferstehung als Vollendung der Schöpfung zu feiern. Im Lachen über die Entblößung des Priesters ist die existenzielle und kosmische Krise, die der Tod des Gottessohnes auslöste, aufgehoben,³⁹³ sexuelle, komische und religiöse Komponenten fügen sich zum Klang- und Sinnbild der Auferstehung.³⁹⁴ Ist das (Oster)Lachen einerseits „Abbild und Metapher der sexuellen Lust“, andererseits „Widerschein und Teilhabe an der kreativen Freude Gottes“,³⁹⁵ dann Fritz Ohly hat in seiner Rezension gleichwohl Warnings Programmatik relativiert, Kerygma und Mythos auseinander zu reißen und die theologische Ästhetik des geistlichen Spiels in Anlehnung an Joachim Ritter als normkritischen Gegenentwurf zur scholastischen Ontologie zu deuten (vgl. Besprechungen, 139 ff.). Ohly zitiert eine Fülle von kulturgeschichtlichem Material, um zu belegen, dass auch die theologische Dichtung, ob Visionsliteratur, Hagiographie oder Apokryphen, neue Mythen schuf und so die Vorstellungswelt und den Glaubenshorizont der Christen erweiterte (vgl. 114). Warning, Funktion, 113. Warning, Funktion, 118. S. Wolff, Todesverlachen, 230. S. Wolff, Todesverlachen, 230. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 114. Jacobelli, Ostergelächter, 69. Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 76. Auch Max Wehrli hat auf das Nebeneinander von burlesker Rohheit und Freude über die „Niederlage des Bösen“ (Christliches Lachen, 25) aufmerksam gemacht, ohne dieser Eigentümlichkeit weiter nachzugehen. Vgl. Haug, Schwarzes Lachen, 52. Jacobelli, Ostergelächter, 106.
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überschneiden sich in ihm die ekklesiologische und individualpsychologische Dimension. Einerseits hat es den Charakter eines „ritualisierten Gemeinschaftslachens“³⁹⁶, eines „Initiationsrituals“³⁹⁷, das eine kollektive Identität stiftet und dem Bedürfnis nach Harmonie und Regeneration Rechnung trägt. Mit seiner Ventilfunktion innerhalb des liturgischen Korsetts, erst recht am Ende der asketischen Fastenzeit,³⁹⁸ kann es jedoch andererseits als Katalysator der „anatomischen Suche nach dem Selbst“³⁹⁹ in seiner sozialen, leiblich-sexuellen und rationalen Vielschichtigkeit aufgefasst werden. Wenn motivgeschichtliche Studien den kreatürlichen Zusammenhang zwischen dem Lachen und der erwachenden, sich befreienden Sexualität erhellen, dann wäre es die Aufgabe einer christlichen Anthropologie des Lachens, die heitere Vitalität des Eros schöpfungstheologisch und offenbarungstheologisch zu deuten. Schöpfungstheologisch könnte das Lachen als Ausdrucksgestalt des libidinösen Egoismus verstanden werden, der in der Transzendierung des „Ichs in der Ekstasis“ auf eine „Steigerung des Lebensgefühls“⁴⁰⁰ hindrängt. Darüber hinaus offenbart der lachende Eros das „Geheimnis von Tod und Auferstehung“⁴⁰¹ in dem Sinne, dass er in den Rausch und die Bewusstlosigkeit, in die Ekstase und den Ich-Verlust führt und doch im Moment des Verlöschens die Lust des Wiedererwachens weckt, dass er also dem „orgiastischen Verschwinden“⁴⁰² trotzt, indem er neues Leben zeugt und das alte Leben erneuert.
Stagl, Nichtlachen, 98. Hüttinger, Die Kunst, 95. Das betonte 1752 der Jesuit P. Franciscus Borgia Gözenberger, womit er das gängige religionspsychologische, auch kirchlich anerkannte Placet lieferte. Gözenberger nutzte die Brauchtumspraktiken im Übrigen auch selbst zur Kompromittierung der Lutheraner (vgl. Flucks, Risus paschalis, 201 f.). Diese konfessionspolemische Instrumentierung des Lachens (vgl. II.3.3) ist den agonalen und charivaristischen Tendenzen des Brauchs zuzuordnen: Flucks (Der Risus Paschalis, 190 f./210), Stagl (Nichtlachen, 97 f.) und Warning (Funktion, 114) weisen darauf hin, dass das rituelle Gelächter mitunter der Kompromittierung innerkirchlicher Konkurrenten oder der moralischen Abgeltung von Fehltritten einzelner Gemeindemitglieder diente, was allerdings nicht immer ungeahndet blieb. S. Wolff, Todesverlachen, 232. Thielicke, Theologische Ethik III, 540. Wesentlich geht es dabei um den „leibseelischen Aufschwung, der dem Getriebenen beweist, dass er noch etwas anderes ist als bloße Arbeitsmaschine, bloßer Intellekt, bloß alltäglich Vegetierender“ (Thielicke, Theologische Ethik III, 540). Wyss, Der gekreuzigte Esel, 12. Wyss, Der gekreuzigte Esel, 13. Manfred Josuttis ist den von der kirchlichen Lehre weitestgehend verdrängten Affinitäten des religiösen und sexuellen Erlebens nachgegangen, die vor allem in den Momenten der Entgrenzung, des Ergriffenseins von einer höheren Macht und des vorübergehenden Bewusstseinsverlustes zu sehen sind (vgl. Gottesliebe, 14– 17). Wenn die „sexuelle Lust Elemente der entgrenzenden Reich-Gottes-Erfahrung“ (8) enthält, dann muss sich
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Die Mobilisierung der dionysischen Kräfte durch die Reanimierung der kirchlichen Festkultur hat bereits Harvey Cox 1970 in seinem vieldiskutierten Buch Das Fest der Narren (1970) gefordert,⁴⁰³ und zwar unter der inkarnationstheologischen Prämisse, dass das „Göttliche im Fleisch“⁴⁰⁴ anwesend ist. Dazu möchte er anknüpfen an die Tanztraditionen der frühen Christen, die trotz der Bekämpfung durch die „kirchlichen Autoritäten“⁴⁰⁵ und die Verordnungen der Konzile überlebten: Die Tänzer wurden zwar aus dem liturgischen Raum vertrieben, doch tauchten sie weiterhin auf Kirch- und Friedhöfen auf und betraten die Bühne bei Prozessionen, Pilgerzügen und Festen. In seiner Theorie des Festes hat Gerhard M. Martin auf der Linie von Cox’ Programmatik den ekstatischen Tanz Davids mit der Aufsprengung des religiösen Normensystems und dem Sprung in den Abgrund der Freiheit in Verbindung gebracht.⁴⁰⁶ Ähnlich wie Cox’ Narrentheologie geht es Martin nicht um bloße Kultkritik, sondern um die Erneuerung des religiösen Lebens schlechthin. Das Inkarnationsprinzip zu entfalten bedeutet, dass Gott auch ins „Fleisch der Gesellschaft und der Natur“⁴⁰⁷ kommt, oder, festtheoretisch gewendet, die Sonntagsund Festtagsqualität in das Profane einsickert. Das neue Sein in Christus hebt den „Dualismus von Fest und Nicht-Fest“ auf, es verwandelt sich die „Freude und Freiheit des Gottesdienstes“⁴⁰⁸ an. Auf der anderen Seite bleibt der homo festivus erdverbunden: Er holt die stoffliche Wirklichkeit in seinen Lebensvollzug hinein, erlebt die „volle Gegenwart von Selbst und Welt“⁴⁰⁹. Die Intensivierung und Erweiterung der Existenz im festlichen Ritus kann zudem nicht vom Alltagserleben isoliert werden; sie ist eschatologisch darauf angelegt, „Momente des Neuen im Alltag heraufzuführen“⁴¹⁰.
diese eschatologische Dimension umgekehrt in einer Revitalisierung, und das bedeutet für Josuttis, einer quasi minnerotischen Aufladung des Glaubens an den liebenden Gott niederschlagen (vgl. 21– 37). Harvey Cox führt den Niedergang der närrischen Festkultur auf den Tod Gottes zurück und nimmt an, dass erst die Wiederaneignung der heilsgeschichtlichen Erinnerung und Verheißung im Medium des Tanzes und der Feier die „religiöse Sprache“ (Das Fest, 42) mit neuem Sinn ausstattet. Cox, Das Fest, 60. Cox, Das Fest, 71. Vgl. G. M. Martin, Fest, 34 f. G. M. Martin, Fest, 51 f. G. M. Martin, Fest, 48. G. M. Martin, Fest, 25. G. M. Martin, Fest, 71.
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Cox und Martin räumen ein, dass die „religiöse Ektase“⁴¹¹ mittelalterlicher Festtraditionen heute nicht mehr reproduzierbar ist. So hat die evangelische Theologie zwar in den 70er-Jahren die Tradition des geistlichen Spiels wiederentdeckt.⁴¹² Doch der sinnliche Überschuss und ästhetische Reichtum der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Kult- und Festtradition ist im Biblio-Drama, Bibelsketch oder in Kirchentags-Tanzritualen kaum noch zu erkennen.⁴¹³ Von der karnevalesken Lust an der Parodierung und Travestierung der sakralen Formen sind nur der wohltemperierte „Gemeindehumor“⁴¹⁴, das „synodale Lachen und der Pfarrerwitz“⁴¹⁵ geblieben. Die Modewelle der volkskirchlichen Gospelchöre wiederum scheint das Bedürfnis nach der „rhythmischen Bewegung“⁴¹⁶ der afroamerikanischen Gottesdienstgemeinden zu bedienen, doch die Ausgelassenheit und der spirituelle Exzess, die auch im „lateinamerikanischen Katholizismus“ zu beobachten sind und offenbar ihre Wurzeln in der kollektiven Erfahrung der politischen Unterdrückung, sozialen Benachteiligung und des Verlustschmerzes haben, sind der „bürgerlichen Religiosität“⁴¹⁷ offenkundig wesensfremd. Dennoch scheint die Reintegration des dionysischen Elements in das religiöse Gemeinschaftsleben in der Epoche der Ökonomisierung sämtlicher Daseinsbezirke eine dringliche Herausforderung zu sein⁴¹⁸, der sich die praktischtheologische Ästhetik nicht verschließen sollte, zumal Grenzerfahrungen nicht nur „historisch und anthropologisch zum Vollsinn von Fest und Feier“⁴¹⁹ dazugehören, sondern grundsätzlich die Konturen des Menschseins schärfen und seine Facetten erweitern. Ein systematisch-theologischer Deutungsversuch kann zudem Lenz Prüttings Hypothese, dass das Lachen die profane Variante einer spirituellen Ekstase darstellt,⁴²⁰ umkehren und der Vorstellung nachgehen, dass Lach-Ekstasen der
G. M. Martin, Fest, 33. Vgl. Wolf, O du fröhliche, 155 f. Eine Ausnahmeerscheinung stellte offensichtlich die im Rahmen des Evangelischen Kirchentages 1973 organisierte Liturgische Nacht dar, die Harald Schroeter-Wittke als „Woodstock des Protestantismus“ (6 Auftakte, 11) bezeichnet hat. Hans Conrad Zander, Warum lachen wir über die Religion?, 241. Lexutt, Humor, 4. Cox, Das Fest, 72. Cox, Das Fest, 38. Bernhard Lang hat den Problemhorizont aufgerissen, wenn er den „bürgerlichen Gottesdienst“ der „apollinischen Seite des Christentums“ zurechnet und mit Blick auf die urchristlichen „ekstatischen Rituale“ an die „dionysische Möglichkeit“ (Heiliges Spiel, 408) des christlichen Kultlebens erinnert. G. M. Martin, Fest, 84. Vgl. Prütting, Homo ridens, 1935 – 1940.
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existenziellen Wucht und Unverfügbarkeit des Offenbarungsgeschehens entspringen. Das Lachen wäre dann ein Reflex auf den dionysischen Überschuss im Handeln Gottes, auf die Impulse der Leidenschaft, eine Resonanz auf den irrationalen Triebgrund der Liebe, der dem Heilswerk Gottes zugrunde liegt. So wie das Offenbarungshandeln sich unverfügbar je und je erschließt, bricht das Offenbarungs-Gelächter bloß punktuell als pneumatische Explosion aus. Dennoch kann der Anschluss des Menschen an die dionysischen Gehalte des Erlösungsgeschehens solchem Lachen, das den Menschen aus seinem funktionalen Korsett befreit und ihm die Möglichkeitsräume der Phantasie, des Spielhandelns und der ungeknebelten Affektivität eröffnet, die nötigen vitalen Energieströme zuführen. Die Aufgabe, die der systematischen Theologie damit gestellt ist, besteht darin, den Ansatz von Jacobelli zu vertiefen und die Korrelation von Erlösungsgeschehen und Schöpfungswirklichkeit genauer zu bestimmen, oder m. a. W. zu explizieren, in welcher Weise das Affiziertsein von der Erlösungswirklichkeit zurückstrahlt auf das geschöpfliche Sein. Die protestantische Theologie tendiert dazu, diese Verhältnisbestimmung bloß auf der Ebene formaler Bedingungen zu definieren, z. B. indem sie die Genussfähigkeit des Menschen auf die mit dem Evangelium gegebene Entlastung von Sinnstiftungsansprüchen zurückführt.⁴²¹ Eine Theologie des Lachens wird jedoch darüber hinaus die soteriologischen Implikate der dionysischen Offenbarungswirklichkeit in Rechnung stellen und umgekehrt das erlöste Sein schöpfungstheologisch qualifizieren. Dabei geht es um ein differenzierteres Verständnis der Offenbarungsmedien als Gelenkstelle zwischen Schöpfung und Erlösung. Die philosophischen Neuansätze nach dem Tod Gottes sind insofern zu berücksichtigen, als sie die Theologie darauf hinweisen, dass sich die göttliche Wirklichkeit im nachmetaphysischen Zeitalter nicht mehr durch dogmatische Konstruktionen oder ein heilsgeschichtliches Narrativ beglaubigt. Vielmehr erschließt sie sich in den kreatürlichen Erfahrungsdimensionen, in der Feier der Sinne ist die heilsgeschichtliche Wahrheit abgeschattet. Das bedeutet, dass das neue Sein und die neue Schöpfung offenbarungstheologisch zusammenfallen, konkreter: dass das neue Sein das Geschöpfliche befreit und verwandelt und auch umgekehrt, dass das Geschöpfliche sich ins neue Sein hinein entfaltet und so zu sich selbst kommt. Das dionysische Lachen resultiert aus dem Durchbruch des neuen Seins in das Geschöpfliche, oder anders: aus der Grenzerfahrung der Erlösung im Medium kreatürlichen Seins. Die Theologie des Lachens wird zwar nicht, wie George Bataille, das Göttliche mit dem Geschöpflichen gleichsetzen, aber die Offenbarungs- und Heiligungsqualitäten der geschöpflichen Wirklichkeit deutlicher hervorheben als der pro-
Vgl. dazu Michael Roths Grundlegung einer Theologie des Spiels in II.1.3.
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testantische Logozentrismus dies in der Regel tut. Sie wird sogar das im traditionellen Sinne Luziferische, das Sinnliche und Ekstatische, in ihr Offenbarungskonzept integrieren und ihm seine angestammten Rechte zurückgeben, indem sie den Mythos gegen den Strich liest: Der gestürzte Engel ist heilsgeschichtlich rehabiliert, als ein Diener Gottes kommt er auf den Menschen zu, um ihm im Hier und Jetzt das zu geben, was Ewigkeit verspricht. Das satanische Lachen ertönt nicht als Affront des Begehrens gegen die Mäßigungsdirektive göttlicher Vernunft, sondern als Triumph leiblicher Vitalität, der die eschatologische Umwertung in der sinnlichen Erfahrung spiegelt und beglaubigt.
1.3 Die Wiederentdeckung der Leiblichkeit und die kreatürliche Lust am Spiel: Anthropologische Vertiefung Die Wiederentdeckung der leiblichen Dimension des Glaubens verdankt sich zuallererst dem Rückgriff auf das alttestamentliche Menschenbild. Denn das „hebräische Denken“ findet einen „mehrdimensionalen, auf Komplementarität ausgerichteten Zugang zu den Dingen“, verschränkt „Vegetatives […], Noetisches […] und Emotionales“.⁴²² Franz Josef Stendebach fasst den anthropologischen Kern des Alten Testamentes so zusammen: „Es ist eben stets der ganze Mensch in seiner leib-seelischen Totalität, in seiner fundamentalen Einheit im Blick, als ganzheitlicher psycho-physischer Organismus, in dem das Äußere Spiegel des Inneren ist, in dem Äußeres und Inneres zusammengehören“.⁴²³ Die „psychosomatische Ganzheit“⁴²⁴ des Menschen, von der weisheitliche Texte wie Psalm 139 zeugen, lässt sich auf der Ebene der Organologie verifizieren.⁴²⁵ So ist für die spezifische leibseelische Natur der Heiterkeit Sprüche 15,13/30 aufschlussreich: Die beiden Verse „Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht“ und „Ein freundliches Antlitz erfreut das Herz“ bringen die Durchlässigkeit der Grenzen zum Ausdruck. ⁴²⁶ Die Fröhlichkeit von innen überträgt sich auf die äußere Gestalt und jene wirkt zurück auf das Innere. Das für das Lachen so charakteristische
Frevel/Wischmeyer, Menschsein, 28. Erst in „sehr späten, hellenistisch beeinflussten Texten“ (Frevel/Wischmeyer, Menschsein, 27) des Alten Testaments sind Ansätze eines dichotomischen Menschenbildes zu erkennen. Nach Herbert Haag/Katharina Elliger setzen „etwa seit dem 5. Jht. v.Chr.“, also in nachexilischer Zeit, „leib-, frauen- und sexualfeindliche“ (Zur Liebe befreit, 50) Tendenzen ein. Franz Josef Stendebach, Wege der Menschen, 71. Bernd Janowski, Der Mensch im alten Israel, 122. Vgl. Christl Maier, Beziehungsweisen, Körperkonzept und Gottesbild in Ps 139, 172– 188. Vgl. Thomas Krüger, Das menschliche Herz und die Weisung Gottes, 95.
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„Leuchten der Augen oder des Gesichts“⁴²⁷ verrät Vitalität und Lebensfreude, „Freude an der Schöpfung, Freude an Freundschaft, Liebe und Leib“⁴²⁸. Zur Erhellung des Ausdrucksphänomens trägt die alttestamentliche Anthropologie auch dadurch bei, dass sie den Atem, der dazu bestimmt ist, Gott zu loben, als Synonym für das von Gott verliehene Leben verwendet.⁴²⁹ Wenn wir rekapitulieren, dass das Lachen physiologisch viel mit einer Rhythmisierung des Atems zu tun hat, dann scheint es nicht abwegig zu sein, es als Manifestation geschöpflicher Vitalität zur Ehre Gottes zu verstehen. Auf der anderen Seite kann, wie Lenz Prütting angedeutet hat, der Akt der Beseelung des Menschen durch den feucht-warmen Atem Gottes als ein Anlachen gedacht werden.⁴³⁰ Als Organ „des Kicherns und Lachens“⁴³¹ verdient zudem die naepaeš Beachtung, die im alttestamentlichen Menschenbild eine überaus weitreichende Bedeutung besitzt. Denn sie ist nicht nur die Kehle und damit die Pforte des Atems und der Sitz der Stimme⁴³², sondern zugleich das Zentrum der „elementaren Lebensbedürfnisse“⁴³³. Die Kehle steht für das „Verlangen, Begehren“⁴³⁴ des Menschen, für das „vitale Selbst“⁴³⁵ mit seinen Leidenschaften. Das Lachen, das sich der Kehle entringt,⁴³⁶ müsste also schöpfungstheologisch mit der vitalen Bedürfnisstruktur des Menschen in einen Zusammenhang gebracht werden und damit wäre es ein vornehmes Zeichen für das sinnlich-leibliche Wirken des Gottesgeistes, für die Einheit von „Spiritualität und Vitalität“⁴³⁷. Der ekstatische Rausch, das lachende Außer-sich-Sein konnte in der Antike und im Mittelalter – man denke an den Dionysos-Kult oder die Epilepsie – als Zeichen „göttlicher Erleuchtung“ oder einer „von Gott erfüllten Seele“⁴³⁸ begriffen werden und auch im Neuen Testament begegnet das Lachen an verschiedenen Stellen als Ausfluss „charismatischer Frömmigkeit“ (Apg 10,10 f; 22,17 f.; 2 Kor 5,13)
Angelika Berlejung, Körperkonzepte und Geschlechterdifferenz in der physiognomischen Tradition des Alten Orients, 326. Vgl. dazu Spr 16,15a. Stendebach, Wege, 128. Vgl. Hans Walter Wolff, Anthropologie des Alten Testaments, 96 ff. Vgl. Prütting, Homo ridens, 481. Silvia Schroer/Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, 49. Schroer/Staubli, Die Körpersymbolik, 46. Frevel/Wischmeyer, Menschsein, 29. Bernd Janowski, Die lebendige naepaeš, 22. Janowski, Die lebendige naepaeš, 23. Auch beim „Jodeln und Halleluja-Trällern“ bricht, so Schroer/Staubli, „ein Urlaut aus dem Innern des Menschen durch die Kehle hervor“ (Die Körpersymbolik, 45). Jürgen Moltmann, Gott und die Seele, 90 f. Hüttinger, Die Kunst, 82.
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und damit als „ekstatisches Phänomen“.⁴³⁹ So kann davon ausgegangen werden, dass es in den frühchristlichen Gemeinden positiv konnotiert war, sofern es zu den Wirkungen pneumatischer Ereignisse gerechnet werden konnte, die dem Menschen die Gegenwart Gottes im Medium des Leibes erschließen und ihm auch auf der Ebene der Emotionalität das neue Sein eröffnen. Die separatistischen Spiritualisten⁴⁴⁰ spekulierten seit dem konfessionellen Zeitalter auf die Lacheffekte überschüssigen Geistwirkens.⁴⁴¹ Wenn der Körper als „Schauplatz der Erlösung“⁴⁴² aufgewertet wird und mit dem Körperritus der Grenzüberschreitung die utopische Hoffnung auf die Überwindung von „Fragmentierung und Isolation“⁴⁴³ und die Verwirklichung einer neuen Ganzheitlichkeit verknüpft ist, dann rücken die Möglichkeiten der Inkarnationslehre für die Begründung einer positiven Theologie der Leiblichkeit in den Blickpunkt. Diese Verschränkung gilt es in zwei Richtungen zu entfalten: Auf der Hahn, Theologie, 284. Vgl. Reinhard Hempelmann, Umfallen, Zittern, Lachen, Ekstase, 5. Es ist daher kein Zufall, dass in stark pneumatologisch orientierten Bewegungen, bei „den Quäkern, den Shakern“ (Prütting, Homo ridens, 1599) und den Pfingstkirchen die Hochschätzung von enthusiastischer Spiritualität auch eine offenere Haltung dem Lachen gegenüber einschloss. In den Hochburgen des spiritualistisch-separatistischen Pietismus, im „oberhessischen Laubach und dem wittgensteinischen Berleburg“, erscholl bei Versammlungen der Erwählten ein ekstatisches Endzeitlachen, das als pneumatische Wirkung der „chiliastischen Naherwartung“ (Schörle, Die Verhöflichung, 118) mit dem „Lachen der ersten christlichen Märtyrer“ (119) verglichen worden ist. Das entrückte Lachen der Quäker ist bereits im 16. Jahrhundert bezeugt ebenso wie die charismatischen Lachanfälle der Methodisten und Shaker, die heute als Millenium Church firmieren (Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 30). Seit den 90er-Jahren hat das ‚Holy Laughter‘ besonders in US-amerikanischen und kanadischen Pfingstgemeinden einen Bedeutungszuwachs erfahren (vgl. Köster,Wir können, 171). In jüngerer Zeit befeuerte z. B. die Quäkergemeinde Toronto Airport Christian Fellowship mit Witzen eine sich pneumatisch steigernde Lachekstase, die als „Zeichen göttlicher Ergriffenheit“ (Rusch, Der Therapeut, 40) weltweit Resonanzen fand. Zur Ablehnung des weltlich induzierten Lachens bei den Quäkern vgl. II.1.1. Selbst in einer anglikanischen Kirche war 1994 die Reanimierung des ‚heiligen Gelächters‘ zu beobachten (vgl. Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 31). Der habituelle Abwehrreflex des theologischen Diskurses gegen das ekstatische Lachen in spiritualistischen Frömmigkeitskontexten ist sogar in einem Aufsatz des Baptisten Siegfried Großmann unverkennbar: Großmann wendet sich gegen atmosphärisch stimuliertes unkontrolliertes Lachen und grenzt es, wie die Theologie es immer getan hat, von der sozusagen heruntergekühlten heiteren Grundgestimmtheit der Kinder Gottes ab (vgl. Das Charisma des Humors, 292). Offenbarungserfahrungen bedürfen laut Großmann nicht der ‚Geburtshilfe‘ durch ein Medium (vgl. 292). Die Kritik am spiritualistischen Gelächter müsste aber m. E. ganz anders, nämlich an der fehlenden schöpfungstheologischen Rückbindung und dem elitären Charakter ansetzen, der mit seiner charismatischen Exklusivität zusammenhängt. Regine Munz, Hammelbeine und Busenwunder, 133. Munz, Hammelbeine, 135.
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einen Seite bekennen die neutestamentlichen Geburtsgeschichten durchweg das „uneingeschränkte Menschsein Jesu“⁴⁴⁴, auf der anderen Seite repräsentiert der herabgekommene Gott eine „körperbezogene Form der Wahrheit“, indem er „seine Lehre am eigenen Leib“⁴⁴⁵ vorexerziert. So lässt sich mit Joseph Ratzingers Auslegung der Enzyklika Haurietis aquas sagen, dass „der Leib [Jesu] in seinem ganzen Beziehungsbereich zugleich der Raum [ist], in dem sich das Göttliche abbildet, aussagbar und anschaubar wird“.⁴⁴⁶ Gott „transzendiert [sich] in das Fleisch“ und darin kommt „umgekehrt jene innere Transzendierung der ganzen Schöpfung zum Vorschein, die vom Schöpfer her in ihr angelegt ist: Leib ist sich selbst überschreitende Bewegung in den Geist und in Gott hinein“.⁴⁴⁷ Die Enzyklika entfaltet also eine „Anthropologie und Theologie der Leiblichkeit“⁴⁴⁸, die den Leib als Selbstaussage des Geistes versteht. Dies ist aber, wenn ich Ratzingers Ansatz präzisieren darf, nicht in einem spiritualistischen Sinne zu verstehen, als würde sich der Leib ins Geistige hinein auflösen, sondern umgekehrt als schöpfungstheologische und pneumatologische Aufwertung der Leiblichkeit, die nicht blind und bewusstlos waltet, sondern die göttliche Herrlichkeit widerspiegelt.⁴⁴⁹ Auf der anderen Seite bleibt der Geist stumpf und wirkungslos, wenn er nicht im Leib nach außen tritt. Regina Ammicht-Quinn spricht von der „Wörtlichkeit des Fleisches“, das als Medium der „Schöpfungs- und Heilswirklichkeit“ die „Durchlässigkeit der Grenze zwischen Sakralität und Profanität“⁴⁵⁰ repräsentiert. Wenn nun hinter dem vorherrschenden ernsten Jesusbild des JohannesEvangeliums und des katholischen Mittelalters die Facetten des „synoptischen Jesusbildes“⁴⁵¹ wieder freigelegt werden⁴⁵² und die „spezifischen menschlichen Hahn, Theologie, 230.Vgl. auch Klaus Berger, Jesus, 228 f. Eckart Reinmuth resümiert: „Jesus wurde als Jude unter konkreten Umständen, zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort geboren. Er teilt diese unverwechselbare Konkretheit und Kontingenz seines Lebensbeginns mit allen Menschen. Jesus wurde in eine bestimmte Sozialität und biologische Gegebenheit, in ein unter bestimmten Bedingungen verlaufendes Leben geboren. Er teilt mit allen Menschen alle Merkmale geschichtlichen Seins; er ist einmalig wie alle Menschen“ (Anthropologie, 186). Schindler, Karneval, 159. Ratzinger, Jesus, 676. Ratzinger, Jesus, 676. Ratzinger, Jesus, 675. Helga Kuhlmann hat es so formuliert, dass der „göttliche Geist“ den menschlichen Leib „für sich öffnet und bewegt“ (Wir haben euch aufgespielt, 233). Ammicht-Quinn, Körper, 329. Peter Bloch, Der fröhliche Jesus, 187. So hat Wolfgang Stegemann auf die „menschlichen Züge Jesu“ im Markusevangelium hingewiesen: „Jesus ist im Innersten berührt […], zutiefst erregt […], erzürnt und traurig […], sogar verärgert […] Jesus kann seufzen […], staunen […] und Liebe empfinden […] Darüber hinaus weiß Jesus auch nicht immer alles […]“ (Jesus und seine Zeit, 35).
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Eigenschaften“ Jesu zum Vorschein kommen „wie etwa seine Kinderliebe, seine Klugheit, seine Phantasie […], seine Schlagfertigkeit und sein Humor“,⁴⁵³ dann blitzt Ratzingers Inkarnationstheologie zufolge in jenen Wesenszügen der göttliche Geist auf. Doch auch die leiblichen Akte Jesu von Nazareth, diejenigen, die ihn explizit als genussfreudigen, keineswegs asketisch gesinnten Zeitgenossen ausweisen und diejenigen, die in diesem Zusammenhang vermutet werden dürfen wie das Lachen und andere Ausdrucksformen von Feierlaune und unbeschwerter Heiterkeit, weisen über sich hinaus auf das göttliche Heil. Tatsächlich dürfen wir annehmen, dass Jesus darin ein „echter Israelit und Orientale“ war, dass er das „leibliche Wohl“ überaus schätzte und „das Leben in allen seinen Dimensionen auch genießen konnte“.⁴⁵⁴ Der Gedanke, dass Gott seine Herrschaft zuallererst an den „Leibern der Christen“⁴⁵⁵ aufrichtet, gewinnt vor diesem Hintergrund neue Aussagekraft. Das ethische Lehrsystem der Kirche war zwar von einer generellen Reserve gegenüber Formen der leiblichen Selbstvergegenwärtigung bestimmt und auf die Abwehr der transgressiven profanen Lachkulturen ausgerichtet,⁴⁵⁶ und erteilte dennoch gewisse Lizenzen für Spiel, Scherz und Heiterkeit. Für diese Offenheit ist allerdings kaum die Schriftexegese, sondern vielmehr die Aristoteles-Rezeption maßgeblich gewesen. Rezeptionsgeschichtlich einflussreich war im kirchlichen Überlieferungskontext zum einen das berühmte aristotelische Diktum aus der Schrift Über die Teile der Lebewesen, dass „allein von allen Lebewesen der Mensch lacht“⁴⁵⁷. Darüber hinaus hatte Aristoteles das Lachen in der Nikomachischen
Bloch, Der fröhliche Jesus, 187. Schroer/Staubli, Die Körpersymbolik, 30. Schrage, Ethik, 210. Ambrosius’ Verurteilung des Scherzes in seiner Schrift de officiis ministrorum (388/389) gab nicht nur den klerikalen Amtsträgern eine strenge Norm vor und orientierte auch die monastische Theologie (vgl. Prütting, Homo ridens, 419 – 422). Die Sittenlehre des Ambrosius wurde noch im Mittelalter rezipiert, z. B. von Ivo von Chartres (1040 – 1114) und Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153). Vgl. Suchomski, Delectatio, 37. Aristoteles, Über die Teile der Lebewesen (673a 8 f.), 81 (kaì tò mónon gelân tôn zóon ánthropon). Die Lehre vom risibile als „akzidentiellem Merkmal“ (Hartmann, Über das Lachen, 197) griffen Quintilian (35 – 96) und der Neuplatoniker Porphyrius (ca. 234– 301/305) in seiner Isagoge auf. Victorinus (4. Jht.) übersetzte sie ins Lateinische, Boethius (475/80 – 525), Martianus Capella (De nuptiis Philologiae et Mercurii, 5. Jahrhundert) und Cassiodor (Institutiones divinarum ac saecularium litterarum, ca. 552– 562) verbreiteten sie in der christlichen Welt. Augustinus und den Gebildeten des frühen Mittelalters wie Isidor von Sevilla (560 – 636) und Smaragd St. Mihiel (gest. 830) war sie geläufig, Alkuin reaktualisierte sie im Zuge der karolingischen Renaissance. Notker von St. Gallen und Egbert von Lüttich nahmen sie um die Wende des 10. zum 11. Jahrhundert wieder auf. Von Abaelard (1079 – 1142) ist ein Kommentar zu Porphyrius überliefert. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 131 f. und … quod rident homines, plorandum est, 9; Le Goff, Das Lachen, 48;
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Ethik anerkannt als Komponente innerhalb einer Theorie der Regeneration, die rhetorische und poetische Mittel anthropologisch-ethisch qualifiziert.⁴⁵⁸ Die „spielerische Verletzung des Sittengesetzes“⁴⁵⁹ im tugendethischen Rahmen erklärte er für legitim, insofern als sie den Menschen vorübergehend vom Ernst moralischer Geltungsansprüche und Verpflichtungen befreit. So besteht der energetische Nutzen des heiteren Lachens darin, den Bedürfnissen, die das Ethos ausgrenzt, für einen Moment Geltung zu verschaffen.⁴⁶⁰ „Spiel und Spaß“ sind zwar nicht telos, aber wenigstens Hilfsmittel des „menschlichen Strebens nach Glückseligkeit“.⁴⁶¹ Zumindest Teile der kirchlich-theologischen Gelehrtenöffentlichkeit orientierten sich an der aristotelischen Ethik des Diätetischen und verstanden die Spielformen der Heiterkeit als Entlastungs- und Erholungsinstrumente zugunsten einer Rückkehr in die gravitas der Heilsexistenz oder sogar zur Verwirklichung des Eutrapelie-Ideals.⁴⁶² Schon Clemens von Alexandrien nahm aristotelische Bestimmungen auf:⁴⁶³ Das Lachen soll sich zwar der Kontrolle des Verstandes beugen und der Strenge von Gottes Wort unterwerfen,⁴⁶⁴ doch kann es unter dieser Bedingung der Melancholie und „fanatischem Ernst“⁴⁶⁵ entgegenwirken. Ansätze einer Wertschätzung des Lachens als Ausdruck „frohen und befreiten Kreaturgefühls“⁴⁶⁶ finden sich auch bei Gregor von Nazianz (ca. 325/9 – 390). Der Abt Johannes Klimacus (ca. 579–ca. 649) gelangte im Rahmen der patristischen Heilskonzeption zu einer für das 7. Jahrhundert erstaunlich positiven Bewertung des Lachens. Er schloss
Suchomski, Delectatio, 10; Rehm, Zur Geschichtlichkeit, 647; Erfen, Das Lachen, 74 f. und Seibt, Der Einspruch, 754 f. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 234 f. Andreas Kablitz, Lachen und Komik als Gegenstand frühneuzeitlicher Theoriebildung, 130. Vgl. Kablitz, Lachen, 130. Die (vollständige) Komödientheorie des Aristoteles ist bekanntlich verloren gegangen, der Tractatus Coislinianus, der die Katharsis des Gelächters zum wirkungsästhetischen Prinzip der Komödie erklärt, scheint diese Lücke jedoch zu schließen (vgl. Prütting, Homo ridens, 216 – 221). Schörle, Die Verhöflichung, 20. Vgl. Suchomski, Delectatio, 30. Clemens bezeichnete den Menschen als zoon gelastikon und das Lachen „als konstitutives Element der menschlichen Natur“ (Hartwich, Die Harmonik, 234). Vgl. Le Goff, Das Lachen, 50. Dabei handelt es sich, wie wir gesehen haben, um eine christianisierende Umwertung antiker Lehre: Clemens übernahm die, möglicherweise auch Philo entlehnte „Ethik der Metriopathaia, der Mäßigung der Affekte“ (L. Ammann, Vorbild, 95) und legitimierte das wohlsituierte und -dosierte Lachen mit Sirach 21,29, die aristotelische Eutrapelie lehnte er jedoch unter Berufung auf Eph 5,4 als Torengeschwätz ab (vgl. Suchomski, Delectatio, 35 ff.). Hartwich, Die Harmonik, 235. Elert, Das Lachen, 185.
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vom Theologoumenon der Ebenbildlichkeit auf das Lachvermögen Gottes und aus dem freundlichen Zulachen Gottes, das im Namen ‚Isaak‘ zum Ausdruck kommt, leitete er umgekehrt das Gebot ab, dass der Mensch mit fröhlichem Lachen antworten solle.⁴⁶⁷ Im heiteren, von der Liebe zum Schöpfer beseelten Lachen ist laut Johannes der Wille Gottes verwirklicht.⁴⁶⁸ In den Klöstern integrierte das strenge Affektreglement die Ventilfunktion der Erheiterung in die konzentrierte, kontemplative Frömmigkeitspraxis. Als Rezept gegen die Melancholie, die das spirituelle und mentale Gleichgewicht vieler Mönche bedrohte, waren zwar seit Benedikt von Nursia (ca. 480/490 – ca. 555/560) standhaftes Arbeiten und ausdauerndes Gebet vorgeschrieben⁴⁶⁹ und das Lachen galt offiziell als eine Form frevlerischer „Selbsttherapie“⁴⁷⁰, doch nicht nur das Phänomen der joca monacorum,⁴⁷¹ der lehrreichen „Scherz- und Witzsammlungen“⁴⁷², belegt die großzügigere Auslegung solcher restriktiver Doktrin zugunsten einer Kompensation der habituellen Lachaskese.⁴⁷³ In späterer Zeit fanden entgegen der Kasuistik der Ordensregeln „geistliche Lieder und weltliche Zerstreuung durch Musik und heitere Gesellschaft“⁴⁷⁴ ihre Nischen in der Klostergesellschaft. Hildegard von Bingen (1098 – 1179), die den Topos vom „strahlenden
Vgl. Uber/Steiners Rekurs (Lach, 44) auf Rev. A. Butler, The lives of the fathers, martyrs and other principal saints, Bd. III, Oxford, 1864. Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 118. Vgl. S.Wolff, Todesverlachen, 174 f. Hans von Campenhausen hat die etwas spekulative These aufgestellt, die Anfänge des christlichen Humors seien in der Wehmut des frühen Mönchtums angesichts des Scheiterns am spirituellen Ideal zu finden (vgl. Ein Witz des Apostels Paulus und die Anfänge des christlichen Humors, 107 und Christentum und Humor, 326). S. Wolff, Todesverlachen, 185. Im Falle hartnäckiger Melancholie wie beim Benediktiner Jacques Rahier in Stavelot im Jahr 1633 kam das Lachen aber offenbar als schocktherapeutische Option in Frage (vgl. Verberckmoes, Das Komische, 83 und S. Wolff, Todesverlachen, 190). Die ioca monacorum, die vor allem aus dem 8. Jht. überliefert sind, waren meist vergnügliche katechetische Rätsel und unterhaltsame bibeldidaktische Gedächtnisübungen (vgl. Le Goff, Das Lachen, 67 f.). Ein außergewöhnliches Zeugnis stellt eine Traumerzählung aus dem 8. Jht. dar, in der sich das Bild des kollektiven Lachens und Händeerhebens zum Symbol für das Mönchtum verdichtet (Kranz, Das göttliche Lachen, 64). Le Goff, Das Lachen, 34. Im Refektorium des Klosters von Fleurie fanden sich auch Illustrationen der äsopischen Fabeln, die allerdings im 11. Jht aufgrund ihrer lachenerregenden Wirkung beanstandet wurden (vgl. Velten, Scurrilitas, 217). Vgl. S.Wolff, Todesverlachen, 187 f. In den „fränkischen Klöstern“ der vorkarolingischen Zeit gab es beachtliche Spielräume für die Platzierung des Komischen, ehe im Anschluss an die Kasuistik des Benediktiners Smaragdus von Saint-Mihiel und das Disziplinierungsprogramm der karolingischen Schriftreform eine „reflektierte, einheitliche Abgrenzung von Sakralität und Freude“ (Christoph Winterer, David, ein frühmittelalterlicher Karikaturist?, 70) erfolgte, die allerdings für das christliche Kulturleben im Mittelalter keineswegs maßgeblich wurde. Vgl. II.1.2. S. Wolff, Todesverlachen, 175.
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Lachen des göttlichen Kindes“⁴⁷⁵ wiederentdeckte und ihn mit einer „allseitigen Weitung“⁴⁷⁶ durch den Geist Gottes in Verbindung brachte, förderte mit ihren Singspielen die klösterliche Fröhlichkeit.⁴⁷⁷ Die Bischöfe Liutprand von Cremona (920 – 972) und Adalbert von HamburgBremen (1043 – 72) betonten die Nützlichkeit von Spaßmachern, Komödien oder „ergötzlichen Heldengeschichten“⁴⁷⁸ für die Psychohygiene. Abelaerds Theologia christiana aus dem frühen 12. Jahrhundert ist zu entnehmen, dass Spielleute und Gaukler die sakralen Räume besetzten⁴⁷⁹ und für Unterhaltungszwecke nutzten: Dabei ließ man es zu, dass sie die kirchliche Hierarchie missachteten, Heiligenlegenden parodierten, Märtyrer- und bacchantische Gesänge vermischten.⁴⁸⁰ Die im 12. Jahrhundert einsetzende hochmittelalterliche Renaissance⁴⁸¹ brachte die Annäherung von höfischem und klerikalem Leben mit sich.⁴⁸² Die „geistlichen Herren“⁴⁸³ interessierten sich zunehmend für das „Leben außerhalb der Klostermauern“⁴⁸⁴, an den „kirchlichen Höfen“⁴⁸⁵ der Adelsgesellschaften bildete sich ein liberales Ethos heraus, das am antiken Urbanitas-Ideal orientiert war.⁴⁸⁶
Prütting, Homo ridens, 489. Prütting, Homo ridens, 487. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 53. Schmitz, Ein Narr, 139. Obwohl die kanonischen Bestimmungen jegliche Scherzproduktion und -rezeption im sakralen Raum streng untersagten, waren die joculatores in vielen Klöstern und an nicht wenigen Bischofssitzen gern gesehen (vgl. Suchomski, Delectatio, 29) und sie trugen auch zur humoristischen Ausschmückung und Verbreitung von Heiligenlegenden bei (vgl. Ludwig Zöpf, Das Heiligen-Leben im 10. Jahrhundert, 236 ff.). Der Papst der Reformationszeit Leo X. bewunderte die Narrenkunst, beschäftigte einen Geistlichen als Hofnarren und spielte sogar gelegentlich selbst nach dem Vorbild einiger weltlicher Fürsten den Narren (vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 120). Vgl. Velten, Scurrilitas, 154 und II.1.2. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 142. Vgl. Dartmann, Das lachen, 51. Dartmann, Das lachen, 47. Schörle, Die Verhöflichung, 23. Dartmann, Das lachen, 45. Antike Scherzkultur beeinflusste besonders gebildete Kleriker wie den Satiredichter Hildebert von Lavardin (1056-ca. 1133) oder den Abt von Cluny Petrus Venerabilis (1094– 1156). Ansätze einer Spiritualisierung des weltlichen Scherzes finden sich beim Abt Petrus von Celle (ca. 1115 – 1183), der eine „würdige, dem Ernst angemessene Heiterkeit“ (Suchomski, Delectatio, 47) vertrat. Für eine theologische Einverleibung antiker Ethik steht auch der gebildete Weltgeistliche Johannes von Salisbury (Policraticus, 1159), der die Möglichkeit einer am antiken Ideal orientierten ehrenvollen Schauspielkunst einräumte (vgl. Suchomski, Delectatio, 42 ff. und 46 – 53).
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In der Theologie des 12. Jahrhunderts löste eine differenziertere moralische Einordnung,⁴⁸⁷ die in eine „Kodifikation der Praktiken des Lachens“⁴⁸⁸ mündete, die kategorische Ablehnung von Lachkulturen ab. Die Schriften des Franziskaners Alexander von Hales (1185 – 1245),⁴⁸⁹ des Thomas von Aquin (1225 – 1274) und Albertus Magnus ⁴⁹⁰(1200 – 1280) strahlten „bis in die zeitgenössischen Sitten und Gebräuche“⁴⁹¹ hinein. Die Tendenz, antike Eutrapelie-Bestimmungen positiv zu werten und eine Laetitia saecularis nicht nur dem Laienstand als Element einer natürlichen Ethik zuzugestehen, sondern theologisch zu begründen, ist zudem deutlich zu erkennen in Wilhelm von Conches Moralium Dogma Philosophorum aus dem 12. Jahrhundert.⁴⁹² Wilhelm (1080 – 1154) erhob in einer Neubewertung der antiken Säfte-Lehre das „sanguinische Temperament“⁴⁹³ zum Ideal und entwarf den paradiesischen Menschen als Sanguiniker. Die Projektion des „lachenden Adam“ zeigt gewissermaßen auf der Rückseite der Ebenbildlichkeit einen „heiteren Schöpfer“⁴⁹⁴. Thomas von Aquin betonte auf der Linie einer neuaristotelischen Anthropologie und leibfreundlichen Schöpfungstheologie die Bedeutung von „Spiel und Scherz“⁴⁹⁵ als Entspannungstechniken zur Wiederher-
So gewann die auf alttestamentliche Traditionen zurückgehende ontologische Differenz zwischen dem herabsetzend-aggressiven und dem eschatologisch begründeten frohen Lachen wieder an Bedeutung (vgl. Le Goff, Das Lachen, 65). Darüber hinaus erlaubte es die Sündenlehre des Anselm von Canterbury (1033 – 1109), zwischen willentlichem Frevel und unwillentlichen Lastern zu unterscheiden, denen auch unkontrollierbare Lachausbrüche zugerechnet werden konnten (vgl. Prütting, Homo ridens, 471 f.). In der Hölle von Dantes Göttlicher Komödie (1307– 1321) sind daher keine Lach-Sünder anzutreffen (vgl. 477). Le Goff, Das Lachen, 20. Im Rahmen einer Kategorisierung von Sünden am Maßstab der Gesinnung nimmt Alexander in seiner Summa theologica die aristotelische Unterscheidung von „Eutrapelie und Possenreißerei“ (Prütting, Homo ridens, 501) auf. Die Ioculatio, also das heitere Spiel, Tanz und Scherz misst er daran, welche Art von Gelächter sie hervorruft: Grundsätzlich rechtfertigt er das Lachen im Rückgriff auf Aristoteles, zumal es in der Heiligen Schrift keinerlei Lachverbot gebe, hebt aber das ataraktische und das erlöste Lachen von der maßlosen Erheiterung des Narren und dem „Verlachen des Anderen“ (519) ab, wobei die Frage nach der Absichtlichkeit und der rechten Gesinnung das entscheidende Kriterium der moralischen Beurteilung darstellt (vgl. 508 – 513). Vgl. zur Wertschätzung der aristotelischen Eutrapelie bei Albertus Magnus Wilhelmy, Das leise Lachen, 46 f. Le Goff, Das Lachen, 20. Vgl. Suchomski, Delectatio, 40 ff. Prütting, Homo ridens, 479. Prütting, Homo ridens, 480. Schiller hat in seiner Deutung des Sündenfall-Mythos ein ähnliches Szenario entworfen und das postlapsarische Lachen als einen bewussten Rückfall in den unschuldig-regressiven Naturzustand gedeutet (vgl. Prütting, Homo ridens, 845 ff.). Björn R. Tammen, Komik und Groteske in der mittelalterlichen Musikikonographie, 195.
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stellung des inneren Gleichgewichts.⁴⁹⁶ Den „Ausgleich von Ernst und Fröhlichkeit“ wertete Thomas „als eine für die leibliche und seelische Gesundheit des Menschen notwendige Erholung“⁴⁹⁷ und die „geregelte Scherzhaftigkeit“⁴⁹⁸ als Tugend.⁴⁹⁹ Vor diesem Hintergrund nobilitierte er wie Alexander von Hales die Berufsgruppe der Spielleute.⁵⁰⁰ Die thomistische Adoption des aristotelischen Eutrapelie-Begriffs für die theologische Ethik⁵⁰¹ strahlte auf das scholastische Gelehrtenumfeld des 13. Jahrhunderts aus, das die produktive Verbindung von homo ridens und homo ludens wiederentdeckte.⁵⁰² Die Renaissance-Theologie nahm den neuaristotelischen Impuls auf, ging jedoch deutlich über den thomistischen Rahmen hinaus: Lorenzo Valla (1407– 1457) integrierte „den ganzen Bereich sinnlicher Erfüllung in sein Konzept des guten Lebens“ und wertete die „Lust als Schöpfungsgabe“⁵⁰³ auf. So nahm er den schöpfungstheologisch motivierten Eudaimonismus vorweg, der in jüngerer Zeit gegen die Leibfeindlichkeit der offiziellen Doktrin diskursive Raumgewinne verbuchte. Marsilio Ficino (1433 – 1499) beschrieb, wie der „diesseitige Erfüllungsmoment, [….] Gottes Gegenwart in der Seele“ und die Aufhebung der Seele „in die Unendlichkeit Gottes“⁵⁰⁴ sich in einer unter Umständen ekstatischen Gewissheitserfahrung verdichten. Laurent Joubert (1529 – 1583) erklärte das Lachen zu Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 89. Sogar der frühe Augustin hatte in seiner Schrift de musica (ca. 389) das Entspannungsmoment von Scherz und Spiel hervorgehoben (vgl. Suchomski, Delectatio, 56). Ute Monika Schwob, Über das Lachen mittelalterlicher Legendenerzähler, 45. Suchomski, Delectatio, 58. Der Anticlaudianus (ca. 1182) des Alanus ab Insulis knüpft an Senecas Stoizismus an und sanktioniert das maßvolle, kontrollierte Lachen, das im Einklang mit dem platonischen „Ideal der seelischen Unerschütterlichkeit“ steht und einer „geistlichen Heiterkeit“ (Suchomski, Delectatio, 55) entspringt. In der mythologischen Erzählung des siebten Buches rechnet Alanus das Lachen zu den Konstituentien des „vollkommen neuen Menschen“ (54) und beschreibt es als eine Naturgabe, die den Trübsinn durch die Kraft der Fröhlichkeit vertreibt unter der Voraussetzung der Mäßigung und Verwandlung in die sittliche Kraft der fortitudo, der tugendhaften Ernst-Heiterkeit. Vgl. Suchomski, Delectatio, 58. Im späten Mittelalter trat die Unterscheidung von erbaulich wirkenden und körperbesessenen Gauklern in den Vordergrund (vgl. Röcke, Ostergelächter, 345). Thomas Chobhan grenzte in seinem Beichtspiegel, den bedeutenden Summa confessorum aus dem beginnenden 13. Jahrhundert, die Spielleute, die auf Fürsten und Heilige Elogen sangen und Kranken oder Trauernden Trost spendeten von jenen ab, die mit „abscheulichen Masken“ (Tammen, Komik, 195), körperlicher Exzentrik und sinnenfrohem Musizieren zur Unkeuschheit animierten. Auch Petrus Cantor (gest. 1197) unterschied zwischen den erbaulichen Ioculatores und den abzulehnenden Histrionen (vgl. Velten, Scurrilitas, 151 f.). Vgl. Suchomski, Delectatio, 59 f. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 65. Jörg Lauster, Gott und das Glück, 83. Lauster, Gott, 89.
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einer Gabe Gottes und zum vornehmen regenerativen Vermögen des Menschen, vom Ernst seines Alltags und den Sorgen seiner Existenz Abstand zu nehmen.⁵⁰⁵ Den komplexen körperlichen Vorgängen kommt deswegen Zeichencharakter zu, weil sie auf eine mit der Einbildungskraft verwobene seelische Potenz zurückverweisen, die durch eine spezifische Lust aktiviert wird.⁵⁰⁶ Die semiotische Dimension erhellt den verborgenen „inneren Sinn […] der Lachleidenschaft“⁵⁰⁷ als „irdisches Vergnügen in Gott“.⁵⁰⁸ In der theologisch grundierten Affektenlehre der Renaissancegelehrten sind naturwissenschaftliche Deskription und metaphysische Deutung keine dichotomischen Wahrheitskonzepte. Diese Feststellung gilt aber auch für den großen Barockphilosophen Baruch de Spinoza (1632– 1677), der sich explizit gegen die augustinische „Trennung von Gebrauch und Genuss“⁵⁰⁹ wandte und die Vervollkommnung des Menschen und seine Partipation am Göttlichen mit der allumfassenden weltlichen Freude in Verbindung brachte. Der französische Weltgeistliche Guillaume Amfrye de Chaulieu (1639 – 1720) versuchte, in Opposition zur offiziellen kirchlichen Lehre die epikuräische CarpeDiem-Philosophie mit der christlichen Schöpfungstheologie zu versöhnen. Das Vertrauen auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes steht ihm zufolge im Einklang mit der Entmystifizierung des Todes und der Affirmation diesseitigen Genusses.⁵¹⁰ In dieser monistischen Traditionslinie steht Martin Luther sicherlich nicht, doch auch Luther war der Meinung, dass „leibliche Ergötzlichkeiten, Musik, Gesang und Gebet, […] gute Unterhaltung“⁵¹¹ wie die Possen des Till Eulenspiegel oder die humorvolle Didaktik der Fabel das Herz aufheitern und die Fröhlichkeit der Kinder Gottes nähren könnten.⁵¹² Mit seiner „derben, humorvollen Sprache“⁵¹³
Vgl. Link-Heer, Physiologie, 271. Vgl. Link-Heer, Physiologie, 253 und Prütting, Homo ridens, 740. Link-Heer, Physiologie, 261. Prütting, Homo ridens, 739. Diesen Gedanken hat Barthold Heinrich Brockes (1680 – 1747) in ein Gedicht gekleidet, in dem er als ‚Lehr-Satz‘ festhält: „Das Lachen selbst zeigt Gottes Güte, und ist ein göttliches Geschenke“ (Irdisches Vergnügen in Gott, Siebender Theil, 687). Prütting, Homo ridens, 805. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 278 ff. Vgl. auch II.2.4. Johann Anselm Steiger, Das Lachen Gottes und des Menschen, 419. Vgl. auch Elert, Das Lachen, 187. Luther vertrat die Auffassung, dass die Predigt den Menschen durch die Verkündung der Heilsbotschaft zum Lachen und Tanzen animieren sollte (vgl. Steiger, Das Lachen, 414). Zwar folgte er wie Calvin der paulinischen Eutrapelie-Kritik, doch beurteilte er närrische Reden eher milde als unnützes, selbstgefälliges Possenspiel und zählte sie zu den Unterlassungssünden und nicht etwa zu den heilsgefährdenden Freveleien (vgl. Wendland, Ostermärchen, 70 ff.). Tatsächlich konnte er ja selbst, wie er bezeugt, „trincken, lachen, possen reissen“ (WA TR 3 [Nr. 3327a], 268 f.). Schörle, Die Verhöflichung, 104.
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und seiner charakterlichen Disposition setzte er einen starken Gegenakzent zu puristischen Moralvorstellungen.⁵¹⁴ Selbst die pietistische Bewegung war nicht einheitlich in der Rigidität ihrer sittlichen Grundsätze. In einer Entgegnung auf das Gothaer Bekenntnis heißt es, dass Gott auch den Christen Erholung und Ergötzung zugestehe und das Lachen daher ebenso wie der Tanz und das Spiel den Adiaphora zugerechnet werden müsse.⁵¹⁵ Der Verfasser argumentiert, dass Paulus sich in Eph 5,4 nur gegen den „groben Scherz“⁵¹⁶ gewandt und in Kol 4,6 angedeutet habe, dass die Rede der Christen mit Witz gewürzt sein sollte.⁵¹⁷ Er verweist auf die Tischreden und andere mit derber Komik angereicherte Texte Luthers, der im Übrigen dazu geraten habe, auch Komödien der zotigen Art nicht zu meiden, da die Heilige Schrift selbst solche Elemente enthalte.⁵¹⁸ In Ansätzen gelangte die „Frömmigkeitsbewegung des frühen 18. Jahrhundert“⁵¹⁹ sogar zu überraschend positiven Wertungen des
Die Schwank- und Witzeproduktion der Gegenreformation zielte wiederum im thomistischen Sinne auf Erholung, der verfeinerte Humor galt liberalen Zeitgenossen als Zeichen der Eutrapelie oder „matter Abglanz des göttlichen Glücks“ (Verberckmoes, Das Komische, 87). Zu den Theologen des posttridentinischen Reformbeginns auf der Schwelle zum 17. Jahrhundert, die das Lachen im Rahmen des monastischen Askesekonzeptes als regeneratives Moment heiterer Geselligkeit schätzten, gehörte Franz von Sales (1567– 1622). In seiner Schrift Introduction à la vie dévote erklärte Franz, dass das Lachen nicht durch moralisch fragwürdige Impulse wie Spottlust ausgelöst werden und seine Vergnüglichkeit auch kein bloßer Selbstzweck sein dürfe. Unter der Voraussetzung der Beherrschung und Vergeistigung seiner körperlichen Natur kann es jedoch eine ganzheitliche, Körper und Geist umschließende Dimension gewinnen und Ausdruck der Gottesliebe und der spirituellen Freude sein (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 90 ff./185 f. und Verberckmoes, Das Komische, 83). In diesem Sinne hat der Jesuit Adriaen Poirters (1605 – 1674) das innerliche Lachen als Ausdruck einer wahren christlichen Haltung geadelt und der volkstümliche Schriftsteller Joan de Grieck behauptete sogar (1682), „wer nur einmal im Monat“ (Verberckmoes, Das Komische, 83) lache, habe keine Seele. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 114 f. Schörle, Die Verhöflichung, 114. Der Gödauer Pastor Johann Christoph Lehmann (1658 – 1731) rechtfertigte in seinem Thesaurus Evangelico-Homileticus (1721) das Lachen unter Berufung auf Geschichte und Philosophie, namentlich Aristoteles, und die weisheitlichen Sentenzen in Prov 14,13 und Koh 3,4, die lediglich das maßlose, unangemessene und gottlose Lachen verurteilten (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 104 f.). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 114 f. Luthers Wertschätzung der Komödie beruht allerdings auf ihrer moralpädagogischen, restaurativen Funktion (vgl. WATr 1, 431 f.). Eine humanistisch grundierte Komik der Doppeldeutigkeit, wie sie für Erasmus Lob der Torheit kennzeichnend ist, fand keineswegs seine Zustimmung (vgl. Zander, Darf man, 22). Schörle, Die Verhöflichung, 122.
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1 Lachen im Zeichen von Sexus und Eros
Lachens.⁵²⁰ Der aufklärerische Protestantismus, u. a. Gottfried Leß (1736 – 1797), erkannte schließlich die Bedeutung der heiteren Geselligkeit für die Stärkung der Tugend und beeinflusste damit auch katholische Ethiker wie Johann Michael Sailer.⁵²¹ Im Hinblick auf das Spiel hat die protestantische Ethik des 19. Jahrhunderts den Wert der Erholung anerkannt, ohne jedoch, wie Michael Roth kritisiert, das wesentliche Kennzeichen der Zweckfreiheit als theologisches Problem in den Blick zu nehmen oder überzeugend zu lösen.⁵²² Vielmehr legte sie den Akzent auf die instrumentelle Bedeutung des Spiels zugunsten einer „Stärkung der sittlichen Kampfeskraft“⁵²³. Im Anschluss an Helmut Thielickes skizzenhafte Bestimmungen⁵²⁴ hat Roth entlang einer schöpfungstheologischen Programmatik das Spielgeschehen als eine Gabe gedeutet, die zwar „zur Erhaltung des Menschen dient“, doch um ihrer „selbst willen begehrt wird“.⁵²⁵ Die „Freude an den Dingen des Daseins“⁵²⁶ im Spiel setzt die Zweckfreiheit des Genusses voraus. Im Modus reiner Gegenwärtigkeit entdeckt der Mensch einen „Freiraum von der Sorge um die Heillosigkeit des Daseins und der Angst vor dem existenziellen Scheitern“⁵²⁷. Der Genuss gewährt „dem von der Vergänglichkeit bedrohten Dasein kein Heil“⁵²⁸,
Der Pfarrer Adam Bernd (1676 – 1748) unterschied in einer Predigt (1715) drei Typen des Lachens. 1) Das natürliche Lachen bricht unwillkürlich und unwiderstehlich aus und ist mit „moralischen Kategorien“ (Schörle, Die Verhöflichung, 124) nicht zu qualifizieren. 2) Das „spöttische oder teuflische Lachen“ (125), also das Lachen über den klagenden Hiob, den warnenden Lot und den unverstandenen Jesus, bringt die Sünde in die Welt und wird erst von der strafenden Gerechtigkeit Gottes und dem triumphalen „Lachen der Frommen“ (125) zum Verstummen gebracht. 3) Das „göttliche Lachen“, d. h. das Lachen der Freude über die Gaben Gottes und die Schöpfung, das Lachen Saras und Abrahams angesichts „der Geburt des versprochenen Sohnes“ (125) und das Lachen jener, die im Sterben ihre himmlische Heimat erblicken, ist als eine Wirkung von Gottes Wort oder Geist zu verstehen. In Bernds Argumentation lässt sich deutlich die Abgrenzung von der Scheinheiligkeit und Äußerlichkeit der „offiziellen Kirche“ erkennen, gegen die er „natürliches Verhalten“ und „natürliches Lachen“ (126) zu profilieren suchte. Vgl. Hans Gleixner, Humor – eine Erscheinung der Religion, 180. Vgl. dazu Roths Überblick (Sinn, 26 – 33) zu F. H. R. von Frank (System der christlichen Sittlichkeit, Zweite Hälfte, 1887), Chr. E. Luthardt (Kompendium der theologischen Ethik, 1898), W. Herrmann (Ethik, 1901) und A. Schlatter (Die christliche Ethik, 1914). Roth, Sinn, 30. Roth bezieht sich hier auf die durchaus repräsentative Ethik Wilhelm Herrmanns. Thielicke hält fest, dass Spielintention und Spielhandeln nicht auf einen äußeren Zweck ausgerichtet sind (vgl. Theologische Ethik III, 825 – 829). Roth, Sinn, 165. Roth, Sinn, 174. Roth, Sinn, 168. Roth, Sinn, 170.
1.3 Die Wiederentdeckung der Leiblichkeit und die kreatürliche Lust am Spiel
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doch das Ethos des Evangeliums verleiht dem Menschen „die Freiheit zur genießenden Hingabe an das Endliche“⁵²⁹. Jürgen Moltmann und G. M. Martin erweitern dieses anthropologische Reflexionsfeld, wenn sie in Anlehnung an die Selbstprädikation der alttestamentlichen Weisheit (Prov 8,30) und die Theologie der „griechischen Väter“⁵³⁰ die Schöpfung aus dem Spiel der Gedanken Gottes ableiten.⁵³¹ Präziser gefasst haben es die Alttestamentler Silvia Schroer/Thomas Staubli und Othmar Keel, die das Schöpfungshandeln Gottes als sekundäres Phänomen, als eine Ableitung weisheitlicher Freude begreifen. Pointiert formuliert: Die Weisheit, die der hebräische Urtext als scherzende, schmusende, tanzende Frauengestalt imaginiert, erfreut sich nicht nur maßlos an den Werken Jahwes, sondern sie selbst erheitert den ewigen Gott und animiert ihn als übermütige Gespielin oder vergnügte Tochter zum Schöpfungshandeln.⁵³² Neben die Schöpfung durch das Wort (Gen 1) und die Tat (Gen 2) tritt somit die „creatio ex gaudio“⁵³³. Wenn das weisheitliche Spiel also als „kultisches Scherzen vor Gott“⁵³⁴ zu verstehen ist, dann spricht tatsächlich
Roth, Sinn, 173. Cox, Das Fest, 196. Vgl. Jürgen Moltmann, Die ersten Freigelassenen der Schöpfung, 23 ff. und G. M. Martin, Fest, 34. Roth dagegen will den Schöpfungsakt nicht als Spielhandeln identifizieren, weil weder die Scheinhaftigkeit noch die Spontaneität des Spielgeschehens geeignete Kategorien für die Bestimmung der „schöpferischen Intention Gottes“ (Sinn, 166) seien. Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 505, Keel, Die Weisheit, 60 – 66, Jürgen Ebach, Der Tanz im Alten Testament, 44 ff. und Jaklitsch, Lächelnd, 129 – 133. Die schöpfungstheologische Hypothese von der „scherzenden Weisheit“ (Lächelnd, 132) schließt ein, dass das Lachen mit der Erkenntnis der Weisheit korreliert; das Fortwirken der Weisheit in der creatio continua sichert dem Lachen sein Existenzrecht in der Schöpfungsordnung. Schroer/Staubli, Weinen, 505. Die Spiel-Freude am Dasein hat in den mythologischen Erzählungen ihr Vorbild in der göttlichen Heiterkeit und dem Lachen der göttlichen Lebensfülle (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 61). So zeigt das Lachen der indischen Götter, des schelmischen Krishna oder des freundlichen Ganesha, die „positive Seite der Schöpfung“ (Ceming, Aus dem Tal, 138). Octavio Paz hat in seinem Aufsatz Die Rückseite des Lachens (1979) den Anfang und das innere Bewegungs- und Erhaltungsgesetz der Schöpfung mit dem Spiel der Götter ineins gesetzt. Der Mensch imitiert das schöpferische Spiel im Ritus. Das rituelle Spiel ist gekennzeichnet durch die paradoxe Verknüpfung von Tod und Geburt, Opfer und Schöpfung. Der Bedeutung des Opfers entspricht die „rückhaltlose Verschwendung von Leben und Zeit“ (Essays, 50 f.) im Ritus und die nicht vorausberechenbare Gewinn- bzw. Verlustbilanz des Spiels. Vgl. auch Kamper, Die Sonne, 271. Schroer/Staubli, Weinen, 505. Hugo Rahner hat das hebräische Wort für die „Tätigkeit des Logos“ (Cox, 196) mit ‚Tanz‘ übersetzt und es damit in die Nähe von Davids Ekstatik gerückt (vgl. Der spielende Mensch, 22 f.). Vgl. II.1.2. Zu den alttestamentlichen Parallelen kann auch der Psalmvers (104,26) gerechnet werden, demzufolge Gott mit dem Leviathan spielt und sich ver-
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1 Lachen im Zeichen von Sexus und Eros
einiges dafür, die Schöpfung im Sinne eines erweiterten Spielbegriffs mit Antrieben wie den Impulsen heiterer und libidinöser Phantasie in Verbindung zu bringen.⁵³⁵ Das regenerative Lachen der Feste Israels (Dt 16,11– 15, Prov 31,6 f.)⁵³⁶ und das rituelle Ostergelächter in den christlichen Kirchen haben diesen Gedanken aufbewahrt und weitergetragen (vgl. II.1.2).⁵³⁷ Wie Gerhard M. Martin und Harvey Cox in ihrer Theologie des Festes weitet Moltmann auf der Basis seiner Schöpfungslehre die Spielsphäre auf die gesamte Existenz aus: Der Mensch, der erkennt, dass der „umgreifende liebende Grund seines Daseins mit ihm ein wunderbares Spiel spielt“, ist dazu ermächtigt die „erdenschwere Arbeit […] in Freude, Tanz, Gesang und Spiel“⁵³⁸ aufzuheben. Er hat „den innigsten Anteil“⁵³⁹ an der unendlichen Spiellust des Schöpfers, wenn er das „endliche Leben“ und die „sterbliche Schönheit“⁵⁴⁰ lustvoll bejaht. Die „spielende Freude“ der Gotteskinder am Dasein, ihre „machtfreie Lust am schaffenden Spiel“ sind ein „Echo auf das Wohlgefallen Gottes an der Schöpfung“.⁵⁴¹ In diesem Sinne fordert Karl Rahner das unbeschwerte, ein wenig
gnügt wie ein „Mädchen mit einem zahmen Vogel“ oder ein „Mann mit einer Frau“ (Keel, Die Weisheit, 64). Vgl. Hi 40,29; Gen 26,8; 39,14/17. Das freudige Spiel Gottes mit seiner Schöpfung hat auch Rabbi Jehudá in einer talmudischen Aggadáh bekannt (vgl. BenGershôm, Der Esel, 159). Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 500 f. In diesem Zusammenhang ist auch das Purimfest zu thematisieren, das mit seinen Maskenspielen, umgekehrten Hierarchien und parodistischen Belehrungen offensichtlich Züge des Karnevals trägt und doch im „Wechsel von Ernst und Scherz, Besinnung und Rausch“ (BenGershôm, Der Esel, 75) den heilsgeschichtlichen Hintergrund nicht verblassen lässt. Auf der einen Seite erlaubt die Purimfest-Maskerade die spielerische Aufhebung der habituellen Zuschreibung von Identität; der Identitätstausch versinnbildlicht jedoch andererseits das subversive Ereignis des Purimwunders: Aus den Verachteten waren die Verehrten geworden (Christina Parageis, Purim-Spiele und die Masken der Marx Brothers, 260). Im Mittelpunkt des auf einen Tag beschränkten Festes stehen die „öffentliche Lesung des Buches Ester und die damit einhergehende Freude über das rettende Eingreifen Gottes“ (Ben Gershôm, Der Esel, 75). So ist auch das Purimfest von jenen heidnischen Kulten zu unterscheiden, die mit ihren „Tänzen und Riten“ (Maurer, Theologische Aspekte, 292) allein „vegetative Gegebenheiten“ (289) beschworen, um die „Angst vor dem Ungewissen“ ekstatisch zu überwinden und der „zyklischen Ordnung des Kosmos“ (292) wieder inne zu werden. Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 505 und Keel, Die Weisheit, 66. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 30. Vgl. auch Maurer, Theologische Aspekte, 290. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 28. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 27. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 27. Selbst die Tiere partizipieren am weisheitlichen Lachen: Der lachende Esel bekundet seine „unbändige Lebenslust“ (Richert, Kleine Geistesgeschichte, 59) und kreatürliche Freiheit (Hiob 39,5 – 8). Vgl. auch II.1.2. Dem Straußenweibchen (Hiob 39,13 – 18) mangelt es zwar an Verstand, aber im Lachen entrinnt es der Gefahr und bezeugt
1.3 Die Wiederentdeckung der Leiblichkeit und die kreatürliche Lust am Spiel
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oberflächliche oder sogar dumme Lachen als Bekenntnis zum bloßen Menschsein, das dem Bekennen und Rühmen Gottes vorausgehe.⁵⁴² Umgekehrt heiligt, wie Friedrich Lohmann erklärt, die Weltzugewandtheit Gottes die „natürlichen Lebensvollzüge“⁵⁴³ wie das Lachen. Aus kulturhermeutischer und religionssoziologischer Sicht könnte das Lachen zudem im Kontext gegenwärtiger Körperkultur und „säkularer Transzendenzen“⁵⁴⁴ gedeutet werden. Mit dem Sport hat es gemeinsam, dass es eine ekstatische Körpererfahrung eröffnet,⁵⁴⁵ die gleichwohl unverfügbar bleibt,⁵⁴⁶ und damit auf „ein transzendentales Anderes“ verweist, „das […] Alltagszwänge für einen gewissen Zeitraum aushebelt bzw. ausgleicht“.⁵⁴⁷ Auch das Spiel mit dem Tod, das der Ekstase des Extremsports zugrunde liegt und das Leben umso intensiver sinnlich vergegenwärtigt,⁵⁴⁸ gehört, katastrophentheoretisch betrachtet, zum verborgenen phänomenologischen Programm des Lachens. Ebenso eint beide Phänomen, dass der Körper einem Müssen unterworfen ist, „das aus der Hingabe heraus geboren ist“⁵⁴⁹ und auf ein gesteigertes „Lust- und Genussempfinden“ bzw. „persönliches Wohlgefühl“⁵⁵⁰ zielt. Dabei löst sich der Körper allerdings von der Zweckbestimmung, die dem christlichen Ritus (Taufe, Abendmahl) oder der mystisch-kontemplativen Frömmigkeitsübung eignet.⁵⁵¹ Die spirituelle Dimension des Lachens ist daher nicht einer Mechanik der Heilsvorbereitung zugeordnet, sondern setzt, wie wir gesehen haben, den Empfang des Heils voraus, das den Menschen in einem ursprünglichen Sinne an die Schöpfung zurückbindet. Walo Hartmanns Urteil, dass sich das „lebensbejahende Prinzip“ des Lachens, die „Zustimmung zum Diesseits“ nicht mit dem „Gebot der Hinwendung zu Ewigem“⁵⁵² vertrage und es für die gläubige Existenz nur die eschatologische Freude gebe, die vom leiblichen Ausdruck des Lachens abgespalten ist, kann nicht bestätigt werden.
seine geschöpfliche Lebenskraft. Das Pferd (Hiob 39,19 – 25) verlacht seine Angst selbst mitten im Getöse der Schlacht (vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 59 f.). Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 81 f. Friedrich Lohmann, Wie heilig ist das Heilige?, 55. Thorsten Benkel, Der Körper als Medium der Transzendenz, 67. Vgl. Hubert Knoblauch, Körper und Transzendenz, 45 f. Vgl. Gugutzer, Die Sakralisierung, 292. Benkel, Der Körper, 69 f. Vgl. Gugutzer, Die Sakralisierung, 298. Benkel, Der Körper, 68. Benkel, Der Körper, 67. Vgl. Benkel, Der Körper, 61. Hartmann, Über das Lachen, 196.
2 Lachen im Zeichen von Sünde, Tod und Auferstehung: Soteriologische Perspektiven 2.1 Der eschatologische Deutungsrahmen: Daseinspessimusmus als agelastisches Motiv Jede Form der innerweltlichen Erlösung, und sei sie bloß transitorischer Art, droht das futurische Erlösungskonzept einer Religion überflüssig zu machen¹ und so hat die Abwehrhaltung der traditionellen christlichen Religion gegen das Lachen nicht nur mit ihrer leibfeindlichen Sittenethik zu tun, sondern auch mit dem negativen eschatologischen Weltbild, das der theologische Herrschaftsdiskurs transportierte. Justin Stagl zieht aus den altkirchlichen Lehrurteilen die Bilanz: „Das Christentum ist wie andere Religionen des vorderen Orients eine Religion des Weinen“.² Die Wurzeln dieser weltanschaulichen Veranlagung reichen zurück in die weisheitliche Ethik: Kohelet erscheint das Lachen als unangemessene Reaktion auf die sinnlosen, eitlen Dinge, auf Scheinerfolge und täuschendes Glück (2,2).³ Sein Pessimismus und Skeptizismus legt zuallererst das Weinen nahe;⁴ der Weise klagt und trauert (7,3 f.). Im Schema der Lebenszyklen (3,4) nimmt Kohelet zwar sein Verdikt gewissermaßen zurück zugunsten einer bedingten Anerkennung,⁵ doch wendet er sich ausdrücklich gegen närrische Erheiterung (7,4 ff.).⁶ Die vorexilische Spruchweisheit (14,13) hält fest, dass das Lachen über den Gram des
Vgl. Prütting, Homo ridens, 55. Stagl, Nichtlachen, 97. Vgl. Kremer, Das Lachen, 149, Tanenbaum, Der Humor, 376 und Voeltzel, Das Lachen, 99 f. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 195. Die skeptische Haltung gegenüber dem Lachen und die Favorisierung des Weinens als ehrliche Resonanz auf die Krisenhaftigkeit der gläubigen Existenz erklärt René Voeltzel mit Alfred Sterns axiologischer Theorie. Der gläubige Mensch fürchtet sich davor, dass die Wertedegradation des Lachens zuletzt auf seinen Heilsstatus durchschlägt bzw. die von ihm selbst als heilig erachteten Werte in Mitleidenschaft zieht (vgl. Voeltzel, Das Lachen, 10). Darum gilt das Lachen als „Signatur der gefallenen Menschheit“ (Helmstetter, Vom Lachen, 767). Das Weinen hingegen, das bedrohten, verlorenen oder nicht realisierbaren Werten gilt, bringt das Existenzgefühl des Frommen angemessen zum Ausdruck (vgl. Voeltzel, Das Lachen, 10). In einigen Sprichwörtern hat die biblische Reserve gegenüber dem Lachen als Organ gegenwärtiger Befindlichkeiten überlebt und sich dem allgemeinen Bewusstsein vermittelt: ‚Nach dem Lachen kommt Trauern‘, ‚Am vielen Lachen erkennt man den Narren‘, ‚Wer zuletzt lacht, lacht am besten‘ (vgl. Panagl, Lachen, 531). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 97. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 22 und Tanenbaum, Der Humor, 376. https://doi.org/10.1515/9783110667769-006
2.1 Der eschatologische Deutungsrahmen
337
Herzens hinwegtäuscht⁷ und auf festliche Heiterkeit böses Erwachen folgen kann.⁸ Der Kritik der weisheitlichen Erfahrungsvernunft am törichten und überheblichen Lachen⁹ steht das heile Lachen des Verheißungsglaubens gegenüber (Ps 126,1 f.).¹⁰ Die Propheten folgen dem Einspruch der Weisheit gegen das übermütige Lachen (Jer 15,17),¹¹ stellen aber wie der Psalter eschatischen Jubel in Aussicht (Jesaja 65,17 ff.).¹² Diese Linie kann ins Neue Testament weitergezogen werden: Jakobus (4,9) fordert, der Mensch möge sich vom „weltseligen Lachen“¹³ abkehren, Mt 12,36 und Eph 5,4 warnen vor närrischen Reden und albernen Späßen.¹⁴ Auf der anderen Seite nimmt die lukanische Feldrede (Lk 6,21) die patristische Verlagerung des „Lachens in die Zukunft“¹⁵ vorweg. Der eschatologische Antagonismus von wahrem Lachen als Äquivalent der verheißenen Freude und falschem Lachen als Ausdruck der Hybris oder Selbstverkennung¹⁶ erweist sich als charakteristisch für die neutestamentliche Semantik.¹⁷
Vgl. Auchter, Das Gelächter, 32. Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 506. Bei Sirach kontrastiert das törichte Lachen der Ungläubigen (21,29) mit dem weisen Lachen des Gläubigen, das zum stillen Lächeln gedämpft ist (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 86). Vgl. Kurz, Das Lächeln, 317. Vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 290 und Helmstetter, Vom Lachen, 767. Vgl. Laubach, der Hoffnung, 31 f. Kranz, Das göttliche Lachen, 57. Vgl. Helmstetter, Vom Lachen, 767. Laubach, der Hoffnung, 34. Das irdische Lachen ist Zeichen einer verkehrten Diesseitsorientierung, von „Dummheit und Eitelkeit“ (Laubach, der Hoffnung, 35), eine unangemessene, den Ernst der „radikalen Nachfolge“ verkennende Antizipation der „wahren Freude“ (34), die erst das Jenseits eröffnet. Vgl. Köster, Wir können, 167 f. Im rabbinischen Schrifttum sind ebenfalls die negativen Implikationen des Lachens deutlich hervorgehoben: Zwar ist vom Lachen auch als einem Erkennungsmerkmal des Menschen die Rede und es besitzt den „Aspekt des Glücklichseins“ (Hasselhoff, Lachen, 15). Da es die Prophetie behindern und als triebhaftes Geschehen vom „Weg der Tora“ (15) wegführen kann, hat es jedoch potentiell verhängnisvolle Konsequenzen. Die Kabbala erzählt in einer Sage davon, dass ein Jünger für sein deplatziertes Lachen mit dem Tod bestraft wird (vgl. Kaiser, Lachwurz, 262). Einige Ausleger bringen sogar Saras Lachen in Gen 21,6 mit Götzendienst in Verbindung. Auch die Verwerfung des Lachens von der Warte des Eschatons aus ist im Rahmen der „rabbinischen Ethik“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 57) denkbar: So soll Rabbi Simeon ben Laquish (ca. 200-ca. 275) eine Auslegung von Ps 126,2, die auf den futurisch-eschatologischen Charakter des Lachens abhebt, so ernst genommen haben, dass er sich fortan das Lachen ganz verbat. Ein eher ungewöhnliches Verhalten zeigte Rabbi Aquiva (50/55 – 135 n.Chr.), der lachte, als andere Rabbiner weinten, weil er im Frevel und der Unreinheit ein Zeichen dafür sah, dass die Verheißungen Gottes in Erfüllung gehen (vgl. Hasselhoff, Lachen, 16 f.).
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2 Lachen im Zeichen von Sünde, Tod und Auferstehung
Die geistlichen Autoritäten der Spätantike, ob Origenes, ¹⁸ Ephraem der Syrer (ca. 306 – 373), ¹⁹ Gregor der Große, Hieronymus²⁰ oder Augustinus,²¹ vertraten eine pessimistische Weltsicht: Das diesseitige Leben mit all seinen Hypotheken und Kümmernissen gebietet Trauer, zerknirschte Reue und Weltverachtung.²² Der bei Kohelet und Lukas vorgebildete Antagonismus der Ausdrucksformen schrieb sich in eine „Theologie der Tränen“²³ ein, die auch das monastische Geistesleben prägte.²⁴ Die mittelalterliche Theologie übernahm den Wertungsgegensatz von laetitia temporalis oder saecularis und gaudium spirituale, deutlich erkennbar z. B. bei Papst Innozenz III. (1198 – 1216).²⁵ Im Umfeld des Bernhard von Clairvaux
Origenes riet dazu, Lachtrunkenheit mit der Lektüre von Psalm 37,7 zu dämpfen und Lachabstinenz wie ein geistliches Exerzitium einzuüben (vgl. Hasselhoff, Lachen, 19 und Thiede, Das verheißene Lachen, 115). Besonders entschieden verurteilte der Kirchenlehrer Ephraem der Syrer das Lachen mit der Begründung, dass es das „zukünftige Gute“ (Basilius Steidle, Das Lachen im alten Mönchtum, 277) vorwegnehme und der geforderten Grundverfassung der contritio, der „Zerknirschtheit des Sünders über seine Sündigkeit“ (Prütting, Homo ridens, 344) entgegenstehe. Hieronymus warnte vor dem närrischen, obszönen, gottvergessenen Lachen, das im Jüngsten Gericht bestraft werde. Auch Augustin wertete das Lachen in Ps 2,4 als metaphorischen Hinweis auf den Spott, der über all jene vergossen wird, die das Heilsangebot Christi nicht angenommen haben (vgl. Hasselhoff, Lachen, 21 f.). Augustinus erkannte im Weinen des Neugeborenen ein Sinnbild für die Schwere des irdischen Geschicks. Noch 800 Jahre später sprach der gelehrte Dominikaner Vinzenz von Beauvais (1184/ 94– 1264) vom prophetischen Weinen der Geburt. Zeichenhafte Bedeutung maß er auch dem Phänomen bei, dass das Kind anfängt zu schreien, wenn es geweckt wird, während es im Schlaf, das den Tod vorwegnimmt, lacht (vgl. Schmitz, Ein Narr, 130/132). In jüngerer Zeit hat Caroline Rusch die umgekehrte Beobachtung notiert, dass der „Stress des Geburtserlebnisses“ dazu führen könne, dass manche Babys „lachend zur Welt“ (Der Lachtherapeut, 96) kommen. Vgl. Schmitz, Ein Narr, 130 f. Die Motivation für den diesseitigen Verzicht auf das Lachen konnte in frühmittelalterlicher Zeit vor allem bei jungen Menschen auch dem Wunsch nach Teilhabe an einem „Prozess“ entspringen, „der in die Zukunft führt“ (Nitschke, Die lachenden fränkischen Könige, 593). Gregor der Große erzählt in seinen Dialogen (593/94) von einem Mädchen, das das Lachen einstellte, um seine verstorbenen Freundinnen im Himmelreich wiederzusehen und Ansgar, der Missionar Skandinaviens (801– 865) hörte der Überlieferung nach auf zu scherzen, um zur verstorbenen Mutter Kontakt aufzunehmen (vgl. Nitschke, Die lachenden fränkischen Könige, 592 f.). Schmitz, Ein Narr, 130. So forderte Smaragd von St. Mihiel (gest. 830), im monastischen Leben solle mehr geweint als gelacht werden (vgl. Kemper, Jesus Christus, 20 f.). Vom lachenden Mönch hieß es, er habe das „göttliche Gebot“ zu trauern vergessen, sein Sündenbewusstsein sei erloschen und er sei der superbia und „inneren vanitas“ (Suchomski, Delectatio, 18) verfallen. Vgl. Seibts Hinweis (Der Einspruch, 755) auf dessen weit verbreitete Schrift De miseria humanae conditionis (1190 – 94).
2.1 Der eschatologische Deutungsrahmen
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(1090 – 1153)²⁶ galt jegliche irdische Freude als Nichtigkeit und das Lachen als Symptom einer grundlegenden Täuschung.²⁷ Denn es bringt eine „Bejahung des Unfertigen und Unvollkommenen, des Vergänglichen und Sündhaften“²⁸ zum Ausdruck. Der Christ sollte seiner Verführbarkeit, der Gefährdung seines Heilsstatus gewärtig sein und sich als metaphysischer Exilant einer „gemäßigten geistlichen Traurigkeit […] befleißigen“²⁹. Die Scholastiker verstanden die „wahre Freude“³⁰ als Zeichen der Präsenz des Transzendenten: Sie fällt der geistlichen Existenz in der Hoffnung auf die jenseitige jubilatio zu oder stellt sich durch Kontemplation, tugendhaftes Verhalten und Heiligung ein.³¹ Doch löst „die Freude in Gott“, wie Hugo von St. Viktor (1099/1101– 1141) feststellte, „niemals ein Lachen beim Menschen aus“.³² Die gemessene, würdevolle Heiterkeit bildete das Komplement zur tränenreichen, reuevollen Traurigkeit.³³ Nur das verheißene Lachen, das Lachen der „kommenden Welt“³⁴ fand vor dem theologischen Richterstuhl Gnade. Zwar dominierte die christliche Hamartiologie nicht den gesamten Kulturund Interaktionsraum der mittelalterlichen Gesellschaft, die höchst „polychrom, […] vielgestaltig [und] dynamisch in ihrer Entwicklung“³⁵ war, prägte aber doch das pessimistische Daseinsverständnis und empfindliche Sündenbewusstsein bis weit ins 15. Jahrhundert hinein. Auch der ideologische Filter der frühchristlichen Schriftauslegung und die selektive Herleitungs-Technik der altkirchlichen Theo-
Bernhard selbst schätzte zwar leutseliges Verhalten (vgl. Suchomski, Delectatio, 20 f.), war aber nach dem Zeugnis des Gaufrid von Auxerres selbst völlig lachabstinent (Kranz, Das göttliche Lachen, 53). Vgl. Schmitz, Ein Narr, 132. Schmitz, Ein Narr, 134. Die Verurteilung des Lachens als Vanitas-Symptom begegnet auch in der monastischen Schrift Liber de modo bene vivendi aus dem 12. Jahrhundert und beim Scholastiker Petrus Cantor (gest. 1197), für den sogar das maßvolle Lachen unter dem Verdacht stand, weltlicher Ergötzung zum Ausdruck zu verhelfen (vgl. Suchomski, Delectatio, 18 f.). Suchomski, Delectatio, 14. Die Exempelgeschichte des Strickers Vom ernsthaften König radikalisiert die tristitia spiritualis im allegorischen Bild vom lachresistenten König, der seine strenge asketische Haltung vor allem mit dem Gedanken an das Martyrium Christi, mit der Ungewissheit des Todes und der „Angst vor dem jüngsten Gericht“ (Suchomski, Delectatio, 20) begründet. Busch, Irre, 124 f. Vgl. Suchomski, Delectatio, 14. Suchomski, Delectatio, 20. Auch Hugo grenzte somit die spirituelle, aufs Jenseitige gerichtete Freude von weltlicher Fröhlichkeit ab (vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 13). Das Lachen wertete er grundsätzlich als Zeichen der Sünde (vgl. Prütting, Homo ridens, 470). Vgl. Schmitz, Ein Narr, 135 f. Kremer, Das Lachen, 152. Schmitz, Ein Narr, 137. Vgl. I.2.2 und II.1.2.
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logie³⁶ spielten bei der „Entwicklung von Mentalitäten und Empfindungen im Hochmittelalter“³⁷ keine geringe Rolle. Im Diskurszusammenhang dieses Kapitels ist zudem die wirkmächtige Überlieferung vom niemals lachenden Christus aufzugreifen.³⁸ Die Evangelien heben hervor, dass Jesus auf seine Umwelt mit Mitleid und Zorn reagiert und Tränen über sie vergossen hat³⁹ und so erhielt das Jesus-Bild in frühchristlicher Zeit auch unter dem Gewicht der Gerichtsworte in Lukas 6,25 („Weh euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen“) den Akzent der apokalyptischen Daseinsschwere.⁴⁰ Johannes Chrysostomos denunzierte das Lachen gemäß der am Vorbild des Christus orientierten Tugendethik als Zeichen eines unernsten Lebenswandels⁴¹ und Basilius der Große wies darauf hin, dass Christus das Lachen nicht durch sein eigenes Vorbild legitimiert habe.⁴² Generell war seit Basilius die fehlende Bezeugung des Lachens Christi der Ausgangspunkt der theologischen Argumentationslinie, „was der Herr nicht angenommen und auf sich ge-
So wurde bei der Zitation von Lk 6,21 oder Koh 3,4 oft der wichtige eschatologische Zusatz „Denn ihr werdet lachen“ bzw. „… und eine Zeit zu lachen“ unterschlagen (vgl. Le Goff, Das Lachen, 62 f.). Die biblische Fundamentaldifferenz zwischen einem „bösen oder mokanten Lachen“ (64) und dem proleptischen Lachen der Freude fand keinen Eingang in die monastischen Direktive. Die biblischen Belege, die Basilius in seinem monastisch-ekklesiologischen Reformprogramm, den Längeren Regeln, für die Berechtigung der Lachprohibitive heranzieht, führen darüber hinaus zu keinem schlüssigen Ergebnis: Denn in Gen 21,6 ist das Lachen unmittelbarer Reflex auf Gottes wunderbares Handeln an Sara, Hiob 8,21 bringt es mit dem Jubel über Gottes Befreiungstat in Verbindung und die Spruchweisheit (15,13) schätzt es als authentischen Ausdruck von Fröhlichkeit. Benedikt von Nursia beruft sich auf drei versprengte Bibelstellen, Prov 10,19, Ps 140,12 und Sirach 21,20, wobei im Sprichwort und im Psalm überflüssiges oder schädliches Reden angeprangert wird. Auch die Kompilation von Bibel- und Kirchenväterzitaten zum Lachen im liber scintillarum des Defensor von Liguges (vermutlich im späten 7. Jahrhundert entstanden) zeugt von der tendenziösen Auslegungstradition im patristischen Zeitalter (vgl. Le Goff, Das Lachen, 59 – 62). Le Goff, Das Lachen, 62. Dabei handelt es sich offenbar um die Übertragung „eines antiken Topos auf Jesus“: Denn bereits „Anaxagoras, Aristomenes und dem römischen Staatsmann L. Licinius Crassus“ (Kemper, Jesus Christus, 19) wurde nachgesagt, dass sie niemals gelacht hätten. Vgl. Köster, Wir können, 167. Neben den Kirchenvätern haben z. B. der monastische Theologe Caesarius von Arles (ca. 470 – 542), der Kartäusermönch Ludolf von Sachsen (14. Jht.) und noch der Barockdichter Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622– 1676) die Feldreden-Sentenz in Lk 6,25, oft in Verbindung mit Prov 14,13 und Jak 4,9 oder mit dem Hinweis auf den weinenden Jesus, als Schlüsselbeleg für die heilstheologisch fragwürdige Qualität des Lachens angeführt (vgl. Kemper, Jesus Christus, 21 f. und Marius Reiser, Das Lachen in der Bibel, 32 f.). Vgl. Le Goff, Das Lachen, 47, Suchomski, Delectatio, 10 und Köster, Wir können, 154 ff. Vgl. Winterer, David, 49.
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nommen habe, sei nicht erlöst“.⁴³ Der Lentulus-Brief, ein apokryphes EvangelienFragment,⁴⁴ verfestigte im christlichen Abendland den Gedanken, dass das Lachen Jesus wesensfremd war.⁴⁵ Das Gebot der imitatio christi geriet nun allerdings in Konflikt mit der anthropologischen Anerkennung des Lachens durch Aristoteles:⁴⁶ Die anerkannte philosophische Autorität forderte das geistliche Vorbild heraus.⁴⁷ Wie lösten die christlich-theologischen Lehrer diesen Widerspruch auf? Johannes Chrysostomos insistierte zwar darauf, dass das Weinen angemessener Ausdruck der imitatio christi sei, betonte jedoch, dass er nicht das Lachen generell, sondern alleine dessen ausgelassene Variante verurteile.⁴⁸ Der Kirchen-
Kremer, Das Lachen, 152. Vgl. auch Thiede, Das verheißene Lachen, 117. Le Goff belegt, dass jene „fiktive Personenbeschreibung Jesu“ (Rehm, Zur Geschichtlichkeit, 647) nicht erst auf der Schwelle zum 14. Jahrhundert entstanden ist, sondern auf eine längere Überlieferungsgeschichte zurückblicken kann: Basilius der Große und Johannes Chrysostomos schleusten es in die „christliche Lehre“ und Rufinus übersetzte es „für das weströmische Christentum“ (Le Goff, Das Lachen, 47), bevor es Ende des 12. Jahrhunderts über das Verbum abbreviatur von Petrus dem Dichter auch an die scholastische Fakultät der Pariser Universität gelangte. Vgl. die konträre Darstellung von Prütting, der den Lentulus-Brief als „fromme Fälschung aus der Zeit um 1300“ (Homo ridens, 528) bezeichnet, die erst 1474 in der „Jesus-Biographie von Ludolf von Chartres“ (579) an die Öffentlichkeit gelangte. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 47 f. Eine alternative Christologie bot die von Irenäus (Adversus haereses, 185 n.Chr.) stellvertretend für das frühe Christentum heftig bekämpfte gnostische Tradition (vgl. Wilhelmy, Das leise Lachen, 37 ff.): In der Apokalypse des Petrus lacht der vor seinem Martyrium bereits entrückte Christus heiter und amüsiert über die Blindheit der Menschen, die glauben, sie hätten ihn ans Kreuz geschlagen (vgl. Kuschel, Lachen, 117 und Werner Röcke, Balancen von Nähe und Distanz, 26 f.). Auch im Zweiten Logos des großen Seth lacht der Kosmokrator über das „Unverständnis und die Unwissenheit der Menschen“ (Hasselhoff, Lachen, 17 f.), weil sie davon ausgehen, sie hätten ihn, den Christus, tatsächlich getötet. Der Christus des gnostischen Judas-Evangeliums lacht in der Begegnung mit seinen Jüngern unaufhörlich, um seiner überirdischen Abkunft und „unendlichen Überlegenheit“ (Prütting, Homo ridens, 315) Ausdruck zu verleihen. Die katholischen Theologen Karl-Josef Kuschel (vgl. Lachen, 120 f.) und Alexander Jaklitsch (Verurteilt, 42) haben zu Recht eingewandt, der lachende Erlöser der Gnostiker wirke keineswegs menschlicher als der erniedrigte Heiland der Evangelien; das gnostische Lachen verstärke im Prinzip nur den doketischen Charakter seines Erhöhtseins und seiner göttlichen Erhabenheit. Da die Bekämpfung des gnostischen Doketismus auf die Abgrenzung des kenotischen von einem kosmisch entrückten, selbstgewiss spottenden Christus zielt, war die Idee eines lachenden Christus von vornherein als häretische Kopfgeburt stigmatisiert und so sollte es jahrhundertelang bleiben (vgl. Röcke, Heiliger Spott, 37– 42). Vgl. Le Goff, Das Lachen, 48 oder Suchomski, Delectatio, 10. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 18 f. Interessanterweise rechnete schon Sirach (19,27) das Lachen neben der Kleidung und dem Gang im aristotelischen Sinne zu den charakteristischen Merkmalen der Person (vgl. Auchter, der Hoffnung, 31). Vgl. Wolf, O du fröhliche,160.
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reformer Agobard von Lyon verlautete im 9. Jahrhundert, Jesus habe das Lachen nur unter der Bedingung verurteilt, dass es in Konkurrenz zum Weinen und zur Trauer gerate.⁴⁹ Die Scholastiker, die mehr denn je an der Auflösung von Widersprüchen in der Zwei-Naturen-Lehre interessiert waren, eröffneten mit christologischen Spekulationen Spielräume. So nahm Petrus Cantor an, dass Christus aufgrund seiner menschlichen Natur die Fähigkeit zum Lachen besaß.⁵⁰ Schließlich habe „der Gott-Mensch mit all unserer Schuld auch all unsere defectus auf sich genommen“⁵¹. Zudem lasse sich nur so der Lachverzicht Jesu richtig einordnen, nämlich als Verwirklichung eines Tugendideals.⁵² Jesus war der potestas des Lachens gewahr, kraft seiner voluntas unterdrückte er jedoch sämtliche Lachimpulse.⁵³ Der Humanist Eryceus Puteanus (1574– 1646) ging sogar davon aus, dass Jesus pädagogische Absichten verfolgte, wenn er sich einer derart elementaren Äußerungsform enthielt.⁵⁴ Die deiktische Funktion dieses asketischen Verhaltens bestand laut Puteanus darin, die göttliche Herkunft wahrhaftigen Lachens als einem „Ausdruck der Weisheit“⁵⁵ ins Bewusstsein zu heben. In diesem Sinne hatte schon der Erbauungsschriftsteller Thomas von Kempen (1379/ 80 – 1471) behauptet, Jesus habe nur das eitle, überflüssige Lachen verweigert.⁵⁶ Einige theologische Gelehrte, so der Exeget Rupert von Deutz (ca. 1070 – 1129) und der Abt Gottfried von Admont (1138 – 1165) übertrugen den Namen ‚Isaak‘ typologisch auf Christus und erklärten ihn damit zum Fixpunkt des fröhlichen Lachens der Gläubigen angesichts der verheißenen Erlösung.⁵⁷
Vgl. Kemper, Jesus Christus, 22 f. Vgl. Verberckmoes, Das Komische, 81 f. Warning, Funktion, 109. So argumentierte auch Thomas von Aquin, der allerdings die inkarnationstheologisch begründete risibilitas nicht zum Anlass nahm, die Lachfähigkeit Christi explizit zu benennen (vgl. Suchomski, Delectatio, 12). Vgl. Verberckmoes, Das Komische, 81. Vgl. Suchomski, Delectatio, 11 ff. Vgl. Verberckmoes, Das Komische, 81 f. Verberckmoes, Das Komische, 81. Allerdings stellt sich dann natürlich die Frage, weswegen die Evangelien nicht jenes weise Lachen bezeugt haben. Vgl. Kemper, Jesus Christus, 23. Der Topos des nicht lachenden Jesus war sogar Gegenstand von Diskursinszenierungen: Im 13. Jahrhundert wurde auf einer Konferenz an der Pariser Universität jedes Jahr eine humoristisch gefärbte Diskussion über jenes spezifische christologische Problem veranstaltet (vgl. Le Goff, Das Lachen, 18). Vgl. Kemper, Jesus Christus, 27 f. Wolfram von Eschenbachs Parzival-Roman instrumentiert das Lachen unter eben diesem Vorzeichen einer heilsgeschichtlichen Typologie (vgl. Erfen, Das Lachen, 78 – 87). So wie Isaak, eine „Präfiguration Christi, […] im Lachen verkannt und erkannt“ (85) wird, so auch Parzival. So wie Saras Lachen bezeugt, dass eine Schwangerschaft in ihrem Alter nicht möglich ist, so steht Cunewâres Lachen dafür, dass ein Narr sich nicht in einen vortrefflichen Ritter verwandeln kann. Zuletzt aber gewinnt ihr für die alte höfische Ordnung
2.1 Der eschatologische Deutungsrahmen
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Ab dem späten Mittelalter wurden die Ansätze einer christologischen Integration des Lachens konkreter: Bruder Philipp der Kartäuser (gest. 1345/46) meinte, dass Jesus zumindest als Kind gelacht haben müsse, wenn er denn vollkommener Mensch war.⁵⁸ Das „geistliche Schrifttum des 13. und 14. Jahrhunderts“ thematisierte das „Lachen des Jesuskindes und der Gottesmutter“.⁵⁹ Eine um 1465 geschaffene renaissancetypische Tonstatuette zeigt schließlich einen nackten und lachenden Jesus auf dem Schoß seiner ihm lächelnd zugewandten Mutter Maria. Das Lachen des Jesuskindes verlieh der Menschwerdung Gottes eine neue Qualität (vgl. auch II.2.3).⁶⁰ Doch gegenreformatorische Theologen wie Bossuet oder der Barockdichter Grimmelshausen revitalisierten den christologisch motivierten Affront gegen das Lachen.⁶¹ Noch in der Frühaufklärung galt es als inopportun, dem Heiland positive Gefühlsbekundungen wie das Lachen oder selbst das Lächeln anzudichten, wie Klopstock erfahren musste, als ihn der erbitterte orthodoxe Einspruch der Gottsched-Sekundanten gegen den lächelnden Gott im Messias traf.⁶² Selbst das im 18. Jahrhundert viel rezipierte Philosophische Lexikon Johann Georg Walchs affirmierte die patristische Doktrin; erst das Magazin für Erfahrungsseelenkunde (1783 – 1793) zog sie ins Lächerliche⁶³, ohne sie damit jedoch schon mentalitätsgeschichtlich zu begraben. Denn Charles Baudelaire knüpfte in seinem Essay De l’essence du rire (1855) wieder an die Deutungstradition an, dass die Weisheit, Ernsthaftigkeit und das „absolute Wissen“ ⁶⁴ des
skandalöses Lachen über Parzival „offenbarende Macht“ (78). Cunewâres Lachen ist also im Kern darin von Saras Lachen zu unterscheiden, dass es nicht „in der Vergangenheit verortet“, sondern zukunftsgerichtet ist: Es ist nicht das abwehrende, sondern „das erkennende, aufnehmende Lachen der Erwartenden“ (Mireille Schnyder, Lachen oder Schweigen?, 13), das in Wolframs Genealogie sogar die „Kraft der Versöhnung verfeindeter Geschlechter“ (Velten, Lachen, 86) gewinnt. So könnte man mit Irene Erfen resümieren: Das von Gott geschenkte Lachen und das aristotelische Lachen als „Proprietät des Menschen“ (Das Lachen, 86) schließen einen Bund. Vgl. Kemper, Jesus Christus, 23/29 f. Kremer, Das Lachen, 59. Wernher der Schweizer betont in seinem Marienleben (14. Jht.), dass Christus die Tugend der Fröhlichkeit besessen habe (vgl. Suchomski, Delectatio, 17). Zudem ist im Marienleben die Rede davon, dass die Mutter Gottes gelegentlich zuchtvoll und einer anderen zuliebe gelacht habe (Kremer, Das Lachen, 90 f.). Das Rheinische Marienlob (13. Jht.) erzählt, dass „Maria ihr Kind“ vor lauter Freude „geküsst und angelacht habe“ (Kemper, Jesus Christus, 30); seit den Anfang des 14. Jahrhunderts erschienenen Meditaciones vitae Christi des Johannes de Caulibus wurde überdies in genreverwandten Texten die Vorstellung tradiert, dass auch Joseph das Jesuskind angelacht habe. Vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 116 ff. Vgl. Suchomski, Delectatio, 12. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 9. Vgl. Busch, Verlorenes Lachen, 13. Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 120.
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Christus das Lachen ausschließen und noch Rudolf Bohren hat in seiner Predigtlehre (1971) festgehalten, dass Jesus „kein Spaßmacher […] [oder] Humorist“ ⁶⁵ gewesen sei. Grundlegend für die Ordnungsvorstellungen der christlichen Heilslehre war auch die kategoriale soteriologische Unterscheidung zwischen dem „brüllenden, ungezügelten Gelächter“⁶⁶ als „Ausdruck geistiger Unbeherrschtheit“ und dem leisen, dezent-heiteren Lächeln als „Zeichen geistig-spiritueller Gestimmtheit“.⁶⁷ Das vultus hilaris, das lächelnde Gesicht, avancierte im Spätmittelalter nach dem Vorbild des Franz von Assisi zum spirituellen und ethischen Ideal.⁶⁸ Von seinen Anhängern, die sich joculatores domini nannten, forderte Franz, dass sie Fröhlichkeit ausstrahlen und verbreiten sollten.⁶⁹ Die Ikonographie des Lächelns und Lachens spannte den anthropologischen und metaphysischen Wertungshorizont auf zwischen dämonischer Aggressivität und fratzenhafter Entstellung, wie sie noch in Goyas Caprichos begegnet,⁷⁰ und seliger Verzückung bzw. engelhaftem Jubel.⁷¹ Vielen spätmittelalterlichen Texten,
Rudolf Bohren, Predigtlehre, 243. Erst in der zeitgenössischen theologischen Populärwissenschaft und belletristischen Erbauungsliteratur ist es populär geworden, nach dem Vorbild von Dorothy L. Sayers lachendem Jesus im Hörspielzyklus The man born to be king (1941/42) oder den Hippie-Musicals Godspell (1971) und Jesus Christ Superstar (1971) die menschlichen Züge Gottes zu unterstreichen: Adolf Holl hat Jesus in seinem Buch Der lachende Christus (2005) unter Berufung auf die gnostische Tradition das Bekenntnis zu einem wilden Lachen in den Mund gelegt, das seiner Lebendigkeit Ausdruck verleihen soll. Der US-Amerikaner William P. Young verleiht GottVater, Jesus und Heiligem Geist in seinem Bestseller The shack (2007) ein mitmenschliches und tröstendes Lachen (vgl. Odilo Lechner, Lacht Gott?, 126 f., Reiser, Das Lachen, 32 f. und Kaiser, Lachwurz, 48). Die Jesus-Filme des 20. Jahrhunderts (König der Könige, 1961; Die größe Geschichte aller Zeiten, 1965; Das Erste Evangelium – Matthäus, 1964) reproduzierten dagegen das dunkel gefärbte Jesusbild. Einen Gegenakzent setzte Luis Buñuel, der in Nazarin (1959) und Die Milchstraße (1969) einen lachenden Jesus zeigte (vgl. Kaiser, Lachwurz, 48). Schmitz, Ein Narr, 135. Ceming, Aus dem Tal, 137. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 40 f. Auch Bernhard von Clairvaux würdigte in einer Totenrede über den Mönch Humbert die spirituelle Aufheiterung des Gesichtsausdrucks (vgl. Suchomski, Delectatio, 16). Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 53. Als in einem englischen Franziskanerkonvent die Umsetzung der Hilaritas-Maxime in wildes Gelächter mündete (um 1220), wurde, wie der Chronist Thomas Eccleston berichtet, diesen Auswüchsen allerdings ein Riegel vorgeschoben (vgl. Le Goff, Das Lachen, 40 f.). Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 29. Zu den höhnisch oder grässlich lachenden Teufeln in der spätmittelalterlichen Bildkunst vgl. Mo. Müller, Das Lachen, 77. Vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 101 ff. Das „Reliefbild des Jüngsten Gerichts am Bamberger Dom“ (R. M. Schneider, Nachwort, 103) kontrastiert die unheimlichen Lachfratzen der Verdammten und das verzückte Lächeln der Seligen, das „Lachen des Paradieses“ (Rehm, Zur Ge-
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ob dem Rheinischen Marienlob (13. Jht.), Dantes Göttlicher Komödie (1321), dem mittelhochdeutschen Passional oder den (pseudo)-augustinischen Predigten kann das eschatologische Bekenntnis entnommen werden, dass der Himmel der Ort sei, an dem die erlösten Menschen, die Engel und sogar Gott selbst beglückt miteinander lachen.⁷² Ist die körperliche Anarchie des Lachens ein wesentlicher Grund für die Skepsis asketischer Schulen gegenüber dem Lachen, so war für bestimmte „spirituelle Traditionen“⁷³ andererseits die Öffnung zur Transzendenz im Moment der Entgrenzung des Bewusstseins bedeutsam. So schenkten die deutschen Mystiker dem Lachen als Ausdruck „inniger Gotteserlebnisse“⁷⁴, von „jubilierender Freude“⁷⁵ und kontemplativer Verzückung Beachtung.⁷⁶ Zum „mystischen Verkehr“⁷⁷ gehörte neben Reden, Seufzen, Schreien und Weinen das Lachen. Meister Eckhart erklärte es sogar zum movens des „innertrinitarischen Lebens“: Denn indem der schichtlichkeit, 645). Viele der christlicher Repräsentationskunst entstammenden Bilder zeigen das Hilaritas-Lachen derjenigen, „die zur Rechten des Herrn dem Reich der Erlösten entgegengehen“ (Busch, Verlorenes Lachen, 1). Die Darstellungen der entgrenzten Freude über die Himmelfahrt oder die „Krönung der Gottesmutter“ (Rehm, Zur Geschichtlichkeit, 665) versah man seit dem 14. Jahrhundert oft mit jubelnd singenden Engeln und man zeigte ausgelassene, sogar „mit offenem Mund“ lachende „heilige Jungfrauen“ (666). Wenn die Klugen Jungfrauen in der Paradiesvorhalle des Magdeburger Doms (nach 1250) das höfische Ideal, nur mit geschlossenem Mund zu lachen, verletzen, dann drücken sie damit die „unbändige Freude […] der himmlischen Vermählung“ (vgl. 654) aus. So figurierte die Bildende Kunst des Mittelalters das Lächeln und Lachen vor dem eschatologischen Deutungshorizont als jenseitiges Phänomen, konkreter: als „Erfüllung der […] Seligpreisung Jesu“ (651). Vgl. Kemper, Jesus Christus, 29. Fritz Ohly verdankt sich die interessante Überlegung, dass das Mittelalter generell das Singen als jene Gebärde anerkannt habe, die dem „unaussprechlichen christlichen Heitersein über alle Vernunft“ Ausdruck verleiht, so dass das „mythisch-rituelle Lachen“ (Besprechungen, 120) nicht etwa vom Ernst des Kerygmas, sondern vom Gesang verdrängt worden sei. Ceming, Aus dem Tal, 134. Kremer, Das Lachen, 59. Kremer, Das Lachen, 91. Von Heinrich Seuse (ca. 1295/97– 1366), der die Maxime der Verinnerlichung des heilsangemessenen Ernstes perfektionierte, ist überliefert, dass er bei einer beglückenden Oster-Vision in ein derartiges Lachen ausbrach, dass die Kapelle erdröhnte (vgl. Wilhelmy, Das leise Lachen, 51 f. und Kremer, Das Lachen, 91). Elisabeth von Thüringen (1207– 1231) soll voller Heiterkeit gelacht haben, als sie einen Bettler pflegte und „Jesus in einer Vision sah“ (Nitschke, Die lachenden fränkischen Könige, 590). Der heilige Dominikus (ca.1170/5 – 1221) hat einer Offenbarung der Zisterzienserin Mechthild von Magdeburg (ca. 1207-ca. 1282) zufolge vor lauter Seligkeit gelacht, als er vom Heiligen Geist erfüllt war (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 54 f.). Vgl. zur körperlichen Spiritualität der mittelalterlichen Mystikerinnen Dorothee Sölle, Den Rhythmus des Lebens spüren, Inspirierter Alltag (2001). Kremer, Das Lachen, 91.
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Vater in den Sohn hineinlacht und umgekehrt, werden Lust, Freude und Minne geboren und das Lachen der Minne bringt umgekehrt den Vater, den Sohn und schließlich den Heiligen Geist zur Welt. Die Christen sollen mit ihrem menschenfreundlichen Zulachen ein Abglanz des „dreifaltigen Lachens Gottes“⁷⁸ sein. In diesem Sinne empfahl Mechthild von Magdeburg (1207– 1282), mit den Kranken herzlich zu lachen (vgl. II.2.4).⁷⁹ Die Gegenreformation brachte das augustinische Referenzsystem des Daseinspessimismus gegen die subjektzentrierten Emanzipationsbewegungen der Renaissance und die frühneuzeitliche Profanierung der Zeit wieder in Stellung.⁸⁰ Verstärkte „Buß- und Frömmigkeitsübungen“⁸¹, resignative Selbstaufgabe und spirituelle Abwendung von der Welt⁸² bestimmten das jesuitische Rechristianisierungsprogramm. Doch auch die lutherische Orthodoxie kehrte zur Theologie der Tränen zurück.⁸³ Die Kirche sublimierte das Lachen in der Sprache der Träume und Gebärden⁸⁴ und drängte Ansätze einer eigenen Lachkultur „in den dogmatischen Untergrund der Häretik und des Volksglaubens ab“,⁸⁵ wo sich allerdings die Lachmotivik von den christlichen Moralvorstellungen keineswegs vollständig emanzipierte.⁸⁶ Das theologische Wertesystem hielt noch im 19. Jahrhundert am Primat des Weinens fest.⁸⁷ So diffamierte Kierkegaard das Lachen als Flucht des Individuums in eine kollektive Hysterie mit dem Zweck, die existenzielle Verantwortung gegenüber Gott zu verdrängen.⁸⁸ Der russische Dichter Nikolai Gogol (1809 – 1852) arbeitete sich an der Denunziation des Lachens durch die Autoritäten der monastischen und kirchlich-orthoxen Tradition ab und erneuerte sie im Zuge dessen.⁸⁹ Noch der katholische Theologe Gisbert Kranz hat in seinem Buch Kranz, Das göttliche Lachen, 59. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 65. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 145 ff. S. Wolff, Todesverlachen, 149. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 186. Für eine Zensurierung des Lachens nach dem Vorbild des weinenden Jesus plädierte der Rostocker Dogmatiker Heinrich Müller (1631– 1675). Vgl. Elert, Morphologie, 398. Vgl. Le Goff, Das Lachen, 39. Helmstetter, Vom Lachen, 767. Vgl. II.1.1. Vgl. dazu die Motivgeschichte des Märchens in I.3.3. Auch Richard Wagner griff nach der Formel mittelalterlicher Theologie, wenn er die Kundry im Parsifal von ihrer Verderbtheit und ihrem Leiden dadurch erlöst, dass er ihr närrisches, unheilvolles Lachen in einem Weinen auflöst, dem die Einsicht in den Heilscharakter Parsifals zugrunde liegt (vgl. Erfen, Das Lachen, 69 – 73). Vgl. Sören Kierkegaard, Erbauliche Reden in verschiedenem Geist, 139 – 145. Vgl. Fairy von Lilienfeld, Nikolai Gogol und das Lachen, 344 ff. Gogol setzte sich vor allem mit den Kirchen- und Wüstenvätern und orthodoxen „Seelenführern“ wie Ephraem dem Syrer, Isaak dem Syrer und Abba Dorotheos auseinander und übernahm die Vorstellung, dass es sich beim
2.2 Komische Banalisierung des Bösen und leibseelische Grenzüberschreitung
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Das göttliche Lachen (1970) den traditionellen Dualismus aufgegriffen und das Lachen, das mit der Trauer und der Plage gleichzeitig ist, als krankhaft und verdorben bezeichnet,⁹⁰ während der Neutestamentler Hermann Lichtenberger unlängst dem Topos der lächelnden Engel wieder Geltung verschaffte und ebenso wie der katholische Systematiker Michael Bongardt⁹¹ den schmunzelnden Humor – in Abgrenzung vom schallenden Lachen – als wahrhaft christliche Daseinshaltung propagierte.⁹²
2.2 Die komische Banalisierung des Bösen und die leibseelische Grenzüberschreitung: Ansätze einer Theodizee Die Prädikationen des alttestamentlichen Gottes, seine Allwissenheit und Erhabenheit, schließen zwar einen Sinn für komische Widersprüche⁹³ und den ener-
Lachen um „ein inneres Sich-Absetzen von der Ehrfurcht gegenüber Gott“ (von Lilienfeld, Nikolai Gogol, 345) handle, um eine diabolisch-irreführende, kalt-distanzierende Handlung, ein Zeichen von mangelnder Demut und Lieblosigkeit gegenüber dem Nächsten. Wenn er den Menschen in seinen Werken als komisches Wesen vorführte, dann geschah das gerade umgekehrt mit der Absicht, den Lesern zur Erkenntnis und zur Besserung zu verhelfen. Doch unter dem Einfluss der kirchlichen Inhibition schien Gogol zunächst keine andere Wahl zu haben, als seine Lust an der Inszenierung des Lächerlichen seinen eigenen Defiziten und seinem sündhaftem Blick auf die Welt zuzurechnen (vgl. 347). Sein Versuch einer christlichen Apologie des Lachens lief schließlich darauf hinaus, das oberflächliche Lachen der Zerstreuung, das Lachen über charakterliche Defizite und überhaupt alles Lachen, das auf negativen Affekten beruht, literarisch aufzuheben im „echten, herzensfrohen Lachen“ (348). Dieses Lachen, das den ‚himmlischen Tränen‘, von dem die alten Mönche sprachen, verwandt ist, entstammt einem versöhnlichen, mitfühlenden, liebenden Herzen, es „macht die schmerzliche Einsicht leichter“ (348) und verhilft dazu, die Dinge realistisch einzuordnen. Von einer Befreiung des Lachens aus der kirchlich-theologischen Vormundschaft kann bei Gogol aber keine Rede sein. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 24 f. Kranz denkt dabei sowohl an das Überspielen des eigenen Leides, wie beim suizidalen Kierkegaard in einer Tafelgesellschaft, als auch an die Verdrängung „fremden Leides, etwa bei einer Beerdigung“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 27). Thomas O. H. Kaiser bringt den christologischen Glaubensernst in der evangelischen Kirche der Nachkriegszeit mit der Abgrenzung vom pathetischen Irrationalismus des Nationalsozialismus in Zusammenhang (Lachwurz, 92). Vgl. Michael Bongardt, Der Humor als Schritt ins Christentum, 92. Vgl. Hermann Lichtenberger, Da lachen ja die Engel, 111. Vgl. Rehberg, Lachen, 29 f. und Steffen Dietzschs Hinweis, dass Gott nicht lacht, weil ihm „alles durchsichtig ist“ (Luzifer lacht, 13). In Homers Ilias (21. Gesang, 385 – 390) dagegen verlacht Zeus die kämpfenden Titanen und damit auch sich selbst: Erst dieses „absolute Lachen“
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2 Lachen im Zeichen von Sünde, Tod und Auferstehung
getischen Ausbruch des Lachens im Prinzip aus.⁹⁴ Der katholische Theologe Magnus Striet hat allerdings in einem trinitätstheologischen Gedankenspiel begründet, dass ein „sich durch Personalität auszeichnender Gott“⁹⁵, der in seiner trinitarischen Differenzierung frei ist, d. h. in ein spielerisches und schöpferisches Verhältnis zu sich selbst tritt (vgl. II.1.3 und Meister Eckhart/II.2.1), der sich auf „eine reale Zeit“ bezieht und zu einer „reaktiven Kontingenz fähig“ ist und dem im inkarnationstheologischen Sinne „nichts Menschliches fremd ist“⁹⁶, auch lachen können muss. Doch von welchem Lachen muss hier eigentlich gesprochen werden? Tatsächlich taucht ausgerechnet in der Spätzeit des Alten Testaments, als sich die theologische Ästhetik von Anthropomorphisierungen weitestgehend verabschiedet hat, der Anthropopathismus des lachenden Gottes auf.⁹⁷ Wenn das Alte Testament vom Lachen Gottes spricht, dann liegt der Akzent jedoch deutlich auf der Souveränität und Überlegenheit Jahwes.⁹⁸ Während das Lachen der homerischen Götter über die Hybris des titanischen und das „sexuelle Begehren“⁹⁹ des silenischen Menschen als „Widerschein der Menschenseele“¹⁰⁰ zu erkennen ist und der Mensch mit den Göttern und sogar über sie lachen darf,¹⁰¹ duldet der biblische Gott kein Lachen über sich und lacht auch niemals komplizenhaft mit
(Bachmaier, Texte, 11) macht Zeus, so Helmut Bachmeier, recht eigentlich zum Gott, denn es löst die Paradoxie auf, dass er unendlich und doch durch die polytheistische Konkurrenz begrenzt ist. Vgl. Türcke, Götter lachen, 777 und Geier, Worüber, 148. Die „religiös observanten Religionsphilosophen“ (Hasselhoff, Lachen, 24) wie der große jüdische Gelehrte Maimonides (1135/38 – 1204) und seine Schüler erörterten das Problem des Anthropomorphismus und kamen zu dem Ergebnis, dass das Lachen nicht zu den Eigenschaften Gottes zählen könne. Denn die Gottebenbildlichkeit des Menschen bestehe in der Vernunft, die Vernunft aber könne nicht lachen (vgl. 24). Zur vergleichbaren Diskussion muslimischer Gelehrter vgl. L. Ammann, Vorbild, 24 f. Magnus Striet, Kann Gott lachen?, 73. Striet, Kann Gott, 75. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 47. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 58. Werner Röcke hat die Entstehungsgeschichte des Namens ‚Isaak‘ im Anlehnung an Eduard Nordens Übersetzung als „die aitiologische Erzählung des heiligen Spotts im Alten Testament überhaupt“ bezeichnet: Der Gott Israels „schreibt seinen Spott“ über die limitierte menschliche Erkenntnis „in Isaaks Namen ein“ (Heiliger Spott, 37). Zu gegenläufigen Deutungen vgl. II.1.2 und 3.1. Kurz, Das Lächeln, 319. Kranz, Das göttliche Lachen, 58. In den homerischen Epen ist die „komische Lösung der Konflikte auf der Götterebene“ recht eigentlich als Gegenmodell „zum Durchfechten von Konflikten auf der Menschenebene“ (B. Greiner, Die Komödie, 23) in Szene gesetzt ist und die „heitere Götterwelt als komplementäres Gegenbild der tödlich ernsten, menschlichen“ (24) Welt entworfen.
2.2 Komische Banalisierung des Bösen und leibseelische Grenzüberschreitung
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den Menschen,¹⁰² sondern ausnahmslos spöttisch und „grimmig über die diversen Fehlleistungen und Unbotmäßigkeiten seiner unvollkommenen Geschöpfe“¹⁰³, über sein eigenes Volk und die fremden Völker.¹⁰⁴ So verleiht er der Unanfechtbarkeit seiner Königsherrschaft Ausdruck und kompromittiert die Versuche des Menschen jene zu untergraben.¹⁰⁵ Das Lachen des alttestamentlichen Gottes stellt, um es vor dem religionsgeschichtlichen Hintergrund noch
Fremd ist dem Alten Testament nicht nur die ungebärdige Geselligkeit einer Göttergemeinschaft, die sich mit dem homerischen Lachen verbindet, sondern auch die Verehrung des Lachens als Wesenszug oder Manifestation des Göttlichen, die im antiken Griechenland nachgewiesen werden kann. So wurden dem Gott gelos in Hypata/Thessalien jährliche Festspiele gewidmet (vgl. Bächtold-Staubli, Handwörterbuch, 876). In Sparta ließ der König Lykurg einer Überlieferung des Sosibios aus dem 3. Jahrhundert v.Chr. zufolge dem Gott des Lachens eine Skulptur bauen (vgl. R. M. Schneider, Nachwort, 84). Hermann Schmitz vermutete, dass die Griechen das Lachen aufgrund seiner Unverfügbarkeit und der ihm innewohnenden Macht der Überwältigung als Gott objektivierten und anbeteten (vgl. Prütting, Homo ridens, 164). Helmstetter, Vom Lachen, 766. Kurt Tucholsky (1890 – 1935) hat in seinem witzigen gesellschaftskritischen Gedicht Kleines Gespräch mit unerwartetem Ausgang das mythische Zitat des lachenden Gottes als Kunstgriff benutzt, um den kindlichen Stolz des Menschen auf seine technischen Errungenschaften, die Blindheit gegenüber seinen destruktiven Potentialen und die Dummheit des Volkes, das den Herrschenden noch die Mittel für den Krieg zur Verfügung stellt, zu entlarven (vgl. Kuschel, Lachen, 164 ff.). Gott lacht über die irdischen Machthaber und über die gottlosen und machtversessenen Nachbarvölker (Ps 2,4), er verspottet aber auch die Torheit seines eigenen untreuen, verirrten Volkes (Num, 11,18b-20) und seinen larmoyanten Propheten (Jona 4,4– 9). Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 499 und Voeltzel, Das Lachen, 51 f. Das Lachen Gottes vernichtet den Spott der Frevler (Ps 37,13; 59,9). Vgl. Kuschel, Lachen, 105 ff. Für das demütigende Lachen Gottes über seine Feinde ist im Hebräischen des Alten Testaments ‚la‘ag‘ gebräuchlich (vgl. Le Goff, Das Lachen, 31). Die vulgata verwendet ‚ridere‘ (Hi 9,23 und Prov 1,26), ‚irridere‘ (Ps 2,4; 37,13) und ‚deridere‘ (Ps 59,9). Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 162. Vgl. Kuschel, Christus, 113. Einen Gegenakzent setzte Luther, der „gelegentlich von Gott sagte, er habe […] gelacht, z. B. als er dem Adam die Eva zugeführt habe“ (Elert, Das Lachen, 187). Ein groß- und sanftmütiges Lachen Gottes mit dem Menschen ist zudem den jüdischen Überlieferungen, den chassidischen und talmudischen Erzählungen (Aggadáh) zu entnehmen (vgl. BenGershôm, Der Esel, 132– 151 und Charlotte Knobloch, Jüdischer Humor, 27) und so könnte man den Namen ‚Isaak‘, anders als Röcke es insinuiert, auch mit einem freundlichen, gütigen Lachen Gottes in Verbindung bringen. BenGershôm grenzt dieses zugewandte Lachen ausdrücklich vom Willkür- und Überlegenheitslachen der „sumerischen und griechischen Götter“ (Der Esel, 136 f.) ab. Die Korrelationen von göttlichem und menschlichem Humor hat Thomas Mann in Joseph und seine Brüder (1930 – 1943) dank explizitem Zugriff auf jüdische Aggadáh-Erzählungen zum Vorschein gebracht (vgl. 151).
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einmal zuzuspitzen,¹⁰⁶ einen performativen Akt des Drohens und Warnens dar, es ist ein aggressives todbringendes Kampf-Lachen.¹⁰⁷ Im Buch Hiob verdunkelt sich dieses Lachen vollends und wird im existenzialen Sinne rätselhaft: Wenn der unschuldig leidende Hiob Gott vorhält (9,23), dass er über die „Angst der Schuldlosen“¹⁰⁸ lache, dann deutet er damit einen schroffen, abweisenden, geradezu unheimlichen Sarkasmus¹⁰⁹ an. Das „Gelächter des Satans“ scheint, von Hiob aus gedacht, „nur das Echo göttlichen Gelächters“¹¹⁰ zu sein und jenes Gelächter wiederum ein Widerhall der Abwesenheit Gottes. Die anthropomorphe Rede vom lachenden Gott verschärft offensichtlich die Theodizee-Problematik.¹¹¹ Die alttestamentliche Apologetik des grausamen, abgründigen Gottes-Gelächters läuft darauf hinaus, dass im Lachen der Erlösten voller Schadensersatz für die gegenwärtige göttliche Sanktion erfahrbar wird.¹¹² René Voeltzel deutet das
Prütting deutet die anthropomorphe Rede vom aggressiven Lachen Gottes als eine Geste der Selbstbehauptung des „jüdischen Monotheismus“ (Prütting, Homo ridens, 309) in der Exilszeit. Vgl. Kuschel, Lachen, 106 f. Die nachaugustinische Theologie, so noch Ende des 17. Jht. der Augustinische Eremit Angelo Maria de San Filippo oder der Prämonstratenser Jacob Moons (1639 – 1721), hat die Anschauung geprägt, dass Gott die „nichtreuigen Sünder“ (Verberckmoes, Das Lachen, 82) und Spötter in der Stunde ihres Todes oder im Höllenfeuer verlachen werde. Dass dieses Gottesbild, das noch in John Miltons Paradise Lost (1684) begegnet (vgl. Prütting, Homo ridens, 1147), dem Lachen des „gnostischen Demiurgen“ (1125), das sich gegen den biblischen Schöpfer-Gott selbst wendet, ähnlich ist, hat Lenz Prütting in seiner Baudelaire-Lektüre expliziert (vgl. 1125 – 1146): Baudelaire konnte die Theologie der Ebenbildlichkeit nur so verstehen, dass das aggressive Lachen des Menschen eine Resonanz auf die Machenschaften des sadistischen Gottes bildet, der allerdings nicht nur für den „kosmischen Sündenfall“ (1142) verantwortlich, sondern ihm selbst zum Opfer gefallen ist. Kuschel, Lachen, 112. Vgl. Kuschel, Lachen, 114 f. Jurzik, Der Stoff, 30. Vgl. auch Voeltzel, Das Lachen, 47 f. Hiob (41,21) erzählt in eben diesem Sinne vom Spottlachen des Leviathans, eines ungeheuerlichen mythischen Urwesens, das alle Angriffe seiner Feinde abwehrt (vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 61). So kommentierte Kierkegaard die Aussage des Psalmisten (2,4) „Aber der im Himmel wohnt, lacht ihrer“ mit dem Satz: „Das wage ich nicht zu glauben“, um den „Ernst des Ewigen“ (Erbauliche Reden, 140) von der tobenden, lärmenden, siegenden Menge abgrenzen zu können. Allerdings hat Kierkegaard den Spott über die „Lächerlichkeit menschlicher Existenz vor Gott“ (Kurt Hübner, Glaube und Denken, 336) durchaus als eine angemessene humoristische Äußerung anerkannnt. Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 96. So können die Freunde Hiob versichern (5,22; 8,21), er werde wieder lachen können, wenn er bußfertig sei (vgl. Kremer, Das Lachen, 150). Die Heiligenlegenden nahmen dieses Motiv auf: Die Akten persischer Märtyrer berichten, dass viele „bei ihrer Bekehrung […] über die Torheit ihres früheren Sündenlebens“ lachten, „sodann aus Freude über Gottes Gnade“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 62). Das Lachen der Heiligen wurde als Zeichen
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Lachen des deus absconditus wiederum als Absage an die vergeblichen Versuche Hiobs, „seine Heilsabsichten zu durchschauen“¹¹³, oder allgemeiner: an den Anspruch eines umfassenden Begreifens von Problemverstrickungen. Gerhard. M. Martin, dem wir den interessantesten Deutungsansatz zu dieser Fragestellung verdanken, leitet aus der anthropomorphen Rede vom lachenden Gott die These von der Energiemanifestation ab, die daraus resultiert, dass „menschliche Lebensverhältnisse“¹¹⁴ in Widerspruch zur göttlichen Wirklichkeit geraten. Deus absconditus und deus revelatus fallen zusammen: Der abwesende Gott macht sich bemerkbar, das Lachen überbrückt den Graben zwischen „Gott als Grund und Abgrund des Lebens“¹¹⁵. Es stellt eine Lebensbewegung dar, die tödliches Erstarren und „ohnmächtiges Verstummen“¹¹⁶ aufbricht. Auch Friedemann Richert leitet das Lachen Gottes aus der Seinskraft ab, an der der Mensch als sein Ebenbild Teil hat: Dabei übersieht er aber nicht nur die Wucht und Unverfügbarkeit, sondern verschleiert auch den dunklen Hallraum dieses Gelächters und die Komponente der Gewalt.¹¹⁷ So ist die Theologie in der Regel dazu übergegangen, das sardonische Gelächter des deus absconditus soteriologisch zu entschärfen. Renate Jurzik bringt eine gängige Sicht auf den Punkt, wenn sie behauptet, im Christentum sei die „Triebhaftigkeit des alttestamentarischen Gottes durch das Sohnesopfer geläutert“.¹¹⁸ Karl-Josef Kuschel geht davon aus, dass die alttestamentliche Idee vom lachenden Gott Element einer überholten dualistischen Erlösungslehre sei, die Gott für einen religiösen und religionspolitischen Gerechtigkeitsbegriff instrumentalisiert.¹¹⁹ Doch schon das Buch Hiob, so Kuschels arg harmonisierende Auslegung, widerlege das zynische Gottesbild und künde letzthin davon, dass die Freunde Hiobs mit ihrer Ankündigung eines Jubel-Lachens (8,21) recht behalten haben und werden.¹²⁰ Kuschel nivelliert die alttestamentliche Abgründigkeit von
der Demut und Selbstkritik, des Humors und des „frohen Bewusstseins […] Kinder Gottes zu sein“ (64) gewertet. Von einigen Heiligen hieß es wiederum, dass sie erst in der Stunde des Todes zum überwindenden Lachen fanden (vgl. 66). Voeltzel, Das Lachen, 51 f. G. M. Martin, Zur Idee, 383. G. M. Martin, Zur Idee, 384. G. M. Martin, Zur Idee, 384. Vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 47– 51. So entnimmt Richert Psalm 37, der recht eigentlich an das stille Ausharren des Menschen appelliert, ein „Lachen der Weisheit“ (Kleine Geistesgeschichte, 57), das im „triumphierenden Lachen“ (52) Gottes gründe und von einer gelassenen Daseinshaltung zeuge. Jurzik, Der Stoff, 30. Vgl. Kuschel, Lachen, 106. Vgl. Kuschel, Lachen, 109 – 113.
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der frohen Botschaft des Neuen Testamentes her zugunsten eines solidarischen Lachens der Schöpferfreude und -güte, das im Einklang mit dem verheißenen Glück der Zweifler und Verzweifelten steht.¹²¹ Auch Gisbert Kranz meint, dass mit der neutestamentlichen Wende das Lachen Gottes neu zu verstehen sei, nämlich nicht mehr als Ausdruck seines Zornes oder seiner „absoluten Überlegenheit“¹²², sondern als Zeichen seiner Liebe und Menschenfreundlichkeit. Werner Thiede statuiert, dass das rachsüchtige, höhnische Gelächter dem Wesen Gottes fremd sei und leitet aus diesem Dogma ein Argument für die Apokatastasis-Lehre ab.¹²³ Der Benediktiner Odilo Lechner verschaltet dagegen wieder die Lachenergien der Offenbarungszeugnisse: Die „Zusage der Erlösung“ assoziiert er mit einem „befreienden Lachen Gottes“,¹²⁴ das die Bedrohung bannt. Gottes überlegenes Lachen über die Feinde Israels und das erlöste Lachen des Gottesvolkes bedingen sich wechselseitig.¹²⁵ Das aggressive spöttische Lachen über den Tod, das nicht zwingend die Fruchtbarkeitssymbolik des kanaanäischen „Freudenlachens“ angesichts der „sich erneuernden Welt“¹²⁶ (vgl. II.1.2) ausschließen muss, bestimmt in den (deutero) paulinischen Schriften die Tonart.¹²⁷ Seit der apostolischen Exklamation in 1 Kor 15,55 ff. haben die Osterlieder den Tod exorzistisch ausgelacht und die Hölle verspottet.¹²⁸ Kol 2,15 verewigt den Sieg der göttlichen Ironie im Bild der entkleidet zur Schau gestellten und damit ins Lächerliche gezogenen Mächte des Bösen:¹²⁹ Das Lachen Gottes über die Verlierer der Heilsgeschichte provoziert das Mitlachen der Zeugen.¹³⁰ Vgl. Kuschel, Lachen, 155 ff. Kranz, Das göttliche Lachen, 58. Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 41 f. Lechner, Lacht Gott?, 129. Allerdings erscheint es Lechner zuletzt doch angemessener, sich Gottes Wesensart in einem Lächeln vorzustellen (vgl. Lacht Gott?, 133). Haug, Schwarzes Lachen, 52. Als alttestamentlicher Vorläufer dieses Lachens kann z. B. der Spott gelten, den Elias, einer der wenigen Überlebenden eines marginalisierten Volkes, mit den Baalspriestern treibt (vgl. Matthiae, Humor, AT, 3.2.10).Voeltzel erinnert an den spöttischen Trotz des Propheten Daniel und seiner Gefährten und ihre heitere Bewältigung aller kritischen Situationen (vgl. Das Lachen, 103 f.). Vgl. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 35 f. In den Evangelien begegnet die Lächerlichkeit des Bösen zuerst in der Episode von den Dämonen, die auf einen Befehl Jesu hin in eine Schweineherde fahren (Mk 5, 1– 20). Vgl. Wehrli, Christliches Lachen, 26. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 70. Der Resonanzraum des spöttischen Lachens umschließt das Alte und das Neue Testament, weitet sich im NT aber ins Universell-Metaphysische. Im AT or-
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Das Mittelalter kultivierte die ästhetische Ritualisierung des Spottes gegen die Symbolfigur des Teufels.¹³¹ Die spätmittelalterliche Narrensatire erfand die Figur des Teufelsnarren, die mit ihren „grotesken Zügen“ die „Narrheit des Sünders“¹³² reflektiert. Sie nahm fortan auch in Predigterzählungen und in der volkskundlichen Literatur des 15. Jahrhunderts einen festen Platz ein. Sagen und Legenden versahen den Teufel mit „schwankhaft-burlesken Attributen“¹³³ und verliehen ihm koboldartige Züge. Im Schwank evozierte das Motiv des dummen „geprellten Teufels“¹³⁴ ein lustvoll triumphierendes Lachen.¹³⁵ Das religiöse Drama präsentierte den entmachteten Teufel mit einer „grotesken Fratze“¹³⁶, die nicht nur bedrohlich und unheimlich,¹³⁷ sondern in ihrer Hässlichkeit zugleich komisch wirkte.¹³⁸ Die katechetische Synthese von Abschreckung und Belustigung diente als gängiges Rezept gegen die Angst vor dem Schicksal ewiger Verdammnis.¹³⁹ So inszenierten die Mysterienspiele, z. B. bei den Nürnberger Fastnachtumzügen, noch einmal die infernalischen Schrecken,¹⁴⁰ um schließlich die lächerliche Ohnmacht des Bösen demonstrieren zu können: „Komisch ist das Tödliche, das selbst dem Tod verfallen ist“.¹⁴¹
chestriert das Lachen den Untergang des Ungläubigen (Ps 52,8), ist damit aber zugleich ein symbolpolitisches religiöses Kampfinstrument (vgl. Kremer, Das Lachen, 149 f., Hüttinger, Die Kunst, 87 f. und Schroer/Staubli, Weinen, 498 f.). Auch bei Ovid empfangen die Frevler, die das theonome Sittengesetz verlachen, am Ende die göttliche Strafe (vgl. Walde, Ovis Ars ridendi, 82). Das „antike Siegerlachen“ (Zander, Darf man, 50) von Lk 6,21 kann man, wie es Léon Bloy getan hat, mittels einer christologischen Typologie auf die Isaak-Aitiologie rückprojizieren und somit heilsgeschichtlich potenzieren. Als spätantiker Vorläufer der mittelalterlichen Teufels-Burlesken kann das apokryphe Nikodemus-Evangelium aus dem 4. oder 6. Jht. gelten (vgl. Röcke, Heiliger Spott, 44 f.) Wendland, Ostermärchen, 44 f. Hüttinger, Die Kunst, 105. Moser, Schimpff, 286. Moser verweist hier auf August Wünsches Der Sagenkreis vom geprellten Teufel (1905). Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 63. Johannes Mathesius, ein Schüler Martin Luthers, erwähnte ein Ostermärlein, in dem der siegreiche Christus dem Teufel seine Nase abschlägt und ihn damit seines „wichtigsten Potenzsymbols“ (Röcke, Ostergelächter, 347) beraubt. Haug, Die Wahrheit, 360. Vgl. Haug, Schwarzes Lachen, 53. Das Redentiner Osterspiel (1464) weckte die Schadenfreude des Publikums über den kranken und hilflos agierenden Teufel (vgl. Röcke, Heiliger Spott, 44). Auch das Neidhartspiel inszenierte den „performativen Selbstwiderspruch“ (Velten, Scurrilitas, 245) in der Theatralik der Teufel, die zwar das Böse in die Welt bringen, sich dabei jedoch lächerlich machen. Vgl. Haug, Das Komische, 265, oder Die Wahrheit, 360. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 98. Haug, Die Wahrheit, 360.
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Das Wirkungsprinzip des „volkssprachlichen geistlichen Spiels“¹⁴² basierte somit auf dem komischen Kontrast zwischen metaphysischem Schein und ästhetischer Gestalt.¹⁴³ Das groteske Schauspiel, das das „persönliche Drama von Schuld und Gnade in ein kosmisches Drama zwischen Himmel und Hölle“¹⁴⁴ transponierte, visualisierte das Dämonische, um es zugleich lachend auszugrenzen. Burleske, frivole und obszöne Szenen entzündeten ein Lachen, das einerseits von aggressiven Impulsen gegen die gottfeindlichen Mächte und Parteien in der Welt, „Juden, […] Kriegsknechte und Teufel“¹⁴⁵, gespeist war und andererseits der Auferstehungsfreude Raum gab. Das österliche „Verlachen des Teufels“ spielte zwischen der Feier des Lebens und der „Vernichtung des Todes“,¹⁴⁶ es besaß eine „lebensbejahende Positivität“ und eine „tödliche Rückseite“.¹⁴⁷ Das bedeutet zugleich: Die Komik, die das „gespielte Ritual“¹⁴⁸ entband, blieb an den luziferischen Terror rückgebunden. Die kerygmatische Norm, das Böse als heils- und erlösungsbedürftig, aber nicht als lächerlich zu inszenieren,¹⁴⁹ untermauert, dass
Schnell, Geistliches Spiel, 76. Vgl. Haug, Schwarzes Lachen, 53. Haug, Das Komische, 265. Schnell, Geistliches Spiel, 77. Vgl. auch Haug, Das Komische, 265 und Kranz, Das göttliche Lachen, 63. Die heilsgeschichtlich relevanten Szenen blieben allerdings wie in der kirchlichen Ikonographie eine weitestgehend komikfreie Zone (vgl. Schnell, Geistliches Spiel, 92 f.). Ein besonderes Problem bei der „Dramatisierung der Passion“ (83) thematisierten u. a. der spätmittelalterliche Prediger Gottschalk Hollen (1411– 1481) und der Lutheraner Joachim Greiff (um 1500 – 1552): Offenbar kam es vor, dass die Verspottungsszenen einen theatralen Überschuss erzeugten und die groteske Überzeichnung der Peiniger die Sympathisierung oder gar Identifikation mit jenen nahelegte. Die mittelalterliche Bildkunst prägte die „Figuren der Zanner und Blecker“ (82), die mit herausgestreckten Zungen, aufgerissenem Maul und entblößtem Hinterteil Christus verhöhnen. Dieser Bildtypus schmückte als sog. Marginaldrolerie „spätmittelalterliche Chorgestühle“ (82) und romanische Bauwerke und fand im 15. Jahrhundert Eingang in die Passionszyklen von Bildtafeln. Der merkwürdige Sachverhalt, dass theatrale oder ikonographische Mittel zum gemeinsamen Verlachen Christi animierten, könnte mit dem Bedürfnis nach comic relief (vgl. 83) oder dem Sündenbockmechanismus (vgl. Warning, Funktion, 204– 212) erklärt werden. Zur Aufnahme und Modifikation von Warnings subversiver These vgl. Glenn Ehrstine, Eine meisterliche Fälschung?, 71 f. Zur Kritik unter Berufung auf das compassio-Gebot der (spät)mittelalterlichen Passionsfrömmigkeit vgl. Ulrich Barton, Tragische Lust im Passionsspiel?, 103 – 124 und II.3.1. Haug, Die Wahrheit, 360. Eine Parallele ist im Hinduismus zu finden: Der Tänzer-Gott Shiva vernichtet mit seinem Lachen „die Wohnstatt der Dämonen“ (Ceming, 138). Haug, Die Wahrheit, 359. Warning, Die Wahrheit, 111. Vgl. Warning, Funktion, 108. Frederik Neumann hält fest, dass das Lachen sich nicht gegen die Sünde oder das Böse als Substanz, sondern nur gegen akzidentielle Gestalten wie die Dummheit, die Unmündigkeit, die Unfreiheit etc. richten könne (vgl. Über das Lachen, 15).
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die Osterspiel-Episoden durchaus brisante Gratwanderungen und somit mehr als harmlose Burlesken waren. Vor dem „terroristischen Hintergrund des perennierenden Bösen“¹⁵⁰, des allgegenwärtigen Luzifers, erwies sich die Verspottung des Abgesandten Satans als Kompensationsphänomen, und zwar, wenn wir Warnings These und den Ergebnissen in II.1.2 folgen, um den Preis der Rehabilitierung und Reintegration einer diabolisch-archaischen Naturhaftigkeit.¹⁵¹ Die christliche Gemeinschaft erhöhte das Auferstehungsereignis zur kosmischen und pneumatischen Neugeburt¹⁵² und verlieh der „österlichen Freude“¹⁵³ im Lachen über den Tod Ausdruck (vgl. 1 Kor 15,55 ff.). Alle rituellen Variationen des risus paschalis besaßen daher als eschatologische Zeichenhandlung oder quasi-magische Beschwörung der Auferstehungsmacht¹⁵⁴ einen heilstheologischen Aspekt, der für seine dogmatische Legitimation lange Zeit grundlegend gewesen ist.¹⁵⁵
Warning, Funktion, 110. Klaus Ridder relativiert dagegen die Hypothese der rituellen Heiterkeit und „mythisch-archaischen Osterfreude“ (Erlösendes Lachen, 201), weil er die Osterspiele als „literarische und dramatische Inszenierungen“ (206) begreift, die den Widerspruch zwischen der göttlichen Wahrheit und der menschlichen Lebenswirklichkeit nicht aufheben, sondern komisch brechen und damit das Tragische zwar erträglicher machen, es aber umso mehr auch ins Bewusstsein heben. Der Satan bleibt – da ist sich Ridder allerdings mit Warning einig – auch in nachösterlicher Zeit eine bedrohliche Gegenmacht, im lächerlichen Teufel erkennt sich der Zuschauer selbst, der Mensch harrt noch seiner Erlösung (vgl. 205 f.). Das „erlösende Lachen“ (206) des Osterspiels beruht laut Ridder auf Effekten des comic relief. Vgl. Stagl, Nichtlachen, 98. Kuschel, Christus, 121. Vgl. Hartmann, Über das Lachen, 197 und Dölger, Lachen, 83 ff. In der russischen Orthodoxie war der Brauch verbreitet, den Liedgesängen und Gebeten, die am Ostermorgen auf dem Friedhof angestimmt wurden, ein brüllendes Lachen folgen zu lassen, das sich schließlich in Tränen auflöste. So vergewisserte man sich, dass die Angst vor dem Tod im Glauben an die Auferstehung Christi aufgehoben ist (vgl. Titze, Heilkraft, 61). Noch heute werden in der orthodoxen Kirche im Ostergottesdienst Kerzen entzündet, während sich ringsum ein Lachen erhebt, das helle Lachen des Triumphes über den Teufel (vgl. Auffarth, Glaubensstreit, 10). Im Dom von Florenz ist es offenbar noch bis mindestens Ende der 70er-Jahre üblich gewesen, in der Ostermesse „unter dem Lachen der Gläubigen eine hölzerne Taube an einem Drahtseil raketenartig vom Altar zum Hauptportal“ hinauszuschießen, „wo sie ein großes buntes Holzgerüst explodieren und in Flammen aufgehen lässt“ (Kranz, Das göttliche Lachen, 45). Vgl. Wolf, O du fröhliche, 161. Seit der Auseinandersetzung mit der erasmianischen Polemik diente der Hinweis auf die Auferstehungsfreude zur eschatologischen Rechtfertigung des Brauchs (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 217/225). Josef Ratzinger hob in seinem Buch Schauen auf den Durchbohrten (1984) noch einmal diesen Aspekt hervor, indem er im Hinblick auf das erlöste Lachen eine typologische Beziehung herstellte zwischen der Auferstehung Jesu und Isaaks Rettung (vgl. 93 – 101). Marianus Bieber geht hingegen davon aus, dass der risus paschalis von Anfang
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Signifikant an dieser Weichenstellung ist allerdings die Abhängigkeit der theologischen Salonfähigkeit des Lachens vom Impuls „gläubiger Weltüberwindung“¹⁵⁶. So leitet der katholische Theologe Karl-Josef-Kuschel die „Theologie des Lachens“ aus einer „Theologie der Freude“¹⁵⁷ ab, deren Gründungsdokument das Zeugnis von der Auferstehung ist. Das Lachen erschallt damit im Zwischenraum von Kreuz und „messianischer Wende“¹⁵⁸, in ihm hallt die Theodizeefrage nach und klingt die Neuschöpfung des Herzens an. Es ist, wie René Voeltzel im Rückgriff auf Kol 2,15 erklärt, eine Kundgabe des „begnadigten Spötters“¹⁵⁹, der am Triumphzug Christi über die entmachteten und bloßgestellten Mächte teilnimmt. In diesem Sinne hat auch Luther „das Lachen des Glaubens und das Verlachen des Satans“¹⁶⁰ verschränkt. Den theologischen Doktortitel, so Luther, erwerbe recht eigentlich derjenige, der die Kunst erlernt hat, den Teufel zu verspotten,¹⁶¹ z. B. indem er die Anklage des Gesetzes ironisch verschärft. Der humoristische Spott gegen die lebensfeindlichen Mächte und die selbstironische Souveränität des Glaubens gehören zusammen.¹⁶²
an eher eine „public-relations-Maßnahme als die Frucht einer Auferstehungstheologie“ (Humor, 277) war. Busch, Verlorenes Lachen, 2. Diese vermeintliche Jenseitsfixierung der im Osterlachen zum Ausdruck kommenden Freude hat noch Michael Bongardt kritisiert (vgl. Der Humor, 78): Wenn Bongardt die welthaften Anteile dieses Lachens (vgl. II.1.2) abspaltet, reproduziert er aber letztlich nur die theologische Diastase von weltlicher und geistlicher Freude. Kuschel, Christus, 122. Paul Gerhardt bekennt in seinem Osterchoral Auf, auf, mein Herz, mit Freuden: „Die Welt ist mir ein Lachen“ (EG 112, 5. Strophe). Auch in der 8. Strophe des Liedes Jesus, meine Zuversicht (1653) und in Rudolf Alexander Schröders O Christenheit, sei hocherfreut (1938) ist vom Lachen des Widerstands und der Freude die Rede. Schröders Lied fand jedoch ebenso wenig Eingang ins neue Evangelische Kirchengesangbuch wie die Strophe aus Jesus, meine Zuversicht (vgl. Michael Bünker, Lacht Gott?, 20). Kuschel, Lachen, 149. Voeltzel, Das Lachen, 73. Steiger, Nichtlachen, 418 f. Für Luthers Lachen stand der frühchristliche Mönch Pachomius Pate, der die Dämonen verlachte, die ihn angegriffen hatten (vgl. Gisbert Kranz, Menschsein in Freude, 89 f.) oder die Mystikerin Juliana von Norwich (1342– 1413), die über den gefallenen Satan lachte. Bei Augustinus findet sich der Gedanke, dass die Engel den Teufel verlachen und damit dessen Versuchungen ins Leere laufen lassen (vgl. Prütting, Homo ridens, 373). Luther hat die heitere Gelassenheit der Weltüberwindung mit einem drastischen barocken Bild aus der „mythologischen Betrugstheorie“ (Thielicke, Das Lachen, 74) und grotesker Situationskomik veranschaulicht: Der Teufel, der sämtliche Sünder gierig verschlang, erleidet einen Brechkrampf, weil er den sündlosen Jesus mitverschluckte, und speit sie alle wieder aus. Vgl. Steiger, Das Lachen, 418 f. Diese theologische Verknüpfung hat Gryphius in seiner Komödie Absurda Comica oder Herr Peter Squentz (1657) zum ästhetischen Prinzip erhoben, indem er die genretypische katechetische Sünden- und Narrenkritik aus spezifisch protestantischer Perspektive formuliert: Die Kompromittierung des Teufels als (machtloser) Pickelhäring oder
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Bei den zunehmend selbstbewussten Stadtbewohnern des 17. Jahrhunderts erfuhr die Verwandlung der bedrohlich-luziferischen in eine „drollige Figur“¹⁶³ einen Popularitätsschub. Grimm’sche Schwankmärchen wie Teufel mit den drei goldenen Haaren nahmen den Topos auf ¹⁶⁴ und noch der russische Dichter Nikolai Gogol integrierte in seine Volksmärchen das Motiv des dümmlichen, überlisteten und verlachten Teufels, um menschliche Unzulänglichkeiten und Abgründe vorzuführen und dem Gelächter preiszugeben.¹⁶⁵ Der Tod als mythologisch aufgerüstete und zugleich einem theonomen Zeitregime unterworfene Entität unterlag zwar prinzipiell im christlichen Kulturraum einem Lach-Tabu und verlangte nach einer würdevollen Haltung, nach feierlichem Ernst.¹⁶⁶ Doch wagten im 17. Jahrhundert die burlesken Totenpredigten und Passionsdichtungen, die geistlichen Spiele und Anekdoten, die um die Thematik und Topologie von „Tod und Jenseits“¹⁶⁷ kreisten, Grenzüberschreitungen im Rahmen eines homiletischen Konzepts und gewannen im kirchlich-theologischen Umfeld Sympathien und Anerkennung als wirksames rhetorisches Mittel der Verkündigung.¹⁶⁸ Die Ausdehnung der Tabugrenzen ist auch in der Leichenpredigt des frühen 18. Jahrhunderts zu erkennen.¹⁶⁹
Hanswurst und die Gewissheit des Peter Squentz, der Gnade Gottes teilhaftig zu sein, bilden eine Einheit (vgl. Wels, Der theologische Hintergrund, 389 f.). Zelger, Risus paschalis, 128. Vgl. Röhrich, Das Märchen, 23. Vgl. von Lilienfeld, Nikolai Gogol, 336 f. Gogols christlich-moralpädagogisches Programm sah vor, dass „Leser und Theaterbesucher“ über sich selbst lachen und damit zur „Umkehr von den alten, komisch-schwachen, komisch-bösen Wegen“ (von Lilienfeld, Nikolai Gogol, 341) animiert werden. In einigen Erzählungen Gogols erscheint der Teufel jedoch als eine derart starke, beängstigende Macht, dass kein Lachen über ihn mehr möglich ist (vgl. 336). In Paul Klees Bild Landschaft mit Rutengänger (1923) ist der „freundlich-teuflische“ (Helmstetter, Vom Lachen, 773), närrisch gekleidete, entrückt taumelnde und vergnügt lachende Einzelgänger vor apokalyptischer Kulisse dagegen nur noch eine harmlose Figur. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 292 f. Den gezielten Tabubruch des Lachens über den Tod klagte noch Blaise Pascal (1623 – 1662) in einer Replik auf den libertin Montaigne als Ausdruck eines libertären Emanzipationswillens und Autonomieanspruchs an (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 312). S. Wolff, Todesverlachen, 213 f. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 206 – 217. So wählte der Jesuitenschüler Jacques Jacques in seinem Werk Le faut mourir (1655) alltagssprachliche und burleske Elemente, um die soteriologisch instruierte Einstimmung auf den Tod zu erleichtern: Der Tod verwickelt die Lebenden in einen Dialog und fordert sie auf ihm nachzufolgen (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 195 ff.). Deren argumentatives Festhalten am irdischen Dasein erscheint lächerlich. Einerseits schärft Jacques’ Text den Sinn für das rechte Sterben, andererseits hebt er die melancholische Schwere der Besinnung auf. Die Auflösung der Furcht vor der Verdammnis und der dadurch erzielte Gleichgewichtszustand hatten den katechetischen Zweck, die Vermittlung der Lehre vorzubereiten
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Der theologische Ertrag des motivgeschichtlichen Abrisses kann also dahingehend resümiert werden, dass die christliche Ikonographie, Poetik und Kultästhetik das Lachen als ein Instrument des spirituellen Widerstandes gegen die Dämonie einer allumfassenden Melancholie oder die Angst vor der Übermacht des Todes kannte und nutzte. Allerdings hebelte sie dabei nicht das überlieferte metaphysische Bezugssystem aus, so dass der Mensch keine letztinstanzliche Befreiung von den quälenden Visionen des Schreckens und der Vergeblichkeit erlebte, sondern von Mal zu Mal zurückgeworfen war auf die Bedrohung durch die satanische Gegenmacht, die nach traditionellem soteriologischem Verständnis nicht etwa als Seinsgröße abgedankt hatte. Dem österlichen Triumph fehlte nicht nur die eschatische Vollendung und damit zugleich die historische Beglaubigung, er war auch stets aufs Neue in der Glaubenspraxis nachzuvollziehen durch die Buße, die Taufe des alten Menschen, die rechte Gesinnung. Selbst Luthers Theologie der Gnade suspendierte ja nicht das dualistische Schema der mittelalterlichen Weltanschauung und verstand Heilsgewissheit nicht als objektivierbaren Status: Aufgrund der Versuchlichkeit und Wechselhaftigkeit der menschlichen Natur war der Glaubende dazu aufgerufen, die Heilswirklichkeit Christi je und je der Anfechtung durch die satanischen Einflüsterungen entgegenzusetzen. Das Lachen erweist sich in dieser voraufklärerischen und vormodernen Heilskonzeption als Manifestation einer intensivierten und aufgelösten eschatischen Spannung in dem Sinne, dass die Vergegenwärtigung des neuen Seins das unerträgliche Gewicht des Zweifels, der Schwermut und Gewissensnot für einen Moment aufhebt. Es ist also als Reflex auf die proleptische Bannung des Bösen im Auferstehungsereignis zu verstehen und es gewinnt noch an Energie und Sprengkraft, wenn es Impulsen des Spottes gegen die zwar noch wirksamen und doch vor dem ewigen Richterstuhl bereits entmachteten letalen Instanzen folgt. Die Theodizee des Lachens besteht bis zur Auflösung des mythologischen Weltbildes darin, die personifizierten Gestalten des Bösen im Triumphzug des Christus victor ins Lächerliche zu ziehen und damit am eschatologischen Maßstab auf ihre wahre Größe zu reduzieren. Der „affirmative Grundzug alles Lachens“ erweist sich vor dem Horizont der Auferstehung sämtlicher Kreaturen als „antizipatorische Kraft“¹⁷⁰ der Harmonisierung von „Schöpfung und Erlösung“¹⁷¹. Dort
(vgl. 215). In der humanistischen Variante des Genres der Totenpredigt nach dem Vorbild Lukians bildet der mythische Ort des Todes nur noch die Hintergrundkulisse für ein burleskes Spiel mit „Witz, Ironie und Satire“ (251), bei dem sich vergnügliche Diesseitsbejahung und Belehrung die Hand reichen. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 212. Orth, Zwischen Lachen, 24.
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wo der deus revelatus des Ostereignisses noch nicht präsent ist, ertönt das Lachen des Glaubenden gedämpfter, da es zwar der Hoffnung auf die Wendung des negativen Schicksals Raum gibt, ohne jedoch aufgeladen zu sein von der Affektenergie einer bereits offenbarten Zukunft, die in die Gegenwart zurückstrahlt. In der Weisheit Hiobs oder Kohelets nährt sich das Lachen aus den Gnadenerweisen Gottes in der Vergangenheit und ist doch verdunkelt von der opaken Zumutung des deus absconditus. Die dualistische Abspaltung des Bösen von der Geschichtsmacht Gottes ist im hebräischen Denken ausgeschlossen: Das Lachen flüchtet sich daher in die Ironie, die aus der Reibung des Heilsglaubens mit der Kontingenzerfahrung gerinnt. Sie hat beim verbitterten Hiob einen mystischen, beim melancholischen Kohelet einen geschichtsphilosophischen Zug.¹⁷² Kohelets Plädoyer für eine radikale Gegenwartsorientierung kann als Antwort auf die allseitige Vanitas-Erfahrung verstanden werden. Die Ironie, die das Selbst- und Daseinsverständnis des Weisen und damit die „Haltung des Glaubens“¹⁷³ strukturiert, ist im Kohelet’schen Sinne die Ironie der Anwesenheit des Ewigen im Flüchtigen, des Göttlichen im leiblichen Genuss, die Ironie einer Daseinsfreude, die die „Polaritäten des Lebens umgreift“¹⁷⁴. Wenn der Schriftsteller Paul Konrad Kurz das Lachen als eine „nicht argumentative, untheologische Form der Theodizee“ für den „kleinen Menschen“ bezeichnet, „der seinem Gott die großen Fragen nach Gut- und Gerechtsein nicht aufrechnen muss“,¹⁷⁵ dann mag er dabei an Kohelets Weisheit gedacht haben, die Unergründlichkeit der göttlichen Vorsehung zu akzeptieren und sich ganz dem Glück des Augenblicks zu widmen. Hiob wiederum wendet seine dezent ironisch gefärbten Anklagen gegen den absconditus selbst (9,2 f.; 10,8; 26,2 f.; 30,20) und stimmt damit in das Protestlachen gegen die göttliche Geschichtsmacht ein,¹⁷⁶ das sich im Alten Testament oft in den Formen der Verkleidung und Verstellung äußert.¹⁷⁷ Der jüdische Humor hat
Hartwich, Die Harmonik, 242. So nimmt das eschatologische Lachen in Psalm 126 die Restitution des Gottesvolkes und die Regeneration der Schöpfung vorweg und übt im Modus einer „kultischen Ästhetik“ eine „kathartische Funktion“ (Hartwich, Die Harmonik, 246) aus. Vgl. auch Jaklitsch, Lächelnd, 126 f. und II.2.3. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 98 – 103. Voeltzel, Das Lachen, 104. Ludger Schwienhorst-Schönberger, „Zum Lachen sprach ich: Wie dumm! Und zur Freude: Was bringt sie ein?“ (Koh 2,2), 303. Vgl. auch Voeltzel, Das Lachen, 111 ff. Kurz, Das Lächeln, 322. Vgl. auch BenGershôm, Der Esel, 236 ff. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 30 – 34/102. Zwar verurteilt das Alte Testament prinzipiell das „doppelte Spiel des Verführers“ (Voeltzel, Das Lachen, 34), den mutwilligen Identitätswechsel und die mittelalterliche Kirche knüpfte mit ihrem Verdikt gegen Kostümierungen und Maskierungen an diese theologische Überlieferung an (vgl.Velten, Scurrilitas, 215 f.) Doch die Finten und
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angesichts der Widersprüchlichkeit der Welt die Kunst des Streitgesprächs mit Gott kultiviert,¹⁷⁸ die sich auch in der listigen talmudischen Auslegungskunst manifestiert.¹⁷⁹ Auf der anderen Seite kennt das Alte Testament die prophetische Satire und das Lachen des Widerstands gegen die Repression der Kolonialherrschaft,¹⁸⁰ gegen die „politischen Autoritäten“¹⁸¹ oder den Hochmut der feindlichen Völker,¹⁸² das die kritische Distanz zur Welt voraussetzt.¹⁸³ Die Kritik¹⁸⁴ gehört zu den
Versteckspiele von heilsgeschichtlichen Protagonisten wie Jona sind in den Erzählungen deutlich als integrale Operatoren des göttlichen Heilsplanes markiert und keineswegs mit dem Stigma sündhafter Täuschungsmanöver behaftet (vgl.Voeltzel, Das Lachen, 74– 82 und Zander, Darf man, 103 f.). Beim Purimfest hat die Verkleidung nach talmudischer Überlieferung den Sinn, die Verborgenheit Gottes beim Ereignis des Purimwunders sinnfällig zu machen (Parageis, Purim-Spiele, 260). Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 111 f. Der Widerspruch zwischen der „grandiosen Bestimmung des jüdischen Volkes“ im Alten Testament und den realen Lebensverhältnissen der Juden – Berger nennt es die „jiddisch-hebräische Antiphonie“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 140) – brachte zudem die jiddische Poetik des Tragikomischen hervor, die als ironischer oder sarkastischer Geschichtskommentar verstanden werden kann. So macht der Erzähler in Yoram Kaniuks Adam Hundesohn (1989) angesichts jener Identitätskrise die zynische Bemerkung: „Gott kümmert das nicht besonders: Er sitzt auf dem Blut und lacht“ (Adam Hundesohn, 219).Vgl. I.3.4. Vgl. Stoessel, Lob, 159 ff., BenGershôm, Der Esel, 134 f. und Morgenstern, Humor, 118 f./128 – 132. Die Beweiskünste des Rabbi Elieser sollen sogar Gott selbst zum Schmunzeln und in die Knie gezwungen haben, wie wir einem Aggadáh entnehmen können, der den Antidogmatismus des rabbinischen Judentums mit dem Lachen als „Ausdruck einer heiteren Distanz“ (131) zu jeglichen diskursiven Wahrheiten verschränkt. Der talmudische Humor korreliert mit der Haltung der fragenden, unabschließbaren Interpretation und bewirkt ein Lachen, in dem sich die „Unverletzlichkeit der festen Identität“ (Christina Parageis, Der Beredsamkeit der Sieger den Hals umdrehen, 104) auflöst. Vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 499 f. So erzeugt das Buch Ester mit den Mitteln der Groteske eine subversive Komik, die den „Triumph über die herrschende Gewalt“ (Matthiae, Humor, 3.1.3) bezeugt und sich in den spätantiken Purimsitten auch in der Verspottung der „christlichen Unterdrücker“ (BenGershôm, Der Esel, 74) durch die Verbrennung der Haman-Puppe bekundete. Doch der Spott der Ester-Erzählung richtet sich gleichermaßen gegen die Juden selbst und ihre Bereitschaft zur Assimilation: So klingt bereits jenes Moment der Selbstironie an, das für den jüdischen Humor der Moderne seit Heinrich Heine grundlegend wurde (vgl. 72– 75). Hartwich, Die Harmonik, 243. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 90 – 93. Das Lachen der Prophetensatire, das „von der giftigen Häme bis zum lachenden Schenkelklopfen“, von der „beißenden Kritik“ bis zur „humorvollen Selbstkritik“ (Schroer/Staubli, Weinen, 500) reicht, hallt in der „hebräischen Dichtung“ (BenGershôm, Der Esel, 18) vom Mittelalter bis in die Gegenwart nach. Das „universelle Gelächter“ der Gnostiker negiert dagegen von einem außerkosmischen Standpunkt aus die sinnhafte „göttliche Weltordnung“ (Hartwich, Die Harmonik, 241). Im Logos vom großen Seth verlacht der Seth-Christus neben der Schöpfung auch das heilsgeschichtliche
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„Formen christlicher Heiterkeit“, die laut Wolf-Daniel Hartwich eine TheodizeeFunktion besitzen: In seiner trinitarischen Deutung führt er sie auf die „Kraft des Heiligen Geistes“ zurück, während sich die Katharsis der „Auferstehung des Gottessohnes“ und die „ataraktische Heiterkeit“¹⁸⁵ Gott-Vater verdankt. Die Legenden, die den Topos von der heiteren Erduldung des Martyriums prägten,¹⁸⁶ können mit gewissen Einschränkungen (vgl. II.1.1) letzterem Typus zugeordnet werden. Die Märtyrer- und Heiligenlegenden,¹⁸⁷ die sich um die Frühzeit des Christentums ranken, sind reich an Elementen eines „sarkastischen, derb-drastischen Humors“¹⁸⁸. Der Mystiker Johannes Tauler (1300 – 1361) erwähnt, dass „die Heiligen früher lachten, wenn sie sterben sollten“¹⁸⁹ und die
Personal (vgl. Prütting, Homo ridens, 317). Es ist das Lachen des „göttlichen Gerichts“, das die „materielle Welt vernichtet und nur die Erwählten verschont“ (241). Voltaire hat in seinem berühmten Candide zwar die Leibniz’sche Theodizee dem Spott preisgegeben, aber der „gallige Galgenhumor“ (Zander, Darf man, 86) seiner Satire ermöglicht den „freien, souveränen Genuss des Lachens“ allen „Unerträglichkeiten des Lebens“ (90) zum Trotz. Das Überlebensglück der Protagonisten des Abenteuerromans in diversen Katastrophen könnte sogar als eine „Kaskade von Auferstehungen“ (91) gelesen werden. Hartwich, Die Harmonik, 249. Der Topos von der Widerstandskraft des Lachens gegen die Zumutungen feindlicher Schicksalsmächte ist in ganz unterschiedlichen kultur- und ideengeschichtlichen Narrativen verankert. Seneca empfahl in seinen „philosophischen Schriften“ das stoische Lachen zur Bekundung von Selbstironie und Weltdistanz und verlautete, dass charakterfeste Menschen es vermögen, noch „unter Geißelhieben […] zu lachen“ (Kremer, Das Lachen, 146). Die „Heldenlieder der Edda“ sind voll des Lachens, das „in Augenblicken höchster Spannung“, sogar „unter Todesqualen“ ausbricht; „das Motiv des lachenden Sterbens“ (159 f.) übernimmt Saxo Grammaticus „in den ersten neun Büchern der Dänengeschichte“ (168). In der mittelhochdeutschen Epik ziehen die Ritter „lachend in den Tod“ (179), der ihnen jedoch zuletzt erspart bleibt. Vgl. Schwob, Über das Lachen, 43 – 68. Der „literarische Typus“ (Arendt, 87) des sarkastischen Galgenschwanks bildet das säkulare Äquivalent zur Heiligenlegende (vgl. I.3.1). Der Galgenhumor, der sich über das Schicksal erhebt, ist dem österlichen Lachen nah (vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 260). Schwob, Über das Lachen, 47. Laurentius (gest. 258) soll seinem Peiniger die makabre Empfehlung gegeben haben, ihn noch einmal umzuwenden, damit auch die andere Seite von glühenden Kohlen geröstet werden könne (vgl. Schmitz, Ein Narr, 133). Kremer, Das Lachen, 91.Werner Elert erinnert daran, dass die Märtyrergeschichten vom „Tod des Polykarp von Smyrna, der Perpetua und Felicitas in Karthago“ (Das Lachen, 184) die strahlende Freude der hingerichteten Christen hervorheben. Eher selten ist das Lachen der hingerichteten Ketzer bezeugt: Die Chroniken berichten, dass die Häretiker, die „vom französischen König als erste Ketzer des Abendlandes zum Scheiterhaufen verurteilt wurden“ in Orleans 1022 „lachend in den Tod“ (Thomas Scharff, Lachen über die Ketzer, 28) gingen.
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Legenda Aurea (ca. 1264) erzählt, dass sie den Qualen des Foltertodes lachend trotzten.¹⁹⁰ Die Widerstandskraft des auf das eschatische Daseinsziel ausgerichteten oder an die unverfügbare Personwürde rückgebundenen Lachens ist wohl durch nichts so eindrucksvoll bezeugt wie durch jene Persönlichkeiten, die noch der Erniedrigungsmaschinerie des Konzentrationslagers lachend trotzten. Zu ihnen gehören der Psychologe Viktor Frankl und seine Schülerin Edith Eger.¹⁹¹ Für Frankl bildete der Humor den letzten Grund des Lachens:¹⁹² Denn der Perspektivenwechsel des Humors relativiert den Unbedingtheitsanspruch des Leides und verschafft noch in aussichtsloser Lage jenen Lustgewinn, der auf eine unaustilgbare innere Freiheit und Liebe zum Leben verweist.¹⁹³ Die in der Selbstdistanzierung eingeschlossene Grenzüberschreitung, die den Menschen aus der „Erlebenstotalität von Angst und Zwang“ befreit, verweist auf einen Übersinn zurück, einen „letzten Existenzgrund“¹⁹⁴, der sich im Humor als Substrat des Urvertrauens ablagert. Die „Existenzialität des Humors“¹⁹⁵ hat aus der Perspektive christlichen Glaubens einen theonomen Kern, nämlich das „Kerygma der Weltüberwindung“¹⁹⁶ als einer Vorausschattung der eschatischen Erfüllung.
Vgl. Kremer, Das Lachen, 179. Noch in spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Zeit gab es mit Caterina von Siena (ca.1347– 1380), Thomas Morus (1478 – 1535), der noch unmittelbar vor seiner Enthauptung scherzte, und Teresa von Ávila (1515 – 1582) Vorbilder für das Lachen der Heiligen wider Leiden, Gefangenschaft und Verfolgung (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 61 f. und Johannes B. Lotz, Lachen ist eine Gabe Gottes, 53 ff.). Die Nonne Catharina Daneels (17. Jht.) verkörperte ein Lachen zum „Zweck des Friedens und der Ruhe […], die perfekte Verbindung von Stoizismus und katholischer Selbstaufopferung“ (Verberckmoes, Das Komische, 83). Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 238 f. und I.1.5. Vgl. Rohr, Humor, 65. Vgl. Titze, Heilkraft, 119 – 124. Der Philosoph Wilhelm Schmid hat in einem Beitrag für die ZEIT (Heiterkeit, Rehabilitierung eines philosophischen Begriffs, 7.10.1999) eine Heiterkeit beschworen, die dazu verhilft, Ungewissheit noetischer und existenzieller Art nicht nur auszuhalten, sondern sogar zu genießen, wobei das zugrunde liegende stoische Persönlichkeitskonzept mit einem Lächeln der Gelassenheit und nicht mit dem unkontollierbaren Ausbruch des Lachens korreliert. Rohr, Humor, 72. Am äußersten Rand dieser Humorfähigkeit ist das Lachen von David Grossmanns Romanfigur Salmanson zu hören, der auf einem Vorhang vor dem Eingang zu den Gaskammern von Treblinka den Psalmvers 118,20: „Dies ist das Tor Gottes; die Gerechten werden eintreten“ (Stichwort: Liebe, 448) liest. Der Erzähler resümiert: „Laut Salmonsson ist das Lachen das spontane Ritual dieser einzig wahren Religion. ‚Jedes Mal, wenn ich lache‘, erklärte er, ‚weiß mein Gott, der natürlich nicht existiert, dass ich ihm einen Augenblick lang treu gewesen bin, dass ich ihn einen Augenblick in seiner ganzen Tiefe verstanden habe‘.“ (448). Rohr, Humor, 72. Thielicke, Das Lachen, 73.
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Schon Jean Paul, der Theoretiker und Laborant des ‚vernichtenden Humors‘, hatte ein Lachen beschworen, das im Auskosten höllischen Schmerzes himmlische Größe erlangt.¹⁹⁷ Dieses Lachen beruht darauf, dass das Endliche im Kontrast mit dem „göttlichen Unendlichen“¹⁹⁸ vernichtet wird. Diese Deutung des humorvollen Lachens als metaphysisch-ästhetische Umwertung hat Charles Baudelaire unter heilstheologischem Vorzeichen weiterentwickelt. Baudelaire ging davon aus, so die luzide Deutung Pusses, dass das Lachen eine Zerstückelung markiert und zugleich kittet.¹⁹⁹ Die „durch den Sündenfall verlorene Einheit“ stellt es prothesenartig wieder her als „paradoxe Einheit des Grotesken“ oder „prekäres Simulacrum des Absoluten“²⁰⁰. Daher bildet das Lachen den „Fluchtpunkt einer eschatologischen Hoffnung“: Es antwortet auf die „unendliche Negationsbewegung“ der romantischen Ironie mit der Affirmation der „absoluten Sinnlosigkeit des Komischen“²⁰¹. Als „defiziente Simulation“²⁰² der verlorenen Gnade hat es jedoch einen unheimlich-dämonischen Zug.²⁰³ Die Theodizee des Lachens wäre allerdings unvollständig verstanden, wenn nicht im Anschluss an katastrophentheoretische Deutungsmuster der körperliche Aspekt des Ausdrucksgeschehens berücksichtigt würde. Der Publizist Michael Rutschky folgt einer richtigen Spur, wenn er bemerkt, dass der konvulsivische Verlauf des Lachkrampfs, der dem Weinen oder Schluchzen ähnelt, eine Auseinandersetzung mit „Sterben und Tod“²⁰⁴ verschlüsselt. Denn im „temporären Selbstverlust“ und im Akt der Verausgabung sind nicht nur normative Ord-
Vgl. Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, 124– 144. Pusse, Von Fall, 53. Vgl. Pusse, Von Fall, 186. Pusse,Von Fall, 186. Baudelaire hat es so formuliert, dass „das Lachen des Grotesken“ etwas „grundsätzlich Tiefes und Elementares“ aufscheinen lasse und sich der „von jedem Zweck gelösten“ (Vom Wesen, 129) absoluten Freude nähere. So werden die „vom Sündenfall verursachten Erscheinungen […] zum Werkzeug der Erlösung“ (120). Pusse, Von Fall, 186. Pusse, Von Fall, 186. Vgl. auch P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 44 f. Mit Bataille könnte man die dunkle Färbung des Lachens an seinem agonalen Impuls festmachen, das Erlösungs- und Heilungsversprechen des Höchsten in die Nichtigkeit absinken zu lassen (vgl. Bischoff, Souveränität, 44). Es ist daher kein Wunder, dass ein traditionalistischer Theologe wie Reinhold Niebuhr das „Lachen über die letzten Widersprüche des menschlichen Daseins“ (Humor, 82) und das unabänderliche Geschick des Todes der existenziellen Verzweiflung und der Verachtung des kreatürlichen Seins zugerechnet hat. Denn Niebuhr setzt noch voraus, dass sich die Wahrheit, die der Glaube bekennt, ungebrochen offenbart hat und dort, wo der Logos waltet, kann das Lachen nur eine kümmerliche Schwundform oder ein verzerrtes Echo des christlichen Selbstbewusstseins sein. Rutschky, Der Lachkrampf, 932.
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nungsmuster gesprengt, sondern die „Freiheit und Souveränität“²⁰⁵ des Menschen erheben sich zu wahrer Größe.²⁰⁶ Der Journalist Robin Detje hat es als die „größte Kulturleistung“ des Menschen bezeichnet, „den Tod nicht ernst zu nehmen“.²⁰⁷ Er variiert Descartes subjektivitätstheoretisches Axiom und schlägt einen neuen identitätsphilosophischen Grundsatz vor: „Ich verlache den Tod, also bin ich“.²⁰⁸ Dieses Lachen reflektiert gewissermaßen das „abgrundtiefe TrotzdemLachen“²⁰⁹ des gekreuzigten und wiederauferstandenen Gottes. Es ist ein Überwindungs-Lachen unter dem „Preis von Schmerzen“²¹⁰: Von Bauchmuskelkonvulsionen gekrümmt wirft sich der Mensch zu Boden und richtet sich befreit wieder auf. Kann eine Theologie des Lachens also eine überzeugende Lösung für das Theodizee-Problem anbieten? Gerhard M. Martins Vorschlag, Gottes Lachen als energetische Manifestation des abwesenden Gottes angesichts der heillosen Seinsverstrickungen zu verstehen, dürfte für unsere Überlegungen ebenso einen Ansatzpunkt bieten wie Peter L. Bergers Versuch, im Anschluss an Rudolf Ottos berühmte Definition des religiösen Erlebnisses die ambivalente Faszination des Komischen mit dem Wechselspiel von Attraktion und Schrecken zu erklären.²¹¹
Rutschky, Der Lachkrampf, 934. Rutschky, der hier natürlich auf Plessner rekurriert, verweist in diesem Zusammenhang auf die Schlussszene des Monty-Python-Films The life of Brian (1979): Der ans Kreuz geschlagene Protagonist stimmt den heiteren Gesang Always look on the bright side of life an und zeugt damit laut Rutschky vom Bataille’schen Lachen über das Universum (vgl. Der Lachkrampf, 934 und Bataille, Die innere Erfahrung, 252), ein Lachen, das allerdings, so müsste an dieser Stelle eingewandt werden, in der Filmszene gerade nicht körperlich ausagiert wird. Auch literarische Texte und filmische Szenen evozieren das Komische durch die Kontrastierung der Abschattungen des Todes, von „Routine, Erstarrung, Mechanisierung, Leere“ (Haug, Schwarzes Lachen, 55) mit dem Vitalen oder Humanen und beschwören damit das quasi-österliche Lachen der Erneuerung oder Überwindung. Dieses Darstellungsprinzip lag z. B. der Inszenierung einer Szene von Schillers Räubern im Münchner Residenztheater 1953 durch Fritz Kortner zugrunde: Karl Moors brandschatzende Räuberbande rettet ihren Kompagnon Roller im letzten Augenblick vorm Tod durch Erhängen. Rollers unwillkürliches Lachen birgt noch den Schrecken und die Todesangst, andererseits symbolisiert es die „Zerstörung der bisherigen Ordnung“ und die „radikale Erneuerung des Lebens“ (Haug, Die Wahrheit, 359). Im Lachen des Publikums von Charlie Chaplins Fließband-Szene in Modern Times (1936) fließen ebenfalls beide Momente zusammen: Das Erschrecken über die „unmenschliche Mechanik“ und die Befreiung, die in der „unberührbaren Einfältigkeit“ (362) Chaplins zum Ausdruck kommt. Detje, Warum Komik?, 927. Auf das Verlachen des Todes zielt denn auch die Kunst des Clowns, der auf der Grenze zwischen Leben und Tod balanciert (vgl. Auchter, der Hoffnung, 42 und Eduard Dietl, Clowns, 45 ff.). Detje, Warum Komik?, 927. Thiede, Das verheißene Lachen, 103. Thielicke, Das Lachen, 92. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 77.
2.2 Komische Banalisierung des Bösen und leibseelische Grenzüberschreitung
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Setzen wir voraus, dass die Abwesenheit oder der Tod Gottes – wie Nietzsche sagen würde – eine Ur-Angst des Menschen hervorruft und der Mensch doch immer wieder auf den Grund oder Abgrund seines Daseins zurückgeworfen ist, dann stoßen wir auf eine existenziale Komik, die sich im Lachen entlädt. Doch leistet das Lachen mehr als die komische Wahrnehmung einer fundamentalen Seinsstörung, die allzu leicht in Resignation, Zynismus und Schwermut zurückkippt. Denn wenn das Lachen des abwesenden Gottes seine plötzliche und unverfügbare Anwesenheit verbürgt und das Lachen des Menschen auf diese Bekundung seiner Anwesenheit antwortet, dann schließt es damit wenigstens für einen Moment an einen Energiestrom an, der die metaphysische Leere seiner gewöhnlichen Existenz durchbricht. Der Mensch erlebt das Lachen zum einen als Widerfahrnis der göttlichen Wirklichkeit: Der tote Gott steht lachend wieder auf und zündet Funken der Hoffnung und Zuversicht mitten in den dunklen Kammern der Verlassenheit, lachend vibriert er in den Zellen und Knochen, im Blut und im Atem des schockgefrorenen Menschen. Zum anderen erhebt sich der lachende Mensch und berührt mit allen Sinnen die eschatische Erfahrungsdimension, er gewärtigt die plötzliche Anwesenheit des Abwesenden, die dionysische Kraft des Totgesagten. Im Lachen stürzt der Mensch in den Abgrund und findet dort den Grund seines Seins und umgekehrt schießt das Lachen aus dem Abgrund hervor, um dem Menschen den Grund seines Seins sinnlich neu zu erschließen. Im Medium des Leibes vergegenwärtigt das Lachen die Aufsprengung der Strukturen des Todes. Der Lachende erlebt gewissermaßen im karnevalesken Schauspiel des Körpers seinen Untergang und seine Wiederauferstehung,²¹² sein Verlöschen in der Desorganisation des Sinnes und der Sinne und seine Neuschöpfung als befreites und wieder ins Gleichgewicht versetztes Subjekt.²¹³ Beim
Vgl. Prüttings Hinweis (Homo ridens, 54) auf das mythologische Schema von Höllenfahrt und Wiedergeburt und seine treffliche Deutung des Osterlachens als „performative Mimesis des Ostergeschehens“ (562). Allerdings wird die theologische Anthropologie das Osterlachen nicht, wie Prütting, von Konstituentien des Menschseins, oder konkreter: vom uroborischen Prinzip her bestimmen, sondern umgekehrt die Katharsis des Lachens vom Auferstehungsereignis her qualifizieren. Dieser elementaren Existenzerfahrung kann eine komische Ursituation zugeordnet werden: Wenn das Hinfallen als „anthropologisches Paradigma“ der Sündenlehre begriffen wird, dann figuriert das Wiederaufstehen als „soteriologisches Paradigma“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 249). In diesem Sinne sind die Schachtel- und Stehaufmännchen als Symbolfiguren der Auferstehung zu verstehen und als deren Vorbild Jesus Christus. Das „Drama der Erlösung“ (250), das Erhaschen und Verschwinden Gottes und die Hoffnung auf sein Wiedererscheinen sind im Kuckuckspiel verschlüsselt: Die Ostkirche hat sogar eine Liturgie ausgebildet, die das kosmische Kuckuck visuell inszeniert. Der Kinder-Glaube an das Wiederaufstehen des Clowns und die
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Lachen handelt es sich also um eine schöpfungstheologisch auszuleuchtende (vgl. I.2 und I.3) körperliche Vorwegnahme oder Chiffrierung der Erlösung, die im nächsten Kapitel noch deutlicher auf den eschatologischen Verstehenshorizont bezogen werden soll.
2.3 Göttliche Qualitäten: Die Komödie als heilsgeschichtliche Signatur und die Vollendung des menschlichen Daseins Charles Baudelaire,²¹⁴ Alfred North Whitehead und Ernest Renan vertraten die Ansicht, dass den Heiligen Schriften generell und speziell den jüdisch-christlichen Offenbarungszeugnissen das Lachen fremd sei.²¹⁵ Peter L. Berger erklärt, dass jene als Hierophanien für die zeremonielle Vergegenwärtigung und nicht für die theologische Reflexion bestimmt waren, die der Wahrnehmung des Komischen grundsätzlich vorausliegt.²¹⁶ Diesen Reduktionismus haben jedoch u. a. Gisela Matthiae und René Voeltzel widerlegt, indem sie nachwiesen, dass die Verfasser der alttestamentlichen Schriften das stilistische Arsenal der Komik durchaus kannten und nutzten.²¹⁷
Rückkehr der Mutter im Versteckspiel widerspiegeln die Auferstehungshoffnung und appellieren an sie (vgl. 249 f.). Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 125. Vgl. Reinhold Zwick, Wolken ziehen herauf und vorüber, 69 und BenGershom, Der Esel, 152. Die Lust am Lachen, so A. N. Whitehead sinngemäß, muss ihre Quellen daher außerhalb der Religion suchen. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 238. Vgl. auch die Darstellung von Bernd Willmes, Nichts zu lachen?, 5 – 11. Matthiae hat in ihrem Beitrag zum Humor im Alten Testament Belege dafür geliefert, dass vor allem die Verfasser der Erzähltexte komische Stilmittel verwendeten und damit didaktische und sozialkritische Absichten verfolgten oder auf kathartische und psychosoziale Wirkungen aus waren. Folgt man der Argumentation René Voeltzels, dann sind jedoch lediglich einige „lustige Szenen“ (Das Lachen, 13), „Wortspiele, Rätsel und Verwechslungen“ (14), „Witze und Karikaturen“ (16) im Grenzbereich von Unterhaltung und Belehrung zu verorten. Elemente des Komischen haben in den biblischen Schriften für gewöhnlich die Funktion, eine tiefere Wahrheit enthüllen (vgl. 12). Mit anderen Worten: Biblische Komik ist nicht auf die erfrischende und erleichternde Wirkung des Lachens, sondern auf den erhellenden Zug von Doppelsinnigkeiten aus, sie verfolgt keine delektarischen, sondern didaktische Zwecke. Vgl. zum Humor in der jüdischen Bibel, dem Tenách, BenGershôm, Der Esel, 152– 161. Auf humoristische Komponenten in neutestamentlichen Erzählungen hat Hermann Lichtenberger hingewiesen (vgl. Da lachen, 98 f.).
2.3 Göttliche Qualitäten
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Die Alttestamentler Cheryl Exum und William Whedbee²¹⁸ gehen über diesen Befund hinaus, wenn sie feststellen, dass die heilsgeschichtliche Erzählung von einem leisen, feingeistigen Lachen oder Schmunzeln gekennzeichnet sei, das sich ins Kosmisch-Visionäre weite.²¹⁹ Man kann dieses Lachen mit der Entscheidung des Schöpfer-Gottes für das Licht, für die mit der Heiterkeit sprachlich verwandte Helligkeit beginnen und umgekehrt die Geschichte Gottes mit seiner Schöpfung in das Lachen münden lassen.²²⁰ Wenn die Heilsgeschichte auf die eschatische Vollendung der Schöpfung zuläuft, dann erscheint es durchaus naheliegend, die Offenbarungszeugnisse gattungspoetisch auf die Merkmale der Komödie zu überprüfen, und zwar sowohl hinsichtlich der Binnenstruktur einzelner narrativer Kompositionen²²¹ als auch mit Blick auf die Gesamtdramaturgie der heilsgeschichtlichen Erzählung.²²² Denn einerseits schlägt der Widerspruch zwischen der ethischen und „empirischen Begrenztheit des Menschen“²²³ und seiner göttlichen Bezugsgröße komische Funken.²²⁴ Andererseits scheint es so, dass „der Schöpfer dieser Welt […]
Vgl. Jo Cheryl Exum/William Whedbee, Isaac, Samson and Saul: Reflections on the Comic and Tragic Visions, in: J. Ch. Exum (Hg.), Tragedy and Comedy in the Bible: Semeia 32 (1985), 5 – 40. Vgl. Zwick, Wolken, 69 f./81/90. Vgl. Blocher, Gottes Lachen, 25 – 29. ‚Göttliche Komödien‘ wie die Bücher Hiob und Ester oder die Episode von Isaaks Opferung (Gen 22,1– 19) bieten dem Leser einen Wissensvorsprung an und überwölben das Tragische auf diese Weise komisch. Auch die typologische Verlachkomödie kommt im biblischen Kanon vor: Man denke an die Erzählungen von Jona, von Tamar und Juda in Gen 38 oder von den BaalsPriestern in 1 Kön 18 (vgl. Zwick, Wolken, 82). Vgl. Ratzingers Diktum von der Weltgeschichte als ‚divina comedia‘ (Schauen auf den Durchbohrten, 97), das auch aus der weisheitlichen Schöpfungstheologie abgeleitet werden könnte (vgl. II.2.3 und Keel, Die Weisheit, 65). Ränsch-Trill bezeichnet die Komödie als literarische Gestalt der Theodizee, da ihr Humor die Gegensätze versöhne oder sie wenigstens annehmbar mache (vgl. Harlekin, 27). Laubach, der Hoffnung, 36. Blaise Pascal definierte den ontologischen Zentralwiderspruch als Auflösung „menschlicher Ansprüche auf Weisheit und Macht“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 247) im Abgrund zwischen „Unendlichkeit und Nichts“ (35). Baudelaire hat den Pascal’schen Gedanken vom „komischen Widerspruch des Menschen zur Ordnung des Universums“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 43) aufgenommen, wenn er das Lachen aus dem „beständigen Zusammenstoß“ zweier unvereinbarer Unendlichkeiten ableitet, des „Leidens in Bezug auf das Absolute“ und der „Größe in Bezug auf die Tiere“ (Baudelaire, Vom Wesen, 125). In Tucholskys Dialogskizzen Nachher (1925 – 1928) gesteht Gott dem Menschen das Lachen über die komischen Widersprüche der Schöpfung als Lebensbewältigungsstrategie zu (vgl. Kuschel, Lachen, 169 f.). Kurt Hübner hat die auch von Kierkegaard vertretene universalistische Deutung des Komischen aufgenommen und den Humor, der die amüsante Seite des „status corruptionis“ (Glaube, 340) entdeckt als „Existenzial christlichen Lebens“ (339) bezeichnet.
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ein wahrhaft göttliches Vergnügen an Kontrasten und Gegensätzen, an Widersprüchen und Streit hat“²²⁵ hat, wobei als Muster des göttlichen Erziehungsstils in der Interimszeit der Modus der Ironie erkennbar wird.²²⁶ Die heilsgeschichtlichen Volten und pädagogischen Finten Gottes bereiten auf den lachenden Triumph über die weltlichen und satanischen Instanzen des Gelächters vor.²²⁷ In den „heiteren Wendungen“²²⁸ der heilsgeschichtlichen Erzählepisoden, angefangen mit den Mythen vom Sündenfall und von der Sintflut, in den Momenten der Bewährung und Bekehrung, des Aufatmens, der Wiedererweckung und Neubelebung bekundet sich die Gnade Gottes²²⁹ und es scheint der „glückliche Ausgang“²³⁰ der oft skurrilen, beinahe absurd wirkenden Groß-Erzählung auf. Auch die Evangelien können von ihrem Ende her als Komödien gelesen werden: „Auferstehung und Himmelfahrt“ sind „typische Komödien-Schlüsse“.²³¹ Die Herabkunft Gottes birgt das Lachmotiv, dass Gott sich gewissermaßen so weit „aus dem Fenster“²³² des Himmels lehnt, dass er auf die Erde herabfällt. Die Komik der Weihnachtsgeschichte besteht darin, dass ein „kleines, schutzbedürftiges Menschenkind […] göttliche Hilfe“²³³ bringen soll. Die Christusfigur selbst hat, indem sie „Würde und Schwäche“, „das Endliche und das Unendliche“²³⁴ vereint, etwas Lachhaftes. Das Kreuz Jesu chiffriert die Erniedrigung Gottes und deutet zugleich voraus auf die komisch-unverständliche Auferweckung des Gottessohnes.²³⁵ Es kann somit als Symbol der „humoristischen Tota-
Zander, Darf man, 53 f. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 47 f. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 70. Blocher, Gottes Lachen, 33. Vgl. Blocher, Gottes Lachen, 32– 49. Köster, Wir können, 208. Andrew Greeley versteigt sich zu der Feststellung, dass der christliche Humor kein „existenzieller Heroismus angesichts der Tragödie“ sei, sondern „existenzielle Freude, Ausfluss der Überzeugung, dass das Leben letztlich ein Spaß ist, dass Gott ein Komödiant ist und die Geschichte unseres Lebens ein happy end haben wird“ (Humor und kirchliches Amt, 372). Zwick, Wolken, 89. Laubach, der Hoffnung, 39. Wilhelm Gräb, Humor in der bildenden Kunst, 179. Laubach, der Hoffnung, 40. Vgl. Werner Schneider, In die Kirche gegangen, gelacht?, 57 f. Die Ablehnung einer solchen soteriologischen Ästhetik im Namen einer theologia crucis ist verbürgt durch Reinhold Niebuhr, demzufolge der Humor zwar im Sinne Frederik Neumanns (vgl. I.2.4) die Zusammengehörigkeit von „Gerechtigkeit und Barmherzigkeit“ (Humor, 77) bezeuge, letzthin jedoch nur eine ScheinVersöhnung der Antinomien anbiete und den hamartiologischen Abgrund verschleiere, der nur durch Schmerz und Leiden überbrückt werden kann. Die Unvereinbarkeit des Kreuzestodes mit
2.3 Göttliche Qualitäten
369
lität“ Gottes verstanden werden, die alle weltlichen „Grundprinzipien von Macht und Wissen“ desavouiert (1 Kor 1,27 ff.): Tod und Auferstehung markieren die „komische Ursituation“.²³⁶ Dem Glaubenden begegnet das Komische als Signal der Transzendenz: Die komische Ausdrucksform antizipiert die künftige Erlösung, sie vergewissert ihm, dass die Vision der neuen Welt „unendlich wirklicher ist als alle Wirklichkeit dieser Welt“²³⁷. Im späten 20. Jahrhundert sind in der Theologie zudem Tendenzen zu erkennen, die positiven Qualitäten des Lachens ins christologische Narrativ und Gottesbild zu integrieren.²³⁸ Henning Schröer entdeckt das Lachen Jesu gewissermaßen zwischen den Zeilen,²³⁹ der „Geist messianischer Freude“²⁴⁰, so KarlJosef Kuschel, bestimmt die Haltung des Nazareners zur Welt.²⁴¹ Er bekundet sich in Heilungen und wundersamen Verwandlungen (vgl. II.2.4) und zeugt von einem „Lachen wider die kosmische und psychische Dunkelheit“²⁴², von der Freude an Gott selbst (Luk 10,21) und an der Umkehr der Sünder (Luk 15). Der Philosoph Rolf Kühn spricht von der „stillen Heiterkeit“ der neutestamentlichen Glaubenszeug-
einem humorvollen Lachen hat in jüngerer Zeit auch Michael Bongardt betont (vgl. Der Humor, 77 f.). Bieber, Humor, 284. Georg Baselitz hat in seinem Bild Tanz ums Kreuz (1992) den „Witz des Glaubens an die rettende Kraft des Kreuzes“ (Gräb, Humor, 184) damit zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur das „Kreuz und der gekreuzigte Jesus“, sondern auch „die Bäume ringsum auf dem Kopf stehen“ (191). P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 248. Berger geht davon aus, dass der Glaube einen epistemologischen Sprung vollzieht, wenn er die Verführung durch die Illusion in der Komödie zu einem eschatologischen Erlösungsversprechen umdeutet (vgl. Erlösendes Lachen, 248). Bernd Beuscher formuliert einen ähnlichen Gedanken, wenn er sinngemäß erklärt, der Mensch sei dazu berufen, eine spezifische Lustfähigkeit zu erwerben und in durchgespielten „Szenarien simulierter Erlösung“ (Verstehen Sie Spaß?, 521) den Anteil authentischer Erlösung zu finden. Peter Rehberg argumentiert, dass Baudelaires ernster Christus im Grunde eine unmögliche Figur sei, wenn denn mit dem Sündenfall das Lachen für die Menschheitsgeschichte konstitutiv geworden ist (vgl. Lachen, 35). Vgl. Schroer, Lachend, 6. Kuschel, Lachen, 127. Beim Einzug in Jerusalem findet der Geist der Freude Resonanz im messianischen Jubel des Volkes (vgl. Kuschel, Lachen, 128). Eine gute Übersicht zur Fülle an Belegstellen für die ubiquitäre Freude in den neutestamentlichen Schriften bietet Lichtenberger (Da lachen, 95 f.) Vgl. Kuschel, Lachen, 127– 134. Auch von seinen Jüngern heißt es, dass sie voller Freude waren (Apg 13,52). Friedemann Richert erkennt in der „weisheitlich inspirierten Rede vom sorgenfreien Leben“ (Mt 6,25 – 34) die Haltung der Eutrapelie, der „schönwendigen Gewandtheit“ (Kleine Geistesgeschichte, 107), die noch in der paulinischen Glaubensgewissheit (Röm 8,37 ff.) und Freiheit von der Welt (1 Kor 7,29 ff.) nachklinge, ehe sie unter der Vorherrschaft des asketischen Ethos in Verruf geriet. Vgl. auch Bongardt, Der Humor, 93. Kuschel, Lachen, 129.
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nisse, die sich der „göttlichen Lebenskraft“ verdanke, und erklärt die lebensbejahende pneumatische Wirklichkeit zur „Quelle des wahren Lachens“.²⁴³ Dieses pneumatische Lachen entzündet sich bereits an der Nachricht von der Menschwerdung Gottes, die den Lobpreis „aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge“ (Mt 21,16) weckt.²⁴⁴ Das Lachen gewinnt somit Präsenz als Ausdruck einer Daseinsfreude, die in der Hinwendung Gottes zum Menschen und dem Ergriffensein von der göttlichen Liebe ihren Grund hat.²⁴⁵ Die Heilsmission Jesu zielt auf das „Lachen der Erlösten“²⁴⁶, das besonders an den Kindern sinnfällig wird (vgl. auch Ps 8,3).²⁴⁷ Im Sinne einer präsentischen Eschatologie ist es in der Überwindung der Angst und der Öffnung für die messianische Wirklichkeit schon umrissartig vorweggenommen, doch wird das grenzenlose Jubellachen erst erschallen, wenn die Befreiung aus den leidvollen Strukturen der Gegenwart und der Triumph der Gottesherrschaft vollendet sind. Die Verheißung des befreiten Lachens (Lk 6,21b) bildet das Komplement zur Warnung vor dem oberflächlichen, unechten Gelächter der Erfolgreichen und Privilegierten (6,25b). Luther führte das Lachen des Glaubens auf den „geistlichen Affekt der Freude und die hilaritas des Gewissens“²⁴⁸ zurück, die sich der Umkehrung aller Daseinskoordinaten durch das Heilshandeln Gottes verdanken. Besonders das Weihnachtsereignis als Einbruch der Transzendenz in die Immanenz ist erfüllt vom „göttlichen Lachen“, das den Menschen ansteckt, wann immer er die „närrische Inversion der Vernunft“²⁴⁹ gewärtigt. Die Responsivität des Menschen im Hinblick auf das himmlische Lachen versteht Luther allerdings nicht als anthropomorphe Rede von Gott, sondern umgekehrt als theomorphe Rede vom
Titze/Kühn, Lachen, 93. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 110. Schon in der Geburtsgeschichte vibriert die Freude angesichts der „messianischen Zeitenwende“ (Kuschel, Lachen, 123). Die apokryphen Schriften konkretisieren den affektiven Gehalt des Heilsgeschehens: Das Kindheitsevangelium des Jakobus erzählt vom Lachen der Maria, das Pseudo-Matthäusevangelium erwähnt das Lächeln und Lachen des „neugeborenen Jesus“ (125), ein Motiv, das das populäre Weihnachtslied Stille Nacht heilige Nacht aufgenommen hat. Auch die Kindheitserzählungen des Thomas erzählen vom Lachen des Knaben Jesu (vgl. 129). Vgl. auch II.1.2 und 2.1. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 86 f. Lechner, Lacht Gott?, 132. Hesses Siddharta (1922) variiert das Motiv: Hier führt der Weg zur Erleuchtung von der resignativen Einsicht des Erwachsenen in die Vergänglichkeit des Daseins zurück zum unschuldigen Kinderlachen über die törichte Wirklichkeit (vgl. Titze, Die heilende Kraft, 239 ff.). Steiger, Das Lachen, 411. Steiger, Das Lachen, 413.
2.3 Göttliche Qualitäten
371
Menschen.²⁵⁰ Die Glaubensfreude, das „Mit-Gott“- und „In-Gott-Lachen“ verwandelt die ganze Um- und „Mitwelt“ des Menschen in einen „lachenden Spiegel seiner selbst“.²⁵¹ Sie erstreckt sich auf sämtliche Lebensbereiche und vermag sich selbst gegen die Schatten des Todes zu behaupten.²⁵² Im „unbeschwerten Lachen“ ist eine „Spur des Paradieses“²⁵³, ein „Überrest der ursprünglichen Gottebenbildlichkeit der menschlichen Seele“²⁵⁴ aufbewahrt. In ihm klingt, wie Thomas Laubach erklärt, die Sehnsucht des Glaubenden nach dem noch uneingelösten Glück an, nach „ganzer Erlösung“ und „ungebrochenem Heil“.²⁵⁵ Als „eine Spielart des Humanen“ bindet es jedoch die ersehnte Erfüllung an eine bestimmte „Art und Weise der Erdung“²⁵⁶ zurück (vgl. I.1.2). Laubachs Feststellungen lenken den Blick auf eine Dimension des Spiels, die in diesem Zusammenhang Beachtung verdient: Denn das Spiel scheint über seinen schöpfungstheologischen Zeichenwert hinaus eschatologischen Offenbarungscharakter zu besitzen. Hugo Rahner hat die Zweckfreiheit der Spiel-Kunst auf die „Ursehnsucht des Menschen nach der unbehinderten, freien, beschwingten Harmonie zwischen Seele und Leib“ bezogen: Wenn der Mensch „mit Hilfe der […] sichtbaren Geste, des hörbaren Tons, der betastbaren Materie“ einem seelischen Vermögen, einer „inneren Fülle“ Ausdruck verleiht, dann spielt der
Vgl. Steiger, Das Lachen, 414. Das Judentum, so Charlotte Knobloch, schätzt das Lachen als Ventil für die Not der Seele: Rabbi Beroqa (2. Jht. n. Chr.) verspricht sogar den Spaßmachern, die ihre Mitmenschen zum Lachen bringen, „einen Platz in der künftigen Welt Gottes“ (Knobloch, Jüdischer Humor, 27). Vgl. auch Jaklitsch, Lächelnd, 135 f. Knobloch unterschlägt allerdings, dass die rabbinische Ethik dem Lachen grundsätzlich mit ähnlichen Vorbehalten begegnete wie etwa die alttestamentliche Weisheit oder die neutestamentliche Soteriologie. Vgl. II.2.1. Steiger, Das Lachen, 412. Jeanne D’Arc (1412– 1431) soll mit ihrem Lachen eine ganze Armee beseelt haben, der ökumenisch und aufklärerisch orientierte Bischof Johann Michael Sailer (1751– 1832), der Erweckungsprediger und Gründer des Redemptoristen-Ordens Clemens Maria Hofbauer (1751– 1820) und der Begründer der Salesianer-Kongregation Don Giovanni Bosco (1815 – 1888) gewannen in ihrer Erziehungsarbeit lachend die Jugend. Papst Johannes XXIII. (1958 – 1963) lachte oft herzlich (vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 65). Der Sklavenbefreier William Wilberforce (1759 – 1833) und die Reformerin Florence Nightingale (1820 – 1910) waren bekannt für ihren Humor; Friedrich von Bodelschwingh (1831– 1910) setzte scherzend eine neue Sozialgesetzgebung durch (vgl. Kranz, Menschsein, 90). Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 121 ff. Luther hat das nach dem Tod seiner Tocher Magdalene mit dem Satz bezeugt: „Ich bin ja fröhlich im Geist, aber nach dem Fleisch bin ich sehr traurig“ (WATr 5 [5494], 191). Kurz, Das Lächeln, 322. Fritz Blanke, Luthers Humor, 42. Laubach, der Hoffnung, 43. Laubach, der Hoffnung, 43.
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Geist mit „behender Leichtigkeit“ und „schwebender Eleganz“²⁵⁷ auf seine Leibwerdung hin und umgekehrt werden Ton, Geste und Material dem Geist verfügbar. Im Lachen, das dem Staunen angesichts eines unerwarteten Gnadenerweises, einer wundersamen Erweckung oder einem schöpferischen Gelingen entspringt, hallt, wie wir meinen, jene Gleichgestimmtheit von Geist und Leib wider.²⁵⁸ Darüber hinaus bietet Michael Roths Frui-Mundo-Konzeption Ansätze zu einer offenbarungstheologischen Vertiefung: Denn die Zweckfreiheit des Spiels setzt ja die Freiheit des Evangeliums voraus und damit ist das Spiel nicht nur als Element der Schöpfungsordnung, sondern auch als eine bestimmte Gestaltwerdung der Heilsexistenz aufgewertet. Das Spiel-Lachen zeugt nicht nur vom Genuss des Endlichen, es weist auch zurück auf den Freispruch des Evangeliums und voraus auf die Erlösung im Eschaton.²⁵⁹ Daher ist die existenzielle Dimension des Spiels weiter zu fassen und optimistischer zu beurteilen als Thielicke und Roth dies tun, die es auf die Nischensphäre alltagsenthobener Vergnügungen begrenzen. Der katholische Theologe Bernhard Maurer geht davon aus, dass sich die mit dem Neuen Testament inaugurierte Umwertung der Werte auch auf die Sphäre der Arbeit erstreckt.²⁶⁰ Wenn das Spiel als erholsamer Gottesdienst definiert wird, dann ist damit impliziert, dass es in die Wirklichkeit eintritt und sie verändert.²⁶¹ Die Spiel-Existenz und das befreite Lachen bilden das Gegenprogramm zum Konzept der Arbeit als Bußleistung und zur „sakramentalen oder mystischkomtemplativen Frömmigkeit“²⁶². Sie ersetzen, wie Moltmann feststellte, den Primat des Ethischen und der Leistung durch das ästhetische Prinzip des Schöpferischen.²⁶³ Der subversive Möglichkeitssinn, die „produktive Phantasie“²⁶⁴ und Experimentierlust des homo ludens bergen die Hoffnung auf eine
H. Rahner, Der spielende Mensch, 11f. Diese Anschauung vom Lachen als einem Ausdruck vollkommener Lebendigkeit, Harmonie und Musikalität trägt natürlich deutlich die Züge einer Urstandsphantasie oder Paradies-Fiktion (vgl. Köster, Wir können, 71). Einer der ersten Gelehrten, die auf die paradiesischen Anklänge des Lachens aufmerksam gemacht haben, war Wilhelm von Conches (vgl. Prütting, Homo ridens, 480ff./591f.). Vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 290. Die alttestamentliche Prophetie bestätigt die eschatologische Dimension von Spiel, Tanz und Musik (Jer 30,19; 31,4 und Sach 8,5) ebenso wie die neutestamentliche Apokalyptik (Offenbarung 21,2). Vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 290, Martin, Fest, 34, Cox, Das Fest, 209. Vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 290. Vgl. Maurer, Theologische Aspekte, 303 f. Maurer, Theologische Aspekte, 293. Vgl. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 30. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 19.
2.3 Göttliche Qualitäten
373
bessere Welt.²⁶⁵ Gerhard M. Martin hat im Rahmen einer messianischen Festtheorie, die den Dualismus von „kultisch und profan“ hinter sich lässt, erklärt, dass die Qualitäten des Sonntags „den Alltag wie ein Ferment durchsetzen“²⁶⁶ und die „festlichen Spiele“ wie Passageriten „Momente des Neuen“²⁶⁷ erschaffen können. Das Fest schließt die Affirmation des Seins und den gegenkulturellen Widerspruch zusammen.²⁶⁸ Die spielerische Befreiung vom „Zwang des gegenwärtigen Lebenssystems“²⁶⁹ verdankt sich dem Auferstehungsglauben, der die Angst vor dem Verhängnis der Sterblichkeit durchbricht. Er evoziert ein heiteres Lachen, in dem, wie bereits angedeutet, auch „die beglückende Erinnerung an den idealen paradiesischen Zustand vor dem Sündenfall aufscheint“²⁷⁰. Die „neue Schöpfung“ eröffnet das „freie Spiel der Gedanken, Worte, Bilder und Gesänge mit der Gnade Gottes“²⁷¹ und ermächtigt den Menschen zum „Mitspieler Gottes in der Weltgeschichte“.²⁷² Als eine Seinsweise des Lobs, der Freude und des Danks ist die Spiel-Existenz proleptisch auf die „zukünftige Welt“²⁷³ ausgerichtet.²⁷⁴ Im verheißenen Lachen klingen das „Wohlgefallen Gottes“²⁷⁵ an seiner Schöpfung (vgl. II.1.3) und das ewige Spiel der Weisheit an (Prov 8,30 f.).²⁷⁶ Es ist das ironische „Spiel der Gnade“, das auf die „eschatologische Überraschung“²⁷⁷ verweist, dass die Verlierer der
Auch Dietz Lange hebt den utopischen Zug der Spielphantasien hervor (vgl. Sprachschule für die Freiheit, 51 ff.). G. M. Martin, Fest, 48. Martin erinnert daran, dass altkirchliche Theologen wie Clemens von Alexandrien, Chrysostomos und Hieronymos in auffälligem Widerspruch zum Theologoumenon des irdischen Jammertals und auch im Gegensatz zu ihrer reservierten Haltung gegenüber dem Lachen und der Sinnlichkeit das Leben mit einem „langen Festtag“ (Fest, 50) verglichen haben. G. M. Martin, Fest, 71. Vgl. II.1.2. Vgl. G. M. Martin, Fest, 28/64. Auch Harvey Cox hat die Narrenfeste mit dem Element der Phantasie und der Sozialkritik in Verbindung gebracht (vgl. Das Fest, 13). Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 21. Prütting, Homo ridens, 592. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 33. Maurer, Theologische Aspekte, 290. Weil der Mensch die „Erfahrung des Gehaltenseins über der Tiefe“ gemacht hat, öffnet er sich zur „unbefangenen Freude“ (Maurer, Theologische Aspekte, 300) und souveränen Weltoffenheit. Maurer, Theologische Aspekte, 303. Vgl. auch Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 26. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 24. Friedemann Richert erklärt, die Logos-Lehre des Neuen Testaments habe die alttestamentliche Weisheit in sich aufgenommen. Daher verkörpere Christus das „göttliche Lachen“ (Kleine Geistesgeschichte, 77), das als „Ausdruck von Gottes schöpferischer Heiligkeit“ das „gute Sein“ (76) eröffnet. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 31.
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Profangeschichte die Sieger der Heilsgeschichte sein werden. Darum gilt es, im Sinne der Seligpreisungen mit den Weinenden zu lachen und mit den Lachenden zu weinen.²⁷⁸ Das eschatologische Lachen kann also nur gebrochen sein, es resultiert aus der Spannung von existenzialer Entfremdung und Sehnsucht nach dem versprochenen Heil.²⁷⁹ Andererseits spiegelt sich in der Leib-Seele-Einheit des beglückt-erstaunten Lachens die Versöhnung von „Himmel und Erde“, die Überwindung der Traurigkeit, der Triumph über „Tod und Hölle“²⁸⁰ als punktuelles Ereignis. Das Lachen hat damit, wie Luther im Rückgriff auf die Heilszeugnisse betonte, „proleptischen Charakter“²⁸¹. Es ist ein „Vorschein auf den Himmel“²⁸². Das vollendete Lachen bleibt dem Eschaton vorbehalten (Ps 126,2; Luk 6,21).²⁸³ „Strahlendes, jubelndes Lachen“, dessen Abglanz bei übermütigen Kindern und lebenslustigen Verliebten zu sehen ist, wird einmal Ausdruck von vollkommener Gesundheit und „überströmender Liebe“²⁸⁴ sein, weil Gott selbst der Ausgangspunkt dieses Lachens ist.²⁸⁵
Vgl. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 38. Vgl. Thiede, Das verheßene Lachen, 34. Denn der christliche Glaube bezieht gegenwartsbezogene und utopische Momente so aufeinander, dass Schmerz und Freude kontrastieren und der „Realismus der menschlichen Situation“ in Spannung gerät mit dem „Futur möglicher Transzendenz“ (G. M. Martin, Fest, 49). Kranz, Das göttliche Lachen, 36. Moltmann erinnert an die „Figur des Auferstehungstanzes“, die in der „christlichen Kunst“ etwa vom 6. Jht. an begegnet: Der „erhöhte Christus“ erweist sich als der „Vortänzer“ (Die ersten Freigelassenen, 41) im „Reigentanz der Erlösten“, die in der „trinitarischen Fülle Gottes“ zur „vollendeten Harmonie von Seele und Leib“ (40) gelangen. Das Motiv des tanzenden Christus begegnet in der antiken und mittelalterlichen Bibelauslegung und – illustration, „in der Mystik, in geistlicher Dichtung und geistlichem Lied“ (Martin Leutzsch, Der tanzende Christus, 111); seit der vorletzten Jahrhundertwende hat es im Zuge der „Erneuerungsund Transformationsbestrebungen von Religion“ (115) eine Neuauflage erfahren. Steiger, Das Lachen, 427. Thielicke hat diese eschatologische Grundbestimmung für seine Theologie des Humors übernommen (vgl. Das Lachen, 76). W. Schneider, In die Kirche, 61. Richert spekuliert, dass Paulus im „christlichen symposion“ (Kleine Geistesgeschichte, 72), in der fröhlichen „Mahl- und Lehrgemeinschaft“ (73) eine Vorwegnahme des „verheißenen Lachens“ (77) unter dem Vorzeichen der Gnade gesehen hat. Auch im alten Ägypten gab es diesen eschatologischen Horizont: Die Prophezeiungen des Neferti, die im Mittleren Reich entstanden, künden vom Lachen als Kennzeichen einer zukünftigen Welt, in der Ordnung und Friede wiederhergestellt sind (vgl. Schroer/Staubli, Weinen, 486). Kranz, Das göttliche Lachen, 69. Dantes Göttliche Komödie lässt trunken machendes Lachen im Paradies erschallen (Das Paradies, 21. Gesang, 4 ff.) und man hört bei den heiteren „Spielen und Gesängen“ der Engel „dort eine Schönheit lachen, die als Freude aus aller anderen Heiligen Augen strahlte“ (31. Gesang, 133 ff.). Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 44. Paul Gerhardt dichtete: „Wenn du mir wirst mit Lachen die Himmelstür aufmachen“ (Dichtungen und Schriften, 354) und greift damit auf eine
2.3 Göttliche Qualitäten
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Das theologische Fundament dieser eschatologischen Vision ist jedoch keineswegs gesichert. Das göttliche Prädikat der Erhabenheit suggeriert die „Dichotomie von göttlichem Ernst und teuflischem Lachen“²⁸⁶. Das Paradies, in dem die Gegenwart Gottes zur allein gültigen Wirklichkeit wird, würde damit nicht nur das Ende der Geschichte, sondern auch das Ende des Lachens bedeuten.²⁸⁷ Auch das Ideal monastischen Strebens, die Gottesschau, in der alles durchsichtig geworden ist, weil sich das Göttliche vollkommen im Menschen verwirklicht hat, läuft auf das „absolute Ende des Lachens“²⁸⁸ hinaus. Der Philosoph Christoph Türcke problematisiert die Überbietung der prophetischen Utopie durch den Ewigkeitsgedanken der christlichen Theologie. Die Perpetuierung „des höchsten Glücksaugenblicks“²⁸⁹ wäre gleichbedeutend mit seiner Paralysierung: Der lachende Jubel würde erstarren. Die Darstellung des Jüngsten Gerichts auf dem „Fürstenportal des Bamberger Doms“²⁹⁰ scheint der Antinomie des auf Dauer gestellten Lachens Ausdruck zu verleihen. Die schmerzverzerrten Gesichter der Verdammten ähneln den Gesichtern unbändig Lachender, die Züge der lachenden Erlösten erinnern an grinsende Fratzen.²⁹¹ Darüber hinaus ist mit Helmut Plessners und Alfred Sternes Theorien festzuhalten, dass das Lachen, sofern es auf einer Ambivalenz (Plessner) oder Wertedegradation (Sterne) beruht, prinzipiell nicht Ausdrucksorgan ungebrochener Freude sein kann.²⁹² Im Lachen der Befreiung, der Erlösung oder des Spotts zittert noch die überwundene Angst oder die verworfene Tyrannei nach. In der ungetrübten, vollkommenen Freude ist dagegen jenes Spannungsmoment suspendiert, das für das Lachen konstitutiv ist.
Anschauung zurück, die bereits bei Clemens von Alexandrien begegnet. Clemens verstand das „strahlende Lachen des auferstandenen Christus“ (Prütting, Homo ridens, 335) nicht nur als Überbietung des Lachens Isaaks, sondern als eine Seinsweise der Vollendung.Wenn jenes Lachen den Menschen nach seiner Auferstehung ganz erfüllt, dann ist seine Gottebenbildlichkeit wiederhergestellt. Diese leiblich-ästhetische Dimension des Osterereignisses hat die Theologie der Ostkirche geprägt (vgl. 335 f.). Busch, Verlorenes Lachen, 9. Vgl. Rehberg, Lachen, 32 und Busch,Verlorenes Lachen, 9. Das von der Prophetie verheißene Friedensreich Gottes beschreibt Renate Jurzik denn auch als ein „Paradies ohne Lachen“ (Der Stoff, 30). Bieber, Humor, 279. Odo Marquard hat die religiöse visio beatifica als die Konsequenz einer Kritik beschrieben, die nach der „höheren Bestimmung“ (Exile der Heiterkeit, 147) des „absoluten Wissens“ (146) strebt und mit dem Lachen auch die Kunst hinter sich lässt. Türcke, Götter lachen, 778. Türcke, Götter lachen, 778. Vgl. Türcke, Götter lachen, 778. Vgl. A. Stern, Philosophie, 84.
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Die eschatologische Qualifizierung des Lachens²⁹³ läuft also auf folgende Bestimmungen hinaus: Die Dynamik der Hin- und Herbewegung zwischen der begrenzten und versehrten Lebenswirklichkeit und der ins Unendliche ragenden Heilswirklichkeit kennzeichnet das Lachen als Phänomen der Interimszeit. Es trägt die sehnsüchtige Erinnerung und die utopische Erlösungsphantasie des Märchens in sich und vergegenwärtigt die poetische Finalität der Komödie als heilsgeschichtliches Telos. Mit anderen Worten: Das Lachen markiert die österliche Wende auf der subjektiven Ebene, es bricht dort hervor, wo das neue Sein rituell vergegenwärtigt oder biographisch erschlossen wird. In seiner unverfügbaren Eruptivität ähnelt es dem Wunder; es reflektiert das Wunder der Gnade Gottes, die sich je und je in der praxis pietatis neu ereignet und in den Daseinsvollzügen des Menschen Gestalt annimmt.²⁹⁴ Eine Existenz unter dem Vorzeichen der Gnade kann in den Kategorien einer ästhetischen Lebensform beschrieben werden. Das Evangelium ermächtigt zu einer Auflösung der auf Leistungsethos und perfektionistischem Ernst basierenden Normativität zugunsten der Leichtigkeit des Spiels, des Festes und des Tanzes. Es entgrenzt das Dasein auf die Dimension einer neuen Ästhetisierung und Rhythmisierung des Alltags hin, die einen Vorschein der eschatischen Vollendung gibt und doch rückgebunden bleibt an die erdhaften Tiefenschichten des In-der-Welt-Seins. Das Lachen vibriert genau auf jenem Spannungsfeld zwischen kreatürlicher Bedingtheit und zukunftsgerichteter Transzendenz. In einer theologischen Anthropologie kommt dem Lachen damit die Bedeutung eines leibseelischen Ausdrucksgeschehens zu, das die Affinität schöpfungstheologischer und eschatologischer Heilskomponenten sinnfällig macht. Damit kann nun auch abschließend das therapeutische Potential des Lachens angemessen gewürdigt werden.
Thiede reduziert das Lachen auf seinen eschatologischen Gehalt: Zwar hebt er nicht ganz zu Unrecht gegenüber Freuds und Plessners Betonung des Kontrollverlusts das Moment der glücklichen Selbstfindung hervor (vgl. Das verheißene Lachen, 31– 34), doch bekommt er aufgrund seiner apriori bibeltheologischen Definition des Lachens solche Eigenschaften des Lachens, die nicht eschatologisch darstellbar sind, nicht in den Blick. Daher ist Klaus Nagornis Aussage vollkommen zuzustimmen, dass uns im Lachen etwas begegnet, das „wir nicht machen können, sondern das uns ergreift“ (Himmlische Gaben, 174).
2.4 Der therapeutische Wert der verleiblichten Spiritualität
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2.4 Der therapeutische Wert der verleiblichten Spiritualität und des humoristischen Ethos vor dem Horizont ganzheitlicher Daseinsentfaltung Die theologische Erörterung der medizinisch-psychologischen Wirkungskomponenten des Lachens basiert auf der Grundüberzeugung, dass alles, was für das Wohlbefinden des Menschen wesentlich ist, was seiner leibseelischen Gesundheit zugute kommt, für die christliche Schöpfungstheologie, Soteriologie und Ethik ein relevanter Erkenntnisgegenstand ist, wenn anders das Offenbarungshandeln Gottes auf das Medium des Körpers angewiesen und das Heil des Menschen leiblich erfahrbar ist. Darüber hinaus fordern der Wellnesskult und Gesundheitsimperativ der Gegenwart die Theologie in besonderer Weise heraus, die körperreligiöse „Verschränkung von Gesundheit, Glück und Genuss“²⁹⁵ zu reflektieren und um ihre eigene diätetische Perspektive zu ergänzen. Der Wert des Lachens für die leib-seelische Balance des Menschen und die Gesundheit oder Intaktheit seiner mentalen Konstitution kann im Kontext anthroposophischer (vgl. I.1.3 und 3.5), kosmisch-religiöser oder mystisch-psychologischer Orientierungen ermittelt werden. So erkennt Branko Bokun das spirituelle Element im heiteren Lachen darin, dass es „Augenblicke des Einverständnisses mit uns und unserer Umgebung“²⁹⁶ schafft, die einer „Erleuchtung“²⁹⁷ gleichkommen. Über sich selbst lachen zu können, ermächtigt dazu, „die Kluft zwischen dem aufgeblähten Ego und dem wirklichen Ich“²⁹⁸ zu verringern, die für Bokun das Grundübel der Geisteskrankheiten darstellt. Sigmund Feuerabendt schreibt dem mystischen Lachen, das „den Lachenden mit dem Grund seines Lachens eins werden“²⁹⁹ lässt, Heilkraft zu. Es führt den Menschen „zum tiefsten Antrieb menschlicher Lust“ und zur heilsamen „Kraft der Mitte“.³⁰⁰ Hinter der „himmlischen Macht“³⁰¹ dieses Lachens „steht der souveräne Urwille der Natur, zur Ganzheit des Daseins aus Liebe zu gelangen“³⁰². So umschließt das Lachen „ewiges Sein“³⁰³ und verschafft der „Unzerstörbarkeit unseres
Gugutzer, Die Sakralisierung, 295. Vgl. auch Mohn, Körperkonzepte, 72. Bokun, Wer lacht, 133. Bokun, Wer lacht, 132. Bokun, Wer lacht, 194. Feuerabendt, Lachen heilt, 46. Feuerabendt, Lachen heilt, 180. Feuerabendt, Lachen heilt, 136. Feuerabendt, Lachen heilt, 138. Feuerabendt, Lachen heilt, 138.
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Wesens“³⁰⁴ Geltung. Ausschlaggebend für das Gelingen des Heilprozesses ist die Genese einer „neuen innerseelischen Machtsituation“³⁰⁵: Weil das Lachen das Leben bejaht, löst es das Regime des Schmerzes und des Wehklagens ab. Es schenkt die „Einsicht in die Notwendigkeit alles Geschehens“³⁰⁶ und ermöglicht „Versöhnung mit den Urkräften der Tiefe der Schöpfung und des Selbst“³⁰⁷. Darüber hinaus stiftet es „den heilsamen Frieden der Ähnlichkeit […] mit allen Geschöpfen“³⁰⁸, indem es die Zugehörigkeit mit dem Ur-Stamm und die Verbindung mit der „gesunden Zeit der frühesten Kindheit“³⁰⁹ wiederherstellt. Im Fluidum der komischen Inversion führt es „in die Tiefenseele, um dort Wunsch und Wirklichkeit“³¹⁰ eins werden zu lassen. Dabei bezeugt es die vollkommene Hingabe an den Augenblick:³¹¹ Paradoxerweise ermöglicht die Augenblicks-Erfahrung des Lachens sowohl ein „bewussteres Im-Körper-Sein“ als auch eine „Befreiung von aller Körperlichkeit.“³¹² Unverkennbar an der psychosomatischen Spiritualität Feuerabendts ist der Einfluss fernöstlicher Religiosität, die als ganzheitliches Orientierungsangebot und Heilkonzept populär geworden ist. Doch auch der Westen hat vom 19. Jahrhundert an weltanschauliche und quasireligiöse Körperkulte ausgebildet, von der
Feuerabendt, Lachen heilt, 139. Feuerabendt, Lachen heilt, 96. Feuerabendt, Lachen heilt, 104. Feuerabendt, Lachen heilt, 152. Feuerabendt, Lachen heilt, 179. Da das Lachen eng mit der Zunahme vorsprachlicher (sozialer) Intelligenz verknüpft ist, stellt es einen harmonischen tiefenseelischen Wertausgleich her (vgl. Feuerabendt, Lachen heilt, 107) und wird wie eine „universale Weltsprache“ (109) vom Unbewussten aufgenommen. Beim vajrasana, einer Yoga-Übung, schauen sich zwei Personen „in die Augen, fassen sich zärtlich an und beginnen zu lachen“ (198): So überwinden sie Hemmungen und lösen Heiterkeitsblockaden. Feuerabendt, Lachen heilt, 111. Feuerabendt, Lachen heilt, 149. Vgl. dazu die freudianische Lachtheorie in I.1.6. Vgl. Feuerabendt, Lachen heilt, 151. Feuerabendt, Lachen heilt, 177. In seinen eigenen Lachseminaren arbeitete Feuerabendt mit dem Ausrufen bestimmter Mantras, mit komischem Stegreiftheater und Tänzen, in denen das Lachen Gestalt annimmt (vgl. Lachen heilt, 182– 193). Beim Lach-Yoga konzentriert sich der Meditierende auf die „innere Empfindung“ und den „rein körperlichen Lachzustand“, wobei sich die „Loslösung von der Ich-binheit des Individuums“ (197) einstellen soll (vgl. I.1.6). Die Lachmeditationen zielen darauf, „den Ton in der Mitte des Brustbeins und Brustraumes schwingen und vibrieren zu lassen“ (197) und eine Tonvision zu gewinnen, die sich zur „Manifestation des absoluten Bewusstseins“, zum „Wort Gottes“ (198) verdichtet. Die Murmelmeditation und das mantra-japa können im Sinne einer Lachmeditation praktiziert werden (vgl. 197) und auch im Zusammenhang mit Entspannungs- und Dehnübungen kann ‚phonetisches‘ Lachen hervorgerufen werden. Die Atemübungen des Yoga erinnern an den qualitativen Wert der Lach-Atmung: Die Yogaphilosophie bezeichnet den Atem auch als „das unsterbliche Ich (atman)“ (201).
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Theosophie und Anthroposophie über die Freikörperkultur und den Vegetarismus bis hin zu Neobuddhismus, meditativen Psychotherapietechniken und esoterischen Makro- und Mikrokosmosvorstellungen.³¹³ Im Zuge der Individualisierungsprozesse des 20. Jahrhundert wandelten sich solche spirituellen Konzepte zu Versatzstücken subjektiv-synkretistischer Identitätskonstrukte, wobei „neuere religiöse Bewegungen und Diskurse“³¹⁴ zu einer Fokussierung auf Techniken umfassender Heilung tendieren. Pierre Bourdieu hat den Prozess der Religionspluralisierung daran festgemacht, dass „Dinge, die bislang […] der Ordnung der Seele zugerechnet wurden“, nun „als der Ordnung des Körpers zugehörig zu denken“³¹⁵ sind. „Heilung und Gesundheit“ müssen daher auf dem Konkurrenzfeld von Ärzten, kirchlichen Seelsorgern, Yoga-Lehrern und Psychologen neu definiert und „die Grenzen zwischen Wissenschaft und Religion, technischen und magischen Kuren“³¹⁶ überprüft werden. Die christliche Theologie kann sich diesen soziologischen Trends nicht gänzlich entziehen und sie ist durchaus aufnahmefähig für die Impulse einer spirituellen Tiefenpsychologie. Zum einen gilt es festzuhalten, dass die Revision der alttestamentlichen Reinheitsgebote (vgl. Mk 7,15) mit der inkarnationstheologischen Wertschätzung des Menschlich-Kreatürlichen zusammenfällt. Oder umgekehrt: Mit der Verabschiedung des „körperlichen Reinheitskodexes“³¹⁷ ist die negative Ontologie des Leibes im Prinzip überwunden und der religionsgeschichtliche Begründungszusammenhang der Askese obsolet geworden.³¹⁸ Nicht mehr das, was der Mensch konsumiert, was ihm von außen zukommt oder was er oberflächlich praktiziert, macht ihn unrein, sondern seine Beweggründe und Handlungsmotive, seine Gefühle und Gedanken.³¹⁹ Eine Dämonisierung des Lachens ist damit ausgeschlossen: Das Lachen kann zwar im Bunde mit dem Bösen sein, doch kann es ebenso einer gottgefälligen Gesinnung entspringen. Darüber hinaus bezeugen die Heilungsgeschichten des Neuen Testaments,³²⁰ dass die „Sorge um das körperliche Wohlergehen“³²¹ für die Evangelien wesentlich ist. Denn sie übernehmen nicht die für den Hellenismus typische „dualisti Vgl. Mohn, Körperkonzepte, 72. Mohn, Körperkonzepte, 72. Pierre Bourdieu, Die Auflösung des Religiösen, 234. Bourdieu, Die Auflösung, 235. Ammicht-Quinn, Körper, 325. Vgl. Ammicht-Quinn, Körper, 122. Vgl. Schnelle, Neutestamentliche Anthropologie, 16 und Ulrich Wilckens, Theologie des Neuen Testaments, Band 1, 298. Regina Ammicht-Quinn zählt im NT „30 Heilungsberichte, 11 Exorzismen und 5 Erweckungen“ (Körper, 125). Ammicht-Quinn, Körper, 125.
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sche Trennung von heilloser Welt und weltlosem Heil“³²², sondern knüpfen an das „alttestamentliche Menschen- und Krankheitsbild“³²³ an, das im semantischen Feld des schalom jene „Vorstellungen von Unversehrtheit, Ganzheit, Heilsein von Mensch und Welt“, m. a. W. jene „positiven Seinsqualitäten“³²⁴ ansiedelt, die sich in der Freude konkretisieren.³²⁵ Dieses Erlösungskonzept schließt, wie auch Hartwich betont, die „Dimension der Leiblichkeit“³²⁶ ein: Die Berührung durch den Nazarener bringt die Distanz zwischen „Heil und Welt“³²⁷ zum Verschwinden, die körperliche Dimension des Geistwirkens nimmt Gestalt an, die jesuanische Heilsverheißung wird leiblich erfahrbar.³²⁸ Als Unterpfand der Auferstehungshoffnung in einer verengten Welt,³²⁹ „Zeichen des Anbruchs der Königsherrschaft Gottes“ und „Anknüpfungspunkt für die Gottesbeziehung“³³⁰ deuten die „Heilungen, Dämonenaustreibungen und Totenerweckungen“³³¹ wiederum über die körperliche Regeneration hinaus auf einen Heilungsprozess, der alle Dimensionen des Daseins umgreift,³³² die existenzielle Zerrissenheit des Menschen ebenso wie seine „Liebes- und Gemeinschafts[un]fähigkeit“³³³.
Wolfgang Schrage, Kreuzestheologie und Ethik im Neuen Testament, 100. Frevel/Wischmeyer, Menschsein, 123. Stendebach, Wege, 118. Marc Tanenbaum hält fest, dass auch die „Rabbis des Talmud […] die wohltuende Wirkung des Humors und des Lachens“ (Der Humor, 377) schätzen. Hartwich, Die Harmonik, 243. Hartwich geht jedoch in flagranter Weise wieder hinter diese These zurück, wenn er feststellt, die Heilserfahrung erschließe sich nicht in dionysischer Ekstase oder „weltimmanenter Steigerung“, sondern in der Transzendenz bzw. in der „göttlichen Rechtfertigung“ (Die Harmonik, 243). So reißt er die Sphäre des Logos und den Erfahrungsraum des Leibes wieder auseinander. Ammicht-Quinn, Körper, 134. Vgl. Ammicht Quinn, Körper, 134 und Jürgen Moltmann, Der Geist des Lebens, 202. Vgl. Moltmann, Der Geist, 202 und Laubach, der Hoffnung, 44. Maier, Beziehungsweisen, 186. Schroer/Staubli, Die Körpersymbolik, 28. Vgl. Frevel/Wischmeyer, Menschsein, 123. Reinhard von Bendemann erkennt im Neuen Testament den Optimismus eines salutogenetischen Konzepts, das die Möglichkeit der Heilung im Osterglauben verankert (vgl. Heilige Krankheit?, 41– 43). Krankheit ist daher mehr als „Abwesenheit von Gesundheit, weil Heilung nicht weniger, sondern mehr ist als die Wiederherstellung von körperlichem Wohlsein“ (43). Allerdings warnt Rainer Fischer vor der „Idealisierung ganzheitlicher Gesundheit“ im Rahmen einer „holistischen Weltdeutung“ (Gesundheit zwischen Größenwahn der Ganzheitlichkeit und Glorifizierung der Gebrochenheit, 186). Zum einen sei das Gefälle hin zu einem funktionalen und totalitären Therapieverständnis problematisch. Aus theologischer Sicht müsse zudem die Tendenz zum Überspringen von Kontingenzen und zu einem Übergewicht der theologia gloriae gegenüber einer theologia crucis kritisiert werden (vgl. 192 f.). Die radikale Gegenposition zu einer solchen Theologie hat bekanntlich Kierkegaard vertreten, der dem Humor unterstellte, dass er Leiden und Schuld nivelliere, weil er sie in der Abstraktion des
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Diese ganzheitliche Dynamik³³⁴ ist z. B. in der Bedeutung präsent, die Schuldbekenntnis und Vergebung für den Vorgang der Heilung erlangen.³³⁵ Das Lachen kann ein Reflex auf die Heilungserfahrung sein oder sogar der Modus jener Erfahrung, wenn es denn kraft seiner immanenten Vitalität Hypotheken und Verknotungen von Leib und Seele auflöst.³³⁶ Auf der anderen Seite bleiben das Lachen und die Heilung unverfügbare Ereignisse: Offenbarungstheologisch
Gottesverhältnisses aufhebt (vgl. Philosophische Brosamen, 698 f. und 718 f.) und im konkreten Scherz widerruft. Selbst der reife Humor verharrt im Modus der Immanenz und sucht „Tragik und Komik“ (Bongardt, Der Humor, 90) kraft seines eigenen ästhetischen Vermögens ins Gleichgewicht zu bringen. Anders als der Humorist stellt sich der von Kierkegaard konzipierte religiöse Mensch ungeschützt dem „tragischen Ernst“ (Tiede, Das verheißene Lachen, 85) der Entfremdung, die erst durch den Glauben an Christus für ihn erträglich wird. Die Freude der Erlösung schließt zwar die Freiheit zur komischen Betrachtung ein und ist ihr doch strukturell wesensfremd (vgl. Hübner, Glaube, 33). Michael Bongardt hat zu Recht angemerkt, dass der Glaube seinerseits eine humoristische Haltung begründen kann und somit nicht im Sinne Kierkegaards als Überwindung des Humors verstanden werden muss (vgl. Der Humor, 91 f.). Schrage, Kreuzestheologie, 100. Auch wenn die christliche Lehrbildung in der Spätantike und im Mittelalter nicht mehr dem hebräischen, sondern dem griechischen Paradigma folgte, lassen sich Rezeptionsspuren des ganzheitlichen Denkens und der neutamentlichen Heilsbotschaft im kirchlich-monastischen Traditionsraum weiterverfolgen: So hat beispielsweise für Hildegard von Bingen der „heile Körper“ (Schroer/Staubli, Die Körpersymbolik, 8) einen besonderen Stellenwert gehabt. Vor allem im Spätmittelalter wertete die „christliche Frömmigkeit“ (Munz, Hammelbeine, 128) den Körper als spirituelles Medium auf. Regine Munz verweist auf Körperriten einer „ekstatischen Spiritualität“ (129), kraft derer die „heiligen Frauen des Mittelalters“ (130) die Trennung von „Geist und Körper, Mann und Frau, Selbst und Materie“ (128) aufhoben. Sie scheuten sich nicht vor der Berührung von Kranken, setzten sich den „Ausscheidungen fremder Körper“ (129) aus und fügten ihrer eigenen Haut Verletzungen zu: So integrierten sie „das vormals Ausgegrenzte, Stigmatisierte, Unreine“ (130) und verliehen der Idee der „christlichen Nächstenliebe“ (129) eine körpersymbolische Gestalt. Munz erkennt in jener unreglementierten, grenzüberschreitenden Körperlichkeit ein Abbild der „Menschwerdung als Grenzüberschreitung Gottes“: Die „Wiedereinkörperung der körperlichen Erfahrung“ (131) in die Frömmigkeitspraxis bezeichnet sie als (re)inkarnatorisch. Unter deutlich verschobenem Vorzeichen hat das Bibliodrama schließlich den körperorientierten Selbsterfahrungs- und Therapieansatz, der Jakob Levy Morenos Psychodramakonzeption zugrunde liegt, in seine Ästhetik der Vergegenwärtigung integriert (vgl. Ulrike Wagener, Begegnung in Körper und Sprache, 203). Die theologische Grundlage für die Interferenzen von „körperlichem Erleben“ und „sprachlichem Ausdruck“ ist auch in der psychodramatischen Inszenierung die „Inkarnation des Wortes“ (204). Vgl. Moltmann, Der Geist, 204. Stefan Herok hat in einem interessanten Unterrichtskonzept das Lachen und die Heilungen Jesu miteinander in Beziehung gesetzt (vgl. Frohe Botschaft, ernst genommen, 267– 271).
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können sie als Elemente des Wunders von „Schöpfung und Neuschöpfung“³³⁷ begriffen werden. In unserem Zusammenhang muss es darum gehen, im Rahmen einer pneumatologischen Deutung von Heiligungsprozessen und spirituellen Entwicklungsräumen die Potentiale des Lachens für das Ganz-Sein des Menschen auszuloten. So hat Jürgen Moltmann das „Leben aus dem Geist“ mit einer „neuen Spontaneität des Lebens“ in Beziehung gesetzt, die dem Körper abseits „moralischer Selbstbeherrschung“³³⁸ sein vitales Recht verleiht und das Dasein heiligt. Ganzheitliche Spiritualität setzt er mit einer „neuen Vitalität“ in eins, mit der „Lebenslust in der Freude Gottes“ und der „Leidenschaft zum Leben“³³⁹. Wenn Moltmann das Ergebnis der Heiligung in dem Satz zusammenfasst „Die Person selbst beginnt zu leuchten“³⁴⁰, dann kann das Lachen als eine Chiffre dieses Leuchtens begriffen werden, das in der Röte des Gesichts und dem Funkeln der Augen sinnfällig wird. Auch im Bild vom Geist als überströmender ‚Quelle des Lebens‘ (Joh 4,14; Ps 36,10) ist die überbordende Vitalität des Lachens angemessen erfasst. Wenn es stimmt, dass sich der Mensch selbst erfährt „in den Schwingungen des göttlichen Kraftfeldes“, dann wäre das Lachen als eine solche Schwingung näher zu bestimmen, in der sich die „vitalisierende Energie“³⁴¹ des Geistes auf den Menschen überträgt. Die „Charismen des Geistes“ als Bedingungsgrund unserer „Lebensmöglichkeiten“³⁴² haben ihren Ausgangspunkt im Osterjubel und der Pfingstfreude, die den Lebensängsten und der Todesfurcht des Menschen ihre Macht rauben. Das Lachen kann die psychosomatische Explosion oder Verdichtung dieser Transzendenzerfahrung sein und wäre als solche ein pneumatisches Ereignis, das neue Lebensräume eröffnet. Die Kohärenzen von Lachen, Sinnenfreude und seelischer Gesundheit sind schon Martin Luther geläufig gewesen, der in den Tischreden verlautete: „Ich sollt fröhlich sein […], dass ich fur Freuden ganz fröhlich und gesund werden und nicht könnt weder traurig noch krank werden“³⁴³. Luther schätzte die heitere Geselligkeit mit „Gesang und Saitenspiel im häuslichen Kreis“³⁴⁴ und empfahl Essen, Schrage, Kreuzestheologie, 102. Vgl. auch Nagorni (Himmlische Gaben, 176), der auf den Aspekt der Rekreation abhebt. Moltmann, Der Geist, 187. Moltmann, Der Geist, 192 f. Friedemann Richert hat die christliche Eutrapelia mit einem Heilwerden in Verbindung gebracht, dass die „leiblich-körperliche und die geistig-seelische Seinsweise des Menschen“ (Kleine Geistesgeschichte, 108) umfasst. Moltmann, Der Geist, 187. Moltmann, Der Geist, 208. Moltmann, Der Geist, 202. Martin Luther, WATr 2, 229. Birgit Stolt, Humor als Ethos-Faktor in Martin Luthers Schrifttum, 291.
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Trinken, gute Gesellschaft und sogar den „Gedanken an Mädchen“³⁴⁵ zur Vertreibung der Traurigkeit. Darüber hinaus erkannte er in der humoristischen Demaskierung des Teufels und der ironischen Selbstrelativierung des Glaubenden eine theologische Tugend und das wesentliche Mittel zur Überwindung der Melancholie und anderer diabolischer Anfechtungen (vgl. II.2.2).³⁴⁶ Die frohe Heilsgewissheit trotzt den Schrecken des Lebens,³⁴⁷ die lachende Entmachtung der Dämonen³⁴⁸ begünstigt den „Frohsinn echter Gotteskindschaft“³⁴⁹. Die theologischen Annäherungen an die Verwandtschaftsbeziehungen von Glaube und Humor,³⁵⁰ die im 20. Jahrhundert unternommen wurden, folgten der Weichenstellung Luthers. Jürgen Peter Albert hat festgehalten, dass erst die rechtfertigungstheologische Ethik den Humor mit jener soteriologischen Potenz ausstatte, das Leiden ins Dasein zu integrieren.³⁵¹ Werner Thiede spricht vom Trotzdem-Lachen des Humors, der die Widrigkeiten des Lebens in ihrem Ernst relativiert und auf diese Weise ihre geistige Bewältigung ermöglicht.³⁵² So beteiligt sich der Humor, wie Gabriela Köster resümiert, an einer Gewichtsverminderung
Birgit Stolt, Humor in Martin Luthers Schrifttum, 24. Das Zitat ist eine Übersetzung Stolts aus einem in lateinischer Sprache verfassten Ratschlag Luthers (WATr 1, [122], 49 f.). Vgl. dazu Steiger, Das Lachen, 414– 421, Schörle, Die Verhöflichung, 104, Thiede, Das verheißene Lachen, 120 – 123, Elert, Das Lachen, 187 und II.2.2. Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 121 ff. Vgl. Heidemarie Huber, Humor und Provokation in der Psychotherapie, 57. Luthers antidämonisches Lachen hat Farrellys Provokativer Therapie einen starken Impuls gegeben (vgl. Huber, Humor, 57 und I.1.6). Elert, Das Lachen, 187. Zu Luthers seelsorgerlichem Humor vgl. Birgit Stolt, Humor in Martin Luthers Schrifttum, 167– 171. Für das humorvolle Lachen über sich selbst und „seine eigene Unzulänglichkeit“ (Hirsch, Der Witzableiter, 259) war die christliche Theologie, die es als Zeichen der Demut anerkennen konnte, aufnahmefähiger als für das bissige Lachen über andere, das z. B. der Witz evoziert. Vgl. II.3.1. Vgl. Jürgen Peter Albert, Humor als Autonomie und als Christonomie, 175 – 180. So hat das auch Hans von Campenhausen gesehen (vgl. Christentum, 326). Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 52– 56. Thiede macht demgegenüber Typen des Humors namhaft, die nicht diese existenziell befreiende Qualität haben. So steht der autonome „timide Humor“ (Das verheißene Lachen, 70) für die Flucht des säkularen Menschen in das DeshalbLachen der Komik (vgl. 70 – 81). Dem „dialektischen Humor“ (81) fehlt dagegen die theologische Begründung (vgl. 81– 92). Die Fragwürdigkeit solcher ontologischen Identifikation von Defizienzformen wird auch daran deutlich, dass Thiede im Alten Testament nur Spuren von Spielarten des „transzendentalen Humors“ (56) ausmacht, denen keine soteriologische Herkunft eigne. So reklamiert er den wahren Humor als ein exklusiv christliches Ethos statt in der wunderbaren Vielfalt humoristischer Bewusstseinsformen und Ausdrucksgestalten nach Anknüpfungspunkten für eine theologische Ästhetik des Humors zu suchen.
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der Daseinshypotheken.³⁵³ Er schafft, so Pierre Bühler, eine Distanz, die dazu verhilft nicht zu verzweifeln.³⁵⁴ Auf dieser Linie wertet Stefanie Wolff das Lachen als remedium, das dem Menschen dazu verhilft, die Balance zwischen der Anerkennung der Unausweichlichkeit des Todes und der Relativierung seines Schreckens zu finden.³⁵⁵ Indem es dem Sachverhalt der unüberwindlichen Grenze eine Grenzüberschreitung entgegensetzt, bringt es die „menschliche Bedürfnislage“³⁵⁶ zur Geltung. Das Lachen erweist sich damit abermals als Bundesgenosse der Auferweckung Christi: So wie die Auferstehung jedweden Tun-Ergehen-Zusammenhang in Frage stellt und Konventionen und Sachzwänge als Konstrukte entlarvt,³⁵⁷ bricht das Lachen Resignation und tragische Zwangsläufigkeit auf.³⁵⁸ Der religiös fundierte Humor, der jedes menschliche Maß überschreitet, ermächtigt dazu, selbst tödliche Verhängnisse auf Distanz zu bringen.³⁵⁹ Als grundlegend für den christlichen Humor kann zweifellos die neue Identität des Christen gelten,³⁶⁰ die Gewissheit, „das wahre Selbst in Christus endgültig gefunden zu haben“³⁶¹. Die humorvolle Selbstbetrachtung des Glaubenden beruht auf der Unterscheidung von Person und Eigenschaften.³⁶² Das Evangelium ermöglicht das selbstkritisch-therapeutische Lachen des reflexiven Ichs, das seine Identität als innerer Mensch der Identität des äußeren Menschen gegenüberstellt.³⁶³ In dieser Freiheit des Lachens verwandelt sich der Mensch in eine neue
Vgl. Köster, Humor, 187 f. Zu Facetten christlichen Humors vgl. auch Alfons Riedl, Ethik und Humor, 33 – 36. Vgl. Pierre Bühler, Humor als Alltagsweisheit, 287. Der christliche Humor erwächst, so der Jesuit Johannes Lotz, als eine Tugend daraus, dass sich das „Schwergewicht unseres Lebens aus dem Vorletzten in das Letzte“ (Lachen, 75) verlagert. Das schließt aber nicht nur die „Freiheit vom Vorletzten“ (75) ein, sondern auch die „Transparenz des Letzten im Vorletzten“ (76). Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 328 ff. Die therapeutische Funktion des spirituellen, jenseitsorientierten Lachens bei der Melancholiebekämpfung erkannten auch liberale Theologen der frühen Neuzeit wie Franz von Sales bereits an (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 102– 109). S. Wolff, Todesverlachen, 330. Vgl. Köster, Wir können, 239 f. Vgl. Cox, Das Fest, 195/199. René Voeltzel erklärt, die Ironie bewahre den Menschen vor dem Zynismus, halte seine existenzielle Unruhe wach und die Hoffnung auf eine von allen Daseinsaporien befreite Zukunft offen (vgl. Das Lachen, 111 ff.). Vgl. Claudia M. Wulf, Humor und Dankbarkeit, 353 f. und Lotz, Lachen, 28 ff. Lotz verankert die Überlegenheit, die dem Menschen im Humor zuwächst, in der „demütig ergebenen Anerkennung des Wirklichen“ (Lachen, 60). Vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 95. Thiede, Das verheißene Lachen, 104. Thielicke formuliert, der lachende Mensch finde aus der Entstellung zu seiner Identität zurück (vgl. Das Lachen, 69). Vgl. François Vouga, „Gott existiert, aber er lebt …“, 135. Vgl. Vouga, Gott, 142 f.
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Schöpfung³⁶⁴ und gewinnt einen Humor, der von der Ewigkeit her, und das heißt, von der Relativierung und Umwertung aller Werte bestimmt ist.³⁶⁵ So hat Karl Barth den Humor in der theologischen Wahrheit verortet, dass dem Menschen von Gott eine unverwüstliche Ehre verliehen worden ist, die er sich nicht mehr erarbeiten muss.³⁶⁶ Werner Lauer erklärt, dass der Mensch deswegen zur humorvollen Relativierung seiner Sünde ermächtigt sei, weil er sich vor Gott als „begnadeter Sünder“³⁶⁷ begreifen dürfe und Helmut Thielicke postuliert, der Humor, der im Bündnis mit dem „Kerygma der Weltüberwindung“³⁶⁸ steht, verhelfe den Schwachen und Unterlegenen dazu, über den eigenen Anblick zu lachen.³⁶⁹ Die Fähigkeit zur ironischen Selbstdistanzierung³⁷⁰ setzt einen metaphysischen Bezugsrahmen voraus.³⁷¹ Die im Medium des humorvoll-gläubigen Lachens sich ereignende Selbsttranszendierung entspricht der für Viktor Frankls Therapiekonzept konstitutiven Grenzüberschreitung des komischen Perspektivwechsels, dem der Humor als Übersinn des Daseins zugrunde liegt.³⁷² Da die humoristische Haltung jedoch, wie J. P. Albert expliziert, nur geschichtlich als je und je und unverfügbar sich manifestierende Bewusstseinsgestalt der Gnade existiert, ist sie keinem psychologischen Leistungsdruck unterworfen, sondern von der zugleich reaktiven und extrovertierten Freude des Begnadeten erfüllt.³⁷³ Wenn Glaube bedeutet, dass sich der Mensch jener Gnade anvertraut und in Gottes Hand fallen lässt, dann spiegelt sich diese Haltung in der Hingabe an das Lachen, das gleichermaßen den „Verzicht auf die unbedingte
Vgl. Vouga, Gott, 145. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 81. Vgl. Karl Barth, Kirchliche Dogmatik (III,4), 765. Das Lachen über sich selbst entspringt bei Barth dem Kontrast zwischen jener Ehre und dem nackten Sosein des Menschen. Werner Lauer, Humor als Ethos, 318. Thielicke, Das Lachen, 73. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 76. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 66. Das selbstironische Lachen, dem ein starkes Selbstbewusstsein vorausliegt, hat speziell der jüdische Witz kultiviert (vgl. Hirsch, Der Witzableiter, 260 ff. und BenGershôm, Der Esel, 100 – 112). Dass die in der jüdischen Kultur begegnende Selbstironie seit Freuds Bestimmungen meist biologistisch oder essentialistisch missverstanden wurde, hat Dan Ben-Amos (Der Mythos vom jüdischen Humor, 101– 116) kritisch beleuchtet. Das hat neben Viktor Frankl auch Nicolai Hartmann in seiner Ästhetik (1953) herausgestellt (vgl. Thiede, Das verheißene Lachen, 54). Zum Humor als Haltung und Tugend vgl. auch C. M. Wulf, Humor, 353 – 356. Peter Bukowski hat humortherapeutische Verfahren wie das reframing in seine Seelsorgepraxis integriert und das Konzept eines ‚Inneren Teams‘ entwickelt, in dem verschiedene Personen jeweils eine bestimmte Form der komischen Intervention repräsentieren (vgl. Humor in der Seelsorge, 45 – 61). Vgl. Albert, Humor, 195 f.
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Verfügungsgestalt über sich selbst“³⁷⁴ einschließt. Im Lachen vergegenwärtigt der Mensch die Wahrheit des Evangeliums, dass erst der Verlust von Kontrolle, Besitz und Macht das Glück des Augenblicks und eine erfüllte Gegenwart gewährt (Mt 16,25).³⁷⁵ Der Humor, der in den Worten und Zeichenhandlungen Jesu von Nazareth zum Vorschein kommt, scheint genau mit jener Gelöstheit und Leichtigkeit des von jeglichen gesetzlichen Bewährungsauflagen befreiten Menschen übereinzustimmen.³⁷⁶ Peter Bloch hat ihn „als Ausdruck von Gelassenheit, Gottvertrauen und liebevollem Verstehen, aber auch als Mittel im Kampf gegen Heuchelei und Unbarmherzigkeit“³⁷⁷ verstanden und besonders die Auflösung von Unbedingtheitsansprüchen und moralischem Purismus im Gelächter, den spielerisch-heiteren Umgang mit Gottes Geboten zugunsten ihrer Lebensdienlichkeit hervorgehoben.³⁷⁸ Pierre Bühler definiert den Humor als Essenz einer Ethik des Alltags: Denn er ermöglicht die Distanz, um die „Einförmigkeit“³⁷⁹ der Alltagsgeschäfte und den „Determinismus der Sorge“³⁸⁰ zu brechen, oder, wie Thielicke meint, sich von „falschen Autoritäten“³⁸¹ und ungesunden Strukturen zu emanzipieren. Gisela Matthiae betont, dass der Glaube und der Humor das Diktat der Endgültigkeit und Alternativlosigkeit in der Weise durchbrechen, dass sie einen Überschuss an Bedeutung und Sinn erzeugen und eine Vielfalt von Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten eröffnen.³⁸² Die Menschwerdung Gottes in allen ihren Facetten erweist sich in diesem Zusammenhang als eine wichtige Kategorie des christlichen Humorverständnis-
Prütting, Homo ridens, 1936. Der praktische Theologe Christoph Barnbrock hat in einer aktuellen Veröffentlichung eingeräumt, dass das Lachen im Medium einer mystischen Ektase in die Wirklichkeit Gottes führen könne (Humor in den Feldern der praktischen Theologie, 99 f.). In diesen Sinnzusammenhang mag man auch einordnen, was Bultmann über den christlichen Humor gesagt hat, dass jener nämlich nicht zu verstehen sei ohne die „Erfahrung des Scheiterns“, die recht eigentlich der Bedingungsgrund für den Verzicht des Menschen auf seine Eigenmächtigkeit und somit auch für die Entlastung von „angstvoller Sorge“ (Das Christentum als orientalische und als abendländische Religion, 209) und die Freiheit zur Liebe sei. Vgl. Dietrich Paulsen, Das Ironische in Jesu Stellung und Rede, 261– 273. Bloch, Gottes Lachen, 189. Der katholische Theologe Hanjo Sauer fordert in diesem Sinne „eine Zärtlichkeit im Umgang mit Welt und Wirklichkeit, die als Gegenkraft auftritt zu jener alles in ihren Griff zu bringen sich anschickenden Gewaltsamkeit, die in Formalismus und Legalismus […] Witz, Freude, Ironie und Phantasie als illegale Spießgesellen verdächtigt und sie aus dem Bezirk des Heiligen ausweist“ (Von der Humor(un)fähigkeit der Theologie, 14 f.). Bühler, Humor, 278. Bühler, Humor, 285. Thielicke, Das Lachen, 34. Vgl. Matthiae, Wo der Glaube, 211.
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ses. Denn indem sich der Humor mit der unvollkommenen Welt und den gebrochenen Menschen solidarisiert und eine Diktatur der Prinzipien verhindert, stellt er eine „kleine Abschattung des großen göttlichen Handelns dar“³⁸³. Günther Brakelmann bezeichnet ihn als Anwalt des Komparativs und Kompromisses, des Humanismus zwischen zynischer Resignation und brutalem Perfektionismus.³⁸⁴ Heinrich Schmidinger hat in Anlehnung an Montaigne die Koinzidenz der Antinomien als wesentliches Kennzeichen des Humanen herausgestellt.³⁸⁵ Der Humor, der noch im Unscheinbaren und Uneigentlichen das Menschliche erkennt und schätzt, bildet daher die Grundsubstanz des christlichen Ethos.³⁸⁶ Er lehrt eine heilsame Demut, weil er das Bewusstsein von der „Endlichkeit des Lebens“³⁸⁷ und der Begrenztheit des Erkenntnisvermögens sowie der moralischen Leistungskraft vermittelt. Hans Gleixner beruft sich in diesem Zusammenhang auf Philipp Lerschs Begriff von der „Weltdurchstimmtheit“³⁸⁸ des Humors, der dem Menschen dazu verhilft, seine „Grenzen und Mängel“³⁸⁹ zu akzeptieren. Die theologische Konjunktur des Humors als ethisch-ästhetisches Komplement des Glaubens hat in verschiedenen Konfessionen ihren Niederschlag gefunden.³⁹⁰ Auch die tiefenpsychologische und psychoanalytische Wiederentdeckung der Kindheit fand in der theologischen Humorbetrachtung Resonanz. So deutet Werner Lauer den Humor als eine Synthese der Weisheit des Erwachsenen und der Torheit des Kindes, oder, m. a.W., der realistischen, gereiften Einsicht und
Günter Brakelmann, Glaube und Humor, 224. Im Traktat vom Steppenwolf rühmt der Held von Hermann Hesses Roman den Humor als die größte „Leistung des Menschentums […] Herrliche Erfindung der in ihrer Berufung zum Größten Gehemmten, der beinahe Tragischen, der höchstbegabten Unglücklichen“ und Verwirklichungsform der „hohen Lebensweisheit“, „in der Welt zu leben, als sei es nicht die Welt“ (Hermann Hesse, Der Steppenwolf, 62). Dabei spielt der Steppenwolf offensichtlich auf 1 Kor 7,29 – 31 an (vgl. Kuschel, Lachen, 161). Vgl. Brakelmann, Glaube, 225 – 225. Vgl. Heinrich Schmidinger, Demut – Humor – Toleranz, 11 f. Dieser heiter-gelassene Humor, der im Großen das Kleine sieht und umgekehrt, ist auch der Humor Wilhelm Raabes und Ernst Reuters gewesen (vgl. Thielicke, Das Lachen, 71). Köster, Wir können, 212. Philipp Lersch, Aufbau der Person, 301. Hans Gleixner, Humor – eine Erscheinung der Religion, 188. Auf einer von der Karl-Rahner-Akademie 2002 ins Leben gerufenen Veranstaltung in Köln beschwor der katholische Pastoraltheologe Gottfried Bachl die spirituelle Kraft des Lachens, das der Akzeptanz mit den Brüchen, der Vorläufigkeit des Lebens und paradoxen Unwichtigkeit des Identitätsstrebens Ausdruck verleihe (vgl. Merziger, Das Lachen der Frauen im Gespräch, 31). Der Stuttgarter Hospitalhof, ein evangelisches Fortbildungszentrum, hat 2002 einen Kongress zum Therapeutischen Humor angeboten und das Haus Gutenberg, eine „kirchliche Bildungsstätte“ in Liechtenstein organisiert sogar „einjährige Fortbildungen“ (Titze, Die heilende Kraft, 297) zum Thema.
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des trotzigen, natürlichen Selbstbehauptungsdrangs.³⁹¹ Die von Jesus von Nazareth überlieferten Worte: „Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ (Mk 10,13ff.) wären in einer Theologie des Lachens daraufhin zu ergründen, inwiefern die Rückkehr des lachenden Ichs zum Quellgrund der Kindheit, auf das regressive Niveau kreatürlicher Lust und ungehemmter Vitalität der Haltung des Glaubens spiegelbildlich entspricht.³⁹² Die Heilkraft des Reiches Gottes, die sich dem Glaubenden vermittelt, könnte in eben jenem Impuls affektiver Selbstbehauptung gegen die systemischen Zwänge der Realität bestehen, m. a. W., in jenem Aufbegehren einer weltoffenen unregulierbaren Daseinsfreude, die im Horizont des Glaubens als Akt der pneumatischen Erneuerung des Selbst und der Ausbildung eines normenkritischen Möglichkeitssinns gedeutet werden kann. Der fälschlicherweise Luther zugeschriebene Aphorismus ‚Und wüsste ich, dass morgen die Welt unterginge: Ich würde heute ein Apfelbäumchen pflanzen‘ deutet diesen Möglichkeitssinn des Glaubens an, der auf einem schöpfungstheologischen Optimismus beruht³⁹³ und eine radikale Gegenwartsorientierung fordert. Der heitere Sinn dieser Gegenwartsmaxime hebt das Hadern mit einer schambesetzten Vergangenheit und das Verzagen angesichts einer sich verdunkelnden Zukunft auf.³⁹⁴ Eine theologische Deutung des Lachens wird zudem den Stellenwert des Lachens für die Überwindung der Angst reflektieren (vgl. I.1.4– 6/II.2.2). Wenn das Lachen als Vollzugsmedium des österlichen Triumphs verstanden wird, wenn es die Fixierung auf die zunehmende Verengung der Lebensbahn aufbricht und das Dasein zur Dimension der Ewigkeit hin öffnet, dann schlägt sich diese soteriomorphe Qualität in einer Befreiung des menschlichen Geistes von existenziellen Ängsten nieder. Die therapeutische Wirkung des Lachens kann weiterhin aus einer religiösen Dimension des Spiels abgeleitet werden. Im Spiel wie im Humor verdichtet sich, so Helmut Thielicke, die Fähigkeit des Menschen zur Selbsttranszendenz, der
Vgl. Lauer, Humor, 227 ff. Vgl. zum unschuldigen Lachen der Kinder in Anschluss an Mk 10,13 ff. auch Hübner, Glaube, 338. Michael Titze hat am ästhetischen Beispiel der Verwandlung Pinocchios die Rückkehr in die Sphäre lebendigen Kindseins als elementar für die Heilung von Schamerkrankungen beschrieben (vgl. Die heilende Kraft, 240 f./322): Pinocchio und der Docht erleben, wie sich die Beschämung über die Symptome des Eselsfiebers im Moment der Enthüllung im ausgelassenen Gelächter auflöst. Vg. Titze, Die heilende Kraft, 319. Der von der Positiven Psychologie Abraham H. Maslows beeinflusste Oskar Lockowandt (Mach ein Fest aus deinem Leben, 1984) hat das Prinzip einer heiteren mystisch-kontemplativen Lebensorientierung in diesem Sinne an ein affirmatives Weltverhältnis geknüpft. Vgl. Titze, Die heilende Kraft, 319.
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Mensch nimmt eine ästhetische Distanz zu sich selbst ein und gewinnt eine ursprüngliche Gelöstheit zurück.³⁹⁵ Anders gesagt: Der Humor ermöglicht einen spielerischen Umgang mit den „Irrungen und Wirrungen“³⁹⁶ des Lebens und den Zumutungen des Tragischen. So erweist er sich als genuiner Ausdruck der „Freiheit von Geborgenen“³⁹⁷. In Anlehnung an Henning Luther hat Gabriela Köster die Flüchtigkeit der ästhetischen Erfahrung als Gegengewicht zur unerträglichen Schwere und Herrlichkeit Gottes begriffen.³⁹⁸ Der Humor balanciert das Ungleichgewicht zwischen der Einheit Gottes und der Fragmentarität des Menschen lustvoll aus: Denn er löst das quälende Entweder-Oder-Schema und damit auch das Stigma der absoluten Verfallenheit an die Sünde auf,³⁹⁹ indem er die Ambivalenz des simul iustus et peccator zur Geltung bringt und Luthers Rat an Melanchthon, er möge ‚tapfer sündigen, doch noch tapferer glauben’ beherzigt.⁴⁰⁰ So partizipiert er an der Gottebenbildlichkeit und der Rechtfertigung und verleiht dem Menschen Schönheit und Leichtigkeit.⁴⁰¹ Damit erweist sich das Lachen zuletzt als aufnahmefähig für eine Theologie des Glücks.⁴⁰² Neuere Entwürfe von Michael Roth⁴⁰³ oder Jörg Lauster⁴⁰⁴ haben das Moment der Unverfügbarkeit und Plötzlichkeit des Augenblickglücks betont und das Lachen – so lässt sich nun ergänzen – scheint geradezu ein Widerhall
Vgl. Thielicke, Das Lachen, 76/79 f. Thielicke, Das Lachen, 91. Thielicke, Das Lachen, 76. Vgl. Köster, Wir können, 187. Im Anschluss an Odo Marquards Gedanken, dass der Mensch sich stets aufs Neue vom Absoluten entlasten müsse, hat auch der Mediävist Klaus Ridder die Erfahrung des Komischen als heilsamen Gegenpol ins Gespräch gebracht (vgl. Erlösendes Lachen, 195). Der praktische Theologe Harald Schroeter-Wittke plädiert in diesem Sinne für eine „tanzende Theologie des Wortes“ zugunsten der „Leichtigkeit des Seins“ (6 Auftakte, 18) und der postmodernen Entlastung von Erlösungssehnsüchten. Vgl. Köster, Wir können, 201 f. Vgl. Martin Luther, WABr 2, Nr. 424, 372 („et pecca fortiter, sed fortius fide“). Vgl. Köster, Wir können, 226 f. Studien über afrikanische Völker haben laut Werner Thiede gezeigt, dass eine Vorstellung vom Glück, die auf den letztgültigen Maßstab des Heils als Freiheit von Schmerz und Kummer Bezug nimmt, stärker mit der Ausdrucksform des Lachens korreliert als moderne Auffassungen vom Glück (vgl. Das verheißene Lachen, 20). Vgl. auch S. Wolff, Todesverlachen, 87. Thiede aber gelingt es nicht, Transzendenz und Immanenz in einem Konzept des Glücks miteinander in Beziehung zu setzen und auch das Lachen innerhalb dieser Relation näher zu bestimmen. Vgl. Michael Roth, Zum Glück, Glaube und gelingendes Leben, 2011. Vgl. Jörg Lauster, Gott und das Glück, 2004.
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solcher Erfahrung des Unendlichen im Endlichen zu sein.⁴⁰⁵ Wenn „das glückliche Leben nie anders präsent ist als in dem einzelnen situativen Glück“⁴⁰⁶, dann kommt dem Lachen die Bedeutung zu, jene „Heiterkeit und Freude“⁴⁰⁷ zu beglaubigen, die in solchen Glücksmomenten die Lebenswirklichkeit und den Lebensplan des Subjekts durchbricht. In der „Hinwendung zur Gegenwart“⁴⁰⁸, in der Selbstvergessenheit des Flow-Erlebens, im zweckfreien Genuss der Anmutungsqualitäten des Seienden⁴⁰⁹ ist eine ästhetische Dimension eröffnet, die sich einer übergeordneten Sinngebung verweigert und deswegen auch das Lachen einschließt. Bei der theologisch-anthropologischen Qualifizierung der therapeutischen Potenzen des Lachens im Rahmen einer Ethik des Glücks muss es letztlich darum gehen, die schöpfungstheologischen und eschatologischen Anteile des Phänomens so aufeinander zu beziehen, dass Konturen einer heiteren Lebenskunst des Glaubens erkennbar werden. Als charakteristisch für das Lachen erweist sich die Verwurzelung im Erdengrund des sinnlichen Erlebens einerseits und die Rückspiegelung einer in die Gegenwart hineinragenden Heilswirklichkeit andererseits. Der lachende Mensch gewinnt, so sehr er sich krümmt und wegwirft, eine natürliche Balance, insofern als er im stofflichen Genuss für einen Moment den eschatischen Horizont berührt, ohne jedoch in weltentrückten Enthusiasmus zu verfallen. Denn er kehrt aus der Sphäre der pneumatischen Erneuerung stets wieder zurück in die leibliche Struktur, die wiederum aus den Offenbarungserfahrungen heilsame Impulse empfängt. Das Lachen dynamisiert die Austauschprozesse zwischen leibhafter Gegenwart und eschatischer Zukunft, es verankert das neue Sein als einen Keim der Verwandlung mitten in der sozialen Korpo-
Lauster erkennt darin, dass der Mensch, dem das „Glück des Augenblicks“ (Gott, 154) widerfährt, von einer „höheren, letzten Wirklichkeit“ (158) affiziert wird, das vorübergehende Aufscheinen eines „gelingenden Lebens“ (156). Roth, Zum Glück, 75. Lauster, Gott, 154. Roth, Zum Glück, 162. Roth (Zum Glück, 162) knüpft in seiner Studie an die skeptische Weisheit Kohelets an, die irdischen Genuss und die freudige Hingabe an das eigene Tun schöpfungstheologisch gegen metaphysische Zweckbestimmungen, rationale Kontrolle oder eschatologische Abwertung wendet (Koh 2,24; 3,22). Vgl. zu Kohelet auch Th. Krüger, Das menschliche Herz, 53/56. Beim apokryphen Jesus Sirach heißt es entsprechend: „Eifer und Zorn verkürzen das Leben und Sorge macht alt vor der Zeit; einem fröhlichen Menschen schmeckt alles wohl, was er isst“ (30,26 f.). Eine askesekritisch-diätetische Ethik kann zudem an Elemente einer neutestamentlichen Schöpfungstheologie rückgebunden werden: So heben die Pastoralbriefe den Widerspruch dualistischer Entsagung zu einer Haltung hervor, die stofflich-sinnliche Güter als Gaben Gottes dankbar empfängt (vgl. Schrage, Ethik, 246).
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Realität und indem es die existenzielle Hoffnung und Sehnsucht des Menschen verleiblicht, erfüllt es sie für einen Augenblick des kosmischen Eins-Seins.
3 Lachen als Diskurs über Identität, Sinn und Wahrheit: Offenbarungstheologische Perspektiven 3.1 Der dogmatische Vorbehalt und die Herausforderung postmodernen Denkens Die theologische Tradition hat das Lachen von Anfang an als eine Folge des Sündenfalls, der „Vertreibung aus dem Paradies“¹ gedeutet. Augustinus verurteilte es als Zeichen der satanischen Eigenliebe, der Hoffart und Hybris:² Denn in jedem Lachausbruch wiederholt sich gewissermaßen der „Aufstand des Fleisches gegen den Geist“³. Somit ist das Lachen „konstitutiv an die Selbstüberhebung“⁴ des Menschen gekoppelt und wendet sich prometheisch gegen Gott. Der Mensch übernimmt gleichsam das superiore Lachen Gottes und maßt sich damit „göttliche Souveränität“⁵ an. Das Alte Testament scheint dieses Deutungskonzept zunächst zu bestätigen,⁶ denn das Lachen hat hier oft die Färbung des TörichtUnbedachten, Skeptisch-Zweifelnden⁷ oder Spöttisch-Aggressiven.⁸
Schörle, Die Verhöflichung, 96. Vgl. Prütting, Homo ridens, 360 – 366. Prütting, Homo ridens, 831. Prütting, Homo ridens, 366. Hüttinger, Die Kunst, 78. Als paradigmatisch für die Hybris des Lachens kann der Spott Ismaels in der Begegnung mit seinem Rivalen Isaak gelten, der die Verbannung des Spötters und damit den Ausschluss aus der Heilsordnung nach sich zieht. Im augustinischen Denken wäre Ismaels Lachen dem weltlichen, vom Satan regierten Staat und Isaaks Lachen dem Gottesstaat zuzuordnen (vgl. Prütting, Homo ridens, 370 f.). Vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 96. Der Psalter beginnt geradezu programmatisch mit dem Vers: „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt, wo die Spötter sitzen.“ (1,1). Der Spötter findet keine Gnade: Die Kinder, die den Prophet Elisa verspotten, werden verflucht und von Bären zerrissen (2 Kön 2,24). Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 26. Der englische Lachforscher J. C. Gregory hat im Alten Testament eine Häufung von Belegstellen für das aggressive Lachen registriert (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 26). Vgl. auch Reiser, Das leise Lachen, 28. Im Hebräischen bezeichnet ‚la’ag‘ die „spöttische […], herabsetzende“ (Le Goff, Das Lachen, 31) Variante des Lachens. Zum semantischen Feld von ‚zachaq‘ und ‚sekaq‘ vgl. II.2.2. Als hilfreich für die Feststellung von Bedeutungsdifferenzen des jeweiligen Lachens erweist sich auch die vulgata, die verschiedene Lexeme für das Auslachen, u. a. ‚deridere‘ (Hiob 30,1; Prov 19,28) kennt (vgl. Hartmann, Über das Lachen, 194 f. und II.2.2). Die griechische Differenzierung von gélân und katagélân liegt der anhttps://doi.org/10.1515/9783110667769-007
3.1 Dogmatische Vorbehalt und Herausforderung postmodernen Denkens
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Umso schwieriger war es für die theologischen Kommentatoren, das Lachen der Stammeseltern Abraham und Sara in Gen 17,17 und 18,12 einzuordnen und zu legitimieren.⁹ So werten die Alttestamentler Gerhard von Rad¹⁰ und Claus Westermann¹¹ Saras Lachen in Gen 18,12 als Reflex des Unglaubens und markieren damit gewissermaßen den Ausgangspunkt der christlichen Agelastie.¹² Stefanie Hüttinger bezeichnet es als das erste blasphemische Lachen¹³ und Stefanie Köhler deutet es als Angriff auf das logozentrische Wahrheitskonzept des Jahwe-Glaubens.¹⁴ Zwar stellt es das Gotteswort nicht ausdrücklich in Frage, doch allein als Indikator der Inkongruenz von Prophetie und biologischer Erwartbarkeit provoziert es laut Köhler eine göttliche Drohung (Gen 18,13 ff.), die der Abwehr jeglicher Relativierungstendenzen in Bezug auf die Autorität des Gottesworts Ausdruck verleiht.¹⁵ Hüttinger spricht sogar, in Übereinstimmung mit Gerhard von Rad¹⁶, von der göttlichen Sanktionierung des blasphemischen Aktes.¹⁷ Die „exegetische Tradition“¹⁸ hat diese Deutungslinie jedoch oft genug unterlaufen. Augustin hob hervor, dass Sara in erster Linie vor Freude gelacht habe.¹⁹ Der Abt Burchard von Bellevaux (12. Jahrhundert) grenzte Saras Lachen vom Spott über den Propheten Elisa ab²⁰ und auch Luther wollte Saras Lachen nicht als Indiz für ihren Unglauben werten. Er argumentierte damit, dass die Frau Abrahams ihr Gottvertrauen zuvor eindrucksvoll unter Beweis gestellt habe, so
tiken Unterscheidung von gutem, natürlichem und aggressivem, abwertendem Lachen zugrunde, die Le Goffs Meinung zufolge noch das Mittelalter orientierte (vgl. Le Goff, Das Lachen, 32 f.). Vgl. Köster, Wir können, 164. Vgl. Gerhard von Rad, Das erste Buch Mose, 175 f. Vgl. Claus Westermann, Genesis, 340 f. Vgl. Stefan Busch, Verlorenes Lachen, 2. Das vorrabbinische Buch der Jubiläen aus dem 2 Jht. v. Chr. leugnet sogar das Lachen Abrahams und verurteilt Saras Lachen (vgl. Hasselhoff, Lachen, 13). Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 87. Hans Conrad Zander spricht von einem „bitterbösen Lachen“ (Darf man, 49). Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 64 f. Nietzsches Zarathustra beschreibt das spöttische Lachen der Götter angesichts der monotheistischen Anmaßung: „Und alle Götter lachten damals und wackelten auf ihren Stühlen und riefen: Ist das nicht eben Göttlichkeit, dass es Götter, aber keinen Gott gibt?“ (Nietzsche, Also, KSA 4, 230). Vgl. Köhler, Differentes Lachen, 65. Vgl. von Rad, Das erste Buch Mose, 176. Vgl. Hüttinger, Die Kunst, 87. Steiger, Das Lachen, 423. Vgl. Prüttings Ausführungen (Homo ridens, 369 f.) zu den einschlägigen Bemerkungen Augustins im 16. Buch des Gottesstaates (II, 333). Vgl. Kemper, Jesus Christus, 27.
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dass bloß von einer vorübergehenden Glaubensschwäche die Rede sein könne.²¹ Auch Hermann Gunkel bestreitet in seinem Genesiskommentar,²² dass Sara aus Unglauben lache: Sie habe schließlich den Absender der Verheißung nicht identifizieren können. In jüngerer Zeit ist man dazu übergegangen, im Anschluss an Luthers Deutung Saras Lachen als Zweifel zu werten,²³ den Gott anders als den fundamentalen Unglauben toleriere.²⁴ Karl-Josef Kuschel erklärt ihn mit der „Diskrepanzerfahrung von menschlicher und göttlicher Potentialität“, der ein „anthropozentrischer Realismus“²⁵ zugrunde liege. Saras Bekenntnis „Gott hat mir ein Lachen zugerichtet“ (Gen 21,6a) zeuge jedoch davon, dass Jahwe sogar das Lachen über ihn selbst, im Grunde eine unerhörte Beleidigung seiner göttlichen Autorität,²⁶ nicht bestraft, sondern in ein befreites und „glückliches Lachen der Freude verwandelt“²⁷. Dem Zweifel des Menschen zum Trotz verwirklicht er seine Verheißung.²⁸ Die Mediävistin Mireille Schnyder hat den interessanten Ansatz
Vgl. Steiger, Das Lachen, 425 f. Vgl. Hermann Gunkel, Genesis, 198. Ähnlich hat Walter Gross Saras Lachen bewertet (vgl. Glaubensgehorsam als Wagnis der Freiheit, 38). Vgl. Ulrike Schorn, Und Sara lachte, 31. Vgl. Ceming, Aus dem Tal, 135. Kuschel, Christus, 110. Vgl. Gumbrecht, Amerika, 821. Kuschel, Lachen 99. Hans Ulrich Gumbrecht, dem offenbarungstheologisches Denken fernliegt, erklärt, dass Sara ihr „aggressives Lachen“ nach Isaaks Geburt in ein glücklich-konzedierendes Lachen „umstilisiert“ (Amerika, 823). Vgl. Kuschel, Christus, 112. Gumbrecht macht darauf aufmerksam, dass auch der Koran die Geschichte von der ungläubig lachenden Sara erzählt. Daher erlaube die „Perspektive des Lachens“ keine Antinomie zwischen einem „prinzipiell fundamentalistischen Koran“ und einer „prinzipiell tolerante(re)n jüdisch-christlichen Kultur“ (Amerika, 822). Hier ist Gumbrecht gewiss zuzustimmen, zumal gewisse humorresistente Strömungen des Islams in der Gegenwart nicht den Blick darauf verstellen dürfen, dass der Koran, der ähnlich wie die jüdischen Überlieferungen einen anerkennend und gütig lachenden Gott bekennt, und mehr noch die Sunna des Propheten, die Mohammed ein „strahlendes Lachen“ (L. Ammann, Vorbild, 59) selbst mitten im Gebet und eine Vorliebe für Spiel und Scherz zuschreibt, Ansätze für eine positive theologische Bewertung des Lachens bieten, die sich in den christlichen Offenbarungszeugnissen nicht so leicht finden lassen (vgl. 39 – 59, 93 f.). Dass sich aus dem monotheistischen Glaubensernst des Korans und aus prophetischen Überlieferungen auch andere moralische Direktive ableiten lassen und islamische Asketen ab dem 8. Jht. die Ausdrucksform des Lachens mit ähnlichen Argumenten in Verruf brachten wie der christliche Monasmus, das kann hier nur angedeutet werden, ebenso wie die liberaleren Positionen, die sich auf die prophetische Scherzpraxis, die Entspannungs- und Erholungsfunktion der Erheiterung oder den islamtypischen Vernunftglauben beriefen, dem zufolge das „Lachen aus Verwunderung“ einer „religiösen Erkenntnis“ (263) zum Ausdruck verhelfen kann (vgl. 35 – 38, 59 – 100, 203 ff., 262 f.). Vgl. auch Rachid Boutayeb, Vom Humor im Islam, 136 ff.
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vertreten, das Saras Lachen, die Leugnung dieses Lachens aus Angst und das Beharren des Abgesandten Gottes darauf, dass Sara gelacht habe, als ein „paradoxes Narrativ des Wandels“²⁹ zusammenzudenken sind: Sarah nimmt ihren Platz in der göttlichen Ordnung des Wunders ein und konstituiert sich damit neu. Saras Zusatz in 21,6b enthält allerdings eine Doppeldeutigkeit, da das Lachen derjenigen, die von der späten Geburt erfahren, auf zweifache Weise übersetzt werden kann: als ein Mitlachen oder auch als ein Über-Sara-Lachen.³⁰ Der ersten Möglichkeit schließen sich Bernhard Greiner, Alexander Jaklitsch, Thomas O. H. Kaiser und Paul Konrad Kurz an³¹, der das einsame Lachen der ungläubigen Sara vom kommunikativen Lachen der beschenkten Mutter unterscheidet. Gabriela Köster, René Voeltzel und Johann A. Steiger³² akzentuieren dagegen den Spott: Während Köster aber von der milden Süffisanz der Freunde auszugehen scheint,³³ nimmt Voeltzel an, dass Sara ihre Angst davor, dass sich ihr „spöttisches Lachen“³⁴ gegen sie selbst wenden könnte, auf die Reaktionen der Zeugen projiziert. Sara bleibt befangen angesichts der göttlichen Schelmerei, Isaak ist ihr zum „ungeliebten Gegenstand des Lachens“³⁵ geworden.³⁶ Einen anderen Ansatzpunkt wählt Gerhard M. Martin, der sich gegen moralische oder theologische Rationalisierungen wie bei von Rad oder Westermann und psychologische Verharmlosungen³⁷ in der Auslegungsgeschichte wendet und
Schnyder, Lachen, 9. Das „Moment des Wandels“ (Schnyder, Lachen, 9) ist auch in einer Variante der Szene hervorgehoben, die Rudolf von Ems in seiner Weltchronik (um 1230) anbietet. Vgl. Rehm, Zur Geschichtlichkeit, 649. Die Septuaginta und die Vulgata stellten die Mitfreude heraus und gaben so der „jüdischen und christlichen Tradition“ (Reiser, Das leise Lachen, 27) die Richtung vor. Vgl. B. Greiner, Die Komödie, 16 f., Jaklitsch, Verurteilt, 37, Kaiser, Lachwurz, 42 und Kurz, Das Lächeln, 317. Steiger erklärt, das „Narrenwerk Gottes“ (Das Lachen, 425) provoziere das spöttische Gelächter der Umwelt Abrahams und Saras. Vgl. Köster, Wir können, 165. Voeltzel, Das Lachen, 28. Voeltzel, Das Lachen, 29. Vgl. auch Röcke, Heiliger Spott, 35 f. In den anderen biblischen Geburtsverheißungen und -erzählungen steht die überschäumende Freude im Vordergrund, die jedoch nicht ins Lachen mündet. Das gilt sowohl für Hanna bei der Geburt Samuels (1 Sam 2,1–10) als auch für Maria bei der Geburt Jesu (Lk 1,46–55). Daraus zieht Voeltzel den Schluss, dass das Lachen im heilsgeschichtlichen Überlieferungskontext semantisch mit Spott verwachsen ist (vgl. Das Lachen, 29 f.), eine im Alten Orient generell sehr verbreitete Zuschreibung (Schroer/Staubli, Weinen, 498). Hermann Gunkel (Genesis, 198) übersetzt ‚zachaq‘ in 18,12 ebenso wie Martin Buber (vgl. Die fünf Bücher der Weisung 1, 47) mit ‚In-sich-Hineinlachen‘, Luther mit ‚Bei-sich-Lachen‘. Möglicherweise handelt es sich also um ein stilles (vgl. Gross, Glaubensgehorsam, 38) oder unterdrücktes Lachen, ein „reserviertes, ungläubig zweifelndes Kichern“ (Prütting, Homo ridens, 369).
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Saras Lachen ähnlich wie Kuschel als angemessene Reaktion auf den „Widerspruch zwischen ihrer realen Existenz und der für genauso real gehaltenen Verheißung“³⁸ versteht. Das Lachen Abrahams in Gen 17,17 erlaubt weiter reichende Deutungsansätze: Der Germanist Rudolf Helmstetter hat es als Bekräftigungsgeste im Akt der Unterwerfung unter das Gotteswort bezeichnet³⁹ und G. M. Martin hält in diesem Sinne fest, dass „Anbetung und Lachen“⁴⁰ offenbar keine Gegensätze darstellen. Allerdings knüpfen Martin und Helmstetter damit an einen breiten Auslegungsstrang an: Denn schon Augustin, Ambrosius und Beda Venerabilis (672/73 – 735) erklärten, Abrahams Lachen bezeuge seinen staunenden Glauben und sei damit fundamental zu unterscheiden vom ungläubigen Lachen der Juden auf Golgatha.⁴¹ In Luthers Genesispredigten lebt diese Deutung fort: Luther deutet Abrahams Lachen als Ausdruck des gläubigen Staunens angesichts der „paradoxen Verheißung“⁴², die mit dem Bundesschluss zugleich den Ausblick auf den Messias eröffnet, als dessen Präfiguration der gegen alle Wahrscheinlichkeit zur Welt gekommene Isaak zu gelten hat. Man könnte nun weitergehen zu Wilhelm Vischer, der in seiner Pentateuchdeutung⁴³ (1934) Abrahams Lachen damit erklärt, dass die göttliche Verheißung dem Stammvater etwas völlig Außergewöhnliches, alle menschliche Erwartung Transzendierendes in Aussicht gestellt und ihn förmlich überwältigt habe.⁴⁴ Karl-Josef Kuschel⁴⁵ erkennt wiederum in dieser affirmativen Deutungstradition, die damit beginne, dass Paulus in Röm 4 Abraham als Glaubensvorbild rühmt, ohne sein abgründiges Lachen zu berücksichtigen, einen theologiegeschichtlichen Verdrängungsmechanismus.⁴⁶ Theologisch rätselhaft und brisant
Westermann (Genesis, 341) hält allerdings fest, dass ‚zachaq‘ in jedem Fall eine lautliche Äußerung meine. G. M. Martin, Zur Idee, 381. Vgl. Helmstetter, Vom Lachen, 767. G. M. Martin, Zur Idee, 381. Vgl. Steiger, Das Lachen, 423 und Kemper, Jesus Christus, 26 f. Steiger, Das Lachen, 423. Vgl. Wilhelm Vischer, Das Christuszeugnis des Alten Testaments, 169. Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 27 f. Auch Rolf M. Schneider (Nachwort, 94) betont, dass Abraham und Sara lachen, weil die Verheißung Gottes das Fassungsvermögen ihres Verstandes überfordert. Vgl. Kuschel, Lachen, 96 f. Die Abgründigkeit von Abrahams geradezu „schauerlichem Lachen“ hatte schon Gerhard von Rad erkannt, der es am „äußersten Rand des psychologisch Möglichen“, hart an der Scheidewand von „Glaube und Unglaube“ (Das erste Buch Mose, 172) verortet. In jüngerer Zeit hat Mireille Schnyder den subversiven Charakter von Abrahams „Adorations-Geste“ (Lachen, 8) hervorgehoben.
3.1 Dogmatische Vorbehalt und Herausforderung postmodernen Denkens
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erscheint Abrahams Lachen alleine deshalb, weil es einen direkten Kommentar zur Bundesverheißung Jahwes darstellt.⁴⁷ Das Skandalon, dass in einem Schlüsselmoment der alttestamentlichen Heilsgeschichte die Demutsgeste und das Lachen koinzidieren, blieb unbewältigt. Die Sachwalter der offiziellen Theologie unterwarfen das Lachen „der Herrschaft des (göttlichen) Wortes“⁴⁸ und erlaubten nicht, dass das ‚Außer-Ordentliche‘ des Wortes im Lachen ein Ventil findet geschweige denn, dass das Ordnung sprengende Lachen, das im Namen ‚Isaak‘ kristallisiert ist, eine eigene „hermeneutische oder ethische Tradition“ ⁴⁹ begründet. Mehr noch als der vorgebliche Lachverzicht Jesu von Nazareth prägte die Kontemplation der Passion Christi die Einstellung der christlichen Kirche zum unkontrollierten Lachen.⁵⁰ Auf der typologischen Linie vom Gerechten des Alten Testaments⁵¹ zum leidenden Christus und vom schlüpfrigen Spott des Ham in Gen 9, 18 – 29⁵² zum skrupellosen Hohn der Folterknechte Jesu ist das degradierende,
Vgl. Gross, Glaubensgehorsam, 36 – 40. René Voeltzel differenziert denn auch zwischen dem auf die biologische Aporie der Schwangerschaft zurückweisenden Unglauben Saras und den Verständnisschwierigkeiten Abrahams in Bezug auf die Ausweitung der Verheißung auf Sara (vgl. Das Lachen, 28). B. Greiner, Die Komödie, 15. Auch Saras Lachen muss letztlich, so Greiner, vom Namen ‚Isaak‘ her gedacht und in das abrahamitische Unterwerfungslachen zurückgeführt werden (vgl. Die Komödie, 16). B. Greiner, Die Komödie, 17. Einer raffinierten talmudischen Auslegung zufolge besteht der Witz des Namens ‚Isaak‘ nicht nur in der „Inversion der Zeugungslogik“ (Parageis, Der Beredsamkeit, 98), sondern verbirgt sich in den Buchstaben, aus denen sich der Name zusammensetzt, deren „offenkundiger Sinn“ (96) durch eben jene Inversion erschüttert wird. Das im Namen ‚Isaak‘ codierte Lachen entspringt somit der Inversionslogik eines geschichtsmächtigen Witzes (vgl. 98). Vgl. Helmstetter, Vom Lachen, 767 und S. Wolff, Todesverlachen, 189 f. Die Gerechten werden Opfer von Schmähungen und Hohn: Das neubabylonische Siegerbündnis lacht das zerstörte Jerusalem aus (Klagelieder 1,7), die Botschaft der Gesandten Hiskijas stößt auf Gelächter (2 Chr 30,10), der Psalmbeter klagt über die spöttische Missachtung der Umwelt (Ps 22), Hiob muss es sich sogar gefallen lassen, dass das Gesindel über ihn lacht (30,1). Vgl. Jaklitsch, Verurteilt, 38 und Schroer/Staubli, Weinen, 498. Aus dem Spott des Frevlers, den Psalm 1 der wahren Freude des Gerechten gegenüberstellt, wurde im Christentum ein Stereotyp des Sünders (vgl. Kuschel, Lachen, 103 ff.). Hams Versuch der „Vergemeinschaftung der Brüder im Spott“ (H. E. Keller, Lachen, 39) erreicht das Gegenteil, nämlich die Solidarisierung der Brüder mit dem Vater. Die „mittelhochdeutsche Bibelepik des 11. und 12. Jahrhunderts“ hat daher die Metaphorik des voyeuristischen Sehens und der „deiktischen Gestik“ (37) mit jener des „Verlachens und der Lachresistenz“ (41) kombiniert. Die Wiener Genesis (1060 – 1080) erzählt vom schamlosen, schadenfrohen Lachen Hams und zeigt ihn als Stammvater einer Gemeinschaft der Spötter. Auf den Kontrast von Hams
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demütigende Gelächter negativ markiert.⁵³ Das Gewaltpotential „kollektiven Gelächters“ sowie der „Partizipations- bzw. Resistenzdruck […] solcher Gewaltrituale“⁵⁴ erhielten einen christologischen Bedeutungsüberschuss. Patristische und mittelalterliche Exegeten, par excellence Thomas von Kempen, schmückten das eher umrissartige neutestamentliche Zeugnis aus und brandmarkten das höhnische Lachen der jüdischen Henkersknechte und römischen Soldaten als Zeichen ihrer törichten Verkennung.⁵⁵ Das Lachen über den leidenden Jesus wurde zum „Symbol der Blasphemie“⁵⁶, das „Verlachen des Heilandswortes“⁵⁷ zum Indikator für den Unglauben der Volksmenge.⁵⁸ Während der Buddhismus das erlöste Lä-
Zügellosigkeit zur Diskretion der Brüder, den die Bildillustrationen im Millstädter Codex vor Augen führen, hebt auch die im 12. Jahrhundert entstandene Vorauer Genesis ab (vgl. 43 f.). Die Wiener Biblia pauperum (1198) öffnet das Thema des Lachens und der Lachverweigerung mittels einer „typologischen Struktur“ für eine „christologische Perspektive“ (H. E. Keller, Lachen, 47). Die Lachhandlungen, die sich gegen „Noah und den Propheten Elisa“ (48) richten, präfigurieren die Verspottung des Dornenkönigs Jesus von Nazareth. Der Name Ham, von dem das deutsche Lexem Häme möglicherweise abgeleitet ist (vgl. 45 f.), steht für den Antitypus des „jüdischen Folterknechts Christi“, der „in der mittelalterlichen Ikonographie von augenfälliger Hässlichkeit gezeichnet ist“ (38). Die Ham-Episode macht die Verschränkung von „Lachen und Hässlichkeit“ aber nicht nur im Hohngelächter Hams sichtbar, sondern auch in der Gestalt des Verlachten, des „gemarterten Christus“ (37), der sich als Antitypus des erniedrigten Noah erweist. Das spöttische Lachen Hams weist somit über sich hinaus auf die in der drastischen Ikonographie des Mittelalters zur „Schlüsselszene für die Gewalt des Lachens“ avancierte Dornenkrönung Jesu, in der die „Ästhetik der Hässlichkeit“ (49) ihren Höhepunkt erreicht. Die „physischen, gestischen und mimischen Deformationen“ (49) in den passionsgeschichtlichen Text-Bild-Illustrationen fungieren als körpersemiotische Zeichen der moralisch disqualifizierten Lachhandlungen. H. E. Keller, Lachen, 38. Vgl. Kemper, Jesus Christus, 23 f. So grenzte Chrysostomos das teuflische Gelächter, das verbale und physische Gewalt gebiert, von der ‚Freude im Herrn‘ nach Philipper 4,4 ab (vgl. Hasselhoff, Lachen, 23). Hüttinger, Die Kunst, 89. Richard Wagner hat dieses blasphemische Lachen im Parsifal motivisch mit dem Verhängnis der Kundry verknüpft (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 89). Kremer, Das Lachen, 151. Nicht erst als Dornenkönig zieht Jesus das Gelächter auf sich: So erzählen die Synoptiker davon (Mk 5,40; Mt 9,24; Lk 8,53), wie die Leute Jesus verspotten, weil er gegen jede Wahrscheinlichkeit behauptet, die Tochter des Jairus lebe noch (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 88). Während das Lächeln der Heiligen im Zeichen einer Ästhetik des Erhabenen Schönheit und Würde verbindet, ist das „johlende Gelächter“ (R. M. Schneider, Nachwort, 113) charakteristisch für die gottlose Menge. Auf einem Bild zum „Kindermord von Bethlehem“ (114) aus einem Reliefband des 13. Jahrhunderts sticht der skrupellose Soldat mit höllischem Gelächter zu, auch ein „lachender Dämon“ (115) begleitet die Szene. Ein Bild in Henry von Chichesters Missale (1250) zeigt die Soldaten, die Jesus festnehmen, roh lachend (vgl. 109 ff.). Das Ölbild Die Kreuztragung Christi von Hieronymus Bosch (ca. 1450 – 1516) überblendet das „stille Lächeln“ (111) der Maria und Veronika mit dem verzerrten grimassenhaften Gelächter der Meute.
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cheln des Buddha in sein anthropologisches Leitbild übernahm, entdeckte das Christentum im „erstickten Lachen“⁵⁹ des verspotteten Jesus eine Chiffre des göttlichen Heils. Der topos des „verlachten Jesus“⁶⁰, der Hohn und Spott nicht bestraft, sondern erduldet, hat das Selbstverständnis der Christen geprägt. Die hoch- und spätmittelalterliche Passionsfrömmigkeit, wie sie Johann Tauler (1300 – 1361), Heinrich Seuse und Thomas von Kempen (1380 – 1471) repräsentierten, prägte mit ihrer Compassio-Direktive für das Gebet und die Meditation die fromme Lachdisposition⁶¹ und hinterließ auch in der Dichtung Spuren.⁶² Der nachempfundende Schmerz des Verlachtseins kristallisierte sich im ethischen Prinzip, „die Partei der Verlachten“⁶³ zu ergreifen. Der Vorrang des Weinens im christlichen Wertesystem ist durch die Solidarität mit den Benachteiligten mitbedingt: In seinen Ursprüngen verstand sich das Christentum nicht als Herrschaftsreligion, sondern als Religion des Mitleids.⁶⁴ Dass von Jesus selber kein Ausbruch des Lachens überliefert ist, könnte tatsächlich damit zusammenhängen, dass ihm kein superiores Auftreten angedichtet werden sollte.⁶⁵ Das exkludierende, diskriminierende Lachen ist den Evangelien fremd, versehrte Existenzen werden „in den Schriften des Neuen Testamentes“ nicht der „Lächerlichkeit preisgegeben“.⁶⁶ Kuschel, Christus, 120. Schörle, Die Verhöflichung, 98. Vgl. auch Wilhelmy, Das leise Lachen, 49 – 52. Thomas vertrat die Ansicht, Jesus habe aufgrund des bevorstehenden Leidens nicht gelacht (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 190). Er empfahl, den Schmerz, den die Dornenkrone verursacht habe, zu vergegenwärtigen und als adäquaten Ausdruck rechter Passionsfrömmigkeit das Mitleid einzuüben (vgl. Kemper, Jesus Christus, 26). Ludwig IX. (1214– 1270) verkörperte dieses Ethos, indem er freitags ganz auf das Lachen verzichtete (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 190). An den anderen Tagen soll er allerdings ausgiebig gelacht und gescherzt haben (vgl. Wilhelmy, Seliges Lächeln, 210). So geht z. B. in Der ernsthafte König, der bereits erwähnten Kurzgeschichte des Strickers, die Lachabstinenz des Heilands auf die Antizipation des leidvollen Geschicks zurück (vgl. Kemper, Jesus Christus, 25 f.). Schörle, Die Verhöflichung, 98. Vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 25. Vgl. Lechner, Lacht Gott?, 131. Die jesuanische Barmherzigkeit und Trauer um die Verlorenen kann auch als Gegenposition zum herablassenden Lachen der griechischen Götter verstanden werden (vgl. Stollmann, Groteske Aufklärung, 25). „Durch das zerrissene Spottgemäde olympischer Narretei“, so Hans Conrad Zander, „erschien das Angesicht eines neuen Gottes […] ein Gesicht von zeitloser Menschlichkeit und gerade deshalb von göttlichem Ernst“ (Darf man, 30). Zum Gegenmodell des überlegen lachenden Christus der Gnostiker vgl. II.2.1. Titze/Kühn, Lachen, 93. Während Tertullian noch alttestamentliche Rache- und Gerichtsphantasien in einer heilstheologisch gespeisten Orgie der Schadenfreude beschwor, sind auf dem Weg ins Mittelalter zunehmende Tendenzen einer Dämonisierung des Spottes, auch in Abgrenzung von der doketischen Christologie der Gnosis, zu erkennen. Spott und Hohn wurden bald
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Im Einklang mit Luk 6,25 verurteilt der Jakobusbrief (4,9) daher das oberflächliche Lachen im Rahmen einer Sitten- und Sozialkritik als Symbol für Verblendung, Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit und Ignoranz gegenüber den Armen.⁶⁷ Die Ansätze einer normativen Ethik des Lachens im Neuen Testament haben noch die Philosophin Dagmar Fenner und der katholische Theologe KarlJosef Kuschel aufgegriffen. Fenner hält fest, dass das „sympathetische Lachen über alles Ordnungswidrige“⁶⁸ nicht die gesellschaftliche Wertereflexion untergraben dürfe. Kuschel warnt vor der ‚Unkultur‘ der Gefühlskälte in der selbstverliebten Häme und im machtbewussten Spott.⁶⁹ Er fordert, den Lach-Geist der Rücksichtslosigkeit und Unbekümmertheit mit dem Geist Gottes, der Selbstbindung und Selbsteinschränkung nahelegt, in Einklang zu bringen.⁷⁰ Die lachfeindliche Haltung der Patristik und der mittelalterlichen Theologie wurzelte jedoch zuletzt in einer dogmatisch gebundenen Ästhetik, für die Umberto Ecos historischer Kriminalroman Der Name der Rose (1980) aufschlussreich ist. Eco projizierte die bachtin’sche und nietzscheanische Idee vom subversiven Lachen in den antik-mittelalterlichen Verbotsdiskurs hinein,⁷¹ um die diskursive Frontstellung noch deutlicher markieren zu können. Der Einspruch der ‚offiziellen‘ Theologie in Gestalt des Abt Jorge entzündet sich an den bildlichen und dichterischen Formen der „uneigentlichen Rede“⁷², die nach dem Maßstab der in Jesus Christus offenbarten Eigentlichkeit Manifestationen der Lüge und Apostasie darstellen. Denn die philosophische Komödie inszeniert die Schöpfung als Gelächter und beglaubigt damit die Freiheit und kritische Vernunft des Menschen; so fördert sie „Individualismus, Unglaube, Anarchie“⁷³. Die Auflösung des dichotomischen Ordnungsmodells oder logozentrischen Differenzkriteriums durch eine fiktionale, karnevaleske Kunst ist das Werk eines diabolischen Geistes, der zu grenzenloser Autonomie ermutigt. Zwar gesteht der Abt den Bauern das temporäre Karnevalslachen zu, verurteilt jedoch die Erhöhung des Lachens zu einer Daseinshaltung, einer „perfiden Theologie“⁷⁴, die alles in den Sog der Relativieschon den Folterinstrumenten des Teufels zugerechnet und als solche Kernbestand einer Ikonographie der Hölle (vgl. Röcke, Heiliger Spott, 42 ff.). Vgl. Kuschel, Lachen, 205 ff. Fenner, Warum, 328. Vgl. Kuschel, Lachen, 203. Vgl. Kuschel, Lachen, 17. Vgl. Anz, Wenn, 53 f., Florian Uhl, Mittelalterliches Lachen und postmoderne Theorie, 81– 89 und Prütting, 542– 548, 551– 555. Anz, Wenn, 52. Kurz, Das Lächeln, 325. Kurz, Das Lächeln, 326.
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rung hineinreißt, die Welt, den Teufel, die Inkarnation, die das Böse verharmlost und das Gute vergleichgültigt und damit Wahrheit und Tugend gleichermaßen untergräbt. Als Lebenskunst würde das Lachen alle moralischen und dogmatischen Kategorien verwirren, es würde die „Angst vor dem Hohen und Herrschaftlichen“, den Respekt vor den „äußeren Autoritäten und den inneren Zwängen“⁷⁵ auflösen, dem Tod seine metaphysische Bedeutung rauben und den Erlöserglauben durch eine ästhetische Methode der Selbsterlösung ersetzen.⁷⁶ Eben jenes radikale Lachen, das dogmatische Wahrheitsansprüche und metaphysische Setzungen aushebelt, rüttelt am orthodoxen Lehrgebäude.⁷⁷ Ecos Roman begreift es daher „als Ausdruck universaler Freiheit“⁷⁸ und Zeichen für die Vielfalt der Weltdeutungen; er affirmiert den moderat skeptizistischen Ansatz des Franziskanermönchs William von Baskerville.⁷⁹ Die kirchengeschichtlich tief imprägnierte Furcht des Weisen vor dem Lachen,⁸⁰ die in dem vom jesuitischen Kanzelredner Louis Bourdaloue (1632– 1704)
W. Schneider, In die Kirche, 59. Das „zur Kunst befreite Lachen“ eröffnet gleich im doppelten Sinne eine emanzipatorische Haltung: indem es a) die „Wirklichkeitsspiele der Macht und des Denkens“ im ästhetischen Möglichkeitssinn aufhebt, und b) „das degradierte und disziplinierte Lachen des einfachen Volkes zu sich selber befreit“ und somit im nietzscheanischen Sinne eine „ästhetische Rechtfertigung“ (Anz, Wenn, 55) der Welt vollbringt. Vgl. Thomas Erne, Hat Gott nichts zu lachen?, 147. Lenz Prütting nimmt an, dass es vor allem die im Unterbewusstsein der frühen Christen mächtige Angst vor der ersatzreligiösen Qualität des Lachens war, die die unselige Lachfeindschaft der Kirche begründete (vgl. Homo ridens, 1940). Der reaktionäre Bischof Jacques-Benigne Bossuet (1627– 1704) warnte sogar ausdrücklich davor, das Lachen als Mittel der Vanitas-Entlarvung nach dem Vorbild der burlesken Totenpredigten zu nutzen, da es sich mit den Selbsterlösungsphantasien weltverhafteter Narren verbinde (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 326 f.). Vgl. Kuschel, Lachen, 76 – 84 und Christus, 106 – 109. Williams Schüler Adson gelangt zu einer noch radikaleren wahrheitskritischen Position: Aus der „Chaotik der Zeichen“ (Kuschel, Lachen, 83) flieht er nicht ins Narrenhaus und den Totentanz des Lachens, sondern ins „mystische Schweigen“ (82) einer negativen Theologie des Verlöschens. Anz, Wenn, 56. Der Franziskaner William glaubt nämlich an die Vereinbarkeit von „Glaube und Vernunft“ (Kurz, Das Lächeln, 327) und daran, dass die witzigen Rätsel, überraschenden Metaphern und verzerrenden Darstellungen der Komödie Medien der Wahrheitssuche darstellen (vgl. Kuschel, Lachen, 64 f. und II.3.3). Die Benediktinermönche des Romans dagegen verwerfen den Modus „fragenden Erkennens und befreienden Lachens“ (Kurz, Das Lächeln, 327); sie tabuisieren somit auch den „instrumentalen Gebrauch des Lachens“ (Anz, Wenn, 53) als Therapeutikum oder Erkenntnismittel. Eine alternative Haltung repräsentieren Philosophen-Narren wie der platonische Sokrates, der noch leise lacht, bevor er den Giftbecher nimmt, der mittelalterliche Franziskus mit seiner heiteren Weisheit oder Nietzsches Reflexionen über die Verbindung von Lachen und Weisheit in der
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stammenden Satz⁸¹ ‚Der Weise lacht nur mit Zittern und Zagen‘ anklingt, und noch in Charles Baudelaires Lach-Traktat starke Resonanzen fand,⁸² hat ihren tiefsten Grund darin, dass die theologische Tradition das Lachen mit der nachparadiesischen Erkenntnisfähigkeit und der Sünde ineins setzte. Der Sündenfall des ironischen Lachens⁸³ reißt den philosophischen Wahrheitsdiskurs in sich hinein und umgekehrt perpetuiert „die sich unendlich potenzierende Erkenntnis des lachenden Philosophen“⁸⁴ den Sündenfall. Die Affirmation unaufhörlicher Negotiationen konstituiert jedoch „ein fragiles Simulacrum des Einen“⁸⁵, das Lachen substituiert die überkommene Wahrheitsstruktur. Peter Rehberg formuliert die Koinzidenz des Lachens und des absolut Komischen so: Die „Überschreitung des Textes auf eine Körperlichkeit hin, zu der keine Distanz zu gewinnen ist und die keine Erlösung verspricht, markiert als zeichentheoretisches Drama zugleich ein theologisches. Mit der Grenze einer Sprache, die sich nicht als Transzendenz lesen lässt, kündigt sich der Tod Gottes an […]. Spätestens seit Nietzsche ist die Ankündigung von Gottes Tod vom Lachen begleitet […] Am Ende einer komischen Sprache markiert Lachen die Stelle des fehlenden Göttlichen, das sich bereits in der Pluralisierung eines Monotheismus ankündigt. Lachen ist darin zugleich der Rest des Göttlichen“.⁸⁶ Diese nachnietzscheanische Stilisierung des Lachens hat noch bis ins späte 20. Jahrhundert hinein den Einspruch einer traditionsbewussten Theologie provoziert.⁸⁷ So stellt Dagmar Fenner das „grundlose Lachen“⁸⁸ ebenso in Frage wie
Fröhlichen Wissenschaft (vgl. Kurz, Das Lächeln, 333, Reiser, Von allen Lebewesen, 20 f. und I.3.1/ II.3.2). Prütting, Homo ridens, 1125. Das Zitat geht wiederum zurück auf Psalm 2,11: „Dienet dem Herrn mit Furcht, und küsst seine Füße mit Zittern“. Vgl. Baudelaire, Vom Wesen, 119, Schuller, Wenn’s, 63 ff. und Rehberg, Lachen, 165. Die lachende Erkenntnis impliziert keine Benennung dieser Erkenntnis, sondern führt „in eine Bewegung der Insubordination ein“ (Pusse, Von Fall, 67). In Elie Wiesels Roman Die Pforten des Waldes (1964) erklärt eine Figur zynisch, Gott habe das Lachen dem Menschen nur versehentlich verliehen und zu spät erkannt, welches Machtinstrument er ihm damit an die Hand gegeben hätte, doch auch alle seine postlapsarischen Maßnahmen, um den Menschen vom Lachen abzuhalten, seien vergeblich gewesen (vgl. BenGershôm, Der Esel, 230 f.). Pusse, Von Fall, 66. Pusse, Von Fall, 66. Zum Wesen der „absoluten Komik“ gehört es laut Baudelaire, dass sie „ihrer selbst ganz unbewusst“ ist, jedoch beim Menschen, dem sie die Räume des Wunderbaren eröffnet, „die Freude seiner eigenen Überlegenheit […] über die Natur“ (Vom Wesen, 137) weckt. Rehberg, Lachen, 193 f. Die Ausgrenzung des Lachens in der christlich-abendländischen Kultur hat Julian Barnes noch einmal thematisiert: In seinem Buch History of the world in 10 ½ chapters (1989) entwirft er ein alternatives Sintflut-Szenario, in dem ausgerechnet der hinzuerfundene vierte Sohn, der mit seinem Lachen das harmonische Verhältnis zur geschöpflichen Umwelt symbolisiert, die Natur-
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Gisbert Kranz, der es als Chiffre für die existenzielle Leere, die Verstümmelung des Geistes und der Natur des Menschen versteht.⁸⁹ Karl-Josef Kuschel wendet sich gegen die skeptizistische „Verabsolutierung des Lachens“⁹⁰ in der Postmoderne, die die Welt als bloßes Spielmaterial betrachtet und alle Verbindlichkeiten in der Ironie und Parodie auflöst. Auf dieser Linie problematisiert Marianus Bieber die spielerische Zersetzung jedweder Wahrheitskonzepte im postmodernen Lachen.⁹¹ Er räumt ein, dass der christliche Glaube auf den ironisch relativierenden Umgang mit profanierter und fundamentalistischer Religion angewiesen sei. Doch der Humor, der jedwede Riten, Traditionen, Lehraussagen als unangemessene Zeichen entlarvt und der Glaube, der dennoch an ihnen festhält, weil er sie als Metaphern der Eigentlichkeit versteht, dürfen laut Bieber nicht entkoppelt werden.⁹² Bieber schwebt eine „spielerische Poetik des Glaubens“⁹³ vor, die im Kierkegaard’schen Sinne dialektisch zum wahren Ernst der religiösen Leidenschaft hinführt und den Humor als Tugend benötigt. Doch der Versuch, Kierkegaards Humorbegriff mit dem postmodernen Spiel-Lachen zu fusionieren, um den Glauben von allem ablenkenden Beiwerk zu befreien, stellt natürlich ein in sich widersprüchliches Programm zur Sublimierung und Entschärfung des Lachens dar, das vor den Fundamenten des Glaubens nicht Halt macht.
3.2 Narren in Christo: Grenzgänger der Gotteserkenntnis und Protagonisten der Gegenkultur Für das Phänomen der Narrheit sind, wie wir in I.3.1 gesehen haben, ursprünglich drei Aspekte konstitutiv gewesen, a) die Dimension dionysischer Triebhaftigkeit, b) die Anwesenheit des Numinosen, c) die Konvertierung oder Erweiterung des vorherrschenden Wahrheitsbegriffs. Damit ist die Narrheit als eine Seinsweise der Entgrenzung, der Umkehrung und Relativierung in den Blick gekommen, die den Kern des religiösen Angebots berührt, sei es, dass sie als eine spezifische Da-
katastrophe nicht überlebt. Seine Beseitigung durch die Brüder oder Gott selbst erklärt, weshalb sich die Offenheit für das Lachen nicht genetisch fortpflanzen konnte und an ihrer Statt der Ernst und die Intoleranz Leitkategorien einer hierarchischen, auf Gottes Wort gründenden Ordnung wurden (vgl. Köhler, Differentes Lachen, 171 f.). Fenner, Warum, 328. Vgl. Kranz, Das göttliche Lachen, 26f. Kuschel, Christus, 126. Vgl. Bieber, Humor, 286 ff. Einen ähnlichen Ansatz vertritt Franz Gruber, Ironie, 76 – 79. Bieber, Humor, 288.
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seinsform der Religion selbst in Erscheinung tritt, sei es, dass sie die gegebene Sozialgestalt und Wahrheitsstruktur einer Religion in besonderer Weise herausfordert. Im Hinblick auf die Rituale der dionysischen Festkultur ist diese Ambivalenz bereits theologisch und brauchtumsgeschichtlich schärfer beleuchtet worden (I.2.2 und II.1.1– 1.2). Dabei wurde deutlich, dass die Grenzüberschreitungen des Narrentums zwar auf die entschiedene Ablehnung der kirchlichen Lehre stießen, andererseits Resonanzräume im religiösen Leben fanden und eine spirituelle Dimension jenseits der moraltheologisch umzäunten Frömmigkeitspraktiken erschließen konnten. In diesem Abschnitt soll es darum gehen, abseits der offiziellen Linie einer dogmatischen Denunzierung des Närrischen (vgl. I.3.1, II.1.1/3.1) die Ausläufer „religiös privilegierter Narrheit“⁹⁴ zu würdigen und dem närrischen Wahrheitsprinzip als spezifischem Offenbarungsmedium auf den Grund zu gehen. Peter L. Berger hält fest, dass es in allen Religionen die Position des „heiligen Narren“⁹⁵ gegeben hat.⁹⁶ Dabei handelt es sich um eine paradoxe Figur in dem Sinne, dass ausgerechnet „die ekstatische Absurdität“⁹⁷ ihres Verhaltens, der Verzicht auf die Würde des Erhabenen und die Weisheit der Konvention einen sakralen Status genossen. Tatsächlich konnten sowohl wirkliche Geistesgestörte als auch spielende Narren als heilig gelten.⁹⁸ Die sakrale Überhöhung des Abnormen und Normwidrigen kann mit Rudolf Ottos religionsphänomenologischer These plausibilisiert werden, nach der in der grotesken Seinsgestalt des Narren die Essenz des religiösen Erlebnisses verborgen ist: Die „grob verzerrte“⁹⁹ Wahrnehmung des Anderen in der Begegnung mit dem Numinosen schlägt sich nieder in der Auflösung existenzieller Gewohnheiten und sprachlicher Gewissheiten.¹⁰⁰ Wenn das Lachen mit Plessners phänomenologischen Bestimmungen als Antwort auf die Erfahrung der personalen Grenzsitua-
P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 221. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 221. In diesem Punkt besteht kein Unterschied zwischen fernöstlicher Spiritualität (Taoismus, ZenBuddhismus, die wandernden Sanyasins in Indien), den polytheistischen Religionen der Ureinwohner Afrikas, Nord- und Südamerikas und den monotheistischen Schriftreligionen (Judentum, Christentum und Islam). Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 221. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 222. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 221. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 222. Thomas Mann hat die Clowns vielsagend als „Mönche des Unsinns“ (von Barloewen, Clown, 72) bezeichnet.
3.2 Narren in Christo
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tion verstanden wird, dann kann es auch die leibseelische Resonanz auf das Widerfahrnis des Numinosen sein.¹⁰¹ Da das Numinose und das Absurde wiederum nah beieinander liegen, ist der Weg nicht weit von den „grotesk geformten Gottheiten“ des Hinduismus und des „tibetanischen Buddhismus“¹⁰² und der erkenntnistheoretischen Skepsis der Veden zur absurden Komödie.¹⁰³ Die „Unmöglichkeit einer Beschreibung der letzten Wirklichkeit“¹⁰⁴ steht einerseits im Zusammenhang mit dem „Niedergang der Religion“, andererseits deutet sie die „Möglichkeit einer jenseitigen Realität“¹⁰⁵ an, die sich allerdings nur in uneindeutigen Bildern beschreiben lässt.¹⁰⁶ Das wiederum ist die Berufung des religiösen Narren, dessen Grundzüge Gisela Matthiae am Modell des Clowns expliziert hat. Weil der Clown mit seinem Rollenspiel die Grenze „zwischen herrschenden Diskursen und individuellen Erfahrungen“¹⁰⁷ markiert und die Möglichkeiten der Positionsbestimmung ausreizt, kann er die bestehenden Regelsysteme und Funktionszusammenhänge dekonstruieren. Im religiösen Kontext verhindert er damit Tendenzen des Missbrauchs wie die Selbstvergottung, „das Erstarren in toten Ritualisierungen“, die Trennung in „Eingeweihte und Laien“, die „Sakralisierung kontingenter Formen und Inhalte“.¹⁰⁸ Im lustvollen Sprachspiel relativiert der Clown die herkömmlichen Symbolisierungen, indem er immer wieder neue Bilder und Beziehungsmuster herstellt und widerruft.¹⁰⁹ Das fluide und ambivalente Gottesbild, das auf diese Weise entsteht, spiegelt sich in der Verflüssigung gesellschaftlicher Rollenbilder und normativer Fixierungen.¹¹⁰ Das Spiel des Clowns mit verschiedenen Sinnwelten und Identitäten gleicht einer „Reise ins Ungewisse“¹¹¹: Es drückt eine „ironische Distanzierung“¹¹² von allen Funktionsimperativen und Identitätsvorgaben aus und richtet sich gesellschaftskritisch gegen repressive und destruktive
Vgl. Ridder, Erlösendes Lachen, 195. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 222. Alfred Jarry hat mit der „Gegensprache und Antilogik“ seiner ‚pataphysischen‘ Theologie im Grunde die Brücke zurückgeschlagen vom Moderne-Paradigma des Absurden zum „klassischen Narrentum“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 213). P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 215. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 216. Berger beruft sich hier auf Martin Esslin, The Theater of Absurd, New York 1961, 229 ff. Vgl. Matthiae, Clownin, 265. Matthiae, Clownin, 303. Matthiae, Clownin, 270. Vgl. Matthiae, Clownin, 302 f. Vgl. Matthiae, Clownin, 265. Matthiae, Clownin, 300. Matthiae, Clownin, 302.
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Ideale.Weil der Clown sein Wesen nur im Augenblick offenbart, eröffnet er auf der anderen Seite den Möglichkeitsraum für die Selbsttranszendenz im Sinne einer veränderten Wirklichkeitserfahrung, einer verschobenen Selbstwahrnehmung und einer erweiterten Handlungsfähigkeit.¹¹³ Für die systematisch-theologische Deutung des Clownshandelns ist zum einen der Offenbarungscharakter des komischen Zerrspiegels und der aufgefalteten Sehnsuchtswelten relevant, zum anderen der ideologiekritische Sündenbegriff und das inkarnatorische Verkündigungsmodell. Denn als „leidende und gebrochene Existenz“¹¹⁴ verkörpert der Clown das Leiden und die Fragmentarität der Umwelt. Er verleiblicht seine Botschaft oder umgekehrt: reaktiviert mit seinem körperlichen Sein die verlorene Stimme.¹¹⁵ Im Alten Testament ist der Narr zwar überwiegend negativ konnotiert als Frevler und Tor (vgl. I.3.1 und II.2.1).¹¹⁶ Jesus Sirach, die Spruchweisheit und Kohelet kontrastieren den Leichtsinn der „lachenden Narrheit“¹¹⁷ mit dem Ernst der Weisheit.¹¹⁸ Doch nimmt die „heilige Narrheit“ in den exzentrischen Handlungen einiger Propheten im Stile der „wandernden Ekstatiker“¹¹⁹ und in den ekstatischen Zuständen von Schlüsselfiguren der Heilsgeschichte Gestalt an.¹²⁰ Das heilsgeschichtliche Kontinuum selbst kann als Signatur eines clownesken Geist-
Vgl. Matthiae, Clownin, 303 f. Matthiae, Clownin, 264. Vgl. Matthiae, Clownin, 298. Vgl. Wehrli, Christliches Lachen, 29. Hüttinger, Die Kunst, 86. Vgl. auch Kuschel, Christus, 115 f. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 222. Einige Propheten machen sich zu Narren (Hosea 9,7), sie treiben ihre „verrückten Reden und Spiele“ (Mathiae, Clownin, 283) auf die Spitze, um sich Gehör zu verschaffen, und bezahlen ihre Kühnheit mit Verbannung (Jeremia) und Tod (Jesaja). Jesaja läuft drei Jahre nackt herum (20,3), Jeremia zerschmettert einen Krug (Kap. 19) und hängt sich ein hölzernes Joch um den Hals (Kap. 27), Amos beschimpft die Reichen mit derben Worten (4,1), der ‚Liedermacher‘ Ezechiel schneidet auf den Befehl Gottes hin seine Haare in extravaganter Weise (5,1 f.) und verkündet „unbequeme Wahrheiten“ (Matthiae, Clownin, 283) wie ein Rhapsode des Straßentheaters (21,1– 12). Vgl. zu Ezechiel auch Jürgen Ebach, Der Tanz im Alten Testament, 43. Saul gerät wiederholt in Ekstase (1 Sam 19,18 – 24), auch bei seiner Salbung (10,10 ff.), der nackte oder wenigstens halbnackte König David tanzt ausgelassen vor der Bundeslade (2. Sam 6,14– 22). Die Erwählten agieren in der dionysischen Entrückung nicht siegesgewiss, im Gegenteil: Sie erleben einen Machtverlust und setzen sich dem Spott aus. Da ihre Identität im Moment der Ekstase verunklart ist, verwirren sie die Menschen und fordern sie zur „Überprüfung ihrer Vorstellungen, Erwartungen und Ordnungen“ (Matthiae, Clownin, 282) heraus. Als die von Mose berufenen Ältesten in einen Zustand der Verzückung geraten (Num 11,25 – 30), sind sie unfähig, dem darbenden Volk kraft ihrer Autorität auf die Beine zu helfen (vgl. Matthiae, Clownin, 282).
3.2 Narren in Christo
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wirkens gelesen werden, als göttliche Komödie mit überraschenden und amüsanten Wendungen.¹²¹ Der göttliche Erziehungsstil initiiert nicht etwa lineare, vernunftgeleitete Lernprozesse, sondern chiffriert das Verhältnis von Gott und Mensch im Duktus einer höheren Ironie,¹²² im Spiel mit den Torheiten und Widersprüchlichkeiten des Menschen, in den Finten des Enthüllens und Verbergens, den Listen indirekter Mitteilung, im Geheimnis, im Wunder, in der Bestätigung und Aufhebung des Paradoxen.¹²³ Die pädagogische Ironie erweist sich als die Mitteilungsform des deus absconditus: Sie ist der theologischen Wahrheit geschuldet, dass der Mensch durch eine zu hohe Dosis der Gotteserkenntnis vernichtet würde.¹²⁴ Man könnte die göttliche Komödie mit der Erschaffung des Menschen aus jenem Rohmaterial (‚Klumpen‘, ‚Klotz‘) beginnen lassen, das auch der Etymologie des ‚Clowns‘ zugrunde liegt, mit dem neugierigen, genussfreudigen, ungehorsamen Verhalten der ersten Menschen oder mit dem Ursprungsmoment der „Genealogie des Volkes Israel“¹²⁵, der wundersam-witzigen Schwangerschaft einer unfruchtbaren Frau. Doch auch die Erzählepisoden um den Richter Gideon (Ri 7), um Bileams Eselin (Num 22), um die Arche Noah (Gen 6), Abrahams Verhandlungen mit Jahwe (Gen 18) oder den Propheten Jona enthalten Elemente des Wunderbaren oder Wunderlichen, des grotesken Humors und clownesken Witzes. Die Helden in diesen Erzählungen tragen Züge des Clowns: Sie sind menschlich in
Vgl. Matthiae, Clownin, 280 f. und II.2.3. Matthiaes Metapher von der Clownin Gott schließt das Wesen Gottes mit Verletzlichkeit, Offenheit, Scheitern, Barmherzigkeit, Geduld und kämpferischem Enthusiasmus zusammen (vgl. auch Wo der Glaube, 180 ff.). Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 47 f. Ezra BenGershôm hat den jüdischen Gott folgerichtig als einen Schachspieler bezeichnet (vgl. Der Esel, 154 ff.) und auch Luther hat in seiner antisemitischen Schrift Von den Juden und ihren Lügen (1543) das Heilshandeln des alttestamentlichen Gottes mit den Kategorien des Scherzes und des Spiels beschreiben (vgl. Morgenstern, Humor, 123). Die Ironie Gottes manifestiert sich in der Verhüllung seiner Identität (Exodus 3,14), in der Verheimlichung seiner Intentionen oder der Irreführung menschlicher Erwartungen. In der Urszene göttlicher Ironie, dem Turmbau zu Babel (Gen 11,1– 9), spielt der amüsierte Gott mit der Hinfälligkeit menschlicher Werke (vgl.Voeltzel, Das Lachen, 49 f.). Die spöttische Ironie göttlichen Redens und Handelns, die die heilsgeschichtlichen Zeugnisse durchwebt, lässt hinter dem Muster von Geduld, Zorn und Gnade die Heiterkeit Gottes erahnen (vgl. 53 ff.). Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 111– 114. In der Schrift Kohelet hat der biblische Kanon daher den Skeptizismus in sein Weisheits- und Wahrheitskonzept integriert. Die Skepsis des Glaubens in Kohelet bezieht sich zwar zuallererst auf die Dauerhaftigkeit der Dinge und die Verlässlichkeit menschlicher Handlungsmotive (Voeltzel, Das Lachen, 99 ff.). Doch verschafft sie auch der Unverfügbarkeit Gottes Geltung und gibt damit den Rahmen für die Gotteserkenntnis vor (Koh 8,17). Matthiae, Clownin, 281.
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der Art und Weise ihres Suchens und Scheiterns, in ihrer Unsicherheit, Verlorenheit und Hoffnung.¹²⁶ Im Hinblick auf das Neue Testament lag es nahe, das überlieferte Jesusbild vor dem Hintergrund der Narrentradition zu deuten: Die inkarnationstheologische Geburtslegende, der Topos der Jungfrauengeburt weist über sich hinaus auf die paradoxe Natur und die Rollenambivalenz des Tricksters.¹²⁷ Der Triumphzug nach Jerusalem auf dem Rücken eines Esels wird zum Zeichen der selbstgewählten Narrenrolle.¹²⁸ Das „Evangelium und die Clownerie“ gehen „einen Bund miteinander ein“,¹²⁹ die Lächerlichkeit der Erscheinung verhüllt die wahre Größe des Messias und macht sie doch erst sichtbar. Diese Paradoxie der närrischen Wahrheit durchwaltet sowohl den Daseinsvollzug als auch die Lehre des Jesus von Nazareth. Wenn Harvey Cox Jesus mit dem spottenden Hofnarren, dem Harlekin und dem autoritätskritischen Clown vergleicht, dann handelt es sich dabei um symbolsprachliche Annäherungen an das Geheimnis des Christus,¹³⁰ der laut Cox einen Spiel-Geist „in einer Welt kalkuliert nützlicher Ernsthaftigkeit“¹³¹ verbreitete. Wie ein wandernder Troubador verzichtet Jesus auf Privatbesitz und Familie, wie ein Bänkelsänger ist er auf Festen zugegen.¹³² Er pflegt offenen Umgang mit Frauen, lässt sich von einer Prostituierten salben und von einer Fremdländerin belehren. Er beschimpft religiose Autoritäten, jagt die Händler aus dem Tempel
Vgl. Matthiae, Clownin, 282 ff. Unter den Propheten werden vor allem Bileam und Jona, den Gott „auf spielerisch-humorvolle Weise zu belehren“ (BenGershôm, Der Esel, 160) versucht, satirisch gezeichnet. Bileam und Balak können auch als Komikerpaar betrachtet werden, wobei Balak den Weiß-Clown und Bilead den Dummen August repräsentiert. Vgl. Matthiae, Humor, 3.3.2., BenGershôm, Der Esel, 156 – 161 und Aaron Schart, Jona als Satire, 79 – 89. Die Volksfrömmigkeit und die Populärliteratur stellten die Züge des Tricksters oder Schelmen noch deutlicher heraus, um der menschlichen Entwicklung des Gottessohnes Konturen zu geben (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 68). Das „apogryphe Thomas-Evangelium“ erzählt von den „Lausbubenstreichen“ (68) des jungen Jesus, dessen keckes Lachen gleichwohl bereits seinem prophetisch-charismatischen Selbstbewusstein entspringt (vgl. Lichtenberger, Da lachen, 110), und „im Laufe der Jahrhunderte blühten die Legenden von den Spitzbübereien Jesu“ (Jacobelli, Ostergelächter, 68), die auch für den risus paschalis Verwendung fanden. Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 223 und Thielicke, Das Lachen, 119 f. Thielicke, Das Lachen, 120. Jürgen Peter Albert hat dagegen mit Moltmann (vgl. Die ersten Freigelassenen, 34 f.) bestritten, dass Jesus Christus „mit den Symbolen des Komischen“ überhaupt „dargestellt und begriffen“ werden könne, da jene „den Widerspruch von Essenz und Existenz“ (Albert, Humor, 147) explizieren, während eine christonome Symbolik die Einheit des Christus abbilden müsse. Damit blendet Albert aber schlichtweg das mit dem Inkarnationsgedanken gegebene christologische Paradox aus. Cox, Das Fest, 188. Vgl. Cox, Das Fest, 183.
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und legt die Gesetze neu aus: Darum kann er sich mit Kleinkriminellen solidarisieren, die Anklage gegen die Ehebrecherin auf den Kopf stellen und am Sabbat heilen.¹³³ Die Favorisierung „der geistigen Einfalt“¹³⁴ gegenüber der Weltweisheit in den Seligpreisungen und bei der Segnung der Kinder markiert die närrische „Umwertung der bisherigen Verhaltens- und Werteskalen“¹³⁵ in der jesuanischen Lehre¹³⁶ und damit die humorvolle Befreiung von Gesetzmäßigkeiten und Herrschaftsverhältnissen, die ironische Distanz zu gängigen Funktionsmechanismen, die Verweigerung des Spiels nach den geltenden Regeln.¹³⁷ Wenn Jesus „gängige Muster“¹³⁸ bricht und die vorherrschenden Heilserwartungen desavouiert, dann ahmt er den Verhaltenstypus des Tricksters nach. Auf diese Weise dynamisiert er das doktrinäre Wahrheitsverständnis, transformiert es ins unverfügbar Paradoxe, zugleich entzieht er seine eigene Identität jeglichen Versuchen der Fixierung.¹³⁹ Das Selbstoffenbarungshandeln Jesu, das im Modus des Verschwindens, Verweigerns und Verrätselns sein Geheimnis zu wahren sucht,¹⁴⁰ setzt die ironische Geschichtsschreibung Jahwes fort, in der „das Echo des Lachens Gottes“¹⁴¹ zu vernehmen ist. Die Verkündigungssprache Jesu mit ihren „grotesken Bildern“ (Mt 7,3 ff., MK 10,25) und „kühnen Gleichnissen“¹⁴² (Lk 15), den schlagfertigen Vergleichen (Mt
Vgl. Matthiae, Clownin, 285 f. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 223. Matthiae, Clownin, 285. Besonders die eschatologische Ambivalenz der Bergpredigt trägt offensichtlich die Züge des Närrischen: Der Versuch einer radikalen Umsetzung der ethischen Norm würde in die Groteske kippen, er wäre das lächerliche Unterfangen, die Bedingungen unseres In-der-Welt-Seins zu überspringen. Die Pointe der Bergpredigt besteht jedoch in dem Perspektivwechsel des Evangeliums, das die Kluft dieser Welt zum Eschaton zwar am Maßstab der Ewigkeit auslotet, damit aber nicht eine doktrinäre, sondern eine selbstironische Haltung fördert (vgl. Thielicke, Das Lachen, 129 – 133). Vgl. Matthiae, Clownin, 284– 288. Matthiae, Clownin, 284. Vgl. Matthiae, Clownin, 288. Wenn Jesus das Närrische als Erscheinungsform des Göttlichen wählt, dann verhindert er damit, dass das Göttliche „in der bloßen Funktionalisierung menschlicher Bilder“ (Matthiae, Clownin, 270) aufgeht. Vgl.Voeltzel, Das Lachen, 62 ff. Das ist jedenfalls die Pointe des markinischen Narrativs, dem zufolge Jesus auch Wert darauf legte, dass seine Wunder unbemerkt bleiben. Darum wirken sie wie Clownesken, wie unerwartete, scheinbar zufällige Ereignisse (vgl. Matthiae, Clownin, 286). Voeltzel, Das Lachen, 61. Laubach, der Hoffnung, 33. Vor allem die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen (Lk 15) und vom bittenden Freund (Lk 11,5–8) appellieren an die weise Narrheit des glaubenden Menschen (vgl. Matthiae, Clownin, 286 f., Louis Kretz, Witz, Humor und Ironie bei Jesus, 60 – 66 und Martin Ebner, Jesus – manchmal ein Schalk, 242– 247).
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22,15 – 22) und den hintersinnigen rabbinischen Rückfragen (Mt 16,2 f.) nimmt das Prinzip der verhüllenden Doppelsinnigkeit in sich auf.¹⁴³ Die Komik und Ironie der indirekten Mitteilung erweist sich als das Verkündigungsmedium, das dem Evangelium angemessen ist.¹⁴⁴ Denn es transportiert Wahrheit in Möglichkeitsgeschichten, die „duale Wertsysteme“¹⁴⁵ aushebeln, Perspektiven verschieben und clowneske Daseinsräume eröffnen.¹⁴⁶ Als „inkarnierte Torheit Gottes“¹⁴⁷ provoziert Jesus den Widerstand seiner Umwelt: Selbst seine eigenen Anhänger erklären ihn zeitweilig für verrückt (Mk, 3,20 f.)¹⁴⁸ und so endet seine irdische Existenz beinahe folgerichtig mit der Spottkrönung durch die römischen Soldaten. Am Kreuz hängt nicht der „lachende Erlöser“, sondern der „verlachte Narr“: Die „königlichen Gewänder“¹⁴⁹, die Dor-
Vgl. auch Lichtenberger, Da Lachen, 99 ff. Wenn Jesus in seinen Gleichnissen das Heilige profaniert und damit verfremdet, dann weist er es in seiner „numinosen Unnahbarkeit“ (Thielicke, Das Lachen, 118) aus. Hans von Campenhausen hat dagegen energisch bestritten, dass das Neue Testament im Allgemeinen oder die Gleichnisse Jesu im Besonderen humoristische Züge tragen, womit er Bultmanns Diktum bestätigt (vgl. Das Christentum, 209). Van Campenhausen vertritt noch die überkommene Sicht, wenn er auf den radikalen Ernst der Heilsbotschaft verweist, die den Menschen zur Umkehr und Nachfolge aufrufe und keinen Raum für die distanzierte Haltung des Humors lasse (vgl. Christentum, 324). Das Neue Testament drängt laut von Campenhausen zur Erfüllung und Vollendung hin und erlaube nicht die „Halbheit“ (324) – heute würde man von Ambivalenz sprechen – die für das Komische kennzeichnend ist. Dieser Sicht hat sich noch vor einigen Jahren Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der EKD, angeschlossen (vgl. Die 101 wichtigsten Fragen, 44). Laut René Voeltzel steht das Selbstbewusstsein Jesu als Anfang, Mitte und Vollender des Reiches Gottes dagegen nicht im Widerspruch zu den „doppelsinnigen Verhaltensweisen“ (Das Lachen, 70) des Nazareners und den Verborgenheiten in seiner Lehre, sondern bildet geradezu die Voraussetzung für jene. Auch Georg Luck hält fest, es könne kein Zweifel daran bestehen, „dass Jesus Sinn für Humor hatte“ (Humor, 766). Hans Conrad Zander (vgl. Darf man, 33 – 37) hat Jesus gemäß dem traditionellen Vorverständnis eine Komik der Belehrung, Überführung, Aufrüttelung unterstellt, die ihm auch dazu verhalf, seinen Gegnern ‚das Maul zu stopfen‘ (Luther). Matthiae, Clownin, 287. Helmut Thielicke hat Brecht’sche Verfremdungseffekte gefordert, um eingeschliffene Traditionsbahnen zu verlassen und das Unerhörte, Überraschende des Evangeliums wieder zur Geltung zu bringen (vgl. Das Lachen, 119). So hat Franco Ferrucci in seinem Bildungsroman Die Schöpfung. Gottes Geschichte von ihm selbst (1988) das „imaginative Inkarnationsprinzip“ (Kurz, Gott, 136) in der Gestalt des Schelms modelliert und einen Gott erfunden, der mit Sprachwitz, Ironie und heiterer Gelöstheit auf die Menschen zugeht. Ferrucci spielt auf diese Weise mit dem orthodoxen Gottesbild und bricht es auf: Damit löst er beim Leser unvorhersehbare Reaktionen aus (vgl. 134– 140). Kuschel, Lachen, 138. Vgl. Matthiae, Clownin, 284. Kuschel, Lachen, 140.
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nenkrone und die Zeichen über dem Haupt ziehen den Herrschaftsanspruch des Messias ins Lächerliche, degradieren ihn zur Spottkarikatur. Doch in einer letzten ironischen Volte erhöht die heilsgeschichtliche Deutung die leidende und erniedrigte Existenz des Gottesknechts zum Vorbild der geistlichen Identität. Der „König der Narrheit“¹⁵⁰ erhält in der christlichen Ideengeschichte den Rang des humanen Idealtypus.¹⁵¹ Die Umwertung des Narrentums und seine Aufwertung zum Nachfolgeprinzip verdankt sich der paulinischen Christologie (1 Kor 1,18 – 31; 3,18 f.). Denn sie versteht das Bekenntnis zum „Mysterium der Inkarnation“ und zur paradoxen Einheit von „kenotischem Christus“ und „Christus Victor“¹⁵² als Übernahme der mit dem christologischen Paradox gegebenen Narrenidentität.¹⁵³ Die Narrheit war für Paulus mehr als nur ein Lehr- oder Erziehungsmittel, sie war die Spielform seines Denkens¹⁵⁴ und die „Substanz seines Lebens“¹⁵⁵ und die Narrenrede ein genuiner Ausdruck der imitatio Christi, insofern als sie die traditionellen Verstehensmuster und herrschenden Ordnungsprinzipien auf den Kopf stellt.¹⁵⁶ Von der biblisch-theologischen Grundlegung aus lassen sich nun die frömmigkeitsgeschichtlichen Linien des Narrentums ausziehen. Drei Grundtypen können unterschieden werden, a) die prophetische Deiktik, b) die kreuzestheologisch
P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 223. Mit dem Karnevalskönig oder dem „Scheinkönig eines Bacchanals“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 223) verbindet den Narrenkönig Jesus Christus die befristete und bloß geliehene Macht sowie die Absetzung unter Spott und Gelächter (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 80). Die Künstler James Ensor (Christ’s Entry into Brussels, 1889) und George Rouault (1871– 1958) stellten Jesus im Clownsgewand dar, Georg Hauptmann in Der Narr in Christo Emanuel Quint (1910) oder Heinrich Böll in Ansichten eines Clown (1963) „setzten das Motiv des Narren in Christo episch um“ (vgl. Kuschel, Lachen, 139 f.). P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 224. Die Ablehnung der Botschaft von der „Freiheit des Glaubens“ (Thielicke, Das Lachen, 119) und den Spott über den irrationalen Kern der christlichen Lehre (1 Kor 4,10; Apg 26,24 f.) beantwortet der Christus-Narr mit der Bereitschaft zum stellvertretenden Leiden und Martyrium (vgl. Matthiae, Clownin, 289/294 f.). Die patristische Theologie nahm die paulinische Idee der Narrheit auf, Tertullians Satz ‚Ich glaube es, weil es absurd ist‘ war rezeptionsgeschichtlich einflussreich. P. L. Berger hat auf der Basis von Jarrys ‚pataphysischer‘ Theologie die Überlegung angestellt, ob nicht umgekehrt die Absurdität der Welt den Glauben hervorruft (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 217). Bader, Assertio, 83. In diesem Zusammenhang ist der unbestimmte Hinweis des Paulus auf seine Schwäche oder sein Leiden bedenkenswert (2 Kor 12,7). Es sind Vermutungen angestellt worden, dass Paulus von epileptischen Anfällen heimgesucht wurde. Epileptiker galten aber in der Antike grundsätzlich als heilige Narren (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 224). Vgl. Matthiae, Clownin, 289.
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nobilitierte Passion, c) die christologisch-eschatologische Umwertung. Dabei handelt es sich aber eher um variierende Konglomerate von Merkmalen, eine saubere Trennung erlauben die jeweiligen Phänotypen kaum. a) Die Exzentrik des prophetischen Narrentums lebte vor allem in der „östlichen Orthodoxie“¹⁵⁷ weiter. Bereits im dritten und vierten Jahrhundert verkörperten die Wüstenväter die Idee der Torheit und Selbsterniedrigung.¹⁵⁸ Mutmaßlich unter dem Einfluss der Wüsteneinsiedler wie Markus der Verrückte¹⁵⁹ traten ab dem 6. Jahrhundert die „heiligen Narren“ in Erscheinung: Maria von Antiochien verkleidete sich als Prostituierte und erregte gemeinsam mit ihrem Verlobten Theophilus den Volkszorn durch „bizarres und oft obszönes Verhalten“¹⁶⁰. Einige der frühchristlichen Mönche Syriens wie Symeon von Emesa (6. Jht.)¹⁶¹ wählten die radikale Askese als Kontrastfolie für die Vermittlung sittlicher Wahrheiten im Medium des Scherzens und Lachens.¹⁶² In späterer Zeit fielen Andreas von Konstantinopel (gest. um 946), der vormalige Eremit Isaakij aus dem berühmten Kiewer Höhlenkloster (11. Jht.) oder Basilius der Einfältige (gest. 1550) durch anstößiges Verhalten auf.¹⁶³ Die russischen Christusnarren des 15.–17. Jahrhunderts¹⁶⁴ präsentierten sich auf der Grundlage von 1 Kor 3,18 f. und 4,10 als mittellose und unbekleidete Asketen, um mit exzentrischen Possen und Beschimpfungen die „Unsittlichkeit der Menschen“ an den Pranger zu stellen, wobei sie die Zuschauer allerdings nicht
P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 225. Im westlichen Mönchtum war die Beziehung von Irrsinn und Sakralität nicht in gleicher Weise repräsentiert (vgl. Hüttinger, Die Kunst, 81), im Gegenteil, der heilige Wahnsinn bezeugte die „Gegenwart von Dämonen“ (Peter Hauptmann, „Die Narren um Christi willen“ in der Ostkirche, 37). Vgl. Feuerstein, Heilige Narren, 36. Vgl. Feuerstein, Heilige Narren, 38. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 225. Symeon soll einmal im Gottesdienst Nüsse geworfen und Kerzen ausgeblasen haben (vgl. Hauptmann, Die Narren, 33). Die Christus-Narren folgten damit sowohl einem individualistischen Konzept der Erlösung als auch dem Auftrag des Dienstes an der Gesellschaft (vgl. Dmitrij S. Lichačev/Aleksandr M. Pančenko, Die Lachwelt des alten Russland, 102). Peter Hauptmann hat gleichwohl den motivationalen Aspekt der Belehrung in Frage gestellt (vgl. Die Narren, 44 f.). Vgl. Hauptmann, Die Narren, 30. Andreas lief nackt umher, schlief bei „herrenlosen Hunden“ (Berger, Erlösendes Lachen, 226) und trank aus Pfützen (vgl. Hauptmann, Die Narren, 34). Vgl. Lichačev/Pančenko, Die Lachwelt, 85 – 180. In der „westeuropäischen Kultur“ (Feuerstein, Heilige Narren, 42) gewann die Idee der närrischen imitatio Christi erst seit Bernhard von Clairvaux an Bedeutung: Besonders Franz von Assisi, der sich anlässlich seiner Bekehrung nackt in der Öffentlichkeit präsentierte, erlangte den Ruhm der Nachwelt mit seinem Verzicht auf Familie und Besitz.
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zum Lachen, sondern zum Weinen über die „Lächerlichkeit der Welt“¹⁶⁵ bringen wollten.¹⁶⁶ Dabei folgten sie in grotesker Verkehrung des paulinischen Märtyrergedankens dem Grundsatz der rückhaltlosen Selbsterniedrigung durch die Hingabe an das Sündhafte.¹⁶⁷ Mit Invektiven, körperlicher Exhibition und lästerlichen Handlungen zogen sie die Verachtung des Publikums auf sich und provozierten es, sie zu schlagen oder „mit Steinen, Schmutz und Kot“¹⁶⁸ zu bewerfen. Dennoch galten sie als Propheten und man versuchte ihre Rätselrede zu entschlüsseln.¹⁶⁹ Zu ihren „pneumatischen Fähigkeiten“¹⁷⁰ rechnete man auch übersinnliche Wahrnehmungen, „Macht über die Dämonen“¹⁷¹, bizarre Heilkräfte und Wundertätigkeiten sowie „Symptome leiblicher Verklärung“¹⁷².
Hüttinger, Die Kunst, 81. Die russischen Christusnarren folgten damit der biblischen Überlieferung, dass das Lachen von Verblendung, von der Verkennung der Wahrheit zeuge (vgl. Lichačev/Pančenko, Die Lachwelt, 95). Die Selbsterniedrigung, die im antiken Kynismus ein Vorbild hatte, gab dem Christus-Narren das symbolische Recht zur Kritik und Beschimpfung der Welt (vgl. Lichačev/Pančenko, Die Lachwelt, 93). Wie die Kyniker missachtete er sittliche und ästhetische Ideale: In seiner ostentativen Hässlichkeit knüpfte er an die frühchristliche Dämonisierung der Schönheit an und grenzte sich zugleich von Ästhetisierungstendenzen der Kirche ab (vgl. 94/100). Lichačev/Pančenko, Die Lachwelt, 105. Vgl. Renate Lachmann, Einleitung, XII. Die Christusnarren der Ostkirche sind laut Matthiae vom 4.–19. Jht. bezeugt (vgl. Clownin, 290). Ihre Vorbilder waren Geistesschwache, die oft nur lallend sprechen konnten; doch deutete man ihre sinnlosen Kehllaute als Zeichen einer in Unordnung geratenen Welt (vgl. Nigg, Der christliche Narr, 251 f.). In Russland galten die Gottesnarren im 15.–17. Jahrhundert als performative Instanzen zur Beglaubigung religiöser Mysterien und sie spielten gelegentlich sogar Lizenzen zur Regierungskritik aus (vgl. Lichačev/Pančenko, Die Lachwelt, 130), ehe die Ära der kirchlichen Heiligsprechung endete (vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 227). Moskauer Autoritäten unterdrückten fortan das Narrentum, erst im 19. Jht. traten wieder närrische Asketen in Erscheinung (vgl. Hauptmann, Die Narren, 31). Zudem erfreute sich der heilige Narr in der russischen Nationalkultur großer Beliebtheit und verbuchte mit Dostojewskis Der Idiot (1868/69) noch einmal einen Höhepunkt (vgl. Berger, Erlösendes Lachen, 225): Der Gottesnarr Myschkin erlebt seine „epileptischen Anfälle“ als „mystische Offenbarung“ (Nigg, Der christliche Narr, 389), seine stammelnden Worte bezeugen „religiösen Enthusiasmus“ (390) und eine „höhere Idiotie“ (391), in der sich auch die kindliche Naivität des Glaubens spiegelt. Hauptmann, Die Narren, 45. Hauptmann, Die Narren, 48. So heißt es von Vasilij von Moskau (gest. 1552), dass den Schutzengeln seine Küsse und „den Dämonen seine Steine“ (Hauptmann, Die Narren, 46) galten. Hauptmann, Die Narren, 46. Solche Attribute entsprechen natürlich dem Jesusbild der Evangelien und weisen zurück auf den eremitischen Ursprung solcher spirituellen Kräfte (vgl. Hauptmann, Die Narren, 47).
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Die Nacktheit des Christus-Narren repräsentierte den asketischen, engelgleichen Leib und gleichermaßen die stinkende, satanische Körperlichkeit.¹⁷³ Sie symbolisierte eine „künstliche Kindlichkeit“¹⁷⁴ ebenso wie die Missachtung aller Anstandsnormen und sozialen Rollen.¹⁷⁵ Die Merkmale des Vagabunden und Habenichts besaßen den zeichenhaften Wert der „Zurückweisung weltlicher Bindungen und Sicherheit“¹⁷⁶ nach dem Vorbild des Wanderpredigers Jesus von Nazareth.¹⁷⁷ In den Lumpen der Armut führten die heiligen Narren die Verderbtheit des Reichtums vor Augen und protestierten gegen „jegliche Verbürgerlichung des Christentums“¹⁷⁸. Auch das Possenspiel von „geistlichen Raubrittern“¹⁷⁹ wie Jacopone da Todi (1230 – 1306)¹⁸⁰ oder Filippo Neri (1515 – 1595)¹⁸¹ war ein Instrument der überfallartigen „Kultur- und Kirchenkritik“¹⁸². Georg Feuerstein geht davon aus, dass es dabei nicht um die Propagierung einer neuen Ordnung ging, wie es „konventioneller Weisheit“ unterstellt werden kann, sondern im Gegenteil Vgl. Lachmann, Einleitung, XII. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 228. Vgl. auch Feuerstein, Heilige Narren, 407. Eine Untergrundströmung „russischer Spiritualität“ (P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 227), die noch bis zum sinistren Rasputin „am Hof des letzten Zaren“ (228) reichte, verstand tatsächlich das (sexuelle) Sündigen als Übung in christlicher Demut. Diesem sogenannten Antinomianismus entsprach im Judentum die Ketzerbewegung des Sabbatianismus, die die Apostasie und überhaupt „die Verletzung aller moralischen und rituellen Gebote des Judentums“ als „Schlüssel zum messianischen Mysterium interpretierte“ (277). Isaac Bashevis Singers Roman Satan in Goraj (1933) hat diese Ideenwelt illustriert (vgl. 277). P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 228. Thomas Brandlmeier hat Charlie Chaplin als eine „christologische Figur“ (Das Groteske, 244) bezeichnet, da er die Typologie des Tramps mit dem moralisch-messianischen Anspruch des Menschenfreundes zu einem widersprüchlichen Erscheinungsbild verbinde. Federico Fellini hat ihn einen ‚Priester und Propheten‘ genannt (Zander, Darf man, 196). Hauptmann, Die Narren, 49. „Die Schauspiele der Christusnarren“, so Lichačev/Pančenko, dienten dazu, die „ewigen Wahrheiten“ (Die Lachwelt, 100) zu erneuern und die erkaltete Leidenschaft zum Leben zu erwecken. Nigg, Der christliche Narr, 46. Religiöser Enthusiasmus brachte Jacopone einmal dazu, sich völlig zu entkleiden und „auf allen Vieren“ herumzukriechen, wobei er wie ein Pferd einen Sattel auf dem Rücken trug und „ein eisernes Gebiss“ (Feuerstein, Heilige Narren, 39) im Mund hatte. Von Filippo Neri ist überliefert, dass er sich gelegentlich nur halb rasierte, „die Nase in einen Strauß Disteln steckte, als wären sie die köstlichsten Blumen“, und „die Kleidung des Kardinals“ (Matthiae, Wo der Glaube, 89) parodierte. Wenn er unversehens in Trance oder Rauschzustände verfiel, gab er das Bild eines „komischen Heiligen“ (Zander, Darf man, 192) ab, doch als solcher war er in der Bevölkerung und selbst bei den Klerikern derart beliebt, dass er den Papst oder den „vatikanischen Hofstaat“ zur Zielscheibe seiner Witze machen konnte und es sich sogar erlaubte, langweilig predigende Priester zu unterbrechen und zu mokieren, bis „sich die ganze Kirche vor Lachen bog“ (193). Die Kardinäle empfanden es als Ehre, wenn Filipo Neri sie parodierte (vgl. 15). Matthiae, Clownin, 290.
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um die Zerstörung der sozialen Ordnungsmodelle und des kulturellen Zeichensystems:¹⁸³ „Verrückte Weisheit“, erklärt Feuerstein, ist „erleuchtete Bilderstürmerei“.¹⁸⁴ Mit dem Verzicht auf philosophische Bildung zugunsten einer „höheren Weisheit“¹⁸⁵ orientierten sich die heiligen Narren an Paulus.¹⁸⁶ b) Das Credo einer radikalen imitatio christi schloss eine grenzenlose Leidensbereitschaft ein. Klaus Heinrich hat das Narrentum daher als eine Demutsübung auf dem ideengeschichtlichen Humus von „römischem Totenkult und christlichem Mysterium“ gedeutet: Der mittelalterliche Narr verkörperte die „umgekehrte Hiob- oder Christusrolle“¹⁸⁷. Vor diesem Hintergrund bezeichnete Henry Miller in seiner Erzählung Das Lächeln am Fuße der Leiter (1948) den Clown als „handelnden Dichter“ , der die Geschichte von „Verehrung, Aufopferung, Kreuzigung“¹⁸⁸ zu seiner eigenen macht. Der Kabarettist Michael Birkenheimer erklärt, dass der Clown die Urform der Melancholie visualisiere, indem er seinen Zuschauern den „Abschied vom Paradies“¹⁸⁹ vor Augen führt. So trägt er, meint die Clownin Gardi Hutter, als Anti-Held das Kreuz für das ganze Publikum.¹⁹⁰ Er ist der „Stellvertreter hinsichtlich des Schmerzes und der Sehnsucht“¹⁹¹ und in dieser quasi-christologischen Stellvertreterfunktion zugleich Hoffnungsträger. Denn wenn er selbst auch die „Last der Welt“ nicht überwinden kann und unerlöst bleibt, so rührt er doch das Publikum zu Tränen und bereitet ihm das „erlösende
Einige russische Christusnarren zogen sich aus der korrumpierten „Zeichenordnung der kommunikativen Sprache“ (Lachmann, Einleitung, XII) in die Glossolalie oder das Schweigen zurück. Auch die Clowns und Komiker der Moderne, Harpo Marx, Harold Lloyd oder der junge Charlie Chaplin, blieben oft stumm (vgl. von Barloewen, Clown, 48). Feuerstein, Heilige Narren, 369. Feuerstein geht so weit, die närrische „Umkehrung der Werte“ im nietzscheanischen Sinne zu deuten und mit dem „Tod des väterlichen Gottes“ (Heilige Narren, 16) gleichzusetzen. Das Lachen, das die heiligen Narren nährten, besaß jedoch wie bei Nietzsche auch ein „konstruktives Element“, da es mitten im Chaos „eine Welt verletzter Beziehungen“ herstellte, „eine Welt der Hässlichkeiten, logisch nicht gerechtfertigter Korrespondenzen, […] der Freiheit von Konventionen“ (Lichačev/Pančenko, Die Lachwelt, 1) P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 228. Die kulturgeschichtliche Abdankung der heiligen Narren im 17. Jahrhundert fällt folgerichtig mit der Aufklärung zusammen (vgl. Feuerstein, Heilige Narren, 43). Heinrich, Theorie, 26. Vgl. auch von Barloewens Hinweis auf die „messianischen Züge“ (Clown, 153) des Clowns. Henry Miller, Das Lächeln am Fuße der Leiter, 56. Dimitri, Humor, 117. Vgl. Dimitri, Humor, 88 f. Matthiae, Clownin, 294.
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Lachen“¹⁹². Dies vermag er deswegen, weil er einerseits seine Begrenzungen realistisch einschätzt, sich zu seiner fragmentarischen Identität und Verletzlichkeit bekennt und andererseits als Grenzgänger zwischen Himmel und Erde von den Möglichkeitsräumen und den Potentialen der Erneuerung zeugt, die sich jenseits der konformistischen Wahrnehmungsmuster eröffnen. Der Clown scheitert und fängt neu an, er balanciert auf der Grenze, um alternative Daseinsperspektiven und Handlungspotentiale zu entdecken.¹⁹³ Er spielt mit dem „Ernst des Lebens“ und kann sich, ohne auf eine „gute Figur“¹⁹⁴ achten zu müssen, ganz den Möglichkeiten des Augenblicks widmen.¹⁹⁵ So verunsichert er die Menschen in ihrem Rollenkonzept und nimmt sie an in ihrer Fragmentarität,¹⁹⁶ eröffnet ihnen die „Utopie einer Existenz“, die „befreit wäre von der Last des Man-selbstSeins“.¹⁹⁷ Der berühmteste Narr der Literaturgeschichte, der Don Quijote Cervantes, tritt in eben diesem Sinne als heiliger Narr in Erscheinung. Der ,Ritter von der traurigen Gestalt‘ transzendiert die Grenzen der Alltagswelt und des ,gesunden Menschenverstandes‘ mit dem Sprung in eine fiktional ausgekleidete Phantasie-
Prütting, Homo ridens, 604. Der Clown verhilft dem Menschen dazu, das Lachen zu entdecken, das „aus Tränen geboren“ (Dimitri, Humor, 57) wird, und sich der Freude zu überlassen, die sich einstellt, wenn der Ausstieg aus der Anstrengung des Vergleichens, Zergliederns und Besitzens gelungen ist. Vgl. Matthiae, Clownin, 294– 297. Matthiae, Clownin, 297. Barbara Ränsch-Trill erkennt im Clown ein Modell für die Affirmation des Lebens im Angesicht des Todes (vgl. Harlekin, 175). Vgl. Matthiae, Clownin, 297. In den USA hat die Clownerie im Bereich der kirchlichen Diakonie und Krankenhausseelsorge seit den 60er Jahren einen Aufschwung erlebt (vgl. Matthiae, Clownin, 290ff.). Im Gottesdienst wurde durch Rev. Floyd Shaffer 1969 das liturgical clowning eingeführt, das Elemente des Spiels, des Tanzes und der Pantomime enthält. Liturgical clowns gehen nach Gottesdiensten oft noch auf die Straße. In Deutschland hat Fritz Rohrer diese Bewegung importiert. Für die Pastoraltheologie haben Heije Faber (Profil eines Bettlers? Der Pfarrer im Wandel der modernen Gesellschaft, 1976), Henning Luther (Pfarrer und Gemeinde, Protestantische Gedanken zu einem ungeklärten Verhältnis, in: Ev. Theologie 44, Jg. 1984, 26 – 45) und Albrecht Grözinger (Praktische Theologie und Ästhetik, 259 – 270) das Prinzip der clownesken Verkehrung als eine Möglichkeit erkannt, die sakrale und moralische Überhöhung des Priesters zu unterlaufen, Hierarchien zu verkehren und das Selbstbewusstsein der Gemeinde zu stärken. Den clownesken Pfarrer verkörpert Grözinger zufolge derjenige, der sich als Masken-Träger versteht und daher „stets auch als ein Anderer und deshalb Veränderbarer erfahren“ (Praktische Theologie, 270) wird. Die therapeutische Dimension des Clownesken lotet Andrea PfandlWaidgasser in ihrer Dissertation Spielerischer Ernst, Clowneske Interventionen in der Krankenhausseelsorge (2011) aus. In der kirchlichen Erwachsenenbildung und Theaterarbeit findet die spirituelle Dimension des Clownesken zunehmend Beachtung (vgl. Kaiser, Lachwurz, 314 f.). von Barloewen, Clown, 93.
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welt, oder, wie man aus christlich-theologischer Sicht sagen könnte: in den Glauben. Kierkegaard, der sich mit seinen Pseudonymen selbst ironisch inszenierte¹⁹⁸, hat ihn den ‚Glaubensritter‘ genannt, der dem Bedingten mit Unbedingtheit begegnet: So erkennt er hinter der Fassade des Seienden den dunklen Hintergrund böser Mächte und entzieht der Verabsolutierung des Relativen, im Kierkegaard’schen Denken der strukturelle Kern der Sünde, den Boden.¹⁹⁹ Die poetische Narrheit des Don Quijote²⁰⁰ erweist sich als „Vorspiel zur Überwindung der empirischen Welt“²⁰¹ und so kommt den Niederlagen des Wahnsinnigen die höhere Rechtfertigung zu, dass sie eine metaphysische Wahrheit bezeugen.²⁰² Der närrische Zerrspiegel hat die Funktion eines abgedunkelten Fensterglases im Sinne von 1 Kor 13,12: Denn die „Magie der Gegenwelt“ resultiert nicht aus der kritischen Überbelichtung, sondern aus dem „Schattenspiel göttlicher Wirklichkeit“.²⁰³ c) Auf den Don Quijote trifft zu, was auch für den „satirischen Autor“ kennzeichnend ist: Etwas an ihm „passt nicht in die Welt“, etwas, das er als „SeinSollen dem So-Sein“ gegenüberstellt, eine Weisheit, die andere „als Narren prädiziert“.²⁰⁴ Indem er das Überrationale, den „himmlischen Wahnsinn“²⁰⁵ verkörpert, setzt er Evangelium und Narrheit in eins. Wenn wir die Weisheit des Don Quijote auf die christliche Identität übertragen und mit Luthers paradoxalen Bestimmungen zum Narrenbegriff operieren, dann kann festgehalten werden, dass sich der Mensch, der der Logik des Sancho Pansa folgt und die Christusoffenbarung als Narretei betrachtet, coram deo selbst als Narr erweist.²⁰⁶ Die närrische Menschwerdung Gottes ist die Referenzgröße für die nötige Selbsterkenntnis des Sünders. Erst das „absolute Scheitern der natürlichen Vernunft“²⁰⁷
Vgl. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 34 f. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 126 f. Die Narrheit, so Michael Strauss, bewahrt den Menschen davor sich prometheisch zu überheben (vgl. Komische Heilige, 38). Constantin von Barloewen deutet die „clowneske Erfahrung“ als Gleichzeitigkeit von „ekstatischer Transzendenz“ und „tiefer Versenkung in das Leben“ (Clown, 139). Das Spiel des Clowns konzentriert „das Ganze des Seins“ in der „einfachsten und wirksamsten Form“ (150), es macht die „Gegenwart des Ewigen“ erfahrbar und vermittelt dem verlassenen „Menschen der Moderne“ (154) auf diese Weise ein Gefühl der Geborgenheit. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 230. Vgl. Thieliecke, Das Lachen, 125 ff. und von Barloewen, Clown, 103 ff. P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 229. Bader, Assertio, 84. Nigg, Der christliche Narr, 274. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 124 ff. Steiger, Das Lachen, 407.
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an der Narrheit Gottes, die das Vernünftige närrisch erscheinen lässt und das Närrische weise, ermöglicht den Glauben.²⁰⁸ Es geht bei Luther in enger Anlehnung an Paulus zuletzt darum, den „von der Macht der Sünde geprägten Narrenstand gegen […] den göttlichen“²⁰⁹ einzutauschen.²¹⁰ Die zentrale Stellung des Närrischen im theologischen Wahrheitskonzept Luthers und Erasmus’ von Rotterdam hat Günter Bader in einer luziden Studie theologisch ausgeleuchtet.²¹¹ Erasmus hat im Lob der Torheit der „scholastischphilosophischen Weisheit“²¹² den ironischen Spiegel vorgehalten,²¹³ er hat den Dogmatismus in den Skeptizismus getrieben und die „skeptische Aphasie“²¹⁴ wiederum aufgelöst in der Narrenrede,²¹⁵ die in „mystische Ekstase“ und „fromme Verzückung“²¹⁶ mündet. Denn die Narrenrede verdankt sich nicht der „selbstbewussten Subjektivität“²¹⁷, sondern der „Universalität der Sprache“²¹⁸. Sie vollzieht sich im Modus des Sichfahrenlassens und erhebt Anspruch darauf, sowohl Quell der Offenbarung als auch „Substrat alles Lebens und der ganzen Welt“²¹⁹ zu sein.
Luther, der vom „närrischen Schusterpoeten Hans Sachs“ als „Wittenbergisch Nachtigall“ (Thiede, Das verheißene Lachen, 120) verspottet wurde, hat seine eigene publizistische Offensive in der Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) als „Narrenspiel“ (WA 6, 427) bezeichnet und sich selbst in der Rolle des „Hofnarren“ (WA 6, 404) gesehen. Tatsächlich erinnerte sein Auftreten an den Hofnarren, der die Wahrheit in Ironie, Polemik und Schmähungen verpackt, ohne Respekt vor Autoritäten oder Angst vor den Konsequenzen (vgl. Richert, Kleine Geistesgeschichte, 130, Thiede, Das verheißene Lachen, 120 und Eric W. Gritsch, Martin – God’s Court Jester, 1983). Steiger, Das Lachen, 411. Zu den närrischen Konstituenten des Heilsgeschehens rechnet Luther auch die Unverfügbarkeit der göttlichen Gnade und die Paradoxie der Taufe als sakramentalem Zeichen (vgl. Steiger, Das Lachen, 411). Vgl. Günter Bader, Assertio, Drei fortlaufende Lektüren zu Skepsis, Narrheit und Sünde bei Erasmus und Luther, 1985. Matthiae, Clownin, 293. Erasmus folgt damit Nikolaus von Kues (1401– 1464), der die paulinische Vernunftkritik wieder aufgegriffen und den Grundsatz der „gelehrten Unwissenheit“ (Feuerstein, Heilige Narren, 360) vertreten hatte. Die Selbstbegrenzung der Vernunft im Hinblick auf die Vergegenwärtigung des „unendlichen Grundes“ korrespondiert bei Nikolaus mit einer „Haltung der Demut und Offenheit dem Unendlichen gegenüber“ (359). Bader, Assertio, 94. Vgl. Bader, Assertio, 66. Kuper, Zur Semiotik, 82. Bader, Assertio, 73 Bader, Assertio, 93. Bader, Assertio, 90. Die Narrenrede entlarvt die Leibverachtung und das Sapientia-Ideal des Stoizismus als „Affekt absoluten Selbstbesitzes“ (Bader, Assertio, 117), sie verleibt sich das ra-
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Die Narrheit enthüllt sich somit als Göttin eines ganz bestimmten Gewährens:²²⁰ Der „verkehrten Welt“ der stultitia, jener Kunstfigur des Erasmus, die die Narrheit mit ihren ironischen Willensgeschichten und Affektumwandlungen personifiziert, liegt die Verschiebung vom „liberum zum servum arbitrium“²²¹ zugrunde. Indem die stultitia sich der bacchantischen Überfülle, dem überschüssigen Schabernack der Sprache überlässt,²²² überführt sie die Fiktion der närrischen UrAssertio²²³ in den „Zustand der Bewusstheit“²²⁴. So unterspült sie den Grund der allgemeinen Meinung und verknüpft „die Gegensätze durch ist“²²⁵, den Tag und die Nacht, das Leben und den Tod. Jeder Gedanke enthält die „Inversion seiner selbst“²²⁶, selbst die Theodizeefrage, die sich „silenisch zum Indikativ“ wendet: „Den Guten geht es schlecht und den Schlechten gut“.²²⁷ Um die „letzte Metasprache“ sprechen zu können, muss die Narrenrede allerdings „Rede der Narrheit über die Narrheit“²²⁸ sein. Daher verwickelt sich die stultitia selbst in das unauflösbare Narrenspiel: Ihre selbstironische Narrenrede nach dem Vorbild des Paulus (2 Kor 11,1– 12,11)²²⁹ kann auch als performativer Akt der Selbstentlarvung verstanden werden.²³⁰ In der Theologie Martin Luthers besetzt der Deus absconditus die Stelle der Urassertio: Als „Chiffre einer Erfahrungszumutung“, wie sie nicht zuletzt die „Verkehrung von Leben und Tod“²³¹ darstellt, entzieht sich der Deus absconditus dem sprachlichen Zugriff. Der „urassertorischen Sprachverwirrung“ entspricht die „gänzliche Deformation von Selbst- und Gotteserkenntnis“,²³² doch die
tionale Ethos ein und bindet die Sapientia mit der ungehemmten Affektivität der Torheit zusammen: Nur so kann sie eine „umfassende Lebensformel liefern“ (118). Vgl. Bader, Assertio, 75. Bader, Assertio,118. Vgl. Bader, Assertio, 66/88. Die dionysische Offenbarungsrede transzendiert die „eingezirkelte Bildungssprache“ (Bader, Assertio, 98) und tritt somit ganz aus sich heraus. Organ göttlicher Wahrheit kann sie jedoch nur deswegen sein, weil sie zugleich als selbstvergessene „Reflexion-InSich“ (127) ganz bei sich bleibt. Die Ur-Assertio erweist sich als „Durcheinander aller möglichen Potentialitäten“, als „wildes Gemenge und Gewoge gegenseitigen Sich-Setzens und Sich-Vernichtens“, das der „Logik des Traums“ (Bader, Assertio, 126) zu folgen scheint. Bader, Assertio, 73. Vgl. Bader, Assertio, 119. Bader, Assertio, 119. Bader, Assertio, 121. Bader, Assertio, 98. Vgl. Bader, Assertio, 79. Vgl. Fietz, Von der Sündhaftigkeit, 192. Bader, Assertio, 127. Bader, Assertio, 185.
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„närrische Offenbarung der Sprache“ bringt das verborgene „Dunkel der Welt“²³³ ans Licht. In der Konfrontation mit der Unwillentlichkeit des Deus absconditus wiederum zeichnet sich das servum arbitrium ab, mit dem „zuletzt und zutiefst ein Selbstbewusstsein gemeint ist“²³⁴, das seine Mitte gefunden hat. Denn die „göttliche Ironie“ der Urassertio erhellt nicht nur die unzulässige Vermischung des Heiligen mit der „Sprache des vielwähnenden gesunden Menschenverstandes“, sie gibt in abermaliger ironischer Verkehrung „den Blick auf eine ursprünglichere Sprache“²³⁵ frei, auf die noch „närrischere Narrheit“ der communicatio idiomatum, die in dem Satz „Deum esse hominem“²³⁶ gipfelt. „Wenn der Deus absconditus hervortritt“, dann sind menschliche und „göttliche Natur der Sprache“²³⁷ im Sinne der communicatio idiomatum vereint. In der „Disputation von 1540“ hat Luther jene nova lingua entdeckt, die mit den „Formeln ironischen Unernstes“ den „religiösen Ernst“ bekundet, dass „der Arme reich, […], der Bettelmann ein Fürst, […] der Todkranke gesund und der Knecht ein freier Herr aller Dinge“²³⁸ ist. Die Theologie der Postmoderne geht von der lingua nova in gewisser Weise wieder zurück zur närrischen Urassertio, wenn sie die verhüllende Selbstoffenbarung Gottes in Exodus 3,14 und das Messiasgeheimnis als Absage an das theistische Postulat einer „monadischen Subjektposition“²³⁹ versteht. Das postmoderne Gottesbild entsteht im narrativen Kontext der Begegnung jenseits von Ganzheitskonzeptionen und absoluten Setzungen.²⁴⁰ Daher ist auch die Gottebenbildlichkeit nicht als „geschlossene Identität“²⁴¹ zu verstehen, im Gegenteil: Die clowneske Weltsicht entlarvt die Zufälligkeit, Vorläufigkeit und Sinnlosigkeit aller „totalitären Identitätsvorstellungen“²⁴² (vgl. Lk 9,24). Sie bewahrt damit auch die „religiösen Symbole“²⁴³ vor dem Missbrauch. Der Blick in den närrischen Zerrspiegel eröffnet ein „Spiel des Erkennens“, das jedoch nicht auf die Absicherung von Idealbildern zuläuft, sondern auf die „Erschließung neuer Seinsmöglichkeiten“.²⁴⁴ Die geschichtliche Verheißung der Gottebenbildlichkeit (Gen
Bader, Assertio, 127. Bader, Assertio, 185. Bader, Assertio, 152. Bader, Assertio, 153. Bader, Assertio, 152. Bader, Assertio, 150. Matthiae, Clownin, 296. Vgl. Matthiae, Clownin, 296. Matthiae, Clownin, 296. Matthiae, Clownin, 295. Matthiae, Clownin, 294. Matthiae, Clownin, 296.
3.2 Narren in Christo
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1,27) erfüllt sich in der wechselseitigen Spiegelung der clownesken Subjekte und des clownesken Gottes.²⁴⁵ Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Gedankengang dieses Kapitels ziehen? Wenn das Narrentum eine anthropologische Variable des Lachens darstellt, dann konturiert der theologie- und kulturgeschichtliche Abriss der närrischen Seins- und Denkweisen nicht nur die religiöse, sondern auch die religionskritische Dimension einer ins Lachen entgrenzten Existenzform. Das närrische Lachen erweist sich als Movens einer Dialektik des Glaubens. Es zersetzt die vernetzten Symbolisierungskünste, hebelt die dogmatischen Architekturen aus und wirft den Menschen damit auf den ungesicherten Ur-Grund seiner Existenz zurück, auf dem sich ihm die göttliche Wirklichkeit erst erschließt. Das närrische Lachen kann daher vorläufig als Artikulationsform einer Dialektischen Theologie bestimmt werden, deren negativer Offenbarungsbegriff Gott als das schlechthin Unverfügbare und begrifflich nicht Definierbare markiert. Doch das närrische Lachen erschöpft sich nicht in einer formalen Negativbestimmung. Denn es lässt auch den postmodernen Skeptizismus hinter sich, indem es Wahrheiten, die in hegemonialen Diskurssystemen verloren gingen, wieder zum Vorschein bringt, und zwar einmal so, dass die Erscheinungsform und Zeichenhandlung des Narren jene Wahrheiten performativ in Szene setzen. Der christliche Narr etabliert in dem Sinne eine neue Unbedingtheit, dass er mit Leib und Leben die Existenzberechtigung jener Wahrheiten verbürgt. Er zeugt von einer inkarnationstheologisch grundierten Humanität, die sowohl die Verabsolutierung von Wahrheitskonzepten als auch die relativistische Gleichsetzung aller Wertmaßstäbe als sublimen Totalitarismus entlarvt. Das Lachen des christlichen Narren kann den Protest gegen Exklusions- und Repressionsmechanismen jedoch nur deswegen zum Ausdruck bringen, weil es aus einer Offenbarungsquelle schöpft, die sich im Sinne Luthers als eschatologische Grammatik einer paradoxen Neucodierung bestimmen lässt. In diesem Koordinatensystem ist dem Menschen eine unverrückbare Position zugewiesen, so dass ihm die Narrenfreiheit erwächst, sowohl die weltlichen Macht- und Wahrheitsansprüche als auch den dogmatischen und rituellen Zugriff auf die Wirklichkeit Gottes im Lachen aufzulösen und auf der anderen Seite Spielräume der Daseinsentfaltung zu erschließen. Dabei verliert sich die christliche Narrenfreiheit weder in einer Ästhetik des Ungefähren noch bindet sie sich an normative Konzepte wie das Präskript einer Entelechie oder andere totalitäre Konzepte von Identität. Vielmehr nimmt sie ihren Ausgangspunkt in einer einzigen elementaren Wahrheit, die mit dem Evangelium als Urtext
Vgl. Matthiae, Clownin, 296.
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3 Lachen als Diskurs über Identität, Sinn und Wahrheit
der humoristischen Bejahung des Humanen gegeben ist, um von dort aus in allen möglichen Gestalten und Metamorphosen jene göttlich-humane Essenz des Daseins zu verkörpern und zu vervielfältigen.
3.3 Erschütterungen, Entdeckungen und Erleuchtungen – die Ästhetik der Wahrheitsvermittlung Die Entdeckung der närrischen Wahrheit ist der eine Ansatzpunkt einer im engeren Sinne offenbarungstheologischen Qualifizierung des Lachens, der andere ist im Bereich der Hermeneutik und Homiletik zu suchen, also auf der Ebene der subjektiven Erschließung und ästhetischen Vermittlung jener Wahrheit. Die entscheidende Weichenstellung ist mit der Übertragung des Inkarnationsgedankens auf die Darstellungsformen des Sakralen vollzogen: So wie in der Figur und im Geschick Jesu von Nazareth das Heilige und das Profane, das Würdevolle und das Lächerliche miteinander verschränkt sind, durchkreuzt die Ästhetik des Komischen die „Trennlinie zwischen dem Unmittelbaren […] und dem Allerheiligsten“²⁴⁶. In seiner Reich-Gottes-Verkündigung hat Jesus mit grotesken Bildern (Mk 10,25), kühnen (Lk 15) oder lustigen Gleichnissen (Luk 14,15 – 24), entwaffnenden Antworten (Joh 8,7) und paradoxalen Radikalismen (Luk 9,60) selbst immer wieder diese Grenze überquert und die vorfindliche Wirklichkeit transzendiert, in den Augen der Zeitgenossen eine machtkritische Provokation.²⁴⁷ Paulus wiederum bedient sich der parodistischen Redeweise, wenn er in seiner Narrenrede in 2 Korinther 11,16 – 12,10 zwischen Person und Eigenschaften, innerem und äußerem Menschen unterscheidet, er benötigt die Figur der Paradoxie, um die Schwäche seines empirischen Ich und die Stärke seiner christozentrischen Identität aufeinander beziehen und den Charakter des Evangeliums profilieren zu können.²⁴⁸
Köster, Wir können, 200. Vgl. Kuschel, Lachen, 134 und Lichtenberger, Da Lachen, 101. Alexander Jaklitsch hat im Johannes-Evangelium verschiedene „Grundformen situativer Ironie“ (Lächelnd, 166) identifiziert, die darauf hindeuten, dass „sich für den Evangelisten eine (Er)Kenntnis Jesu immer nur gebrochen, geradezu paradoxal […] vollzieht“ (165 f.). Die Ironie, die sich im Rollenwechsel (Joh 2,1– 11), im Missverständnis (Joh 3,1– 11) oder in der ‚Fremdprophetie‘ (Joh 4,1– 26) verbirgt, kennzeichnet „eine assoziativ oder bisoziativ zu bearbeitende Deutungsoffenheit“ (172). Jaklitsch entdeckt in jener „rhetorischen Ironie“ (172) des Johannes-Evangeliums einen mystagogischen Humor, der durch die Spannungen des Textes, in denen sich „Inkohärenzen der menschlichen Existenz“ (274) spiegeln, hindurch zur spirituellen Tiefendimension führt. Vgl. Vouga, Gott, 142 ff. Indem Paulus seine „Leiden und Schwächen“ aufzählt, „persifliert [er] den Topos des Selbstruhms“ (Lichtenberger, Da lachen, 105).
3.3 Erschütterungen, Entdeckungen und Erleuchtungen
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Die „jüdisch-christliche Tradition“ ließ die antike Stiltrennung hinter sich und löste die Grenzen von „Ernst und Scherz“²⁴⁹, Niederem und Erhabenem auf.²⁵⁰ Werner Schneider geht davon aus, dass die Kirche einmal voll des Lachens war, weil sie wusste, dass das Höchste und Niedrigste, das Weise und das Abseitige auf grotesk-komische Weise verschwistert sind.²⁵¹ Der heilsgeschichtliche Überlieferungszusammenhang legte ihr nahe, dass der biblische Gott eher eine Affinität zum Lächerlichen, Skurrilen und Verspotteten besitzt als zu weihevoller Liturgie und „eifernden Predigten“²⁵². Damit ist aber zugleich gesagt, dass genau jene semantischen Konfigurationen als Offenbarungsmedien fungieren, auf die der Mensch mit dem Lachen antwortet. Dem Lachen kommt in diesem Rezeptionsverhältnis die Bedeutung zu, eine Einsicht, eine Entdeckung oder Erkenntnis körpersprachlich zu vergegenwärtigen und zu beglaubigen und zwar einmal im Sinne einer Wirkung und zum anderen als Verweis. Sein Offenbarungscharakter besteht also darin, dass es der Reibung des Sakralen und Profanen unmittelbar entspringt und zugleich eine bestimmte Wahrheit der sinnlichen Erfahrung zugänglich macht. Wenn wir nun zunächst einigen kultur-und kultgeschichtlichen Strängen folgen und in der sakralen Kunst, der geistlichen Dichtung, dem rituellen Bühnenspiel und der Verkündigungspraxis auf Spuren einer solchen inkarnatorischen Ästhetik und Rhetorik stoßen, dann begegnen wir von Mal zu Mal auch jenen Elementen des Lachens wieder, die wir in II.1 und II.2 nachgewiesen haben. Die offizielle theologische Norm grenzte das Lachen zwar seit altkirchlicher Zeit aus dem kultischen Vermittlungsgeschehen aus,²⁵³ war jedoch bei der Etablierung liturgischer Formen und Gebrauchsliteratur nur eingeschränkt bindend. Die mittelalterlichen Gebetbücher kennzeichnete das Nebeneinander der Sphären des Komischen und Sakralen dergestalt, dass die Marginalien die „heilsge-
Wehrli, Christliches Lachen, 22. Das belegt alleine die Vielfalt der karikaturistischen, parodistischen und satirischen Komik im Alten Testament samt ihrer grellen, drastischen und makabren Farbtöne (vgl. Matthiae, Humor, AT). Vgl. W. Schneider, In die Kirche, 60. W. Schneider, In die Kirche, 60. Besonders die alttestamentlichen Erzählungen boten Lachanlässe: Gottes widerwillige Vergebungsbereitschaft nach dem Tanz um das Goldene Kalb, der Kinderwunsch Saras, der betrügende und betrogene Jakob, die Ohnmacht des allmächtigen Gottes als Lehrer Israels, der „ekstatisch tanzende König David“ (W. Schneider, In die Kirche, 57). Winterer, David, 50 f. Ekklesiologische Schriften wie Hrabanus Maurus’ De institutione clericorum (819) postulierten, dass nur „Eintracht, Hingabe [und] Reue“ (Winterer, David, 48) den Ursprung der Messe, das „blutige Selbstopfer“ und „Leiden des Gottessohnes“ (49) angemessen vergegenwärtigen. Prinzipiell war auch die Präsenz des Komischen in einem Messbuch, das auf dem Altar, dem „heiligsten Ort der Liturgie“ (53) seinen angestammten Platz hat, ein Skandalon.
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3 Lachen als Diskurs über Identität, Sinn und Wahrheit
schichtlichen Miniaturen“ parodierten oder sie mit „obszönen Szenen“²⁵⁴ kontrastierten und ihnen auf diese Weise einen gegenläufigen, subversiven Sinn einschrieben.²⁵⁵ „Die Autorität des Zentrums“²⁵⁶ war in solchen derb-komischen oder raffiniert-witzigen Bild-Text-Kombinationen hintersinnig in Frage gestellt.²⁵⁷ Darüber hinaus gab es seit der Cena Cypriani (ca. 400, zweite Fassung 9. Jht.) „literarische Parodien von Liturgie und biblischen Inhalten“²⁵⁸. Auch im geistlichen Spiel des Mittelalters waren parodistische Umbildungen von „Evangelientexten, […] Pater noster, [….] Ave Maria oder […] Credo“²⁵⁹ nicht unüblich. Die Vielzahl an Phänomenen parodistischer oder grotesker Komik in der kirchlichen Kultpraxis und den christlichen Verkündigungsformen deutet darauf hin, dass das Komische vielerorts nicht als Sakrileg, sondern im Gegenteil als performativer Akt der Erneuerung des Sakralen verstanden wurde.²⁶⁰ So erzeugte die mittelalterliche Heiligenlegende eine Komik, die das Erhabene im Profanen und das „Höchste […] im Niedrigsten“²⁶¹ aufleuchten ließ und zugleich die „Unangemessenheit alles Irdischen dem Göttlichen gegenüber“²⁶² vor Augen führte. Die „komischen Wunderdarstellungen“²⁶³ bezeugten einen Bereich jenseits der rationalen Ordnung, den der Leser „lachend bejahen“²⁶⁴ konnte. Die witzige
Anja Grebe, An den Rändern der Kunst, 165. Im Sakramentar von Gellonet, das um 790 für die Kathedrale von Cambrai verfasst wurde, sind die karikaturistischen Inhalte sogar in die Initialen integriert und tauchen nicht nur wie in den „ab 1250 aufkommenden gotischen Drolerien“ (Winterer, David, 54) am unteren Seitenrand auf. Es stellt damit ein außergewöhnliches Dokument des Vordringens komischer Elemente in die Sphäre des Sakralen dar (vgl. Winterer, 53 f.). Zur monastischen Kritik an der grotesken Komik der Drolerien vgl. Mo. Müller, Das Lachen, 82. Grebe, An den Rändern, 178. Im Laufe des 13. Jahrhunderts verblasste sogar der Rückbezug der Marginalillustrationen auf die „sakralen Texte“ (Markus Müller, Odisti observantes vanitates supervacue, 184) wie die Psalmen 1, 30 oder 52. In einem um die Wende zum 14. Jahrhundert entstandenen Stundenbuch sind am unteren Seitenrand eine Nonne und ein Mönch in musizierender und tänzerischer Pose abgebildet: Hier ist die kirchliche Lehrintention vollkommen zugunsten einer humoristischen Anspielung auf die „Selbsttitulatur der Bettelorden als joculatores Domini“ (186) verschwunden. Velten, Sakralisierung, 117. Die Cena Cypriana wurde sogar von Gelehrten wie Hrabanus Maurus bearbeitet und in der mittelalterlichen Kirche für den risus paschalis verwendet. Dass es sich bei den lateinischen Parodien und Satiren um Dichtungen von Klerikern handelte, muss als umso stärkerer Beleg dafür gelten, dass die sakrale Sphäre nicht jegliche Unterhaltungsbedürfnisse im Keim erstickte (vgl. Suchomski, Delectatio, 29 f.). Schnell, Geistliches Spiel, 93. Vgl. Velten, Sakralisierung, 117. Haug, Das Komische, 266. Haug, Das Komische, 267. Velten, Sakralisierung, 117. Haug, Das Komische, 267.
3.3 Erschütterungen, Entdeckungen und Erleuchtungen
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Montage des Unheiligen ins geistliche Spiel befreite das Heilige erst aus seiner opaken Unverfügbarkeit; das „Lachen über die Komödie“ bedingte die „Erfahrbarkeit des Heiligen“²⁶⁵. Allerdings war die Ästhetik der Stilmischung oft auf katechetische Zwecke abgestimmt. So bediente sich die repräsentative Illustrationskunst der Kirche seit dem frühen 9. Jahrhundert und vermehrt im 11. und 12. Jahrhundert der Ikonographie der verfemten „Gaukler und Jongleure“²⁶⁶, um vor der „Eitelkeit und Nichtigkeit der Welt“²⁶⁷ zu warnen. Die moralpädagogisch codierte schwankhafte Klosterliteratur²⁶⁸ unterlief das noch von der „cluniazensischen Reform“²⁶⁹ erneuerte Verbot einer Kultur des Scherzens und Lachens und konstituierte eine Lachpraxis mit heilstheologischer Demonstrationsabsicht.²⁷⁰ Die Franziskaner, die im Zuge der frömmigkeitsgeschichtlichen Erneuerung im 13. Jahrhundert als ioculatores Domini in Erscheinung traten, setzten auf die dialektische Mechanik, dass sich der Genuss triumphalen Lachens selbst diskreditiert und einer tieferen Selbsterkenntnis Raum gibt.²⁷¹ Im mittelalterlichen Mysterienspiel erschreckte und belustigte der „wilde Harlekin“²⁷², eine Personifikation des Teufels, die Zuschauer.²⁷³ Einerseits erlaubte Hans Rudolf Velten, Kontrastmedium – Lachritual – Unterhaltung, 97. Ma. Müller, Odisti, 179. Ma. Müller, Odisti, 181. Ekkehard IV. (ca. 980 – 1060) ergänzte als Chronist des St. Galler Klosterlebens im 10. und 11. Jahrhundert (Casus Sancti Galli) die historiographische Haltung um fiktional-anekdotische Erzählelemente (vgl. Werner Wunderlich, „…iocundum quiddam de eo dicemus“, 3 – 27). Scherz und Posse verflocht er in episodenhaften pointiert-komischen Dialogszenen zu burlesken „ergötzlichen Geschichten“, die einerseits von der Lebendigkeit des monastischen Alltags zeugen sollten, andererseits in katechetischer Absicht „Torheit und Lasterhaftigkeit“ vorführten, um „mönchische Weisheit und christliche Tugend“ (10) umso schärfer von ihr abgrenzen zu können. Die St. Galler Klostergeschichten illustrieren darüber hinaus, dass selbst ranghohe Geistliche provokativen und ungenierten Scherzen nicht abgeneigt waren, wie etwa Bischof Salomo von Konstanz, der zwei schwäbische Grafen in Anwesenheit des Königs dem Spott preisgab (Gerd Althoff, Vom Lächeln zum Verlachen, 8). Wunderlich, iocundum, 23. So soll eine Gruppe von Mönchen den wenig anerkannten Mitbruder Sindolf in die Rolle des Teufels gedrängt haben, um ihn verprügeln und auslachen zu können (vgl. Nitschke, Die lachenden fränkischen Könige, 604). Stagl, Nichtlachen, 93 f. Diesem Vorbild folgte z. B. der Bußprediger Bruder Diotisalve, einer der ioculatores domini, der durch teils ordinäre Witze seine Zuhörer beschämte und belehrte (vgl. Stagl, Nichtlachen, 93). Margery Kempe, eine „religiöse Exzentrikerin“ (93) des 14. Jahrhunderts, lachte in Gegenwart von Geistlichen, um an der Zurückweisung und Demütigung durch die Autoritäten ein Exempel christlichen Martyriums statuieren zu können. Dreßen, Possen, 149.
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3 Lachen als Diskurs über Identität, Sinn und Wahrheit
er das ungenierte Erzählen der Zoten, den unsanktionierten Spott gegen die obrigkeitlichen Instanzen und zitierte andererseits warnend die lasterhafte Vergangenheit.²⁷⁴ Die Fastnacht-Schaubräuche konnten, wenn wir Dietz-Rüdiger Mosers umstrittenen Deutungsansatz folgen wollen,²⁷⁵ Instrumente eines kirchlichen Lehrprogramms sein:²⁷⁶ Das saturnalisch-satanische Weltreich wurde durch die „typischen Fastnachtfiguren, […] Teufel, Hexen, Riesen, […] Narrenkönige und -prinzen“²⁷⁷ derart abschreckend dargestellt, dass die allegorische Botschaft nicht zu übersehen war. Der Ausgang der „närrischen Turniere“²⁷⁸, die Stigmatisierung der Narrenfiguren als Schellenträger gemäß der von der Perikopenordnung vorgesehenen „Epistel des Fastnachtsonntages, 1. Korinther 13“²⁷⁹ oder die demütige Abschiedsrede des Fastnachtkönigs zielten jeweils darauf, die menschliche Lasterhaftigkeit als den hinfälligen babylonischen Weg zu markieren und für die „Hinwendung nach Jerusalem“²⁸⁰ zu werben. Die für das sakrale lateinische Drama des 16. und 17. Jahrhunderts maßgeblichen „Studienordnungen der Jesuiten“²⁸¹ erlaubten die Heiterkeit der Theaterproduktion nur, sofern sie Lernprozesse förderte und den Codex der religiösen Ehrfurcht nicht verletzte. Jacob Bidermann, der bedeutendste jesuitische Dramatiker im 17. Jahrhundert, bildete in seinen Stücken das sacrum risibile am äs-
Der ästhetischen Strategie der Amalgamierung des Clownesken und Diabolischen im Mittelalter haben noch der moderne Schelmenroman (Günter Grass’ Blechtrommel) und die zeitgenössische Unterhaltungskultur (Batman-Verfilmungen, Romane Stephen Kings) zu neuer Popularität verholfen (vgl. Erhart-Wandschneider, Das Gelächter, 117 f.). Vgl. Dreßen, Possen, 150. Dass sich Mosers Ansatz kulturgeschichtlich nicht konsistent verifizieren lässt, haben wir bereits in I.2.2 gesehen. Laut Hans Rudolf Velten trifft Mosers Deutung jener närrischen Festkultur, die keineswegs „auf die Tage zwischen Fastnachtsonntag und Aschermittwoch beschränkt“ (Scurrilitas, 127) war, nur auf wenige Tugendspiele und (jesuitische) Lehrstücke wie Jacob Maasens Rusticus imperans (1647/57) zu, das die Antithetik von vergänglichem Fastnachtkönig und überzeitlichem Reich Gottes inszenierte (vgl. auch Wels, Der theologische Hintergrund, 395 – 398). Die meisten Fastnachtspiele waren dagegen aufgrund der überragenden Rolle von Lach- und Narrenfiguren Lustspiele zum Zweck der Unterhaltung (vgl. Velten, Scurrilitas, 257 f.). Die Kontrastierung von Fastnacht und Fastenzeit war Moser zufolge theologisch durch das eschatologische Zwei-Staaten-Modell Augustins legitimiert, dem im liturgischen Ritus der symbolisch und ikonographisch inszenierte Dualismus von närrischer Cupido- und christlicher Caritas-Gemeinschaft entsprach (vgl. Schimpff, 273 ff.). Moser, Schimpff, 277. Moser, Schimpff, 277. Moser, Schimpff, 276. Moser, Schimpff, 277. Christel Meier, Sakralität, 164.
3.3 Erschütterungen, Entdeckungen und Erleuchtungen
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thetischen Maßstab des Tragikomischen²⁸² und band das „Lachen und den strengen Ernst der Heilsverfehlung“²⁸³ damit zusammen. Auch die Kapuziner bedienten sich des Burlesken, wenn es ihren Lehrintentionen zugute kam.²⁸⁴ Für die katholische Predigtlehre war die augustinisch-ciceronianische Programmatik des „Belehrens und Überzeugens“²⁸⁵ grundlegend. Augustinus’ „Rhetorik der Predigt“ im 4. Buch der Doctrina christiana (426) kalkulierte das Lachen als Effekt einer Redekunst ein, die intellektuelle Distanz ermöglicht und Spielräume der Reflexion eröffnet.²⁸⁶ Sie legte den Grundstein für die Tradition der Kanzelkomik. Spätestens seit dem späten Mittelalter war der Scherz als Modus des „ridendo dicere verum“²⁸⁷ etabliert. Selbst der gelehrte und gesittete Johann Geiler von Kaysersberg (1445 – 1510), wohl der bedeutendste Kanzelredner seiner Zeit, machte Gebrauch von den Mitteln schwankhafter Erheiterung.²⁸⁸ Wenn die tridentinische Predigtreform um 1600 den Wert der Predigtmärlein hervorhob²⁸⁹ und die Rhetorik des Komischen wiederbelebte,²⁹⁰ dann ging es darum, die ernste, gelegentlich bittere Lehre durch den scherzhaften Spott und die listenreiche Komik drastischer sittlicher Exempel zu transportieren.²⁹¹ Einige Barockprediger wie Joannes Prambhofer schlüpften in die Rolle des Unterhaltungskünstlers und gewannen die Aufmerksamkeit der Gottesdienstgemeinde durch
In der Gestalt des Tragikomischen vermischten sich im Theater der beginnenden Neuzeit seit Shakespeare Sakralität und Komik (vgl. Christel Meier, Sakralität, 163). Zu den Kritikern der tragikomischen Ästhetik gehörten Pope, Coleridge und Schiller, zu den Befürwortern Voltaire, Shaftesbury und der späte Wieland (vgl. 163). Vgl. auch I.3.4. Christel Meier, Sakralität, 167. Mit den „lustigen Personen und Parasiten“ (Christel Meier, Sakralität, 167) und der frech scherzenden Dienerschaft integrierte Bidermann allerdings auch (Unterhaltungs)Elemente der plautinischen Komödie in sein Werk. Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 215. Cramer, Gottes-Scherz, 154. Cramer, Gottes-Scherz, 153. Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 419. Vgl. auch Dartmann, Das lachen, 46. Während Petrus Cantor und Thomas von Aquin das Lachen aus der doctrina sacra ausschlossen, plädierten Jacob von Vitry (1160/70 – 1240) und im 14. Jht. Robert von Basevorn in seiner Forma praedicandi für den Scherz in der Predigt (vgl. Wilhelmy, Das leise Lachen, 48 f.) Vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 22 f. Vgl. Zelger, Risus paschalis, 123. In Frankreich verstärkten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Tendenzen, für die Vermittlung heilsrelevanter Inhalte auf unterhaltende Textformate zurückzugreifen (vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 194 ff.). Vgl. Zelger, Risus paschalis, 124 f. Die „komische Kanzelerzählung“ (Cramer, Gottes-Scherz, 162) erreichte ihren Höhepunkt bei Abraham a Santa Clara (1644– 1709); als literarisches Zitat begegnet sie noch bei den Romantikern Achim von Arnim und Clemens Brentano.
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Scherze und unterhaltsame Anekdoten, „bildnahe Sprache“ und „deftige Wortwahl“.²⁹² Die pneumatologisch grundierte protestantische Predigtlehre lagerte dagegen das docere „aus der Verkündigung in die Unterrichtung“ aus, „damit sich die Predigt ganz der Aufgabe des movere widmen kann“.²⁹³ Leitkategorien waren die affektive, quasi-sakramentale Erweckung des Glaubens und die Überwältigung durch das Erhabene; das Lachen als Medium kognitiven Realisierens unterlief offensichtlich diese Verkündigungsstrategie.²⁹⁴ Allerdings waren nicht alle Prediger derart radikal wie der sächsische Pfarrer Johann Samuel Adami (1638 – 1713), der 1702 selbst im Hinblick auf die österliche Verkündigung eine auf das Weinen abzielende Rhetorik forderte.²⁹⁵ Der bekannte Hofprediger und Rhetorikprofessor Johann Balthasar Schupp (1677) nutzte die „allegorische Lehrfabel“²⁹⁶ als Verkündigungsinstrument. Berühmt für seinen humoristischen Predigtstil, der das Erhabene und das Amüsante vermählte, war der Erweckungsprediger Charles H. Spurgeon (1834– 1892).²⁹⁷ Auf der anderen Seite bekräftigte noch Schleiermacher die gängige Auffassung, dass Witz und Scherz in der religiösen Sprache Fremd-
Schörle, Die Verhöflichung, 102. Der für die frühe Neuzeit laut Norbert Schindler charakteristische „karnevaleske Alltagsritus“ (Karneval, 155), die „Allgegenwart von Witz, Spott und Neckereien im gesellschaftlichen Verkehr“ (153) wirkte sich ambivalent auf die kirchliche Predigt aus: Selbst der „reformierte Prediger“ (Flucks, Der Risus paschalis, 194) war den „Zwängen einer expandierenden Unterhaltungsbranche“ (Schindler, Karneval, 157) unterworfen und musste allein aus didaktischen Gründen die „sinnliche Vorstellungswelt der Laien“ (155) ansprechen. Dabei begab er sich jedoch auf „glattes Parkett“, denn die Wettkampflust und der „notorische Unernst“ (157 f.) der pikaresken Lachkultur, die Zusammengehörigkeitsgefühl und Autoritätsskepsis gleichermaßen zum Ausdruck brachten, ließen sich nicht domestizieren und konnten sich gegen ihn selbst wenden.Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass Geiler von Kaysersberg in seinem Buch der Sünden des Munds (1518) auch vor den rhetorischen und mehr noch vor den „theatralen Formen“ (Röcke, Ostergelächter, 338) der gottesdienstlichen Erheiterung warnte (vgl. auch Coxon, was betütt, 140 und Flucks, Der risus paschalis, 196) und selbst Prambhofer in seinen KirchweihPredigten von 1710 zwar die harmlose Belustigung verteidigte und das Lachen als Ausdruck von fröhlichem Gottvertrauen nach Philipper 4,4 würdigte, das Schwatzen und Lachen in der Kirche jedoch zugleich beklagte. Prambhofer soll sogar versucht haben, seine Gemeinde mit der drastisch-drohenden Geschichte vom unheilvollen Ende lachender Franziskanermönche zur Raison zu bringen (vgl. Schörle, Die Verhöflichung, 99 f.). Cramer, Gottes-Scherz, 160. Vgl. Cramer, Gottes-Scherz, 160 f. Das Verkündigungsprinzip der Überwältigung begegnet allerdings nicht nur im protestantischen Raum, es liegt auch „Architektur, Malerei, Plastik und Ornament“ (Cramer, Gottes-Scherz, 162) der Jesuiten zugrunde. Vgl. Wendland, Ostermärchen, 91. Wendland, Ostermärchen, 91. Vgl. Thielicke, Das Lachen, 41 f.
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körper bilden.²⁹⁸ Die Dialektische Theologie schloss die humoristische Redeweise aus der Verkündigungspraxis aus, weil sie sie als eine Rhetorik der Verschleierung verstehen musste.²⁹⁹ Dieses Erbe ist noch in Reinhold Niebuhrs Argumentation erkennbar, die das vermeintlich nicht-existenziale Ethos des Humors von der heilsrelevanten Ethik der Predigt abgrenzt.³⁰⁰ Erst mit Rudolf Bohrens Predigtlehre (1971) hat in der Praktischen Theologie die Rehabilitierung des Humors als Verkündigungsinstrument begonnen,³⁰¹ die allerdings von der kirchlichen Kritik an der Oberflächlichkeit der Spaßgesellschaft flankiert und in Frage gestellt wurde.³⁰² Schleiermachers ästhetisches Urteil setzte sich darüber hinweg, dass vor allem die Reformationszeit den Glaubensstreit offensichtlich „im Medium des Gelächters“³⁰³ austrug: Die von Luther befeuerte „konfessionelle Bild- und Schriftpolemik“³⁰⁴ übernahm die Verkehrungssymbolik³⁰⁵ und die Desakralisierungs-
Vgl. Friedrich Schleiermacher, Die Praktische Theologie, 318. Köster, Wir können, 158. Vgl. Niebuhr, Humor, 73 – 85. Bohrens Verhältnis zum Lachen erscheint eigentümlich ambivalent: Einerseits bedient er althergebrachte theologische Ressentiments, wenn er erklärt, die Christen seien eher zur Freude und zum Gotteslob berufen als zum Lachen (vgl. Predigtlehre, 243) und das „dumme Lachen“ (245) vom humorvollen Lächeln der Weisheit abgrenzt. Andererseits schätzt Bohren das gute lebensbejahende Lachen, das den „Modergeruch des Todes“ (246) vertreibt. Darüber hinaus schreibt Bohren Witz und Lachen in Anlehnung an den agonalen Humor der biblischen Schriften die vitale Kraft der komischen Belehrung und Entlarvung zu. Bemerkenswert bleibt sein Ansatz, die volkstümliche Vulgarität eines Abraham a Santa Clara mit Verweis auf die neobarocke Rhetorik von Günter Grass und anderen modernen Autoren wiederzubeleben, die sich der närrischen Eigenmächtigkeit der Sprache überlassen (vgl. 246 – 250 und II.3.2). Vgl. Köster, Wir können, 145 – 161. Für die wesentlich stärkere Beachtung des Humors in der amerikanischen Homiletik steht par excellence die Monographie Joseph M. Webbs Comedy and Preaching (1998). Auffarth, Alle Tage, 78. Witz und Spott waren schon in frühchristlicher Zeit Instrumente der Polemik gegen die „Feinde der Wahrheit“ (Hans von Campenhausen, Ein Witz, 106). Das beginnt mit Paulus zynischem Kommentar zur Beschneidungspraxis der Judenchristen in Gal 5,12 und setzt sich fort mit den derben, teils unflätigen Scherzen Tertullians. Gewöhnlich hielten sich die Theologen allerdings an die stilistischen Normen der antiken Rhetorik, wenn sie die scherzhafte Redeweise wählten, wie es auch Clemens, Origenes oder Irenäus gelegentlich taten (vgl. von Campenhausen, Ein Witz, 104 ff.), ehe der Gestus des Spotts auf dem Weg ins Mittelalter in Verruf geriet. Vgl. II.3.1. Schindler, Karneval, 142. Dass sich Luthers Kompromittierungstechniken aus dem Arsenal der Rhetorik des Komischen gegen außer- wie innerreformatorische Gegner – Karlstadt, Schwärmer und Bilderstürmer – richten konnte, ist bei Birgit Stolt (Humor in Martin Luthers Schrifttum, 153– 157) und Martin Dober (Hatte Luther Humor?, 143 f.) nachzulesen.
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Riten des Karnevals für die Popularisierung ihres theologischen und kirchenpolitischen Anliegens.³⁰⁶ Auf Flugblättern, in Karikaturen und im Bildersturm eroberte die protestantische Polemik den „öffentlichen Raum“³⁰⁷ und entzündete entsakralisierendes Lachen.³⁰⁸ Jenseits der Konfessionspolemik trugen die Ausdrucksformen des Karnevals besonders in der Frühzeit der Reformation dem elementaren Bedürfnis Rechnung, dem „neuen Glauben […] kollektiv Ausdruck zu verschaffen“³⁰⁹. Die Fastnachtspiele Niklaus Manuels schufen „neue Mythen“ und „idealtypische Identifikationsfiguren“³¹⁰ und erzielten die „erwünschte Breitenwirkung“ vor allem bei jenen, die die „reformatorischen Flugschriften“³¹¹ nicht
Das zentrale karnevaleske Angriffsziel war die „Figur des Antichristen“ (Bob Scribner, Reformation, Karneval und die verkehrte Welt, 150), mit der Luther das ästhetische Prinzip des inversus mundus der reformatorischen Bewegung einverleibte. Dass Luthers polemische Komik nicht unbedingt humanistischen Stilidealen entsprach, hat Heinrich Heine unnachahmlich mit dem Satz kommentiert: „Aber man macht auch keine religiöse Revolution mit Orangenblüthe.“ (Sämmtliche Werke 5, 93). Vgl. auch Kuper, Zur Semiotik, 17. Die Reformatoren verwendeten derb-obszöne Erzählelemente in kontroverstheologischer Absicht, z. B. um die Reliquienverehrung oder das römische Abendmahlsverständnis der Lächerlichkeit preiszugeben (vgl. Jacobelli, Ostergelächter, 35) und wendeten das Lachen gegen Personen, die bis dahin „durch ihr Amts-Charisma geschützt“ (Auffarth, Glaubensstreit, 8) waren. Die Illustrationen des Papstes als Esel und der Papisten als Kalbsköpfe sind Beispiele für die „groteske Inszenierung“ einer bedrohlichen Realität als „komischer Körper“, wobei die Verschränkung von „menschlichen, tierischen und dämonischen Sinnbereichen“ (Bianca Frohne, Narren, Tiere und grewliche Figuren, 24) das Gelächter über die „geistlose Natur der katholischen Weltordnung“ (49) erregen sollte. Schwänke und Karikaturen dichteten den Mönchen auch mittels skatologischer Elemente eine satanische Herkunft an (vgl. Thorsten Unger, Von der Heilkraft des Lachens und vom antiklerikalen Galgenhumor, 289 f.). In der Schwanksammlung Delitiae historicae et poeticae (1618) des Lazarus Sandrub versteckt sich die „protestantische Polemik“ (290) gegen den katholischen Klerus im zugleich grobianisch ummantelten und rechtfertigungstheologisch begründeten Galgenhumor des Delinquenten, der befreiendes Lachen auslösen soll. Auffarth, Alle Tage, 99. Selbst die Puritaner bedienten sich vorbehaltlos aus dem Arsenal der komischen Polemik im Machtkampf gegen die Amtskirche (vgl. Pfister, An argument, 208). Vgl. Auffarth, Alle Tage, 94– 98. Scribner, Reformation, 151. Scribner belegt, dass vor allem in den Jahren 1520 bis 1525 „antikatholische Fastnachtspiele“ und „karnevaleske Parodien“ (Reformation, 119) von Sakramentsprozessionen und klerikalen Autoritäten, an denen oft Jugendbünde und Studenten beteiligt waren, für die reformatorische Propaganda genutzt wurden. Zwar wahrten sie in der Regel den vorgegebenen Spielrahmen, doch waren die Grenzen zum Bildersturm prinzipiell durchlässig. Auf Luthers Verbrennung der „päpstlichen Bannandrohungsbulle und der kanonischen Rechtsbücher“ (118) folgte ein studentischer Karnevalszug. In Basel begann mit der Fastnachtrevolte 1529 die Reformation (vgl. Rusterholz, Fastnachtspiel, 251). Rusterholz, Fastnachtspiel, 253. Eckehard Simon, Fastnachtspiele inszenieren die Reformation, 135.
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lesen konnten. Die „freieren Formen der Rede und Gestik“ dienten als „Mittel der Massenkommunikation“³¹², das soziale Schranken mühelos überbrückte. ³¹³ Auch die Gegenreformation setzte das paradoxe Prinzip einer karnevalesken theologischen Ästhetik um, wenn sie „spirituelle Gelehrsamkeit“ und kulturelle Hegemonie mit „Codes des visuellen und mündlichen Ausdrucks“ zu demonstrieren trachtete, die dem „täglichen Leben und allgemeinen körperlichen Erfahrungen“³¹⁴ entnommen waren, und das Lachen als Kommunikationsmittel nutzte. Jesuitische Geistliche spotteten über reformierte Pfarrer und verwandten in Schmähschriften und Pamphleten sogar eine an Rabelais angelehnte Sprache.³¹⁵ Im 18. Jahrhundert wurde selbst die Leichenpredigt gelegentlich für kontroverstheologische Polemik genutzt.³¹⁶ Wenn das Lachen in der historischen Verkündigungspraxis der Kirche als Medium der (Re)Sakralisierung, der katechetischen Belehrung oder konfessionellen Polemik also durchaus präsent war, dann ist im Hinblick auf die Gegenwart festzustellen, dass von der vielfältigen kirchlichen Lachkultur allenfalls Rudimente geblieben sind.³¹⁷ Ein eklatantes Desiderat im kirchlichen Gemeinschaftsleben
Scribner, Reformation, 143. Wenn die evangelische Bewegung die politisch-diskursiven Momente im Gelächter der Volkskultur „der Kontrolle der neuen, reformierten Religion“ (Auffarth, Alle Tage, 100) unterwarf, dann programmierte sie sie in der paradoxen Weise um, dass sich die derb-komische anti-papistische Polemik zugleich sittenkritisch gegen das mit albernem Lachen assoziierte heidnische Brauchtum richtete. Die Heilige Katholische Liga zu Paris wiederum versuchte, die Narrenabteien propagandistisch zu unterwandern (Davis, Die Narrenherrschaft, 132 f.). Doch die rivalisierenden Parteien, die sich den Karnevalsritus aneigneten und ihn „neu besetzten“ (Schindler, Karneval, 150) mussten der „Eigenlogik der populären Kultur“ (151) in Konsensbildungen und Konzessionen Tribut zollen. Denn der mit Assoziationen spielende Gebrauch von Spitznamen und Sprichwörtern „gehorchte im Kern einer egalitären, quer zur hierarchischen Ordnung stehenden Pointenstruktur der Wahrheit“, deren Äquivalent, das Karnevalsgelächter, wie ein „Transmissionsriemen zwischen den Kulturen“ (154) fungierte. So entzündeten die phantastisch-utopischen Welten von Hieronymus Boschs Garten der Lüste, Rabelais’ Gargantua und Cervantes’ Don Quichote ein Lachen, das den Konfessionsstreit nicht zuspitzte, sondern auflöste (vgl. Auffarth, Alle Tage, 80). Verberckmoes, Das Komische, 87. Vgl. Verberckmoes, Das Komische, 85. Die Jesuiten Franciscus Costerus (1532– 1619), Johannes Gouda (1571– 1630) und Maximiliaan van Habbeke (1580 – 1637) zeigten auf der Kanzel Karikaturen, führten „witzige Reden“ und scheuten selbst „groteske Körpersprache“ (Verberckmoes, Das Komische, 85) nicht. Die Witze über reformierte Pfarrer reaktualisierten in „karnevalesker Weise“ die „theologischen und erzieherischen Grundlagen der Gegenreformation“ (85). Vgl. S. Wolff, Todesverlachen, 212. Symptomatisch erscheint mir der Versuch des evangelischen Pfarrers Klaus-Peter Czwikla, den Gattungsbegriff der Fastnachtspredigt für eine sprachlich spröde und theologisch konven-
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stellt zum einen sicherlich die Abwesenheit einer vitalen und sinnenfrohen Festkultur dar (vgl. II.2).³¹⁸ Harvey Cox macht zu Recht darauf aufmerksam, dass Fest, Tanz und Spiel als Medien der frohen Botschaft jene erreichen könnten, denen sich die Wahrheit der christlichen Lehre nicht mehr begrifflich erschließt.³¹⁹ Werner Schneider hat die kirchliche Lachmüdigkeit als Symptom einer „tiefen Glaubenskrise“³²⁰ gedeutet und sie einerseits mit den Abwehrreflexen gegen das paulinische Erwählungskonzept (1 Kor 1,26 ff.) erklärt, zum anderen mit dem Mangel an Vertrauen gegenüber den Freiheits- und Friedenszusagen Gottes. So ist den Kirchen das Selbstbewusstsein und die Berufung abhanden gekommen, der Welt den Narrenspiegel vorzuhalten.³²¹ Daher fordert Dietmar Regensburger eine „kritische Theologie des Lachens“, die eine Programmatik für entlarvende, belehrende und doch zugleich liebevolle Komik³²² im ästhetischen Rahmen ‚göttlicher Komödien‘ entwickelt. ³²³ So wie Luthers burleske Späße die Vitalität der Reformation gewährleisteten, bräuchte die Kirche der Gegenwart auf der anderen Seite, so Werner Schneider, einen „Geist der Erneuerung“³²⁴ und Hoffnung auf Veränderung. Diesen spirituellen Impuls transportiert auch der prophetische Spott, der sich ja nicht zuletzt nach innen richtete und die Verirrungen des Gottesvolkes, formalistische Frömmigkeit, lächerliche Priester, eskapistischen Messianismus und
tionelle Katechese zu benutzen (vgl. Fastnachtspredigt, in: C. Barnbrock/H.-J. Voight [Hg.], Lutherisch ist, wenn man trotzdem lacht [2018], 60 – 72). Thomas O. H. Kaiser hat beobachtet, dass die evangelische Kirche in den letzten Jahren, u. a. durch Wolfgang Huber, den Stellenwert der rituellen Form und der Manieren wieder deutlicher hervorgehoben hat (vgl. Lachwurz, 302 ff.). Vgl. Cox, Das Fest, 75. Immerhin soll der Pfarrer Peter Karner in der Reformierten Stadtkirche Wien die Osternachtfeier und das Osterlachen wieder eingeführt haben (vgl. Bünker, Lacht Gott?, 13) und Thomas O. H. Kaiser weist auf den jüngeren Trend hin, im evangelischen Gottesdienst an bestimmten Feiertagen Satirisches und Humoristisches von Robert Gernhardt, Bernd Eilert, Peter Knorr oder Axel Hacke vorzutragen (vgl. Lachwurz, 296 f.) W. Schneider, In die Kirche, 59. Vgl. W. Schneider, In die Kirche, 59. Vgl. Regensburger, Leben, 118 und Jaklitsch, Verurteilt, 50 f. Vgl. Regensburger, Leben, 119. Gisela Matthiae (Wo der Glaube, 163 ff.) und Hermann Lichtenberger (Da lachen, 102 f.) zufolge enthält die Erzählung von den dämonisierten Schweinen (Mk 5) den Kern eines Flüsterwitzes, der den Untergang der römischen Besatzungsmacht lustvoll heraufbeschwört. Der milde Spott über das „römische Militär“ (Lichtenberger, Da lachen, 103) in Mt 28,62– 66 gewinnt in der Offenbarung (17,3 – 6; 18,11– 17a) die Schärfe einer sarkastischen Abrechnung mit der genusssüchtigen Hure Rom (vgl. 106 f.). Zur polemischen Komponente christlichen Humors vgl. auch Bohren, Predigtlehre, 243 f. W. Schneider, In die Kirche, 62.
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den Hochmut Jerusalems oder der Führer des Volkes entlarvte.³²⁵ Karl-Josef Kuschel hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Tabus und Grenzen der Religionen zum Witz förmlich einladen und das Lachen Gottes über religiöse Institutionen und Moralismen die theologische Legitimationsgrundlage einer ironischen Relativierung kirchlicher Ansprüche bilde.³²⁶ Daher sollte die Kirche über sich selbst und ihre Misstände und Irrwege lachen, um „festgefahrene und versteinerte Verhältnisse“³²⁷ ins Rutschen zu bringen.³²⁸ Wenn der christliche Humor die Leistungskraft besitzt, die Kulissen des Vorletzten zu entlarven, die Synthese „Gottes mit dem Menschlichen-Allzumenschlichen“³²⁹ aufzulösen und eben dadurch die Heiligkeit des Letzten zu bewahren, dann könnte eine selbstironische, ihre eigenen Grenzen reflektierende Theologie auch eine konstruktive Streitkultur begründen.³³⁰ Es bräuchte also eine kirchlich-theologische Selbstverständigung, die den Mut besitzt und das Risiko eingeht, die eigene Position radikal aufs Spiel zu setzen. Der Dominikaner Hans Conrad Zander beklagt völlig zu Recht, dass die „antiklerikale Satire“, für die Boccaccio, George Bernard Shaw und Voltaire stehen, die „europäische Geistesgeschichte“ weit mehr geprägt habe als die „religiöse Selbstironie“.³³¹ Dabei sei der rückhaltlose Witz, der sogar die Grenze zur
Vgl. Voeltzel, Das Lachen, 74– 82. Vgl. Kuschel, Lachen, 173/177 f. Dass vor diesem Hintergrund auch ein Wahrheitsanspruch der theologisch verfemten „Position des Spötters“ (Sitzen, 20) anzuerkennen ist, hat Hans Martin Dober unlängst eingeräumt. W. Schneider, In die Kirche, 62. Pierre Bühler erkennt in der Karikatur ein Instrument für eine solche lachende Selbstrevision (vgl. Karikatur als heilsame Herausforderung an die Religion, 20). So könnte die Kirche Bergsons Komikverständnis, dem zufolge die Mechanisierung des Lebendigen Lachen erzeugt, in einem diagnostischen und wirkungsästhetischen Sinne nutzen. Thielicke, Das Lachen, 113. Vgl. Lexutt, Humor, 5 und Kaiser, Lachwurz, 307. Dietrich Ritschl hat für einen Humor plädiert, der mit der Einsicht verwachsen ist, „dass alles auch ganz anders sein könnte und wir wieder von vorne anfangen müssen“ (Zur Logik der Theologie, 16). Zander,Warum lachen, 241. Den humanistisch gebildeten kirchenkritischen Witz kultivierten Thomas Morus und Erasmus von Rotterdam bei ihren „sommerlichen Symposien an der Themse“ (Zander, Darf man, 12). Die satirischen Dunkelmänner-Briefe (1515) gaben die katholische Inquisition dem Gelächter preis und schlugen ihr damit die Folterinstrumente aus der Hand (126 – 130). Der große französische Schriftsteller Léon Bloy (1846 – 1917) thematisierte die „skandalöse Lächerlichkeit“ des christlichen Glaubens an einen wehrlosen Gekreuzigten ebenso wie die „Obszönitäten einer chic vermarkteten Nächstenliebe“ und die „Banalitäten klerikaler Verklemmung“ (46). Wilhelm Buschs (1832– 1908) Satire zielte in erster Linie „auf die glaubensleere Hülle moralinsaurer protestantischer Bürgerlichkeit“ (115), während Georg Bernard Shaw (1856 – 1950) über die Weltfremdheit der Christen und die Narretei ihrer Märtyrergesinnung spottete, im ko-
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Blasphemie überschreitet,³³² weil er aus einer tiefen Bitterkeit erwächst, recht eigentlich die Grundbedingung einer spirituellen Mündigkeit und verhindere zudem, dass die „christliche Gemeinde zur Hüpfburg froher Selbstgefälligkeit“³³³ verkommt. Die Religion selbst nährt, so Hans Conrad Zander, den Witz als Antwort auf einen Zweifel, der sich nicht mehr mit „Bekenntnissen, Beschwörungen, Gebeten“³³⁴ überspielen lässt. Über die instrumentelle Erzeugung hinaus, die ja unter der Direktive der Heilsvermittlung oder des kirchenpolitischen Anliegens immer auf Steuerung und Kontrolle des Lachens hinausläuft, wäre also zuletzt danach zu fragen, wie sich das Lachen als Modus der Dekonstruktion ins Verhältnis setzt zum Glauben. Der Glaube, so Thomas Laubach, verweist das dekonstruierende Lachen auf die Ordnung hinter den Widersprüchen, er bezeugt die Hoffnung auf Versöhnung.³³⁵ Aber wieviel Lachen verträgt der Glaube? Verträgt er es, wenn die Wahrheit, wie es Ecos William von Baskerville postuliert, zum Lachen gebracht wird?³³⁶ Oder hat die theologische Kritik am Lachen der Postmoderne etwa Recht, wenn sie sich gegen die Auflösung jeglicher Wahrheitsansprüche und eine Verabsolutierung des Relativismus wendet? Sicher ist jedenfalls, dass auch das theologische Den-
mischen Erscheinungsbild jedoch die Menschlichkeit als Kern der Religion aufleuchten ließ (vgl. 202– 208). Tatsächlich ist sogar von Teresa von Ávila ein sarkastischer Witz angesichts des nicht aufzulösenden Theodizee-Problems überliefert (vgl. Zander, Warum lachen, 241). Zander formuliert den weit reichenden Gedanken, der allmächtige Gott hätte dem Menschen die „unbezähmbare Lust“ verliehen, „sich über die Religion lustig zu machen“ (Darf man, 54). Zander, Warum lachen, 241. Die in jüngerer Zeit zu beobachtende Wiederentdeckung von Lachen, Humor und Heiterkeit im kirchlichen Leben (vgl. Kaiser, Lachwurz, 308 ff.) steht daher auch unter dem kritischen Vorbehalt einer Harmlosigkeit des Frohsinns. Zander, Darf man, 66. Vgl. Laubach, der Hoffnung, 46. Florian Uhl erörtert zwar die Problemstellung, lässt jedoch jedweden Lösungsansatz vermissen (vgl. Mittelalterliches Lachen, 81– 89). Alexander Jaklitsch hat dagegen den Versuch unternommen, die postmoderne Theorie auf der Basis von Umberto Ecos und Richard Rortys Definitionen mit einer mystagogischen Hermeneutik in Beziehung zu setzen, die er vor allem vom Johannesevangelium her begründet (Lächelnd, 92– 105; 158 – 176). Wenn der Ironie des postmodernen Menschen die Haltung zugrunde liegt, „sein Selbstkonzept und seine Wirklichkeitsbeschreibung in der Auseinandersetzung mit Literatur“ stets aufs Neue kritisieren, überraschen, revidieren zu lassen und „seine eigenen Ausdrucksmöglichkeiten und sein Weltverständnis“ (Lächelnd, 243) zu ändern, dann könnte darin tatsächlich ein programmatischer Leitfaden für eine zeitgemäße Bibelhermeneutik ausgelegt sein. Doch auch Jaklitschs Ansatz, der die Zeichen des ironischen Spiels nur in den engen Bahnen der Tradition zirkulieren lässt und den Humor an die überlieferte Kriteriologie zurückbindet, stellt das Lachen unter den Primat einer theologischen Vernunft und so entschärft und instrumentalisiert er es wieder.
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ken „von einer merkwürdigen Unruhe erfasst wird“³³⁷, wenn es dem Lachen begegnet. Folgende Argumentationsstränge sollen an diesen kritischen Ausgangspunkt geknüpft werden: 1. Lord Shaftesbury schlug in seinem Brief über den Enthusiasmus (1707) einen test of ridicule vor, um die Religion von fundamentalistischen Überbauten zu befreien.³³⁸ In diesem ‚Lächerlichkeitstest‘ übernimmt das Lachen die Funktion, die Vorläufigkeit aller theologischen³³⁹ und institutionellen Wahrheitskonzepte zu enthüllen und ihre Repräsentanten damit von „Absolutheitsund Ewigkeitsansprüchen“³⁴⁰ zu entlasten. Damit aber könnte es sich als Bundesgenosse des Glaubens erweisen: Denn die Gemeinsamkeit von Lachen und Glaube besteht darin, dass sie der „Distanz und [dem] Kontrast“³⁴¹ zur Normativität des Vorfindlichen entstammen und die Dinge in die richtigen Relationen setzen.³⁴² Der glaubende Mensch lacht, weil er die Wahrheit über sich erkannt hat; in seinem Lachen zerbröselt jedwede Hybris und der blendende Schein seiner Bau- und Darstellungskünste auf der Bühne des Welttheaters zerfällt.³⁴³ Doch scheint der Glaube das Lachen darüber hinaus als Regulativ zu benötigen, da es ihm dazu verhilft, auch seine eigenen Wi-
Bischoff, Souveränität, 19. Vgl. Jaklitsch, Verurteilt, 49. Allerdings bezog Shaftesbury den Lächerlichkeitstest auch auf das „exzessive Gelächter des Pöbels“ (Prütting, Homo ridens, 916) und der religiösen Enthusiasten und damit gegen das Lachen selbst. So lachten die Romantiker um Jean Paul über die „Vorstellungen des Menschen“ von Gott und wirkten damit auf die „Befreiung Gottes von anthropomorphischen Bestimmungen“ (Pusse, Von Fall, 54) hin. Clemens Sedmak (vgl. Der Witz (in) der Theologie, 108 – 113) hat die Aporien theologischer Rede als den Witz der Theologie bezeichnet: Die Theologie redet über einen Ernst, der „den Menschen übersteigt“ (108), sie redet darüber, „dass über Gott zu schweigen ist“ (109), sie redet über Gott, obwohl er möglicherweise gar nicht existiert, und darum setzt sie permanent Anführungszeichen (vgl. 110 f.). Kuschel, Lachen, 125. Laubach, der Hoffnung, 36. Vgl. Laubach, der Hoffnung, 42 und Niebuhr, Humor, 73 f. Letztlich benötigt der Mensch die Distanzierung des Lachens auch, um zum Ernst des „menschenmöglichen Liebens und Mitleidens“ (Laubach, der Hoffnung, 43) zurückkehren zu können. Vgl. W. Kuhlmann, Witz, 17. Reinhold Niebuhr steht hier wiederum Pate für den Vorbehalt einer traditionellen Bußtheologie, die das Lachen bloß als „Vorstufe für das Gefühl der Reue“ anerkennt, das dem existenziellen Schmerz über Gottes vernichtenden Richterspruch erwächst und der fröhlichen „Aussöhnung mit Gott“ (Humor, 79) vorausgeht. In einer solchen theonomen Gerichtskonzeption steht das Lachen von vornherein unter Verdacht, Geburtshelfer eines gottlosen Zynismus zu sein, für die verspielte Selbstironie des erasmianischen ‚Lobs der Torheit‘ ist kein Platz mehr.
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dersprüche auszuhalten, „sich selbst nicht zu überfordern“³⁴⁴. Glaube und Lachen ergänzen sich somit als „hermeneutische Prinzipien“³⁴⁵ für die Vermessung der menschlichen Lebenswirklichkeit und als Widerstand gegen Idealisierungs- und Fanatisierungstendenzen.³⁴⁶ Der christliche Humor, der sich dabei herauskristallisiert, kann als Ausdrucksform der Skepsis verstanden werden, der die Ideale des Eindeutigen, Prinzipiellen und Vollendeten begräbt.³⁴⁷ Damit aber rückt abermals die Affinität von Lachen und Spiel in den Blick, die nun allerdings eine spezifische offenbarungstheologische Relevanz gewinnt. Thomas Erne hat das Zugleich von Unbestimmtheit und Bestimmtheit, das nach Niklas Luhmann die Religion ausmacht, christlich-theologisch daran festgemacht, dass sich der Logos in die offenbare Leiblichkeit, in konkrete sakramentale Zeichen übersetzt, sich im Geist aber dieser Kenntlichkeit wieder entzieht.³⁴⁸ Der Humor kann als eine Erscheinungsform dieser pneumatischen Wirklichkeit verstanden werden, insofern als er mit seiner Unbestimmtheit den Monotheismus vor Verdinglichung und Eindeutigkeitsansprüchen bewahrt.³⁴⁹ Erne beruft sich in diesem Zusammenhang auf Kierkegaard, der den Wert des Humors darin erblickt hatte, dass er die „eingespielte Bestimmtheit“³⁵⁰ wieder dem Risiko aussetzt, wenn die Religion
Laubach, der Hoffnung, 45. Laubach, der Hoffnung, 45. Vgl. Kuschel, Christus, 124 f. und Dober, Hatte Luther Humor?, 154 ff. Dober expliziert, wie der Verlust der Gelassenheit und Sebstrelativierung des Humors den späten Luther auf geradem Wege in den dogmatistischen Antijudaismus geführt hat. Vgl. Köster,Wir können, 198 und Dober, Sitzen, 21. Odo Marquard hat für eine philosophische und hermeneutische Skepsis plädiert, die zum einen der Endlichkeit menschlichen Daseins und seiner kontingenten Schicksalhaftigkeit Rechnung trägt und zum anderen einen „Vielfaltssinn für […] widerstreitende Dogmen und […] Wirklichkeiten“ fördert, dem Menschen damit aber die Freiheit einer „polymytischen“ (Abschied vom Prinzipiellen, 19) pluralen Existenz eröffnet. Ähnlich argumentiert Martin Seel, der das Lachen des „praktischen Humors“ (Humor, 746) an die Fähigkeit des Subjekts zur pluralen Identität und Rollendistanz rückbindet. Grundlegend für das humoristische Negativverfahren ist die Disparität und Relativität ästhetischer oder argumentativer Positionen. So dekonstruiert das Lachen ein hermetisches Wahrheitskonzept und eröffnet einen Spielraum, der sich aus der „Bejahung der Endlichkeit“ (748) ergibt. Gegen menschliche Kontrollzwänge und die Illusion eines widerspruchsfreien Lebens vertritt es die Ungewissheit des Menschen und so steht es im Bunde mit einer anti-totalitären Moral (vgl. 748). In dieser Eigenschaft kann es als ein „Herzstück der Demokratie“ (751) gelten. Vgl. auch Stoessel, Lob, 183. Vgl. Erne, Hat Gott, 150. Vgl. Erne, Hat Gott, 147 f./151/158. Erne, Hat Gott, 152.
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zur Konvention erstarrt ist.³⁵¹ Denn die ästhetische Horizontverschmelzung in der humoristischen Redeweise etabliert keinen verlässlichen Rahmen für ein neues Lehrsystem: In Übereinstimmung mit der geheimnisvollen Flüchtigkeit des Komischen reflektiert das Lachen den Zweifel am Wahrheitsstatus der Pointe³⁵² und deutet somit auf die Leichtigkeit und Offenheit des Spiels mit den Zeichen auf der Grenze von Glaube und Unglaube, das Giorgio Agamben in seinem Entwurf einer „Transformation des Monotheismus“³⁵³ gefordert hat. In seinem Essay Lob der Profanierung plädiert Agamben dafür, die tradierten religiösen Codes und Symbole dem Zugriff der Macht zu entziehen und sie aus der Sphäre der numinosen Absonderung herauszuholen zugunsten eines zweckfreien, spielerischen Gebrauchs und einer „neuen Erfahrung des Worts“³⁵⁴. Das Lachen bezeugt aber nicht nur die Freude am Forschen und Entdecken des religiös-musikalischen Menschen, es spielt darüber hinaus, wie Joachim Ritter gezeigt hat, das Ausgegrenzte in die „ausgrenzende Lebensordnung“³⁵⁵ hinein, rehabiliert die unter dem Primat der (dogmatischen) Vernunft ins Nichts gestoßene Gegenwelt.³⁵⁶ Die Subversion der gängigen Ordnungsmodelle und Realitätsdiktate geschieht im Vertrauen darauf, dass das Andere in die Wirklichkeit eintreten kann und im Lachen sinnlich fassbar wird als Moment der Erfüllung, der utopisch über sich hinaus deutet.³⁵⁷ Ausgerechnet das Lachen, das theologische Versuche relativiert, die Fülle des Logos begrifflich zu fassen, erweist sich daher als „inversive Abschattung der göttlichen Sinnfülle“³⁵⁸, der Unendlichkeit oder der Tiefe des Seins. Anders als Eugen Finks „Ontologie des Spiels“³⁵⁹ als Weltsymbol bleibt die theologische Anschauung vom homo ludens also nicht einer nihilistischen Seinsmystik verhaftet: Vielmehr begreift sie das Spielhandeln als die angemessene Mög-
So fasst Kierkegaard den Humor als „Inkognito“ (Philosophische Brosamen, 699), als heterogenes Moment des unkontrollierbaren göttlichen Geistes auf. Vgl. auch Erne, Hat Gott, 149. Vgl. Köster, Wir können, 198 und P. L. Berger, Erlösendes Lachen, 79. Erne, Hat Gott, 148. Der Humor transzendiert nicht nur das Weltliche und Endliche, er profaniert und konkretisiert in einer gegenläufigen Bewegung auch das Ewige (vgl. Erne, Hat Gott, 153 f.). Giorgio Agamben, Lob der Profanierung, 87. Joachim Ritter, Über das Lachen, 76. Vgl. auch Ernes Ritter-Lektüre (Hat Gott, 155 f.). Vgl. Dietrich Zilleßen, Lachen Weinen, 367 f. Erne, Hat Gott, 156. Maurer, Theologische Aspekte, 297.
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lichkeit, der „Grundlosigkeit der Welt“³⁶⁰ zu begegnen. Im „Spiel des GanzAnderen“³⁶¹ eröffnet sich dem Menschen eine „Welt- und Selbsterfahrung“, die an den „verborgenen Sinn“³⁶² des Daseins rührt und somit Gotteserkenntnis ermöglicht.³⁶³ Das Lachen vergegenwärtigt eine Sinn-Erfahrung, die den Verzicht auf die rationale Erschließung der Wahrheit voraussetzt.³⁶⁴ Wenn es aus dem Riss des Grundlosen hervorschießt, dann gehört es zum freien Spiel der Phantasie und der Doxologie, das jegliche Gesetzlichkeit hinter sich gelassen hat.³⁶⁵ In seiner rätselhaften Eruptivität chiffriert es die Unverfügbarkeit Gottes und kündet zugleich von einer nicht sensualistisch zu begreifenden Seinsenergie. Karl-Josef Kuschel hat den existenziellen Ernst der Daseinskrise und das letzte Wagnis des Glaubens mit dem Ausstieg aus der „ästhetischen Sphäre“³⁶⁶ und dem Abbruch aller ironischen Masken- und Rollenspiele in Zusammenhang gebracht. Doch damit setzt Kuschel eine Norm des Unbedingten, die das Lachen als Möglichkeit der Distanzierung und Verflüssigung von Wahrheitsansprüchen ausschließt. Die kierkegaard’sche Opposition von Glaube und Lachen beruht ja darauf, dass nicht die närrische Wahrheit als Movens der Perspektivierung und Pluralisierung das theologische Ethos be-
Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 23. George Bataille schraffiert vor diesem existenzialontologischen Hintergrund die Erfahrungsdimension des Lachens: „Der Mensch ist nicht mehr wie das Tier der Spielball des Nichts, sondern das Nichts ist selber sein Spielball – er versinkt darin, erhellt jedoch die Dunkelheit mit seinem Lachen, das er nur gewinnt, wenn er von der Leere selber, die ihn tötet, berauscht ist“ (Die innere Erfahrung, 131). Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 23. Maurer, Theologische Aspekte, 298. Vgl. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 34. Vgl. Romano Guardini, Wahrheit und Ironie, 49 f. Der Mensch ist im Moment des Lachens einer reflexiven Vergegenwärtigung nicht fähig (vgl. Striet, Kann Gott, 71) und doch – oder gerade deswegen – liegt „in jedem Lachausbruch“, so Rita Bischoff, „ein Lichtblick des […] dogmatisch getrübten Bewussteins“ (Souveränität, 20). Alexander Jaklitsch hat die Pointe des „paradoxen Spiels“ von Erkennen und Nicht-Erkennen in der Emmaus-Episode (Lk 24,13 – 35) darin gesehen, dass „noch nicht gläubiges Lachen in ein gläubiges Verstehen“ (Jaklitsch, Lächelnd, 188) mündet. Vgl. Moltmann, Die ersten Freigelassenen, 48 f./54. Andrew Greeley hat das Heilige als eine „Form des Spiels“ und der Unterhaltung bezeichnet: „Wo ein Ritual vorgibt, heilig zu sein und dabei die paradoxe Fähigkeit verloren hat, zugleich Ehrfurcht und Gelächter zu erzeugen, ist es nicht mehr sehr heilig“ (Humor, 371). Den entgegengesetzten Ansatz hat Reinhold Niebuhr vertreten, der in prägnanten Sätzen verlautete: „Daher gibt es Lachen im Vorhof des Tempels, das Echo des Lachens im Tempel selbst, aber kein Lachen, sondern nur Glaube und Gebet im Allerheiligsten“ (Humor, 85). Doch wenn der Vorhang zum Allerheiligsten auf Golgatha zerrissen ist, dann hat sich der sakrale Innenbezirk in eine metaphysische Bühne für den homo ludens verwandelt. Kuschel, Lachen, 214.
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stimmt, sondern eine existenzielle Entweder-Oder-Alternative. Clowneske Daseinsformen kann Kuschel deswegen nicht als personale Ausfaltungen der Heilsoffenbarung verstehen, weil das Heil erst qua Gewissenentscheidung ergriffen und durch den ethischen Ernst des Lebensvollzuges beglaubigt werden muss. Die Hermeneutik des Lachens besteht jedoch im Kern in einer Anerkennung der „Mehrdimensionalität von Sprache und Wirklichkeit“, der Abkehr von „positivistischem Dezisionismus“³⁶⁷ und folgerichtig in der Fragmentierung eines apriorischen Glaubensbegriffs. Im Medium des Witzes oder der Ironie unterbricht das Lachen Sach- und Denkzwänge und eröffnet ein neues Verstehen:³⁶⁸ Wenn das Subjekt aber, wie es die hegelianische Ästhetik des Humors nahelegt, aus dem Spiel des Verstehens versöhnt zu sich selbst zurückkehrt,³⁶⁹ weil es Distanz und einen Perspektivwechsel gewonnen hat, dann bekundet es vergnüglich lachend ein pneumatisches Ereignis. Der Spaß des Verstehens zündet also nicht nur die Funken tieferen Erkennens, er bekundet die „weltliche Lebenslust“³⁷⁰ der Gottebenbildlichkeit. Die „humane Wirkung des Lachens“ und die „befreiende Wirkung der Wahrheit“³⁷¹ sind offensichtlich nicht, wie Kuschel behauptet³⁷², als konkurrierende Optionen, sondern als reziproke Ereignisse zu begreifen. Denn die Beseelung und Beatmung der Offenbarungszeugnisse verdankt sich einem pneumatischen Impuls, der das Zeichensystem zum Leuchten, zum Schwingen und Tanzen bringt und auf das Apperzeptionszentrum des Menschen überspringt. Das Lachen verwandelt mumifizierten Schriftsinn in eine rhythmisierende und dynamisierende Tonsprache, die sich rezeptionsästhetisch über die Nervenbahnen und Affektschleusen vermittelt. Es bildet die Frequenz, auf der die göttliche Stimme in den menschlichen Bewusstseinsapparat eindringt, um dort weiter zu vibrieren. Auf der anderen Seite durchbricht das Lachen traditionalistische Deutungsroutinen und unterläuft den hermeneutischen Imperativ einer schriftreligiösen Normativität. Es bekundet eine performative Wahrheit, die sich im Zuge seines Abebbens wieder in die Unkenntlichkeit zurückzieht. So erweist es sich als ein Offenbarungs-
Beuscher, Verstehen, 531. Vgl. Bühler, Humor, 287. Selbst der Galgenhumor Jonathan Swifts während der Hungersnot in Irland im 17. Jahrhundert vermochte es, ein ethisches Verantwortungsbewusstsein zu wecken und „Mut zu neuen Lösungen“ (Bühler, Humor, 288) zu vermitteln. Vgl. Wolfgang Preisendanz, Humor als dichterische Einbildungskraft, 17. Beuscher, Verstehen, 532. Georg Wieland, Gottes Schweigen und das Lachen der Menschen, 115. Vgl. Kuschel, Lachen, 210.
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medium, das keinem theologischen Skript folgt, sondern im unwiederholbaren Augenblick subjektive Evidenz herstellt.
4 Theologische Anthropologie des Lachens und Neukonfigurierungen der Glaubenslehre – eine Verhältnisbestimmung Wie in den Vorbemerkungen (vgl. 1.1) bereits skizziert, kann die Theologie die Ergebnisse einer interdisziplinären Betrachtung nicht ausblenden, wenn sie dem Phänomen des Lachens gerecht werden will. Wenn sie aber die anthropologische Bedeutungsfülle, die theoretische und kulturgeschichtliche Zugänge ans Licht bringen, berücksichtigt, dann sind die überkommenen Ansätze, das Lachen unter eine eschatologische Ästhetik des Humors zu subsumieren oder es nach den Maßstäben eines metaphysischen und moralischen Dualismus zu klassifizieren, nicht mehr hinreichend oder vertretbar. Nicht nur sprengt das Lachen den konzeptionellen Rahmen des Humors, es widersetzt sich auch einer ethischen Schematisierung und lässt sich offensichtlich nur unter dem Preis seiner Disziplinierung, Vergeistigung und moralpädagogischen Instrumentalisierung in das überlieferte christliche Lehrsystem eintragen. Wenn das Lachen aber umgekehrt das theologische Dogmengebäude affiziert, dann verändert sich die Statik dieses Gebäudes nicht unbeträchtlich, die Koordinaten der Glaubenslehre verschieben sich, das Spielfeld des christlichen Seins wird neu vermessen. Das soll nun im Hinblick auf die thematischen Achsen der Kap. II.1– 3 noch einmal pointiert zusammengefasst und deutlich konturiert werden. 1. Eine theologische Neubewertung des Lachens ist nicht loszulösen von einer Aufwertung des Leibes als Medium der spirituellen Erfahrung. Das Skandalöse der Idee einer spirituellen Dimension des Lachens besteht zuallererst in der vorbehaltlosen Anerkennung einer ekstatischen und unkontrollierten Leiblichkeit als Ausdruck einer kreatürlichen Erneuerung oder als Reflex auf das Widerfahrnis des Wunderbaren. Die praktische Theologie des Lachens plädiert deshalb für die Wiederentdeckung einer körperlich-rituellen Vitalität, wie sie sich im Tanz, in der Musik, im Spiel und im Festtreiben manifestiert. 2. Eine theologische Neubewertung des Lachens ist nicht loszulösen von einer Aufwertung des Diesseits als Vorspiel der Erlösung. Das Skandalöse der Idee einer spirituellen Dimension des Lachens besteht darum auch in der vorbehaltlosen Anerkennung von innerweltlichen Erlösungssehnsüchten und einer körperbezogenen Spielform der kreatürlichen Befreiung. Die theologische Ethik und Anthropologie des Lachens konkretisiert den Grundgedanken der präsentischen Eschatologie, dass das Heil zwar unverfügbar und doch bereits im Hier und Jetzt, https://doi.org/10.1515/9783110667769-008
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in der Gewährung des Augenblickglücks, in Ekstasen der Selbstvergessenheit, in Momenten überraschenden Einverständnisses, in der Feier der Sinne, der Selbstvergegenwärtigung des Körpers und dem Rausch des Festes erfahrbar ist. 3. Eine theologische Neubewertung des Lachens ist nicht loszulösen von einer Neubewertung des Zweifels und der Ironie als Medien der Wahrheitserkenntnis. Das Skandalöse der Idee einer spirituellen Dimension des Lachens besteht darum zuletzt in der vorbehaltlosen Anerkennung der Verborgenheit und Rätselhaftigkeit Gottes und der Aporie einer begrifflichen Fixierung der Offenbarungswirklichkeit. Die Fundamentaltheologie versteht das Lachen als eine Antwort auf das Verschwinden Gottes im schwarzen Kontingenzloch der Moderne und nackten Zeichendickicht der Postmoderne, aber zugleich als ein Durchbruch aus der Leere des Universums zum tiefsten Grunde des Daseins, dorthin, wo nach christlichem Verständnis nichts waltet als Gnade. Das Lachen, so wollen wir diese Arbeit schließen, probt wie der Orgasmus den Aufstand gegen das unentrinnbare Verhängnis der Sterblichkeit und die Suggestion der Sinnlosigkeit des Daseins, es bricht aus ‚heiterem Himmel‘ hervor und zerreißt für einen wundersamen Moment die dunklen Schleier des Absurden, damit der Mensch sich in diesem einen Moment des Wunders seines Gehaltenseins in der Tiefe vergewissere.
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Index Abba Dorotheos 346 Abelaerd, Petrus 327 Abraham a San(c)ta Clara 157, 230, 427, 429 Achelis, Ernst Christian 269 Ackroyd, Peter 117 Adalbert von Hamburg-Bremen 327 Adami, Johann Samuel 428 Adams, Patch 50 Addison, Joseph 9 Adler, Alfred 68, 88, 207 Adorno, Theodor W. 85, 138 – 140, 155, 197, 216, 246 Agamben, Giorgio 437 Agobard von Lyon 342 Alanus ab Insulis 329 Alberti, Leon Battista 282 Albertus Magnus 328 Alejchem, Scholem 205 Alexander von Hales 328 f. Alkibiades 100, 155 Alkuin 324 Allen, Woody 152, 167 Alstedt, Johann Henrich 172 Altman, Robert 81 Ambrosius von Mailand 275, 278, 324, 396 Amis, Martin 88 Ammonas 278 Anaxagoras 340 Andersch, Alfred 78, 196 Andersen, Hans Christian 193, 198 Andreas von Konstantinopel 412 Angelo Maria di San Filippo 350 Anselm von Canterbury 328 Ansgar von Bremen 339 Antonius der Einsiedler 274 f., 278 Archimedes 265 Aretäus von Kappadokien 33 Aristomenes 340 Aristophanes 110, 163, 196, 202 Aristoteles, aristotelisch 2, 9 f., 18, 30, 33, 37, 44 f., 74, 100, 109, 118, 264, 275,
https://doi.org/10.1515/9783110667769-010
277, 286, 290, 293, 314, 324 f., 328 f., 331, 341, 343 Arlotto, Piovano 283 Arndt, Johann 292 Arnim, Achim von 204, 427 Artaud, Antonin 243, 247 Astley, Philip 148 Athanasius von Alexandrien 274 Augustin, augustinisch 10, 171, 185, 211, 265 f., 273 f., 276, 278, 284, 291, 324, 329 f., 338, 346, 356, 392 f., 396, 426 f. Avicenna 45 Ayrer, Ernst Jacob 112 Baader, Franz von 95 Bach, George 90 Bachl, Gottfried 387 Bachmann, Ingeborg 199, 202 Bachtin, Michail M. 9 f., 12, 110 f., 113, 115 f., 118 – 120, 123 f., 128, 140, 187, 240, 310, 400 Bacon, Francis 46 f. Banchieri, Adriano 303 Barclay, Robert 286 Barker, Howard 247 f. Barnes, Julian 93, 102, 117 f., 402 Barra, Luke de 147 Barth, Karl 269, 385 Baselitz, Georg 369 Basile, Giambattista 102 Basilius der Einfältige 412 Basilius von Cäsarea (der Große) 275, 278 – 280, 340 f. Bataille, George 12, 14, 103, 132 – 134, 139, 222 – 226, 228 f., 252, 258, 261 f., 294, 319, 363 f., 438 Bateson, Gregory 89 Battie, William 50 Baudelaire, Charles 8 – 10, 31, 59 – 61, 68, 150, 179, 185, 189, 191 f., 197, 201, 205 f., 224, 248, 252, 343, 350, 363, 366 f., 369, 402 Baudrillard, Jean 113, 253
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Index
Bauer, Bruno 163 Beattie, James 40 Beaumarchais, Pierre August Caron de 160 Bebel, Heinrich 285 f. Becker, Jurek 79 Becker, Wolfgang 83 Beckett, Samuel 168 f., 189, 244 – 248 Beda Venerabilis 396 Beer, Johann 157 Bellarmine, Robert 288 Belling, Tom 149 Bellows, Saul 167 Benedikt von Aniane 280 f. Benedikt von Nursia 326, 340 Benedikt XIV. 288, 307 Benigni, Roberto 81 Benjamin, Walter 31, 72, 140, 152 f., 250, 252 Berger, Michael 97 Bergler, Edmund 67 Bergson, Henri 8 – 10, 16 f., 60 f., 225, 231, 433 Bernanos, Georges 179 Bernd, Adam 332 Bernhard, Thomas 124, 213 Bernhard von Clairvaux 280 f., 324, 338 f., 344, 412 Beyerlinck, Laurentius 290 Bidermann, Jacob 426 Bloch, Ernst 82 Bloy, Léon 179, 353, 433 Blumenberg, Hans 237 Boccaccio, Giovanni 46, 101, 122, 288, 433 Bodelschwingh, Friedrich von 371 Boethius 324 Böhme, Jakob 265, 291 Bohren, Rudolf 344, 429, 432 Böll, Heinrich 411 Bonaventura (August Klingemann) 20, 47, 164, 176, 231 Borges, Jorge Luis 250 Borowski, Tadeusz 79 Borromeo, Carlo 288 Bosco, Don Giovanni 371 Bossuet, Jacques-Benigne 289, 343, 401 Boswell, James 174 Bourdaloue, Louis 401
Bourdieu, Pierre 379 Bräker, Ulrich 293 Brambilla, Johann Alexander 43 Brant, Sebastian 122, 156 Braun, Heinrich Suso 293 Brecht, Bertolt 78, 160, 166, 184, 265, 410 Breivik, Anders 70 Brentano, Clemens 427 Bright, Timothy 174 Broch, Hermann 189 f. Brockes, Barthold Heinrich 330 Brooks, Mel 79 f., 82 Bruns, Hans 293 Bruyère, Jean de la 234 Bruyn, Günter de 202 Buber, Martin 395 Büchner, Georg 133, 177, 190 Bultmann, Rudolf 386, 410 Buñuel, Luis 344 Burchard von Bellevaux 282, 393 Burton, Robert 27, 46, 174 Busch, Wilhelm 72, 433 Byatt, Antonia S. 39, 70, 93, 102, 118, 212, 254 Byron, Lord 47, 179 Caesarius von Arles 340 Cagliostro, Alessandro 161 Caillois, Roger 134 – 136 Calderón de la Barca, Pedro 179 Calvin, Johannes (Calvinismus, calvinistisch) 274, 284 f., 290, 330 Calvino, Italo 104 Campenhausen, Hans von 326, 383, 410, 429 f. Camus, Albert 215, 228, 248 Canetti, Elias 59 – 62, 72, 216, 235 – 237 Capito, Wolfgang 286, 310 Carter, Angela 118 Casanova, Giacomo Girolamo 173 f. Cassianus, Johannes 279, 281 Cassiodor 324 Castiglione, Baldassare 46, 288 Caterina von Siena 362 Catull 109 Cervantes, Miguel de 122, 159, 416, 431 Chamisso, Adalbert von 177, 193
Index
Chaplin, Charlie 52, 76, 78, 152 – 154, 364, 414 f. Charles I. 147, 290 Chaulieu, Guillaume Amfrye de 330 Chesterfield, 4. Earl of 173 Chesterton, Gilbert Keith 173 Chrysipp 58 Chrysostomos, Johannes 275 f., 278, 340 f., 373, 398 Cicero, ciceronianisch 10, 37, 45, 145, 275, 427 Claudel, Paul 179 Claus Narr 147 Clemens von Alexandrien 273, 275 – 277, 295, 325, 373, 375, 429 Coleridge, Samuel Taylor 427 Columban von Luxeuil 281 Constantinus Africanus 45 Cornaro, Luigi 46 Costerus, Franciscus 431 Cousins, Norman 50 f., 56 f. Cox, Harvey 132, 134, 151, 278, 317 f., 333 f., 372 f., 384, 408, 432 Crassus, Lucius Lucinus 340 Cruikshank, George 206 Cureau de la Chambre, Marin 28 Damascenus 22 Dante Alighieri 287, 328, 345, 374 Darwin, Charles 10, 28, 49, 137 Dashwood, Sir Francis 302 Dearborn, George V. N. 28 Defensor von Liguges 340 Defoe, Daniel 160 Deleuze, Gilles 17, 141 Demetrios Poliorketes 108 Demokrit von Abdera (demokritisch) 44 f., 58, 145, 264, 275 Deren, Maya 240 Derrida, Jacques 141, 222 f., 251 f., 260 Descartes, René 10, 27, 33, 35, 46, 77, 265, 364 Dilthey, Wilhelm 269 Diogenes Laertius 58 Diogenes von Sinope 145 Döblin, Alfred 167 Dominikus 345
485
Dostojewski, Fjodor 124, 203, 413 Drach, Albert 79 Düffel, John von 190 Dupréel, Eugene 137 Dürer, Albrecht 282 Dürrenmatt, Friedrich 74, 190, 205, 247 Eastman, Max 9 Eccleston, Thomas 344 Eckhart, Meister 345, 348 Eco, Umberto 129, 289, 400 f., 434 Egbert von Lüttich 324 Eger, Edith 77, 362 Eibl-Eibesfeldt, Irenäus 10, 63 f., 68 Eichendorff, Joseph von 213 Eilert, Bernd 432 Ekkehard IV. 425 Elert, Werner 1, 361 Elias, Norbert 17, 20 f., 34, 63 f. Eliot, T. S. 201, 242 Elisabeth I. (elisabethanisch) 10, 46, 147, 290 Elisabeth von Thüringen 345 Ellis, Albert 94 Ensor, James 411 Ephraem der Syrer 338, 346 Epiktet 275 Erasmus von Rotterdam (erasmianisch) 122, 145, 157 – 159, 283, 286, 288, 290, 331, 355, 418 f., 433, 436 Erhard, Heinz 83 Eulenspiegel, Till 72, 122, 156, 159 f., 166, 288, 300, 330 Euripides 107, 110, 209 Färberböck, Max 84 Farrelly, Frank 89, 91, 383 Fellini, Federico 152, 154, 216, 230, 414 Ferenczi, Sándor 9, 103, 292 Ferrand, Jean 100 f. Ferreolus von Uzès 281 Ferrucci, Franco 410 Feuerbach, Ludwig 228 Fichte, Johann Gottlieb 234 Ficino, Marsilio 329 Fielding, Henry 158 Fields, W. C. 149, 152
486
Index
Finck, Werner 73 Fink, Eugen 437 Fischart, Johann 121 f. Flaubert, Gustave 180 Folman, Ari 82 Forges, Évariste-Désiré de 188 Foucault, Michel 105, 113, 250 f. Fra Mariano 283, 302 Fracastaro, Girolama 35 Franck, Sebastian 287 Francke, August Hermann 265, 286, 291 Frankfurter, Philipp 300 Frankl, Viktor 77, 88 f., 362, 385 Franz von Assisi 281, 344, 412 Frejdenberg, Ol’ga Michajlovna 118 f. Freud, Sigmund (freudianisch) 8 – 10, 38 f., 68 f., 75, 90, 92, 103, 150, 211, 213 f., 217, 225, 235, 292, 376, 378, 385 Fritsch, Ahasverus 292 Fry, William 30, 52 Fueßlin, Johann Conrad 287 Fülleborn, Georg 197 Gary, Romain 79 Garzoni, Tomaso 157, 172 Gaufrid von Auxerre 339 Geiler, Johannes von Keysersberg 286, 427 f. Genet, Jean 168 Gerhardt, Paul 356, 374 Gernhardt, Robert 432 Gerron, Kurt 73 Geßner, Salomon 174 Giberti, Gian Matteo 287 Glenville, Peter 82 Goethe, Johann Wolfgang von 159, 161 f., 168, 175, 179, 188, 204, 213, 254, 265 Gogol, Nikolai 119, 124, 248, 346 f., 357 Goldoni, Carlo 161 Goodall, Jane 137 Gottfried von Admont 342 Gottfried von Neifen 101 Gotthelf, Jeremias 179 Gottsched, Johann Christoph 157, 343 Goya, Francisco de 206, 344 Gözenberger, P. Franciscus Borgia 316 Grabbe, Christian Dietrich 180
Grant, Cary 210 Grass, Günter 79, 124, 159, 167 f., 426, 429 Grassis, Paris de 307 Grätz, Amandus von 288 Gregor der Große 277 f., 280, 306, 338 Gregor von Nazianz 325 Gregory, J. C. 49, 62, 64, 392 Greiff, Joachim 354 Grieck, Joan de 331 Grillparzer, Franz 180, 202 Grimaldi, Joseph 50 Grimm, Jacob und Wilhelm (Grimm‘sch) 102, 156, 192 – 197, 357 Grimm, Jakob 313 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von 65, 159 f., 340, 343 Groos, Karl 92 Grossmann, David 362 Grünbaum, Fritz 73, 77 Gryphius, Andreas 204, 356 Guattari, Félix 17, 141 Gunkel, Hermann 394 f. Gutwirth, Marcel 8 f. Habbeke, Maximiliaan van 431 Hacke, Axel 432 Hacker, Friedrich 64 Haeckel, Ernst 65 Hafner, Philipp 205 Hall, Granville Stanley 49 Hals, Frans 290 Handke, Peter 203 Harms, Claus 269 Harsdörfer, Georg Philipp 172 Hartmann, Nicolai 385 Hartmann von Aue 69 Hasek, Jaroslav 160 Hauff, Wilhelm 198 Hauptmann, Gerhard 166, 183 f., 202, 411 Hausmann, Leander 83 Hayworth, Donald 64 Hazlitt, William 10 Hecker, Ewald 36, 49 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Hegel’sch, hegelianisch) 9, 35 f., 136, 163, 202, 220, 223, 229, 234, 264, 439 Heidegger, Martin 210, 220
Index
Heine, Heinrich 162 f., 179 f., 202, 227, 360, 430 Heinrich I. von England 147 Heinrich II. von England 108 Heinrich von Morungen 101 Helmont, Johann Baptist 46 Henry von Chichester 398 Heraklit (heraklitisch) 276 f. Herder, Johann Gottfried 237 Herodot 171 Hesse, Hermann 201, 217, 370, 387 Hieronymus 277, 280, 338 Higgins, Colin 118 Hilarion von Gaza 298 Hildebert von Lavardin 327 Hildegard von Bingen 174, 281, 295, 326, 381 Hilsenrath, Edgar 79 f. Hinkmar von Reims 304 Hippokrates 44, 58, 264 Hitler, Adolf 72 f., 76, 78 – 80 Hobbes, Thomas 9 f., 16, 37, 60, 191 Hochhuth, Rolf 190 Hofbauer, Clemens Maria 371 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus 192, 200, 205, 223, 229, 231 – 233 Hoffmann, Heinrich 67 f. Hogarth, William 206 Holland, Norman N. 32, 94 Hollen, Gottschalk 354 Homer (homerisch) 33, 80, 100, 108, 110, 155, 204, 210, 230, 257, 347 f. Honthorst, Gerrit van 290 Horaz (horazisch) 46, 109, 125, 156 Horkheimer, Max 85, 155, 197, 216 Höß, Rudolf 73 Hrabanus Maurus 423 f. Hrotsvid von Gandersheim 299 Huber, Wolfgang 432 Hufeland, Christoph Wilhelm 46 – 48 Hugo von Montfort 282 Hugo von St. Viktor 289, 339 Hugo von Trimberg 171, 282 Huizinga, Johan 121, 135, 139 Hutcheson, Francis 40, 264 Hutten, Ulrich von 187 Huxley, Aldous 203
487
Ignatius von Loyola 281, 289 Innozenz III. 283, 338 Innozenz IV. 283 Ionesco, Eugène 168, 244, 248 Irenäus von Lyon 341, 429 Isaak der Syrer 346 Ishaq Ibn Imran 174 Isidor von Sevilla 174, 324 Ivan der Schreckliche 119 Ivo von Chartres 324 Jackson, Thomas 290 Jacob von Vitry 427 Jacopone da Todi 414 Jacques Jacques 357 James I. 147 Jarry, Alfred 168, 243, 247, 405, 411 Jefferson, Gail 6, 103 Jeremias, Alfred 296 Jesus von Nazareth (Christus) 123, 130, 168, 182, 272, 276, 295, 308, 323 f., 332, 340 – 346, 356, 365, 369 f., 388, 398 – 400, 408 – 411, 413 f., 422 Johann von Hildesheim 306 Johannes de Caulibus 343 Johannes der Täufer 272 Johannes Klimacus 325 Johannes Tauler 361, 399 Johannes von Salisbury 327 Johannes XXIII. 371 Johnson, Samuel 158, 174 Jonson, Ben 46, 158, 286 Joubert, Laurent 10, 27 f., 32 – 34, 45 f., 58 f., 101, 237, 260, 329 Juliana von Norwich 356 Jung, Carl Gustav 94, 148 Kafka, Franz 153, 166, 205 – 207, 212, 251, 254 – 256 Kaiser, Joachim 78 Kaniuk, Yoram 360 Kant, Immanuel (kantisch) 9 f., 28, 36 – 38, 47 f., 135, 213, 224, 239, 293 Karlstadt, Andreas 430 Kästner, Erich 49, 68, 78, 198 Kataria, Madan 54, 96 f. Keaton, Buster 153 f.
488
Index
Keller, Gottfried 101, 196, 200 f. Kempe, Margery 425 Kereny, Karl 148 Kessler, Johannes 287 Kierkegaard, Sören (kierkegaard’sch) 48, 71, 105, 204, 346 f., 350, 367, 380 f., 403, 417, 436 ff. King, Stephen 426 Kiphard, Ernst 90 Klee, Paul 357 Kleist, Heinrich von 201, 241 f. Kleomenes I. 58 Klinger, Friedrich Maximilian 174, 177 Klopstock, Friedrich Gottlieb 174, 343 Kluge, Alexander 79 Knorr, Peter 432 Kobell, Franz von 187 Koestler, Arthur 40 f., 264 f. Kohut, Heinz 89 Konrad von Würzburg 69 Kopatch, Gil 83 Kortner, Fritz 364 Kraepelin, Emil 36 Krafft, Johann Heinrich 292 Kraus, Karl 72 Kristeva, Julia 253 Kubrick, Stanley 81 Kundera, Milan 85, 190, 248 Laktanz 277 Laurentius von Rom 361 Leeuw, Gerardus von 269 Lehmann, Johann Christoph 331 Leiser, Erwin 81 Lenz, Jakob Michael Reinhold 162, 204 Leo X. 302, 327 Leone, Sergio 70 Leß, Gottfried 332 Lesage, Alain-René 160 Lessing, Doris 39, 70, 93, 212, 254 Lessing, Gotthold Ephraim 174, 200, 202, 204 Lessius, Leonard 46 Levinson, Barry 81 Levy, Daniel 78 Lipps, Theodor 9 f., 38 Liutprand von Cremona 327
Lloyd, Harold 152, 415 Locke, John 264 Lorenz, Konrad 10, 38, 62 – 65, 137 Loriot 83, 170 Lubitsch, Ernst 76, 78 f. Ludolf von Chartres 341 Ludolf von Sachsen 340 Ludwig IX. von Frankreich 399 Luhmann, Niklas 436 Lukian 109, 358 Luther, Martin 111, 274, 280, 284, 291 f., 296, 330 f., 346, 349, 353, 356, 358, 370 f., 374, 382 f., 388 f., 393 – 396, 407, 410, 417 – 421, 429 – 432, 436 Lykurg 349 Maasen, Jacob 426 Maggi, Vincenzo 264 Mahakashyapa 226 Maimonides 348 Man, Paul de 257 Mann, Heinrich 78, 166 Mann, Thomas 59, 132, 159, 161, 166, 184 – 187, 201, 204, 206, 349, 404 Manolescu, Georges 161 Manuel, Niklaus 430 Maria von Antiochien 412 Marivaux, Pierre Carlet de 157 Markus der Verrückte 412 Marquard, Odo 76, 139, 375, 389, 436 Marti, Kurt 217 Martianus Capella 324 Martin von Braga 277, 280 Martin von Tours 274 Marx, Harpo (Marx Brothers) 152, 415 Maslow, Abraham H. 388 Mathesius, Johannes 287, 353 Mattello 302 Maturin, Charles Robert 178 Mauthner, Fritz 242 Mazursky, Paul 82 McDougall, William 49 McGhee, Paul 49, 51, 97 Mechthild von Magdeburg 345 f. Meier, Georg Friedrich 173, 264 Mickiewicz, Adam 118, 120 Mihaileanu, Radu 80 f.
Index
Miller, Alice 73 Miller, Henry 7415 Milton, John 350 Moers, Walter 78 Mohammed 394 Moicher-Sforim, Mendele 205 Molière 117, 157 Molina, Tirso de 179 Moltmann, Jürgen 321, 333 f., 372 – 374, 380 – 382, 408, 438 Mondeville, Henri de 43 Montaigne, Michel de 46, 357, 387 Montanus, Martin 102 Monty-Python 189, 364 Moons, Jacob 350 Moreno, Jacob Levy 95, 381 Morgenstern, Christian 56 Morgner, Irmtraud 114 Mörike, Eduard 199 f., 216 Moritz, Karl Philipp 175, 216, 293 Morris, Desmond 63 f., 66 Morus, Thomas 123, 264, 362, 433 Motte Fouqué, Friedrich de la 198, 200 Mozart, Wolfgang Amadeus 178, 217, 226 Müller, Adam 125 Müller, Heiner 247 Müller, Heinrich 346 Müller, Hertha 293 Murner, Thomas 122, 156 f. Musil, Robert 198, 235 Mussolini, Benito 77 Napoleon 113, 183 Nash, Walter 8 Nasreddin Hodscha 160 Neiner, Valentin 172 Neri, Filippo 414 Nero 58 Nestroy, Johann 71, 161, 205 Nichols, Mike 81 Nicolai, Ernst Anton 28 Niebergall, Friedrich 269 Niebuhr, Reinhold 363, 368, 429, 435, 438 Nietzsche, Friedrich (nietzscheanisch) 9 f., 11 f., 14, 42, 48, 60 f., 64, 95, 132, 139 f., 145, 164 – 166, 169, 180 – 185, 208 – 210,
489
220, 225, 229, 242, 252, 257 f., 260 f., 265, 304, 365, 393, 400 – 402, 415 Nightingale, Florence 371 Nikolaus von Kues 418 Nonnos von Panopolis 108 Notker von St. Gallen 324 Nouwen, Henri 227 Novalis 48, 235 Oekolampad, Johann 286, 310 Offenbach, Jacques 193 Olson, Elder James 9 f. Origenes 273, 277, 338, 429 Osho 54 Osiander, Andreas 284 Otto, Rudolf 364, 404 Ovid (ovidisch) 45, 108, 190, 353 Pachomius 278, 356 Paleotti, Gabriele 303 Palladios von Alexandria 174 Panizza, Oskar 187 – 189 Pascal, Blaise 265, 357, 367 Paschasius Radbert 280 Paul, Jean 8 – 10, 59 f., 148, 159, 163 f., 177, 180, 203, 205, 229, 233 f., 240, 261, 314, 363, 435 Pauli, Johannes 310 Paulinus von Nola 298 Paulus (paulinisch) 155, 158, 265, 270 – 273, 286, 290, 293, 295, 326, 330 f., 352, 369, 374, 396, 411, 413, 415, 418 f., 422, 429, 432 Paz, Octavio 128, 221 – 223, 243, 333 Peacock, Reginald 281 Perkins, William 290 Perpetua und Felicitas 361 Perrault, Charles 192 Peter der Große 147 Petrus Cantor 329, 339, 342, 427 Petrus der Dichter 341 Petrus Venerabilis 327 Petrus von Celle 327 Philemon 58 Philipp der Kartäuser 343 Philipp II. von Makedonien 145 Philo von Alexandrien 296, 325
490
Index
Pispers, Volker 86 Pius V. 289 Platon (platonisch) 7 f., 10 f., 16, 33 – 36, 60, 64, 100, 107, 118, 139, 155, 165, 186, 196, 217 – 220, 223, 257, 264, 269, 272, 276, 329, 401 Plautus (plautinisch) 110, 145, 427 Plessner, Helmuth 8 – 11, 14, 18, 22 f., 40 – 42, 58, 76, 126, 137 f., 141, 211, 217 f., 228, 245, 249, 258 – 260, 262 f., 265, 364, 375 f., 404 Plinius d. Ä. 58, 129, 171, 181 Plinius d. J. 45 Plutarch 114 Poe, Edgar Allen 173 Poggio Bracciolini, Gianfrancesco 285 Poinsinet de Sivry, Louis 28, 211, 264 Poirters, Adriaen 331 Pollux 107 Polykarp von Smyrna 361 Pontano, Giovanni 46 Pope, Alexander 9, 427 Porphyrios 274 Porst, Johann 291 Postman, Neil 86 Prambhofer, Joannes 427 Pres, Terrence des 82 f. Proklos 130 Provine, Robert 6, 137 Ptolemäos II. 298 Puteanus, Eryceus 342 Quintilian
45, 324
Raabe, Wilhelm 72, 180, 387 Rabbi Aquiva 337 Rabbi Beroqa 371 Rabbi Elieser 360 Rabbi Jehudá 334 Rabbi Simeon Ben Laquish 337 Rabelais, Francois 10, 27, 46, 78, 122 – 124, 126, 129, 145, 163, 192, 248, 301 f., 431 Rad, Gerhard von 393, 395 f. Rahner, Hugo 333, 371 Rahner, Karl 334 Rang, Florens Christian 119 Ransmayr, Christoph 190
Rasputin 414 Ratzinger, Joseph 297, 323 f., 355, 367 Rauscher, Wolfgang 311 Reik, Theodor 9, 37, 69, 92 Reil, Johann Christian 60 Reinhardt, Max 125 Reitz, Heinrich 291 Renan, Ernest 366 Reuter, Ernst 387 Rimbaud, Arthur 171 Ringelnatz, Joachim 56 Ritter, Joachim 8 f., 45, 170, 197, 235, 315, 437 Robert von Basevorn 427 Roberts, Julia 205 Rorty, Richard 434 Rosenkranz, Karl 179 Roth, Joseph 190 Rötscher, Heinrich Theodor 163 Rouault, George 411 Rousseau, Jean-Jacques 265 Rudolf von Ems 395 Rueff, Jakob 285 Rufinus von Aquileia 341 Ruge, Arnold 36 Rupert von Deutz 342 Rüte, Hans von 285 Sacchetti, Franco 156 Sachs, Hans 112, 157, 285, 418 Sailer, Johann Michael 332, 371 Sales, Franz von 331, 384 Salimbene de Adam 301 Salomo von Konstanz 425 Sandrub, Lazarus 430 Sartre, Jean Paul 215 f. Savonarola, Girolamo 113 Saxo Grammaticus 361 Sayers, Dorothy L. 344 Schelling, Friedrich 234 f. Schiller, Friedrich 135, 140, 164, 173, 177, 232, 328, 364, 427 Schlegel, Friedrich 200, 213, 234 f. Schleiermacher, Friedrich 269, 428 f. Schmid, Wilhelm 362 Schmidt, Harald 87, 170 Schmitz, Hermann 11, 218 f., 349
Index
Schneider, Helge 78, 87, 170 Schneider, Robert 190 Schnitzler, Arthur 59, 178 Schopenhauer, Arthur 10, 24, 36, 48 f., 184, 264 Schramm, Georg 86 Schröder, Rudolf Alexander 356 Schulz, Bruno 203 Schupp, Johann Balthasar 287, 311, 428 Schwab, Werner 124 Schweizer, René 96 Seckendorff, Veit Ludwig von 310 f. Seel, Martin 7, 79, 211 f., 436 Seghers, Anna 76 Seneca 45, 277, 329, 361 Sennett, Mack 126 Seuse, Heinrich 345, 399 Shaftesbury, 3. Earl of 9, 427, 435 Shakespeare 59, 121, 125, 132, 158, 161, 175, 215, 242, 246, 286, 290, 427 Shaw, George Bernhard 433 Singer, Isaac Bashevis 83, 167, 205, 414 Sixtus V. 288 Skriver, Christian 292 Smaragdus von St. Mihiel 324, 326, 338 Sokrates 100, 155, 196, 401 Sosibios 349 Spencer, Herbert 10, 28, 37 f., 49 Spener, Philipp Jacob 286 Spiegelman, Art 82 Spinoza, Baruch de 35, 37, 330 Spurgeon, Charles H. 428 Sri Sri Ravi Shankar 54 Stahl, Georg Ernst 292 Steiner, Rudolf 56, 226 f., 229 Stern, Alfred 1, 10, 16, 20 f., 105, 137, 304, 336, 375 Sterne, Laurence 248 Sternheim, Carl 166 Stricker, Der 194, 339, 399 Strobl, Andreas 312 Sully, James 19, 38 Sulpicius Severus 274, 278 Swabey, Marie Collins 9 Swift, Jonathan 439 Symeon von Emesa 412
491
Tabori, George 79 f. Tairow, Alexander J. 125 Tarlton, Dick 148 Tauler, Johann 361, 399 Taylor, Jeremy 290 Terenz 110, 289 Teresa von Ávila 362, 434 Tertullian 273, 276 – 278, 399, 411, 429 Thackeray, William 158 Thales 237 Theophilus von Antiochien 412 Thielicke, Helmut 3, 12, 105, 136, 138, 141, 159, 270, 272, 316, 332, 356, 362, 364, 372, 374, 384 – 389, 408 – 411, 417, 429, 433 Thomas Chobhan 329 Thomas von Aquin 10, 328, 342, 427 Thomas von Kempen 342, 398 f. Thomasin von Zirklaria 282 Tieck, Ludwig 177, 234 f. Toller, Ernst 62 Treichel, Hans-Ulrich 293 Tucholsky, Kurt 17, 349, 367 Tünger, Augustin 285 Twain, Mark 49 Ulrich von Liechtenstein
301
Valentin, Karl 73, 75, 151, 169 Valla, Lorenzo 329 Vasilij von Moskau 413 Vergil 129 Vermeer, Jan 290 Vermes, Timur 78 Victorinus, Gaius Marius 280, 324 Victoroff, David 9 Villon, Francois 160 Vincenz von Beauvais 278 Vinci, Leonardo da 282 Vischer, Friedrich Theodor 35 f., 197, 217 Vischer, Wilhelm 396 Vives, Juan-Luis 264 Vockerodt, Gottfried 292 Voltaire 47, 209, 361, 427, 433 Wagner, Richard 58, 173, 346, 398 Walch, Johann Georg 343
492
Index
Walsh, James J. 49 Walther von der Vogelweide 101 Watzlawick, Paul 89, 91 Weber, Carl Julius 28 Weber, Max 174, 274 Wedekind, Frank 166 Weldon, Fay 70, 212 Wellershoff, Dieter 126 Werfel, Franz 76 Wernher der Schweizer 343 Wertmüller, Lina 82 Westermann, Claus 393, 395 f. Wezel, Karl 176 White, Hayden 202 Whitehead, Alfred North 366 Wieland, Christoph Martin 47, 145, 157, 427 Wiesel, Elie 83, 402 Wilberforce, William 371 Wild, Sebastian 285
Wilhelm von Conches 328, 372 Williams, Robbin 82 Wimpfeling, Jakob 286 Wittenwiler, Heinrich 121 Wolf, Christa 201 f., 235 Wolff, Christian 264 Wolfram von Eschenbach 101, 342 f. Wyclif, John 283 Xenophon (xenophonisch) 34, 63, 145 Young, William P.
344
Zahavi, Helen 104 Zeuxis 58 Zinzendorf, Ludwig Graf von Zola, Émile 183 Zoroaster 129, 171, 185 Zuckmayer, Carl 160
291 f.
Bibelstellenregister 6,20 – 23
Genesis 1 1,27 2 6 9,18 – 29 11,1 – 9 17,17 18 18,12/13 ff. 21,6 21,9 22,1 – 19 26,8 38 39,14/17
333 420 f. 333 407 296, 397 407 393, 396 407 393, 395 337, 340, 394 f. 295 367 295, 334 367 334
Exodus 3,14 32,6
407, 420 274, 294
Numeri 11,18b-20 11,25 – 30 22 22 – 24
349 406 (Bileam) 298, 407 408
Deuteronomium 16,11 – 15
334
Richter 7 11,34
407 296
1 Sam 2,1 – 10 10,10 ff. 18,6 19,18 – 24
395 406 296 406
2 Sam 2,14 f. 6,14 ff.
295 295, 406
https://doi.org/10.1515/9783110667769-011
295, 406
1 Kön 18
367
2 Kön 2,24
392
2 Chr 30,10
397
Ester 360 Psalter 1 1,1 2,4 2,11 8,3 22 36,10 37,7 37 37,13 52,8 59,7 – 9 104,26 118,20 118,24 126,1 f. 139 140,12
397 392 338, 349 f. 402 370 397 382 338 351 349 353 276, 349 333 362 313 337, 359, 374 320 340
Hiob 5,22 8,20 ff. 9,2 f. 10,8 9,23 26,2 f. 30,1 30,20
350 278, 340, 350 f. 359 359 349 f. 359 392, 397 359
494
39,5 – 8 39,13 – 18 39,19 – 25 40,29 41,21 Sprichwörter 1,26 8,30 f. 10,19 14,13 15,13 15,30 17,22 19,28 31,6 f.
Bibelstellenregister
334 334 335 334 350
349 333, 373 340 331, 336, 340 320, 340 320 43 392 334
30,19 31,4
295, 372 295, 372
Klagelieder 1,7
397
Ezechiel 5,1 f. 21,1 – 12
406 406
Hosea 9,7
406
Amos 4,1
406
Jona Kohelet 2,2 2,24 3,4 3,22 7,3 f./7,4 ff. 8,17 10,19
290, 336 390 331, 336, 340 390 336 407 275
Hohelied 312 Jesus Sirach 7,12 19,27 20,6 f. 21,20 21,29 27,14 30,23 30,26 f.
275 341 275 340 275, 337 275 43 390
Jesaja 20,3 65,17 ff.
406 337
Jeremia 15,17 19 27
337 406 406
4,4 – 9
367 349
Sacharja 8,5
372
Matthäus 6,25 – 34 7,3 ff. 9,24 7,15 12,36 16,2 f. 16,25 21,16 22,15 – 22 28,62 – 66
369 409 398 379 275, 280, 337 410 386 370 409 f. 432
Markus 3,20 f. 5 5,1 – 20 5,40 5 – 7 (Bergpredigt) 10,13 ff. 10,25
410 432 352 398 409 388 409, 422
Lukas 1,44 1,46 – 55
297 395
Bibelstellenregister
6,21 6,25 8,53 9,24 9,60 10,21 11,5 – 8 14,15 – 24 15 24,13 – 35
337, 340, 353, 370, 374 290, 340, 370, 400 398 420 422 369 409 422 369, 409, 422 438
Johannes 1,14 2,1 – 11
271 (Hochzeit zu Kana) 295, 422 3,1 – 11 422 4,1 – 26 422 4,14 382 12,12 – 19 (Einzug in Jerusalem) 298, 369, 408 16,20 278
Apostelgeschichte 10,10 f. 13,52 22,17 f. 26,24 f.
321 369 321 411
Römer 4 7,14 – 25 8,37 ff.
396 271 369
1 Kor 1,18 – 31 1,26/27 ff. 3,18 f. 3,19 4,10
411 369, 432 411 f. 272 411 f.
6,12 – 20 7,29 ff. 9,25 9,27 13 13,12 15,55 ff.
272 369, 387 272 272 426 417 352, 355
2 Kor 5,13 11,1 – 12,11 11,16 – 12,10 12,7
321 419 422 411
Galater 3,28 f. 5,12
308 429
Epheser 5,4
495
275, 280, 286, 290, 293, 325, 331, 337
Philipper 4,4
398, 428
Kolosser 2,15 4,6
352, 356 331
1 Joh 2,15 – 17
272
Jakobus 4,9
337, 340, 400
Offenbarung 17,3 – 6 18,11 – 17a 21,2
432 432 372