Deutsch-jüdische Bibelwissenschaft: Historische, exegetische und theologische Perspektiven 9783110551631, 9783110549768

The volume focuses on the work of 19th and 20th century Jewish interpreters and translators of the Bible. It examines th

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German Pages 315 [316] Year 2019

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Table of contents :
Preface
Inhalt
Einleitung
Dialog und Emanzipation
Orientalische Poesie als schönes Ganzes?
Hermeneutik des Konkreten
Re-Forming Professions
Scripture and Separatism
Bildung und Erziehung
Wissensspeicher, Lehrbuch, Erkenntnisquelle
Ordnungen religiösen Wissens
Kinderbibeln als Mittel jüdischer Bibelauslegung
Hermeneutik und Wissenschaft
„Die niedere Kritik“
Samuel David Luzzatto and Abraham Geiger on the Textual Criticism of the Bible: Continuity or Conflict?
Die Anfänge moderner Bibelwissenschaft in der Wiener Haskala
Kommentare und Übersetzungen
Bibelübersetzung und Kommentarwerk des liberalen Rabbiners Ludwig Philippson
Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren
Der Ewige
Herxheimers Bibelwerk
Anhang
Literaturverzeichnis
Über die Autorinnen und Autoren
Abbildungsverzeichnis
Personenregister
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Deutsch-jüdische Bibelwissenschaft: Historische, exegetische und theologische Perspektiven
 9783110551631, 9783110549768

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Deutsch-jüdische Bibelwissenschaft

Europäisch-jüdische Studien Beiträge

Herausgegeben vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Potsdam Redaktion: Werner Treß

Band 40

Deutsch-jüdische Bibelwissenschaft

Historische, exegetische und theologische Perspektiven Herausgegeben von Daniel Vorpahl, Sophia Kähler und Shani Tzoref

ISBN ISBN 978-3-11-054976-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-055163-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-054983-6 ISSN 2192-9602 Library of Congress Control Number: 2019930480 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Preface The prospect of political emancipation heralded for Jews in German lands a geographic shift from outside the body politic into its very midst. Of the many wrenching adjustments that shift would dictate, none was more disorienting than the mastering of a new language. When Glueckel of Hameln in the first quarter of the eighteenth century sought comfort in a diary after the death of her husband, she still wrote in Yiddish, even though she was hardly unworldly. A long status of exclusion had deprived Ashkenazic Jews of a common language in which to explain themselves to their Christian neighbors. The often disparaging literature about Judaism which was available had not been composed by Jews. Mendelssohn’s superb translation into German of the Torah and the Book of Psalms marks the determined effort to accelerate that inescapable transition. No less important, German Jews were not to enter into unchartered waters without a rendition of Scripture in a Western language soon destined to become their own. The centrality of Luther’s translation of the Bible in German culture was emblematic for Mendelssohn, but not sufficient, because every translation is also an interpretation. Unlike Luther’s Bible though, Mendelssohn’s did not come out unaccompanied by commentary. Its Hebrew Biur averred resoundingly that Mendelssohn rejected Luther’s principle of sola scriptura. Readers were to be guided to appreciate the plain meaning of Scripture (unemended) and all its subtleties as understood by medieval exegetes and modern rationalists. Mendelssohn strove to restore a tradition of p’shat long extinct in the world of Ashkenaz. The present splendid volume of essays is a valuable study of the astonishing success of Mendelssohn’s pioneering effort not in terms of sales or reprints but in terms of influence. It is not often that the proceedings of an academic conference coalesce so elegantly into a coherent whole, with each essay illuminating a related aspect of a common phenomenon infinitely complex. Separately and searchingly, these sparkling essays highlight the degree to which Mendelssohn’s project engendered subsequent German translations and commentaries of the Bible (in part or whole) by pulpit rabbis, the degree to which it generated catechisms and children’s Bibles for Jewish schools and finally the degree to which it also shaped conceptions of biblical poetry and images of God. Even Mendelssohn’s staunch defense of the reliability and sanctity of the Masoretic text of the Hebrew Bible which prompted continued heated debate far into the twentieth century is touched on by several essays in this rich volume. In short, these proceedings are https://doi.org/10.1515/9783110551631-001

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Preface

yet again fresh evidence of Mendelssohn’s broad ongoing impact once he had thrust the Hebrew Bible into the heart of German Jewish consciousness. Ismar Schorsch Chancellor Emeritus and Distinguished Service Professor Jewish Theological Seminary January 2018

Inhalt Einleitung

1

Dialog und Emanzipation Kathrin Wittler Orientalische Poesie als schönes Ganzes? Zur Ästhetik jüdischer Bibelübersetzung im ausgehenden 11 18. Jahrhundert Susanne Plietzsch Hermeneutik des Konkreten Die Propheten als Repräsentanten Israels bei Julius Wellhausen und Abraham Geiger 25 Alexandra Zirkle Re-Forming Professions Salomon Herxheimer and Ludwig Philippson on the Past and Future of 41 Jewish Farmers Michah Gottlieb Scripture and Separatism Politics and the Bible Translations of Ludwig Philippson and Samson Raphael Hirsch 57

Bildung und Erziehung Uta Lohmann Wissensspeicher, Lehrbuch, Erkenntnisquelle Zur Rolle der Hebräischen Bibel im Bildungskonzept der Berliner Haskala 77

VIII

Inhalt

Kerstin von der Krone Ordnungen religiösen Wissens Tora und Bibel in jüdischen Religionslehrbüchern des 19. Jahrhunderts 93 Dorothea M. Salzer Kinderbibeln als Mittel jüdischer Bibelauslegung

113

Hermeneutik und Wissenschaft Hanna Liss „Die niedere Kritik“ Das Studium der Masora zwischen Wissenschaft des Judentums und Bibelwissenschaft 139 Chanan Gafni Samuel David Luzzatto and Abraham Geiger on the Textual Criticism of the Bible: Continuity or Conflict? 161 Hannes Bezzel, Louise Hecht, Grit Schorch Die Anfänge moderner Bibelwissenschaft in der Wiener Haskala Juda Jeitteles und Juda Leib ben Zeʼev als Exegeten im Verlagshaus von 171 Anton Schmid

Kommentare und Übersetzungen Rüdiger Liwak Bibelübersetzung und Kommentarwerk des liberalen Rabbiners Ludwig 197 Philippson Hans-Christoph Aurin Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren 215 Christoph Schulte Der Ewige Moses Mendelssohn als philosophischer Tora-Übersetzer und ‐Exeget 233

Inhalt

Klaus Herrmann Herxheimers Bibelwerk

247

Anhang 273

Literaturverzeichnis

Über die Autorinnen und Autoren Abbildungsverzeichnis Personenregister

303

301

297

IX

Einleitung Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte deutsch-jüdischer Bibelwissenschaft findet in aller Regel innerhalb des geschichtswissenschaftlichen Zweiges der Jüdischen Studien statt, wo sie als Teil der akademischen Tradition der Wissenschaft des Judentums wahrgenommen wird. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in jener epochalen Zäsur jüdischen Lebens in Europa begründet, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die millionenfache Ermordung jüdischer Menschen und die systematische Zerstörung jüdischen Gemeindelebens die akademische Arbeit jüdischer Wissenschaftler*innen in Deutschland für lange Zeit zum Erliegen brachte oder ins Exil verbannte. Auch nach der Schoa entwickelte sich die einflussreiche deutsche Schule historisch-kritischer Bibelwissenschaft über Jahrzehnte weitgehend unabhängig von jüdischen Wissenschaftseinflüssen weiter. Als Lehrstuhl für Hebräische Bibel und Exegese eines Instituts für Jüdische Theologie an einer deutschen Universität standen wir demnach in der Verantwortung einer abgebrochenen Tradition. Die Existenz jüdischer Bibelwissenschaft an deutschen Hochschulen ist nach wie vor die Ausnahme und bislang nur in Potsdam und Heidelberg zu finden. Um deutsch-jüdische Bibelwissenschaft als Teil akademischer Gegenwart und Zukunft in Europa weiter zu etablieren, bedarf es deren Wiederaufleben und Überführen in eine Diskurslandschaft des 21. Jahrhunderts. Auf der Grundlage dieses Bewusstseins widmen wir uns mit diesem Sammelband der Wissenschaftsgeschichte unseres eigenen Faches als einem zentralen Teil dessen akademischer Identität. Für die Aufarbeitung dieser Fachgeschichte suchten wir aus den genannten Gründen eine konstruktive Zusammenarbeit von Bibelwissenschaftler*innen und Judaist*innen mit Historiker*innen der Jüdischen Studien. Die enorme Herausforderung, entsprechend divergierende Forschungsansätze, Fragestellungen, Methoden und Schlussfolgerungen in einen interdisziplinären Dialog zu bringen, war der Anspruch einer im September 2016 an der Universität Potsdam veranstalteten internationalen Fachtagung zur Geschichte deutsch-jüdischer Bibelwissenschaft. Aus den vielfältigen Beiträgen, anregenden Diskussionen und konstruktiven Erkenntnissen dieser zweitägigen Konferenz generierten wir im Anschluss Impulse und Themen für die Ausrichtung und Konzeption dieses Sammelbandes. Die vorliegende Sammlung wissenschaftlicher Artikel stellt demnach den ambitionierten Versuch dar, geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse für die fachspezifischen Interessen einer jüdischen Bibelwissenschaft zu öffnen. Als Herausgeber*innen bemühten wir uns, die jeweiligen Beiträge im Rahmen ihrer https://doi.org/10.1515/9783110551631-002

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Einleitung

interdisziplinären Dialogfähigkeit auf einen gleichermaßen bibelwissenschaftlichen wie geschichtswissenschaftlichen Fachdiskurs hin editorisch zu betreuen und zu arrangieren. Wohlwissend, dass der Großteil der Forschung zu jenem Themenfeld bislang außerhalb Europas stattfindet,¹ wollten wir den deutschsprachigen Fachdiskurs zudem stärker in diesen internationalen Wissenschaftsbereich einbinden, weshalb auch englischsprachige Beiträge in unseren Sammelband aufgenommen und die deutschsprachigen jeweils in englischsprachigen Abstracts zusammengefasst wurden. Insgesamt versammeln wir hier vierzehn Fachartikel, kompiliert in vier Sektionen historischer, exegetischer und theologischer Perspektiven auf die Geschichte der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft. Die unter der Überschrift Dialog und Emanzipation versammelten Beiträge beschäftigen sich zunächst mit der Ästhetik und Ethik sozio-ökonomischer Antworten auf Wertmaßstäbe einer nichtjüdischen Gesellschaft. Das Dialogische bestand dabei vorrangig in dem Versuch, entsprechende Werte innerhalb konfessioneller Repräsentationen deutsch-jüdischer Bibelwissenschaft zu integrieren, durch die wiederum eine Emanzipation innerhalb der soziokulturellen Landschaft Deutschlands angestrebt wurde. Im ersten der vier Artikel dieser Sektion behandelt Kathrin Wittler den am Ende des 18. Jahrhunderts stattfindenden Transferdiskurs um die Adaption eines aus den bildenden Künsten stammenden Ideals vom „schönen Ganzen“ auf die biblische Poesie. Jener anachronistischen Übertragung ästhetischer Kriterien aus dem Deutschland des 18. Jahrhunderts auf biblische Texte lag ein unverwechselbar modernes Ethos zugrunde. Wittler zeigt auf, wie sich in der darin begründeten äußerlichen Apologie der biblischen Psalmen eine innerliche Validierung jüdischer Identität vollzog, in der letztlich die Unsicherheit um den soziokulturellen Wert jüdischer Beiträge zur humanistischen Kultur und deren Anerkennung innerhalb der deutschen Gesellschaft zum Ausdruck kam.

 Die einschlägigen Arbeiten auf diesem Gebiet stammen überwiegend aus den USA oder Israel. Siehe u. a. Breuer, Edward u. Chanan Gafni: Jewish Biblical Scholarship between Tradition and Innovation. In: Hebrew Bible/Old Testament. The History of Its Interpretation. Bd. III: From Modernism to Post-Modernism (The Nineteenth and Twentieth Centuries). Part 1: The Nineteenth Century – a Century of Modernism and Historicism. Hrsg. von Magne Sæbø. Göttingen 2013; HaCohen, Ran: Reclaiming the Hebrew Bible. German-Jewish Reception of Biblical Criticism. Berlin [u. a.] 2010; Levenson, Alan T.: The Making of the Modern Jewish Bible. How Scholars in Germany, Israel, and America Transformed an Ancient Text. Lanham 2011 sowie Shavit, Yaacov u. Mordechai Eran: The Hebrew Bible Reborn. From Holy Scripture to the Book of Books. A History of Biblical Culture and the Battles over the Bible in Modern Judaism. Berlin/New York 2008. Als rudimentäre deutschsprachige Vorarbeiten zu nennen sind Bechtoldt, Hans-Joachim: Die jüdische Bibelkritik im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1995 sowie ders.: Jüdische deutsche Bibelübersetzungen vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2005.

Einleitung

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In Reflexion jüngerer Antijudaismus-Thesen David Nirenbergs behandelt der Beitrag von Susanne Plietzsch die wissenschaftliche Rezeption biblischer Prophetie im 19. Jahrhundert in Deutschland anhand der Positionen Julius Wellhausens und Abraham Geigers. Plietzsch geht von einer hermeneutischen Sichtweise Wellhausens aus, die den prophetischen Büchern eine historische wie theologische Vorrangstellung zuerkannte. Dabei setzte er ein Judentum der nachexilischen Zeit und der Zeit des zweiten Tempels mit einem der Moderne gleich und reihte sich so in den Antijudaismus des 19. Jahrhunderts ein, indem er die Kritik der biblischen Prophet*innen als Kritik am Judentum seiner Zeit las. Demgegenüber analysiert Plietzsch die Position Geigers dahingehend, dass die prophetischen Ideale dem zeitgenössischen Judentum die Aufgabe überantworten würden, den gleichbleibenden Konzepten der Tora eine aktuelle Form zu geben. Durch die formale Aktualisierung konstanter Werte habe ein zeitgenössisches Judentum lebhaften Anteil an einem antiken Judentum, wobei die Prophet*innen zu Agent*innen eines reformfähigen Judentums würden. Auch in den von Alexandra Zirkle behandelten wissenschaftlichen Bibelkommentaren Salomon Herxheimers und Ludwig Philippsons wird deren Austausch mit einer nichtjüdischen Theologie und Gesellschaft deutlich. Unter anderem mit Verweis auf Kain und Abel zeigt Herxheimer, dass entgegen antijüdischer Klischees ein Leben in harter Arbeit und Einfachheit in der Natur des Judentums liege. Philippson wiederum betrachtete das landwirtschaftliche Leben als Ursprung einer religiösen Entwicklung, die ihren Höhepunkt in der Zeit Moses fand. Damit wehrte er sich gegen eine Spätdatierung der Tora und verteidigte die mosaische Autorschaft des Pentateuch. Zirkle zeigt mit diesen Darstellungen, welch zentrale Rolle bibelexegetische Betrachtungen im Kampf um die bürgerliche Gleichstellung jüdischer Menschen spielten und wie stark politische mit theologischen Auseinandersetzungen verknüpft waren. Michah Gottlieb thematisiert schließlich die Funktionsweisen und Dimensionen soziokultureller Verortungen des Judentums innerhalb jüdischer Bibelübersetzungen seit dem 18. Jahrhundert. Diese vollzogen nicht nur den emanzipatorischen Schritt des Ankommens in der deutschen Sprache, sondern adaptierten darüber hinaus Merkmale eines deutschen Protestantismus. Gottlieb führt anhand der Bibelübersetzungen Samson Raphael Hirschs und Ludwig Philippsons vor, wie historisch-kritische Ansätze zur Vereinheitlichung und Abgrenzung eines zeitgenössischen Judentums hinsichtlich dessen soziokultureller Realität nutzbar gemacht wurden und identifiziert so ein abermals interessantes Zusammenspiel von Ideologie und Soziologie. Möglichkeiten und Ziele, Ursachen und Effekte wurden so innerhalb von Bibelübersetzungen identitätsstiftend instrumentalisiert. Von den Ansprüchen, den ästhetischen Wert der Psalmen zu verteidigen (Wittler) oder die Ethik der Prophet*innen auszudehnen (Plietzsch), über die

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Einleitung

Idealisierung biblischer Landwirtschaft (Zirkle) bis hin zur Bibelübersetzung als Grundlage gesellschaftlicher Verortung (Gottlieb) veranschaulichen die Beiträge der ersten Sektion unseres Sammelbandes, wie sich emanzipatorische Bestrebungen eines Judentums im 18./19. Jahrhundert im Dialog zwischen Bibelexegese und soziokulturellen Wertmaßstäben vollzogen. Die zweite Sektion, Erziehung und Bildung, thematisiert den pädagogischen Wissenstransfer im Zuge der Neuakzentuierung der Bibel durch die jüdische Aufklärung anhand bildungsprogrammatischer Bemühungen und expliziter Bibeldidaktik. Im Bildungswesen des aschkenasischen Judentums seit dem 13. Jahrhundert hatte das Studium der Bibel lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt und war entweder auf deren Relevanz für die Vorbereitung auf das Studium der Halacha oder den weiteren religionspraktischen Gehalt der Texte beschränkt geblieben. Uta Lohmanns Beitrag beschreibt, wie ab dem späten 18. Jahrhundert ein grundlegender Wandel dieser Situation eintrat, der vor allem auf der durch Moses Mendelssohn initiierten Rückbesinnung auf die Bibel innerhalb der Haskala beruhte. Am Beispiel des Bildungskonzepts der Berliner Maskilim zeigt Lohmann, wie die Bibel als bildungsfunktionales Bindeglied zwischen Tradition und Aufklärung rabbinische Literatur und insbesondere den babylonischen Talmud als zentrale Schrift jüdischer Identität ablöste. Vor eben diesem Hintergrund behandelt der Beitrag von Kerstin von der Krone die Systematisierung jüdischen Wissens auf Grundlage von Tora und Bibel in deutsch-jüdischen Lehrbüchern. Die damit verbundene Orientierung an aufklärerischen Bildungsidealen und bürgerlichen Sittlichkeitsvorstellungen führte zur Betonung moralischer Aspekte vor allem der Tora und entsprach den parallelen Entwicklungen der Ästhetisierung und Poetisierung der Bibel, die in der ersten Sektion unseres Sammelbandes thematisiert werden. So ist es nicht verwunderlich, dass sich im Zuge jener pädagogischen Prozesse auch der Einfluss protestantischer Modelle religiöser Erziehung auf die Gestaltung und in Teilen auch Inhalte von Lehrbüchern abzeichnete. Eine konsequente Fortsetzung dieser Entwicklung tritt in den von Dorothea M. Salzer untersuchten Kinderbibeln des 18./19. Jahrhunderts zutage. Salzer zeigt auf, wie Auswahl, Stil und Illustration der als kindgerecht adaptierten biblischen Inhalte als exegetische Mittel zum Einsatz kamen und veranschaulicht damit die Funktionalisierung von Kinderbibeln als identitätsstiftende deutsch-jüdische Auslegungsliteratur. Auch dabei bildeten Wertmaßstände des deutschen Bürgertums die Grundlage für eine Moralisierung, aber auch aufklärerische Rationalisierung biblischer Stoffe. Die drei Beiträge geben somit nicht nur mikrosoziale Einblicke in die pädagogische Funktionalisierung der Bibel innerhalb deutsch-jüdischer Bildung und Erziehung im Zeitalter der Aufklärung. Sie vermitteln auch einen Eindruck von der

Einleitung

5

prozesshaften Symbiose bibelexegetischer und -didaktischer Ansätze im redaktionellen Bildungsbereich. Über die allgemein soziokulturellen sowie die pädagogischen Auswirkungen deutsch-jüdischer Bibelwissenschaft hinaus widmen sich die Beiträge der als Hermeneutik und Kritik überschriebenen dritten Sektion den wissenschaftspraktischen Beziehungen zwischen traditioneller jüdischer Bibelexegese und der aufblühenden historisch-kritischen Bibelwissenschaft des 18./19. Jahrhunderts. Neben der grundständigen Auseinandersetzung mit den jeweiligen hermeneutischen Ansätzen liegt dabei ein besonderes Interesse auf dem Stellenwert des masoretischen Textes. So beschäftigt sich Hanna Liss in ihrem Beitrag konkret mit dem Bedeutungswandel des Studiums der Masora. In der vormodernen Zeit war dieses ein wesentlicher Bestandteil jüdischer Bibelexegese, mit explizitem Fokus auf der Präzisierung biblischer Texte. In der Moderne widersetzte sich Moses Mendelssohn dann einer protestantischen „Verunglimpfung“ des masoretischen Textes und wandte sich damit auch gegen Johann Gottfried Eichhorns programmatische Textkorrektur. Liss zeigt jedoch auch auf, wie das Studium der Masora mit zunehmender akademischer Etablierung der Bibelwissenschaft an eben jene verloren ging, nicht zuletzt weil jüdischen Gelehrten der Zugang zu christlichtheologischen Fakultäten verwehrt blieb. Chanan Gafni thematisiert in seinem Beitrag die textkritische Bibelexegese im Lichte Samuel David Luzzattos und Abraham Geigers. Während Geiger, anders als Mendelssohn, die Ansicht vertrat, der Bibeltext sei einer langzeitlichen Entwicklung unterlegen, bestand Luzzatto auf der Unveränderlichkeit des konsonantischen Textes. Lediglich eine alternative Vokalisation zog Luzzatto in Betracht, während er Geigers Reformprogrammatik ablehnte. Vor allem die grundsätzliche gegenseitige Wertschätzung der beiden jüdischen Gelehrten macht Gafnis gegenüberstellende Betrachtung beider Positionen in wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht interessant. Andere Beispiele der Verflechtung philologischer Bibelwissenschaft und traditioneller jüdischer Bibelexegese finden sich in dem gemeinsamen Beitrag von Hannes Bezzel, Louise Hecht und Grit Schorch zur Bibelwissenschaft der Wiener Haskala. Bezzel, Hecht und Schorch zeigen anhand der exegetischen Arbeiten von Juda Jeitteles und Juda Leib ben Ze’ev wesentliche Charakteristika der Wiener Haskala auf und werfen Licht auf die Anfänge deutsch-jüdischer, historisch-kritischer Bibelwissenschaft im 18./19. Jahrhundert. Während sich die drei Beiträge zur Hermeneutik und Kritik innerhalb der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft bereits expliziteren exegetischen Forschungsdiskursen zuwenden, behandelt die vierte Sektion unseres Sammelbandes Kommentare und Übersetzungen deutsch-jüdischer Gelehrter anhand gezielter Einzelstudien. Im ersten der vier Artikel dieser Sektion beschäftigt sich Rüdiger

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Einleitung

Liwak mit dem Übersetzungs- und Kommentarwerk des zuvor schon mehrfach erwähnten Ludwig Philippson. Liwak analysiert Philippsons Übersetzungen ins Deutsche nach bibelwissenschaftlichen Gesichtspunkten hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen. Ein Schwerpunkt seiner kritischen Untersuchung liegt dabei auf der von Philippson im besonderen Maße adaptierten Poetik der hebräischen Sprache sowie dem Einsatz von Bildmaterial innerhalb seines Bibelwerks. Dabei zeigt Liwak die soziokulturellen Ambitionen Philippsons auf, mittels seiner Bibelausgaben traditionelle jüdische Bibelexegese und historisch-kritische Wissenschaft zugunsten eines reformierten deutschen Judentums zu vereinen. Einen Eindruck von der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft des 20. Jahrhunderts vermittelt Hans-Christoph Aurin in seinem Beitrag zum Kommentarwerk Benno Jacobs. Dabei gewährt Aurin einen erstmaligen Einblick in den noch unveröffentlichten Nachlass Jacobs, dessen umfangreiche exegetische Notizen er ausschnittweise vorstellt und hermeneutische Entwicklungsprozesse des Bibelwissenschaftlers nachzeichnet. Vor allem die zunehmend synchron orientierte Exegese Jacobs zeigt sich hierbei anschaulich als explizit jüdischer Gegenentwurf zur literarkritisch operierenden protestantischen Bibelwissenschaft. Zugleich dokumentiert das durch Aurin exemplarisch zugänglich gemachte Material, wie Jacobs exegetische Arbeit aufgrund des eigenen Anspruchs einer dezidiert versweisen Kommentierung in vielen Fällen auf dem Stand unveröffentlichter Manuskripte und Fragmente verblieb, was auch den enormen Umfang seines Nachlasses erklärt. Christoph Schulte widmet sich in seinem Beitrag Moses Mendelssohns einflussreicher Übersetzung des Gottesnamens als „Ewiger“ und veranschaulicht davon ausgehend Mendelssohns philosophisch reflektierte Rezeption rabbinischer Literatur, mittelalterlicher jüdischer Exegese sowie zeitgenössischer christlicher Bibelwissenschaft innerhalb seines Biʼur. Mendelssohns Betonung der Ewigkeit korreliert mit seiner Auffassung von der Unveränderlichkeit des biblischen Textes und der göttlichen Mitzwot. Mit seinem abschließenden Beitrag zu Salomon Herxheimers Bibelwerk gibt Klaus Herrmann einen Einblick in dessen Übersetzungen und Kommentare biblischer Bücher, die gleichermaßen unter dem Einfluss traditioneller jüdischer Bibelexegese und historisch-kritischer Bibelwissenschaft der Moderne entstanden. Darin hält Herxheimer an der mosaischen Autorschaft der Tora fest und weist die historische Kritik immer wieder in ihre Schranken. Anhand teils erstmals zugänglich gemachter Quellen zeigt Herrmann auf, welch großen Anklang Herxheimers Bibelkommentar auch in christlichen Kreisen fand. Die in deutsch-jüdischen Zeitungen als emanzipatorischer Erfolg gefeierte Verbreitung seines Bibelwerks in christlichen Gemeinden sollte jedoch infolge kirchlicher Beschwerden eine Episode bleiben.

Einleitung

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Die vier Beiträge zum deutschsprachigen Übersetzungs- und Kommentarwerk jüdischer Gelehrter geben nicht nur teils sehr konkrete Einblicke in deren exegetische Arbeit und ihre Rezeption jüdischer wie christlicher Bibelwissenschaft. Sie zeigen im Falle Salomon Herxheimers auch ein Beispiel christlicher Reaktion auf jüdische Bibelexegese und weisen mit Benno Jacob über das Zeitalter der Aufklärung hinaus in die deutsch-jüdische Bibelwissenschaft des 20. Jahrhunderts. So schließt unser Sammelband mit dem Ausblick auf weitere Aspekte der Geschichte der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft. Diese haben wir im Sommer 2017 auch zum Gegenstand eines Panels auf der internationalen Fachkonferenz der Society of Biblical Literature gemacht. Unser Ziel war es, die internationale Forschung zur deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft auf solchen und ähnlichen Wegen in Zukunft weiter voranzutreiben und nicht zuletzt auch im Hinblick auf das deutsch-jüdische Leben der Gegenwart für jüdische Gemeinden, Bildungseinrichtungen und Forschungsgemeinschaften fruchtbar zu machen. Die komplexen Rahmenbedingungen akademischer Jüdischer Theologie und Jüdischer Studien in Deutschland bieten uns jedoch nicht mehr den institutionellen Raum, dieses Ziel weiterzuverfolgen und unsere gemeinsame Arbeit hieran fortzusetzen. Wir bedauern dies sehr und hoffen, dass andere auf unseren bisherigen Ergebnissen aufbauen werden. Einen initialen Schritt in diese Richtung glauben wir mit dem vorliegenden Sammelband vollzogen zu haben. Über ihre einzelnen Inhalte hinaus bilden dessen Beiträge in der Summe eine Entwicklung der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft des 18.–20. Jahrhunderts und ihrer Wirkungsfelder ab, deren Bezeichnung als einer „Renaissance der Bibel“ durchaus noch untertrieben erscheint. Angesichts der soziokulturell raumgreifenden, identitätsstiftenden Wiedergewinnung der Bibel innerhalb deutsch-jüdischer Selbstwahrnehmung, Bildung und Wissenschaft ist es durchaus angemessen, von einer „biblischen Revolution“ sprechen, die freilich einer historisch-kritischen Reflexion im Kontext ihrer Zeit und deren aufklärerischer Programmatik bedarf. Gerade in dieser Hinsicht vermag ein Sammelband angesichts der Eigenständigkeit seiner Beiträge, deren Vielfalt ihn zugleich ausmacht, per se nur erste, heterogene Impulse zu setzen. Durch das Aufzeigen und In-Beziehung-Setzen von Entwicklungslinien, Ursachen, Einfluss- und Wirkungsfeldern jener Neubeschäftigung mit der Bibel innerhalb der deutsch-jüdischen Wissenschafts-, Bildungs- und Kulturlandschaft der Aufklärungszeit vollziehen die hier versammelten Beiträge jedoch eine historische Aufbereitung aus dem Blickwinkel aktueller Bibelwissenschaft. Dabei muss auffallen, dass unter den hier behandelten Bibelgelehrten keine Frauen zu finden sind. Dieser Umstand erklärt sich gleichermaßen aus einem personellen Mangel an Exegetinnen im behandelten Zeitrahmen wie auch daran, dass Bibelwissenschaftlerinnen aus dem deutschsprachigen Raum zumeist letztlich

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Einleitung

außerhalb Deutschlands arbeiteten, wie etwa Nechama Leibowitz oder Lea Goldberg in Israel. Dass die Situation innerhalb der gegenwärtigen Wissenschaftslandschaft eine andere ist, zeigt bereits der Anteil der an unserem Sammelband beteiligten Forscherinnen. Ungeachtet dessen befinden wir uns hinsichtlich der Geschlechteregalität innerhalb der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft in einer Übergangsphase. Die soziale Kategorie „Geschlecht“ sollte unserer Auffassung nach innerhalb wissenschaftlicher Arbeit keine Relevanz besitzen, solang sie nicht zum Gegenstand deren Untersuchungen erhoben wird. Eine dementsprechende Neutralität zu etablieren, bedarf jedoch grundlegender struktureller Aktualisierungen, zu denen auch der bewusste Gebrauch wissenschaftlicher Sprache gehört. Deshalb haben wir im Rahmen unseres Sammelbandes angeregt, Personengruppen – gleich welcher Epoche – unter Verwendung geschlechterneutraler Begriffe oder des Behelfsmittels eines Asterisks (*) zu bezeichnen, um so zu erreichen, dass Menschen nicht per se binär einem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeschrieben und damit über ihren Genderstatus definiert werden. Hinsichtlich der Anwendung einer dementsprechend geschlechterneutralen Sprache bleiben die Beiträge unseres Sammelbandes disparat. Auch in dieser Hinsicht sind der deutsch-jüdischen Bibelwissenschaft der Gegenwart weitere Aufgaben und Herausforderungen gestellt und wir hoffen, dass der vorliegende fachgeschichtliche Sammelband zu deren Bewältigung beitragen kann. Dass dies über die eingangs erwähnte Fachkonferenz im September 2016 bis zur Entwicklung und Fertigstellung dieses Sammelbandes gelingen konnte, verdanken wir zahlreicher wohlwollender Unterstützung. Demnach gilt unser Dank für die großzügige Förderung unserer Tagung der Fritz von Thyssen Stiftung, dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg sowie der Leo Baeck Foundation.Weitere Unterstützung erhielten wir durch die School of Jewish Theology und das Abraham Geiger Kolleg. Für ihre organisatorische und inhaltliche Hilfe danken wir herzlich Zofia H. Nowak, Paul Michael Kurtz, Maciej Kirschenbaum, Josh Weiner, Sophie Freikamp und Orlando Brix. Besonders dankbar sind wir auch Ismar Schorsch für seinen öffentlichen Gastvortrag im Rahmen unserer Tagung sowie seine einführenden Geleitworte zu diesem Sammelband. Werner Treß und Julia Brauch danken wir für die Aufnahme unseres Sammelbandes in die Schriftenreihe Europäisch-jüdische Studien und die unkomplizierte editorische Zusammenarbeit. Daniel Vorpahl, Sophia Kähler und Shani Tzoref Potsdam, im Dezember 2018

Dialog und Emanzipation

Kathrin Wittler

Orientalische Poesie als schönes Ganzes?

Zur Ästhetik jüdischer Bibelübersetzung im ausgehenden 18. Jahrhundert Abstract: In the 1780s and 1790s, German Jewish translators of the Bible reflected upon their work in aesthetic terms and tried to accommodate it to current literary standards. This proved to be challenging, because these literary standards were at this time hotly debated ‒ with far-reaching consequences for so-called oriental poetry. While the Psalms and other poetic parts of the Hebrew Bible had been valued as an early, oriental model for the lyrical genre of the ode, they hardly conformed to the ideal of the “beautiful whole” as it now came to be emphasized in the framework of classicism and “Autonomieästhetik”. The article demonstrates how Moses Mendelssohn, Joel Löwe, Aaron Wolfssohn, and David Friedländer tried to bridge the increasingly deep abyss between orientalism and classicism and shows how they developed their translation objectives in discussion with Gotthold Ephraim Lessing, Johann Gottfried Herder, Johann Gottfried Eichhorn, and Karl Philipp Moritz. Their reflections on how to translate the poetry of the Bible into the linguistic and aesthetic horizons of their time had strong political implications, as they provided a way to negotiate the role of Jews in the emancipation debates.

Im 18. Jahrhundert erfährt die Bibel im deutschsprachigen Raum ein bemerkenswertes Ausmaß an Übersetzung, Nachdichtung und Kommentierung.¹ Diese vielfältigen und kontroversen Anstrengungen sind durch eine enge Verzahnung von Theologie und Literaturkritik charakterisiert.² Das gilt auch für die Versuche

 Siehe Sheehan, Jonathan: The Enlightenment Bible. Translation, Scholarship, Culture. Princeton (NJ) [u. a.] 2005.  Siehe Friedrich, Hans-Edwin [u. a.] (Hrsg.): Literatur und Theologie im 18. Jahrhundert. Konfrontationen – Kontroversen – Konkurrenzen. Berlin [u. a.] 2011; Gutzen, Dieter: Poesie der Bibel. Beobachtungen zu ihrer Entdeckung und ihrer Interpretation im 18. Jahrhundert. Bonn 1972; Dyck, Joachim: Athen und Jerusalem. Die Tradition der argumentativen Verknüpfung von Bibel und Poesie im 17. und 18. Jahrhundert. München 1977; Lessenich, Rolf P.: Dichtungsgeschmack und althebräische Bibelpoesie im 18. Jahrhundert. Zur Geschichte der englischen Literaturkritik. Köln [u. a.] 1967. https://doi.org/10.1515/9783110551631-003

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Kathrin Wittler

jüdischer Übersetzer, neue Zugänge zu den heiligen Schriften zu erschließen. Sie setzen sich nicht nur mit der protestantischen Bibelkritik auseinander,³ sondern auch mit den ästhetischen Maßstäben ihrer Zeit. Intensiv denken sie darüber nach, wie insbesondere die poetischen Anteile des Tanachs so übersetzt werden können, dass sie den Geschmacksnormen der Gegenwart entsprechen. Das erweist sich als Herausforderung. Denn in der begriffs- und sozialgeschichtlichen Umbruchszeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts sind sämtliche ästhetische Parameter in Bewegung. Zwischen aufklärerischer Wirkungsästhetik, Genieästhetik und klassizistischer Werk- und Autonomieästhetik einen Platz für die biblische Dichtung zu finden, ist umso schwieriger, als sich zunehmend eine Kluft zwischen Orientalistik und Altertumswissenschaft sowie zwischen Orientalismus und Klassizismus auftut.⁴ Anhand von drei Beispielkonstellationen werde ich im Folgenden nachzeichnen, wie Moses Mendelssohn, Joel Löwe, Aaron Wolfssohn und David Friedländer vor diesem Hintergrund darum ringen, die „orientalische Poesie“ der Hebräischen Bibel mit dem klassizistischen Ideal des „schönen Ganzen“ in Einklang zu bringen. Im begrenzten Rahmen dieses Beitrags werde ich dabei auf eine Analyse der jeweiligen konkreten Übersetzungspraxis verzichten und mich auf kursorische Hinweise zur Übersetzungsreflexion und ihren ästhetikgeschichtlichen Hintergründen beschränken müssen.

1 Moses Mendelssohn Als Moses Mendelssohn in den 1780er-Jahren mit seinen Übertragungen der Tora und der Psalmen eine neue Epoche jüdischer Bibelübersetzung eröffnet, tut er dies vor dem breiten Reflexionshorizont seiner jahrzehntelangen philosophischen Beschäftigung mit ästhetischen Fragen. Welcher Stellenwert der biblischen Poesie in seinen Überlegungen zukommt, lässt sich ausgehend von einer scheinbar abseitigen Stelle seines umfangreichen Werks erschließen. Als Mendelssohn 1762– 1763 Gotthold Ephraim Lessings Laokoon-Entwurf im Manuskript kommentiert, nimmt er dessen Ausführungen zur medialen Differenz von bildender Kunst und Literatur zum Anlass, um eigene Überlegungen zur kulturge-

 Siehe Breuer, Edward: The Limits of Enlightenment. Jews, Germans, and the Eighteenth-Century Study of Scripture. Cambridge (MA) 1996; HaCohen, Ran: Reclaiming the Hebrew Bible. German-Jewish Reception of Biblical Criticism. Berlin [u. a.] 2010.  Siehe wissenschaftsgeschichtlich Marchand, Suzanne L.: German Orientalism in the Age of Empire – Religion, Race, and Scholarship. Cambridge [u. a.] 2009 u. literaturgeschichtlich Polaschegg, Andrea: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin 2005.

Orientalische Poesie als schönes Ganzes?

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schichtlichen Differenz zwischen Griechen und Hebräern anzustellen. In einem längeren Exkurs konstatiert Mendelssohn, dass die „orientalische Poesie“ – so eine damals gängige Bezeichnung hebräischer Dichtung – erstens „unregelmäßig im Ganzen“ und zweitens „kühn aber unmalerisch in der Ausbildung“ sei, und wirft die Frage auf, wie diese Unregelmäßigkeit und Kühnheit zu erklären seien.⁵ Mendelssohns Vermutung ist, dass man nur in der bildenden Kunst auf die Idee kommen könne, die „Regelmäßigkeit und Schönheit des Ganzen“ zum Ideal zu erheben, denn nur dort sei „das Ganze auch immer das erste, worauf wir sehen“. Im Falle der Literatur hingegen liege es nicht nahe, die einzelnen Teile „zusammen als ein schönes Ganzes“ zu betrachten, da sie nicht auf einmal erscheinen, sondern aufeinander folgen. Aus dieser medialen Besonderheit von Texten im Unterschied zu Bildern wiederum schließt Mendelssohn, dass Völker und Zeiten, die wie die antiken Hebräer weder Malerei noch Bildhauerkunst kennen, von der „Schönheit des Ganzen“ nur „sehr schwache Begriffe“ haben können.⁶ Aufgrund des Bilderverbots, so Mendelssohns Überlegung, habe das Ganzheitskonzept der bildenden Künste bei den Hebräern anders als bei den Griechen nicht auf die Dichtkunst übertragen werden können. Mendelssohn nutzt hier die „orientalische Poesie“ der Hebräer als Beispiel, um im intellektuellen Austausch mit Lessing seine Einsichten in den Unterschied zwischen bildender Kunst und Literatur kulturphilosophisch zu konturieren. Ist die hebräische Poesie für medientheoretische Erwägungen von heuristischem Wert, weil sie besonders „rein“ bei ihrem Medium bleibt, erscheint ebendies als Mangel, wenn sie an den europäischen Geschmacksstandards des 18. Jahrhunderts gemessen wird. Denn diese sind, wie Mendelssohn ausdrücklich reflektiert, am Ganzheitsideal der bildenden Künste orientiert; sie verdanken sich der Übertragung der „Regeln von der Schönheit des Ganzen“, die sich anhand der Bildhauerkunst ausgebildet haben, auf die Dichtkunst.⁷ Unter diesen Voraussetzungen begegnet Mendelssohn der „orientalischen Poesie“ – und mehr noch ihrer Aufnahme bei modernen Dichtern wie Friedrich Gottlieb Klopstock – mit Vorbehalt. Wie er 1768 in einer Rezension von Karl Wilhelm Ramlers Oden festhält, können sich moderne Dichter das „orientalische Dichtungssystem“ nicht ohne Weiteres aneignen, da sich der gegenwärtige Geschmack an „attischer“ Ganzheit und nicht an „asiatischer“ Kühnheit orientiere: In den bildenden Künsten und in

 Mendelssohn, Moses: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe (JubA). Hrsg. von Alexander Altmann [u. a.]. Stuttgart-Bad Cannstatt 1971– 2016. Bd. 2 (1972). S. 254.  Alle Zitate dieses Absatzes: Mendelssohn: JubA, Bd. 2 (1972), S. 254.  Mendelssohn, JubA, Bd. 2 (1972), S. 254.

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der Literatur im weitesten Sinne „besitzen wir“, so Mendelssohn, „griechischen Geschmak“.⁸ Entsprechend schonungslos fallen die literaturkritischen Verdikte aus, die Mendelssohn in Privatbriefen über die Psalmen fällt. In einem Brief an Johann Georg Zimmermann vom November 1771 schreibt er, bei vielen der besonders leicht verständlichen Psalmen handle es sich um „sehr mittelmäßige Gedichte“, finde man in ihnen doch „Verse, ohne Verbindung, bald Wiederholungen eines und eben desselben Gedankens, bis zum Überdruße, bald Sprünge und Ausweichungen, die keine Begeisterung rechtfertigen kann“.⁹ Selbst mit relativierenden Konzepten wie der „schönen Unordnung“ der Ode¹⁰ und affekttheoretischen Begründungen, die Mendelssohn in seinem Fragment Von der lyrischen Poesie (1777– 1778) vorbringt, können viele Psalmen nicht vor dem literaturkritisch geschulten Urteilsvermögen des jüdischen Aufklärers bestehen. Mit ihrer Sprunghaftigkeit und Unregelmäßigkeit verstößt die sogenannte orientalische Poesie gegen das rationalistisch und klassizistisch begründete Ganzheitsideal der Aufklärungsästhetik selbst in seiner durch Mendelssohn empfindungstheoretisch differenzierten Form.¹¹ Gerade dieser Umstand ermöglicht es Johann Gottfried Herder, mit der hebräischen Poesie als Referenzmodell ursprünglichen, unverbildeten Dichtens den literarischen Aufstand zu proben und die überkommenen rationalistisch-nachahmungsästhetischen Geschmacksnormen mit genie- und originalitätsästhetischem Schwung herauszufordern. Die hebräische Poesie wird dabei zum orientalischen, ursprünglichen und rauen Anderen der europäischen Regelpoetik und Verfeinerungsästhetik aufgebaut.¹² So manifestieren sich in der Evaluation der „orientalischen Poesie“ divergierende literaturkritische Haltungen. Mendelssohn nämlich betrachtet Herders seiner Meinung nach „übertriebene Empfehlung rauher Zeiten und Völker“¹³ mit einiger Skepsis und setzt dagegen auf eine aus-

 Mendelssohn, JubA, Bd. 5/2 (1991), S. 86.  Mendelssohn, JubA, Bd. 12/2 (1976), S. 21 f.  Die Prägung „beau désordre“ geht zurück auf Boileau-Despréaux, Nicolas: L’Art poétique [1674]. Die Dichtkunst. Französisch und Deutsch. Übersetzt und hrsg. von Ute Arnold u. Heinz Ludwig Arnold. Stuttgart 1967. S. 26.  Vgl. zu dieser ausführlich Gesse, Sven: Moses Mendelssohns Theorie der Empfindungen und die Poetik der Mischform. In: Musik und Ästhetik im Berlin Moses Mendelssohns. Hrsg. von Anselm Gerhard. Tübingen 1999. S. 117– 134.  Vgl. Weidner, Daniel (Hrsg.): Urpoesie und Morgenland. Johann Gottfried Herders „Vom Geist der Ebräischen Poesie“. Berlin 2008; Sauder, Gerhard: Zur Rezeption von Herders Schrift „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“. In: Bückeburger Gespräche über Johann Gottfried Herder 1988. Hrsg. von Brigitte Poschmann. Rinteln 1989. S. 268 – 291.  Mendelssohn, JubA, Bd. 5/2 (1991), S. 307.

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gleichende und vermittelnde Position. Er will die Psalmen als Oden an moderne Leser*innen vermitteln, ohne einen ästhetischen Traditionsbruch zu inszenieren. So zieht er in seiner Übersetzung der Psalmen mit der Entscheidung für freie Rhythmik und affektpoetisch akzentuierte Kürze zwar einerseits Konsequenzen aus seinen Reflexionen über das „Eigenthümliche der hebräischen Dichtkunst“,¹⁴ versucht aber andererseits, sie mit kohärenzstiftenden Übersetzungsstrategien in das bestehende ästhetische Wertungssystem zu integrieren.¹⁵ Denn er hat zum Ziel, wie er im Vorwort zu seiner Psalmenausgabe erklärt, „den lyrischen Dichter meiner Nation, der den Deutschen von so mancherley Seiten bekannt ist, auch von Seiten seiner poetischen Schönheit zu erkennen“¹⁶ geben. Die jüdischen Bibelübersetzer der nächsten Generation folgen ihm – wiederum in Auseinandersetzung mit Herder – darin.

2 Joel Löwe und Aaron Wolfssohn 1781 veröffentlicht der Thüringer Pfarrer Johann Gottfried Börmel eine Übersetzung der alttestamentlichen Klagelieder des Jeremia. Der Weimarer Generalsuperintendent Herder steuert eine ausführliche Vorrede bei, in der er im Vorgriff auf seine wenig später erscheinende große Schrift Vom Geist der Ebräischen Poesie (1782– 1783) die Klagelieder als edel empfundene morgenländische Elegien rühmt.Wenige Jahre später – 1790 – veröffentlichen auch die beiden Maskilim Joel Löwe und Aaron Wolfssohn eine Übersetzung der Klagelieder.¹⁷ In ihrer Vorrede zeigen sie sich voll des Lobes für Herders Ausführungen. Gegen eine seiner Behauptungen aber erheben sie Widerspruch. Herder kontextualisiert die Klagelieder in seiner Vorrede entstehungsgeschichtlich als memorierbare Trauerchöre und erklärt, dass sie mit ihren Tautologien, unverbundenen Sentenzen, Paralle-

 Mendelssohn, JubA, Bd. 12/1 (1975), S. 233.  Siehe grundlegend zu Mendelssohns Psalmenübersetzung die auf Arbeiten von Simon Rawidowicz basierende Einleitung von Werner Weinberg in Mendelssohn: JubA, Bd. 10/1 (1985), S. IX–LV. Zu Mendelssohns Übersetzung der Tora siehe auch den Beitrag von Uta Lohmann im vorliegenden Band.  Mendelssohn, JubA, Bd. 10/1 (1985), S. 5.  Bereits 1788 – 1789 hatte Wolfssohn eine deutsche Übersetzung der Klagelieder in hebräischen Lettern mit hebräischem Kommentar veröffentlicht (‫ מתורגם ומבואר‬.‫מגלת איכה עם תרגום אשכנזי ובאור‬ ‫ ברלין תקמ“ח‬.‫וולף‬-‫)על פי אהרון בן‬. Sie weicht erheblich von der 1790 publizierten Ausgabe in lateinischer Schrift ab. Vgl. zum biografischen Hintergrund Strauss, Jutta: Aaron Halle Wolfssohn. Ein Leben in drei Sprachen. In: Musik, hrsg. von Gerhard, S. 57– 75; Dauber, Jeremy: Antonio’s Devils. Writers of the Jewish Enlightenment and the Birth of Modern Hebrew and Yiddish Literature. Stanford (CA) 2004. S. 164– 206.

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lismen und Wiederholungen keinen Anspruch erheben könnten, „ein freies Ganzes“ zu bilden, sondern vielmehr „in einzelne Klagen und Bilder“ zerfallen. Das mindert in Herders Augen freilich keineswegs ihren Wert. Mit kulturgeschichtlichen, mnemotechnischen, gattungspoetischen und empfindungstheoretischen Argumenten wirbt er für eine Würdigung dieser „alphabetische[n] Gedächtnißlieder“, die für das „Ohr des Morgenländers“ bestimmt seien und in ihrer Struktur dem monoton-repetitiven Charakter der Klage („Seufzer und Thränen kommen oft wieder“) entsprächen.¹⁸ Herder evoziert also das Ganzheitsideal nur, um dessen Allgemeingültigkeit mit einer relativierenden Poetik in Frage zu stellen, die dem historischen und poetischen Eigensinn der hebräischen Dichtung Rechnung tragen will. Für Löwe und Wolfssohn allerdings kommen Herders Behauptungen einem fatalen literaturkritischen Verdikt gleich. Denn sie folgen wie Mendelssohn der Forderung der Aufklärungsästhetik und der frühklassizistischen Kunsttheorie, dass – so heißt es in einem Standardwerk der Zeit – „jedes Werk der Kunst ein wahres Ganzes seyn müsse, weil es sonst nicht gefallen könnte“.¹⁹ In diesem Sinne zeigen sich die beiden Maskilim in der Vorrede zu ihrer Übersetzung der Klagelieder überzeugt: Ein Gedicht, das kein Ganzes ist, das seine Einheit verloren, hat auch allen seinen Reiz, alle seine Annehmlichkeit verloren, es mag gesungen oder nicht gesungen werden. Auch in den wilden Sprüngen der ungebändigsten lyrischen Poesie muß die Seele jenen wachsenden Fortgang, wie es Herr Herder nennt, nicht vermissen, jenen leitenden Faden nicht ganz verlieren, wenn uns diese nicht ermüden statt ergötzen sollen.²⁰

Die historisierenden Argumente, mit denen Herder die überkommenen Wertmaßstäbe von Poesie relativiert, lassen Löwe und Wolfssohn vor diesem Hintergrund nicht gelten; das Ganzheitsideal ist ihnen ein gültiger Maßstab für jedes Gedicht, „es mag gesungen oder nicht gesungen werden“. Um das Ansehen der Klagelieder zu retten, wollen sie deshalb mit ihrer Übersetzung beweisen, dass diese sehr wohl jeweils ein Ganzes bilden: „Dies ists,“ erklären sie,

 Alle Zitate dieses Abschnitts: Herder, Johann Gottfried: Vorrede. In: Jeremias Klagegesänge. Übersetzt und mit Anmerkungen von J. Gottfried Börmel. Weimar 1781. S. 3 – 34, hier S. 17 f.  Sulzer, Johann George: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. In einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt. Bd. 2. Leipzig 1792. S. 292. Vgl. Pfotenhauer, Helmut: Vorbilder. Antike Kunst, klassizistische Kunstliteratur und „Weimarer Klassik“. In: Klassik im Vergleich. Normativität und Historizität europäischer Klassiken. Hrsg. von Wilhelm Voßkamp. Stuttgart [u. a.] 1993. S. 42– 61.  Löwe, Joel u. Aaron Wolfssohn: Vorrede. In: Jeremias Klagegesänge. Uebersetzt und mit Anmerkungen von denselben. Berlin 1790. S. iii–xxiv, hier S. iv.

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was wir in unserer Uebersetzung zu zeigen uns vornehmlich bestrebt haben; den Faden, an welchem sich die Gedanken und die Empfindungen des Dichters in einer natürlichen Folge an einander reihen, und vermittelst welchem jeder einzelne Gesang ein für sich bestehendes ästhetisches Ganze bildet.²¹

Während Herder die Klagelieder als morgenländische Ursprungspoesie ausdrücklich in dem Bewusstsein würdigt, dass sie gegen die Kriterien aufklärerischen und klassizistischen Geschmacks verstoßen, wollen Löwe und Wolfssohn die Klagelieder als eine Sammlung von fünf Gesängen lesbar machen, die jeweils „ein für sich bestehendes ästhetisches Ganzes“ bilden und als solche Anspruch auf Klassizität erheben können. Während Herder die hebräische Poesie als Modell einer von allzu engen Geschmacksregeln noch unberührten frühen Lyrik feiert, wollen die beiden Maskilim unter den „wilden Sprüngen der ungebändigsten lyrischen Poesie“ den natürlichen Verlauf von Gedanken und Gefühlen aufspüren. In der Nachfolge Mendelssohns, auf dessen Gedanken von dem Wesen der Ode (1763) Löwe und Wolfssohn hier mit der Metapher des Fadens Bezug nehmen, wollen sie den harmonischen Zusammenhang sichtbar machen, um die Klagelieder mit dem zeitgenössischen Ganzheitsideal in Einklang zu bringen. Für dieses Unterfangen sind freilich erhebliche hermeneutische Anstrengungen vonnöten. Wie Löwe und Wolfssohn in der Vorrede erklären, muss das „Auge des Forschers“ intensiv suchen, um den in der hebräischen Poesie „etwas tiefer“²² versteckten Faden des schönen Ganzen aufzuspüren und an die Oberfläche zu bringen. An Übersetzungen, die das leisten und mithin „auch von Seiten des Geschmacks zu schätzen wären“, fehlt es Löwe und Wolfssohn zufolge „noch gar sehr“;²³ Mendelssohns Psalmenübersetzung stehe bislang allein auf weiter Flur. Der hier manifeste Anspruch, den ästhetischen Wert biblischer Poesie im Ganzheitsideal begründen zu können und in entsprechenden Übersetzungen sichtbar zu machen, ist nicht auf Löwes und Wolfssohns Umgang mit den Klageliedern beschränkt. Vielmehr erweist er sich als ein Zentralanliegen der jüdischen Übersetzer, die im ausgehenden 18. Jahrhundert an der Bibel arbeiten. Schon in seinen hebräischsprachigen Erläuterungen zu Mendelssohns Übersetzung des Siegeslieds der Deborah betont Löwe 1788 in der Haskala-Zeitschrift haMe’assef, das Siegeslied sei – so die deutsche Paraphrase des Theologen Johann Gottfried Eichhorn seinem Rezensionsblatt in Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur –

 Löwe/Wolfssohn, Vorrede, S. vii.  Löwe/Wolfssohn, Vorrede, S. vii.  Löwe/Wolfssohn, Vorrede, S. viii.

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ein vollkommen schönes Ganzes, ohne Fehl und Tadel; es habe einen Eingang und einen Schluß; das Uebrige bestehe aus 9 Theilen, die wie Ringe einer Kette zusammenhängen; der Uebergang von dem einen zum andern sei ganz natürlich, nirgends ein Sprung; nichts sey ueberflüssig, es mangle nichts u.s.w.²⁴

Eichhorn steht solchen Versuchen, ein schönes Ganzes in der hebräischen Poesie nachzuweisen, zwar erklärtermaßen skeptisch gegenüber, aber er setzt sich wiederholt und ernsthaft mit der Frage auseinander. So referiert er in seiner Rezension von Löwes und Wolfssohns Übersetzung der Klagelieder nochmals den Konflikt: „Um dem Werth dieser Lieder nichts nehmen zu lassen, suchen sie ihnen selbst den Ruhm eines freyen Ganzen zuzueignen, den ihnen ein neuerer Schriftsteller abgesprochen hat“.²⁵ Eichhorn schlägt vor, diesen Streit mit einer vermittelnden Position beizulegen. An dieser Konstellation von Herders Beurteilung der Klagelieder, Löwes und Wolfssohns Widerspruch sowie Eichhorns Erörterung des Konflikts tritt hervor, wie stark literaturkritische Maßstäbe im ausgehenden 18. Jahrhundert den Umgang mit der Hebräischen Bibel bestimmen. Die ästhetisch reflektierte Beurteilung und Bearbeitung biblischer Texte aber hat je nach konfessionellem und kulturellem Standpunkt unterschiedliche – auch politische – Implikationen. Für die jüdischen Bibelübersetzer geht es im wahrsten Sinne des Wortes ums Ganze. Denn unter den emanzipationspolitischen Vorzeichen des ausgehenden 18. Jahrhunderts wird mit dem ästhetischen Wert der hebräischen Poesie immer auch die moralische Integrität der jüdischen Nation verteidigt. Das wird nicht zuletzt an der in diesem Zusammenhang immer wieder namhaft gemachten Kategorie des Geschmacks deutlich, die in der Aufklärungszeit dazu dient, ästhetische, moralische und soziale Problemstellungen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit zu verhandeln.²⁶

3 David Friedländer Schon Mendelssohn und seinem Kreis gilt die deutsche Übersetzung des Tanachs als effektives Bildungsmittel. Mit gesteigertem Nachdruck propagiert David

 Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur 2 (1789/90). H. 5. S. 864. Vgl. Löwe, Joel Brill: ‫שירת דבורה‬. In: Ha-Meʼassef 4 (1787/88). S. 263 – 271 u. S. 312– 324, hier S. 321 f.: ‫ שיש‬,‫כמו גוף אחד שלם‬ ‫ וכל חלקיו משולבים זה בזה כטבעות השלשלת‬,‫לו ראש וסוף‬.  Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur 3 (1790/91). H. 1. S. 92 f.  Siehe Amann, Wilhelm: „Die stille Arbeit des Geschmacks“. Die Kategorie des Geschmacks in der Ästhetik Schillers und in den Debatten der Aufklärung. Würzburg 1999.

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Friedländer, auf dessen Abhandlungen Etwas über die Mendelssohnsche Psalmenübersetzung (1786) und Über den besten Gebrauch der heiligen Schrift (1788) Löwe und Wolfssohn in Fußnoten verweisen,²⁷ die ästhetische Verbesserung der jüdischen Überlieferung als Teil der sittlichen Verbesserung der Juden, wie sie in den Emanzipationsdebatten notorisch eingefordert wird.²⁸ Der Berliner Politiker, Pädagoge, Übersetzer und Kunstsammler, der als einflussreichster Vertreter der Berliner Judenschaft um 1800 anzusehen ist,²⁹ beschäftigt sich zeitlebens mit der Frage, wie man der jüdischen Überlieferung zu Würde und Glanz verhelfen könne, und versucht die hebräische Poesie auf der Grenze zwischen Altertum und Orient auszubalancieren, als diese beiden Entitäten disziplinär und begrifflich auseinanderzudriften beginnen. An seinen diskurspolitischen Strategien lassen sich mithin die Möglichkeiten und Grenzen der Aneignung hebräischer Poesie in der von Spätaufklärung, Klassizismus und Romantik geprägten Übergangssituation gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufweisen. Ende 1786, wenige Monate nach Mendelssohns Tod, nimmt Friedländer seine Würdigung der mendelssohnschen Psalmenübersetzung in der Berlinischen Monatsschrift zum Anlass, um allgemeine Überlegungen zum Stellenwert der Psalmen in der Gegenwart und zu einem angemessenen Umgang mit ihnen anzustellen. Um den „Charakter der Antike“ wieder sichtbar zu machen, der dieser „orientalischen Poesie“ eigne,³⁰ müssten die Psalmen – so Friedländers Plädoyer – von den Schichten ihrer Übersetzung, Auslegung und liturgischen Gebrauchstradition befreit werden. Denn „als Oden und Werke der Dichtkunst betrachtet“, hätten sie „weit größere, weit unheilbarere Wunden erlitten, als jemals die grobe Tatze der Barbarei, vereint mit der alleszerstörenden Hand der Zeit, jenen vortreflichen Werken der Bildhauerkunst zerschlagen hat, deren kostbare Reste man zum Studium der Kunst aufbewahrt.“³¹ Indem Friedländer die Psalmen mit der griechischen Bildhauerkunst vergleicht, markiert er nicht nur den Anspruch, das

 Löwe/Wolfssohn, Vorrede, S. ix.  Siehe Heinrich, Gerda: „… man sollte itzt beständig das Publikum über diese Materie en haleine halten“. Die Debatte um „bürgerliche Verbesserung“ der Juden 1781– 1786. In: Appell an das Publikum. Die öffentliche Debatte in der deutschen Aufklärung 1687– 1796. Hrsg. von Ursula Goldenbaum. Bd. 2. Berlin 2004. S. 813 – 895; Möller, Horst: Aufklärung, Judenemanzipation und Staat. Ursprung und Wirkung von Dohms Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. In: Deutsche Aufklärung und Judenemanzipation. Internationales Symposium. Hrsg. von Walter Grab. Tel Aviv 1980. S. 119 – 153.  Siehe Lohmann, Uta: David Friedländer. Reformpolitik im Zeichen von Aufklärung und Emanzipation. Kontexte des preußischen Judenedikts vom 11. März 1812. Hannover 2013.  Friedländer, David: Etwas über die Mendelssohnsche Psalmenübersetzung. In: Berlinische Monatsschrift 4/2 (1786). S. 523 – 550, hier S. 533.  Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 532 f.

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hebräische Altertum auf eine Stufe mit der klassischen Antike der Griechen und Römer zu heben, er schreibt die Psalmen auch in ein Gebiet ein, das zu dieser Zeit Umordnungen und Neuhierarchisierungen erfährt: das System der Künste. Mit seiner Doppelbestimmung der Psalmen als Oden und Werke verortet Friedländer die Psalmen auf der Schwelle zwischen zwei Paradigmen, die der aufklärerischen Wirkungsästhetik und der klassizistischen Werkästhetik angehören. Die Psalmen „als Oden“³² zu betrachten heißt, sie gemäß den Gattungspoetiken des 18. Jahrhunderts in ihrer spezifischen Form als Poesie wahrzunehmen.³³ Das scheint Friedländer allerdings jetzt, im neuen Wertungshorizont der späten 1780er-Jahre, nicht mehr hinzureichen, um ihren „Kunstwerth“³⁴ gebührend herauszustreichen. Er will sie deshalb auch als Werke im emphatischen Sinn betrachtet wissen: „als eigentliche Werke der Dichtkunst“,³⁵ wie er bekräftigt. Friedländer bringt hier ein Konzept zur Anwendung, das sich zu dieser Zeit als ein alle Künste übergreifendes durchsetzt: das Werk als schönes, in sich geschlossenes und organisch gedachtes Ganzes.³⁶ Einer der wichtigsten Vordenker dieser Emphatisierung des schönen Ganzen im Werkbegriff bewegt sich in Friedländers direktem Umfeld in Berlin. In Mendelssohns offenem Haus, in einer Lesegesellschaft von Mendelssohns Tochter Brendel (inzwischen Dorothea Veit, später Schlegel) und in Teegesellschaften bei Henriette Herz begegnet er Karl Philipp Moritz,³⁷ mit dem er ein starkes pädagogisches Interesse teilt.³⁸ Moritz nun lanciert 1785 in der Berlinischen Monatsschrift

 Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 532.  Siehe Viëtor, Karl: Geschichte der deutschen Ode. München 1923. S. 117 f.; Krummacher, HansHenrik: Odentheorie und Geschichte der Lyrik im 18. Jahrhundert. In: Ders.: Lyra. Studien zur Theorie und Geschichte der Lyrik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin [u. a.] 2013. S. 77– 123; Leisinger, Ulrich: Die Ode in der poetischen Theorie und in der musikalischen Praxis. In: Musik und Ästhetik im Berlin Moses Mendelssohns. Hrsg. von Anselm Gerhard. Tübingen 1999. S. 187– 216.  Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 534.  Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 534.  Vgl. Pudelek, Jan-Peter: Werk. In: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Studienausgabe. Hrsg. von Karlheinz Barck [u. a.]. Bd. 6. Stuttgart 2010. S. 520 – 588, bes. S. 543 – 561; Wolfgang Ullrich: Kunst/Künste/System der Künste. In: Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 3. S. 556 – 616, bes. S. 571– 603; Thierse,Wolfgang: „Das Ganze aber ist das, was Anfang, Mitte und Ende hat.“ Problemgeschichtliche Beobachtungen zur Geschichte des Werkbegriffs. In: Ästhetische Grundbegriffe. Studien zu einem historischen Wörterbuch. Hrsg. von Karlheinz Barck [u. a.]. Berlin 1990. S. 378 – 414.  Vgl. Herz, Henriette: Jugenderinnerungen. In: Mittheilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin 1896. S. 139 – 184, hier S. 177 f.  Vgl. zu Moritz Neumann, Ariane: „Neue Aufschlüsse über die Kinderseele“. Die pädagogischen Ambitionen von Karl Philipp Moritz in Berlin. In: Berliner Aufklärung. Kulturwissen-

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seinen Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten, der als ein Gründungstext der Autonomie- und Werkästhetik gilt. Moritz tritt in diesem Text mit dem Anspruch auf, über Charles Batteux’ Nachahmungstheorie Les beaux arts réduits à un même principe (1746) und Mendelssohns wirkungs- und medienästhetische Abhandlung Über die Hauptgrundsätze der schönen Künste und Wissenschaften (erstmals 1757, überarbeitet 1761) hinauszugehen, indem er postuliert, dass das Kunstwerk seinen Zweck nicht im Sinne mechanischer Vollkommenheit außer sich, sondern als ein organisches Ganzes in sich habe.³⁹ Wie Friedländers ein Jahr später in derselben Zeitschrift veröffentlichter Aufsatz Über die Mendelssohnsche Psalmenübersetzung (1786) ist auch Moritz’ Beitrag – in der Form eines offenen, „an Herrn Moses Mendelssohn“ adressierten Briefes – als Produkt der Berliner Geselligkeitskultur um den „Sokrates aus Berlin“ und als Auseinandersetzung mit dessen Kunstauffassung ausgewiesen. Friedländers Bestimmung der Psalmen als Oden und Werke der Dichtkunst und Moritz’ Theorie vom autonomen Kunstwerk gehen beide aus derselben Übergangssituation zwischen aufklärerischer Wirkungsästhetik und klassizistischer Autonomieästhetik im Berlin des ausgehenden 18. Jahrhunderts hervor. Mit der Verstärkung des aufklärungsästhetischen und frühklassizistischen Ganzheitsideals zur Forderung nach Werkautonomie gehen erhebliche Verschiebungen und Neuhierarchisierungen im System der Künste einher. Am Beispiel der Skulptur entwickelt,⁴⁰ findet das Ganzheitsideal nun mit gesteigertem Nachdruck auf alle Künste Anwendung; „die an der Skulptur bewunderte organische Ganzheitlichkeit und Anschaulichkeit“ wird, so Jan-Peter Pudelek, „zum Stilideal auch

schaftliche Studien. Bd. 3. Hrsg. von Ursula Goldenbaum u. Alexander Košenina. Hannover 2007. S. 143 – 170; zu Friedländer Lohmann, Friedländer, S. 121– 184.  Moritz, Karl Philipp: Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten. An Herrn Moses Mendelssohn [1785]. In: Ders.: Werke in zwei Bänden. Hrsg. von Heide Hollmer u. Albert Meier. Bd. 2. Frankfurt am Main 1997. S. 943 – 949. Vgl. dazu Costazza, Alessandro: Schönheit und Nützlichkeit. Karl Philipp Moritz und die Ästhetik des 18. Jahrhunderts. Bern 1996. S. 107– 198; D’Aprile, Iwan-Michelangelo: Die schöne Republik. Ästhetische Moderne in Berlin im ausgehenden 18. Jahrhundert. Tübingen 2006. S. 57– 61; Berghahn, Cord-Friedrich: Das Wagnis der Autonomie. Studien zu Karl Philipp Moritz, Wilhelm von Humboldt, Heinrich Gentz, Friedrich Gilly und Ludwig Tieck. Heidelberg 2012. S. 110 – 115.  Vgl. Osterkamp, Ernst: Johann Joachim Winckelmanns Beschreibungen der Statuen im Belvedere in der Geschichte der Kunst des Altertums. Text und Kontext. In: Il cortile delle statue. Der Statuenhof des Belvedere im Vatikan. Hrsg. von Matthias Winner [u. a.]. Mainz 1998. S. 443 – 458, bes. S. 446; Krüger-Fürhoff, Irmela Marei: Der versehrte Körper. Revisionen des klassizistischen Schönheitsideals. Göttingen 2001, bes. S. 31– 44.

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der Literatur“.⁴¹ Auf einen Kenner und Sammler von Antiken wie Friedländer übt dieser im klassizistischen Ganzheitsideal begründete emphatische Werkbegriff, der in seinem Berliner Umfeld diskutiert wird, erhebliche Anziehungskraft aus. Die Art und Weise nun, in der Friedländer das Konzept des schönen Ganzen diskurspolitisch für jüdische Belange zum Einsatz bringt, lässt dessen medientheoretische und kulturgeschichtliche Implikationen hervortreten, die schon Mendelssohn in seinen Anmerkungen zu Lessings Laokoon-Schrift reflektiert hatte. An Friedländers Behandlung der Psalmen nämlich werden die Gewichtsverschiebungen im System der Künste als ausdrückliche Übertragung manifest: Bei den „vortreflichen Werken“ der griechischen Bildhauerkunst kann Friedländer den Werkbegriff voraussetzen, die Psalmen hingegen müssen erst einmal „als Oden und Werke der Dichtkunst“⁴² betrachtet werden, um sie als Monumente des Altertums ästhetisch würdigen zu können. Es ist kein Zufall, dass die Übertragung des emphatischen Werkkonzepts gerade auf die hebräische Poesie so explizit, ja geradezu umständlich ausfällt. Die Notwendigkeit einer bewussten Betrachtung der Psalmen als „Werke der Dichtkunst“ analog zu den „vortreflichen Werken“ der griechischen Bildhauerkunst lässt erkennen, dass das emphatische Werkkonzept in Konflikt zu den Vorstellungen steht, die man sich bisher von den Psalmen gemacht hat. Für die Poetiker des 18. Jahrhunderts – auch für Mendelssohn – verkörpern die Psalmen als morgenländische Oden den medialen und affektpoetischen Eigensinn der Literatur, insbesondere der Lyrik. Als solche sind sie Mendelssohns Kommentar zu Lessings Laokoon-Manuskript zufolge eigentlich inkompatibel mit Ganzheitsvorstellungen, die aus der griechischen Bildhauerkunst gewonnen werden. Löwe und Wolfssohn übernehmen, um dieses Problem rhetorisch zu bewältigen, von Mendelssohn die Metapher des „Fadens“, um die kühne Unregelmäßigkeit und Sprunghaftigkeit der sogenannten orientalischen Poesie mit dem Ideal des schönen Ganzen in Einklang zu bringen. Friedländer begegnet diesem Problem, das sich im Argumentationshorizont eines im Ideal der Skulptur begründeten und emphatisierten Werkbegriffs noch deutlich verstärkt, dadurch, dass er nicht nur die Psalmen selbst wie Werke der Bildhauerkunst beschreibt, sondern auch Mendelssohns Übersetzungsleistung als die eines bildenden Künstlers bzw. Restaurators bestimmt: Mendelssohn habe die Kunst verstanden,

 Pudelek,Werk, S. 555.Vgl. zu den literaturtheoretischen Kollateralschäden dieser Übertragung Polaschegg, Andrea: (K)ein Anfang des Ganzen. Das skulpturale Werkkonzept der Klassik und seine Folgen für die Literaturwissenschaft. In: Konstellationen der Künste um 1800. Reflexionen – Transformationen – Kombinationen. Hrsg. von Albert Meier u. Thorsten Valk. Göttingen 2015. S. 103 – 128.  Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 535.

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durch ein andres Wort, oft bloß durch Versetzung des nehmlichen Worts in eine andre Stelle, durch eine Inversion, durch einen kleinen Zusatz, die Dunkelheit zu erhellen die Härte zu mildern, die Risse zu verbergen, die künstlichen Zusammenfügungen zu überarbeiten, und dabei die Feile so zu verstekken, als wäre das Ganze in einem reinen Guß aus den Händen des Dichters hervorgegangen.⁴³

Die Psalmen erscheinen hier in Friedländers Darstellung wie Bildhauerwerke, die dank der gleichsam restaurierend verfahrenden Übersetzung Mendelssohns den Eindruck erwecken sollen, „als wäre das Ganze in einem reinen Guß aus den Händen des Dichters hervorgegangen“. Dem Übersetzer fällt in dieser metaphorischen Formulierung im Konjunktiv Irrealis die Aufgabe zu, die Psalmen in einem zweifachen – restaurierenden und schöpferischen – Sinn zu einem Ganzen zu machen. Die für eine solche Leistung nötige Kongenialität nun ist nur einem jüdischen Übersetzer zuzutrauen, der seine Seele – so formuliert Friedländer 1791 in einer Gedenkrede auf Mendelssohn – „griechisch schön“ geformt und seinen Charakter zu einem „schönen Ganzen“ ausgebildet hat.⁴⁴ Die moralisch-ästhetische Anverwandlung griechischen Geschmacks in der persönlichen Selbstbildung Mendelssohns, für die der Autor des Phädon (1767) im 18. Jahrhundert weithin bestaunt und gerühmt wird,⁴⁵ erscheint damit als Voraussetzung für das Gelingen seiner übersetzerischen Vermittlung der sogenannten orientalischen Poesie in den Geschmackshorizont der Gegenwart: Mendelssohn sei es gelungen, so Friedländer, aus den Psalmen jeweils „ein schönes Ganze zu bilden“.⁴⁶ Diese Übersetzungsleistung stellt Friedländer sowohl den zergliedernden kritischen Verfahren christlicher Theologen als auch den grammatologischen Verfahren jüdischer Schriftgelehrter gegenüber, die ihre Seele im Gegensatz zu Mendelssohn seiner Ansicht nach nicht „griechisch schön“ gebildet haben. Das Ideal des schönen Ganzen dient Friedländer mithin dazu, einen neuen, ästhetisch durchbildeten Zugang zur jüdischen Überlieferung einzufordern. Die „kalte und unfruchtbare Sprachforschung“ der sogenannten Talmudisten – so ruft er zwei Jahre später in seinen Empfehlungen Über den besten Gebrauch der

 Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 543 f.  Mendelssohn, JubA, Bd. 23 (1998), S. 296 u. 301.  Vgl. Krochmalnik, Daniel: Moses Mendelssohn und die Sokrates-Bilder des 18. Jahrhunderts. In: Sokrates-Studien 4 (1999). S. 155 – 216; Krochmalnik, Daniel: Sokratisches Judentum. Moses Mendelssohns Metamorphose. In: Die philosophische Aktualität der jüdischen Tradition. Hrsg. von Werner Stegmaier. Frankfurt am Main 2000. S. 351– 375; Leonard, Miriam: Socrates and the Jews. Hellenism and Hebraism from Moses Mendelssohn to Sigmund Freud. Chicago (IL) [u. a.] 2012. S. 17– 64.  Friedländer, Psalmenübersetzung, S. 536 f.

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Kathrin Wittler

heiligen Schrift – sei dazu angetan, „den Fortschritt des feinen und richtigen Geschmacks zu hemmen, und die Empfindung des Schönen und Erhabenen zu ersticken“.⁴⁷ Das ist für Friedländer von einiger Dramatik, weil die rabbinisch gebildeten Gelehrten seiner Meinung nach die moralisch-ästhetische „Veredelung“⁴⁸ der Juden blockieren, die er mit Blick auf die 1781 durch Dohms Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden angestoßenen Emanzipationsdebatten als dringliches Erfordernis ansieht. Deutlich zeichnen sich hier die politischen Implikationen der ästhetischen Übersetzungsreflexion im Zeichen von Emanzipation und Klassizismus ab. Das Ringen um einen würdevollen Ort für die „orientalische Poesie“ der Hebräischen Bibel in einem vom „griechischen Geschmack“ geprägten Literaturkanon entspricht strukturell dem Ringen um einen würdevollen Ort für die nach damaligem Verständnis ursprünglich orientalischen Juden in der deutschsprachigen Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

4 Fazit Jüdische Bibelübersetzer, so lässt sich zusammenfassen, operieren im ausgehenden 18. Jahrhundert in einem unübersichtlichen Diskursraum mit ästhetischen Kategorien, deren Reichweite und Implikationen zu eben dieser Zeit neu ausgehandelt werden. In ihrer (re)konstruierenden Arbeit an einzelnen poetischen Texten des Tanachs versuchen sie, ein je schönes Ganzes herauszuarbeiten und auf diesem Wege die Würde der jüdischen Überlieferung im klassizistischen Geschmackshorizont ihrer Zeit zu erweisen. Den Widerspruch dieses Ansatzes zum Verständnis der hebräischen Dichtung als morgenländische Ursprungspoesie versuchen sie durch rhetorische Vermittlungsstrategien und durch eine bewusst kohärenzstiftende Übersetzungsarbeit zu bewältigen. Sie begreifen ihre Arbeit an der Bibel als ein ästhetisches Projekt, das mit einem emanzipationspolitischen Anspruch verbunden ist. Bei der Übersetzung geht es, anders gesagt, ums Ganze – und zwar sowohl um das schöne Ganze im ästhetischen Sinn als auch um das soziokulturelle Ganze im politischen Sinn jüdischer Emanzipation.

 Friedländer, David: Ueber den besten Gebrauch der h[eiligen] Schrift, in pädagogischer Rücksicht. In: Der Prediger. Aus dem Hebräischen von David Friedländer. Berlin 1788. S. 3 – 78, hier S. 41.  Friedländer, Gebrauch, S. 12.

Susanne Plietzsch

Hermeneutik des Konkreten Die Propheten als Repräsentanten Israels bei Julius Wellhausen und Abraham Geiger Abstract: Jewish as well as Christian Biblical scholars of the 19th century were fascinated by the prophetic books of the Hebrew Bible. “The prophets” – who represented God’s will and were prepared to defy even those in political power – seemed to mirror the pioneer spirit of the time and its discourses of individuality. The scholarly dictum lex post prophetas gained not only historical, but also theological meaning. Based on a reading of passages from Wellhausen’s and Geiger’s works, this paper argues that both Jewish and Protestant Christian exegetes considered the prophets’ committed plea for human dignity and their ethical principles to be the original concepts of Israel. However, while the Protestant theologians did not leave their traditional anti-Jewish paradigms, the representatives of the Jewish reform saw the prophets as their advocates for their anti-ritualistic endeavors. Nevertheless, on a deep level the proponents of both views agree: They understand Judaism as based on a discourse of human dignity, of concrete and earthly ethical values. In Christian and in Jewish contexts this notion could become “dangerous knowledge” that challenged well-established theological concepts.

Wenn in der deutschsprachigen christlichen und jüdischen Bibelwissenschaft des 19. Jahrhunderts ein starkes Interesse an den Prophetenbüchern zu verzeichnen ist, so ist das historisch keineswegs zufällig; die neue Sicht auf die biblische Literaturgeschichte scheint vielmehr die Aufbruchstimmung der Zeit zu spiegeln. Die prophetische Literatur regte die Reflexion über das Recht und die Würde des Individuums an; Prophetengestalten faszinierten als widerständige Einzelne, die sich um der Gerechtigkeit willen der Mehrheit widersetzten, sich sogar der politischen Übermacht entgegenstellten und dabei Gott auf ihrer Seite hatten. Es leuchtet ein, dass sich eine – jüdische oder christliche – Bibelwissenschaft, die sich mehr und mehr von geschichtstheologischen Narrativen und metahistorischen Dogmatiken emanzipierte, von diesem Strang der biblischen Literatur besonders angesprochen fühlte. Zum einen wurde nun die Prophetie als der religions- und literaturgeschichtliche Ausgangspunkt der israelitischen Tradition beschrieben, zum anderen etablierte sich der Gedanke einer Priorität der Ethik vor https://doi.org/10.1515/9783110551631-004

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Kult und Ritual als theologisch-religionswissenschaftlicher Topos der Moderne. Mit diesem Perspektivwechsel in der Bibelhermeneutik stand auch die Frage nach der theologischen Relation zwischen Judentum und Christentum neu zur Debatte. In diesem Beitrag sollen die jüdische und die christliche Hochschätzung der biblischen Prophetie im 19. Jahrhundert versuchsweise mit einer aktuellen These zur christlichen Deutung des Judentums zusammen gelesen werden: mit der These David Nirenbergs, dass das Judentum in der gesamten westlichen Geistesgeschichte durchgehend mit materiellen Bedürfnissen und Werten assoziiert wurde, wodurch es gegenüber einem spirituell konnotierten Christentum abgewertet werden konnte.¹ Es soll der Vermutung nachgegangen werden, dass diese drei Zugänge – die jüdische, die christliche und die historisch-kulturwissenschaftliche Perspektive – trotz ihrer gänzlich verschiedenen Anliegen und politisch-religiösen Kontexte auf demselben Denkmodell beruhen: Das Materielle, Konkrete, Mitmenschliche und Individuelle erscheint in ihnen, positiv oder negativ gesehen, als „unerhörtes“ und faszinierendes Basiskonzept der israelitischjüdischen Überlieferung. In diesem Sinne sollen im Folgenden Aspekte der Sicht Julius Wellhausens auf Propheten und „Gesetz“ diskutiert und mit zwei Texten (einer Verteidigungsschrift und einer Predigt) des jungen Abraham Geiger verglichen werden, in denen sein Konzept des „prophetischen Judentums“ bereits zu erkennen ist.

1 Universalität und Individualität: Darstellung der Propheten bei Wellhausen Mit dem Namen des Alttestamentlers Julius Wellhausen (1844 – 1918) verbindet sich die Erkenntnis, dass weite Bereiche der prophetischen Literatur der Hebräischen Bibel vor dem Entstehen des Pentateuchs vorhanden waren, was in der schlagwortartigen Formel lex post prophetas zusammengefasst wurde.² Wellhausen war nicht der erste, der diesen Gedanken entwickelt hatte, er konnte an Beobachtungen und Einschätzungen früherer Exegeten wie Karl Heinrich Graf

 Vgl. Nirenberg, David: Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte der Moderne. München 2015; ders.: „Jüdisch“ als politisches Konzept. Eine Kritik der Politischen Theologie. Göttingen 2013.  Vgl. Schmid, Konrad: Hintere Propheten (Nebiim). § 8 Die Schriftpropheten Jesaja bis Maleachi. In: Grundinformation Altes Testament. Hrsg. von Jan Chr. Gertz. 5. Aufl. Göttingen 2016. S. 313 – 324, bes. S. 318; ders.: Klassische und nachklassische Deutungen der alttestamentlichen Prophetie. In: Zeitschrift für Neuere Theologiegeschichte/Journal for the History of Modern Theology (ZNThG/JHMTh) 3 (1996). S. 225 – 250.

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oder Wilhelm Vatke anknüpfen.³ Diese „kopernikanische Wende“⁴ der Bibelwissenschaft beinhaltete eine Hochschätzung der Prophetie, die weit über Datierungsfragen hinausging. Die prophetische Literatur wurde nicht nur chronologisch vor dem Pentateuch angesetzt, sondern galt auch als theologisch höherstehend als dieser, der nun als gesetzliche „Erstarrung“ der ursprünglich lebendigen und unmittelbaren Gottesbeziehung Israels gesehen wurde. Wellhausen nimmt in der frühen Schriftprophetie eine Phase der außergewöhnlich hoch entwickelten Religiosität wahr, die er teilweise in utopischen Begriffen darstellt. So betont er die Amos und Hosea eigene universale Perspektive und weist auf ihre einzigartige Fähigkeit hin, politische Katastrophen wie die Eroberungsfeldzüge Assyriens in ein gesamthaftes Weltbild zu integrieren und eine metahistorische Gottesvorstellung zu entwickeln.⁵ Er sieht die Propheten im tiefen Dissens mit ihrer Umwelt, da sie eine unmittelbare und gleichzeitig reflektierte Gottesbeziehung repräsentieren, die sich gerade nicht – wie in der Antike üblich – im kultischen Austausch zwischen der Gottheit und ihrer Anhängerschaft realisiert, und die nicht jeweils ein Volk und eine Gottheit (bzw. mehrere) miteinander verknüpft.⁶ Ein Leitmotiv in Wellhausens Werk zur Prophetie und darüber hinaus ist der Konflikt von Individualität und Institution. Johann Hinrich Claussen fasst dies folgendermaßen zusammen: Wellhausen schildert die Geschichte der prophetischen Idee nicht als einseitige Fortschrittsgeschichte, sondern als eine von äußeren Faktoren mitbedingte, mehrfach in sich gebrochene und in ihrem Resultat ambivalente Entwicklung. Er zeichnet die fortschrittlichen Momente ein in den Gesamtrahmen der religionssoziologischen Transformation der israelitischen Theokratie in die jüdische Hierokratie. Innerhalb dessen stellen die Propheten einen nur vorübergehenden Faktor dar. Der Strukturwandel, den die Propheten mitverursachen, richtet sich schließlich gegen sie selbst und bringt ihre eigenen Intentionen weitgehend zum Schweigen. Wellhausens spannungsvolles Bild der Geschichte Israels kann nicht die Grundlage einer ungebrochenen, geschichtsphilosophischen Bewertung der israelitischen Prophetie abgeben. Denn es beschreibt die Geschichte Israels als klassisches Beispiel für den Prozeß der Objektivierung von individueller, religiöser Originalität. Diese inhaltliche Ambivalenz resultiert auch aus der Koordinierung von ideen- und institutions-

 Vgl. Wellhausen, Julius: Prolegomena zur Geschichte Israels. 6. Ausgabe. Berlin [u. a.] 1927. S. 3 – 11 sowie Bauer, Michael: Julius Wellhausen (1844– 1918). In: Klassiker der Theologie. Bd. 2: Von Richard Simon bis Karl Rahner. Hrsg. von Friedrich W. Graf. München 2005. S. 123 – 140, hier S. 129.  Claussen, Johann H.: Die Jesus-Deutung von Ernst Troeltsch im Kontext der liberalen Theologie. Tübingen 1997. S. 66.  Vgl. Wellhausen, Julius: Abriss der Geschichte Israels und Judas. Berlin 1884. S. 49.  Vgl. Wellhausen, Prolegomena, S. 23.

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geschichtlicher Perspektive, hinter der wiederum die religionstheoretische Einsicht in die grundlegende Antinomie von Individualität und Institutionalisierung steht.⁷

Wenn Wellhausen betont, dass das ethische Miteinander, ein Beziehungsnetz, in dem Individuen einander gerecht werden, dem Kultgeschehen klar übergeordnet sei und im Zentrum des prophetischen Denkens stehe, geht es ihm um mehr als Gerechtigkeit in einem sozialen und kollektiven Sinn; immer wieder klingt an, dass es die Anerkennung und Wertschätzung des Individuums sei, die der prophetischen Literatur ihren Wert verleihe. Eindrucksvoll ist die Rede von einem Gott, der „nichts für sich haben wolle“, sondern dem es um das gute Miteinander aller seiner „Kinder“ gehe: Das sociale Interesse wird dem Cultus übergeordnet, indem den Opfern und Bräuchen, so weit nur immer möglich, humane Zwecke beigelegt werden. Auch gegen fremde Nationen, im Kriege, sollen die Gebote der Menschlichkeit nicht vergessen werden. Das Alles sind Zeichen prophetischer Gesinnung. Nirgend klarer als in den Motiven des Deuteronomiums findet sich der Grundgedanke der Prophetie ausgesprochen, dass Jahve nichts für sich haben wolle, sondern als Frömmigkeit ansehe und verlange, dass der Mensch dem Menschen leiste, was recht ist, dass sein Wille nicht in unbekannter Höhe und Ferne liege, sondern in der allen bekannten und verständlichen sittlichen Sphäre. „Die Forderungen, welche ich an dich stelle, sind nicht unerreichbar für dich und nicht fernliegend; nicht im Himmel, so dass man sagen könnte: wer kann hinauf in den Himmel und sie herabholen und uns mitteilen, dass wir sie erfüllen! nicht jenseits des Meeres, so dass man sagen könnte: wer kann herüber über das Meer und sie holen und uns mitteilen, dass wir sie erfüllen! – sondern sehr nahe liegt dir die Sache, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du sie thun kannst.“⁸ (Dtn 30,11– 14)

Damit arbeitete Wellhausen ein Welt- und Menschenbild heraus, das aufgrund der darin enthaltenen konkreten und individuellen Würdediskurse seiner Zeit dem 8. und 7. Jahrhundert v. d. Z. weit voraus war. Er erkennt im alten Israel (das er vom nachexilischen Judentum unterscheidet) eine ideale Haltung der geradezu kindlichen Unbefangenheit und des geschichtsunabhängigen Lebens mit Gott im agrarischen Jahr.⁹ Die Propheten seien jedoch insofern gescheitert, als dass sie zwar einen formalen Monotheismus durchsetzen konnten, nicht aber – und das könnte als die utopische Sehnsucht in Wellhausens Entwurf bezeichnet werden –

 Claussen, Jesus-Deutung, S. 66.  Wellhausen, Abriss, S. 70 [Hervorhebung S. P.]  Vgl. Wellhausen, Prolegomena, S. 392– 395, 422 f. sowie Elrefaei, Aly: Wellhausen and Kaufmann. Ancient Israel and its Religious History in the Works of Julius Wellhausen and Yehezkel Kaufmann. Berlin 2016. S. 45 – 47.

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die Geisteshaltung eines von jeglicher Ritualisierung und Institutionalisierung unabhängigen Gottesdienstes: Das Resultat, worauf die prophetische Bewegung hinauslief, entsprach somit ihren ursprünglichen Intentionen nicht vollständig. Der Dienst Jahves wurde auf Jerusalem abgestellt – das war die populäre und praktische Form des prophetischen Monotheismus.¹⁰ Die Propheten hatten gut fordern und drohen, das schaffte die Menschen nicht um. Das Vorhalten der Forderungen Jahve’s in fortwährender Scheltrede trug nichts zu ihrer Erfüllung bei, der Widerspruch wurde nur klaffender. Woran es fehlte, das war eine Gesinnung, die durch keine Lehre beigebracht werden konnte, die als Geschenk von oben gegeben werden musste.¹¹

Dies kann als die moderne, fast säkular zu nennende Aufnahme des Gedankens eines „reinen“ Gottesdienstes gelesen werden.¹² Die Kehrseite der Hochschätzung der Propheten war bekanntlich die oft sehr pointiert vorgetragene Geringschätzung des „Priesterkodex“ oder „Gesetzes“, d. h. vor allem der kultischen und juridischen Anteile der Bücher Exodus und Levitikus. Die kultorientierte und kultregulierende Tora des nachexilischen Israel verstand Wellhausen als Instrument der Disziplinierung ursprünglicher Lebendigkeit; sie ließ eine Ära der „höchsten objectiven Autorität“ beginnen, während die Prophetie noch von Bedingungen ausging, in denen „das Unkraut zwischen dem Weizen aufwachsen durfte“.¹³ Talismane, die noch Ezechiel verbietet, werden erlaubt (Num. 15,37– 41), aber sie dienen dazu, „daß man sich erinnere aller Gebote Jahves und sie tue und nicht nachschweife seinem Herzen und seinen Augen, deren Gelüsten man ehedem nachgehurt hat“. Der krasse Götzendienst, von dem sonst immer der Ausdruck ‫[ זנה‬huren, S. P.] gebraucht wird, steht schon außer Frage; das eigene Herz und sein ungebundenes Streben ist der fremde Gott, dessen Dienst verboten wird. […] Der große Patholog des Judentums¹⁴ hat ganz Recht: in der mosaischen Theokratie ist der Kultus zu einem pädagogischen Zuchtmittel geworden. Dem

 Wellhausen, Julius: Israelitische und jüdische Geschichte. 9. Aufl. Berlin 1958. S. 131 f.  Wellhausen, Abriss, S. 77.  In der rabbinischen Überlieferung gibt es den Gedanken, dass der israelitische Opferkult ein Zugeständnis Gottes an die sinnlich-kultischen Bedürfnisse der Menschen gewesen sei (LevR 22,8 zu Lev 17,3). Maimonides äußert ähnliche Gedanken bzw. schließt an diese Midraschstelle an (Führer der Unschlüssigen 3,32). Der neutestamentliche locus classicus wäre Joh 4,21– 24; vgl. auch die rabbinische Bezeichnung des Gebets als ‫( עבודה ]ש[בלב‬Gottesdienst/Kult im Herzen, yBer 4,1 [7a]).  Wellhausen, Prolegomena, S. 402.  Gemeint ist Paulus, vgl. Gal 3,24; vgl. z. B. Betz, Hans D.: Der Apostel Paulus in Rom. JuliusWellhausen-Vorlesung. Berlin 2013. S. 3.

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Herzen ist er entfremdet; wäre er nicht alte Sitte gewesen, so würde er aus sich selber nie mehr emporgeblüht sein.¹⁵

Die nachexilische Überordnung der „priesterlichen Tora“ über die ursprüngliche prophetische stellte für Wellhausen einen schmerzlichen Niedergang dar, den er sehr emotional beschreibt. Auch wenn er im Bruch noch die Kontinuität der „alten Sitte“ erkennt, steckt doch seine Abwertung des Kultes voller bitterer Anklage, als ob er selbst es sei, der von dessen lebensfeindlichen Vorschriften unterdrückt wäre. Aus dem kraftvollen „alten Hebraismus“ sah er im und nach dem babylonischen Exil „das Judentum“ entstehen.¹⁶ Auch wenn Wellhausen fast ausschließlich auf das Judentum der nachexilischen Zeit und der Zeit des Zweiten Tempels fokussiert ist (das rabbinische Judentum ist für ihn zumindest theologisch irrelevant), bekommen antijüdische Klischees wie Partikularismus oder Ritualismus bei ihm eine absolute und zeitlose Bedeutung. Damit fügt sich Wellhausen, obwohl ihm politischer Antisemitismus fern lag,¹⁷ in den antijüdischen Diskurs seiner Zeit ein.

2 „Fleischlichkeit“: Würde und Parteilichkeit als Basiskonzepte der israelitischen Überlieferung Wie eingangs erwähnt, hat David Nirenberg die These vorgetragen, dass im gesamten christlich-abendländischen Diskurs das Judentum mit dem „Fleischlichen“ und „Weltlichen“ assoziiert wurde, wovon sich die Kirche seit ihrer Frühzeit als „geistlich“ abheben konnte.¹⁸ Nirenbergs Thema ist vor allem die politische Umsetzung der Dichotomie von „Materie“ und „Geist“ unter christlicher Herrschaft; er zeigt, wie seit der Spätantike und bis in die Gegenwart „weltliche Herrschaft“ oder „weltliche Gerechtigkeit“, auch wenn sie unabhängig von theologischen Vorgaben agierte, als „jüdisch“ konnotiert werden konnte.

 Wellhausen, Prolegomena, 422 f. [Hervorhebung S. P.].  Vgl. dazu Becker, Uwe: Altisrael, Judentum und Pharisäismus bei Julius Wellhausen. In: Christentum und Judentum. Akten des Internationalen Kongresses der Schleiermacher-Gesellschaft in Halle, März 2009. Hrsg.von Roderich Barth [u. a.]. Berlin/New York 2010. S. 561– 573, hier S. 569 f. Vgl. auch Perlitt, Lothar: Hebraismus – Deuteronomismus – Judaismus. In: Biblische Theologie und gesellschaftlicher Wandel. Festschrift für Norbert Lohfink. Hrsg. von Georg Braulik [u. a.]. Freiburg i. Br. 1993. S. 279 – 295.  Vgl. Smend, Rudolf: Wellhausen und das Judentum. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche (ZThK) 79 (1982). S. 249 – 282, hier S. 266 – 272.  Vgl. Nirenberg, Anti-Judaismus, S. 107– 116.

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Als ein zentrales Beispiel führt er den Mailänder Synagogenstreit 388 an, der dadurch ausgelöst wurde, dass Mönche, die eine mesopotamische Synagoge abgebrannt hatten, durch den Militärbefehlshaber zur Verantwortung gezogen werden sollten. Ambrosius von Mailand verfasste jedoch ein Schreiben an Kaiser Theodosius, in dem er diesen aufforderte, die Täter nicht zu bestrafen, da sie sich im Einklang mit Gottes Willen befunden hätten. Ambrosius warnt den Kaiser sogar davor, selbst als Jude angesehen zu werden, wenn er den Betreibern der Synagoge zu ihrem Recht verhelfen würde (Brief 40,23).¹⁹ Nirenberg weist darauf hin, dass diese wertenden Unterscheidungen von Geistlichem und Weltlichem Konstrukte von Judentum und Christentum hervorbringen; es geht dann nicht mehr um […] das Judentum als eine geschichtliche oder gelebte Religion, sondern das Judentum als eine Figur des christlichen Denkens, eine Figur, die von Generationen von Denkern mit ihren Bemühungen, der Welt Sinn abzugewinnen, hervorgebracht worden ist, eine Figur, die auf diese Welt projiziert wurde und für sie konstitutiv ist.²⁰

Zwar sei die Unterscheidung von Weltlichem und Geistlichem, von Physischem und Metaphysischem nicht neu, wäre aber im christlichen Denken mit besonderer Nachhaltigkeit auf die Bereiche „jüdisch“ und „christlich“ umgelegt worden: Das Christentum hat also nicht diese Spaltung in die zwei politischen Körper des Fleisches und des Geistes erfunden, aber die Abbildung dieser Politik auf die kognitiven Kategorien des „Juden“ und des „Christen“, aus Gründen, die ich zu beschreiben versucht habe. Meine These lautet, dass diese Zuordnung für die Geschichte des politischen Denkens bald eine so zentrale Rolle spielt, dass sie in entscheidenden kritischen Begriffen des politischen Denkens kodiert wurde, woraufhin diese Begriffe, sobald sie in der politischen Kritik zur Anwendung kamen, sozusagen aus ihrem Inneren heraus selbst neue Formen des Judentums generierten.²¹

Mit anderen Worten: „Judentum“ und „jüdisch“ wurden im christlich-theologischen wie auch im abendländisch-politischen Diskurs zu einer nicht aufgelösten Chiffre des irritierenden „Fleischlichen“, „Weltlichen“ – und das heißt auch: der eigenen irritierenden und als minderwertig empfundenen physischen und materiellen Bedürfnisse. Die These Nirenbergs erweist sich auch dann als zutreffend, wenn man hinzufügt, dass „das Christentum“ in seinen antignostischen Aspekten durchaus eine

 Vgl. Nirenberg, Anti-Judaismus, S. 126 f.  Nirenberg, „Jüdisch“, S. 5.  Nirenberg, „Jüdisch“, S. 52 f.

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Hochschätzung des Materiellen kennt (schließlich ist es Teil des realen israelitisch-jüdischen Diskurses der Spätantike), oder, dass innerhalb der jüdischen Überlieferung individuelle Bedürfnisbefriedigung keineswegs unproblematisch ist und Selbstverleugnung um der Tora und der Gebote willen ein hohes Ideal sein kann. Aber das wären Aspekte literarisch und kulturell nachweisbarer Religiositäten, die die nachhaltige Wirksamkeit des theologisch-politischen Konstrukts nicht beeinträchtigen. In diesem Diskursfeld befanden sich auch die Vertreter der neuen Bibelwissenschaft, doch die alten Orientierungspunkte des Denkens waren mit einer historischen Sicht auf theologische Konzepte und Narrative in Bewegung geraten. Der Topos des „Fleischlichen“, des Empirischen, nicht zuletzt in Gestalt des Individuellen, erscheint unter der Hand positiv besetzt, wenn Universalismus, Kultund Autoritätskritik sowie konkrete Mitmenschlichkeit als zentrale Inhalte prophetischer Literatur erkannt werden und die Propheten erste Repräsentanten Israels sind. Wellhausen war sich dessen bewusst, dass er traditionelle Bibelhermeneutik dekonstruierte; er zog daraus die persönlichen Konsequenzen, indem er von der theologischen an die philosophische Fakultät wechselte.²² Warum aber war es ihm unmöglich, auch den Antijudaismus abzulegen? Immerhin hatte das Judentum die Propheten zuerst rezipiert und sie zusammen mit dem Pentateuch und dessen priesterlichen Anteilen tradiert. Für Wellhausen und seine Mitstreiter stand es jedoch nicht zur Debatte, der Hochschätzung der Propheten etwa eine grundsätzliche religionsgeschichtliche Anerkennung des Judentums folgen zu lassen. Hätte dies mehr als die vordergründige dogmatische Korrektheit der betreffenden Theologen in Frage gestellt? Vermutlich hätten sie mit der Wahrnehmung der Tiefenstrukturen des Antijudaismus, seiner Instrumentalisierung des Judentums als Projektionsfläche der „Weltlichkeit“ ihr gesamtes Selbstverständnis einschließlich ihrer gesellschaftlichen und universitären Anschlussfähigkeit aufs Spiel gesetzt. Deshalb entschieden sie sich bewusst oder unbewusst dafür,

 Vgl. Jepsen, Alfred: Wellhausen in Greifswald. In: Der Herr ist Gott. Aufsätze zur Wissenschaft vom Alten Testament. Hrsg. von Alfred Jepsen. Berlin 1978. S. 255 – 270, hier S. 261– 263. Dort ist auf S. 266 f. (Anlage 5) der Brief Wellhausens an den preußischen Wissenschaftspolitiker Friedrich Althoff vom 5. April 1882 abgedruckt, mit dem Wellhausen um Versetzung in die philosophische Fakultät bittet. Darin heißt es: „Ich bin Theologe geworden, weil mich die wissenschaftliche Behandlung der Bibel interessierte, es ist mir erst allmählich aufgegangen, daß ein Professor der Theologie zugleich die praktische Aufgabe hat, die Studenten für den Dienst in der evangelischen Kirche vorzubereiten, und daß ich dieser Aufgabe nicht genüge, vielmehr trotz aller Zurückhaltung meinerseits, meine Zuhörer für ihr Amt eher untüchtig mache. Seitdem liegt mir meine theologische Professur schwer auf dem Gewissen.“ Bereits am 13. Juli 1882 wurde Wellhausen von der Theologischen Fakultät in Greifswald an die Philosophische Fakultät in Halle versetzt; vgl. Jepsen, Wellhausen, S. 261.

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die faszinierende prophetische Widerständigkeit gegen ihre kanonischen und geistigen Erben, die jüdische Gemeinschaft, zu wenden – gegen ein konstruiertes „Judentum“, unter dem aber jederzeit konkrete Jüdinnen und Juden angesprochen werden konnten.

3 Propheten als Agenten der Reform: Abraham Geigers Auseinandersetzung mit Orthodoxie und Traditionalismus Auch für die jüdischen liberalen Exegeten im 19. Jahrhundert repräsentierten die biblischen Propheten einen Aufbruch, wenngleich die Diskurslage eine völlig andere war. Die führenden Kräfte des deutschsprachigen liberalen Judentums befanden sich in einer mehrfach angefochtenen Position: Sie standen zwischen der modernen, schon teilweise säkularisierten Gesellschaft, deren offenem oder latentem Antijudaismus es zu begegnen galt, und dem traditionellen Judentum, das sich in unterschiedlichem Maße der Modernisierung und gesellschaftlichen Partizipation verweigerte. Sie strebten danach, die weitgehende bürgerliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung in Europa religiös umzusetzen und sprachen sich gegen ein unreflektiertes Traditionsverständnis aus. Im Konflikt unter den Schlagworten „Tradition“ und „Reform“ nahmen die Vertreter der letzteren die Propheten für die Grundwerte des Judentums in Anspruch. Sie standen gleichsam für universale religiöse und ethische Konzepte sowie für die Möglichkeit und Notwendigkeit ihrer Aktualisierung. Die Propheten wurden somit zu Instanzen, die gegen Formalismus und Traditionalismus angeführt werden konnten. Als Beispiel für eine solche Auseinandersetzung sollen zwei frühe Texte Abraham Geigers (1810 – 1874) angeführt werden, das Sendschreiben an einen befreundeten Rabbiner von 1840 und der darin erwähnte gottesdienstliche Vortrag von 1838. Geiger berichtet im Sendschreiben, dass 1838 – 1839 die traditionelle Fraktion der Breslauer Gemeinde eine Eingabe verfasst hatte, mit der sie das preußische Ministerium von Geigers angeblich mangelnder jüdischer „Rechtgläubigkeit“ informierte. Die Verfasser dieses Pro Memoria verfolgten das Ziel, die Verleihung der preußischen Staatsbürgerschaft an Geiger zu hintertreiben. Damit sollte seine Anstellung als Rabbinatsassessor in Breslau verhindert werden, nachdem er bereits in diese Position gewählt worden war.²³ Geiger bekam vom

 Vgl. zu diesem Vorgang Meyer, Michael: Antwort auf die Moderne. Geschichte der Reform-

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Ministerium Gelegenheit, sich zu den Anschuldigungen zu äußern; seine Erwiderung ist Teil des Sendschreibens. (Seine Stellungnahme wurde schlussendlich akzeptiert, die Anschuldigungen fallengelassen und die Naturalisation gewährt.) Geigers Kontrahenten werfen ihm vor, er würde die jüdische Religionspraxis für „wandelbar“ halten, wobei sie sich auf einen am 21. Juli 1838 von ihm in Breslau gehaltenen gottesdienstlichen Vortrag berufen. In seinem Sendschreiben zitiert Geiger zunächst aus der Eingabe an das Ministerium: […] das Grundwesen des Judenthums ist und bleibt, dass seine Bekenner festhalten mit strengem Ernst die Ceremonien, die Verordnungen und die Gesetze, wie sie von den Rabbinen und Lehrern mit erhabener Autorität gefügt und befohlen sind. […] Und das ist der Grundzug und die Wesenheit des Judenthums, dass der menschliche Geist sich niemals erkühne, auch die kleinste Satzung und das unscheinbarste Gebot, welches geheiligt und geordnet ist durch die Autorität, durch die Tradition und durch den Gebrauch zu betasten, zu verletzen oder gar, dem Principe nach zu zerstören.²⁴

Der junge Abraham Geiger widerlegt die Anschuldigungen minutiös, indem er ein historisch-theologisches Gegenbild entwirft – das Bild eines seit jeher auf Erkenntnis und Ethik basierenden Judentums, das im Laufe der Zeiten die verschiedensten Veränderungsprozesse durchlaufen habe und sich durch ein hohes Maß an Meinungsvielfalt auszeichne. Geiger scheint dabei auf eine Übereinstimmung zwischen sich und den Ministerialbeamten zu setzen: das Bewusstsein der Überlegenheit über veralteten – jüdischen – Ritualismus. Er unterstellt seinen Gegnern „wissentliche und böswillige Verdrehung“²⁵ seiner Worte; die betreffende Passage enthält drei aufeinanderfolgende ausführliche Prophetenzitate: Sie reißen den einmal dort vorkommenden Ausdruck „wandelbar“ aus dem Zusammenhange heraus, um darauf die Anklage zu gründen „ich deute von geweihter Stelle herab auf die Wandelbarkeit der jüdischen Gesetzesformen hin“, während ich dort auf die Pflicht aufmerksam mache, die wesentlichen Gebote nicht zu vernachlässigen, und sich mit der Befolgung äusserer Formen, welche zum Theile wandelbar sein könnten, zu begnügen. Was würden jene Ankläger erst gesagt haben, wenn ich mit Jesaias gesprochen hätte:

bewegung im Judentum. Wien 2000. S. 167; Heshel, Susannah: Der jüdische Jesus und das Christentum. Abraham Geigers Herausforderung an die christliche Theologie. Berlin 2001. S. 76; Gotzmann, Andreas: Vom problematischen Dasein eines Reformers: Abraham Geigers Leben an vorderster Front. In: Jüdische Existenz in der Moderne. Abraham Geiger und die Wissenschaft des Judentums. Hrsg. von Christian Wiese [u. a.]. Berlin 2013. S. 59 – 112.  Geiger, Abraham: Die letzten zwei Jahre. Sendschreiben an einen befreundeten Rabbiner (1840). In: Abraham Geiger’s nachgelassene Schriften. Bd. 1: Hrsg. von Ludwig Geiger. Berlin 1875. S. 1– 51, hier: S. 8 – 9.  Geiger, Jahre, S. 19.

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„Dieses Volk tritt einher, mit Mund und Lippen ehrt es mich, sein Herz ist fern von mir, so ist ihre Ehrfurcht vor mir ein eingeübtes Menschengebot.“ (Jes 29,13), oder wenn ich mit demselben heiligen Seher gesagt hätte: „Ist dies ein Fasttag, den ich erwähle, ein Tag, an dem der Mensch sich peinigt, etwa wie Schilf sein Haupt zu beugen, mit Sack und Asche sich bedecket; nennst Du Dies einen Fasttag, einen Tag, der Gott wohlgefällt! Wahrlich, so ist ein Fasttag, den ich erwähle: öffnen die Knoten der Bosheit, lösen die Bande der Gewaltthat, Bedrängte frei wegzuschicken“ u.s.w. (Jes 58,5 ff.); oder mit Zacharias: „Wenn ihr fastet und klaget, fastet ihr für mich? Wenn ihr esset und trinket, so seid ihr ja die Essenden, ihr die Trinkenden! Das sind die Worte, welche Gott schon durch die früheren Propheten verkündigen liess etc. Richtet nach Wahrheit; Milde und Barmherzigkeit übet einer gegen den Andern! etc. Mögen die Fasttage des vierten, des fünften, des siebenten und des zehnten Monats dem Hause Juda zur Wonne und zur Freude werden, wenn ihr nur Wahrheit und Frieden liebet!“ (Zach. 7,5 ff. 8,19) Solche und ähnliche Stellen der Propheten wären von meinen Anklägern gewiss gleichfalls als Zeugnisse gegen meine jüdische Rechtgläubigkeit angebracht worden.²⁶

Der erste der drei Prophetenverse dürfte den Empfängern im Ministerium aus dem Neuen Testament bekannt gewesen sein: Jes 29,13 erscheint in Mk 7,6 f. als Schriftzitat Jesu gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten, in einer Konstellation also, die die Situation Geigers geradezu zu spiegeln scheint: […] und als sie einige seiner Jünger mit unreinen, das ist ungewaschenen, Händen Brot essen sahen – […] fragen ihn die Pharisäer und die Schriftgelehrten: Warum leben deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Ältesten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen? Er aber sprach zu ihnen: Treffend hat Jesaja über euch Heuchler geweissagt, wie geschrieben steht: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren.“ Ihr gebt das Gebot Gottes preis und haltet die Überlieferung der Menschen fest. Und er sprach zu ihnen: Trefflich hebt ihr das Gebot Gottes auf, damit ihr eure Überlieferung haltet. (Mk 7,2.5 – 9)²⁷

Ebenso erinnert die Formulierung von der „Pflicht […], die wesentlichen Gebote nicht zu vernachlässigen und sich mit der Befolgung äusserer Formen, welche zum Theile wandelbar sein könnten, zu begnügen“ nur allzu deutlich an Mt 23,23 und kann ebenfalls als subtile Polemik Geigers gelesen werden:

 Geiger, Jahre, 19 f.  Diese und weitere Bibelübersetzungen werden nach der Elberfelder Bibel (2013) zitiert [Hervorhebung S. P.].

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Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr verzehntet die Minze und den Dill und den Kümmel und habt die wichtigeren Dinge des Gesetzes beiseitegelassen: das Recht und die Barmherzigkeit und den Glauben; diese hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen. (Mt 23,23)

Bei dem im Pro Memoria inkriminierten gottesdienstlichen Vortrag handelt es sich um eine am 21. Juni 1838 in der großen Synagoge zu Breslau gehaltene Predigt, der der Vers Koh 1,4 „Geschlecht geht, Geschlecht kommt, aber die Erde besteht ewig“ vorangestellt ist.²⁸ Das Thema der Ansprache ist die Dialektik von Wandel und Beständigkeit; Geigers Konzept eines „prophetischen Judentums“²⁹, eines Judentums, das sich von einer partikularen zu einer universalen Religion entwickelt hat, ist darin bereits vorhanden. Geiger sieht die Bedeutung der Propheten darin, immer wieder auf die überzeitlichen und unveränderlichen geistigen und ethischen Inhalte des Judentums zu verweisen, deren Umsetzung dann jeweils zeitbedingt sei. Mitunter scheint es, als ob die Propheten bei ihm die konstitutive Funktion bekommen, die im klassischen rabbinischen Denken die Tora hat. Da er jedoch als Geistlicher spricht, wäre die explizite Rede von einer theologischen Priorität der Propheten nicht angebracht.³⁰ Geiger löst diese Spannung so auf, dass er „das Gesetz“ gleich zu Beginn erwähnt, dann aber nicht mehr behandelt. Der erste Satz der Ansprache lautet: Ueberall, wohin wir blicken, werthe Freunde und Freundinnen, gewahren wir Wechsel und Veränderung; Erscheinungen vergehen und andere treten an deren Stelle: aber das Gesetz, das alle diese abwech(s)elnden Gestaltungen erzeugt, es bleibet, aber die Kraft, die göttliche, welche in allem webet, sie ist unvergänglich.³¹

Wenn daran die Frage anschließt, was im Judentum zeitbedingt und was zeitlos sei, so legt Geiger in diesem Satz bereits die Grundlagen, indem er die Tora als schöpferische Kraft, als Voraussetzung und Quelle aller Veränderungen benennt. Tora in dieser Funktion ist für ihn freilich kein Text, auch nicht die Summe der bisherigen rabbinischen Überlieferung, sondern die göttliche Kraft, „welche in allem webet“. Nach einer Sequenz über Veränderungen und Wechsel in den

 Siehe Geiger, Abraham: Gottesdienstlicher Vortrag, gehalten in der grossen Synagoge zu Breslau am Sabbathe Matthot Massé 5598 (21. Juli 1838). In: Geiger, Schriften, S. 355 – 369.  Vgl. Geiger, Vortrag, S. 356; Meyer, Antwort, S. 147; Koltun-Fromm, Ken: Abraham Geiger’s Liberal Judaism. Personal Meaning and Religious Authority. Bloomington 2006. S. 41– 44 u. 47.  Zum Gedanken der Priorität der Propheten vor dem Erscheinen der Schriften Wellhausens vgl. Wellhausen, Prolegomena, S. 3 f.  Geiger, Vortrag, S. 357.

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verschiedensten Bereichen des Lebens und der biblischen und historischen Geschichte Israels fragt Geiger: [W]as ist also Israel? Das Bleibende an ihm, das ist sein Glaube, der Glaube an den einzigen, ewigen Gott, der mit seiner Allmacht und Allgüte über uns herrschet, das Vertrauen auf diesen Heiligen, Reinen, die Ueberzeugung, dass er von uns Selbstheiligung verlangt, dass wir ihn verehren durch Reinigung unser selbst, dass unser ganzes Leben getragen sein müsse von dem Gedanken an ihn, dass eine jede Handlung geweiht sei durch das Ziel, zur Vollführung des göttlichen Willens beizutragen; darin ist Israel immer dasselbe.³²

Die Umsetzung dieses Glaubens habe jedoch, so fügt er gleich hinzu, zu verschiedenen Zeiten verschiedene Formen angenommen. Im weiteren Verlauf der Predigt finden sich etliche Prophetenzitate, die deutlich machen, was Geiger unter einem zeitgemäßen Judentum versteht. Er erläutert, was er für „wandelbar“ und was für unveränderlich hält, und ermahnt die Gemeinde folgendermaßen, auf den Unterschied zu achten: O mein Israelite und meine Israelitin, o versäume auch hier nicht an Grund und Kern Deines Glaubens Dich zu halten, und die äussere Form zu achten, aber nicht götzendienerisch zu verehren; vergiss niemals, dass diese wandelbar ist und sein muss, jener aber nicht untergehen kann und von ihm Du nicht lassen darfst. Wenn Du einst vor den Richterstuhl Gottes trätest und er spräche zu Dir: ich habe Dir durch meinen Propheten verkünden lassen, was der tiefste Gehalt des dir offenbarten Wortes ist: „Es ist dir gesagt worden, o Mensch, was gut ist, und was der Herr, Dein Gott, von Dir verlangt: Gerechtigkeit üben, Milde lieben und bescheiden wandeln vor deinem Gotte!“³³ und er fragte Dich nun: bist Du gerecht gewesen gegen Jedermann, und stehe er Dir auch im Glauben fern – denn meine Kinder sind alle –, warst Du milde und nachsichtig, hast Du nicht in Selbstgefälligkeit und in Ueberschätzung Deines Werthes, Deiner Frömmigkeit mein vergessen? Und Du müsstest sprechen: Herr, ich habe vielen Satzungen mich unterworfen und bin ihnen mit ängstlicher Strenge gefolgt, aber gerecht war ich nicht immer – und du müsstest so sprechen, da vor dem Allwissenden kein Leugnen ist und die Steine deines Hauses wider dich zeugen würden,³⁴ so Du es verschweigen wolltest – und Du sähest nun erst ein, wie Du das Bleibende versäumt um des Wechselnden willen!³⁵

In der Folge legt Geiger eindrucksvoll dar, wie sich Beständigkeit eigentlich nur im Wandel zeige und zitiert dazu Jer 2,13: „Mich haben sie verlassen, den Quell des lebendigen Wassers, um sich Gruben zu graben, zerbrochene Gruben, welche das Wasser nicht erhalten.“ Den Traditionalismus vergleicht er mit dem vergeblichen

   

Geiger, Vortrag, S. 364. Micha 6,8. Geiger führt die Versangaben nicht an. Vgl. Hab 2,11. Geiger, Vortrag, S. 364 f. Die Anspielung an Mt 25,31– 46 ist deutlich.

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Versuch, das Wasser zu erhalten, indem man es abgeschlossen stehen ließe, während die Quelle zwar nicht dieselben Tropfen, aber doch zuverlässig frisches Wasser hervorbrächte. Abschließend spricht er Unsicherheiten infolge von Veränderungen an. Der recht pathetische Schluss erweckt den Eindruck, dass sich der Prediger hier selbst Mut zuspricht: Darum klage nicht, mein Israelite, wenn es Dir scheint, als wolle Manches anders werden; in Wahrheit wird Nichts anders, es wechselt bloss eine Hülle, bloss manche Form erfährt eine Umgestaltung, aber das Wesen wird nicht berührt. Zage nicht, mein Israelite, und lasse Dich nicht irren durch die Rede Unverständiger, welche den Sturz des Glaubens erblicken in einiger Nachgiebigkeit gegen die Zeit, in der Herstellung gefälligerer, unsern Bedürfnissen mehr entsprechender Formen. Aber lasse Dich auch nicht irren von der Rede jener Anderen, welche, weil ihnen einiges Aeussere nicht mehr zusagt, über den ganzen Israelglauben den Stab brechen, welche mit den Israeliten zu den Zeiten des Propheten Ezechiel sprechen: „verdorrt sind unsere Gebeine, dahin unsere Hoffnung, wir scheiden.“³⁶ Nein, unsere Hoffnung ist nicht hin; der wahre Israelglaube ist unerschütterlich, und mögen Stürme über ihn herziehen, und mögen alle Aexte an ihn gelegt werden,³⁷ er trotzt jeglichem Versuche ihn zu stürzen. Wohl mag manches starr scheinen; aber unter dieser Erstarrung, in dieser Verwesung lebt ein Geist, der die Fesseln durchbricht, und neu verjüngt, kräftig und verklärt steht auch die äussere Erscheinung dann wieder da. Das wird nun auf manches Hinderniss stossen, und mancher Widerspruch wird sich erheben; aber immer traf die Wahrheit auf Hindernisse, immer hat das Gute, bis es herangereift, mit Widerspruch kämpfen müssen. Und wenn Du deshalb zagen wolltest, mein Israelite, dann blicke hin auf die begeisterten Gottesmänner, welche in der Vorzeit aus deinem Schosse hervorgegangen sind, blicke hin auf deine Propheten, die zu ihrer Zeit häufig verspottet, dann ein Licht der Welt wurden. ‫אויל‬ ‫הנביא משוגע איש הרוח‬, thöricht ist der Prophet, unsinnig der Mann des Geistes,³⁸ rief man ihnen zu, aber dennoch waren sie unermüdlich in ihrem Kampf gegen Götzendienst und Sittenlosigkeit und – sie siegten. O, so werden auch wir für die reinen Lehren Israel‘s kämpfen und nicht von ihnen lassen und die Form auch achten, in welcher der Geist sich darstellt, so lange er sich in ihr darstellt. So werden auch wir zu dem herrlichen Ziel beitragen, das der Menschheit gesteckt ist: „und der Herr wird sein König über die ganze Erde; in jenen Tagen wird der Herr einer sein, und sein Name einer!“³⁹ Amen!⁴⁰

Geiger und seine Kollegen sind sich des Spannungsfelds, in dem sie sich befinden, bewusst. Sie müssen sich eine gewisse Chuzpe zu eigen machen, wenn sie Humanität und Universalität als die Kernbegriffe des Judentums gegen das etablierte Verständnis der Traditionalisten geltend machen wollen. Sie müssen über die kanonische Nachrangigkeit der Propheten nach „dem Gesetz“ hinwegsehen     

Ez 37,11. Vgl. Mt 3,10. Hos 9,7. Sach 14,9. Geiger, Vortrag, S. 366 f.

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bzw. so tun, als ob sie eine eigene Schriftdeutung gleichberechtigt gegen die traditionelle Interpretation anführen können. Nur so ist es möglich, einen Vers wie Micha 6,8 im Gegensatz zur halachischen Detailtreue zu präsentieren. Es ist deshalb wohl nicht zu viel gesagt, dass Geiger sich hier selbst in einer „prophetischen“, keineswegs triumphalen, sondern prekären Rolle sieht, wenn er für einen Paradigmenwechsel im Judentum wirbt und wirkt.

4 Zusammenfassung und Ausblick Julius Wellhausen wie Abraham Geiger sahen in der biblischen Prophetie die ursprünglichen Grundwerte der israelitischen Überlieferung gegeben: Ethik und Universalität, die Ursprünglichkeit und Unmittelbarkeit einer Gottesbeziehung, die in parteilicher Weise auf Individualität verweist und deshalb religiöse Institutionen in Frage stellt. In diesem Beitrag sollte die ideengeschichtliche Überlegung vorgestellt werden, dass gerade diese „Hermeneutik des Konkreten“ bereits in ganz anderem Gewand präsent war, wenn christlicher Antijudaismus seit der Spätantike das Judentum als „fleischlich“ und „weltlich“ diffamierte. Dafür spräche, dass, wie David Nirenberg gezeigt hat, in der Geschichte des westlichen politischen Denkens Phänomene wie irdische Gerechtigkeit und materieller Wohlstand immer wieder als „jüdisch“ bezeichnet wurden. Daran könnte sich sogar eine Frage nach den Ursachen des Antijudaismus anschließen: Ist es vielleicht diese chiffrierte Botschaft der bedingungslosen Parteinahme für das konkrete Individuum, die im Sinne der Abwehr unbewusst gebliebenen Schmerzes als „jüdisch“ konnotiert wird? Das Vorgehen gegen das „Judentum“ wäre dann ein vergeblicher Versuch, den eigenen Schmerz und Mangel zu negieren.⁴¹ Wie seine christlichen Kollegen verstand auch Geiger die Propheten als Herausforderer des Kultisch-Rituellen und Althergebrachten, stand aber – naturgemäß – nicht unter dem Zwang, sie in einen Gegensatz zur israelitisch-jüdischen Tradition zu bringen; er präsentierte die biblischen Propheten als Agenten eines authentischen und reformfähigen Judentums. Sie stehen bei ihm für die Kontinuität des „Glaubens Israels“, die gerade dadurch gewährleistet ist, dass er immer wieder erneuert, aktualisiert und konkretisiert werden kann. Zwar teilten Geiger und Wellhausen etliche Aspekte der historischen und theologischen Ein-

 Vgl. zur (methodologischen) Diskussion über psychologische Ursachen des Antisemitismus Volkov, Shulamit: Antisemitismus als kultureller Code. In: Dies.: Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Zehn Essays. München 1990. S. 13 – 36, hier S. 18 f. u. 24 f.

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schätzung der biblischen Propheten, doch gingen ihre Wege auseinander, wenn es um die Konsequenzen daraus ging. Beide nahmen eigenständige Positionen in der religiösen Öffentlichkeit ein, waren als Personen umstritten und mussten darüber mit den preußischen Behörden korrespondieren. Während Wellhausen jedoch darum bat, ihn aus der öffentlichen theologischen Verantwortung zu entlassen, trat Geiger in die streitbare Auseinandersetzung mit dem jüdischen Traditionalismus seiner Zeit ein. Wellhausen legte mit teilweise sarkastischen Worten die regulierende, disziplinierende und tötende Wirkung des „Gesetzes“ dar, die auf die prophetischen Aufbrüche folgte. Er sah „prophetisch“ und „jüdisch“ im Widerspruch zueinander und den Geist des Prophetentums erst wieder im Christentum zum Leben erweckt. Dem Judentum warf er den Verrat des prophetischen Ursprungs vor; durch sein Schweigen zum nachbiblischen Judentum schützte er sich vor einer differenzierteren Sichtweise und ihren Konsequenzen. Geiger hingegen ging von einer hermeneutischen Einheit zwischen Tora und Propheten aus und bestand auf einer Kontinuität des prophetischen Geistes in der gesamten israelitisch-jüdischen Überlieferung. Beide sahen historisch und theologisch die Propheten und das, wofür sie – symbolisch oder tatsächlich – stehen, als Kriterium dessen, was Israel ausmacht. Kulturwissenschaftlich wäre es schwierig, darauf aufbauend von einem „Wesen des Judentums“ zu sprechen; eher von „unerhörten“ Ansprüchen und radikalen Würdediskursen, die immer wieder, von außen oder von innen, als israelitisch oder jüdisch wahrgenommen werden.

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Re-Forming Professions Salomon Herxheimer and Ludwig Philippson on the Past and Future of Jewish Farmers Images of German Jews taking up the farmer’s scythe and casting aside the wares of the “restless wandering peddler” and the “profit-hungry tradesman” were frequently invoked in eighteenth- and nineteenth-century debates about Jewish civil emancipation. The figure of the Jewish farmer emerged as a shibboleth for German Jewish political prospects. With the abrogation of restrictive legislation, would Jews flock to the fields, evincing their embrace of the purportedly German sensibilities of simple living and hard work? Or were Jewish bodies and temperaments innately disposed against the farming profession and thus unsuited for the German body politic? This article traces how these figures were formed through the generative processes of biblical exegesis and thereby imbued with the supererogatory authority devolving from the Bible’s antiquity and its nature as a repository of Divine speech. Nineteenth-century German Jews famously engaged these tropes through rejoinders published in political tracts but, less well known, they also crafted exegetical responses woven into biblical commentaries, in which they dismantled the logic coupling Jews with these tropes and divested these figurations of their purported biblical authority. Christian Wilhelm Dohm (1751– 1820), in his On the Civic Improvement of the Jews (1781– 1783), argued that centuries of poor legislation had pushed Jews into the fields of peddling and finance and that these laws, rather than any essential Jewish characteristics, were responsible for fostering the love of profit and usurious practices that were so often cited as obstacles to Jewish emancipation.¹ To reverse the effects of these unhealthy laws, Dohm called upon Prussian legislators to open up the professions and to allow Jews to work as farmers and craftsmen.² By turning to agriculture, in particular, Dohm suggested that Jews would

Many thanks to the anonymous reviewer whose perceptive comments enriched this chapter.  See Christian W. Dohm, Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden (Berlin/Stettin, 1781), 108.  Johann David Michaelis (1717– 1791), offered an alternate proposal: deport Jews to sugar islands where, in light of the increased consumption of sugar by Europeans, Jews could “become useful to us in agriculture and manufacturing, if one manages them in the proper manner.” See further Jonathan M. Hess, “Johann David Michaelis and the Colonial Imaginary,” Jewish Social Studies 6, no. 2 (2000): 85, where this passage is cited. https://doi.org/10.1515/9783110551631-005

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be able to develop a rooted relationship to the land, would establish industrious habits, and would be satisfied with a simple life indifferent to the trappings of luxury.³ Such transformations would thus enable Prussian Jews to develop into “better men and more useful citizens”⁴ increasingly prepared to participate equally in the Prussian economy and body politic. Even as German Jews including Moses Mendelssohn disagreed that a professional restructuring was necessary to the project of Jewish “improvement”⁵, numerous leaders of German Jewish communities vigorously advanced this idea and encouraged German Jews to train and work as farmers, craftsmen, and artists. German Jewish periodicals regularly reported on the establishment of Vereine dedicated to coordinating Jewish professional reform and detailed the number of trainees, the trades in which they were trained, and placement successes. Jewish advocates celebrated the multiple advantages of replacing peddling and finance with farming and craftwork, highlighting the esteem they now garnered from their neighbors and praising Jews’ contributions to patriotic industry. Five decades after Dohm’s publications, German Protestant and Jewish intellectuals continued to directly tie the prospect of civil equality to Jews’ aptitude for farming. A polemical exchange between Anton Theodor Hartmann (1774– 1838) and Gotthold Salomon (1784– 1862) flared to life in 1835 and revealed the ubiquity of the trope of the German Jewish farmer as a possible usher to Jewish political emancipation. With echoes of Eisenmenger’s Entdecktes Judenthum (1700), A. T. Hartmann, professor of Theology at the University of Rostock, published a series of articles in which he arrayed a host of Jewish sources – biblical, Talmudic, midrashic, medieval, early modern, and modern – to reveal the multiple reasons why Jews should not, and indeed could not, be integrated into German society. As part of this argument, he argued that the observance of the Sabbath on Saturdays, rather than Sundays, prevented Jews from working as farmers and craftsmen and thus integrating into the German economy.⁶ Gotthold Salo-

 See Dohm, Verbesserung, 101– 103. Even as Dohm recommended a turn to agriculture, he warned that training in craftsmanship was an even better option since agricultural work held too many similarities to trade, including speculative practices and a focus on money and yield. See Dohm, Verbesserung, 114– 115.  Dohm, Verbesserung, 109. All translations of German passages are my own.  Including Moses Mendelssohn, see Gideon Reuveni, Consumer Culture and the Making of Modern Jewish Identity (Cambridge/New York, 2017), 112– 121, and Jonathan Karp, The Politics of Jewish Commerce: Economic Thought and Emancipation in Europe, 1638 – 1848 (Cambridge/New York, 2008), 122 – 134.  See Anton Theodor Hartmann, Darf eine völlige Gleichstellung in staatsbürgerlichen Rechten sämmtlichen Juden schon jetzt bewilligt werden?, in: Archiv für die neueste Gesetzgebung aller deutschen Staaten, hrsg.v. Alexander Müller [u. a.], Bd. 5. Offenbach 1834, 206 – 240; Bd. 6,

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mon, preacher of the New Israelite Temple in Hamburg, immediately responded with a re-iteration of Dohm’s position, arguing that only discriminatory civil law and not Sabbath observance prevented Jews from practicing agriculture. He corrected his interlocutor by pointing out that in every place where Jews were allowed to till the land, they flourished “with the happiest success”.⁷ In his biting response to Salomon’s rejoinder, Hartmann sharpened his critique, arguing that the lack of Jewish farmers was not actually a matter of Sabbath observance at all. Rather, he argued that the dearth of Jewish agriculturalists revealed essential Jewish characteristics – namely, an aversion to physicallydemanding labor and a desire for physical comfort – which left Jews inherently incapable of participating in useful professions, including farming.⁸ In an appendix entitled The Mercantilism of the Jews, developed from the Most Ancient National Sources, Hartmann proclaimed that “the Pentateuch, prophets, and Proverbs”⁹ are full of proof that Jews are driven by a lust for profit, a distaste for physical labor, and enjoyment of usurious oppression. Solomon rapidly fired off a second response, in which he re-iterated that wherever Jews had been offered civil equality, they had proven themselves worthy of these rights: “Jews practice middle-class professions with the best success; Jews occupy themselves with cattle breeding and agriculture. […] [A]nd Jews feel [that] furthering the good of the Fatherland is the holiest matter of their lives.”¹⁰ The debate over the political and social potential of German Jewish agriculturalists infiltrated learned journals, popular periodicals, and theological and historical scholarship, but even as the discussion bled across genres, a hermeneutical constant united the various publications: proponents and critics of transforming German Jews into farmers consistently grounded their arguments

Frankfurt/M. 1835, 170 – 254; hier 6, 180 – 198 (“Verträgt sich die Verlegung des Sabbats auf den Sonntag der Christen mit den Grundsätzen der jüdischen Rechtgläubigkeit?”).  Gotthold Salomon, Briefe an Herrn Anton Theodor Hartmann, Doctor und ord. Professor der Theologie zu Rostock, über die von demselben aufgeworfene Frage: Darf eine völlige Gleichstellung in staatsbürgerlichen Rechten sämmtlichen Juden schon jetzt bewilligt werden? (Altona, 1835), 40 – 41.  Anton Theodor Hartmann, Grundsätze des Orthodoxen Judenthums: mit Beziehung auf des herrn Dr. Salomon’s Sendschreiben (Rostock, 1835), 54– 60.  Anton Theodor Hartmann, “Handelsgeist der Juden, aus den ältesten Nationalquellen entwickelt (In skizzenförmiger Darstellung),” in id., Grundsätze des Orthodoxen Judenthums (Rostock, 1835), 101.  Gotthold Salomon, Anton Theodor Hartmann’s neueste Schrift: “Grundsätze des Orthodoxen Judenthums” mit Beziehung auf die Frage: “Darf eine völlige Gleichstellung in staatsbürgerlichen Rechten sämmtlichen Juden schon jetzt bewilligt werden?” in ihrem wahren Lichte dargestellt (Altona, 1835), 6 – 7.

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in exegetical reasoning. Participants in the debate routinely cited passages from the Hebrew Bible as evidence of Jews’ inherent aptitude for farming or as proof of their natural aversion to physical labor, as record of their close relationship with the land or of their long-standing preference for trade. With the publication of the first two German Jewish commentaries to the Tanakh in the 1840s – Salomon Herxheimer’s commentary (1840 – 1848) and Ludwig Philippson’s Die Israelitische Bibel (1839 – 1854) – German Jews joined a discursive realm long occupied by Protestants and immediately began to articulate their views on professional reform from squarely within the genre of biblical exegesis. Despite radical differences in their hermeneutic methods, both Herxheimer and Philippson wove their opinions on the political significance of Jewish farming into their interpretations of the biblical text and thereby generated new exegetical traditions which countered the Protestant interpretations informing so many scholarly and popular representations of Jewish farming.

1 Salomon Herxheimer Salomon Herxheimer (1801– 1884) published the first full-length German translation of and commentary to the Bible in the nineteenth century (1840 – 1848, 2 1854, 31865).¹¹ His ‫ תורה נביאים כתובים‬Die vier und zwanzig Bücher der Bibel im hebräischen Texte, mit worttreuer Übersetzung, fortlaufender Erklärung und benutzbaren Andeutungen was the first Jewish commentary to the Hebrew Bible published in German and only the second commentary to the Bible published by a German in the modern era.¹² Herxheimer understood his Bibelwerk to provide a concise and accessible wissenschaftliche interpretation of the biblical text and

 See Salomon Herxheimer, ‫ תורת משה‬Der Pentateuch oder Die fünf Bücher Mose’s in correctem hebräischen Texte mit worttreuer Übersetzung, vollständiger Erklärung, und erbaulichen und homiletisch benutzbaren Andeutungen, für Juden und Christen bearbeitet (Berlin, 1840); ‫תורה נביאים‬ ‫ כתובים‬Die vier und zwanzig Bücher der Bibel im hebräischen Texte, mit worttreuer Übersetzung, fortlaufender Erklärung, und homiletisch benutzbaren Andeutungen (Berlin, 1843 – 1848). ‫תורה‬ Der Pentateuch oder die fünf Bücher Mose’s im ebräischen Texte, mit worttreuer Uebersetzung, fortlaufender Erklärung und homiletisch benutzbaren Anmerkungen nebst Haphtaroth (Bernburg, 2 1854); ‫ תורה‬Der Pentateuch oder Die fünf Bücher Mose’s nebst Haphtara’s im hebräischen Texte mit deutscher Uebersetzung, fortlaufender Erklärung und homiletisch benutzbaren Anmerkungen (Leipzig, 31865).  The first commentary to the entire Bible published in German in the modern era was composed by J. D. Michaelis, Deutsche Uebersetzung des Alten Testaments mit Anmerkungen für Ungelehrte (German translation of the Old Testament with Annotations for the Unlearned, Göttingen 1769 – 1783).

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his commentary is divided into two parts: a continuous plain sense commentary and occasional homiletical interpretations. Herxheimer’s plain sense interpretations opened up the Bible to a popular audience by offering plausible definitions of obscure or ambiguous terms, rendering historical realia familiar, and reading liberal theological views into the words of Scripture. Herxheimer’s homiletical commentary reads Scripture as a devotional and inspirational text that directly speaks to the lives of a nineteenth-century readership. Herxheimer framed his homiletical exegesis as a Jewish version of the predominantly Protestant Erbauungsliteratur which he intended to serve both as a private devotional text to be read at home by women and unlearned men and as a collection of themes around which preachers could build their edifying sermons. School teachers, religious instructors, and individuals seeking greater access to a Bible rendered alien by the passage of time eagerly welcomed Herxheimer’s commentary and bought his Bibelwerk in numbers sufficient to warrant the publication of two further editions of his Torah commentary. Salomon Herxheimer uses exegesis to answer Germans who, like Hartmann, see a proclivity toward commerce as an essential component of Jewish identity and who read the historical absence of Jewish farmers as an indication of major moral defects in Jews. To counter these aspersions, Herxheimer first establishes the antiquity of farming as a Jewish practice. Herxheimer’s plain sense commentary to the story of Cain and Abel in Gen 4:2, “Abel was a shepherd, and Cain was a farmer,”¹³ clarifies that “farming was the first profession of mankind”¹⁴ and that already Adam and not Cain was the first biblical agriculturalist, a point he sharpens in the third edition of his commentary: “Agriculture for nourishment and livestock breeding for clothing were already conditions at the time of Adam (Gen 3:21, 23).”¹⁵ He supports this claim through two verses in Gen 3; Gen 3:21, which states that “the Eternal, God, made garments of skins for Adam and his wife, and clothed them” – suggesting that the Divine served as a sort of First Farmer who practiced “livestock breeding for clothing” – and Gen 3:23, in which Adam is commanded by the Divine “to till the soil from

 Herxheimer, ‫תורת משה‬. Vol. 1, 14. Biblical verses are my English translations of Herxheimer’s original German translation.  Herxheimer, ‫תורת משה‬. Vol. 1, 14. In the first two editions of his commentary, Herxheimer only implies the antiquity of farming through the verses he cites in his interpretation, which imply the existence of agriculture at the time of Adam: “Hiernach war Landbau das erste Gewerbe des Menschen, vgl. 2,15. 3,23. und die ausschließliche Pflanzennahrung der Menschen 1,29.” Herxheimer, ‫תורת משה‬. Vol. 1, 14– 15.  Herxheimer renders the early dating of agriculture more explicit in the third edition of his commentary, cited here. See Herxheimer, ‫תורת משה‬. 3rd edition. Vol. 1, 37.

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which he was taken”, which Herxheimer interprets as the inauguration of “agriculture for nourishment”. Divine example and Divine command, as recounted in Gen 3, indicate that already with Adam’s generation and not Cain’s, agriculture is established as the earliest profession practiced by the first biblical characters. By insisting on the historical veracity of the early biblical account and retrojecting the practice of agriculture to the first man, Herxheimer counters two recently published commentaries to Genesis, by Peter von Bohlen (1796 – 1840) and Friedrich Tuch (1806 – 1867), both of whom argued that the reference to agriculture in the Cain narrative could only be a “pure folk legend or a political myth” that most likely referred to the more advanced agricultural economies of the Persians or Indians,¹⁶ since, at the time of Cain, “nomadic life still prevailed amongst the Hebrews.”¹⁷ In contrast, Herxheimer posits that the practice of agriculture was practiced by the first generations of biblical figures, thus implying that agriculture has always been natural to Jewish social and economic organization.¹⁸ Herxheimer’s homiletical interpretation of the Cain narrative draws on the established antiquity of farming to showcase divine approbation of the pastoral profession. In his homiletical reading of “Cain was a farmer” (Gen 4:2), Herxheimer crafts an exhortation directed toward contemporary readers: “Holy Scripture memorializes the names of those who advance farming or cattle-breeding. Is this not evidence that these professions are dignified and should be imitated? Prov 27:23, 29:19.”¹⁹ By suggesting that the memorialization of the names of farmers is an established practice of scriptural language, Herxheimer elevates farmers to the status of biblical heroes and transforms farming into a memorializable practice. Rooting these associations in the language of Scripture allows Herxheimer to direct an unexpected suggestion to a contemporary German Jewish audience: Follow Cain’s example! – not as murderer of course, but as farmer. If Scripture’s holy logic has sanctified farming as an ideal profession, nineteenth-century German Jews should follow the biblical recommendation and reorient their occupational profiles toward agriculture.

 See Peter von Bohlen, Genesis historisch-kritisch erläutert (Königsberg, 1835), 52– 54.  Friedrich Tuch, Kommentar ueber die Genesis (Halle, 1838), 99 – 101.  The conflation of “biblical”, “Israelite”, and “Jewish” here reflects the language and assumptions of thinkers referenced here who often used these terms interchangeably; the conflation of these terms suggests the high stakes biblical scholarship held for nineteenth-century Jews since judgments against biblical figures often served as judgments against contemporary Jews. The language of this chapter also reflects when a thinker uses the terms “Israelite” and “Jewish” to refer to figures in historical eras.  Herxheimer, ‫תורת משה‬. Vol. 1, 37.

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With his brief reference to two passages in Proverbs, Herxheimer propels his readers into a particularly polemical textual thicket. A chain of exegetes including Hermann Müntinghe (1752– 1824), Johann David Michaelis (1717– 1791), C. P. W. Gramberg (1797– 1830), F. W. C. Umbreit (1795 – 1860), and Hartmann invoked passages from Proverbs as evidence that the ancient Israelites were naturally averse to agricultural work. In Hartmann’s The Mercantilism of the Jews, he cites a series of passages in the Book of Proverbs which, in his view, alternately evince Divine critique of Jews “shrinking from the difficulties of agriculture” and Divine attempts to “rouse [the Israelites] to agriculture.”²⁰ Twelve years before Hartmann published this appendix, Umbreit, Professor of Old Testament studies at the University of Heidelberg, published his Philological-Critical and Philosophical Commentary to Solomon’s Proverbs (1826) which articulated in a more muted tone many of the criticisms later caricatured by Hartmann. Umbreit reads Prov 12:11, “Whoever tills his ground can eat his fill; whoever follows the idler is void of understanding”,²¹ as an “encouragement to industry” aimed at a biblical audience inclined to laziness and he reads Prov 27:23 – 27, [t]ruly trouble yourselves on behalf of your sheep, take care for your flocks / For wealth does not last forever, and does the crown remain from generation to generation? / The

 Hartmann, “Handelsgeist,” 101.  After categorizing Prov 12:11 as “an encouragement to industry, like Sirach 20:30”, Umbreit quotes Hermann Münthinge’s commentary: “As the verse stands, this proverb refers to a great deficiency. [But] this verse refers not to a deficiency in food, but to [a deficiency] in comprehension; and it is precisely this unexpected [meaning] of the proverb that accounts for [this proverb’s] keen insight.” Friedrich Wilhelm Carl Umbreit, Philologisch-kritischer und philosophischer Commentar über die Sprüche Salomo’s (Heidelberg, 1826), 155. Münthinge, in turn, refers the reader to the commentaries of Michaelis and Hamelspeld. See Hermann Münthinge, Die Sprüche Salomo’s. translated by J. C. H. Scholl (Frankfurt am Main, 1800), 36 – 37. See also C. P. W. Gramberg’s commentary which classifies this proverb under “Warnings against Failings, without Relation to Other Men”, namely, “Idleness”: Carl Peter Wilhelm Gramberg, Das Buch Sprüche Salomo’s, neu übersetzt, nach seinem Inhalt systematisch geordnet, mit erklärenden Anmerkungen und Parallelen aus dem A. und N. T. versehen (Leipzig, 1828), 69. Umbreit’s commitments to this interpretation are so strong that even as he cites Hermann Christian Paulsen’s Zuverlässige Nachrichten vom Ackerbau der Morgenländer, zur Erläuterung einiger Schriftstellen elsewhere in his commentary, he ignores Paulsen’s pointed reference to the agricultural industriousness of the Jews: “Denn obgleich die Juden den Ackerbau nicht für ein gottesdienstliches Werk hielten, so ist es doch unleugbar, daß sie sich mit allem Fleiß darauf geleget, wie allein aus der grossen Menge von Schriftörtern zu schliessen, darinn auf diese Lebensart gezielet wird, und die wir unseren Lesern in gegenwärtiger Schrift vorzulegen beflissen sind.” H. C. Paulsen, Zuverlässige Nachrichten vom Ackerbau der Morgenländer, zur Erläuterung einiger Schriftstellen, aus Morgenländischen Reisebeschreibungen gesammlet (Helmstaedt, 1748), 16.

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old grass vanishes and fresh green appears, and herbs of the mountains will be gathered / The lambs clothe you, the price of a field are the goats. / Goatsʼ milk will be enough for your food, for the food of your household, and the sustenance for your maidens

as “admonishment [to return to] patriarchal contentment with the simple income provided by animal husbandry, which maintained the shepherd from day to day.”²² By reading the Book of Proverbs as a series of exhortations to a biblical population plagued by laziness and a predilection for luxury, several generations of theologians imply that eighteenth- and nineteenth-century polemics about Jews and farming are nothing less than inspired proclamations from modern sages reiterating the biblical critique of something essentialized in ancient Israelites/modern German Jews. Herxheimer adopts many of the assumptions articulated by Hartmann and Umbreit – that agricultural work in its simplicity and physical rigor represents an ideal form of labor and that the farmer stands as a metonym for the ideal civil subject – only he inverts the discourse by reading the Bible as evidence that Jews were the original and most virtuous farmers. Herxheimer reads Prov 27:25 – the same passage which Umbreit interpreted as a call to contentment with simplicity – as Divine approbation of the ideal Jewish farmer. Herxheimer’s homiletical interpretation reads: “What lofty advantages farming has over so many other types of professions! Living and working in the lap of nature bestows the most manifold stimulation of the intellect and worship of God, [proffering] contentment and sustenance, [stirring] the heart to noble joy, and [arousing] the esteem of one’s fellow citizens!”²³ In contrast to Umbreit’s indolent biblical audience who required admonishment, Herxheimer’s biblical figures stand as exemplars of the virtues of farming. Indeed, Herxheimer’s biblical farmers model characteristics that directly answer to four common nineteenth-century anti-Jewish tropes: instead of fixating on accruing material wealth, Herxheimer’s farmers live a life focused on the intellect and worship of the Divine; rather than being driven by an agitated passion for luxury, their days are suffused with contentment with simplicity; instead of reveling in the base pleasure associated with commercial activity, these biblical agriculturalists enjoy a quiet, noble joy; and rather than incurring the envy or hatred provoked by usurious dealings, these righteous farmers enjoy the esteem of their compatriots. In his homiletical commentary to 1 Sam 11:5,²⁴ “[a]nd see, Saul came following the oxen from out of the field,” Herxheimer re-presents his image of the pow-

 Umbreit, Sprüche Salomo’s, 375.  Herxheimer, ‫תורה נביאים כתובים‬. Vol. 4, 265.  Herxheimer, ‫תורה נביאים כתובים‬. Vol. 2/1, 230.

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erful, righteous biblical farmer and adds a fifth retort to anti-Jewish tropes. Noting that a multitude of biblical figures had labored as farmers before being called as judges, kings, and prophets, Herxheimer declares that agricultural work had “strengthen[ed] [their] mind and arm for the Fatherland”.²⁵ Since German theologians and politicians from Michaelis to Hartmann had cited laws regulating Sabbath observance to doubly criticize Jews’ inability to contribute to the national economy as well as Jews’ purported unwillingness to serve in the military, Herxheimer here establishes the patriotism of the Jewish farmer-cum-statesman. Herxheimer highlights the numerous Jewish farmers named throughout Scripture, details how farming had encouraged Jews to cultivate noble moral virtues, and repeatedly suggests that agriculture remains an exemplary professional choice for modern German Jews. Herxheimer’s homiletical readings of scriptural references to biblical farmers recast Dohm’s predictions about the virtuous effects of farming on the Jewish character as a long-fulfilled biblical reality and his commentary offers an aphoristic rebuttal to Hartmann’s most cutting critiques. Through his careful hermeneutic, Herxheimer generated new tropes characterizing ancient Jews as strong, contented, wise farmers. In raising the profile of these righteous biblical agriculturalists, Herxheimer implies that many Protestant exegetes have not only misunderstood the majority of contemporary Jewry, but have radically misread the Bible and allowed bias to blind them to the original meanings of Scripture.

2 Ludwig Philippson Ludwig Philippson’s (1811– 1889) commentary followed immediately on the heels of Herxheimer’s (1839 – 1854, 21858, 31862– 1863). Philippson, too, reads Scripture on multiple levels including a plain sense and a philosophical sense. Philippson’s plain sense commentary, like Herxheimer’s, focuses on rendering foreign philological and historical details accessible and interesting to a nineteenth-century readership, though Philippson’s commentary is more technical and considerably lengthier than Herxheimer’s. Philippson argues that his plain sense commentary confirms the chronological and authorial claims made by the biblical text, reflecting the so-called “outer unity” of Scripture. Philippson’s demonstra “The dignity of farming is often demonstrated to us in Scripture, in which Scripture tells how men were called away from their ploughs in order to stand at the head of Israel as judges, kings, and prophets (Gideon, Saul, Elisha). Since this position is difficult, it strengthens the mind and arm for the Fatherland and provides noble joy in nature and an independent life.” Herxheimer, ‫תורה נביאים כתובים‬. Vol. 2/1, 230.

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tion of the Bible’s “outer unity” is intended to counter contemporary arguments for the multiple authorship and post-exilic dating of various biblical books. Complementing his plain sense readings, Philippson’s philosophical exegesis reads the Bible as the expression of the early development of the Religious Idea in history. The Religious Idea, a collection of truths about God, man, the world, and their interrelationships, unfolds through four stages – Mosaism, Prophetism, Talmudism/Rabbinism, and a return to Mosaism – and the biblical text records the Religious Idea’s development through the first three stages.²⁶ Philippson understands his Idealist hermeneutic to evince the “inner unity” of Scripture and he draws on Hegelian concepts to offer an alternate historiosophy to the supersessionist Hegelian biblical scholarship of Wilhelm Vatke (1806 – 1882) and Bruno Bauer (1809 – 1882). Where Herxheimer turns scriptural references to agriculture into recommendations for nineteenth-century German-Jewish professional choices, Philippson reads biblical mention of agriculture as an inflection point in Israel’s historiosophy. In his commentary on Gen 3:17, “cursed will be the soil on your behalf; with discomfort will you eat from it all the days of your life”, Philippson writes: “The development and consequent complexity of human society emanates from the difficulties of satisfying physical needs. […] Here we are witnessing the genuine development of societal relationships. Instead of the earlier fruit off the trees, now farming must be commenced in order to satisfy [the material needs] of humanity.”²⁷ Expulsion from Eden forced the first generation of humans to work as farmers in order to satisfy their hunger, and their physical needs gave rise to the development of various professions which evinced a growing complexity in humanity’s social organization. When Scripture notes in Gen 4:2 that “Abel was a shepherd, but Cain was a farmer,” Philippson reiterates that “the differentiation of professions” indicates “the evolution of society.”²⁸ In his General Introduction to the Scriptures Philippson explains the various ways in which the emergence of agriculture prompted social evolution: with the rise of agriculture, humans newly grasped the notion of personal property, produced a new variety of goods which initiated an exchange economy, replaced a nomadic existence with a sedentary lifestyle which gave rise to the development of cities, and sustained a proliferating population which eventually evolved into increasingly di-

 Philippson adumbrates these ideas in his “Allgemeine Einleitung zur heiligen Schrift,” in Die israelitische Bibel. Vol. 4 (Leipzig, 1854), xi-xliv. He details his philosophy of history in his published collection of lectures: Die Entwickelung der religiösen Idee im Judenthume, Christenthume und Islam (Leipzig, 1847, 21874).  Ludwig Philippson, Die israelitische Bibel. Vol. 1 (Leipzig, 1844), 18.  Philippson, Die israelitische Bibel, 20.

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verse social groups which were ultimately organized into differentiated countries.²⁹ In tying the emergence of agriculture to the development of society, Philippson echoes a contemporary, the Hegelian biblical theologian Vatke, who had been recently ousted from his position at the University of Berlin for the critical hermeneutic developed in his Die Biblische Theologie wissenschaftlich dargestellt (1835), which reads the Bible as an expression of the evolution of the Idea of Religion (specifically, “Old Testament Religion”), through history.³⁰ In his Biblical Theology, Vatke argues that the establishment of Israelite farmers marked the emergence of an Israelite civil society and the formation of the foundations of a state. According to Vatke, an agricultural society presupposes the emergence of the notion of property, which then gives rise to cognition of the multiple concepts which follow from this concept, including inheritance law and the broader structures of civil law.³¹ As Philippson echoes, Vatke understands early biblical references to agricultural activity to indicate the stirrings of an emergent civil society and the embryonic formation of a state. According to Vatke, the emergence of Israelite agriculture indicates not only social evolution, but also intellectual and religious development. Vatke characterizes the development of farming as a move from “barbarous nomads” to “an agricultural Culturvolk”.³² He writes that when the Israelites abandoned a nomadic lifestyle, “the mind (Sinn) of the [Israelite] people was channeled to the milder and more ethical form of agricultural life,”³³ and that, “as a consequence of agriculture and a sedentary life,” the Israelites formed “more orderly legal and ethical relationships.”³⁴ Vatke reads the emergence of Israelite agriculture as evidence that Israel has evolved from an unequivocally inferior stage to an unequivocally superior stage of social organization and religio-moral con-

 See Ludwig Philippson, “General Introduction,” in id., Israelitische Bibel. Vol. 4, xxxvii.  See Vatke, Biblische Theologie, 215. John Rogerson, citing Michael Brömse: Studien zur “Biblischen Theologie” Wilhelm Vatkes (Diss., Kiel, 1973), writes that Vatke submitted his Biblical Theology in hopes of securing a full professorship; by the time the book appeared, however, the dynamics of Berlin’s theological faculty had dramatically shifted: Schleiermacher had passed away and the conservative Hengstenberg had become the dominant influence. According to Rogerson, “Hengstenberg was able to see to it that Vatke was never offered a full professorship, while warnings from the Minister of State responsible for universities, von Altenstein, saw to it that the Biblical Theology was never completed.” John Rogerson, Old Testament Criticism in the Nineteenth Century: England and Germany (London, 1984), 69.  See Vatke, Biblische Theologie, 215.  Vatke, Biblische Theologie, 184.  Vatke, Biblische Theologie, 215.  Vatke, Biblische Theologie, 215.

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sciousness,³⁵ echoing Dohm’s, Hartmann’s, and Herxheimer’s correlation of professional with intellectual and moral development. Philippson, in contrast to Vatke, understands the emergence of agriculture to introduce negative elements into society which provide the dialectic necessary for spurring society’s moral development. In his commentary to the Cain story, Philippson contends that the differentiation of professions which fueled the development of society was driven in part by “the birth of envy and enmity,” and he argues that just as “bodily desires drove the development of consciousness (Bewußtsein)” in the story of Adam and Eve, the Cain narrative reveals how the physical appetite for material gain propels society to “unfurl the total power of conscience (Gewissen).”³⁶ Evincing the Neoplatonic strands that shape Philippson’s philosophy of history, Philippson reads the Cain narrative, like the Adam and Eve narrative, as moments when the work of transcending material desire spurs Israel’s religio-moral development. If Vatke reads the emergence of agriculture as evidence of an already attained stage of religious and ethical consciousness, Philippson understands the emergence of agriculture to initiate movement toward a higher stage of consciousness.³⁷ This distinction is accounted for by the radical differences in their Idealist historiosophies: whereas Vatke theorizes the development of Religion as a supersessionist unfolding, Philippson understands the Religious Idea to originally manifest itself in the developmental apex of Mosaism. Even as Vatke and Philippson agree that biblical references to the emergence of agriculture induced movement toward the eventual emergence of a state, they dated this developmental moment to wholly disparate eras. According to Vatke,

 Vatke variously refers to national consciousness (Volksbewußtsein), religio-moral consciousness (religiös-sittliches Bewußtsein), or religious consciousness (religiöses Bewußtsein).  Philippson, Die israelitische Bibel. Vol. 1, 20.  Philippson confirms the dialectical nature of social evolution in his commentary to Gen 4:17, where the biblical narrative turns from recounting Cain’s murder of Abel to an account of Cain’s descendants and their achievements. To these verses, Philippson writes: “Just as the story of Cain has the primary aim of tracing the first development of society, so too did it disclose the outcomes [of this development]. It is noteworthy that all of the following inventions are tied to this agricultural tribe, in whom such a deep perception rested; indeed, the bloody tribe of Cain foreshadowed that the products of culture have cost the greatest battles and the bloodiest sacrifices of mankind.” Philippson, Die israelitische Bibel. Vol. 1, 23. The development of culture – alluded to in the development of music and handcrafts – hardly indicates, pace Vatke, a necessarily higher stage of moral consciousness. Philippson further details the dynamics of this dialectic: “For the more the agriculturalists were steeped in material satisfaction and success, the more the shepherd tribe developed religio-spirituality.” Philippson, Die israelitische Bibel. Vol. 1, 23.

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the Israelites turned from their “raider-life” as nomads and hunters to sedentary agricultural life during the period of the Judges. Vatke dates this moment to the post-Mosaic era since he argues that at the time of Moses, Israelites had not reached the stage of civil or moral development presupposed by the emergence of an agricultural society.³⁸ Combining this evolutionary perspective with Michaelis’ argument in his Mosaisches Recht (1770 – 1775) that much Pentateuchal legislation presupposes an agricultural society,³⁹ Vatke concludes that Moses could not have composed the Torah and that most legislative portions of the Torah were from a later historical period.⁴⁰ By framing the Bible as a record of the Idea of Religion unfolding from lower to higher stages of consciousness over the passage of time, Vatke is constrained to read historically anterior portions of the Bible as records of inferior stages of consciousness. In this scheme, and with his attachment to agriculture as evidence of a later stage of cultural, social, and moral development, Vatke’s commitments demand dating the emergence of agriculture to the post-Mosaic era. Philippson’s commentary is a radical rejection of Vatke’s supersessionist historiosophical schema. On the most fundamental level, Philippson rejects the common interpretation of the Mosaic era as the most rudimentary stage of consciousness, frequently depicted as an era beset by either rampant pantheism or rigorous legalism. Philippson argues that Mosaism represents the ideal state of unity between Idea and Life, the apex of the realization of the Religious Idea and the stage of development to which history continues to aspire. In order for Mosaism to represent the ideal structures of society, Philippson needs agriculture and its attendant social consequences to pre-date the Mosaic era, and indeed, he terms Gen 1– 11 as “The Pre-History of Mankind”.⁴¹ Philippson’s reconfiguration of Mosaism offers a radically new historiosophy, in which the unfolding of the Religious Idea in history does not proceed from a lower to a higher stage of consciousness but instead emerges first in the perfect state of Mo-

 Vatke argues that earlier allusions to farming Israelites referred to the agricultural labor they were compelled to perform under the Egyptians and the subsistence farming they endured as nomads, not to the systematic development of agriculture that emerged at the time of the Judges. See Vatke, Biblische Theologie, 213.  See Johann David Michaelis, Mosaisches Recht. 6 volumes (Frankfurt am Main, 1770 – 1775), sect. 38 – 44. A glance at the titles of these sections, including The Old Lifestyle of Bandits Abrogated by Agriculture (41) and The Entire Mosaic State is Grounded upon Agriculture (41), indicates the extensive influence Michaelis’ work wrought on Vatke’s scholarship.  See Vatke, Biblische Theologie, 213 – 215.  Ludwig Philippson, “Contents,” in id., Die israelitische Bibel. Vol. 1, front matter (unpaginated).

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saism, degenerates through the eras of Prophetism and Talmudism/Rabbinism, before ultimately returning to a modified version of Mosaism. By arguing that Israelite agriculture developed in the pre-Mosaic era, Philippson defends Mosaic authorship of the Torah and its pre-exilic dating, even as he simultaneously reconfigures Mosaism as an era of uniquely mature religious consciousness. By placing these arguments in a popular biblical commentary, Philippson mediates Hegelian philosophy for a middlebrow audience and offers a public response to a highly technical scholarly monograph. Even if few lay readers of Philippson’s commentary would be familiar with Vatke’s Biblical Theology, still Philippson offers his readers counter-arguments to the most threatening elements of Vatke’s argument, namely the post-exilic dating of the Torah, the rejection of Mosaic authorship, and a supersessionist biblical historiosophy. Whereas Herxheimer echoes calls for German Jews to evince their righteousness, productivity, and patriotism by retraining as farmers, Philippson reads biblical passages that reference agriculture as moments manifesting the development of the Religious Idea. In doing so, Philippson transfers the image of the Jewish farmer from Herxheimer’s moral discourse and reorients it in the realm of political history, implying that historiosophical consciousness rather than attunement to bourgeois habitus offers the appropriate lens through which to discern the meaning of the biblical text.

3 Conclusion Both Herxheimer and Philippson repeatedly and proudly presented their commentaries as wissenschaftliche interpretations of the Bible and they understood the scholarly texture of their commentaries to extend to each of the multiple levels upon which they read Scripture. By casting their interpretations as the fruits of scholarship, they conferred upon their readings a sense of objectivity, thus elevating their contributions to contemporary debates about the political, moral, and historical significance of biblical/Jewish farmers from personal opinion to the impartial results of scholarly exegesis. Articulating their views of Jewish agriculture from within the genre of biblical commentary extended a double measure of authority to their views. Both Herxheimer and Philippson presented their interpretations as the unmediated meaning of Scripture itself; Herxheimer makes this even more clear by prefacing his interpretations with phrases like “Scripture says.” If claims to scholarly objectivity shrouded the polemical nature of Herxheimer’s and Philippson’s views on Jewish farming, then embedding such opinions in the language of Scripture doubly dissociated the exegete from their interpretations.

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By transposing a debate that was so obviously shaped by the idiosyncratic dynamics of its nineteenth-century German context into the language of Scripture, Herxheimer and Philippson offered historically-sensitive responses to German Jews who understood the Bible to speak to the concerns of every age. In doing so, they demonstrated the continued relevance of the Bible to the exigencies of modern Jewish life – a concern that animated both exegetes. At the same time, however, by reading a context-specific debate into the words of the Bible, they risked calling Scripture’s prescience into question: if, like Herxheimer, one understands Scripture to recommend German Jews to retrain as farmers, how does one reconcile such recommendations with the total failure of German Jewish professional reform? Unsurprisingly, efforts to inaugurate a new class of German Jewish farmers were unsuccessful. The number of German Jewish farmers – very small to begin with – dwindled between 1830 and 1860 and agriculture offered Jews neither a stable professional track nor a pathway to civil emancipation.⁴² Herxheimer did not concern himself with offering an exegetical response to the changed conditions of industrializing German lands. Despite the failure of the German Jewish agricultural projects of the early and mid-nineteenth century, calls to retrain German Jews as farmers re-surfaced in late-nineteenth century Zionist discourses and again in 1930s Nazi Germany and both of these iterations were shaped by the exegetical reasoning analyzed here. Tracing political debates through their expression in exegesis may lead historians to old, subterranean discourses which have subtly if deeply shaped professional and public opinion for long decades before legislation, political articles, or historical or philosophical scholarship influenced by this exegesis emerge. The eighteenth and nineteenth centuries witnessed a close alliance between biblical scholarship and political developments, and reorienting biblical exegesis as a genre native to intellectual history allows historians to recognize a political debate’s deeper roots and multiple polemical layers which often become obscured when the early exegetical context remains unconsidered.

 See Monika Richarz, “Emancipation and Continuity: German Jews in the Rural Economy,” in Revolution and Evolution: 1848 in German-Jewish History, eds. Werner E. Mosse, Arnold Pauker, and Reinhard Rürup (Tübingen, 1981), 95 – 116; and Avraham Barkai, “The German Jews at the Start of Industrialization: Structural Change and Mobility 1835 – 1860,” in Revolution and Evolution: 1848 in German-Jewish History, eds. Werner E. Mosse, Arnold Pauker, and Reinhard Rürup (Tübingen, 1981), 131.

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Scripture and Separatism Politics and the Bible Translations of Ludwig Philippson and Samson Raphael Hirsch Moses Mendelssohn’s Sefer Netivot Hashalom and Buber and Rosenzweig’s Die Schrift can be considered bookends of modern German Judaism. In the century and a half between these two landmark Bible translations, German Jews produced at least fifteen different translations.¹ Protestantism is a crucial context for understanding the proliferation of these translations. While prior to the Reformation Christians and Jews had translated the Hebrew Bible into several languages, Thomas Sheehan notes that Luther’s sixteenth-century translation of Scripture sparked an “explosion of [Bible] translations across Protestant Europe”. Sheehan explains the link between translation and the Reformation by observing that “translating afresh would release the Bible from the grip of the Catholic Church and at the same time, allow reformers and their universal priest-

 See Abigail Gillman, “The Jewish Quest for a German Bible: The Nineteenth-Century Translations of Joseph Johlson and Leopold Zunz,” in Society of Biblical Literature Forum 7.5 (Summer 2009); and Hermann L. Goldschmidt, The Legacy of German-Jewry (New York, 2007), 182– 193. In addition to Mendelssohn’s work, there were German-Jewish Bible translations by Joseph Johlson (‫תורה נביאים וכתובים‬/ Die heiligen Schriften der Israeliten: nach dem masoretischen Texte neu übersetzt, Frankfurt, 1831– 1836); Gotthold Salomon (‫ תורה נבאים כתובים‬Deutsche Volks und Schul-Bibel fü r Israeliten, Altona, 1837); Leopold Zunz (‫ תורה נביאים כתובים‬Die vier und zwangzig Bü cher der heiligen Schrift, Berlin, 1838); Salomon Herxheimer (‫תורה נבאים כתובים‬/ Die vier und zwanzig Bü cher der Bibel, Berlin, 1840 – 1848); Jonah Kosmann ( ‫תרגומא דבי רב‬/ Eine deutsche Uebersetzung vom Pentateuch Königsberg, 1847– 1852); Ludwig Philippson (‫מקרא תורה נביאים וכתובים‬/ Die Israelitische Bibel, Leipzig, 1841– 1854); Samson Raphael Hirsch ( ‫חמשה חומשי תורה‬/ Der Pentateuch ü bersetzt und erläutert, Frankfurt, 1867– 1878); Seligmann Bamberger, Abraham Adler, Marcus Lehmann (‫חמשה חומשי תורה‬/ Uebersetzung der fü nf Bü cher Moses, Frankfurt, 1873); Julius Fü rst, (‫ספרי קודש‬/ Illustrirte Pracht-Bibel für Israeliten, Leipzig, 1874); Joseph Wohlgemuth and Abraham Bleichrode, (‫חמשה חומשי תורה‬/ Die fü nf Bü cher Moses mit deutscher Übersetzung, Rodelheim, 1899); Simon Bernfeld (‫תורה נביאים וכתובים‬/ Die heilige Schrift: nach dem masoretischen Text neu ü bersetzt und erklärt, Frankfurt,1903); Lazarus Goldschmidt (Die heiligen Bücher des alten Bundes, 1921– 1925); Harry Torcyner (Tur-Sinai) (‫ מקרא ותרגומו‬Die heilige Schrift, Frankfurt, 1935); and Martin Buber and Franz Rosenzweig, (Die Schrift, Berlin, 1925 – 1962). This list includes editions comprising at least a complete translation of the Pentateuch. In addition, many translations of individual biblical books appeared. https://doi.org/10.1515/9783110551631-006

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hood of believers to take possession of the Bible and make it once more the divine foundation of their own religious institutions.”² Two things stand out when considering German-Jewish Bible translations. First, Jews did not begin translating the Bible into High German until two and a half centuries after Luther. Second, in the period in which they translated, German Jews produced more Bible translations than German Protestants.³ This, despite the fact that by 1900 Jews constituted a mere one percent of the German population. The rise of German Jewish Bible translation is directly related to the decline of Jewish communal authority and the increasing civil opportunities for German Jews. The lives of pre-modern German Jews were shaped by the kehillah, a communal structure in which traditional religious laws, customs, and concepts played a formative role. The kehillah administered education, taxed members, and had courts that adjudicated civil matters according to halakhah. Those who deviated from halakhic norms, whether civil or ritual, could be punished. Non-Jewish governments recognized the kehillah’s coercive authority over its members.⁴ By the end of the eighteenth century, the kehillah’s authority was gradually eroding as enlightened rulers, seeking to extend their powers over all elements of society, diminished many of its prerogatives. These included the power of its courts to adjudicate civil matters according to halakhah and its right to exact punishment for deviance from halakhah. Governmental authorities increasingly

 Jonathan Sheehan, The Enlightenment Bible: Translation, Scholarship, Culture (Princeton, NJ, 2005), 4.  In the same period that German Jews produced fifteen different translations between Mendelssohn and Buber-Rosenzweig, German Protestants produced only ten. These were Johann David Michaelis, Übersetzung des Alten Testaments (Göttingen, 1769 – 1785); Johann Heinrich Moldenhower, Übersetzung und Erläuterung der heiligen Bücher Alten Testaments (Quedlinburg, 1774– 1787); Johann Wilhelm Hezel’s Die Bibel alten und Neuen Testaments, mit vollständig erklärenden Anmerkungen (Lemgo, 1780 – 1791); Johann Christian Augusti’s and Wilhelm Martin De Wette’s Die Heilige Schriften des Alten und Neuen Testaments (Heidelberg, 1809 – 1814); Christian Bunsen’s Vollständiges Bibelwerke fü r die Gemeinde (Leipzig, 1858 – 1870); J. A. von Poseck’s, Carl Brockhaus’ and John Darby’s Die Heilige Schrift. Erster Teil genannt Altes Testament (Elberfeld, 1855); Eduard Reuss’s Die Bü cher der Bibel (Braunschweig, 1892– 1923); Emil Kautzsch’s Textbibel. Das Alte Testament (Freiburg: 1894); Franz Schlachter’s MiniaturBibel (Bonn, 1913) and Hermann Menge’s Die Heilige Schrift (Stuttgart, 1926).  See Jacob Katz, Tradition and Crisis: Jewish Society at the End of the Middle Ages (Syracuse, 2000), 1– 180. To be sure, this is a general picture of things. The reality was more messy and complex. For a recent discussion of the structure of the kehillah, see Elisheva Carlebach, “La communauté juive et ses institutions au début de l’époque moderne,” in Aux Origines Du Judaïsme, eds. Julien Darmon and Jean Baumgarten (Paris, 2012), 358 – 389.

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intervened in Jewish education requiring secular studies. The kehillah’s authority was also being eroded by internal disputes, and the increasing tendency, especially among the wealthy, to flout communal authority.⁵ As the kehillah’s authority weakened and opportunities for civil integration increased, Jews were confronted with several conflicts: between halakhic obligation and the modern valuing of individual freedom; between the traditional idea of Jewish election and the modern ideal of political equality; between integrating into German society and culture and remaining loyal to Jewish tradition; between devoting oneself to traditional Jewish learning or to secular study; between their legal responsibilities as Germans and as Jews. German Jews used Bible translation as a means of grounding competing visions of Jewish modernity. Maskilim, Wissenschaft des Judentums scholars, Reformers, Orthodox, and Jewish Renaissance thinkers all produced Bible translations that affirmed their visions of Judaism and challenged competing ones. In this paper, I will focus on two seminal translations: Ludwig Philippson’s 1844– 1854 translation of the entire Hebrew Bible⁶ and Samson Raphael Hirsch’s 1867– 1878 translation of the Pentateuch. The paper will be divided into two sections. In the first section, I argue that the Philippson and Hirsch Bibles embody radically different responses to German-Jewish communal fracture. While Philippson aims to heal communal divisions by producing a Bible to unify Orthodox and Reform Jews, Hirsch aims to solidify the convictions of Orthodox Jews by producing an unapologetically sectarian Bible. In the second section, I will argue that the different aims of the Philippson and Hirsch Bibles are reflected in their opposing positions on the “Secession Controversy” that rocked German Jewry towards the end of the nineteenth century. While Philippson denied that Jews have the right to secede from the official Jewish community while retaining their status as Jews, Hirsch saw secession as a basic human right. By showing that the aims of the Philippson and Hirsch Bibles are reflected in their authors’ opposing stances on the right of secession, I show how politics and Bible translation intersect.

 Major internal Jewish disputes that eroded the authority of the kehillah include the rise of Hasidism and Haskalah, and the controversy between Jacob Emden and Jonathan Eibeschütz over the latter’s alleged Sabbateanism. See Katz, Tradition and Crisis, 181– 236; Michael Meyer, Response to Modernity: A History of the Reform Movement in Judaism (New York, 1988), 10 – 13 and Carlebach, “La communauté,” 365 – 366, 387– 389.  On the Bible translation of Ludwig Philippson see also the articles by Rüdiger Liwak and Alexandra Zirkle in the current volume.

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1 The Philippson and Hirsch Bibles⁷ Ludwig Philippson was one of the most effective nineteenth-century German Reform leaders. Rabbi of a congregation in Magdeburg, in 1837 he founded the Allgemeine Zeitung des Judenthums which became the most widely read German Jewish newspaper of the time. Philippson was an activist for Jewish emancipation and wrote historical novels aimed at Jewish communal edification. In 1836, Philippson decided to produce a complete German Jewish translation and commentary on all twenty-four books of the Bible as none existed at the time.⁸ He published Die Israelitische Bibel in successive installments from 1839 through 1854. In 1858, he published a second edition of his Bible in three large volumes. A year later, he issued a call in his newspaper to create an Israelitischen Bibelanstalt to finance a new edition of his Bible to counter missionary Bibles he worried were infiltrating the Jewish community.⁹ While Philippson is typically described as a “moderate Reformer”,¹⁰ he sought to speak to the entire Jewish community. His Allgemeine Zeitung was subtitled Ein unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse. ¹¹ In an imaginary dialogue in which he was asked whether he was Orthodox or Reform, Philippson replied, “Neither! I am an Historical Jew.”¹² He sought to have his Bible translation accepted in all Jewish homes, describing it as “an estimable gift for all confessions.”¹³ Philippson aimed to create a new consensus among German Jews that would bridge the gap between Reform and Orthodoxy. This was expressed by his titling his work Die Israelitische Bibel. Philippson’s integrationist sensibility was also reflected in his exegetical methodology. He adopted a historical approach to the Bible but for conservative  This section draws on, and extends, Michah Gottlieb, “Oral Letter and Written Trace: Samson Raphael Hirsch’s Defense of the Bible and Talmud,” in Jewish Quarterly Review 106, no. 3 (Summer 2016): 316 – 351.  See Philippsons’s 1877 Overview of Biblical Works translated in Norton David Shargel, Ludwig Philippson: The Rabbi as Journalist; an Anthology of His Writings with an Introductory Essay (New York, 1990), 271.  See Shargel, Ludwig Philippson, 273 and Klaus Hermann, “Translating Cultures and Texts in Reform Judaism: The Philippson Bible,” in Jewish Studies Quarterly 14, no. 2 (2007): 164– 197, here 173 – 175. Hermann quotes part of the appeal.  See Meyer, Response to Modernity, 108.  See Shargel, Ludwig Philippson, 33 – 34.  See Ludwig Philippson, “Ein Glaubensbekenntnis,” in Allgemeine Zeitung des Judenthums (AZJ) 19 (1855): 1, cited in Shargel, Ludwig Philippson, 32– 33.  See Israelitischen Bibelanstalt, “Zur Herstellung und Verbreitung wohlfeiler Bibeln,” Advertisement, AZJ 10 (1846): 692, cited in Hermann, “Translating Cultures,” 174.

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ends. Philippson defended the accuracy of biblical history, geography, and chronology¹⁴ as well as Mosaic authorship of the Pentateuch, criticizing Bible criticism as “hypothesis-hunting” leading to “bottomless confusion”¹⁵ (bodenlose Verwirrung). Yet Philippson ultimately conceded that the Pentateuch was not entirely Mosaic, but also contained later glosses.¹⁶ Philippson’s conciliatory approach was also evident in his treatment of rabbinic interpretation. He frequently cited rabbinic and medieval Jewish commentaries approvingly, but nevertheless did not feel bound to accept rabbinic legal interpretations of the Bible if he felt that they violated the plain, historical meaning of the text. For example, the Sifre (as codified by Maimonides) interprets Ex 21:6 to mean that only a male Hebrew slave could extend his slavery past the seventh year. But Philippson interpreted the verse to mean that even a female Hebrew slave could do so.¹⁷ Philippson’s endeavor to produce a Bible that could appeal to all Jewish denominations was an enormous success. Kayserling reports that it enjoyed prodigious sales and one hundred and seventy rabbis endorsed it including many of a “strictly conservative bent.”¹⁸ But Philippson’s Bible also provoked harsh Orthodox opposition. In 1860, an anonymous pamphlet titled Fackel der Wahrheit appeared. Subtitled “A critical examination of Philippson’s Bible by an Orthodox friend of the

 For example, Philippson wrote that “the dishes that the Israelites craved in the wilderness [upon leaving Egypt] were the same food as the local Arab Fellah eat who live there today.” Ludwig Philippson, Die Israelitische Bibel: Enthaltend den Heiligen Urtext, Die Deutsche Uebertragung, Die Allgemeine, Ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten, vol. 3 (Leipzig, 1858), xii. Like many nineteenth-century Bible scholars, Philippson believed that “Oriental” and “Asiatic” cultures remained largely frozen in time. While dramatic changes such as the adoption of Islam had occasionally occurred, according to Philippson “Oriental” culture did not undergo major changes in their habits and mores. See Ludwig Philippson, The Development of the Religious Idea in Judaism, Christianity and Mohamedanism (London, 1855), 168, 224. For some other German Bible scholars who held similar views of Oriental peoples, see Jonathan Hess, Germans, Jews and the Claims of Modernity (New Haven and London, 2002), 51– 52, 58 – 79.  See Ludwig Philippson, “Ein Brief an M. G. in L.” AZJ 42 (1878): 770, cited by Meyer Kayserling, Ludwig Philippson: eine Biographie (Leipzig, 1898), 70.  Philippson, Israelitische Bibel, xxiv–xxv, note. Philippson mentions as late glosses, Gen 36:31– 43, Gen 46:8 – 27, Ex 6:10 – 7:7, Num 21:14– 20, 27– 30.  Philippson draws on Deut 15:12– 17 to support his interpretation. See Philippson, Israelitische Bibel, 424. See Sifre Deuteronomy, 122 on 15:17; and Maimonides: Mishneh Torah, Laws of Slaves, 3:13. On this point, see Seligmann Bamberger, Fackel der Wahrheit: eine kritische Beleuchtung des Philippson’schen Bibelwerkes von einem Orthodoxen Bibelfreunde (Würzburg, 1860), 9 – 10.  Kayserling, Ludwig Philippson, 264.

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Bible”, its author was the Orthodox Rabbi of Würzburg, Seligmann Bamberger. Bamberger begins by recording a question he was posed: “Can an Orthodox man […] read the Philippson Bible?”¹⁹ Bamberger’s answer is an unequivocal no. He then details several reasons why an Orthodox Jew should not read the Philippson Bible.²⁰ These include that Philippson interprets the Bible in ways that contradict accepted rabbinic legal interpretations; that Philippson sometimes misunderstands rabbinic teachings such as claiming that the Rabbis interpret the fact that the Bible states in three places not to boil a kid in its mother’s milk²¹ as including the prohibition of boiling chicken in milk whereas the Talmud makes clear that the prohibition of mixing chicken with milk is rabbinic, not biblical;²² and that Philippson accepts that certain passages in the Pentateuch are glosses added after the time of Moses.²³ In the wake of Bamberger’s pamphlet as well as other Orthodox objections,²⁴ Rabbi Wolf Feilchenfeld, with the strong backing of Rabbi Esriel Hildesheimer, sought to produce a new edition of the Bible with German translation and commentary that would be fully faithful to rabbinic tradition, and thus acceptable to Orthodox Jews. To this end, an Orthodoxe Israelitische Bibelanstalt headed by rabbis Jacob Ettlinger, Seligmann Bamberger, Esriel Hildesheimer, and Marcus Lehmann, was created to rival Philippson’s Israelitische Bibelanstalt. ²⁵ The aim was to publish “a new translation that would morally recommend our side in the circles of Wissenschaft.”²⁶ In other words, these rabbis sought to create a new Bible that would defend Orthodoxy using the methods and discourse of the Wissenschaft des Judentums.

 Bamberger, Fackel der Wahrheit, 3.  See Bamberger, Fackel der Wahrheit, 4.  See Ex 23:18; 34:26 and Deut 14:21.  See bHul 113a and Bamberger, Fackel der Wahrheit, 10.  See Bamberger, Fackel der Wahrheit, 13 – 14. Bamberger also complains that Philippson “attributes weaknesses and faults to the sacred heroes, the pious patriarchs and matriarchs.” Bamberger, Fackel der Wahrheit, 8. Bamberger cites bShab 55b, which, commenting on the biblical account of Reuben laying with his father’s concubine Bilhah (Gen 35:22), states that “whoever claims that Reuben sinned is wholly mistaken” (my translation). The Talmud interprets the verse to mean that Reuben moved his father’s bed out of Bilhah’s tent into his mother Leah’s. I discuss this in greater detail in Gottlieb, “Oral Letter,” 344– 345.  A leaflet titled An die treuen Gläubigen Israels argued against the use of Philippson’s Bible in Orthodox synagogues and schools. Forty Orthodox rabbis signed it. I have been unable to locate a copy of this leaflet. See Kayserling, Ludwig Philippson, 266.  See Mordechai Breuer, Modernity within Tradition: The Social History of Orthodox Jewry in Imperial Germany (New York, 1992), 184– 185.  Cited in Breuer, Modernity within Tradition, 185 – 186.

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Hirsch was no doubt opposed to Philippson’s Bible and concerned about its penetrating Orthodox communities, but he pointedly did not support the Orthodoxe Israelitische Bibelanstalt. This was because Hirsch opposed using the historical methods of the Wissenschaft des Judentums to study biblical and rabbinic writings, even if these methods were deployed apologetically to defend Orthodoxy. In 1873, while Hirsch was in the midst of publishing his Bible, he warned the scholar and staunch defender of Orthodoxy David Zvi Hoffmann not to publish his dissertation Mar Samuel: The Life of a Talmudic Sage. Hirsch objected that Hoffmann’s use of academic methods had led him to positions irreconcilable with Orthodoxy, such as that the Mishnah and Talmud introduced new laws in response to changing historical circumstances and that certain halakhic decisions derived from Mar Samuel’s personality traits. But Hirsch was especially concerned that by citing the works of Wissenschaft des Judentums scholars who denied the divine origin of the oral law, Hoffmann was granting their research legitimacy.²⁷ Hoffmann was a leading figure in the Berlin branch of German Orthodoxy led by Hildesheimer, and Hirsch’s dispute with Hoffmann over whether Orthodoxy should engage with Wissenschaft des Judentums led to a break between Frankfurt and Berlin, which split German Orthodoxy.²⁸ Hirsch’s position on how best to respond to the Philippson Bible can be understood in light of his communal position. At the time of controversy, Hirsch was the rabbi of a small separatist congregation in Frankfurt. Frankfurt was a community whose board was controlled by Reformers, but in 1849 a small group of Orthodox Jews had formed an organization called the Israelitische Religions-Gesellschaft/Kahal Adath Jeschurun and established a separate congregation, though they remained members of the official Frankfurt Jewish community and paid taxes to it as mandated by law.²⁹ There was intense hostility between Reformers and the Orthodox in Frankfurt. As the communal institutions in Frankfurt were controlled by the Reformers, Hirsch saw himself as leading an embattled sectarian minority community.  See Breuer, Modernity within Tradition, 185 – 186. David Ellenson notes that Hoffmann’s approach to rabbinic literature “was clearly distinct from his efforts in the discipline of Bible.” David Ellenson, Rabbi Esriel Hildesheimer and the Creation of a Modern Jewish Orthodoxy (Tuscaloosa, 1990), 150 – 156. On the dispute between Hirsch and Hildesheimer more generally, see Ellenson, Rabbi Esriel Hildesheimer, 135 – 165 and Mordechai Breuer, “Three Orthodox Approaches to Wissenschaft,” in Jubilee Volume in Honor of Moreinu Ha-Gaon Rabbi Joseph Soloveitchik, ed. Shaul Israeli (Jerusalem, 1984), 856 – 865.  See Breuer, Modernity within Tradition, 186.  The best history of this congregation and Hirsch’s place within it remains Robert Liberles, Religious Conflict in Social Context: The Resurgence of Orthodox Judaism in Frankfurt am Main 1838 – 1877 (Westport, CT, 1985).

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Hirsch’s sectarian approach is reflected in the monthly that he founded to compete with Philippson’s newspaper. Whereas Phillipson titled his newspaper Allgemeine Zeitung des Judentums thereby signaling his desire to appeal to all Jewish factions, Hirsch titled his monthly Jeschurun: ein Monatsblatt zur Förderung jüdischen Geistes und jüdischen Lebens, in Haus, Gemeinde und Schule. In the prospectus to the first issue, Hirsch explained that he deliberately used the expressions “jüdischen Geistes” and “jüdischen Lebens” in the subtitle of the monthly, as its guiding principle was that the writings and institutions of rabbinic Judaism are the only legitimate sources for the existence and norms of Jews.³⁰ Hirsch made clear that central to the monthly would be defending the convictions of that group “which is usually designated with the name ‘Orthodox Judaism’”³¹ and that harsh polemics would be used to this end. The fact that Hirsch chose the title Jeschurun reflected that he saw himself as speaking for the views of his congregation whose Hebrew name was Kahal Adath Jeschurun, which he saw as embodying the only authentic form of Judaism. In 1867, thirteen years after he began publishing Jeschurun, Hirsch published the first volume of Der Pentateuch, his Pentateuch translation. There are good reasons to think that Hirsch saw Philippson’s Bible as having contributed to the popularization of an historical understanding of the Bible that undermined Orthodox principles and regarded his Pentateuch as an Orthodox alternative to it. Hirsch gave his Pentateuch the same German and Hebrew titles as Philippson’s both in German (Der Pentateuch) and in Hebrew (‫)חמשה חומשי תורה‬ while all other German-Jewish Pentateuchs of the time had different names.³² The format of Hirsch’s Pentateuch also directly mirrored Philippson’s. The traditional Mikra’ot Gedolot placed a translation in Hebrew letters opposite the original biblical text along with a Hebrew commentary below and Mendelssohn’s Pentateuch followed this format. The next generation of Pentateuchs by Josef Johlson, Gotthold Salomon, and Leopold Zunz only contained the German translation. But, Philippson’s Pentateuch contained a German translation in Gothic

 Samson Raphael Hirsch, “Prospectus,” Jeschurun 1 (October 1854): n. p.  Hirsch, “Prospectus,” n. p.  While Salomon, Johlson, Philippson, Herxheimer and Zunz all had general names for their Bibles which I mentioned above in note 2, they also gave specific names to the Pentateuch section of their translations. In German, Philippson’s and Salomon Herxheimer’s Pentateuchs were called Der Pentateuch. Mendelssohn’s had no German title, Joseph Johlson’s and Gotthold Salomon’s were called Die fünf Bücher Mose, and Zunz’s was called Die Lehre. In Hebrew, Philippson’s and Johlson’s Pentateuchs were called Ḥamishah Ḥumshe Torah. Mendelssohn’s was called Sefer Netivot Hashalom, Salomon’s was called Torah Tsiva Lanu Mosheh and Zunz’s and Herxheimer’s were simply called Torah.

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characters facing the Hebrew original with an extensive German commentary below interspersed with Hebrew script. Hirsch’s Pentateuch exhibited the exact same format. The only other German Jewish Bible at the time that had this format was Salomon Herxheimer’s. There are, however, good reasons to think that Hirsch was much more concerned about Philippson’s Bible than about Herxheimer’s.³³ In his Pentateuch Hirsch addressed many of the concerns about the Philippson Bible raised by Bamberger, arguing that rabbinic legal interpretation constituted the definitive interpretation of the Bible. To this end, Hirsch always translated biblical laws according to their accepted rabbinic interpretation. Hirsch also contended that the Pentateuch had been perfectly preserved exactly as it was received by Moses.³⁴ But unlike the efforts of the Orthodoxe Israelitische Bibelanstalt, Hirsch did not seek to defend Orthodoxy by engaging with Wissenschaft des Judentums. Instead, he sought to undercut Wissenschaft des Judentums through an original theory of the relation of the Oral Torah to the Written Torah. Hirsch argued that the Oral Torah was not the interpretation of the Written Torah as it had been traditionally understood. Rather, he claimed, the true Torah revealed by God word-for-word to Moses was the Oral Torah, while the Written Torah was merely fragmentary “notes” of this original revelation. Scholars such as Jay Harris have noted the completely novel and unprecedented nature of Hirsch’s theory and I have explored it elsewhere.³⁵ That an important aim of Hirsch’s Pentateuch was to oppose attempts by practitioners of Wissenschaft des Judentums to historicize the Bible and rabbinic literature was recognized almost immediately. The year that Hirsch’s edition of Genesis appeared, his son-in-law, Joseph Gugenheimer, published a series of essays on it. These essays appeared in Jeschurun, and presumably with Hirsch’s consent. Gugenheimer argued that Hirsch’s work on Genesis implicitly responded to Bible critics without engaging them directly by showing how interpreting the Pentateuch in light of the Oral Torah successfully resolved the textual problems that motivated Bible criticism.³⁶ According to Gugenheimer, Hirsch recog-

 Unlike Philippson, Herxheimer aimed at creating a cross-confessional Bible that would be used by Jews and Christians and he enjoyed some success in this. On the Bible translation and commentary of Salomon Herxheimer see also the articles by Klaus Herrmann and Alexandra Zirkle in the current volume.  See Gottlieb, “Oral Letter,” 335 – 339.  See Gottlieb, “Oral Letter,” 335 – 339.  Gugenheimer’s essay appeared in seven installments in Jeschurun. See Joseph Gugenheimer, “Die Hypothesen der Bibelkritik und der Commentar zur Genesis von Herrn Rabbiner S. R.

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nized that Bible scholarship does not proceed without presuppositions. Rather, it begins with the naturalistic assumption that the Pentateuch is a historical text created by human beings. As such, when it uncovers textual difficulties such as contradictions, repetitions, and inconsistencies, it explains these problems by positing that many authors composed and edited the Pentateuch over a long period of time. Orthodoxy, however, begins with an entirely different assumption, namely that God revealed the entire Torah, both Oral and Written and that the Torah is eternal and timeless. According to Gugenheimer, in his Pentateuch Hirsch sought to show how Orthodoxy was able to resolve the problems discerned by Bible critics on the basis of this assumption. By translating biblical laws according to their rabbinic interpretation and seeking to explain how the rabbinic interpretation was alluded to in the text, Gugenheimer argued that Hirsch’s goal was to strengthen Orthodox Jews in their conviction that all the laws of the Torah were expressions of God’s timeless, eternal will and hence fully binding. But, Gugenheimer noted, Hirsch did not aim to refute scholarly historical approaches to the Torah favored by Reformers. Instead, he sought to demonstrate that Orthodoxy and Reform depended on fundamentally irreconcilable premises about the Torah neither of which could be proven.³⁷ Gugenheimer explained that the reason that Hirsch did not use the methods of Wissenschaft des Judentums or engage with critical scholarship was that, given the naturalistic assumptions of Wissenschaft des Judentums, using these methods or engaging with this scholarship would involve conceding the revealed, eternal nature of the Torah. In light of Hirsch’s conviction that Reform and Orthodoxy rest on fundamentally different, unbridgeable assumptions, he did not imagine that his Pentateuch would hold any appeal for Reform Jews. Instead, he saw it as a sectarian Orthodox Pentateuch that depended on supernatural Orthodox assumptions about the Torah. But given Hirsch’s view that Reform also depended on assumptions about the Torah, albeit naturalistic ones, he regarded Philippson’s Bible as a sectarian Reform Bible. For Hirsch, Philippson would have been intellectually honest had he presented his Bible as a Reform Bibel rather than as an Israelitische Bibel.

Hirsch,” Jeschurun 13 (1866 – 1867): 293 – 313, 397– 409; Jeschurun 14 (1867– 1868): 1– 17, 173 – 190, 312– 324; Jeschurun 15 (1868 – 1869): 81– 100, 179 – 192.  See Gugenheimer, “Hypothesen,” 294.

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2 Philippson and Hirsch on the Right of Secession The conceptions of community underlying Hirsch’s and Philippson’s Bibles found political expression during the famous “Austrittsstreit”. In 1847, Prussia passed regulations making membership in the local Jewish community mandatory. The only way that a Jew could leave the community was to convert to Christianity.³⁸ But following the 1848 socialist revolutions, the complete separation between religion and state was discussed. Almost immediately, Philippson worried that such a separation would have deleterious effects on the Jewish community. He opined that the Jewish community could only avoid falling into “chaos and complete dissolution”³⁹ if the state continued to provide support for the character of its organization, by maintaining the requirement that Jews be members of their local Jewish communities. Following the Norddeutscher Bund in 1867, several Jews including Philippson worked to establish a national German Jewish organization, and in 1872 the Deutsch-Israelitischer Gemeindebund was formally established.⁴⁰ But with the founding of the German empire and Bismarck’s attempt to consolidate German unity by waging a Kulturkampf against Catholicism, new impetuses for Jewish communal fragmentation emerged. In May 1873, the German Parliament passed an “Austrittsgesetz” (Secession Law), according to which a Catholic or Protestant could resign from their National Church without forfeiting his right to be considered Catholic or Protestant by the state.⁴¹ This law did not, however, extend to Jews. A Jew could now leave the Jewish community without becoming a Christian, but would still have to renounce his or her affiliation with Judaism.⁴² In a memorandum written for the Prussian parliament in response to the law’s proposal, Hirsch pleaded that Jews be accorded the same freedom as Prot See Salo Baron, “Freedom and Constraint in the Jewish Community: An Historic Episode,” in Essays and Studies in Memory of Linda R. Miller, ed. Israel Davidson (New York, 1938), 11– 12; and Jacob Katz, A House Divided: Orthodoxy and Schism in Nineteenth-Century Central European Jewry (Hanover, NH, 1998), 9.  See Ludwig Philippson, “Die Organisierung der jüdischen Religionsgemeinde,” AZJ 12 (1848): 337– 338 cited in Liberles, Religious Conflict, 266 (note 20). Also see Ludwig Philippson, “Die Auflösung der Gemeinden,” AZJ 12 (1848): 437– 438 cited in Liberles, Religious Conflict, 171.  See Liberles, Religious Conflict, 196 and Ismar Schorsch, Jewish Reactions to German AntiSemitism, 1870 – 1914, (New York, 1972), 24– 30.  See Katz, House Divided, 239 – 247.  See Katz, House Divided, 247.

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estants and Catholics. He understood that one reason Jews were not granted the right to secede was because the government believed that the religious differences between Orthodoxy and Reform were minimal. In his memorandum, Hirsch asserted that the gap between Orthodoxy and Reform was greater than that between “any of the existing Christian confessions.”⁴³ The division between Orthodoxy and Reform resulted from their opposing views of the origin and authority of the Torah. As Hirsch put it, “[…] there can be no greater confessional difference than that existing between Jews who accept the divinity and hence the eternal inviolability of Jewish religious law based on the Bible and Tradition and Jews who deny the divinity and inviolability of this law.”⁴⁴ For Hirsch, either the Torah is divine and eternal or it is human and subject to change. In a later article, Hirsch expressed the dichotomy between Orthodoxy and Reform in the starkest terms writing: “If Orthodoxy is truth, then Reform is a lie. If Reform is truth, then Orthodoxy is a lie. […] it is not possible to confess both at the same time without playing games with both.”⁴⁵ Hirsch argued that denying an Orthodox Jew the right to secede from the Jewish community was an intolerable violation of his liberty of conscience. But Philippson also invoked liberty of conscience in arguing against the right to secede. Isaiah Berlin’s essay Two Concepts of Liberty helps clarify the assumptions underlying each position. Berlin famously made a distinction between “negative liberty” and “positive liberty.” He defined negative liberty as the ability to act “unobstructed by others.” On this view, a person is unfree if she is “prevented from attaining a goal by [other] human beings.”⁴⁶ By contrast, Berlin defined “positive liberty” as the freedom to “be one’s own master,” that is, to “take control of one’s life and realize one’s fundamental purposes.”⁴⁷ In opposing a Jew’s right to secede, Philippson appealed to positive liberty. For Philippson, the ability to participate in the Jewish community and its institutions was essential for a Jew to fully actualize herself. Unlike Christians, Jews

 Samson Raphael Hirsch, Gesammelte Schriften (GS), vol. 4 (Frankfurt am Main, 1912), 243 and Samson Raphael Hirsch, The Collected Writings (CW), vol. 6 (New York, 1997), 158. In an 1863 essay, Hirsch explicitly wrote that the gap between Orthodoxy and Reform was greater than that between Protestants and Catholics. See Hirsch, GS, vol. 5, 274– 275 and Hirsch, CW, vol. 6, 88.  Hirsch, GS, vol. 4, 243 and Hirsch, CW, vol. 6, 159.  Hirsch, GS, vol. 4, 298 and Hirsch, CW, vol. 6, 174.  Isaiah Berlin, Four Essays on Liberty (London/New York, 1969), 122.  Berlin, Four Essays, 131. See Ian Carter, “Positive and Negative Liberty,” Stanford Encyclopedia of Philosophy, ed. Edward N. Zalta (Fall 2016 Edition).

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did not form separate sects. The confessional differences between Jews were relatively minor, focusing mainly on differences in the synagogue service, and could be accommodated within a unified community. As such, Philippson argued that individuals who withdrew from the Jewish community should be regarded as leaving Judaism altogether.⁴⁸ Philippson further argued that the Jewish community could only sustain its institutions due to its compulsory tax system. In consequence, the right to secede would cause many Jewish communities to collapse, which would effectively strip the vast majority of Jews of the freedom to actualize themselves by participating in the Jewish community. For these reasons, allowing an individual Jew to secede undermined the positive liberty of the majority of Jews.⁴⁹ At first glance, Hirsch’s counterargument seems to depend on an appeal to negative liberty. He argued that forcing an Orthodox Jew who deemed the institutions controlled by the majority as heretical to remain a member of this community and pay taxes to it constituted an “outrageous coercion of conscience”⁵⁰ (Gewissensdruck). On closer consideration, however, it is clear that for Hirsch secession was also a matter of positive liberty. Hirsch argued that there were two types of communal organizations, political and religious. Prior to Jewish emancipation in the early nineteenth century, Jewish communities were both political and religious. But with political equality, the Jew became “integrated into the larger civil and civic community of his place of residence and his country.”⁵¹ In consequence, Jewish communities lost their political functions and remained religious organizations alone.⁵² In an 1863 essay, Hirsch wrote that the Orthodox Jew fulfilled her life’s purpose by being the “bearer of a moral ideal” upheld by the Jewish community and working to “actualize the collective’s ideals into an ever-growing reality.”⁵³ Hirsch had previously described Judaism’s mission in the world as involving modeling submission to God’s ethical law by obeying all the commandments of the Torah.⁵⁴ But given that Reform denied the divinity of the Torah and deemed most of its laws no longer binding, forcing an Orthodox Jew to remain a member of a Reform-controlled community impeded her ability

 See Ludwig Philippson, “Offenes Sendschreiben an Herrn Dr. Lasker,” AZJ 37 (1873): 783.  See Philippson, “Offenes Sendschreiben,” 782.  Hirsch, GS, vol. 5, 275 and Hirsch, CW, vol. 4, 89.  Hirsch, GS, vol. 4, 299 and Hirsch, CW, vol. 6, 175.  See Hirsch, GS, vol. 4, 299 and Hirsch, CW, vol. 6, 175.  Hirsch, GS, vol. 2, 33 and Hirsch, CW, vol. 6, 3.  See Samson Raphael Hirsch, Neunzehn Briefe über Judenthum: Brief 9 (Altona, 1836), 44– 45 and Samson Raphael Hirsch, Nineteen Letters About Judaism: Letter 9 (New York, 1995), 128.

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to fulfill her mission as a Jew, as this type of Jewish community could not credibly model submission to God’s commandments.⁵⁵ Hirsch further argued that forcing an Orthodox Jew to remain part of a Reform community that contained both Orthodox and Reform congregations would lead his children to see Orthodoxy and Reform as equally valid expressions of Judaism, which would impede his ability to impart his religious convictions to his children, since it was much easier to be a Reform Jew than an Orthodox one.⁵⁶ For these reasons, Hirsch saw denying Orthodox Jews the right to secede as undermining their positive liberty. A final argument that Hirsch used in favor secession is worthy of note. On 28 July 1876 the Secession Law was official extended to include Jews. At this point, Hirsch and a few members of the congregation seceded. But most members of Hirsch’s congregation led by the esteemed Rabbi Moshe Mainz hesitated about seceding, worrying about the consequences of a complete break from the Jewish community. Many of these individuals were from families that had lived in Frankfurt for generations, and were concerned that seceding would mean losing the privilege to be buried next to their loved ones in the Frankfurt community cemetery. These “Gemeinde-Orthodoxen,” as they came to be known, entered into negotiations with the Reform controlled Jewish community and extracted significant concessions including the assurance that none of their tax money would be used to support Reform institutions; that the community would fund a mikvah; and that all community matters bearing on halakhah would be under the supervision of an Orthodox rabbi hired and paid for by the community.⁵⁷ Hirsch was unmoved and his followers wrote to the greatest German halakhist of the age, Rabbi Seligmann Bamberger, for support in persuading those opposing secession, imploring him to come to Frankfurt to convince Rabbi Moshe Mainz that it was obligatory to secede. Rabbi Bamberger initially did not want to get involved, but when pressed he visited Frankfurt and met with Rabbi Mainz. Learning of the concessions that Rabbi Mainz had won, Rabbi Bamberger ruled  In his first Open Letter to Bamberger, Hirsch described remaining in a community with Reformers as amounting to a “Ḥillul Hashem”, a desecration of the divine name, given that reformers were heretics. See Hirsch, GS, vol. 4, 321– 322 and Hirsch, CW, vol. 6, 204. In his earlier work, Horev, Hirsch made clear that the requirement not to desecrate God’s name referred primarily to “upholding the vision of God and humanity” to all humankind. Samson Raphael Hirsch, Horev: Versuche über Jissroels Pflichten in der Zerstreung (Altona, 1837), Kap. 97, Abschnitt 613 – 614, S. 625 – 627 and Samson Raphael Hirsch, Horeb: A Philosophy of Jewish Laws and Observations (London, 1962), Ch. 97, section 613 – 614, p. 465 – 468.  See Hirsch, GS, vol. 5, 288 – 289 and Hirsch, CW, vol. 6, 103.  See Saemy Japhet, “The Secession from the Frankfurt Jewish Community Under Samson Raphael Hirsch,” Historia Judaicae 10, no. 2 (1948): 99 – 122, here 115.

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that while seceding from the Jewish community in Frankfurt was halakhically permissible it was not obligatory. For Bamberger, there was value to remaining part of a unified Jewish community even when the majority of that community no longer observed halakhah as long as one could observe halakhah undisturbed.⁵⁸ Hirsch was livid. In his 1877 Open Letter to Bamberger, Hirsch explained why he rejected Bamberger’s ruling, writing: Jewish Orthodoxy and Jewish Reform are irreconcilable opposites […]. Only a person to whom religious truth has become altogether meaningless, who pays attention to religious matters only out of extraneous considerations could support the proposition that such opposing religious trends should remain together in one union. Only such a person could deplore the secession of law-loyal (Gesetzestreuen) Orthodoxy from a union with law-denying (Gesetz verwerfenden) Reform as if truth could be an object of haggling (feilschen). [Only such a person] could cast about for artful compromise formulas capable of duping insight and conscience (Gewissen) and suited to jeopardizing religious truth and integrity on both sides.⁵⁹

Hirsch argued that given the opposite principles of Orthodoxy and Reform only individuals who cared nothing for religious truth could advocate that an Orthodox Jew remain in the same community as a Reform Jew. Reformers were Jewish heretics and one must obscure this fact, downplaying the profound theological differences between Orthodoxy and Reform, to see them as members of a single community. For Hirsch, this attempt to paper over substantial religious differences contradicted freedom of conscience. While Hirsch was ostensibly addressing the Orthodox Bamberger, he probably also had in mind figures like Reformer Philippson.⁶⁰ Hirsch’s argument should sound familiar. It is an application of a famous argument that Moses Mendelssohn used at the end of Jerusalem to oppose a religious union between Judaism and Christianity. Speaking of those seeking such a union Mendelssohn wrote: The gentle souls who make this proposal are ready to go to work. They wish to meet as negotiators and make the humanitarian effort to bring about a compromise between the faiths, to bargain for truth as if they were rights, like haggling for merchandise (wie feiles Kaufmannsgut) […]. At bottom, a union of faiths, should it ever come about, could have but

 See Liberles, Religious Conflict, 219 – 220; Japhet, “Secession,” 113 – 115 and Katz, House Divided, 260 – 261.  Hirsch, GS, vol. 4, 325 – 326 and Hirsch, CW, vol. 6, pp. 207– 208.  Not surprisingly, Bamberger took great umbrage at Hirsch having written this. See Bamberger’s reply to Hirsch’s letter in Hirsch, GS, vol. 4, 518 – 520 and Hirsch, CW, vol. 6, 228 – 230.

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Michah Gottlieb

the most unfortunate consequences for reason and liberty of conscience (Gewissensfreiheit).⁶¹

Writing in 1783, Mendelssohn assumed a unitary concept of Judaism and argued that freedom of conscience required acknowledging religious differences between Judaism and Christianity. Nearly a century later, German Judaism had fractured. While Philippson fought to reestablish a unified Judaism, Hirsch deployed Mendelssohn’s reasoning to argue that freedom of conscience required acknowledging religious differences within Judaism. This split spread even within German Orthodoxy, which become splintered between the “Communal Orthodox” who followed Rabbi Bamberger and the “Separatist Orthodox” who followed Rabbi Hirsch. In conclusion, with the decline of the kehillah at the end of the eighteenth century, German Judaism began to fracture. Individuals like the Reformer Ludwig Philippson and the Orthodox Rabbi Seligmann Bamberger sought to heal this divide by producing Pentateuchs that could speak to all factions of Judaism. This valuing of a united Jewish community is reflected in Philippson’s opposition to Orthodox Jews being allowed to secede from the Jewish community and Bamberger’s view that there was value to Orthodox Jews remaining members of a community controlled by Reformers. By contrast, Hirsch came to believe that Orthodoxy and Reform rested on such irreconcilable religious assumptions that the gap between them could never be bridged. By producing a boldly sectarian Pentateuch, Hirsch aimed to fortify Orthodox Jews in their beliefs and he understood that his Pentateuch would hold no appeal for Reformers. Similarly, Hirsch thought that it was a fantasy and severe threat to liberty of consciousness to pretend that Reformers and the Orthodox shared a common basis and should be part of a unified community. As such, he argued that Orthodox Jews must have the right to secede from their communities and form independent ones. A few years after the Secession Controversy, the nascent Zionist movement sought a new basis for Jewish unity in nationalism. But the emergence of a Jewish state did not heal the ideological rift between Communal Orthodoxy and Separatist Orthodoxy. If anything the problem deepened with Religious Zionism sharply breaking from Haredi Judaism in Israel and Modern Orthodoxy breaking from Ultra-Orthodoxy in the Diaspora. Ultra-Orthodoxy/Haredi Judaism for the

 Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften: Jubiläumsausgabe, ed. Alexander Altmann, vol. 8 (Stuttgart-Bad Cannstatt, 1971), 202– 203; and Moses Mendelssohn, Jerusalem, or on Religious Power and Judaism, trans. Allan Arkush (Hanover, NH, 1983), 136 – 137.

Scripture and Separatism

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most part has followed the approach of Hirsch’s Separatist Orthodoxy (and its Hungarian counterparts),⁶² while Religious Zionism and Modern Orthodoxy have sought to preserve a sense of the value of belonging to the wider Jewish community that distinguished Communal Orthodoxy, though the extent and nature of this belonging has been contested. Many of the questions raised in the nineteenth-century debate during the Secession Controversy remain pressing today: What takes precedence, membership in one’s religious camp or membership in the Jewish people? Does religious liberty demand preserving membership in the Jewish community writ large or withdrawing from it if the views and values of the majority contradict those of one’s camp? It may be surprising that in the nineteenth century these questions were contested through different approaches to Bible translation.

 On the connection between Hirsch’s separatism and Ultra-Orthodox separatism in Hungary see Katz, House Divided, 89 – 216.

Bildung und Erziehung

Uta Lohmann

Wissensspeicher, Lehrbuch, Erkenntnisquelle Zur Rolle der Hebräischen Bibel im Bildungskonzept der Berliner Haskala Abstract: The Berlin Maskilim criticized the insufficient language skills of the Jews as well as the content and one-sidedness of traditional Jewish education. They therefore turned against the predominant ideal of Talmudic learning and supported an up-to-date Jewish ideal of education (Bildung), which was based on the books of the Hebrew Bible. In the Haskalah’s educational concept (Bildungskonzept), the Tanakh was of fundamental importance as a source of scientific and moral knowledge. With their translations of some books of the Hebrew Bible into German, the Maskilim intended to render biblical knowledge publicly accessible to all Jews and to establish a modern understanding of Scripture. The Berlin Free Jewish School (Jüdische Freischule), founded in 1778, was the first institution to implement the new modern educational concept. For the first time the translations of biblical books were used for general lessons. In the course of the 19th century German translations of the Hebrew Bible became strongly established textbooks within all modern Jewish school classes.

David Friedländer (1750 – 1834) war einer der bekanntesten jüdischen Aufklärer in Berlin. Von Beruf Kaufmann und als solcher wohlhabend und einflussreich, widmete er sich mit großem Engagement der Modernisierung des Judentums und setzte sich wie kaum ein anderer für die staatsbürgerliche Gleichstellung der preußischen Juden ein.¹ Diese Tatsache, wie auch seine öffentlichen Positionen als Gemeindeältester und Berliner Stadtrat sowie die damit einhergehende Bekanntheit Friedländers weit über den regionalen Umkreis Berlins hinaus, führten dazu, dass der in Warschau residierende Bischof von Kujawien und spätere Erz-

 Zur Biografie David Friedländers siehe Lohmann, Uta: David Friedländer. Reformpolitik im Zeichen von Aufklärung und Emanzipation – Kontexte des preußischen Judenedikts vom 11. März 1812. Hannover 2013; dies.: In Geselligkeit und Öffentlichkeit zum Nachdenken anregen und über das Judentum aufklären. Biographische Streiflichter auf David Friedländer. In: David Friedländer: Ausgewählte Werke. Hrsg. von Uta Lohmann. Köln [u. a.] 2013 (Deutsch-jüdische Autoren des 19. Jahrhunderts 4). S. 7– 20. https://doi.org/10.1515/9783110551631-007

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Uta Lohmann

bischof von Warschau, Franz Malczewski (1754– 1819), Friedländer im Januar 1816 um ein ausführliches Gutachten zu den polnischen Juden bat, deren rechtliche Verhältnisse gerade zur Debatte standen. Friedländers Gutachten, das 1819 unter dem Titel Über die Verbesserung der Israeliten im Königreich Pohlen in Berlin gedruckt wurde, ist eine harsche Abrechnung mit der traditionellen Machtposition der rabbinischen Autoritäten, ein Verdikt gegen Machtmissbrauch und die Gewohnheit der Staatsbeamten, in Reformfragen zuallererst eine rabbinische Stellungnahme einzuholen.² Friedländers kritischer Haltung gegenüber dem Rabbineramt lag eine vierzigjährige Erfahrung zu Grunde, die bis in die Zeit der ToraÜbersetzung Moses Mendelssohns und der Gründungsphase der jüdischen Freischule zurückreichte.³ Beide, sowohl Mendelssohns Pentateuch-Ausgabe als auch die von Friedländer 1778 mitgegründete Freischule, waren heftigen Anfeindungen von Seiten rabbinischer Autoritäten ausgesetzt gewesen. In seinem Polen-Gutachten erörterte Friedländer auch das im Bildungsdenken des rabbinischen Judentums an zentraler Stelle stehende „Studium des Talmuds“, das er als „nichts weniger als leicht“ einschätzte, da ein unermessliches Aufgebot an „Scharfsinn und Witz“ erforderlich sei, um „in die Tiefen dieser wenigstens 12 Jahrhunderte alten Werke einzudringen“.⁴ Nach einigen Ausführungen der spekulativen „Spitzfindigkeiten“ des Talmuds und der auf diesem aufbauenden halachischen Diskussionen folgert Friedländer, dass diejenigen „Männer, die vom achten Jahre ihres Lebens an fort und fort nur damit ihre Zeit zubringen, […] wohl das Verstehen und Erklären dieses Werks“ für das erstrebenswerteste „Ideal der Geistesnahrung, für den Inbegriff alles Wissenswürdigen halten“⁵ müssen. Damit sagt Friedländer indirekt, dass durchaus ein anderes „Ideal der Geistesnahrung“

 Vgl. dazu Lohmann, Uta: „Das Verhältniß der Rabbiner gegen ihre Gemeinden in ganz Europa“. Kontroversen um die Zuständigkeit in Reformfragen und Friedländers Polen-Gutachten (1819). In: Friedländer, Werke, S. 239 – 247.  Zur Geschichte der Freischule siehe die Quellensammlung Chevrat Chinuch Nearim. Die jüdische Freischule in Berlin (1778 – 1825) im Umfeld preußischer Bildungspolitik und jüdischer Kultusreform (CCN). Hrsg. von Ingrid Lohmann. Münster [u. a.] 2001 sowie Lohmann, Uta: „Auf den Namen einer Bürgerschule Ansprüche machen“ – Religionsunterricht und staatliche Klassifizierung der Berliner Freischule. In: Jüdische Erziehung und aufklärerische Schulreform. Analysen zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Hrsg. von Britta L. Behm [u. a.]. Münster [u. a.] 2002. S. 137– 165; dies.: Chevrat Chinuch Nearim – The Berlin Jüdische Freischule between Mascilic Aims, State Requirements and Bourgeois Demands. Ramat Gan 2006 (Braun Lectures in the History of the Jews in Prussia 13).  Friedländer, David: Über die Verbesserung der Israeliten im Königreich Pohlen. Ein von der Regierung daselbst im Jahr 1816 abgefordertes Gutachten. Berlin 1819. Neu ediert in: Friedländer, Werke, S. 249 – 300, hier S. 283.  Friedländer, Verbesserung, S. 283.

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vorstellbar und vor allem vorzuziehen sei. Seiner erheblich kritischen Beurteilung des rabbinischen Bildungsideals fügte Friedländer eine Fußnote an, in der es heißt: Aus dem im Text geäußerten freymüthigen Urtheil gehet zur Genüge hervor, daß der Talmud als Lehrbuch, Vorschrift, oder Gegenstand der Geistesbildung, für die Jugend sich nicht eignet, selbst wenn er methodisch geordnet, und anziehend für das jugendliche Gemüth wäre, indem er weder der europäischen Verfassung entspricht, noch unserm gegenwärtigen bürgerlichen Leben angemessen ist. Aber Mischna, Talmud und beinahe alle diese gleichzeitige Schriften […] enthalten einen Schatz von Weltweisheit, moralischen Vorschriften und Maximen, Parabeln etc. die Verehrung und Bewunderung verdienen. Der Geist des Alterthums macht sie ehrwürdig und anziehend. Wer mit Sprach- und Geschichtskunde Unbefangenheit verbindet, wird, wie in einem gemischten Bergwerke, manche Goldstufe daraus zu Tage fördern. Aber der Sachverständigen sind zu wenig, die Mühseligkeiten zu groß und die Ausbeute zu gering. Für den gewöhnlichen Gelehrten und Forscher sind sie durchaus unbrauchbar, nur in den Büchersammlungen behalten sie ihren ehrenvollen Platz, wie andre Seltenheiten, wie jene alten Kirchenväter und Scholastiker, die selten einen fleißigen Leser finden. Denn man vergesse nicht, daß diese vor zwölf Hundert Jahren gemachte Sammlung des Talmuds, ein orientalisches Product sey, worin mehrere hundert Weise, Forscher, Grübeler, ihre Lebenserfahrungen, Ansichten, Kenntnisse niedergelegt haben; man bedenke, wie viel geistreiche, fromme, rechtschaffene Männer eben aus diesen Quellen Beruhigung, Scharfsinn, Sittenlehren und Kenntnisse geschöpft haben, spreche darüber mit schnödem Witz nicht ab; sondern lasse ihnen, wie andern solchen Schriften, ihr Recht wiederfahren, wenn sie auch gegenwärtig durchaus nutzlos sind.⁶

Was Friedländer hier intendiert, ist keineswegs eine Diffamierung des Talmuds an sich, dessen historischen und kulturellen Wert er durchaus zu schätzen weiß. Vielmehr spricht er dem Talmud seinen hohen Stellenwert als allgemeinbildendes Lehrbuch ab und bestreitet die Nutzanwendung der damit verbundenen Rechtsvorschriften und Erörterungen, die unter den veränderten Bedingungen der Moderne, sprich: in der bürgerlichen Gesellschaft, als veraltet anzusehen seien. Damit stellt Friedländer zugleich die rein religiös geprägte jüdische Identität, wie sie durch das rabbinische Judentum bewahrt wurde, infrage. In seinen Augen führte der talmudzentrierte Unterricht bei den polnischen Juden – aus denen sich traditionell die Kinderlehrer (Melammedim) aller preußischen Judengemeinden rekrutierten – dazu, dass von den Repräsentanten des Judentums, vor allem von den rabbinischen Autoritäten und den Lehrern, „seit Jahrhunderten“ das Hebräische und überhaupt alle „philologischen Kenntnisse“ vernachlässigt und

 Friedländer, Verbesserung, S. 283 f.

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Uta Lohmann

„Scharfsinn und Witz […] auf Kosten aller übrigen Seelenfähigkeiten geübt“ worden seien.⁷ So beklagt Naphtali Herz Wessely (1725 – 1805) in ähnlicher Weise bereits 1782 in seiner für die Schaffung eines modernen jüdischen Erziehungswesens grundlegenden Programmschrift Divre Shalom we-Emet die vernachlässigte Erziehung der jüdischen Kinder: Nicht einmahl der grammatikalischen Regeln der hebräischen Sprache kundig, lehrt ein Pohle den Deutschen Knaben die heilige Schrift, in einer ihm allein verständlichen deutschähnlichen Sprache, und unterrichtet ihn in reifern Jahren mit der nemlichen Sprache, in dem heiligen Gesetze, ihren Auslegungen und Erklärungen. Dies ist aller Unterricht, den wir in der Schule genießen.⁸

Wessely und Friedländer kritisieren also vor allem mangelnde Sprachkenntnisse sowie Inhalt und Einseitigkeit der traditionellen Erziehung und des mit ihr einhergehenden talmudischen Bildungsideals. Mit der Marginalisierung des talmudisch-rabbinischen Schrifttums ging es den Maskilim um die Schaffung und Etablierung eines alternativen, zeitgemäßen jüdischen Bildungsideals, in dessen Zentrum sie die Schriften des Tanach rückten. Die Hebräische Bibel wurde ihnen „Muster der Anwendung des Antiken auf das Moderne“,⁹ wie sie den kulturellen Transfer vom biblischen Altertum in die bürgerliche Moderne auf den Begriff brachten. Die religionsphilosophische Idee von der Bestimmung des Menschen zur Vervollkommnung aller seiner Fähigkeiten oder „Seelenkräfte“ ist allen bildungstheoretischen Aussagen der Maskilim übergeordnet und der Leitgedanke, auf dem das Bildungsdenken der Berliner Haskala basiert. Entsprechend sagt Wessely in seiner Erziehungsschrift: „Erkenntnisse, die der Allweise in den Geist der Menschen gelegt, hat Er auch seinen eigenen Kräften zur weitern Vervollkommnung überlaßen“.¹⁰ Moses Mendelssohn (1729 – 1786) entwickelte den Be-

 Friedländer, Verbesserung, S. 284.  Wessely, Naphtali Herz: Worte des Friedens und der Wahrheit. Berlin 1782. In der Übersetzung David Friedländers. Zit. nach CCN, S. 174– 186, hier S. 178. Eine neue deutsche Übersetzung von Wesselys Divre Shalom we-Emet durch Rainer Wenzel ist ediert in: Wessely, Naphtali Herz: Worte des Friedens und der Wahrheit. Dokumente einer Kontroverse über Erziehung in der europäischen Spätaufklärung. Hrsg. von Ingrid Lohmann [u. a.]. Münster [u. a.] 2014. S. 113 – 137.  Büschenthal, Lippmann Moses u. Jeremias Heinemann: Ankündigung für Freunde der hebräischen Literatur. In: Jedidja. Eine religiöse, moralische und pädagogische Zeitschrift 2/1 (1818/ 19). S. 117– 122, hier S. 120.  Wessely, Worte des Friedens, zit. nach CCN, S. 177.

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griff der Vervollkommnung bereits in seinen frühen Schriften und gab der Idee von der Bestimmung des Menschen zur Vervollkommnung in seinem religionsphilosophischen Hauptwerk Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele (zuerst 1767) eine populäre Form.¹¹ Im Phädon verknüpfte Mendelssohn die Unsterblichkeitslehre mit der Vorstellung einer Befähigung jedes Menschen zur Entfaltung der ihm eigenen und von der Vorsehung bestimmten intellektuellen, emotionalen und praktischen Befähigungen. Mendelssohn verband mit diesem Leitgedanken ein Moment des aktiven Handelns, nämlich das Bemühen um Vervollkommnung der eigenen Person, wie auch das Streben nach Vervollkommnung der Mitmenschen. Bereits wenige Jahre vor Veröffentlichung des Phädon hatte er daher in seiner Abhandlung über die Evidenz in Metaphysischen Wissenschaften (1764) die Idee von der Bestimmung des Menschen mit einem pädagogischen Imperativ verbunden: „Mache deinen und deines Nebenmenschen innern und äußern Zustand, in gehöriger Proportion, so vollkommen als du kannst.“¹² Entgegen der Absicht Gottes, wie sie sie der Hebräischen Bibel entnahmen, sahen die Maskilim im rabbinischen Bildungsideal die Vervollkommnung aller menschlichen Fähigkeiten nicht gewährleistet, was maßgeblich zu ihrer Kritik und zur Entwicklung eines modernen, biblisch ausgerichteten Bildungsideals führte. Dies machte auch eine neue, aktualisierte Auslegung der Bibel notwendig. Bereits in seinem Vorwort zum ausdrücklich „für Studierende“ abgefassten Kommentar zum Buch Kohelet, Biʼur li-Megillat Kohelet (1769 – 1770), der als „das exegetische Pendant“ zum Phädon bezeichnet wurde,¹³ nahm Mendelssohn Bezug auf die unterschiedlichen Auslegungsweisen der Schrift. Es sei vorrangiges Ziel, „auf den Verstand und nicht auf die Worte“¹⁴ zu sehen, denn man intendiere, „geschickte

 Eine konzise Zusammenfassung der „Kerninhalte“ von Mendelssohns Idee der Bestimmung des Menschen findet sich in Behm, Britta L.: Moses Mendelssohn und die Transformation der jüdischen Erziehung in Berlin. Münster [u. a.] 2002. S. 255 – 257.  Mendelssohn, Moses: Abhandlung über die Evidenz in Metaphysischen Wissenschaften (1764). Zit. nach Mendelssohn, Moses: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe (JubA). Hrsg. von Alexander Altmann [u. a.]. Berlin 1929 – 1938 und Stuttgart-Bad Cannstatt 1971– 2016. Bd. 2 (1972). S. 317. Siehe demnächst ausführlicher dazu Lohmann, Uta: Haskala und allgemeine Menschenbildung. David Friedländer und Wilhelm von Humboldt im Gespräch: Zur Wechselwirkung zwischen jüdischer Aufklärung und neuhumanistischer Bildungstheorie. Münster [u. a.] 2019 (in Vorbereitung).  Vgl. Krochmalnik, Daniel: Einleitung zum Kommentar zum Buch des Predigers (Biʼur li-Megillat Kohelet). In: Mendelssohn, JubA, Bd. 20/1 (2004), S. LI–LX, hier S. LV.  Mendelssohn, Moses: Vorrede zum Kommentar zum Buch des Predigers. In: Ders., JubA, Bd. 20/1 (2004), S. 184– 202, hier S. 184. Der hebräische Text ist ediert in: Ders., JubA, Bd. 14 (1972), S. 145 ff.

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und verständige Gemüther zu erwecken“.¹⁵ In dieser Absicht folgte Mendelssohn auch bei seinen Übertragungen des Pentateuchs und der Psalmen (beide 1783) einem „an der Wiedergabe des Sinnes orientierten Übersetzungsideal“.¹⁶ Mendelssohn sah sich dem einfachen Wortsinn (Peshat) verpflichtet, weil es seines Erachtens „absolut unmöglich“ sei, „die Worte der Torah einem Schüler einzuschärfen und sie ihm verständlich zu machen, es sei denn, daß er ihre einfache Bedeutung und das, was daraus hervorgeht“¹⁷ verstehe, wie er in seiner Einleitung zur Tora-Übersetzung, Or la-Netiva (1783), betonte. Mendelssohn stellte sich damit in die Tradition „der ursprünglichen Absicht der Werke jener Großen, die dem einfachen Sinn nach erklären, und die uns als Augen dienen, wenn wir die heilige Schrift erklären“.¹⁸ Es ging ihm darum, „in die richtige Sprache zu übersetzen, wie sie in unserer Generation normal und gebräuchlich ist“, nämlich „nach dem Zeitbedürfnis“ und in „angenehmem Stil“.¹⁹ Mendelssohns wiederholte Wendung „richtige Sprache“ meint dabei nicht nur das Deutsche als allgemeingebräuchliche Landessprache, sondern vor allem eine deutliche und verständliche Ausdrucksweise, die eine allgemeine Zugänglichkeit der Tora ermöglichte.²⁰ Alle Menschen jüdischen Glaubens sollten „die heilige Schrift mittels der Übersetzung verstehen“.²¹ Die Maskilim sahen im Tanach einen Speicher an Wissen, dessen Transfer von Generation zu Generation durch eine andere Gewichtung des traditionellen Schrifttums unterbrochen worden war. „Die Übersetzung sollte also dem biblischen Text zurückgeben, was seine Tradierung ihm genommen hatte“,²² nämlich die Weitervermittlung des Wissens gemäß Dtn 6,7: „Du sollst sie [die

 Mendelssohn, Vorrede, S. 187.  Schorch, Stefan: Sakralität und Öffentlichkeit: Bibelübersetzungen als Paradigmen jüdischen Übersetzens. In: Lezzi, Eva u. Dorothea M. Salzer (Hrsg.): Dialog der Disziplinen. Jüdische Studien und Literaturwissenschaft. Berlin 2009 (Minima Judaica 6). S. 51– 76, hier S. 53. Insofern war Mendelssohns Übersetzung der Tora eine Übertragung in die „geistigen Horizonte“ des zeitgenössischen preußischen Judentums, seine Übertragung der Psalmen eine Übertragung in die „geistigen Horizonte“ der Berliner Aufklärung insgesamt; vgl. Schorch, Sakralität, S. 70.  Mendelssohn, Moses: Or Lanetiwah (1783). Deutsche Übersetzung bearbeitet von Werner Weinberg. In: Mendelssohn, JubA, Bd. 9/1 (1993), S. 1– 96, hier S. 27.  Mendelssohn, Or Lanetiwah, S. 59. Zu jenen „Großen“ zählte Mendelssohn Shelomo ben Jitzchak (Raschi), Shemuʼel ben Meʼir (Raschbam), Avraham ibn Ezra, Nachmanides (Ramban) und David ben Josef Kimchi (Radak).  Mendelssohn, Or Lanetiwah, S. 56.  Siehe dagegen Ludwig Philippsons Zielsetzung bei der Übersetzung der Bibel, beschrieben von Rüdiger Liwak im vorliegenden Band; zu Salomon Herxheimers Bibelübersetzung siehe den Aufsatz von Klaus Herrmann.  So Mendelssohn in Bezug auf Esras aramäische Übersetzung der Bibel; vgl. Mendelssohn, Or Lanetiwah, S. 40 f.  Schorch, Sakralität, S. 73.

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Lehre] deinen Kindern einschärfen“.²³ Auch wenn dieses Wissen offenbart ist, so sei jeder einzelne dazu angehalten, es sich selbst anzueignen und an die folgenden Generationen weiterzuvermitteln. Entsprechend sagt Mendelssohn: „Uns ist die Torah ein Erbe, […] um das Gebot zu wissen, das der Ewige, unser Gott, uns befohlen hat zu lernen und zu lehren, zu beobachten und zu tun.“²⁴ Den Kulturtransfer, den Mendelssohns initiale Übersetzung der Tora vollzog, begriffen die Maskilim als das verloren gegangene Bindeglied in der „Kette der Überlieferung […] von Geschlecht zu Geschlecht“.²⁵ Dieser kulturelle Transfer machte einerseits den biblischen Wissensspeicher wieder öffentlich zugänglich und war andererseits der erste Schritt zur Etablierung „eines bestimmten Textverständnisses innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit“, eine gegen die talmudisch-rabbinische Tradition gerichtete „Wiedergewinnung der biblischen Wirklichkeit“.²⁶ In diesem Sinn kann Mendelssohns Tora-Ausgabe als erstes Instrument zur Schaffung einer jüdisch-bürgerlichen Identität bezeichnet werden. Nach ihm folgten Übersetzungen weiterer biblischer Bücher durch jüngere Maskilim: Isaak Abraham Euchel (1756 – 1804), David Friedländer, Joel Brill Löwe (1760 – 1802) und Aaron Wolfssohn (1756 – 1835) sind die wichtigsten Namen, die sich diesem zentralen Gemeinschaftsprojekt der Berliner Haskala widmeten. Mit ihren initialen Übersetzungen einiger biblischer Bücher beeinflussten sie die ersten deutsch-jüdischen Gesamtausgaben des Tanach nicht unwesentlich mit. Verwiesen sei insbesondere auf die im Verlag von Anton Schmid in Wien bereits ab 1806 erschienene Bibelausgabe Mincha Chadasha, deren dritte Auflage ab 1817 unter dem Titel Kitve Kodesh herauskam,²⁷ und auf die von Salomon Jacob Cohen (1772– 1845) herausgegebene deutsche Gesamtausgabe des Tanach Mikra Kodesh, die 1824 und 1827 in Hamburg publiziert wurde. Mendelssohn, Wessely und die jüngeren Berliner Maskilim standen im späten 18. Jahrhundert vor der immensen Herausforderung, in dem neuen Ordnungsgefüge von Wissen, Sprachkenntnissen und Religion auch neue, der Zeit angemessene Zugänge zum Wissen zu eröffnen. Als Voraussetzung dafür galt ihnen der Spracherwerb sowohl des Hebräischen als auch der deutschen Landessprache.

 Zitiert nach Mendelssohns Übersetzung: Mendelssohn, Or Lanetiwah, S. 17. Es handelt sich um einen Teil des liturgisch wichtigen Shema‘ Israel.  Mendelssohn, Or Lanetiwah, S. 57.  Mendelssohn, Or Lanetiwah, S. 16.  In Bezug auf die Bibelübersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig vgl. Schorch, Sakralität, S. 72– 74.  Für ihre detaillierten Auskünfte zu den Wiener Bibelausgaben danke ich Louise Hecht. Siehe zum Verlag von Anton Schmid auch den Beitrag von Hannes Bezzel, Louise Hecht und Grit Schorch im vorliegenden Band.

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Mit Verstand müsse eingesehen werden, dass „Sprachkenntnisse die Grundlage jeden Wissens sind, und das Wissen Grundlage der Tora“,²⁸ wie es Euchel formulierte. Wichtig war dabei die Komplementarität der Sprachen im Aneignungsprozess im Sinne einer wechselseitigen Erkenntnisoptimierung.²⁹ „Die Übersetzung wird zur Erklärung des Originals dienen, und der Schüler beyde Sprachen zugleich dabey erlernen“,³⁰ so Wessely als Erklärung für seinen Appell, zweisprachige Lehrbücher (nach dem Modell von Mendelssohns zweisprachiger Tora-Ausgabe) abzufassen. Seiner Ansicht nach war die Bibelübersetzung ohne gute Sprachkenntnisse wertlos, denn ohne diese könnten Lehrer*innen die einfache, wörtliche Bedeutung der Heiligen Schrift nicht erklären, deren Worte somit wirkungslos blieben.³¹ Auch nach Mendelssohns Tod verfolgten die Berliner Maskilim diese Zielsetzung. Für die Übersetzungen weiterer biblischer Schriften lieferte David Friedländer mit seiner Abhandlung Über den besten Gebrauch der h. Schrift in pädagogischer Rücksicht den programmatischen Überbau. Diese Schrift erschien 1788 als Beigabe zu Friedländers Übersetzung des Buches Kohelet, die er nach Vorlage von Mendelssohns hebräischem Kommentar erarbeitet hatte. Friedländers Pädagogik-Schrift stellt einen der wichtigsten Programmtexte der zweiten Generation der Berliner Haskala dar. Zur vorbildgebenden Leistung Mendelssohns heißt es hier: Seine Uebersetzungen der 5 Bücher Moses, der Psalmen, und des Hohenliedes, sind nicht allein Meisterstücke in Rücksicht auf die Sprache, sondern sie setzen auch kritische und exegetische Kenntnisse, und philosophische Geschichts- und Menschenkunde voraus, die Alles übertreffen, was wir in der Art von ältern Lehrern besitzen. In dem Commentar zu den 5 Büchern Moses, der von seiner Hand ist, hat er uns gelehrt, was und wie Commentatoren schreiben und erklären müssen, um wahren Nutzen zu stiften; wie man, ohne Auskramung unnützer Gelehrsamkeit, pedantischer Citationen, und spitzfündiger Auslegungen, nur nützliche Wahrheiten, und mit diesen Licht und Wärme über diese heilige Schriften ausbreiten kann. Sein hebräischer Styl, eben so entfernt von Weitschweifigkeit als räthselhafter Dunkelheit, ist nicht minder musterhaft, und verdient, von unsern jungen Gelehrten, genau studirt zu werden.³²

 Euchel, Isaak A.: Die Geschichte des Lebens unseres weisen Lehrers Moses, Sohn des Menachem (1788). Aus dem Hebräischen übersetzt von Reuven Michael. In: Mendelssohn, JubA, Bd. 23, S. 102– 254, hier S. 117.  Vgl. Lohmann, Ingrid: Vom Versuch, die europäische Aufklärung nach Aschkenas zu importieren. Zur Einführung in die Quellensammlung. In: Wessely, Worte des Friedens, S. 25.  In der Übersetzung Friedländers; CCN, S. 183.  Vgl. CCN, S. 187– 191 u. Wessely, Worte des Friedens, S. 175 – 177.  Friedländer, David: Ueber den besten Gebrauch der h[eiligen] Schrift, in pädagogischer Rücksicht. In: Der Prediger. Aus dem Hebräischen von David Friedländer. Berlin 1788. S. 3 – 78;

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Friedländer macht hier theologische, philosophische, historische, anthropologische und philologische Vorkenntnisse zur Voraussetzung für eine den Bedürfnissen der Zeit adäquate Auslegung und Lesart der Bibel. Er empfahl die Einführung von Schul- und Lehrbüchern auf Grundlage des Tanach, in dem er das „Elementarwerk“ für die religiös-moralische Unterweisung sah, ein „Werk von eben so verschiedenem als mannichfaltigem, so lehrreichem als nützlichem Inhalt; eben so fähig, die Wißbegierde des Menschen zu befriedigen, als geschickt, das empfängliche Herz zur Tugend und Frömmigkeit zu bilden“. Die biblischen Lehren und Gebote seien immer sowohl „mit den Cärimonialgesetzen des Tempeldienstes“ als auch mit denjenigen „des bürgerlichen Lebens verbunden“ gewesen.³³ Friedländer fordert also, wenn der Tanach als „Quelle der Erkenntniß, und Lehrbuch der Sitten“ dienen solle, dann müssen die Lehren und die zerstreuten Wahrheiten, die sie enthält, seyen es ewige Wahrheiten, oder Grundsätze der Moral, herausgehoben, in deutliche Begriffe zerlegt und ins Licht gesetzt werden. Sie müssen herausgehoben, systematisch verbunden, und zum praktischen Gebrauch angewendet werden, und zwar so, wie sie sich für die gegenwärtige Zeit, für unsre gegenwärtige Lage, und für die Stufe der Cultur, auf welcher die Nation im Ganzen sich befindet, anwenden lassen. Dies wäre der eigentlichste, edelste und zweckmäßigste Gebrauch, den wir von der heiligen Schrift machen können; und dazu ist nicht allein genaue Kenntniß der deutschen Sprache eine nicht zu erlassende Bedingung.³⁴

Wurden mit Sprachkenntnissen und zeitgemäßer Bibellektüre neue Zugänge zum Wissen benannt und erarbeitet, so bedurfte es auch eines Ortes, an dem diese grundlegenden Instrumente zum praktischen Einsatz kommen und der Allgemeinheit öffentlich zugänglich gemacht werden konnten. In dieser Absicht wurde die jüdische Freischule bereits 1778 von David Friedländer und Isaak Daniel Itzig (1750 – 1806) in Berlin gegründet. Sie stellte die erste Institution dar, an der das maskilische Bildungskonzept zum Tragen kommen sollte. Mit ihrem frühen Gründungsdatum dürften sich die konzeptionellen Überlegungen zur Freischule etwa zeitgleich mit Mendelssohns Beginn seiner Arbeit an der Tora-Übersetzung zugetragen haben. Die einzelnen Bücher erschienen ab 1780, die gesamte Pentateuch-Übersetzung 1783. Nicht zufällig veröffentlichte die Freischulleitung im gleichen Jahr eine Programmschrift, mit der sie vermutlich zum ersten Mal an die

neu ediert in: „Lerne Vernunft!“ Jüdische Erziehungsprogramme zwischen Tradition und Modernisierung. Quellentexte aus der Zeit der Haskala, 1760 – 1811. Hrsg. von Uta Lohmann u. Ingrid Lohmann. Münster [u. a.] 2005. S. 61– 81, hier S. 76. [Hervorhebung im Original].  Friedländer, Gebrauch, S. 66.  Friedländer, Gebrauch, S. 71 f.

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jüdische Öffentlichkeit trat. Auf dem Lektionsplan stand nun erstmals Mendelssohns Tora-Ausgabe.³⁵ Die Einführung der Tora als allgemeinbildendes Lehrbuch blieb in den folgenden Jahren nicht unumstritten, doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte die – demonstrativ gesprochen – „Bibel der Haskala“ im Lehrplan der modernen jüdischen Schulen einen festen Platz gefunden. Sie fand Verwendung im Religionsunterricht, wurde aber auch für den Spracherwerb des Hebräischen und des Deutschen gleichermaßen benutzt.³⁶ Der „Unterricht in der Religion und Moral“ an der Freischule sei mit dem Hebräisch-Unterricht verbunden, sodass „der gesammte Unterricht in der eigentlichen Sprachlehre, im Übersetzen und Erklären des alten Testaments und in moralischen Vorlesungen“ bestehe, wie in der öffentlichen Programmschrift der Freischule von 1804 berichtet wurde.³⁷ Für Leseübungen bediene man sich „der Mendelssohnschen Ausgabe und Übersetzung“ der fünf Bücher Moses. Für den „moralischen Unterricht“ gebrauche man „fortdauernd die Sprüche Salomonis“³⁸ nach der 1790 angefertigten Übersetzung Isaak Euchels. Auch im Lehrplan einer jüdischen Mädchenschule in Frankfurt am Main fehlte 1804 Mendelssohns Tora nicht.³⁹ In den zwischen 1806 und 1818 in Berlin eröffneten Knaben- und Mädchenschulen von Moses Hirsch Bock (1775 – 1816) und Jeremias Heinemann (1778 – 1855) war die Hebräische Bibel schließlich ein fest etabliertes Lehr- und Unterrichtsbuch.⁴⁰ Die Form der deutschen Übersetzung in hebräischen Buchstaben, die Mendelssohn und den jüngeren Maskilim im späten 18. Jahrhundert noch als Erleichterung für den Lese- und Spracherwerb galt, wurde im frühen 19. Jahrhundert allerdings als eher hinderlich für den Aneignungsprozess gesehen. Gemeinsam mit dem Direktor der jüdischen Schule in  Vgl. Itzig, Isaac D. u. David Friedländer: Nachricht von dem gegenwärtigen Zustand, bisherigen Fortgang, und eigentlichen Endzweck der Freyschule. Berlin 1783. In: CCN, S. 207.  Vgl. dazu Lohmann, Uta: „Dieses allgemein einzuführende Schulbuch muß für uns von einem außerordentlichen Nutzen seyn“ – Von den Bildungsentwürfen zur Buchproduktion der Berliner Haskala. Der Israelitische Kinderfreund von Moses Hirsch Bock. In: Wie aus Kindern Juden werden. Religiöse Erziehung im Kontext von Haskala und Emanzipation. Hrsg. von Dorothea M. Salzer. Berlin 2019 (in Vorbereitung).  Itzig, Isaak D.: Zweite Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freischule in Berlin. In: CCN, S. 409.  Itzig, Isaak D.: Zweite Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freischule in Berlin. In: CCN, S. 409; vgl. Euchel, Isaak A.: Mischle. Berlin 5549 [1790].  Vgl. Lohmann, Uta: „edle Frauen, zärtliche Gattinnen, verständige Mütter und kluge Hauswirtinnen“ – zum Weiblichkeitsideal der Berliner Haskala. In: Die Kommunikations-, Wissensund Handlungsräume der Henriette Herz (1764– 1847). Hrsg. von Hannah L. Lund [u. a.]. Göttingen 2017. S. 71– 86, hier S. 84 f.  Vgl. zu den einzelnen Schulen Fehrs, Jörg H.: Von der Heidereutergasse zum Roseneck. Jüdische Schulen in Berlin 1712– 1942. Berlin 1993. S. 54– 56 u. S. 48 – 52.

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Dessau, David Fränkel (1779 – 1865), gab Bock daher 1815 Mendelssohns Übersetzung der Tora erstmals in „deutschen Schriftzügen“ heraus. Im Vorwort heißt es: Wir dürfen mit Recht erwarten, daß diese unsere Ausgabe, zunächst für Israeliten, für die Schulen derselben, und bereits zuvörderst für die Herzogliche Franzschule in Deßau, für die vom Direktor Fränkel im Jahre 1806 daselbst errichtete und fortbestehende Töchterschule, für die Erziehungs- und Bildungsanstalt des Dr. Bock in Berlin u. a.m. bestimmt, den Bibelfreunden aller Konfession willkommen sein wird.⁴¹

Zu dieser Zeit hatten die Bibel-Übersetzungen der Berliner Maskilim überregionale Verbreitung gefunden. Bock und Fränkel planten die Herausgabe des gesamten Tanach unter dem Titel Die heilige Schrift. Tora, Neviʼim u-Chetuvim, mit dem Zusatz „nach dem masorethischen Texte übersetzt“, wie es auf dem Titelblatt heißt. Dieses Projekt scheiterte vermutlich am plötzlichen Tod Bocks im Jahr 1816. Dennoch hatte sich die Verwendung der Bibel als Lehrbuch im Sinne der Haskala in den modernen jüdischen Schulen längst etabliert und fand nun auch Einzug im Berliner „Reformtempel“ von Israel Jacobson (1768 – 1828). Davon zeugen nicht zuletzt Friedländers Reden, der Erbauung gebildeter Israeliten gewidmet (Berlin 1815 und 1817), die er für den Reformgottesdienst verfasste und die eine aktualisierte Adaption biblischen Wissens und biblischer Lehren darstellen.⁴² Die Grundlage für einen modernen Gottesdienst hatten aber wesentlich früher schon, nämlich in den Jahren zwischen 1785 und 1790, Isaak Euchel, Joel Brill Löwe und Aaron Wolfssohn mit ihren für den praktischen Gebrauch ausgerichteten Übersetzungen der Gebete, Haftarot, fünf Megillot und der Pessach-Haggada gelegt.⁴³ Im Bildungskonzept der Berliner Haskala hatte die Hebräische Bibel neben ihren Aufgaben, als öffentlicher Wissensspeicher und elementares Lehrbuch zu fungieren, noch eine weitere Funktion: Die Maskilim begriffen den Tanach auch als Quelle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Grundlegend war ihr Bemühen um die Einführung eines neuen Ordnungsgefüges von Wissen, Sprachkenntnissen und Religion, das sie in der Wiederherstellung der als ursprünglich begriffenen Verknüpfung der religiösen Lehre mit den Wissenschaften und Künsten gewährleistet sahen. Diese Verbindung sei dem höchsten Ziel des Menschen zuträglich, der Beförderung seiner Vervollkommnung, wie Wessely ausführte: „Auch unsere

 Bock, Moses H. u. David Fränkel: Vorrede. In: Die fünf Bücher Mose. Chamesh chomshej tora. Dessau [u. a.] 1815; zit. nach CCN, S. 853 (Anm.).  Ein Neudruck von David Friedländers Erbauungs-Reden in Lohmann, Haskala ist in Vorbereitung.  Zu Löwes und Wolfssohns Übersetzung der Klagelieder siehe den Beitrag von Kathrin Wittler im vorliegenden Band.

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ehemaligen Könige, Propheten und Regenten des Volcks […] beförderten mit allgemeinen Bestreben Wissenschaften und Künste unter den Menschen, als die Mittel zur Glückseligkeit und Vollkommenheit.“⁴⁴ Die Kenntnisse, die Wessely sowohl für gottgefällig als auch für die Bildung des Menschen als nützlich erachtete, waren nahezu allumfassend: „Alle Wissenschaften tragen zum Wohl des Menschengeschlechts bey“,⁴⁵ dazu zählte er die Geistes- und Naturwissenschaften ebenso wie die „schönen Künste“. Neben dem Erwerb der hebräischen und der deutschen Sprache nannte Wessely Philosophie und Naturrecht, Poesie und Rhetorik, Umgangsformen und darstellende Künste, Geschichte, Geografie und Ethnologie, Mathematik und Astronomie. Den „Keim“ zur wissenschaftlichen Forschung habe der „weise Schöpfer ursprünglich in des Menschen Seele gelegt“ und es sei das „Werk der Vernunft […] diese anzuwenden, zu vergleichen, und daraus die lehrreichsten und fruchtbarsten Folgen für jede Wissenschaft und Kunst zu ziehn“.⁴⁶ Hier legitimiert Wessely einerseits den Wunsch der Maskilim nach Anschluss an den aktuellen Wissensstand. In gegenseitiger Wechselwirkung zwischen Bibel und Wissenschaften betont er andererseits auch den Nutzen der diversen wissenschaftlichen Kenntnisse für das Verständnis der Heiligen Schriften selbst. So kam dem Tanach im maskilischen Bildungskonzept auch eine bedeutende Rolle zu als Vorlage für Belege in der neu zu entwerfenden wissenschaftlich-religiösen Literatur, als Lieferant für „Beweisstelle[n] aus den heiligen Urkunden“,⁴⁷ wie es Friedländer ausdrückt. Im Bildungsdenken der Haskala ist die Heilige Schrift also von zentraler Bedeutung als Quelle der Erkenntnis für jeden Menschen, gleich welchen Alters und Bildungsniveaus. Sie ist Basis des Wissens und Denkens, auf ihre Lehren wird in Diskursen aller Art zurückgegriffen. Die Bibel bietet Stoff zum Nachdenken und zur Selbstreflexion. Insofern erweitert sie den Wissenshorizont und trägt zur Verbesserung der Kenntnisse und damit zur Vervollkommnung des Menschen bei. In diesem Sinn ruft Friedländer in einer seiner Reden aus: „O ihr alten und heiligen Urkunden! Wie lehrreich, Gehaltvoll und unversieglich sind eure Quellen! Wie reizen sie das Gemüth zum Nachdenken und Weiterstreben! Wie belohnend ist ihre Ausbeute, wenn wir mit reinem Sinn unsre Aufmerksamkeit auf ihre An-

 In der Übersetzung Friedländers; CCN, S. 177.  CCN, S. 175.  CCN, S. 175.  Friedländer, David: Ueber die, durch die neue Organisation der Judenschaften in den Preußischen Staaten nothwendig gewordene, Umbildung 1) ihres Gottesdienstes in den Synagogen, 2) ihrer Unterrichts-Anstalten, und deren Lehrgegenstände, und 3) ihres Erziehungs-Wesens überhaupt. Ein Wort zu seiner Zeit. Berlin 1812. Neu ediert in: Friedländer, Werke, S. 227– 238, hier S. 237.

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weisungen und weise Lehren heften!“⁴⁸ Friedländer hebt auch die Einzigartigkeit, Universalität und Beständigkeit des Tanach hervor: Wer ist so unwissend oder so vermessen zu läugnen, daß die Heilige Schrift einem großen Theil des menschlichen Geschlechts Quelle der Erkenntniß, der Tugend, des Trostes geworden ist, – an keinem Buche der Welt hat der Scharfsinn sich so geübt. Keines enthält solche erhabene Schönheiten und tiefsinnige Wahrheiten. Das göttliche Gesetzbuch ist der Born, aus welchem Myriaden von Menschen neue Ideen geschöpft, oder noch schöpfen werden. Je mehr der Forschungen je reichhaltiger werden ihre Aufschlüsse; je mehr offenbart sich ihr immer segenreicher Gehalt.⁴⁹

Schon dreißig Jahre früher betonte Wessely im gleichen Sinn, aber deutlicher noch: […] was die Philosophen der Geschlechter in vielen Jahren und mit viel Mühe erkannt haben, das steht in der Tora nachdrücklicher und stärker in einem Ausspruch, gereinigt und siebenfach geläutert. Überdies sind Prophetie und Tora Brunnen lebendigen Wassers, aus denen alle Weisen der Welt schöpften, teils erleuchteten ihre Worte deren Gesichter, teils hörten sie ihre Worte und Einsichten aus dem Munde derer, über denen ihr Licht erstrahlte. Ohne Prophetie und Tora, welche allem vorangingen, wären die Menschen niemals zur Erkenntnis dessen gelangt, was ihnen bekannt ist.⁵⁰

Die Wechselseitigkeit der biblischen Lehren mit den Wissenschaften und Künsten tritt hier klar zutage. Für die Maskilim bot sich damit nicht nur der Anschluss an den aktuellen Stand der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, sondern sie bargen daraus auch die Wurzeln neuer Forschungen. Sie beteiligten sich selbst an den wissenschaftlichen Diskursen ihrer Zeit, und sie erweiterten auch den Wissenshorizont der bürgerlichen Gesellschaft insgesamt. Als Beispiel sei hier nur auf die philosophisch-naturwissenschaftlichen Vorlesungen von Marcus Herz (1747– 1803) und auf die psychologische „Erfahrungsseelenkunde“ von Karl Philipp Moritz (1756 – 1793) verwiesen, die durch Mendelssohn beeinflusst waren. Die Hebräische Bibel besitzt im Bildungskonzept der Berliner Haskala also einen grundlegenden Stellenwert. Im Sinne allgemeiner Menschenbildung kommt ihr eine zentrale Rolle zu als öffentlicher Wissensspeicher für ganz Israel, das heißt für alle Juden (und darüber hinaus für alle Menschen), als elementares Lehrbuch für eine modernisierte jüdische Erziehung und Religionsunterweisung  Friedländer, David: Rede über Psalm 19. In: Jedidja 1/2 (1817/18). S. 133 – 149, hier S. 135 f.  Friedländer, David: Religion und Vernunft. In: Ders.: Reden der Erbauung gebildeter Israeliten gewidmet. Berlin 1815. S. 3 – 65, hier S. 24 f.  Wessely, Naphtali H.: Vorrede zu Moses Mendelssohns Phädon. Deutsche Übersetzung von Rainer Wenzel in: Wessely, Worte des Friedens, S. 688 – 693, hier S. 690.

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und als allgemeine Erkenntnisquelle für den Anschluss an den aktuellen Stand der Wissenschaften und Künste. Dieses Konzept ist überaus modern, geradezu universal und zeitlos. Inwieweit es das Bildungsdenken späterer Generationen mitbestimmte, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Es führte jedoch zur Herausbildung einer jüdisch-bürgerlichen Identität, die sich seit der Haskala in dualer Form präsentiert und die Paul Mendels-Flohr für spätere Zeiten als die „zweiseitige Seele der deutschen Juden“⁵¹ beschreibt. Diese Dualität spiegelt sich im Bilingualismus der deutsch-hebräischen Bibelübersetzungen der Maskilim ebenso wie in Wesselys Unterscheidung zwischen Torat ha-Adam und Torat haShem, „Menschenlehre“ und „Gotteslehre“,⁵² zwischen dem Universalen menschlicher und dem Partikularen jüdischer Erziehung. Die Zweiteilung findet sich auch in Mendelssohns religions- und rechtsphilosophischer Hauptschrift Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum (1783), die zeitgleich mit seiner Pentateuch-Ausgabe erschien. Hierin begreift Mendelssohn den Staat als ein universales Rechtsinstitut, unter dessen Dach die Juden ohne Gewissenszwang ihrer partikularen Religion treu bleiben können. Das Zugehörigkeitsgefühl zu Staat und bürgerlicher Gesellschaft und zugleich zum Judentum ist dabei kein Widerspruch. In diesem Sinn kann Friedländer ohne Gewissenskonflikt an den jüdischen „Nationalstolz“ appellieren: Lassen Sie diesen, uns so oft mit Unrecht vorgeworfenen Nationalstolz, erwachen; möge in der Seele des Israeliten der Gedanke lebhaft werden: diese Propheten gehören zu den Deinigen, diese Reden sind dein Eigenthum, alle diese aus dem Meere der Zeit geretteten Meisterwerke […] sind dein unbestrittenes Erbe. Nütze sie so gut du kannst, und sollst und darfst,⁵³

und zugleich im Reformtempel Patriotismus predigen: […] laß uns, die Bekenner der israelitischen Religion, zur Glückseligkeit des Vaterlands […] nach allen Kräften beitragen. Erhalt’ in uns den Eifer und die Treue und die Hingebung, für dieses theure Reich und seinen edelmüthigen Beherrscher, daß wir keine Opfer scheuen, daß wir nie wankend in unsrer Pflicht werden, daß wir mit Gut und Blut alles beitragen, was zu seiner Verherrlichung dienen kann, damit wir dereinst vor dem Richter der Welt auftreten und sagen können: wir haben unsre Zeit zu würdigen gewußt, wir haben gelebt und froh

 Mendes-Flohr, Paul: Jüdische Identität. Die zwei Seelen der deutschen Juden. Aus dem Amerikanischen von Dorthe Seifert. München 2004 (englischer Originaltitel: German Jews. A Dual Identity. New Haven (CT) [u. a.] 1999), Kap. I. S. 15 – 44.  So in der Übersetzung Rainer Wenzels. In: Wessely, Worte des Friedens, S. 114.  Friedländer, David: Für Liebhaber Morgenländischer Dichtkunst. In: Ha-Meʼassef VII/1. Erste Zugabe (August 1794). S. 1– 6, hier S. 3. Neudrucke erschienen 1820 in der Zeitschrift Jedidja und 1821 als Sonderdruck im Berliner „Büreau für Literatur und Kunst“.

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gelebt, denn unser Leben war der Pflichterfüllung des Unterthanen – des Bürgers – des Menschen gewidmet.⁵⁴

Aus diesem abschließenden Zitat, das ganz dem maskilischen Bildungsdenken entspricht, wird noch einmal deutlich, auf welch prägende Weise die Hebräische Bibel der Text ist, auf dem die moderne jüdische Identität entscheidend ruht und aus dessen aktualisierender Übersetzung jüdische Identität seit der Haskala fortlaufend schöpft.⁵⁵

 Friedländer, David: Über den Gebrauch der Zeit. In: Ders., Reden, S. 29 – 49, hier S. 49.  Vgl. Schorch, Sakralität, S. 65.

Kerstin von der Krone

Ordnungen religiösen Wissens Tora und Bibel in jüdischen Religionslehrbüchern des 19. Jahrhunderts Abstract: The article focuses on the role of the Bible in modern German-Jewish religious education in the first half of the 19th century. Based on an analysis of systematic textbooks for religious instruction ‒ Jewish catechism and manuals ‒ it discusses the production, representation and circulation of Jewish knowledge and specifically knowledge on the Bible against the background of the transformation of Jewish education in the process of emancipation. These systematic textbooks for religious instruction represent new didactic methods and changing modes of Jewish learning which were based on new modes to classify and systematize Jewish knowledge. Furthermore this chapter shows how these textbooks reflect the making of modern Judaism and its understanding as a revealed religion, based on core ethical principles founded in the Torah.

Nur wenige Wochen nach Inkrafttreten des Preußischen Emanzipationsedikts am 11. März 1812 bat der Berliner Oberkonsistorialrat Johann Wilhelm Heinrich Nolte (1768 – 1832) David Friedländer (1750 – 1834), Lazarus Bendavid (1762– 1832) und Meyer Simon Weyl (1744– 1826) um Gutachten zum jüdischen Schulwesen und warf hinsichtlich des Religionsunterrichts die Frage auf, auf welche Weise dieser „[…] am fügliebsten von dem anderweitigen Schulunterricht getrennt u[nd] wie dem erstern mehr Allgemeinheit, Gründlichkeit u[nd] eine nähere Beziehung auf das Alte Testament gegeben werden könne?“¹ Noltes Frage ist Ausweis der Wertschätzung der Bibel, die jedoch gleichzeitig und an dieser Stelle unausgesprochen mit einer negativen Wahrnehmung traditioneller jüdischer Lehrpraktiken, dem rabbinischen Judentum im Allgemeinen und dem Talmud im Besonderen einherging. Nolte zog die drei Gutachten für einen Bericht zum jüdischen Schulwesen im kurmärkischen Regierungsbezirk heran, der zu einer Reihe von Erhebungen und Untersuchungen zählte, die infolge des Emanzipationsedikts angestoßen wurden  Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA). I. HA, Rep. 76 III, Sekt. 1, Abtl. XIIIa General 1, Sekten- und Judensachen. Nr. 1, Bd. 1. Zit. nach: Chevrat Chinuch Nearim. Die jüdische Freischule in Berlin (1778 – 1825) im Umfeld preußischer Bildungspolitik und jüdischer Kultusreform (CCN). Bd. 1/2. Hrsg. von Ingrid Lohmann u. Uta Lohmann. Münster 2001. S. 691. https://doi.org/10.1515/9783110551631-008

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und Empfehlungen geben sollten zur zukünftigen Organisation der jüdischen Gemeinden und des jüdischen Schulwesens. Das Edikt hatte diese Aspekte zunächst unberücksichtigt gelassen und weitere Beratungen mit Vertretern der jüdischen Gemeinden angeregt.² Nolte wandte sich mit Friedländer an einen der prominentesten jüdischen Streiter für die Emanzipation, der zwischen 1808 und 1814 als Ältester der Gemeinde wirkte³. Bendavid war ein Weggefährte Friedländers in der Berliner Haskala, Philosoph und Mathematiker und seit 1806 Direktor der Jüdischen Freischule.⁴ Weyl war Vize-Rabbiner und höchste religiöse Autorität der Berliner jüdischen Gemeinde, um dessen Gutachten sich Nolte mit Nachdruck bemüht hatte.⁵ Friedländer, Bendavid und Weyl nahmen in ihren Gutachten unterschiedliche Positionen ein, im Hinblick auf die Bedeutung des Talmuds, dessen Studium Friedländer für obsolet erklärte, oder hinsichtlich der Form des Hebräisch-Unterrichts, den Bendavid ebenso wie Weyl weiterhin für unabdingbar hielt, vor allem für die Erziehung der Jungen. Einig waren sich die drei Gutachter in der herausragenden Rolle von Tora und Bibel. Ebenso regten alle drei Gutachter Änderungen in den Curricula und den pädagogischen Grundlagen jüdischer Erziehung an, insbesondere hinsichtlich der Vermittlung religiösen Wissens. In diesem Zusammenhang schlugen sie auch die Einführung neuer Lehrmittel vor, in Form systematischer Religionslehrbücher und Lesebücher, welche insbesondere auf die Bibel zurückgreifen sollten. Noltes Bericht blieb ohne unmittelbare Folgen und steht damit beispielhaft für die ambivalente und letztlich inkonsequente preußische Emanzipationspoli-

 § 39: „Die nöthigen Bestimmungen wegen des kirchlichen Zustandes und der Verbesserung des Unterrichts der Juden, werden vorbehalten, und es sollen bei der Erwägung derselben, Männer des jüdischen Glaubensbekenntnisses, die wegen ihrer Kenntnisse und Rechtschaffenheit das öffentliche Vertrauen genießen, zugezogen und mit ihrem Gutachten vernommen werden.“ Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1812, S. 17– 22. Staatskanzler Hardenberg wies noch am 11. März 1812 den Leiter der Sektion für Kultus und öffentlichen Unterricht Kasper Friedrich von Schuckmann an, „baldmöglichst“ Vorschläge zur Umsetzung von § 39 vorzulegen. Vgl. CCN, S. 681. Für Noltes Bericht und die drei Gutachten siehe CCN, S. 687– 696, 707– 723.  Vgl. Lohmann, Uta: David Friedländer – Reformpolitik im Zeichen von Aufklärung und Emanzipation. Kontexte des Preußischen Judenedikts vom 11. März 1812. Hannover 2013.  Vgl. Feiner, Shmuel: The Freischule on the Crossroads of the Secularization Crisis in Jewish Society. In: CCN, S. 6 – 12 und Lohmann, Ingrid: Die jüdische Freischule in Berlin – eine bildungstheoretische und schulhistorische Analyse. Zur Einführung in die Quellensammlung. In: CCN, S. 13 – 84.  Vgl. CCN, S. 720. Vgl. zu Weyl Stern, Moritz: Meyer Simon Weyl, der letzte kurbrandenburgische Landesrabbiner. In: Jeschurun 13 (1926). S. 181– 185 u. 290 – 308.

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tik.⁶ Erst 1824 sollten weitere rechtliche Verordnungen zum jüdischen Schulwesen folgen.⁷ Die Emanzipationsgesetzgebung anderer deutscher Staaten griff deutlich früher und umfassender in das jüdische Erziehungswesen und damit in einen der Kernbereiche jüdischer Autonomie ein, durch konkrete Vorschriften zur Gründung von Gemeindeschulen, zur Qualifikation von Lehrern und Lehrinhalten.⁸ Jedoch gründete die Transformation jüdischer Erziehung in Mittel- und Zentral-Europa seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts nicht allein im Wandel der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen schulischer Bildung, sondern wurde maßgeblich von der Haskala und ihrer Kritik an Inhalten und Methoden der traditionellen jüdischen Erziehung vorangetrieben. Maskilim entwickelten neue Curricula, gründeten Schulen und veröffentlichten zahlreiche Publikationen, die sich nicht nur mit Wissenschaft und Philosophie auseinandersetzten, sondern in signifikantem Umfang der Erziehung und Bildung dienten. Sie schufen eine „Bibliothek der Haskala“⁹, zu der auch Lesebücher und Anthologien, Kinderbibeln und Elementarwerke gehörten. Um die Jahrhundertwende folgten Lehrbücher, die Wissen um Judentum und jüdische Religion systematisch geordnet darstellten und mit Anspruch auf Verbindlichkeit in eine pädagogisch aufbereitete Sprache übersetzten. Diese Lehrbücher sollten nicht nur einem neuartigen jüdischen Religionsunterricht in den jüdischen Schulen dienen, sondern auch jene jüdischen Kinder erreichen, die in

 Vgl. zuletzt Diekmann, Irene (Hrsg.): Das Emanzipationsedikt von 1812 in Preußen. Der lange Weg der Juden zu „Einländern“ und „preußischen Staatsbürgern“. Berlin 2013 (Europäisch-jüdische Studien Beiträge 10). Zur konfliktreichen Umsetzung des Edikts vgl. Szulc, Michał: A Gracious Act or Merely a Regulation of Economic Activity? A Daily Life Perspective on the Reception of the Prussian Emancipation Edict of 1812. In: The Leo Baeck Institute Year Book 59 (2014). S. 23 – 36.  Ein Zirkular-Reskript des Königlichen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten vom 15. Mai 1824 schrieb die Unterrichtspflicht für jüdische Kinder verbindlich vor und enthielt Vorgaben zur Qualifikation jüdischer Lehrer. Jahrbuch für das Volksschulwesen 3 (1827). S. 12– 17. Vgl. Eliav, Mordechai: Jüdische Erziehung in Deutschland im Zeitalter der Aufklärung und der Emanzipation. Münster 2001. S. 240 – 243 u. Brämer, Andreas: Leistung und Gegenleistung. Zur Geschichte jüdischer Religions- und Elementarlehrer in Preußen 1823/24 bis 1872. Göttingen 2006. S. 90 – 110.  In Habsburg entstanden deutsche Schulen für „israelitische Untertanen“, die die traditionellen Chadarim ersetzen sollten. Das Vorhaben hatte nur begrenzten Erfolg. Vgl. hierzu u. a. Sadowski, Dirk: Haskala und Lebenswelt. Herz Homberg und die jüdischen deutschen Schulen in Galizien 1782– 1806. Göttingen 2010. Die Emanzipationsedikte für Baden, Württemberg, Bayern und Mecklenburg enthielten Regelungen zum Schulwesen. Zur rechtlichen Entwicklung des deutschjüdischen Schulwesens vgl. Eliav, Erziehung, S. 229 – 269.  Vgl. Feiner, Shmuel [u. a.] (Hrsg.): The Library of the Haskalah. The Creation of a Modern Republic of Letters in Jewish Society in the German-Speaking Sphere. Tel Aviv 2014 [Hebräisch].

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wachsender Anzahl öffentliche, das heißt christliche Schulen besuchten. Ab Mitte des 19. Jahrhundert galt dies für die Mehrheit jüdischer Jungen oder Mädchen. Die Aneignung von dezidiert „jüdischem“ Wissen erfolgte vor allem in den Familien und in ergänzenden Religionsschulen, welche zahlreiche Gemeinden – teils auf staatliche Vorgaben hin – in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einrichteten. Religionslehrbücher trugen diesen vielfältigen Bildungsräumen Rechnung und sollten der religiösen Unterweisung in „Schule und Haus“ dienen. Zugleich gründeten sie auf neuen Wissensordnungen, vor allem auf neuen Formen der Strukturierung und Kategorisierung jüdischen Wissens. Dieser Beitrag nimmt deutsch-jüdische Religionslehrbücher der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Ausgangspunkt einer Untersuchung dieser Neuordnung jüdischen Wissens und fragt nach der Stellung von Tora und Bibel für die moderne jüdische religiöse Erziehung.

1 Zur Genese des modernen jüdischen Religionslehrbuches Jüdische Religionserziehung, wie sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand, schrieb wesentliche Ideale des maskilischen Bildungsprogrammes fort, vor allem die Wertschätzung von Tora und Bibel. Dies zeigte sich beispielsweise in maskilischen Lesebüchern und Elementarwerken,¹⁰ welche die Vermittlung von Sprachwissen mit moralisch-sittlicher Erbauung verbanden und hierfür häufig auf biblische Motive zurückgriffen. Elementarwerke enthielten häufig bereits gesonderte Kapitel zur jüdischen Religion, die den systematischen Religionslehrbüchern vorgriffen. Diese neue pädagogisch orientierte jüdische Literatur richtete sich in der Regel an die „israelitische Jugend beyderlei Geschlechts“¹¹ und reflektierte damit ein wachsendes Interesse an der Erziehung und Bildung jüdischer Mädchen und Frauen. Traditionell blieb das Tora-Studium Männern vorbehalten, Mädchen und Frauen erhielten nur selten eine umfangreiche religiöse Unterweisung.¹² Dies  Jüdische Elementarwerke orientierten sich meist an Friedrich von Rochows (1734– 1805) Der Kinderfreund. Ein Lesebuch zum Gebrauche in Landschulen (1776).  Zum Beispiel bei Juda Leib ben Ze’ev: Jesode ha-Dat. Religionslehrbuch für die jiddische Jugend beyderlei Geschlechts. Berlin 1811 und Josef Johlson Alume Josef. Unterricht in der mosaischen Religion für die israelitische Jugend beiderlei Geschlechts. Frankfurt am Main 1814.  Töchter wichtiger Rabbiner konnten durchaus vertiefende Kenntnis der Tora erlangen. Vgl. Fishman, Talya: Becoming the People of the Talmud. Oral Torah as Written Tradition in Medieval Jewish Cultures. Philadelphia (PA) 2011. S. 104– 106.

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bedeutete jedoch nicht, dass Mädchen von jeglicher Bildung ausgeschlossen waren. Je nach sozialer Stellung und lokalen Bräuchen erhielten sie Privatunterricht, besuchten einen Cheder und ab dem 18. Jahrhundert jüdische Privatschulen bzw. die ersten Gemeindeschulen.¹³ Das Tora-Wissen von Mädchen und Frauen beschränkte sich weitgehend auf die Kenntnis religiöser Praktiken und der sie betreffenden halachischen Vorschriften. Der traditionelle jüdische Elementarunterricht in den Chadarim lehrte Wissen um Tora und Bibel ausgehend von der rabbinischen Auslegung und wurde maßgeblich von mündlichen Vermittlungsformen geprägt. Als Lehrmittel dienten zuweilen Siddurim, Chumashim oder nicht mehr verwendete Tora-Rollen. Im Unterricht für fortgeschrittene Schüler fanden Mischna-, respektive TalmudTraktate bzw. rabbinische Kompilationen wie die Mikraʼot Gedolot Anwendung. Dem selbstständigen Bibelstudium und der Vertiefung der Kenntnisse der hebräischen Sprache wurde meist nur wenig Aufmerksamkeit beigemessen, ein Umstand, den nicht erst die Maskilim kritisierten.¹⁴ Sie waren es jedoch, die erstmals grundlegende Neuerungen einführten, welche letztlich auch die Grundlage für einen modernen jüdischen Religionsunterricht als gesondertes Lehrfach legten. Dies bedingte jedoch auch eine zeitliche Verdichtung auf wenige Stunden pro Woche – ob in jüdischen Ganztagsschulen oder den sukzessiv entstehenden, ergänzenden Religionsschulen. Damit einher ging eine inhaltliche Fokussierung auf die Frage, was jüdische Kinder notwendigerweise vom Judentum und von jüdischer Religion wissen mussten. Der moderne jüdische Religionsunterricht brach letztlich mit einer wesentlichen Grundprämisse des traditionellen jüdischen Erziehungswesens. Nicht mehr die Verpflichtung eines jeden männlichen Juden zum Tora-Studium und die potentielle Zukunft als TalmudGelehrter bestimmte die Inhalte, sondern die Erziehung der jüdischen Jugend in ihrer Gesamtheit – Jungen wie Mädchen – zu „sittlichen“ und „nützlichen“ Untertanen und (Staats‐)Bürgern. Naphtali Herz Wessely (1725 – 1805) hatte diese Neuorientierung bereits in seiner wirkmächtigen Erziehungsschrift Divre Shalom we-Emet (Worte des Friedens und der Wahrheit, 1782) vorweggenommen.¹⁵ Mit

 Sheffer, Anne: Beyond Heder, Haskalah and Honeybees. Genius and Gender in the Education of Seventeenth- and Eighteenth-Century Judeo-German Women. In: Recovering the Role of Women. Power and Authority in Rabbinic Jewish Society. Hrsg. von Peter J. Haas. Atlanta (GA) 1992. S. 85 – 109.  Vgl. Schatz, Andrea: Sprache in der Zerstreuung. Die Säkularisierung des Hebräischen im 18. Jahrhundert. Göttingen 2009. S. 73 – 109.  Divre Shalom we-Emet erschien erstmals auf Hebräisch im Januar 1782 und wurde von David Friedländer umgehend ins Deutsche übersetzt. Wessely verfasste zwischen 1782 und 1785 drei weitere Sendschreiben, die nachfolgend stets zusammengefasst erschienen.Vgl. hierzu Lohmann,

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Blick auf die religiöse Erziehung war Wessely zudem einer der ersten, der didaktisch aufbereitete Lehrbücher einforderte, welche dem Unterricht Ordnung und Struktur geben sowie die Vermittlung von Tora-Wissen anleiten sollten.¹⁶ Deutsch-jüdische Religionslehrbücher erschienen im Zuge der Etablierung des modernen Religionsunterrichts und wurden von Lehrer häufig auf Grundlage ihres eigenen Unterrichts entwickelt.¹⁷ Sie entstanden auch auf Wunsch von Gemeinden, Schulen oder gar staatlichen Behörden. Im Zuge des wachsenden staatlichen Einflusses auf das Schulwesen im Allgemeinen und das jüdische Schulwesen im Besonderen wurden amtliche Prüfungen für Lehrmittel eingeführt, die teils parallel zu Zensurvorschriften galten.¹⁸ In Habsburg wurde Herz Hombergs (1749 – 1841) Bne Zion 1812 von Amtswegen zum Gebrauch in den jüdischen deutschen Schulen vorgeschrieben und war zugleich Grundlage einer Religionsprüfung, welche Heiratswillige abzulegen hatten.¹⁹ Diese Umstände und Hombergs vielen zu abstrakte und stark in aufklärerischen Ideen gründende Darstellung führten teils zu scharfer Kritik an Bne Zion. Überhaupt waren diese Lehrbücher anfangs durchaus umstritten. 1820 lehnte Leopold Zunz (1794– 1886) ihre Einführung zwar nicht prinzipiell ab, betrachtete diese aber nicht als dringliche Aufgabe. Vielmehr bedürfe das jüdische Erziehungswesen in erster Ingrid u. Rainer Wenzel (Hrsg.): Naphtali Herz Wessely „Worte des Friedens und der Wahrheit“. Dokumente einer Kontroverse über Erziehung in der europäischen Spätaufklärung. Münster 2014. Siehe zu Wesselys Forderungen auch den Beitrag von Uta Lohmann im vorliegenden Band.  So unter anderem im Zweiten Sendschreiben vom April 1782 sowie im Dritten Sendschreiben vom April 1784. Vgl. Lohmann/Wenzel (Hrsg.), Naphtali Herz Wessely, S. 158 f. u. 210.  Am Anfang des 19. Jahrhunderts finden sich in deutschen Staaten jüdische Privatlehrerinnen und von Frauen geführte jüdische Töchterschulen. Die traditionelle religiöse Unterweisung wie der moderne jüdische Religionsunterricht oblag jedoch Lehrern. Noch 1873 hielt der DeutschIsraelitische Gemeindebund die Zeit nicht für „reif“ die Frage weiblicher Lehrkräfte für den Religionsunterricht zu diskutieren. Vgl. Mitteilungen des Deutsch-Israelitischen Gemeindebunds 1873, S. 19. Eine prominentere Rolle in der religiösen Erziehung spielten Frauen in den amerikanisch-jüdischen Gemeinden, ob als Lehrerinnen oder Autorinnen. Rebecca Gratz (1781– 1869) begründete 1838 in Philadelphia die erste Hebrew Sunday School. Dennoch bleibt festzuhalten, dass auch hier überwiegend Männer mit dem Religionsunterricht betraut wurden.  In Preußen wurden entsprechende Dienstinstruktionen für die Provinzialkonsistorien am 3. Oktober 1817 erlassen. Vgl. Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten. Berlin 1817, No. 433, S. 229 – 245. Diese galten zunächst nur für öffentliche Schulen. Mit dem ZirkularReskript vom 15. Mai 1824 wurde ihr Geltungsbereich auf das jüdische Schulwesen ausgeweitet.  Vgl. Wenzel, Rainer: Judentum und „bürgerliche Religion“. Religion, Geschichte, Politik und Pädagogik in Herz Hombergs Lehrbüchern. In: Jüdische Erziehung und Aufklärerische Schulreform. Analysen zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Hrsg. von Britta L. Behm [u. a.]. Münster 2002. S. 335 – 357 und Manekin, Rachel: The Moral Education of the Jewish Youth. The Case of Bne Zion. In: The Enlightenment in Bohemia: Religion, Morality and Multiculturalism. Hrsg. von Ivo Cerman [u. a.]. Oxford 2011. S. 273 – 293.

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Linie geeigneter Lehrer mit umfassender wissenschaftlicher Bildung und tiefer Kenntnis jüdischer Tradition und Literatur.²⁰ Meyer Simon Weyl hat ungeachtet seiner wohlwollenden Position aus dem Jahre 1812 nie die Einführung eines systematischen Religionslehrbuches vorangetrieben und lehnte 1814 zwei in Berlin erschienene Lehrbücher – verfasst von Eduard Kley und Moses Hirsch Bock – als ungeeignet ab.²¹ Auch die Ende des Jahres 1825 eingerichtete Berliner Gemeindeschule setzte in den ersten Jahren kein entsprechendes Lehrbuch ein.²² Baruch Auerbach (1793 – 1864), Lehrer an ebendieser Schule, sah es 1829 als „noch zu lösende Aufgabe“ an, ein „gutes Lehrbuch“ zu verfassen. Auerbach kritisierte die prominente Stellung von Prinzipienkatalogen wie Maimonides’ Dreizehn Prinzipien in den bisher erschienenen Lehrbüchern, die er als ungenügende und verengte Darstellung der Fundamente des Judentums erachtete.²³ Es ist kaum möglich, genaue Aussagen darüber zu treffen, in welchem Umfang diese Lehrbücher in der familiären wie schulischen religiösen Erziehung zum Einsatz kamen. Für einige Schulen liegen veröffentlichte Schulberichte vor, welche jedoch nicht in jedem Fall Auskunft über verwendete Lehrmittel geben. Vereinzelt finden sich auch Inventarlisten für Religionsschulen in Gemeindearchiven.²⁴ Der unklaren Quellenlage steht jedoch eine beeindruckend hohe Anzahl von Publikationen gegenüber. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erschienen im deutschsprachigen Europa mehr als 100 Lehrbücher zur jüdischen Religion,

 „Der Religionslehrer muss ein wissenschaftlich gebildeter Mann von bewährten Kenntnissen und guten Sitten sein […] Es wird vorausgesetzt, dass der Lehrer das Judenthum kenne, also sind Catechismen nur Nebensache. Indes kann mit der Zeit eins angelegt und sanctionirt werden.“ Leopold Zunz an B. Lindau, 17. März 1820, Berlin [Empfehlungen zum jüdischen Religionsunterricht der jüdischen Gemeinde zu Königsberg], zit. nach: Maybaum, Siegmund: Aus dem Leben Leopold Zunz’. In: Zwölfter Bericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums. Berlin 1894. S. 1– 63, hier S. 5 f.  Vgl. Anzeige, unterzeichnet von Meyer Simon Weyl, S. J. Landsberger und L. Hurwitz, 30. August 1814. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. No. 106, den 3ten September 1814. S. 7.  Ein Bericht zur Schule aus dem Jahre 1832 verzeichnet Kippot und Gebetsmäntel, Lehrmittel für den Hebräisch-Unterricht sowie Gebetbücher (hebräisch), Tafeln mit Segenssprüchen, Gebeten (hebräisch) und Bibelsprüchen (hebräisch und deutsch) sowie Bibeln (hebräisch). Vgl. Auerbach, Baruch: Über die gegenwärtige Einrichtung der jüdischen Gemeindeschule Talmud Tora zu Berlin. Berlin 1832. S. 29 f.  CCN, S. 1192– 1206.  Entsprechende Inventarlisten finden sich beispielsweise in Archiven einiger bayrischer Gemeinden, unter anderem im Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth: Central Archive for the History of the Jewish People. D/Ba28 – 250.

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häufig in mehreren Auflagen, Neubearbeitungen und Übersetzungen.²⁵ Unter den Autoren finden sich Maskilim, Reformpädagogen und Vertreter der ersten Generation universitär gebildeter Rabbiner. Systematische Religionslehrbücher waren jedoch kein spezifisches Medium der Reform, sondern wurden ebenso von deutlich konservativer eingestellten Autoren verfasst, die traditionstreuen und orthodoxen Kreisen angehörten.²⁶ Die Lehrbücher verwendeten mehrheitlich Deutsch und setzten Hebräisch ergänzend ein. Juda Leib ben Zeʼevs (1764 – 1811) Jesode ha-Dat (1811), vollständig in hebräischer Schrift erschienen, mit einem hebräischen und einem deutschen Teil in hebräischer Schrift, bildet hier eine Ausnahme.²⁷ Die deutschsprachigen

 Vgl. Rappel, Dov: Bibliography of Jewish Textbooks (1488 – 1918). Tel Aviv 1995. Zu deutschjüdischen Religionslehrbüchern vgl. Petuchowski, Jakob J.: Manuals and Catechisms of the Jewish Religion in the Early Period of Emancipation. In: Studies in Nineteenth-Century Jewish Intellectual History. Hrsg. von Alexander Altmann. Cambridge 1964. S. 47– 64; Rappel, Dov: Ha-Chinnuch ha-Jehudi be-Germania be-Mea ha-19. In: Tora im Derech Eretz. Hrsg. von Mordechai Breuer. Tel Aviv 1987. S. 199 – 216; Gotzmann, Andreas: The Dissociation of Religion and Law in NineteenthCentury German-Jewish Education. In: The Leo Baeck Institute Year Book 43 (1998). S. 103 – 126 und Krone, Kerstin von der: Old and New Orders of Knowledge in Modern Jewish History. In: Bulletin of the German Historical Institute 59 (2016). S. 59 – 82.  Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich wesentlich auf eine Detailanalyse von zehn Lehrwerken, die zwischen 1809 und 1838 in den deutschen Staaten, einschließlich Habsburg, erschienen und die beispielhaft für das Spektrum deutsch-jüdischer Religionslehrbücher der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stehen: Beer, Peter: Dat Israel, Oder: Das Judenthum. Das ist: Versuch einer Darstellung aller wesentlichen Glaubens- Sitten- und Ceremoniallehren heutiger Juden. Zum Gebrauche bei dem Elementarreligionsunterrichte ihrer Jugend. Nebst einem Anhange für Lehrer. Bd. 1– 2. Prag 1809; Ze’ev, Juda Leib ben: Jesode ha-Dat. Religionslehrbuch für die jiddische Jugend beyderlei Geschlechts. Berlin 1811; Homberg, Herz: Bne Zion. Ein ReligiösMoralisches Lehrbuch Für die Jugend Jüdischer Nation. Wien 1812; Kley, Eduard: Edut Adonai. Catechismus der mosaischen Religion. Berlin 1814; Johlson, Josef: Alume Josef. Unterricht in der mosaischen Religion für die israelitische Jugend beiderlei Geschlechts. Frankfurt am Main 1814; Benet, Naphtali ben Mordechai: Emunat Israel. Ein Hülfsbuch zum Unterrichte in der mosaischen Religion. Wien 1824; Behr, Alexander: Lehrbuch der mosaischen Religion. München 1826; Herxheimer, Salomon: Jesode ha-Tora. Israelitische Glaubens- und Pflichtenlehre für Schule und Haus. Hannoversch Münden 1831; Maier, Joseph: Lehrbuch der israelitischen Religion. Zum Gebrauche der Synagogen und israelitischen Schulen im Königreich Württemberg. Stuttgart 1837 und Plessner, Salomon: Dat Moshe we-Jehudit oder: Jüdisch-Mosaischer Religionsunterricht für die israelitische Jugend. Berlin 1838.  Dieses Format blieb bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts bei Maskilim beliebt und lehnte sich an frühneuzeitliche Druckpraktiken an. Zu den Publikationspraktiken der Haskala siehe Feiner, Library. Zu Juda Leib ben Zeʼev siehe auch den Beitrag von Hannes Bezzel, Louise Hecht und Grit Schorch im vorliegenden Band.

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Lehrbücher verfügten meist über einen hebräischen Haupttitel,²⁸ der auf biblische oder rabbinische Motive Bezug nahm. Darüber hinaus wurden häufig zentrale Begriffe in hebräischer Schrift gedruckt, zum Beispiel „Tora“, „Halacha“ oder der Gottesname. Ausführliche Passagen in Hebräisch – meist Zitate aus der Bibel, aber auch aus der rabbinischen Literatur – finden sich nicht nur bei Autoren, die dem traditionstreuen, respektive orthodoxen Spektrum zuzuordnen sind, sondern auch bei Reformpädagogen wie Josef Johlson (1777– 1851). Die einhellige Verwendung der deutschen Sprache war Ausdruck eines Sprachwandels, der von der Haskala und nachfolgenden Reformbewegungen befördert und vom Staat eingefordert wurde und bemerkenswert schnell Umsetzung fand.²⁹ Deutsch ersetzte jedoch nicht nur Jiddisch, das von den Maskilim als „korrumpiert“, als „Jargon“, abgelehnt wurde, sondern entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zur lingua franca des mitteleuropäischen Judentums. Auch wenn Hebräisch Bestandteil der Curricula jüdischer Schulen blieb, nahm das breite Wissen um Sprache und Schrift letztlich ab. Hebräisch blieb – neben dem Deutschen – als Sprache von Gottesdienst und religiöser Praxis heilige Sprache. Viele Lehrbücher lehnten sich in ihrem didaktischen Anspruch an Handbücher an und waren mit 100 bis 300 Seiten eher umfangreich. Als solche sollten sie Lehrer und Eltern in der religiösen Unterweisung anleiten oder fortgeschrittenen Schülerinnen und Schülern sowie Erwachsenen zum Selbststudium dienen. Für jüngere Kinder waren sie auf Grund der viel zu komplexen Sprache nicht geeignet. Parallel zu diesen handbuchartigen Lehrbüchern erschienen auch kürzere Darstellungen der jüdischen „Glaubensprinzipien“ in wenige Seiten umfassenden Heften oder Broschüren, die für den Konfirmationsunterricht bzw. zur unmittelbaren Vorbereitung der Konfirmation vorgesehen waren.³⁰

 Herz Hombergs Bne Zion nutzt keine hebräische Schrift, ebenso wie die erste Ausgabe von Salomon Herxheimers Jesode ha-Tora, mit Ausnahme des Titels. Alle nachfolgenden Ausgaben setzen Hebräische Letter auch im Text ein. Keine hebräischen Titel enthalten die Lehrbücher von Alexander Behr und Joseph Maier.  Vgl. Gotzmann, Andreas: Vatersprache und Mutterland. Sprache als nationaler Einheitsdiskurs im 19. Jahrhundert. In: Jüdische Sprachen in deutscher Umwelt. Hebräisch und Jiddisch von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert. Hrsg. von Michael Brenner. Göttingen 2002. S. 28 – 42 und Lässig, Simone: Sprachwandel und Verbürgerlichung. Zur Bedeutung der Sprache im innerjüdischen Modernisierungsprozess des frühen 19. Jahrhunderts. In: Historische Zeitschrift 270 (2000). S. 617– 667.  Die Konfirmation als neuartiges Element jüdischer religiöser Unterweisung richtete sich an Mädchen wie Jungen und wurde von einigen als Ersatz der Bar Mitzwa, von anderen als ihre Erneuerung und Erweiterung verstanden. Sie legte letztlich die Grundlagen für die Bat Mitzwa. Vgl. hierzu Baader, Benjamin M.: Gender, Judaism, and Bourgeois Culture in Germany. 1800 – 1870. Bloomington (IN) 2006. S. 146 – 151.

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In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nutzten zahlreiche jüdische Religionslehrbücher das Format des Katechismus.³¹ Ungeachtet der Kritik von Reformpädagogen und Philanthropisten blieb der Katechismus das maßgebliche Lehrmittel des christlichen Religionsunterrichtes und oft das einzige verwendete Lehrbuch in deutschen Volksschulen. Die Katechismusliteratur florierte im Allgemeinen seit dem 18. Jahrhundert und brachte nicht nur Werke zur Religionserziehung hervor, sondern zu ganz unterschiedlichen Themen, den Naturwissenschaften, der Musik, den handwerklichen Professionen oder der Politik.³² Jüdische Lehrer und Lehrbuch-Autoren übernahmen hier also ein weithin akzeptiertes didaktisches Format, das auch jenen Staatsbeamten ein Begriff war, die mit der Prüfung und Genehmigung von Lehrbüchern für jüdische Schulen betraut waren. Die Existenz jüdischer Katechismen sollte daher nicht voreilig als Christianisierung oder gar Protestantisierung verstanden werden. Die Popularität des Katechismus als Format lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, die sich wechselseitig verstärkten. Hierzu zählte das Bestreben, Wissen um Judentum und jüdische Religion systematisch geordnet und didaktisch aufbereitet darzustellen, womit Autoren nicht nur die jüdische Religionserziehung grundlegend neugestalten wollten, sondern auch dem zeitgenössischen Streben nach Ordnung, Klassifizierung und Systematisierung folgten. Der christliche, vor allem der protestantische Religionsunterricht hatte selbstverständlich Vorbildcharakter, auch bedingt durch die konfessionelle Prägung des öffentlichen Schulwesens und das wachsende staatliche Interesse an Erziehung und Schule. Ebenso darf nicht vergessen werden, dass die Emanzipationspolitik und ihre bildungspolitischen Komponenten Teil weitreichender Staatsreformen waren, welche auf „Sittlichkeit“

 Sieben der zehn Lehrbücher in der Auswahl sind Katechismen. Einige Autoren benennen ihre Lehrwerke als Katechismus, andere verweisen auf die Ordnung der Darstellung mit dem Titelzusatz in Fragen und Antworten. Bei ben Zeʼev wird hieraus in direkter Übersetzung She’elot uTeshuvot, womit üblicherweise rabbinische Responsen bezeichnet werden. Ein erster jüdischer Katechismus entstand mit Abraham Jagels (1553 – 1623) Lekach Tov (Venedig, 1587) bereits im 16. Jahrhundert.Vgl. Maybaum, Siegmund: Abraham Jagel’s Katechismus Lekach-Tob. In: Zehnter Bericht der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums (1892). S. 3 – 18; Faierstein, Morris M.: Abraham Jagel’s Leqah tov and Its History. In: The Jewish Quarterly Review. New Series 89. Nr. 3/4 (1999). S. 319 – 350.  Zum Beispiel Stein, Georg W.: Katechismus zum Gebrauche der Hebammen in den Hochfürstlichen Hessischen Landen. Nebst Hebammen-Ordnung und Anlagen. Marburg 1801; Mundt, Theodor: Katechismus der Politik. Darstellung und Erörterung der wichtigsten politischen Fragen und Staatsverfassungen. Dem deutschen Volke gewidmet. Berlin 1848 oder Petzholdt, Julius: Katechismus der Bibliothekenlehre. Anleitung zur Einrichtung und Verwaltung von Bibliotheken. Leipzig 1877.

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und „Nützlichkeit“ ausgerichtet waren. Mit Blick auf das Judentum ging dies jedoch stets mit dem Vorwurf einher, diesem fehle es an jedwedem sittlich-moralischen Charakter. Der moderne jüdische Religionsunterricht versuchte auch hierauf eine Antwort zu geben und rekurrierte dabei im Besonderen auf die Hebräische Bibel, die Judentum wie Christentum gleichermaßen als Fundament galt.

2 Wissen um Tora und Bibel Deutsch-jüdische Religionslehrbücher des 19. Jahrhunderts nehmen in vielfältiger Weise auf die Bibel Bezug. Zunächst bildet diese den systematisch-theologischen Kern und ist allen Autoren Fundament des Judentums. Und doch beginnt die Mehrheit der Lehrbücher nicht mit der Offenbarung, sondern führt zunächst Religion als allgemeine Kategorie ein, zu der das Judentum als besondere Ausformung – als Offenbarungsreligion – ins Verhältnis gesetzt wird. Religion wird hierbei weitgehend naturrechtlich begründet, als unerlässliche Grundlage sozialer Ordnung und gleichsam natürliche Form der Vergesellschaftung von Menschen.³³ Die sich anschließenden Ausführungen zur Tora definieren diese als Produkt einer zweifachen Offenbarung, als schriftliche und mündliche Tora. Die Fünf Bücher Moses als Verkörperung der schriftlichen Tora werden als besonderer Bestandteil der Hebräischen Bibel hervorgehoben, woran sich häufig eine kurze Einführung zu den weiteren biblischen Büchern anschließt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass einige Autoren die Bibel – ebenso wie den Talmud – in ihren Entstehungskontext einordnen und damit historisieren.³⁴ Die Tora selbst wird als Kern der Offenbarung hiervon jedoch stets ausgenommen. In den Ausführungen zum Verhältnis von schriftlicher und mündlicher Tora zeigen sich deutliche Unterschiede. Die mündliche Tora wird zwar meist als Interpretation bzw. Auslegung der schriftlichen Tora definiert und als Grundlage der Halacha, des jüdischen Rechts, eingeführt. Auch wird der Talmud von den meisten Autoren als Verschriftlichung der mündlichen Lehre genannt, jedoch nicht im Einzelnen diskutiert. Der Halacha wird mehr Aufmerksamkeit eingeräumt. Dabei nehmen einige Autoren eine Klassifizierung jüdischen Rechts vor und unterscheiden dieses in verschiedene Bereiche, zum Beispiel in Moralgesetz, Zeremonialgesetz (religiöse Praxis) und Staatsgesetz. Diese Unterscheidung bietet wiederum Anlass, die Bedeutung einzelner Rechtsbereiche zu erörtern. So betonen einige Autoren, dass Gebote, die das antike Israel betreffen (das Staatsgesetz),

 Bis auf Behr trifft dies auf alle Lehrbücher zu.  Vgl. Johlson, Alume Josef, S. 32 f.; Kley, Edut Adonai, S. 37 u. Plessner, Dat Moshe, S. 37 f.

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gegenwärtig keine Anwendung finden.³⁵ Dies bedeutete jedoch nicht zwingend die Aufgabe dieser Rechtsbestände, sondern ihre Aussetzung, womit die Verbindlichkeit der Halacha, in ihrer Gesamtheit begründet in der mündlichen Tora, erhalten bleibt. Autoren wie Herz Homberg, Eduard Kley (1789 – 1867) und Joseph Maier (1797– 1873) argumentieren hier radikaler, halten Teile des jüdischen Rechts für obsolet und privilegieren das sogenannte Moralgesetz, das als „mosaisches Gesetz“ stets auf die schriftliche Tora zurückgeführt wird. Kley argumentiert in der ersten Auflage seines Lehrbuches von 1814 noch vorsichtig und lässt die Verbindlichkeit der mündlichen Tora als Teil der Offenbarung ungewiss werden, indem er erklärt, sie „solle“ Moses am Sinai offenbart worden sein.³⁶ In der dritten, umfangreich überarbeiteten und erweiterten Auflage von Edut Adonai aus dem Jahre 1839 ergänzt Kley seine Ausführung um die Feststellung, dass Mischna und Gemara „des Trefflichen zur Belehrung viel [enthalten], aber nicht mehr als das geoffenbarte Wort Gottes betrachtet und zur heiligen Schrift gezählt werden [können]“.³⁷ Joseph Maier zweifelte wiederum, dass die mündliche Tora in Form des Talmuds je „eine doctrinelle (dogmatische)“³⁸ Stellung eingenommen habe und weist ihr lediglich eine rituelle und juridische Bedeutung zu, welche er jedoch der Bibel als heiliger Schrift unterordnet. Kley und Maier einte, wie viele Vertreter der Reformbewegung, eine grundsätzlich kritische Haltung zum rabbinischen Judentum. Die Lehrbücher von Salomon Herxheimer³⁹ (1801– 1884) und Josef Johlson zeigen jedoch, dass aus der Befürwortung religiöser Reformen nicht zwangsläufig eine ablehnende Haltung zum Talmud folgen musste. Das Bekenntnis beider Autoren zur Verbindlichkeit von mündlicher Lehre und Talmud verweist auf den komplexen Charakter der Reformdebatte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die bis in die vierziger Jahre kaum gefestigte Lager kannte und ein breites Spektrum an Perspektiven und Positionen aufwies. Wie Salomon Plessner (1797– 1883), Alexander Behr oder Naphtali Benet (1789 – 1857) machten sich moderate Reformer wie Herxheimer und Johlson die Flexibilität der jüdischen Auslegungstradition zu eigen und suchten in der Tradition nach Deutungsmustern und Handlungsstrategien für die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der modernen Welt.

 Z. B. bei Behr, Benet, Herxheimer und Plessner.  Kley benennt Mischna und Gemara als Kern der mündlichen Tora, erwähnt den Talmud als übergreifende Bezeichnung dieser beiden Textsammlungen jedoch nicht. Vgl. Kley, Edut Adonai, S. 37.  Kley, Edut Adonai 3. Aufl. Leipzig 1839. S. 76.  Maier, Lehrbuch, S. viii.  Zu Salomon Herxheimers Lehrbuch Jesode ha-Tora siehe den Beitrag von Klaus Herrmann im vorliegenden Band.

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Wie bereits Andreas Gotzmann hervorgehoben hat, ist die von deutsch-jüdischen Religionslehrbüchern vorgenommene Differenzierung zwischen der rechtlichen und der ethischen Dimension jüdischer Tradition notwendige Voraussetzung, um das Judentum als ethisch verfasste Offenbarungsreligion beschreiben zu können.⁴⁰ Dies lässt sich eindrücklich anhand zweier biblischer Motive zeigen, die in nahezu allen Lehrbüchern eine prominente Stellung einnehmen. Da sind zum einen die Zehn Gebote, die in nahezu allen Lehrbüchern enthalten sind.⁴¹ So wird der Dekalog mindestens in Deutsch, in einigen Lehrbüchern auch in Deutsch und Hebräisch abgedruckt⁴² und ausführlich diskutiert, entweder in direktem Anschluss an die Ausführungen zur Offenbarung oder aber zum Abschluss des Lehrbuches.⁴³ In einigen Lehrbüchern dienen die Zehn Gebote als strukturierendes Element, indem die einzelnen Gebote zum Ausgangspunkt für eine ausführliche Diskussion der Fundamente des Judentums werden.⁴⁴ Neben den Zehn Geboten finden sich in fast allen Lehrbüchern zudem systematische Aufstellungen jüdischer Glaubensprinzipien, entweder in Form von Maimonides‘ Dreizehn Prinzipien oder Joseph Albos drei Hauptprinzipien des Judentums. Beide Elemente – Zehn Gebote und Glaubensprinzipien – wurden dem Anspruch auf systematische Ordnung gerecht und hatten aus didaktischer Sicht Vorteile in der Vermittlung religiösen Wissens. Zugleich bildeten sie eine Parallele zu christlichen Lehrbüchern, die von jeher die Zehn Gebote ausführlich behandelten. Vor diesem Hintergrund forderten die herausgehobene Stellung der Zehn Gebote sowie die Bedeutung von Prinzipienkatalogen die Frage heraus, ob ihnen ein besonderer normativer Charakter beigemessen werde. Denn in der Behandlung des Dekalogs weichen die Religionslehrbücher maßgeblich vom rabbinischen Verständnis ab, wonach ihnen gerade keine herausgehobene Rolle zukommt. Vielmehr sind sie ein gleichrangiger Bestandteil der 613 Ge- und Verbote (Mitzwot).⁴⁵ Einige Autoren versuchten dem Rechnung zu tragen, indem sie

 Vgl. Gotzmann, Dissociation.  Allein Alexander Behrs Lehrbuch verzichtet auf eine Diskussion der Zehn Gebote, wofür der Autor teils scharf kritisiert wurde, unter anderem in Henle, Elkan: Die Stimme der Wahrheit: in Beziehung auf den Kultus der Israeliten und die diesfalls eingeleitete Umstaltung, mittelst Religionslehre, Konsistoriums und hoher Talmud-Schulen etc. in drey Abtheilungen. Fürth 1827.  Zum Beispiel bei ben Zeʼev, Benet, Johlson und Plessner.  Dies gilt für ben Zeʼev und Benet.  Bei Benet, ben Zeʼev, Beer und Homberg umfassen die entsprechenden Kapitel ca. 30 bis 40 Seiten. Im Gegensatz dazu widmen Herxheimer und Maier dem Dekalog lediglich fünf Seiten. Alle anderen Lehrbücher kommen auf 15 bis 20 Seiten.  Vgl, hierzu Segal, Ben-Tsiyon u. Gershon Levi (Hrsg.): Ten Commandments in History and Tradition. Jerusalem 1990. In der Antike war es durchaus üblich die Zehn Gebote im Anschluss an das Shemaʻ Israel öffentlich zu rezitieren. Vgl. hierzu Greenberg, Moshe: The Decalogue Tradition

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die gesonderte Diskussion der Zehn Gebote als lediglich symbolisch beschrieben und dies mit ihrer besonderen Bedeutung für den Offenbarungsakt begründeten. Mitunter werden die Zehn Gebote als ursprüngliche Mitzwot beschrieben, aus denen alle weiteren Ge- und Verbote abgeleitet werden können,⁴⁶ eine Deutung, die sich bei Philo von Alexandrien (25 v.–50 n. d. Z) und später Saʻadja Gaʻon (882– 942) findet.⁴⁷ Die prominente Behandlung der Zehn Gebote und jüdischer Glaubensprinzipien gilt Kritikern systematischer Religionslehrbücher jedoch als unzulässige Verengung jüdischen Wissens und jüdischen Lernens. Samson Raphael Hirsch stellte grundsätzlich infrage, dass jüdische Katechismen und Religionslehrbücher wahres Wissen von der Tora vermitteln könnten.⁴⁸ Vielmehr müsse die Tora selbst im Mittelpunkt jüdischen Lernens und jüdischer Religionserziehung stehen. Das Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18) ist das zweite biblische Motiv, das wesentlich die Beschreibung des Judentums als ethische Religion begründete und letztlich in allen Lehrbüchern eine umfangreiche Diskussion erfuhr. Nächstenliebe wird zur Grundlage der „Pflichten gegen den Anderen“ in Gestalt des „Nebenmenschen“,⁴⁹ welche konkretes Handlungswissen im Umgang mit Familienangehörigen, der Gemeinde sowie der umgebenden Gesellschaft und damit gegenüber Juden wie Nicht-Juden vermitteln. Häufig schließen die entsprechenden Kapitel auch Ausführungen zu den Pflichten des Einzelnen gegenüber dem Staat ein. Im Sinne der Idee des nützlichen Staatsbürgers fordern sie Staatstreue und Vaterlandsliebe ein, was in der Achtung der Staatsgesetze Ausdruck finden soll, im Handeln zum Wohle des Staates, etwa durch die Ableistung des Militärdienstes, aber auch durch die Wahl eines „ehrbaren“ Berufes.⁵⁰ Die Ausweitung der Pflichten gegen den Nebenmenschen auf Gesellschaft und Staat wurden einer neuen politischen und gesellschaftlichen Realität gerecht, die ungeachtet des Fortbestands formeller wie informeller Ausgrenzung neue Formen der sozialen Interaktion von Juden und Nicht-Juden beförderte. Jüdische Religionslehrbücher lieferten hierfür konkretes soziales Handlungswissen in Form sittlich-moralischer

Critically Examined. In: Ten Commandments in History and Tradition. Hrsg. von Segal Ben-Tsiyon u. Gershon Levi. Jerusalem 1990. S. 83 – 119.  Zum Beispiel bei Herxheimer, Jesode ha-Tora, S. 30 und Johlson, Alume Josef, S. 32.  Vgl. Albeck, Shalom: The Ten Commandments and the Essence of Faith. In: Segal, Ten Commandments, S. 261– 289.  Hirsch, Samson R.: Der Religionsunterricht. In: Gesammelte Schriften von Rabbiner Samson Raphael Hirsch. Erster Band. Frankfurt am Main 1902. S. 266 – 280, hier S. 270 f.  Im Rahmen der Darstellung zur jüdischen Pflichtenlehre, die aus den Pflichten gegenüber Gott, sich selbst und anderen besteht.  In dieser oder ähnlicher Form bei Beer, Homberg, Herxheimer, Maier.

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Normen, begründet in der Hebräischen Bibel. Nächstenliebe wird zum universellen Prinzip der Menschenliebe erweitert und fordert eine Handlungsmaxime zum Wohle des Anderen ein, die sich bei einigen Autoren wie Kants Kategorischer Imperativ liest.⁵¹ Letztlich betonen alle Autoren die Universalität des Gebots der Nächstenliebe, die etwa bei Salomon Plessner zum Kern jüdischer Sittlichkeit wird.⁵² Dieses umfassende Verständnis weicht durchaus von einschlägigen rabbinischen Auslegungen ab, welche die Geltung der Nächstenliebe an Bedingungen knüpften, an ein gutes und gerechtes Verhalten, oder aber an die Zugehörigkeit zum Judentum. Maimonides schränkte dies nochmals auf den gesetzestreuen Juden ein.⁵³ Auch das christliche Verständnis der Nächstenliebe wurde keineswegs stets universell gedeutet, sondern häufig an das Bekenntnis zum christlichen Glauben gebunden.⁵⁴ Die im Rahmen der „Pflichten gegen Andere“ dargelegten staatsbürgerlichen Pflichten gründen sich nicht nur auf dem Gebot der Nächsten- und Menschenliebe, sondern werden von einigen Autoren zudem auf das fünfte der Zehn Gebote, Vater und Mutter zu ehren, zurückgeführt, von dem die Pflicht zur Vaterlandsliebe bzw. die Pflicht die Obrigkeit zu ehren, abgeleitet wird.⁵⁵ Zugleich werden häufig rabbinische Auslegungen und Prinzipien, wie Dina de Malchuta Dina (das Gesetze des Landes ist Gesetz) angeführt. Deutsch-jüdische Religionslehrbücher vermitteln also nicht nur grundlegendes Wissen um die Fundamente des Judentums, sie beschreiben zugleich soziale Handlungsnormen gegenüber der jüdischen wie nicht-jüdischen Gesellschaft und führen diese auf Tora und Tradition zurück. Die Betonung sittlicher Normen und universeller Werte als von jeher im jüdischen Denken verankert, untermauert zugleich die Deutung des Judentums als ethische Religion. Religi-

 Z. B. bei ben Zeʼev, Jesode ha-Dat, S. 165; Maier, Lehrbuch, S. 147.  Vgl. Plessner, Dat Moshe, S. 232. Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Beer und Herxheimer.  Vgl. Simon, Ernst: The Neighbor (Re’a) Whom We Shall Love. In: Modern Jewish Ethics. Theory and Practice. Hrsg. von Marvin Fox. Columbus (OH) 1975. S. 29 – 56.  Rainer Forst verweist in seiner Studie zum Toleranz-Begriff etwa auf eine entsprechende Deutung des Gebots der Nächstenliebe bei Augustinus. Forst, Rainer: Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs. Frankfurt am Main 2003. S. 74– 82. Siehe auch Post, Stephen: The Purpose of Neighbor-Love. In: The Journal of Religious Ethics 18/1 (1990). S. 181– 193.  Bei Beer und Homberg wird die Ausweitung des Gebotes, die Eltern zu ehren, auf nahe Verwandte und vor allem Autoritätspersonen nur kurz ausgeführt. Vgl. Beer, Dat Israel, S. 74 und Homberg, Bne Zion, S. 78. Kley widmet sich dem Argument ausführlicher. Vgl. Kley, Edut Adonai, S. 37. Die Ausweitung des Wirkungsrahmens dieses Gebotes findet sich in ähnlicher Form auch in Luthers Großem Katechismus (1529).

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onslehrbücher reflektierten damit die zeitgenössischen Debatten um die Frage, was Judentum vor dem Hintergrund fundamentaler sozialer und kultureller Veränderungen sein konnte und musste. Zugleich antizipierten sie philosophischtheologische Ideen, insbesondere den ethischen Monotheismus, der von Denkern wie Salomon Formstecher (1808 – 1889) und Samuel Hirsch (1815 – 1889) in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der Auseinandersetzung mit dem Erbe der Haskala und dem Deutschen Idealismus erstmals formuliert wurde und Ende des 19. Jahrhunderts – vor allem durch Hermann Cohen (1842– 1918)⁵⁶ – eine wesentliche Weiterentwicklung erfuhr. Neben der systematisch-theologischen Rezeption repräsentierten Religionslehrbücher Tora und Bibel in materieller Weise, als Text, vorrangig in Form von Verweisen und Zitaten. Die Bibel ist zwar nicht alleinige Traditionsreferenz – Mischna und Talmud werden ebenso zitiert wie halachische Codizes und andere wichtige Werke der jüdischen Literatur – und doch ist sie die wichtigste.⁵⁷ Einige Autoren beschränken sich auf knappe Verweise, häufig in Form von Fußnoten. Zentrale Elemente wie die Zehn Gebote werden jedoch mindestens in Übersetzung wiedergegeben. Die Mehrheit der hier untersuchten Lehrbücher bindet Bibelzitate und Verweise aber offensiver in die Darstellung ein. So folgen häufig am Ende eines Paragrafen beziehungsweise im Katechismus auf die unmittelbare Antwort nicht nur der Bibelverweis, sondern meist auch ein knappes Zitat oder ein Kommentar, der die Bibelstelle mit der vorausgehenden Aussage in Verbindung setzt.⁵⁸ Damit werden die jeweiligen Ausführungen untermauert und letztlich in ihrem Bedeutungsgehalt legitimiert. Diese Ergänzungen und Kommentare, die in einigen Lehrbüchern in Form von Fußnoten anzutreffen sind, nehmen auch Bezug auf wichtige Werke der rabbinischen Literatur. Die aufeinander aufbauenden Textschichten differenzierten das zu vermittelnde Wissen und boten den Lehrenden ein breites Spektrum an Lehrinhalten, die sie der jeweiligen Unterrichtssituation und dem Vorwissen der Lernenden anpassen konnten. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass diese Lehrbücher nach Ansicht ihrer Autoren keineswegs für sich standen, sondern die Auseinandersetzung mit jüdischer Tradition und vor allem mit der Bibel voraussetzten. So forderte Salomon Herxheimer Lehrer auf, biblische Verse und biblische Geschichte in den Mittelpunkt ihres Unterrichts zu

 Vgl. z. B. zu Cohens Verständnis der Nächstenliebe Hollander, Dana: Love-of-Neighbor and Ethics of Law in the Philosophy of Hermann Cohen. In: German-Jewish Thought between Religion and Politics. Hrsg. von Christian Wiese u. Martina Urban. Berlin 2012. S. 83 – 113.  Häufig wird auf Tora, Psalmen und Propheten verwiesen. Eine erschöpfende quantitative Auswertung kann hier jedoch nicht geleistet werden.  Zum Beispiel bei Benet, Herxheimer, Johlson, Maier und Plessner. In geringerem Umfang auch bei Kley.

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stellen. Für Herxheimer musste der Religionsunterricht „in der Bibel leiben und leben“.⁵⁹ Salomon Plessner erachtete insbesondere für die Jungen einen zusätzlichen Unterricht in Bibel, Talmud und Schulchan Aruch für unerlässlich.⁶⁰ Jüdische Religionslehrbücher vermittelten Orientierungswissen nicht nur zu Judentum im Allgemeinen, sondern auch und vor allem zu zentralen philosophischtheologischen Konzepten, zu religiösen Riten und Praktiken und den grundlegenden Schriften. Autoren von Religionslehrbüchern forderten die Auseinandersetzung mit diesen Schriften, insbesondere mit dem biblischen Text ein.⁶¹

3 Epilog Die rabbinische Tradition kennt eine Metapher, welche das Verhältnis von schriftlicher und mündlicher Tora und die Vorstellung von der Einheit der Tora beschreibt. Demnach errichten Interpretation und Auslegung des Gesetzes einen „Zaun um die Tora“.⁶² Im zentraleuropäischen Judentum der Sattelzeit strebten die einen, radikale Aufklärer und Reformer, danach, diesen Zaun einzureißen. Sie wandten sich in wesentlichen Fragen gegen die rabbinische Tradition. Andere versuchten, die Verbindlichkeit der Tora zu erhalten, indem sie die Grenzen, welche der Zaun markiert, neu zogen. Hierfür nahmen sie eine Neubewertung grundlegender Prinzipien des Judentums vor. Sie suchten nach Vorbildern in der jüdischen Tradition und inkorporierten grundlegend neue Ideen, welche Antworten boten auf die Herausforderungen der Moderne und dazu geeignet waren, den Fortbestand des Judentums zu sichern. Die Verschiebung der Grenzen und der Wandel der Bedingungen jüdischer Lebenswelten in der Moderne bedingten letztlich die Transformation jüdischen Wissens in ungekannter Dimension und Dynamik, begründet in der Adaption und Internalisierung neuartiger Wissensordnungen und Praktiken der Wissensproduktion, insbesondere in Form wissenschaftlichen Wissens. Zugleich erfolgte eine Neubewertung dessen, was als jüdisches Wissen, respektive als jüdisches religiöses Wissen gelten konnte. Systematische Religionslehrbücher reflektieren diese Neuordnung jüdischen Wissens in konzentrierter Form und gründen dabei wesentlich auf der Auseinandersetzung mit Tora und Bibel. Sie vermitteln erstens Wissen um deren

 Herxheimer, Jesode ha-Tora, S. vii.  Plessner, Dat Moshe, S. xxv.  Dies wird häufig dargelegt in Vorworten, zuweilen auch in gesonderten Kapiteln zur Verwendung des Lehrbuches. So zum Beispiel bei Beer, Benet, Herxheimer, Maier und Plessner.  Vgl. Hashkes, Hannah E.: Rabbinic Discourse as a System of Knowledge. „The Study of Torah is Equal to Them All“. Leiden 2015. S. 166.

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theologisch-systematische Stellung im Judentum, ihren Ursprung in der Offenbarung, ihrer Überlieferungsgeschichte und ihrer textlichen Gestalt. Zweitens beschreiben sie soziales Handlungswissen, das maßgeblich auf der Tora gründet und auf dem Verständnis des Judentums als ethischer Religion. Drittens vermitteln Religionslehrbücher Orientierungswissen im Umgang mit Tora und Bibel als heilige Schriften des Judentums und leiten zum eigenen Textstudium an. Sie unternahmen den Versuch, Wissen um Judentum und jüdische Religion systematisch zu ordnen und verbindlich zu definieren. Christliche Textmodelle, Religionskatechismen und Handbücher dienten als Vorbild, das den jüdischen Erfordernissen angepasst wurde. Dies zeigt sich in der Fortschreibung traditioneller Praktiken der Wissensproduktion durch Kommentare, Erläuterungen und Verweise auf maßgebliche Referenztexte, welche die aktive Auseinandersetzung mit dem Dargestellten durch Interpretation und Auslegung einforderten. Ähnlichkeiten zu christlichen Religionslehrbüchern finden sich in den Inhalten, in Ausführungen zu den Zehn Geboten, in Glaubensartikeln und der Begründung sozialer Handlungsnormen im Gebot der Nächstenliebe. Hierin eine Annäherung an das Christentum zu sehen, wäre jedoch eine unzulässige Vereinfachung. Vielmehr verweisen diese Komponenten auf das gemeinsame Erbe von Christentum und Judentum in Form der Hebräischen Bibel. Die untersuchten Religionslehrbücher präsentieren diese Aspekte in ihrem spezifisch jüdischen Bedeutungsgehalt und lassen sich damit als Einforderung der Anerkennung des jüdischen Ursprungs des Christentums verstehen. In diesem Sinne sind jüdische Religionslehrbücher eine Antwort auf das von Gegnern der Emanzipation stets hervorbrachte Postulat der vermeintlichen Unsittlichkeit von Judentum und jüdischer Religion.⁶³ Die jeweiligen Darstellungen der Fundamente des Judentums und damit der Quellen jüdischen religiösen Wissens variieren durchaus. Die hier untersuchten Lehrbücher beschreiben dabei weniger repräsentative Textmodelle, sondern gewähren Einblick in die vielfältigen Deutungen des modernen Judentums in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie entstammen einer Phase des Umbruchs, in der die Fragmentierung des deutschsprachigen Judentums in eine liberale, konservative und orthodoxe Richtung noch nicht vollzogen war. Vielmehr gewannen die innerjüdischen Debatten um die religiöse Reform an Dynamik, beeinflusst vom letztlich schwerfälligen Emanzipationsprozess. Wissen um Judentum und jüdische Religion war Gegenstand wie Instrument dieses Selbstverständigungs-

 Vgl. u. a. Rürup, Reinhard: Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur Judenfrage der bürgerlichen Gesellschaft. Göttingen 1975. S. 13 – 45. Siehe allgemein Nirenberg, David: Anti-Judaism. The Western Tradition. New York 2013.

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prozesses: ob in Form eines neuartigen wissenschaftlichen Wissens, das die Art und Weise, wie jüdische Tradition und jüdische Textkultur studiert wurde, von Grund auf änderte oder aber in Form systematisch geordneten religiösen Wissens, das die kommenden Generationen zu sittlichen „Menschen und Juden“, aber auch zu loyalen „Staatsbürgern“ erziehen sollte.

Dorothea M. Salzer

Kinderbibeln als Mittel jüdischer Bibelauslegung Abstract: Jewish Children’s Bibles are storybooks containing biblical stories especially designed for a young Jewish readership. The genre was invented by the Jewish proponents of Enlightenment (Maskilim) in the course of their attempts to modernize the Jewish education system. During the 19th century, it developed into one of the most popular means of Jewish religious education, especially in the realm of the Jewish Reform movement. Hence, beginning with the Haskalah, the Jewish Children’s Bibles accompanied Jewish children, their parents and their teachers throughout the era of Jewish modernization taking place in the 18th and 19th century. These collections provide an ‒ often extensively ‒ revised version of the holy text, following a pedagogical, philosophical and religious agenda and aiming at a distinct readership. Children’s Bibles are therefore an important source which helps to understand a time of considerable changes within German Jewry and the protagonists of these changes. In the article some of the main means of reworking and interpreting the biblical text for these storybooks are analyzed and finally interpreted within the context of the religious and cultural changes taking place in the course of Jewish modernization.

Im Jahr 1912 führte der Rabbiner Max Freudenthal aus der Kultusgemeinde in Nürnberg eine neue Tradition zur Bar-Mitzwa-Feier ein: Fortan bekam jeder Junge zu diesem Anlass, der seine religiöse Mündigkeit markiert, eine „von der Gemeindeverwaltung gestiftete Bibel“ überreicht.¹ Bei dieser Bibel handelte es sich allerdings nicht etwa um eine hebräische Ausgabe des biblischen Textes, sondern um eine deutsche Übersetzung, nämlich die Schul- und Hausbibel von Jakob Auerbach (1810−1887). Diese 1854 erstmals erschienene Ausgabe war zudem eine „Auswahlbibel“, das heißt, sie enthielt nicht den Volltext der Hebräischen Bibel, sondern nur für ein kindliches Publikum ausgewählte Texte in deutscher Übersetzung. Die Feier der Bar Mitzwa, die traditionell dadurch begangen wird, dass

Die Autorin dankt der Gerda-Henkel-Stiftung (Düsseldorf), die durch ihre Förderung die diesem Beitrag zugrundeliegenden Forschungen maßgeblich unterstützt hat.  Freudenthal, Max: Die israelitische Kultusgemeinde Nürnberg 1874−1924. Nürnberg 1925. S. 7. https://doi.org/10.1515/9783110551631-009

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der Junge aus dem hebräischen Text des Wochenabschnittes vorliest, wurde also in der jüdischen Gemeinde Nürnberg vom Überreichen einer Bearbeitung des biblischen Textes begleitet. Dies verdeutlicht, wie selbstverständlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts bearbeitete und übersetzte Bibelausgaben mit den Grundfesten jüdischer Identität verbunden wurden und wie sehr es zur allgemeinen Vorstellung geworden war, dass man Kindern die ursprüngliche Hebräische Bibel nicht zumuten konnte – selbst wenn sie religiös bereits volljährig waren. Dieser Brauch der israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg gibt damit ein beredtes Zeugnis für den Erfolg und die langanhaltende Wirkung der Gattung Jüdische Kinderbibel in der jüdischen Moderne.

1 Jüdische Kinderbibeln Solche Bearbeitungen des biblischen Textes für Kinder gehören allerdings keineswegs selbstverständlich zur jüdischen Tradition. Zwar sind verschiedene Formen der nacherzählenden Bibelbearbeitung in der jüdischen Religions- und Literaturgeschichte nicht unbekannt und reichen zum Beispiel von den sogenannten „rewritten Bible“-Traditionen aus Qumran über spätantike und mittelalterliche Midraschim oder das ebenfalls mittelalterliche Sefer ha-Jashar bis hin zu Bibelbearbeitungen in jiddischer Sprache wie etwa die sogenannte „Zennerenne“.² Allerdings zeichnen sich all diese Formen dadurch aus, dass sie sich nicht explizit an ein kindliches Publikum wenden. Jüdische Kinderbibeln stehen also durchaus in einer jüdischen Tradition, die biblische Texte in kleinere Texteinheiten zergliedert und sie bearbeitet, um sie neuen Anforderungen anzupassen, sei es durch Nacherzählen, Ausschmücken oder auch neue Zusammensetzungen, aber ihre Autoren wenden sich an ein neues Zielpublikum und verbinden neue Intentionen und Aufgaben mit diesen Ausgaben. Bearbeitungen biblischer Texte für dezidiert kindliche Adressaten sind ein Produkt der jüdischen Aufklärung (Haskala) im deutschsprachigen Raum. Sie kamen gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der aufklärerischen Reform des jüdischen Erziehungssystems auf, als die Maskilim im bewussten Gegensatz zur herkömmlichen, vor allem auf eine Ausbildung in rabbinischen Traditionen abzielenden, aschkenasischen Tradition die Bibel zur Basis für die religiöse Erziehung der Kinder machten. Für die Maskilim war die Hebräische Bibel von zen Hebräisch ‚Tzeʼena u-Reʼena‘ („Geht hinaus und seht“, Hld 3,11), eine 1616 erstmals von Jakob ben Isaak Aschkenasi publizierte jiddische Paraphrase des Tanach, die auch aggadisches Material verwendet. Oftmals wird die Zennerenne auch als „Frauenbibel“ bezeichnet, da ihr vorrangiges Publikum Frauen waren, aber auch weniger gebildete Männer zählten zu der Leserschaft.

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traler Bedeutung für eine zu entwickelnde neue und moderne jüdische Identität, da sie biblische Texte als Grundlage universaler menschlicher Werte ansahen und die biblischen Texte im Unterschied zur rabbinischen Literatur daher als kulturell verbindende Traditionen des Judentums verstanden. Sehr prägnant formulierte David Friedländer (1750−1834), Initiator der ersten maskilischen Schule, der Jüdischen Freyschule in Berlin (Chevrat Chinnuch Nearim), die Aufgabe der Hebräischen Bibel im aufgeklärten Erziehungsprogramm. Im Vorwort zu seiner Übersetzung des biblischen Buches Kohelet (1788) hielt er fest: Diese heilige Schrift ist nicht allein das Lehrbuch unserer ersten Jugend, sondern auch in reifern Alter, wenn sie nicht mit dem Studium des Talmud’s verbunden, oder von diesem auf eine eben so unschickliche als zwecklose Weise ganz verdrängt wird, bleibt sie für den allergrößten Theil der Nation die einzige Quelle, woraus Kenntnisse geschöpft, neue Begriffe erlangt, und alte berichtigt werden können.³

Friedländer stellt hier ganz eindeutig die Bibel als Ausgangstext für eine jüdische Erziehung in den Vordergrund, deren anhaltende Wirkung nach seiner Ansicht den Menschen durch sein ganzes Leben begleitet. Er beschreibt den biblischen Text als Quelle der Reform und der Erneuerung, die neue Erkenntnisse verspricht und ein Überdenken althergebrachter Überzeugungen ermöglicht. Gleichzeitig macht Friedländer hier aber auch deutlich, dass dies nur möglich ist, wenn mit dem Bibelstudium eine Absage an traditionelle Interpretationen wie der rabbinischen Literatur einhergeht. Allerdings sah Friedländer wie viele andere (jüdische wie nichtjüdische) Pädagogen seiner Zeit den unbearbeiteten Text der Bibel nicht als geeignete Quelle an und forderte daher eine entsprechende Aufarbeitung des Textes unter systematisierenden und interpretierenden Aspekten sowie unter Berücksichtigung der aktuellen Diskurse und Bedürfnisse: Wenn die heilige Schrift unter ihren Händen Quelle der Erkenntniß, und Lehrbuch der Sitten werden soll: so müssen die Lehren und die zerstreuten Wahrheiten, die sie enthält, seyen es ewige Wahrheiten, oder Grundsätze der Moral, herausgehoben, in deutliche Begriffe zerlegt und ins Licht gesetzt werden. Sie müssen herausgehoben, systematisch verbunden, und zum praktischen Gebrauch angewendet werden, und zwar so, wie sie sich für die gegenwärtige Zeit, für unsere gegenwärtige Lage, und für die Stufe der Cultur, auf welcher die Nation im

 Friedländer, David: Ueber den besten Gebrauch der h[eiligen] Schrift, in pädagogischer Rücksicht. In: Der Prediger. Aus dem Hebräischen von David Friedländer. Berlin 1788. S. 3 – 78, hier S. 22.

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Ganzen sich befindet, anwenden lassen. Dies wäre der eigentlichste, edelste und zweckmäßigste Gebrauch, den wir von der heiligen Schrift machen können.⁴

Bearbeitungen des biblischen Textes für Kinder nach Maßgabe der zeitgenössischen Bedürfnisse sollten also dabei helfen, eine zeitgemäße jüdische Identität zu bestimmen und zu etablieren. Eingesetzt wurden jüdische Kinderbibeln teilweise im Religionsunterricht in den neu gegründeten Schulen maskilischer Prägung, manche waren von ihren Autoren aber auch für die häusliche Lektüre vorgesehen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Gattung zunehmend beliebt und fand ihren Weg auch in andere Länder Europas sowie über den europäischen Kontinent hinaus in die USA. Jüdische Kinderbibeln standen damit am Beginn der jüdischen Moderne. Sie begleiteten jüdische Kinder, ihre Lehrer und Eltern bei den ersten Schritten der Emanzipation und der Herausbildung eines jüdischen Bürgertums bis hin zur konfessionellen Ausdifferenzierung des Judentums auf ihrem Weg in eine moderne jüdische Identität. ⁵

2 Kinderbibeln als Medium angewandter Hermeneutik Als Adaptionen des autoritativen biblischen Textes, die darauf abzielen, diesen einem jungen jüdischen Lesepublikum nahezubringen und seine Relevanz für das zeitgenössische Leben zu vermitteln, folgen diese Kinderbibeln der pädagogischen, philosophischen, aber oftmals auch politischen Agenda ihrer Verfasser. Diese spezifische Agenda verdankt sich einer Situation, in der es galt, an jüdische Traditionen anzuknüpfen, gleichzeitig aber auch neuen Vorstellungen und Erwartungen, die von jüdischer und nichtjüdischer Seite an ein modernes Judentum gestellt wurden, gerecht zu werden.

 Friedländer, Gebrauch, S. 40 f.  Ausführlicher zur Entwicklung der Gattung und für Textbeispiele siehe Salzer, Dorothea M.: „Das alte Gebäude fast einzureißen und von demselben Material wieder aufzustellen.“ Jüdische Kinderbibeln als Übersetzungszeugnisse. In: transversal 10/2 (2009). S. 41– 58; dies.: Zweisprachige jüdische Kinderbibeln oder: Wie die Maskilim die Hebräische Bibel für jüdische Kinder übersetzten. In: trans-lation – trans-nation – trans-formation. Übersetzen und jüdische Kulturen. Hrsg. von Petra Ernst [u. a.]. Innsbruck 2012. S. 65−104; dies.: Was sind und zu welchem Zweck studiert man historische jüdische Kinderbibeln? In: Kinderbibel – Kindertora – Kinderkoran. Neue Chancen für (inter‐)religiöses Lernen. Hrsg. von Georg Langenhorst u. Elisabeth Naurath. Freiburg 2017. S. 92– 110.

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Jüdische Kinderbibeln sind damit das Resultat eines kulturellen Transfers und repräsentieren eine situationsbedingte Hermeneutik, die auf eine adressat*innen- und weltbildorientierte Interpretation und Transformation des biblischen Textes zielt. Sie sind also Midraschim der Moderne, die zeitgenössische Diskurse über Inhalt und Wandel des Judentums zu Schlagworten und kurzen Zusammenfassungen vereinfachen und sie in einen Zusammenhang mit der Hebräischen Bibel stellen. Als Erziehungsmittel verfolgten sie dabei klare Prämissen, die gewährleisten sollten, dass die junge Generation zu Vertreter*innen eines modernen Judentums heranwuchs. Jüdische Kinderbibeln erfanden also eine Tradition. Um mit Shulamit Volkov zu sprechen:⁶ Sie konstruierten eine biblische Vergangenheit für die Gegenwart und die Zukunft der Autoren und ihrer Welt. Gerade diese kontextgebundene Hermeneutik ist es, die jüdische Kinderbibeln zu wertvollen historischen Quellen für die im späten 18. Jahrhundert und das ganze 19. Jahrhundert hindurch sich vollziehenden kulturellen, religiösen und sozialen Transformationsprozesse im Judentum macht. Inhalt und formale Aufarbeitung jüdischer Kinderbibeln erlauben Rückschlüsse auf die historischen Kontexte von Verfassenden und Lesenden, ermöglichen Einblicke in den kulturellen Transfer der Zeit und geben Auskunft über Kontinuität,Weiterentwicklung, Neuinterpretation oder gar Neubildung religiöser und kultureller Werte im Zuge der jüdischen Modernisierung.

3 Mittel der Auslegung Die Verfasser jüdischer Kinderbibeln bedienten sich verschiedener formaler und inhaltlicher Gestaltungsmittel, um ihre Interpretationen der biblischen Texte zu verdeutlichen und deren Rezeption zu lenken. Die wichtigsten dieser Mittel werden im Folgenden vorgestellt und mit Beispielen illustriert. Es handelt sich dabei vor allem um: 1) die gezielte Textauswahl, 2) die Einteilung in kleine Erzähleinheiten und die Herstellung formal und inhaltlich neuer Textversionen, 3) die Kommentierung der biblischen Texte, 4) den Zusatz sonstiger Peritexte, 5) sowie Illustration.

 Volkov, Shulamit: Die Erfindung einer Tradition. Zur Entstehung des modernen Judentums in Deutschland. In: Dies.: Das jüdische Projekt der Moderne. Zehn Essays. München 2001. S. 118−137.

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3.1 Textauswahl Ein grundlegendes Mittel der Bearbeitung der Hebräischen Bibel für jüdische Kinder ist die Textauswahl. Die in der Aufklärung aufkommende Vorstellung einer Literatur, die auf besondere Anforderungen von Kindern Rücksicht zu nehmen hat, führte dazu, dass man nicht mehr alle Texte und alle literarischen Formen als für Kinder geeignet ansah. Besonders die neue pädagogische Strömung des Philanthropismus machte nun Auswahl und Darstellung des zu vermittelnden Stoffes zu einem grundlegenden Moment der Reflexion über Erziehung.⁷ Dieses Prinzip wurde auch auf die biblischen Texte⁸ übertragen, und so überrascht es nicht, dass die Autoren von Kinderbibeln in ihren Vorworten die gezielte Auswahl bestimmter Texte anstelle einer Vollbibel mit der Rücksicht auf ihre kindliche Leserschaft begründen. Allerdings bleiben die Autoren bei der Beschreibung ihrer Herangehensweise meist eher vage und geben keine expliziten Hinweise darauf, welche Überlegungen sie bei der konkreten Textauswahl geleitet haben mögen. Vielmehr bleibt es meist bei allgemeinen Bemerkungen wie derjenigen von Joseph Maier, der in seiner Kinderbibel aus dem Jahr 1828 anführt, es gehe ihm um eine „Schonung des zarten Kindersinnes, welche mit Vermeidung jedes anstößigen und grellen Ausdrucks, nur immer den schicklichen, dem Gemüthe des Kindes angemessensten wählt“.⁹ Betrachtet man die zeitgenössischen theoretischen Diskussionen über den Gebrauch der Bibel in der jüdischen Kindererziehung, so fällt auf, dass auch dort Hinweise auf konkrete Textstellen, die es zu vermeiden oder die es im Gegenteil auszuwählen gelte, nur selten vertreten sind. Der bereits zitierte Maskil David Friedländer schlägt vor, die Erzählungen über Abraham zum Beispiel für vielerlei zu vermittelnde Tugenden zu machen und einen weiteren Schwerpunkt auf den Dekalog zu legen. Darüber hinaus bleibt aber auch er vage und unbestimmt, was

 Hierzu siehe Brüggemann, Theodor u. Hans-Heino Ewers: Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Von 1750−1800. Stuttgart 1982, bes. S. 30−35.  In Bezug auf den biblischen Text hatte John Locke dies bereits festgestellt: „To this purpose, I think, it would be well if there were made a good History of the Bible for young People to read, wherein every thing, that is it fit to be put into it, being laid down in its due Order of Time, and several things ommitted, which were suited only to riper Age, that Confusion, which is usually produced by promiscuous reading of the Scripture as it lies now bound up in our Bibles, would be avoided.“ − Locke, John: Some Thoughts Concerning Education. London 1683. S. 226.  Meier, Joseph: Lehrbuch der Biblischen Geschichte, als Einleitung zum Religionsunterricht in israelitischen Schulen. Nebst einem Anhang: Die Schicksale der Israeliten während der Dauer des zweiten Tempels. Frankfurt am Main 1828. Vorrede. S. II.

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die Textauswahl angeht.¹⁰ Deutlich formuliert wird in diesen theoretischen Diskussionen über den pädagogischen Einsatz der Hebräischen Bibel aber stets die Absicht, die biblischen Texte zum Ausgangspunkt einer werteorientierten Erziehung zu machen, insofern die Hebräische Bibel als Basis einer rational begründbaren universal-menschlichen Moral verstanden wird. Immer wieder genannt wird in diesem Zusammenhang der Begriff der „Sittenlehre“,¹¹ die es nach Ansicht der Autoren mit Hilfe der biblischen Texte zu vermitteln gelte. Mit dieser Betonung des moralischen Aspektes schlossen die jüdischen Aufklärer sich der allgemeinen Tendenz des religiösen Diskurses der Spätaufklärung an, der stark von Innerlichkeit und Versittlichung geprägt war, und der die göttliche Bestimmung des Menschen in dessen moralischer Vervollkommnung sah. Christliche wie jüdische Aufklärer der Zeit waren daher geprägt von einer moralisch-pragmatischen Auffassung von Religion, die auf eine praktische Anwendung im Alltagsleben abzielte. Peter Beer beispielsweise bezog sich in seiner Abhandlung zum jüdischen Religionsunterricht, die er im Jahr 1802 unter dem Titel Kelch des Heils publizierte, diesbezüglich unter anderem auf den katholischen Theologen Augustin Zippe (1747−1816): [S]o muß man bei dem Unterrichte Beispiele von solchen Handlungen wählen, die von großem Gehalte an innerer moralischer Güte sind, und daher das Herz der Jugend stark rühren; zu welchem Zwecke die heilige Schrift, da dieselbe eine reichhaltige, ja unerschöpfliche Quelle moralischer Handlungen ist, und da besonders der Nutzen des erzählenden Unterrichts in der Pädagogik allgemein anerkannt wird, am ehesten hinzuleiten fähig ist. […] Denn, „die biblische Geschichte“, sagt Herr Zippe, „ist ganz dazu gemacht, auf die Empfindungen der Kinder mit dem besten Erfolge zu wirken. Die edle Einfalt, die unverfälschte Biederherzigkeit, die unverkennbare Rechtschaffenheit, die auffallende Natürlichkeit, welche in den Handlungen und Karakteren der biblischen Personen angetroffen werden, reizen die Aufmerksamkeit der Kinder zur Beobachtung der Moralität ihrer Gesinnungen, Handlungen und Karaktere auf eine unwiderstehliche Art, und stärken ihre moralischen Empfindungen.“¹²

 Friedländer, Gebrauch, S. 58 f.  Siehe die Definition Johann Georg Sulzers: „Die Sittenlehre betrachtet also den Menschen in so fern er fähig werden kann seine natürliche Pflichten zu erfüllen und moralisch vollkommen zu werden.“ – Sulzer, Johann G.: Kurzer Begriff aller Wissenschaften und andern Theile der Gelehrsamkeit worin jeder nach seinem Inhalt, Nuzen und Vollkommenheit kürzlich beschrieben wird. Frankfurt/Leipzig 1759. § 226.  Beer, Peter: ‫ישועות‬-‫ כוס‬oder: Kelch des Heils, gefüllt aus der Quelle der Wahrheit, und mit dem wärmsten Brudergefühle dargereicht den Kindern Israels in den k.k. Staaten, besonders der Kolonie in Böhmen. Prag 1802. S. 277−279.

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In der Folge dieser aufklärerischen Moral- und Sittendiskurse ist die Moralisierung des biblischen Textes ein grundlegendes hermeneutisches Paradigma, das sich seit Beginn der Gattung der Jüdischen Kinderbibel durch das ganze 19. Jahrhundert und auch durch die verschiedenen Ebenen der Bearbeitungen der biblischen Texte hindurchzieht. Für die auswählende Bearbeitung der biblischen Texte bedeutet dies, dass einerseits Texte ausgelassen wurden, die zeitgenössischen Moralansprüchen nicht zu genügen schienen, andererseits aber solche Texte ausgewählt wurden, die diesen Vorstellungen entgegenkamen. Entsprechend der sich im 18. Jahrhundert herauskristallisierenden Sexualmoral lassen beispielsweise sämtliche jüdische Kinderbibeln Texte aus, die die Themenbereiche Sexualität oder Fortpflanzung berühren. Aber auch die Zweitfrauen männlicher Figuren und deren Kinder werden in den seltensten Fällen erwähnt – wohl weil dies kaum mit bürgerlichen Familienvorstellungen zu vereinbaren wäre.¹³ Gern dargestellt wird dagegen Josefs tugendhafter Widerstand gegen Potifars Frau, wobei natürlich die Tatsache, dass diese ihn sexuell verführen wollte, verschleiert werden musste. In Peretz Beers Sefer Toledot Israel heißt es beispielsweise, „einst wollte die Frau seines Herren ihn zu einer schlechten That bereden“, während Joseph Maier die Stelle folgendermaßen umschreibt: „Diese war ein böses und gefährliches Weib, und muthete dem Joseph einmal um das andere eine große Untreue gegen seinen Herrn zu.“¹⁴ Neben inhaltlichen gab es aber auch formale Kriterien, welche die den jüdischen Kinderbibeln zugrundeliegende Textauswahl bestimmten. So lässt sich beispielswiese eine deutliche Präferenz für handlungs- und figurenzentrierte

 So ist z. B. Isaak in Beers Sefer Toledot Israel Abrahams einziger Sohn. Beer, Peretz [Peter]:‫ספר‬ ‫ והוא ספור כולל כל הקורות אשר קרו לכלל עם ישראל מיום ברא יי אלהים את האדם עד שוב ישראל‬.‫תולדות ישראל‬ ‫ ונוסף‬.‫ ובין כל פרק ופרק נרמזו לתועלת המלמדים ותלמידיהם רמזי מדות טבות ומוסר השכל‬.‫מגלות בבל ירושלימה‬ ‫ וגם הנהגות טובות אשר יתנהג בהם‬.‫עליו קצור כללי דקדוק קריאת לשון עבר למען יבינו המלמדים ויספרו לתלמידיהם‬ ‫[ הנער כל היום מקומו עד שכבו לתועלת נערי בני ישראל ומוריהם מנחה היא נתונה מאת אוהביהם‬Buch der Geschichte Israels. Das ist eine Erzählung enthaltend alle Ereignisse, die dem ganzen Volke Israel widerfuhren, vom Tage, an dem YY, Gott, den Menschen erschaffen, bis zur Rückkehr Israels aus dem Exil in Babel nach Jerusalem. Zwischen den einzelnen Kapiteln werden zum Nutzen der Kinderlehrer und ihrer Schüler Hinweise zur Tugend und moralische Lehre gegeben. Zusätzlich gibt es eine kurze Abhandlung über die Grammatikregeln zum Lesen der hebräischen Sprache, damit die Kinderlehrer verstehen und an ihre Schüler weitergeben. Sowie gute Verhaltensweisen, nach denen der Knabe sich den ganzen Tag benehmen soll vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Zum Nutzen der Erziehung der Kinder Israels und ihrer Lehrer, ein Geschenk gegeben von denen, die sie lieben]. Prag 5556 [1796], Kap. 5.  Beer, Sefer Toledot Israel, S. 36 f.; Maier, Lehrbuch, S. 31.

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Texte feststellen, die im Einklang mit der zeitgenössischen Pädagogik steht, die es bevorzugte, mit Exempeln als verhaltensanleitender Form zu arbeiten.¹⁵ Damit lässt sich auch die weitestgehende Abwesenheit von Textbearbeitungen aus den Prophetenbüchern erklären. Diese hätten sich zwar im Hinblick auf ein moralisierendes Verständnis von Religion angeboten, sind aber in den seltensten Fällen für ein kindliches Publikum zugänglich, da es ihnen an handlungsund figurenzentrierten Erzählungen mangelt und damit ein identifikatorisches Lesen erschwert wird.¹⁶ Ein weiteres wichtiges Leitprinzip der Auswahl war zudem offensichtlich das Anliegen, ein chronologisches historisches Narrativ als Fundament jüdischer Identität zu präsentieren. Gerade zu Beginn der Gattung Jüdische Kinderbibel wurde bei der Auswahl der Texte daher großer und nahezu ausschließlicher Wert auf erzählende Texte gelegt, die die Geschichte der Israeliten beleuchten. Und auch wenn sich das Textrepertoire später erweiterte, so bildete die Tora, und hier vor allem das Buch Genesis und Teile aus Exodus, doch stets den Kerntext der Sammlungen.¹⁷ Ausgelassen werden in den meisten Fällen auch Erzählungen von wunderbaren Ereignissen oder magischen Praktiken. Daran wird ein weiteres grundlegendes Paradigma der Hermeneutik in Kinderbibeln deutlich: Die Autoren legten großen Wert auf einen rationalistischen Zugang zu den biblischen Texten.

3.2 Herstellung formal und inhaltlich veränderter Textfassungen Neben der Textauswahl bietet die Herstellung eigener Textfassungen eine probate Möglichkeit, die Interpretation des biblischen Textes zu lenken und mit der ge-

 Zur Exempelmethode in der Aufklärungspädagogik siehe Ewers, Hans-Heino: Erfahrung schriebʾs und reichtʾs der Jugend. Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2010. S. 26 f. Siehe auch das vorangegangene Zitat von Beer/Zippe.  Zur Identifikation der oder des Lesenden mit den Figuren eines Textes und zum handlungsfixierten Lesens von Kindern siehe O’Sullivan, Emer: Kinderliterarische Komparatistik. Heidelberg 2000. S. 231.  Teilweise nahmen Autoren auch apokryphe Texte in ihre Sammlungen auf, so z. B. Maier, Joseph: Lehrbuch; Flehinger, Baruch: Erzählungen und Belehrungen aus den Heiligen Schriften der Israeliten, nebst einem Anhange: Begebenheiten in den Tagen Mathithjahuʾs und seiner Söhne. Dargestellt für die reifere israelitische Jugend. Frankfurt am Main 1842.

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wünschten Botschaft zu versehen, denn Erzählen bedeutet immer schon Interpretation.¹⁸ Unter dem Aspekt der Moralisierung wird dies in Bezug auf die Figurengestaltung sehr deutlich: Der Charakter biblischer Protagonisten wird als konsistent dargestellt und charakterliche Ambivalenzen der Figuren werden dabei vereinfacht, das heißt, sie werden zu positiven Identifikationsfiguren oder aber auch als abschreckende Negativbeispiele gestaltet, ohne dabei Changierungen zuzulassen. Als Beispiel für dieses Verfahren sei hier die Geschichte vom Verkauf des Erstgeburtsrechtes durch Esau (Gen 25,27– 34) in der Fassung von Moses Neumanns Kinderbibel aus dem Jahr 1821 angeführt. In diesem Werk bietet Neumann Erzählungen aus Genesis und Exodus in zweisprachiger Ausgabe, indem er eine hebräische Nacherzählung zusammen mit deren deutscher Übersetzung und einem ebenfalls zweisprachigen Kommentar abdruckt. Die deutschen Teile sind dabei in hebräischen Buchstaben gedruckt, wie es in maskilischen Werken der Zeit nicht unüblich war. Der Verkauf des Erstgeburtsrechtes wird dort folgendermaßen erzählt: Als die Knaben heran gewachsen waren, zeigte sich Esav als ein Jagdliebhaber; war stets auf dem Feld, verachtete die Weisheit, und verwarf jede gute Lehre. Jakob hingegen war ein frommer gesitteter Mensch; liebte jede gute Lehre, blieb immer zu Hause um an Kenntnis und Weisheit zuzunehmen. Dennoch liebte Jizchak den Esav, weil dieser seinen Vater immer hintergangen, und ihm stets mit gutem Wildbred bewirtet; […]. Eines Tages als Esav hungrig und abgemattet vom Felde kam, verkaufte er seine Erstgeburt an seinen Bruder Jakob für ein Gericht rohter Linsen – daher er den Nahmen Adom (Rohter) bekam – nachdem er gegessen und getrunken, stand er auf und ging davon; und auf diese Weise verachtete der Esav die Erstgeburt, ohne dass sein Vater es wusste.¹⁹

Ins Auge fällt in diesem Beispiel zunächst die klar gegensätzliche Zeichnung der beiden Brüder. Dies beginnt bei der Einführung, in der Esau deutlich als negative

 Zum historischen Erzählen als Deutungsmuster siehe beispielsweise White, Hayden: Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe. 40th anniversary edition. Baltimore 2014.  Neumann, Moses S.: ,‫ מראשי ועקרי הספורים והקורות‬,‫ספר הישר והברית ראשית למודים לילדי בני ישראל‬ ‫ ערצעהלונגען אונד הויפטלעהרען דער הייליגען געשיכטע עם למודי מוסר‬.‫הדתות והחקים והמצות הבאים בתורת משה‬ ‫ מאראל אונד זיטטענשפריכע ]…[ בלשון ]…[ עברית ואשכנזית‬.‫[ ודרך ארץ‬Deutsch in hebr. Lettern:] Erzählungen und Hauptlehren der Heiligen Geschichte […]. Moral und Sittensprüche […]. Wien 1821 (im Folgenden: Neumann: Sefer ha-Jashar we-ha-Berit). Fünfzehnte Erzählung: Von Jaakov und Esav, S. 69 (hier und in allen folgenden Beispielen Transkription des deutschen Textes in hebräischen Buchstaben). Ausführlicher zu Moses Samuel Neumanns Kinderbibel siehe Salzer, Zweisprachige Kinderbibeln.

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Identifikationsfigur und als abschreckendes Beispiel gestaltet ist. Im Gegensatz zu Jakob ist er lasterhaft, treibt sich lieber auf dem Felde herum als zu lernen und hintergeht zudem seinen Vater. Jakob hingegen ist der fromme und tugendhafte Stubenhocker, der gerne lernt. Diese Informationen gehen weit über den Inhalt des biblischen Textes hinaus, wo es von Esau lediglich heißt, er sei „ein Jäger und streifte auf dem Feld umher“, während über Jakob berichtet wird, er sei „ein sanfter Mann und blieb bei den Zelten“ (Gen 25,27). Die Nacherzählung füllt also biblische Lücken mit ergänzenden Details auf, die sich an den Adressaten des Textes und der gewünschten Rezeptionsleistung orientieren. Das Bild, das sich aus Neumanns Schilderung der Ereignisse damit ergibt, ist ein ganz anderes als das in der Hebräischen Bibel: In Neumanns Neufassung ist Esau von vornherein sittlich verdorben, und dass Jakob ihm das Erstgeburtsrecht abkauft, erscheint als nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu als eine gute Tat. Andererseits fehlt in dieser Darstellung jeglicher Hinweis darauf, dass der listige Jakob seinem Bruder eine Falle stellt, weil er das Essen bereitet, als Esau müde nach Hause zurückkehrt und ihn dadurch in die Situation bringt, sein Erstgeburtsrecht abzutreten. Jakobs Initiative tritt damit in den Hintergrund, und er erscheint nicht mehr als listiger Fallensteller des biblischen Textes, nicht mehr als jemand, der agiert, sondern als jemand, der nachvollziehbar und situationsadäquat reagiert. Jakob, im biblischen Text eine ambivalente und charakterlich nicht unproblematische Figur, wird somit in der Nacherzählung in einem wesentlich besseren Licht dargestellt, um als positive Identifikationsfigur für das lesende Kind zu dienen. Die Neumanns Darstellung zugrundeliegende polare Gestaltung der beiden Brüder entspricht zwar traditionellen jüdischen Deutungen dieser Erzählung,²⁰ etwa im Midrasch Genesis Rabba, das Mittel der Darstellung aber ist ein anderes. Denn während die traditionelle Exegese versucht, Jakobs Verhalten durch die Kommentierung des biblischen Textes in neues Licht zu rücken, erreicht Neumann eine Neuinterpretation des Textes durch eine paraphrasierende Nacherzählung des biblischen Textes, die vorgibt, den Inhalt wiederzugeben, aber dabei eliminiert, was seiner Interpretation entgegensteht, und hineinträgt, was seinen Zwecken dienlich ist.

 Siehe beispielsweise BerR 63,13; Tanchuma Yelamdenu zu Gen 27,1; sowie den Kommentar Raschis zu Gen 25,32. Vgl. auch die Darstellung der Ereignisse in der jiddischen Bibelparaphrase Zennerenne.

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3.3 Kommentare Die Ausschmückungen, die Neumann vornimmt, sind ganz auf das kindliche Zielpublikum zugeschnitten, das einerseits zur Tugendhaftigkeit erzogen werden und andererseits fleißig lernen sollte. Schließlich wird die moralische Überlegenheit Jakobs damit begründet, dass er im Gegensatz zu Esau „jede gute Lehre“ liebte und Freude am Lernen gehabt habe. Im nachgestellten Kommentar zur Erzählung wird dieser Gedanke noch einmal aufgenommen und weitergeführt, wenn es heißt: „Wer Zucht und gute Lehren verachtet, verdirbt seinen Wandel, und begeht Thorheit; denn nur guten Lehren gehorchen verschafft guten Lebenswandel und macht weise.“²¹ Der Kommentar betont also die Relevanz des Dargestellten für die lebensweltliche Situation der Kinder, indem er Gehorsam und tugendhaften Wandel als Verhaltensweisen einfordert. Dieses letzte Beispiel veranschaulicht sehr deutlich einen weiteren Schritt in der Aufbereitung der biblischen Texte: nämlich die Ergänzung durch einen Kommentar, der die Erziehungsmaxime explizit hervorhebt, die durch die Reformulierung und narrative Struktur bereits implizit in den Text eingetragen sind. Neumann bezieht sich in seiner Auslegung hier durchaus auf die Bedeutung der Erzählung als Ganzes, hebt also eine „Moral“ der Geschichte hervor. Dass die in jüdischen Kinderbibeln eingefügten Kommentierungen auch anders verfahren können, zeigen die Ausführungen Peter Beers in seinem Sefer Toledot Israel aus dem Jahr 1796. Beers Kommentar richtet den Blick konkret auf Esaus Bitte um Essen und führt unter Evozierung beklemmender Bilder dazu aus: Gefräßigkeit Esau’s. Liebe Kinder! Dies viehische Laster hat besonders, wenn man sich es in der Jugend angewöhnt, auf Leib und Seele die unseligsten Folgen, enthaltet euch also meine Lieben, des zu vielen Essens, betrachtet die jenigen Kinder die ihren Magen unaufhörlich voll stopfen, welche aufgedunste Bäuche! Welche blasse Farbe des Gesichts! […] Wisset meine Lieben! dass vermög göttlichem Gesetze, ein Kind das sehr gefräßig ist, mit Steinen zu Tod geworfen werden sollte, und zwar zur Vorsorge: Weil nämlich ein solches gefräßiges Kind, bei reiferen Jahren, nicht nur allein sein eignes Vermögen, und das Vermögen seiner Eltern durch bringet; sondern zu letzt, um seinen unersättlichen Magen genüg zu leisten, auch Leute auf der Straße berauben, und sie tot schlagen würde. Auch auf die Seele hat dieses Laster die schädlichsten Wirkungen, denn, ist der Körper krank, so kann auch die Seele nicht gehörig wirken jede Unordnung und Zerrüttung des Körpers, ziehet nothwendig Zerrüttung des Empfindungs Vermögens der Seele nach sich. […]. Gewöhnt euch also liebe Kinder zur Mäßigkeit, diese erhaltet eueren Körper gesund, und euere Seele munter und zu allen Geschäften aufgelegt.²²

 Neumann, Sefer ha-Jashar, S. 72  Beer, Sefer Toledot Israel, Kap. 6, Anm. 3, S. 26 (die Transkription des deutschen Textes in jüdisch-deutscher Schrift folgt der Worttrennung im Original).

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Anders als Neumann, der den Zusammenhang der Erzählung kommentiert, bezieht Beer sich hier auf eine Stelle, um seine Lehre aus der Erzählung anzuknüpfen. Er nimmt Esaus Bitte um Essen zum Anlass, um die Kinder mit sehr drastischen Worten auf die Folgen von Gefräßigkeit hinzuweisen und sie zur Mäßigung aufzufordern. Dabei ist der Kommentar deutlich philanthropistischen Ideen seiner Zeit verpflichtet, für welche die Körperfürsorge einen wichtigen Erziehungsinhalt darstellte. Beer nimmt hier deutlich Rekurs auf aufklärerische Körper- und Medizindiskurse, die einerseits auf der Vorstellung einer direkten Wechselwirkung zwischen körperlicher und seelischer Verfasstheit beruhen und damit einen Zusammenhang zwischen Gesundheit und Moral postulieren, und andererseits den Körper unter einem utilitaristisch ökonomischen Aspekt betrachten. Beers Darstellung beginnt mit der abschreckenden physischen Beschreibung derjenigen Kinder, die sich nicht an dem geforderten Essverhalten orientieren und stellt damit ein solches Vergehen deutlich in den Kontext einer stigmatiserenden Körperlichkeit. Falsches Essen hemme die positive Entwicklung und damit – nicht ausgesprochen, aber durchaus als Subtext präsent – die Vervollkommnung, die das erstrebte Ziel aufklärerischer Anthropologie darstellt. Krankheit ist somit nicht mehr gottgesandte Strafe, sondern Folge falschen Handelns und Zeichen moralisch-sittlichen Verfalls, Gesundheit wiederum kann man sich demzufolge erarbeiten. − Sie wird damit zum Ergebnis einer richtigen Lebensführung. Nach dieser Darstellung der Folgen für das Individuum stellt Beer die damit verbundenen Konsequenzen für die Gesellschaft dar, indem er nach volksaufklärerischer Manier den ökonomischen Ruin der Familie als Schreckensbild evoziert, der nach seiner Darstellung unweigerlich zur Straffälligkeit und damit zum Ausschluss aus der Gesellschaft führt. Die Argumentationslinie ist dabei so deutlich wie drastisch: Nur ein vollkommener (gesunder) Körper ermöglicht Fleiß und Tugend, und daher erlaubt es nur ein gesunder Körper, seinen individuellen und gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen. Gesundheit ist also ein sozialer Orientierungswert und ein gesellschaftliches Regulativ. Wird die gesundheitliche Selbstfürsorge vernachlässigt und gegen die bürgerliche Gesundheitsnorm verstoßen, so droht der Verlust der Gemeinschaft. Die Aufgabe des Kindes ist es also, im Sinne menschlicher Selbstermächtigung den Körper durch Dietätik zu kontrollieren und ihn damit zum Instrument der Pflichterfüllung werden zu lassen. Zwar wird auch in der rabbinischen Literatur der Erhaltung des menschlichen Körpers zum Teil besondere Wertschätzung zuteil, so dass Körperpflege durchaus religiöse Bedeutung innehaben konnte. Insofern mögen Beers Ausführungen auch in diesem Kontext verortbar sein, seine Argumente sind hier dennoch sehr deutlich von der Pädagogik, der Kinder- und Jugendliteratur und den ökonomisch-utilitaristischen Diskursen der Zeit geprägt.

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Beers Bestreben, bürgerliche Werte mit der Bibel in Verbindung zu bringen oder sogar daraus abzuleiten, ist ein weiteres Spezifikum der jüdischen Kinderbibeln im 18. und 19. Jahrhundert. Die Tendenz zu einer moralisierenden Interpretation des Bibeltextes verbindet sich also mit der Implementation bürgerlicher Werte in den Text, die so als biblische und genuin jüdisch-traditionelle Werte erscheinen. Biblische Figuren werden daher gerne zu Vertretern bürgerlicher Tugenden geformt.²³ So werden die Patriarchen zum Beispiel zu treusorgenden Familienvätern, und Joseph wird zur Personifizierung eines dienstfertigen Fleißes geformt. Auch andere klassische bürgerliche Werte wie Gehorsam, Patriotismus, Reinlichkeit und ähnliches sind Themen, die in den Texten immer wieder auftreten. Als einer der wichtigsten der vertretenen Kernwerte stellt sich dabei allerdings das bürgerliche Arbeitsethos dar. So wird beispielsweise die Vertreibung aus dem Garten Eden (Gen 3) gerne in diesem Sinne interpretiert. In den Erzählungen der Heiligen Schrift für Israeliten, 1834 von Abraham Cohn (1807−1848, Lehrer in Iserlohn) und Abraham Dinkelspiel (1799−1871 Lehrer in Menden) veröffentlicht, liest sich dies folgendermaßen: Fr. Was lernen wir zunächst aus diesem Capitel? Antw. Dass der Mensch nicht zum Müssiggange und zu träger Ruhe, sondern zur Arbeit geschaffen ist; denn auch in dem blühenden, fruchtbaren Garten Eden, in welchem der Schöpfer Alles im reichsten Ueberflusse hervorwachsen ließ, ach da sollte der Mensch seine Nahrung doch erst durch Thätigkeit erwerben; denn die Arbeit macht das Leben süß. Müssiggang aber ist aller Laster Anfang! […]. Fr. Warum strafte sie Gott mit schwerer Arbeit? Antw. Gott straft den Menschen nur, um ihn zu bessern. Auch in dieser Strafe zeigt sich Gottes Güte, denn nichts dient mehr zu Unterdrückung böser Begierden als schwere Arbeit.²⁴

Das hier so prominente Verständnis von Arbeit als Ziel des menschlichen Daseins („zur Arbeit geschaffen“) ist ein grundlegendes Element der in den Kinderbibeln

 Dies ist ein nicht nur auf Kinderbibeln beschränktes Phänomen. Siehe für ein Beispiel unter vielen auch Salomon, Gotthold: Briefe an ein achtungswürdiges Frauenzimmer jüdischer Religion. In: Sulamith 1806: Brief II (I,1, S. 374−386); 1807: Briefe III (I,2, S. 86−94); IV (I,2, S. 169 −181); V (I,2, S. 338−351); 1809: Brief VI (II,2, S. 199−220).  Cohn, Abraham u. Abraham Dinkelspiel: Erzählungen der Heiligen Schrift für Israeliten. Zum Schul- und Privat-Gebrauch. Nebst einer Vorrede von G. Salomon in Hamburg. Iserlohn/Leipzig 1834. S. 6 f.

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des 19. Jahrhunderts vertretenen Anthropologie, die sich bis zur ersten jüdischen Kinderbibel aus dem späten 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.²⁵ Die dargestellten Beispiele führen vor Augen, wie unterschiedlich die formale Gestaltung von Kommentaren in den jüdischen Kinderbibeln ausfallen kann. Neben ausführlichen Anmerkungen wie in den beiden zuerst genannten Beispielen von Neumann und Beer finden sich auch an die jeweiligen Erzählungen anschließende Nachträge, die in katechisierender Weise aufgearbeitet sind wie hier bei Cohn/Dinkelspiel.²⁶ Die Kommentare können aber auch im Predigtton gehalten sein,²⁷ und andere Autoren wiederum greifen auf spärlich gehaltene kurze Notizen zurück,²⁸ während wieder andere ganz und gar auf Kommentare verzichten. Obwohl die Kommentare mit unterschiedlichen Begriffen betitelt werden – Beer beispielsweise bezeichnet seinen Kommentar als „Anmerkungen“, während Samuel Moses Neumann den seinen „Moral“ nennt, und wieder andere wie zum Beispiel Cohn/Dinkelspiel die Bezeichnung „Lehren“ führen − lässt sich kein Zusammenhang zwischen bestimmten verwendeten Begriffen und der formalen Gestaltung der Kommentare feststellen.

3.4 Sonstige Peritexte Neben den Kommentaren verwendeten die Autoren jüdischer Kinderbibeln auch andere Peritexte, die das Verständnis der Erzählungen lenken. In der Geschichte der Gattung schon sehr früh treten z. B. Überschriften für die einzelnen Erzählungen auf, die den Fokus oder die Interpretationstendenz der einzelnen Erzähleinheiten verdeutlichen. So setzte beispielsweise Immanuel Moritz Neumann (ca. 1778 – 1865), Direktor der Wilhelmsschule in Breslau, in seiner für die Schule verfassten Kinderbibel Torat ha-Elohim (Lehre Gottes, 1816) die folgende ausführliche und die Ereignisse des nachfolgenden Textes kurz zusammenfassende

 Siehe z. B. Beer, Sefer Toledot Israel, Kap. 22, Anm. 1. Zum Thema Arbeit und Arbeitsethos als grundlegende Konstituenten der bürgerlichen Daseinsform siehe Maurer, Michael: Die Biographie des Bürgers. Lebensformen und Denkweisen in der formativen Phase des deutschen Bürgertums (1680−1815). Göttingen 1996. S. 378−387.  Zur Form des Katechismus in jüdischen Lehrbüchern siehe den Beitrag von Kerstin von der Krone im vorliegenden Band.  So z. B. Schwabacher, Heimann: Das Geschichtliche der Bibel, mit moralischen Anmerkungen und Aufsätzen, ein Lesebuch für die reifere Jugend. Fürth 1822 (Bd. 2 erschien 1825).  So z. B. in der Kinderbibel des frühen Vertreters der Wissenschaft des Judentums, Isaak Markus Jost: Neue Jugend-Bibel, enthaltend die religiösen und geschichtlichen Urkunden der Hebräer, mit sorgfältiger Auswahl für die Jugend, übersetzt und erläutert. T. 1: Die fünf Bücher Moses. Berlin 1823.

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Überschrift vor die Erzählung über die Gottesoffenbarung im brennenden Dornbusch (Ex 3): Der Glanz der Herrlichkeit von Yhwh [Ez ,] erschien Mose wie eine Vision von Feuer. Und er befahl ihm, den Kindern Israels und dem Pharao, König Ägyptens, die Kinder Israels aus Ägypten herauszuführen, aus dem Haus der Sklaven, Pharao wollte nicht hören, und er erschwerte sein Joch ihnen gegenüber.²⁹

.‫נוגה כבוד יהוה נגאה אל משה כמראה אש‬ ,‫ויוצוהו אל בני ישראל ואל פרעה מלך מצרים‬ ,‫להוציא את בני ישראל מארץ מצרים מבית עבדים‬ ,‫פרעה לא אבה שמוע‬ .‫ויכבד עלו עליהם‬

Die auf diese Überschrift folgende Erzählung berichtet von dem seltsamen Ereignis des zwar brennenden, sich aber nicht verzehrenden Dornbuschs, und damit von einer Erscheinung, die mit dem in den Kinderbibeln vorherrschenden rationalen Paradigma der Vernunft kaum zu vereinbaren war. Durch die Überschrift wird das Verständnis dieses Ereignisses deshalb schon im Vorhinein gelenkt und interpretiert: Das Feuer wird mittels eines Bibelzitats als eine Metapher für die „Herrlichkeit des Herrn“ gedeutet. Dadurch soll sich wohl bei der Lektüre des Textes die Frage nach der wundersamen Brandfestigkeit des Dornbusches erst gar nicht stellen, denn die Leserschaft ist entsprechend vorbereitet und versteht das Feuer als Teil der Vision des Mose. Ebenfalls bereits früh im Verlauf der Gattungsgeschichte lassen sich Mottos nachweisen, die zwischen Überschrift und Erzählung angeführt werden. Eingeführt von Josef Johlson (1777−1851), Religionslehrer in Frankfurt am Main in seinem Toledot Avot (Geschichte der Väter, 1820)³⁰, haben solche Mottos genauso wie Überschriften die Funktion inne, die nachfolgende Geschichte von vornherein in einen bestimmten Deutungszusammenhang zu stellen. Sehr beliebt sind dabei Zitate aus der biblischen Poesie oder aus den Propheten, vor allem aber aus der Weisheitsliteratur. Diese kommen den universalethischen Konzeptionen des aufklärerischen und bürgerlichen Religionsdiskurses entgegen und lassen sich zudem leicht auf eingängige Sentenzen verkürzen.Wenn zum Beispiel unter der Überschrift „Isaaks Vermählung“ von der Suche nach einer

 Neumann, Immanuel M.: ‫ ספר תורת האלהים‬Auszug aus den Büchern Mose. Für die Schüler der königl. Wilhelms-Schule bearbeitet […]. Breslau 1816. S. 32b. Im Folgenden zitiert als Neumann, Sefer Torat ha-Elohim.  Johlson, Josef: ‫ תולדות אבות‬Chronologisch geordnete biblische Geschichte in der Ursprache der heiligen Schrift. Hebräisches Lesebuch mit etymologischen Bemerkungen, Paradigmen und erklärendem Wortregister. Frankfurt am Main 1820. Im Folgenden zitiert als Johlson, Toledot Avot.

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geeigneten Frau für Isaak berichtet wird, der eigentlichen Erzählung aber noch ein Zitat von Sprüche 19,14 vorangestellt ist, so transportiert dies eine Botschaft, welche bürgerliche Familienvorstellungen und die mit ihnen verbundenen Rollenerwartungen propagiert. Der Vers lautet nämlich folgendermaßen: „Haus und Habe vererben die Eltern; aber eine verständige Ehefrau kommt von YHWH“.³¹ Als besonders prominente Beispiele von Peritexten finden sich in vielen jüdischen Kinderbibeln auch Gedichte, die den einzelnen Erzählungen vor- oder nachgestellt sein können. In der erwähnten Kinderbibel von Cohn/Dinkelspiel aus dem Jahr 1834 werden für diesen Zweck lyrische Texte verwendet, welche der Vorrede nach „aus dem reichen Liedervorrath unserer besten vaterländischen Dichter“³² stammen. So wird etwa die Erzählung über die Vertreibung aus dem Garten Eden von den folgenden eingängig gereimten Strophen beschlossen: Gott! Deinen heiligen Befehlen Will ich, Dein Kind, gehorsam sein; Nur sie zu meiner Richtschnur wählen, Nur Dir mein ganzes Leben weih’n! Dein Wille ist gerecht und gut; Heil dem, der ihn mit Freuden thut! Laß Deine heiligen Gesetze Mir immer gegenwärtig sein, Und gib, daß ich sie nie verletze, daß ich bedenke, was sie dräu’n. Das Joch ist sanft, leicht ist die Last, Die Du mir aufgeleget hast! Beut [sic] diese Welt auch tausend Freuden Verbot’ner Sinnenlust mir an: Laß die verderblichen mich meiden! Was ist’s, das Sünde geben kann? Im Anfang’ Lust; am Ende Pein. Das bringt der Dienst des Lasters ein.³³

Allerdings verraten die beiden Autoren nicht, dass es sich bei dem Liedervorrath, aus dem sie dieses Lied zitieren, um ein evangelisches Gesangbuch und es sich damit bei diesem Text um ein Kirchenlied handelt. Es wurde im frühen 18. Jahrhundert von dem protestantischen Pfarrer und Dichter von Kirchenliedern Benjamin Schmolke verfasst und fand sich zur Zeit der Veröffentlichung der Erzählungen der Heiligen Schrift für Israeliten von Cohn/Dinkelspiel in zahlreichen

 Johlson, Toledot Avot, S. 13.  Cohn/Dinkelspiel, Erzählungen der Heiligen Schrift, S. VII.  Cohn/Dinkelspiel, Erzählungen der Heiligen Schrift, S. 8.

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evangelischen und teilweise sogar katholischen Gesangbüchern.³⁴ Fraglich ist allerdings, wie sehr die Autoren sich dessen bewusst waren, findet sich dieser Text doch in der hier vorliegenden überarbeiteten Form auch in Josef Johlsons Shire Jeshurun: Lieder und Gesänge für israelitische Schulen aus dem Jahr 1815.³⁵ Was auch immer der Vorlagentext für Cohn/Dinkelspiel gewesen sein mag, so ist dieses Beispiel eines barocken protestantischen Kirchenliedes in einem „israelitischen Gesangbuch“ und einer jüdischen Kinderbibel ein anschauliches Beispiel für den kulturellen Transfer, der mittels einer De- und Rekontextualisierung eines Textes vorgenommen werden kann. Mit der Entwicklung der Gattung treten auch zunehmend Peritexte wie Zeittafeln oder chronologischen Listen,³⁶ zusätzliches historisches Material³⁷ oder bibelkundliche Erläuterungen³⁸ zu den biblischen Texten hinzu. Diese dienen der historischen Einbindung der biblischen Texte, die im 19. Jahrhundert für die Entwicklung des Judentums eine so bedeutende Rolle spielen sollte.³⁹ Gerade zu

 Unter dem ursprünglichen Titel Mein Gott, du hast mir zu befehlen, siehe: Koch, Eduard E.: Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. 3., umgearb. Aufl. Stuttgart 1868. S. 488.  Johlson, Josef: ‫ שירי ישורון‬Israelitisches Gesangbuch zur Andacht und zum Religionsunterricht. Dritte, durchaus verbesserte und mit 54 Liedern vermehrte Auflage. Frankfurt am Main 1840, Lied Nr. 180 (Strophen 1, 3 und 5; Erstauflage 1815).  Siehe beispielsweise Büdinger, Mordechai: ‫ דרך אמונה‬Weg des Glaubens. Stuttgart 1823. S. 386 f.; Anonym: ‫ אלה תולדות בני ישראל‬oder: Biblische Geschichten der Kinder Israel, für Schulen bearb. Zweite durchgesehene und mit einer chronologischen Tabelle vermehrte Auflage. Berlin 1855.  So ergänzen z. B. Mordechai Büdinger in seinem Weg des Glaubens und Joseph Meier in seinem Lehrbuch der Biblischen Geschichte die biblischen Texte mit einem Überblick über die apokryphe Literatur. Darüber hinaus gibt es auch andere Informationen zum zeitgenössischen Kontext der biblischen Texte oder auch zur späteren Geschichte der Juden, beispielsweise in Philippson, Ludwig: Die fünf Bücher Moses für Schule und Haus. Neue Uebersetzung mit Inhaltserläuterungen zu jedem Kapitel, Zeit-, Orts- und naturhistorischen Bemerkungen und I Zeittafel. Leipzig 1847; Popper, Julius: Israelitische Schulbibel und Spruchbuch zum Gebrauch beim israelitischen Religionsunterricht nebst einem kurzen Abriß der Geschichte der Juden auf die neueste Zeit. Dessau 1854; Müller, Samuel: Kleine Bibel. Biblische Geschichte und Religionslehre, fortgeführt bis zum Ende des jüdischen Staates (Erweiterte Ausgabe des „Buch für unsere Kinder“). Mit einer Karte von Palästina, einer Karte von Vorderasien und Ägypten, einem Plane von Jerusalem, einer Zeichnung der Stiftshütte und einem Anhang: Abriß der Geographie Palästinas, Bibelkunde und Zeittafel. Stuttgart 1903 und viele mehr.  Z. B. Büdinger, Weg des Glaubens, S. 362−380.  Siehe beispielsweise Shavit, Yaacov: The Hebrew Bible Reborn. From Holy Scripture to the Book of Books. A History of Biblical Culture and the Battles over the Bible in Modern Judaism. Berlin 2007; HaCohen, Ran: Reclaiming the Hebrew Bible. German-Jewish Reception of Biblical Criticism. Berlin [u. a.] 2010.

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Beginn der Gattung werden auch gerne Peritexte zum Spracherwerb des Hebräischen beigefügt, die eine Einordnung des Studiums der Hebräischen Bibel in den ihm traditionell zugewiesenen Bereich des Spracherwerbs evozieren.⁴⁰

3.5 Illustrationen Die bislang vorgestellten hermeneutischen Mittel bleiben alle innerhalb des Mediums Text, denn Auswahl, narrative Form der Erzählung, Kommentierung und andere und Peritexte arbeiten mit dem Mittel der Sprache. Anders verhält sich dies in Bezug auf Landkarten und Illustrationen eines Bibeltextes. Beides sind weit mehr als schmückendes Beiwerk oder mnemotechnisches Hilfsmittel. Während die Landkarten sowie chronologische Listen und ähnliches Material der Historisierung der Texte dienen, sind Illustrationen zu biblischen Texten nichts anderes als Interpretationen der Texte.⁴¹ Als transmediale Verschiebungen des Erzählten heben sie einen bestimmten Augenblick daraus hervor und stellen ihn in den Vordergrund. Sie betreiben also dadurch Exegese, indem sie die Aufmerksamkeit auf diesen Moment lenken und ihn als einen Höhepunkt der Erzählung kennzeichnen. Die Art und Weise ihrer Darstellung wiederum kann bestimmte Schwerpunkte der Auslegung unterstützen oder gar erst hervorbringen. In der zionistischen Kinderbibel von Joachim Prinz⁴² beispielsweise wird die Erzählung über die Erlistung von Isaaks Segen des Erstgeborenen von einem Bild (Abb. 1) begleitet, das Rebekka am Eingang des Zeltes zeigt, wie sie Isaaks Gespräch mit Esau mithört (Illustration zu Gen 27,6). Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf die Figur der Rebekka gelenkt und ihre Schlüsselrolle in Jakobs Täuschungsmanöver zur Erlangung von Isaaks Segen betont. Die Darstellung dieses Momentes wirkt durch die umgebende Natur, die Kleidung Rebekkas und durch das Zelt, das einen großen Teil der Bildfläche einnimmt, romantisierend und orientalisierend und unterstreicht damit zugleich den zionistischen Grundton der Kinderbibel. Ganz anders wirkt die Szene in der Darstellung aus Otto Geismars Bilderbibel (1928),⁴³ nur wenige Jahre vor der Kinderbibel von Joachim Prinz publiziert, die die Ereignisse in ein deutsches bürgerliches Krankenzimmer ver-

 Siehe z. B. Beer, Sefer Toledot Israel und Johlson, Toledot Avot.  Zu Illustrationen als Interpretationen des biblischen Texts in der Ausgabe Ludwig Philippsons siehe den Beitrag von Rüdiger Liwak im vorliegenden Band.  Prinz, Joachim: Die Geschichten der Bibel. Der jüdischen Jugend neu erzählt von Joachim Prinz. Mit vielen Bildern von Heinz Wallenberg. Berlin 1934.  Geismar, Otto: Bilder-Bibel. Für Kinder gezeichnet. Berlin 1928.

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Abb. 1: Die Erlistung von Isaaks Segen in der Kinderbibel von Joachim Prinz (1934)

Abb. 2: Die Erlistung von Isaaks Segen in der Bilderbibel von Otto Geismar (1928)

setzt (Abb. 2). Im Vordergrund steht dort der Segen, den Isaak dem Jakob erteilt (Gen 27,26 – 29), Rebekka steht am Rand des Bildes in der Tür und beobachtet die Szene. Die dargestellte Einrichtung mit imposantem Krankenbett und Nachttisch soll deutlich die Verbindung zu Ort und Zeit der Betrachtenden evozieren und ist gänzlich frei von romantisierendem Orientalismus oder zionistischen Botschaften. Die Darstellung der Speise, die Jakob der Erzählung gemäß mit sich brachte, trägt zudem eine Spur von Ironie in sich, welche die Erzählung für weitere Interpretationen öffnet. Deutlich handelt es sich dabei weder um zwei Böcklein, wie

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im biblischen Text von Rebekka gefordert (Gen 27,9) noch um Wildbret, wie Isaak es sich zu Beginn der Erzählung bei Esau bestellt (Gen 27,3) – eher ähnelt das Tier einem Huhn, und die Speise wirkt damit wie eine ironische Anspielung auf die stärkende Hühnersuppe, die dem Klischee nach in jedem jüdischen Haushalt bei Krankheit gereicht wird. Illustrationen sind allerdings ein exegetisches Mittel, das in jüdischen Kinderbibeln erst relativ spät zu einem vermehrten Einsatz kommt, nämlich erst im 20. Jahrhundert. Diese Tatsache ist vermutlich mehr ökonomischen Gründen zuzuschreiben als einer strengen Beachtung des Bilderverbots, denn Bilder zu drucken war seinerzeit teuer, und die meisten jüdischen Kinderbibeln sind erkennbar kostengünstig hergestellt, gedruckt auf billigem Papier und in gängigen Standardformaten.

4 Paradigmen der Auslegung im Kontext der Transformation jüdischer Religion und Kultur Die bislang vorgestellten Mittel der Exegese in jüdischen Kinderbibeln führen Vielfalt und Möglichkeiten deutlich vor Augen. Das Argument einer auf Erziehung abzielenden Bearbeitung eröffnete offenkundig selbst in Bezug auf den heiligen Text der Hebräischen Bibel weite Spielräume für Interpretationen. Nicht der Anschluss an das traditionelle Verständnis der biblischen Texte stand dabei unbedingt im Vordergrund, sondern vielmehr die Bedürfnisse des Judentums im Hier und Jetzt der Bearbeitenden. Dies ist einer der deutlichen Unterschiede zur klassischen Beschäftigung mit dem biblischen Text im Judentum, der es immer auch um eine Auseinandersetzung mit der traditionellen Rezeption geht. Über die formalen Gestaltungsmittel hinaus lassen sich damit auch deutlich grundlegende hermeneutische Paradigmen erkennen, die klare Rückschlüsse auf Werte und Ziele des sich transformierenden Judentums erlauben. Im Folgenden werden daher einige der grundlegenden Paradigmen dieses Diskurses, die im vorangegangen Teil bereits angesprochen wurden, in Erinnerung gerufen und im Hinblick auf die für das Judentum des 19. Jahrhunderts so wichtigen Bedeutungsund Funktionsverschiebungen von jüdischer Religion umrissen. Jüdische Kinderbibeln sind von Beginn der Gattung an und während des gesamten 19. Jahrhunderts durch eine starke Tendenz zur Moralisierung gekennzeichnet. Wie gezeigt, kann sich die Moralisierung implizit in Auswahl und Erzählweise niederschlagen, aber auch explizit in Peritexten. Das Verständnis der Hebräischen Bibel als Quelle einer universalen moralisch-praktisch ausgerichteten Ethik kam einerseits dem religiösen Zeitgeist entgegen, wurde aber anderer-

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seits auch als Mittel gesehen, tatsächliche oder vermeintliche partikularistische Tendenzen innerhalb des Judentums zu überwinden. Mit der Moralisierung einher geht daher eine starke Universalisierung des jüdischen Religionsverständnisses, die z. B. auch in einer Umdeutung des Erwählungsgedankens und einer Neuinterpretation des messianischen Zeitalters zum Tragen kam. Eine auf moralisch-praktische Anwendung der biblischen Lehren ausgerichtete Hermeneutik machte darüber hinaus das individuelle Streben nach sittlicher Vervollkommnung zur Grundlage für das Verhältnis zwischen Individuum und Gott. Damit aber wurde das innerweltliche Erlebnis des Einzelnen in den Vordergrund gerückt, und als rein äußerlich oder gar inhaltsleer gedeutete Rituale wurden vernachlässigt. Die Tendenz zur Moralisierung trug damit also letztlich auch zur Individualisierung und Verinnerlichung der jüdischen Religion bei, im Zuge derer mehr Wert auf das empfindende Individuum denn auf die Erfüllung ritueller Praxis (von den Aufklärern als „Ceremoniallehren“ bezeichnet) gelegt wurde. Das hermeneutische Paradigma, biblische Figuren als Vertreter bürgerlicher Tugenden und Werte zu stilisieren, führte wiederum dazu, letztere als genuin biblische und damit klassische jüdisch-religiöse Werte zu beschreiben und sie damit zu sakralisieren. Die Autoren der jüdischen Kinderbibeln nutzten also die Exegese, um bürgerliche Werte in die Sprache der Tradition zu übersetzen. Damit legitimierten sie diese nicht nur, sondern erhoben sie regelrecht zu gottesdienstlichen Elementen. Moralisierung, Individualisierung, Verinnerlichung und die Wertschätzung bürgerlicher Tugenden waren klassische Bestandteile bürgerlicher religiöser Praxis. Wenn diese Tendenzen sich nun auch in jüdischen Kinderbibeln nachweisen lassen, so verdeutlicht dies, dass der Rückgriff auf die Hebräische Bibel dazu diente, die jüdische religiöse Praxis in den Horizonten bürgerlicher Werte zu deuten und zu verändern, und andererseits Religion und Tradition zu Trägern und Multiplikatoren dieser Werte zu machen. Jüdische Kinderbibeln waren primär Lehrmittel und als solche per se Mittel der Selbstdefinition. Sie konnten daher der Verbreitung und Verankerung eines jüdisch-bürgerlichen Kulturmodells dienen. Indem die Autoren eine bürgerlichreligiöse Semantik propagierten, codierten sie also einerseits die jüdische Religion als genuin bürgerlich. Andererseits aber beeinflussten und modellierten sie das Judentum in dieser Richtung und trugen so zur Herausbildung und Popularisierung einer modernen deutsch-jüdischen Identität bei, für die der bürgerliche Wertekanon bis in das 20. Jahrhundert hinein ein tragendes Fundament darstellte. Praktische Tragweite und Nachhaltigkeit der in Kinderbibeln angewandten Paradigmen der Bibelauslegung sind daher vielleicht sogar größer als diejenigen der gelehrten und akademischen Debatten. Als Erziehungsmittel transformier(t)en

Kinderbibeln als Mittel jüdischer Bibelauslegung

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jüdische Kinderbibeln also das kulturelle Gedächtnis des Judentums, weil sie Entscheidungen darüber trafen und treffen, welche biblischen Inhalte wichtig genug sind, sie zu erinnern sowie darüber, wie diese Inhalte erinnert und interpretiert werden.

Hermeneutik und Wissenschaft

Hanna Liss

„Die niedere Kritik“ Das Studium der Masora zwischen Wissenschaft des Judentums und Bibelwissenschaft Abstract: Although the study of the Hebrew Bible never formed the center of formal Jewish education, it had always been part of it. In the Middle Ages, Masoretic Bibles as well as Masoretic compilations were studied and introduced in Jewish Medieval commentaries under a variety of names. Jewish commentators dealt differently with Masoretic notes. Whereas some of them made use of the Masorah in order to support rabbinic traditions that seemed to be tied to the biblical text only loosely, others dealt with the Masorah in the way modern scholarship would do, i. e., to take the Masoretic notes as a “fence around the written Torah”. Overall, the Masoretic Text was regarded as an essential component of the Bible although it was considered an offspring of later Jewish tradition. Still in the 18th century, Moses Mendelssohn in his introduction to the translation of the Pentateuch (1782) had argued that the oral tradition of the Masoretic text had served as a guarantor for the text’s purity, and had safeguarded the text from any later corruption. In contrast, the Protestant Bible scholar J. G. Eichhorn had argued that especially the oral transmission of the biblical text was the source of its corruption, and critical scholarship was obliged to emend the corrupt text. At the end of the 18th century at the latest, the Masoretic hyper-text was deprived of its embedment in Jewish tradition, since Protestant historicalcritical research on the Hebrew Bible sought to reconstruct a Biblical “Urtext” and was not very much interested in Masorah Studies as part of the “Niedere Kritik” (“Textkritik”). This development led to the result that Masorah studies by the representatives of the Wissenschaft des Judentums could not develop within the context of the academic Bible studies at the universities. Thus, the works of Salomon Frensdorff, Benjamin Wolf Heidenheim, or Seligmann Isaak Baer were neglected and were only recently rediscovered.

In seinem 1864/1865 erschienenen Beitrag Zur Geschichte der Maßorah präsentierte Abraham Geiger (1810 – 1874) eine Bestandsaufnahme seiner Zeit, die den damaligen status quo der Masora-Forschung beschreibt, die jedoch, wüsste man nicht, aus welcher Zeit das Zitat stammt, auch zur heutigen akademischen Bibelwissenschaft noch gut passt: https://doi.org/10.1515/9783110551631-010

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Im Allgemeinen hat die Unkenntniß der Maßorah in einem bedauerlichen Grade zugenommen. Die neuere biblische Wissenschaft, und zwar nicht blos jene, welche sich nach allerhand selbsterdachten Meinungen den Text bildete, sondern auch jene, welche sich streng an den recipirten Text zu halten vorgab, hatte und − hat nicht das geringste Verständniß der Maßorah. Als recipirter Text gilt ihr der, welchen sie gerade in irgend einer, etwa als correct geltenden Ausgabe vorfindet, ohne daß sie untersuchte, ob man es nicht etwa mit Druckfehlern zu tun hat […]. So erscheinen nach wie vor Ausgaben und Übersetzungen, die angeblich nach dem masorethischen Texte bearbeitet sind, ohne daß Herausgeber oder Übersetzer wirklich einen Blick in die Maßorah geworfen […].¹

Zwar haben, anders als noch zu Geigers Zeiten, viele moderne wissenschaftliche Ausgaben wie die Biblia Hebraica Stuttgartensia (BHS), die Biblia Hebraica Quinta (BHQ), die Ausgabe Mikra’ot Gedolot ha-Keter und die Ausgaben des Hebrew University Bible Project (HUBP) die Masora integriert.² Dies ändert aber nichts daran, dass die Masora heute weder in der Bibelwissenschaft noch in den Jüdischen Studien vernünftig gelehrt und in ihrer grammatischen, exegetischen wie auch liturgischen Funktion ästimiert wird. So wird also im Folgenden nicht nur danach zu fragen sein, wie es überhaupt zu dieser Vernachlässigung des Studiums der Masora kommen konnte, sondern auch, auf welches forschungsgeschichtlich relevante Erbe die heutige Bibelwissenschaft einschließlich der Erforschung ihrer jüdischen Auslegungsgeschichte verzichtet, und warum diese Entwicklung in den Jüdischen Studien bedacht und revidiert werden muss.

1 Die Masora zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit Der in der heutigen Forschung gebräuchliche Begriff der Masora bezieht sich auf alle meta-textuellen Elemente zum Konsonantentext der Hebräischen Bibel und fand seine erste vollumfängliche Ausprägung in den großen orientalischen Bibelcodices (frühester Repräsentant: Kairoer Prophetencodex; 895 d. Z.). Dazu gehören mise-en-page und mise-en-texte, Grapheme, grammatische, syntaktische

 Geiger, Abraham: Zur Geschichte der Maßorah. In: Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 3 (1864/1865). S. 78 – 119, hier 107 f.  Eine Ausnahme stellt die Ausgabe The Hebrew Bible: A Critical Edition (HBCE) von Ronald Hendel dar; zu dieser und den anderen hier genannten Textausgaben vgl. ausführlich zuletzt Liss, Hanna u. Kay J. Petzold: Die Erforschung der westeuropäischen Bibeltexttradition als Aufgabe der Jüdischen Studien. In: Judaistik im Wandel. Ein halbes Jahrhundert Forschung und Lehre über das Judentum in Deutschland. Hrsg. von Andreas Lehnardt. Berlin 2017. S. 189 – 210, bes. S. 196 f.

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und statistische Notizen, Referenzen und Verweise, die den Bibelcodex, aber auch die noch heute für den synagogalen Gebrauch bestimmte Tora-Rolle (Sefer Tora) bestimmen. Man unterscheidet zwischen perpendikulärer Randmasora (sog. masora parva) und horizontaler Rand- und Endmasora (sog. masora magna bzw. masora finalis). Seit dem 12. Jahrhundert tauchen in Frankreich und Deutschland Teil- und Vollbibeln auf, in denen die Listenmasora nicht isoliert als masora magna und masora finalis zusammengestellt, sondern in ornamentalen Formen auf der Seite platziert wurde. Die Masora wird hier mikrografisch im Standardrepertoire der romanischen Buchmalerei in zoomorphen Gestalten (Hunde, Pferde, Hasen, Gazellen, Vögel) und sogar in anthropomorphen Darstellungen (Ritter) präsentiert, wie sie auch im Fassadenschmuck oder auf Fresken an und in Kirchenbauten vorkamen (vgl. Abb. 1).³ Die Handschriften bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert zeigen dabei den Befund, dass diese figurative Masora (masora figurata) philologisch nichts von ihrer Qualität einbüßte. Im Gegenteil: Viele Listen, die die orientalischen Handschriften ans Ende eines Codex und damit in die Unlesbarkeit und/oder Unauffindbarkeit verbannt hatten, finden sich hier komplett auf einer Folioseite und damit dem Rezipienten zugänglich wieder. So manche masora figurata enthält darüber hinaus Zitate aus Kommentarliteratur und Midraschim. Die mittelalterliche Bibelauslegung stützt sich auf masorierte Bibelausgaben wie auch auf masoretische Listen (z. B. Ochla we-Ochla; Sefer ha-Chillufim), die unabhängig von den Bibelausgaben tradiert wurden. Die Bibelkommentare von R. Shelomo ben Jitzchak (Raschi; ca. 1040 – 1105), R. Avraham ibn Ezra (ca. 1090– ca. 1165), R. Jehuda he-Chasid (ca. 1150 – 1217), R. El‘azar ben Jehuda aus Worms (1165 – 1230) sowie von R. Ja‘akov ben Asher, dem sogenannten Ba‘al ha-Turim (ca. 1269–ca. 1343), nehmen Bezug sowohl auf die in den Bibelausgaben notierte Masora als auch auf eigenständige masoretische Zusammenstellungen. Sie verweisen hierbei auf den Sefer ha-Masoret (Buch der Masora), auf die Masoret haGedola (Große Masora) und manchmal auch einfach auf „die Masora“ (ha-Ma Vgl. dazu Liss, Hanna: Gelehrtenwissen, Drôlerie oder Esoterik? Erste Überlegungen zur Masora der Hebräischen Bibel in ihren unterschiedlichen materialen Gestaltungen im Hochmittelalter. In: Jewish Lifeworlds and Jewish Thought. Festschrift presented to Karl E. Grözinger on the Occasion of his 70th Birthday. Hrsg. von Nathanael Riemer. Wiesbaden 2012. S. 27– 40. Zu den ersten Untersuchungen an der westeuropäischen Masora vgl. Liss/Petzold, Bibeltexttradition, S. 203 – 209. Erste Editionen liegen seit 2015 vor, vgl. Attia, Elodie: Editing Medieval Ashkenazi Masorah and Masora Figurata. Observations on the Functions of the Micrography in Hebrew Manuscripts. In: Sefarad 75 (2015). S. 7– 33; dies.: The Masorah of Elijah ha-Naqdan, an Edition of Ashkenazi Micrographical Notes (Ms. Vat. Ebr. 14, Book of Exodus). Berlin [u. a.] 2015; vgl. auch die Digitale Edition der masora figurata von MS Vat. ebr. 14 durch Liss, Hanna [u. a.]: TP B04, Sonderforschungsbereich 933 Materiale Textkulturen. http://bima.corpusmasoreticum.de (15. 12. 2017).

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Abb. 1: Die untere masora figurata bietet im Bildprogramm vier gerahmte Voll-Figuren (Löwe, Stier, Mensch, Adler), die der Thronwagenvision aus Ezechiel 1 entstammen. Der Mensch ist hier als Ritter dargestellt.

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soret; wahrscheinlich Notationen innerhalb der Bibelcodices). Manchmal wird auch auf die Arbeiten der sogenannten Ba‘ale/Anshe ha-Masoret (Männer der Masora) verwiesen. Schon wegen dieser uneinheitlichen Terminologie ist bis heute nicht wirklich geklärt, wer von den Bibelauslegern welche masoretische Zusammenstellung zur Hand hatte. So findet sich beispielsweise in MS Paris (Bibliothèque Nationale) heb. 148 eine Rezension des Ochla we-Ochla unter dem Titel Masoret ha-Gedola.

2 Das Zeitalter des hebräischen Buchdrucks Nicht nur für die Kommentierung der Bibel, sondern insbesondere auch für die Überlieferung der Masora sollte der hebräische Buchdruck einen Meilenstein darstellen. Zuletzt hat sich David Stern ausführlich mit den frühen Inkunabeln beschäftigt und dabei die Wichtigkeit des Buchdrucks für die jüdische Geistesund Kulturgeschichte betont,⁴ ohne jedoch die Masora als in den Bibelcodices fest verankerten Hypertext eigens in den Blick zu nehmen. Die Tatsache, dass diese neue Technologie weitaus unwidersprochen und in Teilen sogar ausgesprochen enthusiastisch von den Juden aufgenommen wurde und die rabbinischen Autoritäten den Buchdruck als nützliches Mittel für die Verbreitung von Wissen lobten, ließ die damit verbundenen „Nebenwirkungen“ schnell in den Hintergrund treten: Der Buchdruck war nämlich nicht nur ein Mittel zur schnellen Verbreitung eines Textes über größere geografische Räume hinweg; weitaus einschneidender war, dass mit der Typografisierung die Vielzahl der Bibeltexte, der Kommentare und der masoretischen Traditionen uniformisiert und in der weiteren Rezeptionsgeschichte daher auch nur noch eindimensional erschlossen wurde (textus receptus im Bibeltext, der Kommentierung und der Masora). Die Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungen der masoretischen Hypertexte (masora figurata) verschwand. Der Buchdruck bedeutete also faktisch eine typografische Globalisierung, die insbesondere bei der Masora die handschriftlichen Lokaltraditionen nivellierte und als kulturschaffend sowie religions- und rezeptionsgeschichtlich irrelevant ausgezeichnet hat. In der Folge stand nicht nur der Verlust bestimmter lokal ausgeprägter Auslegungsdiskurse; vielmehr wurden insbesondere die aschkenasischen Text- und Masoratraditionen durch die Tatsache, dass die Bibel nun weitaus mehr als zuvor für die christliche Hebraistik zur Verfügung stand (Complutensische Polyglotte), sukzessive marginalisiert und diskreditiert.

 Vgl. Stern, David: The Rabbinic Bible in Its Sixteenth-Century Context. In: The Hebrew Book in Early Modern Italy. Hrsg. von Joseph R. Hacker u. Adam Shear. Philadelphia (PA) 2011. S. 76 – 108.

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Die ersten datierten (Teil‐)Bibeldrucke haben noch keinen masoretischen Apparat, weder masora parva noch masora magna. ⁵ Manchmal wird die in den masoretischen Bibelhandschriften übliche Nennung der Gesamtzahl der Verse eines biblischen Buches angegeben, bisweilen finden sich eklektisch verstreut auch Ketiv/Kere-Notierungen, aber die für die aschkenasischen Bibelhandschriften wichtigen Zusammenstellungen von großen und kleinen Buchstaben, puncta extraordinaria oder die Angabe eines invertierten Nuns fallen unter den Tisch. Dies gilt auch noch für die erste sogenannte Rabbinerbibel (Miqraʼot Gedolot), die im Jahre 1517/1518 von Daniel da Prate (Felix Pratensis) in Venedig (Druckerei von Daniel Bomberg) in vier Bänden gedruckt wurde, und die keine Masora enthält. Diese findet sich erst in der zweiten Ausgabe der Miqraʼot Gedolot, die Ja‘akov ben Chajim ben Jitzchak ibn Adonija (ca. 1470–ca. 1538) im Jahre 1524/1525 herausgab (ebenfalls in Bombergs Druckerei). Diese Ausgabe enthält als Bibeltext einen Mischtext auf der Basis unterschiedlicher aschkenasischer und sefardischer Manuskripte und notiert masora parva, masora magna und masora finalis sowie einen 65 Folio umfassenden masoretischen Anhang, der neben der masora magna auch Listenmaterial wie den Sefer ha-Chillufim oder den Traktat Darche ha-Nikkud we-ha-Neginot von Moshe ha-Nakdan (13. Jh.) enthält. Ben Chajims Masora wurde nachfolgend vor allem an den masoretischen Kommentar des Jedidja Salomon Raphael ben Avraham Nortzi (Goder Peretz/Minchat Shaj ⁶) angepasst. Diese zweite Rabbinerbibel stellte gleichzeitig die Grundlage für die sogenannte Buxtorf-Ausgabe dar (Baseler Biblia Hebraica von 1619), die ebenfalls eine Masora enthielt. Das hier tradierte Material des textus receptus stammte aber ausschließlich aus der orientalischen Masora, die auf dem Weg über Spanien nach Italien gelangt war. Faktisch bedeutete also der Buchdruck das Ende der masoretischen Vielfalt, denn dadurch, dass die westeuropäische Masora oftmals figurativ notiert war, eignete sie sich nicht zur typografischen Vervielfältigung. Damit hatten sich zunehmend die orientalisch-sefardischen Text- und Masoratraditionen als die eigentlich authentischen herauskristallisiert.

 Zum Ganzen ausführlich Schenker, Adrian: From the First Printed Hebrew, Greek and Latin Bibles to the First Polyglot Bible, the Complutensian Polyglot: 1477– 1577. In: Hebrew Bible/Old Testament. The History of Its Interpretation. Bd. II: From the Renaissance to the Enlightenment. Hrsg. von Magne Sæbø. Göttingen 2008. S. 276 – 291.  Goder Peretz („Breschenschließer“) wurde bereits 1626 verfasst, erschien aber im Druck erst 1742– 1744 in Mantua unter dem Titel Minchat Shaj.

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3 Die Masora als Werkzeug der beginnenden Textkritik Der Grammatiker, Philologe, Masoret und Hebräischlehrer Elijahu ben Asher haLevi Ashkenazi (Elia Levita; 1469 – 1549), nach einem seiner grammatischen Werke (ha-Bachur) auch Elijahu Bachur genannt, ist heute vor allem dadurch bekannt, dass er neben seiner jüdischen Schülerschaft auch christliche Hebraisten wie Johann Albrecht Widmanstetter (1506 – 1557) und Sebastian Muenster (1488 – 1552) unterrichtete und von ihnen wiederum Latein und Griechisch erlernte.⁷ Gerade Levita widmete aber dem Studium und der Erläuterung der Masora größte Aufmerksamkeit. So mokierte er sich über den fehlerhaften masoretischen Apparat in der zweiten Bomberg-Ausgabe der Miqraʼot Gedolot und suchte dem Unverständnis seiner Zeitgenossen gegenüber der Masora dadurch zu begegnen, dass er in den Jahren 1525 – 1527 eine Schrift mit dem Titel Masoret ha-Masoret verfasste, die eine Geschichte zum hebräischen Vokalisations- und Akzentsystem sowie einen Überblick über die Masora, ihre Entstehung und Terminologie enthält.⁸ Auch die hebräische Konkordanz Sefer ha-Zichronot, die Levita 1536 schrieb, und die bis heute nur handschriftlich vorliegt, ist ein Nachschlagewerk zur Hebrä ischen Bibel und eine masoretische Konkordanz. In Masoret ha-Masoret verweist Elia Levita vor allem auf die textkritisch korrekten Codices aus Spanien und das Buch Ochla we-Ochla. Im Vorwort zu Masoret ha-Masoret führt er darüber hinaus auch dezidiert philologische Gründe gegen die westeuropäische Masora, insbesondere gegen die masora figurata, ins Feld. Ausführlich ärgert er sich über jene figurative Schreibkultur, bei der der Sinn der Masora in sein Gegenteil verkehrt werde, weil durch die Ornamentierung nichts mehr an seinem richtigen Platz sei, die Zitation der Bibelverse sich faktisch nach der Figuration richte, in die sie eingepasst würde, und insgesamt eine solche Masora für die philologische Arbeit am Bibeltext völlig unbrauchbar sei.⁹ Somit hat nicht zuletzt Levita an der Verdrängung der aschkenasischen Text- und Masoratradition einen entscheidenden Anteil.

 Zum Ganzen vgl. Ginsburg, Christian D.: Life of Elia Levita. In: Elia Levita: The Massoreth haMassoreth of Elias Levita, being an Exposition of the Masoretic Notes of the Hebrew Bible. In Hebrew, with an English Translation and Critical and Explanatory Notes. Hrsg. von Christian D. Ginsburg. London 1867. S. 1– 84 und Medan, Meïr: Levita, Elijah (Bahur; ben Asher ha-Levi Ashkenazi). In: Encyclopedia Judaica 12 (2007). S. 730 – 732.  Masoret ha-Masoret wurde 1538 in Venedig erstmals gedruckt und 1867 von Christian D. Ginsburg neu herausgegeben (Levita, Massoreth ha-Massoreth.)  Vgl. Levita, Massoreth ha-Massoreth, S. 94.

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Für die frühneuzeitliche Erforschung der Masora ist schließlich noch Jedidja Salomon Raphael ben Avraham Nortzi (1560 – 1616), bekannt auch unter dem (gedruckten) Titel seines Hauptwerkes Minchat Shaj, zu nennen. Nortzi ist heute vor allem für seine textkritischen Arbeiten bekannt.¹⁰ Unter dem Einfluss von Menachem ben Jehuda de Lonzano (ca. 1555–ca. 1624)¹¹ bestand sein exegetisches Interesse vor allem darin, die Bibel textkritisch aufzuarbeiten und von Irrtümern zu befreien. Insbesondere die Masora des MS Parma de Rossi 782, eine sefardische Bibel-Handschrift aus Toledo (1277), stellte seine Grundhandschrift dar. Mit Hilfe dieses Manuskriptes erstellte Nortzi 1626 den Apparat und die autoritativen Lesarten für Goder Peretz, das im 18. Jahrhundert unter dem Titel Minchat Shaj die neuzeitliche jüdische Textwissenschaft einleitete. Mit Nortzi wird die Masora eines ausgewählten und für authentisch erachteten Manuskriptes so etwas wie die ancilla des (besten) Bibeltextes. Schon Paul Kahle hat darauf verwiesen, dass Nortzi fast ausschließlich sefardische Lesarten präferierte.¹² Obwohl Nortzi kein tiberiensisch-ben ascherianisches Manuskript zur Hand hatte, wusste er doch, dass die sefardischen Handschriften auf diesen basierten. Wie kein zweiter hat Minchat Shaj damit die Richtung für die moderne textkritische Forschung vorgegeben. Er wurde zum wichtigsten Werkzeug für die biblische Textkritik. So basierte der Pentateuch von Wolf Heidenheim ebenso auf ihm wie die Bibelausgabe von Norman H. Snaith von 1958,¹³ aber auch die zeitgenössischen israelischen Masoraforscher*innen wie Israel Yeivin, Aron Dotan oder Israel Penkower betrachten Nortzis Minchat Shaj als das bis heute wichtigste masoretische Handbuch.

4 Die Masora im Zeitalter der Aufklärung Im 18. Jahrhundert hatten sich die jüdischen Gelehrten vor allem mit der protestantischen Bibelwissenschaft auseinanderzusetzen, die sich vornehmlich der sogenannten „höheren Kritik“ verschrieben hatte. Die Textkritik, die „niedere Kritik“, diente ausschließlich der Erarbeitung des „besten“ Textes, d. h. der Annäherung an einen „Urtext“. In dieser Linie stehen sowohl die Bibel von Johann

 Vgl. Betzer, Zvi H.: Jedidiah Solomon Raphael Norzi. Minḥat Shay on the Torah. Critical Edition, Introduction and Notes. Jerusalem 2005, bes. S. 3 – 54 und Betzer, Zvi H.: Further Clarifications on the Work of Norzi. In: Hebrew Studies 42 (2001). S. 257– 269.  Vgl. Penkower, Jordan: Masorah and Text Criticism in the Early Modern Mediterranean. Moses ibn Zabara and Menahem de Lonzano. Jerusalem 2014. Bes. S. 41– 61.  Vgl. Kahle, Paul: The Cairo Geniza. Second Edition. New York 1959. Bes. S. 129 – 141.  Vgl. Snaith, Norman H.: The Ben Asher Text. In: Textus 2 (1962). S. 8 – 13.

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Heinrich Michaelis (1720), die Kennicott-Bibel (1776 – 1780) sowie die Bibel von J. B. de Rossi (1784– 1788).¹⁴ Man muss aber den christlichen Gelehrten zugutehalten, dass sie, wie beispielsweise Johann Heinrich Michaelis (1668 – 1738), der Hallenser Theologe und Orientalist, zur Erstellung eines „besten“ Bibeltextes die Masora immerhin noch zu schätzen wussten. Michaelis integrierte in seine Ausgabe u. a. den Traktat En ha-Kore (Das Auge des Vorlesers) von Jekutiel ben Jehuda ha-Nakdan, den Masoret ha-Masoret von Elia Levita sowie weiteres Material aus der Buxtorf-Bibel (Masorae finali ad scripta und Sha‘ar ha-Neginot). Demgegenüber und in deutlicher Konkurrenz zur christlichen Exegese suchten Moses Mendelssohn (1729 – 1786) und sein Mitstreiter Naphtali Herz Wessely (1725 – 1805) vor allem unter Einbeziehung der Masora, i. e. der Vokalisierung, der Akzentsetzung und weiterer Metatexte, den Bibeltext philologisch gründlich zu kommentieren. Hebräische Philologie und Auslegungstradition werden hier zusammengebunden und, ähnlich wie im Mittelalter, die Masora um ihrer grammatisch-exegetischen Qualität willen konsultiert. Mendelssohns Pentateuch-Ausgabe (Netivot ha-Shalom – Pfade des Friedens) sollte nämlich nicht nur einen „der correctesten“ Texte präsentieren;¹⁵ sie enthielt neben der Übersetzung ins Deutsche¹⁶ und dem Kommentar (dem sogenannten Biʼur ¹⁷) auch einen mit Salomon Dubno und Herz Wessely erarbeiteten masoretischen Kommentar (Tikkun Soferim). In seiner Vorrede zur Übersetzung (Or la-Netiva) beruft sich Mendelssohn sowohl auf Azarja de Rossis Imre Bina als auch auf die masoretischen Forschungen des Elia Levita. Mose habe zwar die Tora zunächst ohne Punktation und Akzente erhalten, und sie sei auch durchweg verständlich gewesen, solange das Hebräische die Umgangssprache gewesen war. Das babylonische Exil habe dann aber zum Verlust des Wissens um die Aussprache und Leseregelungen geführt, und erst Esra habe endgültig das Punktations- und Akzentsystem etabliert und fixiert.¹⁸ Mit diesen Ausführungen steht Mendelssohn in diametralem Gegensatz zur protestantischen Bibelwissenschaft, denn er stellt hier die mündliche Tradierung des biblischen Textes als Garantin für die unverfälschte Tradierung des Textes vor, wohingegen Michaelis und Eichhorn gerade

 Vgl. dazu auch Liss/Petzold, Bibeltexttradition, bes. S. 193.  Vgl. Mendelssohn, Moses: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe (JubA). Hrsg. von Alexander Altmann [u. a.]. Stuttgart-Bad Cannstatt 1971– 2016. Bd. 12/2 (1976). S. 160.  Diese erste Übersetzung (Targum Ashkenasi) war noch in hebräischen Lettern.  Zu dieser Umschreibung und Aussprache vgl. auch den Hinweis von Rainer Wenzel in Mendelssohn, JubA, Bd. 9/4 (2016), S. XXV m. Anm. 2.  Vgl. Mendelssohn, JubA, Bd. 9/1 (1993), S. 30 – 33.

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umgekehrt die mündliche Überlieferung für die Textverderbnis verantwortlich machen.¹⁹ Die masoretische Überlieferung gehört nach Mendelssohn genuin zur Rede Gottes dazu und trägt hierin zu ihrer Einzigartigkeit bei. Eine jüdische Übersetzung darf daher nicht willkürlich und nach eigenem Gutdünken einen Text erstellen und übersetzen, sondern muss sich an die von Gott gegebene Offenbarung, die in der masoretischen Textüberlieferung unverfälscht aufbewahrt sei, halten: Von damals bis jetzt hat sich niemand bemüht das Krumme gerade zu machen [nach Pred 1,19] und die heilige Torah in die richtige Sprache zu übersetzen, wie sie in unserer Generation normal und gebräuchlich ist. Die Knaben der Kinder Israel, die das Verlangen haben, Worte der Weisheit zu verstehen, ziehen umher, das Wort Gottes in den Übersetzungen christlicher Gelehrten zu suchen [nach Am 8,12]. […] Jedoch dieser Weg, den viele Söhne unseres Volkes betreten haben, ist voller Fallstricke und Hindernisse für den Wandernden, und großes Übel geht davon aus. Denn die christlichen Übersetzer, die die Traditionen unserer Weisen, ihr Andenken sei zum Segen, nicht annehmen, nicht auf die Worte der Massorah hören und auch nicht unsere Vokalpunkte und Akzente anerkennen, machen die Worte der Torah zu einer durchbrochenen Mauer [nach Spr 25,28], die jeder übersteigen kann, um drinnen nach Willkür zu verfahren. Sie fügen hinzu, nehmen weg und ändern in der Torah Gottes. Nicht allein mit Bezug auf Vokalpunkte und Akzente verfahren sie so, sondern manchmal auch mit Buchstaben [d. h. dem konsonantischen Stamm] und Wörtern (denn wer wehrt ihrem Geist?), nach eigenen Gedanken und eigener Auffassung richten sie, und demzufolge lesen sie manchmal nicht, was in der Torah geschrieben steht, sondern was ihnen einfällt […] Jedoch, wenn dies bei den christlichen Gelehrten und ihren Schülern angeht, für uns, das Haus Israel, geht es nicht an. Uns ist diese Torah ein Erbe, nicht für den erwähnten Zweck allein, sondern um das Gebot zu wissen, das der Ewige, unser Gott, uns befohlen hat zu lernen und zu lehren, zu beobachten und zu tun. Sie ist unser Leben und die Länge unserer Tage [nach Deut 30,20]. Damit nun unser Leben nicht abseits, nur am Haar von Meinung und am Faden der Betrachtung hängt, haben uns unsere Weisen, ihr Andenken sei zum Segen, die Massorah eingerichtet und einen Zaun um die Torah, das Gebot, die Satzung und das Recht angelegt, damit wir nicht wie Blinde im Finstern tappen. Und seitdem dürfen wir nicht von ihrem geebneten Wege abweichen und uns einen Lebensweg bahnen, ohne die Waage des Rechtes nach der persönlichen Meinung und Einschätzung eines

 Vgl. beispielsweise Michaelis, Johann David: Deutsche Übersetzung des Alten Testamentes mit Anmerkungen für Ungelehrte. Der erste Theil welcher das Buch Hiobs enthält. Zweite verbesserte und vermehrte Ausgabe. Bd. 1. Göttingen und Gotha 1773. S. XXIX: „Daß ich mir die Freyheit nehme, die schon Luther sich erlaubt hat, von den Vocalen und Accenten abzuweichen, welche die Juden erst nach dem fünften Iahrhundert zum Hebräischen Text gesetzt haben, desgleichen da, wo unsere gedruckte Bibeln eine fehlerhafte leseart haben, einer bessern in Handschriften oder alten Versionen befindlichen zufolgen, habe ich bereits oben gesagt. Ich muss aufrichtig gestehen, dass ich ohne dis keine erträgliche Uebersetzung zu machen wüßte; lieber wollte ich die ganze Arbeit unterlassen, wenn ich gehalten sein sollte, den Meinungen der Jüdischen Masorethen, oder jeder aus Irrthum der Abschreiber verdorbenen Leseart, die bisweilen nicht einmahl einen vernünftigen Sinn giebt, zu folgen.“

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Grammatikers oder Bearbeiters. Nicht nach seinem Munde leben wir, sondern nach dem, was uns unsere eigenen Massoreten überliefert haben. So soll es sein und möge es so bleiben.²⁰

Ähnlich wie Mendelssohn insistierte auch Herz Wessely auf der Bedeutung des masoretischen Akzentsystems für die Textauslegung. Hierin berührte sich nun die sorgfältige Sprachanalyse mit der Auslegungstradition, denn auch Wessely hielt dafür, dass die hebräischen Akzente genuin zum Offenbarungstext dazugehörten. Dass Mendelssohn und sein Kreis in ihren Kommentaren (im Tikkun Soferim und im Biʼur) die Masora eingebunden haben, die schon damals eigentlich für niemanden mehr wirklich verständlich oder exegetisch erhellend war, zeigt einmal mehr, dass sich die Maskilim der schon seit dem jüdischen Mittelalter betriebenen hebräischen Philologie verpflichtet fühlten. Der Rückgriff auf die Tradition war danach ohne das Hebräische nicht zu haben.²¹ Er sollte auch gleichzeitig vor der „Profanation der hebräischen Bibel“²² schützen. Spätestens seit der jüdischen Haskala zeigt sich am Umgang mit der Masora, dass sich die jüdischen und christlichen Wege trennen; gleichzeitig kann man auch sehen, wie sehr der nachfolgende akademisch-universitäre Ausschluss der Juden im 19. und 20. Jahrhundert dazu geführt hat, dass ein ganzer Wissenschaftszweig bis heute brach liegt.

5 Von der Wissenschaft des Judentums zur Bibelkritik 1862 veröffentlichte Adolf Neubauer eine Miszelle zu einer Ochla-Rezension.²³ Dabei berichtete er von der Entdeckung einer Handschrift in der Bibliothèque Impériale (heute: Bibliothèque Nationale), die wir seit Munks Catalogues des manuscrits hébreux et samaritains de la Bibliothèque Impériale unter der Signatur „hébreu 148“ finden. Neubauer datierte die Handschrift ins 12. Jahrhundert und sah in ihr eine Rezension „der alten“ Masora, wobei er hier vor allem auf die

 Mendelssohn, JubA, Bd. 9/1 (1993), S. 56 f.  Vgl. Schulte, Christoph: Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte. München 2002. Bes. S. 63 – 68.  Schulte, Christoph: Mendelssohns Verteidigung der Halacha gegen protestantische Bibelverständnisse seiner Zeit. In: Hebräische Poesie und jüdischer Volksgeist. Die Wirkungsgeschichte von Johann Gottfried Herder im Judentum Mittel- und Osteuropas. Hrsg. von Christoph Schulte. Hildesheim [u. a.] 2003. S. 93 – 106, hier S. 100.  Neubauer, Adolf (Chalil): Pèle-mèle literaire. Die Massorah ‫אכלה ואכלה‬. In: Ben Chananja 7 (1862). S. 57 f.

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Überschrift Masoret ha-Gedola verwies. Den heute weitgehend verdrängten Befund, wonach der geografische wie religionssoziologische Kontext der (arabischsprachigen!) Masoreten einen inneren Zusammenhang zwischen dem Aufkommen der masoretischen Codices und der Entwicklungsgeschichte des Koran, bis hin zur Geschichte seiner Vokalisierung, nahelegen, hatte Neubauer bereits erkannt. Er schreibt: Wie die Massorah entstanden, lässt sich leicht erklären, wenn man weiß, daß auch mit dem Koran, der in später, schreibrüstiger Zeit entstand, dieselbe Operation vorgenommen wurde, welcher die Massorah die Bibel unterzieht. Man findet bei den arabischen Ueberlieferern verschiedene Lesarten, deren eine von Abu Bekr als die richtige festgesetzt wurde, wie Gleiches in Bezug auf die Bibel geschehen ist.²⁴

Die Vorstellung, es sei dem einen („richtigen“ oder „besten“) Bibeltext auch ursprünglich eine Masora, genauer: ein „Buch“ der Masora, zugeordnet gewesen, wird hier ganz deutlich. Neubauer ging davon aus, dass die im babylonischen Talmud genannten Verweise auf die Masoret (z. B. in bMeg 10b) sich ebenfalls auf ein Werk mit dem Namen „Massorah“ beziehen (allenfalls in verschiedenen Rezensionen). Die von Neubauer erwähnte Pariser Handschrift wurde 1864 von dem seit 1848 als Oberlehrer an der Bildungsanstalt für jüdische Lehrer in Hannover tätigen Salomon Frensdorff (1805 – 1880) unter dem Titel Das Buch Ochlah W‘Ochlah herausgebracht.²⁵ Nach Frensdorff handelte es sich bei diesen masoretischen Auflistungen um das bei Elia Levita (in der 3. Vorrede seines 1538 in Venedig veröffentlichten Masoret ha-Masoret) erwähnte Werk Ochla we-Ochla, das dieser als Grundlage für seine Arbeiten an der Masora nennt, und das bis zu dem Pariser Fund als verschollen galt. Im Gegensatz zur gedruckten Masora durch Ja‘akov ben Chajim in der zweiten Rabbinerbibel von 1525/1526 habe das Buch Ochla, wie es in der besagten Handschrift vorliege, „die ursprünglichen alten Massoraangaben uns treu bewahrt“.²⁶

 Neubauer, Massorah, S. 57.  Eine ausführliche Forschungsgeschichte findet sich bei Seemann, Sebastian: Das Buch Ochla we-Ochla und die Masora Magna in der Bibelhandschrift MS Berlin SBB-PK Ms. or. Fol 1213. Eine exemplarische Studie zum Buch Exodus. Unpubl. Magisterarbeit. Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 2016. – Eine Neu-Edition der Ochla-Rezension in MS Paris BN hébreu 148 wird derzeit von Sebastian Seemann, MA, Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, vorbereitet.  Frensdorff, Salomon: Das Buch Ochlah WʻOchlah. Hannover 1864. S. V.; vgl. auch Frensdorff, Salomon: Die Massora Magna. Erster Teil: Massoritisches Wörterbuch oder: Die Massora in alphabetischer Ordnung. O. O. 1876. Ndr. von Eugene/Or. 2008.

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Für Frensdorff, der immerhin 1846 den philosophischen Doktorgrad der Kieler Universität erworben und sich zeitlebens intensiv mit der Masora beschäftigt hatte, gehörte die Masoraforschung zur Bibelwissenschaft, genauer: zur Textkritik. Seiner Ochla-Ausgabe hatte er deshalb auch noch einen kleinen Beitrag zur Bedeutung der Masora und ihrer Anwendung beigelegt. Er hoffe, so heißt es dort, „dass die nähere Kenntniss der Massora im Interesse der Bibelforschung wieder erweckt und belebt werde“.²⁷ Die Masora, so Frensdorff, sei „der Inbegriff von traditionellen, später schriftlich-fixirten Bemerkungen über die äussere Form der heil. Schrift und somit von Bestimmungen zu deren Rechtschreibung“.²⁸ Ihre Anfänge lässt er ganz kühn „aufwärts bis zu dem Ursprunge der Bücher der heil. Schrift selbst [reichen]“.²⁹ Ihr Zweck sei es gewesen, die heil. Schrift in ihrer Ganzheit und speciellsten Einzelheit treu und sicher zu erhalten, so dass weder beim Gebrauche, noch beim Abschreiben derselben eine Veränderung vorgenommen werden konnte […] Die Heiligkeit machte es zum Gebot, diese unversehrt zu erhalten; das Gegebene war […] für alle Zeiten so zu fixiren, wie es überliefert worden.³⁰

Die Bedeutung der Masora für die Textkritik hatte auch Hermann Christian Karl Friedrich Hupfeld (1796 – 1866) hervorgehoben, der Frensdorff im Frühjahr 1865 eine weitere, von ihm in der Universitätsbibliothek Halle entdeckte Ochla-Handschrift übergab³¹ und im Zuge dieser Entdeckung eine ausführliche Abhandlung verfasste, die allerdings erst nach seinem Tod 1866 von Eduard Vilmar veröffentlicht wurde.³² Hier legt er zunächst die Geschichte der Masora im Allgemeinen dar,³³ lässt dann eine Beschreibung der Hallenser Handschrift, Inhalt und Anordnung, im Besonderen folgen,³⁴ um im letzten Teil einen Vergleich zwischen der Rezension Halle und der von Frensdorff edierten Pariser Handschrift folgen zu lassen. War Frensdorff von dem einen, ursprünglichen masoretischen Buch ausgegangen, so warf ihm Hupfeld vor, es sei ein Fehlschluss anzunehmen, dass es sich bei der Pariser Handschrift um ein Manuskript handele, das „ein einziges Werk

 Frensdorff, Ochlah WʻOchlah, S. V.  Frensdorff, Ochlah WʻOchlah, S. V.  Frensdorff, Ochlah WʻOchlah, S. V.  Frensdorff, Ochlah WʻOchlah, S. VI.  Die Handschrift ist heute unter der Signatur Halle Yb 4o10 erhalten.  Hupfeld, Hermann: Über eine bisher unbekannt gebliebene Handschrift der Masorah. Aus dem Nachlass des Verfassers herausgegeben von Eduard Vilmar. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 21 (1867). S. 201– 220.  Vgl. Hupfeld, Handschrift, S. 201– 204.  Vgl. Hupfeld, Handschrift, S. 205 – 210.

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von fixirtem Inhalt und von einem bestimmten Verfasser oder Redactor zu einer gewissen Zeit (und zwar im höchsten Alterthum) aufgezeichnet sei“.³⁵ Vielmehr habe der von ihm vorgelegte Vergleich zwischen Halle und Paris bewiesen, „dass der Grundstock der Masorah, den diese Massen von Regeln bilden, durch eine ältere Redaktion so zusammengestellt sein muss, worauf dann, in verschiedenen Handschriften verschiedene Erweiterungen folgten […]“.³⁶ Hier erwies sich Hupfeld als klassischer Vertreter der sogenannten „höheren Kritik“, der in diesem Fall (und zwar auf der Basis tatsächlich existierender Handschriften!) eine Art „Urkundenhypothese“ auf die masoretische Überlieferung anwandte. Obgleich Hupfeld Frensdorffs philologische Arbeit durchaus würdigt, zeichnet er umgekehrt dessen Edition und Verständnis der Pariser Ochla-Rezension an vielen Punkten mit Recht als ausbaufähig und erweiterungsbedürftig aus: Diese Fehlerhaftigkeit der Masorah […] hat ihren Grund vornämlich in der allmähligen Entstehung der Masorah selbst. Durch die Verschiedenheit der Fassung, welche dieselbe Regel durch so viele verschiedene Zeiten und Hände in verschiedenen Handschriften […] gefunden hat, so dass die Masora als ein Chaos erscheint und sich ihre Angaben bei näherer Prüfung nur zu oft als einseitig, ungenau, unvollständig (besonders in Zahlen und Belegen) herausstellen, und dieser berühmte „Zaun des Gesetzes“ in seiner ganzen Gebrechlichkeit offenbar wird. Es ist demnach eine neue kritische Ausgabe der Masorah die unumgängliche Bedingung ihrer Benutzung für die Textkritik. Diese wird die einzelnen Regeln nicht nur in der richtigsten und vollständigsten unter den vorhandenen Gestalten […] zusammenstellen, sondern auch auf eine nähere Prüfung ihrer Richtigkeit und Zulänglichkeit eingehen […], von Auswüchsen zu säubern, auch die viele Spreu vom guten Korn zu scheiden haben; denn es finden sich eine Menge Quisquilien darunter.³⁷

Hier zeigt sich ganz deutlich, dass Hupfeld der Masora ausschließlich in ihrem Nutzen für die Textkritik einen Wert beimaß. Die „Quisquilien“, die gerade in den aschkenasischen Handschriften den exegetischen Wert der Masora ausmachen, hatte er weder vor Augen, noch hätte er sie als exegetisches Instrument für die christliche Bibelwissenschaft verwenden oder gar würdigen wollen. Der im Kontext der Erschließung der Masora bis heute am meisten vernachlässigte und verkannte Gelehrte des 19. Jahrhunderts war Benjamin Wolf Heidenheim (1757– 1832),³⁸ den man heute eigentlich nur von seinen vielen unter-

 Hupfeld, Handschrift, S. 204.  Hupfeld,: Handschrift, S. 213.  Hupfeld, Handschrift, S. 201 f.  Vgl. Lewin, Louis: Materialien zu einer Biographie Wolf Heidenheims. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 44/3 (1900). S. 127– 138; 45/4 (1901). S. 422– 432; 45/5 (1901). S. 549 – 558; 53/3 (1909). S. 360 – 364; 76 (1932). S. 1– 16.

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schiedlichen Ausgaben der Siddurim und Machzorim kennt.³⁹ Heidenheim findet weder in Hans-Joachim Bechtoldts Bibelkritik im 19. Jahrhundert ⁴⁰ noch in Christian Wieses Wissenschaft des Judentums ⁴¹ oder Ran HaCohens Reclaiming the Hebrew Bible irgendeine Erwähnung.⁴² Aber immerhin notiert die Neue Deutsche Biographie als Kurzcharakterisierung an erster Stelle „Massoret“, und dann „hebräischer Philologe; Drucker“.⁴³ Wie schon Mendelssohn und Herz Wessely betonte auch Wolf Heidenheim die Scharnierfunktion der Masora zwischen Bibeltext und jüdischer Auslegung und suchte diese für die Bibelwissenschaft fruchtbar zu machen. Um sich als hebräischer Philologe zu profilieren, veröffentlichte er 1791 den Sefer Mozne Leshon ha-Kodesh (auch: Moznajim), die erste grammatische Schrift von Avraham ibn Ezra, die er auch mit einem ausführlichen Kommentar versah, wandte sich aber nachfolgend, vor allem ab 1797, mit großer Intensität dem Drucken verschiedener Pentateuchausgaben zu. 1788 siedelte er sich in Offenbach bei Frankfurt an und eröffnete dort 1797/1798 gemeinsam mit dem Geschäftsmann Baruch Baschwitz eine Druckerei, aus der dieser jedoch 1806 bereits wieder ausstieg, um sich ganz dem Finanzgeschäft zu widmen.⁴⁴ In Heidenheims Druckerei wurden nicht nur Gebetbücher, sondern vor allem unterschiedlichste Pentateuch-Ausgaben gedruckt. Ab 1797 suchte er auf eigene Kosten eine Pentateuch-Ausgabe zu besorgen (Sefer Torat ha-Elohim), von der man meinen könnte, Heidenheim habe schon für die große Stunde des „letzten Juden“ vorsorgen wollen. 1798 erschien diese

 Heidenheims Siddurim und Machzorim wurden in Deutschland eigentlich bis zum Ende des 20. Jh. verwendet. Die Machzor-Ausgabe Sefer Kerovot hu Machzor (Rödelheim 1800 – 1802) enthielt neben einer hochdeutschen Übersetzung auch der Pijjutim (zunächst auch in hebräischen Lettern) einen hebräischen Kommentar sowie eine liturgiegeschichtliche Einleitung zu den Gebeten, deren Überlieferung er philologisch sorgfältig auf Manuskripten und frühen Drucken besorgte. Seine Ausgabe des Siddur Sefat Emet (Rödelheim 1806) erlebte mehr als 150 Auflagen. Zum Ganzen vgl. Temkin, Sefton D.: Heidenheim, Wolf. In: Encyclopedia Judaica 8 (2007). S. 763. Weitere Editionen finden sich in Zeitlin, William: Bibliotheca Hebraica post-Mendelssohniana. Bibliographisches Handbuch der neuhebräischen Litteratur seit Beginn der Mendelssohnʼschen Epoche bis zum Jahre 1890. 2., neu bearb. und erweiterte Aufl. Leipzig 1895. S. 137– 139.  Vgl. Bechtoldt, Hans-Joachim: Die jüdische Bibelkritik im 19. Jahrhundert. Stuttgart [u. a.] 1995.  Vgl. Wiese, Christian: Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere? Tübingen 1999.  Vgl. HaCohen, Ran: Reclaiming the Hebrew Bible. German-Jewish Reception of Biblical Criticism. Berlin [u. a.] 2010.  Vgl. Graupe, Heinz M.: Heidenheim, Benjamin Wolf, Massoret. In: Neue Deutsche Biographie 8 (1969). S. 248 f [Onlinefassung]. https://www.deutsche-biographie.de/pnd122702964.html (15. 6. 2017).  Vgl. Lewin, Materialien, S. 130.

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Pentateuch-Ausgabe mit einem Textumfang nur von Gen 1,1– 43,16, denn die Kommentare, die ihr beigeordnet waren, waren einfach zu umfangreich: Neben dem Targum enthält Torat ha-Elohim die Kommentare von Raschi, Raschbam, Minchat Shaj sowie ausführliche eigene Wort- und Sacherklärungen. Neben den masoretischen Noten arrangierte er einen Superkommentar zu Raschi (Havanat ha-Mikra) sowie unter dem Namen To‘alijot (Nützliches) zu jeder Parascha eine Zusammenstellung aus dem Wissensfundus des R. Levi ben Gershon (1288 – 1344). Kein Wunder, dass diese Ausgabe nur von Gen 1,1– 43,16 gedieh: Es war einfach zu viel für einen „All-In-One-Chumash“. 1818 – 1821 erschienen verschiedene Pentateuch-Ausgaben: ein Pentateuch Moda‘ le-Vina mit Raschi-Kommentar und Superkommentar (Havanat ha-Mikra); Me’or Enajim, ein Pentateuch mit der masoretischen Kritik des Textes En ha-Kore von Jekutiel ha-Nakdan nebst hebräischem Kommentar En ha-Sofer (Abb. 2a+b); ein Pentateuch in massoretisch genauem Text zum Gebrauch für die Gesetzrollenschreiber (Tikkun Sofer we-ha-Kore; enthält ebenfalls En ha-Kore von Jekutiel haNakdan) sowie ein Pentateuch Mincha Chadasha. Ein kleiner Traktat zu den biblischen Akzenten erschien 1808 unter dem Titel Mishpate ha-Te‘amim. Auf den ersten Blick ähnlich wie bei Hupfeld und Michaelis sah Heidenheim den Nutzen gerade der Masora für die textkritische Arbeit; auf der anderen Seite, und dies unterscheidet ihn grundlegend von den protestantischen Bibelwissenschaftlern, war dies bei ihm kein wissenschaftlich-akademischer Selbstzweck. Es ging ihm nicht einfach darum, den Urtext wieder herzustellen (auch wenn dies auf protestantischer Seite stets so wahrgenommen wurde); vielmehr wollte er für Israel den bestmöglichen Text herstellen: War es ihm in seinen Siddurim darum zu tun, dass das „jüdische kind in korrecter Sprache Hebräisch lesen“ sollte, und sollte sich der Israelit „in reiner Sprache“ seinem Gotte nahen (Vorrede des Gebetbuches Safa Berura), so ging es bei den Bibelausgaben immer auch um die Erstellung eines guten Textes in Anbindung an die Wissenschaft des Judentums (genitivus objectivus und subjectivus) und, damit einhergehend, an die halachischliturgische Praxis. Sicher sind hier auch der Anspruch der Haskala und der beginnende Einfluss der Romantik in Anschlag zu bringen: die Rückbesinnung auf die eigene Geschichte, i. e. hier: die Literaturgeschichte des jüdischen Volkes,⁴⁵ zu der das Hebräische und seine Literaturen notwendig gehörten. Das Studium der jüdischen Quellen war auch bei Heidenheim bereits mit der Idee der Bildung eines neuen kollektiven Selbstverständnisses verbunden. Insofern ist er der Wissenschaft des Judentums in vielen Teilen schon voraus.

 Vgl. dazu auch Schulte, Aufklärung, bes. S. 63 – 68.

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Abb. 2a+b: Jekutiel ben Jehuda ha-Kohen war ein Grammatiker im 13. Jh. Sein Hauptwerk, En haKore, hatte maßgeblichen Einfluss auf das Studium der Grammatik und Masora im aschkenasischen Kuturraum.

Heidenheims Einfluss kann nicht unterschätzt werden; Abraham Geiger ging oft nach Rödelheim, um gerade zur Masora von Heidenheim zu lernen. Auch der Pentateuch-Kommentar von R. Ja‘akov Tzvi Mecklenburg (1785 – 1865) Ha-Ketav we-ha-Kabbala beruht vielfach auf Erkenntnissen Heidenheims. In den Fußstapfen Heidenheims, dann aber vor allem unter den Fittichen von Franz Delitzsch, stand Seligmann Isaak Baer (1825 – 1897),⁴⁶ der in der Masora vor allem die Garantin einer einheitlichen und korrekten Überlieferung des hebräischen Bibeltextes sah. 1856 publizierte auch Baer einen Tikkun ha-Sofer we-haKore (Der Pentateuch, massoretisch-correcter Text […] wie auch Vorschriften über

 Vgl. auch Faber, Rolf: Seligmann Baer (1825 – 1897). Neue Erkenntnisse zu Leben und Werk des jüdischen Gelehrten aus Wiesbaden-Biebrich. Wiesbaden 2001.

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das Vorlesen)⁴⁷. Zu seinem bereits 1852 erschienen Thorath Emeth (ein Büchlein über die Akzentsetzung in den Psalmen, Mishle und Hiob) haben immerhin so unterschiedliche Zeitgenossen wie Samson Raphael Hirsch⁴⁸ (eine Haskama) und Isaak Markus Jost ein Vorwort verfasst.⁴⁹ Ob Hirsch es nicht sehen wollte oder nicht gesehen hat, als er ihm bescheinigte, er habe aus „dem Brunnen der alten Nakdanim geschöpft“,⁵⁰ lässt sich nur schwer entscheiden: In jedem Fall hat Baer in diesem Werk wie auch in seinen Bibelausgaben leider viel zu wenig bei den Alten geschöpft und viel zu viel korrigiert. Vor allem Aron Dotan hat seine Arbeiten zu Meteg/Gaja-Setzung⁵¹ als unzureichend und sogar falsch kritisiert.⁵² Seine zwischen 1869 und 1888 von Franz Delitzsch mit einem lateinischen Vorwort geadelten Bibelausgaben⁵³ weisen am Ende einen umfangreichen masoretischen Apparat auf, der zwar alle möglichen Zusammenstellungen enthält,⁵⁴ aber auch zeigt, dass Baer einfach nicht konsequent gearbeitet hat: Neben verschiedenen Handschriften wird auch Heidenheim zitiert, incl. Jekutiel ha-Nakdan (sowohl aus der Heidenheim-Ausgabe als auch aus dem Druck Soncino 1488). Außerdem enthält die Ausgabe Vergleiche zwischen babylonischer und palästinischer Punktation, Unterschiede zwischen ben Asher und ben Naftali, eine Auflistung der Sedarim, Ketiv/Kere sowie weitere adnotationes masoreticae. Baers Anspruch war es, mit Hilfe der (einen) Masora dem einen Bibeltext so nahe wie möglich zu kommen, und mit diesem Anspruch traf er sich auch mit Delitzsch. Seine Ausgabe war immerhin so verbreitet, dass auch die Grammatik von Gesenius-Kautzsch auf diesem Text basiert. Auch Abraham Geiger setzte sich intensiv mit der masoretischen Textgeschichte auseinander, aber auch ihm ging es nicht einfach um die Erstellung eines „besten“ Textes. Vielmehr suchte er nachzuweisen, dass der Text der Hebräischen

 Baer, Seligmann I.: Tikkun ha-Sofer we-ha-Kore. Der Pentateuch, massoretisch-correcter Text […] wie auch Vorschriften über das Vorlesen. Rödelheim 1856.  Zu Samson Raphael Hirsch siehe den Beitrag von Michah Gottlieb im vorliegenden Band.  Siehe Baer, Seligmann I.: Thorath Emeth sive liber et praecepta et doctrinam plenam perfectamque accentuum libb. psalmorum, proverbiorum et Jobi continens secundum Massoram […] composuit S. Baer. Rödelheim 1852.  Originalzitat Hebräisch, in: Baer, Thorath Emeth, Haskama (ohne Seitenzahlangabe).  Vgl. Baer, Seligmann I.: Die Metheg-Setzung nach ihren überlieferten Gesetzen dargestellt. In: Archive für die wissenschaftliche Erforschung des Alten Testaments. Hrsg. von Adalbert Merx. Erster Band. 1867– 1869. S. 56 – 67 u. 194– 207.  Vgl. Dotan, Aron: The Minor Ga‘ya. In: Textus 4 (1964). S. 55 – 75.  Genesis 1869; Hiob 1875; Psalmen 1880; Proverbia 1880; Daniel; Ezra/Nehemia 1882; die fünf Megillot 1886; Chronik I/II 1888.  So umfasst der masoretische Apparat allein für das Buch Genesis mehr als 20 Seiten (GenesisAusgabe von 1869, ab S. 73).

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Bibel und die Auslegungstradition nicht als zwei voneinander völlig zu trennende Bearbeitungsfelder verstanden werden dürfen.⁵⁵ So hatte Geiger schon 1854 bemerkt, dass die masoretischen Noten in den gedruckten Textausgaben fehlerhaft und unzuverlässig seien; darüber hinaus bestand er darauf, dass man die Masora nicht nur anhand der Bibelhandschriften, sondern vor allem durch „die alten Grammatiker Abulwalid, Aben Esra und Kimchi“⁵⁶ rekonstruieren müsse. Geigers Untersuchung hat nie die ihr gebührende Aufmerksamkeit erfahren − zum Schaden jeder späteren Bibelwissenschaft, weil die von ihm angemahnte Zusammenbindung von biblischer Überlieferung und Auslegung verloren ging. In der Folge stand, und dies ist gerade für die Geschichte der wissenschaftlichen Bibelausgaben bis heute verhängnisvoll gewesen, dass man sich nicht darüber im Klaren war, dass der masoretische Bibeltext faktisch ein hybrides Gebilde ist, weil der Konsonantentext in die vorchristliche Antike (und damit auch in die antike Religionsgeschichte) gehört, der vokalisierte masoretische Text jedoch den „Endtext“ einer innerjüdischen Auslegungsgeschichte aus dem judäo-arabischen Mittelalter in Babylonien und Palästina darstellt. Beide sind deshalb auch hermeneutisch nicht mehr so einfach zusammenzubringen, was sich bereits daran zeigt, dass die heutige alttestamentlich-christliche Exegese faktisch zumeist den Konsonantentext zum Auslegungsgegenstand werden lässt und bei Textkorruption sinnvollerweise den Qumran-Textzeugen oder der Septuaginta und den ihr verwandten Rezensionen den Vorzug gibt. Letztere gehören aber in die vorchristlich/christliche und vorrabbinische antike Textgeschichte und kennen den masoretisch bearbeiteten Text nicht. Geiger war sich dieser Tatsache schon bewusst; er musste aber auch den masoretischen Text immer wieder gegen die damalige historische Kritik verteidigen: Nun aber verdient dieser [der masoretische Text, H. L.] doch, wenn ihn auch die Kritik nicht immer als den ursprünglichen betrachten mag, als ein althistorischer immerhin volle Beachtung. In jeder anderen Literatur sucht man vor Allem den historisch bezeugten Text festzustellen und geht erst nachher an die selbstständige Conjectur; bei der hebräisch-biblischen aber hat man in neuerer Zeit jede ernster eingehende Prüfung über die wirkliche Gestalt des überlieferten Textes bei Seite gelassen, sei es, weil man sich vornehm darüber wegsetzte, oder weil man die Mühe scheute, und begnügte sich mit einem ganz unberechtigten Texte, an dem man dann willkürlich herumoperirte. Jedoch die Maßorah bietet uns

 Vgl. Geiger, Abraham: Urschrift und Uebersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der innern Entwickelung des Judenthums. Breslau 1857. Zur Diskussion zwischen Abraham Geiger und Samuel David Luzzatto um die „Ursprünglichkeit“ und Autorität des Bibeltexts und seiner masoretischen Überlieferung siehe auch den Beitrag von Chanan Gafni im vorliegenden Band.  Geiger, Abraham: Zur Geschichte der Maßorah. In: Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Leben 3 (1864/1865). S. 78 – 119, hier S. 99 (ähnlich auch S. 103).

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noch mehr. In ihren äußerlichen Gruppirungen sind eine Masse von Thatsachen der Textesgeschichte verhüllt, die uns von Wichtigkeit sind.⁵⁷

Anders als seine Vorgänger hatte Geiger bereits ein Bewusstsein für die verschiedenen Formen der masoretischen Hypertexte, nicht nur im Unterschied zwischen den verschiedenen masoretischen Schulen, sondern auch in Hinsicht auf die Differenzen zwischen der Masora der orientalischen Manuskripte und derjenigen der aschkenasischen Handschriften. Zwar erfährt man zumeist nicht, welche Bibelmanuskripte er vor sich hatte, aber er erwähnt „die spätere Maßorah“,⁵⁸ und ihm war wohl bewusst, dass die orientalischen Handschriften, die er als „alte Handschriften aus der Krimm“⁵⁹ vorstellt, eine „vor der unter uns üblichen Vocalisation und Accentuation“ stehende Tradition präsentieren, „die nicht blos gänzlich in der Form, sondern auch theilweise in den Grundsätzen abweicht“.⁶⁰ Die babylonische Masora und Texttradition gilt ihm dabei als die ursprünglichere und von der palästinischen später verdrängte Tradition. Schlussendlich ging aber auch Geiger von einer zunächst mündlich, dann schriftlich tradierten Masora aus, die es für die Textgeschichte der Hebräischen Bibel zu eruieren gelte. Geiger war der letzte große jüdische Bibelwissenschaftler, der der Masora den ihr gebührenden Platz einräumen wollte. Die christliche akademische Bibelwissenschaft ist dem Weg ihres großen spiritus rector, Paul Kahle, nicht wirklich gefolgt,⁶¹ weshalb der Großteil des masoretischen Materials, vor allem jenes der aschkenasischen Handschriftentraditionen, bis heute nicht ediert ist. So hat die abschließende Mahnung Abraham Geigers nach wie vor nichts von ihrer Relevanz eingebüßt, wonach der Wert der Masora vor allem darin liegt, daß sie eine historische Quelle ist zur Bezeugung von Erscheinungen, deren richtige Zurückführung auf ihre Ursachen für uns zur reichen Belehrung wird. Wer dieses Moment bei ihr ignorirt, wirkt bei dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht für die Hebung ihres Ansehens […]. Die Ueberlieferungen des Alterthums bleiben, auch wenn sie oft kleinlich

 Geiger, Geschichte der Maßorah, S. 109.  Geiger, Geschichte der Maßorah, S. 92.  Geiger, Geschichte der Maßorah, S. 96.  Geiger, Geschichte der Maßorah, S. 96. Auf S. 99 erwähnt er einen „Codex aus dem Jahre 916, welcher nach babylonischen Regeln geschrieben ist“. Hier handelt es sich um den bereits bei Pinsker erwähnten Petersburger Prophetencodex (vgl. Pinsker, Simcha: Einleitung in das Babylonisch-Hebräische Punktationssystem. Wien 1863. S. V), der heute unter der Signatur Leningrad, Evr. I B3 firmiert ist.  Vgl. Liss/Petzold, Bibeltexttradition, S. 195 f.

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erscheinen, wichtige Geschichtsquellen, man muß blos verstehen aus ihnen zu schöpfen. Zuerst aber müssen sie zugänglich gemacht und gereinigt werden.⁶²

 Geiger, Geschichte der Maßorah, S. 119.

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Samuel David Luzzatto and Abraham Geiger on the Textual Criticism of the Bible: Continuity or Conflict? In past decades, numerous attempts have been made to define the precise contribution and impact of Wissenschaft des Judentums, the Science of Judaism, on the various fields of Jewish Studies. Professor Ismar Schorsch has focused in many of his essays on the revolutionary nature of the endeavor to discuss Judaism in terms of time and place, the exploration of the historical development of Judaism in its cultural context.¹ It was precisely for this reason that Wissenschaft des Judentums flourished in liberal circles in nineteenth-century Jewish society. For its proponents, the identification of the dynamic processes under which Judaism evolved provided a model for future developments, and the discernment of the influence of the surrounding cultures on Judaism inspired further cultural assimilation of Judaism in the modern European context.² Approaching the Bible from a critical point of view was certainly one of the dramatic, if not the most dramatic, wissenschaftliche undertaking. Once observed from a critical point of view, the image of the Bible shifted greatly. Rather than treating the Bible as a collection of ancient divine revelations, scholars viewed the Bible as a living book that revealed human sensitivity to historical progress, particularly the ways in which Jews constantly responded to surrounding environments. Scholarly exposure of the historical and cultural context of the biblical text also heightened the sense of this textʼs irrelevance to modern times, with its more advanced scientific knowledge, sophisticated theology, and progressive ethical values.³ One cannot discuss nineteenth-century biblical scholarship without addressing Abraham Geigerʼs (1810 – 1874) masterpiece: Urschrift und Übersetzungen der Bibel, perhaps the greatest achievement of Wissenschaft des Judentums

 See especially Ismar Schorsch, From Text to Context: The Turn to History in Modern Judaism. The Tauber Institute Series for the Study of European Jewry. (Hanover, NH, 1994), 166–168.  See Ismar Schorsch, “Scholarship in the Service of Reform.” Leo Baeck Institute Year Book 35/1 (1990): 73–101.  On the role of biblical scholarship in modern Judaism, see Edward Breuer and Chanan Gafni, “Jewish Biblical Scholarship: Between Tradition and Innovation,” in Hebrew Bible/Old Testament: The History of its Interpretation. Vol. III/1, The Nineteenth Century, ed. Magne Sæbø (Göttingen 2012), 262– 303. https://doi.org/10.1515/9783110551631-011

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in Biblical Studies.⁴ In the following, I will attempt to portray Geigerʼs work and explore the possible impact of Samuel David Luzzattoʼs writings on it. Finally, I will describe the complicated relationship between these two scholars that I think was rooted in more extensive differences than their conflicting opinions regarding the Bible. As we shall see, these two prominent scholars adopted opposing stances with regard to the nature and desired path of Jewish tradition in their day. I begin with Geigerʼs Urschrift und Übersetzungen der Bibel.

1 Geigerʼs Urschrift und Übersetzungen der Bibel In 1857, while serving as the chief rabbi of Breslau, and after having earned his reputation as a leading scholar and a dominant leader of Liberal Judaism, Geiger produced his magnum opus Urschrift und Übersetzungen der Bibel in ihren Abhängigkeit von der inner Entwickelung des Judenthums. In this five-hundredpage work, Geiger exhibits his erudition in Second Temple and rabbinic literature alongside his impressive scholarly talent and skills, creating a revolutionary perspective on the Bible. At the heart of this large work lies Geiger’s aspiration to reveal the ways in which Jews addressed the tremendous challenge that confronts any traditional community: maintaining the centrality of its canonical texts, as they come to appear less and less relevant. Or, in the Jewish case, to answer the question: how had Jews succeeded for so long in preserving the elevated status of the Bible, which had in more recent generations seemingly lost its appeal?⁵ In his detailed study, Geiger sketched three methods or models employed by Jews in order to meet this objective, which he viewed as having proceeded in rough chronological order. According to Geiger, the earliest, perhaps simplest technique utilized by Jews was to add new compositions to the prevailing canon, thus updating its historical narrative, ideological agenda, and ethical values. These additional compositions were often, although not always, attributed to a known biblical figure, or inserted as a supplement to an existing biblical text, thus endowing them with

 This work was described in numerous essays. See, for instance, Susannah Heschel, Abraham Geiger and the Jewish Jesus (Chicago, 1998), 122; and Ken Koltun-Fromm, Abraham Geigerʼs Liberal Judaism: Personal Meaning and Religious Authority (Bloomington, IN, 2006), 40 – 63.  See Abraham Geiger, Urschrift und Übersetzungen der Bibel (Breslau, 1857), 1, 72. English translation in this and in the following footnotes from Max Wiener, Abraham Geiger and liberal Judaism: the challenge of the nineteenth century (Philadelphia, 1962), 216: “The Bible is now and has always been an ever-living word and not a dead letter”.

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the necessary authority.⁶ However, Geiger claimed, as the biblical canon was sealed, this method became unavailable. An alternative method, employed at a later date, was to alter the existing text. By correcting problematic biblical passages, Jews were able to revise their content and preserve their relevance.⁷ But unfortunately, this method also became inaccessible as the biblical text itself (not just the scope of the canon) became fixed, ruling out additional interpolations. It was at this stage, suggests Geiger, that the Rabbis made use of their sophisticated interpretative method, the Derash. Although Derash certainly deviated from the original meaning of the text, it nevertheless allowed the Rabbis to introduce a relevant, even inspiring Bible, creating the impression that they were merely revealing its authentic, but hidden content.⁸ In order to verify his theory, Geiger needed to present a clear correlation between Jewish life and Jewish writings; to show the impact of Jewish history on the biblical canon, text, and interpretation. Although Geiger discussed the formation of the biblical canon, and addressed the unique nature of Jewish interpretation, he devoted his main attention to the biblical text and its transmission (i. e., the second of the three methods outlined above). By comparing variants of the biblical text, such as the Masoretic Text, the Samaritan Pentateuch and the Septuagint, and through careful analysis of numerous biblical translations, Geiger aimed to reveal the fluidity of the biblical text in antiquity, and to display the impact of Jewish history on sanctified Jewish literature. A prominent theme in Geiger’s research on textual modifications involved God’s image in the Bible, and particularly, how Jews fought anthropomorphism, as exemplified by the expressions discussed below. After providing

 See Geiger, Urschrift, 73. Wiener, Abraham Geiger, 217: “In those days entire new books were composed which then were considered equal, or almost equal, in significance to the older literature; this category, in fact, includes a major segment of the Hagiographa. He will acknowledge, too, that entire books which were composed at that time were ascribed to authors who had lived long before.”  See Geiger, Urschrift, 260 – 262. Wiener, Abraham Geiger, 228: “Scholars of an earlier age did not treat the letter of the Bible with such great respect, they were not disturbed by small variations. […] they did not even shrink from making changes here and there in order to make the wording of the Scripture conform more closely to their own assumptions, which they regarded as firmly established.”  See Geiger, Urschrift, 432– 433. Wiener, Abraham Geiger, 228: “But whereas in earlier eras assumptions were permitted to go side by side with the actual Bible text, it is a typical phenomenon of later procedure that every effort was made to find contemporary views definitely reflected in the text of the Bible, that is, to interpret the text in such a manner as to make it appear to set forth that same more recent concept.”

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evidence that such matters troubled Jews in antiquity, Geiger traced their impact on the biblical text itself. Due to the changes that were introduced in the text, Geiger asserts, the Bible remained a valid theological book and did not become an archaic, theologically outdated document. Typical examples of Geiger’s approach can be found in his discussion of verses involving situations in which God is disgraced by humans. In such cases, Geiger claims, radical expressions were revised and replaced by more moderate ones. For instance, in Deut 1:27, we find a description of the Israelites complaining in the desert: ‫אָתנוּ הוִֹציָאנוּ ֵמֶא ֶרץ ִמְצ ָריִם‬ ֹ ’‫תּאְמרוּ ְבּ ִשׂ ְנַאת ה‬ ֹ ‫ַו ֵתּ ָר ְגנוּ ְבָאֳהֵליֶכם ַו‬ You sulked in your tents and said, “It is because the LORD hates us that He brought us out of the land of Egypt […].”⁹ (NJPS)

Geiger believed that the original phrase was actually ‫ ַו ֵתּ ָר ְגנוּ ְבֶאל ֵֹהיֶכם‬, meaning, the Israelites murmured against God (‫ – אלוה‬God, having been changed to ‫ – אוהל‬tent) and that only out of reverence did the verse undergo scribal modification.¹⁰ Similarly, in 1 Sam 3:13, the High Priest ʻEli is punished because of his son’s deeds: ‫שֵׁפט ֲא ִני ֶאת ֵבּיתוֹ ַעד עוָֹלם ַבֲּעוֹן ֲא ֶשׁר ָי ַדע ִכּי ְמַקְלִלים ָלֶהם ָבּ ָניו ְול ֹא ִכָהה ָבּם‬ ֹ ‫ְוִה ַגּ ְד ִתּי לוֹ ִכּי‬ For I have told him that I will judge his house for ever, for the iniquity, in that he knew that his sons did bring a curse upon themselves, and he rebuked them not. (JPS)

Geiger assumed that the initial reading was actually ‫ֲא ֶשׁר ָי ַדע ִכּי ְמַקְלִלים ֶאל ִֹהים ָבּ ָניו‬, namely, “he knew that his sons were cursing God” (‫ אלהים‬instead of ‫)להם‬, and that the sentence was reformulated only due to theological considerations.¹¹ In

 Geiger compares this text to the verse in Psalms 106, 27: ’‫( ַו ֵיּ ָר ְגנוּ ְבָאֳהֵליֶהם ל ֹא ָשְׁמעוּ ְבּקוֹל ה‬They grumbled in their tents and did not obey the Lord).  See Geiger, Urschrift, 290 – 292. This revision of the verse is not supported by any ancient text witness, whether in the original Hebrew or ancient translation. At the same time, Geiger claimed to find traces of the original text in bShevuot 47b: “‘And you sulked in your tents’ – Simeon b. Tarfon says: You spied out and put to shame the tent of the Omnipresent” (‫ותרגנו באהליכם – שמעון‬ ‫ תרתם וגיניתם באהלו של מקום‬:‫בן טרפון אומר‬.)  See Geiger, Urschrift, 271– 272. Geiger claims that the reformulation of this particular text was noticed by earlier Sages in rabbinic literature, see Mek.: Shirata 6 (Lauterbach): “In like manner you interpret the passage: ‘For the iniquity, in that he knew that his sons did bring a curse upon themselves’. Scripture, however, modified the expression”. See Geiger, Urschrift, 309.

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this case, the original reading survived in the Septuagint: “And I have told him that I am about to punish his house forever, for the iniquities of his sons, because his sons were reviling God, and even so he would not admonish them.”¹² Scholars often praise Geiger for his revolutionary insights. But was Geiger indeed the first Jewish scholar to examine the traces or footprints of history on the biblical text itself? As we shall now see, Geiger was undoubtedly inspired by the work of a contemporary scholar, Samuel David Luzzatto.

2 Samuel David Luzzatto: A Main Source of Inspiration Samuel David Luzzatto of Trieste (1800 – 1865) was an autodidact.¹³ Due to illness, Luzzatto was spared attending school for long stretches in his childhood, and acquired his basic traditional and secular knowledge with the assistance of his father. By the time he reached the age of seventeen, Luzzatto senior and junior had managed to cover the entire Talmud together. Luzzatto recalled: ‫ עברתי בחברת אבי על כל‬,‫ שקדמה לה‬1817 ‫ ובשלשת החדשים האחרונים של שנת‬,‫במרוצת השנה ההיא‬ ‫התלמוד הבבלי… זה לא היה לימוד פשוט בגמרא אלא ניסיון להגיע להשקפה כללית על התלמוד ולעמוד‬ .‫על הנמצא בו ועל שאין בו‬ In the course of that year and the preceding last three months of 1817, I went through the entire Babylonian Talmud with the aid of my father. It was not superficial study, but rather a thorough attempt to arrive at a general overview of the Talmud; to clarify what is included in, and what is missing from, this composition.¹⁴

In the course of this intense period of study, Luzzatto discovered what turned out to be a cornerstone in his later scholarship: namely, that the vocalization and accentuation systems (the Niḳḳud and Teʻamim) recorded in biblical texts were only

 “αὶ ἀνήγγελκα αὐτῷ ὅτι ἐκδικῶ ἐγὼ τὸν οἶκον αὐτοῦ ἕως αἰῶνος ἐν ἀδικίαις υἱῶν αὐτοῦ, ὅτι κακολογοῦντες Θεὸν (theon, God) οἱυἱοὶ αὐτοῦ, καὶ οὐκἐνουθέτει αὐτοὺς.”  For the most comprehensive biography of Samuel David Luzzatto (also known by his Hebrew initials, “Shadal”) see Morris B. Margolies, Samuel David Luzzatto: Traditionalist Scholar (New York, 1979), which is based on Luzzatto’s several autobiographies mentioned in the following footnotes.  See Samuel David Luzzatto, Pirke Ḥayim [Chapters in a Life]. Moshe A. Shulvas (ed.) (New York, 1951), 35. See also: Samuel David Luzzatto, “Toledot Shadal [The Life of Shadal]”, HaMaggid 2/17 (1858): 66.

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invented in the eighth to ninth century by a group of Tiberian scholars.¹⁵ This discovery was based on Luzzatto’s realization that no references to Niḳḳud and Teʻamim ever appear in classic rabbinic literature, which implies that they did not exist in the rabbinic era. The significance and far-reaching implications of this discovery cannot be underestimated: Niḳḳud and Teʻamim are constantly referred to in kabbalistic literature, especially in the Zohar. By ascribing the vowels and accents to the eighth–ninth centuries, Luzzatto not only shook the status of an important element in the Masoretic text, but also raised doubts as to the traditional attribution of the Zohar to tannaitic rabbinic authorities. He identified the roots of this text in the heart of the medieval period. Here, again, I turn to Luzzatto’s autobiographical memoir: ‫ וראה כי בימי‬,‫ מתוך קריאתו בתלמוד נפקחו עיניו‬,‫ כי בשנה ההיא‬,‫וזה היה סוף אמונתו בחכמת הקבלה‬ ‫ ומפני שכבר קרא הרבה בספר הזוהר ובתיקונים וראה‬,‫התנאים והאמוראים לא היו ספרי הקודש מנוקדים‬ .‫ החליט כי הספרים האלה מזויפים הם‬,‫כי הנקודות והטעמים נזכרים שם הרבה‬ […] And that ended his belief in Kabbalah. For in that year, while studying the Talmud, his eyes were opened. He realized that in the tannaitic and amoraic ages, the Scriptures were not vocalized, and having read the Zohar and the Tikkunim, and knowing that the vowels and accents are frequently mentioned in them, he determined that these books were forgeries.¹⁶

But Luzzatto went even further, concluding that the Masoretic vowels and accents should not simply be regarded as graphical representations of an ancient oral tradition, but rather as also reflecting an attempt to revise the usual readings and understanding of certain biblical texts. By representing their own pronunciation or syntax, the Tiberian scholars often deviated from the prevailing text tradition of their time, trying to replace the original meaning of the text, of which they did not approve, with an alternative sense. Such changes often involved theological or ethical difficulties in the biblical text that could be resolved, or at least moderated, by proposing a different reading.¹⁷

 On Luzzatto’s approach to the vowels and accents, see Shmuel Vargon and Moshe A. Zipor, “Samuel David Luzzatto’s Stance Toward the Punctuation of the Masoretic Text,” Textus 23 (2007), 49 – 73 (Hebrew).  See: Samuel David Luzzatto, “Toledot Shemuel David Luzzatto [The life of Samuel David Luzzatto],” in Miḥtave Sefat Kodesh [Letters in the Holy Language], ed. Immanuel Bondi (Prague, 1857), 67.  On Luzzatto’s view of the impact of theological considerations on the biblical text, see also Shmuel Vargon, S. D. Luzzatto: Moderate Criticism in Biblical Exegesis (Ramat Gan, 2013), 159 – 169.

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Luzzatto spelled out these revolutionary discoveries regarding Niḳḳud and Teʻamim in a short unpublished composition titled ‫( מאמר הניקוד‬An Article on the Vowels, 1817). It appeared in print at a later date, in the form of a play titled ‫( ויכוח על חכמת הקבלה וקדמות ספר הזוהר וקדמות הנקודות והטעמים‬A Disputation on the Kabbalah and on the Antiquity of the Zohar and the Vowels and Accents, Gorizia 1852).¹⁸ But he also treated the same theme in various places in his commentary on the Bible, namely, the attempt of eighth- to ninth-century scholars to revise the pronunciation of the text in order to overcome theological difficulties. To demonstrate, let us turn to Ex 20:20: ‫ל ֹא ַתֲעשׂוּן ִא ִתּי ֱאל ֵֹהי ֶכֶסף ֵואל ֵֹהי ָזָהב ל ֹא ַתֲעשׂוּ ָלֶכם‬ With Me, therefore, you shall not make any gods of silver, nor shall you make for yourselves any gods of gold. (NJPS)

Luzzatto was convinced that the original pronunciation was ‫אִתי‬ ֹ (me) rather than ‫( ִא ִתּי‬with me), and that, accordingly, this was a prohibition against creating physical images of God and not of competing idols. It was theological concerns alone that fueled the replacement of the original formulation.¹⁹ In other studies, Luzzatto illustrates how similar theological dilemmas were addressed in ancient translations of the Bible, especially in the work of Onkelos.²⁰ However, whereas earlier authorities did not dare to revise the Bible itself, and expressed their objections in the form of a translation, later sages were willing to modify the divine text itself.

3 Geiger and Luzzatto: Continuity or Conflict? The resemblance between Luzzatto’s and Geiger’s ideas, published just a few years apart, is quite striking. Both scholars essentially discussed the impact of Jewish history and particularly of Jewish theology on the treatment of the Bible, and both emphasized that their impress is not restricted to the realm of interpretation or translation, but is found in the biblical text itself. The obvious

 For a detailed description of this work and its emergence, see Jordan S. Penkower, “S. D. Luzzatto, Vowels and Accents, and the Date of the Zohar,” Italia, Conference Supplement Series, 2 (2004): 79 – 130.  On Ex 20:20, see Yonatan Bassi (ed.), Perush Shadal La-Torah [Shadal’s Commentary on the Pentateuch] (Jerusalem. 2015), 211.  See, for instance, Samuel David Luzzatto, Ohev Ger [Philoxenus] (Vienna, 1830), introduction.

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question emerges: Were these two scholars aware of each other’s work? Did they acknowledge this similarity? Here we encounter a surprising situation, one uncommon in the current scholarly community. In contemporary academic circles, scholars usually demand explicit recognition of their work and expect to receive full credit for even the slightest remark or innovation. Failure to cite such references, as we all know, can lead to unpleasant results. However, in the case of Geiger and Luzzatto things took a quite different path. Geiger, for his part, did not fail to mention Luzzattoʼs influence on his work. In the opening section of his work, after presenting his goals, Geiger refers his readers to Luzzatto’s work, adding: Thus, Samuel David Luzzatto contributed greatly to solving the mystery […]. The Aramaic translators, claims he, as well as the vocalizers and accentuators, would on occasion deliberately change the original pronunciation and syntax of the verse in order to remove expressions that might sound offensive to the unprofessional reader or listener […].²¹

Moreover, on numerous occasions throughout the book Geiger cites Luzzattoʼs particular insights, which he eagerly adopted and developed.²² For instance, in a long passage Geiger treats a series of verses which mention ‫( ראית פני האל‬viewing Godʼs face), especially in connection with the holidays. Following Luzzatto, Geiger insists that the original pronunciation was always ‫יִ ְרֶאה ֶאת ְפּ ֵני ה’ ֱאל ֶֹהיָך‬ (shall […] see the Lord God, in the active voice), not ‫( ֵי ָרֶאה ֶאת ְפּ ֵני ה’ ֱאל ֶֹהיָך‬shall […] appear before the Lord GOD, in the passive voice). The original pronunciation was revised due to theological concerns, as found in the verse ‫את ֶאת‬ ֹ ‫ל ֹא תוַּכל ִל ְר‬ ‫( ָפּ ָני ִכּי ל ֹא יִ ְרַא ִני ָהָא ָדם ָוָחי‬But you cannot see my face, for no human can see me and live).²³ Geiger, no doubt, paid his debt to Luzzatto.²⁴ But rather surprisingly, Luzzatto was not pleased to see his name appear in print in Geigerʼs work, and even less so, to be treated as a possible source of inspiration. In a volume celebrating Geigerʼs long rabbinical career in Breslau, which included greetings from fellow rabbis and scholars, Luzzatto added a rig-

 See Geiger, Urschrift, 18.  See, for instance, Geiger, Urschrift, 295 (on Isa 9:5 – 6), 297 (on Isa 7:6), 318 (on Ezek 3:12), and 335 (on Num 16:5).  Ex 33:20: “you cannot see my face, for man may not see Me and live” (NJPS, Schocken Bible).  See Geiger, Urschrift, 337– 339. Geiger elaborated on this matter a few years later, see Abraham Geiger, “Divere Biḳoret Aḥadim [Some Critical Observations],” Otsar Neḥmad 3 (1860): 7– 10, and once again referred to Luzzattoʼs contribution.

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orous letter, in which he dissociated himself from Geigerʼs work²⁵, calling it “a false prophecy and lying divination”,²⁶ concluding with a gentle recommendation: ,‫ברוך אברם מאל עליון – ישכיל לעד באשר יפנה‬ .‫יאריך ימיו יאמץ שנותיו – ואשר הרס ישוב ויבנה‬ Blessed is Abram by God most high – may he gain eternal wisdom wherever he turns, May he live long and have years of strength – and may what he has destroyed be rebuilt.²⁷

How can we explain Luzzattoʼs negative reaction to Geigerʼs work? What was it about Geigerʼs work that evoked such a harsh response? I would like to suggest two possible answers to this question, one scholarly and one ideological. On numerous occasions Luzzatto expressed his dissatisfaction with fellow scholars who were too hasty to emend the biblical text, the Pentateuch in particular.²⁸ Luzzatto constantly reminded them how carefully the Bible was transmitted throughout the ages, and how unlikely mistakes and flaws are in a text that is constantly studied. We can therefore assume that, from Luzzattoʼs perspective, suggesting an alternative pronunciation or syntax of a verse was already a farreaching step, but revising the letters or words themselves, as Geiger did, was a step too far. Indeed, in his letter to Geiger, he pointed out such considerations.²⁹ Perhaps the main reason for Luzzattoʼs frustration with Geigerʼs work was not rooted in critical-scholarly grounds, but rather in the ideological realm. As contemporary scholars have often pointed out, Geigerʼs impressive work was not free of tendentious motivations and goals. His attempt to illuminate the dynamic path of the Jewish tradition and its ability to adjust itself to the ongoing challenges posed by history, as reflected in his study of the Bible, was certainly connected to his desire to modernize Judaism. Indeed, the description of deliberate changes in the biblical text in Geigerʼs work testified to the ability of the

 See Samuel David Luzzatto, “Hatsofeh [The Observer],” Ha-Maggid 2 (1858): 6 – 7: “‫וזה הביא‬ ‫“( ”דאגה בלבי שמא יחשבו הקוראים שאני מסכים עם גייגער במה שכתב בספרו החדש אורשריפט‬This worried me, since the reader might think that I agree with what Geiger wrote in his new work Urschrift”).  See Luzzatto, “Hatsofeh” 6 – 7: “‫ אם אומר כי החידוש העיקרי שעליו נוסד ספרו‬,‫יסלח לי אברהם אוהבי‬ ‫“( ”אורשריפט איננו בעיני כי אם חזיון שוא וקסם כזב‬May my dear Abraham forgive me for saying that the central novelty upon which his Urschrift is based is, in my eyes, nothing but a false prophecy and lying divination”). This description is based on Job 33:16 and Ezek 13:6.  See quote of this letter in Luzzatto, “Hatsofeh” 6 – 7.  See Vargon, Luzzatto, 90 – 97.  See Luzzatto, “Hatsofeh,” 6 – 7 (= Samuel David Luzzatto, Meḥkare Ha-Yahadut [Studies in Judaism]. Bd. 2. [Warsaw, 1913], 120 – 121).

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Jewish tradition to evolve and adjust to the prevailing theological norms of each period in its history. Such tendencies, common in liberal circles in Germany, were quite foreign to Italian ears. The critical observations of Italian scholars were usually not accompanied by demands to revise Judaism, nor governed by ideological attempts to develop it.³⁰ We may assign greater weight to the notion that Luzzattoʼs discomfort with Geigerʼs scholarly work stemmed from his objections to his religious agenda.

4 Summary The debate between Geiger and Luzzatto concerning the transmission of the biblical text was just one of many scholarly issues that divided them in the course of their careers. The two scholars adopted conflicting opinions as to the status of the Hebrew language in the Second Temple period (i. e., was Hebrew a spoken or a literary language?), and argued harshly regarding the nature of Rabbinic literature (i. e., was it initially an oral or written tradition?). These matters, too, were certainly not free of ideological implications. Nevertheless, despite their wide differences, the two scholars had great respect for each other and in the course of their arguments even expressed mutual affection. In a revealing letter from Luzzatto to Geiger (in 1857), after addressing his discomfort with Geigerʼs opinions, he confessed: .‫ יקר מרבים‬,‫ ולפעמים כלי חפץ אתה בעיני‬,‫ואתה לפעמים מפץ אתה לי כלי מלחמה‬ At times you are my battle axe and my weapons of war […] but at other times you are a desirable vessel, more valuable than many […].³¹

Indeed, their shared interest in Jewish studies formed a close connection between these two ideological rivals, despite their opposing views of how to approach the biblical text. Or, stated in more general terms, scholarship can create deep friendships, not just bitter enemies.

 On the complex German-Italian connections, see Lois C. Dubin, “Trieste and Berlin: The Italian Role in the Cultural Politics of the Haskalah,” in Toward Modernity, ed. Jacob Katz (New Brunswick, NJ, 1987), 89 – 224; Lois C. Dubin, “The Rise and Fall of the Italian Jewish Model in Germany: From Haskalah to Reform, 1780 – 1820,” in Jewish History and Jewish Memory, ed. Elisheva Carlebach (Hanover, NH, 1998), 271– 295.  See Eisig Gräber, Igrot Shadal [The Letters of Shadal] (Krakow, 1891), 1288 – 1289. This letter was sent to Abraham Geiger on 17. 3. 1857, after Luzzatto was exposed to the first part of Geigerʼs composition.

Hannes Bezzel, Louise Hecht, Grit Schorch

Die Anfänge moderner Bibelwissenschaft in der Wiener Haskala Juda Jeitteles und Juda Leib ben Zeʼev als Exegeten im Verlagshaus von Anton Schmid

Abstract: Inspired by Moses Mendelssohn’s endeavors to pave the way for a modern approach to bible interpretation, the Maskilim of the second and third generation sought to explore new directions in bible exegesis. In the context of Vienna’s Hebrew printing culture, especially in the printing house of Anton Schmid, and influenced by the Prague Haskalah, these efforts took on a distinct direction that we label the “Vienna Haskalah”. Juda Leib ben Ze’ev (1764– 1811) and Juda Jeitteles (1773 – 1838), two Maskilim who had moved to Vienna from Prague and Berlin, have prominently shaped this new Jewish movement. The Bible edition Mincha Chadasha (later called Kitve Kodesh), issued in the printing house of Anton Schmid, provided the virtual meeting place between the two Maskilim. In 1810, ben Ze’ev published his Introduction into the Holy Scriptures (Mavo elMikra’e Kodesh) which appears to be the first systematic implementation of higher bible criticism into Jewish text tradition after Spinoza’s initial and scandalous steps in critical bible exegesis. Reading the biblical books of Nevi’im and Ketuvim mainly as historical sources implied a silent revolution in interpreting the holy Jewish scriptures. From the third edition onwards, Ben Ze’ev’s Mavo was added to the respective volume of Kitve Kodesh. Juda Jeitteles significantly shaped the fourth edition of the series that was designated as a textbook for Jewish children and – unlike the former editions – was supplemented by several traditional Jewish sources and a philological commentary of the respective editor. The article traces the intellectual models of ben Ze’ev and Jeitteles that convene in Anton Schmid’s Bible project which emerges as a unique meeting point of both higher Bible criticism and traditional Judaism.

Moses Mendelssohns deutsche Pentateuch-Übersetzung, samt Einleitungsessay Or la-Netiva und hebräischem Kommentar, dem Biʼur, inspirierte die folgenden Generationen jüdischer Gelehrter zu einer Fülle von vergleichbaren Vorhaben. Der Beitrag entstand im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes „Haskalah im Dialog. Juda Jeitteles und Juda Leib ben Ze’ev als Exegeten der Aufklärung“. https://doi.org/10.1515/9783110551631-012

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Hannes Bezzel, Louise Hecht, Grit Schorch

Nicht nur die Übersetzung der Tora ins Hochdeutsche, sondern insbesondere die philologische und philosophische Kommentierung durch ein Gelehrtenteam unter der Leitung Moses Mendelssohns, stellte ein Novum dar. Das hermeneutische Unternehmen, die schriftliche Tora mittels eines modernen Wissensinstrumentariums zu erklären und auf diese Weise sowohl das Judentum mit der Aufklärung als auch die Aufklärung mit dem Judentum zu versöhnen, traf offenbar den Nerv der Zeit. Die gewählte Form einer deutschen Übersetzung mit hebräischem Kommentar wirkte auf zahlreiche Gelehrte geradezu stilbildend: „After Mendelssohn’s death in 1786 there was considerable interest in ‚completing‘ the project by extending the German translation and Hebrew commentary to cover the other nineteen books of the traditional Hebrew Bible.“¹ Der vorliegende Beitrag widmet sich zwei maskilischen Gelehrten, die das Mendelssohnsche Bibelprojekt weiterentwickelten und durch ihre exegetischen Arbeiten die Gattung der Kommentarliteratur im frühen 19. Jahrhundert maßgeblich geprägt haben. Es sind der in der Nähe von Krakow geborene und durch die „Berliner Haskala“ intellektuell geprägte Juda Leib ben Ze’ev (1764– 1811)² sowie der aus Prag stammende Juda Jeitteles (1773 – 1838), dessen Vater Jonas eine zentrale Gestalt der „Prager Haskala“ gewesen war.³ Konnte der Neue Nekrolog der Deutschen für das Jahr 1838 Juda Jeitteles noch nachrufen, er sei „durch seine Studien im Fache der oriental. Literatur wohl bekannt“,⁴ und würdigte Franz Delitzsch Juda Leib ben Ze’evs Rückübersetzungen der Weisheit Sirachs und des Buches Judith aus dem Griechischen ins Hebräische als „in der Nachbildung des biblischen Gnomenstyls ein Meisterstück“,⁵ so sind doch beide Gelehrte und ihr Werk heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Wenn überhaupt, dann sind

 Breuer, Edward: Jewish Study of the Bible Before and During the Jewish Enlightenment. In: Hebrew Bible/Old Testament. The History of its Interpretation. Bd. II: From the Renaissance to the Enlightenment. Hrsg. von Magne Sæbø. Göttingen 2008. S. 1006 – 1023, hier S. 1021.  Zu Juda Leib ben Ze’evs Biografie vgl. Klausner, Joseph: A History of Modern Hebrew Literature. Bd. 1 (hebr.). Jerusalem 1930. S. 156 – 166.  Vgl. Kestenberg-Gladstein, Ruth: Neuere Geschichte der Juden in den böhmischen Ländern. Bd. I: Das Zeitalter der Aufklärung 1780 – 1830. Tübingen 1969 (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 18/1). S. 117– 133; Hecht, Louise: Jeitteles Family. In: The Yivo Encyclopedia of Jews in Eastern Europe. http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Jeitte les_Family (15. 6. 2017).  Neuer Nekrolog der Deutschen. Sechzehnter Jahrgang. 1838. Zweiter Theil.Weimar 1840. S. 1419. Juda Jeitteles Nachruf trägt die Nummer 934.  Delitzsch, Franz: Zur Geschichte der jüdischen Poësie vom Abschluss der heiligen Schriften Alten Bundes bis auf die neueste Zeit. Leipzig 1836. S. 110. Vgl. dazu Barzilay, Isaac E.: National and Anti-National Trends in the Berlin Haskalah. In: Jewish Social Studies 21 (1959). S. 165 – 192, hier S. 177.

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Jeitteles und ben Ze’ev, wie das schon aus den genannten Kommentaren der Zeitgenossen anklingt, wegen ihrer Verdienste um die hebräische Sprache und die Literatur der Aufklärungszeit im Gedächtnis geblieben,⁶ kaum aber wegen ihres Wirkens als Ausleger der Schrift.⁷ Und doch war Juda Jeitteles derjenige, der womöglich 1831 den späteren terminus technicus „Haskala“ stiftete,⁸ der als Lektor im Wiener Verlagshaus von Anton Schmid⁹ eine überaus auflagenstarke Kommentarreihe, Mincha Chadasha (ab der dritten Auflage Kitve Kodesh betitelt), zu den Büchern des Tanach maßgeblich prägte. Ab der dritten Auflage (ab 1817) wurde dem Bibeltext und Kommentar eine Einleitung zum betreffenden biblischen Buch vorangestellt.¹⁰ Dieser Abschnitt wurde aber nicht vom jeweiligen Kommentator verfasst, sondern einem anderen Werk entnommen: dem Mavo des Juda Leib ben Ze’ev von 1810.¹¹ Dieses Werk ben Ze’evs kann in seiner Bedeutung kaum unterschätzt werden: „[It] was the first in Haskalah literature to suggest the recognition, albeit with some reservations, and rejection, of the principles of Bible criticism.“¹² Mit der vierten Auflage (ab 1833) schließlich erfuhr das Profil der Reihe eine weitere Modifikation:

 Beide veröffentlichten zahlreiche Beiträge in ha-Me’assef und Bikkure ha-Ittim. Ben Ze’ev publizierte neben einem Religionslehrbuch (‫יסודי הדת כלל עקרי האמונה‬, Wien 1811; vgl. dazu Hecht, Louise: Ein jüdischer Aufklärer in Böhmen. Der Pädagoge und Reformer Peter Beer [1758 – 1838]. Weimar/Wien 2008 [Lebenswelten osteuropäischer Juden 11]. S. 124– 127) unter anderem eine hebräische Grammatik (‫תלמוד לשון עברי‬, 1796), ein Hebräisch-Lehrbuch (‫ )מסלת הלמוד‬sowie ein Deutsch-Hebräisches Wörterbuch (‫אוצר השרשים‬, 1807– 1808). Vgl. Waxman, Meyer: A History of Jewish Literature. Volume III: From the Middle of the Eighteenth Century to 1880. 2. Aufl. New York/London 1960. S. 125 – 127.  Eine Ausnahme bildet der Aufsatz von Breuer, Edward: (Re)creating Traditions of Language and Texts. The Haskalah and Cultural Continuity. In: Modern Judaism 16/2 (1996). S. 161– 183.  Vgl. Schulte, Christoph: Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte. München 2002. S. 17, unter Verweis auf Ben Yehuda, Elieser: ‫מלון הלשון העברית הישנה והחדשה‬. Bd. 2. [1911] ND Jerusalem 1980.  Zu Anton von Schmids Verlag vgl. Julius, Raphael: Anton von Schmid – Royal Printer and Nobleman. In: Jewish Book Annual 51 (1993). S. 195 – 202; Hecht, Louise: Christian Printers as Agents of Jewish Enlightenment? Hebrew Printing Houses in Prague, Brno and Vienna, 1780 – 1850. In: Judaica Olomucensia 3/1 (2015). S. 30 – 61, https://www.jud.upol.cz/fileadmin/jud/juda ica/Judaica_Olomucensia_2015_1.pdf (15. 6. 2017).  Siehe Kitve Kodesh. Nidpasim me-chadash u-mehudarim be-Tosafot rabbot […] ‘im Tirgum Ashkenazi we-Biʼur. (Neu gedruckt und erweitert um viele Anhänge […] mit deutscher Übersetzung und Biʼur). Wien 1817– 1818.  Siehe ben Ze’ev, Juda Leib: Mavo el Mikraʼe Kodesh (Einleitung in die heiligen Schriften).Wien 1810.  Shavit, Yaacov und Mordechai Eran: The Hebrew Bible Reborn. From Holy Scripture to the Book of Books. A History of Biblical Culture and the Battles over the Bible in Modern Judaism. Berlin/New York 2007 (Studia Judaica [SJ] 38). S. 115.

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Dem Kommentarteil hinzugefügt wurde noch der Sefer Toledot Aharon, der auf zur jeweiligen Bibelstelle passende Talmudtraktate und andere rabbinische Literatur verweist. Im Rahmen der bei dem christlichen Verleger von Schmid erscheinenden Reihe Kitve Kodesh kommen so Jeitteles und ben Ze’ev zusammen. Unter der Federführung des Erstgenannten begegnen sich in den Kitve Kodesh rabbinische Auslegung und historisch-kritische Exegese, traditionelle Unterweisung und ein „modernes“ Interesse am Hebräischen wie Hochdeutschen.¹³ Es ist, als würde, im Rahmen von Bibelkommentaren, ein zweifacher Dialog geführt: einerseits mit der zeitgenössischen historischen Kritik, andererseits mit der überlieferten jüdischen Tradition. Beide Seiten dieses Dialogs sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

1 Dialog mit der historischen Kritik: Der Mavo Juda Leib ben Ze’evs Juda Leib ben Ze’evs Beitrag zur Entwicklung der modernen jüdischen Bibelexegese ist bislang hinter der Rezeption seines einflussreichen Sprachenprojekts unbeachtet geblieben. Diese einseitige Wahrnehmung seines Wirkens fing zeitig an. Im ersten systematischen Programm zu einer jüdischen philologia sacra ¹⁴ von 1837 findet er als jüdischer Grammatiker und nicht als Bibelexeget Erwähnung. Der Autor dieses unter Pseudonym veröffentlichten Programms war Phöbus Moses Philippson (1807– 1870), der ältere Bruder des bekannteren Ludwig Philippson (1811– 1889).¹⁵ Für das visionäre Curriculum jüdisch-theologischer Exegese wurde das „genaue[.] statarisch-exegetische[.] Studium der sämmtlichen biblischen Bücher“ empfohlen, welche „mit Hilfe der Grammatik (Hartmann, Vater, Gesenius, Ewald, aber auch der jüdischen Grammatiker ibn Ezra, Kimchi, ben Ze’ev,

 Zur Rechtfertigung des Deutschen im Unterschied zum Jiddischen als Zielsprache vgl. Schorch, Grit: Moses Mendelssohns Sprachpolitik. Berlin/New York 2012 (SJ 67). S. 20 f. u. S. 87– 89.  Als Artikelserie mit dem Titel „Ideen zu einer Encyclopädie und Methodologie der jüdischen Theologie“ zwischen Juni und Oktober 1837 in der Zeitschrift Allgemeine Zeitung des Judenthums (Nr. 20, 30, 33, 36, 44, 49, 56, 62, 80, 84, 85) von Phöbus Moses Philippson, unter dem Pseudonym Dr. Uri, publiziert. Diesen Hinweis verdanken wir Alexandra Zirkle.  Zu Phöbus und Ludwig Philippson siehe auch den Beitrag von Rüdiger Liwak im vorliegenden Band.

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Heidenheim u. A.) und des Lexikon’s (Kimchi, Simon, Gesenius, Winer)“¹⁶ erschlossen werden sollten. Das Anhören von „Vorlesungen über Einleitung in’s A.T.“,¹⁷ welche in die biblische „Einleitungswissenschaft“ einführen, gehörte ebenfalls zu Philippsons Konzept. Weder christliche noch jüdische Autoritäten werden im Zusammenhang mit der Einleitungswissenschaft genannt, Philippson benennt lediglich Beispiel-Lektüren historisch-kritischer Kommentarwerke.¹⁸ Allerdings gibt es einen guten Grund dafür, ben Ze’ev als jüdischen Grammatiker zu zitieren, denn er hat zwei einflussreiche linguistische Werke hinterlassen, die nicht nur exegetische Hilfsmittel sein wollten, sondern sich als Teil einer umfassenderen Sprachpolitik verstanden. Ben Ze’evs hebräische Grammatik Talmud Leshon Ivri (Hebräische Sprachlehre)¹⁹ erklärt die Grundlagen der hebräischen Sprache auf der Grundlage der Logik. Sie wurde viele Male neu aufgelegt und um Anhänge, Verbtabellen etc. ergänzt.²⁰ Ben Ze’evs zweites linguistisches Werk ist Otzar ha-Shorashim (Schatz der Wurzeln), ein kombiniertes Lexikon hebräischer Wurzeln und Hebräisch-Deutsches Wörterbuch. Es ist nach David ben Josef Kimchis (1160 – 1235) berühmtem Werk Sefer ha-Shorashim benannt und wurde zwischen 1806 – 1808 erstmals bei Anton Schmid in Wien publiziert.²¹ Ben Ze’evs Sprachpolitik ist in den vergangen zwei Jahrzehnten sehr gut erforscht worden. Edward Breuer, Moshe Pelli und Andrea Schatz haben in der Untersuchung von ben Ze’evs Sprachkonzept wichtige Vorarbeiten geleistet, um sein exegetisches Werk in einen größeren literarischen, theologischen, und po-

 Philippson, Phöbus M.: Ideen zu einer Encyclopädie und Methodologie der jüdischen Theologie. In: Allgemeine Zeitung des Judenthums 80 (1837). S. 318 f., hier S. 318.  Philippson, Ideen, S. 318.  Philippson, Ideen führt die Kommentarwerke zweier protestantischer Alttestamentler an, den Hiob-Kommentar (1824) des Eichhorn-Schülers Friedrich W. Carl Umbreit (1795 – 1860): Das Buch Hiob. Heidelberg 1832 sowie den Jesaja-Kommentar (1820) von Wilhelm Gesenius (1786 – 1842): Der Prophet Jesaia, übersetzt und mit einem philologisch-kritischen und historischen Kommentar begleitet. 3 Teile. Leipzig 1820 – 1821.  Siehe ben Ze’ev, Juda Leib: Talmud Leshon Ivri (Hebräische Sprachlehre). Breslau 1796.  Weitere Ausgaben sind bei Anton Schmid 1806/1807, 1810, 1815, 1818 und 1827 erschienen.  Siehe ben Ze’ev, Juda Leib: Otzar ha-Shorashim (Hebräischer Wortschatz). 1.–2. Bd. Wien 1806 – 1808 (2. Aufl. 1816; 3. Aufl. 1838 – 44). Eine ausführliche Analyse und ideengeschichtliche Einordnung findet sich bei Breuer, Traditions. Ben Ze’ev hat zu allen seinen Werken Einleitungsessays verfasst. Diese Essays sind wichtige Quellen für den ideologischen Hintergrund seiner Publikationsunternehmen. Die Akademia le-Lashon Ivrit in Jerusalem hat drei dieser konzeptionellen, sprachwissenschaftlichen und philosophischen Aufsätze in The Historical Dictionary Project – Maʼagarim aufgenommen; es handelt sich um die Einleitungen zu Emunot veDeʻot, Talmud Leshon Ivri sowie Otzar ha-Shorashim: http://maagarim.hebrew-academy.org.il/ Pages/PMain.aspx (18. 7. 2017).

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litischen Kontext einordnen zu können.²² Die Sprachendiskussion und die Diskussion der heiligen Schriften sind eng miteinander verwoben und befinden sich im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer Umbruchsituation. Während die Philosophie den Offenbarungscharakter der Sprache hinterfragt, steht mit der allmählichen Durchsetzung der historisch-kritischen Methode in der Theologie der Offenbarungscharakter der kanonisch überlieferten Schriften in Juden- und Christentum zur Debatte. Diese Koinzidenz ist kein Zufall, denn die göttlich offenbarten Schriften der jüdischen und christlichen Tradition gehen auf die gleichen Zeugnisse der Überlieferung zurück, welche als Beleg für den göttlichen Ursprung der Sprache angesehen wurden und deren Autorität nun hinterfragt wird. Die enge Verknüpfung von ben Ze’evs Sprachen- und Bibelprojekt ist daher repräsentativ für eine ganze Diskurslage.²³ Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass Or la-Netiva (1782), Moses Mendelssohns einleitender Essay zur Pentateuch-Übersetzung und Biʼur, ein oder sogar der zentrale Referenztext für ben Ze’evs Einleitungsessay zu Otzar ha-Shorashim ist. Das heißt, die konzeptionellen Überlegungen zu einem bibelexegetischen Werk sind der argumentative Bezugspunkt für die Einleitung zu einem hebräischen Wörterbuch. Or la-Netiva wurde von Mendelssohn nicht nur als Verteidigung der Tora angelegt, sondern ebenso als Apologie des göttlichen Ursprungs der heiligen Sprache.²⁴ Mendelssohns Entwurf einer Geschichte der Bibel-Übersetzungen²⁵ begründet die Tradierung hebräischen Sprachwissens im jüdischen Exil mit der jahrtausendealten Praxis der Bibelübersetzung in lebendige Volks- und Literatursprachen.²⁶ Im Gegensatz dazu ist für ben Ze’ev Übersetzung ein Ergebnis von Verfall und Korruption, welches den Verlust des Originals impliziert.²⁷ Der unmittelbare Zugang zur ursprünglichen Bedeutung des Bibeltextes ist für ben Ze’ev nicht, wie bei Mendelssohn, durch das menschliche Erkenntnisvermögen be-

 Siehe Breuer, Traditions; Pelli, Moshe: Haskalah and Beyond. The Reception of the Hebrew Enlightenment and the Emergence of Haskalah Judaism. Lanham (MD) 2012, passim; Schatz, Andrea: Sprache in der Zerstreuung. Die Säkularisierung des Hebräischen im 18. Jahrhundert. Göttingen 2009. Bes. S. 274– 280.  Vgl. Breuer, Traditions, passim.  Vgl. auch Breuer, Edward: The Limits of Enlightenment. Jews, Germans, and the EighteenthCentury Study of Scripture. Cambridge (MA) 1996. S. 163.  Vgl. Sandler, Perez: Mendelssohn’s Edition of the Pentateuch (hebr.). 2. Aufl. Jerusalem 1984. S. 37– 41.  Vgl. Schorch, Grit: Übersetzung als Sprachpolitik. In: Dies., Mendelssohns Sprachpolitik, S. 67– 95.  Vgl. Breuer, Traditions, S. 165 f.

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grenzt,²⁸ sondern hängt vom Grad des Sprachwissens, der Kultur, der Bildung und dem Zustand der politischen Selbstbestimmung ab. Juda Leib ben Ze’ev war in der Umsetzung seiner monolingualen Sprachpolitik sehr konsequent und hat nahezu ausschließlich auf Hebräisch geschrieben. Diese Konsequenz verbindet ihn mit Juda Jeitteles und unterscheidet ihn von vielen anderen Maskilim, vor allem aber vom programmatischen Bilingualismus der Berliner Haskala.²⁹ Trotz der inhaltlichen Diskrepanzen zu Mendelssohn gibt es weitreichende konzeptionelle Parallelen zwischen den beiden jüdischen Aufklärern. Wie Mendelssohn versteht ben Ze’ev die innerjüdische Reform wesentlich als sprachpolitisches Projekt, das sich nicht nur auf Schriftauslegung und das jüdische Gesetz, das heißt auf Theorie und Praxis der jüdischen Gemeinschaft, sondern auch auf ein politisches Ideal bezieht.³⁰ Die von ben Ze’ev entwickelten Maximen der Schriftauslegung stehen also in einem Kontext, der über engere theologische Fragestellungen hinausweist. Ben Ze’evs Einleitung in die heiligen Schriften, der Mavo el Mikraʼe Kodesh (1810), stellt für eine Untersuchung seines Bibelprojekts die Hauptquelle dar. Der Mavo ist eine Anthologie von Einleitungen zu jedem der Prophetenbücher (Nevi’im) und den einzelnen Büchern der Schriften (Ketuvim). Als geschlossener Text ist er insgesamt nur zweimal publiziert worden. Die Originalausgabe wurde ein Jahr vor ben Ze’evs Tod im Jahr 1810 von Anton Schmid besorgt.³¹ Ein Reprint dieser Ausgabe hat der israelische Historiker Getzel Kressel (1911– 1967) im Jahre 1967 herausgegeben und mit einer Einführung versehen.³² Der Wiener Drucker Anton Schmid, von dem unten noch ausführlicher die Rede sein wird, ist jedoch nicht nur der Herausgeber des Mavo, sondern wird von ben Ze’ev auch als der

 Zur philosophischen und erkenntniskritischen Dimension von Moses Mendelssohns hebräischem Sprachkonzept vgl. Schorch, Grit: Logik und heilige Sprache? In: Dies., Mendelssohns Sprachpolitik, S. 197– 206.  Vgl. Shavit, Yaacov: A Duty too Heavy to Bear. Hebrew in the Berlin Haskalah, 1783 – 1819. Between Classic, Modern, and Romantic. In: Hebrew in Ashkenaz. Language in Exile. Hrsg. von Lewis Glinert. New York/Oxford 1993. S. 111– 128; Schorch, Mendelssohns Sprachpolitik, passim.  Zu ben Ze’ev vgl. Breuer, Traditions, S. 173 f. Zu Mendelssohn vgl. u. a. Sorkin, David: Moses Mendelssohn and the Religious Enlightenment. Berkeley (CA)/Los Angeles (CA) 1996. S. 38; Goetschel, Willi: Mendelssohn and the State. In: Modern Language Notes 122 (2007). S. 472– 492; Schorch, Mendelssohns Sprachpolitik, bes. Kap. VI „Sprache und Politik“. S. 219 – 248.  Siehe ben Ze’ev, Mavo.  Getzel Kressel hat ein weiteres Werk ben Ze’evs herausgegeben, das bis dato unpubliziert war: Shir Agavim. Jerusalem 1976. Die Sammlung hebräischer Erotik-Poeme ging fast 170 Jahre lang unter Maskilim, Gelehrten und Rabbinern von Hand zu Hand, bis Kressel sie in einer kleinen Edition der Öffentlichkeit übergab. Es handelt sich hierbei um eine bislang kaum erforschte Gattung pornografischer Männerliteratur.

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Inspirator des Buches benannt. In der ersten Vorrede (Hakdama Klalit) zum Mavo schreibt ben Ze’ev: ‫ בהוציאו לאור ס’ ישעי’ בהעתקה האשכנזית ובאור מידי‬,‫ המדפיס המשבח אדון אנטאן שמיד‬,‫והמסב בדבר‬ ,‫ כאשר נמצאו בשאר העתקות תהלים‬,‫ ולא נמצא הקדמה להעתקה הזאת‬.‫המשכיל כה’ מאיר אוברניק ז“ל‬ ,‫ אך לא לחבר הקדמה )אשר איננו ענין‬,‫ ואנכי נעניתי לו בה‬.‫ ושאל המדפיס מאתי לחבר אליו הקדמה‬.‫משלי‬ ‫ והעיון בענין הזה הובילני אל ההכרה לדעת הצרך‬.‫לחבר הקדמה לחבור זולתו( כי אם לחבר מבוא אל גוף הספר‬ ³³.‫ המפיץ אור על עניני הספר בכלל‬,‫וההכרח אשר לספר וספר אל מבוא כזה‬ Der Initiator der Sache ist der gepriesene Drucker Herr Anton Schmid mit seiner Herausgabe des Buches Jeshajahu in deutscher Übersetzung, versehen mit dem Kommentar [Biʼur] des aufgeklärten [Maskil] Herrn Me’ir Obernik (seligen Angedenkens). Diese Edition hatte kein Vorwort, so wie die anderen Editionen der Psalmen und Sprüche. Und so bat mich der Drucker ein Vorwort zu verfassen. Ich stimmte zu, jedoch nicht ein Vorwort (denn es hat keinen Sinn, ein Vorwort zum Werk eines anderen [Obernik] zu verfassen), sondern eine Einleitung zur Struktur des Buches zu verfassen. Das Nachdenken über dieses Thema machte mir den Bedarf und die Notwendigkeit einer solchen Einleitung, die Licht auf die Merkmale des Buches im Allgemeinen wirft, für jedes einzelne Buch bewusst.

Ben Ze’evs Mavo besteht aus einer Aneinanderreihung historisch-kritischer Einleitungen zu insgesamt 32 Büchern der Nevi’im und Ketuvim. Zwei konzeptionelle Vorreden (Hakdama Klalit, Hakdama Shnija) erklären und strukturieren den Band. Es fehlen Einleitungen zu den Psalmen und den Sprüchen. Zu beiden Büchern gab es bereits Einzeleditionen mit ausführlichem Einleitungsapparat, Kommentar und Übersetzung, was von ben Ze’ev auch explizit erwähnt wird. Die Psalmen-Ausgabe Zemirot Israel (1800) stammt aus der Feder des Berliner Maskils Joel Brill Löwe (1760 – 1802) und ist ebenfalls von Anton Schmid herausgegeben worden.³⁴ Die Sprüche Salomos wurden bereits 1790 von Isaak Euchel (1756 – 1804) publiziert.³⁵ Interessanterweise wurden die Bücher der Chamesh Megillot, d. h. das

 Ben Ze’ev, Mavo. Hakdama Klalit. S. 5 [eigene Zählung]. Alle Übersetzungen stammen von den Autor*innen, falls nicht anders angegeben.  Siehe Löwe, Joel Brill: Zemirot Israel (kolel Sefer Tehillim) (hebr.). Wien 1799/1800. Die zweite Auflage erschien 1817 ebenfalls bei Anton Schmid.  Es handelt sich um eine Edition und deutsche Übersetzung, versehen mit Biʼur und hebräischer Einleitung, vgl. Euchel, Isaak A.: Mishle. Druckerei der Jüdischen Freischule. Berlin 1789. Zur Zeit der Publikation des Mavo gab es bereits zwei Neuauflagen von Euchels Ausgabe der Sprüche: Die 1804 von Moses Philippson (es handelt sich um den Vater des oben genannten Phöbus Philippson) in Dessau herausgegebene Edition sowie die Offenbacher Edition von 1805. Ab der ersten Ausgabe von 1817/1818 war Euchels Mishle-Übersetzung, einschließlich Biʼur, in das neue Editionsprojekt Kitve Kodesh integriert, ergänzt um eine neue Einleitung, Korrekturen zu Übersetzung und Biʼur durch Samuel Detmold. Vgl. die digitalisierte Version in: http://data.onb. ac.at/ABO/%2BZ227814004 (18. 7. 2017).

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Lied der Lieder, Ruth, Klagelieder, Kohelet und Esther, von ben Ze’ev im Mavo nochmals eingeleitet, obwohl mit der von Joel Brill Löwe und Aaron WolfssohnHalle eingeleiteten und kommentierten Ausgabe schon eine moderne, maskilische Edition vorlag.³⁶ Ben Ze’evs Mavo definiert ein neues Textformular hebräischer Bibelexegese, welches zwar kein neues Genre begründete, aber dennoch sehr großen Einfluss auf die jüdische Bibelauslegung nahm, weil ben Ze’evs Einleitungen ab 1817 in die Kitve-Kodesh-Ausgaben integriert wurden. Mit dem Mavo wurde zum ersten Mal das bis dato entwickelte Analyse- und Methodeninventar der historisch-kritischen Exegese in die jüdische Bibelauslegung eingeführt. Seinen neuen, historischen Zugriff auf die kanonischen Texte begründet ben Ze‘ev wie folgt: .‫ וממחברים שונים‬,‫ מענינים שונים‬,‫ משנים שונים‬,‫ והם ממדרגו’ שונות‬,‫כי הנה לפניך עשרים וארבעה ספרי קדש‬ ,‫ זמן‬,‫ לדעת מדרגה‬,‫ טרם המלך לקרותו‬,‫ אם קורא מבחין אתה‬,‫…]] הלא ראוי לך איפוא להבחין בכל ספר וספר‬ ‫ הנתלים בזמן‬,‫ וביחוד בספרים הכוללים ספורים ומאורעות האומה‬.‫ ומחבר ספרים אשר אתה עוסק בו‬,‫וענין‬ ³⁷.‫ במה שהם משולבים ע’’י מלחמות‬,‫ וכ“ש כשהמאורעות האלה מצטרפות על עניני שאר אומות‬,‫ובמקום‬ Denn siehe vor Dir liegen vierundzwanzig heilige Bücher, und sie sind auf verschiedenen Niveaus [3 Madrigot = Tora, Propheten, Schriften], aus verschiedenen Jahren, von verschiedenem Inhalt, und von verschiedenen Autoren. […] Und so ist es also angeraten, zwischen den einzelnen Büchern zu unterscheiden, wenn du ein urteilender Leser bist. Bevor Du erwägst es [das Buch] zu lesen, solltest Du zuerst das Niveau, die Zeit, den Inhalt, und den Verfasser der Bücher kennen, mit denen Du Dich befasst. Und besonders die Bücher, die Geschichten und Ereignisse des Volkes [Israel] beinhalten, sind von Zeit und Ort abhängig, und umso mehr, wenn diese Ereignisse zu den Angelegenheiten der anderen Nationen, mit denen sie durch Kriege verwoben sind, in Bezug gebracht werden.

Ben Ze’evs historische Methode der Einleitung und Textauslegung geht auf den direkten Einfluss von Johann Gottfried Eichhorn (1752– 1827) zurück,³⁸ der mit seiner Einleitung ins Alte Testament ³⁹ die Einleitungswissenschaft in der protes-

 Siehe Löwe, Joel Brill u. Aaron Wolfssohn-Halle: Chamesh Megillot. Mit dter. Üs. u. Biʼur. Berlin 1788. (Enthält: Mendelssohns Übersetzung von Shir ha-Shirim, David Friedländers Übersetzung von Kohelet und Mendelssohns Biʼur zu Kohelet, versehen mit Anmerkungen von Löwe).  Ben Ze’ev, Mavo. Hakdama Klalit. S. 2 f.  Breuer spricht in diesem Zusammenhang gar von „evident plagiarisms“: Breuer, Study, S. 1022, Anm. 53.  Siehe Eichhorn, Johann Gottfried: Einleitung ins Alte Testament. 3 Bde. Leipzig 1780 – 1783. Zu Eichhorn und seiner Einleitung vgl. Smend, Rudolf: Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten. Göttingen 1989. S. 25 – 37; Reventlow, Henning Graf: Towards the End of the „Century of Enlightenment“. Established Shift from Sacra Scriptura to Literary Documents and Religion of the People of Israel. In: Hebrew Bible/Old Testament. Hrsg. von Magne Sæbø. Bd. II. S. 1024– 1063, hier S. 1051– 1057.

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tantischen Theologie begründete. Anders als Mendelssohn, der Eichhorn in seiner Einleitung zur Pentateuch-Übersetzung Or la-Netiva kritisch diskutierte,⁴⁰ machte ben Ze’ev diesen Einfluss nicht kenntlich. Er vermied es durchgängig, nicht-jüdische und christliche Autoren namentlich zu nennen.⁴¹ Im Unterschied zu Eichhorn, der sich in der Weiterentwicklung der historisch-kritischen Bibelauslegung bereits auf Autoritäten wie Johann David Michaelis (1717– 1791), Johann Salomo Semler (1725 – 1791) und Johann Gottfried Herder (1744– 1803) berufen konnte, fehlten ben Ze’ev solche modernen, jüdischen Referenzen.Vielmehr hatte er sich gegen die Autorität Mendelssohns durchzusetzen, der die historisch-kritische Methode und deren Einführung in die jüdische Textauslegung zugunsten einer modernen, ästhetisch-kritischen Position abgelehnt hatte. Ben Ze’ev führte daher die historische Kritik nur sehr vorsichtig in die jüdische Bibelauslegung ein. So berührte sein Einleitungsbuch nicht das Tabu der Tora, was bedeutet hätte, das geoffenbarte Gesetz, die Halacha, historisch-kritisch in Frage zu stellen und ihre Verbindlichkeit zu relativieren. So wie sich die historisch-kritische Methode im Christentum zunächst v. a. in Bezug auf das Alte Testament entwickelte und entfaltete, gibt es das gleiche, zeitlich versetzte Parallelphänomen in der jüdischen Textinterpretation: Die historisch-kritische Methode wurde von ben Ze’ev zunächst ausschließlich auf die Schriften und Propheten angewendet. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann das Tabu der Historisierung der Tora langsam zu bröckeln, denn die theologische und philosophische Problematik der Offenbarungsfrage wird zwangsläufig dann aufgeworfen, wenn sich die historischkritische Methode den eigentlichen Offenbarungstexten zuwendet. Im Judentum sind das die Fünf Bücher Mose, im Christentum ist es das Neue Testament. Nach Johann David Michaelis’ und Johann Salomo Semlers bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der historisch-kritischen Bibelauslegung⁴² war Eichhorn der erste protestantische Theologe und Orientalist, der ein- und dieselben Maximen der kritischen Textauslegung sowohl auf das Alte als auch auf das Neue Testament anwendete. Das ist innerhalb der akademischen Theologie und Orientalistik des 18. Jahrhunderts ein absolutes Novum. Eichhorn publizierte seine Einleitung ins Alte Testament zwischen 1780 – 1783, zu der Zeit, als Mendelssohn an seiner Pentateuch-Ausgabe und Or la-Netiva arbeitete; Eichhorns Einleitung ins Neue Testament folgte fast 20 Jahre später, zwischen 1804 und 1812, also etwa zur

 Zu Eichhorns Einfluss auf Mendelssohn vgl. Sandler, Mendelssohn’s Edition, S. 32– 38; Breuer, Limits, S. 163 – 173 u. Shavit/Eran, Hebrew Bible, S. 114 f.  Vgl. hierzu Pelli, Haskalah, S. 125.  Vgl. hierzu Schorch, Grit: Poetologische Bibelkritik und historisch-kritische Methode. In: Dies., Mendelssohns Sprachpolitik, S. 97– 102.

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selben Zeit, als ben Ze’ev den Mavo schrieb.⁴³ Was Eichhorn nicht publik machte, war der tiefe Eindruck, den Lessings Publikation der Wolfenbütteler Fragmente (die Reimarus-Papiere) und der „Fragmentenstreit“ bei ihm und vielen seiner Zeitgenossen in den 1770er-Jahren hinterlassen hatten.⁴⁴ Die unter anonymer Autorschaft publizierten Wolfenbütteler Fragmente historisierten, in der Tradition von Spinozas Bibelkritik stehend,⁴⁵ die Ereignisse des Neuen Testaments, und verwarfen die Möglichkeit einer übernatürlichen Offenbarung aus der deistischen Perspektive der Wunderkritik. Das bedeutet, dass Eichhorn das radikale Moment verborgen hielt, welches seinem neuen exegetischen Ansatz zu Grunde lag. David Sorkins pauschales Urteil, „Eichhorn’s entire argument showed the Bible to be a profane book whose text had suffered corruption and therefore required emendation“,⁴⁶ ist trotzdem nicht ganz richtig. Eichhorns Intention war es nicht, zu zeigen, dass die Bibel ein profanes Buch ist, vielmehr handelte es sich um ein Resultat, das sich zwangsläufig aus den Prämissen ergab. Eichhorn war weder Deist noch Spinozist, sondern nahm eine kohärente Position gegenüber beiden Testamenten ein, die nicht die Offenbarung infrage stellte, sondern die Autorität ihrer Überlieferung. Bezüglich des Alten Testaments folgte er Jean Astrucs „Älterer

 Siehe aber den bereits 1794 publizierten zweiteiligen Aufsatz: Über die drey ersten Evangelien. In: Eichhorn, Johann G.: Allgemeine Bibliothek der biblischen Literatur V/5 – 6 (1794). S. 761– 996.  Der Autor der Fragmente ist Herman Samuel Reimarus (1694– 1768). Lessing publizierte zwischen 1774– 1778 sieben Fragmente aus dem Textkonvolut, das Reimarus hinterlassen hatte, in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Zur Geschichte und Literatur aus den Schätzen der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel unter dem Titel „Ein Mehreres aus den Papieren des Ungenannten, die Offenbarung betreffend“. Es handelte sich um folgende Texte: „Von Duldung der Deisten: Fragment eines Ungenannten“, „Erstes Fragment.Von der Verschreyung der Vernunft auf den Kanzeln“, „Zweytes Fragment. Unmöglichkeit einer Offenbarung, die alle Menschen auf eine gegründete Art glauben könnten“, „Drittes Fragment. Durchgang der Israeliten durchs rothe Meer“, „Viertes Fragment. Daß die Bücher A.T. nicht geschrieben worden, eine Religion zu offenbaren“, „Fünftes Fragment. Über die Auferstehungsgeschichte“ und „Die Erziehung des Menschengeschlechts“; vgl. die Originalpublikation: http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/ content/pageview/3987121 (18. 7. 2017). Die Veröffentlichung der Fragmente bedeutete einen scharfen Angriff auf die lutherische Orthodoxie und wurde durch die so empörten wie zahlreichen Erwiderungen zu einem der größten Presseereignisse des 18. Jahrhunderts. Gleichzeitig war der Fragmentenstreit die letzte große Debatte um Vernunft und Offenbarung überhaupt. Zum Fragmentenstreit vgl. u. a.: Mulsow, Martin (Hrsg.): Between Philology and Radical Enlightenment. Hermann Samuel Reimarus (1694– 1768). Leiden 2011; Steiger, Johann A.: Ist es denn ein Wunder? Die aufgeklärte Wunderkritik. Oder: Von Spinoza zu Reimarus. In: 500 Jahre Theologie in Hamburg. Hamburg als Zentrum christlicher Theologie und Kultur zwischen Tradition und Zukunft. Hrsg. von Johann A. Steiger. Berlin/New York 2005. S. 113 – 132.  Zu Spinozas Bibelkritik vgl. Strauss, Leo: Die Religionskritik Spinozas als Grundlage seiner Bibelwissenschaft. Untersuchungen zu Spinozas Theologisch-politischem Traktat. Berlin 1930.  Sorkin, Mendelssohn, S. 82.

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Urkundenhypothese“ und machte sie einem größeren Publikum bekannt,⁴⁷ bezüglich des Neuen Testaments folgte er der von Lessing und anderen vertretenen „Urevangeliums-Hypothese“, die davon ausgeht, dass es ein ursprüngliches Evangelium in hebräischer oder aramäischer Sprache gegeben habe, das uns nicht überliefert ist.⁴⁸ Die systematische Einführung der „Urevangeliums-Hypothese“ bedeutete, an die Stelle der bindenden Autorität offenbarter Texte eine Hypothese zu setzen, anstelle der kirchlich autorisierten griechischen Evangelien, die rationale Spekulation über ein aramäisches Ur-Evangelium. Die Offenbarung wurde so von ihrer schriftlichen Überlieferung entkoppelt.⁴⁹ Insofern Eichhorn seine Methode auf das Alte Testament anwendete, war nolens volens die Autorität der jüdischen Tradition der kanonischen Textüberlieferung ebenso untergraben, das heißt der Kritik und rationalem Kalkül unterworfen. Dieser radikale Bruch mit den Prämissen der traditionellen Auslegung der heiligen Schriften prägt die christlichen und jüdischen Bibelwissenschaften bis heute. Es waren Eichhorn und ben Ze’ev, die diese stille Revolution für den Protestantismus und das aschkenasische Judentum moderierten.

2 Dialog mit der Tradition: Juda Jeitteles und seine Bearbeitung der Kitve Kodesh Wie oben angedeutet, bewegte sich der hier zu untersuchende Dialog der Haskala hauptsächlich entlang zweier Achsen: Einerseits als befruchtender, wenn auch keineswegs friktionsfreier Austausch zwischen der historisch-kritischen Methode der christlichen Bibelwissenschaft, repräsentiert v. a. durch Eichhorns Einleitung in das Alte Testament, und der Bibelexegese jüdischer Aufklärer (Maskilim); an-

 Vgl. Legaspi, Michael C.: The Death of Scripture and the Rise of Biblical Studies. Oxford 2010. S. 156 f.  Eichhorn ging davon aus, dass das Buch Genesis aus zwei verschiedenen Quelltexten kompiliert wurde, welche von zwei verschiedenen Autoren verfasst worden waren. Der radikale Bruch mit den herkömmlichen Paradigmen der Bibelauslegung wird aber erst mit der Anwendung der Methode der Quellenscheidungen auf das Neue Testament sichtbar. Eichhorn etablierte die „Urevangeliums-Hypothese“ im Diskurs der protestantischen Theologie, wobei sich Theolog*innen bis heute bemühen zu zeigen, dass Eichhorn seine Hypothesen nicht auf der Grundlage von Lessings oder Reimarus’ Schriften entwickelte und also weiterhin den Skandal, den die historische Textkritik mit sich brachte, neutralisieren. Vgl. Sehmsdorf, Eberhard: Die Prophetenauslegung bei J. G. Eichorn. Göttingen 1971. S. 170.  Vgl. Sheehan, Jonathan: The Enlightenment Bible. Translation, Scholarship, Culture. Princeton (NJ) 2007. S. 90.

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dererseits als kontroverse und ideologisch aufgeladene, innerjüdische Auseinandersetzung zwischen den Maskilim und der traditionellen jüdischen Gelehrtenschicht (Rabbiner und Talmide Chakhamim), die nicht gewillt war, ihre Interpretationshoheit über den Umgang mit heiligen Texten kampflos aufzugeben. Während der vorige Abschnitt sich auf den von Juda Leib ben Ze’ev repräsentierten christlich-jüdischen Dialog konzentriert hat, sollen in diesem Teil die innerjüdischen Verwerfungen beleuchtet werden, die mit Juda Jeitteles und der Edition der gesamten Hebräischen Bibel im Verlagshaus von Anton Schmid in Wien in Verbindung stehen.⁵⁰ Diese unterscheiden sich wesentlich von der scharfen Kontroverse rund um den Biʼur. ⁵¹ Die unterschiedliche Rezeption der beiden Übersetzungsprojekte in jüdischen Kreisen ist wesentlich dadurch bestimmt, dass die von Juda Jeitteles betreute Ausgabe etwa 50 Jahre nach Mendelssohns Biʼur entstand und in einem völlig anderen Umfeld realisiert wurde. Zudem kommt mit dem nichtjüdischen Verleger Anton Schmid eine weitere Größe ins Spiel, die zwar ideologisch neutral, aber keineswegs frei von Interessen war. Da die intellektuelle Formation von Juda Jeitteles wesentlich mit der Prager Atmosphäre verknüpft ist, spielt auch das Prager Umfeld eine besondere Rolle.

2.1 Der Zeitfaktor Wie sehr sich die Einstellung zur Mendelssohnschen Bibelübersetzung innerhalb nur einer Generation verändern konnte, soll zunächst anhand des (imaginären) Dialogs zwischen dem Prager Oberrabbiner Ezechiel Landau (1713 – 1793) und seinem zweiten Sohn Samuel (1750 – 1834) illustriert werden.⁵² Bald nach der Publikation von Mendelssohns Bibelübersetzung artikulierte Ezechiel Landau die Vorbehalte des traditionellen Judentums gegen die Haskala und den Biʼur in seinen Novelleae zum Talmudtraktat Berachot. Ausgehend von den Worten Rabbi Eliezers ben Hyrkanos in bBer 28b ‫„( ומנעו בניכם מן ההגיון‬haltet eure Kinder/Söhne fern von Higgajon [lit.: Logik]“) knüpfte er an Raschis Interpretation zu Higgajon an. Was meinte Raschi, wenn er sagte ‫לא תרגילום במקרא יותר‬

 Ebenso wie die Tora, die weitgehend unverändert von der Mendelssohn-Ausgabe übernommen wurde, erschienen die biblischen Bücher in Einzelbänden bzw. kleinere Bücher zusammengefasst, sodass jeder Band etwa 300 – 400 Seiten umfasste.  Vgl. Breuer, Traditions, S. 161 f.  Die folgende Analyse stützt sich auf Hecht, Louise: Teaching Haskalah – Haskalah and Teaching. Jewish Education in the Czech Lands. In: Jewish Enlightenment in the Czech Lands, guest-edited issue of Jewish Culture and History 13/2– 3 (2012). S. 93 – 107.

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‫„( מדאי משום דמשכא‬lasst sie [die Kinder/Söhne] nicht zu viel Bibel studieren wegen der Verlockung“), fragte Landau und folgerte: ‫]…[ משום שלימוד המקרא גם האפיקורסים לומדים בשביל הלשון כמו שלומדים שאר לשונות ואם לא תשגיח על‬ ‫בנך בילדותו רק על לימוד המקרא יכול להיות שתקח לו מלמד אחד משלהם כי גם הם יודעים ללמדו ומתוך כך‬ ‫ בפרט בזמנינו שנתפשט התרגום אשכנזי וזה מושך לקרות בספרי הגוים‬.‫בנך נמשך אחריהם גם בדיעות נפסדים‬ ⁵³.‫כדי להיות בקי בלשונם‬ […] denn auch die Häretiker [d. h. die Maskilim] studieren die Bibel; sie studieren sie um der Sprache willen, so wie sie andere Sprachen studieren. Und wenn du deinen Sohn in seiner Jugend nicht davor bewahrst, nur die Bibel zu studieren, könntest du [versehentlich] einen von ihnen als Lehrer engagieren, denn auch sie wissen die Bibel zu lehren. Und so könnte dein Sohn auch zu ihren schädlichen Lehren verlockt werden. Vor allem in unseren Zeiten, wo die deutsche Übersetzung sich ausgebreitet hat. Dies verlockt [die Jugend], die Bücher der Nichtjuden zu lesen, um sich in deren Sprache zu vervollkommnen.

Landau hatte damit nicht nur die Ängste der traditionellen jüdischen Eliten gegenüber den Maskilim artikuliert, sondern auch die wesentlichen Agenden der Haskala meisterhaft zusammengefasst: die Bevorzugung der Bibel gegenüber dem Talmud, die Konzentration auf Sprach- bzw. Grammatikstudium sowie die Bedeutung der Erziehung im Allgemeinen. Gerade auf letzterem Gebiet waren die traditionellen Eliten aber fest entschlossen, ihre Autorität zu behaupten. So schärfte Landau seinen Lesern im Weiteren ein, auf die Wahl eines Lehrers zu achten, der die Söhne im Geist der Tradition erziehen würde. Er betonte, dass die Gefahr nicht im Bibel- oder Sprachstudium an sich liege, sondern diese vielmehr das Einfallstor für problematische Ideen sowie für säkulare Studien darstellten. Extensive Lesepraktiken und die damit verbundene Betonung der Ratio, wie Aufklärung und Haskala sie gleichermaßen forcierten, bedrohten die Struktur und Autorität der traditionellen Gesellschaft. In seiner Approbation von Sussmann Glogaus Pentateuch-Übersetzung aus dem Jahre 1785, die sich an der Mendelssohnschen Übersetzung orientierte,⁵⁴ gestand Ezechiel Landau die Notwendigkeit einer neuen jüdischen Bibelübersetzung ein, da die unzulänglichen traditionellen Übersetzungen gebildetere Juden zum Gebrauch der nichtjüdischen Ausgaben verführen würden. Landau bescheinigte Mendelssohn also noble Motive, fürchtete jedoch, dass die sprachlich

 Landau, Yechezkiel: Tslach al Berakhot. Prag 1828, fol. 40a. Obwohl dieser Band erstmals 1791 in Prag erschien, ist seine Fertigstellung im Jahr 1783 durch Landau selbst belegt. Vgl. Altmann, Alexander: Moses Mendelssohn. A Biographical Study. Oxford/Portland (OR) 1998. S. 836 (Anm. 101).  Siehe Chamisha Chumshe Tora [mit einer Übersetzung von Sussmann Glogau]. Prag 1785. Landaus Approbation wurde abgedruckt in: Ha-Meʼassef 3 (1785/86). S. 142.

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anspruchsvolle Übersetzung die Kinder von ihrem eigentlichen Lernziel, dem Bibelstudium, abhalten würde. Zudem – und dies beunruhigte Landau noch viel mehr – konnte Mendelssohns Text unabhängig vom hebräischen Original gelesen (und verstanden) werden. Damit waren der Vernachlässigung des heiligen Textes und der an die hebräische Sprache geknüpften traditionellen Auslegung Tür und Tor geöffnet. Prophetisch sah Ezechiel Landau eine Generation von Juden voraus, die weder der heiligen Sprache noch der rabbinischen Tradition kundig waren. Im Jahre 1816, also etwa 35 Jahre später, griff Ezechiel Landaus Sohn Samuel das Thema der jüdischen Erziehung erneut in einer Predigt auf. Im Gegensatz zu seinem Vater betonte er die Wichtigkeit des Bibelstudiums, um den Knaben zu vermitteln, dass die gesamte Tora heilig sei und es keine unzeitgemäßen Mitzwot gäbe. Dazu sei es unabdingbar, die Knaben von Jugend an die Unversehrtheit der Tora und ihrer Überlieferung zu lehren. ‫ולכן אינו נכון ללמד עם הנערים התורה בדילוג ולבחור מדברי התורה מה שנראה בעיני המלמד ולהניח דברים‬ ‫אשר לפי דעתו אין בו תועלת ]…[ בזמנינו עמדו אנשים מבני עמינו וחברו ספרים מקצרי התורה שלקחו סיפורים‬ ‫מהתורה ללמוד עם נערי בני ישראל קצור מהתורה אשר לפי דעתם יש בו תועלת באמרם לחנך הנער על פי‬ ‫דרכו שלא להמיס עליו לימוד דברים אשר אין בו תועלת אמנם הוא מכשלה גדולה שמרחיקים את הנערים מגוף‬ ‫התורה הנתונה לנו מפי הקב”ה על ידי משה רבינו ע“ש ובהרחקה זאת עושים את התורה כספר מספורי דברי‬ ‫הימים מקורות העתים ואינו פועל התלהבות ורושם בלב הנער ונדמה לו הסיפור הזה כספר הנעשה מכותבי‬ ‫קורות העתים וממכשלה הזאת יצא עוד מכשלה גדולה מזו שעמדו אנשים וחברו קיצור מהתורה בלשון‬ ⁵⁵.‫דייטש ללמוד עם הנערים רק בלשון דייטש ולא בלשון הקודש ועל ידי זה ישתכח מהמון העם גוף התורה‬ Und daher ist es unrecht, mit den Knaben nur Teile der Tora zu lernen; auszuwählen, was dem Lehrer gut dünkt, und auszulassen, was ihm nicht von Nutzen scheint. […] Nun sind [aber] aus unserem Volke Männer aufgestanden, die Bibelanthologien verfassten, indem sie einzelne Episoden aus der Bibel auswählten, um mit den Söhnen Israels jene Teile der Bibel zu lernen, die ihrer Meinung nach nützlich sind, um „dem Knaben Unterricht nach seiner Weise zu geben“⁵⁶ und ihn nicht mit Wissen zu belasten, das keinen Wert hat. Doch genau darin liegt das große Problem, denn sie entfernen die Knaben vom Wesen der Tora, die uns vom Heiligen (gepriesen sei er) durch Moshe Rabbenu (der Friede sei mit ihm) gegeben wurde. Durch diese Entfernung [vom Wesen der Tora] verwandeln sie die Tora in ein Geschichtsbuch, und der Text erscheint dem Knaben lediglich wie eine Chronik. Er erweckt keine Begeisterung und hinterlässt keinen Eindruck im Herzen des Knaben; er dünkt ihn nur irgendein [von Menschenhand geschriebenes] Geschichtsbuch zu sein. Und aus diesem Problem entsteht ein weiteres, noch größeres; denn diese Männer haben die Bibelanthologien auf Deutsch verfasst, um die Knaben die deutsche Sprache zu lehren,⁵⁷ statt der heiligen Sprache; und dadurch wird der Großteil des Volkes das Wesen der Tora vergessen.

 Landau, Shmuʼel: Derush 12. In: Landau, Yechezkiel: Ahavat Zion. Vol. 1. Prag 1827, 25b–28b (26b). Die Predigt wurde im Januar 1816 vor der Prager Chevra Kadisha gehalten.  Anspielung auf Wessely, Naphtali H.: Divre Shalom we-Emet. Berlin 1782, der dieses Zitat aus Spr 22,6 zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht hatte.  Alternative Übersetzung: „[…] in deutscher Sprache zu lehren, statt in der heiligen Sprache.“

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Samuel Landau war überzeugt, dass die Heiligkeit des Textes nur in der heiligen Sprache adäquat widergegeben werden konnte. Statt Auszüge herauszufiltern, sei jeder Lehrer verpflichtet, seinen Schülern die gesamte Tora Vers für Vers und Wort für Wort auf Hebräisch und Deutsch vorzutragen. Indem sie beide Versionen hintereinander hörten, könnten die Knaben somit die heilige Sprache erlernen. In Anspielung auf Mendelssohns Bibelübersetzung betonte Samuel Landau, dass dies aufgrund der exzellenten hochdeutschen Übersetzung eine leichte Übung sei. Innerhalb nur einer Generation war Ezechiel Landaus Albtraum also zum Ideal geworden – Samuel Landau setzte eine Generation von Juden voraus, die perfekt Deutsch sprachen und Hebräisch mit dem Biʼur lernten. Diese waren um 1810 auch in traditionellen Prager Kreisen vollständig akzeptiert.

2.2 Das geografische Umfeld Neben dem eben illustrierten Zeitfaktor kommt dem geografischen Umfeld eine bedeutende Rolle zu. Der Entstehungskontext des Biʼur war die relativ junge und selbst um 1800 noch zahlenmäßig bescheidene jüdische Gemeinde von Berlin.⁵⁸ Der Referenzrahmen für die unter dem Titel Kitve Kodesh bekannt gewordene Bibelausgabe von Anton Schmid waren dagegen das jüdische Prag (als wichtiger bzw. wichtigster Absatzort) und Wien (als Produktionsstätte). Prag war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. Trotz dreier Vertreibungsdekrete (1541 und 1557 durch Ferdinand I. sowie 1744– 1745 durch Maria Theresia), die die jüdische Bevölkerung zum zeitweiligen Verlassen der Stadt zwangen, war Prag – abgesehen von Frankfurt am Main – die einzige bedeutende europäische Stadt mit jüdischer Siedlungskontinuität seit dem Mittelalter. Auch hinsichtlich der Größe und ökonomischen Potenz übertraf Prag bis zum Ende des 18. Jahrhunderts alle anderen europäischen Zentren. Mit mindestens 10.000 Einwohner*innen stellte die Judenstadt etwa ein Viertel der Prager Gesamtbevölkerung.⁵⁹ Die Größe der Gemeinde erlaubte zwar soziale und ideologische Stratifizierung, doch die Gemeindestruktur war bis ins 19. Jahrhundert hinein intakt und die Autorität des Prager Oberrabbiners ungebrochen.

 Einen übersichtlichen neuen Abriss zur Niederlassung von Jüdinnen und Juden in Berlin bietet die Studie von Schulte, Marion: Über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in Preußen. Ziele und Motive der Reformzeit (1787– 1812). Berlin 2014. S. 25 – 41.  Zur Bedeutung von Prag als jüdischer Metropole vgl. Kestenberg-Gladstein, Geschichte, S. 29 – 33; Hecht, Louise [u. a.]: Österreich. Alpenländer – Böhmen – Mähren 1648 bis 1918. In: Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa. Bd. 1. Hrsg. von Elke-Vera Kotowski [u. a.]. Darmstadt 2001. S. 101– 134, hier S. 101– 106.

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Dies war die Atmosphäre, in die Juda Löw Jeitteles, der dritte Sohn von Jonas Jeitteles (1735 – 1806), hineingeboren wurde. Jonas Jeitteles gehörte zu den ersten (Prager) Juden, die in Leipzig und Halle Medizin studierten. Nach seiner Promotion im Jahre 1755 ließ er sich in der Prager Judenstadt als Arzt nieder und erhielt 1784 von Joseph II. sogar das Privileg, christliche Patient*innen zu behandeln.⁶⁰ Wie die Landaus gehörte die Familie Jeitteles zur intellektuellen Elite der Prager Judenstadt. Jonas Jeitteles pflegte freundschaftliche Beziehungen sowohl zum traditionellen Prager Oberrabbiner Ezechiel Landau als auch zur Berliner Haskala, im Speziellen zu Moses Mendelssohn.⁶¹ Wie Samuel Landau erhielt auch Juda Jeitteles eine solide traditionelle Ausbildung, u. a. in der Jeshiva seines Bruders Baruch. Seine säkularen Studien scheinen dagegen hauptsächlich autodidaktisch und eklektisch erfolgt zu sein. Im Unterschied zu seinen Brüdern ergriff er keinen intellektuellen Beruf, sondern widmete sich dem Handel. Sein beruflicher Erfolg als Kaufmann verschaffte ihm bereits in jungen Jahren verschiedene (Ehren‐)Ämter innerhalb der jüdischen Gemeinde,⁶² bei denen er durchaus Sympathien für Reformen erkennen ließ. Seine Bemühungen blieben allerdings auf die innerjüdische Sphäre beschränkt. Am intellektuellen Austausch mit christlichen Gelehrten war Juda Jeitteles, dem Stand der bisherigen Forschung nach, wenig interessiert. Dafür spricht auch die Tatsache, dass er als einziger von Jonasʼ Söhnen keinen christlichen Parallelnamen führte. Abgesehen von einer Trauungsrede für Louise Lämel,⁶³ einer Verwandten seiner Frau Rikel/Regine Lämel,⁶⁴ und anderen Reden zu verschiedenen Anlässen verfasste er keine originären deutschen Schriften.⁶⁵ Andererseits fertigte  Vgl. Hecht, Jeitteles Family.  Jonas Jeitteles wollte sich scheinbar mit Moses Mendelssohn verschwägern. Laut Haim Borodianski bezieht sich ein Brief Mendelssohns vom 17. 4. 1780, in dem dieser vom Tod seiner ältesten Tochter berichtet, die eine gute Partie für „den Sohn unseres Freundes des Arztes“ gewesen wäre, auf Baruch, den ältesten Sohn von Jonas Jeitteles. Vgl. Mendelssohn, Moses: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe (JubA). Hrsg. von Alexander Altmann [u. a.]. Stuttgart-Bad Cannstatt 1971– 2016. Bd. 19 (1973). S. 257 und LXXXIX.  So wurde er etwa im Alter von nur 40 Jahren zum Gemeindeältesten gewählt, während die meisten Mitglieder dieses Gremiums zumindest 60 Jahre alt waren. Vgl. Kestenberg-Gladstein, Geschichte, S. 260.  Siehe Jeitteles, Juda: Trauungsrede gehalten bei den […] Trauungen der beiden Brautpaare Fräulein Louise Edlen von Lämel aus Wien mit dem bürgerlichen Kaufmann Herrn Lippmann Marx in München. […] Regensburg 1823.  Vgl. Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA). Zivilgericht. Faz. 2, Verlassenschaft Juda Jeitteles.  Siehe Jeitteles, Juda: Deutsche Reden, gehalten bei verschiedenen Gelegenheiten. Prag 1814; Jeitteles, Juda: Trauerrede auf den Tod der Frein von Arnstein. Prag 1818. Diese Werke konnten bisher nicht lokalisiert werden. Zitiert nach Fürst, Julius: Bibliotheca Judaica. Bibliographisches

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er mehrere Übersetzungen an; die bemerkenswerteste ist wohl das 1826 im neu gegründeten Verlag von Moses Israel Landau (eines Enkels von Ezechiel Landau) erschienene Gebetbuch Ma‘avar Jabbok,⁶⁶ eine Sammlung von Trauergebeten des italienischen Kabbalisten Aaron Berechja ben Moses aus Modena (gest. 1639). Juda Jeittelesʼ Hauptwerk und -interesse lag im philologischen Bereich. Sein 1813 in Prag veröffentlichter Mevo ha-Lashon. Aramit war die erste moderne aramäische Grammatik,⁶⁷ in der Flexionstabellen der einzelnen Wortgruppen zusammengestellt und die Unterschiede zwischen Hebräisch und Aramäisch herausgearbeitet sind. In diesem Werk bediente sich Juda Jeitteles des kritischen Instrumentariums der Haskala, um die aramäische Sprache, einen in der traditionellen Gelehrsamkeit vernachlässigten Bereich, auf den Stand der modernen Wissenschaft zu bringen. Seine philologische Meisterschaft auf diesem Gebiet zog wohl auch Anton Schmids Aufmerksamkeit auf sich. Obwohl der christliche Verleger Anton Schmid nicht in innerjüdische Kontroversen eingriff, spielte er eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung und Realisierung des größten Wiener Bibelprojekts im 19. Jahrhundert.⁶⁸ Anton Schmid oder Anton Edler von Schmid (1765 – 1855), wie er sich nach seiner Nobilitierung im Jahre 1825 nennen durfte, war zweifellos der wichtigste und erfolgreichste Drucker hebräischer Schriften in Wien.⁶⁹ Im 18. Jahrhundert verfügte Wien über keinerlei Tradition im hebräischen Druck, da nach der zweiten Vertreibung der Juden aus Wien im Jahre 1671 keine jüdische Gemeinde mehr in der Stadt existierte. Bis zur Revolution von 1848 durften sich Jüdinnen und Juden nur gegen Bezahlung einer jährlichen Toleranzsteuer in Wien aufhalten, wobei ihnen korporative Rechte vorenthalten blieben. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen Bevölkerung Wiens außerordentlich gering, doch

Handbuch der gesammten jüdischen Literatur mit Einschluss der Schriften über Juden und Judenthum und einer Geschichte der jüdischen Bibliographie. Bd. 2. Leipzig 1863. S. 52.  Siehe Jeitteles, Juda: Ma‘avar Jabbok. Gebethe der Israeliten für Kranke, Sterbende, Verstorbene, beim Leichenzuge, beim Begräbnis und am Grabe. Ins Deutsche übersetzt, nächst einem Anhange gesammelter und neu verfasster originaldeutscher Gebethe dieses Inhalts. Zum Gebrauche jener der hebräischen Sprache unkundigen Leser und Leserinnen herausgegeben. Prag 1826. Das auf Deutsch in hebräischen Buchstaben gedruckte Buch ist Judas verstorbener Frau Rikel Lämel gewidmet.  Siehe Jeitteles, Juda ben Jona Lev: Mevo ha-Lashon. Aramit. Prag 1813. Das Werk war mit Approbationen der beiden Prager Rabbiner Eleazar Fleckeles und Samuel Landau sowie seines Bruders Baruch Jeitteles versehen.  Dieser Teil stützt sich teilweise auf Hecht, Printers.  Vgl. Mayer, Anton: Wiens Buchdrucker-Geschichte. 1482– 1882. Bd. 2. Wien 1887. S. 144– 147.

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die Wiener Judenschaft war wirtschaftlich potent und zumeist liberal gesinnt.⁷⁰ Wegen der mangelhaften Qualität der Prager hebräischen Druckereien im 18. Jahrhundert bezogen sie ihre hebräischen Bücher (hauptsächlich Traditionsliteratur) im Allgemeinen aus dem Ausland. Um diese Importe einzudämmen, erteilte Joseph II. mehreren Druckereien die Erlaubnis zum Druck hebräischer Werke. Anton Schmid lernte das Druckerhandwerk ab 1785 beim privilegierten Hofdrucker Joseph Lorenz Edler von Kurzböck und machte gleichzeitig vom Privileg Kaiser Josephs II. Gebrauch, an der Akademie für orientalische Sprachen zu studieren. Neben seinen akademischen Studien befreundete er sich mit jüdischen Gelehrten, um seinen Horizont bezüglich hebräischer Schriften zu erweitern. Diese Kenntnisse, gepaart mit einem genuinen Geschäftssinn, ließen ihn schon bald über seine Konkurrenten triumphieren. Bereits um 1800 hatte er den Markt in der gesamten Habsburger Monarchie erobert, die traditionsreichen Prager Druckereien aus dem Feld geschlagen⁷¹ und sich als „hebräischer Schmid“ etabliert. Schmids Bücher zeichneten sich nicht nur durch die Qualität des Papiers und der Lettern aus, sondern auch durch sorgfältige Korrekturen. Aufgrund seiner Expertise und guter Bezahlung wurde Schmids hebräische Druckerei bald zum Anziehungspunkt für Maskilim aus der Habsburger Monarchie und angrenzender Länder,⁷² unter ihnen Juda Leib ben Ze’ev, Meʼir Obernik (1764– 1805) aus dem preußischen Teil Schlesiens, Samuel Detmold (1764– 1829) aus Westphalen, Hermann Engländer (1779 – 1864) aus Mähren, Moses/Michael Schwarzfeld aus Böhmen, Max/Meʼir Letteris (ca. 1800 – 1871) aus Galizien und nicht zuletzt Juda Jeitteles. Die Arbeit bei Anton Schmid sicherte ihnen nicht nur ein geregeltes Einkommen, sondern auch einen Aufenthaltstitel in Wien. Schmid andererseits

 Die Gemeindebildung wurde gar erst 1852 wieder zugelassen. Vgl. Gerson, Wold: Vom ersten zum zweiten Tempel. Geschichte der israelitischen Kultusgemeinde in Wien (1820 – 1860). Wien 1861. S. 1– 8.  Über den Niedergang des hebräischen Buchdrucks in Prag während des 18. Jahrhunderts vgl. Freimann, Aron: Die hebräischen Druckereien in Prag von 1733 – 1828. In: Soncino-Blätter. Beiträge zur Kunde des jüdischen Buches 3 (1929/1930). S. 113 – 119. Neuere Überblicke bieten Cermanová, Iveta: The Fall and Rise of Hebrew Book Printing in Bohemia. In: Hebrew Printing in Bohemia and Moravia. Hrsg. von Olga Sixtová. Prag 2012. S. 215 – 237; Hudečková, Dagmar: Pressing Matters. Jewish versus Christian Printing in Eighteenth Century Prague. In: Judaica Olomoucensia 3/1 (2015). S. 90 – 109. https://www.jud.upol.cz/fileadmin/jud/judaica/Judaica_Olo mucensia_2015_1.pdf (15. 6. 2017).  Zur Bedeutung der jüdischen Korrektoren für Anton Schmids hebräische Druckerei vgl. Kloner, Andreas: Forschungsbericht. Hebräischer Buchdruck in Wien. Der Talmud aus dem Strudelhof. Die jüdischen Korrektoren des hebräischen Buchdruckers Anton Schmid. In: Biblos 55/2 (2006). S. 115 – 127.

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erhöhte das Prestige seines Verlages durch das Engagement bekannter Maskilim, die wegen ihrer fundierten Grammatikkenntnisse für diese Arbeit prädestiniert waren. Neben der Herausgabe der lukrativen und prestigeträchtigen Traditionsliteratur, beispielsweise je einer kompletten Mischna- und Talmudausgabe, der sogenannten Rabbinerbibel (Mikra’ot Gedolot) sowie rabbinischer Kompendien und Gebetbücher, veranlassten die Korrektoren Schmid auch zur Publikation von maskilischen Büchern. Die bedeutendsten und gleichzeitig erfolgreichsten waren eine Neuausgabe von Mendelssohns Bibelübersetzung (in mehreren Auflagen) sowie eine Fortsetzung des Projekts durch Übersetzung und Kommentierung der Propheten und Schriften unter dem Titel Mincha Chadasha. Die ersten Bände von Mincha Chadasha, die von Me’ir Obernik übersetzten und kommentierten Bücher Josua und Richter, wurden 1792 gedruckt;⁷³ als letzter Band der Serie erschienen die Bücher der Chronik im Jahr 1808, übersetzt und kommentiert von Samuel Detmold.⁷⁴ In den 1810er-Jahren schuf Anton Schmid eine überarbeitete Neuauflage, die nunmehr Kitve Kodesh heißen sollte und ab 1817 als dritte Auflage herausgegeben wurde. Dem traditionelleren Titel entsprach die Tatsache, dass dem Werk außer dem Biʼur der Kommentar von Raschi beigefügt war. Der scheinbaren Re-Traditionalisierung entgegen wirkte jedoch die Hinzufügung des Mavo von ben Ze’ev. Die Ausgabe erhielt also gleichzeitig ein modernes und ein traditionelles Element. Juda Jeitteles übersiedelte in den 1830er-Jahren, vermutlich aus persönlichen Gründen,⁷⁵ nach Wien und begann für Anton Schmids Druckerei zu arbeiten. Er übernahm die Edition für die letzten beiden Bände der hebräischen Zeitschrift Bikkure ha-Ittim (1820 – 1831)⁷⁶ sowie die erneut gründlich überarbeitete vierte Auflage von Kitve Kodesh, die ab 1833 publiziert wurde. In Übereinstimmung mit seinen philologischen Interessen ergänzte Jeitteles diese Auflage durch die

 Vgl. Beer, Peter: Über Literatur der Israeliten in den kaiserl. österreichischen Staaten im letzten Decenio des 18. Jahrhunderts. In: Sulamith 2/1– 2 (1808 – 1809). S. 342– 357; S. 421– 426 u. S. 42– 61 (352– 353). Diese Bände konnten bis jetzt nicht lokalisiert werden.  Alle deutschen Übersetzungen sind – wie bei Mendelssohns Übersetzung – in hebräischen Buchstaben gedruckt.  Sein Sohn Aaron (1799 – 1878), der in Wien Medizin studiert hatte, erhielt nach seiner Taufe im Jahre 1828 eine Assistenzprofessur in Anatomie an der Universität Wien.  Zur Zeitschrift vgl. Lemberger, Tirza: Bikure Ha-Ittim und Kerem Chemed – Ein Spiegelbild ihrer Zeit? In: Kairos 36 – 37 (1994– 1995). S. 166 – 283; Pelli, Moshe: Bikurei Ha’Itim. The „First Fruits“ of Haskalah. Jerusalem 2004 [hebr.]; Hecht, Dieter u. Louise Hecht: Die jüdische Presse der Habsburger Monarchie im langen 19. Jahrhundert. In: Aufklären, Mahnen und Erzählen. Studien zur deutsch-jüdischen Publizistik. Hrsg. von Holger Böning und Susanne Marten-Finnis. Bremen 2015. S. 69 – 92, hier S. 74 f.

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Übersetzung und philologische Analyse der im Raschi-Kommentar vorkommenden altfranzösischen Wörter. Seine moderate maskilische Haltung manifestiert sich auch in einem weiteren Zusatz, dem Sefer Toledot Aharon, einem Index von im Talmud enthaltenen Bibelzitaten des italienischen Talmudisten Aaron von Pesaro (gest. 1563), der erstmals 1583 in Freiburg erschienen war. Damit schloss Jeitteles an die Tradition früher Maskilim wie Moses Mendelssohn und Naphtali Herz Weisel (Hartwig Wessely) an, die sich an der weltoffenen Einstellung des italienischen Judentums orientiert hatten. Ab der vierten Auflage wurden die Kitve Kodesh auch als Lehrbuch für jüdische Kinder angepriesen, was die von Juda Jeitteles durchgeführten Umarbeitungen in Übersetzung und Kommentar nötig machte.⁷⁷ Jeittelesʼ Beitrag war somit nicht nur von exegetischen, sondern auch von pädagogischen Interessen geleitet. Durch das nun klar definierte Zielpublikum ließen sich aber auch ideologische Entscheidungen rechtfertigen. Hierzu ist etwa die druckgrafische Entscheidung zu rechnen, den Originaltext und die deutsche Übersetzung auf gegenüberliegenden Seiten zu drucken. Diese pädagogisch durchaus sinnvolle Maßnahme schuf gleichzeitig Platz für die oben erwähnten Kommentare, die Jeitteles dem Werk hinzufügen wollte. Während die frühen Bibelausgaben von Anton Schmid, die lediglich den Originaltext mit Übersetzung und Biʼur abdruckten, der Mendelssohnschen Vorgabe folgten und damit einen Bruch mit der rabbinischen Tradition darstellten, benutzte Jeitteles seine philologischen Fähigkeiten und pädagogischen Interessen, um, ganz im Sinne von Samuel Landau, die aufgeklärten Bibelstudien mit der Tradition zu versöhnen.

3 Schlussfolgerungen Auf den ersten Blick scheinen Juda ben Ze’ev und Juda Jeitteles die beiden Gegenpole in der seit Jahrzehnten im Fach Jüdische Geschichte ausgetragenen Kontroverse um das Wesen der Haskala zu repräsentieren – nämlich ob selbige als revolutionäre Bewegung oder als ein etwa 100 Jahre dauernder evolutionärer Prozess zu verstehen sei.⁷⁸ Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch mehr Parallelen als Unterschiede zwischen den zwei Maskilim. Beide bemühten sich als

 Vgl. Kitve Kodesh. Samuel 1+2. 4. Aufl. Wien 1833, Vorwort von Juda Jeitteles [s. p.].  Eine übersichtliche Zusammenfassung der Debatte bietet Moshe Rosmans Rezension zu Shmuel Feiners The Jewish Enlightenment, siehe Rosman, Moshe: Haskalah. A New Paradigm. In: Jewish Quarterly Review 97/1 (2007). S. 129 – 136.

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Philologen und Pädagogen⁷⁹ exklusiv um die Pflege der hebräischen (und aramäischen) Sprache, die sie – ebenso wie die Heilige Schrift – als wesentlichen Bestandteil zur Erneuerung des Judentums betrachteten. Wie bereits Edward Breuer betont hat,⁸⁰ versuchte ben Ze’ev seine revolutionären Ideen im Mavo als der jüdischen Tradition inhärente Konzepte vorzustellen. In der Auseinandersetzung mit den Texten der rabbinischen Literatur sowie jüdischer Traditionen der philosophischen und poetischen Auslegung des Bibeltextes betonte er die Kontinuität und nicht den Bruch, der mit der Einführung der historischen Textkritik einherging. Wie Jeitteles knüpfte er damit bewusst an jüdische Denktraditionen an, in denen Gesetzesauslegung, Bibelkritik, Grammatikstudien und Philosophie keinen Widerspruch darstellten, sondern einander ergänzten. Beide folgten hierbei einer unterschiedlichen Schwerpunksetzung, die sie in ihre Tätigkeit am Verlagshaus Anton Schmid einfließen ließen. Während ben Ze’ev in erster Linie als Exeget in Erscheinung trat, hat Jeittelesʼ Herausgebertätigkeit die Profilbildung des Verlages nachhaltig beeinflusst. Die Bibeleditionen im Verlag Anton Schmid machten von ihrer ersten Auflage in den 1790er-Jahren bis zur Umarbeitung in ein Lehrbuch durch Juda Jeitteles in den 1830ern einen essentiellen Wandel durch, der die ursprünglichen Prämissen nahezu in ihr Gegenteil verkehrte. Welchen Anteil die wirtschaftlichen Interessen Anton Schmids an dieser ideologischen Kehrtwende hatten, lässt sich beim momentanen Stand der Forschung nicht mit Sicherheit bestimmen. Den durchschlagenden Erfolg des Konzepts bezeugen jedoch die hohen Auflagenzahlen der letzten Edition sowie Nachdrucke und Parallelprojekte in anderen Städten der Habsburger Monarchie.⁸¹ Das Verlagshaus von Anton Schmid in Wien kann somit als Katalysator, wenn nicht gar Inkubator, für die Entwicklung der kritischen Schriftauslegung im Judentum betrachtet werden. Die Konzentration von namhaften Maskilim in der hebräischen Druckerei und ihre Kooperation in der Reihe Kitve Kodesh brachten eine spezifische Ausprägung der Haskala hervor, die sich von der Berliner und Prager Variante grundlegend unterscheidet. Ihre innovative Kraft liegt in der Einbettung von modernen wissenschaftlichen Konzepten in die Tradition jüdischer Exegetik, auch und gerade dort, wo beide unvereinbar erscheinen. In ihrer zweifachen dialogischen Ausrichtung erweisen sich die Wiener Haskala und ihre

 Ben Ze’ev publizierte u. a. die Lehrbücher Bet ha-Sefer (Wien 1802) und Jesode ha-Dat (Wien 1811); Jeitteles war spätestens ab 1813 Oberaufseher über die jüdisch-deutsche Schule in Prag.  Breuer, Traditions, S. 174– 178.  Ein kaum veränderter Nachdruck erschien in den 1860er-Jahren im Verlag von M. E. Löwy’s Sohn in Pesth (Budapest). Ein Parallelprojekt unter dem Namen Sifre Kodesh gab der Verlag von M. I. Landau in den 1830er-Jahren in Prag heraus.

Die Anfänge moderner Bibelwissenschaft in der Wiener Haskala

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beiden Hauptwerke Mavo el-Mikra’e Kodesh und Kitve Kodesh als ein zentraler Entstehungsort jüdischer, kritischer Schriftauslegung im 19. Jahrhundert.

Kommentare und Übersetzungen

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Bibelübersetzung und Kommentarwerk des liberalen Rabbiners Ludwig Philippson Abstract: Ludwig Philippson (1811– 1898) was an influential author, scholar and rabbi. One of his greatest projects, which fell into oblivion in the 20th century, was a Bible project that included nearly 4.000 pages and was published between 1939 and 1854 in three volumes. It contains the Hebrew text, a German translation and a detailed commentary with 500 illustrations. The contribution introduces the Bible project in connection with Ludwig Philippson’s lifework, elucidates his principles within the context of common translation practices. and designates the strength as well as the limits of his translation approach. The article discusses Philippson’s achievements in academic hermeneutics. The case of Israel’s slavery in Egypt is discussed as a representative example of the relationship between text and image in Philippson’s Bible edition.

Die im 19. Jahrhundert erfolgreiche jüdische Bibelübersetzung Ludwig Philippsons ist nicht der Vergessenheit anheimgefallen. Das Abraham Geiger Kolleg hat sich der Aufgabe gestellt, die alte Bibelübersetzung, freilich ohne den wissenschaftlich veralteten Kommentar, so zu revidieren, dass sie in der deutschsprachigen jüdischen Welt der Gegenwart die Übersetzung für Haus, Synagoge und Schule wird. Als Ergebnis liegen die zweisprachigen Bände zur Tora (mit Prophetenlesungen) – inzwischen schon in zweiter Auflage –, zur Prophetie und zu den Schriften vor.¹ Im Folgenden wird in einem ersten Abschnitt kurz der Lebensweg Ludwig Philippsons beschrieben, dann in einem zweiten seine Bibelübersetzung und Kommentierung vorgestellt und in einem dritten schließlich das Werk insgesamt gewürdigt.

 Siehe Homolka, Walter, Hanna Liss u. Rüdiger Liwak (Hrsg.): Die Tora. Die Fünf Bücher Mose und die Prophetenlesungen (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson. Freiburg 2015 (2. korr. Aufl. 2016); Homolka, Walter, Hanna Liss u. Rüdiger Liwak (Hrsg.): Die Propheten (hebräisch-deutsch) in der Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson. Freiburg 2016; Homolka, Walter, Hanna Liss u. Rüdiger Liwak: Die Schriften (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson. Freiburg 2018. Die Anregung zur Neuedition ging von Rabbiner Prof. Walter Homolka, dem Leiter des Abraham Geiger Kollegs, aus. https://doi.org/10.1515/9783110551631-013

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1 Der biografisch-publizistische Rahmen des Bibelwerks Wer war Ludwig Philippson?² Geboren wurde er am 28. Dezember 1811 in Dessau. Sein Vater, Moses Philippson, hat Ludwigs elementare Einstellung zur Bibel gleichsam präfiguriert, denn zusammen mit Kolleg*innen wollte Moses Philippson die Zwölf Kleinen Propheten neu übersetzen und kommentieren, „er selbst lieferte den Kommentar und die möglichst treue, aber doch im Geiste der deutschen Sprache gehaltene Übersetzung der Bücher Hosea und Joel“.³ Die „Treue“ zum hebräischen Text wird später ein ganz wesentliches Übersetzungsaxiom für seinen Sohn Ludwig. Nach dem frühen Tod seines Vaters sorgte seine Mutter dafür, dass Ludwig in seinem vierten Lebensjahr auf die Herzogliche Franzschule kam, wo er nach seiner späteren Erinnerung wöchentlich elf Stunden Hebräisch hatte.⁴ Den größten Einfluss auf sein Interesse an jüdischen Themen hatte sein älterer Bruder Phöbus, der Mediziner wurde, aber sich zeitlebens auch mit dem hebräischen Bibeltext beschäftigte. Als Gymnasiast unterrichtete Phöbus, mit profunden hebraistischen Kenntnissen ausgestattet, seinen Bruder Ludwig zusätzlich zum Schulpensum täglich im Hebräischen.⁵ Mit 14 Jahren betrieb Ludwig Studien bei Talmudlehrern am Dessauer Bet-Midrasch, schon bald danach, 1826, zog die Familie nach Halle um, wo er als erster Jude auf das berühmte Gymnasium der Franckeschen Stiftungen kam. Schon mit 15 Jahren machte er sich mit prophetischem Impetus daran, die Zwölf Kleinen Propheten metrisch zu übersetzen. Im Vorwort des 1827 unter dem Namen seines Bruders Phöbus erschienenen

 Zu Leben und Werk siehe v. a. Kayserling, Meyer: Ludwig Philippson. Eine Biographie. Mit Portrait und Facsimile. Leipzig 1898; Philippson, Martin: Ludwig Philippson. In: Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur 14 (1911). S. 84– 108; Saphra, B.: Ludwig Philippson. Ein Gedenkblatt zu seinem hundertsten Geburtstag. In: Ost und West 11 (1911). Sp. 1077– 1088; Bass, Josef: Ludwig Philippson. Eine literar-historische Würdigung zur Hundertjahrfeier seines Geburtstages (28. Dez. 1811). In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 56 (1912). S. 1– 32; Feiner, Joseph: Ludwig Philippson. Sein Leben und Werk. Ein Buch für Jung und Alt. Mit einem Bildnis Dr. Ludwig Philippsons. Berlin 1912; Brämer, Andreas: Ludwig Philippson. In: Neue Deutsche Biographie 20 (2001). S. 397 f.; Brocke, Michael u. Julius Carlebach (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Rabbiner. Teil 1: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781– 1871. Bd. 2. München 2004. S. 702– 706; Lordick, Harald u. Beata Mache: … nahm in Hauptsachen so entschieden das Wort. Ludwig Philippson – Rabbiner und Publizist (1811– 1889). In: Kalonymos 14 (2011). S. 1– 6.  Kayserling, Philippson, S. 3.  Vgl. Lordick/Mache, Philippson, S. 1.  Vgl. Kayserling, Philippson, S. 7 f.

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Werkes schreibt er, noch ohne sein eigenes Lebenswerk zu kennen: „Erreiche ich, daß ich in dem Geiste nur einiger, vorzüglich unter den Israeliten, wo der Sinn für ihre altertümlichen Schriften und ihre ehrwürdige ehemalige Muttersprache jetzt so sehr gesunken ist, die Liebe zu denselben etwas erwecke, so wird dies mein schönster, größter Lohn sein!“⁶ Philippson immatrikulierte sich in Halle, wechselte aber bald nach Berlin, wo er Philosophie, Theologie, Geschichte, Jura und Naturwissenschaften als studium generale studierte und im Hauptfach, wie man heute sagen würde, Klassische Philologie betrieb, vor allem bei August Boeckh. Mit einer Arbeit über Untersuchungen zur Anatomie und Physiologie bei Plato, Aristoteles und Theophrast wurde er 1830 zum Doktor der Philosophie promoviert.⁷ Schon am Ende seines Studiums lag eine höchst umfangreiche Liste mit Publikationen zu ganz verschiedenen Themen vor.⁸ Eine wissenschaftliche Karriere war ihm jedoch als Jude verwehrt. Durch eine Traurede aufmerksam geworden, beauftragte die Magdeburger Gemeinde 1833 den damals 22 Jahre alten Philippson als Prediger. Ein Jahr später legte er die preußische Dienstprüfung als „geistlicher Lehrer“ ab, absolvierte eine Rabbinerausbildung und übernahm das Rabbinat in Magdeburg. 1839 ist in unserem Zusammenhang ein archimedischer Punkt, denn in diesem Jahr erschien die erste Lieferung seines großen Bibelwerks, das er 1854, also nach 15 Jahren, zum Abschluss bringen konnte. Über eine ungeheuerliche Fülle von historischen, homiletischen und didaktischen Arbeiten hinaus gab er seit 1837 die einflussreiche Wochenschrift Allgemeine Zeitung des Judenthums heraus, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1889 in 51 Jahrgängen im Wesentlichen selbst redigierte und mit vielen eigenen Beiträgen versah. Im ersten Band der neuen Zeitschrift publizierte er einen Beitrag mit dem Titel „Aufforderung an alle Israeliten Deutschlands zu Subscriptionen, um eine jüdische Facultät und ein jüdisches Seminar für Deutschland zu begründen“.⁹ Die Forderung stellte Philippson offenbar unabhängig von Abraham Geiger auf, der in einer Denkschrift von 1836

 Zitiert nach Kayserling, Philippson, S. 19.  Siehe De internarum humani corporis partium cognitione Aristotelis cum Platonis sententia comparata. Pars I. Diss. Berlin 1830.  Brocke/Carlebach (Hrsg.), Biographisches Handbuch, S. 702– 704.  Siehe Philippson, Ludwig: Aufforderung an alle Israeliten Deutschlands zu Subscriptionen, um eine jüdische Facultät und ein jüdisches Seminar für Deutschland zu begründen. In: Allgemeine Zeitung des Judenthums. Ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik (AZJ) 1 (1837). S. 349 – 351.

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öffentlich für die Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät eintrat.¹⁰ Das Projekt scheiterte, gleichwohl ist es Abraham Geigers und Ludwig Philippsons Verdienst, dass schließlich 1854 das „Jüdisch-Theologische Seminar Fraenckelʼscher Stiftung“ in Breslau mit Zacharias Frankel als erstem Direktor eröffnet wurde.¹¹ Während seiner Magdeburger Zeit versuchte Philippson wiederholt, politisch gemäßigt liberal, öffentlich Einfluss zu nehmen, vor allem im Kampf um die bürgerliche Gleichstellung der Juden.¹² 1847– 1848 gestaltete er in Magdeburg zwei Vorlesungsreihen, die darüber Aufschluss geben, wie er religionsgeschichtliche und religionsphilosophische Überzeugungen mit gesellschaftspolitischen Gegenwartsfragen, allerdings mehr idealistisch als empirisch, verband.¹³ Die jüdische Geschichte gliederte er mit den Begriffen „Mosaismus“, „Prophetismus“, „Talmudismus“ und „Judenthum in der Neuzeit“, fand schon im Mosaismus die Grundgesetze einer religiösen bürgerlichen Gesellschaft, bewertete den Prophetismus als Fortschritt (ethischer Monotheismus) und Fehlentwicklung (Individualisierung) zugleich und erwartete im Zusammenhang der mosaischen Idee eines einzigen universalen Gottes und durch eine Mission des Judentums als letztes Ziel ein messianisches Zeitalter.¹⁴ Als Ludwig Philippson wegen wiederholter typhöser Erkrankungen und einer nahezu vollständigen Erblindung auf ärztlichen Rat hin 1862 die Stadt Magdeburg mit ihrem ungesunden Klima als 50-Jähriger verließ und nach Bonn übersiedelte, hatte er sein großes dreibändiges Bibelwerk längst vollendet (1854). In seinen späten Jahren wurde er noch Mitbegründer des Deutsch-Israelitischen Gemeinde-

 Vgl. Geiger, Abraham: Die Gründung einer jüdisch-theologischen Facultät, ein dringendes Bedürfniß unserer Zeit. In: Wissenschaftliche Zeitung für jüdische Theologie 1 (1836). S. 1– 21.  Vgl. Krone, Kerstin von der: Wissenschaft in Öffentlichkeit. Die Wissenschaft des Judentums und ihre Zeitschriften. Berlin 2012. S. 174– 183. Eine akademische Gleichberechtigung jüdischer Theologie wurde erst 2013 durch die Gründung der Jewish School of Theology als autonomes Institut an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam verwirklicht.  Eine listenartige Zusammenfassung aller Tätigkeitsbereiche findet sich in Brocke/Carlebach (Hrsg.), Biographisches Handbuch, S. 702.  Vgl. dazu Brämer, Andreas: „… objektiv überflüssig …“. Ludwig Philippsons Konstruktion der jüdischen Geschichte als Fundamentalkritik des Christentums. In: Ludwig Philippson: Ausgewählte Werke. Hrsg. von Andreas Brämer. Köln [u. a.] 2014. S. 1– 24, hier S. 11– 16.  Vgl. Philippson, Ludwig: Die Entwicklung der religiösen Idee im Judenthume, Christenthume und Islam. In 12 Vorlesungen. Leipzig 1847; ders.: Die Religion der Gesellschaft und die Entwickelung der Menschheit zu ihr, dargestellt in 10 Vorlesungen. Leipzig 1848.

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bundes (1869) und der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums (1872).¹⁵ Ludwig Philippson starb am 29. Dezember 1898 in Bonn.

2 Die Bibelübersetzung Ludwig Philippsons 2.1 Grundsätze und Entstehungsgeschichte Erst nachdem Philippson 1854 sein Bibelwerk abgeschlossen hatte, begründete er lapidar seine Arbeit: „Die Bibel ist den neueren Juden abhanden gekommen – sie müssen sie wieder haben!“¹⁶ Er nennt zum Vergleich die Übersetzungen von Leopold Zunz und Mitwirkenden sowie von Salomon Herxheimer und beklagt, dass sie alle für die weniger Bemittelten unerschwinglich seien. Seine fachliche Kritik gilt vor allem christlichen „Missionsbibeln“ im Allgemeinen und der LutherÜbersetzung im Besonderen. Hier wird er polemisch, wenn er ihr zwar „für die Entwickelung der deutschen Sprache außerordentliche Verdienste“ zuerkennt, ihr aber zugleich attestiert, sie sei „voller Fehler“,¹⁷ und dann fortfährt: „Sie ist hart, steif, eisig, wo das Original weich, flüssig, voll Gefühlsströmung ist; sie ist einseitig, monoton und prosaisch, wo das Original viel- und tiefsinnig und voll Schwunges, voll Zartheit oder Erhabenheit, voll Abwechslung und Biegsamkeit ist.“¹⁸ In der Tendenz mag einiges zutreffen, kritisch Lesende werden allerdings bei einem Vergleich der Übersetzungen von Luther und Philippson jene krassen Gegensätze nicht bemerken. Schon früh hatte Philippson erkannt, dass mit der schwindenden Vertrautheit der hebräischen Sprache auch die Bekanntheit der biblischen Schriften verloren ging. Und so fasste er mit 21 Jahren den Entschluss, eine deutsche Bibelübersetzung zu schaffen, die – so schreibt er 1878 rückblickend – synoptisch neben dem hebräischen Text steht, jüdische und christliche Kommentare berücksichtigt, auf alten, neuen und neuesten Forschungserkenntnissen beruht und mit ausführlichen Kommentaren und Abbildungen sowie mit Einleitungen zu allen Büchern

 Philippsons Festrede zur Eröffnung ist in einem Separatdruck erschienen: Die Hochschule für die Wissenschaft des Judenthums. Festrede, gehalten bei der Eröffnungsfeier am 6. Mai 1872 von Dr. Ludwig Philippson aus Bonn. Berlin 1872.  Philippson, Ludwig: Zur Herstellung und Verbreitung wohlfeiler Bibeln. In: AZJ 23 (1859). S. 183 – 185, hier S. 183.  Philippson selbst hat sich oft geirrt. Durch die neue Revision seiner Übersetzung sind zahlreiche philologische Irrtümer unkenntlich geworden.  Philippson, Herstellung, S. 184.

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und zu mehreren auch mit Schlussbetrachtungen versehen ist.¹⁹ Nachdem er im Februar 1838 seinen Verleger Baumgärtner in Leipzig besucht hatte, schrieb er seinem Bruder Phöbus, der Verleger habe „den Plan zu einem großen Werke, wozu er außerordentlich schöne Kupferstiche, etwa fünfhundert, in England angekauft, und das in einer Übersetzung der Bibel mit einem fortlaufenden Kommentare, besonders geographischen, physikalischen, historischen und homiletischen Inhalts, bestehen soll. Es wird ein großes Werk“.²⁰ Inzwischen ist bekannt, dass diese Idee in der Pictorial Bible des englischen Bibelwissenschaftlers John Kitto (1804 – 1854) mit seinen Kommentaren und vielfältigen Illustrationen zu Geschichte, Geografie, Topografie und Natur ihren ursprünglichen Ort hatte.²¹ Vergleicht man beide Bibelausgaben, so ist die Ähnlichkeit bis auf den fehlenden hebräischen Text in der Pictorial Bible verblüffend. Für Philippsons Projekt gab es also einen Wegbereiter.²² Philippson beabsichtigte, zu jedem Vers alte Übersetzungen, jüdische Kommentare und christliche Exegesen zu berücksichtigen – gegenüber der talmudischen Literatur war er sehr zurückhaltend – und mit Hilfe von Reiseliteraturen und naturwissenschaftlichen Werken das Textverständnis zu fördern. Den Kommentar schrieb er vornehmlich für ein gebildetes jüdisches Publikum, er sollte Interesse wecken, lebendig und attraktiv sein, kein langweiliger gelehrter Apparat. Dabei trat er der modernen Bibelkritik, die damals in jüdischen Kreisen bekannt war, bis zu seinem Lebensende als „namenlose Verwirrung“²³ entschieden entgegen, auch wenn er sich manchen Ergebnissen kritischer Forschung nicht entziehen konnte. Dabei sollte sein Bibel- und Kommentarwerk ein Opus für „alle Konfessionen“²⁴ sein. Die ersten beiden Lieferungen erschienen 1839. Die Tora und die Vorderen Propheten, deren Übersetzung und Kommentierung sein Bruder Phöbus übernahm, waren nach vier Jahren fertiggestellt. Das gesamte Projekt konnte nach 96

 Vgl. Philippson, Ludwig: Ein Brief an M.G. in L. In: AZJ 42 (1878). S. 769 – 772, hier S. 770.  Kayserling, Philippson, S. 70.  Siehe Kitto, John: The Pictorial Bible being the Old and New Testaments according to the Authorised Version. Illustrated with Steel Engravings and many hundred Wood-Cuts representing Landscape Scenes and Subjects of Natural History, Custome and Antiquity. With original Notes. Explanatory of Passages connected with the History, Geography, Natural History, Literature and Antiquities of the Sacred Scriptures. In four Volumes. London 1836 – 1838.  Siehe dazu Wittler, Kathrin: Towards a Bookish History of German Jewish Culture. Travelling Images and Orientalist Knowledge in Philippson’s Israelitische Bibel (1839 – 1854). In: Leo Baeck Institute Year Book 62 (2017). S. 151– 177.  Philippson, Ludwig: Die Bibel und ihre Auslegung. In: AZJ 21 (1857). S. 41– 43, hier S. 42. An andere Stelle spricht er von „Hypothesenjagd“; vgl. Philippson, Brief, S. 770.  Das hat Philippson jedenfalls bei der Ankündigung der Ausgabe Die fünf Bücher Moses für Schule und Haus durch Fettdruck hervorgehoben. In: AZJ 10 (1846). S. 692.

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Lieferungen 1854 abgeschlossen werden und erschien jetzt in drei Bänden.²⁵ Mit seiner typografischen Gestaltung und seinen Kommentierungen im Verbund mit vielen Illustrationen lag damit im deutschsprachigen Raum ein bis zu jener Zeit einmaliges Werk vor. Eine 1847 publizierte Übersetzung der Tora für Schule und Haus, ohne hebräischen Text, musste schon neun Jahre später neu aufgelegt werden,²⁶ die gesamte Bibel 1858. Es ist heute unvorstellbar, wie es möglich war, die Vielzahl an Ausgaben zu publizieren: 1857 erschien ein Separatband der Psalmen, 1859 das Buch der Haphtaroth mit Einleitung und homiletischen Erläuterungen sowie 1862 die Tora und das Buch Jesaja mit Übersetzung, Kommentar und Einleitung, jedoch ohne hebräischen Text und Illustrationen.²⁷ Schließlich wurde 1874 eine von Philippson noch einmal revidierte Übersetzung in der sogenannten Prachtbibel für Israeliten vorgelegt, mit 154 Illustrationen des französisch-katholischen Malers und Grafikers Gustave Doré.²⁸ Die letzte Revision, an der Philippson beteiligt war, erfolgte 1889 in Zusammenarbeit mit Wolf Landau und Saul Isaac Kaempf.²⁹ Diese Ausgabe ist dann noch einmal 1913 herausgebracht worden und eine Art Vorläufer der vom Abraham Geiger Kolleg betreuten Revision der Philippson-Bibel, denn sie suchte einen Kompromiss mit der deutschen Syntax und berücksichtigte neuere philologische Erkenntnisse. Die Rabbiner Landau und Kaempf waren es auch, die zusammen mit Philippson 1860 eine spendengestützte „Israelitische Bibelanstalt“ gründeten, um die Bibeln preiswerter zu machen. Bis zum Jahr 1866 waren bereits über 100.000 Exemplare verkauft.³⁰

 Siehe ‫ תורה נביאים וכתובים‬.‫ מקרא‬Die Israelitische Bibel. Enthaltend: Den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine, ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten. Hrsg. von D. Ludwig Philippson. 3 Bde. Leipzig 1844– 1854. Zu den Bibelausgaben und anderen religionsbezogenen Werken siehe Bechtoldt, Hans-Joachim: Jüdische Bibelübersetzungen vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2005. S. 270 – 296.  Siehe Philippson, Ludwig: Die fünf Bücher Moses für Schule und Haus. Neue Uebersetzung mit Inhaltserläuterungen zu jedem Kapitel, Zeit-, Orts- und naturhistorischen Bemerkungen und einer Zeittafel. Leipzig 1847.  Vgl. Bechtoldt, Bibelübersetzungen, S. 274.  Siehe ‫ תורה נביאים וכתובים‬.‫ מקרא‬Die heilige Schrift der Israeliten in deutscher Uebertragung von Dr. Ludwig Philippson. Mit einhundert vier und fünfzig Bildern von Gustav Doré. Druck und Verlag von Eduard Hallberger. Stuttgart 1874.  Die heilige Schrift in deutscher Übersetzung, mit Zugrundelegung des Philippson’schen Bibelwerkes, revidirt von Dr. Philippson, Dr. Landau und Dr. Kaempf. Hrsg. auf Kosten der israelitischen Bibelanstalt. Ferdinand Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Berlin 1889.  Zu vielen Fragen um die Philippson-Bibel siehe Herrmann, Klaus: Translating Cultures and Texts in Reform Judaism. The Philippson Bible. In: Jewish Studies Quarterly (JSQ) 14 (2007). S. 164– 197; ders.: Ludwig Philippsons Bibelwerk. In: Homolka/Liss/Liwak (Hrsg.), Die Tora, S. 24– 63.

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2.2 Übersetzung – Kommentare – Bilder: Gestalt und Gehalt Wie Philippson seine eigene Übersetzung einschätzte, hat er erst am Ende seines Gesamtwerkes geäußert, und nur ganz kurz, obwohl er doch publizistisch höchst beredsam war. Er schrieb 1854 in der Allgemeinen Zeitung des Judenthums unter der lapidaren Überschrift „Unser Bibelwerk beendet“: Die Grundsätze bei der Uebersetzung waren t r e u u n d s c h ö n; möglichst dem Original wörtlich getreu, aber dabei schöner, edler, einfacher oder gehobener, energischer deutscher Ausdruck; alle poetischen Stellen sind metrisch übertragen, d. h. nicht in einem modernen Versmaß, sondern dem Flusse und Charakter des Originals gemäß bald gebundener, bald freier, wo majestätische Ruhe, oder leidenschaftlicher Sturm vorwaltet.³¹

Wenn es nach Friedrich Schleiermacher zwei Kategorien von Übersetzungen gibt: solche, die die Leserschaft zum Text, und solche, die den Text zur Leserschaft hinbewegen,³² wo steht dann Philippson? Er geht zwar auf die Leserschaft zu und übersetzt Begriffe und Wendungen je nach Kontext unterschiedlich, er fordert aber auch unerbittlich von ihnen, dass sie sich auf die Ausgangssprache einlassen, sofern er syntaktische Besonderheiten des Hebräischen in der Zielsprache oft nicht ausgleicht, etwa, wenn hebräische Sätze ohne verbales Prädikat vorliegen und das in der Übersetzung beibehalten wird. Verständnisprobleme oder gar Missverständnisse sind dann nicht ausgeschlossen.³³ Ein Beispiel für die sklavische Beibehaltung der hebräischen Wortfolge ist die Übersetzung von Gen 19,7: Philippson folgt streng der hebräischen Syntax und kommt so zu der Übersetzung: „Nicht doch, meine Brüder, tuet Böses.“ In der jetzt vorliegenden Neurevision heißt es, wie es gemeint ist: „Meine Brüder, tuet doch nichts Böses.“ Philippsons Übersetzung zeigt über weite Strecken, dass er ein guter Philologe war.³⁴ Er schafft es durchweg, den alten Text kongenial mit der deutschen Sprache zu spiegeln. Von den vielen originellen Übersetzungen sei nur eine einzige genannt: Die mehrdeutige Wendung ‫ יהוה אחד‬im Shema‘ Israel (Dtn 6,4) gibt

 Philippson, Ludwig: Unser Bibelwerk beendet. In: AZJ 18 (1854). S. 347 f.  Vgl. Schleiermacher, Friedrich: Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens. In: Schleiermacher’s sämmtliche Werke. Dritte Abtheilung. Zur Philosophie. Zweiter Band. Berlin 1838. S. 207– 245.  Ganz anders beschreibt Moses Mendelssohn seine Bibelübersetzung; vgl. den Beitrag von Uta Lohmann im vorliegenden Band. Siehe auch Klaus Herrmanns Untersuchungen zu Salomon Herxheimers Bibelübersetzung.  Eine der Revisionserfahrungen ist, dass Sprachkraft und Verständlichkeit von Band zu Band an Prägnanz verlieren. Besonders im dritten Band (Schriften) zeigen sich zum Teil erhebliche Probleme. Über mögliche Gründe kann man nur spekulieren.

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er sehr weise mit „der Ewige ist einig“³⁵ wieder und lässt so die Mehrdeutigkeit für Interpretationen offen. Durchweg beachtet er rhetorische Figuren des hebräischen Textes. Auch hierfür ein Beispiel: Die Paronomasie in Dtn 28,53, ‫ מצור‬und ‫מצוק‬, gibt er nicht mit „Angst und Not“ (so die Luther-Bibel in der Revision von 2017) wieder und schon gar nicht – fälschlich – mit „Not der Belagerung“ (so die Einheitsübersetzung in der Revision von 2017), er imitiert vielmehr das Wortspiel durch die Wendung „Engniß und Bedrängniß“.³⁶ Philippson respektiert die vielen rhetorischen Figuren des hebräischen Textes, er ebnet sie nicht ein, wie viele Übersetzungen es tun, sondern setzt sie kreativ in die deutsche Sprache um. Soweit zur Übersetzungspraxis. Aus heutigem Erkenntnisstand weitgehend problematisch und oft falsch sind die Kommentare. Formal angemessen werden bei der Kommentierung abschnittsund versweise Gliederung, Aufbau, Sachfragen, grammatische und syntaktische Fragen erörtert, wie es auch in neuzeitlichen Kommentaren der Fall ist. Dabei fällt in den Einleitungen und Schlussbemerkungen zu den einzelnen Büchern eine für Philippsons Zeit zuweilen merkwürdige Mischung aus konservativen und progressiven Beurteilungen auf. Einerseits wird die Tora als einheitliches Werk, im Wesentlichen von einem Autor, nämlich Mose, aufgefasst.³⁷ Sie ist die Grundlage für die Prophetie, die sachlich und historisch auf der Tora fuße.³⁸ Das seit Wilhelm Vatke bekannte Diktum lex post prophetas, das durch Julius Wellhausen³⁹ in der protestantischen Bibelkritik zur communis opinio wurde, lässt er bis in die späteren Revisionen hinein auch nicht ansatzweise gelten. Im zweiten Band, dem Propheten-Band, in dem er auf der Grundlage seiner Vorlesungen von 1846 – 1847 die Vorderen und Hinteren Propheten kommentiert, hat Philippson neben einem religionspsychologischen und -philosophischen vor allem immer wieder ein undifferenziertes antagonistisches Deuteschema vor Augen. Gegen die „heilige Lehre“ steht die „unheilige Realität“: „der scheußlichste Götzenkultus und die heilloseste Sittenverderbniß“,⁴⁰ wie er das in der Schlussbemerkung zu den prophetischen

 Philippson, Bibel, Bd. 1, S. 880. Siehe zur Übersetzung des Tetragrammatons als „Ewiger“ auch den Beitrag von Christoph Schulte im vorliegenden Band.  Philippson, Bibel, Bd. 1, S. 956.  Vgl. Philippson, Bibel, Bd. 1, S. XXIV–XXVI.  Vgl. Philippson: Die Propheten und das mosaische Gesetz. In: AZJ 49 (1885). S. 729 – 731 u. 747– 749.  Vgl. Wellhausen, Julius: Prolegomena zur Geschichte Israels. 2. Ausgabe. Berlin 1883 (Neudruck Berlin 2001; erstmals 1878 unter dem Titel Geschichte Israels in zwei Bänden erschienen). Siehe dazu auch den Beitrag von Susanne Plietzsch im vorliegenden Band.  Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 704.

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Büchern nennt, was er sinngemäß, besonders für die Bücher Jesaja und Jeremia, immer wieder feststellt und wiederholt. Wenn die einzelnen prophetischen Bücher auf Inhalt, Chronologie und Verfasserschaft hin befragt und beurteilt werden, ist Philippson andererseits durchaus kritisch, sofern er z. B. bei den Vorderen Propheten gegen die talmudische Tradition Josua als Verfasser des gleichnamigen Buches ausschließt.⁴¹ Gleichwohl folgt er willig dem biblischen Geschichtsbild, akzeptiert das davidische Großreich und harmonisiert wohlwollend, die Chronikbücher noch überbietend, die biblische Überlieferung: „David’s Charakter gehört zu den vortrefflichsten der biblischen Charaktere.“⁴² Dasselbe Bild zeigt sich bei den Hinteren Propheten – einerseits eine Mischung aus Preisgabe und Beibehaltung traditioneller Ansichten: Nur Jes 1– 35 gehört zum Jesaja des 8. Jahrhunderts v. d. Z., aber dann freilich alles, was in jenen Kapiteln steht.⁴³ Daneben gibt es modern wirkende Warnungen vor einer Atomisierung des Buches: Jene willkührliche, nach selbstgemachten Maßstäben verfahrende, Alles über einen Leisten ziehende, spaltende und zerreißende Kritik hat die Orakel dieses Buches in kleinere und kleinste Stückchen getrennt, täppisch in die geordnetsten Reden hineingegriffen und auseinander geworfen, dann aber bald dieses, bald jenes für unächt erklärt und verworfen, wobei das eine Mal der geschichtliche Anknüpfungspunkt wegen der Sprache, das andere Mal die Sprache wegen des geschichtlichen Moments zurückgewiesen wurde.⁴⁴

Damit ist jedenfalls die bis heute noch nicht gebannte Gefahr eines circulus vitiosus erkannt. Auch die am Jeremiabuch gewonnene Beobachtung, dass in biblischen Texten historiografische Zuverlässigkeit nicht zu erwarten ist, entspricht moderner Einsicht.⁴⁵ Ganz im Rahmen der exegetischen Überzeugungen seiner Zeit wiederum versteht Philippson die Prophet*innen als individuell-religiöse Hero*innen, denen er in erster Linie die Restauration des Gesetzes und die „Versittlichung“⁴⁶ des Volkes als Aufgaben zuschreibt. Die Prophet*innen sind für ihn im Wesentlichen Mahner*innen für ihre Zeit, sodass sich strenggenommen ein deuteronomistisches Prophetenbild einstellt (vgl. 2 Kön 17,13), das dem Gesamtbefund der Prophetie nicht entspricht. Einer stark vereinheitlichenden und damit

 Vgl. Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 8.  Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 245.  Vgl. Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 924 f.  Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 925.  Vgl. Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 1133. Zum heutigen Stand siehe Liwak, Rüdiger: Vierzig Jahre Forschung zum Jeremiabuch. IV. Intertextualität und Rezeption. In: Theologische Rundschau 77 (2012). S. 1– 53, hier S. 45 – 53.  Philippson, Bibel, Bd. 3, S. XVIf.

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reduktionistischen Thematik (Kult und Ethos) in allen Bänden entspricht ein höchst statisches Gottesbild, das er mit philosophischen Kategorien einer unveränderlichen religiösen Idee, die dem Konzept von Welt und Mensch diametral gegenübersteht, paraphrasiert: „Gott ist demnach außerweltlich, das ewige, unveränderliche, einige Sein.“⁴⁷ Philippson hat großes Vertrauen in die historische Zuverlässigkeit der biblischen Texte. Mit einer Art Metabasis eis allo genos zieht er aus der Existenz der ägyptischen Schreibkunst im 3. und 2. Jahrtausend den Beweis, dass zur Zeit Moses schon ein großes Schriftwerk verfasst wurde, und aus ägyptischen Reminiszenzen in der Tora den Nachweis, dass „bis in die kleinsten Züge eine geschichtliche Treue bewahrt ist“.⁴⁸ Die Mosezeit lässt er mit 1500 v. d. Z. beginnen und schreibt ihr neben der Tora explizit auch den 90. Psalm (Mose als Beter, V. 1) und, ohne weitere Erläuterung, prophetische Reden zu.⁴⁹ Bemerkenswert ist nun, wie sich in diesen Zusammenhang die Abbildungen fügen, sofern sie historische Schlussfolgerungen plausibilisieren wollen. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen. Das Besondere des Bibelwerkes, das auch heute noch höchst aktuell ist – man denke an Kinderbibeln, an Bibelausgaben mit Bildern von Marc Chagall oder an die 1000-Bilder-Bibel der Deutschen Bibelgesellschaft mit kommentierten Sachzeichnungen – das Besondere sind Philippsons Kommentierungen in Verbindung mit Illustrationen. Beides nötigt Respekt ab, auch wenn freilich neue Erkenntnisse manche Beurteilungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts korrigieren. Aber es gibt auch Beispiele dafür, dass Philippson schon zu seiner eigenen Zeit bei historischen Interpretationen von Illustrationen eine korrektere Sicht hätte walten lassen können, dies aber für seine Suche nach Authentizität der biblischen Texte nicht förderlich gewesen wäre. Auffällig ist zunächst einmal, dass bei vielen Bildern nicht die Erklärung der betreffenden Textstellen im theologischen, kulturellen und geschichtlichen Sinn im Vordergrund steht. Da die Erläuterung der Texte oft mehr Platz als der Übersetzungstext in Anspruch nimmt und noch insgesamt 500 Grafiken dazukommen, liegen gewaltige Seitenzahlen vor: Die drei Bände haben mehr als 4.000 Seiten! Die Abbildungen betreffen vor allem Pflanzendarstellungen (Abb. 1) sowie Tier- und Landschaftsdarstellungen, geben aber oft auch Objekte zu Kult und Kultur wider, die in der Regel den antiken Kontext

 Philippson, Bibel, Bd. 3, S. XXIII.  Vgl. Philippson, Ludwig: Zur Bibelkritik. In: AZJ 32 (1868). S. 811– 815, hier S. 814.  Philippson, Bibel, Bd. 3, S. XII. Auf den folgenden Seiten (S. XII–XIV) breitet er eine chronologische Tabelle bis Antiochus IV. Epiphanes aus.

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Rüdiger Liwak

Abb 1: Blätter vom Feigenbaum

anachronistisch und romantisierend überhöhen (Abb. 2).⁵⁰ Dabei ist das Problem der kult- und kulturhistorischen Applikationen bei Philippson so greifbar wie heute: Ägyptische, etruskische, persische, römische und andere Darstellungen werden ohne Rücksicht auf chronologische und kulturelle Differenzen als Illustration herangezogen. Die stilistisch vereinheitlichten und vereinheitlichenden Zeichnungen prägen dabei die Macht des Bildes über das Wort, zumal selten eine explizite Beziehung zwischen beiden hergestellt wird. Philippson erhebt freilich selten Anspruch auf Historizität, die Lesenden werden aber die Illustrationen in diesem Sinne aufschlüsseln.

 Nur einmal findet sich die Legende „muthmaßliche Darstellung eines levitischen Posaunenbläsers“. Philippson, Bibel, Bd. 3, S. 255.

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Abb. 2: Die Palastvorstellung von Jer 22,13 f. in europäischer Sicht des 19. Jh. v. d. Z.

Weil vor allem ägyptische Ausgrabungen bekannt waren, liefern sie sehr viele Beispiele. Ein ebenso interessanter wie problematischer Fall zu Israels Aufenthalt in Ägypten sei paradigmatisch genannt (Abb. 3). Das wohl berühmteste altägyptische Bild für die Erklärung biblischer Zusammenhänge in der Tora ist eine 1832 von Ippolito Rosselini publizierte Szene im Grab Chnumhoteps II. in Beni Hassan, die in der Regel auf die Ankunft Abrahams (Gen 12) oder der Söhne Jakobs (Gen 46) in Ägypten bezogen wird.⁵¹ Philippson wird das Bild gekannt haben. Da es aber von einigen Forscher*innen mit Griech*innen in Zusammenhang gebracht wurde, könnte das der Grund sein, warum er selbst es in keiner seiner Ausgaben benutzt hat.⁵² Das spräche für eine kritische Haltung, die er aber an anderen  Vgl. dazu Keel, Othmar: Die Rezeption ägyptischer Bilder als Dokumente der biblischen Ereignisgeschichte (Historie) im 19. Jahrhundert. In: Ägypten-Bilder. Akten des „Symposions zur Ägypten-Rezeption“, Augst bei Basel, vom 9.–11. September 1993. Hrsg. von Elisabeth Staehelin u. Bertrand Jaeger. Fribourg/Göttingen 1997 (Orbis Biblicus et Orientalis 150). S. 51– 79, hier S. 52– 64.  So auch Othmar Keel. Dass es weder um Griech*innen geht noch um Gefangene, sondern um umherziehende Spezialist*innen verschiedener Berufszweige, zeigt eindrücklich Keel, Rezeption, S. 54– 64.

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Rüdiger Liwak

Abb. 3: Darstellung von umherherziehenden Fachleuten verschiedener Berufe im Grab Chnumhoteps II. in Beni Hassan (19. Jh. v. d. Z.)

Abb. 4: Einblick in die Ziegelherstellung im Grab Rechmires in Theben-West (15. Jh. v. d. Z.)

Stellen vermissen lässt: Philippson will etwa zu Ex 5 die Fronarbeit der Israelit*innen durch Ziegelherstellungen (Abb. 4) ikonografisch nachweisen und be-

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Abb. 5: Darstellung von Aamu („Asiaten“) im Grab Sethosʼ I. im Tal der Könige (14./13. Jh. v. d. Z.)

stimmt wie auch andere vor ihm die Ziegelmacher als Israeliten: „Die Physiognomie und Hautfarbe der Sklaven ist ganz übereinstimmend mit einem Gemälde aus geschichtlicher Zeit, welches gefangene J u d e n unter Necho vorstellt.“⁵³ Philippson verweist bei der Kommentierung von Ex 5 auf 2 Chr 35. Einen Ausschnitt aus jenem Bildwerk, das er „Gemälde“ nennt, zeigt er 1854 im dritten Band des Bibelwerkes, um 2 Chr 35,20 – 25 und den dort genannten Feldzug Nechos 609 v. d. Z. in die Levante zu illustrieren (Abb. 5): „Prozession jüdischer Geiseln vor Necho“⁵⁴ steht als Legende unter dem Bild. Jedoch: Die Darstellung der Ziegelhersteller*innen stammt aus dem Grab Rechmires, eines Wesirs in Theben (Zeit Thutmosis’ III., 15. Jh. v. d. Z.), und der Ausschnitt mit der physiognomisch doch ganz anders dargestellten Vierergruppe aus dem Grab Sethos‘ I. (14.–13. Jh. v. d. Z.) im Tal der Könige. Das Grab ist viel älter als die Necho-Zeit, das war schon zwanzig Jahre vor Philippson bekannt.⁵⁵  Philippson, Bibel, Bd. 1, S. 324.  Philippson, Bibel, Bd. 3, S 1173.  Auch dieses Beispiel erläutert Keel, Rezeption, S. 64– 72. Zu Geschichte und Interpretation des Grabes siehe Hornung, Erik u. Elisabeth Staehelin: Sethos – ein Pharaonengrab. Basel 1991. S. 7– 12.

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Rüdiger Liwak

Was Philippson – von Natur-Illustrationen einmal abgesehen – mit vielen Darstellung beabsichtigt, nämlich die historische Zuverlässigkeit zu erweisen, ist ihm bei kulturellen und geschichtlichen Bezügen schwerlich gelungen. Für ihn existiert eben kein „garstiger Graben“ zwischen Glaube und Geschichte.

3 Resümee Dennoch: Ludwig Philippson hat mit seinem Bibelwerk ein gewaltiges Unternehmen zu Stand und Wesen gebracht, das, wie die neue Revision zeigt, seine Wirkung bis heute entfaltet. Wenn es zu seiner Zeit Kritik gab, dann kam sie aus orthodoxen Kreisen und bezog sich vor allem darauf, dass Philippson an einigen wenigen Stellen aufgrund von Widersprüchen bei der Tora eine Verfasserschaft Moses ausschloss⁵⁶ und dass er den Talmud nicht angemessen berücksichtigt habe.⁵⁷ Sein Werk darf heute im Kommentarbereich nicht (ausschließlich) am gegenwärtigen Kenntnisstand gemessen werden, aber es muss sich Fragen aus unseren Erkenntnissen heraus gefallen lassen, die weitestgehend auch unsere eigene Arbeit betreffen: Sein großes Verdienst ist es, mit einer ungeheuren Empathie den hebräischen Text in der deutschen Übersetzung im mehrfachen Sinne aufgehoben zu haben. Seine Übersetzung – Poesie oft eindringlicher als Prosa – ist weit entfernt von flachen Paraphrasierungen und effektheischenden Neologismen seiner Zeit. Das macht sie zum Vorbild für künftige Übersetzungen. Gleichwohl liegt hier zugleich eine Grenze, wenn eine Tendenz zur sklavischen Berücksichtigung hebräischer Semantik und Syntax der Verständlichkeit schadet. Es geht dabei immer um eine Gratwanderung. Das Verständnis der Texte durch Kommentierungen zu fördern, kennen wir aus der Gattung „Kommentar“. Das ist auch heute unverzichtbar. Von Philippson nicht reflektiert wird allerdings das Problem der Hermeneutik von biblischen Texten als theologischen, geschichtlichen und literarischen Größen. Ein weiteres Problem bleibt, das hochaktuell ist: die Macht von Bildern, die das Verständnis des Textes suggestiv lenken. Ohne Berücksichtigung von Zeit, Ort und Kontext der Medien sind exegetischer Willkür Tor und Tür geöffnet. Die Illustrationen trafen sicher den Zeitgeschmack der Le-

 Philippson spricht von vier bzw. fünf Stellen, die er als spätere Glossen bezeichnet: Gen 36,31– 43; 46,8 – 27; Ex 6,10 – 7,7; Num 21,14– 20 und 27– 30. Vgl. dazu zusammenfassend in Philippson, Ludwig: Einleitung in die fünf Bücher Moscheh. In: Philippson, Bibel, Bd. 1. S. I–XXX, hier S. XXIVf.  Vgl. dazu Herrmann, Bibelwerk, S. 51– 54. Am bekanntesten wurde die von Seligmann Baer Bamberger anonym veröffentlichte Schrift: Fackel der Wahrheit. Eine kritische Beleuchtung des Philippson’schen Bibelwerkes von einem orthodoxen Bibelfreunde. Erstes Heft. Würzburg 1860.

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ser*innen, aber sie spiegeln nicht die Zeit der Texte. Die Macht der Bilder wird schnell zur Ohnmacht der Bilder, die Philippson nur den Götterbildern zuschreibt.⁵⁸ Das Resümee des Resümees zu Bibelübersetzung und Kommentarwerk: mit Philippson gegen Philippson!

 Vgl. Philippson, Bibel, Bd. 2, S. 856 – 860, zu ägyptischen (!) Illustrationen babylonischer Götzen.

Hans-Christoph Aurin

Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren Abstract: The article deals with the academic biography of the German-Jewish rabbi and Bible scholar Benno Jacob (1862– 1945) between about 1890 and 1920. It presents documents from Jacob’s estate, such as letters, manuscripts and exegetical notes, which shed some light on Jacob’s exegetical “workshop” and on the background of his extensive commentaries on Genesis and Exodus. Jacob possessed several drafts of self-contained exegetical studies, the publication of which he did not pursue in his later years in favor of his intention to write a commentary on the whole Pentateuch.

1 Benno Jacob und sein wenig erforschter Nachlass Benno Jacob gehört zu den bedeutendsten jüdischen Bibelgelehrten des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Seine Wirkungszeit fällt in die Hochphase der klassischen Literarkritik, wie sie beispielsweise in der seit 1893 von Paul Haupt herausgegebenen Polychrome Bible zum Ausdruck kommt. In der auch als „Regenbogenbibel“ bekannten Ausgabe ist der masoretische Text entsprechend hypothetisch rekonstruierter Quellenschriften verschiedenfarbig hinterlegt.¹ Mit seinem werkimmanentem Ansatz, den er provokant als Harmonistik bezeichnete, versuchte Jacob ein Gegengewicht zu dieser auf literarkritische Forschungen ausgerichteten Bibelkritik zu bilden, ohne dabei die Berechtigung kritischer Bibelwissenschaft grundsätzlich infrage zu stellen. Die „Regenbogenbibel“ kommentierte er allerdings mit den Worten: „Bunter kann es nicht mehr getrieben werden.“² Was Jacob im Bereich der Exegese anstrebte, ähnelt dem, was

 Siehe Haupt, Paul (Hrsg.): The Sacred Books of the Old Testament, a critical edition of the Hebrew text printed in colours. Leipzig 1893 – 1904.  Jacob, Benno: Fragment (Bildnr. 7507– 7510). Unveröffentlichter Nachlass. Die Angabe genauer Signaturen ist derzeit noch nicht möglich, da sich der Nachlass Benno Jacobs im Privatbesitz von Walter Jacob befindet. Bei sonst schwer aufzufindenden Dokumenten wird hier die Bildnummer der Digitalisierung mit angegeben. Das Wort Nachlass bezieht sich im Folgenden immer auf den Nachlass Benno Jacobs, der derzeit im Rahmen eines von der DFG geförderten Editionsprojektes erforscht wird. https://doi.org/10.1515/9783110551631-014

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Richard G. Moulton, der als Initiator moderner literaturwissenschaftlicher Ansätze in der Bibelwissenschaft gilt,³ im Bereich der Bibelübersetzungen mit der Modern Reader’s Bible verfolgte.⁴ Diese erschien zeitgleich zur Polychrome Bible als Teil einer Reaktion gegen die Fixierung auf literarkritische Forschungen. Ob Jacob die Werke Moultons rezipierte, ist nicht bekannt, aber dessen 1896 formuliertem Grundsatz folgt auch Jacob: „The underlying axiom of my work is that a clear grasp of the outer literary form is an essential guide to the inner matter and spirit.“⁵ Jacob führte dies mit Rückgriff auf die traditionelle jüdische Kommentarliteratur für die Bücher des Pentateuchs durch. Seine modernisierte Form jüdischer Peshat-Exegese ist besonders aus dem großen Kommentar zu Genesis bekannt, der 1934 in Berlin im Schocken Verlag erschien.⁶ Sein Exodus-Kommentar war lange nur als abfotografiertes Manuskript auf Mikrofilm verfügbar und wurde, nachdem 1992 eine gekürzte englische Übersetzung erschienen war,⁷ in der deutschen Originalversion erst 1997 veröffentlicht.⁸ Das Manuskript dieses Kommentars hatte Jacob 1939 mit nach London ins Exil genommen und bis zu seinem Tod im Januar 1945 immer weiter überarbeitet, wovon Briefe und viele Seiten Manuskriptversionen im Nachlass zeugen. Die Kommentierung von Levitikus begann er 1941, als er das Exodus-Manuskript aufgrund von Bombenangriffen auf London nach Cambridge geschickt hatte.⁹ Er wandte sich aber bald wieder der Überarbeitung von Exodus zu, sodass aus dieser Zeit zu Levitikus nur Fragmente zu den ersten Kapiteln erhalten geblieben sind.¹⁰ Die Veröffentlichung des Exoduskommentars 1997 trug zu einer neuen intensiveren Auseinandersetzung mit dem Werk Jacobs bei, zumal inzwischen klassische literarkritische Hypothesen infrage gestellt worden waren und werk-

 Vgl. Norton, David: A History of the English Bible as Literature. Cambridge 2004. S. 371.  Siehe Moulton, Richard G.: The Modern Reader’s Bible. A series of works from the sacred scriptures presented in modern literary form. Bd. 1: Biblical Idylls. New York 1896. (Seit 1896 erschienen 21 Bände.)  Moulton, Richard G.: The Literary Study of the Bible. London 1896. S. VIII.  Siehe Jacob, Benno: Das erste Buch der Tora, Genesis. Berlin 1934. Neudruck Stuttgart 2000.  Siehe Jacob, Benno: The Second Book of the Bible, Exodus. Translated with an introduction by Walter Jacob. Hoboken 1992.  Siehe Jacob, Benno: Das Buch Exodus. Hrsg. von Almuth Jürgensen u. Bernd Janowski. Stuttgart 1997.  Vgl. Jacob, Benno: Brief an Ernst Jacob vom 13. 1. 1941 (Nachlass).  Vgl. Jacob,Walter: Benno Jacob on Leviticus. In: Jürgensen, Almuth u.Walter Jacob (Hrsg.): Die Exegese hat das erste Wort. Beiträge zu Leben und Werk Benno Jacobs. Stuttgart 2002. S. 169 – 190, hier S. 181.

Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren

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immanente Ansätze ihren Ort in der Bibelwissenschaft gefunden hatten.¹¹ In den letzten Jahren sind auch einige Beiträge über Leben und Werk Jacobs erschienen.¹² Wenig erforscht blieb über lange Zeit sein Nachlass, der sich zum Teil am Hebrew Union College in Cincinnati befindet und zum anderen Teil in Pittsburgh bei Walter Jacob, einem Enkel von Benno Jacob. Inzwischen wird der Nachlass im Rahmen eines Editionsprojektes erforscht, das an der Hebräischen Universität Jerusalem und der Universität Göttingen beheimatet ist, und die im Folgenden genannten Manuskripte Jacobs zugänglich machen wird. Auf den folgenden Seiten möchte ich einige Ergebnisse aus der Forschung am Nachlass mitteilen, die Jacobs Werkbiografie aus der Zeit vor den großen Kommentaren beleuchten. Ich werde mich dabei im Wesentlichen auf unveröffentlichte exegetische Schriften beschränken, die etwa zwischen 1890 und 1920 entstanden sind, und Jacobs kurze Bemerkungen im veröffentlichten Werk mit Dokumenten aus dem Nachlass in Beziehung setzen. Dabei werden auch Unterschiede zwischen dem frühen und dem späten Jacob sichtbar. Eine Schwierigkeit liegt darin, dass der ursprüngliche Zusammenhang der Manuskripte und Fragmente verloren gegangen ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Dokumente unter schwierigen Bedingungen zunächst von Hamburg nach London und später in die USA überführt wurden. Einige Teile des Puzzles, und das gilt auch für manche der im Folgenden genannten Manuskripte und Fragmente, lassen sich wieder zusammensetzen. Zur zeitlichen Einordnung der frühen Studien Jacobs sei zunächst in aller Kürze an wenige Stationen der ersten Jahrzehnte seines Lebens erinnert. Jacob wurde 1862 in der Nähe von Breslau geboren. Wie viele jüdische Gelehrte betrieb er seine Forschung parallel zum Rabbinat und hatte niemals eine Professur inne. Seine Ausbildung zum Rabbiner erhielt er in den 1880er-Jahren am Breslauer Jüdisch-Theologischen Seminar. Parallel dazu studierte er an der Breslauer Universität klassische Sprachen und Philosophie.¹³ Er bekam damals auch den wachsenden Antisemitismus unter der Studentenschaft zu spüren, was für ihn sehr prägend wurde, und zum Teil die Polemik und Apologetik in seinen Schriften

 Vgl. z. B. Zenger, Erich (Hrsg.): Einleitung in das Alte Testament. 8. Aufl. Stuttgart 2012. S. 112.  Vgl. z. B. Liss, Hanna: Die Renaissance des Benno Jacob. In: Trumah. Zeitschrift der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 13 (2003). S. 141– 153. Der 13. Band von Trumah befasst sich schwerpunktmäßig mit Benno Jacob.  Vgl. Jürgensen, Almuth: „Der Duft der Thora schwindet nie.“ Zu Benno Jacobs Leben und Werk. In: Trumah 13 (2003). S. 7– 42, hier S. 7.

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Hans-Christoph Aurin

erklärt.¹⁴ Ende der 1880er-Jahre promovierte Jacob mit einer Arbeit über Das Buch Esther bei den LXX, die 1890 in der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (ZAW) erschien,¹⁵ dem damals noch recht jungen Organ für bibelkritische Forschungen. In der ZAW veröffentlchte er auch seine ersten bibelwissenschaftlichen Aufsätze, die Beiträge zu einer Einleitung in die Psalmen. ¹⁶ Von 1891 bis 1906 war Jacob als Rabbiner in Göttingen tätig. Dort lehrte damals der wohl bekannteste Vertreter der protestantisch geprägten Bibelkritik, Julius Wellhausen.¹⁷ Das Rabbinat in Göttingen ließ Raum für wissenschaftliche Forschungen und wesentliche Arbeiten Jacobs entstanden in dieser Zeit. Darunter sind besonders zwei Werke zu nennen: Die 1903 veröffentlichte Studie Im Namen Gottes,¹⁸ die, wie der Nachlass zeigt, eine von mehreren damals betriebenen Forschungen über die biblischen Gottesbezeichnungen darstellt, und das 1905 veröffentlichte Werk Der Pentateuch, in dem Untersuchungen zur Chronologie, zur Genealogie, dem Wüstenheiligtum und dem Festkalender vereinigt sind.¹⁹ 1906 wechselte Jacob nach Dortmund, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1929 wirkte.²⁰ Die 1930er-Jahre verlebte er in Hamburg.²¹ Die Dortmunder Gemeinde war wesentlich größer und ließ weniger Zeit für die Wissenschaft. Allerdings besaß Jacob die Fähigkeit, ein hohes Arbeitsaufkommen mit wissenschaftlicher Tätigkeit zu vereinen.²² Dazu gehörte auch seine Gewohnheit, immer eine kleine Bibel und ein Notizheft mit sich zu tragen, um seine exegetischen Ideen festzuhalten, wann immer sie ihm in den Sinn kamen.Wohl im Gedanken an Heinrich Heines Rede vom portativen Vaterland²³ bezeichnete Jacob die Tora und

 Vgl. den bisher kaum beachteten Artikel von Jacob, Benno: Denkst du daran, mein tapfrer Viadrinae? In: K. C.-Blätter 2 (1911). S. 33 – 36. Vgl. auch Wilhelm, Kurt: Benno Jacob, A Militant Rabbi. In: Leo Baeck Institute Year Book 7 (1962). S. 75 – 94.  Siehe Jacob, Benno: Das Buch Esther bei den LXX. In: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 10 (1890). S. 241– 298.  Für genaue bibliografische Angaben vgl. das von A. Jürgensen erstellte bibliografische Verzeichnis der Schriften Benno Jacobs in Jacob, Exodus, S. 1090 – 1098.  Zu Jacobs Zeit in Göttingen vgl. Schaller, Berndt: Benno Jacob (1891– 1905). Rabbiner in Göttingen. Göttingen 2017. Hinsichtlich Julius Wellhausen siehe auch den Beitrag von Susanne Plietzsch im vorliegenden Band.  Siehe Jacob, Benno: Im Namen Gottes. Berlin 1903.  Siehe Jacob, Benno: Der Pentateuch. Leipzig 1905.  Vgl. Jürgensen, Almuth: Die Tora lehren und lernen. Rabbiner Benno Jacob in Dortmund (1906 – 1929). In: Juden im Ruhrgebiet. Hrsg. von Jan-Pieter Barbian [u. a.]. Essen 1999. S. 67– 104.  Vgl. Pritzlaff, Christiane: „Nur das Persönliche tut wohl …“ Familie Jacob/Loewenthal im Grindelviertel. In: Jürgensen/Jacob (Hrsg.), Exegese, S. 32– 48.  Vgl. Jacob, Ernst: Life and Work of B. Jacob. In: Paul Lazarus Gedenkbuch. Hrsg. von Shlomo Rülf. Jerusalem 1961. S. 93 – 100, hier S. 95.  Vgl. Elster, Ernst (Hrsg.): Heinrich Heines sämtliche Werke. Band 6. Leipzig 1893. S. 57 f.

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ihr Gesetz als die unverlierbare Heimat der jüdischen Seele, aus der sie sich nur selbst verbannen, aber niemals vertrieben werden könne.²⁴ Jacobs mehr als einhundert zwischen 1907 und 1945 fortlaufend durchnummerierte und datierte Notizhefte legen von dieser Haltung ein eindrückliches Zeugnis ab. Sie stellen eine wertvolle Quelle zur Erforschung seiner exegetischen Anschauungen dar.

2 „Drei Werke möchte ich wohl noch vollbringen …“²⁵ Im Jahr 1898 legte Jacob in dem Vortrag Unsere Bibel in Wissenschaft und Unterricht, der in der Allgemeinen Zeitung des Judentums veröffentlicht wurde, seine wesentlichen bibelwissenschaftlichen Überzeugungen dar. Er warf der protestantisch geprägten Forschung schwere methodische und ideologische Mängel vor und erhob in Konsequenz dessen die Forderung nach einer jüdischen Bibelwissenschaft.²⁶ Sein Vortrag wurde von dem liberalen Rabbiner Benzion Kellermann heftig kritisiert.²⁷ Darauf reagierte Jacob mit einer Erwiderung, die er in Aufnahme von Kellermanns Worten mit Dogmatische Pseudowissenschaft betitelte. Kellermann hatte Jacob u. a. „schrankenlosen Skeptizismus“²⁸ vorgeworfen, sowie dass er nicht die zur Unterfütterung seiner Wissenschaftskritik nötige Detailarbeit geleistet habe. Jacob erwiderte: Wenn mein Herr Kritiker nur ahnte, was er da gefordert! Ich will ihm aber verrathen, daß es mich fast meine ganze Muße eines Jahres gekostet hat, einige Seiten des Dillmann’schen Kommentars bis auf das kleinste Detail zu prüfen. Aber aus dieser Prüfung habe ich gelernt, wie windig es mit den Behauptungen der Kritik aussieht, habe ich ihnen gegenüber einen „schrankenlosen Skeptizismus“ erworben. Ich glaube jetzt dieser Wissenschaft nichts, rein gar nichts, so lange ich nicht selbst geprüft habe. Die pseudowissenschaftlichen Nachbeter

 Vgl. Jacob, Benno: Zeremonial- und Sittengesetz. In: Gemeindeblatt der jüdischen Gemeinde zu Berlin 20/12 (Dezember 1930). S. 545 – 555, hier S. 551.  Siehe die weiter unten zitierte Eintragung in einem Notizheft von Benno Jacob.  Vgl. Jacob, Benno: Unsere Bibel in Wissenschaft und Unterricht. In: Allgemeine Zeitung des Judentums (AZJ) 62/43 – 45 (1898). S. 511– 513, 525 f., 534– 536. Vgl. auch Wiese, Christian: Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Tübingen 1999. S. 184 ff.  Siehe Kellermann, Benzion: Bibel und Wissenschaft. In: AZJ 62/49 (1898). S. 583 – 586. Vgl. zu der Auseinandersetzung auch Lattki, Torsten: Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und Vernunftreligion. Göttingen 2016. S. 96 ff.  Kellermann, Bibel, S. 585.

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ihrer Dogmen haben es natürlich viel leichter. Für sie genügt ein: Kuenen sagt, Wellhausen hat bewiesen.²⁹

Bei der Detailprüfung des Dillmann’schen Kommentars bezieht sich Jacob wahrscheinlich auf seine unveröffentlichte Exegese zu Numeri 32, die im Nachlass erhalten ist.³⁰ Des Weiteren kündigt Jacob in seiner Erwiderung an, dass er sich „mit der Quellenkritik in einer wissenschaftlichen, demnächst erscheinenden größeren Arbeit auseinandersetzen“³¹ werde. Diese Arbeit ließ allerdings auf sich warten. Im Vorwort von Im Namen Gottes (1903) schreibt er, dass die vorliegende Studie „ursprünglich in Gemeinschaft mit einer grösseren Reihe von Untersuchungen zum Pentateuch und zur Geschichte seiner Exegese erscheinen“³² sollte. Der Pentateuch von 1905 ist eine Verwirklichung der früheren Ankündigungen und zeigt, dass Jacob es mit der Detailprüfung ernst meinte. Der Pentateuch enthält aber noch nicht alle Studien, die Jacob damals besaß, wie andeutungsweise und mit Kenntnis des Nachlasses auch aus dem Vorwort hervorgeht: Die bisherige Quellenanalyse ist nicht haltbar und insbesondere den sogen. Redaktor wird man doch wohl mit anderen Augen anzusehen, das Gesetz und die Theologie anders zu beurteilen haben, was man bei der Ausdehnung dieser Untersuchungen auf Recht, Kultus und Religion desselben noch mehr erkennen wird.³³

Die „Ausdehnung dieser Untersuchungen auf Recht, Kultus und Religion“ hat Jacob in monografischer Form jedoch nie veröffentlicht. Den Plan zu einer größeren Veröffentlichung reflektieren einige Deckblätter früher handschriftlicher Manuskripte, die mit römischen Zahlen versehen sind. Dass an eine gemeinsame Veröffentlichung dieser Studien gedacht war, geht auch aus Querbezügen zwischen diesen Manuskripten hervor. Im Nachlass ist außerdem eine, jetzt leere, Manuskriptmappe mit der Aufschrift Pentateuch – Exegesen zu den ersten vier Büchern und Untersuchungen zur biblischen Theologie erhalten, die Jacobs frühe Exegesen beherbergt haben wird. Die erhaltenen römisch nummerierten Manuskripte seien im Folgenden aufgelistet: VI. Die Talion im Zusammenhange des Bundesbuches (46 Seiten, undatiert, vor 1906) VIII. Leviticus c. 17– 20 (227 Seiten, undatiert, ca. 1903)

 Jacob, Benno: Dogmatische Pseudowissenschaft. In: AZJ 63/2 (1899). S. 31– 34, hier S. 33.  Der vollständige Titel lautet: „Mit Hilfe Gottes“. Quellenkritik und Exegese an einer Probe: Interpretation von Nu 32.  Jacob, Pseudowissenschaft, S. 32.  Jacob, Im Namen Gottes, S. III.  Jacob, Pentateuch, S. IV.

Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren

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X. „Mit Hilfe Gottes“ Quellenkritik und Exegese an einer Probe: Interpretation von Nu 32 (141 Seiten, undatiert, wahrscheinlich zwischen 1899 und 1903 entstanden)³⁴ XI. Jhvh und Elohim. Eine exegetisch-theologische Untersuchung (136 Seiten, undatiert) XIII. Zur Geschichte des quellenkritischen Arguments von den Gottesnamen. Ein Kapitel aus der Geschichte der biblischen Wissenschaft (115 Seiten, undatiert) XIV. Die talmudische Interpretation von Lev 18,6 – 18 und das Ehehindernis aus Verwandtschaft im Talmud (72 Seiten, undatiert, ca. 1903)

Neben der als Im Namen Gottes veröffentlichten Arbeit werden die Lücken in dieser Liste zum Teil die in Der Pentateuch bereits veröffentlichten vier Untersuchungen eingenommen haben. Bei Nr. XII hat es sich wahrscheinlich, wie ein Rückverweis in Nr. XIII zeigt, um eine Exegese zu den beiden für die Quellenscheidung nach Gottesnamen wichtigen Stellen Ex 3,13 ff. und 6,3 gehandelt, sodass XIII als auslegungsgeschichtliche oder wissenschaftsgeschichtliche Ausweitung zu XII aufzufassen ist. Seine Exegese zu Ex 3,13 ff. und 6,3 hat Jacob 1922 unter dem Titel Mose am Dornbusch veröffentlicht.³⁵ Weitere Auskunft über geplante Veröffentlichungen geben Jacobs exegetische Notizhefte, in denen mehrere Inhaltsverzeichnisse geplanter Untersuchungen enthalten sind, die mit erhaltenen Manuskripten und Fragmenten korrelieren. 1911, ein gutes Jahr vor seinem fünfzigstem Geburtstag, hält Jacob einen Plan für die verbleibenden Jahre seines Lebens fest, wobei er für sich, wohl im Gedanken an Psalm 90,10, ein Alter von siebzig Jahren erhofft. Der zweite Band des Pentateuch bräuchte nur zu bestehen aus: 1) das Bundesbuch 2) das Opfer 3) Ehegesetze –––– Drei Werke möchte ich wohl noch vollbringen ‫[ בטרם אמות‬bevor ich sterbe, Gen 45,28] 1) den zweiten Band des Pentateuch 2) das Gesetz. Eine geschichtliche Untersuchung 3) einen vollständigen Kommentar zur Thora. Genug für 20 Jahre ’‫[ !אם יהיה אלהים עמדי ושמרני בדרך הזה וג‬Wenn Gott mit mir sein und mich auf diesem Weg bewahren wird! Gen 28,20]³⁶

Hierbei handelt es sich um eine der wenigen biografisch gefärbten Notizen. In den Heften finden sich sonst fast ausschließlich exegetische Ideen oder Exzerpte,  Für einige Datierungshinweise danke ich Till Magnus Steiner.  Jacob, Benno: Mose am Dornbusch. Die beiden Hauptbeweisstellen der Quellenscheidung im Pentateuch, Exodus 3 und 6, aufs Neue exegetisch geprüft. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 66 (1922). S. 11– 33, 116 – 138, 180 – 200.  Jacob, Benno: Notizheft Pentateuch 2 (1911). S. 62. Eintragung vom 10. 4. 1911 (Nachlass).

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während Zeitereignisse oder persönliche Erlebnisse so gut wie gar nicht vorkommen. Beispielsweise finden sich zwischen 1914 und 1918 gerade zwei kurze Erwähnungen des Weltkrieges, eine Zeit, in der sich auch Jacob Gefährdungen aussetzte. Beispielsweise brachte er koschere Verpflegung an die Front oder organisierte Kindertransporte in die Schweiz.³⁷ Über Jacob als Mensch und nicht bloß als Exeget ist aus seinen Briefen mehr zu entnehmen als aus den Notizheften. Dass er das Gelübde des Erzvaters Jakob zitiert, ist nicht zufällig. Selbstvergleiche aufgrund der Namensgleichheit mit dem biblischen Jakob finden sich mehrfach in seinem Werk. Sein Ex libris, ein Linoldruck, zeigt den Kampf zwischen Jakob und dem als Engel gedeuteten Mann (Gen 32,25 ff.; Hos 12,4 f).³⁸ In einem Brief an seinen Sohn Ernst, dem mit seiner Frau Annette und den beiden Söhnen Herbert und Walter 1939 die Übersiedlung in die USA gelungen war, äußert Jacob angesichts des sich immer weiter verlängernden Krieges die Befürchtung, die aufgrund seines Todes im Januar 1945 leider Wahrheit wurde: Dass anstatt meiner Uebersiedlung zu euch umgekehrt du mich besuchen willst, würde bedeuten, dass ich die liebe Annie und die Jungens nie mehr im Leben wiedersehen würde und das gerade Gegenteil von Joseph und seinem Vater sein, den er für das Lebensende im Triumph zu sich kommen liess.³⁹

Allerdings waren Jacob, der im Alter von 82 Jahren starb, mehr als die erhofften siebzig Jahre beschieden, und er wusste seine Familie zum großen Teil in Sicherheit.

3 „Einen vollständigen Kommentar zur Thora“ Aus der zitierten Notiz geht hervor, dass Jacob den Plan zur vollständigen Kommentierung der Tora bereits seit 1911 hegte. So scheint es etwas zu viel gesagt, wenn er im Vorwort seines Genesis-Kommentars schreibt, dass er ohne Franz Rosenzweigs beständiges Drängen und dessen ermutigenden Glauben an seine Eignung „nicht einmal angefangen“⁴⁰ hätte. Einen Widerspruch muss man darin allerdings nicht sehen, denn ein so ambitionierter Plan und seine Verwirklichung  Vgl. Jacob, Walter: Life and Works of Benno Jacob. In: Jacob, The Second Book of the Bible, S. XV–XXXIII, hier S. XXIIf.  Vgl. Jürgensen, Almuth: „Die Exegese hat das erste Wort.“ Zu Benno Jacobs Schriftauslegung. In: Jürgensen/Jacob (Hrsg.), Exegese, S. 124– 147, hier S. 138. Nach Jürgensen handelt es sich dabei um die Linolnachzeichnung einer biblischen Rembrandt-Darstellung von Gen 32.  Jacob, Benno: Brief an Ernst Jacob vom 19. 11. 1944. S. 3 (Nachlass).  Jacob, Genesis, S. 11.

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sind zwei verschiedene Dinge, und Rosenzweigs Drängen geht klar aus dessen Briefen hervor.⁴¹ Dass auch ein so kämpferischer Gelehrter, wie Jacob es war, der Ermutigung bedurfte, ist aus seinen Briefen an seinen Sohn Ernst zu ersehen. Ernst interessierte sich ebenfalls für biblische Exegese und wurde für seinen Vater ein wichtiger Gesprächspartner.⁴² Nach seiner Pensionierung und seinem Umzug nach Hamburg verbrachte Jacob im Frühjahr und Herbst jeweils einige Wochen in Augsburg, wo Ernst Bezirksrabbiner war. So konnte Jacob sich mit ihm über exegetische Fragen austauschen. Während des Londoner Exils, als dieser Austausch nur noch sehr eingeschränkt über Briefe möglich war, deren Beförderung sich während des Krieges immer weiter verzögerte, erinnert sich Jacob an diese Zeit zurück: „Weisst du noch, lieber Ernst wie du fast jeden Vormittag zu meiner Arbeit kamst und ich dir jeden Gedanken sofort mitteilen konnte? Jetzt muss ich auf jede Gegenäußerung 100 Tage warten. Und wie förderlich war für mich überhaupt Eure Athmosphäre!“⁴³ Die bibelwissenschaftliche Isolation im Londoner Exil und die schwindende Aussicht, die Veröffentlichung seines Kommentars noch zu erleben, machten Jacob zu schaffen, bis dahin, dass er sogar den Abbruch der Kommentierung des Exodus erwog: Diesen [Gegenstand] restlos zu verstehen ist so ungeheuer schwer, dass mich schon mehr als einmal Zweifel beschlichen haben, ob ich das Werk überhaupt fertig bringen oder vielmehr ganz aufgeben soll. Denn hier habe ich ja keinen Menschen, den ich bei den zahllosen Schwierigkeiten wenigstens um seine Meinung fragen kann, wie ich z. B. in Augsburg so vieles täglich mit dir besprechen konnte.⁴⁴

Dass Jacob keinen vollständigen Pentateuch-Kommentar verfasst hat, liegt neben den bereits genannten Gründen, einem arbeitsreichen Rabbinat und den Erschwerungen durch die Weltkriege und deren Folgen, auch an Jacobs Gründlichkeit und seinem Perfektionsdrang. Jacob schrieb, es sei genug, einen einzigen Baustein herzurichten, auf dessen Güte man sich absolut verlassen könne.⁴⁵ Während Rosenzweig an eine abschnittsweise Kommentierung mit kurzen Anmerkungen etwa nach dem Vorbild des Kommentars von Salomon Herxheimer dachte,⁴⁶ hielt es Jacob für geboten, eine philologisch genaue versweise Kom-

 Vgl. Rosenzweig, Franz: Briefe. Berlin 1935. S. 400 ff., 417 f. u. 422.  Vgl. z. B. die Dissertation von Jacob, Ernst: Die altassyrischen Gesetze und ihr Verhältnis zu den Gesetzen des Pentateuch. Stuttgart 1925.  Jacob, Benno: Brief an Ernst vom 22. 10. 1941 (Nachlass).  Jacob, Benno: Brief an Ernst vom 3. 8. 1943 (Nachlass).  Jacob, Benno: Notizheft Pentateuch 19 (1915). S. 63 (Nachlass).  Vgl. Rosenzweig, Briefe, S. 422.

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mentierung vorzulegen, die den protestantischen kritischen Kommentaren ebenbürtig zur Seite treten könne.⁴⁷

4 Jacobs zunehmender Verzicht auf historische Theorien Jacob konzentrierte sich im Laufe seines Lebens immer mehr auf die werkimmanente Exegese, die für ihn Vorrang vor dem Entwurf von Theorien zur Geschichte des Volkes Israel und der Entstehung dessen Religion hatte. Aufgrund des Mangels an außerbiblischen Quellen sah er diese Theorien als zu spekulativ und nicht als seine Aufgabe an. In der Einleitung zur Stammelterngeschichte im Genesis-Kommentar schreibt er: Welches die größeren geschichtlichen Zusammenhänge, Völkerbeziehungen oder Bewegungen gewesen sein mögen, kann nur Gegenstand scharfsinniger oder phantasievoller Kombinationen und Konstruktionen sein, vor denen jedenfalls erst einmal die wahre Meinung des Genesis-Textes festgestellt sein muß. […] Die einzelnen Züge zurück bis auf ihre erste Prägung zu verfolgen, bis sie der zu uns redende Schriftsteller übernahm, ist uns in den meisten Fällen versagt, da wir mehr Glieder der literarischen Entwicklung kennen müßten, und Parallelen aus andern Gebieten sind keine Quellen.⁴⁸

Jacobs Ausrichtung auf die Feststellung des „von der Tora selbst gewollten“⁴⁹ Sinnes, auf die Vertiefung in die fiktive literarische Erzählwelt auf der Ebene der Endredaktion, zeigt sich sowohl bei seiner Interpretation von erzählenden als auch von kultischen oder Rechtstexten. So meint er im Exodus-Kommentar in der Auslegung zum Erd- und Steinaltar von Ex 20,24 f., an die im Wellhausen-Modell die historische Frage nach der Kultuszentralisation geknüpft wurde: Nun ist es nicht wohl denkbar, daß es vor der Errichtung des einen nationalen Zentralheiligtums verboten gewesen sein soll, anderswo, also überhaupt Gott zu opfern. […] Allein diese Frage geht uns hier nichts an. Wir haben den vorliegenden Text zu erklären, wobei wir uns wie immer vorhalten müssen, daß wir einen Zusammenhang mit der Umgebung und der Situation anzunehmen haben.⁵⁰

   

Vgl. Jacob, Genesis, S. 12. Jacob, Genesis, S. 322. Jacob, Genesis, S. 9. Jacob, Exodus, S. 614.

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Während der Revision seines Exodus-Kommentars schreibt Jacob in einem Brief an Ernst ausdrücklich: Immer klarer arbeite ich selbst meine Stellung als Exeget heraus und gebe dir lieber Ernst längst recht, dass zu den geschichtlichen Problemen Stellung zu nehmen nicht meine Aufgabe ist, dass ich höchstens zu referieren habe. Uebrigens habe ich das ja schon in der „Einleitung in die Erzvätergeschichte“ gesagt.⁵¹

Diese Zurückhaltung war in Jacobs früheren Jahren, denen die oben zitierte Notiz mit dem Plan einer geschichtlichen Untersuchung zum Gesetz entstammt, geringer ausgeprägt. Das zeigt z. B. auch der Untertitel von Im Namen Gottes: Eine sprachliche und religionsgeschichtliche Untersuchung zum Alten und Neuen Testament. Die größere Bereitschaft zu religionsgeschichtlichen Thesen geht besonders aus dem Manuskript Jhvh und Elohim hervor. Wie die obige Liste gezeigt hat, ist Jhvh und Elohim Teil mehrerer Untersuchungen zur Frage nach den wechselnden Gottesbezeichnungen, die Jacob entsprechend ihrer Bedeutung für die Geschichte der kritischen Bibelwissenschaft von mehreren Seiten beleuchtete. Das Manuskript Zur Geschichte des quellenkritischen Arguments von den Gottesnamen untersucht die wissenschaftsgeschichtlichen Aspekte in Werken von Jean Astruc bis August Klostermann. In Jhvh und Elohim legt Jacob eine eigene religionsgeschichtliche These zum Wechsel der Gottesbezeichnungen vor und kommt zu dem Schluss: Aus alledem geht hervor, wie unzulänglich die Erklärung des Wechsels der Gottesnamen durch die Annahme von verschiedenen Verfassern oder Büchern ist. Das Problem ist nicht ein literargeschichtliches sondern ein religionsgeschichtliches. Allerdings gibt es eine elohistische und eine ihvistische⁵² Schicht und zwar nicht blos in der Genesis oder im Pentateuch, aber sie rühren nicht von zwei oder drei Schriftstellern her und sind nicht von einem Redactor gelagert worden, sondern aus einem Proceß religionsgeschichtlicher Entwicklung hervorgegangen.⁵³

Jacob stellt in dem Manuskript u. a. seine Theorie von der Weiterentwicklung eines gemeinsemitischen Elohismus, d. h. eines ursprünglichen wirklichen Monotheismus, zum Jahwismus als der israelitischen Nationalreligion vor. Diese Entwicklung sei in der frühen Königszeit bereits abgeschlossen gewesen und ihre

 Jacob, Benno: Brief an Ernst vom 16. 6. 1940 (Nachlass).  Die unlesbare Schreibweise „ihvistisch“ (statt jahvistisch) kann Jacob von Hermann Hupfeld übernommen haben, um sich nicht auf eine Vokalisation bzw. Aussprache festzulegen. Vgl. Hupfeld, Hermann: Die Quellen der Genesis. Berlin 1853. S. 5 (Anm. 2.)  Jacob, Benno: Jhvh und Elohim. S. 75 (Nachlass).

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verschiedenen Phasen seien zum Teil noch an der Verwendung der Gottesbezeichnungen Elohim und Jhwh erkennbar. Das Manuskript Jhvh und Elohim sticht auch deshalb heraus, weil Jacobs veröffentlichtes Werk fast ausschließlich recht polemische Kritik am von protestantischen Gelehrten vertretenen Entwicklungsmodell enthält, mit dem öfter eine Abwertung gesetzlicher Bestandteile des Pentateuchs bzw. eine Abwertung der jüdischen Religion insgesamt verbunden war, die als Urheberin und Erbin dieser Bestandteile dargestellt wurde.⁵⁴ Jacobs Ablehnung des zu seiner Zeit vorherrschenden Entwicklungsmodells, gegen das sich damals allerdings auch innerprotestantisch bereits Kritik regte,⁵⁵ geht z. B. aus dem Artikel Behandlung der jüdischen Geschichte von 1898 hervor: Ich bestreite, daß sich die Religion Israels „entwickelt“ hat, wie man das Wort gewöhnlich auffasst. Ich leugne, daß der erleuchtetste Prediger der Neuzeit eine klarere Vorstellung von Gott, ein innigeres Verhältnis zu ihm, eine reinere Sittenlehre habe als Abraham, Moses, David als alle Propheten und Beter des alten Israel. Systematische Ordnung und dialektische Spaltung sind kein sachlicher Fortschritt, und durch Inventarisierung, Gruppierung und Buchung werde ich um keinen Heller reicher. Der Glaubensinhalt des Judentums ist in der Bibel grundlegend gegeben, „alles andere ist nur Kommentar.“⁵⁶ […] Verschonen wir daher die jüdische Geschichte mit dem Begriffe der Entwickelung, der sie lediglich vergewaltigt, und begnügen wir uns mit dem bescheideneren weniger spekulativen und doch viel liberaleren des Lebens, des Lebens in den höheren Formen geistiger Betriebsamkeit und unablässigen Ringens. Es würde zu weit führen zu zeigen, inwieweit man allerdings in der Religion Entwickelung, d. h. buchstäblich Ent-Wickelung zugeben könnte.

Das Manuskript Jhvh und Elohim kann als eine Ausführung dieser Andeutung verstanden werden. Dass Jacob es nicht veröffentlicht hat, hängt wohl auch mit dem spekulativen Charakter der darin vorgelegten Thesen zusammen, sowie mit dem beschriebenen Verzicht auf historische Theorien.

5 Ehegesetze Unter den römisch nummerierten Manuskripten und Fragmenten finden sich mehrere mit dem Titel Leviticus c. 17 – 20, deren längstes 227 Seiten umfasst und auf das Jahr 1903 datiert werden kann. Den Hauptinhalt dieses Manuskripts bildet  Vgl. z. B. Wellhausen, Julius: Prolegomena zur Geschichte Israels. 6. Ausg. Berlin 1927. S. 3.  Vgl. z. B. Baentsch, Bruno: Altorientalischer und israelitischer Monotheismus. Ein Wort zur Revision der entwicklungsgeschichtlichen Auffassung der israelitischen Religionsgeschichte. Tübingen 1906. S. 108.  BShab 31a.

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Jacobs Auslegung der biblischen Ehe- und Inzestverbote von Lev 18. Es darf daher angenommen werden, dass sich Jacob mit dem Titel Ehegesetze, der in dem Plan für den Fortsetzungsband von Der Pentateuch erscheint, auf diese Gruppe von Manuskripten bezieht. Dafür spricht auch, dass eines der Fragmente den Titel Die Ehegesetze im Zusammenhange des Pentateuchs trägt, das ebenfalls bereits mit Bemerkungen zu Lev 17 beginnt. Warum Jacob keine Untersuchung zu den Ehegesetzen veröffentlicht hat, geht aus einigen späteren Bemerkungen in seinen Notizheften hervor, die zeigen, dass er wesentliche Probleme von Lev 18 auch zehn Jahre später noch für ungelöst hielt. In den folgenden Jahren änderte Jacob seine Meinung zu verschiedenen in den frühen Manuskripten behandelten Details. Dass er eine ausführliche Exegese zu Lev 18 erarbeitet hat, deutet er 1909 in Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri an. Zu dem zu Beginn der Liste verbotener Frauen (Lev 18,6 ff.) scheinbar fehlenden Verbot der Tochter und der Schwiegermutter schreibt er: Hiermit ist also die Behauptung widerlegt, die Tochter und die Schwiegermutter, die doch wohl nicht fehlen dürften, seien versehentlich ausgefallen. Daß sie auch nach dem inneren Prinzip des Gesetzes (nicht etwa nur der Zahl zu lieb) nicht besonders genannt werden konnten, kann aber hier nicht nachgewiesen werden.⁵⁷

Jacobs Lösungsversuch findet sich in den Leviticus c. 17 – 20 betitelten Manuskripten. Spuren seiner Exegese zu den Ehebestimmungen sind auch im GenesisKommentar erkennbar. Sie zeigen sich z. B. bei der auffallend positiven Beurteilung der Tat der Töchter Lots, mit der sie das Überleben ihres Familienzweiges ermöglichen wollen, worin ein Anklang an die Schwagerehe liegt (vgl. Dtn 25,5 – 10 u. Rut). Im Kommentar zur Erzählung von Juda und Tamar (Gen 38) findet sich eine zusammenfassende Bemerkung über die Ableitung der Eheverbote: Die Verbote der Verwandtenehe haben nicht irgendwelche biologisch-mystische, sondern moralische Gründe.⁵⁸ Auszugehen ist von den drei Frauen Mutter, Schwester, Tochter. Ich darf sie deswegen nicht heiraten, weil ich zu ihnen von vornherein ein anderes sittliches

 Jacob, Benno: Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri. Frankfurt 1909. S. 21.  Dies erinnert an Schlegel, Karl August Moritz: Kritische und systematische Darstellung der verbotenen Grade der Verwandtschaft und Schwägerschaft bey Heyrathen. Hannover 1802. S. 525 ff. Jacob erklärt im Manuskript Die talmudische Interpretation von Lev 18,6 – 18 und das Ehehindernis aus Verwandtschaft im Talmud, S. 45 (Nachlass), dass er u. a. der Untersuchung von Schlegel am meisten verdanke. Im Manuskript Leviticus c. 17 – 20, S. 129 (Nachlass), schließt er sich dessen Erwägungen zur Begründung der biblischen Eheverbote an.

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Verhältnis gehabt habe, das mit dem der Ehe und ihrer Intimität nicht konkurrieren und kollidieren soll. Dazu kommt der Grundsatz, dass Mann und Weib ein Fleisch sind,⁵⁹ woraus sich das Verbot von Vaters, Bruders und Sohnes Weib ergibt, ihre Frauen sind für mich dasselbe wie Mutter, Schwester, Tochter. Auch alle andern Verwandten, die mir verboten sind, lassen sich daraus ableiten.⁶⁰

Hinter dieser recht kryptischen Bemerkung Jacobs, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, steht ein Nachdenken über die biblischen Ehebestimmungen, wovon mehr als 300 handschriftliche Manuskriptseiten Zeugnis ablegen. Da Jacob mit der Kommentierung von Levitikus Anfang der 1940er-Jahre nicht bis zu den Ehe- und Inzestverboten fortgeschritten ist, müssen seine Ansichten dazu aus den frühen Manuskripten und Fragmenten zu Lev 17– 20 in Verbindung mit Bemerkungen aus den Notizheften erschlossen werden, die sich dieser Problematik besonders in den Jahren 1914 und 1915 annehmen.

6 Opfer Als wichtigen Teil des zweiten Bandes von Der Pentateuch betrachtete Jacob außerdem eine Untersuchung über die biblische Opferordnung (Lev 1– 7). Jacob war aufgrund seiner Interpretation von Lev 17 zunächst zu der Überzeugung gekommen, dass das biblische Opfer im Wesentlichen als Opposition zu kanaanitischen Kulten aufzufassen sei. So schreibt er noch im 227-seitigen Manuskript Leviticus c. 17 – 20: Aus alledem aber ergibt sich als die wahre Meinung der alttestamentlichen Religion, dass der gesamte Opferkult als Institution und in seiner tatsächlichen Ausprägung seinen eigentlichen Grund nicht in sich selber hat, sondern in der Opposition gegen das Heidentum und diesem vorbeugen soll. Der wahre Gott braucht weder Opfer noch verlangt er sie, aber wenn und insofern geopfert wird, darf es nur für ihn und vor ihm geschehen.⁶¹

Bereits kurze Zeit später änderte Jacob seine Meinung, da die frühe Ansicht nicht gut zu dem Umfang passte, den Opfer und andere kultische Bestimmungen im Pentateuch einnehmen. Eines der im Nachlass erhaltenen Fragmente zu dieser Thematik, das wahrscheinlich den Beginn der Abhandlung zum Opfer bilden sollte, setzt mit den Worten ein: „Die ungemeine Bedeutung des Opfers in der Religion und Gesetzgebung des Pentateuchs erhellt schon rein äußerlich aus dem

 Vgl. Gen 2,24.  Jacob, Genesis, S. 722.  Jacob, Benno: Leviticus c. 17– 20. 227 Seiten. S. 36 f. (Nachlass).

Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren

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Umfange, den es in dem eigentlichen Gesetzeskodex einnimmt.“⁶² Und einige Seiten weiter heißt es in demselben Manuskript: „Das Opfer der Thora ist eine durchaus israelitische Institution und hat von Anfang bis Ende einen Sinn nur durch die Beziehung auf Gott und das spezifisch Israelitische des Gottesbegriffes.“⁶³ In einem der Notizhefte ist auch der Entwurf eines Inhaltsverzeichnisses für eine Untersuchung zum biblischen Opfer enthalten.⁶⁴ Die einzelnen Punkte darin entsprechen den Titeln von datierten Fragmenten, die erhalten geblieben sind. Dazu gehören z. B. Die Schechita (1907),⁶⁵ Die Semicha (1909),⁶⁶ Die Tenufa (1910),⁶⁷ Das Blut (1910), Das Fett (1910) und Das Fleisch (1910). Demnach beschäftigte sich Jacob in den ersten Jahren nach seinem Wechsel nach Dortmund intensiv mit einer Untersuchung zur biblischen Opferordnung, die Teil des zweiten Bandes Der Pentateuch werden sollte. Dabei revidierte er seine frühere, anhand von Lev 17 entwickelte Ansicht, dass das biblische Opfer lediglich Opposition gegen kanaanitische Kulte sei. Anfang der 1940er-Jahre schrieb Jacob im Zusammenhang seines Nachdenkens über die Opfer bei der Priesterweihe (Ex 29) in einem Brief an Ernst, dass er sich über die Grundgedanken des biblischen Opfers nun im Klaren sei und dass er mit einem Kommentar zu Levitikus beginnen könne.⁶⁸ Er beschloss dann, die Erklärung von Ex 29 nach der Ausführung der Priesterweihe (Lev 8) zu geben,⁶⁹ weshalb dieser Teil nicht in der Edition des Exodus-Kommentars enthalten ist, sondern aus den Manuskriptversionen rekonstruiert werden muss.⁷⁰

7 Bundesbuch Die späteste Phase von Jacobs Nachdenken über das Bundesbuch bzw. die Mischpatim (Ex 21– 23) findet sich im Exoduskommentar. Seine Beschäftigung damit reicht aber lange zurück. Jacob war der Meinung, dass das Bundesbuch in  Jacob, Benno: Die ungemeine Bedeutung des Opfers. S. 1 (Nachlass).  Jacob, Bedeutung, S. 24 (Nachlass).  Jacob, Benno: Notizheft Pentateuch 2 (1911). S. 3; ders.: Notizheft Pentateuch 3 (1911). S. 50 f. (Nachlass).  Über das Schlachten/Schächten der Opfertiere.  Über die Handauflegung unmittelbar vor dem Schlachten des Opfertiers (‫ ;סמך‬z. B. Lev 1,4).  Über das Schwingen von Teilen der Opfertiere.  Vgl. Jacob, Benno: Briefe an Ernst vom 30. 8. 1940 und 11. 4. 1941 (Nachlass).  Vgl. Jacob, Exodus, S. 823 zu Ex 29: „Die Erklärung des ganzen Kapitels kann erst zu Lev 8 gegeben werden.“  Vgl. Jacob, Benno: Briefe an Ernst vom 13. 1. 1941 und 16. 3. 1942 (Nachlass).

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seiner Besonderheit in der alttestamentlichen Forschung nicht intensiv genug studiert werde. Auch die Wissenschaft ist oft jene Arge, die das Neue liebt. Die Bedeutung des Codex Hammurabi soll in keiner Weise herabgesetzt werden, aber wie wird in der Forschung gegen ihn das Bundesbuch vernachlässigt. Noch ist er kaum ein dutzend Jahre bekannt und schon hat er eine unübersehbare Literatur; eine Menge Ausgaben, eigene Grammatiken etc. und vom Bundesbuch giebt es 2 wissenschaftliche Monographien!⁷¹

Unter den oben aufgeführten Manuskripten befindet sich eines mit dem Titel Die Talion im Zusammenhange des Bundesbuches. Es stammt noch aus der Göttinger Zeit und stellt einen frühen Vorläufer dessen dar, was Jacob 1929 unter dem Titel Auge um Auge veröffentlichte. Wie lange sich Jacob mit dem Thema bereits beschäftigt hatte, geht aus seiner Bemerkung im Vorwort, dass es sich um die Weiterführung seines 1928 auf der Alttestamentlertagung in Bonn gehaltenen Vortrags handelt, nicht hervor. Jacob war 1899 brieflich um Auskunft über den schwierigen Satz „Auge um Auge“ (‫ ;עין תחת עין‬Ex 21,24) befragt worden und hatte in seinem Antwortschreiben versprochen, dass er die Stelle künftig „im Auge behalten“⁷² wolle. 1929 hatte sich Jacob mit dem Thema also bereits seit drei Jahrzehnten beschäftigt. In Auge um Auge legt er zwölf Argumente vor, die belegen sollen, dass es in dieser Stelle nicht um die Bestrafung des Täters mit dem Verlust eines Körperteiles gehe, sondern um einen durch das Gericht festzulegenden Ersatz für die geschädigte Partei, so wie die Stelle auch im halachischen Midrasch interpretiert wird.⁷³ Jacobs Notizhefte spiegeln sein anhaltendes Nachdenken über diese Fragen wider. Von den zwölf in Auge um Auge präsentierten Argumenten hatte er neun bereits 1914 zusammengestellt. Jacobs Beschäftigung mit dem Bundesbuch und den anderen Gesetzen des Pentateuchs zeigt sich auch in seiner ab 1913 ausgearbeiteten⁷⁴ und 1916 veröffentlichten Interpretation der Josephsgeschichte mit dem Titel Quellenscheidung und Exegese im Pentateuch. ⁷⁵ Der dritte Teil dieser Untersuchung betrachtet die  Jacob, Benno: Notizheft Pentateuch 11 (1913). S. 14 f. (Nachlass).  Jacob, Benno: Brief, Empfänger nicht genannt, 4. 10. 1899. S. 4 (Nachlass). Wegen des medizinischen Bezuges von Ex 21,22 könnte es sich bei dem Empfänger um den Göttinger Professor der Medizin, Wilhelm Ebstein, handeln, an dessen Werken, Die Medizin im Alten Testament (Stuttgart 1901) und Die Medizin im Neuen Testament und im Talmud (Stuttgart 1903), Jacob mitgearbeitet hat.  Vgl. Jacob, Benno: Auge um Auge. Berlin 1929. S. 30.  In diesem Fall lässt sich die Entstehung eines Werkes von Jacob direkt auf eine Eintragung in einem Notizheft zurückführen. Vgl. Jacob, Benno: Notizheft Pentateuch 12 (1913). S. 46 – 50 (Nachlass).  Siehe Jacob, Benno: Quellenscheidung und Exegese im Pentateuch. Leipzig 1916.

Zur Werkbiografie Benno Jacobs aus der Zeit vor seinen großen Kommentaren

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Josephsgeschichte im Licht des israelitischen Rechts.⁷⁶ Die Lektüre von Quellenscheidung und Exegese im Pentateuch und die darin herausgearbeiteten Bezüge zwischen erzählenden und gesetzlichen Texten machten 1921 auf Franz Rosenzweig so starken Eindruck, dass er an Jacob schrieb: „Von Ihnen möchte ich einmal einen Kommentar zur ganzen Tora sehen.“⁷⁷

8 „… durch die man es nicht mehr übersehen kann.“ Wie der kurze Blick in Jacobs Nachlass gezeigt hat, wuchs die Zahl der auf Veröffentlichung harrenden Manuskripte im Laufe der Jahre immer weiter an. Ein von 1915 stammender Entwurf eines Inhaltsverzeichnisses sieht nun zwei Bände vor. Als Fazit zum Arrangement seiner Untersuchungen schreibt Jacob allerdings „Alles noch ungeklärt!“⁷⁸ Die letzte Spur des Plans einer größeren Veröffentlichung zum Pentateuch findet sich in einer Anmerkung zu dem Aufsatz The Decalogue, der 1923 erschien: „The following is derived from a larger exegetical work on the Pentateuch, which, owing to circumstances, cannot be published now. I take the liberty of presenting here a few fragments from the fourth chapter, entitled ,The Covenant at Sinai‘“.⁷⁹ Als äußeren Hinderungsgrund für eine Veröffentlichung zu Beginn der 1920er-Jahre wird an wirtschaftliche Schwierigkeiten nach dem Weltkrieg zu denken sein. Etwa in dieser Zeit beschloss Jacob aber auch, mit der Kommentierung des Pentateuchs zu beginnen.⁸⁰ Die im Nachlass erhaltenen Dokumente zeigen, dass hinter den großen Kommentaren eine Reihe bisher unbekannter Einzelstudien stehen, deren Veröffentlichung Jacob zugunsten des Kommentarprojekts aufgegeben hat. Seine frühen Studien sind für das Verständnis seiner Exegese, der Entwicklung seiner exegetischen Ansichten und so mancher Passage in den Kommentaren besonders aufschlussreich. Zudem finden sich Arbeiten zu Teilen des Pentateuchs, die nicht durch die großen Kommentare abgedeckt sind.  Vgl. das Inhaltsverzeichnis in Jacob, Quellenscheidung und Exegese, S. 108.  Vgl. Rosenzweig, Briefe, S. 400 (Brief vom 22. 5. 1921).  Jacob, Benno: Notizheft Pentateuch 23 (1915). S. 16 (Nachlass).  Jacob, Benno: The Decalogue. In: Jewish Quarterly Review 14 (1923). S. 141– 187, hier S. 141.  Jacob erwog, den Exodus-Kommentar zuerst auszuarbeiten, wie dies andere jüdische Kommentator*innen wohl im Hinblick auf die höhere Bedeutung der gesetzlichen Texte gegenüber den erzählenden getan haben, hielt sich dann aber an die Reihenfolge der Bücher des Pentateuchs. Vgl. Rosenzweig, Briefe, S. 401.

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Jacob hatte die Erfahrung gemacht, dass seine Publikationen, insbesondere der 1905 erschienene, recht umfangreiche erste Band Der Pentateuch, nicht die von ihm erwartete Aufmerksamkeit erfuhren. 1907 und 1909 klagt er darüber, dass das Buch mit fast vollständigem Stillschweigen übergangen worden sei.⁸¹ So gab er den Plan einer Fortsetzung schließlich auf und folgte seit Beginn der 1920erJahre dem Rat und der Ermutigung Rosenzweigs, dass er seinem Werk die Form geben müsse, durch die man es nicht mehr übersehen könne.⁸²

 Vgl. Jacob, Benno: Eine neue Wendung in der Pentateuchkritik. Erwiderung auf Eduard Königs Besprechung von Der Pentateuch. In: Zeitschrift für den evangelischen Religionsunterricht 18 (1907). S. 301– 308, hier S. 307. Vgl. auch Jacob, Benno: Die Abzählungen in den Gesetzen der Bücher Leviticus und Numeri. Leipzig 1909. S. 3.  Vgl. Rosenzweig, Briefe, S. 401 (Brief an B. Jacob vom 27. 5. 1921).

Christoph Schulte

Der Ewige

Moses Mendelssohn als philosophischer Tora-Übersetzer und ‐Exeget Abstract: Ehjeh asher ehjeh (Ex 3:14) is rendered “Ich bin das Wesen, welches ewig ist” (“I am the being which exists eternally”) in Moses Mendelssohn’s German translation of the Torah. Actually, this is rather a first-person philosophical definition of God’s essence as eternal existence than a proper translation of the biblical verse. Why the eternal and necessary being is an essential definition of God and why the tetragrammaton is rendered “der Ewige” (“the eternal”) throughout Mendelssohn’s translation of the Pentateuch is explained in Mendelssohn’s Hebrew Be’ur to Ex 3:14. The article provides a close reading of this explanation, thereby showing that for Mendelssohn the rabbinical interpretations and the philosophical doctrine of God’s essence are more important than a strictly literal translation of the Torah.

Die biblische Selbstaussage Gottes Ehjeh asher ehjeh (Ex 3,14) gibt Moses Mendelssohn in seiner berühmten Tora-Übersetzung von 1783 wieder mit „Ich bin das Wesen, welches ewig ist“. Tatsächlich ist dies jedoch keine Übersetzung der hebräischen Selbstaussage Ehjeh asher ehjeh, die Martin Luther nah am Literalsinn mit „Jch werde sein der ich sein werde“¹ übersetzt hatte, sondern eine vom Philosophen und rabbinischen Exegeten Mendelssohn formulierte, lehrhafte und essentialistische Selbstdefinition Gottes in der ersten Person Singular: „Ich bin das Wesen, welches ewig ist.“ Für Philosoph*innen heißt diese Definition: Gott ist das Wesen, welches ewig existiert. Warum Mendelssohn Ehjeh asher ehjeh in diesen Worten philosophisch gewendet wiedergibt und welche Bedeutung die „ewige Existenz“ Gottes hat, erklärt Mendelssohn im hebräischen Kommentar zu seiner Tora-Übersetzung, dem Biʼur, der zusammen mit dem hebräischen Bibeltext von Ex 3,14 und Mendelssohns deutscher Übersetzung in hebräischen Lettern gedruckt wurde. Dieser Kommentar ist auf den hier reproduzierten zwei Seiten der Buchausgabe von 1783 zu lesen und wird im Folgenden analysiert. Die Buchausgabe von Mendelssohns gesamter, weithin subskribierter Tora-Übersetzung wurde unter dem Titel Sefer

 Luther-Bibel, unrevidierte Ausgabe letzter Hand, 1545. https://doi.org/10.1515/9783110551631-015

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Netivot ha-Shalom beim christlichen Buchdrucker George Friedrich Starcke 1783 in Berlin gedruckt, sie ist aber noch ganz der traditionellen Typografie jüdischer Bibeldrucke und Bibel-Kommentare verpflichtet.²

1 Der Ewige in Mendelssohns Kommentar Im Biʼur zitiert Mendelssohn nach dem Lemma Ehjeh asher ehjeh kommentierend zunächst den Midrasch Shemot Rabba (ShemR 3,6; hier wiedergegeben nach der vorzüglichen deutschen Übersetzung des Biʼur von Rainer Wenzel):³ „Im Midrasch spricht der Heilige, gepriesen sei er, zu Mosche: Sage ihnen: Ich, ich war, und jetzt bin ich derselbe, und ich werde derselbe sein in der Zukunft.“ Im von Mendelssohn zitierten Midrasch verkündet Gott in der ersten Person seine Existenz und seine Ich-Identität in allen drei Zeitdimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Ich war, ich bin jetzt derselbe, der ich war, und ich werde in der Zukunft derselbe sein, der ich war und bin. In dieser Selbstaussage des Midrasch sagt Gott von sich zwei verschiedene Dinge aus: Erstens, er existiert in allen drei Zeitdimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, er existiert also immer und alle Zeit. Und zweitens bleibt er in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft derselbe, er bleibt mit sich selbst identisch und unveränderlich. Die Selbstaussage Gottes im Midrasch verkündet seine immerzeitige und seine unveränderliche Existenz. Mendelssohn affirmiert diese Aussage des Midrasch in seiner Auslegung des Ehjeh asher ehjeh noch, indem der Biʼur kommentierend fortfährt: „Weil nämlich die ganze vergangene und zukünftige Zeit im Schöpfer gegenwärtig ist – denn bei ihm gibt es nicht Wechsel noch Zeitspanne […] und keiner seiner Tage geht vorüber –, deshalb werden in ihm alle Zeiten mit einem einzigen Namen benannt, der hajah, howeh und jihjeh [war, ist, wird sein] einschließt.“ Moshe hatte Gott kurz zuvor im biblischen Text nach dessen Namen gefragt, unter dem er ihn den

 Mendelssohn hat nicht alle Teile des Biʼur (Erklärung) zu den fünf Bänden der Tora verfasst, der Kommentar zu Leviticus/Wajikra wurde z. B. von Naphtali Herz Wessely geschrieben, der Kommentar zum Buch Exodus/Shemot ist hingegen ganz von ihm; vgl. die vorzügliche Einleitung von Werner Weinberg zu: Mendelssohn, Moses: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe (JubA). Hrsg. von Alexander Altmann [u. a.]. Stuttgart-Bad Cannstatt 1971−2016. Bd. 9/4 (2016). S. CIII. Siehe zu Moses Mendelssohns Bibelübersetzungen auch den Beitrag von Uta Lohmann im vorliegenden Band.  Siehe Mendelssohn, JubA, Bd. 9/3 (2009), S. 114 f. Alle hier im Text beim Close Reading verwendeten Zitate aus Mendelssohns Biʼur zu Ex 3,14 folgen der Übersetzung von Rainer Wenzel und finden sich in JubA Bd. 9/3 (2009), S. 114 f.

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Abb. 1 u. 2: Zwei Seiten Facsimile aus dem Druck von 1783: Der Tora-Text von Ex 3,14 mit Mendelssohns hochdeutscher Übersetzung in hebräischen Lettern und dem Biʼur

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Abb. 2

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Kindern Israels präsentieren sollte. Ehjeh asher ehjeh, so die biblische Selbstaussage Gottes, ist dieser Name Gottes für die Kinder Israels, der, wie Mendelssohn kommentiert, die Existenz Gottes in allen Zeitdimensionen aussagt. Es gibt keinen Zeitpunkt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, an dem Gott nicht existiert. Er ist immer da, alternativlos. Er kann nicht zu irgendeinem Zeitpunkt nicht da sein. Das bedeutet in philosophischer Sprache: Gott ist notwendig da. Wenn Gott nicht nichtexistieren kann, wenn es von seiner immerwährenden Existenz keine Ausnahme gibt, dann existiert er notwendig.Wenn Gott immer und in allen drei Zeitdimensionen existiert, dann existiert er auch notwendig, und er ist als ewig und notwendig Existierender der Schöpfer, Erhalter und Grund der empirischen Wirklichkeit der Welt, in der alle geschaffenen Dinge in der Zeit entstehen und vergehen, also gerade nicht immer existieren. Für Mendelssohn, das wird hier gleich am Anfang des Biʼur zu Ehjeh asher ehjeh deutlich, bestimmt ganz im Sinne der aristotelisch-metaphysischen Schulphilosophie, aber auch des Midrasch, Immerzeitigkeit die Vorstellung von Ewigkeit: Ewig ist, was immerzeitig existiert. Immerzeitigkeit und Ewigkeit sind bei Mendelssohn beinahe Synonyme. Ewigkeit ist also nicht das Andere von Zeit, nicht ein Der-Zeit-Enthoben-Sein, nicht Zeitlosigkeit. Ewigkeit wird vielmehr als eine Dauerform von Zeitlichkeit begriffen. Die Ewigkeit als Immerzeitigkeit ist Ewigkeit als immerwährende Zeitlichkeit. Dennoch sind Ewigkeit und Immerzeitigkeit bei Mendelssohn nicht identisch, wie der Fortgang des Biʼur rasch zeigt: Ewigkeit bedeutet bei Mendelssohn noch mehr als die Immerzeitigkeit im Sinne einer immerwährenden Existenz Gottes. Denn da Gott als Schöpfer immerzeitig existiert, muss er auch als Vorsehung, „die das All regiert“, immer vorhanden sein, fährt Mendelssohn im Kommentar fort: Die immerwährende Existenz Gottes als Schöpfer der Welt, Bore, sichere die immerwährende Existenz und Präsenz der Vorsehung, Hashgacha, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dass Gott immer existiert, sichere seine immerwährende Präsenz und Vorsehung für die ganze Welt und insbesondere für das Volk Israel. Darum heißt es in Mendelssohns Biʼur, den babylonischen Talmud paraphrasierend, weiter: „Daher sage zu ihnen, zu Jisrael, daß ich über das All regierend und vorsehend war, bin und sein werde; ich bin es, ich bin bei euch und werde in all eurer Bedrängnis bei euch sein.“ Aus Talmud und Midrasch entnimmt der Kommentator Mendelssohn im Biʼur sonach drei Interpretationen des Ehjeh asher ehjeh: Es sagt die 1. immerwährende, 2. notwendige und 3. vorsehende Existenz und Vorhandenheit Gottes aus. Dann aber wechselt Mendelssohn im Biʼur von der Rolle des Kommentators in die Rolle des Übersetzers und schreibt: „Nun siehe, in der deutschen Sprache gibt es kein Wort, das die Bedeutung aller Zeiten samt der Bedeutung des notwendigen Vorhandenseins und der Bedeutung der Vorsehung zugleich enthielte, so wie dieser

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heilige Name.“ In Klammern fügt Mendelssohn diesem hebräischen Satz dann in Deutsch, allerdings in hebräischen Lettern gedruckt, hinzu: „(*das *ewige, *notwendige, *vorsehende *Wesen)“. Und fährt im Biʼur, wiederum in Deutsch, fort: „[…] und wir haben übersetzt: *der *Ewige oder *das *ewige *Wesen.“ Im Biʼur also erklärt Mendelssohn, wie es zu der Übertragung von Ehjeh asher ehjeh durch „ich bin das Wesen, welches ewig ist“ kam: Die immerzeitige, notwendige und vorsehende Existenz Gottes, welche die rabbinische Tradition in der einen biblischen Selbstaussage des Ehjeh asher ehjeh in Ex 3,14 ausgesagt und repräsentiert sieht, lässt sich im Deutschen am besten mit „der Ewige“ oder „das ewige Wesen“ als Gottes Name wiedergeben. In „Ich bin das Wesen, welches ewig ist“ als Übertragung von Ehjeh asher ehjeh sagt „ewig“ sonach in nur einem Wort die immerzeitige, notwendige und vorsehende Existenz Gottes aus. „Der Ewige“ oder „das ewige Wesen“, so Mendelssohn, umfasst irreduzibel alle diese drei Bedeutungen der immerzeitigen, notwendigen und vorsehenden Existenz Gottes. Dann begründet er diese Aussage weiter: Es reiche nicht, wie der Targum Onkelos – die antike Übersetzung der Tora ins Aramäische – das Ehjeh asher ehjeh zu übersetzen mit „ich bin mit dem, mit welchem ich bin“ und die ewige Existenz Gottes auf die vorsehend-ewige Existenz zu reduzieren: Gott ist nicht nur als Vorsehung immer mit den Seinen. Gott war nämlich schon ewig, bevor er die Welt schuf und sich dem Volk Israel offenbarte. Es reicht aber auch nicht, so Mendelssohn im Biʼur weiter, wie der mittelalterliche Philosoph Saʻadja Gaʻon (882– 942) die ewige Existenz Gottes auf die Immerzeitigkeit eines Gottes zu reduzieren, der nicht vergangen ist und nie vergehen wird. Gottes Ewigkeit ist mehr als nur seine Immerzeitigkeit. Und auch des Maimonides (1138 – 1204) Erklärung des Ehjeh asher ehjeh im More Nevuchim („Führer der Unschlüssigen“; 1190) mit dem notwendigen Vorhandensein Gottes schöpft nur eine von drei Bedeutungen des „Ewigen“ aus, nämlich die der notwendigen Existenz Gottes. Der Ewige ist mehr als „der Vorhandene, welcher vorhanden ist“, wie Maimonides im More Nevuchim, erster Teil, Kapitel 63 schreibt und hier im Biʼur von Mendelssohn zitiert wird. Gott ist nicht nur faktisch immer existent, so die Argumentation Mendelssohns, er ist mit logischer Notwendigkeit immer existent. Gegen Onkelos, gegen Saʻadja Gaʻon (im Biʼur ohne Stellenangabe zitiert nach Nachmanides/Ramban) und gegen Maimonides besteht Mendelssohn auf einem Begriff des „Ewigen“, welcher Immerzeitigkeit, immerwährende Vorsehung und notwendige Existenz Gottes umfasst, und für den es weder im Hebräischen, noch im Aramäischen des Onkelos, noch im Arabischen von Saʻadja und Maimonides eine adäquate begriffliche Entsprechung gibt. Aus dem deutschen „der Ewige“ oder „das ewige Wesen“ hingegen sind die drei unterschiedlichen Deutungen und Bedeutungen von Ehjeh asher ehjeh ableitbar. „Dem deutschen Übersetzer“, schreibt Mendelssohn im Biʼur abschließend von sich selbst in dritter Person,

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„schien es richtig, es [das Ehjeh asher ehjeh] im Sinne von Ewigkeit zu deuten, da alle anderen Bedeutungen daraus ableitbar sind.“

2 Mendelssohns Bezug zu Maimonides Die Auseinandersetzung gerade mit Maimonides und dessen More Nevuchim hat indessen bei Mendelssohn eine philosophische Tiefendimension, die in der Kürze eines Kommentars wie dem Biʼur gar nicht ausgelotet werden kann. Dennoch trägt diese Auseinandersetzung, möchte ich hier behaupten, wesentlich dazu bei, dass und wie der Tora-Übersetzer Mendelssohn zu der Übertragung „ich bin das Wesen, welches ewig ist“ für Ehjeh asher ehjeh findet. Die Auseinandersetzung mit Maimonides erklärt, warum er nicht nur das Ehjeh asher ehjeh von Ex 3,14 mit „das ewige Wesen“ oder „der Ewige“ überträgt und kommentiert, sondern in seiner ganzen Tora-Übersetzung das Tetragramm, den unaussprechlichen Gottesnamen und Shem ha-Meforash, stets mit „der Ewige“ wiedergibt. Das tut Mendelssohn nicht nur, wie es in Ex 3,15 – so seine Übersetzung – heißt: „Gott sprach ferner zu Mosche, so sollst du zu den Kindern Israels sprechen, das ewige Wesen, der Gott euerer Voreltern, der Gott Awraham, Jizchak und Jaakov sendet mich zu euch. Dieses ist immer mein Namen, und dieses soll mein Denkwort sein in zukünftigen Zeiten.“ Ehjeh asher ehjeh soll auf immer Gottes Name sein, sagt der Bibeltext selbst. Diese Selbstaussage und das Tetragramm mit „der Ewige“ zu übersetzen, gebietet die Philosophie und die Auseinandersetzung mit Maimonides. Es ist bekannt, dass Mendelssohn den More Nevuchim ⁴ des Maimonides mindestens seit 1742 kannte, als sein rabbinischer Lehrer, der Rabbiner David Fränkel, in Jessnitz, einem kleinen Ort in der Nähe von Dessau, einen Neudruck organisierte. Damals war Mendelssohn gerade ein 13-jähriger Bar Mitzwa, und er hat sich danach für viele Jahre mit Maimonides’ philosophischem Hauptwerk auseinandergesetzt, auch nachdem er – seinem rabbinischen Lehrer folgend – 1743 nach Berlin gezogen war. Vermutlich war es das erste philosophische Buch, das er überhaupt jemals gelesen hatte, und man kann sagen, dass es ihn zu einem jüdischen Philosophen gemacht hat. Die Ausgabe des More Nevuchim aus Jessnitz wurde für die ganze Haskala wichtig.⁵

 Dt. Übersetzung: Maimonides, Moses: Führer der Unschlüssigen. Übers. von Adolf Weiss. Hrsg. von Johann Maier. Hamburg 1995.  Vgl. Altmann, Alexander: Moses Mendelssohn. A Biographical Study. London/Portland (OR) 1998; Funkenstein, Amos: Das Verhältnis der jüdischen Aufklärung zur mittelalterlichen jüdi-

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Mendelssohn kennt und zitiert – allerdings unvollständig – im Biʼur die Textstelle im More Nevuchim, erster Teil, Kapitel 63, wo Maimonides das biblische Ehjeh asher ehjeh philosophisch traktiert. Dort übersetzt Maimonides das Ehjeh asher ehjeh, und diese Stelle zieht Mendelssohn im Biʼur an: „Ich bin das Vorhandene, welches vorhanden ist, nämlich das notwendig Vorhandene.“ Am Ende desselben Kapitels (I,63) bekräftigt Maimonides also eine Aussage, die er im vorhergehenden Kapitel 62 gemacht hatte: Das Tetragramm, der Shem ha-Meforash, der unaussprechliche Name Gottes, ist der einzige nicht abgeleitete Gottesname. Das Tetragramm als Gottesname sagt nichts aus als das Dasein, die Existenz Gottes. Darum ist das Tetragramm bedeutungsgleich mit dem Ehjeh asher ehjeh. Tetragramm und Ehjeh asher ehjeh sind jener Gottesname, nach dem Moshe Gott in Ex 3,13 gefragt hatte. Beide bedeuten bei Maimonides nichts anderes als die notwendige, immerzeitige Existenz Gottes; die vier Buchstaben des Tetragramms setzen sich zusammen aus den Buchstaben des Verbs hajah, „sein“, „existieren“, in allen seinen drei Zeitformen. Insofern ist die Immerzeitigkeit der göttlichen Existenz im göttlichen Namen des Tetragramms genauso enthalten wie im Ehjeh asher ehjeh. Sein, Vorhandensein, Existenz – darauf besteht Maimonides in demselben Kapitel des More Nevuchim (I,63) – sind jedoch keine Attribute Gottes, sie bezeichnen keine Eigenschaft Gottes. Das Tetragramm als göttlicher Name enthält die Existenz oder das Dasein Gottes sogar gerade nicht als Eigenschaft oder Attribut Gottes, vergleichbar etwa mit anderen Attributen wie Allmacht oder Allwissenheit, die Gott in der Religionsphilosophie des Mittelalters beigelegt werden. Die immerzeitige, notwendige Existenz ist für Maimonides keine Eigenschaft Gottes, sondern vielmehr sein Wesen. Gottes Name, und sein Wesen, sind Existenz. Gott heißt Existenz. Im Ehjeh asher ehjeh der Bibel nennt er sich selbst Existenz, offenbart sich als der immer, wesentlich und notwendig Daseiende. In dieser philosophischen Interpretation des Wesens Gottes als Existenz, ausgedrückt im Gottesnamen des Tetragramms und des Ehjeh asher ehjeh, koinzidieren Philosophie und Tora-Exegese des Maimonides. Damit gipfelt in diesen Kapiteln des More Nevuchim die sogenannte negative Theologie⁶ des Maimonides auf: Er lehnt die Attributenlehre des islamischen Kalām ab. Gottes Wesen ist nicht durch positive göttliche Attribute zu fassen. Seine Einheit und Einzigkeit ergibt sich nicht aus einer Vielzahl positiver Attribute. Wir wissen nicht durch positive Attribute, was Gott ist. Wir wissen nur durch schen Philosophie. In: Aufklärung und Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht. Hrsg. von Karlfried Gründer u. Nathan Rothenstreich. Heidelberg 1990. S. 13 – 21.  Vgl. Simon, Heinrich u. Marie Simon: Geschichte der jüdischen Philosophie. München 1984. S. 142– 150.

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negative Attribute, was Gott nicht ist. Er ist nicht wie seine Schöpfung und Wirkung, nicht wie die Welt: Er ist nicht körperlich und materiell, nicht zeitlich, nicht endlich, nicht veränderlich, nicht vergänglich. Mittels der Negation seiner Wirkungsattribute wissen wir, was Gott nicht ist.⁷ Was wir von Gott selbst und seinem Wesen hingegen positiv wissen, schreibt Maimonides im Kapitel 58 im ersten Teil des More Nevuchim, ist nicht, was er ist, sondern dass er ist.⁸ Dass er existiert. Und diese Existenz Gottes ist nicht ein Attribut oder eine Eigenschaft Gottes, sondern sein Wesen, seine Essenz. Existenz kommt nicht zu Gottes Wesen hinzu, sondern sie ist ihm wesentlich. Gott ist wesentlich nichts anderes als Existenz. Bei Gott sind Dasein und Wesen, Existenz und Essenz identisch, wie Maimonides in einer berühmten Passage des More Nevuchim im ersten Teil, Kapitel 57 ausführt.⁹ Und der Gottesname, das Tetragramm, sagt genau das: Gottes Essenz, Gottes Wesen ist seine Existenz. Später hat Thomas von Aquin, der kluge Leser des Maimonides, diese Überzeugung des Maimonides auf den Punkt gebracht: „Essentia sua non est aliud quam esse suum“,¹⁰ heißt es in Thomas’ Pariser Erstlingsschrift De ente et essentia von 1252– 1253. Gottes Wesen ist nichts anderes als sein Sein. Über Thomas und Leibniz ist dieser Punkt des Maimonides auch in der christlichen Metaphysik des 18. Jahrhunderts präsent: Existenz ist Gottes Essenz, Existenz ist Gottes Name, das Tetragramm. Ehjeh asher ehjeh. Diese umfassenden Überlegungen aus den Kapiteln des More Nevuchim zitiert Mendelssohn natürlich im Biʼur nicht, dafür ist in einem Kommentar zur Tora kein Platz. Aber er kennt sie natürlich, und sie sind philosophisch entscheidend für die Wahl des Begriffs „der Ewige“ bzw. „das ewige Wesen“. Denn Mendelssohn gebraucht, wir erinnern uns, „der Ewige“ als Gottes „Namen“ sowie als Synonym und Übersetzung für das Tetragramm. „Der Ewige“ steht im Biʼur für Ehjeh asher ehjeh, für die immerzeitige, notwendige und vorsehende Existenz Gottes. Auch ist, genau wie bei Maimonides, Ewigkeit bei Mendelssohn kein Attribut Gottes. Vielmehr ist ewige Existenz das Wesen und der Name Gottes: „Ich bin das Wesen, welches ewig ist“ wird Ehjeh asher ehjeh in Mendelssohns Übersetzung wiedergegeben. Ewigkeit ist Gott nicht äußerlich, sondern seine Essenz. „Der Ewige“ steht darum bei Mendelssohn als Name für das Tetragramm und die Essenz

 Vgl. zur Gottes- und Attributenlehre des Maimonides zusammenfassend: Guttmann, Julius: Die Philosophie des Judentums. München 1933 (Nachdr. Dreieich 1985). S. 179 – 186.  Maimonides, Führer der Unschlüssigen I,58, S. 198.  Maimonides, Führer der Unschlüssigen I,57, S. 192 f.  Aquin, Thomas von: Über das Sein und das Wesen. Deutsch-lateinische Ausg. Übers. und erläut. von Rudolf Allers. Darmstadt 1980. S. 53. Vgl. Wohlman, Avital: Thomas d’Aquin et Maïmonide. Un dialogue exemplaire. Paris 1988. Bes. S. 105 – 108 u. S. 118 – 120.

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Gottes: ewige Existenz. Philosophie und Exegese sind im Biʼur in völliger Übereinstimmung. Anders als Franz Rosenzweig behauptet, verdankt sich Mendelssohns Begriff des „Ewigen“ in der Tora-Übersetzung also nicht christlichen Übersetzungs-Vorbildern und christlicher Theologie des 18. Jahrhunderts, sondern seiner tiefgreifenden Auseinandersetzung mit Maimonides.¹¹

3 Gottesbeweise Aber bis hierher ist und bleibt das alles im Biʼur nur die philosophisch geleitete Exegese der biblischen Selbstaussage Ehjeh asher ehjeh in Ex 3,14. Philosophisch geleitet kann der heilige Name im Biʼur von Mendelssohn mit „das ewige, notwendige, vorsehende Wesen“ wiedergegeben werden. Das ist Exegese. Aber der philosophische Beweis dafür, dass Gott, jenes ewige, notwendige, vorsehende Wesen, tatsächlich existiert, ist damit nicht geleistet. Das war Mendelssohn völlig klar. Darum hat er seinen philosophischen Gottesbeweis zwei Jahre nach Erscheinen seiner Tora-Übersetzung in seinem 1785 erschienenen Werk Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes sozusagen nachgeliefert. In den Morgenstunden legt Mendelssohn allerdings einen ontologischen Gottesbeweis vor, wie er sich ähnlich bei Descartes findet: Gott als allervollkommenstes Wesen muss notwendig existieren, denn Vollkommenheit lässt sich ohne die reale Existenz des Vollkommenen gar nicht denken und begreifen. Etwas Vollkommenes ist nur vollkommen, wenn es auch existiert. Ohne reale Existenz des Vollkommenen würde an seiner Vollkommenheit etwas fehlen, die Vollkommenheit wäre unvollständig, also unvollkommen. Zum Begriff Gottes als des allervollkommensten Wesens gehört daher notwendig, dass Gott tatsächlich existiert. Begriffslogisch impliziert die Vollkommenheit Gottes notwendig, dass er existiert.¹² Hier beim Gottesbeweis folgt Mendelssohn klarer Weise nicht Maimonides, der in Anlehnung an die arabischen Aristoteliker vor dem zweiten Teil des More Nevuchim auf vier unterschiedlichen Beweiswegen dargelegt hatte, dass Gott als erste, selber unbewegte Ursache aller Bewegung und Kausalität in der Welt, als

 Vgl. Rosenzweig, Franz: „Der Ewige“. Mendelssohn und der Gottesname. In: Martin Buber u. Franz Rosenzweig: Die Schrift und ihre Verdeutschung. Berlin 1936. S. 184– 210. Vgl. zu Rosenzweigs Irrtum Horwitz, Rivka: Moses Mendelssohns Interpretation des Tetragrammaton: „Der Ewige“. In: Judaica 55 (1999). S. 64– 81 u. 132– 152 u. Schorch, Grit: Moses Mendelssohns Sprachpolitik. Berlin 2012. S. 125 f.  Mendelssohn, Moses: Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes, Berlin 1785. In: JubA, Bd. 3/2 (1973). S. 1– 157, bes. S. 133 – 136 u. 149 – 157.

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unbewegtes Sein vor allem bewegten Seienden existieren müsse.¹³ Es gibt m. W. keine explizite Kritik an Maimonides’ Gottesbeweis im Werk von Mendelssohn, aber implizit geht er schon dadurch auf Distanz zu Maimonides, dass er selbst eine völlig andere Beweisart, nämlich den ontologischen Gottesbeweis wählt. Das hat Gründe. Denn für Maimonides, wie schon für Aristoteles in dessen Physik und Metaphysik, wird die Existenz Gottes als unbewegter Beweger bewiesen und gesichert als immerzeitige Existenz Gottes in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ewigkeit wird verstanden als Immerzeitigkeit des unbewegten Bewegers als der ersten Ursache. Mendelssohn indessen geht es um die ewige, notwendige und vorsehende Existenz Gottes, wie er im Biʼur sagt. Und er weiß, dass die immerzeitig-ewige faktische Existenz des unbewegten Bewegers, die bei Maimonides proklamiert wird, als solche auch akzidentell, und damit nicht logisch notwendig sein könnte. Und dass Gott, wie bei Aristoteles und Maimonides, als erste, unbewegte Ursache aller Bewegung existiert und fungiert, wird im 18. Jahrhundert physikalisch fragwürdig und ist logisch nicht notwendig. Um willen der logischen Notwendigkeit der Existenz Gottes schlägt sich Mendelssohn auf die Seite des ontologischen Gottesbeweises. Aber das sagt er im Biʼur nicht ausdrücklich, und auch in den Morgenstunden wendet er sich nicht explizit gegen Maimonides. Allerdings können seine Ausführungen zum Ewigen als einem immerzeitigen, vorsehenden und notwendigen Wesen als Hinweis gelesen werden, dass eine Auffassung des Ewigen und seines heiligen Namens, die nur auf seiner Immerzeitigkeit und auf der zirkulären Affirmation der Selbstidentität des unbewegten Bewegers – Gott ist „der Vorhandene, welcher vorhanden ist“,¹⁴ wird Maimonides im Biʼur zitiert – beruht, philosophisch wie theologisch Defizite hat.

4 Voraussetzungen der Bibelexegese in der Haskala Mendelssohns Pentateuch-Übertragung mit dem Biʼur gilt als Beginn der BibelÜbersetzungen und -Kommentare in der Haskala. Was lässt nun die hier am Beispiel von Ex 3,14 sichtbar gewordene philosophische Überformung von ToraÜbertragung und Biʼur Mendelssohns an allgemeinen Schlussfolgerungen für die Anfänge der maskilischen Bibel-Übersetzungen mit Kommentar zu? 1) Moses Mendelssohn, das zeigen die im Biʼur zu Ex 3,14 herangezogenen Quellen und Autoren, verfügt über sehr gute und umfassende Kenntnisse der  Vgl. Maimonides, Führer der Unschlüssigen II, S. 3 – 37.  Mendelssohn, JubA, Bd. 9/3 (2009), S. 115.

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rabbinischen Kommentarliteratur zur Bibel. Er zitiert aus Midraschim, dem babylonischen Talmud, aus den Werken von Nachmanides und Maimonides. Er kennt also Talmud, Midraschim und die mittelalterliche Kommentarliteratur zur Tora, darunter auch Raschi und Abarbanel. Kenntnisse des Zohar und der Lurianischen Kabbala bezeugen andere Schriften Mendelssohns.¹⁵ Wie Werner Weinberg in seiner Einleitung zu JubA Bd. 9/4 feststellt, zeigt der Biʼur Mendelssohn als rabbinischen Gelehrten und Polyhistor, der aber auch Bücher christlicher Hebraisten und Theologen wie Lowth, Raabe, Schmidt, den Verfasser der Wertheimer Bibel, Reimarus, Semler, Michaelis, Herder und Eichhorn kennt.¹⁶ Die Kommentarwerke christlicher Theologen werden im Biʼur nicht erwähnt, um das traditionelle jüdische Publikum nicht zu verschrecken. Aber es besteht kein Zweifel: Mendelssohn hatte umfassende Kenntnisse jüdischer wie zeitgenössischer christlicher Kommentarliteratur zur Tora. 2) Die hermeneutische Vorbedingung und die Existenzberechtigung für Mendelssohns Biʼur ist seine Überzeugung, dass man den biblischen Text nicht aus sich selbst heraus verstehen und kommentieren kann. Wäre der Bibeltext aus sich selbst heraus verständlich, dann wären die umfängliche Kommentierung und der zusätzliche Gebrauch der rabbinischen und philosophischen Kommentarliteratur im Biʼur zu Ex 3,14 durch Mendelssohn nicht nötig. Damit bezieht Mendelssohn durch die Anfertigung und Herausgabe des Biʼur implizit Stellung gegen die zentrale hermeneutische Prämisse sowohl Luthers als auch Spinozas im Tractatus theologico-politicus (1670):¹⁷ Die Heilige Schrift ist nicht ihr eigener Interpret, sie bedarf für ein korrektes Verständnis externer Kommentare aus der rabbinischen Tradition und der Religionsphilosophie. Übersetzung und Kommentare zur Tora sind notwendige Elemente ihrer stets neuen Vergegenwärtigung und Wiederaneignung auch bei Nichtgelehrten. Mendelssohn scheut dabei vor den Erkenntnissen, Argumenten, der Exegese und den Gottesbeweisen christlicher Theologen und Philosophen nicht zurück, zitiert diese jedoch nur in seinen philosophischen Werken in deutscher Sprache und für ein deutschsprachiges Publikum, nicht im hebräischen Biʼur. Insofern nimmt der Biʼur Rücksicht auf eine traditionelle jüdische Leserschaft. 3) Die Frage einer Historisierung der Bibel steht bei Mendelssohn bereits im Raum. Sie war schon seit der Publikation von Spinozas Tractatus theologico-po-

 Vgl. Horwitz, Rivka: Mendelssohn und die Kabbala. In: Kabbala und die Literatur der Romantik. Hrsg. von Eveline Goodman-Thau [u. a.]. Tübingen 1999. S. 17– 32.  Vgl. Mendelssohn, JubA, Bd. 9/4 (2016), S. XXV–CIII.  Spinoza, Baruch: Tractatus theologico-politicus. Theologisch-politischer Traktat. Hrsg. von Günter Gawlick u. Friedrich Niewöhner. Darmstadt 1979. Praefatio, S. 14– 17.

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liticus, mehr als 100 Jahre früher, virulent.¹⁸ Die Haltung Mendelssohns bleibt hier ambivalent: Einerseits kann er die Hebräische Bibel als historisches Dokument und als historische Quelle anerkennen, die über das historische Schicksal des jüdischen Volkes wahrheitsgemäß berichtet. Selbst die Tora kann als historische Quelle gelesen werden und enthält „Geschichtswahrheiten“, wie es in Mendelssohns Jerusalem (1783) ausdrücklich heißt.¹⁹ Für Mendelssohn ist z. B. der Exodus der Israelit*innen aus Ägypten eine Geschichtswahrheit. Andererseits ist er nicht bereit, die Mitzwot (Gebote und Verbote Gottes) der schriftlichen und mündlichen Tora als historisch gewordene Normen zu historisieren und so die aktuelle normative Geltung der Halacha zu historisieren und zu relativieren, wie das Spinoza im Tractatus getan hatte, indem er die Mitzwot zum alten, profanen Landrecht der Israelit*innen erklärte, das nach der Zerstörung des jüdischen Staats keine Gültigkeit mehr habe.²⁰ So betrachtet ist Mendelssohn in Jerusalem, seinem religionsphilosophischen Hauptwerk, das 1783 im selben Jahr wie sein Biʼur im Druck erschien, bereit, die Gabe der Tora am Sinai als historisches Faktum und „Geschichtswahrheit“ für Juden und auch für Christen darzustellen, die durch die Bibel als historische Quelle bezeugt und von Generation von Generation als historische Wahrheit tradiert und bezeugt wird. Zugleich reklamiert Mendelssohn für die in der Tora verkündeten Mitzwot, welche in der Tora als historischem Dokument aufgeschrieben sind, unveränderte und unveränderliche, zeitlose normative Gültigkeit. Für Mendelssohn sind die Mitzwot, und infolgedessen die Halacha, ahistorische „geoffenbarte Gesetzgebung“²¹ Gottes. Dem historischen Dokument Tora entnehmen jüdische Menschen allein ihnen vorbehaltene, ahistorische, normative Wahrheiten: die Mitzwot der Halacha. Mendelssohn verweigert sich einer Historisierung der normativen Gehalte der Tora, obwohl er den nicht-normativen Narrativen der Tora wie der Exodus-Schilderung durchaus „Geschichtswahrheit“ zugesteht. Dieser Spagat Mendelssohns zwischen Historisierung der Tora als Vermittlerin von „Geschichtswahrheiten“ und Immergültigkeit ihrer Normen hat nicht lange Bestand. Die Mendelssohn-Rezeption spaltet sich auf in zwei Stränge: Erstens in einen Strang, bei dem, wie bei Zacharias Frankel und im Breslauer

 Vgl. Strauss, Leo: Die Religionskritik Spinozas als Grundlage seiner Bibelwissenschaft. Untersuchungen zu Spinozas Theologisch-politischem Traktat. Berlin 1930 (Nachdr. Darmstadt 1981).  Vgl. Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht im Judentum. In: JubA, Bd. 8 (1983), S. 158 f., 165 u. 192.  Vgl. Spinoza, Tractatus theologico-politicus, Praefatio, S. 16 f.  Mendelssohn, Jerusalem, JubA, Bd. 8 (1983), S. 164; vgl. Schulte, Christoph: Die jüdische Aufklärung. Philosophie Religion Geschichte. München 2002. S. 56 – 63.

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Rabbinerseminar, die Tora, anders als die rabbinische Literatur, von moderner historisch-kritischer Erforschung und Exegese ausgenommen bleibt.²² Zweitens in einen Strang, in dem die Tora, ihre Entstehung, Autorschaft und die Mitzwot schonungslos historisiert werden. Dieser Strang nimmt philosophisch seinen Ausgang bei Saul Aschers Werk Leviathan von 1792. Dort, beim jungen jüdischen Kantianer Ascher, konstituiert sich die jüdische Religion aus rein menschlichen Schriften, Handlungen und Glaubensüberzeugungen. So könnten die Mitzwot in der Gegenwart nur als ein historisches Erziehungsmittel Gottes für das alte Israel betrachtet werden. Aktuell sei dieses Erziehungsmittel allerdings nicht mehr nötig, die Mitzwot hätten ihre einstige pädagogische Geltung eingebüßt, und die modernen Menschen jüdischen Glaubens bestimmten nun im Zeitalter der Aufklärung ihre religiösen Grundsätze autonom. Moses sei nur ein Mittelsmann gewesen, und die von ihm vermittelte Gesetzgebung für das jüdische Volk am Sinai sei nicht erfolgt, „um ihre Autonomie ewig zu stöhren“.²³ Das ist, schon 1792 und nur sechs Jahre nach Mendelssohns Tod, die vollendete Historisierung der Tora und der Halacha als Werke menschlicher Autoren. Auf Grundlage von Kants Kritik der Gottesbeweise in der Kritik der reinen Vernunft (1781) ist die Existenz Gottes nicht mehr philosophisch verbürgt und wird bei Ascher zur reinen Glaubenssache menschlicher Subjektivität. Gleiches gilt in Folge dessen für die Offenbarung der Mitzwot: Der Glaube an sie konstituiert subjektiv erst ihre Gültigkeit. Ascher hat nie exegetisch gearbeitet, aber von einem kantianischen erkenntnistheoretischen Standpunkt aus, wie er ihn einnimmt, sind sowohl die Entstehung der Tora als auch der Glaube und die religiöse Praxis des jüdischen Volkes Menschenwerk. Der historisch-kritischen Exegese von Menschen geschriebener Texte in der Bibel sind von da an keine normativen Grenzen mehr gesetzt.

 Zu Zacharias Frankel vgl. Brämer, Andreas: Rabbiner Zacharias Frankel. Wissenschaft des Judentums und konservative Reform im 19. Jahrhundert. Hildesheim 2000.  Ascher, Saul: Leviathan. Berlin 1792. S. 229. Zu Saul Ascher vgl. Hiscott, William: Saul Ascher. Berliner Aufklärer. Eine philosophiehistorische Studie. Hannover 2017.

Klaus Herrmann

Herxheimers Bibelwerk Abstract: After attending a Yeshiva and studying at the universities at Marburg and Göttingen the German rabbi Salomon Herxheimer (1801– 1884) was appointed “Landesrabbiner” (Chief Rabbi) of the Duchy of Anhalt-Bernburg. His singular achievement was the publication of a translation of the Hebrew Bible into German with a commentary (1839 – 1848, a second edition of which appeared in 1854, a third edition in 1865) thereby emphasizing the common religious, ethical and moral basis of Judaism and Christianity. The decisions of the Protestant consistories of Bernburg (Saxony-Anhalt) and Sondershausen (Thuringia) to acquire Herxheimer’s Bible for all pastorates of the Duchy or to invite the clergymen to subscribe to this work is a unique undertaking in German Jewish history. It was celebrated in Jewish journals as a success of the emancipation process as well as an expression of a “human sense” in the majority culture. Apart from the consistorial decisions, Herxheimer’s effort only provoked rejection and harsh criticism in the majority culture – Protestant as well as Catholic, in which anti-Jewish stereotypes were articulated as much as a defamation of the consistories at Bernburg and Sondershausen.

Die von dem jüdischen Philosophen und Aufklärer Moses Mendelssohn (1729 – 1786) angestrebte Verbindung von traditioneller jüdischer Lebensweise mit der Teilhabe an dem Bildungsideal der Aufklärungsepoche ist zuallererst mit seiner Bibel, mit der noch in hebräischen Lettern gedruckten Tora- und Psalmenübersetzung, verbunden. Diesem Ideal diente vor allem auch der Biʼur, d. h. der sich auf die jüdische Traditionsliteratur stützende und im Geiste der Aufklärung verfasste hebräische Kommentar.¹ Mendelssohn selbst hat diesen Beginn des Eintritts des Judentums in die modernen europäischen Gesellschaften als den „ersten Schritt zur Cultur“ bezeichnet. Mit der Entstehung der ersten jüdischen Reformgemeinden wurden weitere bedeutende Bibelprojekte veranstaltet, die nun von

 Erschienen zwischen 1780 und 1782 in Berlin. Zu Mendelssohns Bibelprojekt siehe ausführlich die Einleitung in Mendelssohn, Moses: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe (JubA). Hrsg. von Alexander Altmann [u. a.]. Stuttgart-Bad Cannstatt 1971– 2016. Bd. 9/4 (2016). S. XXV–XXXI. Dieser von Daniel Krochmalnik herausgegebene Band enthält neben der Einleitung Anmerkungen und Register zu den von Mendelssohn und seinen Mitstreitern verfassten Pentateuchkommentaren, die in Band 9/3 der Jubiläumsausgabe erstmals in deutscher Übersetzung vorgelegt wurden. https://doi.org/10.1515/9783110551631-016

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der Mendelssohnschen Übersetzungspraxis wie auch von der Grundtendenz des Biʼur abwichen. Denn schon bald wurde sein Bibelprojekt als nicht mehr zeitgemäß empfunden und dies in einer doppelten Hinsicht: zum einen im Blick auf die deutsche Sprache, die als zu sehr dem Aufklärungsdeutsch, teilweise aber auch zu wenig dem hebräischen Sprachduktus verpflichtet erschien, und zum anderen im Blick auf die Forderung nach einem modernen, historisch-kritischen Kommentar, wie er sich in der zeitgenössischen protestantischen Bibelwissenschaft mehr und mehr zum Standard zu entwickeln begann und von jüdischen Gelehrten und Rabbinern als Herausforderung empfunden wurde. Die jüdischen Bibelübersetzungen des 19. Jahrhunderts sind damit zugleich ein wichtiger Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen im Judentum im Spannungsfeld von Emanzipation und Akkulturation. Dies gilt ganz gewiss für das Bibelprojekt von Salomon Herxheimer (1801– 1884),² das mit dem Erscheinen des Pentateuchs in den Jahren 1839 – 1841 begann,³ gefolgt von den Ausgaben der Vorderen bzw. Ersten (1843) und der Hinteren bzw. Letzten Propheten (1845) sowie der Hagiografen ‫( כתובים‬1848) in den Folgejahren; eine zweite, überarbeitete Ausgabe des Gesamtwerkes erschien im Jahre 1854, eine dritte, wiederum „vermehrte und verbesserte Auflage“ 1865. An der Übersetzung der Hagiografen war zudem der jüdische Lehrer Moses Elkan maßgeblich beteiligt.⁴ All diese Ausgaben sind heute unschwer als Digitalisate im World Wide Web auffindbar. Der Titel der Erstausgabe des Pentateuchs lautet folgendermaßen: „‫ תורת משה‬Der Pentateuch oder Die fünf Bücher Mose’s in correctem hebräischen⁵ Texte mit worttreuer Übersetzung, vollständiger Erklärung, und erbaulichen und homiletisch benutzbaren Andeutungen für Juden und Christen bearbeitet“. Der Hinweis auf „Juden und Christen“ im Titel als der Zielgruppe des Bibelwerkes ist gewiss von vornherein sehr auffällig und verweist

 Zu Salomon Herxheimer siehe Brocke, Michael u. Julius Carlebach (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Rabbiner. Teil 1: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781– 1871. Bd. 1, bearb. von Carsten Wilke. München 2004. S. 423 – 426, sowie die Biografie von Faber, Rolf: Salomon Herxheimer. 1801– 1884. Ein Rabbiner zwischen Tradition und Emanzipation. Wiesbaden 2001. Speziell zu seinem Bibelwerk siehe Bechtoldt, Hans-Joachim: Jüdische deutsche Bibelübersetzungen vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2005. S. 247– 281.  Gedruckt in Berlin in Lewent’s Buchhandlung; Genesis bis Leviticus 1839 – 1840; Numeri und Deuteronomium 1841.  Siehe dazu Herxheimers Hinweise in der Einleitung (o. S.). Zuvor hatte Elkan Herxheimers Übersetzung der Vorderen Propheten in der Zeitschrift Der Orient (32 [8. 8. 1843], Sp. 507– 512; 23 [4. 6. 1844], Sp. 366 – 368; 24 [11. 6. 1844], Sp. 379 – 384) sehr gelobt.  Im Nachdruck von 1841 erscheint wie auch bei den Folgebänden „ebräischen“ statt „hebräischen“.

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unmittelbar auf das Reskript des herzoglichen Konsistoriums in Bernburg-Anhalt vom 27. Oktober 1841, gefolgt von einem weiteren, auf den 6. November 1841 datierten Beschluss des Konsistoriums zu Sondershausen, die einen im 19. Jahrhundert ebenso einzigartigen wie mutigen Vorgang in Gang gesetzt haben und dem Titelzusatz voll und ganz Rechnung zu tragen scheinen. Wenngleich sich die Originaldokumente in Bernburg-Anhalt nicht erhalten haben,⁶ so findet sich die Kernaussage der dortigen Konsistorialentscheidung in einer Notiz der Evangelischen Kirchenzeitung, datiert auf Mittwoch, den 29. Dezember 1841: (Anhalt) Unterm 27. Oktober c. erging im Herzogthum Bernburg folgendes Rescript an sämmtliche evangelisch-christliche Geistlichkeit des Landes: Herzogl. Consistorium hat auf das Bibelwerk des Landesrabbiners Dr. Herxheimer „Die Bibel A.T. in Hebräischem Texte mit wortgetreuer Übersetzung, fortlaufender Erklärung und homiletischem Andeutungen“, nachdem dasselbe Sich von der Nützlichkeit des Werks überzeugt hat, zur Förderung eines gründlichen Bibelstudiums unter den Geistlichen, eine Subscription für die sämmtlichen geistlichen Stellen des Landes angenommen. Die Kosten desselben sind von den Kirchenkassen in der Art zu tragen, daß die Kirchen einer Parochie für das ihrer geistlichen Stelle zukommende Exemplar gemeinschaftlich zahlen. Das Werk wird in etwa dreißig Lieferungen ausgegeben werden. Der erste Band, den Pentateuch enthaltend, ist bereits erschienen und kostet 2 ½ Thlr., welche gegen Empfang desselben an Herzogl. Consistorium einzusenden sind.⁷

Zu diesem Zeitpunkt setzte sich das Bernburgische Konsistorium aus dem Superintendenten, dem Theologen Timon Gustav Theodor Walther (1800 – 1881),⁸ dem Oberprediger der Altstädter Kirche, dem Pastor der Neustädter Kirche und einem Regierungsassessor zusammen, wobei dem Konsistorium vor allem die Oberaufsicht über die Kirchen respektive Synagogen wie eben auch über die Lehranstalten des Landes, die Schuldisziplin und die Lehrerausbildung oblag. Wichtig mag zudem der Hinweis sein, dass sich Anfang des 19. Jahrhunderts „das Konsistorium in Bernburg im Gegensatz zu den Konsistorien in Anhalt-Dessau

 Es wäre zu überprüfen, ob sich Materialien hierzu in den Central Archives for the History of the Jewish People in Jerusalem erhalten haben. Ich danke Frau Hanna Zoe Trauer für die Überprüfung der Akte GA Bernburg S 105/1 ebendort, die „Reskripte der Behörden an das Landesrabbinat 1831– 1846“ enthalten soll. Wie Frau Trauer festgestellt hat, umfasst die Dokumentensammlung nur die Jahre 1831– 1836, während die Folgeakte S 105/2 erst wieder mit dem Jahr 1863 beginnen soll (aber vor Ort nicht aufgefunden werden konnte). Eine genaue Durchsicht der Herxheimer Dokumente in den Central Archives steht noch aus.  Evangelische Kirchenzeitung vom 29. 12. 1841, Sp. 830.  Vgl. Graf, Hermann: Anhaltisches Pfarrerbuch. Die evangelischen Pfarrer seit der Reformation. Dessau 1996. S. 459 f.

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und Anhalt-Köthen zu einer von der Regierung unabhängigen Behörde“ entwickelte.⁹

1 Herxheimer als Landesrabbiner in Bernburg Herxheimer wurde nach seinen Studienjahren in Marburg und Göttingen und einer daran anschließenden kurzen Tätigkeit als Religionslehrer und Rabbiner in Eschwege im Jahre 1831 zum Landesrabbiner nach Bernburg berufen. Er war damit Staatsbeamter, d. h. sein Gehalt wurde wie bei allen Geistlichen hauptsächlich vom Staate getragen und nur zu einem geringeren Teil von den jüdischen Gemeinden.¹⁰ All diese Vorgänge sind in den anhaltischen Archiven genauesten dokumentiert: jede Gehaltserhöhung, die Herxheimer bisweilen erstreiten musste, wobei er nicht immer Erfolg hatte, Zuteilung von Holzdeputaten, Mahnungen des Konsistoriums an die jüdischen Gemeinden wegen säumiger Zahlungen an den Landesrabbiner usw. Als Landesrabbiner war Herxheimer unmittelbar dem herzoglichen Konsistorium als seinem Dienstherrn und direkten Vorgesetzten unterstellt, das damit auch darauf zu achten hatte, dass die Pflichten der jüdischen Gemeinden gegenüber dem Landesrabbiner korrekt erfüllt wurden. Zur zweiten Auflage des Pentateuchs von Herxheimer befindet sich im Landesarchiv Dessau ein auf das Jahr 1854 datiertes Schreiben des Hof- und Regierungsbuchdruckers F. W. Gröning aus Bernburg an das Anhaltische Staatsministerium Dessau, in dem er das Werk zur Einführung in den Synagogen und Schulen des Herzogtums Anhalt-Dessau-Köthen empfiehlt,¹¹ wobei die positive Stellungnahme des Vorstandes der Israelitischen Kultusgemeinde Dessau beigefügt ist. Alle Akten hingegen, die das zuvor genannte Reskript des Konsistoriums zur Anschaffung und Verteilung der Herxheimer-Bibel unter dem protestantischen Klerus wie eben auch das Original-Reskript vom 27. Oktober 1841 sind in den anhaltischen Archiven nicht mehr ermittelbar.¹² Wie im Folgenden zu zeigen sein  Siehe dazu die Webseite des Landesarchivs Sachsen-Anhalt unter https://www.deutsche-digita le-bibliothek.de (30. 6. 2017).  Siehe dazu Faber, Salomon Herxheimer, S. 37 f.  Siehe dazu Jersch-Wenzel, Stefi u. Reinhard Rürup (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer. Bd. 3: Staatliche Archive der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, bearb. von Anke Boeck [u. a.]. München 1999. S. 487.  Ich danke Frau Anke Boeck vom Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung 4 – Dessau, für ihre Recherche und Hinweise auf die Geschichte der durch Kriegsverluste lückenhaft gewordenen Aktenüberlieferung wie darauf, dass auch im Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogtum Anhalt-Bernburg wie im Gesetzblatt für das Herzogtum Anhalt-Bernburg, in dem ausgewählte Zirkularreskripte veröffentlicht wurden, das Reskript vom 27. Oktober 1941 nicht enthalten ist.

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wird, haben sich hingegen die entsprechenden Dokumente in Sondershausen weitgehend erhalten, die Rückschlüsse auf den Beginn dieser Bibelaktion in Anhalt-Bernburg zulassen.

2 Pflichten und Aufgaben des Landesrabbiners Als Herxheimer unter dem als aufgeklärt und tolerant geltenden Herzog Alexius Friedrich Christian – er regierte von 1796 bis 1834 und in seine Regierungszeit fiel das Emanzipationsedikt von 1810¹³ – zum Landesrabbiner ernannt wurde, wurden die ihm als Landesrabbiner obliegenden Pflichten und Aufgaben sehr genau festgeschrieben und mit folgenden Worten eingeleitet: „Von Gottes Gnaden Wir Alexius Friedrich Christian, Ältestregierender Herzog zu Anhalt […] ertheilen ihm nachfolgende Instruktionen: [D]er Landesrabbiner [hat] die Aufsicht über die gesammte jüdische Religionsausübung zu führen […] Er soll die Religionsübung in ihrem ganzen Umfange nach dem Bedürfnisse der Zeit und nach dem Wesen des Israelitenthums zu läutern und zu heben streben“, um damit, wie es hier weiter heißt, „wahre mosaische Religion und Sittlichkeit“ wiederherzustellen.¹⁴ Herxheimer hat diesen Instruktionen, zu denen vor allem auch die „Katechisationen […] mit der männlichen und weiblichen Jugend“¹⁵ gehörten, in vorbildlicher Weise entsprochen: Von seiner Predigttätigkeit der ersten Bernburger Jahre legt der 1836 veröffentlichte Predigtband Sabbath-, Fest- und Gelegenheitspredigten ¹⁶ beredtes Zeugnis ab, wobei die von Herxheimer angestrebte gemäßigte Reform und Modernisierung des Gottesdienstes mehrfach zum leitenden Thema einzelner Predigten wurden. Im Jahre 1830, also noch zu Eschwegener Rabbinatszeiten, erschien sein Lehrbuch ‫ יסודי התורה‬Israelitische Glaubens- und Pflichtenlehre für Schule und Haus, das in der Folgezeit zum Vademecum der jüdischen Jugend avancieren und weit über die Grenzen des anhaltischen Herzogtums Verbreitung finden sollte; zahlreiche Neuauflagen können noch bis zum Jahr 1916 nachgewiesen werden, zudem wurde das Lehrbuch ins Englische und ins

 Wonach „diejenigen Juden, welche ein bürgerliches Gewerbe oder eine Kunst oder Wissenschaft ordentlich erlernt hatten, als Untertanen aufgenommen und zum Genusse staatsbürgerlicher Vorrechte gleich den christlichen Untertanen zugelassen werden sollten“. Zitiert nach Cohn, Willy: Art. „Anhalt“. In: Jüdisches Lexikon 1 (1927). Sp. 315 f., hier Sp. 316.  Zitiert nach Geiger, Abraham (Hrsg.): Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie 1 (1836). S. 464 f. Siehe auch Salfeld, Siegmund: Dr. Salomon Herxheimer. Landesrabbiner von Anhalt-Bernburg. Frankfurt am Main 1885. S. 7 f.  Geiger, Zeitschrift, S. 466.  Gedruckt in Leipzig.

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Schwedische übersetzt.¹⁷ Die in diesem Werk vermittelte Lehre eines biblischen Humanismus korrespondiert mit den „erbaulichen und homiletisch benutzbaren Andeutungen“ – so auf dem Titelblatt seiner Pentateuchausgabe – zu seiner Bibelübersetzung. Lehrbuch und Bibel treten damit in einen Dialog mit der Mehrheitskultur, geht es doch Herxheimer gewiss zu allererst darum, für die „Emanzipirung Israels von innen und außen“, wie es in der Fortsetzung des Zitates aus seiner Glaubensund Pflichtenlehre heißt, mitzuwirken wie andererseits antijüdischen Klischees und Vorurteilen der christlichen Mehrheitsgesellschaft entgegenzuwirken. So lautet die Antwort auf die ganz grundsätzliche Frage: „Warum ist die Schrift, welche die göttliche Offenbarung enthält, eine heilige Schrift?“ folgendermaßen: „Auch darum schon sei uns diese Schrift heilig und ehrwürdig, weil sie seit Tausenden von Jahren Millionen Menschen Trost, Tugend und Glückseligkeit gegeben.“¹⁸ Auf ganz ähnliche Weise wird das Gebot der Nächstenliebe in Leviticus 19,13 ff. in Herxheimers Bibelwerk kommentiert: Welch ein milder, freundlicher Geist wehet in diesem Gesetze, welch ein weichherzig theilnehmendes Versetzen in die Lage des Mitmenschen! Eine solche wahrhaft heilige Gestaltung der tiefsten und allgemeinsten Menschliebe athmen auch die übrigen Gebote unseres Kapitels. Möchten sie nicht bloß gelesen, sondern zum Glücke der Menschheit tief und allgemein beherzigt werden!!¹⁹ [Zwei Ausrufungszeichen im Original].

Natürlich sind diese Ausführungen nicht nur vor dem Hintergrund eines traditionellen Antijudaismus, vielmehr gerade auch im Blick auf zeitgenössische antijüdische Tendenzen in Philosophie und Theologie zu verstehen, wonach das Alte Testament und damit das Judentum als Gegenteil einer Humanitätsreligion zu sehen oder zumindest dem christlichen Humanitätsgedanken unterlegen sei. Zudem zeigte sich in der nun aufkommenden historisch-kritisch orientierten Bibelwissenschaft die Tendenz, die hebräische Bibel als „eine[] Sammlung grober

 Siehe dazu auch Sahamie, Cornelia: Zum christlichen Einfluss auf die jüdisch-religiöse Erziehung im 19. Jahrhundert in Deutschland. Ein exemplarischer Vergleich ausgewählter Lehrbücher. Dissertation. Bonn 2011. S. 105 ff. Zu Herxheimers Glaubens- und Pflichtenlehre sowie weiteren Lehrbüchern siehe auch den Beitrag von Kerstin von der Krone im vorliegenden Band.  Herxheimer, Salomon: Jesode ha-Tora. Israelitische Glaubens- und Pflichtenlehre für Schule und Haus. 5. Aufl. Bernburg 1843. S. 2.  Herxheimer, Pentateuch, Leviticus, S. 70. In den beiden folgenden Auflagen von 1854 und 1865 ist diese Wendung ein wenig verändert worden: „Welch eine zarte Fürsorge in diesem Gesetze! Einen solchen wahrhaft heiligen Geist der tiefsten und allgemeinsten Menschenliebe athmen auch die übrigen Gebote unseres Kapitels. Möchten sie nicht bloß gelesen, sondern zum Glücke der Menschheit tief und allgemein beherzigt werden!!“ (S. 453 der 1854er- bzw. S. 579 der 1865erAusgabe).

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jüdischer Vorurteile [zu bewerten], welche […] dem Christentum gerade entgegen sind“, wie es der Hallenser Theologe und Bibelwissenschaftler Johann Salomo Semler (1725 – 1791) einmal formuliert hat.²⁰ Damit ging oftmals eine Aufwertung orientalischer Kulte und Kulturen auf Kosten des Judentums einher – zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte diese Entwicklung im sogenannten Bibel-Babel-Streit besonders virulent werden.²¹ Herxheimer liegt nun umgekehrt solche Art von polemischer Auseinandersetzung mit der christlich geprägten Bibelwissenschaft völlig fern. Herxheimer, der Pädagoge, gibt vielmehr Hinweise, wie man mit biblischen Texten, die seitens der Kritiker auf einen allzu engen nationalen Rahmen zu deuten scheinen, umzugehen hat. Ich zitiere wieder aus den Jesode ha-Tora: Bei allem Lesen aber muß man bedenken, daß die heilige Schrift in einer Zeit geschrieben wurde, von der die jetzige Zeit sehr verschieden ist. So ist zum Exempel in der heiligen Schrift den Israeliten Duldung und Freundschaft gegen gewisse Völker verboten, weil diese sie zum Götzendienst verführen möchten, da es uns vielmehr Pflicht ist, die Völker jetziger Zeit, die den einzigen Gott verehren und Tugend und Menschenliebe üben, zu achten und zu lieben.²²

Daran schließt ein Zitat aus der rabbinischen Tradition an, das gerne als Beleg für die Gleichheit aller Menschen angeführt wurde (und wird) und zudem zeigt, wie Herxheimer in den kommentierenden Glossen zur Bibel immer wieder zum Ausdruck bringt, dass die Hebräische Bibel nur im Kontext ihrer traditionellen Auslegung angemessen zu interpretieren ist: „Die Frommen aller Völker haben Theil an der zukünftigen Welt und Glückseligkeit.“²³ Besonders deutlich zeigt sich Herxheimers Deutung der Hebräischen Bibel im Sinne eines aufgeklärten Humanitätsgedankens am Ende der Tora, wo von Moses Tod berichtet wird. Herxheimer hat hier folgendes Resümee über Leben und Wirken Moses, eines Mannes, „der nur für unser Heil, für Israels und des ganzen Menschengeschlechts Aufklärung, Tugend und Glückseligkeit lehrte, schrieb,

 Zitiert nach Kraus, Hans-Joachim: Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testaments. 3. Aufl. Neukirchen-Vluyn 1982. S. 109 f. Zur Abwertung des Judentums bei dem protestantischen Bibelwissenschaftler Julius Wellhausen siehe den Beitrag von Susanne Plietzsch im vorliegenden Band.  Vgl. Shavit, Yaakov: Art. „Babel-Bibel“. In: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Hrsg. von Dan Diner. Bd. 1. Stuttgart/Weimar 2011. S. 224– 226.  Herxheimer, Jesode ha-Tora, S. 3. Es folgt ein Hinweis auf die Gebote in Ex 23,31– 33.  Herxheimer bezieht sich hier auf die Ausdeutung der Tosefta (13,2) bei Maimonides in seinem Traktat über die Buße (3,5) und fügt im aufgeklärten Sinne die „Glückseligkeit“ hinzu: ‫וכן חסידי‬ ‫ יש להן חלק לעולם הבא‬,‫אומות העולם‬. Siehe dazu Schulte, Christoph: Noachidische Gebote und Naturrecht. Ein Beispiel für die Verteidigung des Universalismus aus den Quellen des Judentums. In: Humanismus in Geschichte und Gegenwart. Hrsg. von Richard Faber u. Enno Rudolph. Tübingen 2002. S. 141– 166.

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lebte und wirkte“, angefügt, das für sein Verständnis einer „für Juden und Christen“ bearbeiteten Bibel als grundlegend angesehen werden kann: So scheiden wir denn von dem „Mann und Knecht Gottes, wie es keinen wieder gab in Israel“. Wie der Anblick eines sterbenden theuren Freundes, das Dahinscheiden eines ausgezeichnet großen Mannes und zu den letzten Blicken auf sein Leben, zu ernsten Betrachtungen für unser Leben erweckt, so unsere Trennung von Mose. Ist er doch unser Freund, der nur für unser Heil, für Israels und des ganzen Menschengeschlechts Aufklärung, Tugend und Glückseligkeit lehrte, schrieb, lebte und wirkte! Ist er doch der große Geist, der das Lichtgebäude der reinsten, von keinerlei Aberglauben und Abgötterei getrübten, Gotteserkenntniß zuerst auf Erden aufführte, er allein, umringt von versunkenen Sklaven und schwarzem ägyptischen Götzendienst, das Gebäude, das mit den Jahrtausenden nur immer fester, immer weiter ward und werden soll. Und wer legte wie Mose den ältesten Grund zur allgemeinen Humanität, zur Milde gegen den Nächsten, gegen Witwen, Waisen, Fremde, Sklaven und Thiere, zu einer Liebe selbst gegen den Feind, wie sie jetzt noch kaum geübt und begriffen wird? […] So stehe uns das Bild dieses großen göttlichen Mannes mit dem strahlenden Antlitze, dessen Charakter und Streben wie die Sonne überallhin leuchtete und wohltat, stets vor Augen, und beseelend, wie er, gottergeben und gottbegeistert dazustehen ein Fels in Noth, in allen Richtungen und Verhältnissen Heilvolles zu wirken, und bis in den Tod die Höhe der Tugend (den Berg Nebo) zu erklimmen, auf daß, wie Mose, obgleich ohne Denkmal „von allen Völkern der Welt verehrt werden wird, so lange die Welt steht“ – so unser Andenken zum Segen bleibe bei unsern Mitmenschen, und wir einst das Auge schließen dürfen in hoffendem freudigem Hinblick in das jenseitige gelobte Land!²⁴

Das aus diesen Zeilen sprechende aufgeklärte Pathos eines universalistischen Toleranz- und Humanitätsgedankens wendet sich direkt gegen all jene oben skizzierten Tendenzen in der zeitgenössischen christlichen Mehrheitskultur, die gerade diese Werte und Tugenden dem Judentum abzusprechen und allein Leben und Wirken Jesu zuzuschreiben suchten. Von daher können wir Herxheimers Bibelkommentar als eine Form von „counter history“, oder genauer: „counter Bible“, zu den gängigen christlichen Narrativen dieser Zeit ansehen.²⁵ Nach dem bisher Gesagten ist soviel jedenfalls klar: Bei aller Toleranz, die in einem aufgeklärt protestantischen Staate praktiziert wurde, war eines nicht verhandelbar: Die Leitkultur hatte eine protestantische zu sein. Herxheimer hat den Amtsinstruktionen des herzoglichen Konsistoriums in vorbildlicher Weise entsprochen, ohne dabei in einen radikalen Reformeifer zu verfallen. Als solcher wurde er auch zu seinen Lebzeiten in der zeitgenössischen christlichen Mehr-

 Herxheimer, Pentateuch, Deuteronomium, S. 121. In den Ausgaben von 1854 (S. 790) und 1865 (S. 986) ist dieser programmatische Text unverändert übernommen worden.  Siehe dazu auch Herxheimer, Salomon: Lehret das Judenthum wirklich allgemeine Menschenliebe? In: Sulamith 8/1 (1837). S. 355 – 359; 8/2 (1837). S. 9 – 15 u. 219 – 226.

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heitskultur wahrgenommen, wie das folgende Zitat aus dem Anhalt-Bernburgischen Wöchentlichen Anzeiger vom 22. September 1832 belegt: Unser weiser Herrscher hat nicht etwa einen Mann hierher berufen, wie er wohl der Phantasie so manches unkundigen Lesers vorschweben mag: kenntlich durch alle Attribute eines sogenannten polnischen Rabbiners […]. Allein auch nicht den überspannten Neuern scheint der Mann anzugehören […]. Ja, nur ein Mann mit solchen Ansichten, mit solchem Geiste wie ihn bisher Herr Dr. Herxheimer entfaltet hat, konnte zu diesem wichtigen Amte berufen werden, kann mit Wirksamkeit seine Berufspflichten erfüllen.²⁶

3 Herxheimers Bibelprojekt und die aufkommende moderne Bibelwissenschaft Von daher verwundert es nicht, dass das Bernburger Konsistorium der Herxheimer-Bibel gegenüber positiv eingestellt war. Dies allein kann aber die Entscheidung einer landesweiten Verteilung unter dem christlichen Klerus nicht erklären. Sehr beeindruckend für das Konsistorium war zweifellos Herxheimers Anliegen, jüdische Übersetzungs- und Traditionsliteratur mit protestantischer Gelehrsamkeit, vor allem zeitgenössischer Bibelwissenschaft, bei der Kommentierung zu berücksichtigen. In der Einleitung zur Tora heißt es dazu:²⁷ So sind in diesem Kommentare beachtet und angeführt: die Übersetzung der Alexandriner,²⁸ der Chaldäer,²⁹ wie die von Luther, die Auslegungen des Talmud, dem Midrasch, die Erklärungen von Raschi, Raschbam, Ebn Esra, Kimchi, Ramban, Abrabanel,³⁰ wie die von Herder, Michaelis, Vater, Rosenmüller, de Wette, Gesenius, Ewald, Bohlen,³¹ die Erläuterungen im Josephus, More Nebuchim³² u.s.w. wie die von Mendelssohn und Heidenheim³³.

 Zitiert nach Faber, Salomon Herxheimer, S. 42.  Siehe Herxheimer, Pentateuch, Genesis, S. VIf. Die benutzten Werke der hier genannten jüdischen und christlichen Gelehrten werden von Herxheimer im Literaturverzeichnis, S. 22– 24, aufgeführt.  D. h. die Septuaginta, die Übersetzung der Hebräischen Bibel ins Griechische.  Gemeint sind die Targumim, die aramäischen Übersetzungen der Bibel, die oftmals den hebräischen Text paraphrasierend und kommentierend auslegen.  Raschi (hebr. Abkürzung für Shelomo ben Jitzchak, 1040 – 1105), Raschbam (= Shemuʼel ben Meʼir, um 1085 – 1174), Ebn Esra (bzw. Ibn Ezra, um 1092– 1167), (David ben Josef) Kimchi (Radak, 1160 – 1235), Rambam (= Mose ben Maimon bzw. Maimonides, 1135 – 1204) und (Jehuda ben Jitzchak) Abrabanel (um 1460 – 1521) gehören zu den bedeutendsten jüdischen Bibelerklärern des Mittelalters und der frühen Neuzeit.  Zu den hier genannten christlichen Bibelwissenschaftlern siehe Kraus, Geschichte, S. 114 ff. (Herder, 1744– 1803), S. 97 ff. (Michaelis, 1717– 1791), S. 161 f. (Vater, 1771– 1826), S. 113 u. S. 166

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Dieser, „erste deutsche Pentateuch-Kommentar in Israel“, wie Herxheimer in der Einleitung vermerkt hat,³⁴ stellt damit zugleich den ersten bibelwissenschaftlichen Versuch dar, einen Ausgleich zwischen der jüdischen Tradition, vor allem den jüdischen Exegeten des Mittelalters, und den Erfordernissen der Gegenwart, die mehr und mehr durch die historisch-kritische Forschung an protestantischen Fakultäten bestimmt war, zu finden.³⁵ Man wäre jedoch enttäuscht, würde man eine systematische Auswertung der hier genannten Werke im Kommentarteil der Herxheimer-Bibel erwarten. Der Kommentar verfährt mit den genannten Werken sehr eklektisch, wobei sich die Mehrzahl der den Text kommentierenden Glossen und Anmerkungen auf Übersetzungsvarianten und philologische Aspekte beziehen. Eine umfassende, gerade auch die neuesten archäologischen und naturkundlichen Forschungen einschließende Kommentierung, wie sie dann von Ludwig Philippson auf der Basis der Pictorial Bible vorgelegt wurde,³⁶ leistet die Herxheimer-Bibel nicht. Sie möchte schließlich zuallererst ein Bibelwerk für Synagoge und Schule sein und legt, wie Herxheimer in der Einleitung zu den Hagiografen schreibt,Wert auf „Popularität“; sie steht damit, wie zuvor gezeigt, in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den von ihm in Bernburg initiierten pädagogischen und synagogalen Neuerungen. Dabei verweist der im Titel enthaltene und eingangs bereits erwähnte Zusatz „für Juden und Christen bearbeitet“ auf die im damaligen Judentum aufkommende Hoffnung hin, dass das gemeinsame Studium der Hebräischen Bibel bzw. des Alten Testaments zur Überwindung antijüdischer Stereotypen beitragen könnte. Und schienen die Reskripte der Konsistorien zu Anhalt-Bernburg und zu Sondershausen diesen Hoffnungen nicht Auftrieb zu geben? Herxheimer, seit seiner Amtseinführung in einem ständigen engen Kontakt mit dem Konsistorium stehend, scheint demnach sein Bibelwerk wie auch alle übrigen pädagogischen, synagogalen und schulischen Angelegenheiten mit dem Konsistorium abgestimmt zu haben. Das Aufkommen der historisch-kritischen Bibelforschung, wodurch lange als unantastbar geltende religiöse Normen radikal infrage gestellt wurden, stellte

(Rosenmüller, 1768 – 1835), S. 174 ff. (de Wette, 1780 – 1849), S. 160 ff. (Gesenius, 1786 – 1842), S. 157 ff. u. S.199 ff. (Ewald, 1748 – 1822).  Philosophisches Hauptwerk des zuvor genannten Maimonides.  Wolf (Benjamin Ze’ev) Heidenheim (1757– 1832) war ein bedeutender jüdischer Gelehrter und Bibelwissenschaftler; siehe zu Heidenheim auch den Beitrag von Hanna Liss im vorliegenden Band.  Herxheimer, Pentateuch, S. VII.  Weitere protestantische Bibelgelehrte und ihre Werke werden von Herxheimer im Literaturverzeichnis angeführt.  Siehe dazu den Beitrag von Rüdiger Liwak im vorliegenden Band.

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schließlich Christen wie Juden vor die gleichen Herausforderungen.³⁷ So hat sich Herxheimer in der Einleitung zur Tora insbesondere mit der damals viel diskutierten Frage, wer denn der Autor des Pentateuchs sei, auseinandergesetzt. Dabei war es ihm zunächst einmal wichtig zu betonen, dass in dieser Frage unter den damaligen protestantischen Gelehrten keineswegs Einmütigkeit bestanden und auch schon der jüdische Gelehrte und Philosoph Baruch de Spinoza (1632 – 1677) die Verfasserschaft des Mose in Frage gestellt habe, indem er „dem Esra die letzte Redaktion des Pentateuchs zuschrieb“.³⁸ Als Vertreter der im Anschluss an Jean Astruc (1684 – 1766), dem Leibarzt von Ludwig XV., in Mode gekommenen Quellenkritik – wobei Astruc noch davon ausging, dass Mose zwei Hauptquellen mit den unterschiedlichen Gottesnamen Elohim und JHWH benutzt habe³⁹ – nennt er Johann Severin Vater, Wilhelm Martin Leberecht de Wette und Peter von Bohlen; als Verfechter der Einheit der Tora und ihrer mosaischen Autorschaft die christlichen Theologen Johann David Michaelis, Johann Jahn, Johann Gottfried Eichhorn und Friedrich Heinrich Ranke sowie den jüdischen Weltweisen Moses Mendelssohn. Ein besonderes Problem stellten in dieser frühen Phase der Bibelkritik die von de Wette herausgearbeiteten terminologischen Unterschiede zwischen dem Deuteronomium und den vier vorangehenden Büchern dar, die de Wette zu der Annahme führten, dass fünfte Buch Mose müsse von einem sehr viel jüngeren Autor herrühren. Herxheimer verzichtet hier auf eigene Analysen und stützt sich ganz auf die Ausführungen von Friedrich Heinrich Ranke (1798 – 1876), übrigens ein Bruder des berühmten Historikers Leopold von Ranke (1795 – 1886), die er wörtlich anführt: „Es ist in der Tat überraschend zu sehen, wie diese Reden (Mose’s im Deuteronomium) in ihrem historischen sowohl, als in ihrem legislatorischen Theil so vollkommen auf der Grundlage der vorigen Bücher ruhen.“ Am Ende der Einleitung zur Tora zieht Herxheimer das folgende Gesamtfazit: „Indem wir noch wegen anderer Einwürfe gegen die Autenthie des Pentateuchs […] auf den Kommentar verweisen, schließen wir uns dem seit Jahrtausenden allgemein geltenden Glauben an, daß bis auf Einiges, was vielleicht Josua hinzugefügt hat,  Zur modernen jüdischen Bibeltradition sind in den zurückliegenden Jahren mehrere grundlegende Studien erschienen: Bechtoldt, Hans-Joachim: Die jüdische Bibelkritik im 19. Jahrhundert. Stuttgart [u. a.] 1995; Shavit,Yaacov u. Mordechai Eran: The Hebrew Bible Reborn. From Holy Scripture to the Book of Books. A History of Biblical Culture and the Battles over the Bible in Modern Judaism. Berlin 2007; HaCohen, Ran: Reclaiming the Hebrew Bible. German-Jewish Reception of Biblical Criticism. Berlin [u. a.] 2010; Levenson, Alan T.: The Making of the Modern Jewish Bible. How Scholars in Germany, Israel, and America Transformed an Ancient Text. Lanham [u. a.] 2011.  Herxheimer, Pentateuch, S. XIII.  Hinzu kommen zehn Nebenquellen für diejenigen Texte, die Astruc den Hauptquellen nicht zuordnen konnte.

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Mose der Verfasser des Pentateuchs sei.“⁴⁰ Herxheimer spielt mit diesen Worten auf eine Tradition des Babylonischen Talmuds an, wonach die letzten Verse des Pentateuchs über den Tod des Mose nicht von ihm selbst, sondern von Josua stammen.⁴¹ Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass hier ein ganz wesentliches Motiv für die Verbreitung der Herxheimer-Bibel im anhaltischen Bernburg zu sehen ist: Zum einen wollte man den Klerus darüber belehren, nicht jeder neumodischen These der Bibelwissenschaft nachzueifern, zugleich aber auch all jene Geistlichen, die durch die historisch-kritische Forschung zutiefst verunsichert waren und „wahre mosaische Sittlichkeit und Religion“⁴² infrage gestellt sahen, vor Augen führen, dass ein profunder Kenner der jüdischen wie auch der protestantischen Bibelüberlieferung unschwer an der „Authentie“ des Pentateuchs festzuhalten verstand. Und so konnte Herxheimer, wie wir aus dem im Centrum Judaicum an der Neuen Synagoge Berlin erhaltenen Kopiebuch seiner Korrespondenzen und Amtshandlungen der Jahre 1835 – 1842 erfahren, am 9. Dezember 1841 eine erste Lieferung von 44 Exemplaren des Pentateuchs an das Anhaltische Konsistorium schicken.⁴³ Und schon bald sollte er einen weiteren Erfolg mit seinem Bibelwerk verbuchen: So heißt es am 27. Januar 1843 in der von Julius Fürst (1805 – 1873) herausgegebenen Zeitschrift Der Orient: Sondershausen, 17. Jan. Sehr erfreulich ist es, daß Werke jüdischer Gelehrten auch unter den Christen Anerkennung finden und selbst von Landesbehörden gefördert werden. Nicht allein das herzogliche Consistorium zu Bernburg hat, wie Sie im Orient mitgetheilt, die israelische Bibel von Dr. Herxheimer für alle Pastoren des Landes angeschafft, sondern auch das hiesige Hochfürstliche Consistorium hat die Herren Geistlichen der Fürstlichen Unterherrschaft zur Supscription auf dieselbe veranlaßt.⁴⁴

 Herxheimer, Pentateuch, S. XIXf.  Herxheimer, Pentateuch, S. XI. Vgl. bBB 14b. So auch in der zweiten Auflage von 1854, S. XXIII. In der dritten Auflage des Pentateuch-Kommentars von 1865 ist das „sei“ durch ein bekräftigendes „ist“ ersetzt. Am Ende des Kommentars zu Dtn 34 geht Herxheimer ausführlicher auf diese Talmudstelle ein.  Vgl. Geiger, Zeitschrift, S. 465.  Die Kopiebücher der Jahre 1835 – 1842 und 1846 – 1854 befinden sich im Archiv der Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“; siehe dazu Jersch-Wenzel u. Rürup, Quellen, Bd. 6, Teil II: Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“, bearb. von Barbara Welker, München 2001. S. 580: Dokument: 1, 75 B Be 1, Nr. 4. Es wäre zu überprüfen, ob sich das fehlende Kopiebuch der Jahre 1843 – 1845, das uns weiteren Aufschluss über die Versendung der Bibel im Anhaltischen Herzogtum geben könnte, in den Jerusalemer Central Archives for the History of the Jewish People befindet. Ich danke der Archivleiterin des Centrum Judaicum, Frau Barbara Welker, für wertvolle Hinweise auf die Herxheimer-Bestände ebendort.  Der Orient 4 (24. 1. 1843). S. 29 f.

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4 Herxheimers Bibelwerk im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen Anders als dies in Bernburg-Anhalt der Fall ist, sind uns Herxheimers Begehren an das „Hochfürtstliche Hochlöbliche Consistorium“ vom 29. Oktober 1841 und der auf den 6. November 1841 datierte Konsistorial-Beschluss wie auch alle nachfolgenden Korrespondenzen zwischen Herxheimer und dem Konsistorium zu Sondershausen erhalten geblieben. Die Dokumente befinden sich heute in dem zum Landesarchiv Thüringen gehörenden Staatsarchiv Rudolstadt. Nach diesen Dokumenten ist es deutlich, dass die Initiative von Herxheimer selbst ausgegangen ist, der sein Ansinnen nur zwei Tage nach dem Konsistorial-Beschluss von AnhaltBernburg an das Sondershausener Konsistorium gerichtet hat. Der Text wird hier erstmals ediert und kommentiert (Abb. 1):⁴⁵ Hochfürstliches, hochlöbliches Consistorium! Mehrseitig aufgefordert, sämtliche Schriften des Alten Testaments in derselben Weise wie meinen Pentateuch, den ich einem hochfürstlichen Consistorio anliegend zu überreichen mich beehre, herauszugeben, habe ich mich zu dieser Arbeit entschlossen, und hat bereits Herzogliches Consistorium allhier für sämtliche geistlichen Stellen des hiesigen Landes darauf subscirbiert. Ich erlaube mir daher die gehorsamste Anfrage: Ob auch Großfürstliches Hochlöbliches Consistorium es für zweckmäßig erachte, daß aus den Kirchenkassen des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen für jede geistliche Stelle ein Exemplar der Bibel des Alten Testaments im Urtexte mit Übersetzung, fortlaufender Erklärung und homiletisch benutzbaren Andeutungen zur Kirchen-Bibliothek angeschafft werde? Ich glaube, daß dieses Werk den respectiven Geistlichen und Schulmännern in jeder Beziehung willkommen und nützlich sein würde, indem es ihnen nicht nur einen correcten ebräischen Text und eine beim Pentateuch bereits anerkannt gute Übersetzung, sondern auch die Ergebnisse der gediegensten älteren und neuesten jüdischen und christlichen Exegese darbieten wird. Auch möchte in dogmatischer Hinsicht kein Bedenken gegen dasselbe obwalten, da es, wie bereits der Pentateuch bekunden dürfte, die Erscheinungen des Kriticismus zuvor keineswegs ignorierend, doch von einseitigem Hypothetesiren frei, mit unbefangener Wissenschaftlichkeit eine feste biblische Gläubigkeit zu vereinen sucht. Die Anschaffung des Werkes würde übrigens jährlich kaum eine Ausgabe von 1 ½ Thlr. verursachen, da es außer dem bereits erschienen Pentateuch, in ungefähr 25 – 30 Lieferungen à 6 gGr. herauskommen soll.

 Ich danke Herrn Dr. Uwe Grandke, Oberarchivrat am Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Rudolstadt (LATH – StA Rudolstadt), für seine tatkräftige Unterstützung bei der Recherche der Herxheimer-Archivalien, für die wichtigen Hinweise auf die Konsistorial-Abteilungen des Fürstentums und ihrer Mitglieder sowie für die Bereitstellung der Dokumente.

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Abb. 1a+b: Herxheimers Schreiben an das Konsistorium zu Sondershausen, mit der Bitte, seine Bibel für die Pfarrstellen des Fürstentums anzuschaffen. Über den Werth des Pentateuchs haben sich bereits competente Recensionen günstig ausgesprochen, und ich werde den übrigen heiligen Schriften nicht weniger Sorgfalt widmen. In der Überzeugung, daß ein Hochfürstliches Consistorium ein Werk, das eben so sehr der Wissenschaft, als der Gemeinnützigkeit und dem Heiligen dient, gern unterstützen und befördern werde, erhoffe ich eine baldige hochgeneigte Resolution und beharre hochachtungsvoll Hochfürstlichen Hochlöblichen Consistorii. Gehorsamster Dr. Herxheimer Herzogl. Landesrabbiner Bernburg, den 29te Octob. 1841.⁴⁶

Für Herxheimer war es also wichtig zu betonen, dass er einerseits die „Erscheinungen des Kriticismus“, sprich die aufkommende historisch-kritische Bibel-

 LATH – StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen Nr. 105, Fol. 2.

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Abb. 2: Der von Friedrich Wilhelm Leopold gezeichnete Beschluss der ersten Abteilung des Konsistoriums mit dem Auftrag an die zweite Abteilung, die Subskription auf Herxheimers Bibelwerk zu veranlassen.

wissenschaft, nicht ignoriert wissen wollte, wie er andererseits nicht gewillt war, sich von „wilden“ Hypothesen irritieren zu lassen, vielmehr „feste biblische Gläubigkeit“ als Leitgedanken seines Bibelwerkes anführt. Und genau dies dürfte die positiven Reaktionen der Konsistorien zu Anhalt und zu Sondershausen evoziert haben. Das von der ersten Abteilung des Konsistoriums zu Sondershausen an die zweite Abteilung gerichtete Reskript datiert auf den 6. November 1841 und hat folgenden Wortlaut (Abb. 2): Der Herzogl. Anhaltische Landesrabbiner Dr. Herzxheimer zu Bernburg hat uns in der anschriftlich beigehenden Zuschrift angezeigt, daß er die sämtlichen Schriften des alten Tes-

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taments im Urtexte und mit Übersetzung und fortlaufenden Erklärungen herauszugeben beabsichtige. Indem wir Einem Fürstlichen Hochwürdigen Consistorium IIte Abtheilung das uns zugegangenen Exemplar des in dieser Weise von ihm bereits edirten Pentateuchs anbei mitzutheilen uns beehren, geben wir es Wohldestalben⁴⁷sachverständigem Ermessen ergebenst anheim, darüber einen Beschluß zu fassen, wie mit dem Antrag des Dr. Herxheimer wegen Subscription auf sein umfängliches Werk zu berücksichtigen sey. Wir erlauben uns dabei nur zu bemerken, daß wir es nicht für zulästig erachten, auf Kosten der Kirchenkassen für jede geistliche Stelle des Fürstenthums ein Exemplar des Werks anzuschaffen. Sondershausen am 6ten November 1841. Fürstl. Schwarzburgl. Consistorium I. Abtheilung. F.W. Leopold.⁴⁸

Von diesen beiden Konsistorialentscheidungen zu Anhalt und zu Sondershausen wurde in jüdischen Zeitschriften sehr positiv berichtet und dabei diese Entscheidung als einen Erfolg der Emanzipationsbestrebungen gefeiert.⁴⁹ Für Herxheimer war es wichtig zu betonen, „daß das hiesige [= Anhalt-Bernburgische] Consistorium meine Bibel nicht blos empfohlen, sondern selbst für sämtliche Pastoren des Herzogsthums aus den Kichencassen angeschafft hat“.⁵⁰ Herxheimer bezieht sich hier auf die sehr wohlmeinende Rezension von Julius Fürst in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Der Orient, wo es geheißen hatte, „daß die Regierung sein Bibelwerk den christl. Predigern empfohlen habe“ und wie dies in Sondershausen offenkundig praktiziert wurde.⁵¹

5 Die Herxheimer-Bibel im Spiegel der zeitgenössischen jüdischen Zeitschriften Nicht allein die Verteilung der Herxheimer-Bibel unter dem christlichen Klerus, vor allem auch die von Herxheimer angestrebte „Texttreue“ beim Übersetzen stieß in diesen Zeitschriftenrezensionen auf ein durchweg positives Echo, worauf Herxheimer nicht ohne einen gewissen Stolz in seinem Anschreiben an das Sondershausener Konsistorium hingewiesen hat. Zudem wurde lobend hervorgehoben, dass es Herxheimer gelungen sei, die traditionelle jüdische Auslegungstradition mit den Methoden und Ergebnissen der zeitgenössischen protes    

D. h. in dieser Angelegenheit. LATH – StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen Nr. 105, Fol. 3. Siehe dazu die Ausführungen bei Bechtoldt, Bibelübersetzungen, S. 258 ff. Der Orient 1 (3. 1. 1843). S. 8. (Hervorhebung im Original). Literaturblatt des Orients 45 (1. 11. 1842). Sp. 707.

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tantischen Bibelwissenschaft zu verbinden.⁵² Und wenn doch bisweilen Kritik an seinem Bibelwerk geübt wurde, dann im Blick auf einen als zu modernistisch empfundenen Kommentar. So kommentiert Herxheimer den Bericht über Abrahams Beschneidung in Gen 17,27 wie folgt: Ueber den Zweck u. Ursprung der Beschneidung gerade an dem bestimmten Körpertheil, sind vielerlei Vermuthungen z. B. daß sie die Zeugungsfähigkeit erhöhen, gewisse Krankheiten abhalten, zu frühe Entwicklung der Wollust verhindern, die Untrüglichkeit der als Siegeszeichen aufgewiesenen feindlichen praeputia bewähren sollte; allein bei alle dem hat sich das Gegentheil bei Beschnittenen und Unbeschnittenen gezeigt. Ebenso unerwiesen ist, daß sie bei den Aethiopiern und aegyptischen Priestern früher vorhanden gewesen sei, als bei Abraham. Auch, daß sie beabsichtigt, in der Erinnerung an Gott die Geschlechtstriebe zu bezähmen, kann bei den Völkern auf Otahaiti usw., wo man sie angetroffen, nicht ursprünglicher Zweck gewesen sein. – Für den Israeliten ist sie Symbol des Bundes.⁵³

Der aus Bernburg stammende jüdische Historiker Isaak Markus Jost (1793 – 1860), der Herxheimers Bibelwerk im Allgemeinen sehr wohlwollend gegenüberstand, gerade auch im Blick auf die von ihm gewählte Übersetzungspraxis: „Eine gute, wörtliche Uebersetzung, die sich indessen doch mit der deutschen Sprache zu vertragen sucht, und diese nicht allzusehr hebraisirt“, fühlte sich dann aber doch hinsichtlich des Kommentars zur Beschneidung mit dem Hinweis auf die in Tahiti bestehende Beschneidungspraxis in den von ihm herausgegebenen Israelitischen Annalen vom 27. September 1839 zu folgender kritischen Anmerkung herausgefordert: Einige Andeutungen, zumal, da die Handbibel auch dem weiblichen Geschlechte zur Erbauung dienen soll, könnten der Vollständigkeit unbeschadet kürzer gefaßt werden, oder wegbleiben. […] Wenn man auch die Ziererei, welche stets etwas Unschickliches zu sagen fürchtet, mit Recht verurtheilt, so braucht man doch nicht öffentlich ohne Noth Themata herbeizuziehen, welche das edlere Gefühl verletzen. Wir bemerken dies, weil es vielleicht für die Behandlung ähnlicher Stellen in den folgenden Heften von Nutzen sein dürfte. […] Die Ausstattung ist gut. Der Preis sehr billig.⁵⁴

Herxheimer ist dem Hinweis seines Rezensenten gefolgt und hat in den beiden Ausgaben von 1854 und 1865 diesen Passus weggelassen, wobei noch genauer zu untersuchen wäre, worin sich die verschiedenen Ausgaben der Herxheimer-Bibel

 Siehe dazu die obengenannte Rezension von Moses Elkan.  S. 52 der 1840er-Ausgabe seiner Genesis-Ausgabe. (Gedruckt in Berlin in Lewent’s Buchhandlung; Genesis bis Leviticus 1839 – 1840).  Israelitische Annalen 39 (27. 9. 1839). S. 312. Jost bezieht sich auf die bereits im Jahre 1839 erschienenen sechs ersten Lieferungen des Pentateuchs.

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im Detail unterscheiden, inwiefern Herxheimer etwa neuere bibelwissenschaftliche Erkenntnisse seiner Zeit in die beiden überarbeiteten Ausgaben aufgenommen hat.

6 Herxheimers Bibelwerk im Urteil evangelischer und katholischer Kirchenzeitungen Die Annahme der Herxheimer-Bibel durch die staatlichen Konsistorien als frühes Beispiel eines interkonfessionellen Dialogs sollte schon sehr bald auf heftigen Widerspruch in der evangelischen wie auch katholischen Kirche stoßen. Daher ist es gewiss kein Zufall, dass bei den nun folgenden Lieferungen wie auch Neuauflagen der Herxheimer-Bibel auf den Zusatz „für Juden und Christen bearbeitet“ verzichtet wurde. Zu den Gegnern gehörte vor allem der Berliner Alttestamentler Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802– 1869), der diese Entscheidung der Anhaltischen Kirche zusammen mit der Teilnahme evangelischer Pastoren an der Einweihungsfeier der Synagoge in dem mecklenburgisch-vorpommerischen Städtchen Anklam⁵⁵ in der von ihm begründeten und herausgegebenen Evangelischen Kirchenzeitung, dem wohl einflussreichsten konservativ-kirchlichen Publikationsorgan im protestantischen Deutschland der damaligen Zeit, aufs Schärfste kritisierte: Was aber die Toleranz betrifft, die Christentum, Mosen und Mohammed auf gleiche Linie stellt, und meint, wir Christen hätten nicht mehr und nicht weniger Anrechte und Ansprüche auf die ewige Seligkeit, als die Juden, Türken und Heiden, diese schlechte Toleranz, […] welche die Gränzscheide zwischen Christenthum und Judenthum aufhebt, ist ein Kind des Unglaubens und ein garstiger Fleck an dem Leben der Christenheit. Die rechte Toleranz, die das Evangelium predigt, und die nichts Anderes ist als die Liebe, welche nicht das Ihre suchet, sondern selig zu machen trachtet, was verloren ist, diese wird verachtet, daher auch unter den sich tolerant dünkenden Christen Keiner aufstehen wird, um den Heiden und den verlorenen Kindern aus dem Hause Israel das Evangelium zu bringen, statt ihnen ihre Tempel zu weihen. […] Die Mission ist das Werk der christlichen Toleranz, sie hilft nicht die Finsternis, sondern das Licht vermehren, und zeigt sich darin als das Werk ächter christlicher Liebe. [… Die] schlechte Toleranz hingegen, die dem Katholicismus wie dem Protestantismus, dem Judenthum wie dem Christenthum, dem Unglauben wie dem Glauben gleiche Geltung, gleiche Rechte einräumt, wird in unserer Zeit überall angepriesen und gepflegt […].⁵⁶

 Die Synagoge wurde im Novemberpogrom 1938 zerstört.  Evangelische Kirchenzeitung vom 29. 12. 1841. Sp. 830 f.

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Hengstenbergs antiaufklärerische Haltung, seine Polemik gegen den aufgeklärten Toleranzgedanken und die Emanzipationsbestrebungen sowie sein ausgeprägter Antijudaismus sind bekannt. So gehörte er der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden an, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Jüdinnen und Juden zum Protestantismus zu bekehren.⁵⁷ Als nächstes Beispiel sei aus dem Bremer Kirchenboten, herausgegeben von dem Bremer Pastor Friedrich Ludwig Mallet (1792– 1865), vom 9. Januar 1842 zitiert: Fürwahr, man traut seinen Augen nicht. Welche Protistution [!] der protestantisch theologischen Wissenschaft in Deutschland! Aber welche Fortschritte werden nun die evangelischen Geistlichen Anhalts im Bibelstudium unter der Anleitung eines Landrabbiners machen? Wie herrlich werden sie mit Benutzung der homiletischen Andeutungen eines ungläubigen Juden über die biblischen Weissagungen von unserem Herrn Jesus Christus und seinem Reiche predigen! Wie werden sie in der Achtung ihrer Gemeinden wachsen, wenn diese sich sagen müssen: das Consistorium hat unsere Pastoren zu dem Landrabbiner in die Schule geschickt, und durch sie erklärt uns der Landrabbiner die Bibel.⁵⁸

In ganz ähnlicher Weise wurde über das Anhaltische Bibelprojekt in dem evangelisch-missionarisch ausgerichteten Bergedorfer Boten vom 29. Januar 1842 geurteilt;⁵⁹ dieser Artikel wurde dann wörtlich und nur mit geringen orthografischen Änderungen in die Katholische Kirchenzeitung vom 28. Februar 1842 aufgenommen: Man traut seinen Sinnen nicht, wenn man das Anschreiben des Consistoriums liest, meint, man träume vielleicht. Aber es ist leider schmähliche Wahrheit, daß sämmtliche Geistliche des Herzogthums Anhalt-Bernburg auf diese Weise zum Judenrabbiner in die Schule geschickt werden. Von diesem also sollen sie die Propheten auslegen lernen. Sämmtliche theologische Universitäts-Professoren also taugen nicht dazu, ordentliche Bibelerkenntniß beizubringen, sondern diese muß von den Juden geholt werden, die unsern Herrn Christus nach ihrer Bibelerkenntniß verwerfen, und fortwährend dabei bleiben, daß er nicht der Verheißene, sondern daß unser hochgelobter Heiland ein Lügner und falscher Messias sey. Thäten sie das nicht, meinten sie, daß er der Verheißene sey, so müßten sie ihn ja annehmen; wenn Dr. Herxheimer ihn für den wahren Messias hielte, würde er ja nicht mehr Rabbiner seyn. Nein: als Rabbiner beweist er aus den Propheten, daß Jesus nicht der Christus ist,

 Siehe dazu Heschel, Susannah: Der jüdische Jesus und das Christentum. Abraham Geigers Herausforderung an die christliche Theologie. Berlin 2001 (amerikanisches Original: Abraham Geiger and the Jewish Jesus. Chicago 1988). Zu den Hauptvertretern der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden gehörten neben Hengstenberg preußische Adelige wie Job von Witzleben, Anton zu Stolberg-Wernigerode, Hans Ernst von Kottwitz oder auch der Erweckungstheologe August Tholuck.  Bremer Kirchenbote vom 9. 1. 1841. S. 3.  Bergedorfer Bote 5 (29. 1. 1842). Sp. 36 f.

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Abb. 3: Ein ungeöffnetes Exemplar der Herxheimer-Bibel, adressiert an den Pfarrer H. P. W. aus Radisleben. sondern daß der rechte Messias noch erst kommen soll, und eine christliche Kirchenbehörde verlangt von Geistlichen und Gemeinden, daß sie das Buch, in welchem der Jude das beweist, sich anschaffen sollen, nicht etwa, um es zu widerlegen, sondern damit sie im „gründlichen Bibelstudium gefördert werden“. So glaubt das Consistorium auch nicht, daß Jesus der wahre Heiland sey; so gibt es den Juden darin Recht, daß sie ihn verwerfen, so stimmt es ihnen bei, daß er des Todes am Holze, als ein Verfluchter und Gotteslästerer, werth gewesen! Furchtbar! Möge es dem Consistorium vom Herrn nicht als eine Verleugnung Christi, als eine Judashandlung angerechnet werden! Möge der Herr dazu sagen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!“ Aber werden die Geistlichen keine Einsprache gegen die Verordnung einlegen? Werden das am Ende die Nichtgeistlichen thun müssen?⁶⁰

In dieser im Bergedorfer Boten wie auch in der Katholischen Kirchenzeitung publizierten Polemik gegen das Anhaltische Bibelprojekt wird im Kontext eines traditionellen Antijudaismus ganz offen zu Protest-Eingaben an das AnhaltBernburger Herzogtum aufgerufen. Leider haben sich, wie bereits erwähnt, die Konsistorialakten aus dieser Zeit, die uns Auskunft über solche Eingaben an das Konsistorium geben könnten, nicht erhalten. Die Konsistorialakten aus Sondershausen dokumentieren einen regen Schriftverkehr zwischen Herxheimer und  Katholische Kirchenzeitung 17 (28. 2. 1842). S. 143.

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dem dortigen Konsistorium und lassen dabei klar erkennen, dass das Interesse an seinem Bibelwerk rasch nachließ. Die Dokumente vermitteln zudem den Eindruck eines recht mühseligen Geschäftes hinsichtlich der Bestellung, des Versandes und der Abrechnung (inklusive von Remittenden) der einzelnen Lieferungen – dies dürfte vor allem auch als Folge des weithin negativen Urteils über Herxheimers Bibelwerk in der christlichen Mehrheitskultur anzusehen sein. Im landeskirchlichen Archiv in Dessau ist der zweifelhafte Erfolg dieser Proteste eindrücklich dokumentiert.⁶¹ Wenn die Herxheimer-Bibel landesweit an alle Pastoren verteilt wurde, dann könnten oder müssten sich einige Exemplare in den im Kirchlichen Landesarchiv Dessau aufbewahrten anhaltischen Pastoral-Nachlässen erhalten haben. Und in der Tat: Auf die Herkunft der Herxheimer-Bibel in diesen Nachlässen verweist der handschriftliche Eintrag: „Zum Inventar des Pastorats gehörig“ wie dies etwa bei einem gebundenen Exemplar der Vorderen Propheten der Fall ist. In dem landeskirchlichen Archiv findet sich zudem Herxheimers Lehrbuch Jesode ha-Tora, was auf die Verbreitung dieses Werkes auch unter evangelischen Pastoren verweist. Und hier findet sich dann noch ein ungeöffnetes Exemplar der Herxheimer-Bibel, an den Pfarrer H. P. W. [= Herrn Pfarrer Johann Heinrich Weise] aus Radisleben adressiert,⁶² der sich offenkundig geweigert hatte, dieses ungebetene Geschenk zu öffnen (Abb. 3). Das Siegel des Herzoglich-Anhaltischen Consistoriums zu Bernburg ist auch nach gut 170 Jahren unversehrt erhalten, die Sendung ist als „herrschaftlich“, d. h. als privilegierte Postsendung, gekennzeichnet (Abb. 4).⁶³ Bei dieser Sendung handelte sich um die in den Jahren 1846 bis 1848 erschienenen zwölf Lieferungen der Hagiografen.

7 Zusammenfassung Der jüdische Orientalist Julius Fürst schrieb im Anschluss an seine Mitteilung über die Entscheidung des Konsistoriums zu Sondershausen, den Pastoren des Fürstentums – wie zuvor im Herzogtum Bernburg-Anhalt geschehen – die HerxheimerBibel zugänglich zu machen: „Sehr erfreulich ist es, daß Werke jüdischer Gelehrten auch unter den Christen Anerkennung finden und selbst von Landesbehörden gefördert werden. […] Wahrlich schöne Zeichen unsrer Zeit, ehrend wie für

 Ich danke Herrn Günter Preckel, Leiter des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche Anhalts, für seine Hinweise auf die Herxheimer betreffenden Archivalien und die Bereitstellung derselben.  Zu Johann Heinrich Weise siehe Graf, Pfarrerbuch, S. 182 u. S. 462.  Ich danke Herrn Günter Preckel für die Auflösung des Kürzels und die Identifizierung des Inhalts.

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Abb. 4: Das Siegel des Anhalt-Bernburgischen Konsistoriums.

den humanen Sinn der Hohen Behörden und Geistlichen, so für die wissenschaftlichen und gediegenen Bestrebungen der Rabbinen“.⁶⁴ Die Entscheidungen der Konsistorien zu Bernburg und zu Sondershausen, die Bibelausgabe des Bernburger Landesrabbiners Salomon Herxheimer für alle Pfarrstellen des Herzogtums anzuschaffen bzw. die Geistlichen zur Subskription auf dieses Werk aufzufordern, stellen in der deutsch-jüdischen Geschichte ein einmaliges Unterfangen dar, das in jüdischen Zeitschriften als Erfolg der Emanzipationsbestrebungen wie auch als Ausdruck eines „humanen Sinnes“ in der Mehrheitskultur gefeiert wurde. Das Besondere von Herxheimers Bibelprojekt lag zweifellos darin, dass er sowohl die traditionelle jüdische Auslegungstradition wie auch die zeitgenössische protestantische Bibelwissenschaft in den Anmerkungen und Glossen zu seiner Übersetzung zu berücksichtigen suchte. Zeigt sich Herxheimer in diesen Kommentaren gegenüber modernen historischen und naturkundlichen Erkenntnissen durchaus aufgeschlossen, so ist für ihn andererseits die mosaische Verfasserschaft des Pentateuchs nicht infrage zu stellen. Julius Fürst hat Herxheimer ausdrücklich dafür gelobt, dass er sich in der Einleitung zu seinem Bibelwerk dieser heiklen Frage nach der Verfasserschaft der Tora gestellt

 Der Orient 4 (24. 1. 1843). S. 29 f.

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hat, wenn er im Literaturblatt des Orients vom 1. November 1842 schreibt: „Diesen glatteisigen Boden [der Verfasserschaft des Pentateuchs], so wenig er noch von jüdischen Exegeten betreten wurde, hat Hr. H[erxheimer] nicht gescheut, und gerade diesem Paragraphen ist eine vorzügliche Sorgfalt gewidmet.“ Daher sollte man die Konsistorialentscheidungen auch im Kontext der Debatte um die Verfasserschaft der Tora sehen und als eine Art Disziplinierungsmaßnahme des Klerus verstehen in dem Sinne, nicht jeder neumodischen These der Bibelwissenschaft nachzueifern, vielmehr sich von einem profunden Kenner der jüdischen wie der christlichen Tradition darüber belehren zu lassen, dass auch die Quellenkritik keineswegs der „Weisheit letzter Schluss“ ist. Wie schon aus dem Zusatz „für Juden und Christen bearbeitet“ auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe seiner Bibel deutlich zu erkennen ist, strebte Herxheimer mit seinem Bibelprojekt einen Dialog mit der christlichen Mehrheitskultur an, wobei er immer wieder hervorhob, dass die hebräische Bibel, das Alte Testament der Christen, auf den Lehren des Mose gründe, eines Mannes, „der nur für unser Heil, für Israels und des ganzen Menschengeschlechts Aufklärung, Tugend und Glückseligkeit lehrte, schrieb, lebte und wirkte“.⁶⁵ Herxheimers Bemühen, die gemeinsame religiöse, ethische und sittliche Grundlage von Judentum und Christentum zu betonen und damit die Grundlage für einen interreligiösen Dialog zu schaffen, sollte jenseits der Konsistorialentscheidungen in der christlich dominierten Mehrheitskultur lediglich auf Ablehnung und schroffe Kritik stoßen, in der sich überkommene antijüdische Klischees ebenso artikulierten wie eine Verunglimpfung der Konsistorien zu Bernburg und Sondershausen.

 Herxheimer, Pentateuch, Deuteronomium, S. 121.

Anhang

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Über die Autorinnen und Autoren

Herrmann, Klaus, Akademischer Rat am Institut für Judaistik der Freien Universität Berlin. 1989 Promotion ebendort mit der Arbeit „Massekhet Hekhalot. Traktat von den himmlischen Palästen“ (Tübingen 1994). Zahlreiche Publikationen zur frühen jüdischen Mystik und zum Reformjudentum: (mit Peter Schäfer) Übersetzung der Hekhalot-Literatur. Bd. 1. Tübingen 1995; (mit Joseph Dan) Studies in Jewish Manuscripts. Tübingen 1998; Sefer Jezira. Buch der Schöpfung. Frankfurt a. M. 2008; „Es ist das Heil uns kommen her“ – Emanzipation und Reform im Judentum. In: Jüdische Lebenswelten: Von der Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. von Ernst Baltrusch u. Uwe Puschner. Frankfurt a. M. 2016. S. 211 – 242. Krone, Kerstin von der, Research Fellow am Deutschen Historischen Institut Washington DC. 2010 Promotion in Religionswissenschaft/Judaistik mit der Arbeit „Wissenschaft in Öffentlichkeit. Die Wissenschaft des Judentums und ihre Zeitschriften“ (Berlin, 2012) an der Universität Erfurt. Publizierte u. a. „The Representation and Creation of Spaces through Print Media. Some Insights from the History of the Jewish Press“. In: Space and Spatiality in Modern German-Jewish History, hrsg. von Simone Lässig, Miriam Rürup. Oxford/New York 2017. S. 125 – 139.; Old and New Orders of Knowledge in Modern Jewish History. In: Bulletin of the German Historical Institute 59 (Fall 2016). S. 59 – 82; Wissenschaft in Context. A Research Essay on the Wissenschaft des Judentums. (mit Mirjam Thulin), In: The Leo Baeck Institute Year Book 58 (2013). S. 249 – 280. Liss, Hanna, Professorin für Bibel und Jüdische Bibelauslegung an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. 1995 Promotion an der Freien Universiät Berlin mit der Arbeit „El‘asar ben Yehuda von Worms, Hilkhot ha-Kavod. Die Lehrsätze von der Herrlichkeit Gottes. Edition, Übersetzung. Kommentar“ (Tübingen 1997). 2002 Habilitation an der Universität Halle-Wittenberg mit der Arbeit „Die unerhörte Prophetie. Kommunikative Strukturen prophetischer Rede im Buch Yesha’yahu“ (Leipzig 2003). Wichtige Monografien sind „Creating Fictional Worlds. Peshat Exegesis and Narrativity in Rashbam’s Commentary on the Torah“. Leiden [u. a.] 2011; „Tanach. Lehrbuch der jüdischen Bibel“. 4. erw. u. aktual. Aufl. Heidelberg 2018; „Jüdische Bibelauslegung“. Tübingen 2019. Liwak, Rüdiger, Benno-Jacob-Gastprofessor an der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam. 1976 Promotion mit der Arbeit „Überlieferungsgeschichtliche Probleme des Ezechielbuches. Eine Studie zu postezechielischen Interpretationen und Kompositionen“ (Bochum 1976). 1984 Habilitation mit der Arbeit „Der Prophet und die Geschichte. Eine literarhistorische Untersuchung zum Jeremiabuch“ (Stuttgart [u. a.] 1987, BWANT 121). Publizierte u. a.: Israel in der altorientalischen Welt. Gesammelte Studien zur Kultur- und Religionsgeschichte des antiken Israel, hrsg. von Markus. Witte und Dagmar Pruin. Berlin [u. a.] 2013 (BZAW 444). Mitherausgeber des Revisionsprojektes zur dreibändigen Bibelübersetzung des Rabbiners Ludwig Philippson (2015 – 2018). Lohmann, Uta, Fellow am Maimonides Centre for Advanced Studies der Universität Hamburg. 2012 Promotion an der Universität Duisburg-Essen mit der Arbeit „David Friedländer. Reformpolitik im Zeichen von Aufklärung und Emanzipation“ (Hannover 2013). Seit 2001 Mitherausgeberin der Schriftenreihe „Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland“. Zahlreiche Publikationen zur Haskala, zuletzt: „Innere Veredlung der Menschen sollte der Zweck aller Religionen sein. Elisa von der Recke im Gespräch mit Moses Mendelssohn und David Friedländer“. In:

Über die Autorinnen und Autoren

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Elisa von der Recke. Kontexte und Perspektiven. Hrsg. von Valérie Leyh, Adelheid Müller u. Vera Viehöver. Heidelberg 2018. S. 147 – 168. Plietzsch, Susanne, Professorin für Judaistik am Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Universität Salzburg. 1999 Promotion an der Universität Leipzig; Titel der publizierten Dissertation: „Kontexte der Freiheit. Konzepte der Befreiung bei Paulus und im rabbinischen Judentum“. Stuttgart 2005 (Judentum und Christentum 16). 2009 Habilitation an der Universität Basel mit der Arbeit „Text, Identität und Differenz. Weichenstellungen im antiken Judentum“. Publizierte u. a. „Durchblicke. Horizonte jüdischer Kulturgeschichte“. Hrsg. von Susanne Plietzsch u. Armin Eidherr in Zusammenarbeit mit Sebastian Hartmann. Berlin 2018 (Jüdische Kulturgeschichte der Moderne 13). Salzer, Dorothea M., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Insitut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft der Universität Potsdam. 2008 Promotion an der Freien Universität Berlin mit der Arbeit „Die Magie der Anspielung: Form und Funktion biblischer Anspielungen in den magischen Texten aus der Kairoer Geniza“ (Tübingen 2010, TSAJ 134). Publizierte u. a. Adam, Eve, and Jewish Children. Rewriting the Creation of Eve for the Jewish Young at the Beginning of Jewish Modernization. In: Jewish Quarterly Review 106/3 (2016). S. 396 – 411; Altneuer Text: Jüdische Kinderbibeln und die Popularisierung der Hebräischen Bibel. In: Übertragungen heiliger Texte in Judentum, Christentum und Islam. Fallstudien zu Formen und Grenzen der Transposition. Hrsg. von Katharina Heyden u. Henrike Manuwald. Tübingen 2018. S. 171−194. Schorch, Grit, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Haskala im Dialog“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 2011 Promotion an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg mit der Arbeit „Moses Mendelssohns Sprachpolitik“ (Berlin 2012). Publizierte u. a.: Das Institutum Judaicum et Muhammedicum in Halle. Mission ohne Konversion? Studien zu Arbeit und Umfeld des Instituts. Hrsg. v. Grit Schorch u. Brigitte Klosterberg. Halle 2018 (Hallesche Forschungen 51); „Die Menschen sind nur durch Trennung zu vereinigen!“ Mendelssohn and Lessing on Language, Religion, and Politics. In: Lessing Yearbook XXXIX (2011). S. 69 – 87; Zwischen Sakralität und Säkularität: Die Hohelied-Übersetzung Moses Mendelssohns. In: Leipziger Beiträge für Jüdische Geschichte und Kultur 1 (2003). S. 123 – 144. Schulte, Christoph, Professor für Philosophie und Jüdische Studien an der Universität Potsdam. 1987 Promotion an der Freien Universität Berlin mit der Arbeit „radikal böse. Die Karriere des Bösen von Kant bis Nietztsche“. 1996 Habilitation an der Universität Potsdam mit der Arbeit „Psychopathologie des Fin de siècle. Der Kulturkritiker Arzt und Zionist Max Nordau“. Publizerte u. a. Die jüdische Aufklärung. Philosophie Religion Geschichte. München 2002 (GleimLiteraturpreis 2003); (Hrsg.) Moses Mendelssohn. Ausgewählte Werke. Studienausgabe. 2 Bde. Darmstadt 2009 u. 2. Aufl. 2012; Zimzum. Gott und Weltursprung. Berlin 2014. Wittler, Kathrin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Freie Universität Berlin. 2016 Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Arbeit „Morgenländischer Glanz. Eine deutsche jüdische Literaturgeschichte (1750 – 1850)“ (erscheint Tübingen 2019, Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 79). Publizierte u. a. Ein hebräischer Klopstock? Naphtali Herz Wesselys „Shirei Tiferet“ und die Bibel-Epik des 18. Jahrhunderts. In: Naharaim 12 (2018). S. 153 – 172; Towards a Bookish History of German Jewish Culture. Travelling Images

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Über die Autorinnen und Autoren

and Orientalist Knowledge in Philippson’s „Israelitische Bibel“ (1839 – 1854). In: Leo Baeck Institute Year Book 62 (2017). S. 151 – 177. Zirkle, Alexandra, Postdoctoral Fellow am Elie Wiesel Center for Jewish Studies der Boston University. 2016 Promotion an der University of Chicago Divinity School mit der Arbeit „Modeling the Temple. The Politics of German Jewish Biblical Hermeneutics“. Publizierte u. a. Remembering Heinrich Graetz, the Well-Known Exegete. In: Jewish Quarterly Review 109/3 (erscheint Herbst 2019); Dismantling Orientalist Fantasies and Protestant Hegemony. German Jewish Exegetes and Their Retrieval of Josephus the Jew. In: The Reception of Josephus in Jewish Culture from the Eighteenth Century to the Present. Hrsg. von Andrea Schatz. (Erscheint Leiden 2019); Tortured Readings. Hermeneutics and the Authorization of State Violence. In: Is There a Bomb in This Text? Exploring Relationships Between Scripture and Violence. Hrsg. von Julia Snyder u. Daniel H. Weiss. (Erscheint London 2019).

Abbildungsverzeichnis Dorothea M. Salzer: Kinderbibeln als Mittel jüdischer Bibelauslegung Abb. 1: Prinz, Joachim: Die Geschichten der Bibel. Der jüdischen Jugend neu erzählt von Joachim Prinz. Mit vielen Bildern von Heinz Wallenberg. Berlin 1934. S. 38 Abb. 2: Geismar, Otto: Bilder-Bibel. Für Kinder gezeichnet. Berlin 1928. S. 24

Hanna Liss: „Die niedere Kritik“. Das Studium der Masora zwischen Wissenschaft des Judentums und Bibelwissenschaft Abb. 1: MS London Or. 2091, fol. 203r; © British Library Abb. 2a+b: Meʼor Enajim. Sefer Wajikra. Verlegt und gedruckt von W. Heidenheim. Rödelheim 1819; bereitgestellt von der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

Rüdiger Liwak: Bibelübersetzung und Kommentarwerk des liberalen Rabbiners Ludwig Philippson Abb. 1: ‫ תורה נביאים וכתובים‬.‫מקרא‬: Die Israelitische Bibel. Enthaltend: Den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine, ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten. Herausgegeben von D. Ludwig Philippson. Bd. 1. Leipzig 1844. S. 16 Abb. 2: ‫ תורה נביאים וכתובים‬.‫מקרא‬: Die Israelitische Bibel. Enthaltend: Den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine, ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten. Herausgegeben von D. Ludwig Philippson. Bd. 2. Leipzig 1848. S. 1014 Abb. 3: Greßmann, Hugo: Altorientalische Bilder zum Alten Testament. 2. Aufl. Berlin/Leipzig 1927. Abb. 51 Abb. 4: ‫ תורה נביאים וכתובים‬.‫מקרא‬: Die Israelitische Bibel. Enthaltend: Den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine, ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten. Herausgegeben von D. Ludwig Philippson. Bd. 1. Leipzig 1844. S. 323 (Ausschnitt) Abb. 5: ‫ תורה נביאים וכתובים‬.‫מקרא‬: Die Israelitische Bibel. Enthaltend: Den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung, die allgemeine, ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten. Herausgegeben von D. Ludwig Philippson. Bd. 3. Leipzig 1854. S. 1173

https://doi.org/10.1515/9783110551631-019

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Abbildungsverzeichnis

Christoph Schulte: Der Ewige. Moses Mendelssohn als Tora-Übersetzer und -Exeget Abb. 1+2: Sefer Netivot ha-Shalom. Berlin 1783; abgedruckt in: Mendelssohn, Moses: Der Pentateuch. Das zweite Buch Moses (Hebräische Schriften 2/3). In: Ders.: Gesammelte Schriften (JubA). Bd. 16 (1990). S. 26 f.

Klaus Herrmann: Herxheimers Bibelwerk Abb. 1a+b: LATH – StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen Nr. 105, Fol. 2 Abb. 2: LATH – StA Rudolstadt, Konsistorium Sondershausen Nr. 105, Fol. 3 Abb. 3: Ein ungeöffnetes Exemplar der Herxheimer-Bibel, adressiert an den Pfarrer H. P. W. aus Radisleben. Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche Anhalts Abb. 4: Das Siegel des Anhalt-Bernburgischen Konsistoriums. Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche Anhalts

Personenregister Abarbanel 244 Adonija, Ja‘akov ben Chajim ben Jitzchak ibn 144 Albo, Joseph 105 Alexius Friedrich Christian 251 Ambrosius von Mailand 31 Aquin, Thomas von 241 Aristoteles 243 Ascher, Saul 246 Asher, Ja‘akov ben 141, 156 Astruc, Jean 181, 225, 257 Auerbach, Baruch 99 Auerbach, Jakob 113 Baer, Seligmann Isaak 139, 155 f. Bamberger, Seligmann 62, 65, 70 – 72 Baschwitz, Baruch 153 Batteux, Charles 21 Bechtoldt, Hans-Joachim 153 Beer, Peretz 120 Beer, Peter 119, 124 – 127 Behr, Alexander 104 Bendavid, Lazarus 93 f. Benet, Naphtali 104 Berlin, Isaiah 68 Bock, Moses Hirsch 86 f., 99 Boeckh, August 199 Bohlen, Peter von 46, 257 Bomberg, Daniel 144 f. Börmel, Johann Gottfried 15 Breuer, Edward 175, 192 Buber, Martin 57 Chagall, Marc 207 Chajim, Ja‘akov ben 150 Chnumhotep II 209 Claussen, Johann Hinrich 27 Cohen, Hermann 108 Cohen, Salomon Jacob 83 Cohn, Abraham 126 f., 129 f. Delitzsch, Franz 155 f., 172 Detmold, Samuel 189 f.

Dinkelspiel, Abraham 126 f., 129 f. Dohm, Christian Wilhelm 24, 41 – 43, 49, 52 Doré, Gustave 203 Dotan, Aron 146, 156 Dubno, Salomon 147 Eichhorn, Johann Gottfried 11, 17 f., 139, 147, 179 – 182, 244, 257 Eisenmenger, Johann Andreas 42 Elkan, Moses 248 Engländer, Hermann 189 Ettlinger, Jacob 62 Euchel, Isaak 83 f., 86 f., 178 Ewald, Heinrich 174 Ezra, Abraham ibn 141, 153, 174 Feilchenfeld, Wolf 62 Ferdinand I. 186 Formstecher, Salomon 108 Fränkel, David 87, 239 Frankel, Zacharias 200, 245 Frensdorff, Salomon 139, 150 – 152 Freudenthal, Max 113 Friedländer, David 11 f., 18 – 23, 77 – 80, 83 – 85, 87 – 90, 93 f., 115, 118 Fürst, Julius 258, 262, 267 f. Gaʻon, Saʻadja 106, 238 Geiger, Abraham 3, 5, 25 f., 33 f., 36 – 40, 139 f., 155 – 158, 161 – 165, 167 – 170, 199 f. Geismar, Otto 131 Gershon, R. Levi ben 154 Gesenius, Wilhelm 156, 174 f. Glogau, Sussmann 184 Goldberg, Lea 8 Gotzmann, Andreas 105 Graf, Karl Heinrich 26 Gramberg, C. P. W. 47 Gröning, F. W. 250 Gugenheimer, Joseph 65 f. ha-Nakdan, Jekutiel

154, 156

304

Personenregister

ha-Nakdan, Moshe 144 haCohen, Ran 153 Harris, Jay 65 Hartmann, Anton Theodor 42 f., 45, 47 – 49, 52, 174 Haupt, Paul 215 he-Chasid, Jehuda 141 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 54 Heidenheim, Benjamin Wolf 139, 152 – 156, 175 Heidenheim, Wolf 146 Heine, Heinrich 218 Heinemann, Jeremias 86 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 264 f. Herder, Johann Gottfried 11, 14 – 18, 180, 244 Herxheimer, Salomon 3, 6 f., 41, 44 – 50, 52, 54 f., 65, 104, 108 f., 201, 223, 247 f., 250 – 260, 262 – 264, 267 – 269 Herz, Henriette 20 Herz, Marcus 89 Hildesheimer, Esriel 62 f. Hirsch, Samson Raphael 3, 57, 59 f., 63 – 73, 106, 156 Hirsch, Samuel 108 Hoffmann, David Zvi 63 Homberg, Herz 98, 104 Hupfeld, Hermann Christian Karl Friedrich 151 f., 154 Hyrkanos, Eliezers ben 183 Itzig, Isaak Daniel

85

Jacob, Annette 222 Jacob, Benno 6 f., 215 – 231 Jacob, Ernst 222 f., 225, 229 Jacob, Herbert 222 Jacob, Walter 217, 222 Jacobson, Israel 87 Jahn, Johann 257 Jehuda, El’azar ben 141 Jeitteles, Baruch 187 Jeitteles, Jonas 172, 187 Jeitteles, Juda 5, 171 – 174, 177, 182 f., 187 – 192 Johlson, Josef 64, 101, 104, 128, 130 Joseph II. 189

Joseph II. 189 Jost, Isaak Markus

156, 263

Kaempf, Saul Isaac 203 Kahle, Paul 146, 158 Kant, Immanuel 107, 246 Kautzsch, Emil 156 Kayserling, Meyer 61 Kellermann, Benzion 219 Kellermanns, Benzion 219 Kimchi, David 174 f. Kitto, John 202 Kley, Eduard 99, 104 Klopstock, Friedrich Gottlieb 13 Klostermann, August 225 Kressel, Getzel 177 Kurzböck, Joseph Lorenz Edler von

189

Lämel, Louise 187 Lämel, Rikel/Regine 187 Landau, Ezechiel 183 – 188 Landau, Moses Israel 188 Landau, Samuel 183, 185 – 187, 191 Landau, Wolf 203 Lehmann, Marcus 62 Leibniz, Gottfried Wilhelm 241 Leibowitz, Nechama 8 Lessing, Gotthold Ephraim 11 – 13, 22, 181 f. Letteris, Max/Meʼir 189 Levita, Elia 145, 147, 150 Lonzano, Menachem ben Jehuda de 146 Löwe, Joel 11 f., 15 – 19, 22, 83, 87, 178 f. Lowth, Robert 244 Ludwig XV 257 Luther, Martin 57 f., 201, 233, 244 Luzzatto, Hezekiah 165 Luzzatto, Samuel David 5, 161 f., 165 – 170 Maier, Joseph 104, 118 Maimonides 61, 99, 105, 107, 238 – 243 Mainz, Moshe 70 Malczewski, Franz 78 Mallet, Friedrich Ludwig 265 Maria Theresia 186 Mecklenburg, R. Ja‘akov Tzvi 155 Mendels-Flohr, Paul 90

Personenregister

Mendelssohn, Moses 4 – 6, 11 – 14, 16 – 23, 42, 57, 64, 71 f., 78, 80 – 87, 89 f., 139, 147 – 149, 153, 171 f., 176 f., 180, 183 – 187, 190 f., 233 f., 237 – 248, 257 Michaelis, Johann David 47, 49, 53, 147, 154, 180, 244, 257 Michaelis, Johann Heinrich 147 Moritz, Karl Philipp 11, 20 f., 89 Moses, Aaron Berechja ben 188 Moulton, Richard G. 216 Muenster, Sebastian 145 Munk, Salomon 149 Münthinge, Hermann 47 Nachmanides 238 Naftali, ben 156 Necho II. 211 Neubauer, Adolf 149 f. Neumann, Immanuel Moritz 127 Neumann, Moses 122 – 125, 127 Nirenberg, David 3, 26, 30 f., 39 Nolte, Johann Wilhelm Heinrich 93 f. Nortzi, Jedidja Salomon Raphael ben Abraham 144, 146 Obernik, Meʼir 189 f. Onkelos 167, 238 Pelli, Moshe 175 Penkower, Israel 146 Pesaro, Aaron von 191 Philippson, Ludwig 3, 6, 41, 44, 49 – 55, 57, 59 – 69, 71 f., 174 f., 197 – 209, 211 – 213, 256 Philippson, Moses 198 Philippson, Phoebus 174, 198, 202 Phillipson, Ludwig 64 Philo von Alexandrien 106 Plessner, Salomon 104, 107, 109 Prate, Daniel da 144 Prinz, Joachim 131 f. Pudelek, Jan-Peter 21 Raabe, Abraham Gottlieb 244 Ramler, Karl Wilhelm 13 Ranke, Friedrich Heinrich 257 Ranke, Leopold von 257

305

Raschbam 154 Raschi 141, 154, 183, 190 f., 244 Reimarus, Hermann Samuel 244 Rosenzweig, Franz 57, 222 f., 231 f., 242 Rosselini, Ippolito 209 Rossi, Azarja de 147 Rossi, J. B. de 147 Salomon, Gotthold 42 f., 64 Schatz, Andrea 175 Schlegel, Dorothea 20 Schleiermacher, Friedrich 204 Schmid, Aaron 83 Schmid, Anton 171, 173, 175, 177 f., 183, 186, 188 – 192 Schmidt, Johann Lorenz 244 Schmolke, Benjamin 129 Schorsch, Ismar 161 Schwarzfeld, Moses/Michael 189 Semler, Johann Salomo 180, 244, 253 Sethos I. 211 Sheehan, Thomas 57 Snaith, Norman H. 146 Solomon, Gotthold 43 Sorkin, David 181 Spinoza, Baruch de 171, 181, 244 f., 257 Starcke, George Friedrich 234 Stern, David 143 Theodosius I. 31 Thutmosis III. 211 Tuch, Friedrich 46 Umbreit, F. W. C.

47 f.

Vater, Johann Severin 257 Vatke, Wilhelm 27, 51 – 54, 205 Vilmar, Eduard 151 Volkov, Shulamit 117 Walther, Timon Gustav Theodor 249 Weinberg, Werner 244 Weise, Johann Heinrich 267 Wellhausen, Julius 3, 25 – 28, 30, 32, 39 f., 205, 218, 224 Wenzel, Rainer 234

306

Personenregister

Wessely, Naphtali Herz 80, 83 f., 87 – 90, 97 f., 147, 149, 153, 191 Wette, Wilhelm Martin Leberecht de 257 Weyl, Meyer Simon 93 f., 99 Widmanstetter, Johann Albrecht 145 Wiese, Christian 153 Wolfssohn, Aaron 11 f., 15 – 19, 22, 83, 87, 179

Yeivin, Israel

146

Ze’ev, Juda Leib ben 5, 100, 171 – 183, 189 – 192 Zimmermann, Johann Georg 14 Zippe, Augustin 119 Zunz, Leopold 64, 98, 201