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German Pages [364] Year 2021
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor
Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Tobias Nicklas (Regensburg) · Janet Spittler (Charlottesville, VA) J. Ross Wagner (Durham, NC)
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Otfried Hofius
Exegetische und theologische Studien
Mohr Siebeck
Otfried Hofius, geboren 1937; 1969 Promotion; 1971 Habilitation; 1965–1972 Pfarrer; 1972– 1980 Professor für Ev. Theologie und ihre Didaktik (Schwerpunkt Bibelwissenschaft) in Paderborn; seit 1980 o. Professor für Neues Testament in Tübingen; 2002 emeritiert.
ISBN 978-3-16-160890-2 / eISBN 978-3-16-160891-9 DOI 10.1628/978-3-16-160891-9 ISSN 0512-1604 / eISSN 2568-7476 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Der vorliegende Band vereinigt achtzehn Studien, von denen fünf zunächst in ausländischen Publikationen erschienen sind und vier jetzt erstmals veröffentlicht werden. Die Beiträge sind zentralen Texten und Themen neutestamentlicher Exegese aus dem Bereich der Evangelien, der Paulusbriefe und der Deuteropaulinen gewidmet oder sie bieten theologische bzw. auslegungsgeschichtliche Überlegungen, zu denen Ergebnisse exegetischer Arbeit den Anlaß gegeben haben und in denen sie weitergeführt werden. Die bereits veröffentlichten Studien sind um der einheitlichen Textgestaltung willen formal überarbeitet worden, während sie inhaltlich unverändert blieben. Zur Bezeichnung der SeptuagintaPsalmen wurde durchgehend der griechische Buchstabe Ψ verwendet. Dem Verlag und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – insbesondere Frau Elena Müller und Herrn Matthias Spitzner – danke ich herzlich für die ausgezeichnete Betreuung des Bandes und Herrn Martin Fischer für die ansprechende Gestaltung des Satzes. Meine Freunde Dr. Martin Bauspieß und PD Dr. Emmanuel Rehfeld haben die bislang unveröffentlichten Arbeiten kritisch gelesen und mir wertvolle Hinweise gegeben. Dafür, vor allem aber auch für den intensiven theologischen Austausch über viele Jahre hin gilt ihnen mein besonderer Dank. Tübingen, im Juli 2021
Otfried Hofius
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V „Abba! Vater!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Sprachliche Probleme im griechischen Text des Vaterunsers. Zur Exegese der ersten und dritten Wir-Bitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung. Mk 2,1–12 als narratives Christuszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 „In eurer Tora steht geschrieben“. Zur Auslegung von Joh 8,17; 10,34; 15,25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu. Joh 13,1–11 als narratives Christuszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Mensch und Schöpfung nach dem Zeugnis des Römerbriefs . . . . . . . . . . . 91 „Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 „Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“? Zum Problem der Übersetzung und Auslegung von 2 Kor 5,7 . . . . . . . . . . 121 „Extra nos in Christo“. Voraussetzung und Fundament des „pro nobis“ und des „in nobis“ in der Theologie des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Gottes Wort im Menschenwort. Zum Verständnis des Evangeliums bei dem Apostel Paulus . . . . . . . . . . . . 153 „Sünde“ – „Gesetz“ – „Gnade“. Überlegungen zu drei Grundbegriffen paulinischer Theologie . . . . . . . . . . 163
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Inhaltsverzeichnis
Das kirchliche Amt der Verkündigung bei Paulus und in den Deuteropaulinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die Ordination zum Amt der Kircheund die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Das Predigtamt der Kirche und das Priestertum aller Gläubigen . . . . . . . . 215 Die Frage nach dem „historischen Jesus“ als theologisches Problem . . . . . 229 Jesus Christus – die Mitte der Heiligen Schrift. Grundlinien des evangelischen Schriftverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Die Auferweckung des Lazarusin den gottesdienstlichen Hymnen der Orthodoxen Kirche. Ein Beitrag zur Auslegungsgeschichte von Joh 11,1–44 . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Struktur und Gedankengang des Christushymnus Ὁ μονογενὴς Υἱός . . . . . 283 Bibliographie Otfried Hofius (2009–2021) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Nachweis der Erstveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register griechischer Begriffe und Wendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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„Abba! Vater!“ An drei Stellen des Neuen Testaments begegnet der Ausdruck ἀββὰ ὁ πατήρ, in dem ein aramäisches und ein griechisches Nomen miteinander verbunden sind: in Mk 14,36, in Röm 8,15 und in Gal 4,6.1 Die Frage nach dem philologischen und theologischen Verständnis des zweisprachigen Ausdrucks selbst wie auch insbesondere des aramäischen Bestandteils ἀββά (= ’[ ַא ָבּאabbā’ ]2) ist in der Exegese umstritten und bedarf weiterhin der Diskussion. Aus der bisherigen Forschung sind vor allem die Namen Joachim Jeremias und Georg Schelbert hervorzuheben. Jeremias hat dem Wort ἀββά mehrere gewichtige Untersuchungen gewidmet, die in der neutestamentlichen Exegese zunächst weithin rezipiert worden sind.3 In den letzten Jahrzehnten jedoch sind sie zum Gegenstand recht kritischer Erörterungen geworden, wobei hier in erster Linie Georg Schelbert genannt zu werden verdient.4 Er hat nach mehreren Vorarbeiten in einer Monographie das gesamte „Vater“-Material des frühjüdischen Schrifttums zusammengestellt und auf dieser Basis die Sicht Jeremias’ einer umfassenden Überprüfung unterzogen.5 Daß einige der von Jeremias vertretenen Urteile zu revidieren sind, 1 Im Novum Testamentum Graece ed. Nestle / Aland bleibt seit der 26. Auflage αββα unakzentuiert, weil in der Forschung die beiden Akzentuierungen ἀββά und ἀββᾶ vertreten werden. In neuerer Zeit wird in der Regel ἀββά geschrieben. 2 Gelegentlich findet sich auch die Schreibung mit Hē als Mater lectionis: ’( ַא ָבּהabbāh). 3 Zu nennen ist vor allem: J. Jeremias, Abba, in: Ders., Abba. Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966, 15–67 (im Folgenden ohne Verweis auf Anm. 3 zitiert). S. ferner: Kennzeichen der ipsissima vox Jesu (1954), in: Abba, 145–151: 145–148; Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung (1962), in: Abba, 152–171: 162–164; Abba, in: Ders., The Central Message of the New Testament, London 1965, 9–30; Die Botschaft Jesu vom Vater (CwH 92), Stuttgart 1968, 15–19; Neutestamentliche Theologie I: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh ⁴1988, 45.67–73.191 f. 4 Außer Schelbert seien erwähnt: J. Barr, ’Abbā Isn’t ‘Daddy’, JThS NS 39 (1988) 28–47; A. Strotmann, „Mein Vater bist du!“ (Sir 51,10). Zur Bedeutung der Vaterschaft Gottes in kanonischen und nichtkanonischen frühjüdischen Schriften (FTS 39), Frankfurt am Main 1991, 12–15.377–379; Dies., Die Vaterschaft Gottes in der Bibel, BiFor (2002) 1–14: 6–9; Chr. Zimmermann, Die Namen des Vaters. Studien zu ausgewählten neutestamentlichen Gottesbezeichnungen, Leiden 2011, 42–48.76–83; U. Schattner-Rieser, Das Aramäische zur Zeit Jesu, „ABBA!“ und das Vaterunser. Reflexionen zur Muttersprache Jesu anhand der Texte von Qumran und der frühen Targumim, in: J. Frey / E. E. Popkes (Hg.), Jesus, Paulus und die Texte von Qumran (WUNT II 390), Tübingen 2015, 81–144: 97–106.108–111; J. Frey, Das Vaterunser im Horizont antik-jüdischen Betens unter besonderer Berücksichtigung der Textfunde vom Toten Meer, in: F. Wilk (Hg.), Das Vaterunser in seinen antiken Kontexten. Zum Gedenken an Eduard Lohse, Göttingen 2016, 1–24: 10–16. 5 G. Schelbert, ABBA Vater. Der literarische Befund vom Altaramäischen bis zu den späten Midrasch- und Haggada-Werken in Auseinandersetzung mit den Thesen von Joachim
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„Abba! Vater!“
steht daraufhin außer Zweifel.6 Aber auch die Arbeiten Schelberts bedürfen einer kritischen Lektüre und sind nicht ohne weiteres als das letzte Wort zum Thema „Abba“ anzusehen.7 Eine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit den Positionen der beiden Exegeten ist – wie ausdrücklich bemerkt sei – in dem vorliegenden Aufsatz nicht beabsichtigt. Ich möchte vielmehr meine eigene Sicht darlegen, wie ich sie aufgrund einer erneuten Beschäftigung mit den relevanten Quellen gewonnen habe.8
I Die drei Verse Mk 14,36, Röm 8,15 und Gal 4,6 sind die frühesten Belege für das Wort ’abbā’, und sie sind zugleich auch die einzigen bisher bekannten Belege aus der Zeit Jesu bzw. aus der Zeit des Neuen Testaments.9 Angesichts dessen ist es angezeigt, in einem ersten Schritt ausschließlich diese Texte in den Blick zu fassen und zu fragen, was sich aus ihnen für das Verständnis des aramäischen Wortes ergibt. In Mk 14,36 erscheinen die Worte ἀββὰ ὁ πατήρ als Gebetsanrede Gottes. Mit ihr beginnt das Gebet, das Jesus in der Gethsemane-Erzählung Mk 14,32–42 auf dem Weg an das Kreuz an seinen himmlischen Vater richtet: πάντα δυνατά σοι· παρένεγκε τὸ ποτήριον τοῦτο ἀπ’ ἐμοῦ· ἀλλ’ οὐ τί ἐγὼ θέλω ἀλλὰ τί σύ („Alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch10 von mir! Doch nicht [um das geht es], was ich will, sondern [um das,] was du willst“11). Die das Gebet eröffnenden Worte Jeremias (NTOA 81), Göttingen 2011 (im Folgenden ohne Verweis auf Anm. 5 zitiert). Der Monographie gingen voraus: Sprachgeschichtliches zu ‚Abba‘, in: P. Casetti / O. Keel / A. Schenker (Hg.), Mélanges Dominique Barthélemy (OBO 38), Fribourg – Göttingen 1981, 395–447; Abba, Vater! Stand der Frage, FZPhTh 40 (1993) 259–281; Abbâ, Vater! Überlegungen zu den Überlegungen von Prof. Ruckstuhl, FZPhTh 41 (1994) 526–531; Art. Abba, in: RGG⁴ I (1998) 5 f. 6 Das gilt in gleicher Weise für meinen Artikel ἀββά in: TBLNT Neubearbeitete Ausgabe II (2000) 1721 f. (eine Neufassung von TBLNT II/2 [1971] 1241 f.). 7 Abgesehen von kritisch zu hinterfragenden Sachurteilen finden sich in der Monographie Schelberts verschiedentlich Unausgeglichenheiten in der Darstellung und Unklarheiten in der Argumentation. Einiges erwähnt die – insgesamt sehr positive – Rezension von A. Strotmann, ThLZ 138 (2013) 37–40: 40. 8 Aus der Literatur nenne ich noch: M. Hengel, Abba, Maranatha, Hosanna und die Anfänge der Christologie, in: Ders., Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, hg. v. C.J. Thornton (WUNT 201), Tübingen 2006, 496–534: 498–512.522–534. 9 Dieses Urteil setzt voraus, daß ’abbā’ nicht auch in dem Fragment CTLevi ar Bodl. a (Zeile 23) sowie in zwei Ossuar-Inschriften aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. belegt ist. S. dazu unten Teil II des Aufsatzes bei den Anmerkungen 48–54 und 58–60. 10 Das ποτήριον ist wie in Mk 10,38 f. der Todeskelch, d. h. Bild für Leiden und Sterben (ebenso Mt 20,22 f.; 26,39; Lk 22,42; Joh 18,11). 11 Zu οὐ τί ἐγὼ θέλω ἀλλὰ τί σύ ist nicht ein γινέσθω oder γενέσθω oder γενηθήτω zu ergänzen, denn dann wäre statt eines οὐ ein μή gefordert (vgl. Lk 22,42). Liest man das τί als echtes Fragepronomen, dann ergibt sich als Sinn der Worte: „Die Frage ist nicht, was ich will, sondern was du willst.“ Die Aussage über die Willenseinheit zwischen Jesus und dem Vater
„Abba! Vater!“
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ἀββὰ ὁ πατήρ wollen nicht so verstanden sein, als habe Jesus seinen Vater in zwei Sprachen – nämlich auf aramäisch und auf griechisch – angerufen. Das griechische ὁ πατήρ ist vielmehr für die Leser des Evangeliums als Übersetzung des aramäischen Wortes ἀββά hinzugefügt worden, und der zweisprachige Ausdruck bedeutet demnach: „Abba! [das heißt:] Vater!“12 Im Markusevangelium werden bei den sonstigen zweisprachigen Ausdrücken beide Bestandteile durch ὅ ἐστιν oder durch ὅ ἐστιν μεθερμηνευόμενον miteinander verbunden.13 Die singuläre asyndetische Aneinanderfügung von Mk 14,3614 dürfte deshalb gewählt sein, weil eine verbindende Wendung im Fall der unmittelbar an Gott gerichteten Gebetsanrede als unangemessen empfunden wurde. Für die weitere sprachliche Analyse der Worte ἀββὰ ὁ πατήρ ist die Feststellung von Bedeutung, daß ὁ πατήρ an unserer Stelle nicht die syntaktische Funktion eines Nominativs hat, sondern Vokativ ist – nämlich die Anrede „Vater!“.15 Dabei handelt es sich keineswegs um einen „recht ungewöhnlichen“ Sprachgebrauch, der als solcher einer besonderen Erklärung bedürfte.16 Daß der determinierte Nominativ Singular als Vokativ dient, begegnet vielmehr bereits – wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß des Hebräischen – in der Septuaginta17 und offenbar
unterstreicht das δεῖ von Mk 8,31 und damit die göttliche Notwendigkeit der „Stunde“ Mk 14,35.41 und des „Todeskelches“ Mk 14,36. 12 So richtig bereits Th. Beza, Testamentum Novum, Genf ⁴1588, I 203 zu ὁ πατήρ Mk 14,36: posterius additum esse ut prius illud peregrinum (sc. ἀββά) declararet. In diesem Sinn ebenfalls z. B. J. A. Bengel, Gnomon Novi Testamenti (³1773), hg. v. P. Steudel, Stuttgart ⁸1891, 208: Marcus videtur interpretationis ergo ‚Pater‘ addidisse. 13 ὅ ἐστιν: Mk 3,17; 7,11.34; ὅ ἐστιν μεθερμηνευόμενον Mk 5,41; 15,22.34. Verbindende Wendungen finden sich ebenfalls bei den lexikalischen Aramaismen der anderen neutestamentlichen Schriften: Mt 27,33.46; Joh 1,41.42; 4,25; 11,16; 20,16.24; 21,2; Apg 1,19; 4,36; 9,36; vgl. auch Mk 10,46; Joh 19,13. 14 Die Formulierung ὁ υἱὸς Τιμαίου Βαρτιμαῖος von Mk 10,46 ist nicht wirklich vergleichbar, weil hier der aramäische Eigenname Bartimaios und seine griechische Übersetzung in der Weise miteinander verbunden sind, daß letztere den übergeordneten Nominalbegriff und ersterer die zu ihm gehörende Apposition bildet. 15 Vgl. bei Markus die beiden anderen aramäischen Vokative mit ihrer griechischen Übersetzung: ἐλωΐ / ὁ θεός μου („mein Gott!“) 15,34 und ταλιθά / τὸ κοράσιον („Mädchen!“) 5,41. 16 Das damit zu korrigierende Urteil bei Hofius, ἀββά (s. Anm. 6), 1722 entsprach dem Befund im klassischen Griechisch, in dem mir für die Verwendung des determinierten Nominativs als Vokativ nur wenige Belege bekannt sind (so z. B. Aristophanes, Pax 466; Ran 521; Eccl 833). 17 S. dazu die Gottesanreden ὁ θεός Ψ 5,11; 16,6; 42,1 f.; 43,2; 56,8 u. ö.; ὁ θεός μου Ψ 3,8; 21,3; 39,9; ὁ θεὸς ὁ θεός μου Ψ 21,2; 62,2; ὁ βασιλεύς μου καὶ ὁ θεός μου Ψ 5,3; ὁ θεός μου καὶ ὁ κύριός μου Ψ 34,23; ὁ θεός μου ὁ βασιλεύς μου Ψ 144,1; ὁ θεὸς ὁ θεὸς ὁ ἐμός Jdt 9,4; ὁ θεὸς τοῦ πατρός μου καὶ θεὸς κληρονομίας Ἰσραήλ Jdt 9,12. Ferner s. etwa: 3 Reg 17,18 B (ὁ ἄνθρωπος τοῦ θεοῦ); 18,26 (ὁ Βάαλ); 20,20 (ὁ ἐχθρός μου); 4 Reg 9,5 (ὁ ἄρχων); 4 Makk 11,12 A (ὁ τύραννος); Ψ 51,3 (ὁ δυνατός); 102,1 f. u. a. (ἡ ψυχή μου); Hhld 1,8 u. a. (ἡ καλὴ ἐν γυναιξίν). – Von dem als Vokativ verwendeten determinierten Nominativ ist syntaktisch der Nominativ zu unterscheiden, der als Apposition durch den Artikel mit einem echten Vokativ verbunden ist (z. B. κύριε ὁ θεός μου Ψ 7,2.4). Hierher gehören 1 Chr 29,10 LXX und Jes 63,16a LXX, wo ὁ πατὴρ ἡμῶν bzw. πατὴρ ἡμῶν nicht Vokativ ist.
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von daher dann auch mehrfach im Neuen Testament18. Eine direkte Parallele zu der Gebetsanrede ὁ πατήρ findet sich in Mt 11,26 par. Lk 10,21c, wo der Ausdruck den unmittelbar vorher in Mt 11,25b par. Lk 10,21b erscheinenden Vokativ πάτερ aufnimmt und diesem mithin gleichwertig ist.19 Zu vergleichen ist in ApkMos 32,2 das Nebeneinander der Vokative ὁ θεός und ὁ πατὴρ τῶν πάντων („Vater von allem!“).20 Aus dem Tatbestand, daß ὁ πατήρ in der Gebetsanrede von Mk 14,36 Vokativ ist, folgt zwingend, daß das durch ihn übersetzte aramäische Wort ἀββά ebenfalls Vokativ mit der Bedeutung „Vater!“ sein muß. Nicht zufällig erscheint dieser Vokativ in der Gethsemane-Erzählung. Im Kontext des ganzen Evangeliums gelesen bringt sie nämlich zur Sprache, daß der Sohn Gottes, der freiwillig auf die Seite der Sünder getreten ist, im Gehorsam gegen den Willen seines Vaters den Weg an das Kreuz geht, dort stellvertretend das Gericht Gottes auf sich nimmt und so verwirklicht, was zur Errettung der vor Gott verlorenen Menschen geschehen muß.21 Das ἀββά von Mk 14,36 spricht der, der an das Kreuz geht und als der Gekreuzigte von den Toten auferstehen wird (Mk 16,6). An den beiden anderen neutestamentlichen Belegstellen – Röm 8,15 und Gal 4,6 – ist die Wortverbindung ἀββὰ ὁ πατήρ ein vom Heiligen Geist gewirkter Ruf der zum Gottesdienst versammelten christlichen Gemeinde. Nach Röm 8,15 sind die vom Heiligen Geist erfüllten Christen Subjekt des Rufes: ἐλάβετε πνεῦμα υἱοθεσίας ἐν ᾧ κράζομεν· ἀββὰ ὁ πατήρ („ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: ,Abba! Vater!‘“); nach Gal 4,6 ist Subjekt der in den Christen wohnende Heilige Geist selbst: ἐξαπέστειλεν ὁ θεὸς τὸ πνεῦμα τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ εἰς τὰς καρδίας ἡμῶν κρᾶζον· ἀββὰ ὁ πατήρ („Gott hat den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: ,Abba! Vater!‘“). 18 S. etwa: Mt 27,29 v. l. (ὁ βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων); Mk 5,41 (τὸ κοράσιον); 9,25 (τὸ ἄλαλον καὶ κωφὸν πνεῦμα); 15,34 (ὁ θεός μου [Ψ 21,3]); Lk 8,54 (ἡ παῖς); 12,32 (τὸ μικρὸν ποίμνιον); 18,11.13 (ὁ θεός); Joh 13,13 (ὁ κύριος καὶ ὁ διδάσκαλος); 19,3 (ὁ βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων); 20,28 (ὁ κύριός μου καὶ ὁ θεός μου [vgl. Ψ 34,23]); Hebr 1,8 f. (ὁ θεός [Ψ 44,7 f.]); 10,7 (ὁ θεός [Ψ 39,9]); Apk 4,11 (ὁ κύριος καὶ ὁ θεὸς ἡμῶν); 6,10 (ὁ δεσπότης ὁ ἅγιος καὶ ἀληθινός); 15,3 (ὁ βασιλεὺς τῶν ἐθνῶν); 18,4 (ὁ λαός μου). Vgl. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 147,2. 19 Der Lobpreis Jesu Mt 11,25b.26 par. Lk 10,21b.c lautet: ἐξομολογοῦμαί σοι, πάτερ, κύριε τοῦ οὐρανοῦ καὶ τῆς γῆς, ὅτι ἔκρυψας (Lk ἀπέκρυψας) ταῦτα ἀπὸ σοφῶν καὶ συνετῶν καὶ ἀπεκάλυψας αὐτὰ νηπίοις· ναὶ ὁ πατήρ, ὅτι οὕτως εὐδοκία ἐγένετο ἔμπροσθέν σου. 20 Aus den Pseudepigraphen des Alten Testaments notiere ich einige weitere in Gottesanreden als Vokativ verwendete determinierte Nominative: ὁ θεὸς τοῦ οὐρανοῦ καὶ τῆς γῆς ParJer 5,32; ἡ δύναμις ἡμῶν, ὁ θεός ebd. 6,9; τὸ μέγα ὄνομα, ὃ οὐδεὶς δύναται γνῶναι ebd.; τὸ φῶς τὸ ἀληθινὸν τὸ φωτίζον με ebd. 9,3; τὸ φῶς τῶν αἰώνων ebd. 9,25; ὁ θεὸς ὁ αἰώνιος, ὁ πάσης τῆς κτίσεως δημιουργός ApkEsdr 7,5. 21 S. dazu zum einen die Aussagen über Jesus als den „Sohn Gottes“ (Mk 1,1.11; 9,7; 15,39; auch 3,11 f.; 5,7; 12,6) und zum andern insbesondere Mk 1,2–13; 8,31; 9,31; 10,32–34; 10,45; 14,22–25; 15,33 f. Zu beachten ist ferner in der – nicht historisierend zu lesenden – GethsemaneErzählung das Unvermögen der drei Jünger, mit Jesus zu wachen (Mk 14,37.40.41). Das Motiv zeigt an: Jesus geht den Weg an das Kreuz ganz allein. Sein Tod ist ein Geschehen nur zwischen ihm und dem Vater – und als solches ein Geschehen ὑπὲρ πολλῶν (Mk 14,24).
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Im einen wie im andern Fall werden die Worte ἀββὰ ὁ πατήρ als ein inspirierter Ruf gekennzeichnet, so daß die Differenz zwischen den Aussagen „nur eine scheinbare“22 ist. In dem von Paulus zitierten Ruf erblickt die neuere Exegese vielfach eine für sich stehende Akklamation, die in dieser zweisprachigen Gestalt in der gottesdienstlichen Versammlung laut wurde.23 Diese Deutung stützt sich vor allem auf das in Röm 8,15 wie in Gal 4,6 verwendete Verbum κράζειν,24 das einige der Ausleger sogar dazu veranlaßt, an eine ekstatische Akklamation zu denken.25 Zwingend ist diese Interpretation jedoch nicht. Die Deutung auf einen ekstatischen Schrei hat nach meinem Urteil keinerlei begründeten Anhalt in den Texten. Auf die Wendung πνεύματι θεοῦ ἄγεσθαι von Röm 8,14 kann man hier nicht verweisen, denn sie spricht nicht von enthusiastischen oder gar ekstatischen Phänomenen,26 sondern hat wie πνεύματι ἄγεσθαι in Gal 5,18 die Bedeutung „vom Geist Gottes geleitet / geführt werden“ und meint die grundsätzliche Bestimmung der an Jesus Christus Glaubenden durch den Heiligen Geist. Wenn die Glaubenden nach Röm 8,15 „im Geist“ ἀββά rufen, so liegt in dieser Kennzeichnung ebensowenig ein Hinweis auf Enthusiasmus oder Ekstase wie in der Aussage von 1 Kor 12,3, daß das Bekenntnis κύριος Ἰησοῦς nicht anders als ἐν πνεύματι ἁγίῳ möglich sei.27 Was sodann das Verbum κράζειν anlangt, so darf nicht übersehen werden, daß es in der Septuaginta und hier besonders in den Psalmen häufig von dem eindringlichen, aus großer Not und Bedrängnis zu Gott aufsteigenden Gebet verwendet wird.28 Dieser Tatbestand spricht entschieden dafür, daß in den beiden paulinischen Aussagen ebenfalls an W. Grundmann, Art. κράζω κτλ., in: ThWNT III (1938 = 1957) 898–904: 903,27 f. So z. B. H. Schlier, Der Römerbrief (HThK VI), Freiburg – Basel – Wien 1977, 253 f.; E. Käsemann, An die Römer (HNT 8a), Tübingen ⁴1980, 220; E. Lohse, Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen ¹(¹⁵)2003, 241; R. Jewett, Romans (Hermeneia), Minneapolis, MN 2007, 499; M. Wolter, Der Brief an die Römer I: Röm 1–8 (EKK VI/1), NeukirchenVluyn bzw. Ostfildern 2014, 496 f.; H. Schlier, Der Brief an die Galater (KEK 7), Göttingen ⁵(¹⁴)1971, 198 f.; H. D. Betz, Der Galaterbrief. Ein Kommentar zum Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien, München 1988, 368 f. Auch Schelbert, ABBA Vater, 54–58 ist hier zu nennen. 24 Belege für κράζειν bei der Akklamation nennt E. Peterson, ΕΙΣ ΘΕΟΣ. Epigraphische, formgeschichtliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen (FRLANT NF 24), Göttingen 1926, 191–193. 25 So von den in Anm. 23 genannten Exegeten Käsemann, Jewett, Wolter, Betz sowie Schelbert (jeweils a. a. O.). Käsemann bezeichnet κράζειν als einen „technischen Terminus der Akklamation“ und erblickt in ἀββὰ ὁ πατήρ eine Akklamation, „die als solche im ekstatischen Schrei der Gemeindeversammlung der Heilsbotschaft antwortet.“ 26 Die Worte ἤγεσθε ἀπαγόμενοι von 1 Kor 12,2 stützen ein solches Verständnis von ἄγεσθαι Röm 8,14 nicht, weil in ihnen der Aspekt der heidnischen Ekstase von dem Verbum ἀπάγεσθαι abhängt. 27 Daß κύριος Ἰησοῦς ein Bekenntnis ist, wird in den Paulusbriefen ausdrücklich gesagt: Röm 10,9; Phil 2,11. 28 S. etwa Ψ 3,5; 4,4; 16,6; 17,7; 21,3.6.25; 26,7; 27,1; 29,9; 30,23; 33,7.18; 54,17; 56,3; 60,3; 65,17; 85,3.7; 87,2.10.14; 106,6.13.19.28; 119,1; 129,1; 140,1; 141,2.6. Die Liste ließe sich unschwer durch eine ganze Anzahl von Belegen aus anderen Septuaginta-Schriften ergänzen. 22 23
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das Gebet der Gemeinde gedacht ist29 und somit ἀββὰ ὁ πατήρ – nicht anders als in Mk 14,36 – als Gebetsanrede verstanden sein will.30 Auch hier ist ὁ πατήρ Vokativ31 und eine zur Erläuterung hinzugefügte Übersetzung des aramäischen Wortes ἀββά,32 das damit an den paulinischen Stellen ebenfalls als Vokativ erwiesen ist.33 Wenn dieses ἀββά im Munde Mehrerer laut wird, dann heißt es – in Übereinstimmung mit der in Mk 14,36 vorliegenden Bedeutung – ebenfalls einfach „Vater!“. Die beiden paulinischen Texte geben Anlaß zu der Frage, wie griechisch sprechende und überwiegend aus Heidenchristen bestehende Gemeinden dazu kommen, Gott im Gebet mit dem aramäischen Wort ’abbā’ anzurufen. Das läßt sich m. E. nur so erklären, daß sie diese Anrede Gottes von den aramäisch sprechenden Judenchristen übernommen haben, und zwar deshalb, weil sie ebenso wie jene ihr eine besondere Dignität beigemessen haben. Die Wertschätzung der aramäischen Anrufung spiegelt sich nicht zuletzt auch darin wider, daß Paulus an beiden Stellen erklärt: Wenn die Glieder der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde im Gebet mit der Anrufung ἀββά vor Gott treten, dann ist das Folge und Zeichen eines ihnen widerfahrenen heilvollen Ereignisses: Sie haben aufgrund des Christusgeschehens den Geist Gottes empfangen und sind Kinder Gottes geworden34 – sind also eines einzigartigen Gottesverhältnisses teilhaftig geworden. Wo aber liegt dann der Grund dafür, daß ein aramäisches Wort als Ausdruck und Kennzeichen dieses Gottesverhältnisses gilt? Ich sehe keine andere Antwort als jene, die u. a. Jeremias gegeben und zu begründen gesucht hat: Die besondere Dignität der ’abbā’-Anrede ist darin zu erblicken, daß dieser Vokativ die Gebetsanrede Jesu und als solche eine Besonderheit war35 und daß Jesus seine Jünger dazu ermächtigt hat, ihm dieses ’abbā’ nachzusprechen. Mit Jeremias und anderen Exegeten bin ich der Überzeugung, daß 29 Daß das Gebet der Gemeinde in den „Leiden dieses Äons“ laut wird und von der Sehnsucht nach der Heilsvollendung bestimmt ist, kommt in Röm 8 deutlich zur Sprache; s. V. 18 und den gesamten Zusammenhang V. 18–30. 30 So z. B. C. E. B. Cranfield, The Epistle to the Romans I: Introduction and Commentary on Romans I–VIII (ICC), Edinburgh 1980, 399. Zur Gebetsanrede „Vater“ in der christlichen Gemeinde s. auch 1 Petr 1,17. 31 Das wäre übrigens auch dann der Fall, wenn es sich um eine Akklamation handelte. 32 So wiederum bereits Beza, Testamentum Novum (s. Anm. 12), II 54.232, der an beiden Stellen übersetzt: „Abba, id est Pater.“ Auch nach H. Lietzmann, An die Römer (HNT 8), Tübingen ³1928, 84 ist ὁ πατήρ „als Erläuterung hinzugesetzt“. 33 Die asyndetische Anfügung der Übersetzung an das aramäische Wort erklärt sich auch hier dadurch, daß ἀββὰ ὁ πατήρ unmittelbare Anrede Gottes ist. 34 S. die beiden Kontexte: Röm 8,1–17 (besonders 14–16); Gal 3,23–4,7 (besonders 4,4–7). 35 Nach dem Zeugnis der vier Evangelien hat Jesus – von dem Kreuzesruf Mk 15,34 par. Mt 27,46 abgesehen – in seinen Gebeten Gott stets als „Vater“ angeredet (Mk 14,36 par. Mt 26,39.42 / Lk 22,42; Mt 11,25.26 par. Lk 10,21b.c; Lk 23,34.46; Joh 11,41; 12,27.28; 17,l.5.11.21.24.25). Dazu bemerkt Jeremias, Abba, 57 zu Recht: „Diese Konstanz der Überlieferung zeigt, unabhängig von der Frage nach der Authentizität der einzelnen Gebete selbst, wie fest die Vateranrede Gottes in der Jesustradition verwurzelt war.“ Wenn an einer theologisch so bedeutsamen Stelle
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diese Ermächtigung mit der Übergabe des Vaterunsers erfolgt ist, dessen in Lk 11,2b bezeugter Anrede πάτερ ein aramäisches ’abbā’ zugrunde liegt.36 Von daher sehe ich in Röm 8,15 und in Gal 4,6 – zumindest auch – einen Hinweis auf das Herrengebet.37 Gerade von dem Verbum κράζειν her liegt der Gedanke an das Vaterunser nahe! Seine Du-Bitten erflehen ja das Ende aller Menschenund Weltennot durch den Anbruch der βασιλεία τοῦ θεοῦ, und seine Wir-Bitten beziehen sich auf elementare Bedürfnisse der Jünger Jesu: auf die lebensnotwendige Nahrung, auf die Vergebung der Sünden und auf die Bewahrung vor einer Situation, in der es zum Abfall von Gott bzw. von Jesus kommen könnte. Daß die Annahme eines Bezugs zum Vaterunser hypothetisch bleibt, ist mir sehr wohl bewußt; daß die Bestreitung eines solchen Bezugs, die sich vor allem auf die Akklamations-These stützt, besser begründet sei, sehe ich jedoch nicht.
II Wie in der Betrachtung der neutestamentlichen Texte aufgezeigt wurde, ist ἀββά in Mk 14,36 und in Röm 8,15 par. Gal 4,6 syntaktisch ein Vokativ, der in beiden Fällen – d. h. sowohl im Munde eines Einzelnen wie auch im Munde Mehrerer – die Bedeutung „Vater!“ hat. Weitergehende sprachliche Bestimmungen lassen sich aus den drei Texten nicht gewinnen. So kann aus ihnen keineswegs gefolgert werden, daß ’abbā’ über den Gebrauch als Vokativ „Vater!“ hinaus auch die Bedeutungen „der Vater“, „mein Vater“ und „unser Vater“ habe. In der Forschung sind die drei Texte allerdings in diesem Sinn verstanden worden.38 wie in Mk 14,36 das aramäische Wort ἀββά erscheint, dann findet das seine plausibelste Erklärung als eine Reminiszenz daran, daß Jesus dieses Wort als Gebetsanrede verwendet hat. 36 Unter den beiden Fassungen der griechischen Vaterunser-Anrede – πάτερ (Lk 11,2b) und πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς (Mt 6,9b) – ist die lukanische die ursprüngliche. Bei Matthäus ist das bloße πάτερ durch eine Formulierung ersetzt, „wie sie frommer jüdisch-palästinischer Sitte entsprach“ (Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung [s. Anm. 3], 158). Jüdische Parallelen zu der Gebetsanrede sind in Dokumenten aus späterer Zeit belegt: das hebräische ’ābînû šäbbaššāmajim in SedElijR 7 (33,2); 19 (112,18.21) sowie in dem Morgengebet ’attāh hû’ (G. Harfenes, Seder Rab ‛Amram Ga’on, Bene Berak 1994, 16), das aramäische ’ªbûnan dᵉbišmajjā’ in einer Introduktion zum Gesang des Mose (L. Zunz, Literaturgeschichte der synagogalen Poesie, Berlin 1865, 150, dort Nr. 22). Zu der Wendung „Vater, der im Himmel ist“ selbst s. G. Dalman, Die Worte Jesu I, Leipzig ²1930 = Darmstadt 1965, 150–155.296–304. 37 Vgl. außer Jeremias, Abba, 64 f. z. B. Th. Zahn, Der Brief des Paulus an die Römer (KNT 6), Leipzig ¹.²1910, 395; Cranfield, The Epistle to the Romans I (s. Anm. 30), 400; E. Peterson, Der Brief an die Römer (Ausgewählte Schriften 6), Würzburg 1997, 248 f.; P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments I: Grundlegung. Von Jesus zu Paulus, Göttingen 1992, 383. Vgl. auch Lietzmann, An die Römer (s. Anm. 32), 83. 38 Dieses Verständnis beruhte sprachlich auf der – unhaltbaren – Überzeugung, daß die in den Evangelien begegnenden Anredeformen πάτερ, ὁ πατήρ, πάτερ μου und πάτερ ἡμῶν als Übersetzungsvarianten des aramäischen ’abbā’ dessen unterschiedlichen grammatischen Verwendungsmöglichkeiten entsprechen. S. dazu z. B. G. Kittel, Art. ἀββᾶ, in: ThWNT I
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Auf sie berief man sich, wenn bereits für das palästinische Aramäisch des 1. Jahrhunderts n. Chr. jener Sprachgebrauch vorausgesetzt wurde, den man dann vom 2./3. Jahrhundert an in den jüdischen Quellen eindeutig belegt fand39: daß die durch Gemination des zweiten Radikals gekennzeichnete Form ’( ַא ָבּאabbā’ ) zum einen als Status emphaticus40 „der Vater“ verwendet wurde und zum andern die ursprünglichen Formen mit Suffix der 1. Person Singular ’( ַא ִביabî ) „mein Vater“ und der 1. Person Plural אבוּנָ א/ ֲ ’( ֲאבוּנָ הªbûnā’ / ’ ªbûnāh) „unser Vater“ verdrängt hatte.41 Zum Nachweis, daß die drei ἀββὰ ὁ πατήρ-Texte in Wahrheit als Belege für die Bedeutungen „der Vater“, „mein Vater“ und „unser Vater“ ausscheiden, formuliere ich drei Thesen, die ich zunächst begründe und zu denen ich sodann ergänzend auf Befunde hinweise, die sich Quellen aus der Umwelt des Neuen Testaments für das Mittelaramäische (etwa 200 v. Chr. – 200 n. Chr.) entnehmen lassen. 1. Die in Mk 14,36, Röm 8,15 und Gal 4,6 vorliegende Übersetzung von ἀββά mit dem als Vokativ gebrauchten determinierten Nominativ ὁ πατήρ ist kein Indiz dafür, daß ’abbā’ in neutestamentlicher Zeit als Status emphaticus „der Vater“ verwendet wurde und in dieser Bedeutung auch als Vokativ diente. – Die Übersetzung von ἀββά mit ὁ πατήρ bedarf, wie bereits gezeigt wurde,42 keiner besonderen Erklärung, weil die Verwendung des determinierten Nominativs als Vokativ nicht als ungewöhnlich gelten kann. Erinnert sei nochmals an die Gottesanreden ὁ πατήρ in Mt 11,26 par. Lk 10,21c und ὁ πατὴρ τῶν πάντων in ApkMos 32,2. – Was das Mittelaramäische betrifft, so wird sogleich unter den Ziffern 2 und 3 deutlich werden, daß für die neutestamentliche Zeit durchaus noch der Gebrauch des Status emphaticus ’( ֲא ָבאªbā’ ) vorausgesetzt werden kann.43 Für seine bereits erfolgte Verdrängung durch ’abbā’ gibt es keinen überzeugenden Hinweis. (1933–1957) 4–6; Jeremias, Abba, 57 f.60 f.; Ders., Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 3), 70; Hofius, ἀββά (s. Anm. 6), 1721 f. 39 Ich sage bewußt „belegt fand“, weil von der sogleich zu erwähnenden Verdrängung der 1. Person Plural ’ªbûnā’ / ’ ªbûnāh („unser Vater“) keine Rede sein kann. S. dazu unten bei Anm. 70. 40 Andere Bezeichnung: Status determinatus. 41 H. P. Rüger, Art. Aramäisch II. Im Neuen Testament, in: TRE III (1978) 602–610: 602 gibt ohne zeitliche Differenzierung und Präzisierung für ’abbā’ die Bedeutungen „der Vater, mein Vater, unser Vater“ an. Zum Vergleich sei auch Lohse, Der Brief an die Römer (s. Anm. 23), 241 zitiert: „Das aramäische Wort ַא ָבּאsteht im status emphaticus, der auch als Vokativ in der Bedeutung ‚mein/unser Vater‘ verwendet wird.“ 42 S.o. bei den Anmerkungen 15–20. 43 Zum Status emphaticus / Status determinatus ’ªbā’ bzw. ’ªbāh vgl. Schelbert, ABBA Vater, 37.45–47.51.54.183 und s. unten bei Anm. 53 und Anm. 60. Jeremias, Abba, 59 vokalisiert den Status emphaticus unter Hinweis auf E. Littmann, Orientalia 21 (1952) 389 ’abā’ bzw. ’abāh. – Für den Status emphaticus ’ªbā’ bzw. ’ªbāh gibt es bislang keinen sicheren mittelaramäischen Beleg, für den Status absolutus ’( ַאבab „Vater“) nur einen einzigen: 11QTargHi (11Q10) XXXI 5 (Hi 38,28).
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2. Der Vokativ πάτερ μου von Mt 26,39.42 ist kein Indiz dafür, daß ’abbā’ bereits in neutestamentlicher Zeit die Form ’abî verdrängt hatte und deshalb auch in der Bedeutung „mein Vater“ gebraucht wurde.44 – In Mt 26,39.42 gehen die Worte πάτερ μου auf den Evangelisten Matthäus zurück, der durch sie den Vokativ ὁ πατήρ der Markusvorlage (Mk 14,36) zwar nicht in grammatisch genauer Entsprechung, wohl aber sinngemäß zutreffend ersetzt hat. – Gegen die Annahme, daß ’abî („mein Vater“) in neutestamentlicher Zeit bereits durch ’abbā’ verdrängt war, sprechen Textbefunde aus dem Mittelaramäischen.45 Hier ist zunächst zu erwähnen, daß ’abî in mehreren Qumrantexten belegt ist,46 darunter in dem um die Zeitenwende (oder etwas früher?) entstandenen GenesisApokryphon als direkte Anrede des irdischen Vaters.47 Als weiterer Textzeuge ist sodann das in der Kairoer Geniza gefundene Bodleian Fragment a des aramäischen Testamentum Levi zu nennen.48 In ihm heißt es in Worten des Jakobsohns Levi: „ אבאsegnete mich“ (CTLevi ar Bodl. a, 23 [= L 33,23]).49 Klaus Beyer liest die unpunktierten Konsonanten als ’abbā’ 50 und übersetzt sie mit „mein Vater“51. Dagegen spricht jedoch der Kontext, in dem zweimal für „mein Vater“ ein ’( אביabî ), d. h. die Form mit Suffix der 1. Person Singular erscheint.52 Man
44 K. Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten, Göttingen 1984, 503 s. v. אבordnet den ἀββά-Beleg Mk 14,36 ohne Begründung den Formen mit Suffix der 1. Person Singular zu. 45 Vgl. M. Philonenko, Das Vaterunser. Vom Gebet Jesu zum Gebet der Jünger (UTB 2312), Tübingen 2002, 37; Schattner-Rieser, Das Aramäische zur Zeit Jesu (s. Anm. 4), 110. 46 1QGenAp ar (1Q20) II 19.24. III 3; 1QTestLevi ar (1Q21) Frgm. 29,1; 4QTobitª ar (4Q196) Frgm. 2,9 (Tob 1,22). Frgm. 14 I 6 (Tob 6,15). Frgm. 14 II 11 (Tob 7,5); 4QTobitᵇ ar (4Q197) Frgm. 4 II 10 (Tob 6,15). Frgm. 4 III 8 (Tob 7,5); 4QTestLeviᵇ ar (4Q213a) Frgm. 1 II 12; 4QTestLeviᶜ ar (4Q213b) 4; 4QTestQahat ar (4Q542) Frgm. 1 II 11; 4QVisions of Amramᵈ ar (4Q546) Frgm. 2,3; 6QEnGiants ar (6Q8) Frgm. 1,4. – S. neben den Texten aus Qumran auch die Belege aus dem nabatäischen Schuldvertrag pap5/6ḤevA nab, recto, Frgm. 1,6.7. Frgm. 3,1 (J. A. Fitzmyer / D. J. Harrington, A Manual of Palestinian Aramaic Texts [BibOr 34], Rom 1978, 164.166). 47 1QGenAp ar (1Q20) II 24: Metusalah wendet sich mit den Worten „o mein Vater (jā’ ’abî ) und o mein Herr (jā’ marî )!“ an seinen Vater Henoch. 48 Der Text der etwa aus dem 10. Jahrhundert n. Chr. stammenden Handschrift gehört zu dem aramäischen Testament Levis aus Qumran (1Q21; 4Q213–4Q214; 4Q540–4Q541), das um 150–100 v. Chr. zu datieren ist. 49 Den Text bieten R. H. Charles, The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs, Oxford bzw. Darmstadt ²1960, 246; Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer (s. Anm. 44), 196. Der engere Kontext (= Zeilen 21–23) sei in Übersetzung mitgeteilt: „Und ich segnete meinen Vater ( )אביzu seinen Lebzeiten, und ich segnete meine Brüder. Danach segneten sie (sc. meine Brüder) alle mich, und auch אבאsegnete mich.“ 50 Beyer, ebd., 503 s. v. אב. 51 Beyer, ebd., 197. 52 CTLevi ar Bodl. a, 14 (= L 33,14) und 21 (= L 33,21). Zu אביs. ferner Bodl. c, 12 (Charles, 248 [= L 35,12]) und Cambr. a, 18 (Charles, 245 [= L 21,18]).
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wird deshalb in dem אבאvon Zeile 23 den Status emphaticus ’ªbā’ zu erblicken haben,53 der mit „der Vater“ zu übersetzen ist.54 3. Wenn nach Röm 8,15 und Gal 4,6 eine Mehrzahl von Personen Gott als ’abbā’ anruft, so ist das kein Indiz dafür, daß das Wort grammatisch auch die Bedeutung „unser Vater“ hatte und dementsprechend als Vokativ „unser Vater!“ verwendet werden konnte.55 – Für sich genommen belegen die beiden Paulustexte für das aramäische ’abbā’ ebensowenig die Bedeutung „unser Vater“, wie sie dies für das griechische ὁ πατήρ tun. Einen Beleg liefert auch nicht die Vaterunser-Anrede πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς Mt 6,9b; denn diese Fassung der Anrede stellt gegenüber dem πάτερ von Lk 11,2b eine sekundäre Erweiterung dar,56 so daß die Worte πάτερ ἡμῶν mit Sicherheit nicht als die direkte Übersetzung eines aramäischen ’abbā’ angesehen werden können. – Zum Mittelaramäischen ist darauf hinzuweisen, daß die Formen mit Suffix der 1. Person Plural (’[ אבונאªbûnā’ ] / ’[ אבונהªbûnāh]) keineswegs verschwunden sind.57 Von daher ist über zwei Ossuar-Inschriften aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. zu urteilen, in denen Beyer אבאals ’abbā’ bzw. אבהals ’abbāh liest58 und jeweils mit „unser Vater“ übersetzt59. Da die erstgenannte Inschrift sogleich in der folgenden Zeile für „unser Vater“ das übliche ’( אבונהªbûnāh), also die Form der 1. Person Plural aufweist (yJE 12b), vermag Beyers Lesung und Übersetzung nicht zu über-
53 So bemerkt auch Schelbert, ABBA Vater, 45, daß אבאan unserer Stelle „ohne jede Schwierigkeit als normaler status emphaticus ,der Vater‘ verstanden werden“ kann und „kein Grund“ vorliegt, „ אבאim unpunktierten Text als Sonderform אבא/ abba zu lesen“. Entsprechend übersetzt er (ebd.): „auch der Vater / אבא/ ’ ªva segnete mich“. (Im Widerspruch dazu hat Schelbert, ebd., 43 das אבאvon CTLevi Bodl. a, 23 [im Rahmen einer etwas seltsamen Textdarbietung] zweimal mit „mein Vater“ wiedergegeben, beim erstenmal mit der fehlerhaften Stellenangabe „Z. 13“). Als Alternative zu der Lesung ’ªva erwägt Schelbert die Möglichkeit, daß in CTLevi Bodl. a, 23 der Sprachgebrauch eines Abschreibers aus späterer Zeit vorliegt. So versteht auch Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer (s. Anm. 44), 189 Anm. 1 den Text. 54 So außer Schelbert (s. Anm. 53) auch J. Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen (JSHRZ III/1), Gütersloh 1974, 142. S. ferner die Wiedergabe mit „father“ bei R. H. Charles, The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament II: Pseudepigrapha, Oxford 1913 = 1964, 364 (col. a, 10); F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar, The Dead Sea Scrolls. Study Edition I, Leiden – Boston – Köln bzw. Grand Rapids, MI – Cambridge, U. K. 1997, 51. 55 Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer (s. Anm. 44), 503 s. v. אבordnet die beiden ἀββά-Belege Röm 8,15 und Gal 4,6 den Formen mit Suffix der 1. Person Plural zu – wieder ohne Begründung. 56 S.o. Anm. 36. 57 Ich notiere die folgenden Belege: אבונא: 4QTobitᵇ ar (4Q197) Frgm. 4 I 17 (Tob 6,11); CTLevi ar Bodl. b, 4 (= L 34,4); אבונה: CTLevi ar Bodl. b, 3 (= L 34,3); Ossuar-Inschriften yJE 3,1 und yJE 12b bei Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer (s. Anm. 44), 340 f. – In CTLevi ar Bodl. b, 3 (= L 34,3) erscheint für „unser Vater“ die jüngere Form ’( אבונןªbûnán). Vgl. Schelbert, ABBA Vater, 46.52f.67. 58 Beyer, ebd., 503 s. v. אב. 59 Beyer, ebd., 341 (yJE 12a) und 342 (yJE 16c, 2).
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zeugen. Auch in den beiden Inschriften ist der Status emphaticus ’( ֲא ָבאªbā’ ) bzw. ’( ֲא ָבהªbāh) zu lesen und deshalb mit „der Vater“ zu übersetzen.60 Als Ergebnis kann an dieser Stelle festgehalten werden, daß weder das Neue Testament noch auch mittelaramäische Dokumente eine Basis für die These bieten, daß ’abbā’ im 1. Jahrhundert n. Chr. in den Bedeutungen „der Vater“, „mein Vater“ und „unser Vater“ verwendet wurde.61 Wir haben für das 1. Jahrhundert bislang als eindeutige Belege nur die drei neutestamentlichen Texte, und diese erlauben für ’abbā’ einzig und allein die grammatische Bestimmung als Vokativ mit der Übersetzung „Vater!“.
III Zahlreiche Belege für ’abbā’ finden sich in den Targumen und in der rabbinischen Literatur.62 Da es sich hier durchweg um Traditionsliteratur handelt, ist die Datierung einzelner Überlieferungen vielfach mit Schwierigkeiten belastet und in der Forschung entsprechend umstritten. Nach meinem Verständnis dokumentieren die ältesten Schriften – Targum Onqelos zum Pentateuch und Targum Jonathan zu den Propheten sowie unter den rabbinischen Werken die Mischna, die Tosephta und die halachischen Midraschim – einen Gebrauch von ’abbā’, der sich im 2./3. Jahrhundert n. Chr. und also in der Zeit des Übergangs vom Mittelaramäischen zum Spätaramäischen herausgebildet hat und der dann auch in den späteren Targumen und rabbinischen Schriften erhalten geblieben ist. Der Sprachgebrauch von ’abbā’, wie ihn die aramäischen Texte aufweisen, kann knapp folgendermaßen beschrieben werden: a) ’abbā’ ist Vokativ mit der Bedeutung „Vater!“ und wird als Anrede des Vaters nicht nur von Kindern63, sondern in gleicher Weise auch von erwachsenen Söhnen und Töchtern64 verwendet. Die Auffassung, daß ’abbā’ „seinem Ursprung nach eine reine Lallform“
60 Vgl. Fitzmyer / Harrington, A Manual of Palestinian Aramaic Texts (s. Anm. 46), 175 Nr. 95a (= yJE 12a bei Beyer) und 183 Nr. 145c, 2 (= yJE 16c bei Beyer). 61 Was gesagt werden kann, ist einzig dies : Der Vokativ ’abbā’ entspricht im Munde eines Einzelnen sachlich-inhaltlich (!) einem Vokativ „mein Vater!“ und im Munde Mehrerer sachlich-inhaltlich (!) einem Vokativ „unser Vater!“. Sinngemäß (!) und in freier (!) Wiedergabe könnte der Vokativ ’abbā’ deshalb auch durch das mit dem Personalpronomen verbundene Nomen zum Ausdruck gebracht werden. 62 S. die Textdarbietung bei Schelbert, ABBA Vater, 71–296. 63 TargJon Jes 8,4; jJoma VI 43d,26. Vgl. auch bTa‛an 23b (Zeile 37): die Schulkinder zu Rabbi Chanin Hanechba (s. u. bei Anm. 91). 64 TargN / TargOnq Gen 22,7; 27,18.34.38; TargPsJon Gen 22,7; 27,18.34; Geniza-Fragment D Gen 48,18 (P. Kahle, Masoreten des Westens II, Stuttgart 1930, 23); TargJon Ri 11,36; bTa‛an 23b (Zeile 46); jSanh VI 23b,66; jPea I 15c,60 par. jQid I 61b,44; GenR 11,6 zu 2,3; 26,7 zu 6,1; LevR 25,1 zu 19,23.
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war,65 läßt sich aus den Texten nicht überzeugend begründen.66 – b) ’abbā’ wird stets für „mein Vater“ verwendet und hat somit in Aussagen wie in der Anrede die noch im Mittelaramäischen gebrauchte Form mit Suffix der 1. Person Singular ’abî 67 gänzlich verdrängt.68 – c) ’abbā’ ist die allein gebräuchliche Form für den Status emphaticus „der Vater“69 und also gänzlich an die Stelle des ursprünglichen Status emphaticus ’ªbā’ getreten. – d) ’abbā’ hat weder in Aussagen noch in Anreden die Bedeutung „unser Vater“, sondern die Formen mit Suffix der 1. Person Plural (’ªbûnā’ / ’ ªbûnāh sowie das jüngere ’ªbûnán) sind in den Texten voll erhalten.70 In Ergänzung zu der soeben gebotenen Übersicht ist als ein erstaunliches Phänomen zu erwähnen, daß das aramäische Wort ’abbā’ auch Eingang in die hebräischen Texte der rabbinischen Literatur gefunden hat. Es ist dort zwar nicht gänzlich, aber doch weithin in der Aussage wie in der Anrede an die Stelle der hebräischen Form mit Suffix der 1. Person Singular (’ābî „mein Vater“) getreten.71 Auch hier wird ’abbā’ keineswegs nur von Kindern72, sondern ebenso von erwachsenen Söhnen und Töchtern73 verwendet. Angesichts der erheblichen Bedeutungs- und Verwendungsbreite, wie sie in den jüdischen Quellen vom 2./3. Jahrhundert an für ’abbā’ greifbar wird, 65 So Jeremias, Abba, 59 (im Anschluß an Th. Nöldeke, in: F. Schulthess / E. Littmann, Grammatik des christlich-palästinischen Aramäisch, Tübingen 1924, 156 [„reines Lallwort“]); vgl. Ders., Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 3), 72. Ebenso z. B. Hofius, ἀββά (s. Anm. 6), 1721. 66 Das Wort sollte nicht mit Anreden wie „Papa“, „Papi“, „Vati“ oder „Väterchen“ (bzw. „daddy“ oder „dad“) verglichen und auch nicht so wiedergeben werden. 67 S.o. Anm. 46 und 47. 68 Die einzige mir bekannte Ausnahme ist TargEsth II 1,1 nach der mit supralinearer Punktation versehenen Textdarbietung des MS Or. 2375 des Britischen Museums (A. Sperber, The Bible in Aramaic, Vol. 4 A: The Hagiographa, Leiden 1968, 171, Zeile 12 v.u.). Die erste Biblia Rabbinica (Venedig 1516/17) bietet dagegen – dem sonstigen Befund in TargEsth II entsprechend – ’b’ = ’abbā’ (s. P. de Lagarde, Hagiographa chaldaice, Leipzig 1873 = Osnabrück 1967, 223, Zeile 27). 69 In den Targumen steht ’abbā’ auch da, wo in der hebräischen Vorlage der Status absolutus ’āb erscheint und wir im Deutschen „ein Vater“ sagen. S. dazu z. B. TargOnq Gen 44,19 f.; Num 30,17; TargJon Ez 22,7; TargPs 103,13; TargHi 31,18; TargSpr 3,12. 70 Vgl. Schelbert, ABBA Vater, 87–89.92.94.103.105 f.108.119 f.203.215.270 u. a. Die bei Rüger, Aramäisch II (s. Anm. 41), 602 f. für ’abbā’ = „unser Vater“ angeführten Stellen belegen diese Bedeutung nicht. 71 Als Belege für die weitere Verwendung von ’ābî in hebräischen Texten, bei denen es sich weder um Schriftzitate noch auch um unter dem Einfluß von Schriftzitaten stehende Aussagen handelt, seien genannt: a) als Anrede: bMak 24a; Tanch Dtn, w’tḥnn § 6; TanchB Dtn, w’tḥnn § 5; ExR 46,3 zu 34,1; PirqeREl 31. – b) in Aussagen: MekhEx zu 13,19 und zu 20,6; SifraLev, qdwšjm paraša III 11 zu 20,26 (93d Weiss); KlglR Peticha 24. 72 bBer 40a par. bSanh 70b; bTa‛an 23a. 73 ‛Ed 5,7; TosPea 3,8; SifreDtn § 316 zu 32,13; § 347 zu 33,6; MidrTann zu Dtn 24,19; AbotRN (A) 8; AbotRN (B) 13.19.27; jPea VII 20b,24; bSoṭa 12a; bQid 32a.70a; b‛AZ 18a; GenR 26,7 zu 6,1; HhldR 2,30 zu 2,14 u. a.
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stellt sich die Frage, ob es in ihnen überzeugende Hinweise oder zumindest bedenkenswerte Indizien dafür gibt, daß dieser Sprachgebrauch bereits für das Aramäische der Zeit Jesu bzw. für das erste nachchristliche Jahrhundert vorausgesetzt werden kann. Daß das Neue Testament keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet und Befunde des Mittelaramäischen sogar dagegen sprechen, wurde bereits gesagt.74 Jetzt kann hinzugefügt werden, daß auch die späteren Quellen nicht zu einer anderen Sicht nötigen oder eine solche irgendwie nahelegen. Anderslautende Urteile erweisen sich, wie exemplarisch an zwei Argumentationen aufgezeigt werden soll, als nicht hinreichend begründet. Nach Jeremias hatte ’abbā’ im palästinischen Aramäisch der Zeit Jesu das ältere ’abî („mein Vater“) bereits radikal verdrängt. Für diese Sicht stützt er sich darauf, daß in der rabbinischen Literatur Aussprüche von Rabbinen des 1. Jahrhunderts v. Chr. und des 1. Jahrhunderts n. Chr. überliefert werden, in denen sich ein entsprechender Gebrauch von ’abbā’ findet.75 In Wirklichkeit sind diese Texte jedoch für die Zeit jener Rabbinen ohne wirkliche Beweiskraft, weil sie den Sprachgebrauch der Zeit repräsentieren dürften, in der die Tradenten Worte der früheren Lehrer überliefert haben. Auch Schelbert behauptet für das umgangssprachliche Aramäisch des 1. Jahrhunderts n. Chr., daß die Suffixform der 1. Person Singular ’abî durch ’abbā’ verdrängt war,76 und er gibt dafür die folgende Begründung: Da der Sprachgebrauch der späteren aramäischen und hebräischen literarischen Texte im 1. Jahrhundert „bereits in Inschriften verwendet“ werde, müsse er „schon eine längere Tradition in der lebendigen gesprochenen Sprache hinter sich haben und bereits das Niveau eines für Inschriften verwendbaren Sprachgebrauchs gewonnen haben“.77 „In der lebendigen Sprache“ müsse ’abbā’ also „schon lange normale Form für ‚der Vater‘ bzw. ‚mein Vater‘ gewesen sein“.78 In Wirklichkeit sind die wenigen Inschriften des 1. und 2. Jahrhunderts, die hier in Betracht kommen,79 zur Begründung gänzlich ungeeignet, weil sie nur äußerst bruchstückhaft erhalten sind und die Lesung von אבאals ’abbā’ bzw. von אבהals ’abbāh in keinem einzigen Fall gesichert ist.80 Der Behauptung Schelberts, daß ’abbā’ „in der gesprochenen Sprache der jüdisch-aramäischen Sprachgemeinschaft seit der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts“ allgemein als
S.o. Teil II des Aufsatzes. Jeremias, Abba, 60 f. mit den Anmerkungen 32 und 39. Vgl. den Hinweis auf „ אבאbei Lehrern vor 70 nach Christus“ bei Schelbert, ABBA Vater, 189 f. 76 Schelbert, ebd., 64.69 f.124.188. 77 Schelbert, ebd., 70 (im Kontext 69 f.); vgl. auch 123 f.188.190–192.381. 78 Schelbert, ebd., 70. 79 Zu den vier Inschriften s. Schelbert, ebd., 52 f. (unter 3.2.1). 66 (unter 3.3.2). 68 (unter 3.5.2). Inschriften, in denen Abba Eigenname ist, scheiden a priori als nicht aussagekräftig aus. 80 S. exemplarisch das oben bei den Anmerkungen 58–60 Gesagte. 74 75
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Bezeichnung und Anrede für den irdischen Vater gebraucht wurde,81 ist damit der Boden entzogen.82 Da weder die neutestamentlichen ἀββά-Belege noch die mittelaramäischen Dokumente noch auch die späteren jüdischen Quellen eine tragfähige Basis für die Auffassung bieten, daß ’abbā’ bereits im palästinischen Aramäisch des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Bedeutungen „der Vater“ und „mein Vater“ hatte, kann für diese Zeit einzig und allein die im Neuen Testament greifbare Verwendung als Vokativ „Vater!“ als belegt gelten. Von den jüdischen Quellen her läßt sich deshalb kein Einwand erheben, wenn man das Wort ’abbā’ nicht für einen ursprünglichen Status emphaticus hält, der auch als Vokativ verwendet wurde, sondern umgekehrt in ihm einen ursprünglichen Vokativ erblickt, der in der Zeit des Übergangs vom Mittelaramäischen zum Spätaramäischen die Funktion des Status emphaticus übernommen hat.83 Da der Gebrauch von ’abî „mein Vater“ in Aussage und Anrede noch für das Mittelaramäische belegt ist, liegt ferner die Annahme nahe, daß ’abbā’ eine Sonderform des Vokativs darstellt und daß das Wort – in Entsprechung zu der Anrede der Mutter mit dem Vokativ ’immā’ – eine im Raum der Familie beheimatete Form der Anrede des Vaters war. Eine Bestimmung als kindliches „Lallwort“ ist damit nicht impliziert, und Begriffe wie Kindlichkeit oder Zärtlichkeit müssen keineswegs eo ipso im Blick auf seine Verwendung assoziiert werden.84 Zu denken ist vielmehr an die Verbindung von Vertrauen und Respekt, Gehorsam und Geborgenheit.
81 Schelbert, ebd., 64. Ich zitiere den ganzen Zusammenhang, in dem Schelbert über die Bedeutung der neutestamentlichen ἀββά-Belege für „die Geschichte des Sprachgebrauchs“ von ’abbā’ sagt: „Die neutestamentlichen Belege der Anrede und Bezeichnung Gottes als Abba / Vater setzen den allgemeinen Gebrauch der Bezeichnung und Anrede mit אבא/ Vater zunächst für den irdischen Vater in der gesprochenen Sprache der jüdisch-aramäischen Sprachgemeinschaft seit der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts voraus. Sie ist selbstverständliche sprachliche Grundlage für eine Übertragung auf Gott durch Jesus, Paulus und Glieder christlicher Gemeinden.“ 82 Für Jesus und die urchristliche Gemeinde läßt sich nicht nachweisen, was Schelbert mehrfach für die späteren jüdischen Texte zu Recht betont: Dem aramäisch Sprechenden, der Gott als Vater anreden wollte, „stand nur mehr אבאzur Verfügung.“ So Schelbert, ebd., 381; ähnlich 113 f.123.193. 83 Der in der Forschung verbreiteten These, daß ’abbā’ hinsichtlich seines Ursprungs als ein Status emphaticus zu bestimmen ist, hat Jeremias, Abba, 59 zu Recht widersprochen. 84 Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer (s. Anm. 44), 503 s. v. אבbezeichnet ’abbā’ als eine „Anrufs- und Zärtlichkeitsform“ (s. auch ebd., 445). Vgl. F. W. Danker, A Greek-English Lexicon of the New Testament and other Early Christian Literature (BDAG), Chicago – London ³2000, 1.b s. v. ἀββα: „vocative form, orig. a term of endearment“. Die Bestimmung als „Zärtlichkeitsform“ bleibt hypothetisch.
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IV In der Fülle der in den Targumen und in der rabbinischen Literatur enthaltenen ’abbā’-Belege sind insgesamt fünf Texte zu verzeichnen, in denen das Wort in direkter oder indirekter Weise auf Gott bezogen ist.85 Es sind dies die folgenden Zeugnisse: 1. TargJon Mal 2,10a: Der Prophet formuliert die Doppelfrage: „Haben wir nicht alle einen Vater (’abbā’ ḥad )? Hat nicht ein Gott uns geschaffen?“ – 2. TargPs 89,27: In einem Gottesspruch über den König Israels heißt es: „Er wird zu mir rufen: ,Mein Vater bist du (’abbā’ ’att), mein Gott und die Kraft meiner Erlösung.‘“ – 3. TargHi 34,36a: Im Unterschied zur Biblia Rabbinica86 bieten verschiedene Handschriften den Text: „Ich wünsche, daß der Vater im Himmel87 (’abbā’ dᵉbišmajjā’ ) Hiob für immer prüfen möge.“88 Daß diese Fassung des Wortes als Urtext nicht in Frage komme,89 läßt sich nicht mit Sicherheit sagen.90 – 4. bTa‛an 23b: Über R. Chanin Hanechba (1. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr.) wird berichtet: „Wenn die Welt des Regens bedurfte, pflegten unsere Lehrer Schulkinder zu ihm zu schicken, die den Saum seines Mantels erfaßten und zu ihm sagten: ,Vater, Vater (’abbā’ ’abbā’ ), gib uns Regen!‘ Er sprach vor ihm (sc. vor Gott): ,Herr der Welt, tu es um dieser willen, die nicht unterscheiden können zwischen dem Vater (’abbā’ ), der Regen gibt, und dem Vater (’abbā’ ), der keinen Regen gibt.‘“91 – 5. LevR 32,1 zu 24,10: R. Nechemja (um 150 n. Chr.) läßt den toratreuen Juden auf die Frage, warum er von den Gottlosen gegeißelt werde, die Antwort geben: „Weil ich den Willen meines Vaters im Himmel (’abbā’ šäbbaššāmajim92) getan habe.“93 85 Vgl. Rüger, Aramäisch II (s. Anm. 41), 603. Rüger führt zusätzlich zu den fünf Belegen auch aus bTa‛an 23a das Wort des R. Schim‛on b. Schatach (um 90 v. Chr.) an, daß Gott Choni dem Kreiszieher seinen Willen tue wie ein Vater seinem Sohn, der zu ihm sagt: „Vater (’abbā’ ), laß mich warm baden, übergieß mich mit kaltem Wasser, gib mir Nüsse, Mandeln, Pfirsiche und Granatäpfel.“ Daß ’abbā’ durch diesen bloßen Vergleich in indirekter Weise auf Gott bezogen sei, vermag ich nicht zu sehen. Zur Datierung der Tradition gilt das oben im Zusammenhang mit Anm. 75 Gesagte. 86 „Ich wünsche, daß Hiob für immer geprüft werde“: מקראות גדולות, Bd. 10, Tel Aviv 1963, 40b.41a; Lagarde, Hagiographa chaldaice (s. Anm. 68), 111, Zeile 19 f. 87 Oder: „mein Vater im Himmel“. 88 D. M. Stec, The Text of the Targum of Job. An Introduction and Critical Edition (AGJU 20), Leiden – New York – Köln 1994, 241*. 89 So Jeremias, Kennzeichen der ipsissima vox Jesu (s. Anm. 3), 146. 90 S. dazu Schelbert, ABBA Vater, 115. Schelbert, ebd., 113 kennzeichnet TargHi 34,36 zu Unrecht als eine „Quasi-Anrede“. Zutreffend sind dagegen die Urteile, daß ’abbā’ an dieser Stelle „in Aussage“ erscheint (ebd., 112) und daß es „Subjekt eines Wunschsatzes“ (ebd., 91.115.122.381.387) und „Bezeichnung Gottes“ (ebd., 379) sei. 91 Die Erzählung steht in den Zeilen 36–38. Zur Datierung der Tradition s. o. das im Zusammenhang mit Anm. 75 Gesagte. 92 Zum textkritischen Befund s. Schelbert, ABBA Vater, 227 f. Rüger, Aramäisch II (s. Anm. 41), 603 liest ’abbā’ dᵉbišmajjā’. 93 Weil der Satz in der Parallele MekhEx zu 20,6 fehlt, sieht Jeremias, Kennzeichen der
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In voller Kenntnis der fünf mitgeteilten Texte hat Jeremias geurteilt, daß sich in der umfangreichen Literatur des antiken Judentums nirgendwo ein Beleg für die Gottesanrede ’abbā’ findet.94 Philologisch korrekt setzt Jeremias dabei voraus, daß syntaktisch zwischen einer Bezeichnung Gottes als ’abbā’ und einer Anrede Gottes als ’abbā’ präzise unterschieden werden muß.95 Wenn sein Urteil in neueren Arbeiten kritisiert bzw. relativiert wird, so ist das allemal mit einer unscharfen Bestimmung und Verwendung des Begriffs „Anrede“ verbunden.96 Die gleiche Unschärfe zeigt sich in jenen Arbeiten dann nicht zufällig auch hinsichtlich der Verwendung des hebräischen Wortes ’āb und des griechischen Wortes πατήρ.97 Da sprachliche und gedankliche Klarheit jedoch für die Exegese unverzichtbar sein dürfte, seien – in strenger Konzentration auf den syntaktischen Gebrauch von Substantiven – einige Hinweise zur Bestimmung des Begriffs „Anrede“ gegeben. Ein Substantiv ist in einer mündlichen oder schriftlichen Äußerung dann und nur dann Anrede, wenn es im Vokativ als dem grammatischen Anrede-Kasus steht. Für die Identifizierung einer Substantiv-Form als Vokativ aber gibt es ein eindeutiges Kriterium: Ein Vokativ bildet innerhalb einer sprachlichen Äußerung ein selbständiges Element, das außerhalb des sonstigen Satzzusammenhangs steht; er ist syntaktisch nicht mit den anderen Satzgliedern verbunden oder von einem dieser anderen Satzglieder abhängig.98 In allen jenen Fällen, in denen ein Substantiv nicht im Vokativ steht, sondern fest in einem Satzgefüge verankert ist, kann es prinzipiell nicht als Anrede bestimmt werden. Das gilt etwa dann, wenn es in einem Nominalsatz Subjekt oder Prädikatsnomen (Gleichsetzungsnominativ) und in einem Verbalsatz Subjekt oder Prädikatsadjunkt (Subjektsergänzung als erweiternde Bestimmung eines Vollverbs) ist.99 Wenden wir das Gesagte auf das Wort ’abbā’ an, so kann dieses in einem Satz nur dann Anrede Gottes sein, wenn ein Vokativ vorliegt.100 ipsissima vox Jesu (s. Anm. 3), 147 in ihm einen späteren Zusatz zum Text der Überlieferung. Zwingend ist das nicht. 94 So z. B. Jeremias, Abba, 59; Ders., Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 3), 70 f. 95 Vgl. die Unterscheidung zwischen „Vater“ als Bezeichnung Gottes und „Vater“ als Anrede Gottes bei P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch I: Das Evangelium nach Matthäus, München 1922 = ²1956, 392–396. 96 Eine unscharfe Verwendung der Begriffe „Anrede“ und „Bezeichnung“ ist vor allem für die Monographie Schelberts kennzeichnend. 97 S.u. Anm. 101. 98 Zur grammatisch-syntaktischen Bestimmung des Vokativs s. exemplarisch R. Kühner / B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II: Satzlehre, Bd. 1, Hannover – Leipzig ³1898 = Hannover 1976, 47 (§ 357,1); S. Segert, Altaramäische Grammatik, Leipzig ²1983, 418 (7.2.8.1). Zum Deutschen, in dem stets der Nominativ als Vokativ verwendet wird, s. bei G. Drosdowski u. a., Grammatik der deutschen Gegenwartssprache (Duden 4), Mannheim – Wien – Zürich ⁴1984, § 1044 die Definition zum Anredenominativ. 99 Das Substantiv wird in diesen Fällen nicht dadurch zu einer Anrede, daß der Nominaloder Verbalsatz an eine Person gerichtet ist. 100 Entsprechend sind auch die im Hebräischen und im Griechischen gebräuchlichen Ausdrücke für „Vater“, „mein Vater“ und „unser Vater“ nur da Anrede Gottes, wo sie im Vokativ
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Ist dies nicht der Fall, so ist die Bestimmung als Anrede unzutreffend, und das gilt auch dann, wenn es sich bei dem entsprechenden Satz um ein unmittelbar an Gott gerichtetes Wort handelt.101 Damit ist über jenen Text entschieden, in dem Schelbert102 und andere Exegeten103 einen Beleg für die ’abbā’-Anrede Gottes finden – nämlich über den Gottesspruch TargPs 89,27.104 Wenn es dort von dem König Israels heißt: „Er wird zu mir rufen: ,Mein Vater bist du, mein Gott und die Kraft meiner Erlösung‘“, dann ist der syntaktische Befund evident: Die aramäischen Worte ’( ַא ָבּא ַא ְתּabbā’ ’att [„mein Vater bist du“]) sind eine wörtliche Übersetzung der hebräischen Vorlage ’( ָא ִבי ַא ָתּהābî ’attāh) von Ps 89,27a105 und ebenso wie diese ein reiner Nominalsatz.106 Dementsprechend handelt es sich sowohl bei dem hebräischen ’ābî wie auch bei dem aramäischen ’abbā’ nicht um einen Vokativ, sondern um einen Gleichsetzungsnominativ, d. h. um ein Prädikatsnomen.107 In den an Gott gerichteten Aussagesätzen ’ābî ’attāh und ’abbā’ ’att (V. 27a) ist „mein Vater“ – nicht anders als die Fortsetzung „mein Gott und der Fels meiner Rettung“ (Ps 89,27b) bzw. „mein Gott und die Kraft meiner Erlösung“ (TargPs 89,27b) – eine Bezeichnung dessen, der angeredet stehen. Das gilt z. B. für ’ābî Jer 3,4.19; 4Q372 Frgm. 1,16; 4Q460 Frgm. 9 I 6 (alte Zählung: Frgm. 5 I 5); ’ābînû in Synagogengebeten (s. Jeremias, Abba, 28–30; auch TargEsth II 4,16); πάτερ 3 Makk 6,3.8; Sir 23,1.4; Sap 14,3; ApokrEz Frgm. 3 (1 Klem 8,3). 101 Auch dies gilt analog für die Verwendung der Ausdrücke „Vater“, „mein Vater“ und „unser Vater“ in anderen Sprachen. Zu Unrecht werden deshalb in der Literatur als Belege für die Vater-Anrede Gottes die folgenden Stellen genannt: a) aus der Hebräischen Bibel 1 Chr 29,10; Jes 63,16; 64,7; Jer 2,27; Mal 2,10; Ps 89,27; Hi 17,4; 34,36 (hier ist ’ābî Interjektion); b) aus der Septuaginta 1 Chr 29,10; 3 Makk 5,7; Tob 13,4; Sir 51,10; Jes 63,16; 64,7; Jer 2,27; 3,4.19; c) hebrSir 51,1.10. 102 Schelbert, ABBA Vater, 90.112–114.121.379.387. 103 So z. B. Philonenko, Das Vaterunser (s. Anm. 45), 38–43. 104 Philonenko, ebd., 38 erwägt sogar, daß TargPs 89,27 „der Ursprung der Anrede abba im ,Gebet Jesu‘ sein könnte“ (vgl. 39: daß Jesus sich in seiner ’abbā’-Anrede „die Formel aus Ps 89,27 zu eigen gemacht hat“). Zu dieser Vermutung, an die sich ebd., 39–43 eine Kette weiterer Vermutungen anschließt, genügt es, auf das Problem der Datierung des Psalmen-Targums hinzuweisen; s. D. M. Stec, The Targum of Psalms (The Aramaic Bible 16), London – New York 2004, 2: „A very tentative suggestion would be fourth to sixth century C. E., but this is little more than guesswork.“ 105 Daß ’ābî hier Anrede sei, behaupten z. B. Schelbert, ABBA Vater, 50.91.113 f.121.381.387; Zimmermann, Die Namen des Vaters (s. Anm. 4), 50; Schattner-Rieser, Das Aramäische zur Zeit Jesu (s. Anm. 4), 101; Frey, Das Vaterunser im Horizont antik-jüdischen Betens (s. Anm. 4), 14. 106 K. Seybold, Die Psalmen (HAT I/15), Tübingen 1966, 347 übersetzt im Unterschied zu den sonstigen mir greifbaren Psalmen-Kommentaren: „Er wird mich rufen: Du, mein Vater, mein Gott und der Fels meines Heils!“ Gegen diese Übersetzung, die „mein Vater“ als Vokativ versteht, sprechen bereits die in der folgenden Anmerkung notierten Parallelen. Sie würde vor allem aber eine andere Wortstellung erfordern: ’attāh müßte am Anfang des Satzes stehen! Für diese Auskunft danke ich meinem Kollegen Heinz-Dieter Neef. 107 Zur syntaktisch gleichen Struktur s. etwa ’ābî ’attāh („mein Vater bist du“) Jer 2,27; Hi 17,14; hebrSir 51,10; ’ābînû ’attāh („unser Vater bist du“) Jes 64,7; ’abbā’ ’ant („mein Vater bist du“) TargHi 17,14; ’ªbûnā’ ’att („unser Vater bist du“) TargJon Jer 2,27.
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wird, nicht aber eine Anrede.108 Wenn Schelbert des öfteren sowohl im Blick auf das ’ābî des hebräischen Psalmverses wie auch im Blick auf das ’abbā’ der aramäischen Übersetzung von einer „Quasi-Anrede“ spricht,109 dann ist das philologisch ebensowenig überzeugend wie die Behauptung, daß der Satz „mein Vater bist du“ in TargPs 89,27 „zwar syntaktisch Aussage“, aber „praktisch“ eine Stelle „mit אבאals Anrede“ sei.110 Daß in den Targumen und in der rabbinischen Literatur bislang kein Beleg für eine Anrede Gottes mit ’abbā’ nachgewiesen worden ist, das kann die Exegese nach wie vor als Textbefund konstatieren.111 Sie kann daraus aber nicht die Folgerung ziehen, daß es die Anrede Gottes mit ’abbā’ im spätantiken Judentum nicht gegeben habe bzw. daß sie dort aufgrund des Verständnisses der Gottesbeziehung nicht möglich gewesen sei. Eine solche Folgerung überschreitet schlicht die Grenze dessen, was wir aufgrund exegetischer Arbeit wissen und sagen können. Überschritten wird diese Grenze aber ebenfalls mit der Behauptung, daß die ’abbā’-Anrede Gottes im spätantiken Judentum als selbstverständlich vorausgesetzt werden müsse und daß sie nur zufällig in der Literatur nicht belegt sei. * Zum Abschluß unserer Betrachtungen sei gefragt, wie die drei neutestamentlichen ἀββά-Stellen theologisch zu interpretieren sind. Als entscheidend erweist sich hier nach meinem Urteil die hermeneutische Erkenntnis, daß ein angemessenes theologisches Verständnis der Texte des Neuen Testaments nur dann gewonnen werden kann, wenn diese im Kontext des Kanons und damit im Licht des in ihm dokumentierten apostolischen Christuszeugnisses bedacht werden.112 108 Richtig zu Ps 89,27a Jeremias, Abba, 27; Ders., Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 3), 69. 109 Zu ’ābî Ps 89,27 s. Schelbert, ABBA Vater, 90.114.381 (vgl. 50: „indirekte Anrede“), zu ’abbā’ TargPs 89,27 ebd., 90 („[quasi‑]direkte Anrede“).112–114.121 („quasi direkte Anrede“).379.387. 110 Schelbert, ebd., 110. Vgl. ebd., 113, wo in der Übersetzung durch die Einklammerung der Kopula aus den Nominativen ’ābî (Ps 89,27a) und ’abbā’ (TargPs 89,27a) unter der Hand ein Vokativ wird: „Mein Vater (bist) du. Mein Fels bist du und mein Heil.“ 111 Nur angemerkt sei, daß die Erzählung von bTa‛an 23b (s. o. bei Anm. 91) schwerlich als ein Beleg für die Gottesanrede ’abbā’ angesehen werden kann. Sie dürfte nämlich nicht auf die Aussage abzielen, daß die Schulkinder eigentlich Gott als ’abbā’ anrufen müßten. Es geht vielmehr darum, daß R. Chanin jedesmal, wenn die Kinder ihn um Regen bitten, ihre Bitte aufnimmt, um an Gottes väterliches Erbarmen zu appellieren. Daß er selbst dabei Gott ehrerbietig als „Herr der Welt“ anredet, will beachtet sein. 112 Für Texte der Evangelien und somit auch für das Wort Mk 14,36 impliziert dies das Nein zu einer Auslegung im Horizont der Frage nach dem „historischen Jesus“. S. dazu O. Hofius, Die Frage nach dem „historischen Jesus“ als theologisches Problem, in: H. Assel (Hg.), Leidenschaft für die Theologie, Leipzig 2012, 79–115 (in dem vorliegenden Band: 229–248). Zur Frage der Hermeneutik verweise ich auf meinen Aufsatz: Neutestamentliche Exegese in systematisch-
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Für die drei Stellen ergibt sich dann eine eindeutige Bestimmung ihrer theologischen Aussage. Der Beter, der nach Mk 14,36 im Garten Gethsemane seinen Vater mit ἀββά anredet, ist eben jener Sohn Gottes, den das Markusevangelium vom ersten Kapitel an bezeugt und den es den Lesern sowohl in seiner göttlichen Hoheit wie auch in seiner Niedrigkeit am Kreuz vor Augen stellt. Dieser aber ist kein anderer als der Sohn Gottes, den Paulus verkündigt und dem den Kontexten von Röm 8,15 und Gal 4,6 zufolge die an ihn Glaubenden verdanken, daß sie zu Gott ἀββά rufen dürfen. In der ἀββά-Anrede Jesu kommt so zum Ausdruck, wer er wesenhaft ist, und in der ἀββά-Anrede der Glaubenden, wer sie durch ihn geworden sind. Ist damit die Aussage der drei neutestamentlichen Texte zutreffend bestimmt, dann dürfte es von der Sache her ausgeschlossen sein, die ἀββά-Anrede Jesu mit den im spätantiken Judentum belegten Gottesanreden zu vergleichen und aufgrund dieses Vergleichs über das jeweilige Gottesbewußtsein und Gottesverhältnis zu urteilen. Das apostolische Christuszeugnis und nichts sonst erschließt, wer Jesus ist, – und damit auch, was es mit seiner ἀββά-Anrede auf sich hat.
theologischer Verantwortung. Erwägungen zu den Aufgaben einer theologischen Disziplin, in: O. Hofius, Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 267–281.
Sprachliche Probleme im griechischen Text des Vaterunsers Zur Exegese der ersten und dritten Wir-Bitte1 Das Vaterunser, das Jesus selbst seine Jünger gelehrt hat und dem deshalb in allen christlichen Kirchen eine besondere Dignität zukommt, ist im griechischen Neuen Testament zweifach überliefert: zum einen im sechsten Kapitel des Matthäusevangeliums (Mt 6,9b–13) und zum andern im elften Kapitel des Lukasevangeliums (Lk 11,2b–4).2 Die beiden Texte seien nebeneinandergestellt:3 Mt 6,9b–13
Lk 11,2b–4
Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς, ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου· ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου· γενηθήτω τὸ θέλημά σου, ὡς ἐν οὐρανῷ καὶ ἐπὶ γῆς· τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον· καὶ ἄφες ἡμῖν τὰ ὀφειλήματα ἡμῶν, ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφήκαμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν· καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν, ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ.
Πάτερ, ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου· ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου· τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δίδου ἡμῖν τὸ καθ’ ἡμέραν· καὶ ἄφες ἡμῖν τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν, καὶ γὰρ αὐτοὶ ἀφίομεν παντὶ ὀφείλοντι ἡμῖν· καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν.
Während die zum kirchlichen Gebetstext gewordene Matthäus-Fassung sieben Bitten enthält,4 weist die Lukas-Fassung nach den ältesten und besten Handschriften des Evangeliums lediglich fünf Bitten auf, und hinsichtlich des ge1 Dem Aufsatz liegt ein Vortrag zugrunde, der am 16. 3. 2 019 in Tübingen auf der Tagung der Dozentinnen und Dozenten für Latinum und Graecum an Hochschulen gehalten wurde. 2 Zur Übergabe des Gebetes durch Jesus s. Mt 6,7–9a; Lk 11,1.2a. 3 Die Doxologie, die im kirchlichen Gebrauch das Vaterunser abschließt, fehlt bei Lukas gänzlich und bei Matthäus in den ältesten Handschriften. 4 Gleiches gilt für die von Mt 6,9b–13 abhängige Vaterunser-Fassung der Didache: Did 8,2b. Die Zählung von sieben Matthäus-Bitten beruht auf dem sprachlichen Befund, daß in dem Gebet sieben Verbformen zu verzeichnen sind, die eine Bitte artikulieren und so den Text tragen (ἁγιασθήτω – ἐλθέτω – γενηθήτω – δός – ἄφες – μὴ εἰσενέγκῃς – ῥῦσαι). Im Blick auf die antithetische Struktur (μὴ […], ἀλλὰ […]), auf die Parallelität der Satzglieder (μὴ εἰσενέγκῃς | ἡμᾶς | εἰς πειρασμόν par. ἀλλὰ ῥῦσαι | ἡμᾶς | ἀπὸ τοῦ πονηροῦ) und auf die Aussage von Mt 6,13 kann man allerdings mit manchen Auslegern fragen, ob der Vers dem Evangelisten nicht als eine gedankliche Einheit gilt und deshalb als eine einzige Bitte anzusehen ist.
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meinsamen Textbestandes sind zur Gebetsanrede, zur Brot-Bitte und zur Vergebungs-Bitte jeweils Unterschiede im Wortlaut zu verzeichnen. Nach Aufbau und syntaktischer Struktur stimmen die beiden Fassungen des Gebetes im wesentlichen miteinander überein: Auf die Gebetsanrede folgen zunächst bei Lukas zwei, bei Matthäus drei Du-Bitten, die asyndetisch, d. h. ohne ein „und“ aneinandergefügt sind. An die letzte der Du-Bitten ist sodann ebenfalls asyndetisch die Gruppe der Wir-Bitten angeschlossen, innerhalb derer die drei Lukas und Matthäus gemeinsamen Bitten durch die Kopula καί miteinander verbunden sind. Die nur bei Matthäus erscheinende vierte Du-Bitte hat ihre Eigentümlichkeit darin, daß sie durch ein adversatives ἀλλά eingeleitet wird und so in eine besonders enge Beziehung zu der ihr voraufgehenden Bitte tritt. Angesichts der skizzierten Befunde stellt sich die Frage nach der ursprünglichen Gestalt des von Jesus formulierten Gebetes. Die ihr gewidmete intensive Forschung hat nach meinem Urteil zu einem Ergebnis geführt, das sich in drei Sätzen knapp zusammenfassen läßt: 1. Die beiden neutestamentlichen Fassungen gehen auf eine gemeinsame griechische Vorlage zurück,5 die sich ihrerseits als eine Übersetzung aus der aramäischen Muttersprache Jesu zu erkennen gibt.6 2. Der ursprüngliche Umfang des Vaterunsers wird in dem kürzeren Lukas-Text greifbar; denn die beiden zusätzlichen Matthäus-Bitten dürften erst im gottesdienstlichen Gebrauch des Gebetes hinzugewachsen sein.7 3. Was den Wortlaut anlangt, so ist bei Lukas in der Gebetsanrede, bei Matthäus hingegen in der ersten und zweiten Wir-Bitte das Ursprüngliche erhalten.8 5 Die Abhängigkeit der beiden Fassungen von einer gemeinsamen griechischen Vorlage wird dadurch bewiesen, daß das absolute Hapaxlegomenon ἐπιούσιος (zu diesem s. Teil I des Aufsatzes) sowohl in Mt 6,11 wie auch in Lk 11,3 erscheint. 6 S. dazu G. Dalman, Die Worte Jesu I, Leipzig ²1930 = Darmstadt 1965, 283–365; J. Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung, in: Ders., Abba. Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966, 152–171; H. Gese, Bemerkungen zum Vaterunser unter dem Gesichtspunkt alttestamentlicher Gebetsformen, in: Chr. Landmesser / H.-J. Eckstein / H. Lichtenberger (Hg.), Jesus Christus als die Mitte der Schrift. Studien zur Hermeneutik des Evangeliums (BZNW 86), Berlin – New York 1997, 405–437: 411 f. Weitere grundlegende Literatur wird bei Jeremias, ebd., 152 Anm. * genannt. 7 J. Jeremias, Neutestamentliche Theologie I: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh ⁴1988, 190 bemerkt zu Recht: „Da liturgische Texte die Tendenz haben, sich anzureichern, und der kürzere Wortlaut hier gewöhnlich der ältere ist, dürften die Überschüsse bei Matthäus Erweiterungen darstellen. Es ist unwahrscheinlich, daß jemand die dritte und siebte Bitte gestrichen haben sollte, während der umgekehrte Vorgang gut vorstellbar ist.“ 8 Zur Gebetsanrede: Bei den Worten πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς von Mt 6,9b handelt es sich um eine Formulierung, „wie sie frommer jüdisch-palästinischer Sitte entsprach“ (Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung [s. Anm. 6], 158). – Zu der ersten Wir-Bitte: s. Teil I des vorliegenden Aufsatzes. – Zu der zweiten Wir-Bitte: Der Ausdruck τὰ ὀφειλήματα („unsere Schulden“) Mt 6,12a erklärt sich dadurch, daß der Singular τὸ ὀφείλημα die wörtliche Übersetzung des aramäischen Wortes ḥôbā’ ist, das nicht nur in eigentlichem Sinn die Geldschuld, sondern anders als das griechische Wort zugleich auch in übertragenem Sinn die Sünde gegen Gott bezeichnet; die Formulierung τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν Lk 11,4a stellt eine Gräzisierung von τὰ ὀφειλήματα dar. Um eine Gräzisierung handelt es sich ebenfalls bei den
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Da es sich beim Vaterunser um das Grundgebet der Jünger Jesu handelt, muß es m. E. als erstaunlich gelten, daß der griechische Text die Exegese vor zwei nicht unerhebliche sprachliche Probleme stellt.
I. ὁ ἄρτος ἡμῶν ὁ ἐπιούσιος Das erste zu notierende Problem bietet die sog. Brot-Bitte, mit der die WirBitten einsetzen. Bei Matthäus lautet sie: τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον (Mt 6,11), bei Lukas: τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δίδου ἡμῖν τὸ καθ’ ἡμέραν (Lk 11,3). Da die tragenden Verbformen der einzelnen VaterunserBitten sonst sämtlich im Aorist stehen, ist hinsichtlich der Frage nach dem ursprünglichen Wortlaut dem Matthäus-Text der Vorzug zu geben und das Präsens des Lukas-Textes als eine sekundäre Generalisierung der ursprünglich auf den „heutigen“ Tag ausgerichteten Aussage zu beurteilen. Das dem Matthäus- und dem Lukas-Text gemeinsame sprachliche Problem liegt in dem mit ἄρτος verbundenen Adjektiv ἐπιούσιος, zu dem bereits Origenes († 253/54) in seiner Schrift Περὶ εὐχῆς bemerkt: „Das Wort ἐπιούσιος findet sich bei keinem Griechen – es wird weder bei den Gelehrten verwendet noch auch in der Sprache der einfachen Leute gebraucht.“9 In der Tat ist das Wort außer in der Vaterunser-Bitte und in von ihr abhängigen Sätzen nirgends sonst im Altgriechischen belegt.10 Worten καὶ γὰρ αὐτοὶ ἀφίομεν παντὶ ὀφείλοντι ἡμῖν Lk 11,4b: sie ersetzen das semitisierende ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφήκαμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν Mt 6,12b (ὡς καί entspricht einem aramäischen kᵉdi, und der Aorist ἀφήκαμεν ist Wiedergabe eines aramäischen perfectum coincidentiae = „wie auch wir hiermit vergeben“; s. Jeremias, Neutestamentliche Theologie I [s. Anm. 7], 195; Ders., Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung [s. Anm. 6], 159 f.). 9 Origenes, De oratione XXVII 7 (GCS Origenes 2, 366,34–367,2): ἡ λέξις ἡ ‚ἐπιούσιον‘ παρ’ οὐδενὶ τῶν Ἑλλήνων οὔτε τῶν σοφῶν ὠνόμασται οὔτε ἐν τῇ τῶν ἰδιωτῶν συνηθείᾳ τέτριπται. Origenes vermutet sodann, daß das Wort ἐπιούσιος „von den Evangelisten gebildet“ sei (ἔοικε πεπλάσθαι ὑπὸ τῶν εὐαγγελιστῶν [367,2]), was allerdings nicht zutrifft, weil Matthäus und Lukas es bereits in dem ihnen vorliegenden griechischen Vaterunser-Text vorfanden (s. o. Anm. 5). 10 Vor allem die ältere Literatur weist auf einen aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. stammenden und nur bruchstückhaft erhaltenen Papyrus aus Oberägypten hin, in dem die Worte [τὰ] ἐπιούσι[α] stehen und etwa die Bedeutung „der Tagessold“, „die Tagesration“, „das tägliche Existenzminimum“ haben sollen; s. dazu F. Preisigke, Sammelbuch griechischer Urkunden aus Ägypten I, Straßburg 1915: 5224,20. Der Ausdruck τὰ ἐπιούσια entspräche dann dem lateinischen diaria, und für ἐπιούσιος könnte von daher die Bedeutung „für den Tagesbedarf hinreichend“ postuliert werden (so F. Preisigke, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden I, Berlin 1925, 567). Eine erneute Untersuchung des Papyrus hat jedoch ergeben, daß die genannte Lesung unhaltbar ist; s. M. Nijman / K. A. Worp, ‚Ἐπιούσιος‘ in a Documentary Papyrus?, NT 41 (1999) 231–234 sowie die Neuedition des Papyrus bei R. S. Bagnall / K. A. Worp, Household Accounts: SB I 5224 Revisited, BASP 38 (2001) 7–20: 12 (Zeile 90). Zu korrigieren sind u. a. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 601 f. s. v. ἐπιούσιος: 601; F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 123 Anm. 2.
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Schon die alten Übersetzungen des griechischen Neuen Testaments differieren in ihrem Verständnis des Wortes ἐπιούσιος ganz erheblich, wobei die Wiedergabe jeweils auf einem bestimmten sprachlich-etymologischen Urteil beruht.11 Ich skizziere nur eben die fünf wichtigsten Deutungen des Syntagmas ὁ ἄρτος ἡμῶν ὁ ἐπιούσιος: a) Die Itala, d. h. die altlateinische Bibel, übersetzt in Mt 6,11 und in Lk 11,3: „unser tägliches Brot“12, und ebenso gibt die Vulgata als die offizielle Bibel des lateinischen Westens das Syntagma in Lk 11,3 wieder.13 Das Wort ἐπιούσιος ist hier als Ableitung aus dem präpositionalen Ausdruck ἐπὶ τὴν οὖσαν (sc. ἡμέραν) = „für den betreffenden Tag bestimmt“ verstanden. – b) Die beiden erhaltenen Zeugen für die altsyrischen Evangelien (Sinai-Syrer und Cureton-Syrer) bieten als Übersetzung: „das fortwährende (oder: ständige) Brot“14. Hier dürfte ebenfalls an das tägliche Brot gedacht15 und ἐπιούσιος mithin von ἐπὶ τὴν οὖσαν (sc. ἡμέραν) abgeleitet sein. – c) Die Peschitta als die offizielle Bibel der syrischen Kirchen versteht ὁ ἄρτος ἡμῶν ὁ ἐπιούσιος an beiden neutestamentlichen Stellen als „das Brot unseres Bedürfnisses“16, d. h. als „das Brot, dessen wir (zum Leben) bedürfen“.17 Das Wort ἐπιούσιος wird hier auf ἐπὶ τὴν οὐσίαν = „zum Dasein / zum Leben gehörig“ zurückgeführt. – d) Die im bohairischen Dialekt abgefaßte offizielle Bibel der Koptisch-Orthodoxen Kirche bietet in Mt 6,11 die Übersetzung: „unser Brot von morgen“18. Hier ist 11 Zu den sprachlichen Ableitungen s. Bauer / A land, Wörterbuch⁶, 601 f. s. v. ἐπιούσιος; verbessert bei F. W. Danker, A Greek-English Lexicon of the New Testament and other Early Christian Literature (BDAG), Chicago – London ³2000, 376b–377a s. v. Vgl. ferner auch H. Cremer, Biblisch-theologisches Wörterbuch des neutestamentlichen Griechisch, hg. v. J. Kögel, Gotha ¹¹1923, 407–412; W. Foerster, Art. ἐπιούσιος, in: ThWNT II (1935 = 1957) 587– 595: 588,1–591,9. 12 panis noster cotidianus (v. l. quotidianus). 13 panis noster cotidianus (v. l. quotidianus). Im Vulgata-Text von Mt 6,11 lautet die Übersetzung dagegen: panis noster supersubstantialis. Das Adjektiv supersubstantialis dürfte hier eine ad hoc gebildete wortwörtliche Wiedergabe von ἐπιούσιος sein, die Bedeutung „überwesentlich“ / „übernatürlich“ haben und die Deutung auf das eschatologische Himmelsbrot implizieren. Zum Gedanken des Brotes der Heilszeit s. J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen ⁴1967, 225 f. 14 Mt 6,11 syᶜur: „unser fortwährendes Brot (laḥman ’amînā’ ) des Tages“; Lk 11,3 syᶜur.sin: „das fortwährende Brot (laḥmā’ ’amînā’ ) jedes Tages“. Mt 6,11 sysin ist nicht erhalten. 15 So Dalman, Die Worte Jesu I (s. Anm. 6), 327. 16 laḥmā’ dᵉsûnqānan. 17 Die Harklensis wählt dafür später in Mt 6,11 die Formulierung laḥmā’ […] sûnqānājā’ („unser [zum Leben] nötiges Brot“), während sie in Lk 11,4 laḥmā’ dᵉsûnqānā’ („das Brot unseres Bedürfnisses“) hat. 18 pĕnōik ᵉntĕ rasti. Dem sind zu Mt 6,11 zwei weitere koptische Textzeugen an die Seite zu stellen, die 1981 bzw. 2001 von H.-M. Schenke ediert wurden: Codex Scheide (pĕnaik ᵉnrĕstĕ) und Codex Schøyen 2650 (pĕnaik nrĕstē); s. dazu J. M. Leonard, Codex Schøyen 2650: A Middle Egyptian Coptic Witness to the Early Greek Text of Matthew’s Gospel. A Study in Translation Theory, Indigenous Coptic, and New Testament Textual Criticism (NTTSD 46), Leiden – Boston 2014, 101. – Das Verständnis von ὁ ἄρτος ὁ ἐπιούσιος als „das morgige Brot“ bezeugt Hieronymus, Commentaria in Evangelium S. Matthaei zu 6,11 (PL 26, 43 B.C) für die aramäische Vaterunser-Fassung des Nazaräerevangeliums: In dieser las er als Wiedergabe
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ἐπιούσιος zu dem Ausdruck ἡ ἐπιοῦσα = ἡ ἐπιοῦσα ἡμέρα „der kommende Tag“ in Beziehung gesetzt19 und also von dem Verbum ἐπιέναι („herankommen, bevorstehen“) her verstanden. Die Formulierung insgesamt erlaubt beides: bei wörtlich-realem Verständnis die Deutung auf das Brot des folgenden Tages und bei übertragen-geistlichem Verständnis die Deutung auf das eschatologischhimmlische Brot der Heilszeit.20 – e) Im koptisch-bohairischen Text von Lk 11,3 sowie im koptisch-saїdischen Text von Mt 6,11 und Lk 11,3 lautet die Übersetzung: „unser Brot, das kommt“21, d. h. „unser zukünftiges Brot“. Auch hier ist ἐπιούσιος von dem Verbum ἐπιέναι abgeleitet, der Begriff „kommend“ aber im Sinne von „zukünftig“ verstanden22 und ἄρτος ἐπιούσιος somit offenbar auf das eschatologische Himmelsbrot gedeutet. Die Frage, ob eine der genannten Deutungen den Vorzug verdient und – wenn ja – welche, ist seit der Alten Kirche bis in die heutige wissenschaftliche Exegese hinein lebhaft umstritten. Ich selbst erblicke mit der Peschitta in ἐπιούσιος eine Ableitung aus ἐπὶ τὴν οὐσίαν23 und setze mit ihr für οὐσία die Bedeutung „Existenz / Dasein / Leben“ voraus.24 Die Bitte bedeutet demnach: „Unser zum Leben nötiges Brot gib uns heute!“25, und das Wort „Brot“ steht dabei als eine von ἐπιούσιος das Wort māḥār („morgen“), und seine lateinische Übersetzung der Brot-Bitte lautet dementsprechend: panem nostrum crastinum da nobis hodie – „unser Brot für morgen gib uns heute“. 19 Zu ἡ ἐπιοῦσα = „der kommende / folgende Tag“ s. etwa Spr 3,28; 27,1 LXX; Apg 16,11; 20,15; 21,18; Josephus, Ant X 170; XII 215; Bell II 441; Vit 279 f.; Polybius, Hist II 25,11; V 13,10; Artemidor, Oneirocr V 92. 20 Hieronymus (s. Anm. 18) erwähnt beide Deutungen, die übertragene (crastinum, id est futurum) wie auch die wörtliche im Sinn von 1 Tim 6,8. Zu der übertragen-geistlichen Deutung s. auch Origenes, De oratione XXVII 13 (GCS Origenes 2, 371,27–373,2). 21 Bohairisch: pĕnōik ĕthnēw, saїdisch: pĕnoik ĕtnēw. 22 Vgl. τὰ ἐπιόντα „das Zukünftige“ (Demosthenes, Ep 4,5); ἐν τῷ ἐπιόντι χρόνῳ „in Zukunft“ (Platon, Symp 219a; Xenophon, Cyrop II 1,23; VIII 7,7); τὸ ἐπιόν bzw. mit Krasis τοὐπιόν „die Zukunft“ (Euripides, Fr 1073,6; Lukian, Ver Hist II 27) / „das Bevorstehende“ (Euripides, Rhes 331; Xenophon, Symp IV 5 [beidemal parallel zu τὸ μέλλον]). 23 Diese Ableitung vertritt z. B. auch Origenes, De oratione XXVII 7–9 (GCS Origenes 2, 366,33–369,22), allerdings in der Weise, daß er für οὐσία die Bedeutung „Substanz“ annimmt. Für ihn geht es in der Vaterunser-Bitte um das „lebendige Brot“ von Joh 6,26–58, d. h. um Christus als den, der die Seele der Glaubenden mit sich selbst nährt, indem er seinen Leib und sein Blut zur Speise gibt (ebd., 1–6 [GCS ebd., 363,23–366,32]). 24 Vgl. dazu Gregor von Nyssa, De oratione dominica orationes IV, der zu der Brot-Bitte bemerkt (PG 44, 1169 A): ζητεῖν προσετάχθημεν τὸ πρὸς τὴν συντήρησιν ἐξαρκοῦν τῆς σωματικῆς οὐσίας („uns wurde aufgetragen, das zu erbitten, was zur Erhaltung des leiblichen Daseins genügt“). Im Sinn dieser Aussage versteht Gregor ὁ ἄρτος ὁ ἐπιούσιος (zitiert ebd., 1176 A) als ὁ ἄρτος τῆς σημερινῆς χρείας (ebd., 1176 D). – Zu der Möglichkeit, daß οὐσία die Bedeutung „Existenz / Dasein / Leben“ hat, s. die Belege bei Cremer, Biblisch-theologisches Wörterbuch (s. Anm. 11), 410. Wie diese Belege zeigen, ist οὐσία in der Bedeutung „Dasein“ im Altgriechischen keineswegs nur als ein hoch-philosophischer Begriff verwendet worden. 25 In diesem Sinn deuten z. B. auch: Cremer, ebd.; P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch I: Das Evangelium nach Matthäus, München 1922 = ²1956, 420; J. Gnilka, Das Matthäusevangelium I (HThK I/1), Freiburg – Basel – Wien ²1988,
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pars pro toto-Metonymie für die lebensnotwendige Nahrung überhaupt.26 Der in der Auslegungsgeschichte öfter erhobene Einwand, daß bei der Ableitung aus ἐπὶ τὴν οὐσίαν eine Elision des Jota von ἐπί und also die Wortbildung ἐπούσιος hätte erfolgen müssen,27 geht für die neutestamentliche Zeit ins Leere, weil in der Koine auf die Vermeidung des Hiats nicht mehr unbedingt Wert gelegt wird.28 In dem sprachlich höchst ungewöhnlichen Syntagma ὁ ἄρτος ἡμῶν ὁ ἐπιούσιος als Ganzem erblicke ich eine Wiedergabe des aramäischen Ausdrucks laḥmā’ dᵉsårkan = „das Brot unseres Bedürfnisses (d. h. unseres notwendigen Bedarfs)“.29 Was dabei das Wort ἐπιούσιος betrifft, so kann dieses durchaus von dem griechischen Übersetzer selbst ganz neu gebildet worden sein;30 es kann sich aber auch um die Aufnahme eines nicht gerade geläufigen und deshalb zufälligerweise sonst nirgends belegten Wortes handeln. Weshalb der Übersetzer jedoch überhaupt ein so ungewöhnliches Wort gewählt hat, das bleibt im einen wie im andern Fall bislang ein Rätsel.31 Zur Begründung für mein soeben dargelegtes Verständnis des Wortes ἐπιούσιος stütze ich mich auf die folgenden Beobachtungen zum Gedankengang des Vaterunsers, dessen Du-Bitten und Wir-Bitten jeweils nach Form und Inhalt eine Einheit bilden.32 Die an erster Stelle stehenden Du-Bitten sind „betont eschatologische Bitten“.33 Als solche sind sie keine Gebetswünsche, sondern „wirk212.222 f.; H. Schürmann, Das Lukasevangelium II/1 (HThK III/2.1), Freiburg – Basel – Wien 1994, 176.192.193–196; H. Klein, Das Lukasevangelium (KEK 1/3), Göttingen ¹(¹⁰)2006, 399.406. 26 Zu ἄρτος in diesem Sinn s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 222 s. v. 2. 27 So z. B. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus I: Mt 1–7 (EKK I/1), Zürich – Einsiedeln – Köln bzw. Neukirchen-Vluyn 1985, 345 f. 28 S. dazu Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 124; Cremer, Biblisch-theologisches Wörterbuch (s. Anm. 11), 408; Foerster, ThWNT II 590,6–8 mit Anm. 21. 29 Der westaramäische Ausdruck laḥmā’ dᵉsårkan entspricht dem syrischen laḥmā’ dᵉsûn qānan der Peschitta (s. bei Anm. 16). Vgl. dazu Dalman, Die Worte Jesu I (s. Anm. 6), 327, der allerdings für das Nomen rectum den Plural sårkēnan wählt. 30 Vgl. K. G. Kuhn, Achtzehngebet und Vaterunser und der Reim (WUNT 1), Tübingen 1950, 35: „Es scheint von dem ersten Übersetzer des Vaterunsers ins Griechische ad hoc gebildet zu sein.“ 31 Man kann ja etwa – mit Dalman, Die Worte Jesu I (s. Anm. 6), 327 – fragen, warum der Übersetzer nicht als Epitheton ἐπιτήδειος (vgl. Jak 2,16) oder ἀναγκαῖος (vgl. Tit 3,14) verwendet hat. Ich kann dazu nur eine Vermutung äußern: Er könnte das Adjektiv ἐπιτήδειος aufgrund seiner ganz erheblichen Polysemie („passend, tauglich, fähig; geschickt, geeignet, zweckdienlich; geneigt, willig, willfährig, gefügig; zukommend, verdienend; zugetan, gewogen, geneigt; günstig, vorteilhaft, zweckmäßig; nötig, notwendig, erforderlich“) für ungeeignet und das Adjektiv ἀναγκαῖος aufgrund seiner recht allgemeinen Bedeutung („notwendig, nötig, erforderlich“) für nicht präzise genug gehalten haben. 32 Sprachlich liegt es nahe, ἐπιούσιος zu ἐπὶ τὴν οὐσίαν in Beziehung zu setzen, weil von Substantiven abgeleitete Adjektive auf -ιος nach der Wortableitungslehre die Zugehörigkeit zum Ausdruck bringen; s. E. Bornemann / E. Risch, Griechische Grammatik, Frankfurt am Main ²1978, § 299,1.a. 33 G. Eichholz, Auslegung der Bergpredigt (BSt 46), Neukirchen-Vluyn ³1975, 120.
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liche Bitten, die an Gott gerichtet sind u[nd] deren Erfüllung von Gott erwartet wird“.34 Die beiden Matthäus und Lukas gemeinsamen Bitten erflehen die universale Heiligung des Namens Gottes und damit die Anerkennung seines Gottund Herrseins durch alle Menschen (Mt 6,9c; Lk 11,2bβ) sowie das Kommen der Königsherrschaft Gottes, die jeder gottfeindlichen Macht und Herrschaft definitiv ein Ende setzen wird (Mt 6,10a; Lk 11,2bγ). Bei Matthäus tritt in einer zusätzlichen Bitte als Gebetsanliegen die endgültige und umfassende Durchsetzung des heiligen Willens Gottes auf der ganzen Erde und seine gehorsame Befolgung durch alle Bewohner der Erde hinzu (Mt 6,10b). Im Unterschied zu den Du-Bitten sind die dann folgenden Wir-Bitten m. E. nicht als eschatologische Bitten zu verstehen. In ihnen geht es vielmehr um die gegenwärtige Existenz der Jünger Jesu, und zwar sehr konkret um das, was sie in der Zeit bis zum Anbruch der Königsherrschaft Gottes unbedingt und mehr als alles andere nötig haben. Der Brot-Bitte (Mt 6,11; Lk 11,3) zufolge ist das die zum Leben nötige Nahrung, und dem tritt in der Vergebungs-Bitte (Mt 6,12; Lk 11,4a) die immer wieder neu von Gott gewährte Vergebung der Sünden an die Seite. Die in den beiden Bitten genannten Bedürfnisse haben jeweils eine ganz elementare Not im Blick. Auf ein weiteres und ebenfalls in einer elementaren Not begründetes Bedürfnis der Jünger bezieht sich dann auch die dritte Wir-Bitte (Mt 6,13a; Lk 11,4b), für die das Stichwort πρειρασμός kennzeichnend ist.
II. μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν Die von der „Versuchung“ handelnde Wir-Bitte enthält das zweite sprachliche Problem des griechischen Vaterunser-Textes. Sie unterscheidet sich dadurch von den anderen Bitten des Gebetes, daß sie als einzige nicht positiv, sondern negativ formuliert ist und daß deshalb im Griechischen anstelle des Imperativs der Prohibitiv, d. h. der mit der Negation μή verbundene Konjunktiv des Aorists erscheint. Der Wortlaut ist bei Matthäus (Mt 6,13a) und Lukas (Lk 11,4b) der gleiche: καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν35. Die Frage, wie diese Worte zu übersetzen und von daher dann zu verstehen sind, benennt das nicht geringe Problem, vor das sich die Exegese gestellt sieht.
So richtig Billerbeck I 408. Der gleiche Wortlaut findet sich im Anschluß an Mt 6,13a in der Vaterunser-Fassung von Did 8,2b. Er liegt auch der Bezugnahme auf Mt 6,13a in Polyk 7,2 zugrunde ([…] δεήσεσιν αἰτούμενοι τὸν παντεπόπτην θεὸν μὴ εἰσενεγκεῖν ἡμᾶς εἰς πειρασμόν). 34 35
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1. Der griechische Text der dritten Wir-Bitte Im Deutschen lautet die dritte Wir-Bitte nach dem geläufigen Gebetstext: „und führe uns nicht in Versuchung“.36 Diese Fassung der Bitte ist, soweit ich sehe, erstmals für das 15. Jahrhundert bezeugt,37 und sie findet sich im 16. Jahrhundert sowohl in der Übersetzung Martin Luthers (Septembertestament 1522, Vollbibel 1534. 1545) wie auch in der Zürcher Bibel (1531. 1545). Nicht anders geben respektable neuere Bibelübersetzungen38, aber auch wissenschaftliche Werke und unter ihnen nicht wenige Kommentare zum Matthäus- bzw. zum Lukas-Evangelium39 den griechischen Text wieder.40 Es entspricht dem skizzierten Befund, wenn das Bauer’sche Wörterbuch für εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν Mt 6,13a par. Lk 11,4b als Bedeutung notiert: „jemanden in Versuchung führen“.41 Die Richtigkeit dieser Auskunft und der entsprechenden Übersetzung der Vaterunser-Bitte ist allerdings ganz entschieden zu bestreiten – und zwar auf jeden Fall dann, wenn man hinsichtlich der Wortverbindung „jemanden in Versuchung führen“ den heutigen Sprachgebrauch voraussetzt. In ihm haben wir es bei der Formulierung „in Versuchung führen“ mit einem Funktionsverbgefüge zu tun, in dem das Wort „führen“ als Funktionsverb verwendet wird. Ein Funktionsverbgefüge liegt vor, wenn ein Verb wie „bringen“, „kommen“, „geben“, „machen“ oder eben auch „führen“ mit einem bestimmten nominalen Bestandteil – in der Regel mit einem Akkusativ-Objekt oder einem Präpositionalobjekt – zu einer semantischen Einheit verbunden wird.42 Die Hauptsinnträger sind dann jeweils die Nomina, so daß in nicht wenigen Fällen ein Funktionsverbgefüge gegen das dem Nomen verwandte Vollverb ausgetauscht werden kann. So kann etwa die Wortverbindung „jemanden in Versuchung führen“, selbst wenn mit ihr eine besondere Nuance zum Ausdruck gebracht werden soll, doch prinzipiell durch 36 Das die Bitte einleitende καί und seine Übersetzungen werde ich im Folgenden in der Regel weglassen. 37 S. dazu J. Kehrein, Pater Noster und Ave Maria in deutschen Uebersetzungen, Frankfurt a. M. 1865, 37 (Nr. XX). 45 (Nr. XXVII). 60 (Nr. XXXVII). Den letztgenannten Beleg bietet die erste gedruckte deutsche Bibel: die Mentelin-Bibel von 1466. 38 So z. B. die Menge-Bibel, die Elberfelder Bibel, die Jerusalemer Bibel, die Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift sowie die Übersetzungen des Neuen Testaments von C. Weizsäcker, W. Michaelis und U. Wilckens. 39 So z. B. Gnilka, Das Matthäusevangelium I (s. Anm. 25), 212; M. Konradt, Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen 2015, 100; Klein, Das Lukasevangelium (s. Anm. 25), 399; M. Wolter, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, 403. 40 Eine bloß sprachliche Variante ist das gelegentlich gewählte „bring(e) uns nicht in Versuchung“; so z. B. Luz, Das Evangelium nach Matthäus I (s. Anm. 27), 334. 41 Bauer, Wörterbuch⁵, 463 s. v. εἰσφέρω 2; Bauer / A land, Wörterbuch⁶, 470 f. s. v. εἰσφέρω 2. Ebenso z. B. auch bereits S.Ch. Schirlitz / Th. Eger, Griechisch-deutsches Wörterbuch zum Neuen Testament, Gießen ⁶1908, 126a s. v. εἰσφέρω. 42 Zu Funktionsverb und Funktionsverbgefüge im Deutschen s. G. Drosdowski u. a., Grammatik der deutschen Gegenwartssprache (Duden 4), Mannheim – Wien – Zürich ⁴1984, § 182 (vgl. auch § 991).
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die Formulierung „jemanden versuchen“ ersetzt werden. Als ein Funktionsverbgefüge ist – wie sogleich angemerkt sei – ebenfalls die Wendung „auf die Probe stellen“ zu bestimmen, mit der nicht wenige Auslegungen der Versuchungs-Bitte operieren, und auch hier kann an dessen Stelle das Verbum „erproben“ (oder auch das Verbum „prüfen“) treten. Daß es sich im heutigen Deutsch bei der Wortverbindung „in Versuchung führen“ um ein Funktionsverbgefüge handelt,43 ist deshalb ein grammatikalischer Tatbestand von ganz erheblichem Gewicht, weil es hinsichtlich der griechischen Bitte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν für eine entsprechende Bestimmung der Wendung εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν keinerlei tragfähiges Fundament gibt.44 Diese Wendung findet sich, wenn ich recht sehe, im Altgriechischen einzig und allein an den beiden neutestamentlichen Stellen Mt 6,13a par. Lk 11,4b und von daher dann im frühchristlichen Schrifttum in Zitaten dieser Vaterunser-Bitte (so z. B. Did 8,2b) bzw. in Bezugnahmen auf sie.45 Eine Verwendung von εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν als Synonym zu den Verben πειρᾶν / πειρᾶσθαι bzw. πειράζειν und also in der Bedeutung „in Versuchung führen“ – oder auch in der Bedeutung „auf die Probe stellen“46 – ist dementsprechend nirgends belegt. Aus diesem Tatbestand ergibt sich notwendig die Folgerung, daß εἰσφέρειν in den Worten μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν nicht als Funktionsverb, sondern als Vollverb verwendet ist. Die korrekte Übersetzung der Bitte in heutiges Deutsch kann 43 Daß dieses Urteil auch bereits für die gleichlautende Wortverbindung in den oben erwähnten Zeugnissen des 15. Jahrhunderts und im ursprünglichen Text der Luther-Bibel und der Zürcher Bibel gilt, erscheint mir höchst zweifelhaft. Hier dürfte „führen“ vielmehr durchaus noch als Vollverb verwendet sein, so daß die Formulierung „und führe uns nicht in Versuchung“ eine sprachliche Parallele darstellt zu jenen frühen deutschen Wiedergaben, die für das lateinische et ne nos inducas in tentationem etwa eine der folgenden Wendungen wählen: „endi ni gileidi unsih in costunga“ (Kehrein, Pater Noster und Ave Maria in deutschen Uebersetzungen [s. Anm. 37], 9 [Nr. VI, 8./9. Jahrhundert]), „enti ni uerleiti unsih in die chorunga“ (ebd., 19 [Nr. IX, 9. Jahrhundert]); „vnd nit laite vns in bekorung“ (ebd., 40 [Nr. XXIV, 15. Jahrhundert]), „vnd nicht inlaitt vns in versuchung“ (ebd., 51 [Nr. XXIX, 15. Jahrhundert]). Was z. B. Luther anlangt, so will beachtet sein, daß er die dritte Wir-Bitte des Vaterunsers auch mit „und nit einfuere uns in versuchung“ übersetzen kann (WA 6, 17,27; s. auch WA 2, 122,34; 7, 227,27 und vgl. WA 19, 96,12; 30/I 209,22) und die Worte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς ausdrücklich als „fure uns nicht hyneyn“ interpretiert (so WA 9, 156,33 f.). 44 Daß es sich auch im griechischen Text um ein Funktionsverbgefüge handle, vertreten zu Unrecht: E. Jenni, Kausativ und Funktionsverbgefüge. Sprachliche Bemerkungen zur Bitte: „Führe uns nicht in Versuchung“, ThZ 48 (1992) 77–88: 79; M. Gielen, „Und führe uns nicht in Versuchung“. Die dritte Wir-Bitte des Vaterunsers – eine Anfechtung für das biblische Gottesbild, ZNW 89 (1998) 201–216: 203. 45 Ergänzend merke ich an, daß mir auch kein einziger weiterer Beleg bekannt ist für eine übertragene Verwendung von εἰσφέρειν τινὰ εἴς τι mit dem Sinn „jemanden in etwas Böses / Schlimmes hineinbringen“. Im eklatanten Unterschied dazu gibt es etwa zu ἐμπίπτειν εἰς πειρασμόν 1 Tim 6,9 nicht wenige vergleichbare Belege; s. nur Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 517 s. v. ἐμπίπτω 2. 46 Die Bedeutung „auf die Probe stellen“ = „erproben“ / „prüfen“ haben ferner u. a. die Verben διαπειρᾶσθαι, δοκιμάζειν, ἐκπειράζειν, ἐκπειρᾶσθαι sowie die beiden griechischen Funktionsverbgefüge πεῖραν ποιεῖσθαι und πεῖραν λαμβάνειν.
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mithin nicht lauten: „führe uns nicht in Versuchung“ oder „stelle uns nicht auf die Probe“; sie muß vielmehr – der üblichen Bedeutung von εἰσφέρειν εἰς entsprechend47 – auf jeden Fall lauten: „führe uns nicht in Versuchung hinein“ oder „bringe uns nicht in Versuchung hinein“48. Gegenüber dem Funktionsverbgefüge „in Versuchung führen“ besteht dann insofern ein nicht unerheblicher Unterschied, als mit εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν auch bei der im Vaterunser vorliegenden übertragenen Verwendung eine gewisse lokale Vorstellung verbunden sein muß: Die Bitte hat eine mit dem πειρασμός gegebene und durch ihn gekennzeichnete Situation im Blick, in die jemand hineingeführt bzw. hineingebracht wird. Der lexikographische Befund, daß der Ausdruck εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν abgesehen von der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers im Altgriechischen nicht nachgewiesen ist, gibt zu der Frage Anlaß, ob wir in den Worten μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν eine sklavisch getreue Übersetzung aus jener Sprache zu erkennen haben, in der Jesus seinen Jüngern das Gebet gegeben hat, – also aus dem Aramäischen. Daß es rein sprachlich-philologische Beobachtungen sind, die hier nach dem aramäischen Text fragen lassen, muß nachdrücklich betont werden.49 Den Anlaß liefert also nicht etwa das Anliegen, mit dem Rekurs auf die semitische Vorlage des griechischen Textes den Anstoß daran zu beseitigen, daß Gott als Subjekt des εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν erscheint. 2. Das kontroverse Verständnis der dritten Wir-Bitte Sieht man von besonderen Akzentsetzungen in der Auslegung der VersuchungsBitte sowie von dieser oder jener recht eigenwilligen Interpretation ab, so stehen sich in der Auslegungsgeschichte des Vaterunsers von der Zeit der Kirchenväter an bis heute zwei Deutungen der Worte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν bzw. ihrer wörtlichen lateinischen Übersetzung ne nos inducas in temptationem50 47 Das Verbum εἰσφέρειν heißt in Verbindung mit der Präposition εἰς: „hineintragen in / hineinbringen in / hineinführen in“ bzw. „tragen in [hinein] / bringen in [hinein] / führen in [hinein]“. Die Wendung εἰσφέρειν τινὰ εἴς τι bedeutet dementsprechend: „jemanden in etwas [hinein]bringen / [hinein]führen“. 48 In diesem Sinn übersetzen mit Recht u. a. Th. Zahn, Das Evangelium des Matthäus (KNT 1), Leipzig – Erlangen ⁴1922, 283; Ders., Das Evangelium des Lucas (KNT 3), Leipzig – Erlangen ³.⁴1920, 447; J. Schniewind, Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen ⁸1956, 79; Schürmann, Das Lukasevangelium II/1 (s. Anm. 25), 176; K. H. Rengstorf, Das Evangelium nach Lukas (NTD 3), Göttingen ⁹1962, 143; E. Schweizer, Das Evangelium nach Lukas (NTD 3), Göttingen ¹(¹⁸)1982, 124; F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas II: Lk 9,51–14,35 (EKK III/2), Zürich – Düsseldorf bzw. Neukirchen-Vluyn 1996, 118. 49 Die Frage stellt sich also ebenso, wie hinsichtlich der ersten Wir-Bitte das sprachlich höchst ungewöhnliche Syntagma ὁ ἄρτος ἡμῶν ὁ ἐπιούσιος Anlaß dazu gab, den aramäischen Text in den Blick zu fassen (s. o. bei Anm. 29). 50 So der Wortlaut der meisten Itala-Zeugen und der Vulgata. Statt temptationem kann es auch tentationem heißen.
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gegenüber. Die zuerst zu nennende Deutung insistiert auf dem griechischen bzw. lateinischen Wortlaut und urteilt von daher, daß in der Bitte von dem bewirkenden Handeln Gottes die Rede ist. Gott selbst ist der Urheber des πειρασμός, wie immer man die „Versuchung“ dann des näheren bestimmen und das göttliche Wirken im einzelnen beschreiben mag. Diesem kausativen Verständnis wird bereits in der Alten Kirche bei einigen Kirchenvätern und bei byzantinischen Theologen das Urteil entgegengesetzt, daß es in der dritten Wir-Bitte nicht um das bewirkende, sondern um das zulassende Handeln Gottes gehe, daß also ein permissives Verständnis der Worte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν bzw. ne nos inducas in temptationem geboten sei.51 Tertullian († nach 220) zitiert in seiner Schrift „Über das Gebet“ die Bitte zunächst in der Fassung ne nos inducas in temptationem, die – wie bereits erwähnt – dem Vaterunser-Wortlaut der meisten Itala-Zeugen und der Vulgata entspricht; er fügt dann aber sogleich interpretierend hinzu: id est, ne nos patiaris induci, ab eo utique qui temptat52 („das heißt: Laß nicht zu, daß wir [in Versuchung] hineingeführt werden, natürlich von dem, der da versucht53“). Cyprian († 258) gibt in seiner Abhandlung „Über das Gebet des Herrn“ das Vaterunser in einer Fassung wieder, die Mt 6,9b–13 verpflichtet ist;54 in ihr stimmt jedoch die sechste Bitte mit der Auslegung Tertullians überein: ne patiaris nos induci in tentationem55 („laß nicht zu, daß wir in Versuchung hineingeführt werden“).56 Die gleiche Bitte erscheint in dem 51 S. dazu F. H. Chase, The Lord’s Prayer in the Early Church, Cambridge 1891, 60–69. – Th. Zahn und A. von Harnack haben aufgrund der Frage quis non sinet nos deduci in tentationem? bei Tertullian, Adversus Marcionem IV 26 (CSEL 47, 509,27 f.) die These vertreten, daß die Bitte von Lk 11,4b in Marcions Evangelium (um 150) gelautet habe: μὴ ἄφες ἡμᾶς εἰσενεχθῆναι εἰς πειρασμόν („laß uns nicht in Versuchung hineingeführt werden“); s. Th. Zahn, Geschichte des Neutestamentlichen Kanons II: Urkunden und Belege zum ersten und dritten Band. Zweite Hälfte, Erlangen – Leipzig 1892, 472 f.; Ders., Das Evangelium des Lucas (s. Anm. 48), 767– 772: 767; A. von Harnack, Marcion: Das Evangelium vom fremden Gott (TU 45), Leipzig ²1924, 207*. Diese in der Vaterunser-Exegese weithin aufgenommene These ist keineswegs hinreichend begründet; s. D. T. Roth, The Text of the Lord’s Prayer in Marcion’s Gospel, ZNW 103 (2012) 47–63: 61 f. 52 Tertullian, De oratione 8,1 (CSEL 20, 186 [Fontes Christiani 76, 234]). Vgl. die etwas anders akzentuierte Auslegung in: De fuga in persecutione 2,5 (CSEL 76, 21). 53 Gemeint ist der Satan. 54 Cyprian, De dominica oratione 7 (CSEL 3/1, 270,23–271,3). 55 Cyprian, ebd. (271,1 f.) und so dann auch ebd., 25 (285,26); zu beiden Stellen ist als Textvariante die Fassung et ne patiaris induci nos in tentationem zu notieren. – Die soeben zitierte Fassung der Bitte erwähnt Augustinus (354–430) unter Hinweis auf Cyprian in: De sermone Domini in monte II 9,30 (PL 34, 1282); daß „viele beim Gebet so sagen“, bemerkt er in: De dono perseverantiae 6,12 (PL 45, 1000). – Mit Cyprians Fassung des Vaterunsers berührt sich die ItalaFassung des Matthäus-Textes, wie sie im Codex Bobbiensis (um 400) enthalten ist und in der die dritte Wir-Bitte lautet: et ne passus fueris induci nos in temptationem („und laß nicht zu, daß wir in Versuchung hineingeführt werden“). Vgl. die Itala-Fassung des im 11. oder 12. Jahrhundert geschriebenen Codex Colbertinus (Mt 6,13a hier: et ne passus nos fueris induci in tentationem). 56 In der Fassung ne nos induci patiaris in tentationem wird die Bitte Mt 6,13a bei Arnobius dem Jüngeren († nach 455) zitiert: Conflictus cum Serapione II 30 (PL 53, 315 A); vgl. Commentarii in Psalmos, Ps 119 (PL 53, 523 B).
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Wortlaut ne patiaris induci nos in tentationem in einer Schrift des Ambrosius († 397) über die Sakramente, und zwar sowohl im Zitat des gesamten Herrengebetes57 wie auch in der Auslegung des Gebetes58. Unter den griechischen Kirchenvätern ist Dionysios von Alexandrien († 264/265) zu nennen, der zu der Bitte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν bemerkt: τουτέστι μὴ ἐάσῃς ἡμᾶς ἐμπεσεῖν εἰς πειρασμόν59 („das heißt: Laß nicht zu, daß wir in Versuchung hineingeraten“). Die gleiche Deutung gibt Theophylakt von Achrida († ca. 1125/26), wenn er zu den Worten μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς von Lk 11,4b anmerkt: τουτέστι, μὴ συγχωρήσῃς ἡμᾶς ἐμπεσεῖν εἰς πειρασμόν,60 und Euthymios Zigabenos († nach 1118), wenn er das μὴ εἰσενέγκῃς von Mt 6,13a als μὴ παραχωρήσῃς εἰσενεχθῆναι interpretiert.61 Bei den im Vorigen zitierten permissiven Formulierungen der dritten WirBitte, die zum Teil sogar in die gesamte Fassung des Vaterunsers Eingang finden, handelt es sich jeweils nicht um wörtliche Wiedergaben, sondern um Interpretationen des griechischen bzw. des lateinischen Textes der Bitte. Diese Interpretationen beruhen auf theologischen Erwägungen zu den beiden Fragen, was genau unter dem πειρασμός der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers zu verstehen ist und ob Gott als der unmittelbare Wirker und Verursacher dieser „Versuchung“ gedacht werden kann.62 Eine sprachliche Begründung wird von den genannten Kirchenvätern und byzantinischen Theologen wie auch von nicht wenigen späteren Autoren, die in ihrem Sinn interpretieren63, nicht gegeben.64 57 De sacramentis V 4,18 (PL 16, 450 B). Nach J. Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand (Theoph. 25), Köln – Bonn 1975, 413 ist das die Meßform in Mailand zur Zeit des Ambrosius. 58 De sacramentis V 4,29 (PL 16, 454 A). Hier fügt Ambrosius zu den Worten et ne patiaris induci nos in tentationem als Kommentar hinzu: quam ferre non possumus. Zu dieser auf 1 Kor 10,13 beruhenden Kennzeichnung des πειρασμός und zu ihrem in der Alten Kirche verbreiteten Eindringen in den Text der matthäischen Vaterunser-Fassung s. E. Lohmeyer, Das Vater-Unser, Göttingen ⁵1962, 135. 59 Dionysios von Alexandrien, Fragmenta (PG 10, 1601 A). 60 Theophylakt von Achrida, Enarratio in Evangelium Lucae, zu Lk 11,4b (PG 123, 856 C). 61 Euthymios Zigabenos (Zigadenos), Commentarius in quatuor Evangelia, zu Mt 6,13a (PG 129, 240 A). 62 Eine mit der Fassung ne patiaris induci verbundene theologische Erwägung notiert knapp Hrabanus Maurus († 856), Commentaria in Matthaeum. Liber II, zu 6,13 (PL 107, 820 D – 821 A): Multi autem in precando ita dicunt: Ne nos patiaris induci in tentationem, exponentes videlicet quomodo dictum sit inducas. Qua in parte ostenditur nihil contra nos adversarium posse, nisi Deus ante permiserit, ut omnis timor noster et devotio atque observatio ad Dominum convertatur, quando in tentationibus nostris nihil malo liceat, nisi inde tribuatur. 63 Als Beispiel nenne ich Johannes Gerson (1363–1429), Compendium Theologiae. Tractatus V. De septem petitionibus contentis in Oratione Dominica, in: Joannis Gersonii Opera omnia I, Antwerpen 1706, 307: Et ne nos inducas in tentationem. Quod intellige permissive, id est non induci sinas in tentationem, hoc est, ne permittas nos succumbere tentationi. 64 Das ist auch für wissenschaftliche Werke zu verzeichnen. So gibt J. F. Schleusner, Novum Lexicon Graeco-Latinum in Novum Testamentum I, Leipzig ⁴1819, 734 für εἰσφέρω Mt 6,13a par. Lk 11,4b ohne jede Begründung die Bedeutung sino, permitto aliquem incidere,
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Angesichts dessen, daß der zu dem altgriechischen Verbum εἰσφέρειν zu verzeichnende lexikographische Befund für eine permissive Bedeutung keinerlei Grundlage liefert,65 ist eine sprachliche Begründung jedoch unerläßlich. Eine solche bietet – vielleicht erstmals – Philipp Melanchthon.66 Es ist durchaus denkbar, daß er als hervorragender Gräzist gewußt hat, daß εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν im Altgriechischen eine ganz ungewöhnliche Formulierung ist und daß das Verbum εἰσφέρειν keine permissive Bedeutung hat. Er begründet jedenfalls sein permissives Verständnis der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers – Ne nos inducas in tentationem, id est, ne sinas nos induci – sprachlich mit dem Hinweis, daß in dieser Bitte eine Hebraica phrasis vorliege, der zufolge durch ein transitives Verbum „eine Zulassung, nicht aber ein wirkender Wille“ (permissio, non voluntas efficax) zum Ausdruck gebracht werden könne.67 Wenn Melanchthon hier von dem „Hebräischen“ spricht, so kann er dabei durchaus an das Aramäische gedacht haben.68 Er geht in seinem Urteil nämlich ohne Frage davon aus, daß es sich beim Vaterunser und so auch bei den Worten μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν um eine Übersetzung aus der Sprache handelt, in der die Jünger ursprünglich das Vaterunser empfangen haben. Von daher führt er das griechische Verbum εἰσφέρειν („hineinbringen / hineinführen“) entweder auf den Kausativstamm des hebräischen Verbums bô’ („hineingehen / kommen“) oder auf den Kausativstamm des aramäischen Verbums ‛ªlal („hineingehen / hineinkommen“) zurück, also auf das hebräische Hifil hēbî’ 69 bzw. auf das aravenire, pervenire an, und er bietet dann für die griechische Bitte die Übersetzung: ne patiaris nos induci in tentationem. Ähnlich notiert M. Zerwick, Analysis philologica Novi Testamenti Graeci, Rom ⁴1984, 14 zu Mt 6,13a einfach: εἰσ-φέρω in-duco; etiam permissive: sino intrare: fac ne intremus. 65 S. die einschlägigen Lexika s. v. εἰσφέρω. 66 Ob Melanchthon mit seinem sprachlichen Argument eine These älterer Exegese aufnimmt, vermag ich nicht zu sagen. 67 Ph. Melanchthon, Commentarii in Epist. Pauli ad Romanos (1532), zu 9,18 (CR 15, 684): Hebraeis verba transitiva communissime habent significationem permittentis. Quale est: Ne nos inducas in tentationem id est, ne sinas nos induci; Ders., Loci communes, tertia aetas 1559 (CR 21, 645 [Melanchthons Werke in Auswahl II/1, 226,25–28]): […] Hebraica phrasi significare […] permissionem, non voluntatem efficacem, ut: Ne nos inducas in tentationem, id est, ne sinas nos induci […] (ebenso bereits Loci communes, secunda aetas 1535 [CR 21, 371]). Vgl. in den Loci von 1559 auch CR 21, 919 (Melanchthons Werke in Auswahl II/2, 601,17–22) und CR 21, 977 (Werke II/2, 680,11–17]). Ohne Rekurs auf das „Hebräische“ findet sich das permissive Verständnis der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers bereits in: Annotationes et conciones in Evangelium Matthaei (1523), zu Mt 6,13 (CR 14, 662). 68 Für das Aramäische sprechen Ausführungen Martin Luthers, die sich unter der Überschrift ‚De oratione dominica grammatica explicatio‘ in den Tischreden von 1540 finden (WA.TR V 57, Nr. 5317 und Nr. 5318) und für die der Reformator seinem Freund Melanchthon verpflichtet sein dürfte. Luther erklärt dort zunächst grundsätzlich (57,6 f.): Haec oratio habet multas phrases Hebraeas, nam Christus locutus est Syriace; Syria autem tum temporis habuit Chaldaicam linguam. Zur dritten Wir-Bitte heißt es dann (57,25 f.): Et ne nos inducas, id est: Ne sinito nos induci. Permissive accipiendum, non effective. 69 Auf diese Entsprechung verweisen zu Mt 6,13a bereits u. a. J. Drusius, Annotationum in
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mäische Afel70 ’a‛êl. In beiden semitischen Sprachen wird der Kausativstamm eines Verbums nicht nur in streng kausativem, d. h. die direkte Verursachung anzeigendem Sinn verwendet, sondern ebenso auch in permissivem, d. h. die bloße Zulassung zum Ausdruck bringendem Sinn. Die Entscheidung darüber, welcher Sinn an einer konkreten Stelle vorliegt, hängt von dem jeweiligen Kontext ab. Das hebräische Hifil hēbî’ und das aramäische Afel ’a‛êl können von ihrer Grundbedeutung „hineinbringen / hineinführen [sc. in]“ die Wiedergabe mit „hineingeraten lassen [sc. in]“ erfordern, wobei dann mit „lassen“ entweder die kausative Nuance „veranlassen“ („bewirken“) oder die permissive Nuance „zulassen“ („erlauben“) verbunden ist.71 Das ist das Argument, mit dem Melanchthon seine Wiedergabe der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers – ne sinas nos induci in tentationem72 – begründet. Dieses Argument begegnet dann vom 17. Jahrhundert an in den großen Sammelwerken wie jenen von Hugo Grotius und Johann Jakob Wettstein,73 aber auch – und dies bis heute – in Kommentaren zum Matthäus- und zum Lukas-Evangelium74 sowie in Einzeluntersuchungen zum Vaterunser75. 3. Der ursprüngliche Sinn der dritten Wir-Bitte Wie die Ausführungen zu dem kontroversen Verständnis der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers gezeigt haben, erhebt sich in der Auslegungsgeschichte die Frage, ob die Exegese nicht unbedingt bedenken muß, daß es sich bei den Worten totum Jesu Christi Testamentum sive Praeteritorum libri decem, Franeker 1612, 20; H. Grotius, Annotationes in Novum Testamentum I (1641). Denuo emendatius editae, Groningen 1826, 240; Chr. Schöttgen, Horae Hebraicae et Talmudicae in universum Novum Testamentum I, Dresden – Leipzig 1733, 64; J. J. Wettstein, Novum Testamentum Graecum I, Amsterdam 1751 = Graz 1962, 326. 70 Im Biblisch-Aramäischen: Hafel. 71 Kausative Bedeutung haben das Hifil der Hebräischen Bibel (hªbē’tānû) und ebenso das Afel des aramäischen Psalmen-Targums (’ª‛ēltānā’ ) in dem an Gott gerichteten Psalmvers Ps 66,11a: „Du hast uns in das Fangnetz hineingebracht“ = „Du hast uns in das Fangnetz hineingeraten lassen“. Hier ergibt sich der kausative Sinn, den auch die Septuaginta zum Ausdruck bringt (εἰσήγαγες ἡμᾶς εἰς τὴν παγίδα [Ψ 65,11a]), zweifelsfrei aus dem Kontext der Verse 10–12. – Belege für permissive Bedeutung s. u. bei den Anmerkungen 79–84 und 85–88 (vgl. auch Anm. 77). 72 S.o. Anm. 67. 73 S.o. Anm. 69. 74 S. z. B. W. M. L. de Wette, Kurze Erklärung des Evangeliums Matthäi (KEH.NT I.1), Leipzig ³1845, 84; G. H. Box / W. F. Slater, St. Matthew (The New-Century Bible). New and Enlarged Edition, London u. a. o. J. (1922), 131 f.; W. Grundmann, Das Evangelium nach Matthäus (ThHK 1), Berlin 1968, 197; Schürmann, Das Lukasevangelium II/1 (s. Anm. 25), 202 mit Anm. 209. 75 S. z. B. Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung (s. Anm. 6), 169; Ders., Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 7), 195 f.; M. Philonenko, Das Vaterunser. Vom Gebet Jesu zum Gebet der Jünger (UTB 2312), Tübingen 2002, 100–102.115.
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μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν um eine Übersetzung aus der semitischen Sprache handelt, in der Jesus seinen Jüngern das Gebet gegeben hat. Zu dieser Frage hatten uns bereits zuvor die einleitenden Betrachtungen zum griechischen Text der Bitte Anlaß gegeben, und zwar im entscheidenden aufgrund der rein sprachlich-philologischen Beobachtung, daß es sich bei der für die dritte WirBitte charakteristischen Wendung εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν um eine im Altgriechischen höchst ungewöhnliche, weil überhaupt nur im Text des Vaterunsers belegte Formulierung handelt. Es ist vor allem diese Beobachtung, die uns jetzt aufgrund der Erkenntnis, daß den beiden griechischen Vaterunser-Fassungen des Neuen Testaments ein aramäischer Text zugrunde liegt, nach dem aramäischen Wortlaut der Versuchungs-Bitte und damit nach ihrem ursprünglichen Sinn fragen läßt. Eine begründete Übersetzung der Worte καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν ins Aramäische lautet: wᵉlā’ ta‛ēlinnan lᵉnisjôn.76 Zwischen dem griechischen und dem aramäischen Satz besteht insofern ein fundamentaler Unterschied, als in dem letzteren das Afel ta‛ēlinnan („bringe hinein“ = „laß hineingeraten“) anders als die Aoristform von εἰσφέρειν sowohl kausative wie permissive Bedeutung haben kann. Rein sprachlich gesehen gibt es deshalb keinen begründeten Einwand gegen ein streng kausatives Verständnis des aramäischen Ausdrucks. Für ein permissives Verständnis kann jedoch auf zwei Texte hingewiesen werden, die bereits in der Literatur zu unserer Vaterunser-Bitte namhaft gemacht worden sind und jetzt noch einmal vorgelegt und knapp erläutert werden sollen.77 Bei den beiden Texten handelt es sich um solche in hebräischer Sprache, wobei zu dem erstgenannten auch eine genaue syrische Übersetzung vorliegt.78 1. In der in Qumran gefundenen hebräischen Fassung des apokryphen 155. Psalms (11Q5 XXIV 3–17)79 richtet der Beter an Gott die Bitte (XXIV 10): „Gedenke meiner und vergiß mich nicht, und bringe mich nicht (wᵉ’al tᵉbî’ênî ) in das 76 So Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung (s. Anm. 6), 160; Gese, Bemerkungen zum Vaterunser unter dem Gesichtspunkt alttestamentlicher Gebetsformen (s. Anm. 6), 412. Vgl. auch bereits Dalman, Die Worte Jesu I (s. Anm. 6), 344–347. – Da das griechische εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν nicht als Funktionsverbgefüge gelesen werden kann (s. o. bei Anm. 44–48), ist es im Ansatz verfehlt, wenn einer Rückübersetzung der dritten Wir-Bitte ins Aramäische die Worte „und stelle uns nicht auf die Probe“ bzw. „do not test us with testing“ zugrunde gelegt werden; so U. Schattner-Rieser, Das Aramäische zur Zeit Jesu, „ABBA!“ und das Vaterunser. Reflexionen zur Muttersprache Jesu anhand der Texte von Qumran und der frühen Targumim, in: J. Frey / E. E. Popkes (Hg.), Jesus, Paulus und die Texte von Qumran (WUNT II 390), Tübingen 2015, 81–144: 107.129 f.138 f.141; Dies., The Lord’s Prayer in the Context of Jewish-Aramaic Prayer Traditions in the Time of Jesus, in: D. A. Smith / Chr. Heil (Hg.), Prayer in the Sayings Gospel Q (WUNT 425), Tübingen 2019, 23–55: 33.44 f.52. 77 Zu permissiver Verwendung des Hafel von ‛ªlal s. im Alten Testament Dan 2,24; 6,19. 78 Das Syrische gehört zum Ostaramäischen. 79 Auf diesen Text verweisen zu Mt 6,13a z. B. M. Philonenko, L’origine essénienne des cinq psaumes syriaques de David, Semitica 9 (1959) 35–48: 44; Ders., Das Vaterunser (s. Anm. 75), 101 f.; J. Carmignac, Recherches sur le „Notre Père“, Paris 1969, 287 f.; J. H. Charlesworth / J. A. Sanders in: J. H. Charlesworth, The Old Testament Pseudepi-
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hinein, was zu schwer für mich ist.“80 Der bereits vorher bekannte syrische Text (SyrPs III 11) stimmt wörtlich mit dem hebräischen überein, wobei dem wᵉ’al tᵉbî’ênî ein wᵉlā’ ta‛lan entspricht.81 Was der Beter unter dem „Schweren“ (qāšôt82) verstanden wissen will, das er nicht zu tragen vermöchte, das ergibt sich aus dem unmittelbaren Textzusammenhang. In ihm geht es dezidiert um die Sünde des Beters, wie die beiden folgenden Bitten zeigen: „Jahwe, richte mich nicht nach meinen Sünden, denn vor dir ist kein Lebender gerecht“ (Zeilen 6 f.) und: „Die Sünden meiner Jugend laß fern von mir sein, und meiner Vergehen möge mir nicht mehr gedacht werden“ (Zeile 11).83 Im Kontext dieser Bitten wird es in der Bitte von Zeile 10 um die Bewahrung vor einer durch schwere Sünde veranlaßten und deshalb für den Beter unerträglichen Situation gehen. Der zweite Teil der Bitte hat dann den permissiven Sinn: „und laß mich nicht in eine Lage hineingeraten, die zu schwer für mich ist“.84 – 2. Im Traktat Berakhot („Segenssprüche“) des Babylonischen Talmuds (bBer 60b) wird ein in hebräischer Sprache abgefaßtes Abendgebet mitgeteilt,85 das die folgenden Bitten enthält: „Möge es dein Wille sein, o Herr, mein Gott, daß du mich zum Frieden mich niederlegen läßt, und gib mir Anteil an deiner Tora. Gewöhne mich an Gebotserfüllung und gewöhne mich nicht an Gebotsübertretung. Bringe mich nicht (’al tᵉbî’ênî ) in Sünde und nicht in Schuld und nicht in Versuchung (wᵉlô lîdê nissājôn) und nicht in Schändliches hinein.“86 grapha II, Garden City, NY 1985, 624 Anm. m; Gese, Bemerkungen zum Vaterunser unter dem Gesichtspunkt alttestamentlicher Gebetsformen (s. Anm. 6), 418 Anm. 31. 80 Hebräischer Text (angeführt nach Kolumne und Zeile): J. H. Charlesworth / H. W. L. Rietz, The Dead Sea Scrolls. Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Translations, Vol. 4A: Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers, Tübingen bzw. Louisville, KY 1997, 178. 81 Den hebräischen und den syrischen Text in synoptischer Darbietung s. ebd., 184. 82 Vgl. die Verwendung dieses femininum pluralis in der Bedeutung „Hartes“ in Gen 42,7.30. 83 Zu beachten ist auch in Zeile 8 die an Gott gerichtete Bitte um Unterweisung in der Tora. 84 Vgl. The Dead Sea Scrolls 4A (s. Anm. 80), 185, wo SyrPs III 11 folgendermaßen übersetzt wird: „and do not allow me to enter (that which is) too difficult for me“. Ähnlich die Übersetzung von 11Q5 XXIV 10 bzw. SyrPs III 11 in: The Old Testament Pseudepigrapha II (s. Anm. 79), 622 bzw. 624: „and do not let me enter that which is too difficult for me“. S. ferner die Übersetzung bei Gese, Bemerkungen zum Vaterunser unter dem Gesichtspunkt alttestamentlicher Gebetsformen [s. Anm. 6]), 418 Anm. 31: „und laß mich nicht in das hineingehen, was zu schwer für mich“. 85 Auf bBer 60b verweisen zu Mt 6,13a bereits u. a. Wettstein, Novum Testamentum Graecum I (s. Anm. 69), 326; A. Wünsche, Neue Beiträge zur Erläuterung der Evangelien aus Talmud und Midrasch, Göttingen 1878, 88; Billerbeck I, 422. Aus der neueren Literatur s. Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung (s. Anm. 6), 169 f. 86 Dem Abendgebet tritt in bBer 60b ein Morgengebet an die Seite, in dem es heißt: „Und möge es dein Wille sein, o Herr, mein Gott, daß du mich an deine Tora gewöhnst und mich an deinen Geboten festhalten läßt. Und bringe mich nicht in Sünde und nicht in Schuld und nicht in Versuchung und nicht in Schändliches hinein.“ Im Abend- wie im Morgengebet verstärkt das dem vierfachen „in“ zugrundeliegende lîdê („in die Hände von“) die Präposition lᵉ („in […] hinein“) und muß deshalb nicht notwendig als „in die Gewalt von“ gedeutet werden.
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Wie aus der Zusammenstellung mit „Sünde“, „Schuld“ und „Schändliches“ folgt, ist in dem Gebet mit „Versuchung“ die Versuchung zur Sünde gemeint. Da das Gebet schwerlich voraussetzt, daß die vier negativen Größen auf ein unmittelbares Handeln Gottes selbst zurückzuführen sind,87 wird das Hifil tᵉbî’ênî permissiven Sinn haben: „Laß mich nicht in Sünde und nicht in Schuld und nicht in Versuchung und nicht in Schändliches hineingeraten.“88 Die beiden mitgeteilten Texte sind Zeugnisse für den permissiven Gebrauch des hebräischen Hifils hēbî’ – eines Gebrauchs, den die syrische Übersetzung des ersten Textes auch für das aramäische Afel ’a‛êl belegt.89 Als diese Zeugnisse beweisen sie zwar nicht, daß die aramäische Grundlage der Bitte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν permissive Bedeutung haben muß, sehr wohl aber, daß sie diese Bedeutung haben kann und daß in diesem Fall der Sinn ist: „laß uns nicht in Versuchung hineingeraten“ oder „laß nicht zu, daß wir in Versuchung hineingeraten“. Für die Entscheidung in dieser Sache sind dann allerdings nicht mehr sprachliche Erwägungen ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist vielmehr eine inhaltlich-theologische Überlegung, nämlich die Frage nach der angemessenen Interpretation des Wortes πειρασμός. Drei in der exegetischen Literatur vertretene Erklärungen müssen nach meinem Urteil als unhaltbar bezeichnet werden:90 zum einen das Verständnis der „Versuchung“ als Verlockung zum Sündigen, wie sie im alltäglichen Leben begegnet,91 zum andern das Verständnis als Prüfung 87 Vgl.
Jeremias, Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung (s. Anm. 6), 169. Jeremias, ebd., gibt als Sinn des Gebetes an: „Laß nicht zu, daß ich in die Hände von Sünde, Schuld, Versuchung und Schändlichem falle.“ S. dazu die Übersetzung von L. Goldschmidt in: Der Babylonische Talmud I, Berlin ²1964, 271: „Laß mich nicht zur Sünde kommen noch zur Versuchung noch zur Schmach.“ Vgl. die Übersetzung des Morgengebetes ebd., 272. Zu dem entsprechenden Gebet im Gebetbuch s. die folgenden Übersetzungen: Gebete der Israeliten. Übersetzt von Dr. J. Bleichrode, Rödelheim ⁸1906, 11: „Laß uns nicht in die Hände der Sünde, nicht in die Hände der Übertretung und Schuld, nicht in die Hände der Versuchung und nicht in die Hände der Schande fallen!“; Sidur Sefat Emet. Mit deutscher Übersetzung von Rabbiner Dr. S. Bamberger, Basel 1956 – 1964, 6: „Laß uns nicht zu Sünde, Vergehung und Schuld, nicht in Versuchung und nicht in Schande kommen.“ Fast ebenso wie Bamberger übersetzt E. Munk, Die Welt der Gebete. Kommentar zu den Werktags- und Sabbat-Gebeten nebst Übersetzung, Basel 1962, 39. 89 Zum Syrischen vgl. auch den Peschitta-Text von Mt 6,13a par. Lk 11,4b, in dem das Afel ta‛lan durchaus permissiv verstanden werden kann. S. dazu die Übersetzungen in: The Holy Bible. From Ancient Eastern Manuscripts. By G. M. Lamsa, Nashville, TN ²²1981, 956.1030 („do not let us enter into temptation“); Aramaic Peshitta New Testament Translation. By J. M. Magiera, Truth or Consequences, NM 2005, 33 („do not let us enter into trial“). 182 („do not let us enter into temptation“); Biblia Peshitta en Español, Nashville, TN 2015, 1769.1914 („no nos hagas entrar en prueba“). 90 Eine kritische Diskussion würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen. Ich muß mich – von ganz knappen Hinweisen abgesehen – darauf beschränken, meine eigene Sicht vorzutragen und zu begründen. 91 Die Vaterunser-Bitte läge dann auf der Linie der Bitten von 11Q5 XXIV 10 und bBer 60b. Vom Kontext her muß jedoch, wie sogleich dargelegt werden soll, an eine Situation gedacht sein, in der das Gottesverhältnis insgesamt aufs höchste bedroht ist. 88
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und Erprobung des Glaubens, die auf die Bewährung des Versuchten abzielt,92 und ebenso auch die Deutung auf die große endzeitliche „Versuchung“, d. h. auf die apokalyptische Drangsal von Apk 3,10.93 Gegen diese Interpretationen des πειρασμός spricht vor allem der bereits erwähnte Tatbestand, daß die drei Wir-Bitten aufs engste zusammengehören und sich jeweils auf etwas beziehen, das mit einer ganz elementaren Not der Jünger Jesu zu tun hat. Überzeugend ist im Blick darauf die Erklärung jener Ausleger, die in dem πειρασμός die Versuchung zum Abfall von Gott erblicken.94 Eindrücklich beschreibt Hartmut Gese den Sachverhalt: Es geht um πειρασμός „als Gefährdung des Beters durch das Böse, also als Infragestellung des Gottesverhältnisses“.95 Die Bitte spricht von dem, „was im letzten Sinn πειρασμός ist, weil es wirklich zur Krisis des Lebens führt und infolge der Schwachheit des Beters die Gottesgemeinschaft in Frage stellt“,96 und sie ist „von dem tiefen Wissen um die diabolische Macht der Verführung bestimmt“.97 „Die Radikalität des Bösen gilt grundsätzlich (Mt 10,28 par.), […], und der Abfall droht selbst im engsten Jüngerkreis (Mk 14,38 parr.; Lk 22,31–43).“98 All das besagt: Es ist in der Vaterunser-Bitte eben jener πειρασμός gemeint, von dem Jesus im Garten Gethsemane in seinem an die Jünger gerichteten Wort spricht: „Wachet und betet, daß ihr nicht in Versuchung hineingeratet“ (Mk 14,38; Mt 26,41; Lk 22,40.46).99 In diesem Wort ist von der Situation des in Mk 14,27 par. Mt 26,31 angekündigten σκανδαλίζεσθαι, d. h. des Abfalls von Jesus die Rede.100 Die dritte Wir-Bitte des Vaterunsers hat somit Situationen äußerster Bedrohung im Blick, in denen es bei Menschen, die Jesus nachfolgen, aufgrund der eigenen Schwachheit durchaus zum Abfall von ihm 92 Gese, Bemerkungen zum Vaterunser unter dem Gesichtspunkt alttestamentlicher Gebetsformen (s. Anm. 6), 417 sagt mit Recht: Es „versteht sich aus der negativen Formulierung im Bittgebet von selbst, daß all jene πειρασμοί nicht gemeint sein können, die der fromme Beter im kämpferischen Leben tapfer und geduldig besteht und überwindet, so daß der Psalmist geradezu sagen kann: ‚Prüfe und versuche mich‘ (Ps 26,2; vgl. Ps 139,23 f.)“. 93 In diesem Fall wäre vor πειρασμόν der Artikel zu erwarten. Entscheidend ist jedoch, daß die Wir-Bitten nicht eschatologisch zu verstehen sind. 94 Exemplarisch nenne ich zu Mt 6,13a: Gnilka, Das Matthäusevangelium I (s. Anm. 25), 226; zu Lk 11,4b: Schürmann, Das Lukasevangelium II/1 (s. Anm. 25), 200–202. 95 Gese, Bemerkungen zum Vaterunser unter dem Gesichtspunkt alttestamentlicher Gebetsformen (s. Anm. 6), 417 (Hervorhebung dort). 96 Gese, ebd. 97 Gese, ebd., 417 f. 98 Gese, ebd., 418. 99 Zu der Wendung ἔρχεσθαι εἰς πειρασμόν (Mk 14,38) bzw. εἰσέρχεσθαι εἰς πειρασμόν (Mk 14,38 v. l.; Mt 26,41; Lk 22,40.46), die dem Ausdruck εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν der Vaterunser-Bitte korrespondiert, ist mir aus der altgriechischen Literatur keine Parallele bekannt. Hebräische Parallelen, die allerdings nur die sprachliche Formulierung, nicht dagegen den Sinn des Wortes „Versuchung“ betreffen, finden sich in 4Q504 Frgm. 1–2 V 17 f. und in TanchB Gen, br’šjt § 40. 100 Vgl. R. Pesch, Das Markusevangelium II: Kommentar zu Kap. 8,27–16,20 (HThK II/2), Freiburg – Basel – Wien 1977, 392; J. Gnilka, Das Matthäusevangelium II (HThK I/2), Freiburg – Basel – Wien ²1992, 412.
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und eben damit auch von Gott kommen könnte. Zu denken ist hier etwa an große Bedrängnis oder schwere Verfolgung um der Zugehörigkeit und des Bekenntnisses zu Jesus willen.101 Daß Gott die Beter davor bewahre, in eine Situation solcher Gefährdung hineinzugeraten, darauf zielt die negativ formulierte Bitte μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν. Sie ist also in der Sache die Bitte um die Bewahrung vor Situationen, in denen die Gefahr des Abfalls besteht, der den Verlust des ewigen Heils nach sich ziehen würde. In der Matthäus-Fassung des Vaterunsers findet die vorgetragene Deutung dadurch ihre Bestätigung, daß zu der Versuchungs-Bitte als weitere Bitte ein Satz hinzugefügt wird, der in positiver Formulierung den Gegensatz benennt: ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ (Mt 6,13b). Besonders deutlich ist die antithetische Entsprechung zu dem negativen Satz Mt 6,13a, wenn man ῥύεσθαι ἀπό τινος in der Bedeutung „retten vor“ / „bewahren vor“ faßt102 und den Genitiv τοῦ πονηροῦ als Neutrum liest. Dann ergibt sich als Übersetzung: „sondern bewahre uns vor dem Bösen“, und das „Böse“ bezeichnet die gegen die Jünger gerichtete gottwidrige und deshalb für sie total bedrohliche Macht. Die antithetische Entsprechung ist aber ebenso gegeben, wenn man für ῥύεσθαι ἀπό τινος die Bedeutung „retten von“ / „befreien von“ annimmt103 und den Genitiv τοῦ πονηροῦ als Maskulinum versteht und auf den Satan deutet104. 4. Fazit Blicken wir an dieser Stelle auf unsere Überlegungen zur dritten Wir-Bitte des Vaterunsers zurück, so kann das Folgende festgehalten werden: 1. Der lexikographische Befund zu der griechischen Bitte καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν erlaubt nicht, in der Wortverbindung εἰσφέρειν εἰς 101 Vgl. dazu Lk 8,13: ἐν καιρῷ πειρασμοῦ ἀφίστανται. Lukas bezeichnet hier das als πειρασμός, was bei Markus „Drangsal oder Verfolgung um des Wortes [Gottes] willen“ heißt (Mk 4,17). Zu Situationen, in denen es zum Abfall kommen kann, s. auch Mt 10,16–25; Mk 13,9–13 par. Mt 24,9–14 / Lk 21,12–19. 102 Diese Bedeutung hat der Ausdruck im Griechischen überwiegend. Als Beispiele nenne ich: 1 Makk 12,15; Ψ 17,30; 42,1; Spr 2,12 LXX; PsSal 4,23; TestRub 4,10; OrSib 2,344 f.; Röm 15,31; Did 10,5; 1 Klem 60,3a.b. 103 Dann steht ἀπό im Sinn von ἐκ. Beispiele dafür sind: Ez 27,23 LXX; ApkSedr 16,7; 2 Thess 3,2; 2 Tim 4,18. 104 Die Frage, ob τοῦ πονηροῦ Maskulinum oder Neutrum ist, stellt sich auch zu Joh 17,15 und 2 Thess 3,3. Der Satan heißt im Neuen Testament mehrfach ὁ πονηρός „der Böse“ (Mt 13,19; Eph 6,16; 1 Joh 2,13 f.; 3,12; 5,18). Von daher ist denkbar, daß τοῦ πονηροῦ in Mt 6,13b als Maskulinum zu lesen ist. Zu denken gibt allerdings, daß in der altjüdischen Literatur eine entsprechende Bezeichnung des Satans (hebr. hāra‛, aram. bîšā’ ) nicht nachgewiesen ist (Biller beck I, 422; Dalman, Die Worte Jesu I [s. Anm. 6], 351). M. Sokoloff, A Dictionary of Jewish Palestinian Aramaic of the Byzantine Period, Jerusalem 1990, 102a s. v. bîš sieht in GenR 75,3 zu 32,4 (Theodor / Albeck II 880,2 f.) den Satan als bîšā’ bezeichnet; ihm folgt Philo nenko, Das Vaterunser (s. Anm. 75), 103 f. Zu übersetzen ist dort m. E. jedoch „das Böse“.
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πειρασμόν ein Funktionsverbgefüge und somit ein Synonym zu den Verben πειρᾶν / πειρᾶσθαι bzw. πειράζειν zu erblicken. Die Wiedergabe der Bitte mit den Worten „und führe uns nicht in Versuchung“ muß deshalb als unhaltbar bezeichnet werden. Das Verbum εἰσφέρειν ist in Mt 6,13a par. Lk 11,4b als Vollverb verwendet, so daß die Übersetzung nur lauten kann: „und führe (oder: bringe) uns nicht in Versuchung hinein“. 2. Im griechischen Text der Bitte ist Gott Subjekt des εἰσφέρειν εἰς πειρασμόν, und das kann nicht anders verstanden werden als so, daß er als der Urheber des πειρασμός bezeichnet wird. Ein permissives Verständnis der Bitte, demzufolge nicht von dem bewirkenden, sondern von dem zulassenden Handeln Gottes die Rede wäre, läßt der griechische Text nicht zu. 3. Die Bitte καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν ist die Übersetzung einer aramäischen Vorlage, als deren Wortlaut der Satz wᵉlā’ ta‛ēlinnan lᵉnisjôn erschlossen werden darf. Dem für die semitischen Sprachen kennzeichnenden Gebrauch des verbalen Kausativstamms entsprechend heißt dieser Satz nicht nur: „bringe uns nicht in Versuchung hinein“, sondern auch: „laß uns nicht in Versuchung hineingeraten“. Dabei kann dann das Afel ta‛ēlinnan („laß uns hineingeraten“) rein sprachlich gesehen sowohl kausative wie permissive Bedeutung haben, also nicht nur die direkte Verursachung, sondern ebenso auch die bloße Zulassung zum Ausdruck bringen. Über den an einer konkreten Stelle vorliegenden Sinn entscheidet jeweils der Kontext. 4. Gute Gründe sprechen dafür, daß in der dritten Wir-Bitte des Vaterunsers mit dem πειρασμός die Versuchung zum Abfall von Gott gemeint ist, der nicht zuletzt auch mit der Abwendung von Jesus geschieht, und daß die Bitte dementsprechend permissiven Sinn hat: „Laß uns nicht in Versuchung hineingeraten“. Die Bitte zielt dann auf die Bewahrung der Jünger Jesu vor Situationen, in denen sie in ihrer Beziehung zu Gott und zu Jesus Christus durch die gottfeindliche Macht des Bösen aufs höchste gefährdet sind. Versteht man die Bitte in diesem Sinn, dann tritt sie den beiden Wir-Bitten um die zum Leben notwendige Nahrung und um die für die Gottesbeziehung wesentliche Vergebung der Sünden eindringlich und eindrücklich an die Seite.
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung Mk 2,1–12 als narratives Christuszeugnis1 I Die Erzählung von der Heilung des Gelähmten Mk 2,1–12 gewinnt ihr besonderes Profil durch das Wort, das Jesus an den Kranken richtet, der zu ihm gebracht wird: τέκνον, ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι – „Kind, deine Sünden werden [dir] hiermit vergeben“ (V. 5b).2 Dieser Satz stellt die Exegese vor die Frage, wer als das Subjekt der Sündenvergebung verstanden sein will. Ist ausschließlich Gott als der Vergebende gedacht und Jesus als der gesehen, der dem Gelähmten den göttlichen Freispruch gültig ausrichtet und also in abgeleiteter Vollmacht an dem Vergebungsgeschehen beteiligt ist? Oder ist gemeint, daß Jesus selbst in unmittelbarer Machtvollkommenheit und eigener Autorität dem Gelähmten durch sein freisprechendes Wort die Sünden vergibt? Daß zwischen einem Zuspruch, der kundgibt, was allein Gott tut bzw. getan hat, und einem Zuspruch, der als schöpferisches Machtwort wirkt, was er sagt, ein fundamentaler und theologisch höchst relevanter Unterschied besteht, kann keinem Zweifel unterliegen. Zwischen beidem muß deshalb in der Exegese von Mk 2,5b präzise unterschieden werden.3 Nur wenn hinsichtlich der Semantik der Worte ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι ein begründetes Ergebnis gewonnen ist, kann sinnvoll bedacht werden, 1 In dem vorliegenden Aufsatz greife ich – unter Ergänzung verschiedener Gesichtspunkte – noch einmal eine Thematik auf, der bereits die folgenden älteren Arbeiten gewidmet sind: O. Hofius, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung. Exegetische Erwägungen zu Mk 2,5b, in: Ders., Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, 38–56; Ders., Vergebungszuspruch und Vollmachtsfrage. Mk 2,1–12 und das Problem priesterlicher Absolution im antiken Judentum, ebd., 57–69; Ders., Kennt der Targum zu Jes 53 einen sündenvergebenden Messias?, ebd., 70–107. Meine Überlegungen gelten ausschließlich dem Wunderbericht Mk 2,1–12 als einem narrativen Christuszeugnis des Zweiten Evangelisten. Die Frage nach der Historizität des Berichteten, die nicht sogleich mit der Exegese das Markustextes vermischt werden sollte, bleibt außer Betracht. 2 Daß dem Gelähmten die Vergebung unmittelbar mit dem Zuspruch Jesu zuteil wird, kommt in dem aoristischen Präsens ἀφίενται zum Ausdruck (vgl. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 320). Die sekundäre Lesart ἀφέωνται („sie sind [dir] vergeben“) ist Angleichung an Lk 5,20. 3 Das gilt auch für die Terminologie: Der Begriff „Vollmacht“ sollte nur im Sinn von „Ermächtigung“ verwendet werden, nicht aber (wie z. B. noch in den in Anm. 1 genannten Arbeiten) im Sinn von „Machtvollkommenheit“.
42 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung ob sich in der Literatur des antiken Judentums Parallelen zu dem Vergebungszuspruch Jesu nachweisen lassen oder ob wir es hier mit einem analogielosen Phänomen zu tun haben, das dann der weiteren Erklärung bedarf. Was nun die Frage nach dem genauen Sinn der Worte ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι anlangt, so ist diese keineswegs bereits durch die sprachliche Gestalt des Zuspruchs selbst entschieden. Das Passiv ἀφίενται kann – rein sprachlich gesehen – ein das Handeln Gottes umschreibendes Passivum divinum sein, so daß der Zuspruch besagen würde: „Gott vergibt dir jetzt deine Sünden.“ Ebenso besteht aber auch die Möglichkeit, daß der Wortlaut des Zuspruchs eine bestimmte Spracheigentümlichkeit widerspiegelt, die in der rabbinischen Literatur sowohl für Worte von Menschen wie auch für Worte Gottes belegt ist. Diese Spracheigentümlichkeit besteht darin, daß die Gewährung der Vergebung im unmittelbaren Vergebungszuspruch durch die passivische Redeweise „dir ist vergeben“ ausgedrückt werden kann, die einem „ich vergebe dir“ voll entspricht.4 Da die Worte ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι V. 5b in sprachlicher Hinsicht doppeldeutig sind, läßt sich ihr präziser Sinn nur aus dem Gesamtzusammenhang der Erzählung Mk 2,1–12 ermitteln. Setzt man, wie es m. E. methodisch geboten ist, für diese Erzählung zunächst einmal eine innere Stimmigkeit und Folgerichtigkeit voraus,5 so kann nicht zweifelhaft sein, wie hinsichtlich der eingangs formulierten Alternative zu entscheiden ist. Nach V. 7 reagieren Schriftgelehrte auf den Zuspruch Jesu mit den Worten: τί οὗτος οὕτως λαλεῖ; βλασφημεῖ· τίς δύναται ἀφιέναι ἁμαρτίας εἰ μὴ εἷς ὁ θεός; – „Wie kann dieser solches6 sagen? Er lästert Gott!7 Wer kann Sünden vergeben außer einem: Gott?“ Bei der rhetorischen Frage τίς δύναται ἀφιέναι ἁμαρτίας εἰ μὴ εἷς ὁ θεός; handelt es sich in der Sache um eine betonte Feststellung – nämlich um die Aussage: „Niemand kann Sünden vergeben außer Gott allein.“8 Diese Aussage begründet den zuvor geäußerten Vorwurf der Gotteslästerung, der seinerseits durch den Vergebungszuspruch Jesu veranlaßt ist. Die drei Sätze der Schriftgelehrten sind im Duktus der Erzählung lediglich dann sinnvoll, wenn der Zuspruch V. 5b als Gewährung der Sündenvergebung durch Jesu selbst verstanden sein will. Nur in diesem Fall Die Belege s. bei Hofius, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung (s. Anm. 1), 48–52. Jeder neutestamentliche Text verdient zunächst das hermeneutische „Vorurteil“, ein in sich stimmiger und widerspruchsfreier Text zu sein, und dieses „Vorurteil“ ist erst dann und nur dann zu revidieren, wenn sich unter solcher Prämisse eine sinnvolle Interpretation als unmöglich erweist. Was die Erzählung Mk 2,1–12 betrifft, so ist es ein methodisch mehr als fragwürdiges Verfahren, die Worte ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι V. 5b von vornherein als Zuspruch der Vergebung Gottes zu deuten und dann zu urteilen, daß es sich bei den Worten der Schriftgelehrten von V. 7 um einen unangemessenen Einwand handle. 6 Das Adverb οὕτως ist in V. 7a, V. 8a und V. 12b substantivisch verwendet; vgl. zu diesem Gebrauch Mt 9,33; Lk 1,25; 2,48; 1 Kor 15,11. 7 Das absolut gebrauchte βλασφημεῖν (Mk 2,7 par.; Mt 26,65a; Joh 10,36) heißt „Gott lästern“; s. O. Hofius, Art. βλασφημία κτλ., in: EWNT² I (1992) 527–532: 529. 8 Zur Frageform der Feststellung vgl. K. Beyer, Semitische Syntax im Neuen Testament I: Satzlehre Teil 1 (StUNT 1), Göttingen ²1968, 124–126. 4 5
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können die Schriftgelehrten in dem Zuspruch eine Gotteslästerung erblicken, die darin liegt, daß Jesus sich etwas anmaßt, das einzig und allein in Gottes Macht steht.9 Der Vorwurf der Gotteslästerung und der ihn begründende Hinweis auf die Prärogative Gottes wären dagegen gänzlich unbegründet, wenn Jesu Wort als vollmächtiger Zuspruch der von Gott geschenkten Vergebung gemeint ist. Er wäre dann ja dem Vergebungszuspruch durch einen Engel oder einen Propheten zu vergleichen, von dem bereits alttestamentliche Texte zu sagen wissen,10 und der Erzähler hätte den Schriftgelehrten die Frage in den Mund legen müssen, ob denn Jesus ein bevollmächtigter Bote Gottes und deshalb legitimiert sei, verbindlich in seinem Namen zu reden.11 Durch die in V. 7 vorliegende Formulierung aber wird das Wort V. 5b als Gewährung der Sündenvergebung durch Jesus selbst erwiesen, und das findet durch V. 8–11 noch einmal seine Bestätigung. Von eindeutiger Aussagekraft ist bereits die Frage Jesu von V. 9: „Was ist leichter: zu dem Gelähmten zu sagen: ‚Deine Sünden werden [dir] hiermit vergeben‘, oder zu sagen: ‚Steh auf, nimm deine Trage und geh umher‘?“ Die Frage setzt voraus, daß die Vergebung der Sünden und die Heilung des Kranken gleich schwer sind und daß beides einzig in Gottes Macht steht,12 und sie stellt dem Vergebungszuspruch von V. 5b einen Befehl an die Seite, der wie das Machtwort Jesu in anderen Wunderberichten13 nur als ein schöpferisches verbum efficax verstanden werden kann, das dem Kranken die Heilung bringt. Diesen Befehl erteilt Jesus dann mit den Worten von V. 11: σοὶ λέγω, ἔγειρε ἆρον τὸν κράβαττόν σου καὶ ὕπαγε εἰς τὸν οἶκόν σου – „Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Trage und geh heim in dein Haus!“ Nach V. 10 (ἵνα δὲ εἰδῆτε ὅτι κτλ.) liegt in dem die Heilung wirkenden Befehl Jesu der sichtbare Erweis dafür, „daß der Menschensohn14 Macht hat, Sünden zu vergeben auf Erden“ (ὅτι ἐξουσίαν ἔχει ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἀφιέναι ἁμαρτίας ἐπὶ τῆς γῆς15). Der die ἐξουσία hat zu sagen: ἔγειρε Vgl. Joh 10,33 (auch 5,18). durch einen Engel: Jes 6,7; Sach 3,4b (im Kontext der Verse 3,3–5); Zuspruch durch einen Propheten: Jes 43,25; 44,22; 2 Sam (2 Reg) 12,13. Zu dem Wort, das der Engel Jahwes in Sach 3,4b an den Hohenpriester Josua richtet („Siehe, ich habe deine Schuld von dir hinweggenommen“), ist anzumerken, daß der Engel die Sündenvergebung keineswegs aus eigener Macht gewährt. Die Szene Sach 3,1–7 mitsamt dem Wort V. 4b ist im Zusammenhang mit Sach 1,12–17 zu sehen. Jahwe selbst gibt „die Zusage der Vergebung an seinen Erwählten durch das Wort des Engels“ (R. Hanhart, Dodekapropheton 7.1: Sacharja 1–8 [BKAT XIV/7.1], Neukirchen-Vluyn 1998, 218). 11 Zwei Deutungen haben am Text nicht den geringsten Anhalt: (a) daß die Frage nach der Boten-Vollmacht in der Äußerung der Schriftgelehrten mit impliziert sei, (b) daß die Worte ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι V. 5b als Botenspruch gemeint seien und mit der Schilderung von V. 6 f. den Schriftgelehrten ein Mißverständnis dieser Worte zugeschrieben werden solle. 12 So richtig W. Schmithals, Das Evangelium nach Markus. Kapitel 1–9,1 (ÖTBK 2/1), Gütersloh bzw. Würzburg 1979, 151.161; L. Schenke, Das Markusevangelium. Literarische Eigenart – Text und Kommentierung, Stuttgart 2005, 88 f. 13 Mk 5,41; Lk 7,14; 8,54; 13,12; Joh 11,43. 14 Zu der hier vorliegenden Bedeutung des Hoheitstitels s. u. Teil V des Aufsatzes. 15 Die Worte ἀφιέναι ἁμαρτίας ἐπὶ τῆς γῆς bieten den ursprünglichen Text. Die Lesart ἐπὶ 9
10 Zuspruch
44 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung ἆρον τὸν κράβαττόν σου καὶ ὕπαγε εἰς τὸν οἶκόν σου – und mit diesem Wort die Heilung wirkt, der hat auch die ἐξουσία zu sagen: ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι – und mit diesem Wort die Sündenvergebung zu gewähren.16 Beide Sätze – das Vergebungswort V. 5b und das Heilungswort V. 11 – sind somit schöpferische Machtworte, durch die Jesus selbst wirkt, was er gebietet. Hinsichtlich des Vergebungszuspruchs kommt das auch darin zum Ausdruck, daß die Aussage über Jesus – ἐξουσίαν ἔχει ἀφιέναι ἁμαρτίας – formal wie inhaltlich genau dem entspricht, was in V. 7 von Gott gesagt war: δύναται ἀφιέναι ἁμαρτίας.17 Wie sich aus der Parallelität der beiden Sätze ergibt, handelt es sich bei der Jesus zugeschriebenen ἐξουσία, Sünden zu vergeben, um eine Machtvollkommenheit, die ihm selbst ganz unmittelbar eignet.18 Gegen diese Konsequenz spricht keineswegs die in V. 10 zu ἀφιέναι ἁμαρτίας hinzugefügte adverbiale Wendung ἐπὶ τῆς γῆς. Diese hebt nicht auf den Gedanken der Bevollmächtigung ab, so daß zu deuten wäre: Gott allein hat in der Tat als der „im Himmel“ Richtende die Macht, Sünden zu vergeben, Jesus aber hat die Vollmacht, die Vergebung „auf Erden“ zuzusprechen. Eine Gegenüberstellung von „Himmel“ und „Erde“ ist im Text durch nichts angezeigt. Die Worte ἐπὶ τῆς γῆς bedeuten vielmehr wie in Mk 9,3 soviel wie „unter den Menschen“19 und bezeichnen den Bereich, in dem Sündenvergebung erforderlich und Jesus heilschaffend wirksam ist.20 Die Aussage des V. 10 ist: Jesus, der „Menschensohn“, vermag in seinem Wirken auf Erden das, was Gott vermag. Eben dieses Vermögen war ihm auch bereits in V. 8 zugeschrieben worden – nämlich mit der Erkenntnis der verborgenen Gedanken des Herzens, die einzig Gott eignet.21 τῆς γῆς ἀφιέναι ἁμαρτίας ist Angleichung an Mt 9,6 / Lk 5,24, und die dadurch entstandene Zweideutigkeit, ob ἐπὶ τῆς γῆς zu ἐξουσίαν ἔχει oder zu ἀφιέναι ἁμαρτίας gehört, hat dann den Anlaß zu der Lesart ἀφιέναι ἐπὶ τῆς γῆς ἁμαρτίας gegeben. 16 In Mk 2,10 wird somit genau das von Jesus ausgesagt, was der Beter in Ps 103(102),3 von Gott bekennt. 17 Eine Parallele zu ἐξουσίαν ἔχει ἀφιέναι ἁμαρτίας Mk 2,10 (par. Mt 9,6; Lk 5,24), die mit dem Nomen jklh bzw. jwkl’ auch ein aramäisches Äquivalent zu ἐξουσία enthält, liefert die Aussage über Gott in TargN Gen 4,13: „Bei dir ist (= du hast) die Macht, zu verzeihen und zu vergeben (jklh qdmk lmšrj wlmšbq)“; vgl. TargFrgm (V) Gen 4,13 (jwkl’ qwdmk lmjšrj wlmjšbwq) und TargPsJon Gen 4,13 (jwkl’ qdmk lmšbwq). 18 Die Wendung ἐξουσίαν ἔχειν + Infinitiv = „die ἐξουσία haben, etwas zu tun“ ist als solche mehrdeutig, da sich der genaue Sinn von ἐξουσία allererst aus dem jeweiligen Kontext ergibt. Das Nomen kann heißen: 1. „die Macht“ / „die Machtvollkommenheit“ / „das Vermögen“ / „das Können“ (Jdt 8,15; Tob 7,10 [S]; Lk 12,5 [vgl. Mt 10,28]; Joh 10,18; 19,10; grHen 25,4; Josephus, Ant II 153 [parallel: δύναμις]); 2. „die Vollmacht“ (1 Makk 10,35; Mk 3,15; Apg 9,14; Apk 11,6); 3. „das Recht“ (1 Esdr 8,22; 1 Kor 9,4–6; Hebr 13,10; Josephus, Ant III 266. IV 247.259); 4. „die Erlaubnis“ (Tob 2,13 [S]; Josephus, Ant VIII 17); 5. „die freie Verfügung“ (Röm 9,21). 19 S. dazu ferner Lk 18,8b; Joh 17,4; Röm 9,28; sowie Hi 1,8; 2,3; Ps 58,12; 67,3; 74,12; hebrSir 50,22. 20 Dazu ist an biblische Zeugnisse zu erinnern, die von Gottes heilvollem Handeln „auf Erden“ sprechen: Ps 58,12; 74,12; Jer 9,23; Ψ 45,9; hebrSir 50,22. 21 1 Kön 8,39; 1 Chr 28,9; Jer 11,20; 17,10; 20,12; Ps 7,10; 44,22; 139,1b.2; Spr 15,11; 24,12; Sir 42,18–20; PsSal 14,8. Im Neuen Testament s. Lk 16,15; Apg 1,24; 15,8; Röm 8,27; 1 Thess 2,4.
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung
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Blicken wir zurück, so kann von dem inneren Zusammenhang der Erzählung Mk 2,1–12 her ein eindeutiger Befund konstatiert werden: Dem Erzähler gelten die Worte Jesu ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι V. 5b nicht als eine in abgeleiteter Vollmacht ergehende Kundgabe der Vergebung Gottes, sondern als ein in eigener Machtvollkommenheit von Jesus selbst vollzogener Vergebungsakt.22
II Im Anschluß an die semantische Bestimmung des Vergebungszuspruchs Mk 2,5b kann nunmehr die Frage nach Parallelen in der Literatur des antiken Judentums erörtert werden.23 Als Kriterium für ein begründetes Urteil ergibt sich aus jener Bestimmung, daß nur da von einer wirklichen Parallele gesprochen werden könnte, wo in einem frühjüdischen Text von einer Sündenvergebung die Rede wäre, die von einem Menschen – oder auch etwa von einem Wesen der himmlischen Welt – in unmittelbarem Vermögen und eigener Autorität durch das wirkmächtige Wort gewährt wird. Demgemäß handelt es sich nicht um Parallelen, wenn gesagt wird, daß ein dazu bevollmächtigter Bote die von Gott gewährte Sündenvergebung kundgibt24, daß die Priester Israels oder der Hohepriester durch den Vollzug der von Gott selbst angeordneten Sühneriten schuldigen Menschen die Vergebung Gottes erwirken25 oder daß bestimmte Personen – so etwa 22 Dieses Verständnis gilt ebenso auch für die von manchen Exegeten postulierte ältere und nur die Verse 1–5 und 11–12 umfassende Erzählung; s. dazu Hofius, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung (s. Anm. 1), 44–48. Setzt man bei dem irdischen Jesus selbst einen Vergebungszuspruch voraus, so kann im Kontext historisch-kritischer Exegese für diesen lediglich behauptet, keineswegs aber mit hinreichenden Argumenten nachgewiesen werden, daß es sich bei ἀφίενται um ein Passivum divinum handle; s. dazu Hofius, ebd., 48–52. 23 Als Parallelen scheiden von vornherein aus die Aussagen über den endzeitlichen Hohenpriester in TestLev 18,9, über den „Gesalbten Aarons und Israels“ in CD 14,19 und über den Elia redivivus in Sir 48,10 und TargJon Mal 3,23 f. (s. dazu Hofius, Kennt der Targum zu Jes 53 einen sündenvergebenden Messias? [s. Anm. 1], 72 Anm. 10 und 106 Anm. 216) sowie das in CD 13,9 f. über den Mebaqqer – den schriftgelehrten „Aufseher“ der Gemeinde – Gesagte (s. dazu B. Janowski, Sündenvergebung „um Hiobs willen“. Fürbitte und Vergebung in 11 QtgJob 38,2f und Hi 42,9f LXX, in: Ders., Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1993, 40–69: 67). 24 S. dazu neben den bereits in Anm. 10 notierten alttestamentlichen Belegen zur Kundgabe durch einen Engel: Jub 41,23–25 (vgl. in der Sache JosAs 15,1–8 und entfernt auch Dan 4,34 LXX). 25 S. dazu meinen Aufsatz „Vergebungszuspruch und Vollmachtsfrage“ (s. Anm. 1), in dem auch gezeigt wird, daß sich eine ausdrückliche Absolution durch einen Priester oder durch den Hohenpriester in den relevanten Quellen nicht nachweisen läßt. Daß das antike Judentum dem Priester die Vollmacht zuerkannt habe, von Sünden loszusprechen, wird ohne Begründung behauptet von E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus (KEK 1/2), Göttingen ¹⁴1957, 52; Ders., Das Evangelium des Matthäus (KEK.S), Göttingen ²1958, 169; E. Haenchen, Der Weg Jesu. Eine Erklärung des Markus-Evangeliums und der kanonischen Parallelen, Berlin ²1968, 102. Im Blick auf den Hohenpriester findet sich die gleiche Behauptung bei W. Grund-
46 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung Mose26, Hiob27 und der Messias28 – aufgrund ihrer besonderen Gottesbeziehung durch ihre Interzession Gott dazu bewegen, Sündern ihre Sünden zu vergeben29. Die alttestamentlichen Texte Ex 10,17, 1 Sam 15,25 und Ex 23,21 bilden in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Wenn nach Ex 10,17 der Pharao zu Mose und nach 1 Sam 15,25 Saul zu Samuel spricht: „Nimm doch meine Sünde hinweg“ (śā’ nā’ ḥaṭṭā’tî bzw. śā’ nā’ ’ät-ḥaṭṭā’tî ), dann geben die Targume den Sinn zutreffend durch „Vergib doch meine Sünde(n)“ wieder.30 An beiden Stellen wird durch den Kontext eindeutig erwiesen, daß es sich sowohl im hebräischen Text wie auch in den Targumen um uneigentliche Rede handelt, durch die zum Ausdruck gebracht wird, daß der prophetische Mittler die Macht hat, durch seine Fürbitte die göttliche Vergebung zu erbitten und sie, sofern seine Bitte von Gott erhört wird, auch zuzusprechen.31 Ebensowenig wie hier ist auch in Ex 23,21 an eine in eigener Autorität und Macht gewährte Vergebung gedacht. Daß der Engel, der als der Repräsentant Jahwes den Israeliten auf ihrem weiteren Weg vorangehen soll, ihre Rebellion „nicht vergeben wird“, hat seinen Grund darin, daß Jahwe selbst sie nicht vergeben wird.
mann, Das Evangelium nach Markus (ThHK 2), ⁸1980, 76. In den Vorstellungsbereich der durch priesterliche Sühnehandlung erwirkten Vergebung Gottes gehört m. E. auch das, was in 11QMelch (11Q13) II 4–8 – wohl über den im Himmel wirkenden Priesterkönig Melchisedek – gesagt wird. Das „Erlassen“ (‛zb) der Sünden (Zeile 6) geschieht durch das in Zeile 8 erwähnte „Entsühnen“ (kpr pi.). 26 Im Alten Testament s. Ex 32,11–13.30–32; 34,8 f.; Num 14,13–19; 21,7; Dtn 9,18–20; Ps 106(105),23. Frühjüdische Belege: Hofius, Kennt der Targum zu Jes 53 einen sündenvergebenden Messias? (s. Anm. 1), 90–94, außerdem Josephus, Ant III 22 f.; Philo, Mos II 166. 27 Hi 42,9 f. LXX; 11QTargHi (11Q10) XXXVIII 2 f. (Hi 42,9 f.). S. dazu Janowski, Sündenvergebung „um Hiobs willen“ (s. Anm. 23), 40–69. 28 TargJon Jes 52,13–53,12; PesiqR 37,2 par. Pesiq, Zusatz 6. S. dazu meinen Aufsatz „Kennt der Targum zu Jes 53 einen sündenvergebenden Messias?“ (s. Anm. 1). Dieser Aufsatz bietet eine ausführliche kritische Überprüfung der These, daß der Targum zum vierten Gottesknechtslied den Gedanken „eines durch Wort und Tat sündenvergebenden Messias“ enthalte. Diese These wurde vertreten von K. Koch, Messias und Sündenvergebung in Jesaja 53 - Targum. Ein Beitrag zu der Praxis der aramäischen Bibelübersetzung, JSJ 3 (1972) 117–148 (die zitierten Worte dort 148). 29 S. ferner syrBar 85,2 (die Propheten); ParJer 2,3 (Jeremia); TargJon Am 7,2 f.5 f. (Jona); Josephus, Ant VI 92 f. (Samuel [s. Teil III dieses Aufsatzes]); XI 143 f. (Esra); VitProph IV 15 (Daniel). Hierher gehört auch slavHen 53,1; 64,5: Der in den Himmel entrückte Henoch vermag in der Gegenwart den Bußfertigen die Vergebung Gottes zu erwirken (64,5), nicht aber im Endgericht (53,1). 30 TargOnq Ex 10,17 (šbwq k‛n lḥwbj); TargN Ex 10,17 (šrj k‛n lḥwbjj); TargPsJon Ex 10,17 (šbwq kdwn ḥwbj); TargJon 1 Sam 15,25 (šbwq k‛n lḥwbj). – Zu nś’ („wegnehmen“) in Verbindung mit einem Sündenbegriff als Objekt = „Sünde vergeben“ vgl. u. a. Ex 32,32; 34,7; Num 14,18; Mi 7,18; Ps 25,18; 32,5; Hi 7,21. 31 Vgl. zu 1 Sam 15,25 F. Stolz, Das erste und zweite Buch Samuel (ZBK.AT 9), Zürich 1981, 104: Saul „rechnet mit der Fürbitte Samuels und einer darauf folgenden Vergebung der Schuld“.
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung
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Sehen wir an dieser Stelle zunächst von zwei noch genauer zu bedenkenden Texten ab,32 so ist im Anschluß an das im vorigen Abschnitt Gesagte ein auffallender Befund zu notieren: Den dort genannten Aussagebereichen, die jeweils eine nur abgeleitete Vollmacht dokumentieren,33 sind – sofern sie nicht schon in Anm. 23 zu erwähnen waren – alle jene Texte zuzuordnen, die in der neutestamentlichen bzw. in der judaistischen Forschung als Belege dafür namhaft gemacht worden sind, daß in bestimmten frühjüdischen Schriften auch einem Menschen oder einem Himmelswesen ein sündenvergebendes Wirken zugeschrieben werde.34 Keiner dieser Texte stellt mithin eine Parallele zu Mk 2,5b dar. Dieser Befund wäre dann nicht verwunderlich, wenn es sich bei der Feststellung der Schriftgelehrten von Mk 2,7 – „Niemand kann Sünden vergeben außer Gott allein“ – um eine in ihrer Exklusivität allgemein anerkannte Maxime frühjüdischen Gottesglaubens handelt. Ein Sachkenner wie G. F. Moore hat – ohne auf Mk 2,7 Bezug zu nehmen – diese Maxime für das Judentum der tannaitischen Zeit behauptet, wenn er formuliert: „Forgiveness is a prerogative of God which he shares with no other and deputes to none.“35 Moore verweist dazu lediglich auf eine rabbinische Deutung von Ex 23,21, der zufolge der Engel die Sünde der Israeliten deshalb „nicht vergeben wird“, weil er sie „nicht vergeben kann“ – weil also die Vergebung der Sünden prinzipiell nicht in der Macht eines Engels liegt.36 Von besonderem Gewicht sind jedoch zwei direkte Parallelen zu der in die Form einer rhetorischen Frage gefaßten Feststellung von Mk 2,7, die – soweit ich sehe – in der Forschung unbeachtet geblieben sind.37 Beide Belege finden sich im rabbinischen Midrasch zu den S. dazu Teil III und Teil IV des Aufsatzes. bei den Anmerkungen 24–29. 34 Ich liste unter Einschluß der in Anm. 23 angeführten Texte noch einmal die Gestalten auf und füge in Klammern die angeblichen Belege hinzu. Die Gestalten sind: ein Engel Gottes (Jub 41,23–25), der im Himmel wirkende Priesterkönig Melchisedek (11QMelch [11Q13] II 4–8), der himmlische „Schreiber“ Henoch (slavHen 64,5), die Priester bzw. der Hohepriester Israels (keine Angabe von Belegen), der in der Damaskusschrift erwähnte schriftgelehrte Mebaqqer / „Aufseher“ (CD 13,9 f.), der Elia redivivus (Sir 48,10; TargJon Mal 3,23 f.), der endzeitliche Hohepriester (TestLev 18,9); der „Gesalbte Aarons und Israels“ (CD 14,19) und der Messias (TargJon Jes 52,13–53,12). 35 G. F. Moore, Judaism in the First Centuries of the Christian Era. The Age of the Tannaim I, Cambridge, MA 1927 = ⁹1962, 535. 36 TanchB Ex, mšpṭjm § 11 mit dem entscheidenden Satz: hw’ ’jnw jkwl ljś’ lpš‛km = „er kann eure Sünde nicht vergeben“. S. auch die Parallelen: Tanch Ex, mšpṭjm § 18; MidrPs 17 § 3 zu V. 2; ExR 32,4 zu 23,21 (vgl. bSanh 38b). – Daß auch einer der höchsten Engel nicht Sünden vergeben kann, kommt ebenfalls in einem Targum-Fragment zu Jos 5,14 zum Ausdruck: Josua bittet den Erzengel Uriel: „Vergib doch die Sünden deines Knechtes“ und erhält zur Antwort, daß die Engel nur auszuführen haben, was ihnen von Gott gesagt wird; s. A. Díez Macho, Un Nuevo Targum a los Profetas, EstBibl 15 (1956) 287–295: 294. 37 Auch bei P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, München I, 1922 = ²1956, 498 (zu Mt 9,3) und II, 1924 = 1956, 4.157 (zu Mk 2,7 bzw. Lk 5,21) sind diese Parallelen merkwürdigerweise nicht mitgeteilt. 32
33 S.
48 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung Psalmen, und zwar im Rahmen der Auslegung des 17. Psalms, der in V. 1a als „Gebet Davids“ bezeichnet wird und in dem der Beter in V. 2a vor Gott die Bitte äußert: „Von dir gehe der Urteilsspruch über mich aus.“ Als Begründung dieser Bitte legt der Midrasch David die an Gott gerichteten Worte in den Mund: „Niemand kann Sünden vergeben als du allein.“38 Das gleiche Bekenntnis erscheint dann noch einmal als Gebetswort Davids in nur sprachlich variierter Gestalt am Ende einer dem R. Levi (Pal. um 300) zugeschriebenen Auslegung von Ex 23,20 f.: „Es ist kein anderer außer dir, der [Schuld] vergeben kann.“39 Die beiden rabbinischen Sätze sprechen dafür, daß wir es in der rhetorischen Frage von Mk 2,7 in der Tat mit einer Aussage zu tun haben, die für den im Zeugnis seiner Heiligen Schrift gründenden Gottesglauben des antiken Judentums repräsentativ ist. Bevor das zuversichtlich behauptet werden kann, sind allerdings noch zwei Texte in den Blick zu fassen, auf die T. Hägerland in seiner 2012 erschienenen Monographie „Jesus and the Forgiveness of Sins“ mit Nachdruck hingewiesen hat und in denen er Belege dafür sehen möchte, daß sich doch Ausnahmen von der Regel, daß allein Gott Sünden vergeben könne, nachweisen lassen.40
III Auf den ersten jetzt zu bedenkenden Text – Josephus, Antiquitates VI 92 – hat, wenn ich recht sehe, erstmals Hägerland aufmerksam gemacht.41 Im Kontext von Ant VI 88–94 wird berichtet, daß Samuel das Volk, das einen König für sich verlangt hatte, scharf getadelt und Gott diesen Tadel vom Himmel her durch Blitz und Donner bestätigt hat (VI 92). Zutiefst erschrocken bekennt das 38 MidrPs 17 § 3 zu V. 2: ’jn ’ḥd jkwl lmḥwl ‛wnwt ’l’ ’th (S. Buber, Midrasch Tehillim, Wilna 1892 = Jerusalem 1966, 63a [= 125]). Auf diese Parallele zu Mk 2,5b habe ich bereits hingewiesen in: Jesu Zuspruch der Sündenvergebung (s. Anm. 1), 40 Anm. 11. 39 MidrPs 17 § 3 zu V. 2: ’jn ’ḥr zwltk šhw’ jkwl lwwtr. 40 T. Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins. An Aspect of His Prophetic Mission (SNTSMS 150), Cambridge 2012. Zu einer durch diese Studie veranlaßten Kontroverse s. D. Johansson, „Who Can Forgive Sins but God Alone?“ Human and Angelic Agents, and Divine Forgiveness in Early Judaism, JSNT 33 (2011) 351–374; T. Hägerland, Prophetic Forgiveness in Josephus and Mark, SEÅ 79 (2014) 125–139. – Das Interesse der Studie Hägerlands und somit auch seiner literarkritischen Analyse von Mk 2,1–12 gilt dem Nachweis, daß der „historische Jesus“ sich als messianischen Propheten verstanden habe, der als solcher in abgeleiteter Vollmacht Sündenvergebung zusprechen konnte. Die Arbeit gehört damit zu den zahlreichen Versuchen, durch historisch-kritische Rekonstruktion ein Bild des irdischen Jesus und seines Selbstverständnisses zu ermitteln. Zu meiner prinzipiellen Skepsis allen derartigen Versuchen gegenüber s. O. Hofius, Die Frage nach dem „historischen Jesus“ als theologisches Problem, in: H. Assel (Hg.), Leidenschaft für die Theologie, Leipzig 2012, 79–115 (in dem vorliegenden Band: 229–248). 41 Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 146–150.
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung 49
Volk, daß es „gesündigt“ habe, und daran schließt sich dann die folgende weitere Reaktion an: καὶ ἱκετεύειν τὸν προφήτην ὡς πατέρα χρηστὸν καὶ ἐπιεικῆ, τὸν θεὸν αὐτοῖς εὐμενῆ καταστῆσαι καὶ ταύτην ἀφεῖναι τὴν ἁμαρτίαν (ebd.).42 Hägerland versteht den zitierten Text dahingehend, daß die beiden Infinitive καταστῆσαι und ἀφεῖναι von ἱκετεύειν abhängig sowie einander parallel sind und deshalb beide auf Samuel als Subjekt bezogen werden müssen. Dementsprechend lautet seine Übersetzung: „They began to implore the prophet as a mild and gentle father, to make God benevolent towards them and to forgive this sin.“43 Hägerlands Sicht unterscheidet sich wesentlich von dem Textverständnis jener Übersetzer, die nicht in Samuel, sondern in Gott das Subjekt der Vergebung erblicken,44 sei es, weil sie dem καί vor ταύτην ἀφεῖναι τὴν ἁμαρτίαν eine finale oder konsekutive Nuance zuschreiben, zu ἀφεῖναι ein auf τὸν θεόν rückbezogenes αὐτόν ergänzen und mit dem καί-Satz die Reaktion Gottes auf die Fürbitte Samuels beschrieben sehen,45 sei es, weil für τὸν θεὸν καταστῆσαι eine zweifache syntaktische Beziehung mit unterschiedlicher Bedeutung des Verbums angenommen wird (τὸν θεὸν αὐτοῖς εὐμενῆ καταστῆσαι und τὸν θεὸν καταστῆσαι ταύτην ἀφεῖναι τὴν ἁμαρτίαν).46 Da wir es in Ant VI 92 mit einem recht komplizierten Satzgebilde zu tun haben, wird man diese beiden Textanalysen nicht einfach als unmöglich bezeichnen können.47 Folgt man gleichwohl 42 Griechischer Text: Josephus. With an English Translation by H.St.J. Thackeray / R. Marcus (LCL), Vol. V: Jewish Antiquities, Book V–VIII, London bzw. Cambridge, MA 1934 = 1966, 212. 43 Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 147. Ebenso in der Sache: Oeuvres complètes de Flavius Josèphe II: Antiquités Judaïques. Livres VI–X, Traduction de J. Weill, Paris 1926, 21. 44 S. bereits die alte lateinische Übersetzung: […] utque deum propheta uelut optimus pater et mitis rogaret, quatenus propitius esset eis: peccatumque […] dimitteret, exorabant (Flavii Iosephi, Patria Hierosolymitani, […] Opera quaedam Rufino presbytero interprete […], Basel 1524, 155). 45 Die jüdischen Alterthümer des Flavius Josephus übersetzt und mit Anmerkungen versehen von K. Martin, Bd. 1, Köln 1852, 347 f.; Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer. Übersetzt von H. Clementz, Bd. 1: Buch I bis X, Darmstadt 1899 = 1967, 335; The Works of Flavius Josephus. Whiston’s Translation, Revised by A. R. Shilleto, Vol. I: Life of Josephus. Antiquities of the Jews, Books I–VI, London 1889, 364; Josephus. With an English Translation (s. Anm. 42), 213. 46 So offenbar Flavius Josephus, Translation and Commentary, Vol. 4: Flavius Josephus, Judean Antiquities Books 5–7. Translation and Commentary by Chr.T. Begg, Leiden – Boston 2005, 124: „they […] begged the prophet […], to make God benevolent to them and forgive this offense of theirs“. Da Begg in Gott das Subjekt von ἀφεῖναι sieht (s. Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins [s. Anm. 40] 148 Anm. 56), dürften vor „forgive“ noch einmal die Worte „to make God“ zu ergänzen sein. 47 Wenn der von ἱκετεύειν τὸν προφήτην abhängige Infinitiv-Satz τὸν θεὸν αὐτοῖς εὐμενῆ καταστῆσαι durch den weiteren, mit καί angeschlossenen Infinitivsatz ταύτην ἀφεῖναι τὴν ἁμαρτίαν fortgeführt wird und gleichwohl ein Subjektswechsel vorliegen sollte, so könnte das damit erklärt werden, daß auch die Sündenvergebung Gegenstand des Wunsches und der Bitte des Volkes ist. Daß dabei ein auf τὸν θεόν bezogenes αὐτόν fehlt, ist kein zwingendes Gegenargument. Ich verweise dazu auf H. Menge / A. Thierfelder / J. Wiesner, Repetitorium
50 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung der Analyse und Übersetzung Hägerlands, so bedeutet das noch keineswegs, daß dann Samuel als der gekennzeichnet wird, der die Sünde vergeben soll und vergeben kann. Das lehrt bereits die unmittelbare Reaktion Samuels auf die Bitte des Volkes (VI 93): Der Prophet verspricht, „er werde Gott bitten, ihnen wegen dieser [Dinge] zu vergeben, und [ihn] besänftigen“ (ὁ δὲ ὑπισχνεῖται καὶ παρακαλέσειν τὸν θεὸν συγγνῶναι περὶ τούτων αὐτοῖς καὶ πείσειν). Gott selbst ist es also, der die Sünde vergeben muß. Das entspricht dem biblischen Bericht 1 Sam (1 Reg) 12,5–25, dem die Darlegungen von Ant VI 88–94 verpflichtet sind und in dem Samuel als der gezeichnet wird, dessen Interzession das Volk erbittet und der aufgrund seines Eintretens für die Schuldigen Gottes Zuwendung zuzusprechen vermag. Daß Samuel nach der Überzeugung des Josephus nicht einfach aus eigener Machtvollkommenheit Sünden vergeben kann, die Vergebung vielmehr von Gott erbitten muß, zeigt in aller Deutlichkeit der Abschnitt Ant VI 141–151. Der Prophet fleht zu Gott um Vergebung für Saul (143), doch diese bleibt dem König unwiderruflich versagt (144 f.151). Wenn Saul nach 151 vor Samuel seine Sünde bekennt und ihn bittet: ἀλλὰ συγγίνωσκε καὶ πρᾷος ἴσθι („doch vergib [mir] und sei mild“), dann steht im Hintergrund die an Samuel gerichtete Bitte Sauls von 1 Sam (1 Reg) 15,25: „Nimm doch meine Sünde hinweg“ (LXX: ἆρον δὴ τὸ ἁμάρτημά μου). Daß diese Bitte nicht so zu verstehen ist, als eigne Samuel selbst das Vermögen der Sündenvergebung, wurde bereits erwähnt.48 Nicht anders ist über das συγγίνωσκε von Ant VI 151 zu urteilen, und das Gleiche gilt auch für die Worte ταύτην ἀφεῖναι τὴν ἁμαρτίαν Ant VI 92, falls hier die syntaktische Analyse Hägerlands zutreffend sein sollte. In allen Fällen handelt es sich um uneigentliche Rede: Samuel wird von den Schuldiggewordenen gebeten, ihre Sünde zu vergeben – allerdings nicht als einer, der das in eigener Autorität zu tun vermag, sondern als der, der als begnadeter Interzessor die Vergebung von Gott erwirkt und sie dann als sein bevollmächtigter Bote gültig zuspricht. Hägerland selbst kommt letztlich zu genau diesem Verständnis, wenn er bemerkt: „When Samuel ‚forgives‘ a sin, he prays for the people in order to placate God and to avert the temporal punishment for the sin committed.“49 Das aber bedeutet: Eine Parallele zu Mk 2,5b ist Ant VI 92 nicht.
der griechischen Syntax, Darmstadt ¹⁰1999, 158 (§ 95b); R. Kühner / B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II: Satzlehre, Bd. 2, Hannover – Leipzig ³1904 = Hannover 1976, 561 (§ 597,2a). 48 S.o. bei Anm. 31. 49 Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 149.
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung
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IV Der zweite von Hägerland50 genannte Text – 4QOrNab (4Q242) I 4 – gehört zu dem nur fragmentarisch erhaltenen aramäischen „Gebet des Nabonid“51 und ist bereits bald nach der Erstveröffentlichung52 als „vollkommene Parallele“ zu Mk 2,5b bezeichnet worden.53 In dem nur fragmentarisch erhaltenen Werk berichtet der letzte babylonische König von seiner Errettung aus schwerer Krankheit. Von Zeile I 3 sind nur am Anfang die Worte „Ich war geschlagen sieben Jahre lang“ klar lesbar, während eine sichere Rekonstruktion des dann Folgenden nicht möglich ist. Die anschließende Zeile I 4 lautet: wḥṭ’j šbq lh gzr wh’ jhwdj m[…]. Diese Zeile ist für die uns beschäftigende Thematik dann relevant, wenn das Verbum šbq hier – wie in 11QTargHi (11Q10) XXXVIII 2 f. – die in den späteren Targumen reichlich belegte Bedeutung „vergeben“ hat. Das ist in der Forschung zwar umstritten,54 doch es gibt kein gewichtiges Argument, das gegen dieses Verständnis spräche. Setzt man die Bedeutung „vergeben“ voraus, dann liegt die Annahme nahe, daß auf jeden Fall die Worte wḥṭ’j šbq lh syntaktisch zusammengehören, daß durch die Präposition lᵉ das Objekt zu šbq (= „er hat vergeben“) eingeführt wird55 und daß lh als Verbindung der Präposition mit dem Pronomen der 3. Person Singular Maskulinum auf das als Singular zu lesende ḥṭ’j (= „meine Sünde“) rückbezogen ist.56 Was dann die Frage nach dem Subjekt von šbq anlangt, so sind angesichts dessen, was an Text erhalten ist, zwei Ebd., 154–158. Zu diesem Text und zu der ihm gewidmeten älteren Literatur s. insbesondere R. G. Kratz, Nabonid in Qumran, in: E. Cancik-Kirschbaum u. a. (Hg.), Babylonische Wissenskultur in Orient und Okzident, Berlin 2011, 253–270. 52 J. T. Milik, „Prière de Nabonide“ et autres écrits d’un cycle de Daniel. Fragments araméens de Qumrân 4, RB 63 (1956) 407–415. – Endgültige Edition: J. J. Collins, 4QPrayer of Nabonidus ar, in: G. J. Brooke u. a., Qumran Cave 4. XVII: Parabiblical Texts, Part 3 (DJD XXII), Oxford 1996, 83–93. 53 A. Dupont-Sommer, Die essenischen Schriften vom Toten Meer, Tübingen 1960, 348 f. Anm. 3; Ders., Exorcismes et guérisons dans les écrits de Qoumrân, VT.S 7 (1960) 246–261: 259; Ders., Remarques linguistiques sur un fragment araméen de Qoumrân („Priére de Nabonide“), GLECS 8 (1957–1960) 48–50: 50. 54 K. Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten, Göttingen 1984, 223 f.: 224 versteht Zeile 3 f. folgendermaßen: „³[…] Aber derjenige, [welcher] bestimmt hat [meinen Lohn] ⁴und meine Strafe, sparte sich einen Wahrsager auf, und zwar war es ein Jude.“ Bei J. Maier, Die Qumran-Essener: Die Texte vom Toten Meer II: Die Texte der Höhle 4 (UTB 1863), München – Basel 1995, 186, lautet Zeile 4: „meine Vergehen (?), ließ ihm einen Wahrsager und de[r (war) ein j]üdischer [Mann] vo[n – ]“. 55 Dies ist ein Sprachgebrauch, zu dem es in den späteren Targumen zahlreiche Parallelen gibt. 56 Vgl. zu dieser Casus pendens-Konstruktion Ps 65,4 (pᵉšā‛ênû ’attāh tᵉkappᵉrēm = „unsere Verbrechen – du wirst sie vergeben“); TargPs 65,4 (swrḥnn’ ’nt tkprjnwn = „unsere Sünden – du wirst sie vergeben“). 50 51
52 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung Antworten möglich57. Die eine Möglichkeit besteht darin, daß die Worte wḥṭ’j šbq lh mit dem dann folgenden gzr zusammengehören und Zeile 4 demgemäß zu übersetzen ist: „und meine Sünde – ein Seher58 hat sie vergeben, und dieser (war) ein Jude v[on …].“59 Die andere Möglichkeit ist die, daß zwischen lh und gzr eine Zäsur liegt; in diesem Fall ist zu vermuten, daß in der zweiten Hälfte der Zeile 3 eine Aussage wie „ich betete zu Gott“ oder „Gott erhörte mein Gebet“ stand und Zeile 4 dann fortfährt: „und meine Sünde – er (Gott!) hat sie vergeben. Ein Seher, und zwar ein Jude v[on …]“.60 Ein Argument für die eine oder die andere Deutung, das definitiv zu einem wissenschaftlichen Konsens führen könnte, sehe ich nicht. Vertreter der zweiten Sicht weisen etwa darauf hin, daß es im frühjüdischen Schrifttum und auch in den Qumrantexten sonst keinen Beleg für Vergebung durch eine menschliche Person gibt.61 Ein wirklich zwingendes Argument ist das jedoch nicht. Gleiches gilt aber auch für das entscheidende Argument, das von F. García Martínez zugunsten der ersten Deutung angeführt wird: „The structure of the sentence seems here to demand this interpretation.“62 T. Hägerland, der in seinem Verständnis der Zeile 4 ganz der Sicht von F. García Martínez verpflichtet ist, nimmt dessen 57 Vgl.
Kratz, Nabonid in Qumran (s. Anm. 51), 257. Zu gzr = „Seher, Wahrsager“ (nicht: „Beschwörer, Exorzist“) s. Dan 2,27; 4,4; 5,7.11. 59 In diesem Sinn z. B. Dupont-Sommer, Die essenischen Schriften vom Toten Meer (s. Anm. 53), 348; J. A. Fitzmyer / D. J. Harrington, A Manual of Palestinian Aramaic Texts (BibOr 34), Rom 1978, 3; J. A. Fitzmyer, The Aramaic Language and the Study of the New Testament, JBL 99 (1980) 5–21: 15 f.; F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar, The Dead Sea Scrolls. Study Edition I, Leiden – Boston – Köln bzw. Grand Rapids, MI – Cambridge, U. K. 1997, 487; F. García Martínez, The Prayer of Nabonidus. A New Synthesis, in: Ders., Qumran and Apocalyptic. Studies on the Aramaic Texts from Qumran (STDJ 9), Leiden – New York – Köln 1992, 116–136: 119.125; Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 154–158. 60 In diesem Sinn z. B. R. Meyer, Das Qumranfragment „Gebet des Nabonid“, ThLZ 85 (1960) 831–834: 831; Ders., Das Gebet des Nabonid. Eine in den Qumran-Handschriften wiederentdeckte Weisheitserzählung (SSAW. PH 107/3), Berlin 1962, 24.33; B. Jongeling / C. J. Labuschagne / A. S. van der Woude, Aramaic Texts from Qumran I (SSS 4), Leiden 1976, 127–129; A. S. van der Woude, Bemerkungen zum Gebet des Nabonid, in: M. Delcor (Hg.), Qumrân. Sa piété, sa théologie et son milieu (BEThL 46), Paris-Gembloux – Leuven 1978, 121–129: 122–125; P. Grelot, La prière de Nabonide (4 Q Or Nab), RdQ 9 (1978) 483–495: 485.487 f.; É. Puech, La Prière de Nabonide (4Q242), in: K. J. Cathcart / M. Maher (Hg.), Targumic and Cognate Studies. Essays in Honour of Martin McNamara (JSOT.S 230), Sheffield 1996, 208–227: 216; A. Steudel, Die Texte aus Qumran II, Darmstadt 2001, 163 mit Anm. 9 (auf S. 265); Kratz, Nabonid in Qumran (s. Anm. 51), 256. 61 Man könnte dazu noch das Folgende hinzufügen: Wenn – wie wahrscheinlich – zwischen dem Gebet des Nabonid und Dan 3,31–4,34 ein literarischer Zusammenhang bestehen sollte, dann vermögen weder dieser Text selbst noch auch die griechischen Fassungen (LXX, Theodotion) und die Bezugnahmen auf Dan 4 in der frühjüdischen Literatur (Josephus, Ant X 216 f.; VitProph IV) die Hypothese zu stützen, daß in 4QOrNab der Seher vergibt. Nach der DanielVita ist Daniel derjenige, der als Interzessor für den König eintritt (VitProph IV 4.12), und Gott der Vergebende (VitProph IV 15). 62 García Martínez, The Prayer of Nabonidus (s. Anm. 59), 125. 58
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung
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Argument auf, indem er gegen die zweite Deutung einwendet: „Since asyndeton is relatively rare in Aramaic, one would have expected ‚And a diviner‘ (wgzr) instead of the simple ‚A diviner‘ (gzr) to introduce a new sentence.“63 Stichhaltig ist dieser Einwand jedoch schon deshalb nicht, weil bei der zweiten Deutung der Gang der Erzählung mit dem neuen Satz nicht einfach weitergeführt,64 sondern nunmehr näher beschrieben wird, wie es dazu kam, daß der König die Vergebung Gottes und damit auch die Heilung von seiner Krankheit erlangte. In einem solchen Fall ist Asyndese keineswegs ungewöhnlich.65 Ziehen wir zu 4QOrNab I 4 ein Fazit, so ist zu sagen, daß in der Diskussion über Mk 2,5b mit diesem Text aufgrund seines Erhaltungszustands nicht argumentiert werden kann. Selbst wenn die Zeile tatsächlich „meine Sünde – ein Seher hat sie vergeben“ lauten sollte, ließe sich nicht zuverlässig klären, wie diese Aussage dann des näheren gemeint ist.66 Hägerland, der in dem gzr einen Propheten erblickt, urteilt: „The prophet, it seems, […] ‚forgives‘ the penitent sinner by averting the temporal punishment for his sin, presumably by prayer to God, although this is not stated in the text.“67 Ginge es in 4QOrNab I 4 in diesem Sinn um prophetische Interzession, dann läge auch hier keine Parallele zu Mk 2,5b vor!
V Als Ergebnis unserer bisherigen Überlegungen kann festgehalten werden, daß sich in der gesamten frühjüdischen Literatur kein einziger Beleg dafür findet, daß außer und neben Gott auch ein Himmelswesen oder ein besonders ausgezeichneter Mensch in eigener Autorität (!) Sünden zu vergeben vermag. Offensichtlich kommt in der rhetorischen Frage von Mk 2,7 in der Tat eine für das gesamte antike Judentum charakteristische Maxime zu Wort, die keine Ausnahme zuläßt. Wenn nun in Mk 2,1–12 berichtet wird, daß Jesus mit der Gewährung von Sündenvergebung und Heilung das tut, was ausschließlich Gott selbst zu
63 Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 156 (die aramäischen Worte gebe ich in Umschrift wieder). 64 Zum syntaktischen Sachverhalt s. H. Bauer / P. Leander, Grammatik des BiblischAramäischen, Halle 1927 = Hildesheim – New York 1981, 350 f. (§ 106a): „Wo es sich um den Fortgang der Erzählung handelt, werden die gleichgeordneten aufeinanderfolgenden Sätze gewöhnlich durch w- angereiht, soweit sie nicht durch Adverbia […] eingeführt werden.“ 65 Vgl. etwa die asyndetische Anfügung einer näheren Beschreibung (Dan 2,20; 3,9; 6,21b), einer Begründung (Dan 5,11; 1QGenAp ar [1Q20] XXII 30; CTLevi ar Bodl. b, 10 [= L 34,10]) oder einer Erläuterung (CTLevi ar Bodl. b, 21 [= L 34,21]; c, 13 [= L 35,13]). 66 Dem erhaltenen Text von 4QOrNab läßt sich übrigens nicht entnehmen, daß die Heilung des Königs durch den gzr gewirkt wurde. 67 Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 158.
54 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung tun vermag, dann wird damit Analogieloses über ihn ausgesagt.68 Angesichts dessen muß nunmehr in einem letzten Schritt unserer Überlegungen die Frage bedacht werden, wie diese Analogielosigkeit theologisch zu interpretieren und das Verhältnis zwischen der Vergebung Gottes und der Vergebung Jesu präzise zu bestimmen ist. Der Schlüssel zu einer angemessenen Antwort liegt in der Aussage von V. 10, daß „der Menschensohn Macht hat, Sünden zu vergeben auf Erden“. Nach dem Urteil mancher Ausleger69 ist die Erzählung mit dieser Aussage den Worten von Dan 7,13 f. verpflichtet, wo im Septuagintatext von dem, „der aussah wie ein Mensch“ (ὡς υἱὸς ἀνθρώπου V. 13), gesagt wird: „Ihm wurde [königliche]70 ἐξουσία gegeben, und alle Völker der Erde je nach ihren Stämmen und jede Majestät waren ihm dienstbar. Und seine ἐξουσία ist eine ewige ἐξουσία, die niemals mehr beseitigt werden wird, und seine Königsherrschaft (βασιλεία) eine solche, die niemals mehr vernichtet werden wird“ (V. 14). Eine Abhängigkeit von diesem Text kann jedoch für Mk 2,10 schon aus sprachlichen Gründen ausgeschlossen werden. In Dan 7,14 LXX hat ἐξουσία ebenso wie die aramäische Grundlage (šŏlṭān) die Bedeutung „Herrschermacht“ / „Herrschergewalt“,71 die im Septuagintatext des Danielbuches auch in den Wendungen ἐξουσίαν ἔχειν τινός72 bzw. ἐξουσίαν ἔχειν ὑπέρ τινα73 (= „Herrschergewalt haben über jemanden / über etwas“) vorliegt. Zwischen diesen Wendungen und dem in Mk 2,10 begegnenden Ausdruck ἐξουσίαν ἔχειν + Infinitiv (= „Macht / Vermögen haben, etwas zu tun“)74 wie überhaupt zwischen ἐξουσία in der Daniel-Septuaginta einerseits und ἐξουσία in Mk 2,10 andererseits besteht semantisch ein ganz erheblicher Unterschied.75 Die Rede von dem „Menschensohn“ in Mk 2,10 will deshalb nicht traditions- oder begriffsgeschichtlich erklärt sein, sondern aus dem inneren Zusammenhang unserer Erzählung selbst und insbesondere aus 68 Die Erzählung selbst bringt das an ihrem Ende in dem sog. Chorschluß expressis verbis zur Sprache (V. 12b): „Alle gerieten außer sich und priesen Gott und sagten: ‚Solches haben wir noch nie gesehen‘.“ Die für Mk 2,1–12 zu konstatierende Analogielosigkeit hat Parallelen in anderen Wundergeschichten des Markusevangeliums, die Jesus ebenfalls zuschreiben, was das Alte Testament einzig und allein von dem Gott Israels zu sagen weiß: Mk 1,40–45 (vgl. 2 Kön 5,7); 4,35–41 / 6,45–52 (vgl. Ps 65,8; 89,10; 107,29; Hi 9,8); 5,21–24.35–43 (vgl. Dtn 32,39; 1 Sam 2,6; 2 Kön 5,7); 7,31–37 (vgl. Jes 35,4–6). 69 So auch Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 171–176. 70 Das vom Papyrus 967 gebotene Adjektiv βασιλική fehlt in der durch die Minuskel 88 und die Syro-Hexapla bezeugten Fassung. 71 In V. 14b steht ἐξουσία parallel zu βασιλεία! Zu ἐξουσία s. in LXX außer den in Anm. 72 und in Anm. 73 genannten Stellen auch Dan 4,23[26].34a[37a]; 7,12.26 f. 72 Dan 4,14[17].28[31]; 5,4.16 LXX. Zu ἐξουσία τινός s. ferner Dan 5,7.29 LXX. 73 Dan 6,3[4] LXX. Vgl. neben ἐξουσία ὑπέρ τινα auch ἐξουσία ἐπί τινος: Dan 3,97[30] LXX. 74 Dieser Ausdruck kommt weder im Septuagintatext noch auch in der Theodotion-Fassung des Danielbuchs vor. 75 Schon deshalb fehlt der von Hägerland, Jesus and the Forgiveness of Sins (s. Anm. 40), 171 unter Hinweis auf ἐξουσίαν ἔχειν […] τῶν ἐπὶ τῆς γῆς Dan 4,14[17] LXX vertretenen These, daß Jesu Wort Mk 2,10 „strongly echoes Dan 4.14“, ein tragfähiges Fundament.
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dem Kontext des gesamten Markusevangeliums.76 Für das Evangelium ist kennzeichnend, daß der Begriff ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου, der erstmals in 2,10 erscheint, dem christologisch zentralen Begriff ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ an die Seite tritt.77 Der Hoheitstitel „Sohn Gottes“ bringt grundlegend das Geheimnis der Person Jesu zur Sprache: seine wesenhafte Zugehörigkeit zu Gott, seinem Vater, und eben damit seinen göttlichen Ursprung und sein darin begründetes göttliches Wesen, das im Geschehen der Verklärung (Mk 9,2–8) für kurze Zeit offenbar wird. Dem solennen Eröffnungstext des Evangeliums (Mk 1,2–13) zufolge bringt der Sohn Gottes, der aus der himmlischen Welt in die irdische Welt gekommen ist,78 mit der Gabe des von Sünde reinigenden Heiligen Geistes den vor Gott Verlorenen die Vergebung ihrer Sünden.79 Die Aussagen über Jesus als den „Menschensohn“ stellen dem Leser des Evangeliums unter zwei grundlegenden christologischsoteriologischen Aspekten das Werk des Sohnes Gottes des näheren vor Augen: zum einen sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung80 und zum andern sein Kommen zum Weltgericht81. Der „Menschensohn“, der die ἐξουσία der Sündenvergebung hat und in dieser ihm selbst eignenden Macht dem Gelähmten die Sündenvergebung gewährt, ist demzufolge dezidiert der, der sein eigenes Leben zur Auslösung des vor Gott verwirkten Lebens der Vielen in den Tod gibt.82 Dieser elementare Zusammenhang zwischen Jesu Gewährung der Sündenvergebung und seinem Kreuzestod kommt im Markusevangelium unübersehbar zum Ausdruck, wenn der in Mk 2,7 erhobene Vorwurf der Gotteslästerung in der Verhörszene Mk 14,55–64 erneut laut wird und dort das definitive Todesurteil über Jesus zur Folge hat (14,63 f.).83 Damit ist im Gesamtzusammenhang des Evangeliums narrativ gesagt: Die Sündenvergebung, die Jesus in eigener Macht gewährt, ist die in seinem Kreuzestod begründete Vergebung, und als solche ist sie zugleich die Gabe des kommenden Weltrichters, der denen das 76 Zur Einordnung von Mk 2,1–12 in die christologisch-soteriologische Sicht des Markusevangeliums s. Hofius, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung (s. Anm. 1), 52–56. Im Folgenden nehme ich einige Gedanken und Sätze von dort auf. 77 S. zur Zusammenschau der beiden Titel Mk 14,61 f., aber auch Mk 8,38 (der Menschensohn kommt „in der Herrlichkeit seines Vaters“) und Mk 9,2–10 (der Menschensohn [V. 9] ist der geliebte Sohn Gottes [V. 7]). 78 Daß der Evangelist Markus die reale und personale Präexistenz Christi vertritt, ergibt sich insbesondere aus Mk 1,2 f.; s. dazu A. Schlatter, Markus. Der Evangelist für die Griechen, Stuttgart 1935, 15; J. Schniewind, Das Evangelium nach Markus (NTD 1), Göttingen ⁶1956, 44; Hofius, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung (s. Anm. 1), 54 f.; Schenke, Das Markusevangelium (s. Anm. 12), 50 f. 79 Mk 1,7 f. Zum alttestamentlichen Hintergrund s. Jer 33,8; Ez 36,25–29a; Ps 51,4.9–14; vgl. 1QS 4,20–23. 80 Mk 8,31; 9,9.12.31; 10,33 f.45; 14,21.41. 81 Mk 8,38; 13,26 f.; 14,62. 82 Mk 10,45; vgl. 14,22–24. 83 Die Gotteslästerung liegt darin, daß Jesus mit den Worten von Mk 14,62 die eschatologische Richtermacht Gottes und eben damit eine gottgleiche Hoheit und Würde für sich in Anspruch nimmt.
56 Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung eschatologische Heil bringt, die seine Vergebung empfangen haben und sich in der Nachfolge zu ihm als dem Gekreuzigten bekennen.84 Nach dem Zeugnis des Markusevangeliums – so kann abschließend gesagt werden – eignet Jesus in analogieloser Weise göttliche ἐξουσία, weil in ihm Gott selbst „auf Erden“ gegenwärtig und er mithin in Person „die einmalige Epiphanie Gottes“, die rettende praesentia Dei unter den Menschen, ist.85 Daß Jesus als der Menschensohn „Macht hat, Sünden zu vergeben auf Erden“, ist so in der vollen Seins- und Handlungseinheit begründet, die zwischen ihm, dem Sohn Gottes, und Gott, seinem Vater, besteht.86 Seine „auf Erden“ gewährte Sündenvergebung ist als solche ihrem Wesen nach Gottes eigene Vergebung.87 Die Maxime, daß einzig und allein Gott selbst Sünden zu vergeben vermag, wird mithin in der Erzählung Mk 2,1–12 keineswegs relativiert, und eine Ausnahme von ihr wird hier nicht behauptet. Die Schriftgelehrten urteilen mit der rhetorischen Frage von V. 7 völlig korrekt. Sie verkennen aber, wer der ist, der dem Gelähmten die Vergebung seiner Sünden zugesprochen hat.
Mk 8,34–38; 13,26 f. J. Schniewind, Antwort an Rudolf Bultmann. Thesen zum Problem der Entmythologisierung, in: H. W. Bartsch (Hg.), Kerygma und Mythos. Ein theologisches Gespräch (ThF 1), Hamburg-Bergstedt ⁴1960, 77–121: 108 (vgl. 80 f.); Ders., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 2), Göttingen ⁸1956, 15 f.27.188. 86 Vgl. J. Schniewind, Das Selbstzeugnis Jesu nach den ersten drei Evangelien, Wuppertal 1964, 13: „In seiner (sc. Jesu) Person […] ist die Vergebung Gottes Wirklichkeit geworden.“ Genau das ist auch das Zeugnis der Erzählung Lk 5,1–11 (s. V. 8 und V. 10b). Zutreffend sagt H. J. Iwand, Predigtmeditationen II, Göttingen o. J. (1973), 50 zu Lk 5,10b: „In Jesus Christus bedeutet die Epiphanie Gottes für den sündigen Menschen nicht den Tod, sondern das Leben. Denn er ist ja die Vergebung. Darum heißt es: Fürchte dich nicht! Darum gibt es in ihm Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch.“ 87 Im Licht dieser Feststellung wird der fundamentale Unterschied deutlich, der zwischen der ἐξουσία Jesu Christi und der Vergebungsvollmacht besteht, die er (!) seinen Jüngern verliehen hat (Mt 16,19; 18,18; Joh 20,22 f.). In der Absolutionsformel des griechisch-orthodoxen Beichtritus sagt der Priester mit Recht: „Ich geringer und sündiger Mensch vermag nicht Sünde zu vergeben auf Erden, sondern das vermag allein Gott“ (übersetzt nach: Μικρὸν Εὐχολόγιον, Athen 1981, 135). 84 85
„In eurer Tora steht geschrieben“ Zur Auslegung von Joh 8,17; 10,34; 15,25 I Der Verfasser des Johannesevangeliums läßt Jesus an den folgenden sechs Stellen seines Werkes die Heilige Schrift Israels zitieren: 6,45a; 7,38b; 8,17; 10,34; 13,18b; 15,25.1 Im Unterschied zu den nicht ungewöhnlichen Zitateinführungen von 6,45a (ἔστιν γεγραμμένον ἐν τοῖς προφήταις), 7,38b (καθὼς εἶπεν ἡ γραφή) und 13,18b (ἀλλ’ ἵνα ἡ γραφὴ πληρωθῇ) muß die Einführung an den drei übrigen Stellen als merkwürdig gelten. Diese Stellen seien kurz charakterisiert. In Joh 8,17 bemerkt Jesus im Rahmen einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern (8,12–20): καὶ ἐν τῷ νόμῳ δὲ τῷ ὑμετέρῳ γέγραπται ὅτι δύο ἀνθρώπων ἡ μαρτυρία ἀληθής ἐστιν („Auch in eurer Tora steht doch geschrieben, daß das [übereinstimmende] Zeugnis zweier Menschen wahr ist“). Mit diesem Hinweis auf den Rechtssatz Dtn 17,6a / 19,15b wird dann in 8,18 die Aussage verbunden, daß es für Jesus zwei unbedingt glaubwürdige Zeugen gibt: ihn selbst und den Vater, der ihn gesandt hat. In den beiden Versen 8,17 f. dürfte ein argumentum a minore ad maius vorliegen:2 Wenn der Tora vom Sinai3 zufolge schon das übereinstimmende Zeugnis zweier Menschen als wahr anzuerkennen ist, um wieviel mehr muß dann das Zeugnis, in dem Gott, der Vater Jesu Christi, und Jesus, der Sohn Gottes, übereinstimmen, wahr sein. – In den Zusammenhang einer Auseinandersetzung mit jüdischen Gegnern (10,22–39) gehört ebenfalls die Frage von Joh 10,34: οὐκ ἔστιν γεγραμμένον ἐν τῷ νόμῳ ὑμῶν ὅτι ἐγὼ εἶπα· θεοί ἐστε; („Steht nicht in eurer Tora geschrieben: ‚Ich habe gesagt: Ihr seid Götter‘?“) Mit dieser Frage antwortet Jesus auf den Blasphemie-Vorwurf von 10,33 (σὺ ἄνθρωπος ὢν ποιεῖς σεαυτὸν θεόν), mit dem seine als οἱ Ἰουδαῖοι bezeichneten Gegner auf sein Selbstzeugnis von 10,30 (ἐγὼ καὶ ὁ πατὴρ ἕν ἐσμεν) reagieren. Er zitiert Ps 82[81],6a und schließt daran in 10,35 f. einen Schluß a minore ad 1 Joh 12,27a bleibt, weil eine Kennzeichnung als Zitat fehlt, außer Betracht. – Zu Joh 7,38b und dem Kontext 7,37 f. ist anzumerken: ὁ πιστεύων εἰς ἐμέ V. 38a gehört zu καὶ πινέτω V. 37b, und die durch die Zitationsformel καθὼς εἶπεν ἡ γραφή eingeführten Worte ποταμοὶ ἐκ τῆς κοιλίας αὐτοῦ ῥεύσουσιν ὕδατος ζῶντος sind als eine Aussage über Jesus zu lesen, die auf die alttestamentliche Verheißung von Ez 47,1–12; Joel 4,18b; Sach 13,1; 14,8 Bezug nimmt. 2 So mit Recht H. Thyen, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen 2005, 424. 3 In Joh 8,17 bezeichnet ὁ νόμος – wie in Joh 1,17a; 7,19; 7,23 (im Blick steht Lev 12,3!); 7,49.51; 18,31; 19,7 – die durch Mose gegebene Tora vom Sinai, nicht dagegen im weiteren Sinn den Pentateuch (so in 1,45).
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maius an: Wenn nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift Israels4 Gott schon die in dem Zitat angeredeten Menschen als „Götter“ bezeichnet hat5 und die Schrift nicht außer Geltung gesetzt werden kann, wie kann es dann Blasphemie sein, wenn Jesus als der, „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ und der sich aufgrund seiner Herkunft aus der himmlischen Welt qualitativ von allen anderen Menschen unterscheidet, von sich sagt: „Ich bin der Sohn Gottes“? – Das dritte Jesuswort Joh 15,25 hat seinen Ort in den an die Jünger gerichteten Abschiedsreden. Der Haß der Welt, wie er Jesus in der Ablehnung durch die Ἰουδαῖοι begegnet (15,18–24), wird mit dem Hinweis auf Ps 35[34],19b bzw. Ps 69[68],5a als in der Schrift Israels angekündigt bezeichnet: ἀλλ’ ἵνα πληρωθῇ ὁ λόγος ὁ ἐν τῷ νόμῳ αὐτῶν γεγραμμένος ὅτι ἐμίσησάν με δωρεάν („Aber es muß das Wort erfüllt werden, das in ihrer Tora geschrieben steht: ‚Sie haben mich ohne Grund gehaßt‘.“) Auffallend und höchst erstaunlich an den drei Texten ist, daß in der jeweiligen Zitateinführung nicht der Ausdruck ὁ νόμος ἡμῶν („unsere Tora“) erscheint, den in Joh 7,51 der Jude Nikodemus gebraucht, sondern daß der Evangelist Jesus in 8,17 und 10,34 mit der Wendung „eure Tora“ so reden läßt, wie nach Joh 18,31 der Heide Pilatus redet (ὁ νόμος ὑμῶν6), und daß er ihm dann in 15,25 den Ausdruck „ihre Tora“ in den Mund legt. Die Frage, welche Aussageabsicht der Evangelist damit verbindet, ist in der Exegese lebhaft umstritten. Vor allem zwei Deutungen sind zu erwähnen:7 Nicht wenige Ausleger sehen in der Rede von „eurer Tora“ bzw. „ihrer Tora“ eine Distanz zum Ausdruck gebracht – und zwar entweder eine Distanz des Evangelisten (und / oder der johanneischen Gemeinde) zur Sinai-Tora8 bzw. zu der Schrift Israels 4 In Joh 10,34 und ebenso in Joh 12,34 und in Joh 15,25 bezeichnet ὁ νόμος die γραφή (10,35!), d. h. die Heilige Schrift Israels als ganze (vgl. bei Paulus Röm 3,19 [erstes Vorkommen]; 3,31 [νόμος = ἡ γραφή 4,3a]; 1 Kor 9,8; 14,21.34; Gal 4,21b). Diese weitgefaßte Bedeutung entspricht dem Sprachgebrauch der Rabbinischen Literatur, in der תורהauch Bezeichnung für die Schrift Israels in ihrer Gesamtheit sein kann. S. dazu W. Bacher, Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur, Darmstadt 1965, I (= Leipzig 1899), 197; II (= Leipzig 1905), 229–231; P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch II, München 1924 = ²1956, 542 f.; ebd. III, München 1926 = ²1954, 159.462 f. 5 Wie V. 35 zeigt, sieht der Evangelist in Ps 82[81],6a ein an Menschen (wohl an die Israeliten der Exodusgeneration) ergangenes Gotteswort. Zur entsprechenden Deutung der Rabbinen s. MekhEx zu 20,19 sowie die Belege bei Billerbeck II 543. 6 Vgl. im Aristeasbrief ὁ νόμος ὑμῶν im Mund des Heiden (Arist 38) und ὁ νόμος ἡμῶν im Mund des Juden (Arist 168). 7 Vgl. Chr. Dietzfelbinger, Das Evangelium nach Johannes II: Johannes 13–21 (ZBK.NT 4.2), Zürich 2001, 129; M. Theobald, Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 1–12 (RNT), Regensburg 2009, 572. 8 So z. B. E. Haenchen, Das Johannesevangelium, Tübingen 1980, 284; R. E. Brown, The Gospel According to John I (AncB 29), Garden City, NY ²1986, 312 (zu 7,19). 341 (zu 8,17); U. Schnelle, Das Evangelium nach Johannes (ThHK 4), Leipzig ⁵2016, 62 (zu 1,17). Zu erwähnen ist auch Theobald, Das Evangelium nach Johannes (s. Anm. 7), 572, wo allerdings ein unbedingt zu beachtender besonderer Akzent gesetzt wird, wenn es zu Joh 8,17 heißt: Da die johanneischen Gemeinden „die Tora radikal in ein Christuszeugnis transformiert“ haben,
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insgesamt9 oder eine Distanz zu den Ἰουδαῖοι, d. h. konkret: zu der Synagogengemeinde der Zeit des Evangelisten und seiner Gemeinde10. Andere Ausleger bestreiten hingegen mit Nachdruck eine solche Distanzierung von der Tora bzw. von der Schrift Israels oder von den Ἰουδαῖοι. Nach ihrem Verständnis wollen die auffallenden Zitateinführungen die verbindliche Autorität der Tora bzw. der Schrift Israels geltend machen, die Ἰουδαῖοι bei ihrer eigenen Lehrund Glaubensgrundlage behaften und ihnen vor Augen stellen, daß sie sich mit ihrem Urteil über Jesus wie auch mit ihrem Verhalten ihm gegenüber im Widerspruch zu dieser Grundlage befinden.11 Eine Entscheidung zwischen den beiden skizzierten Interpretationen will nach Chr. Dietzfelbinger „kaum gelingen, da im Johannesevangelium für beide Alternativen sich Argumente finden lassen“.12 Man wird jedoch fragen dürfen, ob ein solches Non liquet das letzte Wort behalten muß. Den Anlaß zu dieser Frage gibt die Beobachtung, daß die Einführungswendungen von Joh 8,17 und Joh 10,34 auch in der rabbinischen Literatur begegnen. A. Schlatter hat bereits 1902 in seiner Studie „Die Sprache und Heimat des vierten Evangelisten“ und sodann 1930 in seinem Kommentar zum Johannesevangelium auf einige sprachliche Parallelen zu der Formulierung ἐν τῷ νόμῳ τῷ ὑμετέρῳ γέγραπται von 8,17 aufmerksam gemacht.13 Er findet diese Zitateinführung „immer dann“ „dürfte die Rede von ‚eurem Gesetz‘ doch wohl ihre Entfremdung von der Tora als jüdischem Religionsgesetz widerspiegeln“. 9 So z. B. J. Becker, Das Evangelium nach Johannes: Kapitel 1–10 (ÖTBK 4/1), Gütersloh bzw. Würzburg ³1991, 344.395 f.; Ders., Das Evangelium nach Johannes: Kapitel 11–21 (ÖTBK 4/2), Gütersloh bzw. Würzburg ³1991, 589; s. auch Brown, The Gospel According to John (s. Anm. 8), 403 (zu 10,34). 10 So z. B. W. Bauer, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen ³1933, 31; R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (KEK 2), Göttingen ¹⁴1956, 59.212; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium II: Kommentar zu Kap. 5–12 (HThK IV/2), Freiburg – Basel – Wien ⁴1985, 246 Anm. 3 (vgl. auch 389); Ders., Das Johannesevangelium III: Kommentar zu Kap. 13–21 (HThK IV/3), Freiburg – Basel – Wien ⁴1985, 133 f. 11 So z. B. – mit unterschiedlichen Akzentuierungen im einzelnen – J. Augenstein, „Euer Gesetz“ – Ein Pronomen und die johanneische Haltung zum Gesetz, ZNW 88 (1997) 311–313: 312; K. Wengst, Das Johannesevangelium I: Kapitel 1–10 (ThKNT 4.1), Stuttgart ²2004, 328.409; Thyen, Das Johannesevangelium (s. Anm. 2), 424.501 f.653; J. Zumstein, Das Johannesevangelium (KEK 2), Göttingen 2016, 327.405.586. Vgl. auch bereits Th. Zahn, Das Evangelium des Johannes (KNT 4), Leipzig – Erlangen ⁵.⁶1921 = Wuppertal 1983, 408.469.585 f. 12 Dietzfelbinger, Das Evangelium nach Johannes II (s. Anm. 7), 129. Dietzfelbinger verbindet dort mit seiner Feststellung die Frage: „Könnten nicht innerhalb der johanneischen Gemeinden die zwei Alternativen vertreten worden sein?“ C. K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes (KEK.S), Göttingen 1990, 344.383.469 kombiniert beide Deutungen miteinander. 13 A. Schlatter, Die Sprache und Heimat des vierten Evangelisten (BFChTh VI 4), Gütersloh 1902, 94 (MekhEx zu 20,5; KlglR 1 § 53 zu V. 16); Ders., Der Evangelist Johannes. Wie er spricht, denkt und glaubt. Ein Kommentar zum vierten Evangelium, Stuttgart 1930 = ³1960, 207 (mit dem Hinweis auf ‛AZ 3,4; LevR 4,6 zu 4,2; QohR 1 § 24 zu V. 8; 11 § 2 zu V. 1). Im Kommentar notiert Schlatter neben den rabbinischen Belegen auch Josephus, Bell V 402; nach meinem Urteil verdient hier jedoch die Lesart εἰς τὸν ἡμέτερον νόμον gegenüber εἰς τὸν ὑμέτερον νόμον den Vorzug.
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verwendet, „wenn ein Fremder das Gesetz zitiert“, und er bemerkt zu dem johanneischen Text: „Es steht mit allem, was uns Joh. vom Handeln Jesu erzählt, in Übereinstimmung, daß er sich selber nicht unter das Gesetz stellt.“14 Während R. Bultmann in seinem Johannes-Kommentar zu Joh 8,17 auf Schlatter hinweist,15 wird dessen Wahrnehmung rabbinischer Parallelen erstaunlicherweise – von einer einzigen Ausnahme abgesehen – in keinem anderen der von mir herangezogenen Kommentare auch nur erwähnt.16 Die Ausnahme bildet K. Wengst, der in seiner Auslegung von Joh 8,17 auf den Kommentar Schlatters Bezug nimmt, zwei weitere rabbinische Belege mitteilt und die von Schlatter aus 8,17 gezogene Folgerung als unangemessen zurückweist.17 Der Behauptung, daß die Formulierungen von 8,17, 10,34 und 15,25 eine Distanz zur Tora oder zur Schrift signalisieren, widerspricht Wengst mit Entschiedenheit,18 und er sucht zu zeigen, daß die zum Vergleich herangezogenen rabbinischen Texte keinesfalls für eine solche Deutung in Anspruch genommen werden können.19 Wengst hat mit Recht erneut auf die rabbinischen Texte hingewiesen, deren Zahl sich sogar noch vermehren läßt.20 Vor allem aber bedarf das gesamte Material im Interesse einer sachgemäßen Würdigung noch einmal einer genaueren Betrachtung. Deshalb sollen im Folgenden elf rabbinische Texte in Übersetzung vorgelegt werden. Für den jeweils gewählten Umfang ist dabei ausschlaggebend, daß für die Frage, was diese Texte für das Verständnis von Joh 8,17; 10,34; 15,25 austragen, ein hinreichendes Fundament gegeben ist. Schlatter, Der Evangelist Johannes, ebd. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (s. Anm. 10), 212 Anm. 4. 16 Bei Billerbeck II findet sich zu der νόμος-Wendung von Joh 8,17; 10,34; 15,25 kein Hinweis auf rabbinische Parallelen. H. Odeberg, The Fourth Gospel. Interpreted in its Relation to Contemporaneous Religious Currents in Palestine and the Hellenistic-Oriental World, Uppsala 1929 = Amsterdam 1968, 292 notiert zwar für ἐν τῷ νόμῳ τῷ ὑμετέρῳ Joh 8,17 das hebräische Äquivalent בתורתכם, er bemerkt dann aber lediglich: „The expression is an allusion to the frequent Rabbinic (i. e. Pharisaic) תורתינו, ( בתורתינוour Tora, in our Tora).“ Die johanneische Wendung interpretiert Odeberg, ebd., als einen Ausdruck dafür, daß Jesus für das Johannesevangelium in demselben Verhältnis zur Tora steht wie Gott, sein Vater. 17 Wengst, Das Johannesevangelium I (s. Anm. 11), 328. Die neu notierten Belege sind bBer 32b und b‛AZ 54b; außerdem wird zu dem bereits bei Schlatter verzeichneten Text QohR 1 § 24 zu V. 8 die Parallele b‛AZ 17a genannt. 18 Ebd. (zu 8,17) und 409 (zu 10,34); ebenso Ders., Das Johannesevangelium II: Kapitel 11–21 (ThKNT 4.2), Stuttgart ²2007, 164 (zu 15,25). 19 Ebd., I 328. Zu der Wendung „in eurer Tora steht geschrieben“ in ‛AZ 3,4, bBer 32b, b‛AZ 54b und LevR 4,6 zu 4,2 bemerkt Wengst: „Wenn ein Fremder sie gebraucht, weist er einen Juden auf ein Verhalten hin, das seiner Meinung nach im Widerspruch zur zitierten Torastelle steht, oder verlangt eine Erklärung einer ihm unverständlichen Aussage.“ Der Bericht b‛AZ 17a par. QohR 1 § 24 zu V. 8 gilt ihm als direkter Beweis dafür, daß in jener Wendung keine Distanzierung von der Tora vorliegt. 20 Weitere Belege für „in eurer Tora steht geschrieben“ sind: MidrTann zu Dtn 15,10; bRH 17b; b‛AZ 55a. Zu vergleichen sind ferner auch die folgenden Stellen, an denen der Ausdruck „eure Tora“ belegt ist: Pesiq 2,4 par. GenR 68,4 zu 28,10 / LevR 8,1 zu 6,18; jSoṭa VII 21c,34 f. par. bSoṭa 33b; bSanh 90b. 14 15
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II Unter den elf rabbinischen Texten enthalten zehn eine genaue hebräische Parallele zu der Aussage ἐν τῷ νόμῳ τῷ ὑμετέρῳ γέγραπται von Joh 8,17 und einer eine genaue hebräische Parallele zu der Frage οὐκ ἔστιν γεγραμμένον ἐν τῷ νόμῳ ὑμῶν; von Joh 10,34. Die Aussage lautet dabei: כתוב בתורתכם/ כתיב בתורתכם („in eurer Tora steht geschrieben“)21, die Frage: „( הלא כתוב בתורתכםsteht nicht in eurer Tora geschrieben?“)22. Was die Redenden betrifft, so begegnen die Zitateinführungen überwiegend im Mund von Heiden (Nr. 1–5, Nr. 7, Nr. 9–11) und je einmal im Mund einer Proselytin, d. h. einer ehemaligen Heidin (Nr. 6), und eines nicht mehr zur Gemeinschaft des Volkes Israel gehörenden Häretikers (Nr. 8). Von den beiden Erzählungen Nr. 10 und Nr. 11 abgesehen erfolgt der Hinweis auf die Tora in Gesprächen mit jüdischen Schriftgelehrten der tannaitischen Zeit.23 In Nr. 1–5 und in Nr. 7–10 wird mit den Schriftzitaten jeweils eine auf diese bezogene Frage verbunden, und in Nr. 6 ist eine solche impliziert. Da die dann folgenden Antworten der Gefragten für unsere Überlegungen ohne jeden Belang sind, verzichte ich in der folgenden Zusammenstellung (außer bei Nr. 9) auf ihre Wiedergabe:24 1. MekhEx zu 20,5 Ein Philosoph fragte den Rabban Gamliël: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger25 Gott‘ (Ex 20,5). Hat denn etwa ein Götze Macht, so daß man auf ihn eifersüchtig sein könnte?“ 2. b‛AZ 55a Der Feldherr Agrippa fragte den R. Gamliël: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifersüchtiger Gott‘ (Dtn 4,24). Ist denn nicht nur ein Weiser auf einen Weisen eifersüchtig und ein Held auf einen Helden und ein Reicher auf einen Reichen?“ 21 כתוב בתורתכם: b‛AZ 54b (Nr. 3); MidrTann zu Dtn 15,10 (Nr. 4); ‛AZ 3,4 (Nr. 5); b‛AZ 17a par. QohR 1 § 24 zu V. 8 (Nr. 8); KlglR 1 § 53 zu V. 16 (Nr. 11). כתיב בתורתכם: MekhEx zu 20,5 (Nr. 1); b‛AZ 55a (Nr. 2); bRH 17b (Nr. 6); LevR 4,6 zu 4,2 (Nr. 7); QohR 11 § 2 zu V. 1 (Nr. 9). Das Nebeneinander der beiden Fassungen erklärt sich dadurch, daß in der rabbinischen Literatur bei der Einführung von Schriftzitaten anstelle des hebräischen Partizip Passiv ָּכתּוב („geschrieben“) meist das aramäische Äquivalent ְכּ ִתיבverwendet wird. S. dazu Bacher, Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur (s. Anm. 4), I 88; II 91–94. 22 bBer 32b (Nr. 10). 23 Als rabbinische Gesprächspartner erscheinen die folgenden Tannaiten: in Nr. 1–6 R. Gamliël II (um 90), in Nr. 7 R. Jᵉhoschu‛a b. Qarcha (um 150), in Nr. 8 R. Eli‛ezer b. Hyrkanos (Ende 1. / Anfang 2. Jahrhundert) und in Nr. 9 R. El‛azar b. Schammua‛ (um 150). 24 Die übersetzten Texte stehen in Kursive, notwendige Erläuterungen hingegen in Normalschrift. 25 So ist, wie jeweils die anschließende Frage zeigt, hier und ebenso in Nr. 2 das Wort ַקּנָ א verstanden.
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3. b‛AZ 54b Ein Philosoph fragte den R. Gamliël: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifernder26 Gott‘ (Dtn 4,24). Warum eifert er gegen seine (sc. des Götzen) Anbeter und eifert er nicht gegen diesen selbst?“ 4. MidrTann zu Dtn 15,10 Ein Philosoph fragte den Rabban Gamliël. Er sagte zu ihm: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Du sollst ihm (sc. deinem armen Bruder) willig geben, und dein Herz soll nicht verdrießlich sein, wenn du ihm gibst‘ (Dtn 15,10). Gibt es denn etwa deiner Meinung nach einen Menschen, der seinen Besitz freigebig an andere austeilt, ohne daß sein Herz dabei von dem Gedanken beschwert wäre, daß er selbst von Menschen abhängig werden könnte?“27 5. ‛AZ 3,4 Proklos, der Sohn eines Philosophen,28 fragte den Rabban Gamliël in Akko, als dieser im Bad der Aphrodite badete, und sagte zu ihm: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Und nichts von dem, was mit dem Bann belegt ist, soll an deiner Hand haften bleiben‘ (Dtn 13,18). Warum badest du [dann] im Bad der Aphrodite?“ 6. bRH 17b Die Proselytin Beluria (= Valeria) fragte den Rabban Gamliël: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Der das Angesicht nicht erhebt‘29 (Dtn 10,17), und es steht geschrieben: ,Der Herr erhebe sein Angesicht hin zu dir‘ (Num 6,26).“ Die Proselytin formuliert die Einführungswendung so, als sei sie eine noch nicht zum Judentum konvertierte unwissende Nichtjüdin, und sie setzt voraus, daß das Syntagma „( נשׂא פניםdas Angesicht erheben“) an den beiden zitierten Schriftstellen die gleiche Bedeutung hat. Ihre Feststellung impliziert von daher die Frage, wie die beiden Aussagen miteinander zu vereinbaren sind. 7. LevR 4,6 zu 4,2 Ein Verehrer der Gestirne und Planeten (d. h. ein Heide) fragte den R. Jᵉhoschu‛a b. Qarcha: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Nach der Mehrheit soll man sich richten‘ (Ex 23,2a nach dem Midrasch30). Wir [Heiden] sind euch [Juden] gegenüber in der Mehrheit. Warum macht ihr euch [dann] nicht im Götzendienst mit uns gleich?“
Daß ַקּנָ אjetzt diese Bedeutung hat, ergibt sich auch hier aus der anschließenden Frage. D. Hoffmann, Midrasch Tannaïm, Berlin 1908/9, 84,1–3. 28 Zu lesen ist wahrscheinlich: „Proklos, der Philosoph“. 29 Der Sinn ist: „der nicht Partei ergreift“, „der nicht parteiisch ist“. 30 Der biblische Text selbst lautet: „Du sollst dich nicht einer Mehrheit zu Bösem anschließen.“ In seiner Antwort korrigiert R. Jᵉhoschu‛a b. Qarcha das Schriftzitat nicht, sondern er setzt den unzutreffenden Wortlaut voraus und geht von ihm aus. Der Midrasch unterstellt dem Heiden also nicht eine bewußte Verfälschung der Tora. 26 27
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8. b‛AZ 17a par. QohR 1 § 24 zu V. 8 Der Beleg gehört in den weiteren Kontext einer Erzählung über R. Eli‛ezer b. Hyrkanos31 und in den engeren Kontext eines halachisch-exegetischen Gesprächs zwischen diesem und einem Häretiker namens Jakob aus dem Dorf Kephar Sekhanja.32 Die beiden Fassungen der Erzählung (b‛AZ 16b.17a und QohR 1 § 24 zu V. 8) weichen des öfteren voneinander ab.33 Hinsichtlich der Worte Jakobs, die das halachisch-exegetische Gespräch eröffnen, besteht jedoch zwischen beiden Fassungen keine Differenz. Diese Worte lauten: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Du sollst nicht Hurenlohn [in das Haus des Herrn, deines Gottes,] bringen‘ (Dtn 23,19). Darf man davon einen Abort für den Hohenpriester anfertigen?“34 9. QohR 11 § 2 zu V. 1 R. El‛azar b. Schammua‛ hat einem Schiffbrüchigen, der sich ans Ufer retten konnte, durch die Gabe von Kleidung, Speise und Geld geholfen – dies im Unterschied zu anderen Juden, die dem Fremden jede Hilfe verweigert und ihm sogar Verwünschungen zugerufen hatten. Als der Gerettete später Kaiser wird, beschließt er, Rache an den hartherzigen Juden zu nehmen. Daraufhin begibt sich El‛azar zu ihm und bittet ihn um Erbarmen mit den Schuldigen. Er (der Kaiser) sagte zu ihm: „Steht wohl im Gesetz35 irgend etwas Unwahres geschrieben?“ Er (R. El‛azar) sagte zu ihm: „Nein.“ Er (der Kaiser) sagte zu ihm: „In eurer Tora steht geschrieben: ‚Nicht soll ein Ammoniter oder Moabiter in die Versammlung des Herrn kommen‘ (Dtn 23,4). […] Und es steht geschrieben: ‚Du sollst einen Edomiter nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder‘ (Dtn 23,8). Ich aber – bin ich nicht ein Nachkomme eures Bruders Esau, und ihr habt mir [dennoch] keine Gnade erwiesen? Der aber, der das Gesetz übertritt, ist des Todes schuldig.“ R. El‛azar b. Schammua‛ sagte zu ihm: „Obgleich sie an dir schuldig geworden sind, vergib ihnen und hab Erbarmen mit ihnen!“ 10. bBer 32b Eine Begebenheit mit einem Frommen: Als dieser einmal auf dem Weg betete, kam ein Befehlshaber vorüber und entbot ihm den Friedensgruß; er aber erwiderte ihm den Friedensgruß nicht. Jener wartete auf ihn, bis er sein Gebet beendet hatte. Nachdem er sein Gebet beendet hatte, sagte er zu ihm: „Du elender Wicht36, steht nicht in eurer Tora geschrieben: ‚Nur hüte dich und nimm dein Leben wohl in acht‘ (Dtn 4,9)? Und es steht [ferner] geschrieben: ,So nehmt euch wohl in acht um eures Lebens willen‘ (Dtn 4,15). Als ich dir den Friedensgruß entbot, warum hast du mir da den Friedensgruß nicht erwidert? 31 Zu dieser Erzählung verweise ich auf die minutiöse Analyse der Quellen bei J. Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung (EdF 82), Darmstadt 1978, 144–181. 32 Maier liest die Ortsangabe als „Kfar Siknaia“ (ebd., 148.164), und er legt überzeugend dar, daß die Texte keineswegs dazu zwingen, in Jakob einen Judenchristen zu sehen (ebd., 162–168). 33 S. dazu die Synopse bei Maier, ebd., 148–150. 34 Die Frage findet dadurch ihre Erklärung, daß der Hohepriester in der Woche vor dem Großen Versöhnungstag im Tempel übernachten mußte; s. Joma 1,1. 35 Hier und in den auf die Torazitate folgenden Worten des Herrschers steht der aramäische Begriff אורײתא, den ich mit „Gesetz“ wiedergebe. 36 = ריקא ῥακά Mt 5,22.
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Wenn ich dir deinen Kopf mit dem Schwert abgeschlagen hätte, wer hätte [dann] dein Blut von meiner Hand gefordert?37“ 11. KlglR 1 § 53 zu V. 16 Im Unterschied zu den Belegen Nr. 1–10 ist in dem zuletzt zu nennenden Text der Hinweis auf ein Gebot der Tora nicht mit einer Frage verbunden, sondern er dient dazu, eine bestimmte Entscheidung zu begründen. Dem Kontext liegt traditionsgeschichtlich der Bericht 2 Makk 7,1–41 zugrunde: die Erzählung von dem Märtyrertod der sieben Brüder und ihrer Mutter unter Antiochus IV.38 Der Midrasch identifiziert die Mutter allerdings mit Mirjam, der Frau des Jᵉhoschu‛a b. Gamala, der von ca. 63 bis 65 n. Chr. Hoherpriester am Tempel zu Jerusalem war. Der heidnische „Kaiser“, von dem jetzt die Rede ist, muß deshalb Vespasian sein. Er hat – so hören wir – bereits sechs Söhne Mirjams hinrichten lassen, weil sie mit dem Hinweis auf Gebote der Tora seinem Bild die Proskynese und damit ihm selbst die kultische Verehrung verweigern. Aus dem gleichen Grund wird zuletzt auch der jüngste Sohn zum Tode verurteilt. Die Bitte der Mutter, zuerst sie selbst und danach erst ihr Kind töten zu lassen, lehnt der Kaiser ab, und zwar mit der Begründung: „Denn in eurer Tora steht geschrieben: ‚Ein Rind oder Schaf und ihr Junges dürft ihr nicht am selben Tag schlachten‘ (Lev 22,28).“ Die Zitateinleitung „in eurer Tora steht geschrieben“ ist als Echo auf die Worte gestaltet, mit denen zuvor die sieben Söhne ihren Hinweis auf Gebote der Tora eingeleitet haben: „in der Tora steht geschrieben“39 bzw. „in unserer Tora steht geschrieben“40.
Den elf mitgeteilten rabbinischen Texten ist gemeinsam, daß die in ihnen zitierten Schriftworte sämtlich dem Pentateuch entnommen sind. Mit dem Ausdruck „eure Tora“ ist deshalb entweder dieser selbst41 oder aber im engeren Sinn die Tora vom Sinai42 gemeint. Was bei den Belegen Nr. 1–10 die jeweils auf das Zitat bzw. auf die Zitate bezogene Frage betrifft, so geht es um das genauere Verständnis des Schriftwortes oder um die Plausibilität des in ihm Gesagten (Nr. 1 – Nr. 4, Nr. 6), um den Hinweis auf ein Verhalten, das mit dem Schriftwort unvereinbar ist oder in seinem Licht als unverantwortlich erwiesen wird (Nr. 5, Nr. 9, Nr. 10), um die aus dem Schriftwort zu ziehende Konsequenz (Nr. 7) sowie um die Eröffnung einer durch das Schriftwort provozierten halachischexegetischen Diskussion (Nr. 8). Für keinen einzigen der Belege Nr. 1–10 läßt sich mit Grund behaupten, daß die Frage eine innere Distanz zur Tora erkennen 37 D. h.:
hätte ich das dann nicht mit Recht getan? S. zu diesem Bericht A. B. Schneider, Jüdisches Erbe in christlicher Tradition. Eine kanongeschichtliche Untersuchung zur Bedeutung und Rezeption der Makkabäerbücher in der Alten Kirche des Ostens, Diss. theol. Heidelberg 2000, 44–48. 39 So nach Midrasch Rabba, Jerusalem 1960, V 35 f. der zweite bis sechste Sohn (für die Wiederholung der Einleitung steht z. T. )פסוקיהund nach S. Buber, Midrasch Echa rabbati, Wilna 1899 = Hildesheim 1967, 84 die sechs älteren Söhne. 40 So nach Midrasch Rabba, ebd., der erste sowie zweimal der siebte Sohn. 41 So m. E. Nr. 6 und möglicherweise auch Nr. 1–3. Zu תורהals Bezeichnung des Pentateuch s. Bacher, Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur (s. Anm. 4); I 197; II 229. 42 So m. E. mit Sicherheit Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 7–11. 38
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lasse oder daß sie gar Ausdruck der Verachtung und Verhöhnung der Tora sei.43 Nicht anders ist im Blick auf den Beleg Nr. 11 zu urteilen. In ihm dürfte es sich bei dem Hinweis auf Lev 22,28 zwar um eine zutiefst boshafte und sophistische Argumentation handeln, doch folgt daraus keineswegs, daß der Midrasch die dabei zweifellos bestehende Geringschätzung und Verachtung der Tora mit der Wendung „in eurer Tora“ als solcher zum Ausdruck gebracht sehen will. Wenn der Erzähler die jüdischen Märtyrer „die Tora“ oder „unsere Tora“ und den heidnischen Herrscher „eure Tora“ sagen läßt, so zeigt sich darin die Realität der Trennung, die in religiöser Hinsicht zwischen Juden, die sich in der gehorsamen Bindung an die Tora zu der Einzigkeit des Gottes Israels bekennen, und Heiden, die eben das nicht tun, besteht.44 Der von den elf Belegen gebotene Befund wird durch die drei weiteren in Anm. 20 genannten rabbinischen Texte bestätigt, in denen ebenfalls der Ausdruck „eure Tora“ begegnet. Nach Pesiq 2,4 par. GenR 68,4 zu 28,10 / LevR 8,1 zu 6,18 erklärt eine vornehme Römerin vor R. Jose b. Chalaphta (Tannait um 150): „Eure Tora ist wahr, schön und vortrefflich.“45 Wenn die Heilige Schrift Israels hier „eure Tora“ genannt wird, so hat das seinen Grund ausschließlich darin, daß die Redende keine Jüdin ist. Die beiden anderen rabbinischen Texte – jSoṭa VII 21c,34 f. par. bSoṭa 33b und bSanh 90b – nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als in ihnen der Ausdruck „eure Tora“ nicht im Munde eines Heiden oder einer Heidin erscheint, sondern in Worten, die ein jüdischer Schriftgelehrter46 an samaritanische Schriftgelehrte richtet. In beiden Fällen geht es um den Pentateuch in der Ausgabe der Samaritaner, und zwar jeweils um eine Schriftstelle, an der die samaritanische Fassung von der jüdischen abweicht und dies erhebliche theologische Kontroversen zur Folge hat.47 Der gegenüber den Samaritanern erhobene Vorwurf lautet jeweils: „Ihr habt eure Tora ()תורתכם gefälscht.“48 Die Worte „eure Tora“ sind hier durch den religiösen Gegensatz veranlaßt, der das Verhältnis zwischen Juden und Samaritanern entscheidend 43 Das gilt auch für die Frage, die in b‛AZ 17a par. QohR 1 § 24 zu V. 8 (Nr. 8) zu der ToraBestimmung von Dtn 23,19 gestellt wird. Diese ist im Rahmen einer halachisch-exegetischen Diskussion keineswegs anstößig; vgl. Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung (s. Anm. 31), 168 f. 44 Für die Wendung „in unserer Tora steht geschrieben“ habe ich mir außer den Belegen in KlglR 1 § 53 zu V. 16 notiert: MekhSchEx zu 21,13 (J. N. Epstein / E. Z. Melamed, Mekhilta de Rabbi Schim‛on b. Jochaj, Jerusalem 1955, 170,4). 45 תורהdürfte hier Bezeichnung für die Schrift Israels in ihrer Gesamtheit sein. 46 R. El‛azar b. Schim‛on bzw. R. El‛azar b. Jose (beide Tannaiten um 180). 47 jSoṭa VII 21c,34 f. par. bSoṭa 33b: Dtn 11,30; bSanh 90b: Dtn 11,9. Zu den beiden Kontroversen s. P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch I, München 1922 = ²1956, 549–551 („Garizim u. Jerusalem“) und 551 f. („Die Samaritaner als Leugner des Auferstehungsglaubens“). 48 In jSoṭa VII 21c,34 f. folgt darauf als ausdrückliche Begründung: „Ihr habt in eurer Tora schreiben lassen ()הכתבתם בתורתכם: […]“ Vielleicht ist statt „( הכתבתםihr habt schreiben lassen“) mit SifreDtn § 56 zu 11,30 zu lesen: „( כתבתםihr habt geschrieben“).
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bestimmt. Sie implizieren dagegen kein negatives Urteil über den von den Samaritanern allein als Heilige Schrift anerkannten Pentateuch selbst und als solchen.49 Als Ergebnis unserer Betrachtung der rabbinischen Texte kann an dieser Stelle festgehalten werden: Wenn Heiden Juden gegenüber von „eurer Tora“ sprechen, so liegt darin weder ein bewußt distanziertes noch auch ein kritisches oder sogar betont negatives Urteil über die Sinai-Tora, den Pentateuch oder die Heilige Schrift Israels als ganze.50 In einer anderen Hinsicht allerdings ist die Rede von „eurer Tora“ sehr wohl Ausdruck einer Distanz: Sie ist dadurch veranlaßt und darin begründet, daß die Fragenden nicht zu der Gemeinde des Gottesvolkes Israel gehören,51 und sie dokumentiert mithin die mit diesem Tatbestand gegebene religiöse Trennung.
III Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, was der Blick auf das rabbinische Material für die Exegese von Joh 8,17; 10,34; 15,25 austrägt, so ist zu sagen: Dieses Material spricht als Bestätigung für eine Interpretation, die nach meinem Urteil bereits durch das Gesamtzeugnis des Johannesevangeliums selbst nahegelegt wird. Zwei Sätze können dazu formuliert werden: 1. Die Rede von „eurer Tora“ bzw. „ihrer Tora“ ist nicht Ausdruck einer Distanzierung des Evangelisten und der johanneischen Gemeinde von der Sinai-Tora und auch nicht einer solchen von der Heiligen Schrift Israels insgesamt.52 2. Die Rede von „eurer Tora“ bzw. „ihrer Tora“ ist Ausdruck jener Distanz, die Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. zwischen dem Evangelisten samt seiner Gemeinde und der in ihrem Umkreis lebenden Synagogengemeinde besteht. Die beiden Sätze sind jetzt noch in der gebotenen Kürze zu begründen. 1. Gegen eine Ablehnung des Alten Testaments oder zumindest der Sinai-Tora durch den Evangelisten und seine Gemeinde sprechen in aller Klarheit theologisch gewichtige Aussagen des Vierten Evangeliums. In 5,39 wird ausdrücklich und in einer grundsätzlichen Feststellung erklärt, daß die Schrift (αἱ γραφαί) Zeugnis von Jesus ist (ἐκεῖναί εἰσιν αἱ μαρτυροῦσαι περὶ ἐμοῦ).53 Der damit be49 In der in SifreDtn § 56 zu 11,30 gebotenen Parallelüberlieferung zu jSoṭa VII 21c,34 f. / bSoṭa 33b steht der jüdische Vorwurf ohne das Pronomen der 2. Person Plural: „Ihr habt die Tora ( )את התורהgefälscht“. 50 Nicht anders ist im Blick auf Arist 38 zu urteilen, wenn König Ptolemaios in seinem Schreiben an den Hohenpriester Eleazar den Pentateuch als ὁ νόμος ὑμῶν („euer Gesetz“) bezeichnet. 51 Zu Nr. 6 sei nochmals daran erinnert, daß die Einführungswendung dort von dem Standpunkt einer fragenden Heidin aus formuliert ist. 52 Theobald, Das Evangelium nach Johannes (s. Anm. 7), 572 bemerkt zu der Einführungswendung von 8,17 mit Recht: „Als Beleg dafür, dass die johanneischen Gemeinden das Alte Testament abgestoßen hätten, eignet sie sich keinesfalls.“ 53 Der im Johannesevangelium nur in 5,39 begegnende Plural αἱ γραφαί hat wie an anderen
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hauptete Sachverhalt kommt im Evangelium selbst mehrfach zur Sprache: In der Schrift steht von Jesus als dem Heilsbringer Gottes (ὁ χριστός) geschrieben,54 in ihr hat Mose von ihm geschrieben.55 In der Schrift wird prophetisch die in Jesus beschlossene unerschöpfliche Fülle des eschatologischen Heils angekündigt56 sowie typologisch auf seinen Kreuzestod und dessen Heilsbedeutung hingewiesen57. Was sich in Jesu Weg und Geschick wie auch in der Reaktion der Menschen auf ihn und sein Wort ereignet, ist dementsprechend Erfüllung der Schrift58 bzw. eines bestimmten Schriftworts59. Wo in dieser Weise von der Schrift Israels geredet wird, da muß eine grundsätzliche Distanzierung von ihr als ausgeschlossen gelten. Was speziell die Sinai-Tora anlangt, so läßt sich im Evangelium nirgends ein prinzipielles Nein zu ihr wahrnehmen. Daß der Hinweis auf die Tora in 7,19 (οὐ Μωϋσῆς δέδωκεν ὑμῖν τὸν νόμον;) und in 7,23 (ἵνα μὴ λυθῇ ὁ νόμος Μωϋσέως) ironisch gemeint sei, wird durch nichts nahegelegt, ja, der Satz 7,19 mit seiner Anklage (οὐδεὶς ἐξ ὑμῶν ποιεῖ τὸν νόμον) und seinem Hinweis auf die Kreuzigung Jesu (τί με ζητεῖτε ἀποκτεῖναι;) verlöre bei einem ironischen Unterton seinen Ernst und sein Gewicht. Würden die Tora oder die Schrift als ganze abgelehnt, so wäre es auch widersinnig, jüdischen Gegnern gegenüber mit beiden zu argumentieren. Nur unter der Prämisse, daß die Schrift in Geltung steht (οὐ δύναται λυθῆναι ἡ γραφή 10,35b), kann in 10,34 f. das zuvor zitierte Schriftwort (Ps 82[81],6a) als Argument dafür herangezogen werden, daß Jesus sich zu Recht den „Sohn Gottes“ nennt und daß dies im Sinn der Aussage von 10,30 gemeint ist. Entsprechend setzt in 8,17 f. die Argumentation mit einem Rechtssatz der Sinai-Tora deren Gültigkeit voraus. Nicht daß die Ἰουδαῖοι die Schrift haben, lesen und erforschen, wird ihnen von dem Vierten Evangelisten neutestamentlichen Stellen (z. B. Mt 22,29; Mk 12,24; Röm 15,4; 1 Kor 15,3 f.) die Bedeutung „die Heilige Schrift“. Zu dem entsprechenden rabbinischen Gebrauch von הכתוביםs. Bacher, Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur (s. Anm. 4), I 92. 54 Joh 1,45b (vgl. 1,41b.49b). „Mose im Gesetz und die Propheten“ 1,45b ist Umschreibung der ganzen Heiligen Schrift (vgl. Mt 5,17; 7,12; 11,13; 22,40; Lk 16,16.29.31; 24,27; Apg 26,22; 28,23; Röm 3,21). 55 Joh 5,46b. Gedacht ist, wie sich aus 8,56 bzw. 19,36 ergibt, an Gen 15,9–21 und an Ex 12,10.46 LXX (s. auch Num 9,12). Im Hintergrund von 8,56 steht eine haggadische Deutung von Gen 15,9–21: Abraham sah die Eschata (vgl. 4 Esr 3,14; Billerbeck I 468; II 525 f.); für den Evangelisten betrifft das insbesondere den „Tag“ Jesu. 56 Joh 7,37b–39: Die Verse nehmen Bezug auf die Verheißung des aus dem Tempel strömenden Lebenswassers Ez 47,1–12; Joel 4,18b; Sach 13,1; 14,8. Der Evangelist deutet das Lebenswasser auf die Heilsgabe, die Jesus als der wahre „Ort“ der praesentia Dei (Joh 1,51) denen gewährt, die an ihn glauben. Zu 7,37b.38 vgl. das oben in Anm. 1 Gesagte. 57 Joh 3,14. 58 Joh 17,12; 19,28; 20,9. An diesen Stellen – und ebenso in 7,38.42; 10,35 – heißt ἡ γραφή „die Schrift“. Zu 19,28 ist anzumerken, daß ἵνα τελειωθῇ ἡ γραφή mit εἰδὼς ὁ Ἰησοῦς ὅτι ἤδη πάντα τετέλεσται zu verbinden ist, nicht dagegen mit λέγει. 59 Joh 2,17.22; 6,45; 12,14–16.37–41; 13,18; 15,25; 19,23 f.36 f. In Joh 2,22 (Bezugnahme auf 2,17!); 13,18; 19,24.36 f. heißt ἡ γραφή „das Schriftwort“; das Nomen entspricht hier also dem Ausdruck ὁ λόγος ὁ γεγραμμένος 15,25.
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zum Vorwurf gemacht, sondern lediglich dies, daß sie nicht wirklich auf das Zeugnis der Schrift hören, sich ihm vielmehr verschließen.60 Für die Zitateinführungen in 8,17 und in 10,34 ergibt sich aus dem allen: Sie sind ebensowenig Ausdruck eines negativen Urteils über die Tora bzw. über die Schrift als ganze, wie das in den vergleichbaren rabbinischen Wendungen der Fall ist. Was die johanneische Gemeinde von dem jüdischen Gegenüber unterscheidet, ist nicht die Frage der Akzeptanz von Schrift und Sinai-Tora, sondern die Frage ihres angemessenen Verständnisses. In dieser Hinsicht ist allerdings festzustellen, daß die Tora bzw. die Schrift von dem Evangelisten grundsätzlich anders gesehen sind als im Judentum, und zwar deshalb, weil sie dezidiert im Licht des johanneischen Christuszeugnisses und also von Christus her auf Christus hin gelesen werden. Aus der hermeneutischen Differenz ergeben sich für den Evangelisten in der Tat gravierende Folgerungen: Mose und der durch ihn gegebenen Tora vom Sinai eignet keine Heilsrelevanz, weil Gottes Heil – „die Gnade und Wahrheit“ – exklusiv in Jesus Christus beschlossen liegt (1,17 f.).61 Nicht in der Schrift selbst ist das „ewige Leben“ zu finden, sondern einzig und allein in dem Einen, von dem die Schrift Zeugnis gibt und zu dem sie hinführen soll (Joh 5,39 f.). In dieser Überzeugung ist es dann auch begründet, daß der Evangelist prophetische Heilsverheißungen auf Christus bezieht62 und in bestimmten Texten der Schrift nicht wahre Heilsgewährung und Heilsteilhabe bezeugt findet63. 2. Wenn die Rede von „eurer Tora“ bzw. „ihrer Tora“ nicht Ausdruck der Distanz zur Schrift oder zur Sinai-Tora ist, dann bleibt zu fragen, ob eine andere Erklärung für diese auffallende Rede gegeben werden kann. Die bereits erwähnten Antworten Odebergs und Schlatters64 entbehren jeder Plausibilität, weil im Kontext der drei johanneischen Texte nirgends das Verhältnis zwischen Jesus und dem νόμος Gegenstand der Erörterung ist. Gegen die These, daß die Einführungswendungen die Ἰουδαῖοι bei dem Zeugnis ihrer eigenen Heiligen Schrift behaften sollen, spricht der Tatbestand, daß diese Erklärung für 15,25 schlechterdings nicht zutrifft,65 für die drei johanneischen Einführungswendungen jedoch die gleiche Erklärung gefordert ist. Anzusetzen ist deshalb bei dem exegetischen Befund, daß sich auf der vorösterlichen Erzählebene die mit 60 Joh
5,37–40.45–47. Zu Joh 1,17 f. s. O. Hofius, „Der in des Vaters Schoß ist“ Joh 1,18, in: O. Hofius / H.-Chr. Kammler, Johannesstudien. Untersuchungen zur Theologie des vierten Evangeliums (WUNT 88), Tübingen 1996, 24–32. 62 S.o. Anm. 56. 63 Joh 6,30–35 (V. 32bα!); 6,41–51 (V. 49!). 64 Odeberg: oben Anm. 16, Schlatter: oben bei Anm. 14. 65 Anders Thyen, Das Johannesevangelium (s. Anm. 2), 653. Die Aussage von Joh 15,25 richtet sich keineswegs indirekt an die Ἰουδαῖοι, um diese auf die Grundlosigkeit ihres Hasses hinzuweisen. Sie ist vielmehr wie die anderen auf die Passion Jesu bezogenen Erfüllungsaussagen (13,18; 17,12; 19,24.36 f.) an die Jünger und damit an die christliche Gemeinde adressiert und soll aufzeigen, daß Jesus nach dem bereits in der Schrift bezeugten Willen Gottes leiden und sterben mußte. 61
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ὁ νόμος verbundenen Pronomina auf Gegner Jesu beziehen: auf „die Pharisäer“ (8,17) bzw. auf die Ἰουδαῖοι (10,34; 15,25). Sie aber repräsentieren hinsichtlich der nachösterlichen Wirklichkeitsebene, die der Evangelist vor Augen hat, jene Synagogengemeinde, der sich die johanneische Gemeinde ganz unmittelbar konfrontiert sieht. Diese reagiert nach dem Ausweis des Evangeliums auf das johanneische Christuszeugnis mit entschiedener Ablehnung;66 sie hält es für blasphemisch67 und schließt diejenigen Juden, die an Jesus glauben und ihn als den χριστός bekennen, aus ihrer Gemeinschaft aus.68 Gute Gründe sprechen dafür, daß sich in der Rede von „eurer Tora“ und „ihrer Tora“ die damit gegebene Situation widerspiegelt. Das heißt: Man wird im Blick auf diese Rede nicht pauschal und undifferenziert von der „Kluft“ sprechen dürfen, „die sich zwischen Synagoge und Kirche aufgetan hatte“;69 denn die Zitateinführungen von Joh 8,17; 10,34; 15,25 sind kein hinreichendes Indiz dafür, daß es bereits Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. überall da zu einer scharfen Trennung gekommen ist, wo Juden durch die Verkündigung des Evangeliums zum Glauben an Jesus Christus geführt worden sind. Dagegen sind die Zitateinführungen sehr wohl ein deutlicher Ausdruck dafür, daß im Bereich der johanneischen Gemeinde zwischen ihr und der Synagogengemeinde keine Gemeinschaft besteht.70 Finden die Zitateinführungen damit eine plausible Erklärung, so besteht eine volle Entsprechung zu jenem Befund, der in den rabbinischen Texten zu verzeichnen war. Auch wenn in diesen Texten im Unterschied zum Johannesevangelium ausschließlich Worte der Sinai-Tora zitiert werden und es nirgends um das Problem eines durch das Schriftzeugnis legitimierten Hoheitsanspruchs oder um den Gedanken einer Erfüllung der Schrift geht, so ist auch dort die Rede von „eurer Tora“ Ausdruck einer religiös begründeten und von den Repräsentanten beider Seiten vorausgesetzten Trennung.71 66 Joh
5,38.44.46 f.; 6,36; 8,45–47; 10,25 f.; 12,37–41. Das spiegelt sich in Joh 5,17 f.; 8,48–59; 10,31–39; 19,7 wider. 68 Joh 9,22b; 12,42; 16,2a (vgl. auch 9,34). Zu dem an diesen Stellen erwähnten Synagogenausschluß s. Theobald, Das Evangelium nach Johannes (s. Anm. 7), 647–649. 69 So die Formulierung bei Barrett, Das Evangelium nach Johannes (s. Anm. 12), 344. 70 Die gegenteilige Ansicht vertritt Augenstein, „Euer Gesetz“ (s. Anm. 11), 313: „Die Pronomina, durch die νόμος im Munde Jesu näher qualifiziert wird, zeigen […] die Nähe des Johannesevangeliums zur jüdischen Tradition und sagen nichts aus über die Haltung zum Judentum in der Entstehungszeit des Evangeliums.“ Grundlage für dieses Urteil ist die ebd., 312 f. vorgetragene These, daß bestimmte Wendungen, die im Deuteronomium und im Josuabuch in den an das Volk gerichteten Reden des Mose und des Josua begegnen (z. B. „euer Gott“, „eure Väter“, „das Land, das Gott euch gegeben hat“), eine „Analogie“ zu der johanneischen Rede von „eurem Gesetz“ bilden. Im Unterschied etwa zu Wengst, Das Johannesevangelium I (s. Anm. 11), 328 vermag ich nicht zu erkennen, daß wir es hier tatsächlich mit analogen Phänomenen zu tun haben. 71 Ebenso dürfte es zu erklären sein, daß der Evangelist Ausdrücke wie τὸ πάσχα τῶν Ἰου δαίων (2,13; 11,55; vgl. 6,4), ἡ ἑορτὴ τῶν Ἰουδαίων (5,1; 6,4; 7,2) und ἡ παρασκευὴ τῶν Ἰουδαίων (19,42) sowie ἄρχων τῶν Ἰουδαίων 3,1 [diff. ὁ διδάσκαλος τοῦ Ἰσραήλ 3,10]) verwendet. 67
Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu Joh 13,1–11 als narratives Christuszeugnis* Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu Joh 13,1–11 gehört zu den besonders schwierigen Abschnitten des Vierten Evangeliums. Sie hat dementsprechend in der Exegese recht unterschiedliche Deutungen erfahren1 und nicht zuletzt zu mancherlei literarkritischen Operationen Anlaß gegeben2. Wenn die umstrittene Erzählung im Folgenden erneut bedacht werden soll, so gilt das Interesse ausschließlich dem Text in seiner im Evangelium vorliegenden Gestalt.3 Ich möchte zeigen, daß dieser sich durchaus als ein kohärenter und theologisch stimmiger Aussagezusammenhang begreifen läßt und daß von daher dann auch die Jüngerbelehrung Joh 13,12–17 eine angemessene Interpretation findet.4 * Wilfrid Werbeck zum 80. Geburtstag. 1 Zur Literatur s. G. Richter, Die Fußwaschung im Johannesevangelium. Geschichte ihrer Deutung (BU 1), Regensburg 1967 sowie die bibliographischen Angaben in den Kommentaren von R. E. Brown, The Gospel According to John (XIII–XXI) (AncB 29A), Garden City, NY 1970; E. Haenchen, Das Johannesevangelium. Ein Kommentar (hg. v. U. Busse), Tübingen 1980; G. R. Beasley-Murray, John (WBC 36), Waco, TX 1987; J. Becker, Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 11–21 (ÖTBK 4/2), Gütersloh bzw. Würzburg ³1991; U. Schnelle, Das Evangelium nach Johannes (ThHK 4), Leipzig ³2004. Außerdem notiere ich: L. Abramowski, Die Geschichte von der Fußwaschung (Joh 13), ZThK 102 (2005) 176–203; Dies., Der Apostel von Johannes 13,16, ZNW 99 (2008) 116–123. – Die Kommentare zum Johannesevangelium werden im Folgenden bei erneuter Erwähnung nur mit dem Namen ihrer Verfasser angeführt. 2 S. dazu nur: J. Wellhausen, Das Evangelium Johannis, Berlin 1908, 59 f.; R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (KEK 2), Göttingen ¹⁴1956, 351–365; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium III: Kommentar zu Kap. 13–21 (HThK IV/3), Freiburg – Basel – Wien 1975 (⁶1992), 7–15; Becker (s. Anm. 1), 497–511; Schnelle (s. Anm. 1), 237. 3 Fragen wie die, ob der Erzählung Joh 13,1–11 eine ältere Tradition zugrunde liegt, ob ein Zusammenhang mit Lk 22,27 (Mk 10,45; Mt 20,28) besteht und ob ein historischer Kern angenommen werden darf, bleiben außer Betracht; denn über bloße Vermutungen kommt die Exegese hier nicht hinaus. 4 Die meisten Exegeten beurteilen die Verse 13,12–20 als eine zusammengehörige Einheit. Im Unterschied dazu sehe ich zwischen V. 17 und V. 18 eine deutliche Zäsur gegeben (so neben Nestle / Aland, Novum Testamentum Graece²⁷ z. B. auch D. A. Carson, The Gospel According to John, Leicester bzw. Grand Rapids, MI 1991, 458; H. Thyen, Das Johannesevangelium [HNT 6], Tübingen 2005, 586.594). Die Worte οὐ περὶ πάντων ὑμῶν λέγω V. 18 nehmen zwar die am Ende des V. 10 stehende Einschränkung ἀλλ’ οὐχὶ πάντες auf, gleichwohl beginnt mit ihnen ein neuer Aussagezusammenhang, der bis V. 30 reicht. Die Abgrenzung der einzelnen Abschnitte wird im Text jeweils durch das Stilmittel der Inclusio angezeigt. Die Verse 13,1–30 insgesamt, die das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern zum Thema haben, sind dadurch als übergreifende Einheit gekennzeichnet, daß in V. 2 und in V. 27a gesagt wird, daß Judas in seinem Tun vom διάβολος bzw. σατανᾶς bestimmt ist. Die Untergliederung markieren dann die folgenden Inklusionen: a) V. 1–11: die Erwähnung der „Auslieferung“ durch Judas in V. 2 (ἵνα
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I Die Auslegung der Verse Joh 13,1–11 hängt wesentlich davon ab, wie man den literarischen Charakter dieses Textes beurteilt. Nach meiner Überzeugung haben wir in ihm eine „symbolische Erzählung“ zu erkennen, „in der sich ein bestimmtes Verständnis Jesu und seines Todes verdichtet“.5 Das bedeutet: Die in dem Text geschilderte Fußwaschung ist eine Vorausdarstellung des in seiner Heilsbedeutung bedachten Kreuzestodes Jesu, und die durch die Fußwaschung bewirkte Reinigung bildet dementsprechend die Wirkung dieses Todes ab – nämlich die Reinigung von der Sünde und die damit verbundene Gewährung des ewigen Lebens.6 Daß die Verse Joh 13,1–11 in diesem christologisch-soteriologischen Sinn verstanden sein wollen, ergibt sich aus einigen Textaussagen, die als Leseanweisungen des Evangelisten angesehen werden können. Zu nennen ist hier sogleich der Satz Joh 13,1: πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα εἰδὼς ὁ Ἰησοῦς ὅτι ἦλθεν αὐτοῦ ἡ ὥρα ἵνα μεταβῇ ἐκ τοῦ κόσμου τούτου πρὸς τὸν πατέρα, ἀγαπήσας τοὺς ἰδίους τοὺς ἐν τῷ κόσμῳ εἰς τέλος ἠγάπησεν αὐτούς.7 Diese Worte bilden sowohl das Vorzeichen zu dem gesamten Komplex Joh 13,1–19,42 wie auch die Einleitung der Fußwaschungserzählung. Was ihre grammatische Analyse anlangt, so gibt sogleich die Zeitbestimmung πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα zu der Frage Anlaß, ob sie zu dem den Nebensatz einleitenden Partizip εἰδώς8 oder zu ἠγάπησεν als dem Prädikat des Hauptsatzes9 gehört. Der Vergleich mit Joh 19,28 (μετὰ τοῦτο εἰδὼς ὁ Ἰησοῦς ὅτι […], λέγει), wo die Zeitangabe μετὰ τοῦτο ohne Zweifel mit dem Prädikat des Hauptsatzes (λέγει) παραδοῖ αὐτόν) und V. 11 (ᾔδει γὰρ τὸν παραδιδόντα αὐτόν); b) V. 12–17: die Rede vom Verstehen bzw. Wissen in V. 12 (γινώσκετε τί πεποίηκα ὑμῖν;) und V. 17 (εἰ ταῦτα οἴδατε, μακάριοί ἐστε ἐὰν ποιῆτε αὐτά); c) V. 18–30: der Hinweis auf die Mahlgemeinschaft in V. 18 (ὁ τρώγων μου τὸν ἄρτον) und V. 30 (λαβὼν οὖν τὸ ψωμίον [vgl. V. 25 f.]). 5 So treffend J. Blank, Das Evangelium nach Johannes II (GSL.NT 4/2), Düsseldorf 1977, 36 (vgl. die Auslegung ebd., 36–39). Vgl. auch C. K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes (KEK.S), Göttingen 1990, 429, der Joh 13,1–11 als eine „symbolische Erzählung“ bezeichnet, „die die Kreuzigung selbst im voraus abbildet“. 6 Die Beziehung der in Joh 13,1–11 geschilderten Fußwaschung zum Kreuzesgeschehen wird – bei unterschiedlicher Akzentsetzung im einzelnen – von nicht wenigen Auslegern herausgestellt. S. dazu etwa Schnackenburg (s. Anm. 2), 17.19.21; J. Gnilka, Johannesevangelium (NEB.NT 4), Würzburg ²1985, 106 f.; Chr. Dietzfelbinger, Das Evangelium nach Johannes II: Johannes 13–21 (ZBK.NT 4.2), Zürich 2001 (²2004), 12 f.; Schnelle (s. Anm. 1), 235–241. 7 Die neueren Ausgaben des griechischen Neuen Testaments (Nestle / Aland²⁷, Greek New Testament⁴) schließen den Vers 13,1 zu Recht mit einem Punkt ab. Dagegen erblicken etwa Becker (s. Anm. 1), 500 und Dietzfelbinger (s. Anm. 6), 10 in den Versen 1–4 eine einzige Periode. 8 So – die Mehrheit der Ausleger repräsentierend – z. B. Th. Zahn, Das Evangelium des Johannes (KNT 4), Leipzig – Erlangen ⁵.⁶1921 = Wuppertal 1983, 531; W. Bauer, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen ³1933, 167; Bultmann (s. Anm. 2), 352; Schnackenburg (s. Anm. 2), 16 und sehr bestimmt J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen ⁴1967, 74 (die Zeitangabe „gehört eindeutig zu εἰδώς“). 9 So z. B. Brown (s. Anm. 1), 548 f.; Haenchen (s. Anm. 1), 451.
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zu verbinden ist, spricht ganz entschieden für das letztere.10 Ein weiteres syntaktisches Problem ist mit der Frage gegeben, in welchem logischen Verhältnis das Partizip ἀγαπήσας zu dem übergeordneten Prädikatsverb ἠγάπησεν und damit zum Satzganzen steht. In der Literatur finden sich dazu drei verschiedene Antworten, die durch entsprechende Übersetzungen des Partizips dokumentiert werden: „wie er geliebt hatte“11, „da er geliebt hatte“12, „da er liebte“13. Diese Übersetzungen sind sprachlich unanfechtbar. Nach meinem Urteil legt sich jedoch eine anderes Verständnis des Partizips ἀγαπήσας nahe14 – nämlich ein solches im Sinne der folgenden grammatikalischen Notiz: „Ein eigentümlicher, aber echt griechischer Gebrauch der Partizipien besteht darin, dass neben dem Prädikate ein Partizip desselben Stammes und gleicher Bedeutung steht.“15 Nimmt man den hier angesprochenen Sprachgebrauch auch für Joh 13,1 an, so besagt die Verbindung von Partizip (ἀγαπήσας) und übergeordnetem Prädikatsverb (ἠγάπησεν) mit besonderer Betonung nur das eine, daß Jesus die Seinen „liebte“. Bei diesem Verständnis läßt sich dann der Sinn des adverbialen Ausdrucks εἰς τέλος eindeutig bestimmen.16 Die Bibelausgaben und Kommentare geben die Wendung zumeist mit „bis ans Ende“ / „bis zum Ende“17 oder mit „bis zur Vollendung“ wieder, und nicht selten wird geurteilt, daß an unserer Stelle beide Bedeutungen miteinander verbunden sind.18 Heißt ἀγαπήσας […] ἠγάπησεν einfach „er liebte“, dann kann für εἰς τέλος mit guten Gründen die Bedeutung „aufs äußerste“ / „bis zum äußersten“ angenommen werden.19 Für 10 Hinter πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα setzen deshalb die Ausgaben des Textus receptus mit Recht ein Komma; s. Th. Beza, Testamentum Novum, Genf ⁴1588, I 396; J. J. Wettstein, Novum Testamentum Graecum I, Amsterdam 1752 = 1962, 927. 11 So – mit der Luther-Bibel und der Zürcher Bibel – z. B. Thyen (s. Anm. 4), 583. 12 So bereits die Vulgata (cum dilexisset) und dann etwa die Elberfelder Bibel; ähnlich auch freiere Übersetzungen wie „er, der geliebt hatte“ (so z. B. S. Schulz, Das Evangelium nach Johannes [NTD 4], Göttingen ¹(¹²)1972, 170). 13 So z. B. Schnackenburg (s. Anm. 2), 15; Becker (s. Anm. 1), 495; Schnelle (s. Anm. 1), 234. Hierher gehört auch die freiere Wiedergabe durch „er, der liebte“ (so etwa U. Wilckens, Das Evangelium nach Johannes [NTD 4], Göttingen ²(¹⁸)2000, 204 f.). 14 Anders noch O. Hofius, Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 33. 15 R. Kühner / B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II: Satzlehre, Bd. 2, Hannover – Leipzig ³1904 = Hannover 1976, 99 f. (§ 490,3): 99 (Hervorhebungen dort); vgl. auch E. Schwyzer / A. Debrunner, Griechische Grammatik II: Syntax und syntaktische Stilistik, München ⁴1975, 388 („paronomastische Partizipien“). Als Beispiel sei notiert: Platon, Leg 803b: ἴσως μέντ’ ἄν τίς μοι τοῦτ’ αὐτὸ ὑπολαβὼν ὀρθῶς ὑπολάβοι „vermutlich könnte mir jemand eben das mit Recht entgegenhalten“. 16 Zu den unterschiedlichen Bedeutungsmöglichkeiten s. Bauer / A land, Wörterbuch⁶, 1618 f. s. v. τέλος 1.d.γ. 17 Dafür auch: „bis zum letzten Augenblick“; so z. B. H. Menge, Das Neue Testament, Stuttgart ¹¹1949, 166; Barrett (s. Anm. 5), 431. 18 So etwa Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 461 s. v. εἰς 3; Schnelle (s. Anm. 1), 235; Thyen (s. Anm. 4), 585. 19 S. zu dieser Bedeutung Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 1618 f. s. v. τέλος 1.d.γ und die dort notierten Belege.
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den Satz Joh 13,1 ergibt sich nach allem Gesagten die folgende Übersetzung: „Vor dem Passafest aber, da Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen, erwies er den Seinen, die in der Welt waren, seine Liebe in unüberbietbarer Weise.“ Die Aussage von V. 1 findet in den durch καί angeschlossenen Versen 2–5 ihre Erläuterung.20 Das ergibt sich aus der Beobachtung, daß zwischen der Struktur des V. 1 und derjenigen der Verse 2–5 eine genaue Parallelität besteht. Eine Gegenüberstellung der Texte kann das deutlich machen: V. 1:
V. 2–5:
¹ª πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα,
² καὶ δείπνου γινομένου, τοῦ διαβόλου ἤδη βεβληκότος εἰς τὴν καρδίαν ἵνα παραδοῖ αὐτὸν Ἰούδας Σίμωνος Ἰσκαριώτου,
¹ᵇ εἰδὼς ὁ Ἰησοῦς ὅτι ἦλθεν αὐτοῦ ἡ ὥρα ἵνα μεταβῇ ἐκ τοῦ κόσμου τούτου πρὸς τὸν πατέρα,
³ εἰδὼς ὅτι πάντα ἔδωκεν αὐτῷ ὁ πατὴρ εἰς τὰς χεῖρας καὶ ὅτι ἀπὸ θεοῦ ἐξῆλθεν καὶ πρὸς τὸν θεὸν ὑπάγει,
¹ᶜ ἀγαπήσας τοὺς ἰδίους τοὺς ἐν τῷ κόσμῳ εἰς τέλος ἠγάπησεν αὐτούς.
⁴ ἐγείρεται ἐκ τοῦ δείπνου καὶ τίθησιν τὰ ἱμάτια καὶ λαβὼν λέντιον διέζωσεν ἑαυτόν· ⁵ εἶτα βάλλει ὕδωρ εἰς τὸν νιπτῆρα καὶ ἤρξατο νίπτειν τοὺς πόδας τῶν μαθητῶν καὶ ἐκμάσσειν τῷ λεντίῳ ᾧ ἦν διεζωσμένος.
¹ª Vor dem Passafest aber,
² Beim Mahl nämlich – schon hatte der Teufel Judas, dem Sohn des Ischarioten Simon, eingegeben, ihn (Jesus) auszuliefern –,
¹ᵇ da Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen,
³ da er wußte, daß der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte und daß er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe,
¹ᶜ erwies er den Seinen, die in der Welt waren, seine Liebe in unüberbietbarer Weise.
⁴ stand er von dem Mahl auf, legte das Obergewand ab nahm ein Leinentuch und band es sich um;
20 Das am Anfang des V. 2 stehende καί hat also explikativen Sinn. Zu diesem Gebrauch s. neben F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 442,6a vor allem Kühner / Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II/2 (s. Anm. 15), 246 f. (§ 521,2) sowie Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 797 s. v. I.3. In 13,2 ist καί entweder mit „nämlich“ zu übersetzen, oder es kann unübersetzt bleiben, wenn man den Satz etwa mit den Worten „Es war bei einem Mahl“ beginnen läßt (so Menge, Das Neue Testament [s. Anm. 17], 166).
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⁵ danach goß er Wasser in das Waschbecken und begann, die Füße der Jünger zu waschen und sie mit dem Leinentuch abzutrocknen, das er sich umgebunden hatte.
Aufgrund der Struktur-Parallelität zwischen V. 1 und V. 2–5 lassen sich drei Beobachtungen notieren: a) Vor dem Passafest (V. 1a) findet das Mahl statt, an dem Judas als der teilnimmt, der bereits entschlossen ist, Jesus denen auszuliefern, die seinen Tod wollen (V. 2). Durch die am Ende der Erzählung (V. 10c.11) wieder aufgenommene Erwähnung des Judas wird das unmittelbar bevorstehende Passa ausdrücklich als das Todespassa gekennzeichnet. Beachtet man ferner neben den Worten πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα von V. 1a die Zeitangaben in 13,30 (ἦν δὲ νύξ), 18,28 (ἦν δὲ πρωΐ) und 19,14 (ἦν δὲ παρασκευὴ τοῦ πάσχα, ὥρα ἦν ὡς ἕκτη), dann zeigt sich: Im Duktus der Kapitel Joh 13–19 findet das Mahl, bei dem die Fußwaschung erfolgt, am Abend des 13. Nisan statt – und somit in größter Nähe zu der Todesstunde Jesu am Nachmittag des 14. Nisan. – b) Das Wissen Jesu, von dem V. 1b spricht, und sein in V. 3 beschriebenes Wissen beziehen sich auf ein und denselben Sachverhalt. Nach V. 1b weiß Jesus, daß seine ὥρα – die „Stunde“ seines Kreuzestodes – gekommen ist.21 Weil auf den Tod Jesu mit innerer Notwendigkeit seine Auferstehung folgt,22 deshalb ist, wie V. 1b und V. 3 übereinstimmend sagen, die ὥρα des Kreuzestodes die Stunde, in der er aus dieser Welt zu seinem Vater „hinübergehen“ wird. In V. 3 spricht der Evangelist sehr bewußt von der Rückkehr dessen, der „von Gott ausgegangen war“.23 Mit dieser Bemerkung wird daran erinnert, daß Jesus im Wunder der Inkarnation (Joh 1,14) in jene von Sünde und Tod gezeichnete Welt gekommen ist, in der die Seinen leben,24 und daß dies einzig deshalb geschehen ist, weil er sie im Gehorsam gegen den Willen seines Vaters durch seinen Tod erlösen sollte.25 Wenn in V. 3 gesagt wird, daß der Vater Jesus „alles in die Hände gegeben“ hat, dann zielt diese Aussage darauf ab, daß er – als der vom Vater gesandte Sohn – in der ὥρα von V. 1b ganz und gar der Handelnde und seine passio mithin in jeder Hinsicht seine actio ist.26 Zu diesem für die johanneische Passionsgeschichte charakteristischen Gedanken gehört u. a. das Motiv der Freiwilligkeit des Sterbens Jesu,27 das in Joh 13,1–11 darin zum Ausdruck kommt, daß Jesus in einem „Akt tiefster Herablassung“28 Zur ὥρα Jesu als der „Stunde“ seines Kreuzestodes s. 2,4; 7,30; 8,20; 12,23.27; 17,1. S. dazu 2,19–22; 10,17 f. 23 Die Worte ἀπὸ θεοῦ ἐξῆλθεν καὶ πρὸς τὸν θεὸν ὑπάγει V. 3 haben eine volle Parallele in 16,28 (vgl. auch 8,14). S. ferner zu ἀπὸ θεοῦ ἐξῆλθεν: 8,42; 16,27.30; 17,8 (auch 7,28 f.), und zu πρὸς τὸν θεὸν ὑπάγει: 7,33; 16,5.10.17 (auch 14,12.28; 17,11.13; 20,17). 24 Zu οἱ ἴδιοι οἱ ἐν τῷ κόσμῳ V. 1b vgl. 17,11: αὐτοὶ ἐν τῷ κόσμῳ εἰσίν. 25 S. dazu 10,17 f. sowie die δεῖ-Aussagen 3,14 f.; 12,34. 26 Das betont mit Recht Blank (s. Anm. 5), 37. 27 Es begegnet innerhalb der Passionsgeschichte in 18,1.4–8.11.36; 19,17.30. S. außerdem etwa 11,7 f.; 13,26 f. 28 A. Wikenhauser, Das Evangelium nach Johannes (RNT 4), Regensburg ³1961, 249. 21 22
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den Dienst der Fußwaschung übernimmt.29 – c) Wie zwischen V. 1a und V. 2 einerseits und zwischen V. 1b und V. 3 andererseits eine Entsprechung besteht, so dann schließlich auch zwischen V. 1c und V. 4 f. Die Fußwaschung stellt auf der Ebene der Erzählung den einzigartigen Erweis der Liebe dessen dar, der im Begriff ist, für die Seinen in den Tod zu gehen. In der Sache aber ist ganz unmittelbar die Selbsthingabe Jesu für seine „Freunde“ gemeint, die in Joh 15,13 als die größte Tat der Liebe bezeichnet wird: μείζονα ταύτης ἀγάπην οὐδεὶς ἔχει, ἵνα τις τὴν ψυχὴν αὐτοῦ θῇ ὑπὲρ τῶν φίλων αὐτοῦ. Der Bezug zum Kreuzesgeschehen liegt damit klar zutage. Die Fußwaschung ist Symbol für den Sühne schaffenden, d. h. die Reinigung von den Sünden wirkenden Kreuzestod Jesu als den unüberbietbaren Erweis seiner Liebe zu den Seinen. Wer die Seinen sind, das ergibt sich aus der Hirtenrede Joh 10,1–30: Es sind die „Schafe“ des „guten Hirten“,30 d. h. die Jesus zugehörigen Menschen, für die er sein Leben läßt und die da, wo er als der Auferstandene in der ihn bezeugenden Verkündigung selbst das Wort nimmt, auf seine Stimme hören und von ihm das ewige Leben empfangen.31 Sie werden in Joh 13,1–11 durch die Jünger repräsentiert, denen Jesus die Füße wäscht und die dadurch „Teil an ihm“ haben (V. 8bβ). Im weiteren Verlauf der Fußwaschungserzählung begegnet dann in V. 7 ein erneuter Hinweis darauf, daß die Fußwaschung als Symbol für den Kreuzestod Jesu verstanden sein will. Dieser Hinweis liegt in den Worten, mit denen Jesus auf die verwunderte und abwehrende Frage des Petrus von V. 6b (κύριε, σύ μου νίπτεις τοὺς πόδας;) antwortet: ὃ ἐγὼ ποιῶ σὺ οὐκ οἶδας ἄρτι, γνώσῃ δὲ μετὰ ταῦτα – „Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht, du wirst es aber hernach begreifen“ (V. 7b). Die adverbiale Bestimmung μετὰ ταῦτα bezieht sich selbstverständlich nicht auf die Worte Jesu V. 12–17, sondern auf die Zeit nach Karfreitag und Ostern. Der Satz Joh 13,7b gehört zu jenen Aussagen des Vierten Evangeliums, die darauf hinweisen, daß die Jünger Jesu überhaupt erst nach Karfreitag und Ostern erkennen konnten und erkannt haben, was es mit dem Kreuzestod Jesu auf sich hat.32 Indem sich der Evangelist so mit V. 7b „explizit auf die nachösterliche Zeit“ bezieht, stellt er die Fußwaschung „in den Verstehenshorizont des Kreuzes“.33
29 Daß die Fußwaschung u. a. ein Sklavendienst war, ist in Joh 13,1–11 durchaus mit im Blick, aber schwerlich der alles beherrschende Aspekt. Im Neuen Testament und in Texten aus seiner Umwelt begegnet die Fußwaschung gerade auch als ein Erweis tiefer Liebe (Lk 7,44b; JosAs 20,1–5; MidrSpr zu 15,17 [S. Buber, Midrasch Mischle, Wilna 1893 = Jerusalem 1965, 78 f.]); s. dazu O. Hofius, Fußwaschung als Erweis der Liebe. Sprachliche und sachliche Anmerkungen zu Lk 7,44b, in: Ders., Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, 154–160: 156–159. 30 S. besonders V. 3 f.: τὰ ἴδια πρόβατα, V. 14: τὰ ἐμά, V. 27: τὰ πρόβατα τὰ ἐμά. 31 Vgl. Schnackenburg (s. Anm. 2), 16. 32 S. dazu 2,22; 12,16; 14,19 f.26; 20,9. 33 Schnelle (s. Anm. 1), 237.
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Ein Indiz dafür, daß wir in der Fußwaschung eine Vorausdarstellung des Kreuzestodes zu erblicken haben, liegt schließlich in dem Wort Jesu in V. 8bβ: ἐὰν μὴ νίψω σε, οὐκ ἔχεις μέρος μετ’ ἐμοῦ – „Wenn ich dich nicht wasche, dann wirst du nicht Teil an mir haben.“34 Obwohl die Fußwaschung gemeint ist, folgt hier auf νίπτειν nicht – wie zuvor in den Versen 5, 6b und 8aβ – τοὺς πόδας, sondern das personale Objekt σέ. Mit der Wahl dieses Objekts bringt der Evangelist zum Ausdruck, daß die von Jesus vollzogene Fußwaschung einem Vollbad gleichkommt und es bei ihr mithin um die umfassende Reinigung des ganzen Menschen geht.35 Der Satz V. 8bβ selbst hat die Gestalt einer kategorischen Erklärung. Ohne die Fußwaschung – so wird hier gesagt – gibt es für Petrus keine Zugehörigkeit zu Jesus und mithin kein Heil. Dann aber können die Worte ἐὰν μὴ νίψω σε letztlich nicht den Akt der Fußwaschung als solchen meinen.36 Was in Wirklichkeit gemeint ist, wird vielmehr deutlich, wenn man beachtet, daß in dem Konditionalsatz die Bedingung für die heilvolle Zugehörigkeit zu Jesus „nicht an die Empfangsbereitschaft des Empfängers, sondern das Tun Jesu geknüpft ist“.37 Joachim Gnilka, der dies in seiner Auslegung des Wortes Jesu notiert, folgert mit Recht: „Es ist die von ihm zu übernehmende Aufgabe, den Jüngern, den Seinen, die Füße zu waschen. Hinter dem Symbol kann sich nur der Kreuzestod verbergen, die Notwendigkeit, daß der Menschensohn erhöht wird (3,14).“38
II Aus der Beobachtung, daß die in Joh 13 geschilderte Fußwaschung das Sterben Jesu für die Seinen abbildet, ergeben sich für die Exegese des Textes Joh 13,1–11 vier gewichtige Konsequenzen: 34 In dem Satz V. 8bβ hat ἔχεις futurischen Sinn; s. Brown (s. Anm. 1), 552; M. Zerwick, Analysis philologica Novi Testamenti Graeci (SPIB 107), Rom ⁴1984, 238. Zu der in diesem Satz vorliegenden Bedeutung von μέρος ἔχειν μετά τινος notiert Zerwick, ebd., zutreffend: partem habere cum = associatum esse. Nicht Teil an Jesus haben, das heißt also: nicht zu den Seinen gehören, sondern von ihm geschieden und damit von dem unlöslich an seine Person gebundenen Heil ausgeschlossen sein. Die inhaltliche Füllung der Worte μέρος μετ’ ἐμοῦ liefern Aussagen wie 14,19 oder 12,26; 14,2 f.21.23; 17,24; vgl. Schnackenburg (s. Anm. 2), 21. 35 Vgl. Bultmann (s. Anm. 2), 357 Anm. 2; Thyen (s. Anm. 4), 588. 36 Vgl. W. Heitmüller, Das Johannes-Evangelium (in: SNT 4), Göttingen ³1918, 144: „Die Bemerkung Jesu (V. 8) beseitigt jeden Zweifel daran, daß der eigentliche Sinn dieser Handlung ein tieferer sein muß. Denn natürlich kann die Gemeinschaft mit Jesus nicht von dieser äußeren Handlung der Fußwaschung abhängig sein.“ 37 So trefflich Gnilka (s. Anm. 6), 106. Dagegen wird der Akzent verschoben, wenn Bultmann, ebd., 357 erklärt: „Jesu Antwort sagt, daß nur, wer sich diesen Dienst gefallen läßt (sic!), Gemeinschaft mit ihm hat, mit ihm verbunden bleibt, nämlich auf seinem Weg in die δόξα.“ 38 Gnilka, ebd. Vgl. auch Schnelle (s. Anm. 1), 238: „Durch die Fußwaschung eröffnet Jesus die Teilhabe an ihm. Dieser soteriologische Horizont der Fußwaschung setzt Jesu Tod voraus […].“
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1. Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu ist aus der nachösterlichen Perspektive konzipiert. Sie will deshalb streng als narratives Christuszeugnis gelesen und verstanden sein – d. h. als eine theologische Komposition des Evangelisten, die dem Leser anschaulich machen soll, was in Christi Kreuzestod für die Seinen und also auch für ihn geschehen ist und was dieser Tod mithin für die an Christus Glaubenden bedeutet. 2. Die theologische Aussage erscheint in Joh 13,1–11 durchgehend in narrativer Gestalt. Das auf der Erzählebene Berichtete ist deshalb ganz unmittelbar auf das Christuszeugnis hin zu bedenken, das in dem Erzählten zur Sprache kommt. Das gilt gerade auch für die Verse 6–10, d. h. für den Dialog zwischen Jesus und Petrus. Das exegetische Interesse darf hier nicht in der Weise auf Petrus gerichtet werden, daß historisierend oder psychologisierend nach den Motiven und Beweggründen seiner Reaktionen gefragt oder auf sein Temperament rekurriert wird. Petrus wird in jenem Dialog überhaupt nicht als der individuelle Jünger mit seiner persönlichen Eigenart thematisiert, sondern er steht als Repräsentant für die Jünger Jesu insgesamt – und das heißt: Er steht für alle „die Seinen“, von denen V. 1 gesprochen hat. Daß das, was Petrus gesagt wird, den Jüngern insgesamt gilt, das zeigt sich in V. 10 sowohl an dem grundsätzlich gemeinten ὁ λελουμένος wie auch an der pluralischen Aussage „ihr seid rein“.39 Die Exegese hat mithin zu fragen, welche theologischen Aussagen über Jesu Tod für die Seinen sich dem Dialog V. 6–10 entnehmen lassen. 3. Die unmittelbare Verbindung von Erzählebene und theologischer Aussage gilt für die Erzählung von der Fußwaschung Jesu in ihrer Gesamtheit. Dieser Befund spricht ganz entschieden gegen die verbreitete These, daß die eigentliche Fußwaschung nur in V. 4 f. berichtet wird und auf diesen kurzen Bericht dann zwei unterschiedliche „Deutungen“ folgen, deren erste die Verse 6–11 und deren zweite die Verse 12–17 umfaßt.40 Daß in V. 4 f. keine abgeschlossene Schilderung vorliegt, zeigen innerhalb des Duktus der Erzählung zur Genüge die Worte ἤρξατο νίπτειν τοὺς πόδας τῶν μαθητῶν καὶ ἐκμάσσειν τῷ λεντίῳ ᾧ ἦν διεζωσμένος von V. 5. Bei dem im Johannesevangelium nur hier begegnenden ἤρξατο handelt es sich nämlich keineswegs um die aus den Synoptikern41 bekannte Verbindung des pleonastischen Mediums ἄρχεσθαι mit einem Infinitiv,42 sondern die Worte ἤρξατο νίπτειν κτλ. haben bereits die Fortsetzung ἔρχεται οὖν So richtig Thyen (s. Anm. 4), 588. letztlich Wellhausen (s. Anm. 2), 59 f. verpflichtet – z. B. F. Hauck, in: Ders. / R. Meyer, Art. καθαρός κτλ., in: ThWNT III (1938 = 1957) 416–434: 430,18–21; Bultmann (s. Anm. 2), 351–365; Brown (s. Anm. 1), 562 u. ö.; Schulz (s. Anm. 12), 171; Schnackenburg (s. Anm. 2), 7 u. ö.; Blank (s. Anm. 5), 36; Gnilka (s. Anm. 6), 105; Becker (s. Anm. 1), 497–510; Wilckens (s. Anm. 13), 205; Schnelle (s. Anm. 1), 237–241. Bei einigen dieser Autoren begegnen die Abgrenzungen 13,6–10 und 13,12–20. 41 Mk 1,45; 2,23 u. ö.; Mt 11,7.20 u. ö.; Lk 3,8; 4,21 u. ö. 42 So richtig Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 227 s. v. ἄρχω 2.a.α; Barrett (s. Anm. 5), 432; Thyen (s. Anm. 4), 587. 39
40 So –
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πρὸς Σίμωνα Πέτρον V. 6a im Blick. Die Verse 6–11 sind also nicht eine „Deutung“ der in V. 4 f. geschilderten Fußwaschung; es geht in Joh 13,1–11 vielmehr von Anfang bis Ende um die Fußwaschung in ihrer theologischen Bedeutung.43 4. Wenn der Text Joh 13,1–11 als symbolische Erzählung mit der von Jesus vollzogenen Fußwaschung seinen Tod für die Seinen abbildet, dann darf unterstellt werden, daß der Evangelist diesen Text konsequent kreuzestheologisch verstanden wissen will. Es ist deshalb ganz unwahrscheinlich, daß die Fußwaschung nicht nur auf den Tod Jesu, sondern zugleich auch auf die Taufe verweisen soll.44 Ein doppelter symbolischer Bezug der Fußwaschung wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn bestimmte Aussagen des Textes zu einer entsprechenden Interpretation nötigten. Erlaubt die Erzählung dagegen eine konsequent kreuzestheologische Auslegung, dann muß eine sakramentale Interpretation der Fußwaschung als unbegründet gelten.
III Wenden wir uns nunmehr der Erzählung Joh 13,1–11 als ganzer zu, so bedürfen die Verse 1–5 über das bisher Gesagte hinaus keiner weiteren Erklärung. Zu bedenken sind hingegen der Dialog zwischen Jesus und Petrus V. 6–10 sowie die Abschlußnotiz V. 11. Der Dialog gliedert sich deutlich in die beiden Teile V. 6–8 und V. 9+10. An ihrem Ende steht jeweils ein Wort Jesu, das auf der Erzählebene eine grundlegende Aussage über die von ihm vollzogene Fußwaschung und dementsprechend auf der Ebene des theologischen Zeugnisses eine solche Aussage über seinen Kreuzestod enthält (V. 8bβ; V. 10b.c). Zu dem ersten Teil des Dialogs (V. 6–8) sind nur wenige Bemerkungen erforderlich. Petrus ergreift in ihm zweimal das Wort, zunächst mit der Frage V. 6b: κύριε, σύ μου νίπτεις τοὺς πόδας; – „Herr, du willst mir die Füße waschen?“45 und sodann mit der entschiedenen Erklärung V. 8aβ: οὐ μὴ νίψῃς μου τοὺς πόδας εἰς τὸν αἰῶνα – „Du sollst mir ganz gewiß nie und nimmer die Füße waschen.“ In beiden Äußerungen spiegelt sich wider, wie unerhört es ist, daß der κύριος aus Liebe zu den Seinen für sie in den Tod geht. Die beiden Antworten Jesu – V. 7b und V. 8bβ – haben wir bereits betrachtet. Unübersehbar ist, daß der Gesprächsgang V. 6–8 auf die Antwort von V. 8bβ abzielt: ἐὰν μὴ νίψω σε, οὐκ ἔχεις μέρος μετ’ ἐμοῦ. In ihr vernehmen wir, was die theologische Ebene anlangt, die erste grundlegende Aussage der Fußwaschungserzählung: Jesu Tod für die Seinen ist zu ihrer Reinigung von den Sünden und somit zu ihrem Heil absolut notwendig. 43 Die Frage, ob die Verse 12–17 mit dem Begriff der „Deutung“ angemessen gekennzeichnet sind, wird in Teil IV des Aufsatzes beantwortet werden. 44 Zu den mancherlei Deutungen auf die Taufe, zu denen insbesondere die Worte ὁ λελουμένος von V. 10b Anlaß geben, sei auf das Referat der Kommentare verwiesen. 45 νίπτεις ist Praesens de conatu (Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 319 Anm. 2).
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Der zweite Teil des Dialogs (V. 9+10), der aus mehreren Gründen einer eingehenden Betrachtung bedarf, beginnt mit dem Begehren des Petrus (V. 9b): κύριε, μὴ τοὺς πόδας μου μόνον ἀλλὰ καὶ τὰς χεῖρας καὶ τὴν κεφαλήν – „Herr, [wasche] nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!“46 Der Wunsch setzt auf der Erzählebene voraus, daß im Anschluß an das Wort Jesu von V. 8bβ die Fußwaschung bei Petrus vollzogen wurde,47 und er besagt, daß der Jünger die ihm zuteil gewordene Fußwaschung für nicht hinreichend erachtet.48 Die Antwort Jesu auf das Begehren des Petrus ist, was den ersten Teil betrifft (V. 10b), in einer längeren und einer kürzeren Fassung überliefert. Der Langtext lautet: ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι, ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος49, der Kurztext: ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν νίψασθαι, ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος50. In beiden Fassungen erscheint die Verbform νίψασθαι, zu der sogleich das Folgende bemerkt sei: Das Medium νίπτεσθαι hat die Grundbedeutung „sich waschen“,51 und seine Verbindung mit dem Akkusativ-Objekt τοὺς πόδας heißt 46 In V. 9b ist νίψῃς zu ergänzen. Bei der Übersetzung des Satzes sollte nicht gegen den griechischen Text das Adverb „dann“ einfügt werden (so z. B. Menge, Das Neue Testament [s. Anm. 17], 166: „Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!“; Thyen [s. Anm. 4], 586: „Herr, dann aber nicht allein die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!“); denn durch diese Einfügung wird suggeriert, daß V. 9b als spontane Reaktion auf das Wort Jesu V. 8bβ zu verstehen sei. 47 So richtig Bultmann (s. Anm. 2), 358 (Anm. 5 von S. 357). Diesem Urteil, das durch V. 10 bestätigt wird, widerspricht zu Unrecht H. Strathmann, Das Evangelium nach Johannes (NTD 4), Göttingen ¹⁰1963, 189 f. mit der Behauptung, daß die Bitte des Petrus die unmittelbare Reaktion auf Jesu Wort V. 8bβ sei und erst die sogleich erfolgende Antwort Jesu von V. 10 zum Vollzug der Fußwaschung an Petrus führe. Die Sicht Strathmanns beruht auf einer psychologisierenden Deutung des V. 9: Petrus begreife zwar nicht, weshalb er ohne die Fußwaschung von der Gemeinschaft mit Jesus ausgeschlossen sein wird, „aber die Autorität seines Meisters läßt ihn die drohende Gefahr so ernst nehmen, daß er augenblicklich auch Haupt und Hände […] zur Waschung anbietet“ (189). 48 Vgl. Bultmann, ebd., 357: Petrus „begehrt noch mehr, als er schon erhalten hat“. 49 B C* (K) L W Ψ f ¹³ 892 it vgᶜl syh u. a. (statt ἔχει χρείαν kann auch χρείαν ἔχει stehen). Zeugen für den Langtext sind ferner auch diejenigen Lesarten, die sich als von diesem abhängig erweisen: a) 𝔓⁶⁶ Θ sys.p u. a. (sie bezeugen hinter εἰ μὴ τοὺς πόδας noch ein μόνον); b) 𝔓⁷⁵ A C³ f ¹ 𝔐 (sie bieten vor τοὺς πόδας statt εἰ μή ein ἤ [zu ἤ nach einer Negation vgl. Xenophon, Cyrop II 3,10; VII 5,41]); c) D (ὁ λελουμένος οὐ χρείαν ἔχει τὴν κεφαλὴν νίψασθαι εἰ μὴ τοὺς πόδας μόνον κτλ.). 50 אaur c vgst (nota bene: nicht alle Itala- und Vulgata-Handschriften!). Das Novum Testamentum Graece²⁷ nennt unter den Zeugen auch Origenes, in dessen Johanneskommentar V. 10b viermal in der Kurzfassung erscheint (E. Preuschen, Origenes Werke IV [GCS 10], Berlin 1903, 435,32 f.; 436,4 f.; 440,13 f.16 f.), wohingegen in der Auslegung der Langtext vorausgesetzt wird. Die Möglichkeit, daß Origenes selbst seine Vorlage verkürzt zitiert, läßt sich nicht mit Sicherheit ausschließen (vgl. 433,8 f.). – In der Literatur werden auch mehrere lateinische Kirchenväter als Zeugen für den Kurztext angeführt (so etwa im Greek New Testament⁴ z.St. und bei Thyen [s. Anm. 4], 587). Zum Wert der entsprechenden Zitate s. aber bereits die kritischen Bemerkungen bei Zahn (s. Anm. 8), 538 Anm. 24; vgl. ferner Richter, Die Fußwaschung im Johannesevangelium (s. Anm. 1), 37 f. 51 Joh 9,7.11.15; EvPetr 1,1; POxy 840,34 f.; TestLev 9,11.
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„sich die Füße waschen“.52 In Joh 13,10b dürfte das Medium allerdings in tolerativem Sinn verwendet sein.53 So jedenfalls versteht und gebraucht Origenes in seiner Auslegung des V. 10b den Ausdruck τοὺς πόδας νίψασθαι (= „sich die Füße waschen lassen“)54 und den bloßen Infinitiv νίψασθαι (= „sich waschen lassen“)55. Da in der Erzählung Joh 13,1–11 den Jüngern die Füße gewaschen werden, paßt in tolerativem Sinn gebrauchtes νίψασθαι vorzüglich sowohl zum Langtext wie auch zum Kurztext des Satzes V. 10b. In welcher der beiden Textfassungen wir allerdings den ursprünglichen Wortlaut dieses Satzes zu erkennen haben, das ist eine in der Exegese lebhaft umstrittene Frage.56 Der Langtext ist hervorragend bezeugt,57 und er stellt wegen des Adversativsatzes ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος ohne Zweifel die lectio difficilior dar. Übersetzt man ihn ganz wörtlich, so lautet er: „Wer gebadet ist, hat nicht [etwas] nötig, außer sich die Füße waschen zu lassen58, sondern er ist ganz rein.“ Dieser Satz wird sowohl von den Auslegern, die in ihm den ursprünglichen Wortlaut erblicken, wie auch von denen, die ihn für sekundär halten, fast ausnahmslos so verstanden, daß von zwei unterschiedlichen Waschungen die Rede ist – nämlich von dem Vollbad (ὁ λελουμένος) als einer Gesamtreinigung einerseits und von der Fußwaschung (τοὺς πόδας νίψασθαι) als einer Teilreinigung andererseits.59 Im einzelnen werden die Worte ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι, ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος dann auf sehr verschiedene Weise interpretiert. Nur zwei Deutungen seien in aller Kürze erwähnt. Die eine Deutung versteht den Satz wörtlich und sieht mit dem substantivierten Partizip ὁ λελουμένος ein Bad angesprochen, das dem in V. 2 erwähnten Mahl bereits voraufgegangen 52 S.
in LXX: Gen 19,2; Ri 19,21. So etwa Zahn (s. Anm. 8), 538 Anm. 23; Bauer (s. Anm. 8), 10 f.; Bultmann (s. Anm. 2), 358 (Anm. 5 von S. 357). – Zu tolerativem Gebrauch des Mediums im Neuen Testament s. Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 317. 54 Origenes, Johanneskommentar (s. Anm. 50), 433,16; 435,35; 436,21 f.; 437,27; 438,1 f.6 f.; 441,2 f.17. An allen diesen Stellen ist das Medium mit dem Präpositionalgefüge ὑπὸ τοῦ Ἰησοῦ (u. ä.) verbunden. 55 So u. a. im Zitat von 13,10b (s. dazu oben Anm. 50). 56 Eine weitere Textvariante – ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν – wird lediglich von der aus dem 13. Jh. stammenden Minuskel 579 bezeugt. Daß in ihr der ursprüngliche Text zu erblicken sei (so M.-É. Boismard, Le lavement des pieds (Jn, XIII, 1–17), RB 71 [1964] 5–24: 10–13), muß schon aufgrund der Bezeugung als völlig ausgeschlossen gelten. 57 Das Novum Testamentum Graece²⁷ und das Greek New Testament⁴ bieten die Worte εἰ μὴ τοὺς πόδας deshalb im Text; s. die Begründung bei B. M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, Stuttgart ²1994, 204: „on the basis of the preponderant weight of external attestation“. – Für den Langtext votiert ausführlich Chr. Niemand, Die Fußwaschungserzählung des Johannesevangeliums. Untersuchungen zu ihrer Entstehung und Überlieferung im Urchristentum (StAns 114), Rom 1993, 252–256; weitere Vertreter dieser Sicht s. ebd., 253 Anm. 55. 58 Oder, wenn man für νίψασθαι nicht tolerativen Sinn annehmen will: „außer sich die Füße zu waschen“. 59 Sprachliche Voraussetzung ist der lexikalische Befund, daß in der Regel λούειν die Gesamtreinigung (= „baden“), νίπτειν hingegen die Teilreinigung (= „waschen“) bezeichnet. 53
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ist.60 Die Aussage ist dann: Wer vor dem Mahl ein Vollbad genommen hat, bedarf jetzt nur noch der Fußwaschung durch Jesus. Die andere – verbreitetere – Deutung geht davon aus, daß in dem zitierten Satz in übertragenem Sinn von den beiden Waschungen gesprochen wird. Sie bezieht ὁ λελουμένος auf die Taufe als die grundlegende Reinigung des Menschen von seinem sündigen Sein und τοὺς πόδας νίψασθαι auf die für den Getauften weiterhin erforderliche Reinigung von den Einzelsünden.61 Nach dieser Deutung besagt V. 10b: Wer in der Taufe die grundlegende Reinigung empfangen hat, der bedarf hinfort nur noch der je und je erfolgenden Abwaschung der täglichen Sünden, die – so dann die unterschiedlichen Vermutungen – durch „die in den Gemeinden praktizierte Sündenvergebung“62 oder durch das Herrenmahl63 gewährt wird. Die beiden Deutungen müssen jetzt nicht kommentiert werden. Denn wie immer man den Langtext interpretieren mag, – wenn dort von zwei verschiedenen Waschungen die Rede ist, dann muß als ausgeschlossen gelten, daß wir in ihm den ursprünglichen Wortlaut des V. 10b vor uns haben. Die Argumente, die zu diesem Urteil nötigen, hat Rudolf Bultmann präzise benannt: 1. Hebt V. 10b auf die Differenz von Vollbad und Fußwaschung ab, dann ergibt sich ein Widerspruch zu den Worten ἐὰν μὴ νίψω σε V. 8bβ, die nur so verstanden werden können, „daß die Fußwaschung nicht im Gegensatz zu einem Vollbad gedacht ist“.64 2. Redet V. 10b von zwei Waschungen, „einer vorausgehenden, umfassenden, dem Vollbad, und einer folgenden, partiellen, der Fußwaschung“, dann ist die erstere „die entscheidende“, die andere aber „wenngleich noch notwendig, so doch zweiten Ranges“; das aber „entspricht nicht dem Pathos von V. 8 f., wonach die Fußwaschung als das schlechthin Entscheidende erscheint“.65 3. Sagt V. 10b von dem λελουμένος, „daß er ganz rein sei (καθαρὸς ὅλος)“, dann ist damit die Einschränkung εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι unvereinbar; denn „wenn nach dem λούεσθαι noch eine Fußwaschung nötig ist, so ist der Gebadete eben nicht ganz rein“.66 – Die drei Argumente Bultmanns sind unter der Prämisse, daß der Langtext von zwei verschiedenen Waschungen spricht, schwerlich überzeugend zu entkräften. So läßt sich etwa der im dritten Argument benannte innere Widerspruch nicht einfach dadurch beseitigen, daß man für die Worte ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος die 60 So z. B. Wettstein, Novum Testamentum Graecum I (s. Anm. 10), 929 und J. Jeremias, Unbekannte Jesusworte, Gütersloh ⁴1965, 54 Anm. 24 (vgl. auch Ders., Die Abendmahlsworte Jesu [s. Anm. 8], 43.76). Wettstein verweist auf das in antiken griechischen Quellen erwähnte Bad, dem man sich vor dem Gang zu einem Gastmahl zu unterziehen pflegte, Jeremias hingegen denkt an das für die Passapilger vorgeschriebene Tauchbad. 61 S. exemplarisch A. Oepke, Art. λούω κτλ., in: ThWNT IV (1942) 297–309: 308,1–36. Daß in ὁ λελουμένος eine Anspielung auf die Taufe vorliegt, wird auch bei Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 975 s. v. λούω 2.a.β behauptet. 62 So z. B. Gnilka (s. Anm. 6), 106. 63 So z. B. Bauer (s. Anm. 8), 172. 64 Bultmann (s. Anm. 2), 357 Anm. 2. 65 Bultmann, ebd., 357 Anm. 5 (statt „V. 8 f.“ muß es korrekt „V. 8“ heißen). 66 Bultmann, ebd., 358 (Anm. 5 von S. 357).
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Übersetzung „sonst aber ist er ganz rein“67 oder „im Ganzen aber ist er rein“68 wählt. In Wahrheit kann der griechische Text nicht anders verstanden werden als so, daß der λελουμένος „ganz und gar rein“ ist.69 Sind nun aber Bultmanns Argumente – nochmals: unter der erwähnten Prämisse – nicht zu widerlegen, dann darf die Folgerung, „daß das εἰ μὴ τοὺς πόδας ein schlechter Zusatz ist“,70 als wohlbegründet gelten. Von daher votiert Bultmann für die Ursprünglichkeit des Kurztextes, und ebenso urteilt die Mehrheit der Exegeten.71 Der Kurztext lautet in wörtlicher Übersetzung: „Wer gebadet ist, braucht sich nicht waschen zu lassen,72 sondern er ist ganz rein.“ Führt man im Anschluß an die Exegese der voraufgehenden Verse die Auslegung konsequent weiter, dann ist sprachlich wie inhaltlich die folgende Interpretation möglich: Das Partizip Perfekt λελουμένος bezeichnet den „Zustand als Resultat einer vergangenen Handlung“73 und nimmt mithin das auf die Fußwaschung bezogene ἐὰν μὴ νίψω σε von V. 8bβ auf. Das aber bedeutet, „daß in der Antwort auf V. 9 der λελουμένος von V. 10 eben der ist, der die Fußwaschung empfangen hat, die damit eben als einer vollständigen Waschung, die ganz rein macht, gleichwertig bezeichnet wird“.74 Der Satz ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν νίψασθαι, ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος kann dann so verstanden werden: Wer – wie jetzt Petrus – mit der von Jesus vollzogenen Fußwaschung das Bad der Vollreinigung empfangen hat, der bedarf keiner weiteren Waschung zur Teilreinigung mehr.75 Der so ver67 H. J. Holtzmann / W. Bauer, Johanneisches Evangelium (in: HC 4), Freiburg ³1908, 235; ähnlich Blank (s. Anm. 5), 35: „ansonsten ist er ganz rein“. 68 Bauer (s. Anm. 8), 168.170. Vgl. zu Bauers Übersetzung die Behauptung von Zahn (s. Anm. 8), 538: „das prädikative ὅλος entspricht unserem ‚im ganzen‘“. In diesem Sinn interpretiert dann auch Oepke, λούω κτλ. (s. Anm. 61), 308,28–30: „Die grundlegende Reinigung (λελουμένος) […] macht den, der sie empfangen hat, für immer auf das Ganze gesehen (ὅλος) rein.“ 69 Bultmann (s. Anm. 2), 357 Anm. 4 verweist zu ὅλος mit Recht auf 9,34. Auch sonst hebt ὅλος im Johannesevangelium auf die Totalität ab; s. 4,53; 7,23; 11,50; 19,23. 70 Bultmann, ebd., 358 (Anm. 5 von S. 357). 71 Neben Bultmann, ebd., 357 f. seien nur erwähnt: Brown (s. Anm. 1), 567 f.; Schnackenburg (s. Anm. 2), 22–26; Gnilka (s. Anm. 6), 106; Beasley-Murray (s. Anm. 1), 234 f.; Barrett (s. Anm. 5), 433 f.; Becker (s. Anm. 1), 506; Dietzfelbinger (s. Anm. 6), 12; Schnelle (s. Anm. 1), 235; Thyen (s. Anm. 4), 587. S. ferner die Liste bei Niemand, Die Fußwaschungserzählung des Johannesevangeliums (s. Anm. 57), 253 Anm. 54. 72 Oder bei nicht tolerativem Verständnis von νίψασθαι: „braucht sich nicht zu waschen“. Möglich ist vielleicht auch die Übersetzung „braucht nicht gewaschen zu werden“. Zum Medium statt Passiv bei artikellosem Infinitiv der Ergänzung s. Kühner / Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II/2 (s. Anm. 15), 15 Anm. 13 (§ 473.6c). 73 K. Beyer, Semitische Syntax im Neuen Testament I: Satzlehre Teil 1 (StUNT 1), Göttingen ²1968, 225. 74 Bultmann (s. Anm. 2), 358 (in Anm. 5 von S. 357). Bei diesem Verständnis erübrigt sich die schwerlich überzeugend zu begründende Annahme, daß der Satz auf ein Sprichwort Bezug nimmt. 75 Der Kurztext gewinnt seinen Sinn also durch die präzise Unterscheidung von λούεσθαι (= Vollreinigung) und νίπτεσθαι (= Teilreinigung).
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standene Satz stellt im Kontext der Fußwaschungserzählung ohne Frage eine sinnvolle Aussage dar. Dennoch erheben sich gegenüber dem Kurztext zwei ernsthafte Bedenken. Gegen ihn spricht zunächst bereits die äußere Bezeugung. Hinzu kommt sodann der Tatbestand, daß er die lectio facilior darstellt, für die sich unschwer eine Erklärung liefern läßt: Die Streichung der Worte εἰ μὴ τοὺς πόδας könnte dadurch veranlaßt sein, daß zwischen ihnen und dem dann folgenden Adversativsatz ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος ein Widerspruch empfunden wurde.76 Angesichts der skizzierten Bedenken wird man sagen müssen, daß es nur dann ein wirklich gewichtiges Argument für den Kurztext gibt, wenn jene Einwände zu Recht bestehen, die gegen den Langtext erhoben werden. Wir kehren deshalb noch einmal zu dem Langtext zurück. Die gegen ihn erhobenen Einwände setzen – wie wir sahen – voraus, daß in ihm von zwei verschiedenen Waschungen gesprochen wird. Dieses Urteil beruht auf einem Verständnis des griechischen Textes, das etwa in der folgenden Übersetzung seinen Ausdruck findet: „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich waschen zu lassen77, ausgenommen die Füße.“78 Dabei werden – wie ebenfalls bereits vermerkt wurde – die Worte οὐκ ἔχει χρείαν εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι entweder dahingehend verstanden, daß sie besagen: „er hat jetzt nichts Weiteres mehr nötig als die Fußwaschung“, oder so, daß ihr Sinn ist: „er bedarf hinfort nur noch je und je der Fußwaschung“. Nun muß jedoch festgestellt werden, daß die soeben angeführte Übersetzung nicht korrekt ist. Sie wäre nämlich nur dann möglich, wenn im Griechischen eine andere Wortstellung vorläge – d. h. wenn es dort hieße: οὐκ ἔχει χρείαν νίψασθαι (sic!) εἰ μὴ τοὺς πόδας. Der Text in seiner tatsächlichen Wortfolge kann hingegen nur bedeuten: „er hat überhaupt nichts anderes nötig als die Fußwaschung“ / „er bedarf ausschließlich der Fußwaschung“.79 Wie das dann genau zu verstehen ist, das ergibt sich allererst aus dem Kontext. Suchen wir deshalb – ebenso wie wir es bei der Auslegung des Kurztextes getan haben – die Exegese der vorausgehenden Verse konsequent weiterzuführen, dann ist auch im Blick auf den Langtext zu sagen: Das Partizip Perfekt λελουμένος nimmt die auf die Fußwaschung bezogenen Worte ἐὰν μὴ νίψω σε von V. 8bβ auf und bezieht sich auf der Erzählebene darauf, daß Petrus soeben die Fußwaschung durch Jesus empfangen hat. Das Verbum λούειν von V. 10b und das Verbum νίπτειν von V. 8bβ heben also in gleicher Weise auf die durch Jesus gewährte umfassende und vollkommene Reinigung ab, wobei in ὁ 76 So Holtzmann / Bauer (s. Anm. 67), 235; Bauer (s. Anm. 8), 169; Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament (s. Anm. 57), 204. 77 Oder: „sich zu waschen“. 78 In diesem Sinn übersetzen bzw. verstehen den Langtext u. a. Heitmüller, Zahn, Bauer, Bultmann, Wikenhauser, Strathmann, Brown, Blank, Haenchen, Beasley-Murray, Barrett, Wilckens und unter den respektablen Bibelübersetzungen etwa Menge (s. Anm. 17), die Revidierte Elberfelder Bibel und die Einheitsübersetzung. 79 Korrekt übersetzt Dietzfelbinger (s. Anm. 6), 10: „Der gewaschen ist, hat nichts nötig, als sich die Füße waschen zu lassen.“
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λελουμένος im Sinne des V. 8bβ die Nuance liegen könnte: „wer gewaschen ist und damit Anteil an mir hat“. Da nun aber die Worte ἐὰν μὴ νίψω σε eben jene Handlung meinen, die zuvor in V. 5, V. 6b und V. 8aβ mit dem Ausdruck νίπτειν τοὺς πόδας beschrieben war, muß das gleiche auch für die Worte εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι gelten.80 Der Langtext V. 10b spricht demnach keineswegs von zwei verschiedenen Waschungen, sondern sowohl ὁ λελουμένος wie auch τοὺς πόδας νίψασθαι verweisen auf ein und dasselbe Ereignis – nämlich auf eben jene Fußwaschung, von der zuvor in V. 4–8 die Rede war.81 Der Langtext ist deshalb so zu verstehen, daß Jesus auf das Begehren des Petrus von V. 9b antwortet: „Wer (von mir) gewaschen ist, hat nichts nötig, außer sich (wie dies soeben bei dir geschehen ist) die Füße waschen zu lassen, sondern er ist (aufgrund der ihm zuteil gewordenen Fußwaschung) ganz rein.“ Die Worte ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι sind also eine etwas ungefüge Formulierung für die Aussage, daß es zur völligen Reinigung der Jünger einzig und allein der von Jesus vollzogenen Fußwaschung bedarf. Werden die Worte ὁ λελουμένος οὐκ ἔχει χρείαν εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι in dem beschriebenen Sinn verstanden, dann stehen sie weder im Widerspruch zu dem voraufgehenden Wort Jesu V. 8bβ noch auch in Spannung zu dem auf sie folgenden Adversativsatz ἀλλ’ ἔστιν καθαρὸς ὅλος. Auch der Satz V. 10c – καὶ ὑμεῖς καθαροί ἐστε, ἀλλ’ οὐχὶ πάντες – schließt sich problemlos an. Die den Satz eröffnende Konjunktion καί hat bekräftigende oder auf die Konsequenz hinweisende Funktion, so daß die Worte καὶ ὑμεῖς καθαροί ἐστε besagen: „ja, ihr seid rein“ oder: „so seid denn ihr rein“. Auf der Erzählebene wird den Jüngern zugesprochen, daß sie mit der Fußwaschung die völlige Reinigung empfangen haben, und das heißt auf der Ebene der theologischen Aussage: In seinem Sühnetod am Kreuz hat Jesus den Seinen ein für allemal die vollkommene Reinheit 80 Dafür, daß mit εἰ μὴ τοὺς πόδας νίψασθαι ein einmaliges Ereignis gemeint ist, spricht aufgrund der Aktionsart des Aorists der Inf. Aor. νίψασθαι. Lehrreich ist hier ein Blick auf Mt 3,14; 14,16; 1 Thess 1,8; Dan 3,16 LXX θ‘: An allen diesen Stellen handelt es sich bei χρείαν ἔχειν mit Inf. Aor. um eine einmalige Handlung bzw. um ein punktuelles Geschehen. 81 Dieses Verständnis des V. 10b findet sich auch bei P. Fiebig, Die Fußwaschung, Angelos 3 (1930) 121–128: 124 f. Fiebig argumentiert allerdings mit der mehr als fragwürdigen These, „daß der Verfasser des Johannes-Evangeliums von Geburt Hebräer“ sei (121) und der griechische Text deshalb unter Beachtung der „Eigenart hebräischer Ausdrucksweise“ übersetzt werden müsse (124; vgl. 121 f.125). Er bestimmt deshalb ὁ λελουμένος als Casus pendens mit präsentischem Sinn und kommt von daher zu der folgenden Wiedergabe des V. 10b: „Wer (von mir jetzt in bezug auf seine Füße) gebadet wird, (von dem gilt: er) hat nicht nötig, sich (etwas anderes) außer die Füße waschen zu lassen, sondern ist (schon durch das Fußbad) ganz rein“ (125). Ebenso unhaltbar wie die sprachliche Argumentation ist dann auch die Interpretation Fiebigs: Die Fußwaschung Jesu, deren Historizität vorausgesetzt wird, ist ein „Beispiel ethischer Gesinnung“, und „die Reinigung, um die es sich hier handelt, ist […] ethisch-religiöser Art“ (126). Mit V. 10b will Jesus sagen (126): „Ich bildete euch die Gesinnung ab, die mein wahrer Jünger haben muß. Wer mein wahrer Jünger ist, ist rein. Also ist der rein, der das betätigt, was ich mit der Fußwaschung betätigt habe.“
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erwirkt und gewährt.82 Wenn die angefügte und durch V. 11 erläuterte Einschränkung ἀλλ’ οὐχὶ πάντες Judas aus der Gruppe der als „rein“ Bezeichneten ausschließt, dann besagt das auf der Erzählebene, daß die Fußwaschung ihm nichts nützt. Das aber heißt: Jesu Kreuzestod nützt Judas nichts – ja ihm, der nicht zu den Seinen gehört, gilt dieser Tod nicht. Als Ergebnis unserer Überlegungen zu V. 10b kann nunmehr festgehalten werden, daß die besser bezeugte Lesart als ursprünglich anzusehen ist, während der Kurztext sich genau jenem Mißverständnis verdanken dürfte, das nicht wenige Exegeten dazu veranlaßt, den Langtext als sekundär zu beurteilen. Fragen wir im Anschluß an die sprachliche und inhaltliche Analyse des Langtextes nach der theologischen Intention der Verse 9+10 insgesamt, so läßt sich die in ihnen enthaltene zweite grundlegende Aussage des Dialogs V. 6–10 unschwer bestimmen: Nachdem in V. 8bβ mit Nachdruck betont wurde, daß für die Heilsteilhabe der Jünger der Tod Jesu unbedingt erforderlich ist, wird in V. 10b ebenso nachdrücklich erklärt, daß dieser Tod in jeder Hinsicht hinreichend ist. Die theologische Gesamtaussage der Erzählung Joh 13,1–11 ist damit evident: Jesu Selbsthingabe am Kreuz als der höchste Erweis seiner Liebe zu den Seinen ist die sowohl notwendige wie auch hinreichende – und also die vollbestimmte Bedingung ihrer Reinigung von der Sünde und der Konstituierung ihrer heilvollen Verbundenheit mit ihm. Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu bringt so narrativ zur Sprache, was der Verfasser des 1. Johannesbriefs in die Worte faßt: „Das Blut Jesu, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller Sünde“ (1 Joh 1,7b).
IV In einem letzten Schritt unserer Betrachtung ist nun noch der Abschnitt Joh 13,12–17 in den Blick zu fassen und zu fragen, ob er eine mit der Exegese der Verse 1–11 kohärente Interpretation erlaubt. Auf der Erzählebene sind die Verse 12–17 durch die Notiz V. 12a fest mit dem zuvor Berichteten verbunden. Die anschließende Jüngerbelehrung wird in V. 12b durch die Frage Jesu eingeleitet: γινώσκετε τί πεποίηκα ὑμῖν; – „Begreift ihr, was ich euch getan habe?“ Beachtet man die jeweilige Aussageintention, dann steht diese Frage keineswegs in Spannung zu der Erklärung von V. 7, der zufolge Petrus das Tun Jesu erst „hernach“ begreifen wird (ὃ ἐγὼ ποιῶ […] γνώσῃ […]
82 Es ist kein Widerspruch zu dieser Aussage, wenn in 15,3 den Jüngern gesagt wird: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“ Der λόγος, von dem dieser Satz spricht, ist das in der Verkündigung laut werdende Wort, in dem der gekreuzigte und auferstandene Christus sich selbst – d. h. seine Person und sein Werk – Glauben und Erkenntnis wirkend erschließt. Vgl. dazu H.-Chr. Kammler, Christologie und Eschatologie. Joh 5,17–30 als Schlüsseltext johanneischer Theologie (WUNT 126), Tübingen 2000, 127 f.
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μετὰ ταῦτα).83 In V. 7 hatten wir den hermeneutischen Hinweis des Evangelisten zu erkennen, daß ein Verstehen des durch die Fußwaschung abgebildeten Kreuzestodes Jesu allererst aus der nachösterlichen Perspektive möglich ist. Die Verse 12b–17 nun richten sich an diejenigen, die aus dieser Perspektive auf das Kreuzesgeschehen schauen und seine Bedeutung bedenken. In der Jüngerbelehrung redet mithin der gekreuzigte und auferstandene Christus zu den Seinen und also auch zu den Lesern des Evangeliums. Mit Bezug auf die von Jesus vollzogene Fußwaschung wird in V. 15 gesagt: „Ein ὑπόδειγμα habe ich euch gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut.“ Der Begriff ὑπόδειγμα kennzeichnet die Fußwaschung Jesu nicht als ein beeindruckendes „Beispiel“ grenzenloser Liebe, zu dessen Nachahmung die Jünger aufgerufen werden, sondern als ein verbindlich vorgegebenes „Leitbild“, dem sie unbedingt und unausweichlich verpflichtet sind.84 Daß zwischen dem Tun Jesu und dem Tun der Jünger ein zwingendes Begründungsverhältnis besteht, das zeigen bereits die Verse 13 f. an: „Ihr nennt mich ‚Lehrer‘ und ‚Herr‘, und ihr sagt so mit Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Lehrer, euch die Füße gewaschen habe, dann seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen.“ Die Worte „ihr nennt mich ‚Lehrer‘ und ‚Herr‘“ verweisen vordergründig auf die Anrede Jesu durch seine Jünger;85 darüber hinaus aber zielen sie darauf ab, daß Jesus der Offenbarer der rettenden Gotteswahrheit86 und im solennen Sinn der Kyrios87 ist. Hat er als der in göttlicher Hoheit handelnde „Lehrer“ und „Herr“ den Jüngern die Füße gewaschen, dann folgt daraus für sie unabweisbar die Verpflichtung zu einem entsprechenden Tun. Der diese Konsequenz benennende V. 14 ist als ein Konditionalsatz mit kausaler Nuance formuliert,88 und in ihm erscheint nicht zufällig das Verbum ὀφείλειν, durch das der Verpflichtungscharakter des Tuns Jesu expressis verbis herausgestellt wird. Den Verpflichtungscharakter unterstreichen dann noch einmal die beiden – durch ein autoritatives ἀμὴν ἀμὴν λέγω ὑμῖν eingeleiteten – Bildworte von V. 16: „Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr und ein Abgesandter nicht
83 Anders z. B. Bultmann (s. Anm. 2), 361 Anm. 8: „Die Frage ist gestellt, als ginge V. 6–11 nicht voraus; als rhetorische Frage kollidiert sie mit dem οὐκ οἶδας ἄρτι V. 7.“ 84 Die Konjunktion καθώς hat in V. 15 – ebenso wie in 13,35; 15,12 – begründenden Sinn (s. zu diesem Sprachgebrauch auch 6,57; 17,2.14.16). Die Argumentationsstruktur ist also nicht: „wie ich, so auch ihr“, sondern: „weil ich, deshalb notwendig ihr“. 85 In 13,13 sind ὁ διδάσκαλος und ὁ κύριος Vokativ (Blass / D ebrunner / R ehkopf, Grammatik § 143 und § 147,2 mit Anm. 5). Zu διδάσκαλε / ῥαββί (1,38) im Munde der Jünger s. 1,49; 4,31; 9,2; 11,8 (vgl. auch ῥαββουνί 20,16), zu κύριε 6,68; 11,12; 13,6.9.25.36 f.; 14,5.8.22 (auch 21,15–17.20 f.). 86 S. dazu 15,15b und 17,26a, aber auch Aussagen wie 1,17 f.; 8,31 f.; 14,6.9; 17,6.14.17. 87 S. dazu ὁ κύριος 6,23; 11,2; 20,2.18.20.25 (auch 21,7.12); vgl. ferner 20,13 und 20,28. 88 Zu solchen Konditionalsätzen mit εἰ c. Ind. vgl. Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 372,1.
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größer als der, der ihn gesandt hat.“89 Der Makarismus V. 17 schließlich betont, daß zu der den Jüngern von Jesus selbst geschenkten Erkenntnis dessen, was in V. 13–16 gesagt wird, notwendig das dieser Erkenntnis entsprechende Tun hinzugehört: εἰ ταῦτα οἴδατε, μακάριοί ἐστε ἐὰν ποιῆτε αὐτά – „Wenn ihr das wißt – selig seid ihr, wenn ihr es tut.“90 Wie nun die in V. 15 als ein verpflichtendes ὑπόδειγμα charakterisierte Fußwaschung Jesu Symbol seines Kreuzestodes als des unüberbietbaren Erweises der Liebe zu den Seinen ist, so ist mit der von den Jüngern zu übenden Fußwaschung die Liebe gemeint, die sie einander schuldig sind.91 Der Satz ὑπόδειγμα […] ἔδωκα ὑμῖν ἵνα καθὼς ἐγὼ ἐποίησα ὑμῖν καὶ ὑμεῖς ποιῆτε besagt somit nichts anderes als das Wort Jesu Joh 13,34: ἐντολὴν καινὴν δίδωμι ὑμῖν, ἵνα ἀγαπᾶτε ἀλλήλους, καθὼς ἠγάπησα ὑμᾶς ἵνα καὶ ὑμεῖς ἀγαπᾶτε ἀλλήλους.92 In beiden Sätzen benennt der καθώς-Satz nicht nur den Maßstab, sondern zuerst und vor allem den Grund für die den Jüngern gebotene Liebe.93 „Grund und Norm“94 ihrer Liebe aber ist die Liebe Jesu deshalb, weil sein Tod ihre Verfallenheit an Sünde und Tod aufgehoben, sie unlöslich mit ihm verbunden und ihnen so ein neues Sein erschlossen hat.95 Einzig aufgrund dieses neuen Seins haben die Jünger überhaupt das Vermögen zu der von ihnen 89 Das Wort ἀπόστολος hat hier die Bedeutung „Abgesandter“, „Sendbote“, „Bote“; s. zu dieser Bedeutung: Herodot, Hist I 21,1; V 38,2; 3 Reg 14,6 LXXA α’; Jes 18,2 σ’; 2 Kor 8,23; Phil 2,25 (vgl. Apg 14,4.14). – Zu οὐκ ἔστιν δοῦλος μείζων τοῦ κυρίου αὐτοῦ (so auch 15,20) vgl. Mt 10,24b, zu οὐδὲ ἀπόστολος μείζων τοῦ πέμψαντος αὐτόν den GenR 78,2 zu 32,26 überlieferten Ausspruch des R. Schim‘on (um 150): „Der Sendende ist größer als der Abgesandte“ (hmšlḥ gdwl mn hmštlḥ). Der Evangelist könnte bei der Wahl der beiden Bildworte daran gedacht haben, daß die Jünger Jesu seine „Diener“ sind (12,26) und daß er sie „ausgesandt“ hat, ihn in der Welt zu bezeugen (4,38; 13,20; 17,18; 20,21). 90 Die genaue inhaltliche Füllung der beiden Pronomina ταῦτα und αὐτά ergibt sich aus V. 12b–16. In εἰ ταῦτα οἴδατε geht es um das Wissen, wer Jesus im Gegenüber zu den Jüngern ist (V. 13, V. 16), was er an ihnen getan hat (V. 12b, V. 14a) und unter welchem Anspruch sie damit stehen (V. 14b, V. 15). Die Worte ἐὰν ποιῆτε αὐτά, die in dem ἐάν-Satz von 15,14 ihre Parallele haben (s. u. Anm. 92), sprechen von dem in V. 14 f. gebotenen Tun. Zu dem in V. 17 vorausgesetzten Verhältnis von „Wissen“ und „Tun“ s. Thyen (s. Anm. 4), 593 f. sowie im einzelnen H. Kohler, Kreuz und Menschwerdung im Johannesevangelium. Ein exegetisch-hermeneutischer Versuch zur johanneischen Kreuzestheologie (AThANT 72), Zürich 1987, 227–229. 91 Daß in Joh 13 ein in der johanneischen Gemeinde praktiziertes und von ihr als heilsnotwendig erachtetes Sakrament der Fußwaschung bezeugt wird, vermag ich – anders als Abramowski, Die Geschichte von der Fußwaschung (s. Anm. 1), 183–189; Dies., Der Apostel von Johannes 13,16 (s. ebd.), bes. 120–123 – nicht zu sehen. S. dazu auch die folgende Anmerkung. 92 Als eine weitere Parallele zu V. 15 ist der Satz 15,12 zu notieren: αὕτη ἐστὶν ἡ ἐντολὴ ἡ ἐμή, ἵνα ἀγαπᾶτε ἀλλήλους καθὼς ἠγάπησα ὑμᾶς. Der Parallelität der Verse 13,15 / 13,34 / 15,12 entspricht dann diejenige der Verse 13,17 (εἰ ταῦτα οἴδατε, μακάριοί ἐστε ἐὰν ποιῆτε αὐτά) / 13,35 (ἐν τούτῳ γνώσονται πάντες ὅτι ἐμοὶ μαθηταί ἐστε, ἐὰν ἀγάπην ἔχητε ἐν ἀλλήλοις) / 15,14 (ὑμεῖς φίλοι μού ἐστε ἐὰν ποιῆτε ἃ ἐγὼ ἐντέλλομαι ὑμῖν). – Ebensowenig wie die Worte 13,34 und 15,12 ist V. 15 oder der durch ihn begründete V. 14 ein „Wiederholungsbefehl“ im Sinne von 1 Kor 11,24c.25c / Lk 22,19c. 93 Vgl. Bultmann (s. Anm. 2), 362.403 (auch 417); Schnackenburg (s. Anm. 2), 28.60. 94 So Bultmann, ebd., 417. 95 Vgl. dazu auch 15,12–17: Das Liebesgebot V. 12 gilt den Jüngern als den von Jesus Erwählten, die durch seine Lebenshingabe seine „Freunde“ geworden sind und als diese zu „tun“ ver-
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geforderten Liebe. Wird das gesehen, dann ist deutlich: Der Verpflichtungscharakter der Liebe Jesu wird in der Jüngerbelehrung Joh 13,12–17 nicht einfach nur behauptet, sondern er erfährt von den Versen 1–11 her auch seine einleuchtende und zwingende Begründung. Die Fußwaschung Jesu ist – wie wir jetzt festhalten können – nicht nur in Joh 13,1–11, sondern ebenso auch in Joh 13,12–17 als Vorausdarstellung des Kreuzesgeschehens verstanden. In 13,1–11 geht es zunächst um den Tod Jesu als ein das menschliche Sein effektiv veränderndes Geschehen, d. h. als sacramentum, in 13,12–17 sodann um ihn als ein den „rein“ gewordenen Menschen verpflichtendes exemplum.96 Hier handelt es sich nicht um zwei unterschiedliche und vielleicht sogar miteinander konkurrierende „Deutungen“ des Todes Jesu, sondern um die präzise Bestimmung der Bedeutung dieses Todes unter den beiden zwar zu unterscheidenden, aber doch zusammengehörigen Aspekten. Dabei wird durch die Abfolge der Abschnitte 13,1–11 und 13,12–17 angezeigt, daß die Bedeutung des Todes Jesu als sacramentum seinem Verständnis als exemplum vorgeordnet und übergeordnet ist.97 Mit seiner Sicht des Kreuzesgeschehens tritt der Vierte Evangelist anderen neutestamentlichen Zeugen an die Seite, die in der Sache ebenso von dem Tod Jesu als sacramentum et exemplum reden.98 So betont Paulus in seinen Briefen des öfteren den Verpflichtungscharakter des unter dem grundlegenden Aspekt des „pro nobis“ bedachten Christusgeschehens, und Gleiches begegnet in den Deuteropaulinen.99 Nicht zuletzt aber ist auf 1 Petr 2,21 hinzuweisen, wo das Todesleiden Christi ausdrücklich als ein verpflichtendes „Leitbild“ (ὑπογραμμός) bezeichnet wird: „Christus hat für euch gelitten und euch (damit) ein Leitbild hinterlassen, daß ihr seinen Fußspuren nachfolgt.“100 Was alle diese Zeugnisse mögen, was er ihnen gebietet. Zu 15,12–17 s. im einzelnen die tiefe Auslegung bei Bultmann, ebd., 417–421. 96 Zum Verständnis des Todes Jesu als sacramentum einerseits und als exemplum andererseits s. E. Jüngel, Das Opfer Jesu Christi als sacramentum et exemplum. Was bedeutet das Opfer Christi für den Beitrag der Kirchen zur Lebensbewältigung und Lebensgestaltung?, in: Ders., Wertlose Wahrheit. Zur Identität und Relevanz des christlichen Glaubens. Theologische Erörterungen III (BEvTh 107), München 1990, 261–282, bes. 264–268. In meiner Kennzeichnung des sacramentum nehme ich eine Formulierung Jüngels (ebd., 265) auf. 97 Vgl. zu dieser Verhältnisbestimmung von sacramentum und exemplum Jüngel, ebd., 264 f. 98 Innerhalb des Corpus Johanneum selbst sind hier die beiden Sätze 1 Joh 2,6 und 1 Joh 3,16 zu nennen. 99 S. etwa Röm 15,1–6.7; 2 Kor 8,7–9; Gal 6,2; Phil 1,27–2,18; Kol 3,13; Eph 5,2.25 und dazu O. Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 50–74: 70–72. 100 Übersetzung im Anschluß an L. Goppelt, Der Erste Petrusbrief (KEK 12/1), Göttingen ¹(⁸)1978, 198. Zur Auslegung s. ebd., 199–203 mit der trefflichen Bestimmung: ὑπογραμμός ist hier „das ‚Leitbild‘, das verpflichtend vorgegeben ist, nicht das ‚Beispiel‘ oder ‚Vorbild‘, dem man aus freier Wahl nacheifert“ (201). – Zu ὑπογραμμός in dem in 1 Petr 2,21 vorliegenden Sinn s. auch 1 Klem 16,17 (mit 16,1–16) und Polyk 8,1 f.
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in der Gestalt der theologischen Aussage zur Sprache bringen, das kommt in Joh 13 durch die Verbindung der beiden Abschnitte V. 1–11 und V. 12–17 narrativ zur Darstellung.
Mensch und Schöpfung nach dem Zeugnis des Römerbriefs Daß zwischen dem von Gott geschaffenen Menschen und der außermenschlichen Schöpfung eine unlösliche Verbindung besteht, kommt in den Briefen des Paulus nur an einer einzigen, allerdings höchst gewichtigen Stelle zur Sprache – nämlich in den Versen Röm 8,18–25. Diesen Versen sind die folgenden Überlegungen gewidmet, die den Text auf der Grundlage einer genauen sprachlichen Analyse auszulegen und seine theologische Aussage vor allem unter Beachtung des paulinischen Kontexts herauszuarbeiten suchen.1
I Die Verse Röm 8,18–25 wollen auf dem Hintergrund dessen bedacht und verstanden sein, was zuvor im Römerbrief zum einen über die Verlorenheit des Menschen vor Gott und zum andern über seine Rettung durch Gott gesagt worden ist. Wir müssen uns deshalb zunächst die entsprechenden Ausführungen des Apostels in ihren Grundzügen vergegenwärtigen. Mit großem Ernst hat Paulus in Röm 1,18–3,20 wie auch an anderen Stellen des Briefes2 dargelegt, daß ausnahmslos alle von Adam herkommenden Menschen der Macht der Sünde und deshalb auch der Macht des Todes verfallen sind. Unter der „Sünde“ versteht der Apostel das unerhörte Nein, mit dem der Mensch seinem Schöpfer den dankbaren Lobpreis wie auch den gehorsamen Dienst verweigert und geschaffene Dinge zu seinem höchsten Gut und damit 1 Aus der Literatur seien neben den Kommentaren z.St. genannt: A. Vögtle, Röm 8,19– 22: Eine schöpfungstheologische oder anthropologisch-soteriologische Aussage?, in: Ders., Das Neue Testament und die Zukunft des Kosmos (KBANT), Düsseldorf 1970, 183–208; H. R. Balz, Heilsvertrauen und Welterfahrung. Strukturen der paulinischen Eschatologie nach Römer 8,18–39 (BEvTh 59), München 1971, bes. 36–69; P. von der Osten-Sacken, Römer 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie (FRLANT 112), Göttingen 1975, 78–128.263–271; W. Bindemann, Die Hoffnung der Schöpfung. Römer 8,18–27 und die Frage einer Theologie der Befreiung von Mensch und Natur (NStB 14), Neukirchen-Vluyn 1983; S. Vollenweider, Freiheit als neue Schöpfung. Eine Untersuchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt (FRLANT 147), Göttingen 1989, 375–396; E. Grässer, Das Seufzen der Kreatur (Röm 8,19–22), JBTh 5 (1990) 93–117; J. Lambrecht, The Groaning Creation. A Study of Rom 8:18–30, LS 15 (1990) 3–18; H. Weder, Geistreiches Seufzen. Zum Verhältnis von Mensch und Schöpfung in Römer 8, in: Ders., Einblicke ins Evangelium. Exegetische Beiträge zur neutestamentlichen Hermeneutik, Göttingen 1992, 247–262. 2 S. insbesondere Röm 3,22b+23; 5,12–21; 6,20 f.23a; 7,5.7–25a (vgl. auch 8,5–8).
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zu seinem Gott erwählt.3 Weil die Sünde so dezidiert das Gottesverhältnis betrifft und ihrem Wesen nach „Gottlosigkeit“ und „Feindschaft gegen Gott“ ist,4 deshalb macht sie jede Gemeinschaft des Menschen mit Gott, der Quelle des Lebens, absolut unmöglich. Davon ist die Rede, wenn es in Röm 5,12 heißt, daß durch Adam „die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod“ und daß in der Folge dieses verhängnisvollen Geschehens „der Tod zu allen Menschen hingekommen ist, weil sie alle gesündigt haben“.5 In diesem Satz geht es nicht einfach nur um die kreatürliche Sterblichkeit des Menschen. Paulus spricht vielmehr von dem Tod, der durch das Verdammungsurteil Gottes sowohl über Adam wie auch über alle seine Nachkommen verhängt worden ist.6 Der durch Adam in die Welt gekommene Tod ist der den Menschen von Gott trennende Tod, dem deshalb in Röm 5,12–21 nicht das physische Leben gegenübersteht, sondern das „ewige Leben“7, d. h. die unmittelbare, vollkommene und beständige Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott. Den Gedanken, daß Adam dieses ewige Leben vor seinem Fall besessen habe, vertritt Paulus nicht. Das ergibt sich nicht zuletzt aus jenem Satz des Römerbriefs, der häufig, aber völlig zu Unrecht als ein Beleg für die gegenteilige Auffassung angesehen wird. Ich spreche von dem Vers Röm 3,23, in dem der Apostel im Blick auf die ganze – Juden wie Heiden umfassende – Menschheit erklärt: „Alle haben gesündigt und entbehren der Herrlichkeit Gottes“ (πάντες ἥμαρτον καὶ ὑστεροῦνται τῆς δόξης τοῦ θεοῦ).8 Der Ausdruck „die Herrlichkeit Gottes“, der hier und dann erneut in Röm 5,2 begegnet, meint an beiden Stellen die Herrlichkeit, die Gott schenkt9 und die dem Menschen mit dem ewigen Leben gegeben ist.10 Der Satz Röm 3,23 selbst wird in der Exegese ganz überwiegend so gedeutet, daß Paulus die frühjüdische Vorstellung aufnehme, wonach Adam im Paradies die Herrlichkeit Zur paulinischen Kennzeichnung der Sünde s. die beiden Sätze Röm 1,21a und Röm 1,25. S. dazu Röm 1,18 (ἀσέβεια) und Röm 8,7 (ἔχθρα εἰς θεόν) sowie ferner in Röm 5,6–10 das Nebeneinander der Begriffe ἀσεβεῖς (V. 6), ἁμαρτωλοί (V. 8) und ἐχθροί (V. 10). Zur Charakterisierung des Sünders als eines „Gottlosen“ vgl. schließlich auch Röm 4,5. 5 Zu Röm 5,12 bzw. zu Röm 5,12–21 insgesamt s. im einzelnen O. Hofius, Die AdamChristus-Antithese und das Gesetz. Erwägungen zu Röm 5,12–21, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143), Tübingen 2002, 62–103. 6 Röm 5,16b.18a. Zu dem an beiden Stellen begegnenden Begriff κατάκριμα s. auch Röm 8,1. 7 Röm 5,17.18.21: ζωὴ αἰώνιος. Vgl. auch Röm 6,22 f. 8 Die Worte πάντες ἥμαρτον, die Paulus dann in Röm 5,12 noch einmal wiederholt, nehmen die Aussage von Röm 3,9 auf, daß ausnahmslos alle, Juden wie Heiden, „unter der Macht der Sünde stehen“ (πάντας ὑφ’ ἁμαρτίαν εἶναι). 9 Der Genitiv τοῦ θεοῦ ist an beiden Stellen ein Genitivus auctoris, nicht ein Genitivus possessoris. 10 In Röm 8,21 erscheint deshalb δόξα als Gegenbegriff zu φθορά und somit als Synonym zu ἀφθαρσία. Zu ἀφθαρσία als Gegenbegriff zu φθορά s. 1 Kor 15,42.50 (vgl. 53 f.); Philo, Mos II 194; POxy 1081,10–19 (Fragment der Sophia Jesu Christi; s. D. Lührmann, Fragmente apokryph gewordener Evangelien in griechischer und lateinischer Sprache [MThSt 59], Marburg 2000, 96–101: 99). 3 4
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des ewigen Lebens besessen, sie dann aber aufgrund seiner Sünde verloren hat.11 Gegen diese Deutung spricht jedoch bereits, daß die Worte ὑστεροῦνται τῆς δόξης τοῦ θεοῦ keineswegs die Übersetzung „sie haben die Herrlichkeit Gottes verloren“12 oder „sie sind der Herrlichkeit Gottes verlustig“13 zulassen; denn ὑστερεῖσθαί τινος heißt nicht „etwas verlieren“ bzw. „etwas verloren haben“, sondern die Bedeutung des Wortes ist: „einer Sache ermangeln“ / „etwas nicht haben“. Nicht von dem Verlust eines Besitzes ist also die Rede, sondern davon, daß alle Menschen aufgrund ihrer Sünde etwas entbehren, was sie eigentlich haben sollten. Zu dem sprachlichen Befund kommt eine sachliche Beobachtung hinzu: Wo immer Paulus sonst in seinen Briefen im Blick auf den Menschen von der δόξα spricht, da handelt es sich um die eschatologische Herrlichkeit, die den an Christus Glaubenden mit der Auferweckung von den Toten zuteil werden wird.14 Setzt man schließlich den Satz Röm 3,23 zu dem in Beziehung, was in 1 Kor 15,42–49 gesagt wird, dann zeigt sich, daß an diesen Stellen ein ganz bestimmtes Verständnis der Paradies- und Sündenfallgeschichte von Gen 2+3 zum Ausdruck kommt.15 Wenn Gott nach Gen 2,7 Adam aus Staub vom Erdboden bildet und ihm den Lebensodem einhaucht, dann deutet Paulus dies auf die Gabe des kreatürlichen physischen Lebens. Das ewige Leben sieht er erst da angesprochen, wo der „Baum des Lebens“ erwähnt wird, von dem Adam essen durfte und sollte (Gen 2,9). Nach dem Verständnis des Apostels lehrt dieser Zug der Erzählung, daß Adam mit der Bestimmung und dem Ziel geschaffen wurde, die ζωὴ αἰώνιος und mit ihr die δόξα τοῦ θεοῦ zu empfangen. Die Erschaffung des Menschen war also mit der Gabe des Lebensodems noch keineswegs vollendet; sie „sollte weitergehen, aber seine Sünde brach sie ab“.16 Darin, daß 11 Als Belege für die frühjüdische Vorstellung, der Paulus angeblich verpflichtet ist, werden zumeist genannt: ApkMos 20,2; 21,6; grBar 4,16; GenR 12,5 zu 2,4. Dazu sei jetzt nur das Folgende angemerkt: 1) In ApkMos 20,2 (ἀπηλλοτριώθην ἐκ τῆς δόξης μου) und 21,6 (ἀπηλλοτρίωσάς με ἐκ τῆς δόξης τοῦ θεοῦ) handelt es sich um christliche Aussagen, die eine Exegese von Röm 3,23 voraussetzen, wie sie sich etwa bei Origenes findet (s. Commentarius in Epistulam ad Romanos III 7 zu Röm 3,23 [Fontes Christianae 2/2, 108,14 f.]: alieni […] effecti sunt […] a gloria Dei). 2) Als Exegese von Röm 3,23 ist ebenfalls der Satz grBar 4,16 zu beurteilen, dessen Herkunft von christlicher Hand durch grBar 4,15 bestätigt wird. 3) Daß die in GenR 12,5 zu 2,4 und ebenso in GenR 11,2 zu 2,3 bezeugte Deutung von Ps 49,13 (s. dazu auch bSanh 38b; AbotRN [A] 1; TargPsJon Gen 2,25) und Hi 14,20b auf Adam bereits für die neutestamentliche Zeit vorausgesetzt werden kann, wird man bezweifeln dürfen. 12 So übersetzt z. B. W. Schmithals, Der Römerbrief. Ein Kommentar, Gütersloh 1988, 116. 13 So übersetzen z. B. U. Wilckens, Der Brief an die Römer I: Röm 1–5 (EKK VI/1), Zürich – Einsiedeln bzw. Neukirchen-Vluyn 1978, 183; E. Käsemann, An die Römer (HNT 8a), Tübingen ⁴1980, 85. 14 δόξα τοῦ θεοῦ: Röm 5,2; δόξα: Röm 2,7.10; 8,18.21; 9,23; 1 Kor 2,7; 15,43; 2 Kor 4,17; Phil 3,21; 1 Thess 2,12 (in den Deuteropaulinen: 2 Thess 2,14; Kol 1,27; 3,4); s. auch συνδοξάζεσθαι Röm 8,17. Die Aussagen von Röm 8,29 f. und 2 Kor 3,18 gehören ebenfalls in diesen Zusammenhang. 15 S. dazu des näheren Hofius, Die Adam-Christus-Antithese und das Gesetz (s. Anm. 5), 79–81. 16 Chr. Burchard, 1 Korinther 15,39–41, ZNW 75 (1984) 233–258: 244 Anm. 43.
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Adam aufgrund seiner Sünde sogleich aus dem Paradies vertrieben und ihm so der Zugang zum „Baum des Lebens“ verwehrt wurde (Gen 3,22–24), erblickt Paulus die Verwirklichung der Todesandrohung von Gen 2,17b, und er begreift diese richterliche Entscheidung Gottes als die Verweigerung des ewigen Lebens. Adams Sündenfall ist somit nach der Sicht des Apostels der unerhörte Zwischenfall, der das Zum-Ziel-Kommen des Schöpfungsplanes Gottes verhindert hat. Die Begriffe ζωὴ αἰώνιος bzw. ζωή und δόξα τοῦ θεοῦ bzw. δόξα bezeichnen eben jenes Heilsgut, das Gott, der Schöpfer, Adam und mit ihm dem Menschen zugedacht hatte und das dann wegen der Sünde sowohl dem Protoplasten wie auch allen seinen Nachkommen vorenthalten blieb. Daß Gott den sündigen und vor ihm verlorenen Menschen nicht preisgibt, das ist das alles beherrschende Thema, das von Röm 3,21 an ausführlich erörtert und entfaltet wird.17 Im Geschehen des Todes und der Auferstehung Jesu Christi – so lauten die entscheidenden Aussagen – hat Gott dem Menschen das Heil bereitet, das im Evangelium von Jesus Christus bezeugt und zugeeignet wird und daß der Hörer des Evangeliums im Glauben an Jesus Christus empfängt. Von diesem Heil spricht der Apostel dabei unter zwei grundlegenden Aspekten: Die Glaubenden sind – so der erste Aspekt – schon jetzt „gerechtfertigt“ bzw. „gerecht gemacht“, d. h. in die heilvolle Beziehung zu dem lebendigen Gott versetzt, und somit „Kinder“ Gottes, die ihn in der Kraft des Heiligen Geistes als ihren Vater anrufen und ihm in einem neuen Leben dienen.18 Als solche werden sie – so der zweite Aspekt – in der Zukunft des ewigen Lebens und also der vollkommenen Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott teilhaftig werden. Was den zweiten Aspekt anlangt, so sind neben anderen Aussagen des Römerbriefs19 etwa die Verse Röm 8,10 f. zu nennen, in denen Paulus die Situation derer beschreibt, die durch das Christusgeschehen von dem seit Adam bestehenden Sünde-TodZusammenhang befreit worden sind.20 Von ihnen heißt es zunächst in V. 10: Ihr Leib ist zwar noch „der Notwendigkeit des Sterbens unterworfen“,21 weil dem Röm 3,21–4,25; 5,1–11; 5,12–21; 6,23b; 7,24.25a; 8,1–11. S. auch bereits Röm 1,16 f. dazu Röm 8,1–17 (speziell zur υἱοθεσία und zur Anrufung Gottes als Vater: V. 15 f.); vgl. auch Röm 6,4.11.22; 7,6. 19 Röm 1,16 f.; 5,17b.18b.21b; 6,22 f.; 7,24 f.; 8,2. 20 Die Befreiung von dem Sünde-Tod-Zusammenhang thematisiert Paulus in Röm 8,1–17. 21 So die Wiedergabe von νεκρός Röm 8,10 bei S.Ch. Schirlitz / Th. Eger, Griechischdeutsches Wörterbuch zum Neuen Testamente, Gießen ⁶1908, 277b s. v. 1. Zu νεκρός in der Bedeutung „sterblich“, „vom Tod gezeichnet“, „dem Tod verfallen“, „todgeweiht“ s. etwa Epiktet, Diss I 3,3; II 19,27; grHen 103,5 (vgl. auch ὁ νεκρός = „der Sterbende“: Euripides, Rhes 789; Antiphon aus Rhamnus, Or II 4,5; Thukydides, Hist II 52,2). – Daß das νεκρὸν σῶμα von Röm 8,10 nicht das σῶμα τῆς ἁμαρτίας von Röm 6,6 bzw. das σῶμα τοῦ θανάτου von Röm 7,24 ist, sondern das θνητὸν σῶμα von Röm 6,12; 8,11, vertreten mit gutem Grund etwa M. Dibelius, Der Herr und der Geist bei Paulus, in: Ders., Botschaft und Geschichte II, Tübingen 1956, 128–133: 131 f.; C. E. B. Cranfield, The Epistle to the Romans I (ICC), Edinburgh 1975 = 1980, 389; Schmithals, Der Römerbrief (s. Anm. 12), 271; S. Vollenweider, Der Geist Gottes als Selbst der Glaubenden. Überlegungen zu einem ontologischen Problem in der paulinischen Anthropologie, ZThK 93 (1996) 163–192: 172 f.; Chr. Landmesser, Der Geist und die christ17
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adamitischen Menschen um der Sünde willen das ewige Leben verwehrt blieb;22 der ihnen geschenkte Geist Gottes aber ist der Garant dafür, daß ihr Leib aufgrund der ihnen schon jetzt zuteil gewordenen heilvollen Gottesbeziehung nicht im Tod bleiben, sondern am Ende im Zeichen des „Lebens“ stehen wird.23 V. 11 erläutert diese Aussage mit dem Hinweis auf den unlöslichen Zusammenhang, der zwischen der Auferweckung Jesu und der Auferweckung derer besteht, die ihm angehören: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird der, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.“ Wie Paulus hier den Empfängern des Römerbriefs die zukünftige ζωὴ αἰώνιος vor Augen stellt, so kann er ganz analog auch von der zukünftigen δόξα reden, die Gott den Glaubenden schenken wird. Nach Röm 5,1 f. „rühmen“ sich diejenigen, die „aus Glauben gerecht geworden“ sind, „der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“.24 Als „Kinder“ Gottes sind sie ja – wie es dann in Röm 8,17 heißt – auch „Erben“ Gottes und als solche „Miterben“ Christi, die jetzt mit ihm „leiden“, am Tag der Heilsvollendung aber auch ganz gewiß mit ihm „verherrlicht werden“.25 Wenn Paulus hier von dem συμπάσχειν der Kinder Gottes spricht, dann denkt er an das in Röm 8,35+36 erwähnte Leiden um Christi willen – d. h. an das Leiden, das über ihn selbst kommt, weil er den gekreuzigten Christus verkündigt, und über die Glaubenden, weil sie sich zu diesem Gekreuzigten bekennen.26 Denen, die so um Christi willen leiden, liche Existenz. Anmerkungen zur paulinischen Pneumatologie, in: U. H. J. Körtner / A. Klein (Hg.), Die Wirklichkeit des Geistes. Konzeptionen und Phänomene des Geistes in Philosophie und Theologie der Gegenwart, Neukirchen-Vluyn 2006, 129–152: 140–145. Vollenweider (172 Anm. 37) und ihm folgend Landmesser (144 Anm. 39) verweisen zu diesem Gebrauch von νεκρός auf die Rede vom νεκρὸν σῶμα bei Philo; in den entsprechenden Aussagen (Leg All I 108; III 69 f.72.74; Gig 15; Mut 173) handelt es sich jedoch um den – stoischem Denken (s. Epiktet, Diss I 19,9; Fr 26) verpflichteten – Gedanken, daß der Leib ein „Leichnam“ ist, den die Seele tragen muß (vgl. Agric 25; Migr 21; Somn II 237 sowie zu νεκρὸν σῶμα = „Leichnam, Leiche“ etwa Mos I 105; Spec Leg I 62.113; II 16; III 205). Den „sterblichen“ Leib bezeichnet Philo – ebenso wie Paulus in Röm 6,12; 8,11 – als θνητὸν σῶμα (Mut 36; Spec Leg II 230). 22 Das ist m. E. der Sinn der Worte τὸ μὲν σῶμα νεκρὸν διὰ ἁμαρτίαν. 23 Das besagen die Worte τὸ δὲ πνεῦμα ζωὴ διὰ δικαιοσύνην. Die an Christus Glaubenden verfallen also mit dem Sterben nicht dem von Gott trennenden Tod; für sie gilt vielmehr: οὔτε θάνατος οὔτε ζωὴ […] δυνήσεται ἡμᾶς χωρίσαι ἀπὸ τῆς ἀγάπης τοῦ θεοῦ τῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡμῶν (Röm 8,38 f.) und: ἐάν τε […] ζῶμεν ἐάν τε ἀποθνῄσκωμεν, τοῦ κυρίου ἐσμέν (Röm 14,8b). 24 S. dazu auch die beiden Schlüsse a maiore ad minus in Röm 5,8 f. und Röm 5,10. 25 In Röm 8,17 hat εἴπερ die Bedeutung „so gewiß“ (wie Röm 3,30; 8,9; 2 Thess 1,6), und der ἵνα-Satz beschreibt nicht die Absicht, sondern die notwendige Folge. Zu συνδοξάζεσθαι s. u. Anm. 27. 26 S. dazu neben Röm 8,35 f. auch Phil 1,29 f. sowie die Aussagen des Apostels über die ihm selbst widerfahrenden Leiden: 1 Kor 4,9–13; 15,32; 2 Kor 1,3–11; 4,7–18; 6,4–10; 7,5; 11,23–33; 12,10; Phil 1,12–14; 4,14; 1 Thess 3,7 (vgl. auch Kol 1,24). Auf das Leiden um Christi willen beziehen sich m. E. auch die in Röm 5,3 erwähnten θλίψεις; vgl. 2 Kor 4,17; 1 Thess 1,6; 3,3 f. (dazu auch 2,14); 2 Thess 1,4.6.
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wird eine Herrlichkeit zuteil werden, die der Herrlichkeit ihres auferstandenen Herrn entspricht.27 Genau davon ist dann in Röm 8,18–30 die Rede – und hier insbesondere in den Versen 18–25, deren Gedankengang jetzt Schritt für Schritt nachgezeichnet werden soll.
II Der Abschnitt Röm 8,18–25 beginnt in V. 18 mit einer These, die das zuvor in V. 17 Gesagte begründet und – wie die Einführung durch λογίζομαι anzeigt – den Charakter eines mit Gewißheit geäußerten Urteils hat:28 „Denn ich halte dafür, daß die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen im Vergleich mit der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird.“29 Der Ausdruck „die jetzige Zeit“ (ὁ νῦν καιρός)30 meint die Zeit zwischen dem Tod und der Auferstehung Jesu einerseits und seiner Parusie andererseits. Diese Zeit sieht Paulus geprägt durch die παθήματα – die „Leiden“. Gedacht ist dabei in erster Hinsicht an das in V. 17 angesprochene Leiden um Christi willen, darüber hinaus aber wohl auch an die Leiden überhaupt, denen die an Christus Glaubenden in der jetzigen Zeit ausgesetzt sein können.31 Der Apostel verharmlost die παθήματα nicht, aber er sieht sie im Licht jener Herrlichkeit, der die Glaubenden entgegengehen. Ihr gegenüber fallen die Leiden, so schwer und bedrückend sie auch sein mögen, nicht ins Gewicht. Die Formulierung, daß die Herrlichkeit an denen, die jetzt leiden müssen, „offenbar werden wird“, setzt dabei voraus, daß sie ihnen bereits von Gott bereitet ist,32 so daß sie ihrer völlig gewiß sein können.33
Dies ist der Sinn des Wortes συνδοξάζεσθαι. Vgl. dazu Röm 8,29; 1 Kor 15,49; Phil 3,20 f. V. 18 und ebenso auch bei den Versen 19, 22, 23, 24b und 25 notiere ich den griechischen Text – verbunden mit knappen sprachlichen Erläuterungen – jeweils in einer Anmerkung. 29 λογίζομαι γὰρ ὅτι οὐκ ἄξια τὰ παθήματα τοῦ νῦν καιροῦ πρὸς τὴν μέλλουσαν δόξαν ἀποκαλυφθῆναι εἰς ἡμᾶς. – Zu λογίζεσθαι vgl. Röm 3,28. Die Wendung οὐκ ἄξιος πρός (vgl. Platon, Gorg 471e) erlaubt auch die Übersetzung: die Leiden „sind nicht vergleichbar mit der Herrlichkeit“ oder: sie „stehen in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit“. Das Verbum μέλλειν in Verbindung mit einem Infinitiv ist Umschreibung des Futurs; s. dazu F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 356. 30 Vgl. Röm 3,26; 11,5; 2 Kor 8,14. 31 Dafür könnten das πάντα von Röm 8,28 und die Verse Röm 8,38 f. sprechen. 32 Vgl. zu diesem Gedanken 2 Kor 5,1–5. 33 S. dazu auch den Kettenschluß Röm 8,29 f. mit der abschließenden Aussage V. 30c: diejenigen, die Gott gerecht gemacht hat, „die hat er auch herrlich gemacht“ (τούτους καὶ ἐδόξασεν). Paulus wählt hier ganz bewußt den Aorist ἐδόξασεν, um angesichts der Realität des Leidens deutlich zu machen: Obwohl die Verherrlichung noch aussteht, ist sie den Glaubenden doch von Gott her unwiderruflich zugedacht und zugeeignet. Das heißt: Die Glaubenden stehen dank der in Gottes ewigem Heilsratschluß gefallenen Entscheidung bereits im Licht der zukünftigen Herrlichkeit, und dieses Licht wird über ihnen nicht mehr erlöschen. 27
28 Bei
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Die These von V. 18 wird in den dann folgenden Versen expliziert.34 Dabei liegt der Ton auf den positiven Aussagen, nicht dagegen auf der Beschreibung der leidvollen gegenwärtigen Wirklichkeit. Der Apostel will die alles überragende Größe der zukünftigen Herrlichkeit aufzeigen und so erläutern, weshalb die Leiden dieser Zeit ihr gegenüber nicht ins Gewicht fallen. Dem genannten Ziel dienen zunächst die Verse 19–22, in denen Paulus darlegt, daß mit dem „Offenbarwerden“ der den Glaubenden zugedachten Herrlichkeit die Befreiung der κτίσις vom Los der Vergänglichkeit verbunden sein wird. Da dieses Los in V. 20 ausdrücklich als ein unverschuldetes Geschick gekennzeichnet wird und der Blick des Apostels sich erst von V. 23 an wieder unmittelbar auf die Glaubenden richtet, kann unter der κτίσις nur die belebte wie unbelebte außermenschliche Schöpfung verstanden werden, und zwar die den Menschen umgebende Schöpfungswelt.35 In dem, was Paulus über diese Schöpfung sagt, bedient er sich in eindrucksvoller Weise der rhetorischen Figur der Personifikation.36 So heißt es sogleich in V. 19: „Es wartet nämlich die Schöpfung in sehnsüchtigem Verlangen auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes.“37 Bei dem „Offenbarwerden“ der Kinder Gottes handelt es sich um eben jenes zuvor in V. 18 erwähnte Geschehen, daß an ihnen die eschatologische Herrlichkeit „offenbar werden“ wird. Warum die Schöpfung sehnsüchtig darauf wartet, daß die Kinder Gottes die ihnen verheißene Herrlichkeit empfangen, das erklärt V. 20, der zunächst nach dem griechischen Text zitiert sei: τῇ γὰρ ματαιότητι ἡ κτίσις ὑπετάγη, οὐχ ἑκοῦσα ἀλλὰ διὰ τὸν ὑποτάξαντα, ἐφ’ ἑλπίδι.38 Für das rechte Verständnis dieses Textes sind zwei sprachliche Beobachtungen von Gewicht. Zum einen ist zu notieren, daß die Worte οὐχ ἑκοῦσα ἀλλὰ διὰ τὸν ὑποτάξαντα eine Zwischenbemerkung darstellen und daß deshalb die den Vers abschließende präpositionale Wendung ἐφ’ ἑλπίδι mit dem Satzanfang τῇ γὰρ ματαιότητι ἡ κτίσις ὑπετάγη zu verbinden ist; und zum anderen will beachtet sein, daß in dem Hauptsatz τῇ γὰρ ματαιότητι ἡ κτίσις ὑπετάγη ἐφ’ ἑλπίδι die rhetorisch bewußt ans Ende des Satzes gestellte Wendung ἐφ’ ἑλπίδι den Ton trägt. 34 Wie durch die Inclusio δόξα V. 18 / ἐδόξασεν V. 30 angezeigt wird, umfaßt die Explikation die Verse 8,19–30. 35 Dagegen ist weder an die Engel noch auch an die kosmischen Mächte von Röm 8,38 f. gedacht. – Zu den in der exegetischen Literatur zu verzeichnenden unterschiedlichen Deutungen der κτίσις von Röm 8,18–22 s. etwa Cranfield, The Epistle to the Romans I (s. Anm. 21), 411 f. 36 Zu der Personifikation der vernunftlosen Schöpfung vgl. die Analogien in alttestamentlichen Texten wie Ps 19(18),2; 69(68),35; 98(97),8; 114(113),4.6; Hi 12,7 f.; Jes 14,8; 49,13; 55,12. S. auch 4 Esr 10,9. 37 ἡ γὰρ ἀποκαραδοκία τῆς κτίσεως τὴν ἀποκάλυψιν τῶν υἱῶν τοῦ θεοῦ ἀπεκδέχεται. – In V. 19 stehen die Worte ἡ ἀποκαραδοκία τῆς κτίσεως metonymisch für ἡ ἀποκαραδοκοῦσα κτίσις; s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 185 s. v. ἀποκαραδοκία. 38 Weil das am Anfang des V. 21 stehende ὅτι kausale Bedeutung hat (s. u. Anm. 53), ist am Ende des V. 20 – gegen Nestle / Aland, Novum Testamentum Graece²⁷ – hinter ἐφ’ ἑλπίδι ein Kolon zu setzen.
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V. 20 beginnt mit der Feststellung: „Denn der ματαιότης – der Nichtigkeit – ist die Schöpfung unterworfen worden.“ Dem Sprachgebrauch einiger SeptuagintaPsalmen39 entsprechend bezeichnet das Wort ματαιότης an unserer Stelle die „Nichtigkeit“ im Sinne der Vergänglichkeit und der Todverfallenheit.40 Die Aussage, daß die Schöpfung der ματαιότης „unterworfen worden ist“, wird in der Exegese zumeist dahingehend interpretiert, daß das Prädikat ὑπετάγη als ein Passivum divinum das Handeln Gottes umschreibt. Zwingend ist ein solches Verständnis des Passivs jedoch nicht. Die Worte τῇ ματαιότητι ἡ κτίσις ὑπετάγη könnten sehr wohl einfach nur den Tatbestand zum Ausdruck bringen, daß die Schöpfung der Nichtigkeit unterworfen worden ist. Ehe Paulus den Hauptsatz zuende führt, fügt er zunächst eine gewichtige Zwischenbemerkung ein: Die außermenschliche Schöpfung ist der Nichtigkeit „nicht aus freien Stücken (d. h. nicht durch eigene Schuld41), sondern διὰ τὸν ὑποτάξαντα“ unterworfen worden. Wie die Worte διὰ τὸν ὑποτάξαντα zu übersetzen sind und wer hier mit dem ὑποτάξας gemeint ist, das ist in der Exegese nach wie vor umstritten. Die Mehrheit der Ausleger übersetzt: „durch den, der sie unterworfen hat“42 und deutet den ὑποτάξας auf Gott. Die Schwierigkeit dieser Deutung liegt allerdings darin, daß kausales διά c. acc. – im Unterschied zu kausalem διά c. gen. – nicht den Urheber bezeichnet.43 Nach den Regeln der Grammatik44 bedeutet διά mit Akkusativ der Person vielmehr „wegen jemandes“ / „um jemandes willen“,45 so daß die Worte διὰ τὸν ὑποτάξαντα auf jeden S. besonders Ψ 38,6b und Ψ 143,4, aber auch Ψ 61,10 sowie μάταιος Ψ 88,48b (vgl. V. 49). So versteht den Text mit Recht bereits Johannes Chrysostomus, In Epistolam ad Romanos Homiliae XIV 5, zu Röm 8,20 (PG 60, 530): Τί ἐστι, Τῇ ματαιότητι ἡ κτίσις ὑπετάγη; Φθαρτὴ γέγονε. 41 O. Michel, Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen ¹⁴1978, 267 bestimmt οὐχ ἑκοῦσα zutreffend als „nicht schuldhaft, sondern schicksalhaft“. 42 In diesem Sinn z. B. auch Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 363 s. v. διά B.II.4: „durch den, der sie unterstellt hat“. 43 Gegen Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, ebd. Die Angaben dort sind m. E. unzutreffend. Was die unter 4.a verzeichneten Belegen für διά mit Akkusativ der Sache anlangt, so ist die Bedeutung: „dank“ (2 Makk 12,11), „wegen“ (Arist 77), „kraft“ (Apk 12,11), „aufgrund“ (Apk 13,14). Zu den unter 4.b genannten Belegen für διά mit Akkusativ der Person (Aristophanes, Plut 468 [korrekt: 470]; Dionysius Halicarnassensis, Ant Rom VIII 33,3; Plutarch, Alex 368 [korrekt: 668]; Aelius Aristides, Or 24,1 (Keil) = 44 (Dindorf); PGM 13,579; Arist 292; Sir 15,11; 3 Makk 6,36; Joh 6,57) s. u. Anm. 45. 44 S. dazu G. B. Winer / G. Lünemann, Grammatik des neutestamentlichen Sprachidioms, Leipzig ⁷1867, 372 f.; R. Kühner / B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II: Satzlehre, Bd. 1, Hannover – Leipzig ³1898 = Hannover 1976, 484 f. (§ 434, II.2b); E. Schwyzer / A. Debrunner, Griechische Grammatik II: Syntax und syntaktische Stilistik, München 1950 = ⁴1975, 453; H. W. Smyth / G. M. Messing, Greek Grammar, Harvard 1984, 375 (§ 1685, 2b). Zur präzisen Unterscheidung von kausalem διά c. gen. und διά c. acc. s. Kühner / Gerth, ebd., 485 Anm.; Smyth / Messing, ebd. (§ 1685, 2d). 45 Dabei sind vor allem die folgenden Nuancen zu notieren: „auf Veranlassung jemandes“ (Aristophanes, Plut 145; Sap 16,7; Sir 15,11; Arist 292; PGM 13,579), „durch die Schuld jemandes“ (Xenophon, An VI 6,23; Demosthenes, Or VI 34; XVIII 49 (διά γ’ ὑμᾶς αὐτούς); 39 40
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Fall so übersetzt werden müssen: „um dessen willen, der sie unterworfen hat“. Auch dann ist die Deutung auf Gott nicht ausgeschlossen.46 Wahrscheinlicher aber dürfte es sein, daß die Worte den meinen, der den Anlaß zum ὑποταγῆναι gegeben hat bzw. die Schuld an dem ὑποταγῆναι trägt. Paulus würde dann entweder von Adam oder aber von dem Menschen schlechthin sprechen.47 Wie immer man hier entscheiden mag, so kann doch eines nicht fraglich sein: Der Apostel nimmt an unserer Stelle auf die alttestamentliche Erzählung vom Sündenfall (Gen 3) Bezug, wobei er einer Interpretation der Verse Gen 3,17–19 verpflichtet ist, der wir in Texten des antiken Judentums begegnen.48 Danach hatte der Fall des ersten Menschen Adam verhängnisvolle Folgen für die ganze außermenschliche Schöpfung: Sie wurde durch ihn in das Verderben mit hineingezogen, indem sie ihren paradiesischen Zustand verlor und die Vergänglichkeit als ihre Signatur empfing.49 Diese Sicht hat ihre Voraussetzung in der Überzeugung, daß die den Menschen umgebende Schöpfungswelt um des Menschen willen geschaffen wurde50 und deshalb in einer unlöslichen Schicksalsgemeinschaft mit ihm verbunden ist. Auf die Zwischenbemerkung folgen als Abschluß des Satzes τῇ γὰρ ματαιότητι ἡ κτίσις ὑπετάγη die Worte ἐφ’ ἑλπίδι, für die sich die Übersetzung „nicht ohne 2 Makk 6,25; 7,18; Sir 22,26; 25,24), „durch das Verdienst jemandes“ (Platon, Gorg 515e; Jdt 11,7; 4 Makk 18,4), „dank jemandes“ (Sophokles, Oed Col 1129; Thukydides, Hist I 41,2; Aristophanes, Plut 130.160.470; Xenophon, An V 8,13; VII 6,33; 7,7; Cyrop V 2,35; Platon, Gorg 520c; Cratyl 403d; Demosthenes, Or XVIII 49 (διὰ τοὺς πολλούς). 249; XXXII 8; Dionysius Halicarnassensis, Ant Rom VIII 33,3; Plutarch, Alex 8,4 (668); Amat 13; Aelius Aristides, Or 24,1 (Keil) = 44 (Dindorf); Longus, Daphnis et Chloë II 30,4), „durch die Hilfe / den Beistand jemandes“ (Lysias, Or XII 58; Xenophon, Mem III 3,15; 3 Makk 6,36). – Die Bedeutung „um willen“ liegt auch in Joh 6,57 vor: καθὼς ἀπέστειλέν με ὁ ζῶν πατὴρ κἀγὼ ζῶ διὰ τὸν πατέρα, καὶ ὁ τρώγων με κἀκεῖνος ζήσει δι’ ἐμέ. Gemeint ist: Jesus lebt, weil der Vater lebt, und ebenso wird der an Jesus Glaubende leben, weil Jesus lebt (zu der zweiten Aussage vgl. Joh 14,19b). 46 So findet sich etwa bei Winer / L ünemann (s. Anm. 44), 373 Anm. 2 die Übersetzung „um des Unterwerfenden willen“, und die Erklärung lautet dann: „auf den Wink und Befehl Gottes“. S. ferner z. B. P. Stuhlmacher, Der Brief an die Römer (NTD 6), Göttingen ²(¹⁵)1998, 120.122. 47 Zur Deutung auf Adam s. etwa H. Schlier, Der Römerbrief (HThK VI), Freiburg – Basel – Wien 1977, 261; Weder, Geistreiches Seufzen (s. Anm. 1), 250 mit Anm. 9. Die Deutung auf den Menschen vertritt bereits Johannes Chrysostomus, In Epistolam ad Romanos Homiliae XIV 5, zu Röm 8,20 (s. Anm. 40); s. ferner etwa Th. Zahn, Der Brief des Paulus an die Römer (KNT 6), Leipzig ¹.²1910, 402; A. Jülicher, Der Brief an die Römer (in: SNT 2), Göttingen ³1917, 284; Balz, Heilsvertrauen und Welterfahrung (s. Anm. 1), 41; D. Zeller, Der Brief an die Römer (RNT), Regensburg 1984, 149.162. 48 4 Esr 7,11 f.; syrBar 56,5 f.; LibAnt 37,3; GenR 12,5 zu 2,4; s. auch Jub 3,25. 49 Vgl. dazu W. Harnisch, Verhängnis und Verheißung der Geschichte. Untersuchungen zum Zeit- und Geschichtsverständnis im 4. Buch Esra und in der syr. Baruchapokalypse (FRLANT 97), Göttingen 1969, 106–120. 50 S. dazu 4 Esr 8,1.44; syrBar 14,17 f. und vgl. auch die rabbinischen Aussagen bei P. Biller beck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch III, München 1926 = ²1954, 249 f. unter d.
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Hoffnung“ empfiehlt.51 Die Unterwerfung unter die Vergänglichkeit ist, wie dadurch betont wird, keineswegs ein definitives Geschehen, sondern es gibt für die Schöpfung objektiv eine „Hoffnung“.52 Daß diese Hoffnung – nicht anders als die dann in V. 24 erwähnte Hoffnung der Glaubenden – im Christusgeschehen ihr Fundament hat, ergibt sich aus V. 21, der die Worte ἐφ’ ἑλπίδι begründet und erläutert.53 Auch hier muß ich zunächst den griechischen Text zitieren und ihn durch einige sprachliche Hinweise erläutern. Paulus schreibt: ὅτι καὶ αὐτὴ ἡ κτίσις ἐλευθερωθήσεται ἀπὸ τῆς δουλείας τῆς φθορᾶς εἰς τὴν ἐλευθερίαν τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ θεοῦ. Die sprachliche Schwierigkeit des Satzes liegt in den beiden Syntagmata ἡ δουλεία τῆς φθορᾶς und ἡ ἐλευθερία τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ θεοῦ, die einer genauen Bestimmung bedürfen. Da das Syntagma ἡ δουλεία τῆς φθορᾶς den Worten τῇ ματαιότητι ὑπετάγη von V. 20 korrespondiert, dient der Genitiv τῆς φθορᾶς der näheren qualitativen Kennzeichnung der δουλεία,54 und das Syntagma bezeichnet demzufolge „die Versklavung unter die Vergänglichkeit“. Was dann die Worte ἡ ἐλευθερία τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ θεοῦ betrifft, so ist ἡ ἐλευθερία Gegenbegriff zu ἡ δουλεία und entsprechend ἡ δόξα τῶν τέκνων τοῦ θεοῦ Gegenbegriff zu ἡ φθορά. Von daher liegt es nahe, in der Genitivverbindung τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ θεοῦ eine nähere Kennzeichnung der ἐλευθερία zu erblicken und den gesamten Ausdruck ἡ ἐλευθερία τῆς δόξης τῶν τέκνων τοῦ θεοῦ auf die „Freiheit“ von der Vergänglichkeit zu deuten, „die mit der Herrlichkeit der Kinder Gottes gegeben sein wird“.55 Aufgrund der sprachlichen Erwägungen kann V. 21 dann etwa folgendermaßen wiedergegeben werden: „Denn auch die Schöpfung selbst wird befreit werden von der Versklavung unter die Vergänglichkeit [und so] zu der Freiheit [gelangen], die den Kindern Gottes mit der Herrlichkeit zuteil werden wird.“ Liest man den Vers so, dann ist der Gedanke nicht der, daß die außermenschliche Schöpfung an der Herrlichkeit der Kinder Gottes Anteil haben wird, sondern Paulus betont, daß die Schöpfung in dem Augenblick von der „Versklavung unter die Vergäng51 Zutreffend Zahn, Der Brief des Paulus an die Römer (s. Anm. 47), 403: „unter Vorhandensein von Hoffnung“. 52 Vgl. dazu Hi 14,7a LXX: ἔστιν δένδρῳ ἐλπίς „für einen Baum gibt es Hoffnung“. 53 Die am Anfang des V. 21 stehende Konjunktion ὅτι hat nicht explikative („daß“), sondern kausale Bedeutung („denn“; vgl. dazu Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 456,1; Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 1193 s. v. ὅτι 3.b). Der Vers gibt also nicht den Inhalt der in V. 20 erwähnten Hoffnung an, er begründet vielmehr das ἐφ’ ἑλπίδι von V. 20. Der richtigen Erkenntnis, daß es sich um ein kausales ὅτι handelt, verdankt sich die sekundäre Lesart διότι ( אD* F G 945). 54 Der Genitiv τῆς φθορᾶς ist also nicht ein Genitivus epexegeticus zu δουλεία, was bedeuten würde, daß die δουλεία der Schöpfung in der „Vergänglichkeit“ besteht. Zur Fülle der Möglichkeiten des qualifizierenden Genitivgebrauchs s. Kühner / Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II/1 (s. Anm. 44), 335 f. (§ 414,4). 55 Vgl. die Übersetzung von H. Menge, Das Neue Testament, Stuttgart ¹¹1949, 241: Die Schöpfung wird befreit werden „zur (Teilnahme an der) Freiheit, welche die Kinder Gottes im Stande der Verherrlichung besitzen werden“. Ebensowenig wie τῆς φθορᾶς ist auch τῆς δόξης ein Genitivus epexegeticus.
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lichkeit“ befreit werden wird, in dem die Kinder Gottes die δόξα und mit ihr die Freiheit von der sie jetzt noch zeichnenden Sterblichkeit empfangen. In V. 22 schlägt Paulus den Bogen zu V. 19 zurück: „Wir wissen also, daß die ganze Schöpfung insgesamt seufzt und in Wehen liegt bis zu dieser Stunde.“56 Da von den Glaubenden erst in dem dann folgenden Satz (V. 23) die Rede sein wird, kann die Aussage des V. 22 nicht die sein, daß die Schöpfung zusammen mit ihnen „seufzt und in Wehen liegt“. Das Präfix συν- in den beiden Verben συστενάζειν und συνωδίνειν hebt vielmehr im Sinn des Adverbs συμφώνως57 darauf ab, daß die gesamte außermenschliche Schöpfung in allen Bereichen sehnsüchtig ihrer Befreiung entgegendrängt und mit Schmerzen ihrer Erneuerung harrt – und zwar deshalb, weil Gott ihr ein Ende des Todesverhängnisses bestimmt hat. Daß es so mit der Schöpfung steht, das ist allerdings nicht einfach an ihr selbst abzulesen, ist deshalb auch nicht eine jedermann zugängliche Erkenntnis. Allein der Glaube „weiß“ darum – in jenem Wissen, das Gott den Glaubenden durch seinen Geist schenkt.58 Das Wissen aber, das der Geist schenkt, ist allemal die Erkenntnis dessen, was im Christusgeschehen grundgelegt ist. Mit V. 23 richtet Paulus den Blick wieder ganz auf die Glaubenden. Den Übergang markiert die Ellipse οὐ μόνον δέ,59 die besagt, daß sich nicht nur die Schöpfung unter Seufzen nach ihrer Befreiung sehnt. „Sondern“ – so fährt Paulus fort – „auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe besitzen, auch wir selbst seufzen in unserem Innern, da wir die Kindschaft erwarten, [das heißt:] die Erlösung unseres Leibes.“60 Mit diesen Worten wird aufgenommen, was bereits in Röm 8,15–17 gesagt war: Als solche, die den Heiligen Geist empfangen haben, wissen die Glaubenden, daß sie „Kinder“ Gottes und somit auch „Erben“ der zukünftigen Herrlichkeit sind. Eben deshalb strecken sie sich in sehnsüchtiger Erwartung nach der „Kindschaft“ aus61 – danach also, daß sie die δόξα empfangen und damit sichtbar als Kinder Gottes offenbar werden.62 Im Blick auf dieses „Offenbarwerden“ spricht Paulus von der „Erlösung des 56 οἴδαμεν γὰρ ὅτι πᾶσα ἡ κτίσις συστενάζει καὶ συνωδίνει ἄχρι τοῦ νῦν. – Zu folgerndem γάρ (= „also“) s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 305 s. v. 3. 57 So mit Recht bereits Theodor von Mopsuestia; s. K. Staab, Pauluskommentare aus der griechischen Kirche, Münster ²1984, 139. 58 Vgl. οἴδαμεν Röm 8,28; 2 Kor 5,1 sowie εἰδότες Röm 6,9; 2 Kor 4,14; Gal 2,16. 59 Vgl. dazu Röm 5,3.11; 9,10; 2 Kor 8,19. 60 (οὐ μόνον δέ,) ἀλλὰ καὶ αὐτοὶ τὴν ἀπαρχὴν τοῦ πνεύματος ἔχοντες, ἡμεῖς καὶ αὐτοὶ ἐν ἑαυτοῖς στενάζομεν υἱοθεσίαν ἀπεκδεχόμενοι, τὴν ἀπολύτρωσιν τοῦ σώματος ἡμῶν. – In dem Ausdruck ἡ ἀπαρχὴ τοῦ πνεύματος ist τοῦ πνεύματος ein Genitivus appositivus, nicht dagegen ein Genitivus partitivus. 61 Der Sinn ist also nicht: Obwohl die Glaubenden den Geist als Erstlingsgabe besitzen, seufzen sie in der Erwartung der noch zukünftigen δόξα. 62 Der Ausdruck υἱοθεσία steht in V. 23 metonymisch für ἡ ἀποκάλυψις τῆς υἱοθεσίας und entspricht dem in V. 19 begegnenden Ausdruck ἡ ἀποκάλυψις τῶν υἱῶν τοῦ θεοῦ.
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Leibes“.63 Gemeint ist – den Aussagen von Röm 8,10 f. entsprechend – die Verwandlung bzw. Umgestaltung des noch sterblichen Leibes in den neuen, nicht mehr vom Tod gezeichneten Leib.64 Die sehnsüchtige Erwartung der Glaubenden gilt also der Auferstehung der Toten als dem definitiven Ende der Todesherrschaft. Auf das Fundament dieser Erwartung verweist Paulus in V. 24a: τῇ γὰρ ἐλπίδι ἐσώθημεν – „Denn zu solcher Hoffnung sind wir gerettet worden.“ Das Passivum divinum ἐσώθημεν bezieht sich auf die „in Christus Jesus geschehene Erlösung“ (Röm 3,24), und τῇ ἐλπίδι dürfte als ein Dativus finalis zu lesen sein.65 Die Worte τῇ γὰρ ἐλπίδι ἐσώθημεν besagen demnach, daß die Hoffnung auf die „Erlösung des Leibes“ eine wesentliche Konsequenz der im Christusgeschehen erfolgten Rettung ist und daß sie in ihm ihren festen Grund hat. V. 24b führt den Gedanken weiter: „Hoffnung aber, deren Gegenstand man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wer hofft auf das, was er sieht?“66 Hoffnung – so wird hier gesagt – ist ihrem Wesen nach auf Unsichtbares bezogen. Was das für die Hoffnung der an Christus Glaubenden bedeutet, bringt V. 25 zum Ausdruck: „Wenn wir aber (sc. wie es der Fall ist) auf das hoffen, was wir nicht sehen, dann erwarten wir es in Geduld.“67 Paulus weiß sehr nüchtern, daß die Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit keinen Anhalt an der sichtbaren und gegenwärtig erfahrbaren Wirklichkeit hat. Da aber der Gegenstand der Hoffnung im Christusgeschehen begründet und durch das Zeugnis des Geistes Gottes zuverlässig verbürgt ist, gilt dem Apostel die Ausrichtung auf das Unsichtbare gerade nicht als etwas Problematisches, sondern im Gegenteil als etwas in jeder Hinsicht Positives. V. 25 kann deshalb nicht besagen: Weil die Glaubenden die erhoffte zukünftige Herrlichkeit noch nicht sehen, deshalb bleibt ihnen nur das geduldige Warten. Der Sinn ist vielmehr: Weil sich die Hoffnung der Glaubenden auf das Unsichtbare richtet, auf das allein ihre Hoffnung mit Grund bezogen sein kann, gerade deshalb strecken sie sich in geduldigem Ausharren nach der Zukunft 63 Der Genitiv τοῦ σώματος V. 23b ist ein Genitivus objectivus, nicht dagegen ein Genitivus separationis; die Worte ἡ ἀπολύτρωσις τοῦ σώματος meinen also nicht „die Erlösung von dem Leib“. 64 Vgl. zur Erwartung einer neuen Leiblichkeit 1 Kor 15,35–57; 2 Kor 5,1–5; Phil 3,20 f. und auch Röm 8,29. In 2 Kor 5,2.4 begegnet wie in Röm 8,23 das Motiv des στενάζειν. 65 So mit Recht E. Fuchs, Die Freiheit des Glaubens. Römer 5–8 ausgelegt (BEvTh 14), München 1949, 110; s. auch die Übersetzung von τῇ γὰρ ἐλπίδι ἐσώθημεν bei A. Jülicher, Der Brief an die Römer (s. Anm. 47), 283: „Hoffnung ist das Ziel unsrer Erlösung.“ Zum finalen Dativ vgl. bei Paulus Gal 5,1: τῇ ἐλευθερίᾳ ἡμᾶς Χριστὸς ἠλευθέρωσεν = „damit wir die Freiheit haben, hat Christus uns [sc. durch seinen Tod] frei gemacht“. 66 ἐλπὶς δὲ βλεπομένη οὐκ ἔστιν ἐλπίς· ὃ γὰρ βλέπει τίς ἐλπίζει; – Die von 𝔓⁴⁶ B* und anderen Zeugen gebotene Frage ὃ γὰρ βλέπει τίς ἐλπίζει; dürfte die ursprüngliche Lesart darstellen. Die von א² A C Ψ 33 𝔐 u. a. bezeugte sekundäre Fassung lautet: ὃ γὰρ βλέπει τις, τί καὶ ἐλπίζει; „denn wozu sollte einer auf das hoffen, was er sieht?“ (καὶ unterstreicht das Fragepronomen τί). 67 εἰ δὲ ὃ οὐ βλέπομεν ἐλπίζομεν, δι’ ὑπομονῆς ἀπεκδεχόμεθα. – Die durch εἰ δέ eingeleitete Protasis benennt (wie in Röm 6,8a) die reale Voraussetzung. Damit gewinnt der Bedingungssatz kausalen Sinn. Zu der Möglichkeit einer kausalen Nuance bei Bedingungssätzen mit εἰ c. Ind. s. Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 372,1.
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aus, die ihnen im Christusgeschehen eröffnet worden ist. Ihre beharrliche und angespannte Erwartung entspricht damit der ἀποκαραδοκία der Schöpfung, die Paulus in V. 19 beschrieben hat.
III Als Resümee unserer exegetischen Überlegungen kann jetzt formuliert werden: Den Ausführungen von Röm 8,18–25 zufolge gilt Gottes heilschaffendes Handeln nicht nur dem Menschen, sondern mit ihm zugleich der außermenschlichen Schöpfung. Indem Gott im Christusgeschehen an dem von ihm abgefallenen und deshalb dem Tod verfallenen Menschen festhält, hält er auch an der Schöpfung fest, die durch Adams Fall unter das Verhängnis der Vergänglichkeit geraten ist. Zur Heilsvollendung, bei der die Kinder Gottes das ewige Leben und somit die ihnen bereits bei der Schöpfung zugedachte Herrlichkeit empfangen werden, gehört deshalb unlöslich die Befreiung der Schöpfung von dem auf ihr lastenden Todesverhängnis. Die Schöpfung ist also mit dem Menschen nicht nur in seinem Verderben verbunden, sondern ebenso auch in seiner Erlösung. Angesichts dieser Aussagen stellt sich die Frage nach dem Grund dafür, daß Paulus in unserem Text so pointiert den Zusammenhang zwischen dem Menschen und der den Menschen umgebenden Schöpfungswelt herausstellt. Dieser Grund dürfte nicht einfach in einem besonderen schöpfungstheologischen Interesse zu suchen sein, das den Apostel dann auch dazu veranlaßt hätte, bestimmte frühjüdisch-apokalyptische Vorstellungen von der Schöpfung aufzunehmen. Eine solche Erklärung würde ja schwerlich dem Tatbestand gerecht, daß die Sätze über die außermenschliche Schöpfung fest in einen Kontext eingebettet sind, in dem es um die durch Christus erlösten Menschen und ihre eschatologische Verherrlichung geht. Die Aussagen über die κτίσις stehen demnach ohne jeden Zweifel im Dienst des soteriologischen Zeugnisses, das in den Versen Röm 8,18–30 zur Sprache kommt.68 Wenn Paulus in diesem Kontext auf die außermenschliche Schöpfung Bezug nimmt, dann ist darin jene Absicht zu erkennen, die bereits bei der Exegese benannt wurde: Der Apostel will die alles überragende Größe der δόξα aufzeigen, der die an Christus Glaubenden gerade auch angesichts der leidvollen und bedrückenden Gegenwart entgegengehen.69 Der Hinweis auf die Schöpfung erläutert somit die Behauptung von V. 18, daß 68 Ethische Konsequenzen für das Verhalten der Christen gegenüber der sie umgebenden Schöpfungswelt und hier insbesondere gegenüber den Tieren hat Paulus selbst schwerlich im Blick. Dennoch wird die systematisch-theologische Reflexion über unseren Text solche Konsequenzen zu bedenken und zu beschreiben haben. Ich verweise dazu insbesondere auf den in Anm. 1 genannten Aufsatz von E. Gräßer. 69 So bereits zutreffend Johannes Chrysostomus, In Epistolam ad Romanos Homiliae XIV 5, zu Röm 8,19 (PG 60, 529): ἵνα τῶν μελλόντων ἀγαθῶν ἐνδείξηται τὴν ὑπερβολήν.
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Mensch und Schöpfung nach dem Zeugnis des Römerbriefs
die „Leiden dieser Zeit“ in keinem Verhältnis stehen zu der zukünftigen Herrlichkeit und deshalb – aus der Perspektive der auf diese Zukunft ausgerichteten Hoffnung gesehen – ihr gegenüber nicht ins Gewicht fallen. Diese Feststellung muß nun aber noch durch eine weitere Überlegung vertieft werden. Alles, was in Römer 8 gesagt wird, ist im Licht des Christusgeschehens und mit dem Blick auf das in ihm eröffnete Heil gesagt.70 Das Kapitel beginnt ja keineswegs zufällig mit der solennen Erklärung, daß aufgrund des Sühnetodes Jesu Christi die zu ihm gehörenden Menschen von dem auf der Menschheit lastenden Sünde-Tod-Zusammenhang befreit worden sind (V. 1–4), und es schließt auch nicht zufällig mit dem betonten Hinweis auf die Liebe, die Gott den Glaubenden im Christusgeschehen erwiesen hat (V. 39). Im einzelnen berühren sich die Gedanken des 8. Kapitels des öfteren mit dem, was Paulus im 5. Kapitel des Briefes dargelegt hat. Dort nun wird innerhalb des Abschnitts 5,12–21 eines mehrfach mit besonderem Nachdruck herausgestellt: Dem Unheil, das durch die Sünde Adams angerichtet wurde, steht in unvergleichlicher Überlegenheit das Heil gegenüber, das durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi bewirkt worden ist.71 Während Adams Fall für die ganze von ihm herkommende Menschheit den Sünde-Tod-Zusammenhang zur Folge hatte, bringt Christi Heilstat die Aufhebung dieses Zusammenhangs – und zwar in der Weise, daß die zu Christus Gehörenden mit dem ewigen Leben eine Herrlichkeit empfangen werden, die niemals mehr durch Sünde und Tod bedroht sein wird. Die unvergleichliche Überlegenheit des Christusgeschehens liegt demnach darin, daß in seiner Kraft definitiv das überwunden wird, was dem Schöpfungswillen Gottes entgegensteht. Um genau diese Überlegenheit geht es letztlich auch in Römer 8. In Ergänzung zu dem in Römer 5 Gesagten schließt Paulus jetzt über die adamitische Menschheit hinaus die ganze um des Menschen willen geschaffene und ihm als Lebensraum bereitete Schöpfung in die Betrachtung mit ein. Auch an ihr wird sich die Übermacht des Christusgeschehens erweisen – nämlich in der endgültigen Befreiung von der sie noch zeichnenden Vergänglichkeit. Die Aussagen von Römer 5 und von Römer 8 sind so Ausdruck ein und derselben Gewißheit: Wo die Sünde in ihrer unerhörten, weil Gottes Schöpfungswillen negierenden Macht auf den Plan getreten ist, da hat und behält der Schöpfer das letzte Wort, der das Werk seiner Hände nicht preisgibt. Sein Heilshandeln in Jesus Christus bricht die alles vergiftende und zerstörende Macht des Todes – und dies sowohl in der gesamten Menschenwelt (Röm 5) wie auch in der ganzen den Menschen umgebenden Schöpfungswelt (Röm 8). So ist im Christusgeschehen in universaler Weite der Sieg des Lebens über den Tod begründet, und in diesem Sieg kommt Gottes Schöpfungswille zu seinem Ziel.
S. die ausdrücklichen Bezugnahmen auf das Christusgeschehen in Röm 8,1–4.11.24a.32.34. Röm 5,15–17 und 5,20b.21.
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„Fides ex auditu“ Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17 Im zehnten Kapitel des Römerbriefs bringt Paulus in gewichtigen Ausführungen den Zusammenhang von Verkündigung und Glaube wie auch die Beziehung beider zu dem Christusgeschehen und dem in ihm begründeten Heil zur Sprache. Diese Ausführungen sollen im Folgenden nach Gedankengang und Aussage bedacht werden.1 Das Israel-Problem, dessen Erörterung die drei Kapitel Röm 9–11 gewidmet sind, bleibt dabei – von einigen wenigen Hinweisen abgesehen – außer Betracht.2
I Die Darlegungen von Röm 10 gliedern sich nach meinem Urteil im Großen in die drei Abschnitte 10,1–3, 10,4–17 und 10,18–21. Der für das Textverständnis höchst relevante V. 4 darf demnach nicht von V. 5–17 getrennt und unmittelbar mit V. 1–3 verbunden werden,3 und die Verse 14–17 bilden keineswegs eine feste Einheit mit V. 18–21, so daß zwischen V. 13 und V. 14 eine stärkere Zäsur zu setzen wäre.4 Während Paulus sich in V. 1–3 und dann wieder in V. 18–215 1 Bestimmte Aspekte habe ich bereits in einer älteren Arbeit erörtert: O. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 148–174. Das dort Gesagte suche ich jetzt in einer Gesamtbetrachtung des Abschnitts Röm 10,4–17 weiterzuführen, zu vertiefen und zu präzisieren. Da der begrenzte Umfang des Aufsatzes eine detaillierte Diskussion mit der Sekundärliteratur nicht erlaubt, erfolgt die Auseinandersetzung mit anderen Deutungen des Textes im wesentlichen implizit. 2 Zu meinem Verständnis von Röm 9–11 insgesamt s. O. Hofius, Das Evangelium und Israel. Erwägungen zu Römer 9–11, in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 1), 175–202; Ders., Zur Auslegung von Römer 9,30–33, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143), Tübingen 2002, 155–166. 3 Gegen Nestle / Aland, Novum Testamentum Graece²⁷ und nicht wenige Ausleger. – Die Zugehörigkeit des V. 4 zu V. 5–17 zeigt sich formal wie inhaltlich in der Aufnahme des Begriffs νόμος durch Μωϋσῆς V. 5 und in dem durchgehenden Rekurs auf die Worte παντὶ τῷ πιστεύοντι: s. πᾶς ὁ πιστεύων V. 11 sowie ferner πᾶς V. 12 f. und πιστεύειν V. 9 f.14.16 / πίστις V. 6.8.17. 4 Gegen Nestle / Aland, Novum Testamentum Graece²⁷ und die Mehrheit der Kommentare. – Nur selten werden die Verse 14+15 noch zum Vorhergehenden und die Verse 16+17 dann zum Folgenden gerechnet; so z. B. R. A. Lipsius, Briefe an die Galater, Römer, Philipper (HC 2) Freiburg 1891, 154 f.; H. Lietzmann, An die Römer (HNT 8), Tübingen ³1928 = ⁵1971, 94. 5 Der Abschnitt 10,18–21 wird durch ein – in V. 19 noch einmal wiederholtes – ἀλλὰ λέγω eingeleitet. Zum Beginn eines neuen Abschnitts mit ἀλλά s. Röm 5,15; 1 Kor 15,35; 2 Kor 8,7; Gal 4,8; Phil 1,18b, und zu dem argumentativen λέγω vgl. Röm 11,1.11.13.
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gezielt zu dem Problem äußert, das mit der Ablehnung des Evangeliums durch die überwältigende Mehrheit Israels gegeben ist, handelt es sich in V. 4–17 um eine grundsätzliche theologische Erörterung. So sehr diese durch das IsraelProblem veranlaßt ist und es – wie insbesondere V. 16 zeigt – durchaus mit im Blick hat, so sehr greift sie doch weit darüber hinaus. Sie ist von fundamentaler Bedeutung für die paulinische Theologie überhaupt, weshalb J. Schniewind das zehnte Kapitel des Römerbriefs mit gutem Grund als „das Wort-Gottes-Kapitel κατ’ ἐξοχήν“ bezeichnet hat.6 Was nun die Ausführungen von Röm 10,4–17 anlangt, so läßt sich die folgende Argumentationsstruktur wahrnehmen: Der Abschnitt wird in V. 4 durch die Feststellung eröffnet: τέλος γὰρ νόμου Χριστὸς εἰς δικαιοσύνην παντὶ τῷ πιστεύοντι – „Denn Christus ist das Ende des Gesetzes – zur Gerechtigkeit (d. h. zum Heil) für jeden Glaubenden.“7 Diese Feststellung, die durch das in Röm 9,30–10,3 Gesagte und vor allem durch die in 10,3 erscheinende Opposition von δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ und ἰδία δικαιοσύνη veranlaßt ist, wird sodann in den Versen 5–17 unter ständiger Bezugnahme auf das Zeugnis der Heiligen Schrift Israels entfaltet und erläutert.8
II Suchen wir nunmehr den Gedankengang von Röm 10,4–17 im einzelnen nachzuzeichnen, so ist zunächst der den Abschnitt eröffnende und in der Exegese lebhaft umstrittene V. 4 zu bedenken.9 In ihm erscheint der für die paulinische Rechtfertigungslehre zentrale Begriff der δικαιοσύνη, der das Heil bezeichnet.10 An unserer Stelle ist genauer noch die heilvolle, weil intakte Gottesbeziehung gemeint, die einen Menschen schon jetzt in seinem Sein vor Gott bestimmt und in der Zukunft die eschatologische Rettung, d. h. die Teilhabe am ewigen Leben zur Folge hat.11 In den ersten acht Kapiteln des Römerbriefs hat Paulus dargelegt, daß diese heilvolle Gottesbeziehung grundsätzlich nicht durch die gehor J. Schniewind, Die Begriffe Wort und Evangelium bei Paulus, Bonn 1910, 55. Zur Begründung der Übersetzung, die Χριστός als Subjekt und τέλος νόμου als Prädikatsnomen begreift, s. O. Hofius, Zu Römer 10,4: τέλος γὰρ νόμου Χριστός, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 95–101. 8 Die einzelnen Schriftworte, die Paulus entweder wörtlich oder in freier Wiedergabe nach der Septuaginta zitiert, werden im Folgenden jeweils durch Kursivdruck kenntlich gemacht. 9 Zur näheren Begründung meiner Interpretation s. außer dem in Anm. 7 genannten Aufsatz die folgenden Arbeiten: Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi, in: Paulusstudien (s. Anm. 1), 50–74: 63–66; Gesetz und Evangelium nach 2. Korinther 3, ebd., 75–120: 110 f. Anm. 217. 10 S. dazu O. Hofius, „Rechtfertigung des Gottlosen“ als Thema biblischer Theologie, in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 1), 121–147: 125 f. 11 Vgl. zu dieser Nuance des absolut gebrauchten Begriffs [ἡ] δικαιοσύνη etwa Röm 4,3.5 f.; 5,17.21; 9,30 f.; 10,10; 1 Kor 1,30; Gal 2,21; 3,6.21; 5,5. 6 7
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same Befolgung der Tora vom Sinai erworben, sondern einzig und allein als eine von Gott unverdient gewährte Gabe empfangen werden kann. Die Möglichkeit einer durch Toragehorsam gewonnenen heilvollen Gottesbeziehung, die demgemäß eine ἐκ νόμου δικαιοσύνη12 und eine ἰδία δικαιοσύνη13 wäre, verneint der Apostel deshalb, weil nach seinem Urteil ausnahmslos alle Menschen – Juden wie Heiden – von Adam her unter der Macht der Sünde stehen und als solche zu dem von der Tora geforderten Gehorsam gegenüber Gott und seinem Willen gänzlich unfähig sind.14 Dem Sünder, Gottlosen und Feind Gottes15 kann die Tora kein Heil eröffnen, sondern sie kann ihn nur verklagen und unter das verdiente Gerichtsurteil Gottes stellen.16 Es ist die Tat der freien Gnade Gottes, daß er sich dem vor der Tora verlorenen Menschen in seiner göttlichen Heilsmacht heilschaffend zugewendet und ihm das Heil als eine von ihm, dem Geber, nicht zu trennende Gabe bereitet hat und gewährt.17 Diese ἐκ θεοῦ δικαιοσύνη18 liegt in der Heilstat des Todes und der Auferstehung Jesu Christi beschlossen, sie wird im Evangelium als dem Heilswort Gottes bzw. Jesu Christi kundgegeben und zugeeignet, und sie wird in dem durch das Evangelium gewirkten Glauben an Jesus Christus und somit als ἐκ πίστεως δικαιοσύνη empfangen.19 Auf dem Hintergrund der skizzierten Sicht wollen die Aussagen von Röm 9,30–10,3 und somit auch die Verse Röm 10,2 f. verstanden sein. Paulus bezeugt den nicht an Christus glaubenden Juden in V. 2, daß sie „Eifer für Gott“ haben – und das heißt: daß sie mit ganzem Ernst nach dem Heil der intakten Gottesbeziehung trachten. Die sogleich hinzugefügte Einschränkung ἀλλ’ οὐ κατ’ ἐπίγνωσιν wird in V. 3 präzisiert: Sie erkennen nicht, daß Gott das Heil im Christusgeschehen bereitet hat und daß es nur im Glauben an Christus als seine Gabe empfangen werden kann, und suchen statt dessen das Heil auf dem Weg des Toragehorsams als ἰδία δικαιοσύνη zu gewinnen und zu bewahren.20
12 Röm
10,5; Phil 3,9; auch Gal 3,21. Vgl. syrBar 67,6: zdjqwt’ dmn nmws’. 10,3. Der Ausdruck ἰδία δικαιοσύνη meint genau das, was Paulus in Phil 3,9 ἐμὴ δικαιοσύνη ἡ ἐκ νόμου nennt: das heilvolle Gottesverhältnis dessen, der im Sinne von Röm 2,13 ein „Täter der Tora“ ist. Den negativen Klang, den nicht wenige Ausleger unterstellen, hat der Ausdruck m. E. nicht. 14 S. neben Röm 1,18–3,20 vor allem auch Röm 5,12–21; 7,7–25a; 8,6–8. 15 So die Kennzeichnung des von Adam herkommenden Menschen in Röm 5,6.8.10. 16 Zur Begründung im einzelnen s. O. Hofius, „Werke des Gesetzes“. Untersuchungen zur paulinischen Rede von den ἔργα νόμου, in: Ders., Exegetische Studien (s. Anm. 7), 49–88: 64–77. 17 S. besonders Röm 1,16 f.; 3,21–30; 4,23–25; 5,1–11; 5,15–19.21; 8,9–11.28–30.31–39. 18 So Phil 3,9. Um den Aspekt des ἐκ θεοῦ und um die durch Gottes heilsmächtige Zuwendung konstituierte heilvolle Relation zu ihm geht es wesentlich auch da, wo Paulus von der δικαιοσύνη [τοῦ] θεοῦ spricht: Röm 1,17; 3,21 f.25 f.; Röm 10,3; 2 Kor 5,21. 19 Der Begriff der ἐκ πίστεως δικαιοσύνη begegnet Röm 9,30; 10,6; s. daneben auch [ἡ] δικαιοσύνη [τῆς] πίστεως Röm 4,11a.13 und δικαιοσύνη διὰ πίστεως Röm 3,22; Phil 3,9. 20 Vgl. Röm 9,32a: Israel sucht das Heil οὐκ ἐκ πίστεως ἀλλ’ ὡς ἐξ ἔργων. 13 Röm
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Eben deshalb haben sie der δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ die gehorsame Anerkennung verweigert.21 Der Begründung und Erläuterung von V. 2 f. dient der Satz V. 4. Paulus wiederholt mit den Worten τέλος […] νόμου Χριστὸς εἰς δικαιοσύνην παντὶ τῷ πιστεύοντι noch einmal in gedrängter Zusammenfassung, was er in Röm 3,21– 26 – im Anschluß an Röm 1,18–3,20! – ausführlicher dargelegt hat: Während die Tora vom Sinai niemandem das Heil zu eröffnen vermag, sondern alle Menschen unter das verdiente Todesurteil stellt, hat Gott den vor der Tora Verlorenen in Christus das Heil bereitet, das einem jeden – er sei Jude oder Heide – διὰ πίστεως Ἰησοῦ Χριστοῦ (3,22) zuteil wird.22 Χριστός als Subjekt des V. 4 meint dementsprechend, wie dann durch Röm 10,6–10 bestätigt wird, den Mensch gewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Christus, der das in der Tora zu Recht über den Sünder ausgesprochene Todesurteil am Kreuz auf sich selbst genommen hat;23 und daß er das τέλος νόμου ist, das bedeutet mithin, daß der den Sünder verklagende und verurteilende νόμος im Christusgeschehen sein „Ende“ gefunden hat – daß er hier zum Verstummen gebracht ist.24 Damit ist der Bezug zu V. 2 f. deutlich: Das Bemühen um die ἰδία δικαιοσύνη ist deshalb ein Eifer um Gott οὐ κατ’ ἐπίγνωσιν, weil hier beides nicht wahrgenommen wird: die Heillosigkeit vor der richtenden Tora Gottes und die Bereitung und Gewährung des Heils in dem rettenden Christusgeschehen.
III Die Aussage von Röm 10,4 wird in den Versen Röm 10,5–17 entfaltet und erläutert – und zwar unter Aufnahme dessen, was in der Formulierung des RömerbriefThemas Röm 1,16 f. über das εὐαγγέλιον gesagt war: δύναμις […] θεοῦ ἐστιν εἰς σωτηρίαν παντὶ τῷ πιστεύοντι, Ἰουδαίῳ τε πρῶτον καὶ Ἕλληνι. δικαιοσύνη γὰρ θεοῦ ἐν αὐτῷ ἀποκαλύπτεται ἐκ πίστεως εἰς πίστιν. Diese Worte sind im Römer21 Dem οὐχ ὑπετάγησαν entspricht die Kennzeichnung als λαὸς ἀπειθῶν καὶ ἀντιλέγων in Röm 10,21. Die in der Exegese verbreite Meinung, daß Paulus in Röm 10,2 f. im Ton der Anklage von der Schuld der Juden rede und den Vorwurf erhebe, daß sie trotz der ihnen offenstehenden Möglichkeit des Glaubens das Evangelium ablehnen, vermag ich nicht für richtig zu halten. Der Grund für das οὐχ ὑπετάγησαν liegt V. 3 zufolge im ἀγνοεῖν. Die Erkenntnis des Heils aber ist nach Paulus die Gabe, mit der Gott selbst den Glauben wirkt (vgl. 1 Kor 1,18–2,16; 2 Kor 2,14; 4,6). 22 Daß Röm 10,4 eine sachliche Parallele zu dem darstellt, was in Röm 3,21–26 über die im Christusgeschehen „offenbar“ gewordene δικαιοσύνη gesagt wird, zeigen nicht zuletzt die folgenden Entsprechungen: τέλος νόμου 10,4 / χωρὶς νόμου 3,21; παντὶ τῷ πιστεύοντι 10,4 / εἰς πάντας τοὺς πιστεύοντας 3,22. 23 S. dazu Röm 8,1–4 sowie Gal 3,10–14; 4,4 f. 24 C. L. W. Grimm, Lexicon Graeco-Latinum in libros Novi Testamenti, Gießen ⁴1888, 430b s. v. τέλος 1.a bemerkt zutreffend: Als Prädikat zu Χριστός bedeutet τέλος soviel wie is qui finem affert, und der Sinn der Worte τέλος νόμου Χριστός ist deshalb: finem legi attulit Christus.
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brief zuvor zwar hinsichtlich der näheren Bestimmung von δικαιοσύνη θεοῦ und πίστις, nicht aber unter dem Aspekt der Verkündigung expliziert worden.25 Das geschieht erst jetzt im Anschluß an die apodiktische Aussage von Röm 10,4, weil Paulus erklären will und muß, wie es zu dem Glauben kommt, von dem in Röm 1,16 f. und dann von Röm 3,21 an die Rede war. Die Verse Röm 10,5–17, deren besonderes theologisches Gewicht damit sichtbar wird, lassen sich aufgrund sprachlicher und gedanklicher Indizien in die beiden Teile V. 5–8 und V. 9–17 untergliedern. 1. Röm 10,5–8 Die Verse 5–8 nehmen die in V. 3 angesprochene Opposition von ἰδία δικαιοσύνη und δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ auf, indem sie der mit der ἰδία δικαιοσύνη identischen δικαιοσύνη ἡ ἐκ [τοῦ] νόμου (V. 5) in einer klaren Antithese die mit der δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ identische ἐκ πίστεως δικαιοσύνη (V. 6–8) gegenüberstellen. Was von der einen und der anderen δικαιοσύνη gilt, wird dabei jeweils anhand eines Schriftzitats aufgezeigt. V. 5 erläutert unter Hinweis auf Lev 18,5 das in V. 4 vorausgesetzte Urteil, daß es für keinen Menschen eine δικαιοσύνη ἐκ [τοῦ] νόμου gibt: „Mose nämlich schreibt von dem Heil, das aus der Tora [erlangt wird]: ‚Wer sie (sc. alle Anordnungen und Rechtsbestimmungen) getan hat, wird durch sie (d. h. durch ihre Befolgung) das Leben haben‘.“26 Nach der Überzeugung des Apostels gibt Mose als Repräsentant der Tora vom Sinai27 mit den Worten von Lev 18,5 „eine Beschreibung, ja eine Definition der δικαιοσύνη ἐκ νόμου“.28 Die Lebenszusage deutet Paulus dabei in Übereinstimmung mit manchen frühjüdischen 25 Diese Beobachtung wird nicht dadurch relativiert, daß Aussagen wie Röm 5,1 f.5b.11b.17b; 9,1–5.30–33 das Faktum der ergangenen Evangeliumspredigt voraussetzen und Paulus mit den Worten τύπος διδαχῆς Röm 6,17 auf das Evangelium hinweisen dürfte. Als kennzeichnend dafür, daß die Verkündigung des Evangeliums vor Röm 10 kein eigenes Thema ist, kann der folgende terminologische Befund gelten: εὐαγγέλιον (1,1.9.16) begegnet – von der knappen Notiz in 2,16 abgesehen – erst wieder in 10,16 (danach noch in 11,28; 15,16.19) und εὐαγγελίζεσθαι (1,15) erst wieder in 10,15 (danach noch in 15,20). Daß κηρύσσειν = „verkündigen“ (10,8.14 f.) und ἀκοή = „Predigt“ / „Verkündigung“ (10,16 f.) überhaupt erstmals in Röm 10 erscheinen, ist ebenfalls beachtenswert. 26 Mit Nestle / Aland, Novum Testamentum Graece²⁷ setze ich als ursprüngliche Lesart voraus: Μωϋσῆς γὰρ γράφει τὴν δικαιοσύνην τὴν ἐκ [τοῦ] νόμου ὅτι ὁ ποιήσας αὐτὰ ἄνθρωπος ζήσεται ἐν αὐτοῖς. Paulus zitiert nur Lev 18,5b, er hat aber, wie das durch ἐν αὐτοῖς wieder aufgenommene Akkusativobjekt αὐτά zeigt, Lev 18,5a.b insgesamt vor Augen: φυλάξεσθε πάντα τὰ προστάγματά μου καὶ πάντα τὰ κρίματά μου καὶ ποιήσετε αὐτά, ἃ ποιήσας ἄνθρωπος ζήσεται ἐν αὐτοῖς. 27 Vgl. 2 Kor 3,15. 28 D.-A. Koch, Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus (BHTh 69), Tübingen 1986, 294.
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Auslegern29 auf das ewige Leben. Er entnimmt somit dem Schriftzitat, daß die Tora die δικαιοσύνη und von daher auch die Erlangung des ewigen Lebens an den vollkommenen, umfassenden und ganzheitlichen Toragehorsam bindet. Angesichts des Tatbestandes, daß in der von Adam herkommenden Menschheit prinzipiell niemand diesen Gehorsam aufzuweisen vermag, kann der Apostel Lev 18,5 nur als Gerichts- und Todesurteil über alle Menschen begreifen.30 Die durch ein adversatives δέ angeschlossenen Verse 6–8 erläutern, was in V. 4 ausdrücklich gesagt war: daß in Christus für einen jeden Glaubenden das Heil beschlossen liegt: „[6] Das aus Glauben [empfangene] Heil dagegen sagt so: Du mußt nicht denken31: ‚Wer wird in den Himmel hinaufsteigen?‘ – nämlich: um Christus herabzuholen, [7] oder: ‚Wer wird in die Unterwelt hinabsteigen?‘ – nämlich: um Christus von den Toten heraufzuholen. [8] Sondern was sagt es? [Dies:] ‚Nahe ist dir das Wort in deinem Munde und in deinem Herzen‘ – nämlich: das Glauben wirkende Wort, das wir verkündigen.“ Bei dem von Paulus angeführten Schriftzeugnis handelt es sich formal um ein Zitatenfragment aus Dtn 30,11–14, dem er die Worte μὴ εἴπῃς ἐν τῇ καρδίᾳ σου aus Dtn 8,17 bzw. Dtn 9,4 vorangestellt und zu dem er dreimal seine durch τοῦτ’ ἔστιν eingeleitete exegetische Deutung hinzugefügt hat.32 Wenn er den zitierten DeuteronomiumText der ἐκ πίστεως δικαιοσύνη zuschreibt, so begreift er ihn nicht als Wort der Tora, sondern als Wort der Verheißung.33 Daß nach der das Zitat einführenden Formulierung die ἐκ πίστεως δικαιοσύνη selbst redet, ist mit dem Hinweis auf die Figur der Personifikation34 noch keineswegs hinreichend erklärt. Man wird hier vielmehr mit J. A. Bengel eine Metonymie erkennen dürfen,35 im Unterschied zu ihm allerdings eher an eine Geber-Gabe-Metonymie zu denken haben: Paulus hört in dem von ihm zitierten und kommentierten Wort der Schrift 29 TargOnq Lev 18,5; TargPsJon Lev 18,5; SifraLev, ’ḥrj mwt paraša IX 10 zu 18,5 (85d Weiss). 30 Vgl. Gal 3,12 mitsamt V. 10 f. 31 Zu λέγειν ἐν τῇ καρδίᾳ = „denken“ vgl. etwa Ψ 9,32; 13,1; 34,25; Mt 24,48 par. Lk 12,45; Apk 18,7. 32 Zu V. 7 vertreten nicht wenige Exegeten die Ansicht, daß auf die Formulierung der dort zitierten Frage (τίς καταβήσεται εἰς τὴν ἄβυσσον;) die Stelle Ψ 106,26 eingewirkt hat. Sicher ist das jedoch nicht. Paulus könnte vielmehr einer Auslegungstradition verpflichtet sein, die in TargN Dtn 30,13 ihren Niederschlag gefunden hat, wo es heißt: „Hätten wir doch jemanden wie den Propheten Jona, der hinabgestiegen ist in die Tiefen des Großen Meeres.“ Wie die Anspielung auf Jon 2,3–10 zeigt, ist mit den „Tiefen des Großen Meeres“ die ἄβυσσος gemeint. 33 Zu der für die paulinische Schrifthermeneutik grundlegenden Unterscheidung zwischen Verheißung (ἐπαγγελία) und Gesetz (νόμος) s. Gal 3,6–4,7; 4,21–31. Weshalb Paulus in Dtn 30,11–14 ein Wort der Verheißung hört, erklärt überzeugend H.-J. Eckstein, „Nahe ist dir das Wort“. Exegetische Erwägungen zu Röm 10,8, in: Ders., Der aus Glauben Gerechte wird leben. Beiträge zur Theologie des Neuen Testaments (BVB 5), Münster 2003, 55–72. 34 So z. B. E. W. Bullinger, Figures of Speech Used in the Bible, London 1898 = Grand Rapids, MI ⁹1982, 867 und nicht wenige Kommentare. 35 J. A. Bengel, Gnomon Novi Testamenti (³1773), hg. v. P. Steudel, Stuttgart ⁸1891, 596: Metonymia suavissima: i. e. homo justitiam ex fide quaerens.
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die Stimme dessen, der die ἐκ πίστεως δικαιοσύνη gewährt.36 Wie der Apostel das Wort inhaltlich versteht, ist evident. V. 6 f. besagt zunächst: Das Heil muß nicht erst vom Menschen durch eigenes Bemühen und also als ἰδία δικαιοσύνη gesucht und erworben werden, sondern es ist schon von Gott bereitet – darin, daß Christus vom Himmel herabgekommen und nach seinem Kreuzestod von den Toten auferstanden ist.37 Wie das in Christus beschlossene Heil dem Menschen zukommt, beschreibt sodann V. 8:38 Es ist präsent in dem nahen Wort, das Paulus und die anderen Apostel verkündigen,39 und es wird zugeeignet, indem dieses Wort Herz und Mund der Hörer erreicht und in ihnen den Glauben wirkt, der Gottes Gabe ergreift. Da als Objekt von κηρύσσειν und seinen Synonymen an anderen Stellen der Paulusbriefe das Evangelium erscheint,40 kann nicht zweifelhaft sein, daß mit dem ῥῆμα τῆς πίστεως eben jenes εὐαγγέλιον gemeint ist, von dem in V. 16 die Rede ist. Der Genitiv τῆς πίστεως nennt – wie durch V. 17 bestätigt wird – die Gabe und Wirkung des ῥῆμα, so daß der Ausdruck τὸ ῥῆμα τῆς πίστεως nur die Übersetzung „das Glauben wirkende Wort“ zuläßt.41 Die Aussage von Röm 10,5–8 kann jetzt so zusammengefaßt werden: Während aus dem Gesetz niemand das Heil der intakten Gottesbeziehung zu gewinnen vermag, hat Gott es in Christus als dem bereitet und gewährt, der zur Erlösung der verlorenen Menschen vom Himmel gekommen, gestorben und auferstanden ist. Christus aber ist gegenwärtig in dem Evangelium, das die Apostel verkündigen und das als das nahe Wort ihn und sein Heil erschließt und so den rettenden Glauben an ihn schafft.
36 Vgl. Hebr 12,5: ἡ παράκλησις steht für den die παράκλησις (d. h. den Zuspruch) gewährenden Gott. – Daß die ἐκ πίστεως δικαιοσύνη spricht (V. 6), während Mose schreibt (V. 5), ist theologisch ohne Belang; s. dazu Eckstein, „Nahe ist dir das Wort“ (s. Anm. 33), 58 f. 37 Das entspricht Röm 8,3 (vgl. Gal 4,4) einerseits und Röm 4,25; 8,32 andererseits. 38 Das in V. 8 zitierte Schriftwort Dtn 30,14 wird durch die Frage ἀλλὰ τί λέγει; eingeführt, die den Worten ἡ δὲ ἐκ πίστεως δικαιοσύνη οὕτως λέγει von V. 6a entspricht. Subjekt zu λέγει ist also die ἐκ πίστεως δικαιοσύνη. Das – logisch nicht ganz konzinne – adversative ἀλλά ist durch den Prohibitiv von V. 6 f. veranlaßt: Auf die in V. 6 f. mitgeteilte negative Weisung dessen, der das Heil aus Glauben gewährt, folgt jetzt als Antithese sein positiver Hinweis auf die Präsenz dieses Heils in dem von den Aposteln verkündigten Wort. 39 κηρύσσομεν bezieht sich – wie dann in V. 14 f. die Worte κηρύσσειν, ἀποστέλλεσθαι und εὐαγγελίζεσθαι – dezidiert auf Paulus und die anderen Apostel. 40 κηρύσσειν: Gal 2,2; 1 Thess 2,9; εὐαγγελίζεσθαι: 1 Kor 15,1 f.; 2 Kor 11,7; Gal 1,11 (s. auch 1 Kor 9,18); καταγγέλλειν: 1 Kor 9,14; λαλεῖν: 1 Thess 2,2 (in Phil 1,14 mit ὁ λόγος bzw. ὁ λόγος τοῦ θεοῦ als Objekt); πληροῦν = „überall verkündigen“: Röm 15,19. 41 Zur Begründung im einzelnen s. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus (s. Anm. 1), 157–163. – Wenn Paulus in dem ῥῆμα von Dtn 30,11–14, mit dem dort Gottes ἐντολή (V. 11) und also letztlich die Tora gemeint ist (Bar 3,29–31; TargN und TargFrgm z.St.; b‛Er 55a; bBM 59b; DtnR 8,6 f. zu 30,12–14), das Evangelium erblickt, so ist das eine äußerst kühne Umdeutung des Textes. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das „nahe“, den Menschen in seinem Person zentrum erreichende Wort kann nach der Überzeugung des Apostels nicht die Tora sein.
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2. Röm 10,9–17 Was Paulus in V. 6–8 über die ἐκ πίστεως δικαιοσύνη gesagt hat, wird in den Versen 9–17 in zwei Schritten – V. 9–13 und V. 14–17 – weiter expliziert. a) Röm 10,9–13 Der erste Schritt (V. 9–13) nimmt aus V. 8 den Begriff πίστις sowie die Stichworte στόμα und καρδία auf, ordnet der καρδία das πιστεύειν und dem στόμα das als Äußerung des πιστεύειν verstandene ὁμολογεῖν zu und zeigt, daß beides – das πιστεύειν wie das ὁμολογεῖν – die δικαιοσύνη und die σωτηρία zur Folge hat.42 Zwischen δικαιοσύνη und σωτηρία ist dabei zu unterscheiden.43 Während es sich bei der δικαιοσύνη um das schon jetzt dem Glaubenden geschenkte Heil der intakten Gottesbeziehung handelt,44 bezeichnet σωτηρία45 – und ebenso das in V. 9 und V. 13 erscheinende Verbum σῴζεσθαι46 – das zukünftige und endgültige Geschick: die Rettung vor dem kommenden Strafgericht (ὀργὴ θεοῦ), das den ewig von Gott trennenden Tod zur Folge hat,47 und die Erlangung des ewigen Lebens. Den gleichen Sinn wie das σωθήσῃ von V. 9 und das σωθήσεται von V. 13 hat deshalb das οὐ καταισχυνθήσεται von V. 11, und beides entspricht dem ζήσεται von V. 5. Was das Verhältnis zwischen δικαιοσύνη und σωτηρία anlangt, so sieht Paulus die eschatologische Rettung mit der gegenwärtigen Gabe der heilvollen Gottesbeziehung bereits fest verbürgt.48 R. A. Lipsius formuliert zutreffend: „Die δικαιοσύνη führt notwendig zur σωτηρία, diese setzt jene notwendig voraus.“49 Innerhalb des Gedankengangs der Verse 9–13 wird V. 9 durch ein kausales ὅτι an V. 8 angeschlossen, das durch die dort implizierte Aussage veranlaßt ist, 42 Wenn in V. 9 zunächst vom ὁμολογεῖν und dann erst vom πιστεύειν die Rede ist, so geschieht das lediglich in Aufnahme der Abfolge στόμα – καρδία, wie sie in dem in V. 8 zitierten Schriftwort Dtn 30,14 vorgegeben ist. Da dem ὁμολογεῖν von V. 9 f. das ἐπικαλεῖσθαι von V. 12 f. entspricht, weisen die Verse 9–13 im Zusammenhang mit dem voraufgehenden V. 8 hinsichtlich der beiden Aspekte στόμα / ὁμολογεῖν - ἐπικαλεῖσθαι (a) und καρδία / πιστεύειν (b) die folgende chiastische Struktur auf: V. 8: a/b; V. 9: a/b; V. 10: b/a; V. 11–13: b/a. 43 Das gilt entsprechend auch für Röm 1,16 f., wo die beiden Begriffe ebenfalls nebeneinander begegnen. 44 Vgl. entsprechend δικαιοῦσθαι Röm 3,24.28; 5,1.9; Gal 2,16 f.; 3,24. 45 S. außer Röm 10,10: Röm 1,16; 10,1; 11,11; 13,11; 2 Kor 7,10; Phil 1,19.28; 2,12; 1 Thess 5,9 [2 Thess 2,13]. 46 S. außer Röm 10,9.13: Röm 5,9 f.; 11,26; 1 Kor 3,15; 5,5; 10,33; 1 Thess 2,16 [2 Thess 2,10]. 47 Zur ὀργὴ θεοῦ s. Röm 1,18; 2,5.8; 3,5; 4,15; 5,9; 12,19; 1 Thess 1,10; 5,9. Diesem Strafgericht zu verfallen, das bezeichnet Paulus mit den Gegenbegriffen zu σωτηρία und σῴζεσθαι: ἀπώλεια Phil 1,28; 3,19 und ἀπόλλυσθαι Röm 2,12; 1 Kor 1,18; 15,18; 2 Kor 2,15; 4,3. 48 S. insbesondere Röm 5,8–10. Aufgrund der hier geäußerten Gewißheit kann Paulus auch präsentisch vom σῴζειν bzw. σῴζεσθαι reden (s. 1 Kor 15,2 sowie das substantivierte Partizip οἱ σῳζόμενοι 1 Kor 1,18; 2 Kor 2,15) oder sogar Aussagen im Aorist formulieren (Röm 8,24; 1 Kor 1,21). 49 Lipsius, Briefe an die Galater, Römer, Philipper (s. Anm. 4), 154.
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daß das nahe Wort die δικαιοσύνη bringt: „Denn wenn du mit deinem Munde Jesus als den Herrn bekennst und mit deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet werden.“50 V. 10 unterstreicht: „Mit dem Herzen glaubt man ja zum Heil (= zur Erlangung des Heils), und mit dem Munde bekennt man zur Rettung (= zur Erlangung der Rettung).“51 Für die beiden Aussagen über das Glauben und das Bekennen führt Paulus in V. 11–13 jeweils einen Schriftbeleg an, wobei er in das erste Zitat – anders als in Röm 9,33 – von dem zweiten Zitat her ein πᾶς einfügt: „[11] Die Schrift sagt nämlich: ‚Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden‘ (Jes 28,16b).52 [12] Es besteht ja kein Unterschied zwischen dem Juden und dem Griechen (d. h. Heiden), gibt es doch [nur] ein und denselben Herrn aller53, der sich als reich erweist an allen, die ihn anrufen. [13] Denn: ‚Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden‘ (Joel 3,5a).“ Das πᾶς von V. 11 und V. 13 bezieht Paulus auf die πάντες von V. 12 – also auf Juden und Heiden. Beiden gilt in gleicher Weise der Reichtum des Heils, das Christus denen erworben hat und gewährt, die an ihn glauben und ihn im Bekenntnis anrufen. Daß Paulus in V. 11 unter dem πιστεύειν ἐπ’ αὐτῷ den Glauben an Christus verstanden wissen will, in V. 12 von Christus als dem κύριος πάντων spricht54 und in V. 13 das Bekenntnis κύριος Ἰησοῦς vor Augen hat, ergibt sich eindeutig aus dem Textzusammenhang. Das Schriftwort Jes 28,16 ist bereits in Röm 9,33 auf Christus gedeutet worden, und die christologische Deutung von Joel 3,5a wird dadurch bewiesen, daß das Wort sogleich in V. 14 f. auf die „Anrufung“ Christi hin interpretiert wird. Das „Anrufen“ des κύριος πάντων ist also identisch mit dem ὁμολογεῖν κύριον Ἰησοῦν von V. 9 f. Der Kyrios erweist sich darin als „reich für alle, die ihn anrufen“, daß er ihnen schon jetzt die Gabe der δικαιοσύνη gewährt und eben damit die eschatologische σωτηρία eröffnet.55 50 Das rhetorische „du“ des Satzes, das jede beliebige Person bezeichnet (vgl. Röm 8,2), ist durch das „du“ von V. 6–8 veranlaßt. Zu dem Bekenntnis κύριος Ἰησοῦς s. 1 Kor 12,3; Phil 2,11 (vgl. auch 2 Kor 4,5). 51 Das unpersönliche Passiv (πιστεύεται / ὁμολογεῖται) steht für ein deutsches „man“; die Ausdrücke εἰς δικαιοσύνην und εἰς σωτηρίαν geben die Wirkung an (s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 462 s. v. εἰς 4.e). 52 Zu πιστεύειν ἐπί = „glauben an“ s. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 187 Anm. 2. 53 Dieser Übersetzung der Worte ὁ γὰρ αὐτὸς κύριος πάντων liegt das Urteil zugrunde, daß αὐτός als Adjektiv zu lesen ist (wie in Röm 9,21; 12,4; 1 Kor 1,10; 10,4; 12,4–6; 15,39; 2 Kor 4,13) und die elliptische Formulierung derjenigen von 1 Kor 12,4–6 entspricht. Möglich ist auch, ὁ αὐτός als Subjekt und κύριος πάντων als Prädikat aufzufassen: „Ein und derselbe ist der Herr aller.“ Ein substantivisches ὁ αὐτός findet sich allerdings, wenn ich recht sehe, bei Paulus sonst nicht. 54 Vgl. dazu Apg 10,36. 55 Mit der Formulierung πλουτῶν εἰς πάντας τοὺς ἐπικαλουμένους αὐτόν könnte Paulus auf Ψ 85,5 anspielen: σύ, κύριε, […] πολυέλεος πᾶσι τοῖς ἐπικαλουμένοις σε. Zum Gedanken des soteriologischen „Reichtums“ Christi vgl. im übrigen Röm 5,15–17.
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b) Röm 10,14–17 Der zweite Schritt (V. 14–17) beschreibt das Verhältnis der zuvor unter den Aspekten von Glauben und Bekennen bedachten πίστις zu den beiden entscheidenden Größen, die in V. 6–8 erwähnt waren, – nämlich: zu Christus (V. 6 f.) und zu seinem ῥῆμα (V. 8). In V. 14+15a formuliert Paulus mittels der vierfachen Anapher πῶς eine Fragenkette, die keineswegs nur die Juden, sondern ganz umfassend die in V. 12 erwähnten πάντες und also Juden wie Heiden im Blick hat: „[14] Wie nun soll man den anrufen, an den man nicht zum Glauben gekommen ist? Wie aber soll man an den zum Glauben kommen, von dem man nicht gehört hat? Wie aber soll man hören, ohne daß jemand verkündigt? [15a] Wie aber soll man verkündigen, wenn man nicht gesandt worden ist?“56 Der Relativsatz der zweiten Frage – πῶς δὲ πιστεύσωσιν οὗ οὐκ ἤκουσαν; (V. 14b) – wird in allen altkirchlichen Übersetzungen mit „den man nicht gehört hat“ wiedergegeben.57 Diese Wiedergabe ist sprachlich unanfechtbar, sie ist jedoch keineswegs, wie manche Exegeten meinen,58 die einzig mögliche. Die Worte οὗ οὐκ ἤκουσαν können vielmehr sehr wohl auch bedeuten: „über den sie nichts erfuhren“.59 Für dieses Verständnis spricht nicht zuletzt, daß nach Röm 15,20 f. das Ziel der Verkündigung gerade darin liegt, daß Menschen von Christus hören. Träger dieser Verkündigung sind die ἀπόστολοι, auf die sich in der letzten der vier Fragen (V. 15a) das Wort ἀποστέλλεσθαι bezieht.60 Da es sich bei der Fragekette von V. 14+15a um eine Interrogatio handelt,61 ist in ihr positiv vorausgesetzt, daß die Abfolge ἀποστέλλεσθαι – κηρύσσειν 56 Zu der in V. 14+15a vorliegenden Figur der Gradatio (Klimax) vgl. Röm 5,3–5; 8,29 f. Die 3. Person Plural der Verbformen steht für das deutsche „man“ (vgl. Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 130,2). 57 S. exemplarisch die Vulgata (quomodo credent ei, quem non audierunt?) und die Peschitta (’jkn’ nhjmnwn lhw dl’ šm‛whj). Nach K. H. Schelkle, Paulus Lehrer der Kirche. Die altkirchliche Auslegung von Römer 1–11, Düsseldorf ²1959, 375 verstehen so auch die Kirchenväter den V. 14b. Den bei diesem Verständnis vorliegenden Sinn kennzeichnet knapp Bengel, Gnomon (s. Anm. 35), 597: ,quem‘, scil. loquentem in evangelio. Das οὗ οὐκ ἤκουσαν würde dann in V. 17b durch ῤῆμα Χριστοῦ aufgenommen. 58 Ich nenne nur: Th. Zahn, Der Brief des Paulus an die Römer (KNT 6), Leipzig ¹.²1910, 484; C. E. B. Cranfield, The Epistle to the Romans II (ICC), Edinburgh 1979, 534. Vgl. auch Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 173,1: „Bei ἀκούειν steht […] im Genitiv die Person, die man reden hört“ (dazu in Anm. 1 der Hinweis auf Röm 10,14). 59 So Bauer / A land, Wörterbuch⁶, 62 s. v. ἀκούω 3.b. Für diese Bedeutung von ἀκούειν c. gen. obiecti werden dort keine Belege angegeben. Ich selbst habe mir notiert: Homer, Il 24,490; Od 4,114; Xenophon, Mem III 5,9; 2 Esdr 23,27; Tob 10,12; Hi 42,5 LXX (und zu poetischem κλύειν τινός Sophokles, Oed Col 307). 60 Paulus verwendet das Verbum ἀποστέλλειν in dem in Röm 10,15a vorliegenden Sinn nur noch in 1 Kor 1,17 – und zwar im Blick auf seine eigene Sendung zur Verkündigung des Evangeliums. 61 Zur Stilform der Interrogatio s. H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, München ²1973, § 767 f.
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gegeben und von daher die weitere Abfolge ἀκούειν – πιστεῦσαι – ἐπικαλεῖσθαι prinzipiell möglich ist. Das Faktum des ἀποστέλλεσθαι und des κηρύσσειν wird dementsprechend in V. 15b mit einem durch καθὼς γέγραπται angeschlossenen Schriftzitat begründet: „[Es ist so], wie geschrieben steht: ‚Wie lieblich sind die Füße derer, die das Gute verkündigen‘ (Jes 52,7a).“62 Mit dem „Guten“, das die apostolischen Zeugen verkündigen,63 ist entweder das sogleich in V. 16 genannte Evangelium oder aber – eher noch – das in Christus beschlossene Heil gemeint.64 Obwohl die Sendung der Boten erfolgt ist und diese, wie in V. 18 gesagt werden wird, das in Christus beschlossene Heil weltweit verkündigen, findet ihre Botschaft nicht überall Glauben. Davon redet Paulus in V. 16a: „Jedoch nicht alle (d. h. nur wenige65) sind dem Evangelium gehorsam geworden.“ Bei der Feststellung οὐ πάντες ὑπήκουσαν τῷ εὐαγγελίῳ, in der an die Stelle des Verbums πιστεύειν (V. 9 f.11.14) jetzt das Verbum ὑπακούειν tritt, denkt Paulus gewiß nicht ausschließlich, im Kontext von Röm 9–11 aber doch vor allem an die Juden, von denen es in V. 3b hieß: τῇ δικαιοσύνῃ τοῦ θεοῦ οὐχ ὑπετάγησαν. Dem Evangelium nicht „gehorsam“ sein – das bedeutet: ihm die gehorsame Annahme, die ὑπακοὴ πίστεως (Röm 1,5) verweigern.66 Die Abweisung des Evangeliums findet Paulus – wie er in V. 16b hinzufügt – bereits in der Schrift prophetisch angekündigt: „Jesaja sagt ja: ‚Herr, wer hat unserer Verkündigung Glauben geschenkt?‘ (Jes 53,1a).“ Das Wort ἀκοή bezeichnet in Jes 53,1a LXX nicht das „Hören“, sondern der hebräischen Vorlage (šᵉmû‛āh) entsprechend die „Kunde“, die „Nachricht“.67 In diesem Sinn versteht auch Paulus das Wort.68 Während es 62 Zu dem elliptischen Gebrauch von καθώς vgl. Gal 3,6. Bei dem Schriftzitat – ὡς ὡραῖοι οἱ πόδες τῶν εὐαγγελιζομένων τὰ ἀγαθά (s. Anm. 63) – handelt es sich um eine freie Wiedergabe von Jes 52,7a LXX, wobei der Plural οἱ εὐαγγελιζόμενοι durch Joel 3,5b LXX, die Fortsetzung des in V. 13 zitierten Satzes Joel 3,5a, veranlaßt sein dürfte. Für das Wort ὡραῖος ist auch die Übersetzung „rechtzeitig zur Stelle“ möglich. Daß die πόδες τῶν εὐαγγελιζομένων synekdochisch für die εὐαγγελιζόμενοι selbst stehen, sei nur eben angemerkt. 63 Die Lesart τὰ ἀγαθά verdient den Vorzug; die v. l. ἀγαθά dürfte Angleichung an Jes 52,7a LXX sein. 64 Bei der Deutung auf das Heil wäre PsSal 18,6 zu vergleichen: τὰ ἀγαθὰ κυρίου = „das Heil des Herrn“. 65 Zu der Litotes οὐ πάντες s. Blass / D ebrunner / R ehkopf, Grammatik § 495,2. 66 Zum Begriff des „Gehorsams“ s. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus (s. Anm. 1), 156 f. 67 Zu ἀκοή als Bezeichnung für das, was gehört wird, s. in LXX die folgenden Bedeutungen: „Gerücht“ (Ex 23,1; 1 Reg 2,24; 2 Reg 13,30; Tob 10,12; Dan 11,44); „Kunde“ (3 Reg 2,28; 10,7; 2 Chr 9,6; Sap 1,9; Ob 1,1; Nah 1,12; Jer 6,24; 30,8; Ez 16,56); „Nachricht“ (Hi 42,5; Ψ 111,7; Jer 10,22; 27,43; 30,29; 44,5), „Botschaft“ (Hab 3,2; Jes 52,7; 53,1). Wo eine dieser Bedeutungen vorliegt, kann die Wendung ἀκοὴν ἀκούειν erscheinen (1 Reg 2,24; 3 Reg 10,7; 2 Chr 9,6; Tob 10,12; Hi 42,5; Ob 1,1; Jer 6,24; 27,43; 30,8.29; 44,5). Dem LXX-Befund entspricht der im Neuen Testament zu verzeichnende Sprachgebrauch: „Gerücht“ (Mt 24,6; Mk 13,7), „Kunde“ (Mt 4,24; 14,1; Mk 1,28; Hebr 4,2), „Botschaft“ (neben Röm 10,16 f.: Joh 12,38 [Zitat von Jes 53,1 LXX]; Gal 3,2.5; 1 Thess 2,13). – Aus der Profanliteratur notiere ich die Bedeutungen „Nachricht“ (Thukydides, Hist I 20,1), „Bericht“ (Platon, Tim 21a) und „Kunde“ (Josephus, Ap II 14). 68 Gleiches gilt für das Verständnis des Zitats Jes 53,1 LXX in Joh 12,38.
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sich allerdings im hebräischen Text von Jes 53,1a um eine „Kunde“ handelt, die den dort Redenden zuteil geworden ist, bezieht Paulus – in Übereinstimmung mit dem in der Septuaginta vorliegenden Verständnis – die Worte ἡ ἀκοὴ ἡμῶν auf die „Botschaft“, die von den „Wir“ verbreitet wird. Dabei deutet er das „Wir“ auf sich selbst und die anderen Apostel. Von daher gewinnt ἀκοή an unserer Stelle die präzise Bedeutung „Predigt“ bzw. „Verkündigung“, die dann auch in dem sogleich folgenden Vers Röm 10,17 vorliegt.69 Die gleiche Bedeutung hat ἀκοή in Gal 3,2.5 und in 1 Thess 2,13, und nicht anders ist, was die Übersetzung der Vulgata anlangt, im Blick auf das lateinische Wort auditus in Jes 53,1 und an den genannten paulinischen Stellen zu urteilen.70 Den Abschluß des Abschnitts Röm 10,4–17 bildet der rhetorisch durch die Figur der Anadiplosis und die zweifache Ellipse besonders hervorgehobene V. 17: ἄρα ἡ πίστις ἐξ ἀκοῆς, ἡ δὲ ἀκοὴ διὰ ῥήματος Χριστοῦ71 – „Folglich kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber gründet in dem Wort Christi.“72 Mit diesem Satz, der keineswegs als eine Glosse anzusehen ist,73 schlägt Paulus den Bogen zu V. 6–8 zurück, und er stellt zugleich das Verhältnis zwischen den in V. 16 verwendeten Begriffen (εὐαγγέλιον, ὑπακούειν / πιστεύειν, ἀκοή) klar. Die am Anfang des Verses stehende Partikel ἄρα regiert lediglich V. 17a, so daß nur die Worte ἡ πίστις ἐξ ἀκοῆς Folgerung aus V. 16b sind: Die Frage von Jes 53,1a zeigt via negativa: Wo Glaube ist, da verdankt er sich der Verkündigung.74 Diese Aussage erfährt in V. 17b durch die Worte ἡ δὲ ἀκοὴ διὰ ῥήματος Χριστοῦ eine Präzisierung. Das Syntagma ῥῆμα Χριστοῦ verbindet die entscheidenden Worte von V. 6–8 – nämlich: Χριστός und ῥῆμα – miteinander.75 Da ῥῆμα in V. 8 als Gegenstand des κηρύσσειν erscheint und demzufolge das 69 Luthers Übersetzung „Der Glaube kommt aus der Predigt“ ist also (entgegen der von A. Schlatter, Gottes Gerechtigkeit. Ein Kommentar zum Römerbrief, Stuttgart ²1952, 316 f. geäußerten Kritik) völlig korrekt. – Für die von manchen Auslegern vertretene These, daß ἀκοή in V. 17 einen anderen Sinn habe als in V. 16 und hier das „Hören“ meine, sehe ich nirgends eine hinreichende Begründung gegeben. 70 Zu auditus in der Bedeutung „das Gehörte“ s. in der Vulgata ferner: Ps 111,7; Jer 49,14.23; Ob 1,1; Joh 12,38; Hebr 4,2. Aus der Profanliteratur vgl. Lucan, Bell X 183, wo das Wort den „Lehrvortrag“ bzw. die „Belehrung“ bezeichnet. 71 Χριστοῦ ist gegenüber θεοῦ zweifellos die ursprüngliche Lesart. Auch das sekundäre ῥῆμα θεοῦ meint – analog etwa zu ὁ λόγος τοῦ θεοῦ in 1 Kor 14,36; 2 Kor 2,17; 4,2; 1 Thess 2,13 – das Evangelium, bringt aber sprachlich nicht zum Ausdruck, was für die Argumentation von Röm 10 gerade entscheidend ist: die Präsenz Christi im Evangelium. 72 In V. 17a und V. 17b ist jeweils ein ἐστίν zu ergänzen. Die Präpositionen ἐκ c. gen. (V. 17a) und διά c. gen. (V. 17b) dienen – bei unterschiedlicher Nuancierung – beide der Angabe des Ursprungs. In V. 17b führt διά c. gen. die Größe ein, in der die ἀκοή letztlich begründet ist; s. zur Verwendung in diesem Sinn (= „aufgrund“, „kraft“) auch Röm 12,3; Gal 4,23. 73 Die Bestimmung als Glosse findet sich m.W. zuerst bei R. Bultmann, Glossen im Römerbrief, in: Ders., Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, Tübingen 1967, 278–284: 280. 74 πίστις meint dabei dezidiert den rettenden Glauben im Sinne von V. 8 und V. 9 f. 75 Ein spezifisch theologischer Gebrauch des Singulars [τὸ] ῥῆμα findet sich bei Paulus nur in Röm 10,8 und Röm 10,17; daraus folgt zwingend, daß das ῥῆμα Χριστοῦ von V. 17 nur das
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Evangelium meint, ist ῥῆμα Χριστοῦ als eine Parallele zu dem bei Paulus geläufigen Begriff τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ zu beurteilen.76 In diesem Begriff ist Χριστοῦ ein Genitivus objectivus, der den Inhalt des Evangeliums angibt.77 Dieser Inhalt aber ist nicht irgend ein „Gegenstand“ oder „Sachverhalt“, sondern eine lebendige Person: der vom Tode auferstandene Kyrios. Deshalb kommt in dem Genitiv τοῦ Χριστοῦ zugleich auch zum Ausdruck, daß Jesus Christus als der Inhalt des Evangeliums in diesem Wort selbst gegenwärtig ist und denen begegnet, die es hören. Das gilt in gleicher Weise auch für das Syntagma ῥῆμα Χριστοῦ: Es bezeichnet das Wort, in dem der auferstandene Christus sich den Aposteln erschlossen hat und das als solches die apostolische Predigt begründet.78 Dieses Wort ist das in der Verkündigung „nahe“ Wort, das den Glauben wirkt, und einzig deshalb, weil es in der Verkündigung der Apostel laut wird, gilt der Satz, daß der Glaube „aus der Predigt“ kommt.
IV Blicken wir auf den Gedankengang von Röm 10,4–17 zurück, so sind vier Grundmotive zu erkennen, denen sich die entscheidenden Begriffe und Wendungen des Textes präzise zuordnen lassen.79 Fundament ist das Heilsgeschehen (A), das mit dem Namen Χριστός bezeichnet ist und das Paulus als den differenzierten Zusammenhang von Heilstat (A.1) und Heilswort (A.2) begreift. Das Evangelium als das Heilswort Christi wird laut in der Verkündigung (B), von der unter den Aspekten der Sendung der Apostel (B.1), der ergehenden Predigt (B.2) und des Hörens dieser Predigt (B.3) die Rede ist. Der Verkündigung des Evangeliums verdankt sich der Glaube an Christus (C), der unter den beiden Aspekten des Glaubens (C.1) und des Bekennens (C.2) bedacht wird. In dem durch das Evangelium gewirkten Glauben empfängt der Mensch das in Christus bereitete
ῥῆμα von V. 8 sein kann. Dieses ῥῆμα ist nicht gemeint, wenn in dem Psalmzitat Röm 10,18b (= Ψ 18,5) der Plural τὰ ῥήματα αὐτῶν erscheint, den Paulus auf die Verkündigung deutet. 76 Zu τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ s. Röm 15,19; 1 Kor 9,12; 2 Kor 2,12; 9,13; 10,14; Gal 1,7; Phil 1,27a; 1 Thess 3,2. Die Parallelität der Ausdrücke τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ und ῥῆμα Χριστοῦ spricht entschieden gegen die z. B. von Lietzmann, An die Römer (s. Anm. 4), 100 vertretene These, daß mit letzterem der „Auftrag“ Christi gemeint sei. 77 Vgl. dazu die Formulierung τὸ εὐαγγέλιον τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ in Röm 1,9. Hier entspricht der Genitiv τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ dem περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ von Röm 1,3a. 78 Vgl. H. W. Schmidt, Der Brief des Paulus an die Römer (ThHK 6), Berlin ²1966, 181: Der Ausdruck ῥῆμα Χριστοῦ „bezeichnet das die apostolische Predigt begründende ‚Urwort‘ der Christusoffenbarung“. 79 S. dazu die Übersicht am Ende des Aufsatzes. – Auch der Vers 10,18 ließe sich mit der folgenden Zuordnung in die Tabelle aufnehmen: ἀκούειν V. 18a = B.3; ὁ φθόγγος αὐτῶν καὶ […] τὰ ῥήματα αὐτῶν V. 18b = B.2 (das zweifache αὐτῶν des zitierten Psalmwortes [Ψ 18,5a] bezieht Paulus auf die εὐαγγελιζόμενοι von V. 15b).
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Heil (D): die hier und jetzt gewährte δικαιοσύνη (D.1), mit der die zukünftige σωτηρία verbürgt ist (D.2).80 Aus der Wahrnehmung der skizzierten Grundmotive ergibt sich eine wichtige Konsequenz im Blick auf das paulinische Verständnis der Verkündigung einerseits und des Glaubens andererseits. Beide – die Verkündigung wie der Glaube – sind nach Paulus dezidiert auf Christus bezogen und einzig aufgrund dieser Bezogenheit soteriologisch relevant. Das bedeutet: Die dem Heilshandeln Gottes in Jesus Christus angemessene Verkündigung ist notwendig Christusverkündigung – eine an das vorgegebene Evangelium gebundene und es gehorsam ausrichtende Verkündigung, die Christus zum alleinigen Inhalt hat.81 Nur in dieser Verkündigung ist Christus selbst präsent, nur durch sie erschließt er Glauben wirkend sein Heil.82 Der durch die Verkündigung des Evangeliums gewirkte Glaube aber ist seinem Wesen nach Glaube an Jesus Christus83 – d. h. Glaube im Sinne der folgenden Bestimmung Martin Luthers, die zutiefst dem Zeugnis des Paulus verpflichtet ist: Si est vera fides, est quaedam certa fiducia cordis et firmus assensus quo Christus apprehenditur, sic ut Christus sit obiectum fidei, imo non obiectum, sed, ut ita dicam, in ipsa fide Christus adest. […] Iustificat ergo fides, quia apprehendit et possidet istum thesaurum, scilicet Christum praesentem.84 80 Die gleichen vier Grundmotive begegnen bei Paulus auch im 15. Kapitel des Ersten Korintherbriefs. Ich skizziere nur: Ausgangspunkt und Grundlage der Argumentation ist Christus als der in assertorischen Sätzen bezeugte Inhalt des Evangeliums, d. h. sein Tod zur Aufhebung der Sündenwirklichkeit, sein Begräbnis, seine Auferstehung am dritten Tage und seine Selbsterschließung in den Ostererscheinungen (A). Mit der Selbsterschließung ist die Berufung und Sendung der apostolischen Zeugen verbunden, die eben das verkündigen, was das Evangelium sagt (B). Was die Zeugen verkündigen, hat die Gemeinde im Glauben angenommen (C). So gewinnt sie durch das verkündigte Evangelium das in Christus beschlossene Heil: die mit der schon jetzt gewährten Befreiung aus der Sündenwirklichkeit fest verbürgte Rettung – d. h. die bei der Parusie des Kyrios erfolgende Auferstehung bzw. Verwandlung zum ewigen Leben (D). Die entsprechenden Stichworte sind in 1 Kor 15,1–19: A: τὸ εὐαγγέλιον […] τίνι λόγῳ V. 1 f. (und dazu die in V. 3b–5 zitierte Lehrtradition, auf die sich das zweimalige οὕτως von V. 11 bezieht). – B: εὐαγγελίζεσθαι V. 1 f.; κηρύσσειν V. 11b; τὸ κήρυγμα V. 14b; μαρτυρεῖν V. 15. – C: πιστεύειν V. 11b; ἡ πίστις V. 14c.17b – D: σῴζεσθαι V. 2a (dazu das Antonym ἀπόλλυσθαι in V. 18). 81 S. dazu die Aussagen des Apostels, in denen Χριστός als Objekt zu einem die Verkündigung bezeichnenden Verbum erscheint: κηρύσσειν: 1 Kor 1,23; 2 Kor 1,19; 4,5; 11,4; Phil 1,15 (vgl. auch 1 Kor 15,12); εὐαγγελίζεσθαι: Gal 1,16; καταγγέλλειν: 1 Kor 2,1 f.; Phil 1,17 f. Vgl. außerdem Gal 3,1. 82 Der Satz, daß in der Predigt der Kirche Christus selber auf dem Plan sei und deshalb in ihr sein Wort gehört werde, gilt nur unter der Voraussetzung, daß die Predigt das bezeugt, was ihr im Evangelium vorgegeben ist. 83 πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ u. ä.: Röm 3,22.26; Gal 2,16.20; 3,22; [3,26 v. l.]; Phil 3,9. Der Ausdruck entspricht der Verbalphrase πιστεύειν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν Gal 2,16 (vgl. auch Röm 10,14; Phil 1,29). 84 M. Luther, In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius ([1531] 1535), zu Gal 2,16: WA 40 I, 228,33 f. 229,15.22 f. Daß für Luther der rechtfertigende Glaube streng und ausschließlich Glaube an Jesus Christus und die den Glauben wirkende Verkündigung notwendig Predigt
„Fides ex auditu“
119
Von einem „Glauben“ als allgemeiner religiöser Haltung und von einer „Verkündigung“, die solchem Glauben Ausdruck verleiht, weiß Paulus nichts und redet er nicht. Will man die Sicht des Apostels mit der dem Vulgata-Text von Röm 10,17a entnommenen Formulierung Fides ex auditu kennzeichnen, dann muß diese als Kurzform des vollen und präzisen Fides Christi ex auditu Christi verstanden werden.
des Evangeliums und also Christusverkündigung ist, steht aufgrund zahlreicher Aussagen des Reformators gänzlich außer Frage. Ich verweise hier nur noch auf die Erklärung des zweiten und dritten Credo-Artikels im Großen Katechismus: BSLK 650–662; s. besonders 653,11–15; 654,22–42; 655,29–33.
ἀκοή
17
ῥῆμα Χριστοῦ
ἀκοή
εὐαγγελίζεσθαι
16b
16a
οἱ πόδες
15b
κύριος
13
ἀποστέλλεσθαι
ὁ κύριος
12
14.15a ὅς
αὐτός
11
10b
τὸ εὐαγγέλιον
ἀκούειν
πίστις
ἐγγὺς ἐν τῇ καρδίᾳ
πίστις
πιστεύειν
C C.1
πίστις
πιστεύειν
ὑπακούειν
πιστεύειν
πιστεύειν
καρδίᾳ πιστεύειν
κηρύσσειν
B.3
10a
κηρύσσειν
B.2
πιστεύειν ἐν τῇ καρδίᾳ
τὸ ῥῆμα
8b
B B.1
9
τὸ ῥῆμα
Χριστός
Χριστός
A.2
8a
6 f.
5
4
A A.1
Übersicht zu Röm 10,4–17
ἐπικαλεῖσθαι
ἐπικαλεῖσθαι
ἐπικαλεῖσθαι
στόματι ὁμολογεῖν
ὁμολογεῖν ἐν τῷ στόματι
ἐγγὺς ἐν τῷ στόματι
C.2
δικαιοσύνη
δικαιοσύνη
δικαιοσύνη
D D.1
σῴζεσθαι
οὐ καταισχύνεσθαι
σωτηρία
σῴζεσθαι
ζῆν
D.2
120 „Fides ex auditu“
„Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“? Zum Problem der Übersetzung und Auslegung von 2 Kor 5,7 Im Kontext der Verse 2 Kor 5,6–8 formuliert Paulus den Satz: διὰ πίστεως γὰρ περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους (V. 7). Diese Worte stellen die Exegese vor die Frage, welche Übersetzung hier für das Nomen εἶδος gefordert ist und wie von daher der Satz selbst verstanden sein will.
I Nach der Auskunft renommierter Lexika hat das Wort εἶδος im Altgriechischen ausschließlich die passivische Bedeutung „that which is seen“.1 Es heißt dementsprechend unter anderem: „das Aussehen“2, „die (äußere) Erscheinung“ / „die (sichtbare) Gestalt“3, „die Art“4. Für 2 Kor 5,7 käme von daher die Bedeutung „(äußere) Erscheinung“ / „(sichtbare) Gestalt“ in Frage. In diesem Sinn übersetzt die Vulgata: per fidem enim ambulamus et non per speciem.5 Dem ist der koptisch-bohairische Text an die Seite zu stellen, in dem εἶδος mit smot („Aussehen“, „Gestalt“) wiedergegeben wird.6 Die Überzeugung, daß εἶδος in 2 Kor 1 So H. G. Liddell / R. Scott / H. S. Jones, A Greek-English Lexicon. With a Supplement, Oxford 1968, 482b. S. ferner jeweils s. v. εἶδος: F. Passow, Handwörterbuch der griechischen Sprache. Neu bearbeitet […] von V.Chr.F. Rost / F. Palm / O. Kreussler, I/2, Leipzig ⁵1847 = Darmstadt 1983, 783a.b; W. Pape / M. Sengebusch, Griechisch-deutsches Handwörterbuch I, Braunschweig ³1914, 724a; Ι. Δ. ΣΤΑmΑΤΑΚΟΣ, Λέξικον ἀρχαίας ἑλληνικῆς γλώσσης, Athen 1972, 304a; E. A. Sophocles, Greek Lexicon of the Roman and Byzantine Periods, Cambridge, MA – Leipzig 1914 = Hildesheim – Zürich – New York ²1983, 422a.b. – G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961 = 1978, 408a s. v. εἶδος 6 notiert für die Bedeutung „sight“ einzig die Bezugnahme auf 2 Kor 5,7 bei Maximus Confessor, Mystagogia 24 (PG 91, 705 A). S. zu dieser Stelle unten Anm. 26. 2 Im Neuen Testament: Lk 9,29; in der Septuaginta: Ex 24,17; Lev 13,43; Num 9,15 f.; 11,7; Sir 43,1; Jes 52,14; 53,2 f.; Jer 11,16; Ez 1,16.26 u. ö. 3 Im Neuen Testament: Lk 3,22; Joh 5,37; in der Septuaginta: Gen 29,17; 39,6; Ex 26,30; Dtn 21,11; 1 Esdr 4,18; Jdt 8,7; 11,23; Hhld 5,15; Sap 15,4 f. u. ö. 4 Im Neuen Testament: 1 Thess 5,22; in der Septuaginta: Sir 23,16; 25,2; Jer 15,3. 5 Da die Vulgata auch in Lk 3,22; 9,29; Joh 5,37 εἶδος mit species wiedergibt, kann für 2 Kor 5,7 die aktivische Bedeutung „das Sehen“ ausgeschlossen werden. 6 Pičôm ᵉnte tîdiathêkê ᵉmberi (Das Buch des Neuen Testaments) II, Kairo 1990, 391; J. Warren Wells, Bohairic Coptic New Testament, London ²2007, 232. Die Übersetzung bei G. Horner, The Coptic Version of the New Testament in the Northern Dialect, otherwise called Memphitic and Bohairic III: The Epistles of S. Paul, Oxford 1905, 253 lautet: „for we walked
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„Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“?
5,7 passivischen Sinn hat, wird dann insbesondere auch in wissenschaftlichen Kommentaren zum Zweiten Korintherbrief vertreten.7 Neben der soeben beschriebenen Sicht gibt es nun allerdings die These, daß εἶδος in 2 Kor 5,7 im Unterschied zu dem sonst üblichen Sprachgebrauch die aktivische Bedeutung „das Schauen“ hat. Bereits in der Peschitta lautet unser Vers: „Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen (baḥªzājā’ )“,8 und die gleiche Übersetzung bietet der koptisch-saïdische Text, der εἶδος mit dem Nomen nau („das Sehen“, „das Schauen“) wiedergibt.9 Für dieses aktivische Verständnis votieren ebenfalls manche wissenschaftliche Kommentare.10 Vor allem aber findet es sich in nicht wenigen Übersetzungen des Neuen Testaments. Im deutschsprachigen Bereich sind hier etwa die Luther-Bibel11 sowie andere respektable Übersetzungen12 zu nennen.
through [a] faith, not through a (visible) form“. Zu smot s. W. E. Crum, A Coptic Dictionary, Oxford 1939 = 1962, 341a s. v. 7 S. z. B. C. F. G. Heinrici, Der zweite Brief an die Korinther (KEK 6), Göttingen ⁸1900, 185 f.; Ph. Bachmann, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (KNT 8), Leipzig ³1918, 234; V. P. Furnish, II Corinthians (AncB 32A), Garden City, NY 1984, 253.272 f.302 f.; M. E. Thrall, The Second Epistle to the Corinthians (ICC) I: Introduction and Commentary on II Corinthians I–VII, Edinburgh 1994, 386–389; Th. Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther I: 2 Kor 1,1–7,4 (EKK VIII/1), Neukirchen-Vluyn bzw. Ostfildern 2010, 282.301 f.; Chr. Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (ThHK 8), Leipzig ²2011, 98.112 f. 8 The New Testament in Syriac, London 1955, Part II, 105. Das Wort ḥªzājā’ = „das Sehen“ findet sich in der Peschitta noch in Lk 4,18 als Übersetzung von ἀνάβλεψις. Für εἶδος in der Bedeutung „Aussehen“ / „(äußere) Erscheinung“ / „(sichtbare) Gestalt“ wählt die Peschitta dᵉmûtā’ (Lk 3,22) bzw. ḥezwā’ (Lk 9,29; Joh 5,37). 9 J. Warren Wells, Sahidic Coptic New Testament, London 2006, 224. G. Horner, The Coptic Version of the New Testament in the Southern Dialect, otherwise called Sahidic and Thebaic IV: The Epistles of S. Paul, Oxford 1920, 437 übersetzt: „For we are walking through faith, through seeing not.“ Zu nau s. Crum, A Coptic Dictionary (s. Anm. 6), 234a s. v. II. 10 S. z. B. H. Windisch, Der zweite Korintherbrief (KEK 6), Göttingen ⁹1924 = 1970, 167; H. Lietzmann / W. G. Kümmel, An die Korinther I/II (HNT 9), Tübingen ⁵1969, 121.203; E. Grässer, Der zweite Brief an die Korinther. Kapitel 1,1–7,16 (ÖTBK 8/1), Gütersloh bzw. Würzburg 2002, 175.194 f. (dort 195 offensichtlich der Versuch einer Kombination von aktivischer und passivischer Bedeutung). 11 Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1987: Neues Testament, 215: „Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.“ 12 Das Neue Testament. Übersetzt von H. Menge, Stuttgart ¹¹1949, 281; Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes. Jerusalemer Bibel, Freiburg – Basel – Wien 1968, 1665; Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift: Das Neue Testament, Stuttgart ²1980, 411; Die Bibel. Aus dem Grundtext übersetzt. Revidierte Elberfelder Bibel, Wuppertal 1986: Neues Testament, 226; Zürcher Bibel, Zürich 2007: Neues Testament, 286; Neues Testament. Neue Genfer Übersetzung, Genf 2009, 400. – Den für die Zürcher Bibel von 2007 Verantwortlichen gilt die Übersetzung „nicht im Schauen“ offenbar als so sicher, daß die folgende Anmerkung, die in der älteren Ausgabe (Zürich 1966: Neues Testament, 235) hinzugefügt war, kurzerhand gestrichen wurde: „Wörtlich: ‚nicht in der Erscheinung [der ewigen Herrlichkeit]‘.“
„Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“?
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II Das aktivische Verständnis von εἶδος 2 Kor 5,7 wird in der wissenschaftlichen Literatur vielfach mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß es für diesen Sprachgebrauch in der gesamten altgriechischen Literatur keinen einzigen Beleg gebe.13 Wenn das aktivische Verständnis dennoch weiterhin vertreten wird und in Übersetzungen des Neuen Testaments sogar das beherrschende ist, dann dürfte hier die Autorität des für die Neutestamentliche Wissenschaft grundlegenden Wörterbuchs von Walter Bauer eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Das Wörterbuch gibt für εἶδος 2 Kor 5,7 die Bedeutung „das Schauen“ an und nennt als Belege für diese aktivische Bedeutung die Texte Num 12,8 LXX und PsClem H XVII 18.14 Außerdem wird angemerkt, daß Severian von Gabala und Theodoret von Kyros εἶδος in 2 Kor 5,7 als „das Schauen“ deuten.15 Die englische Fassung des Wörterbuchs, in der für εἶδος 2 Kor 5,7 die Bedeutung „the act of looking/ seeing, seeing, sight“ notiert wird, folgt uneingeschränkt der deutschen Vorlage.16 Ob die Angaben Bauers jedoch tatsächlich zutreffend sind, das ist jetzt im einzelnen zu überprüfen.17 Was zunächst die beiden Texte Num 12,8 LXX und PsClem H XVII 18 anlangt, so hat εἶδος hier keineswegs die aktivische Bedeutung „das Schauen“. 13 S. z. B. C. L. W. Grimm, Lexicon graeco-latinum in libros Novi Testamenti, Gießen ⁴1888, 119a s. v. εἶδος 1: vulgo explicatur: ‚per adspectum = adspicientes‘ […]; sed e nullo graeco scriptore adhuc enotatum est exemplum, quo εἶδος ut latin. ‚species‘ active dicatur de ‚adspectu‘. Entsprechend J. H. Thayer, A Greek-English Lexicon of the New Testament. Being Grimm’s Wilke’s Clavis Novi Testamenti translated revised and enlarged, Edinburgh ⁴1901 = 1961, 172b s. v. εἶδος 1: „com[monly] explained, by sight i. e. beholding […]; but no ex[ample] has yet been adduced fr[om] any Gr[ee]k writ[ings] in which εἶδος is used actively, like the Lat[in] species, of vision.“ S. ferner etwa G. Kittel, Art. εἶδος, in: ThWNT II (1935 = 1957) 371–373: 372,1–12 und unter den Kommentaren besonders Thrall, The Second Epistle to the Corinthians I (s. Anm. 7), 387 f. 14 Bauer, Wörterbuch⁵, 438 s. v. εἶδος 3. Wörtlich gleich: Bauer / A land, Wörterbuch⁶, 446 s. v. εἶδος 3. – Ältere Wörterbücher zum Neuen Testament, die für εἶδος 2 Kor 5,7 aktivische Bedeutung behaupten: J. F. Schleusner, Novum Lexicon graeco-latinum in Novum Testamentum, Leipzig ⁴1819, I 707 s. v. 2; Chr.A. Wahl, Clavis Novi Testamenti philologica, Leipzig ³1843, 128b s. v. 3; J. Parkhurst / H. J. Rose / J. R. Major, A Greek and English Lexicon to the New Testament, London 1845, 160b s. v. I; S.Ch. Schirlitz / Th. Eger, Griechischdeutsches Wörterbuch zum Neuen Testamente, Gießen ⁶1908, 119a s. v. 2. 15 A. a. O. Bauer fügt noch hinzu, daß „derselbe Gegensatz“ zwischen „Glauben“ und „Sehen“, wie er in 2 Kor 5,7 vorliege, auch in Joh 20,29 begegne. Die dort erscheinende Antithese οἱ μὴ ἰδόντες καὶ πιστεύσαντες („die nicht gesehen haben und doch zum Glauben gekommen sind“) besagt jedoch für das Verständnis von εἶδος 2 Kor 5,7 schlechterdings nichts. 16 F. W. Danker, A Greek-English Lexicon of the New Testament and other Early Christian Literature (BDAG), Chicago – London ³2000, 280 s. v. εἶδος 3. 17 Bedenken im Blick auf die bei Bauer genannten Belege Num 12,8 LXX und PsClem H XVII 18 sind in der Literatur bereits verschiedentlich geäußert geworden; s. z. B. Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther I (s. Anm. 7), 301 Anm. 761; Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (s. Anm. 7), 113 Anm. 330.
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„Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“?
In Num 12,8 LXX heißt εἶδος – wie an anderen Septuaginta-Stellen18 – „die sichtbare Gestalt“.19 Der Vers gehört zu der an Aaron und Miriam gerichteten Gottesrede Num 12,6–8 LXX, in der gesagt wird: [6b] ἐὰν γένηται προφήτης ὑμῶν κυρίῳ, ἐν ὁράματι αὐτῷ γνωσθήσομαι καὶ ἐν ὕπνῳ λαλήσω αὐτῷ. [7] οὐχ οὕτως ὁ θεράπων μου Mωυσῆς· ἐν ὅλῳ τῷ οἴκῳ μου πιστός ἐστιν· [8a] στόμα κατὰ στόμα λαλήσω αὐτῷ, ἐν εἴδει καὶ οὐ δι’ αἰνιγμάτων, καὶ τὴν δόξαν κυρίου εἶδεν. Wie die Worte στόμα κατὰ στόμα λαλήσω αὐτῷ, ἐν εἴδει καὶ οὐ δι’ αἰνιγμάτων (V. 8a) in diesem Kontext zu übersetzen sind, kann nicht fraglich sein. Sie bedeuten: „Von Mund zu Mund werde ich zu ihm (Mose) reden, in sichtbarer Gestalt und nicht durch Rätselworte.“20 Im Unterschied zu den Propheten wird Mose dessen gewürdigt, daß Gott ihm sichtbar erscheint – wovon dann der unmittelbar folgende Satz ausdrücklich redet: καὶ τὴν δόξαν κυρίου εἶδεν („und die herrliche Erscheinung des Herrn hat er gesehen“).21 Von Num 12,6–8 LXX ist der Text PsClem H XVII 18,5f abhängig. In ihm wird Num 12,8a mit Worten aus Ex 33,11 LXX kombiniert, so daß es in der Gottesrede von Mose heißt: ἐν εἴδει καὶ οὐ διὰ ἐνυπνίων λαλήσω πρὸς αὐτόν, ὡς εἴ τις λαλήσει πρὸς τὸν ἑαυτοῦ φίλον (XVII 18,5). Auch hier ist die Übersetzung nicht zweifelhaft: „In sichtbarer Gestalt und nicht durch Träume werde ich zu ihm reden, wie wenn einer zu seinem Freund reden wird.“ Erwähnt sei noch, daß auch Philo von Alexandrien auf Num 12,6–8a LXX Bezug nimmt. Seine Rezeption des Textes lautet: ἐὰν γένηται προφήτης κυρίῳ, ἐν ὁράματι αὐτῷ γνωσθήσεται καὶ ἐν σκιᾷ ὁ θεός, οὐκ ἐναργῶς, Μωυσεῖ δέ […] στόμα κατὰ στόμα λαλήσει, ἐν εἴδει καὶ οὐ δι’ αἰνιγμάτων – „Wenn ein Prophet für den Herrn aufsteht, so wird Gott sich ihm in einem Gesicht zu erkennen geben und in einem Schattenbild, nicht in seiner sichtbaren (d. h. wahren) Gestalt. Zu Mose aber […] wird er von Mund zu Mund reden, in sichtbarer Erscheinung und nicht durch Rätselworte.“22 In diesen Worten ist οὐκ ἐναργῶς der Gegenbegriff zu ἐν εἴδει, so daß evident ist, daß Philo für εἶδος in Num 12,8a LXX die übliche passivische Bedeutung voraussetzt. Wenden wir uns Bauers Hinweis auf Severian von Gabala († nach 408) und auf Theodoret von Kyros († ca. 460) zu, so muß das Urteil, daß Severian in S. dazu oben Anm. 3.
18
19 T. Muraoka, A Greek-English
Lexicon of the Septuagint, Louvain – Paris – Walpole, MA 2009, 192 s. v. εἶδος 3 gibt für Num 12,8 LXX zu Recht die Bedeutung „visible form“ an. Vgl. auch J. Lust / E. Eynikel / K. Hauspie, Greek-English Lexicon of the Septuagint. Revised Edition, Stuttgart 2003, 173a, wo für εἶδος keine aktivische Bedeutung verzeichnet ist. 20 Vgl. zu ἐν εἴδει καὶ οὐ δι’ αἰνιγμάτων die folgenden Übersetzungen: A. Pietersma / B. G. Wright, A New English Translation of the Septuagint, Oxford – New York ²2009, 121: „in visible form and not through riddles“; W. Kraus / M. Karrer, Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, Stuttgart 2009, 148: „in einer sichtbaren Gestalt und nicht in Rätseln“. 21 Die Worte sind Bezugnahme auf Ex 24,15–18; 33,18–23 LXX. 22 Philo, Leg All III 103; vgl. Her 262.
„Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“?
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seiner Auslegung von 2 Kor 5,7 für εἶδος eine aktivische Bedeutung annehme, als unzutreffend bezeichnet werden. Severian deutet εἶδος vielmehr auf die „Gestalt“ Gottes: διὰ πίστεως ἐλπίζομεν εἰς θεόν· οὐ γὰρ τὸ εἶδος αὐτοῦ ὁρατὸν ἡμῖν ἐστιν – „Im Glauben hoffen wir auf Gott; denn seine Gestalt ist uns nicht sichtbar.“23 Daß Theodoret von Kyros εἶδος in 2 Kor 5,7 als „Schauen“ versteht, ist keineswegs sicher. Seine Auslegung der Verse 2 Kor 5,6–8 lautet: „Nicht dies sagt er (sc. Paulus), daß wir fern vom Herrn sind, solange wir noch an den sterblichen Leib gebunden sind; sondern [er sagt], daß wir ihn jetzt mit den Augen des Leibes nicht sehen, ihn dann aber (sc. wenn wir den neuen Leib empfangen haben) auch sehen und mit ihm zusammensein werden (ὅτι νῦν αὐτὸν τοῖς τοῦ σώματος ὀφθαλμοῖς οὐχ ὁρῶμεν, τότε δὲ καὶ ὀψόμεθα, καὶ συνεσόμεθα). Jetzt nämlich, sagt er, schauen wir nicht die erwarteten Dinge unmittelbar, sondern wir sehen sie nur im Glauben (οὐκ αὐτὰ βλέπομεν τὰ προσδοκώμενα πράγματα, ἀλλὰ διὰ μόνης αὐτὰ τῆς πίστεως ὁρῶμεν). Eben deshalb haben wir auch das Verlangen, aus dem [irdischen] Leib auszuziehen und zu dem Herrn nachhause zu kommen.“24
In dieser Auslegung können die Worte τοῖς τοῦ σώματος ὀφθαλμοῖς οὐχ ὁρῶμεν und οὐκ βλέπομεν unmittelbare Aufnahme des οὐ διὰ εἴδους sein, und dann läge in der Tat ein aktivisches Verständnis von εἶδος vor. Es ist aber durchaus möglich, daß Theodoret das Wort εἶδος selbst auf die „sichtbare Gestalt“ der προσδοκώμενα πράγματα deutet und lediglich im Zusammenhang seiner Auslegung dann auch vom „Schauen“ des Kyrios spricht.25 In diesem Fall bietet seine Exegese keinen Beleg für ein aktivisches Verständnis des Wortes εἶδος. Auch bei anderen griechischen Vätern ist festzustellen, daß sie für εἶδος eine passivische Bedeutung voraussetzen, obwohl sie dann in der Interpretation des Verses 2 Kor 5,7 bemerken, daß die Glaubenden den Kyrios gegenwärtig noch
23 So das erste Scholion bei K. Staab, Pauluskommentare aus der Griechischen Kirche. Aus Katenenhandschriften gesammelt und herausgegeben, Münster 1933 = ²1984, 291,1–6. Das ebd., 7–11 mitgeteilte zweite Scholion erwähnt die Möglichkeit einer anderen Deutung: Die Worte οὐ διὰ εἴδους könnten sich auf die Gestalt des Kyrios ἐν σαρκὶ πρὸ τοῦ πάθους beziehen, die Paulus nicht gesehen hat. 24 Theodoret von Kyros, Interpretatio Epistolae ad Corinthios secundae, zu 5,6–8 (PG 82, 408 B). Der erste Satz des in Übersetzung wiedergegebenen Textes (οὐ τοῦτο λέγει, ὅτι πόρρω τοῦ Κυρίου ἐσμὲν ἔτι τῷ θνητῷ συνεζευγμένοι σώματι) steht scheinbar im Widerspruch zu dem, was Paulus selbst in V. 6b sagt. Theodoret will jedoch lediglich herausstellen, daß das „Fernsein vom Herrn“ keineswegs in jeder – und also auch in geistlicher – Hinsicht gilt, der Apostel mit den Worten ἐκδημοῦμεν ἀπὸ τοῦ κυρίου vielmehr dezidiert auf den Unterschied zwischen dem leiblich-irdischen Dasein und dem in V. 8b angesprochenen eschatologischen σὺν κυρίῳ εἶναι (1 Thess 4,17b; Phil 1,23) abhebt. 25 Die Auslegung Theodorets entspräche in diesem Fall derjenigen, die sich z. B. bei H.J. Klauck, 2. Korintherbrief (NEB.NT 8), Würzburg 1986, 51 findet. Klauck vertritt für εἶδος mit Nachdruck die passivische Bedeutung „das, was man sieht“ / „(sichtbare) Gestalt“ und deutet dann: „Noch läßt Gott uns die Gestalt […] des erhöhten Herrn in seiner verklärten Leiblichkeit nicht unmittelbar sehen. Wir können uns nur im Glauben auf ihn – und damit auf das Unsichtbare (4,18) – hin orientieren.“
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nicht zu „schauen“ vermögen.26 Angemerkt sei noch, daß Clemens von Alexandrien († vor 215) und Origenes († 253/54) εἶδος in 2 Kor 5,7 nicht als „das Schauen“ deuten. Clemens versteht das Wort vielmehr als „die äußere / sichtbare Erscheinung“,27 Origenes als „die eigentliche (d. h. wahre und vollkommene) Gestalt“.28 Unter den frühen lateinischen Vätern verdient Tertullian († nach 220) Erwähnung, der zu den Worten per fidem, non per speciem von 2 Kor 5,7 erklärend bemerkt: id est spe, non re („d. h. in der Hoffnung, nicht in der Wirklichkeit“).29 Als Fazit kann nunmehr festgehalten werden, daß die Angaben des Bauer’schen Wörterbuchs zu εἶδος 2 Kor 5,7 – vielleicht von dem Hinweis auf Theodoret von Kyros abgesehen – einer Nachprüfung nicht standhalten.30 Der tatsächliche lexikalische Befund liefert somit kein hinreichendes Argument für das Urteil, daß εἶδος in 2 Kor 5,7 die aktivische Bedeutung „das Schauen“ hat. Zu fragen bleibt, ob der Vers selbst dazu nötigt, für diese Stelle einen besonderen Sprachgebrauch anzunehmen. Eine positive Antwort wäre dann begründet, wenn sich die Worte διὰ πίστεως γὰρ περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους unter der Voraussetzung der üblichen passivischen Bedeutung von εἶδος nicht sinnvoll verstehen ließen. Das aber ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil: Setzt man für εἶδος in 2 Kor 5,7 die Bedeutung „die (äußere) Erscheinung“ / „die (sichtbare) Gestalt“ voraus, so erlaubt der Satz durchaus eine Interpretation, die sich problemlos 26 So z. B. Johannes Chrysostomus († 407), Homilia in Epistulam I ad Corinthios VI 3 (PG 61, 51); Homilia in Epistulam II ad Corinthios X 2 (PG 61, 469). Wie der jeweilige Kontext zeigt, versteht Chrysostomus εἶδος als „sichtbare Erscheinung“. An der ersten Stelle entsprechen dem δι’ εἴδους die Wendungen φανερώτερον ἀποδειχθῆναι, διὰ τὸ περιφανές und φαίνεται; an der zweiten Stelle entsprechen dem οὐ διὰ εἴδους die Worte οὐχ οὕτω σαφῶς sowie die 1 Kor 13,12 verpflichteten Ausdrücke ἐν ἐσόπτρῳ und ἐν αἰνίγματι. – In ähnlicher Weise wie Johannes Chrysostomus dürften den Satz 2 Kor 5,7 ebenfalls verstehen: Methodius von Olympus (3./4. Jh.), De resurrectione II 16,9 (PG 18, 312 B / GCS 27, 365,9–12); Maximus Confessor († 662), Mystagogia 24 (PG 91, 705 A); Theophylakt von Achrida (ca. 1050/60–1125/26), Expositio in Epistulam II ad Corinthios, zu 5,6–8 (PG 124, 849 B–D). 27 Clemens von Alexandrien, Paedagogus III, II 12,3 (GCS 12, 243,12 f.); Stromateis IV, XXVI 166,2 (GCS 15, 322,13); V, VI 34,2 (GCS 15, 348,12). In Paedagogus III, II entspricht εἶδος den Begriffen μορφή = „Gestalt / Erscheinung“ (11,2.3 [242,25.30]), τὰ βλεπόμενα = „das Sichtbare“ (11,3 [242,28]) und ὄψις = „äußere Erscheinung“ (12,2 [243,7]). 28 Origenes, Commentarii in Joannem X 43 (27) § 306 zu 2,21 f. (GCS 10, 222,21 f.); XIII 53 (52) § 355 zu 4,42 (ebd., 281,30–283,21). In X 43 wählt R. Gögler unter Hinweis auf den Kontext für den Ausdruck ἡ διὰ εἴδους πίστις die Übersetzung „der Glaube in seiner Eigentlichkeit“: Origenes, Das Evangelium nach Johannes, übersetzt und eingeführt von R. Gögler, Einsiedeln – Zürich – Köln 1959, 240. In XIII 53 deutet Origenes die „eigentliche Gestalt“ auf die von dem „bloßen Glauben“ (ψιλὴ πίστις) zu unterscheidende Gotteserkenntnis als die Vollendung des Glaubens. Vgl. dazu etwa XIX 3 §§ 16–20 zu 8,19 (GCS 10, 301,15–302,9). 29 Tertullian, De resurrectione carnis XLIII (hg. v. E. Evans, London 1960, 120,6 f.). 30 Sollte Theodoret – und sollten andere Kirchenväter – εἶδος in 2 Kor 5,7 als „das Schauen“ verstehen, so gehört das ebenso wie die in der Peschitta und in dem koptisch-saïdischen Neuen Testament zu verzeichnende Übersetzung in die Auslegungsgeschichte des Verses. Für die Frage nach der Bedeutung des Wortes selbst ist es für sich genommen ohne Relevanz.
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sowohl in den engeren Kontext der Verse 2 Kor 5,6–8 wie auch in den übergreifenden Zusammenhang von 2 Kor 4,7–5,10 einfügt. Das ist jetzt in einem weiteren Schritt unserer Betrachtungen aufzuzeigen.
III Der Textzusammenhang 2 Kor 4,7–5,10 gehört zu den besonders schwierigen und deshalb in der Forschung lebhaft umstrittenen Abschnitten der Paulusbriefe.31 Eine Diskussion der verschiedenen Probleme wie auch eine ins einzelne gehende Exegese sind im Rahmen unserer Überlegungen weder möglich noch erforderlich. Es genügt vielmehr, diejenigen exegetischen Beobachtungen anzuführen, die für das Verständnis der Verse 5,6–8 ganz unmittelbar von Bedeutung sind. Für die Ausführungen von 2 Kor 4,7–5,10 ist die durchgehende Rede in der 1. Person Plural kennzeichnend. Wie ganz überwiegend im Zweiten Korintherbrief,32 so handelt es sich auch hier um das apostolische „Wir“. Das heißt: Paulus spricht von sich selbst,33 und zwar von sich selbst als dem Apostel Jesu Christi, dem der Dienst der Verkündigung des Evangeliums aufgetragen ist.34 Manche seiner „Wir“-Sätze sind für eine Ausweitung auf alle Christen offen – so z. B. die Verse 4,17–5,1 und auch der uns beschäftigende Satz 5,7.35 In den Versen 4,7–16 und 5,2–6.8–9 aber redet Paulus mit der 1. Person Plural ausschließlich von sich selbst. Thema des Abschnitts 2 Kor 4,7–5,10 ist die Schwachheit, die Paulus in seiner apostolischen Existenz zeichnet, und die Kraft Gottes, die in seinem Dienst wirksam wird. In den Versen 4,7–15 beschreibt der Apostel sich selbst als einen schwachen und zerbrechlichen Menschen, der als Verkündiger des Evangeliums Bedrängnis und Verfolgung erleidet, ja sogar in äußerste Todesgefahr gerät.36 An ihm, dem von Leiden gezeichneten und vom Tod bedrohten Apostel, erweist Gott jedoch immer neu seine Lebensmacht, indem er ihn selbst vor dem Tod bewahrt und durch seine Verkündigung Menschen zum rettenden Glauben an Jesus Christus und damit zum wahren Leben ruft. Die Verse 4,16–5,10 führen 31 Das gilt insbesondere für die Verse 2 Kor 5,1–10, zu denen auf das Referat bei Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (s. Anm. 7), 101–106 hingewiesen sei. 32 S. dazu neben 2 Kor 4,7–5,10 nur 2 Kor 1,3–14.18–22.24; 2,14–3,6; 3,12 f.; 4,1–6; 5,11–16; 6,1–10. 33 Ein deutliches Indiz dafür ist das Nebeneinander von ἡμεῖς (Paulus) und ὑμεῖς (die Korinther) in 2 Kor 4,12.14. Das gleiche Nebeneinander findet sich z. B. in 2 Kor 1,6 f.11.12–14.18.21.24; 3,1–3; 4,5.12; 5,11–13; 6,1. 34 Dieser Auftrag und Dienst ist das beherrschende Thema von 2 Kor 2,14–7,4. S. besonders 2,14–17; 3,4–4,6; 4,13–15; 5,11–6,10. 35 In 2 Kor 5,10 macht Paulus die Ausweitung durch πάντες ἡμεῖς ausdrücklich deutlich (vgl. ἡμεῖς πάντες 2 Kor 3,18). 36 S. dazu den Bericht in 2 Kor 1,8–11.
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das zuvor Gesagte weiter. Weil Paulus in aller Bedrohung täglich die Kraft Gottes erfährt, deshalb verzagt er nicht (οὐκ ἐγκακοῦμεν 4,16 [vgl. 4,1]). Er weiß, daß auf die gegenwärtige Bedrängnis, die er in seinem Dienst erfahren muß, eine unermeßliche „Herrlichkeit“ im zukünftigen Leben bei Gott folgen wird (4,17). Aufgrund dieser Gewißheit ist er nicht auf das „Sichtbare“ und „Vergängliche“, sondern auf das „Unsichtbare“ und „Ewige“ ausgerichtet (4,18). Die Aussage von 4,18 wird in dem Satz 5,1 näher erläutert: οἴδαμεν γὰρ ὅτι ἐὰν ἡ ἐπίγειος ἡμῶν οἰκία τοῦ σκήνους καταλυθῇ, οἰκοδομὴν ἐκ θεοῦ ἔχομεν, οἰκίαν ἀχειροποίητον αἰώνιον ἐν τοῖς οὐρανοῖς – „Wir wissen ja, daß wir, wenn unsere irdische Zeltwohnung abgebrochen sein wird, einen Bau von Gott haben, ein nicht von Menschenhänden gemachtes ewiges Haus im Himmel.“ Dem vergänglichen irdischen Leib stellt Paulus hier den unvergänglichen himmlischen Leib gegenüber, den er im ewigen Leben bei Gott haben wird.37 Nach diesem Leib sehnt er sich, hat er doch bereits eine „Anzahlung“ (ἀρραβών) auf das zukünftige Heil empfangen – nämlich den Heiligen Geist, den Gott ihm gegeben hat (5,2–5).38 An dieser Stelle folgen nun die Worte 5,6–8, die zunächst ganz zitiert seien: [6] θαρροῦντες οὖν πάντοτε καὶ εἰδότες ὅτι ἐνδημοῦντες ἐν τῷ σώματι ἐκδημοῦμεν ἀπὸ τοῦ κυρίου· [7] διὰ πίστεως γὰρ περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους· [8] θαρροῦμεν δὲ καὶ εὐδοκοῦμεν μᾶλλον ἐκδημῆσαι ἐκ τοῦ σώματος καὶ ἐνδημῆσαι πρὸς τὸν κύριον. Was die Struktur dieses Textes betrifft, so sind zwei Möglichkeiten der Analyse gegeben: 1. Paulus begann in V. 6 mit einem partizipialen Nebensatz, den er durch einen Hauptsatz weiterführen wollte. Er fügte dann aber zunächst als Parenthese die Aussage von V. 7 hinzu und brach, ohne den mit V. 6 begonnenen Satz syntaktisch korrekt zuende zu führen, hinter V. 7 ab (Anakoluth). Im Anschluß daran formulierte er mit V. 8 den ursprünglich beabsichtigten Hauptsatz, indem er das Partizip θαρροῦντες von V. 6 durch θαρροῦμεν δέ wieder aufnahm. – 2. Paulus gebraucht die beiden Partizipien θαρροῦντες und εἰδότες von V. 6 anstelle der finiten Formen θαρροῦμεν und οἴδαμεν,39 so daß der Vers den Charakter eines Hauptsatzes hat. Auf ihn folgen dann zwei weitere Hauptsätze: zunächst V. 7 als Zwischengedanke und sodann V. 8 als Aufnahme und 37 Die Worte ἡ ἐπίγειος ἡμῶν οἰκία τοῦ σκήνους sind Bild für das irdische σῶμα (2 Kor 4,10; 5,6.8.10), das in 4,11 als θνητὴ σάρξ bezeichnet wird. Mit der von Gott bereiteten himmlischen οἰκοδομή ist entsprechend der neue Leib gemeint, den die an Christus Glaubenden mit ihrer Auferstehung empfangen werden (vgl. 1 Kor 15,44; Phil 3,21). Den Grund für die in 5,1 geäußerte Gewißheit hat Paulus in 4,14 genannt: Die Auferweckung der Glaubenden ist die notwendige Folge der Auferweckung Jesu Christi. S. dazu O. Hofius, Die Auferstehung der Toten als Heilsereignis. Zum Verständnis der Auferstehung in 1 Kor 15, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 102–114: 106–111. 38 Zum Heiligen Geist als ἀρραβών s. auch 2 Kor 1,22. Vgl. ferner die Kennzeichnung des Geistes als ἀπαρχή („Erstlingsgabe“) in Röm 8,23. 39 Paulus wählt des öfteren anstelle des Verbum finitum ein Partizip; s. Röm 3,24; 6,6; 2 Kor 4,2.8–10; 5,12.19c; 6,3 f.; 7,5; 8,19; 9,11.13; 10,4–6; 11,6. Vgl. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 468,1 mit Anm. 1.
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Weiterführung des in V. 6 Gesagten. – Bei beiden syntaktischen Analysen ist die Aussage des Textes die gleiche. Folgen wir der an zweiter Stelle genannten Analyse, so können die Verse 2 Kor 5,6–8 folgendermaßen wiedergegeben werden:40 „[6] Wir sind nun allezeit guten Mutes und wissen doch, daß wir, solange wir in dem [irdischen] Leib Heimat haben, in der Fremde fern vom Herrn sind. [7] Wir wandeln ja διὰ πίστεως, nicht διὰ εἴδους. [8] Wir sind also guten Mutes und wollen doch lieber die Heimat in dem [irdischen] Leib verlassen und bei dem Herrn Heimat finden.“41 Wie die Strukturanalyse zeigt, liegt der Hauptgedanke des Textes in den Versen 6 und 8. V. 6 besagt zunächst: Inmitten aller Bedrohung seiner Existenz nimmt Paulus seinen apostolischen Dienst mit Zuversicht wahr;42 zugleich aber ist er sich durchaus dessen bewußt, daß die Existenz im irdischen Leib Fernsein von Christus bedeutet. Daraus ergibt sich für ihn der in V. 8 geäußerte Wunsch, daß seine irdische Existenz ein Ende fände und er für immer bei dem Kyrios zuhause wäre. Der zwischen V. 6 und V. 8 eingeschobene V. 7 – διὰ πίστεως γὰρ περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους – bedarf einer genauen sprachlichen Analyse. Anders als zumeist in den Briefen des Apostels ist mit dem Verbum περιπατεῖν nicht der Lebenswandel, sondern in umfassendem Sinn das gegenwärtige Leben überhaupt gemeint.43 In den beiden präpositionalen Bestimmungen διὰ πίστεως und διὰ εἴδους bezeichnet διά c. gen. den begleitenden Umstand.44 Es geht demzufolge nicht um Größen, von denen Paulus in seinem περιπατεῖν bestimmt 40 Die beiden Wendungen διὰ πίστεως und διὰ εἴδους lasse ich zunächst unübersetzt. Der erstgenannten Analyse entspräche als Übersetzung: „[6] Indem wir nun allezeit guten Mutes sind und doch wissen, daß wir, solange wir in dem [irdischen] Leib Heimat haben, in der Fremde fern vom Herrn sind, – [7] wir wandeln ja διὰ πίστεως, nicht διὰ εἴδους –. [8] Wir sind also guten Mutes und wollen doch lieber die Heimat in dem [irdischen] Leib verlassen und bei dem Herrn Heimat finden.“ 41 Sprachliche Hinweise zur Übersetzung: 1. Das καί in καὶ εἰδότες V. 6 und in καὶ εὐδοκοῦμεν V. 8 markiert einen Kontrast, hat also die Bedeutung „und doch“, „und trotzdem“. S. zu diesem καί adversativum Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 442,1b; Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 797 s. v. καί I.2.g. Weitere paulinische Belege: Röm 2,3; 1 Kor 12,12; 2 Kor 6,8c.9a.9c.10c. – 2. Das Präsens von ἐνδημεῖν (V. 6 [ebenso V. 9]) heißt „Heimat haben“ / „zuhause sein“, der Infinitiv Aorist ἐνδημῆσαι (V. 8) dagegen „Heimat finden“ / „in die Heimat kommen“; das Präsens von ἐκδημεῖν (V. 6 [ebenso V. 9]) heißt „in der Fremde sein“, der Infinitiv Aorist ἐκδημῆσαι (V. 8) dagegen „die Heimat verlassen“ / „auswandern“ / „fortziehen“. – 3. In dem Zwischensatz V. 7 hat γάρ erklärende Bedeutung (vgl. Röm 7,1; 1 Kor 16,5). – 4. Da θαρροῦμεν δέ V. 8 das θαρροῦντες von V. 6 wieder aufnimmt, hat δέ hier die Bedeutung „also“ / „wie gesagt“ (vgl. 2 Kor 10,1 f. [δέ V. 2]). 42 Die Worte θαρροῦντες V. 6 und θαρροῦμεν V. 8 entsprechen m. E. dem οὐκ ἐγκακοῦμεν von 4,1.16. Sie beziehen sich also auf die apostolische Wirksamkeit des Paulus, nicht dagegen auf die Erwartung des neuen Leibes. 43 Vgl. περιπατεῖν in Röm 6,4; 1 Kor 7,17; 2 Kor 10,3 sowie außerhalb der Paulusbriefe Barn 10,11. 44 Zu diesem Gebrauch von διά c. gen. vgl. bei Paulus: Röm 2,27; 4,11; 8,25; 14,20; 1 Kor 16,3; 2 Kor 2,4; 6,8. S. zu diesen Stellen unten Anm. 50.
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wird oder an denen er sich orientiert;45 die Rede ist vielmehr von dem, was sein Leben im irdisch-vergänglichen Leib kennzeichnet. Die wörtliche Übersetzung des Satzes 2 Kor 5,7 lautet demnach: „Wir führen unser Leben ja im Glauben, nicht in der äußeren Erscheinung (nicht in der sichtbaren Gestalt).“ Unter der πίστις ist zweifellos der Glaube von 2 Kor 4,13 zu verstehen. Es ist dies der Glaube, der Paulus dazu drängt, das Evangelium von der Herrlichkeit Christi zu verkündigen.46 Zu diesem seinem Glauben gehört wesentlich das „Wissen“, von dem er in 4,14 (εἰδότες ὅτι […]) und in 5,1 (οἴδαμεν ὅτι […]) spricht, – also die Gewißheit, daß Gott ihn von den Toten auferwecken und ihm einen neuen, unvergänglichen Leib geben wird. Den so zu beschreibenden Glauben bezeichnet der Apostel mit der positiven Aussage διὰ πίστεως περιπατοῦμεν als die Signatur seines irdischen Lebens.47 Ist somit von der πίστις des Paulus die Rede, so wird hinsichtlich der negativen Aussage οὐ διὰ εἴδους (sc. περιπατοῦμεν) für εἶδος das gleiche gelten.48 Was dann mit εἶδος gemeint ist, ergibt sich von dem her, was in den Versen 5,1–5 gesagt war: Es ist „die kommende neue Leiblichkeit“.49 Diese ist in der Zeit des irdischen περιπατεῖν eine geglaubte, keineswegs aber eine bereits in irgendeiner Weise wahrnehmbare Wirklichkeit. Als Aussage des Apostels über sich selbst kann der Satz 2 Kor 5,7 mithin so umschrieben werden: „Ich führe mein gegenwärtiges irdisches Leben als ein Glaubender, der im Glauben der Gabe des neuen Leibes gewiß ist, nicht aber als einer, an dem dieser neue Leib bereits sichtbar in Erscheinung tritt.“50 Veranlaßt ist diese Aussage durch 45 So versteht z. B. Furnish, II Corinthians (s. Anm. 7), 253.302. Er übersetzt: „We conduct ourselves according to faith, not according to appearance“ (253) und deutet den Satz als eine Parallele zu 2 Kor 4,18: „The crucial point is the orientation of one’s life“ und: „Believers are guided by what is believed, not by what is seen“ (302). Wenn Paulus dies hätte sagen wollen, wäre aber m. E. die Verbindung von περιπατεῖν mit κατά c. acc. (vgl. Röm 8,4; 14,15) oder mit bloßem Dativ (vgl. Gal 5,16) zu erwarten. 46 So 2 Kor 4,13, wo λαλεῖν wie in 2 Kor 2,17 die Verkündigung des Evangeliums meint (vgl. 1 Kor 2,6 f.13; Phil 1,14; 1 Thess 2,2.4.16). Zur Kennzeichnung des Evangeliums als τὸ εὐαγγέλιον τῆς δόξης τοῦ Χριστοῦ s. 2 Kor 4,4. 47 Die Aussage διὰ πίστεως περιπατοῦμεν von 2 Kor 5,7 entspricht den Worten ὃ νῦν ζῶ ἐν σαρκί, ἐν πίστει ζῶ τῇ τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ von Gal 2,20b. 48 Das spricht gegen eine Deutung von εἶδος auf die Gestalt des erhöhten Kyrios. Zu dieser bereits von manchen Kirchenvätern vertretenen Auffassung s. etwa Heinrici, Der zweite Brief an die Korinther (s. Anm. 7), 185; Thrall, The Second Epistle to the Corinthians I (s. Anm. 7), 389; Klauck, 2. Korintherbrief (s. Anm. 25), 51; Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther I (s. Anm. 7), 302. 49 So mit Recht Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (s. Anm. 7), 113. Die Übersetzung von V. 7 lautet ebd., 98: „Denn in Glauben wandeln wir, nicht in Sichtbarem.“ 50 Grundlage der Paraphrase ist der bei Anm. 44 erwähnte Tatbestand, daß in den beiden Wendungen διὰ πίστεως und διὰ εἴδους durch διά c. gen. der begleitende Umstand angegeben wird. An den vergleichbaren Stellen der Paulusbriefe kennzeichnet der präpositionale Ausdruck jeweils die Person, von der die Rede ist, hinsichtlich ihres Zustandes oder ihrer Situation. Er kann dementsprechend in einen Aussagesatz umgeformt werden: Röm 2,27: διὰ γράμματος καὶ περιτομῆς = „mit Gesetz und Beschneidung“ = „als einer, der das Gesetz hat und beschnitten ist“; Röm 4,11: δι’ ἀκροβυστίας = „im Zustand der Unbeschnittenheit“ = „als solche, die nicht
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die Worte ἐνδημοῦντες ἐν τῷ σώματι ἐκδημοῦμεν ἀπὸ τοῦ κυρίου von V. 6. Die auf den ersten Blick merkwürdige Feststellung des Apostels, daß er in seiner irdischen Existenz „fern vom Herrn“ sei, bedarf einer Erläuterung, und so erklärt er: Bei dem Kyrios zu sein – das bedeutet zugleich und in einem, den neuen und unvergänglichen Leib zu besitzen. Beides gehört unlöslich zusammen. Die Existenz im irdischen Leib ist insofern Existenz „in der Fremde“ und deshalb Anlaß zu der Sehnsucht, für immer bei Christus zu sein (V. 8). Es entspricht dem Tatbestand, auf den die Worte οὐ διὰ εἴδους (sc. περιπατοῦμεν) mit Nachdruck hinweisen, daß die sichtbare Wirklichkeit des Apostels von Leiden, Bedrängnis und ständiger Todesgefahr gezeichnet ist. Sosehr Paulus nun aber in das Leben bei Christus versetzt sein möchte, sosehr begreift er doch das irdische Leben als den Ort, an dem er mit ganzem Einsatz im Dienst des Kyrios steht – in einem Dienst, über den dieser das letzte Urteil sprechen wird. Indem Paulus das in den Versen 2 Kor 5,9–10 betont, schließt er den in 2 Kor 4,7 begonnenen Gedankengang ab.
IV Wie unsere Überlegungen ergeben haben, hat εἶδος in 2 Kor 5,7 nicht die aktivische Bedeutung „das Schauen“, sondern die passivische Bedeutung „die (äußere) Erscheinung“ / „die (sichtbare) Gestalt“.51 Eine Abweichung von dem sonstigen altgriechischen Sprachgebrauch liegt mithin an dieser Stelle nicht vor. Diejenigen Lexika, die für εἶδος ausschließlich eine passivische Bedeutung verzeichnen,52 tun das mit vollem Recht. Wo dagegen Wörterbücher des neutestamentlichen Griechisch für 2 Kor 5,7 die aktivische Bedeutung „das Schauen“ anführen53 oder Handwörterbücher des Altgriechischen diese Bedeutung im Hinblick auf 2 Kor 5,7 als einen besonderen neutestamentlichen Sprachgebrauch notieren54, da handelt es sich um eine Auskunft, die eines tragfähigen Fundamentes entbehrt. beschnitten sind“; Röm 8,25: δι’ ὑπομονῆς = „in Geduld“ = „als solche, die Geduld haben“; Röm 14,20: διὰ προσκόμματος = „mit Anstoß“ = „als einer, der dabei Anstoß nimmt“; 1 Kor 16,3: δι’ ἐπιστολῶν = „mit Empfehlungsbriefen“ = „als solche, die mit Empfehlungsbriefen versehen sind“; 2 Kor 2,4: διὰ πολλῶν δακρύων = „unter vielen Tränen“ = „als einer, der dabei viele Tränen vergossen hat“; 2 Kor 6,8: διὰ δόξης καὶ ἀτιμίας, διὰ δυσφημίας καὶ εὐφημίας = „bei Ehrung und Schmähung, bei Verleumdung und Rühmung“ = „als solche, die geehrt und geschmäht, verleumdet und gerühmt werden“. 51 G. Abbott-Smith, A Manual Greek Lexicon of the New Testament, Edinburgh ³1937 = 1994, 131 s. v. εἶδος 1 ordnet 2 Kor 5,7 deshalb zutreffend der Bedeutung „that which is seen, appearance, external form“ zu. 52 S. Anm. 1, Anm. 13 und Anm. 51. 53 S. Anm. 14 und Anm. 16. 54 So z. B. K. Jacobitz / E. E. Seiler, Griechisch-deutsches Wörterbuch, Leipzig ³1876 = 1890, 453b s. v. 5; G. E. Benseler / A. Kaegi, Griechisch-deutsches Schulwörterbuch, Stutt-
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Die Feststellung, daß die Übersetzung von εἶδος 2 Kor 5,7 mit „das Schauen“ aufgrund des lexikalischen Befundes als sprachlich unhaltbar beurteilt werden muß und auch exegetisch durch nichts gefordert ist, hat eine gewichtige Konsequenz, auf die abschließend hingewiesen sei: Es geht in den Worten διὰ πίστεως […] περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους keineswegs um einen Gegensatz zwischen dem „Glauben“ als dem Wesensmerkmal der gegenwärtigen irdischen Existenz und dem „Schauen“ als dem Wesensmerkmal der zukünftigen himmlischen Existenz.55 Der Satz liefert deshalb – entgegen einer verbreiteten Auffassung – keinen Beleg dafür, daß nach der Überzeugung des Paulus der Glaube durch das Schauen „von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12) abgelöst wird und also mit der Heilsvollendung ein Ende findet. Ein solcher Gedanke wäre auch schwerlich mit dem vereinbar, was sich den Paulusbriefen insgesamt entnehmen läßt: Der Glaube ist für den Apostel die durch das Evangelium gewirkte Relation zu Jesus Christus56 und als solcher der Modus der Teilhabe an dem Heil, das Gott dem Menschen in der Person und dem Werk seines Sohnes bereitet hat.57
gart – Leipzig 1931 = ¹⁵1994, 217b s. v. 5; H. Menge, Langenscheidts Großwörterbuch Altgriechisch-Deutsch, Berlin u. a. ²⁸1994, 204b s. v. 1. Eine beachtenswerte Ausnahme bildet W. Gemoll / K. Vretska, Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, München ⁵1954, 242a s. v. 55 Vgl. Furnish, II Corinthians (s. Anm. 7), 302: „The contrast in v. 7 is not between faith as the mode of one’s present existence (in this age) and ‚seeing‘ as the mode of one’s existence in the age to come. […] Paul is contrasting two modes of existence in this age.“ 56 Der Glaube ist seinem Wesen nach „Glaube an Jesus Christus“: πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ Röm 3,22; Gal 2,16a; 3,22 / πίστις Ἰησοῦ Röm 3,26 / πίστις Χριστοῦ Gal 2,16b; Phil 3,9 / πίστις τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ Gal 2,20. Daß der Genitiv an allen diesen Stellen ein Genitivus objectivus ist, ergibt sich bereits aus Gal 2,16, wo dem Syntagma πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ / πίστις Χριστοῦ die Verbalphrase πιστεύειν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν entspricht (s. zu dieser ferner auch Röm 10,14; Phil 1,29). 57 Röm 1,16 f.; 3,21–4,25; 5,1 f.; 9,30–33; 10,4–15; Gal 2,16; 3,1–14.21–29; Phil 3,7–11.
„Extra nos in Christo“ Voraussetzung und Fundament des „pro nobis“ und des „in nobis“ in der Theologie des Paulus* Die drei präpositionalen Wendungen unseres Themas – „extra nos in Christo“, „pro nobis“ und „in nobis“ – verweisen auf zentrale Aussagen der Paulusbriefe, die das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus und das dadurch konstituierte heilvolle Gottesverhältnis des Menschen betreffen.1 Die Worte „pro nobis“ repräsentieren die verschiedenen personalen ὑπέρ-Wendungen, mit denen Paulus auf den Adressaten der Heilstat des Todes und der Auferstehung Jesu Christi Bezug nimmt2 und in denen ὑπέρ c. Gen. die Bedeutung „für“ / „zugunsten von“ / „zugute“ hat3: ὑπὲρ ἐμοῦ4, ὑπὲρ ἡμῶν5, ὑπὲρ ὑμῶν6, ὑπὲρ οὗ7 und ὑπὲρ πάντων8 mit der Aufnahme durch ὑπὲρ αὐτῶν9. Das Syntagma „in nobis“ steht für jene paulinischen ἐν-Wendungen, die von dem Wohnen oder Wirken Christi bzw. des Geistes Christi in dem an ihn glaubenden Menschen sprechen und
* Dieter Sänger zum 65. Geburtstag. 1 Die folgenden Ausführungen gelten ausschließlich den von Paulus selbst verfaßten Briefen. Lediglich in den Anmerkungen werden bei der Angabe von Belegen gelegentlich in eckigen Klammern Parallelen aus den Deuteropaulinen notiert. – Literaturhinweise beschränken sich auf Arbeiten, denen ich wichtige Einsichten verdanke, sowie auf solche, in denen bestimmte exegetische Urteile ihre nähere Begründung finden. Für hilfreiche Gespräche danke ich meinem Freund Dr. Martin Bauspieß. 2 Die Auferstehung Jesu wird zwar nur in 2 Kor 5,15b in Verbindung mit einer personalen ὑπέρ-Wendung ausdrücklich erwähnt, sie ist aber an jenen Stellen, die nur von Jesu Tod sprechen, durchaus mit im Blick. Vgl. exemplarisch in Röm 8,31–34 das Neben- und Miteinander der Verse 32 und 34 sowie ferner auch Röm 4,25; 14,9; 1 Thess 4,14. 3 Diese Bedeutung liegt auch in dem Ausdruck ἐντυγχάνειν ὑπέρ τινος Röm 8,27.34 vor: „für jemanden / zugunsten jemandes eintreten“ (ebenso Hebr 7,25). – In Röm 8,31 heißt εἶναι ὑπέρ τινος wie in Mk 9,40 par. Lk 9,50: „für jemanden sein“, „auf jemandes Seite stehen“. 4 Gal 2,20b. 5 Röm 5,6.8; 8,32; 2 Kor 5,21; Gal 3,13; 1 Thess 5,10 (v. l.: περὶ ἡμῶν) [Eph 5,2; Tit 2,14]. Die Worte ὄντων ἡμῶν ἀσθενῶν […] ὑπὲρ ἀσεβῶν Röm 5,6 stehen in Parallele zu der Formulierung ἁμαρτωλῶν ὄντων ἡμῶν […] ὑπὲρ ἡμῶν Röm 5,8; sie sind also in in der Sache ein Beleg für ὑπὲρ ἡμῶν. 6 1 Kor 1,13 (v. l.: περὶ ὑμῶν); 11,24b [Eph 5,2 v. l.]. 7 Röm 14,15; vgl. δι᾽ ὅν 1 Kor 8,11. 8 2 Kor 5,14b.15a [1 Tim 2,6]. In 2 Kor 5,14b.15a klingt in ὑπὲρ πάντων neben der Bedeutung „zugunsten von“ / „zugute“ zugleich der Gedanke der Stellvertretung mit an, die dabei dezidiert als inkludierende Stellvertretung, d. h. als ein die πάντες einschließendes Geschehen gedacht ist. 9 2 Kor 5,15b [vgl. Eph 5,25: ὑπὲρ αὐτῆς sc. τῆς ἐκκλησίας].
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damit jene Größe benennen, die sein Personzentrum regiert: ἐν ἐμοί10, ἐν ἡμῖν11 und ἐν ὑμῖν12. Bei den beiden Wendungen „pro nobis“ und „in nobis“ handelt es sich also um Formulierungen, die bereits bei Paulus selbst begegnen. Das gilt ebenfalls für die Formel „in Christo“,13 nicht aber für das Präpositionalgefüge „extra nos“ und dementsprechend auch nicht für die Verbindung „extra nos in Christo“. Mit ihr wird vielmehr eine Formulierung aufgenommen, die sich bei Martin Luther findet. In der Römerbrief-Vorlesung der Jahre 1515/1516 stellt Luther gleich zu Anfang betont heraus, worum es nach seiner Erkenntnis in diesem Brief geht: Der Apostel – so hören wir – will im Hinblick auf die Frage nach dem Heil die Gerechtigkeit und Weisheit der Menschen als absolut nichtig erweisen und die allein heilschaffende Gerechtigkeit und Weisheit Gottes bezeugen – nämlich omnia, que extra nos sunt et in Christo, „alles, was außerhalb von uns und in Christus ist“.14 Im gleichen Sinn heißt es in einer Predigt vom Jahre 1517: Ubi […] est sapientia? Ubi iustitia? Ubi veritas? Ubi virtus? Non in nobis, sed in Christo, extra nos in Deo. – „Wo ist Weisheit? Wo Gerechtigkeit? Wo Wahrheit? Wo Kraft? Nicht in uns, sondern in Christus und also außerhalb von uns in Gott.“15
10 Gal 2,20a [Kol 1,29]. Nicht hierher gehören 2 Kor 13,3, wo ἐν ἐμοί „durch mich“ heißt, und Gal 1,16a, wo es für den einfachen Dativ „mir“ steht (vgl. ἐν αὐτοῖς = „ihnen“ Röm 1,19; ἐν τοῖς ἀπολλυμένοις = „denen, die verlorengehen“ 2 Kor 4,3). 11 Röm 8,4 [2 Tim 1,14]. Dem ἐν ἡμῖν entspricht ἐν ταῖς καρδίαις ἡμῶν 2 Kor 4,6 (vgl. ἐν οἷς in V. 4); in Röm 5,5 und 2 Kor 1,22 steht ἐν ταῖς καρδίαις ἡμῶν dagegen für εἰς τὰς καρδίας ἡμῶν (so Gal 4,6). – In 2 Kor 4,12 heißt ἐν ἡμῖν „an uns“; in 2 Kor 5,19 hat es nach meinem Urteil die Bedeutung „unter uns“ (s. O. Hofius, Das Wort von der Versöhnung und das Gesetz, in: Ders., Exegetische Studien [WUNT 223], Tübingen 2008, 149–160). 12 Röm 8,9–11; 1 Kor 3,16; 6,19 [vgl. ἐν ταῖς καρδίαις ὑμῶν Eph 3,17; Kol 3,15]. – In 1 Kor 1,6; 14,25; 2 Kor 13,5; Gal 3,5; 4,19; Phil 1,6; 2,5.13; 1 Thess 2,13 [Kol 1,27] hat ἐν ὑμῖν – wie häufig bei Paulus – die Bedeutung „unter euch“ bzw. „bei euch“; in 2 Kor 4,12 heißt es „an euch“. 13 Die Formel erscheint bei Paulus in unterschiedlichen Bedeutungen. Zu ἐν Χριστῷ / ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ als Rekurs auf das Christusgeschehen s. Röm 3,24; 8,39 (s. u. Anm. 104); 1 Kor 1,4 f.; 2 Kor 5,19a [vgl. Eph 1,6 f.; 2,6 f.10.13.15 f.; 4,32; Kol 1,14.19 f.]. 14 M. Luther, Vorlesung über den Römerbrief (1515/1516), Scholion zu Röm 1,1, WA 56, 158,9. Ich zitiere nach: M. Luther, Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516. Lateinischdeutsche Ausgabe, Darmstadt 1960, I 10. Luther fährt dann fort (ebd., I 10 [WA 56, 158,10–14]): Deus enim nos non per domesticam, sed per extraneam iustitiam et sapientiam vult salvare, non que veniat et nascatur ex nobis, sed que aliunde veniat in nos, non que in terra nostra oritur, sed que de celo venit. Igitur omnino externa et aliena iustitia oportet erudiri. – Vgl. in der Römerbriefvorlesung noch das Scholion zu Röm 4,7, in dem es heißt (Lateinisch-deutsche Ausgabe, I 276 [WA 56, 279,22 f.30–32; 280,2–4]): Extrinsecum nobis est omne bonum nostrum, quod est Christus. […] Quo manifeste sese vacuam et pauperem ostendit (sc. Ecclesia) intra se esse, et extra se esse plenitudinem et iustitiam suam. […] Sciunt (sc. sancti) in se esse peccatum, sed propter Christum tegi et non imputari, ut omne suum bonum extra se in Christo, qui tamen per fidem in ipsis est, protestentur. Dem „extra nos in Christo“ korrespondiert das „extra nos in Deo“; s. Lateinisch-deutsche Ausgabe, I 258. 328/330, II 130 (WA 56, 268,27–269,12. 305,24–306,2. 386,26 f.). 15 M. Luther, Predigt über Mt 11,25–30 (1517), WA 1, 139,34 f.
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Die Verbindung der beiden Bestimmungen „extra nos“ und „in Christo“ läßt sich bereits vor Luther in der theologischen Literatur des Abendlandes nachweisen,16 sie hat bei ihm jedoch als Fundamentalaussage seiner Rechtfertigungslehre einen ganz spezifischen christologisch-soteriologischen Sinn gewonnen. Die Frage, ob die Römerbrief-Vorlesung bereits reformatorisch ist oder noch nicht und wie von daher die Worte „extra nos in Christo“ in den frühen Aussagen Luthers genau verstanden sein wollen, kann und muß jetzt nicht erörtert werden.17 Auch wenn das für den Reformator entscheidende Verständnis des Evangeliums als des Glauben wirkenden Heilswortes Gottes noch nicht vorausgesetzt sein sollte, so besagt die Formel „extra nos in Christo“ doch auf alle Fälle schon hier, daß das Heil des Menschen in keinerlei Hinsicht aus ihm selbst und seinem eigenen Vermögen kommt und auch nie je zu seinem eigenen selbsterworbenen Besitz wird, sondern daß es ihm ausschließlich aufgrund der rettenden Zuwendung Gottes in Jesus Christus als eine in freier Gnade gewährte Gabe zuteil wird und erhalten bleibt.18 Die im reformatorischen Sinn verstandene Wendung „extra nos in Christo“ vermag – auch wenn sie in den Paulusbriefen selbst nicht vorkommt – in hervorragender Weise zum Ausdruck zu bringen, was als die Signatur der paulinischen Christologie und Soteriologie zu gelten hat. Das durch die Formel „in Christo“ präzisierte und dadurch allererst eindeutig definierte „extra nos“ ist für die christologisch-soteriologische Sicht des Apostels in ihrer Gesamtheit wie auch in ihren einzelnen Aspekten sowohl bestimmend wie kennzeichnend, und es bildet die grundlegende Voraussetzung und das bleibende Fundament dessen, was er in solchem Zusammenhang über das „pro nobis“ und das „in nobis“ sagt. Das
16 S. z. B. Meister Eckhart, In Ioh. n. 118 (LW 3, 103,1–3): Verbum enim caro factum in Christo, extra nos, hoc ipso quod extra nos non facit nos perfectos, sed postquam et per hoc quod habitavit in nobis, nos denominat et nos perficit, ,ut filii dei nominemur et simus‘, 1 Ioh. 3. Ich verdanke das Zitat S. Kikuchi, Christological Problems in the Understanding of the Sonship in Meister Eckhart, Bijdr. 69 (2008) 365–381: 380 Anm. 49. 17 Zu einer unterschiedlichen Antwort s. etwa die Interpretation bei H. J. Iwand einerseits und bei O. Bayer andererseits: H. J. Iwand, Rechtfertigungslehre und Christusglaube. Eine Untersuchung zur Systematik der Rechtfertigungslehre Luthers in ihren Anfängen (TB 14), München ²1961, 28–37; Ders., Luthers Theologie, hg. v. J. Haar (NW 5), München 1974, 114–116; Ders., Glaubensgerechtigkeit nach Luthers Lehre, in: Ders., Glaubensgerechtigkeit. Gesammelte Aufsätze Band II, hg. v. G. Sauter (TB 64), München 1980, 11–125: 27–41; O. Bayer, Promissio. Geschichte der reformatorischen Wende in Luthers Theologie (FKDG 24), Göttingen 1971, 57–77.137–143 (vgl. auch 274–297). 18 Der Genfer Reformator J. Calvin denkt im Entscheidenden nicht anders über das extra nos in Christo beschlossene Heil. Dazu drei Zitate: Institutio (1559) III 11,4 (Opera selecta IV, München ²1959, 185,17 f.): In ipso (sc. in Christo) et extra nos iusti reputamur coram Deo; In Epistolam ad Galatos Commentarius (1548), zu Gal 2,20 (Ioannis Calvini Opera exegetica XVI, Genève 1992, 55,16 f.): Insignis sententia, fideles extra se vivere, hoc est in Christo; In Epistolam ad Ephesios Commentarius (1548), zu Eph 1,4 (ebd., 158,11 f.): Si in Christo sumus electi, ergo extra nos.
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soll im Folgenden in strenger Konzentration auf das Wesentliche unter sieben Gesichtspunkten exegetisch erhoben und dargelegt werden.
I. Jesus Christus – Person und Werk In der Soteriologie des Paulus und mithin auch in seiner Anthropologie geht es um den Menschen, der von der Sünde als dem fundamentalen Nein zu Gott, der Quelle des Lebens, gezeichnet ist, deshalb unter dem „Fluch“ des Gesetzes als des richtenden Wortes Gottes steht und aufgrund dieses Verdammungsurteils dem ewig von Gott trennenden Tod verfallen ist.19 Diesem vor ihm verlorenen Menschen hat Gott sich in der Person und in dem Werk des Menschen Jesus von Nazareth rettend zugewandt. Daß Jesus der eschatologische Heilsbringer ist, das kommt in dem Beinamen „Christus“ (Χριστός) zum Ausdruck, in dem für Paulus die ursprüngliche messianische Bedeutung – allerdings in ihrem spezifisch christlichen Verständnis! – durchaus noch mitschwingt. Durch das Werk Jesu, das Christusgeschehen, empfängt der zuvor von der Sünde gezeichnete Mensch die δικαιοσύνη – die heilvolle Beziehung zu dem lebendigen Gott.20 Mit dieser bereits gegenwärtigen Heilsgabe ist ihm zugleich die eschatologische σωτηρία – die Rettung vor dem zukünftigen Strafgericht Gottes und die Erlangung des ewigen Lebens – fest verbürgt.21 Daß das Christusgeschehen Gottes rettende Tat für den Menschen ist, sieht Paulus in dem Persongeheimnis Jesu Christi begründet – darin, daß er der „Sohn Gottes“22 und als dieser „der Herr der Herrlichkeit“23 ist. Im Unterschied zu dem Beinamen „Christus“ sagen die beiden genannten Begriffe nicht, wer Jesus „für uns“ ist, sondern wer er in sich selbst ist.24 Der Hoheitstitel „Sohn Gottes“ kennzeichnet ihn als den, der seinem Ursprung und Wesen nach auf die Seite 19 Zum Menschen als Sünder s. besonders Röm 1,18–3,20; 3,23; 5,6–10.12–21; 7,7–25a; 8,5–8, zum „Fluch“ des Gesetzes: Gal 3,10–12, zum Verdammungsurteil: Röm 5,16.18; 8,1; 2 Kor 3,9. 20 In den paulinischen Rechtfertigungsaussagen bezeichnet δικαιοσύνη als Relationsbegriff die heilvolle Beziehung zu dem lebendigen Gott, von der dabei unter den beiden Gesichtspunkten gesprochen wird, daß Gott diese Beziehung schafft und gewährt und daß sie dem Menschen als seine Gabe zuteil wird. Entsprechend bedeutet δικαιοῦν (von Gott gesagt): „die heilvolle Gottesbeziehung gewähren“, δικαιοῦσθαι (vom Menschen gesagt): „die heilvolle Gottesbeziehung empfangen“. 21 Zur Unterscheidung von δικαιοσύνη und σωτηρία s. O. Hofius, „Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17, in: J. von Lüpke / E. Thaidigsmann (Hg.), Denk raum Katechismus. FS Oswald Bayer, Tübingen 2009, 71–86: 78 f. (in dem vorliegenden Band: 105–120: 112). 22 Röm 1,3 f.9; 5,10; 8,3.29.32; 1 Kor 1,9; 15,28; 2 Kor 1,19; Gal 1,16; 2,20; 4,4.6; 1 Thess 1,10 [Eph 4,13; Kol 1,13]. 23 1 Kor 2,8b. 24 Der „Sohn Gottes“-Titel erscheint bei Paulus vor allem in soteriologischen Aussagen – dies aber nicht deshalb, weil er in sich selbst Ausdruck des „pro nobis“ wäre, sondern weil er zum Ausdruck bringt, wer der ist, den Gott um des verlorenen Menschen willen in den Tod
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Gottes, seines Vaters, gehört; und wenn auf ihn die Gottesprädikation „der Herr der Herrlichkeit“ bezogen wird, dann liegt darin das Bekenntnis, daß Gott selbst in ihm gegenwärtig und er in Person die Gegenwart Gottes ist.25 Einzig aufgrund seines göttlichen Seins kann Jesus als der eschatologische Heilsbringer Gottes gedacht werden. Die Christologie bildet deshalb für Paulus die Grundlage der Soteriologie, und das damit gegebene Verhältnis zwischen den beiden zwar nicht voneinander zu trennenden, wohl aber zu unterscheidenden Größen ist grundsätzlich unumkehrbar. Die Christologie geht auch nicht in der Soteriologie auf, und sie ist keineswegs bloß ihr „mythologischer“ Ausdruck.
II. Die Heilstat Gottes in Jesus Christus Das Christusgeschehen, das wir jetzt weiter zu bedenken haben, begreift Paulus als den differenzierten Zusammenhang von Heilstat Gottes und Heilswort Gottes.26 Die Heilstat, in der Gott dem Menschen das Heil bereitet hat, umfaßt die Menschwerdung Jesu Christi und ihr Ziel: das Sühne- und Versöhnungsgeschehen seines Todes und seiner Auferstehung. Dieses Geschehen betrifft – eben weil es ein eschatologisches Gottesgeschehen ist – nach Paulus die ganze Menschheit und „umgreift alle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“.27 Deshalb sind diejenigen, für die Christus stirbt und aufersteht, von Anfang an ganz unmittelbar in das Sühne- und Versöhnungsgeschehen einbezogen – und zwar dergestalt, daß sich von Gott her in Christi Tod die Aufhebung ihrer der Sünde und dem Tod verfallenen Existenz und in seiner Auferstehung ihre Versetzung in die neue, unter der Verheißung des ewigen Lebens stehende Existenz in der δικαιοσύνη ereignet hat.28 Daß das „pro nobis“ der Heilstat Gottes in einem „extra nos“ gründet, kann in den Paulusbriefen unter vier Aspekten wahrgenommen werden: dahingegeben hat, und auf diese Weise die Größe der im Kreuzestod Jesu offenbar gewordenen Liebe Gottes erkennen läßt (s. Röm 8,31 f.). 25 Vgl. 2 Kor 5,19 (θεὸς ἦν ἐν Χριστῷ) und deuteropaulinisch Kol 1,19; 2,9. Zu ὁ κύριος τῆς δόξης als Gottesprädikation s. grHen 22,14; 27,3.5; äthHen 22,14; 25,3.7; 27,3.5; 36,4; 40,3; 63,2; 75,3; 83,8; koptApkEl 19,11. 26 S. dazu insbesondere 2 Kor 5,18–21 und zu diesem Text wie auch zu Parallelen in den Paulusbriefen O. Hofius, Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 1–9.15–22.148–150. 27 G. Eichholz, Die Grenze der existentialen Interpretation. Fragen zu Gerhard Ebelings Glaubensbegriff, in: Ders., Tradition und Interpretation. Studien zum Neuen Testament und zur Hermeneutik (TB 29), München 1965, 210–226: 220 (Voranstellung des Prädikats von mir). 28 S. dazu insbesondere Röm 6,1–14; 7,4; 2 Kor 5,14–21; Gal 2,19 f. sowie zur Sache G. Eichholz, Die Theologie des Paulus im Umriß, Neukirchen-Vluyn 1972, 188–214; O. Hofius, Sühne und Versöhnung. Zum paulinischen Verständnis des Kreuzestodes Jesu, in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 26), 33–49: 44–48. Daß die Beendigung der alten Existenz und die Versetzung in die neue Existenz ausschließlich Gottes Werk und Gabe sind, betont Paulus nachdrücklich in 2 Kor 5,18a: τὰ δὲ πάντα ἐκ τοῦ θεοῦ. Vgl. auch 1 Kor 1,30 (ἐξ αὐτοῦ δὲ ὑμεῖς ἐστε ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ κτλ.).
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1. Von der Menschwerdung Jesu Christi sagt Paulus in Gal 4,4 f.: Gott sandte seinen Sohn als einen Menschen, der um unseres Heils willen sterben sollte,29 und diese Sendung geschah, als „die Erfüllung der Zeit“, d. h. der von ihm selbst festgelegte Zeitpunkt gekommen war.30 Die Menschwerdung des Sohnes Gottes kann demzufolge nicht einfach aus dem Zusammenhang historischer Verknüpfung begriffen werden. Sie ist Handeln Gottes pro nobis, aber sie geschieht gänzlich extra nos.31 2. Im Kreuzestod Jesu ist in göttlichem Zuvorkommen und deshalb ohne jedes Dazutun des Menschen die Entscheidung über seine „Rechtfertigung“ und seine Versöhnung mit Gott gefallen. Christus – so heißt es eindringlich in Röm 5,6–11 – ist „für uns“ gestorben, als wir noch „Gottlose“ (ἀσεβεῖς V. 6), „Sünder“ (ἁμαρτωλοί V. 8) und „Feinde Gottes“ (ἐχθροί V. 10) und als solche hilflos der Macht der Sünde und des Todes ausgeliefert waren.32 Der gleiche Gedanke begegnet in Gal 2,20b, wenn Paulus, der in keiner Beziehung zu dem vorösterlichen Jesus stand, mit dem Blick auf seine einstige Sünder-Existenz (2,17) bemerkt, daß „der Sohn Gottes mich geliebt und sich für mich in den Tod dahingegeben hat“.33 3. Was die Auferstehung Jesu anlangt, so stellen insbesondere die Ausführungen von 1 Kor 15,1–11 ein klares Dokument des „extra nos in Christo“ dar. Paulus zitiert hier die ihm überkommene und von ihm voll aufgenommene Lehrtradition, „daß Christus gestorben ist um unserer Sünden willen nach der Schrift und daß er begraben worden ist und daß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift und daß er dem Kephas erschienen ist, danach den Zwölfen“.34 Für das angemessene Verständnis der in dem Zitat vorliegenden Abfolge ἀπέθανεν – ἐτάφη – ἐγήγερται – ὤφθη ist die sprachliche Beobachtung wichtig, daß ὤφθη hier die Übersetzung „er wurde gesehen“ nicht zuläßt, eine Deutung auf subjektive Visionen infolgedessen a priori auszuschließen ist.35 Die Verse 1 Kor 29 Das ist der Sinn der Worte γενόμενος ἐκ γυναικός „von einer Frau geboren“ Gal 4,4. S. dazu wie auch zu Gal 4,4 f. insgesamt O. Hofius, „Die Wahrheit des Evangeliums“. Exegetische und theologische Erwägungen zum Wahrheitsanspruch der paulinischen Verkündigung, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143), Tübingen 2002, 17–37: 25 mit Anm. 36. 30 Die Zeitangabe ὅτε δὲ ἦλθεν τὸ πλήρωμα τοῦ χρόνου Gal 4,4 ist von den Versen Gal 4,1–3 her und damit als Aufnahme der Worte ἄχρι τῆς προθεσμίας τοῦ πατρός von V. 2 zu verstehen. 31 In der Sache kommt das auch in der Menschwerdungsaussage von Röm 8,3 f. zum Ausdruck. 32 Das ist m. E. der Sinn der Worte ὄντων ἡμῶν ἀσθενῶν von Röm 5,6. 33 Zum Kreuzestod Jesu als Geschehen extra nos pro nobis s. ferner Röm 5,15–19; 1 Kor 1,30 (eine Aussage über den Χριστὸς ἐσταυρωμένος 1,23!); Gal 3,13 f.; 4,5. 34 1 Kor 15,3b–5. Zur Begründung der Übersetzung des Passivs ἐγήγερται V. 4b s. O. Hofius, „Am dritten Tage auferstanden von den Toten“. Erwägungen zum Passiv ἐγείρεσθαι in christologischen Aussagen des Neuen Testaments, in: Ders., Paulusstudien II (s. Anm. 29), 202–214. 35 Im Unterschied zu ὀφθῆναι ὑπό τινος = „von jemandem gesehen werden“ heißt ὀφθῆναί τινι „jemandem erscheinen“; s. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 191,2 mit Anm. 3 und § 313 mit Anm. 2. Zahlreiche Belege für ὤφθη τινί bietet die Septuaginta (Gen 12,7; 17,1; 18,1; 26,2.24; 35,9; Ex 3,2
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15,1–11 insgesamt wie auch die Bezugnahme auf sie in 1 Kor 15,12–19 erlauben ferner die Feststellung, daß Jesus nach der Überzeugung des Apostels von den Toten auferstanden ist, bevor er denen, die er zu Aposteln berief, erschien und sie durch das Wort seiner Selbstoffenbarung zu Glaubenden und zu Zeugen seiner Auferstehung machte. Der Osterglaube und das Osterkerygma setzen die Auferstehung Jesu voraus und gründen in ihr, – in beidem vollzieht sich aber nicht allererst seine Auferstehung. 4. Die extra nos in Christo geschehene Heilstat Gottes ist nach dem Urteil des Paulus ein Nicht-Auszudenkendes, das alle menschlichen Vorstellungen und Erwartungen unendlich übersteigt. Er spricht deshalb im Blick auf den gekreuzigten Christus und das in ihm beschlossene Heil von dem, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Daß es sich hier um das schlechterdings Unausdenkbare handelt, das spiegelt sich nicht zuletzt in der Reaktion auf die apostolische Kreuzesverkündigung wider – nämlich darin, daß der gekreuzigte Christus den Juden ein „Ärgernis“ und den Heiden eine „Torheit“ ist (1 Kor 1,18–25).36
III. Die Erschließung der Heilstat im Evangelium Christi als dem Heilswort Gottes Mit der extra nos in Christo geschehenen Heilstat Gottes ist für Paulus ganz unmittelbar das Heilswort Gottes verbunden, in dem kundgemacht wird, wer Jesus ist und was sich in seinem Tod und seiner Auferstehung ereignet hat. Dieses Heilswort ist das Evangelium, das als Gottes eigenes Wort nicht mit der Verkündigung identisch, dieser vielmehr vorgegeben ist.37 Vernommen wurde das Evangelium, wie aus 1 Kor 15,1–11 gefolgert werden kann, zuerst in jenem für die Kirche und ihre Verkündigung grundlegenden Ereignis, daß Christus nach seiner Auferstehung einem begrenzten Kreis apostolischer Zeugen erschienen ist und diesen sich selbst – seine Person und sein Werk – erschlossen hat.38 Das u. ö.); im Neuen Testament s. Mt 17,3; Mk 9,4; Lk 1,11; 22,43; Apg 7,2.26.30; 16,9; 1 Tim 3,16b (mit anderen Formen von ὀφθῆναι: Apg 2,3; 7,35; 9,17; 26,16). Beachtenswert ist, was Philo, Abr 80 zu ὤφθη δὲ ὁ θεὸς τῷ Ἀβραάμ Gen 12,7 (so das Zitat ebd., 77) bemerkt. Das Fazit aus dem lexikalischen Befund lautet: In dem Passiv ὤφθη 1 Kor 15,5 (und ebenso dann V. 6–8) ist Christus nicht bloß das grammatische, sondern auch das sachliche Subjekt. Gleiches gilt für ὤφθη in Lk 24,34 und in Apg 13,31 sowie für das Partizip ὀπτανόμενος in Apg 1,3. 36 Zu den Versen 1 Kor 1,18–25 s. im einzelnen H.-Chr. Kammler, Kreuz und Weisheit. Eine exegetische Untersuchung zu 1 Kor 1,10–3,4 (WUNT 159), Tübingen 2003, 50–123. Dort 55–59 der überzeugende Nachweis, daß ὁ λόγος ὁ τοῦ σταυροῦ 1,18 nicht das Evangelium, sondern die Verkündigung des Evangeliums meint. 37 S. O. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 26), 148–174: 150–154. 38 S. das paulinische Selbstzeugnis Gal 1,11 f.15 f.
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Evangelium hat dementsprechend nur einen einzigen Inhalt: Jesus Christus und das in ihm beschlossene Heil. Als dieser Inhalt ist er, der auferstandene und lebendige Herr, selbst gegenwärtig, wo das Evangelium verkündigt und vernommen wird.39 Das Evangelium ist so beides: das „Evangelium Gottes“40 und das „Evangelium Christi“41. Weil das Evangelium nicht Menschenwort ist, sondern Gottes Wort, deshalb ist es schöpferisches Wort. Als solches wirkt es den Glauben an Christus, der das in ihm beschlossene Heil ergreift.42 Der Glaube – sagt Paulus – „kommt aus der Verkündigung, die Verkündigung aber gründet in dem Wort Christi“ (Röm 10,17). In diesem Zusammenhang kann der Apostel auch davon sprechen, daß die Verkündigung des Evangeliums in der Kraft des Heiligen Geistes geschieht.43 Gott hat denen, die zu Glaubenden wurden, den Geist „gegeben“44 bzw. ins Herz „gesandt“45, und sie haben ihn als seine Gabe „empfangen“.46 Durch den Geist hat er ihnen „geoffenbart“, was er ihnen in dem gekreuzigten Christus bereitet hat, und so „wissen“ sie, was ihnen in Christus „von Gott geschenkt ist“.47 Das 39 S. insbesondere Röm 10,6–17. Paulus deutet dort das in Dtn 30,14 erwähnte „Wort“ (τὸ ῥῆμα) auf das von ihm verkündigte „Glauben wirkende Wort“ (τὸ ῥῆμα τῆς πίστεως ὃ κηρύσσομεν), d. h. auf das Evangelium (V. 8). Dabei impliziert der Satz „das Wort ist dir nahe […]“ (ἐγγύς σου τὸ ῥῆμά ἐστιν […]) vom Kontext her die Aussage: und eben damit Christus selbst als der vom Himmel Gekommene und von den Toten Auferstandene (V. 6 f.). Zu Röm 10,6–17 s. im einzelnen Hofius, „Fides ex auditu“ (s. Anm. 21), 75–83 (in dem vorliegenden Band: 108–117). 40 τὸ εὐαγγέλιον τοῦ θεοῦ u. ä.: Röm 1,1; 15,16; 2 Kor 11,7; 1 Thess 2,2.8 f. (dafür auch ὁ λόγος τοῦ θεοῦ: 1 Kor 14,36; 2 Kor 2,17; 4,2; Phil 1,14 v. l.; 1 Thess 2,13 [Kol 1,25; 2 Tim 2,9; Tit 1,3; 2,5]). Der Genitiv bezeichnet als Genitivus subjectivus bzw. als Genitivus auctoris jeweils den Urheber des Evangeliums. 41 τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ: Röm 15,19; 1 Kor 9,12; 2 Kor 2,12; 9,13; 10,14; Gal 1,7; Phil 1,27a; 1 Thess 3,2; vgl. τὸ εὐαγγέλιον τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ [sc. τοῦ θεοῦ] Röm 1,9; τὸ εὐαγγέλιον τῆς δόξης τοῦ Χριστοῦ, ὅς ἐστιν εἰκὼν τοῦ θεοῦ 2 Kor 4,4. [Deuteropaulinisch s. τὸ εὐαγγέλιον τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ 2 Thess 1,8; ὁ λόγος τοῦ Χριστοῦ Kol 3,16.] Die Genitive sind jeweils Genitivi objectivi und geben den Inhalt des Evangeliums an. Von dem Werk Christi als dem Inhalt des Evangeliums ist in 1 Kor 15,1–11 die Rede: Die von Paulus zitierte apostolische Lehrtradition 1 Kor 15,3b–5 gibt an, „mit welcher Aussage“ (τίνι λόγῳ) der Apostel den Korinthern das Evangelium verkündigt hat (V. 1 f.). S. ferner 2 Kor 5,19: das Evangelium ist „das Wort von der Versöhnung“ [vgl. Eph 1,13: „das Evangelium von eurer Rettung“; Eph 6,15: „das Evangelium von dem (durch Christus gestifteten) Frieden“]. 42 Röm 1,16 f.; 10,6–17; vgl. auch von der Predigt des Evangeliums 1 Kor 1,18. 43 S. dazu außer dem sogleich zu nennenden Textzusammenhang 1 Kor 2,6–16: Röm 15,15–21 (V. 19!); 1 Kor 2,4 f.; 2 Kor 3,2 f.6.8; 11,4; Gal 3,2.5; 1 Thess 1,5 f. (vgl. 2,13). Die in der Exegese verbreitete These, daß nach Paulus der Heilige Geist erst durch die Taufe verliehen werde, beruht m. E. auf keinem tragfähigen Fundament; s. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus (s. Anm. 37), 169 f. 44 Röm 5,5 (das Partizip δοθέν ist Passivum divinum); 2 Kor 5,5. Vgl. auch Gal 3,5; 1 Thess 4,8. 45 2 Kor 1,22 (διδόναι); Gal 4,6 (ἐξαποστέλλειν). 46 Röm 8,15; 1 Kor 2,12; 2 Kor 11,4; Gal 3,2.14 (an allen Stellen λαμβάνειν). 47 1 Kor 2,6–16 und hier besonders die Verse 10 und 12. S. dazu im einzelnen Kammler, Kreuz und Weisheit (s. Anm. 36), 192–236.
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Wunder, das sich unter der Verkündigung des Evangeliums in der Kraft des Heiligen Geistes ereignet, beschreibt Paulus in 2 Kor 4,6 mit den gewichtigen Worten: „Gott, der da sprach: ‚Aus der Finsternis leuchte das Licht hervor!‘ – der hat es in unseren Herzen Licht werden lassen, so daß leuchtend aufging die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi.“48 In dem unter der Macht der Sünde verfinsterten Menschenherzen, in dem es nicht die geringste Voraussetzung dafür gibt, schafft Gott selbst durch das Schöpferwort des Evangeliums die Erkenntnis seiner in Christus extra nos und pro nobis geschehenen Heilstat. Das Evangelium, das den rettenden Glauben wirkt und die Glaubenden dann auch im Glauben erhält, ist für Paulus in strengem Sinn verbum externum – Wort, das von außen kommt und das niemand sich selbst sagen kann. Die Offenbarung und Zueignung des Heils und daher auch die Erkenntnis und Aneignung des Heils gehören zu dem Heilsgeschehen unmittelbar hinzu. Das aber bedeutet: Sie stehen ganz im Zeichen des „extra nos in Christo“.
IV. Der Glaube als πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ In dem durch das Evangelium gewirkten Glauben empfängt und hat der Mensch nach Paulus die δικαιοσύνη, die heilvolle Gottesbeziehung.49 Der Glaube ist mithin der Modus des Heilsempfangs und der Heilsteilhabe. Daß für ihn im Denken des Paulus das „extra nos in Christo“ fundamental ist und bleibt, sei thesenartig anhand von vier Beobachtungen aufgezeigt. 1. Der Glaube ist seinem Wesen nach und also gewissermaßen per definitionem πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ – „Glaube an Jesus Christus“.50 Um eine Abbreviatur dieses Ausdrucks bzw. der entsprechenden Verbalphrase πιστεύειν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν51 handelt es sich in den Paulusbriefen ganz überwiegend da, wo die Worte πίστις und πιστεύειν ohne eine Angabe ihrer Bezugsgröße verwendet werden. 2. Wie die Ausdrücke πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ und πιστεύειν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν zeigen, hat der Glaube einen eindeutigen und auch eindeutig bestimmbaren Inhalt. Es ist dies der gleiche Inhalt wie der des Evangeliums. Der „Glaube an Christus“, die πίστις Χριστοῦ, ist die Erkenntnis und Anerkenntnis des „Evan48 Zur Begründung der Übersetzung und zur Auslegung im einzelnen s. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus (s. Anm. 37), 160–163. Daß in 2 Kor 4,6 der Heilige Geist mit im Blick ist, ergibt sich von 3,2 f.6.8 her. 49 Röm 1,16 f.; 3,21–4,25; 5,1 f.; 9,30–33; 10,4–15; Gal 2,16; 3,6–14.21–29; Phil 3,7–11. 50 So Röm 3,22; Gal 2,16a; 3,22. Im gleichen Sinn: πίστις Ἰησοῦ Röm 3,26; πίστις Χριστοῦ Gal 2,16b; Phil 3,9; πίστις τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ Gal 2,20. Daß der Genitiv an allen diesen Stellen ein Genitivus objectivus ist, ergibt sich bereits aus Gal 2,16, wo dem Syntagma πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ / πίστις Χριστοῦ die Verbalphrase πιστεύειν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν entspricht. 51 Gal 2,16; s. ferner Röm 10,14; Phil 1,29.
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geliums von Christus“, des εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ.52 Weil der Glaube das für wahr hält, was in der Verkündigung als „die Wahrheit des Evangeliums“53 bezeugt wird, deshalb gibt es das πιστεύειν εἰς nicht ohne das πιστεύειν ὅτι,54 die fides qua creditur nicht ohne die fides quae creditur. 3. Der Glaube an Christus ist in gar keiner Weise eine Möglichkeit des Menschen. Er verdankt sich vielmehr, wie wir bereits sahen, dem verkündigten Evangelium als dem „Wort Gottes“ bzw. dem „Wort Christi“, in dem der auferstandene Kyrios sich selbst Glauben wirkend erschließt. Der durch das verbum externum geschaffene Glaube ist somit als fides ex auditu und als creatura verbi verstanden. Er ist nicht „eine in sich selbst begründete Wirklichkeit“ – „nicht Anfang, sondern Echo“.55 4. Der glaubende Mensch ist bezogen auf Christus als sein personales Gegenüber – auf ihn als den Kyrios, der ihn durch sein Wort zu einem Glaubenden gemacht hat und ihn auch weiterhin im Glauben erhält, den er im Glauben als den „Herrn“ bekennt und anruft, in dessen Dienst er als Glaubender steht und dessen Wiederkunft er in jener Hoffnung erwartet, die zum Glauben wesentlich hinzugehört. Diese Christusbezogenheit ist für den paulinischen Begriff des Glaubens schlechterdings konstitutiv. Die πίστις ist demgemäß nicht lediglich ein allgemeines Gottvertrauen, sie besteht im Entscheidenden nicht in einem bestimmten Existenzverständnis, und sie erschöpft sich nicht in einem Gefühl der Abhängigkeit von einer höheren Macht und der Geborgenheit bei ihr.
V. Das neue Leben unter der Herrschaft Christi und seines Geistes Im Rahmen dessen, was hinsichtlich der Erschließung der Heilstat Gottes im Evangelium zu bedenken war, wurde bereits das Wirken des Heiligen Geistes angesprochen. Das ist jetzt weiterzuführen, indem wir uns dem „in nobis“ zuwenden, das einer ausführlicheren Betrachtung bedarf. Für Paulus ist der Heilige Geist als der Geist Gottes (τὸ πνεῦμα τοῦ θεοῦ) zugleich „der Geist seines Sohnes“56 – der Geist Jesu Christi57. Von denen, die 52 Zur Korrespondenz von Verkündigung und Glaube vgl. ferner auch 1 Kor 15,11 („solches verkündigen wir, und solches habt ihr im Glauben angenommen“) und 1 Kor 15,14 (wenn die Verkündigung „inhaltslos“ wäre, dann wäre auch der Glaube „ohne Inhalt“). 53 Gal 2,5.14; dafür bloßes ἀλήθεια: 2 Kor 4,2; Gal 5,7. 54 Röm 10,9; 1 Thess 4,14. S. ferner 1 Kor 15,11: Mit dem Adverb οὕτως in οὕτως ἐπιστεύσατε nimmt Paulus Bezug auf die vier ὅτι-Sätze der in 15,3b–5 zitierten Lehrtradition. 55 Eichholz, Die Theologie des Paulus im Umriß (s. Anm. 28), 236. 56 Gal 4,6: τὸ πνεῦμα τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ [sc. τοῦ θεοῦ]. 57 Röm 8,9 (unmittelbare Aufnahme der Worte πνεῦμα θεοῦ durch πνεῦμα Χριστοῦ!); Phil 1,19 (τὸ πνεῦμα Ἰησοῦ Χριστοῦ); 2 Kor 3,17 (τὸ πνεῦμα κυρίου). Hierher gehört auch der un-
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diesen Geist empfangen, sagt der Apostel, daß sie den Geist „haben“58 und daß der Geist in ihnen „wohnt“59; und weil der auferstandene und erhöhte Christus „der im πνεῦμα gegenwärtige Herr“ ist,60 deshalb tritt der Aussage, daß der Geist Gottes bzw. Christi in den Glaubenden „wohnt“, die andere an die Seite, daß Christus selbst in ihnen „wohnt“.61 Wie die Rede vom „Einwohnen“ Christi bzw. des Geistes des näheren verstanden sein will, das ergibt sich aus der folgenden Beobachtung: Daß Christus „in“ den Glaubenden „wohnt“, bedeutet für Paulus zugleich, daß sie „Christus gehören“,62 er also ihr Herr ist,63 und daß sie „in Christus sind“,64 d. h. sich in seinem Heils- und Herrschaftsbereich befinden.65 Daß der Geist „in“ ihnen „wohnt“, wird analog durch das Urteil aufgenommen, daß sie „vom Geist regiert werden“66 und „im Geist sind“67, d. h. in seinem Herrschaftsbereich leben.68 Wie aus dieser Beobachtung folgt, hat die Rede vom gewöhnliche Ausdruck νοῦς Χριστοῦ in 1 Kor 2,16b; s. dazu Kammler, Kreuz und Weisheit (s. Anm. 36), 232–235. 58 Röm 8,9b.23; 1 Kor 6,19; 7,40 (ἔχειν); vgl. νοῦν Χριστοῦ ἔχειν 1 Kor 2,16b. 59 οἰκεῖν ἐν: Röm 8,9a.11a; 1 Kor 3,16; ἐνοικεῖν ἐν: Röm 8,11b [2 Tim 1,14]. In 1 Kor 6,19 dürfte Ellipse von οἰκοῦντος (weniger wahrscheinlich: von ὄντος) vorliegen; vgl. die Ellipse in Röm 8,10a (s. Anm. 61). 60 E. Lohse, Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen ¹(¹⁵)2003, 235. 61 So in Röm 8,9 f., wo die Worte εἴπερ πνεῦμα θεοῦ οἰκεῖ ἐν ὑμῖν (V. 9a) durch εἰ δέ τις πνεῦμα Χριστοῦ οὐκ ἔχει (V. 9b) und durch εἰ δὲ Χριστὸς ἐν ὑμῖν (V. 10a) aufgenommen werden. In dem reinen Nominalsatz V. 10a ist οἰκεῖ zu ergänzen (vgl. die Ellipse in 1 Kor 6,19 [s. Anm. 59]). Zu Χριστὸς [οἰκεῖ] ἐν ὑμῖν ist die ganz persönliche Aussage des Apostels in Gal 2,20a zu vergleichen: ζῇ […] ἐν ἐμοὶ Χριστός (s. dazu unten Anm. 92). [Deuteropaulinisch s. Eph 3,17: κατοικῆσαι τὸν Χριστὸν διὰ τῆς πίστεως ἐν ταῖς καρδίαις ὑμῶν.] 62 So Röm 8,9b: Χριστοῦ εἶναι. S. zu dieser Wendung auch 1 Kor 1,12; 3,23; 2 Kor 10,7; Gal 3,29; außerdem Röm 14,8b (τοῦ κυρίου εἶναι). Vgl. ferner den Ausdruck οἱ τοῦ Χριστοῦ 1 Kor 15,23; Gal 5,24 sowie in der Sache auch Röm 7,4; 1 Kor 6,19 f. und den Gedanken der Gemeinschaft mit Christus 1 Kor 1,9. 63 S. dazu Röm 14,8 f.: Die Worte ἐάν τε οὖν ζῶμεν, ἐάν τε ἀποθνῄσκωμεν, τοῦ κυρίου ἐσμέν V. 8b finden in V. 9 die folgende Begründung: εἰς τοῦτο γὰρ Χριστὸς ἀπέθανεν καὶ ἔζησεν, ἵνα καὶ νεκρῶν καὶ ζώντων κυριεύσῃ. 64 Die Aussage von Röm 8,10a, daß Christus „in“ den Glaubenden „wohnt“, gilt von denen, die in Röm 8,1 als οἱ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ [ὄντες] bezeichnet worden sind. Zu ἐν Χριστῷ (Ἰησοῦ) εἶναι s. auch 1 Kor 1,30; 2 Kor 5,17; Phil 3,9. 65 Vgl. Chr. Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther (ThHK 8), Leipzig ²2011, 127 zu 2 Kor 5,17: Die Wendung εἶναι ἐν Χριστῷ bezeichnet bei Paulus „das […] Sein im Heilsund Herrschaftsbereich Christi“. 66 Röm 8,14: πνεύματι θεοῦ ἄγεσθαι; ebenso Gal 5,18: πνεύματι ἄγεσθαι. An beiden Stellen ist ἄγεσθαι echtes Passiv, die Übersetzung „sich führen / leiten lassen“ deshalb abzulehnen. Die in der Exegese gelegentlich geäußerte Vermutung, daß πνεύματι ἄγεσθαι in Röm 8,14 und Gal 5,18 ein enthusiastisch-ekstatisches Phänomen bezeichne, hat in 1 Kor 12,2 kein hinreichendes Fundament. Martin Luther hat den Sinn der Wendung durchaus zutreffend erfaßt, wenn er in Gal 5,18 übersetzt: „Regiert euch aber der Geist, […].“ 67 Röm 8,9a: εἶναι ἐν πνεύματι. 68 Nach Röm 8,9a ist εἶναι ἐν πνεύματι Gegenbegriff zu εἶναι ἐν σαρκί. Wie die Antithese von Röm 7,5 f. zeigt, bedeutet letzteres, unter der Herrschaft der Sündenmacht zu stehen, ersteres demnach das δουλεύειν ἐν καινότητι πνεύματος. Zur Gegenüberstellung von εἶναι ἐν σαρκί und εἶναι ἐν πνεύματι in Röm 8,9 vgl. auch die Antithesen in Röm 8,2 (ὁ νόμος τῆς
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„Einwohnen“ Christi bzw. des Geistes nicht mystischen Sinn, sondern sie hebt dezidiert darauf ab, daß die Glaubenden unter der Herrschaft Christi und seines Geistes stehen. Das findet dadurch seine Bestätigung, daß die Wendung οἰκεῖν ἐν bei Paulus noch in einem anderen Zusammenhang erscheint – und zwar in einem solchen, der dem zuvor skizzierten positiven Zusammenhang in scharfer Antithese gegenübersteht. Von der als Macht verstandenen Sünde wird gesagt, daß sie „in“ dem unerlösten Menschen „wohnt“69 und über ihn als ihren Sklaven herrscht70, und der so fremdbestimmte Mensch wird als ein solcher bezeichnet, der „im Fleisch“ – d. h. im Herrschaftsbereich der Sünde und des Todes – ist.71 Wie durch die negativen Aussagen bestätigt wird, verwendet Paulus die Verben οἰκεῖν ἐν und ἐνοικεῖν ἐν in metaphorischem Sinn. Mit ihnen bringt er zum Ausdruck, wer in der Existenz eines Menschen der Herr im Haus ist und als dieser das Personzentrum regiert. Bei dem unerlösten Menschen ist es die Sünde, bei dem Glaubenden der Heilige Geist und der im Geist gegenwärtige Christus. Daß das neue Leben der Glaubenden Leben unter der Herrschaft Christi und seines Geistes ist, heißt den relevanten paulinischen Ausführungen zufolge: Alles, was sie im Glauben an Christus sind und haben, vermögen und tun, verdankt sich dem in ihnen wohnenden Geist und eben damit Christus selbst. Das „in nobis“ ist demnach bei Paulus entschieden in Relation zu dem „extra nos in Christo“ und unter seinem Vorzeichen gesehen. Anhand von vier exegetischen Befunden sei das verdeutlicht. 1. Das Leben unter der Leitung des Heiligen Geistes ist Leben „für Gott“ und „für Christus“.72 Maßstab für dieses Leben und dann auch für das konkrete Handeln und Verhalten ist das Evangelium – und das heißt: die Orientierung an der Heilstat Gottes in Christus.73 Was aufgrund solcher Orientierung in der Verantwortung vor dem gekreuzigten Christus und im Gehorsam gegenüber ihm als dem Kyrios getan wird, ist nicht Werk des glaubenden Menschen selbst, sondern Wirkung des Geistes.74 Weil der Geist da die Herrschaft übernommen hat, wo zuvor die Sünde hauste, nämlich im Innersten des Menschen, deshalb kann Paulus formulieren, daß „die Rechtsforderung des Gesetzes in uns erfüllt wird, die wir nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist“ (Röm 8,4).75 Die ἁμαρτίας καὶ τοῦ θανάτου – ὁ νόμος τοῦ πνεύματος τῆς ζωῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ), Röm 8,4 (κατὰ σάρκα περιπατεῖν – κατὰ πνεῦμα περιπατεῖν) und Röm 8,5 (τὰ τῆς σαρκὸς φρονεῖν – τὰ τοῦ πνεύματος φρονεῖν). 69 οἰκεῖν ἐν: Röm 7,17.20; vgl. auch 7,18; ἐνοικεῖν ἐν: Röm 7,17 v. l. 70 S. die entsprechenden Aussagen im Kontext von Röm 6. 71 εἶναι ἐν σαρκί Röm 8,9a, auch 7,5; 8,8. Wo der Begriff σάρξ bei Paulus negativ qualifiziert ist, da bezeichnet er die von der Sünde gezeichnete Existenz des Menschen. 72 Leben für Gott: Röm 6,11; Gal 2,19; vgl. auch Röm 7,4. – Leben für Christus: 2 Kor 5,15b. 73 S. dazu O. Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi, in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 26), 50–74: 70–72. 74 Vgl. die Antithese „Werke des Fleisches“ – „Frucht des Geistes“ in Gal 5,19–23. 75 Die Worte ἐν ἡμῖν τοῖς μὴ κατὰ σάρκα περιπατοῦσιν ἀλλὰ κατὰ πνεῦμα sind trotz der Negation μή nicht konditional („in uns, wenn wir […]“) oder einschränkend („in uns, sofern
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Erfüllung des in der Tora vom Sinai gültig bezeugten Gotteswillens ist somit Heilsgabe Gottes, der durch das Wirken des Geistes diesem seinem Willen im Menschenherzen Gehorsam schafft.76 2. Der Geist legt dem an Christus glaubenden Menschen Worte in den Mund, zu denen dieser selbst – gerade auch als Glaubender! – von sich aus nicht fähig ist: das rettende Bekenntnis „Herr ist Jesus“ (κύριος Ἰησοῦς 1 Kor 12,3)77 und die Anrufung Gottes als „Vater“ (ἀββὰ ὁ πατήρ Röm 8,15; Gal 4,6)78. Das KyriosBekenntnis und der Abba-Ruf sind deshalb inspirierte Äußerungen, weil der Geist den Glaubenden immer wieder neu durch das verkündigte Evangelium die Erkenntnis dessen schenkt, was nie je zu ihrem eigenen geistigen „Besitz“ wird: daß der Sohn Gottes als der für sie Gestorbene und Auferstandene der Kyrios ist, dem sie gehören, und daß Gott um dieser ihrer Zugehörigkeit willen ihr Vater ist.79 Wenn Paulus bemerkt, daß der Geist, indem er „Abba“ rufen läßt, „unserem Geist bezeugt, daß wir Gottes Kinder sind“ (Röm 8,16),80 dann zeigt sich hier in aller Deutlichkeit: Der Heilige Geist ist nicht des Menschen eigener Geist, und der Glaubende kann sich nicht selber dessen versichern, daß er Gottes Kind ist. 3. Nach Röm 8,11 wird Gott die sterblichen Leiber der Glaubenden durch den Geist „lebendig machen“, der in ihnen – den Glaubenden – wohnt. Der Geist ist demnach der Garant ihrer Auferstehung. Dem ist an die Seite zu stellen, daß der Geist in Röm 8,23 als ἀπαρχή – als „Erstlingsgabe“ – und in 2 Kor 1,22; 5,5 als ἀρραβών – als „Anzahlung“ bzw. als „Unterpfand“ – bezeichnet wird.81 Beides wir […]“) zu verstehen; denn im neutestamentlichen Griechisch ist die Verneinung des Partizips durch μή die Regel; s. Blass / Debrunner / Rehkopf, Grammatik § 426 und § 430. 76 Zum alttestamentlichen Hintergrund dieses Gedankens s. Ps 51(50),13b (im Kontext der Verse 12 f.); Ez 36,27. Zu Ps 51,13b bemerkt H.-J. Kraus, Psalmen I: Psalmen 1–59 (BKAT XV/1), Neukirchen-Vluyn ⁶1989, 546: Der Heilige Geist ist „die wirksame, alles Fühlen, Denken und Wollen durchwehende Macht, die von Jahwe ausgeht“ und den Menschen „im Innersten dazu antreibt, Jahwes Willen gehorsam zu erfüllen“. 77 Zu κύριος Ἰησοῦς als rettendem Bekenntnis s. Röm 10,9–13. 78 Im Unterschied zu Röm 8,15 ist in Gal 4,6 der Geist selbst das Subjekt des Abba-Rufens. Der Geist ist demnach „so ganz die Triebkraft“ diese Rufens, „dass der rufende Mensch nur als sein Organ erscheint“ (F. Sieffert, Der Brief an die Galater [KEK 7], Göttingen ⁹1899, 247). Das Verbum κράζειν, das Paulus für den vom Geist gewirkten Gebetsruf verwendet, begegnet häufig in den Septuaginta-Psalmen und bezeichnet dort das laute und inbrünstige Flehen zu Gott um Hilfe und Rettung aus Bedrängnis, Not und Gefahr; s. exemplarisch Ψ 3,5; 17,7; 21,3.6.25; 30,23; 33,7.18; 87,2.10; 106,6; 129,1. 79 Daß es sich bei dem Abba-Ruf um ein spontanes ekstatisches Phänomen handelt, läßt sich nicht überzeugend begründen. Zu einer Deutung auf Glossolalie bemerkt E. Gaugler, Der Römerbrief I: Kapitel 1–8, Zürich 1958, 290 mit Recht, daß ἀββά „der Gebetsruf aller“ ist, wohingegen die Zungenrede nur bestimmten Christen als „eine besondere Gabe“ zuteil wird. 80 Falsch wäre die Übersetzung: „der Geist bezeugt zusammen mit unserem Geist“; denn συμμαρτυρεῖν hat hier wie in Röm 2,15; 9,1 die Bedeutung „Zeugnis ablegen“, „bezeugen“ „bestätigen“. 81 In ἡ ἀπαρχὴ τοῦ πνεύματος Röm 8,23 und in ὁ ἀρραβὼν τοῦ πνεύματος 2 Kor 1,22; 5,5 ist τοῦ πνεύματος Genitivus epexegeticus. Der Sinn ist also: „die Erstlingsgabe, die im Geist besteht“ bzw. „die Anzahlung, die im Geist besteht“.
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besagt: Er verbürgt den Glaubenden die eschatologische Vollendung und damit das, was sie einzig aus dem Evangelium wissen können und wissen: daß sie aufgrund der Heilstat Gottes in Christus als ἀδελφοί des Sohnes Gottes (Röm 8,29) Kinder Gottes und als solche auch Erben der ihnen von ihm zugedachten und verheißenen zukünftigen Herrlichkeit und des ewigen Lebens sind.82 Die Hoffnung auf die eschatologische Vollendung beruht so auf dem Christusgeschehen. Daß diese Hoffnung, die keinerlei Anhalt an der sichtbaren und erfahrbaren Wirklichkeit hat,83 „nicht zuschanden werden läßt“, das begründet Paulus deshalb in Röm 5,5 mit den Worten: „Die Liebe Gottes“ – seine im Tod Christi uns erwiesene Liebe – „ist für immer ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.“84 4. Auf ein Werk des Heiligen Geistes, das in den Glaubenden geschieht und doch stricto sensu ein Werk extra nos ist, weist Paulus in Röm 8,26 f. hin, wenn es dort heißt:85 „Der Geist nimmt sich unseres Unvermögens an.86 Denn was wir beten sollen, wie es nötig ist, das wissen wir nicht; der Geist selbst jedoch tritt fürbittend [für uns] ein mit unaussprechlichem Seufzen.87 Der aber die Herzen ergründet, der weiß, was der Geist begehrt, tritt dieser doch so für die Heiligen ein, wie es dem Willen Gottes entspricht.“ Paulus macht in diesen Worten auf ein absolutes „Unvermögen“ der Glaubenden aufmerksam – ein Unvermögen, das ihr Gebet betrifft. Der Satz „Was wir beten sollen, wie es nötig ist, das wissen wir nicht“ wird in der Exegese häufig in unzulässiger Weise abgeschwächt und entschärft,88 seine apodiktische Formulierung erlaubt jedoch keine andere Auslegung als die, daß von einem totalen Nicht-Wissen die Rede ist, das für alle Glaubenden ohne Ausnahme und für sie alle beständig gilt. Was damit gemeint Röm 8,16 f. Zur „Verherrlichung“ s. auch die Aussagen über die δόξα in Röm 8,18.21. S. dazu Röm 8,18–25. Zur Hoffnung s. ferner Röm 5,1–5 und 2 Kor 4,16–5,10, außerdem Gal 5,5: „Wir erwarten im Geist (d. h. als die vom Geist Regierten) aus Glauben das mit der δικαιοσύνη verbürgte Hoffnungsgut.“ 84 Die Worte ἡ ἀγάπη τοῦ θεοῦ von Röm 5,5 erfahren in Röm 5,8 ihre nähere Bestimmung. Der Aspekt des „für immer“ liegt in dem Perfekt ἐκκέχυται. 85 Das die Verse Röm 8,26 f. einleitende ὡσαύτως δὲ καί („ebenso aber auch“) bezieht sich auf V. 23–25, und zwar auf die positive Aussage, daß die Glaubenden, die den Geist als Unterpfand der zukünftigen δόξα besitzen, eben damit das haben, was sie nicht aus sich selbst gewinnen können: eine heilsgewisse Hoffnung. 86 Liest man die Worte τῇ ἀσθενείᾳ ἡμῶν als eine Metonymie, so ist der Sinn: „Der Geist nimmt sich unser in unserem Unvermögen an.“ Das Nomen ἀσθένεια bezeichnet hier nicht nur eine relative „Schwachheit“, sondern das absolute „Unvermögen“ (vgl. ἀσθενής Röm 5,6; Gal 4,9; ἀσθενεῖν Röm 8,3). Die Angaben zu ἀσθένεια bei Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 230 f. sind unzureichend; denn das Wort hat neben „Schwäche“ / „Schwachheit“ u. a. auch die Bedeutung „Kraftlosigkeit“ und „Unvermögen“; s. F. Passow, Handwörterbuch der griechischen Sprache I/1, Leipzig ⁵1841 = Darmstadt 1983, 413a. 87 Die στεναγμοὶ ἀλάλητοι sind hier nicht „wortlose“, sondern „unaussprechliche“ Seufzer (so richtig die Vulgata: gemitus inenarrabiles). 88 Abschwächende Interpretationen sind etwa: „wir wissen nicht im nötigen Maße, was wir beten sollen“; „wir wissen nicht, wie wir richtig beten sollen“; „wir wissen oft / zuweilen / immer wieder nicht, was wir beten sollen“; „wir wissen nicht, ob wir erhörlich beten“. 82 83
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ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang der Verse Röm 8,18–30: Paulus denkt an das Beten angesichts der „Leiden dieser Zeit“ und der Verheißung der zukünftigen „Herrlichkeit“ (8,18). Der Abstand zwischen der gegenwärtigen Not, von der die ganze Schöpfung betroffen ist, und der verheißenen Wende, die diese Not zum Ende bringt, ist so unermeßlich groß, daß die Glaubenden in ihrem Gebet weder die Not angemessen zu benennen noch auch das die Not Wendende angemessen zu erbitten vermögen. Da aber – so erklärt der Apostel – tritt der Geist mit seiner Fürbitte stellvertretend „für uns“ ein. Was kein Menschenmund in Worte zu fassen vermag, das bringt er betend vor Gott. Daß Paulus dabei die Glossolalie oder ekstatische Rufe im Gottesdienst oder auch geistgewirkte Gebetsrufe wie „Abba! Vater!“ (Röm 8,15; Gal 4,6) und „Maran atha!“ – „Unser Herr, komm!“ (1 Kor 16,22) vor Augen hat, halte ich für ausgeschlossen. Von einer besonderen Erscheinungsform des Gebets der Glaubenden spricht der Text gerade nicht! Im Gegenteil: „Nicht unser Gebet ist ein ,unaussprechliches Seufzen‘, sondern das für uns nicht wahrnehmbare Beten des Geistes, sein Eintreten vor Gott selbst.“89 Die auf den ersten Blick verwunderliche Aussage, daß Gott als der Erforscher der Herzen das seinem Heilswillen entsprechende Gebet des im Herzen wohnenden Geistes vernimmt, versteht und erhört, besagt in der Sache: Er selbst und er allein ist der treue Anwalt seiner auf die Heilsvollendung wartenden Kinder wie auch der ganzen Schöpfung, die der Befreiung von dem auf ihr lastenden Todesverhängnis entgegenharrt. Wie die vier exegetischen Befunde erkennen lassen, ist der an Christus glaubende Mensch ganz und gar auf das Wirken des in ihm wohnenden Geistes angewiesen. Daß dabei keineswegs an ein Einswerden des Geistes mit dem Glaubenden gedacht ist, scheint mir außer Frage zu stehen. Die Einwohnung des Heiligen Geistes bedeutet nicht, daß dieser das Selbst, das Ich, das Subjekt des glaubenden Menschen geworden ist und ist. Er ist es ebensowenig, wie die Sünde, die zuvor in dem Menschen wohnte, das Selbst, das Ich, das Subjekt des Sünders war. Der Heilige Geist ist und bleibt das göttliche Gegenüber und als solcher der Herr, der das Ich des Glaubenden regiert.90 Nicht ein Subjektswechsel, wohl aber ein Herrschaftswechsel ist den Glaubenden widerfahren.91 89 Gaugler, Der Römerbrief I (s. Anm. 79), 323. Im Unterschied zu Gaugler (ebd., 322) kann ich die Interzession des Geistes nicht so verstehen, daß dieser das schwache und unvollkommene Gebet der Glaubenden aufnimmt und es geläutert und verwandelt vor Gott bringt. 90 Paulus bleibt mit seiner Sicht der Einwohnung des Heiligen Geistes in den Glaubenden im Rahmen dessen, was alttestamentlich in Ps 51(50),13b und in Ez 36,27 gesagt wird. Vgl. oben Anm. 76. 91 Daß es um einen Herrschaftswechsel geht, der Geist also das Ich des Glaubenden bestimmt und keineswegs mit ihm identisch ist, wird etwa in Röm 8,2 deutlich: ὁ […] νόμος τοῦ πνεύματος τῆς ζωῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ ἠλευθέρωσέν σε ἀπὸ τοῦ νόμου τῆς ἁμαρτίας καὶ τοῦ θανάτου. – Wäre der Heilige Geist das Selbst / das Ich / das Subjekt des glaubenden Menschen geworden, so wäre dieser Mensch definitiv jeder Gefährdung durch sich selbst entzogen. Dann könnte prinzipiell zweierlei nicht mehr gedacht werden: zum einen, daß der Glaubende noch der Versuchung ausgesetzt ist, sich in seinem konkreten Lebensvollzug dem
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Genau dies ist auch gemeint, wenn Paulus in Gal 2,20a über sich selbst sagt: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“92
VI. Die Bewahrung in der Christusgemeinschaft und die Heilsgewißheit Der Gedanke des „extra nos in Christo“ ist bei Paulus auch da präsent, wo er in seinen Briefen das Bleiben der Glaubenden beim Evangelium, im Glauben und in der ihnen schon geschenkten δικαιοσύνη anspricht. In solchem Zusammenhang kann er der Gewißheit Ausdruck geben, daß Gott diejenigen, die er „zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus berufen“ hat (1 Kor 1,9), auch in dieser Gemeinschaft erhält – auf den Tag hin, an dem sie die eschatologische σωτηρία empfangen.93 Den Grund dafür erblickt der Apostel einzig und allein in der unverbrüchlichen Treue Gottes.94 Wenn Menschen in der Begegnung mit dem Evangelium zum Glauben an Christus berufen werden, dann beruht das nach Paulus auf göttlicher Erwählung.95 Wie aber der Glaube einem Menschen Wirken des Geistes zu entziehen, und daß er von ihm selbst her (sic!) dieser Versuchung durchaus erliegen und zu Fall kommen kann; zum andern, daß für ihn – wiederum: von ihm selbst her gesehen – die Gefahr besteht, neben Christus auch andere heilsrelevante Größen anzuerkennen und damit Christus und sein Heil zu verlieren. Beides aber denkt Paulus sehr wohl, wie der Galaterbrief zeigt (s. zu der einen Möglichkeit Gal 5,13–6,10, zu der andern Gal 5,2.4). Wenn beide Möglichkeiten nicht zur Wirklichkeit werden, so liegt das nicht an dem denkenden und wollenden Ich des Glaubenden, sondern exklusiv an der Leitung und Bewahrung durch Christus und seinen Geist. 92 Der Satz ist streng im Kontext der Verse Gal 2,19 f. zu lesen und auszulegen. Die Worte ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ, ζῇ δὲ ἐν ἐμοὶ Χριστός V. 20a sind Folgerung aus V. 19, beschreiben also die Konsequenz des Mit-Christus-Gekreuzigtseins: Es lebt nicht mehr Paulus, der alte, von der Sünde beherrschte und deshalb dem Todesurteil des Gesetzes verfallene Mensch, sondern es lebt jetzt Paulus, der neue Mensch, der Christus gehört und über dessen Personzentrum Christus der Herr ist. Daß Christus nicht das Subjekt des neuen Menschen Paulus, sondern sein Gegenüber ist, das beweist der sogleich folgende Satz V. 20b: „Was ich aber jetzt im Fleisch (d. h. in meiner irdischen Existenz) lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich in den Tod dahingegeben hat.“ – Zu Gal 2,19 f. s. im einzelnen H.-J. Eckstein, Verheißung und Gesetz. Eine exegetische Untersuchung zu Galater 2,15–4,7 (WUNT 86), Tübingen 1996, 55–76. 93 S. dazu 1 Kor 1,4–9; Phil 1,6; 2,12 f.; 1 Thess 5,23 f. (vgl. auch 1 Kor 10,13). Für das angemessene Verständnis der Verse Phil 2,12 f. ist die Erkenntnis entscheidend, daß es sich hier weder um eine synergistische noch um eine paradoxe noch auch um eine dialektische Aussage handelt, V. 13 vielmehr den Imperativ von V. 12 begründet; s. G. Eichholz, Bewahren und Bewähren des Evangeliums: Der Leitfaden von Philipper 1–2, in: Ders., Tradition und Interpretation (s. Anm. 27), 138–160: 154–160; U. B. Müller, Der Brief des Paulus an die Philipper (ThHK 11/I), Leipzig 1993, 114–117. 94 1 Kor 1,9; 10,13; 1 Thess 5,24 [2 Thess 3,3]. 95 S. insbesondere 1 Thess 1,4 f. (vgl. 2,13), ferner Röm 8,28–30.33; 1 Kor 1,26–31 [2 Thess 2,13 f.].
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nicht zufällig zuteil wird, so wird er auch nicht hinfällig. Der Erwählung korrespondiert die Bewahrung.96 Es genügt, für den genannten Sachverhalt auf den Schluß des 8. Kapitels des Römerbriefs hinzuweisen. Die Verse Röm 8,31–39 beginnen mit der Frage: „Was sollen wir nun dazu sagen?“ (8,31a). Mit ihr faßt Paulus alle nur denkbaren Einwände in den Blick, die gegen die zuvor in Röm 8,28–30 geäußerte Heilsgewißheit erhoben werden können.97 Die Antwort lautet dann (8,31b.32): „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Er, der sogar seinen eingeborenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle [in den Tod] dahingegeben hat, – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ Daß Gott „für uns“ ist, das ist diesen Worten zufolge in der Dahingabe seines Sohnes offenbar geworden. Wenn Paulus dabei auf die Abraham-Erzählung von Gen 22 anspielt,98 dann dürfte dem der folgende Gedanke zugrunde liegen: Abraham war bereit, den einzigen Sohn, den er über alles liebte,99 nicht zu verschonen – und zwar aus Liebe zu Gott, dessen Güte er beständig erfahren hatte.100 Gott hat seinen geliebten Sohn tatsächlich nicht verschont – aus Liebe zu den Menschen, die ihm mit Feindschaft begegnen.101 Weil Paulus die Größe dieser Liebe vor Augen hat, formuliert er einen Schluß a maiore ad minus, den er in die Form einer Frage kleidet (V. 32): „Wie sollte er – Gott – uns mit ihm – seinem Sohn – nicht alles schenken?“ Die Worte τὰ πάντα meinen hier das Heil in seiner ganzen Fülle, also insbesondere auch die noch ausstehende Vollendung. Die Frage selbst stellt de facto eine heilsgewisse assertio dar, und sie wird als solche in den Versen 33–37 in zwei Schritten expliziert. In V. 33 f. betont der Apostel, daß es für die „Auserwählten Gottes“, für die Christus gestorben und auferstanden ist und für die er zur Rechten Gottes in beständiger Interzession eintritt, trotz aller denkbaren Anklagen keine Verurteilung, sondern nur den Freispruch durch Gott geben wird.102 In V. 35–37 fügt er hinzu, daß auch die Leiden dieser Zeit die Erwählten nicht von der Liebe Christi zu trennen vermögen.103 Der gesamte Abschnitt wird dann in V. 38 f. durch einen 96 Grundlegend dazu: J. M. Gundry Volf, Paul and Perseverance. Staying in and Falling Away (WUNT II 37), Tübingen 1990. 97 Für diese Deutung spricht die Beobachtung, daß Paulus sonst im Römerbrief mit der Frage τί (οὖν) ἐροῦμεν; stets auf einen Einwand Bezug nimmt, den er dann als unhaltbar zurückweist; s. Röm 3,5; 4,1; 6,1; 7,7; 9,14; 9,30. 98 In ὅς γε τοῦ ἰδίου υἱοῦ οὐκ ἐφείσατο Röm 8,32a liegt eine Bezugnahme auf das Wort Gottes an Abraham Gen 22,16 LXX vor: οὐκ ἐφείσω τοῦ υἱοῦ σου τοῦ ἀγαπητοῦ δι᾽ ἐμέ. 99 So – im Anschluß an Gen 22,2 – Gen 22,2.16 LXX; Jub 18,2.15; Philo, Abr 170; Josephus, Ant I 222. 100 Daß die Bereitschaft, den Sohn zu opfern, Ausdruck der Liebe zu Gott ist, betont expressis verbis Philo, Abr 170: Abraham handelt „von der Liebe zu Gott überwältigt“ (ἔρωτι θείῳ δεδαμασμένος). 101 Der in der Anspielung auf Gen 22 enthaltene Gedanke stellt also eine Parallele zu Röm 5,7 f. dar. 102 Die Verse Röm 8,33 f. stehen in einer inneren Beziehung zu dem in Röm 8,1–17 Gesagten. 103 In den Versen Röm 8,35–37 hat Paulus vor allem das Verfolgungsleiden vor Augen,
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Satz abgeschlossen, in dem Paulus im Blick auf alles, was die Glaubenden je bedrohen könnte, der in dem „extra nos in Christo“ begründeten Heilsgewißheit Ausdruck verleiht, daß niemand und nichts „uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“.104
VII. Die Parusie Jesu Christi und die eschatologische Heilsvollendung Die mit der Parusie Jesu Christi verbundene Heilsvollendung bedeutet für die Glaubenden, daß sie die ihnen mit der δικαιοσύνη verbürgte σωτηρία empfangen und – in der bleibenden Gemeinschaft mit Christus – des ewigen Lebens bei Gott teilhaftig werden.105 Das geschieht, wie Paulus in 1 Kor 15 darlegt, für die bereits Verstorbenen durch die Auferstehung von den Toten und für die bei der Parusie noch Lebenden durch die der Auferstehung entsprechende „Verwandlung“.106 Sowohl die Heilsvollendung selbst wie auch die Teilhabe an ihr sieht Paulus dezidiert in der extra nos in Christo geschehenen Heilstat Gottes begründet. Das zeigt sich besonders deutlich daran, wie in 1 Kor 15 der Zusammenhang zwischen der Auferstehung Christi und der Auferstehung der Toten gedacht ist. Paulus setzt in seiner Argumentation keineswegs die allgemeine Totenauferstehung als eine Selbstverständlichkeit voraus, und er begreift die Auferstehung Jesu weder als einen Sonderfall noch auch als die Antizipation bzw. als den Anbruch derselben. Im Gegenteil: Er erblickt in der Auferstehung Christi den Realgrund für die Auferstehung der Toten und dementsprechend in der Auferstehung der Toten die notwendige Folge der Auferstehung Christi.107 Die Auferstehung wird denen zuteil, die Christus gehören,108 weil sie aufgrund des Christusgeschehens an seinem Tod und seiner Auferstehung partizipieren und sich von daher das Evangelium an ihnen als ein „Duft vom Leben zum Leben“ erwiesen hat.109 Ein das ihm selbst als dem Verkündiger des Evangeliums widerfährt. Zugleich ist damit aber eine Beziehung zu den Ausführungen von Röm 8,18–30 gegeben. 104 Die „Liebe Gottes in Christus Jesus unserem Herrn“ Röm 8,39 ist die im Christusgeschehen offenbar gewordene Liebe, wie sie Paulus in Röm 8,32a vor Augen steht. 105 Zum eschatologischen σὺν Χριστῷ εἶναι s. 2 Kor 5,8; Phil 1,23; 1 Thess 4,17; 5,10. 106 1 Kor 15,20–23.50–57. S. ferner Röm 8,11; Phil 3,20 f.; 1 Thess 1,10; 4,13–17; 5,9 f. 107 S. dazu im einzelnen O. Hofius, Die Auferstehung der Toten als Heilsereignis. Zum Verständnis der Auferstehung in 1 Kor 15, in: Ders., Exegetische Studien (s. Anm. 11), 102–114; Ders., Die Auferstehung Christi und die Auferstehung der Toten. Erwägungen zu Gedankengang und Aussage von 1 Kor 15,20–23, ebd., 115–131. 108 οἱ τοῦ Χριστοῦ 1 Kor 15,23. 109 2 Kor 2,15 f. Wörtlich heißt es hier, daß Paulus selbst für diejenigen, die gerettet werden, „ein Duft vom Leben zum Leben“ ist. Es liegt eine Metonymie vor: Paulus als der Verkündiger des Evangeliums ist der Träger dieses Duftes. Zu der Formulierung ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 476 s. v. ἐκ 6.d: „ἐκ – εἰς hebt den doppelt gesetzten Begriff eindrucksvoll hervor“. Gemeint ist: „ein Duft zu wahrem, unvergänglichem Leben“.
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klares Zeugnis dafür, daß nach Paulus die Entscheidung über die Teilhabe an der eschatologischen σωτηρία bereits extra nos in Christo definitiv gefallen ist, sind die beiden Schlüsse a maiore ad minus von Röm 5,8–10, in denen er erklärt: Wenn Christus „für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren, – wieviel mehr werden wir, da wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind (d. h. die heilvolle Beziehung zu Gott empfangen haben), durch ihn vor dem [kommenden] Strafgericht gerettet werden“ (5,8 f.). Und: „Wenn wir, als wir Feinde [Gottes] waren, durch den Tod seines Sohnes mit Gott versöhnt worden sind, – wieviel mehr werden wir als Versöhnte durch sein Leben110 gerettet werden“ (5,10). * Im Anschluß an unsere exegetischen Überlegungen sei nunmehr festgehalten, was sich den Paulusbriefen über das „extra nos in Christo“ als Voraussetzung und Fundament des „pro nobis“ und des „in nobis“ entnehmen läßt. Das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus ist dem Zeugnis des Apostels zufolge ein Geschehen, zu dem der Mensch, dem Gott sich rettend zuwendet, von sich aus nichts beiträgt und auch nichts beizutragen vermag. Die Aussagen über dieses Geschehen sprechen mithin von einer Wirklichkeit außerhalb des Menschen – einer Wirklichkeit, die von ihm selbst und auch von seinem Glauben unabhängig ist. Die elementare Bedeutung des „extra nos in Christo“ für das „pro nobis“ zeigt sich dabei eindrücklich an dem Zusammenhang von Heilstat, Heilswort und Glaube. Die Heilstat Gottes ist extra nos in der Geschichte Jesu Christi geschehen – allem Glauben vorauf und gerade so als die göttliche Entscheidung pro nobis, aufgrund derer Menschen durch das Heilswort des Evangeliums zum Glauben an Jesus Christus berufen werden. Das Heilswort Gottes hat Christus und das extra nos in seiner Geschichte Geschehene zum alleinigen Inhalt, und es erschließt die Heilstat, indem es Christus und mit ihm das „pro nobis“ im Glauben zu erkennen gibt. Der durch das Heilswort gewirkte Glaube, der mit der Erkenntnis des „pro nobis“ das in Christus beschlossene Heil ergreift, ist bezogen auf die extra nos in Christus geschehene Heilstat als die Wirklichkeit, die ihn begründet, trägt und erhält. Wie an dem beschriebenen Zusammenhang abgelesen werden kann, ist das „pro nobis“ streng und ausschließlich Prädikat der Geschichte Jesu Christi. Als solches hat es seinen Ort im Evangelium und findet es als Gegenstand des Glaubens sein Echo in der fides qua creditur. Das paulinische „pro nobis“ – so können wir knapp formulieren – heißt: „für uns Menschen und zu unserem Heil“, es heißt dagegen nicht: „nach unserem persönlichen und subjektiven Urteil“. Daß der Glaube an Christus im Verständnis 110 Formal ist ἐν τῇ ζωῇ αὐτοῦ V. 10b dem διὰ τοῦ θανάτου τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ V. 10a an die Seite gestellt. In der Sache handelt es sich um eine Metonymie, so daß gemeint ist: durch Christus als den auferstandenen und lebendigen Herrn.
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des Paulus kein subjektives Urteil ist, dürfte evident sein. Der Glaube stammt nicht aus dem religiösen Bewußtsein des Menschen, sondern aus Gott, und was der Glaubende glaubt, ist unabhängig davon wahr, daß er es glaubt. Wenn der Glaube nach Paulus durch das verbum externum gewirkt wird und der Glaubende, da der Glaube nicht auf sich selbst stehen kann, immer neu des gepredigten Evangeliums bedarf, dann liegt darin ein ganz wesentlicher Aspekt des „extra nos in Christo“ als der Grundlage des „pro nobis“. – Wie das „pro nobis“, so gründet dann auch das „in nobis“ in dem christologisch bestimmten „extra nos“. In der Konsequenz der Entscheidung, die im Christusgeschehen über sie gefallen ist, empfangen Menschen unter der Verkündigung des Evangeliums den Heiligen Geist. Dieser „wohnt“ in ihnen – nicht als ein Besitz, über den sie verfügen könnten, oder gar als ihr innerster Wesensgrund, sondern als der Herr, der ihr Personzentrum regiert und der ihnen allein deshalb kontinuierlich gewährt und so erhalten bleibt, weil Gott, der Vater Jesu Christi, in Treue an seiner Erwählung und Berufung festhält. Die Reformatoren – zuvörderst Martin Luther und Johannes Calvin – haben im Zentrum ihrer Theologie das paulinische „extra nos in Christo“ aufgenommen und es in großer Klarheit zur Sprache gebracht.111 Von daher wird man sagen dürfen, daß lutherische Identität wie auch reformierte Identität dann gewahrt sind, wenn das in der Schule des Apostels erkannte „extra nos in Christo“ in Verkündigung und Lehre, Liturgie und Unterweisung gewahrt bleibt.112 Damit stellt sich zugleich die Frage, ob eine Kontinuität zu paulinisch-reformatorischer Lehre auch da noch gegeben ist, wo das „pro nobis“ ausschließlich als ein methodisches Erkenntnisprinzip verstanden wird113 oder ein religiöser bzw. hermeneutischer Subjektivismus das Feld beherrscht, für den de facto der Mensch das Maß aller Dinge ist.114 Diese Frage ist jetzt nicht zu erörtern, sie sollte aber am Ende nicht unausgesprochen bleiben. 111 Es genügt hier der Hinweis auf das für die Reformatoren grundlegende exklusive „solus Christus“ und seine Explikation durch das „sola gratia“, das „solo verbo“ und das „sola fide Christi“. 112 Zur fundamentaltheologischen Relevanz des „extra nos“ s. H. J. Iwand, DogmatikVorlesungen 1957–1960. Ausgewählte Texte zur Prinzipienlehre, Schöpfungslehre, Rechtfertigungslehre, Christologie, Ekklesiologie mit Einführungen, hg. v. Th. Bergfeld / E. Thaidigsmann (AHSTh 18), Münster 2013, 21–72. 113 S. zur Problematik H. J. Iwand, Wider den Mißbrauch des „pro me“ als methodisches Prinzip in der Theologie, EvTh 14 (1954) 120–125 und ThLZ 79 (1954) 453–458; Ders., Glaube und Wissen, hg. v. H. Gollwitzer (NW 1), München 1962, 27–44; Ders., Christologie, hg. v. E. Lempp / E. Thaidigsmann (NW.NF 2), Gütersloh 1999, 425–431; Eichholz, Die Grenze der existentialen Interpretation (s. Anm. 27), 210–226, bes. 218–223; W. Kreck, Christus extra nos und pro nobis, in: Ders., Tradition und Verantwortung. Gesammelte Aufsätze, NeukirchenVluyn 1974, 132–144; Ders., Das reformatorische „pro me“ und die existentiale Interpretation heute, ebd., 145–168. 114 S. zur Problematik M. Trowitzsch, Szene und Verbergung. Bemerkungen zum Begriff der Offenbarung, ThLZ 134 (2009) 517–536; M. Welker, Subjektivistischer Glaube als religiöse Falle, EvTh 64 (2004) 239–248.
Gottes Wort im Menschenwort Zum Verständnis des Evangeliums bei dem Apostel Paulus* „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium Gottes“ – so beginnt der Brief, den Paulus an die christliche Gemeinde in Rom geschrieben hat, um ihr einen Einblick in seine Theologie und Verkündigung zu geben. Ein zentraler Begriff dieser Theologie und Verkündigung begegnet sogleich in dem zitierten Briefanfang: das Wort εὐαγγέλιον. In welchem Sinn der Apostel das Wort verwendet und was sich daraus für sein Verständnis des Evangeliums ergibt, das soll in den folgenden Überlegungen bedacht und in den Grundzügen beschrieben werden.1
I Außerhalb des Neuen Testaments ist für das Wort εὐαγγέλιον unter anderem die Bedeutung „die gute Nachricht“ / „die Freudenbotschaft“ belegt.2 Diese Bedeutung liegt auch im Neuen Testament vor, in dem ausschließlich ein theologischer Gebrauch des Wortes zu verzeichnen ist. Was dabei die Briefe des Paulus anlangt, so kann ein vierfacher sprachlicher Befund notiert werden, dem jeweils ein wichtiger sachlicher Befund entspricht. * Gastvorlesung, gehalten am 25. 9. 2 009 an der Orthodoxen Geistlichen Akademie Minsk in Zirowitschi (Belarus). Die Anmerkungen wurden in formaler Hinsicht, aber ohne inhaltliche Veränderungen überarbeitet. Zur Begründung der exegetischen Urteile s. meine folgenden Arbeiten: Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: O. Hofius, Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 148–174; „Die Wahrheit des Evangeliums“. Exegetische und theologische Erwägungen zum Wahrheitsanspruch der paulinischen Verkündigung, in: O. Hofius, Paulusstudien II (WUNT 143), Tübingen 2002, 17–37; Die Einzigartigkeit der Apostel Jesu Christi, in: O. Hofius, Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 189–202; „Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17, in: J. von Lüpke / E. Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus. FS Oswald Bayer, Tübingen 2009, 71–86 (in dem vorliegenden Band: 105–120). 1 Die Darstellung beschränkt sich auf jene Paulusbriefe, deren Authentizität nicht zweifelhaft sein kann. Belege aus den Briefen, bei denen die Verfasserschaft des Apostels in der Forschung umstritten ist (Eph, Kol, 2 Thess, 1 Tim, 2 Tim, Tit), werden in den Auflistungen der folgenden Anmerkungen jeweils in Klammern notiert. 2 Zum Singular εὐαγγέλιον s. Josephus, Bell II 420; Appian, Bell III 93. IV 20.113; PseudoLukian, As 26; Heliodor, Aeth I 14,27. Für den Plural εὐαγγέλια seien exemplarisch genannt: Josephus, Bell IV 656; Plutarch, Sert 11,8; Heliodor, Aeth I 14,26.
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1. Der Begriff εὐαγγέλιον wird in den Briefen des Apostels absolut gebraucht – und zwar in der determinierten Form τὸ εὐαγγέλιον, „das Evangelium“.3 In diesem Sprachgebrauch kommt zum Ausdruck, daß es sich bei dem Evangelium um ein Wort von einzigartiger Qualität handelt. Es ist die „gute Nachricht“ schlechthin – die eine und einzige „Freudenbotschaft“, die einen jeden Menschen ganz unmittelbar angeht und deshalb allen Menschen ausgerichtet werden muß. Die so zu kennzeichnende Freudenbotschaft ist auch da gemeint, wo bei Paulus das absolute ὁ λόγος – „das Wort“ – begegnet.4 Mit diesem Begriff wird ebenfalls signalisiert: Das Evangelium ist das allerwichtigste Wort, das ein Mensch in seinem Leben hören kann, und demzufolge ein Wort, das er unbedingt hören soll und hören muß. Warum das Evangelium nach der Überzeugung des Paulus diese einzigartige Qualität hat, das machen die beiden Redeweisen deutlich, die wir als nächste in den Blick fassen. 2. Der Begriff εὐαγγέλιον wird bei Paulus mit dem Genitiv τοῦ θεοῦ verbunden: τὸ εὐαγγέλιον τοῦ θεοῦ, „das Evangelium Gottes“.5 Diesem Ausdruck entspricht die an anderen Stellen der Briefe erscheinende Wendung ὁ λόγος τοῦ θεοῦ, „das Wort Gottes“.6 In beiden Formulierungen ist der Genitiv τοῦ θεοῦ als ein Genitivus subjectivus und des näheren als ein Genitivus auctoris zu bestimmen, der den Urheber und die Quelle des Evangeliums bezeichnet. Das Evangelium ist demnach Gottes eigenes Wort – die gute Nachricht, die von ihm herkommt und die er kundmacht. Gott selbst also redet, wo das Evangelium erklingt; seine Stimme ist es, die hier vernommen wird. 3. Der Begriff εὐαγγέλιον wird bei Paulus des weiteren mit dem Genitiv τοῦ Χριστοῦ verbunden: τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ.7 Eine Parallele dazu findet sich in Röm 1,9, wo das Evangelium Gottes als τὸ εὐαγγέλιον τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ bezeichnet wird. Bei den Genitiven τοῦ Χριστοῦ und τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ haben wir es jeweils mit einem Genitivus objectivus zu tun, so daß zu übersetzen ist: „das Evangelium von Christus“ bzw. „das Evangelium von seinem (sc. Gottes) 3 Röm 1,16; 10,16; 11,28; 1 Kor 4,15; 9,14.18.23; 15,1; 2 Kor 8,18; Gal 1,11; 2,2.5.7.14; Phil 1,5.7.12.16.27b; 2,22; 4,3.15; 1 Thess 2,4; Phm 13 (Eph 3,6; 6,19; Kol 1,5.23; 2 Tim 1,8.10). In Röm 1,16 und in 1 Kor 9,18 ist τὸ εὐαγγέλιον die von den ältesten Handschriften bezeugte ursprüngliche Lesart; erst jüngere Handschriften bieten die Fassung τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ. 4 Gal 6,6; Phil 1,14; 1 Thess 1,6 (Kol 4,3; 2 Tim 4,2). In Phil 1,14 bieten wichtige alte Textzeugen die Fassung ὁ λόγος τοῦ θεοῦ; dennoch dürfte ὁ λόγος die ursprüngliche Lesart sein. S. dazu B. M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, Stuttgart ²1994, 544 f. 5 Röm 1,1; 15,16; 2 Kor 11,7; 1 Thess 2,2.8 f. Da das artikellose εὐαγγέλιον θεοῦ von Röm 1,1 durch den unmittelbar folgenden Relativsatz determiniert wird, besteht zwischen dieser Formulierung und dem an den übrigen Stellen begegnenden Ausdruck τὸ εὐαγγέλιον τοῦ θεοῦ inhaltlich kein Unterschied. 6 1 Kor 14,36; 2 Kor 2,17; 4,2; 1 Thess 2,13 (Kol 1,25; 2 Tim 2,9; Tit 1,3; 2,5); als sekundäre Lesart: Phil 1,14 (s. Anm. 4). 7 Röm 15,19; 1 Kor 9,12; 2 Kor 2,12; 9,13; 10,14; Gal 1,7; Phil 1,27a; 1 Thess 3,2; als sekundäre Lesart: Röm 1,16; 15,29; 1 Kor 9,18. (Vgl. auch τὸ εὐαγγέλιον τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ 2 Thess 1,8 sowie ὁ λόγος τοῦ Χριστοῦ Kol 3,16).
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Sohn“.8 Die beiden Genitive geben den Inhalt des Evangeliums an – und zwar in einem ganz präzisen Sinn. Das Wort Χριστός ist bei Paulus nicht einfach ein mit „Jesus“ auswechselbarer Eigenname, sondern es ist ein solenner Beiname, der Jesus als den kennzeichnet, der den Menschen das Heil Gottes bringt. Gleiches gilt für den Hoheitstitel „Sohn Gottes“. In ihm kommt zum Ausdruck, daß Jesus seinem Ursprung und Wesen nach auf die Seite seines himmlischen Vaters gehört und daß er kraft dieses seines Ursprungs und Wesens als der Menschgewordene der Erlöser von Sünde und Tod ist.9 Was die Wendung τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ bei Paulus besagt, läßt sich von daher eindeutig bestimmen: Das Evangelium als das Wort Gottes hat nur einen einzigen Inhalt: Jesus Christus, den „Sohn Gottes“, und das in ihm beschlossene Heil. Das Evangelium spricht also von Jesu Person, weshalb Paulus einmal die Formulierung wählen kann: „das Evangelium von der Herrlichkeit Christi, der das Bild Gottes ist“.10 Und das Evangelium spricht zugleich und in einem von Jesu Werk – d. h. davon, daß er als der Sohn Gottes durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung den vor Gott verlorenen Menschen das ewige Heil gebracht hat: das Leben in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott.11 Wenn aber Jesus Christus in seiner Person und in seinem Werk der Inhalt des Evangeliums ist, dann bedeutet das: Dieser Inhalt ist nicht eine Größe oder ein Sachverhalt der Vergangenheit, sondern der auferstandene und lebendige Herr. Deshalb kommt in dem Syntagma τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ zugleich auch dies zum Ausdruck, daß Jesus Christus als der Inhalt des Evangeliums in diesem Wort selbst gegenwärtig ist und denen begegnet, die es hören.12 4. Der Begriff εὐαγγέλιον – so die letzte sprachliche Beobachtung – ist bei Paulus mit dem Genitiv der 1. Person des Personalpronomens verbunden. So heißt es in Röm 2,16: τὸ εὐαγγέλιόν μου13 – wörtlich: „mein Evangelium“; und 8 Für Röm 1,9 wird das durch Röm 1,1–4 bewiesen, wo die Formulierung εὐαγγέλιον θεοῦ […] περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ […] Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν begegnet. 9 Zu „Sohn Gottes“ als dem dezidiert soteriologischen Hoheitstitel s. insbesondere: Röm 5,10; 8,3 f.32; 2 Kor 1,19 f.; Gal 2,20; 4,4–6; 1 Thess 1,10. 10 2 Kor 4,4: τὸ εὐαγγέλιον τῆς δόξης τοῦ Χριστοῦ, ὅς ἐστιν εἰκὼν τοῦ θεοῦ (vgl. 1 Tim 1,11). 11 S. dazu etwa die von Paulus zitierte apostolische Lehrtradition 1 Kor 15,3b–5. Sie gibt an, „mit welcher Aussage“ (τίνι λόγῳ V. 2) der Apostel den Korinthern das Evangelium verkündigt hat. – Weil das Evangelium das in Christus beschlossene Heil zum Inhalt hat, bezeichnet Paulus es in 2 Kor 5,19 im Blick auf die im Kreuzesgeschehen vollzogene Versöhnung als ὁ λόγος τῆς καταλλαγῆς, als „das Wort von der Versöhnung“. (Im Epheserbrief finden sich dann die Kennzeichnungen als „das Evangelium von eurer Rettung“ [τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας ὑμῶν Eph 1,13] und als „das Evangelium von dem [durch Christus gestifteten] Frieden“ [τὸ εὐαγγέλιον τῆς εἰρήνης Eph 6,15; vgl. dazu 2,14–18].) 12 Um die Gegenwart Christi im Evangelium geht es bei dessen Bezeichnung als ῥῆμα Χριστοῦ in Röm 10,17, und in ὁ λόγος τοῦ κυρίου 1 Thess 1,8 (2 Thess 3,1) dürfte τοῦ κυρίου ein Genitivus auctoris sein. 13 So dann deuteropaulinisch in 2 Tim 2,8 sowie in der – aus der gottesdienstlichen Verlesung des Römerbriefs stammenden – Doxologie [Röm] 16,25–27 (hier V. 25) bzw. [Röm] 14,24–26 (hier V. 24). Die Einfügung der Doxologie hinter Röm 14,23 findet sich im Anschluß an die
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in 2 Kor 4,3 und 1 Thess 1,5, wo Paulus ebenfalls von sich selbst spricht, erscheint die Rede im Plural: τὸ εὐαγγέλιον ἡμῶν14 – wörtlich: „unser Evangelium“15. In grammatischer Hinsicht ist der Genitiv μου bzw. ἡμῶν als ein Genitivus subjectivus zu beurteilen, der den Verkündiger des Evangeliums bezeichnet. Die Ausdrücke τὸ εὐαγγέλιόν μου und τὸ εὐαγγέλιον ἡμῶν entsprechen somit der Wendung τὸ εὐαγγέλιον ὃ κηρύσσω von Gal 2,2.16 Sie dürfen deshalb nicht mit „meine Verkündigung des Evangeliums“ übersetzt werden, sondern die korrekte Übersetzung muß lauten: „das Evangelium, das ich verkündige“.
II Die soeben erwähnte Formulierung von Gal 2,2 – τὸ εὐαγγέλιον ὃ κηρύσσω – ist einer von vielen Belegen dafür, daß das Wort εὐαγγέλιον von Paulus als Akkusativobjekt zu einem Verbum verwendet wird, das die Bedeutung „verkündigen“ hat.17 Das Evangelium ist demnach der Gegenstand der Verkündigung – wobei hinzuzufügen ist, daß der Apostel in derselben Weise und unter Verwendung genau der gleichen Verben auch Christus selbst als den Gegenstand der Verkündigung bezeichnet18. Bereits aufgrund dieses Befundes muß die von manchen Exegeten vertretene These, daß das Wort εὐαγγέλιον bei Paulus Terminus technicus für die christliche Missionsverkündigung sei bzw. als nomen actionis die Handlung der Verkündigung meine, als völlig unhaltbar bezeichnet werden. Drei weitere Argumente kommen hinzu: 1. Für die Verkündigung gebraucht Paulus in seinen Briefen die Ausdrücke ἀκοή und κήρυγμα,19 und für die Handbyzantinische Tradition auch im kirchenslawischen Text; s. Новый Завѣтъ Господа нашего Іисуса Христа на славянскомъ и русскомъ языкахъ, St. Petersburg ¹³1904, 777. 14 So auch 2 Thess 2,14. 15 Paulus verwendet in seinen Briefen auch dann, wenn er von sich selbst spricht, nicht selten den sogenannten „apostolischen“ Plural, d. h. die Rede in der 1. Person Plural. S. dazu die Anmerkungen 25, 34, 37, 38 und 45. 16 S. ferner auch 1 Kor 15,1: τὸ εὐαγγέλιον ὃ εὐηγγελισάμην ὑμῖν („das Evangelium, das ich euch verkündigt habe“); Gal 1,11: τὸ εὐαγγέλιον τὸ εὐαγγελισθὲν ὑπ’ ἐμοῦ („das von mir verkündigte Evangelium“). 17 εὐαγγελίζεσθαι: 1 Kor 15,1 f.; 2 Kor 11,7; s. auch Gal 1,11. – καταγγέλλειν: 1 Kor 9,14. – κηρύσσειν: Gal 2,2; 1 Thess 2,9 (Kol 1,23); vgl. Röm 10,8 (τὸ ῥῆμα τῆς πίστεως κηρύσσειν [das ῥῆμα τῆς πίστεως ist das in V. 16 erwähnte Evangelium]). – λαλεῖν: 1 Thess 2,2; vgl. Phil 1,14 (τὸν λόγον λαλεῖν) sowie in der Sache auch 2 Kor 2,17b (zu λαλοῦμεν ist aus V. 17a das Objekt τὸν λόγον τοῦ θεοῦ zu ergänzen). Hinzuweisen ist ferner auch auf Röm 15,19 (Kol 1,25), wo das Verbum πληροῦν die Bedeutung „überall verkündigen“ haben dürfte. 18 εὐαγγελίζεσθαι: Gal 1,16. – καταγγέλλειν: Phil 1,17 f. (Kol 1,28). – κηρύσσειν: 1 Kor 1,23; 15,12; 2 Kor 1,19; 4,5; Phil 1,15 (1 Tim 3,16). – λαλεῖν: vgl. 1 Kor 2,6 f.13 (nach 1,24 ist Christus „Gottes Weisheit“). 19 ἀκοή: Röm 10,16 f.; Gal 3,2.5; 1 Thess 2,13. – κήρυγμα: 1 Kor 1,21; 2,4; 15,14 (2 Tim 4,17; Tit 1,3; [Röm] 16,25 bzw. 14,24). – Auf die Verkündigung beziehen sich außerdem: λόγος 1 Kor 1,18; 2,4 (1 Tim 5,17), μαρτύριον 1 Kor 1,6 (2 Thess 1,10) und παράκλησις 1 Thess 2,3 (1 Tim 4,13).
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lung der Verkündigung verwendet er die Verben εὐαγγελίζεσθαι, καταγγέλλειν, κηρύσσειν und λαλεῖν.20 – 2. Paulus spricht gelegentlich davon, daß gewisse Verkündiger das Evangelium „pervertieren“ oder „verfälschen“.21 Das geschieht nach seinem Urteil da, wo das geleugnet oder relativiert wird, was er „die Wahrheit des Evangeliums“ nennt: daß das Heil Gottes einzig und allein in dem gekreuzigten und auferstandenen Christus zu finden ist.22 So aber könnte der Apostel nicht denken und reden, wenn Evangelium und Verkündigung dasselbe wären. – 3. Paulus selbst unterscheidet in Röm 10,17 ausdrücklich zwischen der apostolischen Predigt und dem Evangelium Gottes. Er schreibt dort: „Der Glaube kommt aus der Verkündigung, die Verkündigung aber gründet in dem Wort Christi“ (ἡ πίστις ἐξ ἀκοῆς, ἡ δὲ ἀκοὴ διὰ ῥήματος Χριστοῦ). Wie sich aus dem Kontext Röm 10,4–17 ergibt, ist mit dem „Wort Christi“ das zuvor in V. 16 erwähnte Evangelium gemeint,23 und somit folgt aus der zitierten Aussage zwingend, daß das Evangelium der Verkündigung vorgegeben ist und ihre Grundlage bildet. Daß das Evangelium der Verkündigung vorgegeben ist, wird ebenfalls deutlich, wenn der Apostel in Gal 2,7 schreibt: „Ich bin mit dem Evangelium betraut“24 oder wenn er in 1 Thess 2,4 im Blick auf sich selbst und seine Verkündigung erklärt: „Wie ich von Gott für wert befunden worden bin, mit dem Evangelium betraut zu werden, so rede ich.“25 In beiden Aussagen denkt Paulus ohne Zweifel an das Geschehen seiner Berufung vor Damaskus. Über dieses Geschehen sagt er in 1 Kor 9,1: „Ich habe Jesus, unseren Herrn, gesehen“, und im ersten Kapitel des Galaterbriefs betont er, daß er dort – vor Damaskus – das Evangelium unmittelbar von Gott selbst empfangen hat.26 Um das in seiner Tiefe und Tragweite zu verstehen, muß man beachten, daß Paulus das Damaskusereignis als die letzte jener Ostererscheinungen Jesu Christi begreift, durch die 20 εὐαγγελίζεσθαι: Röm 1,15; 10,15 (= Zitat von Jes 52,7); 15,20; 1 Kor 1,17; 9,16.18; 15,1 f.; 2 Kor 10,16; 11,7; Gal 1,8 f.11.16; 4,13 (Eph 3,8). – καταγγέλλειν: 1 Kor 2,1; 9,14; Phil 1,17 f. – κηρύσσειν: Röm 10,8.14 f.; 1 Kor 1,23; 9,27; 15,11 f.; 2 Kor 1,19; 4,5; 11,4; Gal 2,2; Phil 1,15; 1 Thess 2,9 (Kol 1,23; 1 Tim 3,16; 2 Tim 4,2). – λαλεῖν: 1 Kor 2,6 f.13; 2 Kor 2,17; 4,13; Phil 1,14; 1 Thess 2,2.4.16. 21 Gal 1,7 (μεταστρέφειν τὸ εὐαγγέλιον); 2 Kor 4,2 (δολοῦν τὸν λόγον τοῦ θεοῦ). Vgl. auch die Formulierungen εὐαγγέλιον ἕτερον κηρύσσειν (2 Kor 11,4; vgl. Gal 1,6) und ἄλλον Ἰησοῦν κηρύσσειν (2 Kor 11,4). 22 Zum Begriff der ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου s. Gal 2,5.14; vgl. auch Gal 4,16; 5,7 sowie 2 Kor 4,2. (Aufgrund der Überzeugung, daß das Evangelium die rettende Wahrheit Gottes enthält, wird es in Kol 1,5; Eph 1,13; 2 Tim 2,15 als ὁ λόγος τῆς ἀληθείας bezeichnet.) 23 Gleiches gilt für die sekundären Lesart διὰ ῥήματος θεοῦ (so u. a. der byzantinische Text und entsprechend die kirchenslawische Übersetzung [Новый Завѣтъ, 763]). 24 Vgl. deuteropaulinisch: 1 Tim 1,11; Tit 1,3. 25 Bei der 1. Person Plural des griechischen Textes (δεδοκιμάσμεθα und λαλοῦμεν) handelt es sich um den „apostolischen“ Plural. Diesen gebe ich hier und im Folgenden in meinen Übersetzungen durch die 1. Person Singular wieder. 26 Gal 1,11 f.15 f.
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bestimmte Menschen zu Verkündigern des Evangeliums berufen wurden.27 Er erblickt in diesen Erscheinungen ein göttliches Offenbarungsgeschehen,28 in dem der von den Toten auferstandene Herr einem begrenzten Kreis von Augenzeugen seine Person und sein Werk erschlossen und so die Wahrheit über sich selbst zu erkennen gegeben hat. Diejenigen, die in dieser einmaligen Weise zu Zeugen des Evangeliums erwählt und berufen wurden, bezeichnet Paulus als die „Apostel“ Jesu Christi29. Ihre besondere, ja einzigartige Autorität liegt darin, daß sie aufgrund der ihnen zuteil gewordenen Offenbarung zuverlässig wissen und deshalb auch glaubwürdig sagen können, was kein Mensch von sich aus wissen und sagen kann – nämlich: wer Jesus Christus ist und was sich in seiner Geburt, in seinem Tod und in seiner Auferstehung ereignet hat. Die Apostel sind die authentischen Christuszeugen, die als solche die „Wahrheit des Evangeliums“ gültig und für die Kirche aller Zeiten verbindlich zur Sprache bringen.30 Weil Paulus sich durch die Gnade Gottes zu einem solchen Apostel Jesu Christi berufen weiß,31 deshalb sieht er sich mit seiner ganzen Person und somit gerade auch in seiner Verkündigung an das Evangelium als das ihm anvertraute „Wort Gottes“ gebunden.32 Zwischen dem Evangelium als dem „Wort Gottes“ und der Verkündigung des Apostels muß – wie wir jetzt festhalten können – präzise unterschieden werden; beides ist keineswegs dasselbe. Ist das erkannt, dann ist allerdings sogleich auch das andere mit Nachdruck zu betonen: Das Evangelium Gottes und die Verkündigung des Apostels können nicht voneinander getrennt werden. Es ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die unlösliche Zusammengehörigkeit der beiden zu unterscheidenden Größen, wenn Paulus in 1 Thess 2,13 die sprachlich recht komplizierte Wendung prägt: λόγος ἀκοῆς παρ᾽ ἡμῶν τοῦ θεοῦ. Sie bezieht sich auf das Evangelium, von dem im Ersten Thessalonicherbrief bereits vorher mehrfach die Rede war,33 und ihr Sinn ist: „das in meiner Predigt ausgerichtete und vernommene Wort Gottes“.34 Wie diese Formulierung erkennen läßt, ist 27 So
1–11.
28 S.
ausdrücklich 1 Kor 15,8 im Anschluß an das vorher Gesagte und im Kontext der Verse
die Begriffe ἀποκάλυψις und ἀποκαλύπτειν in Gal 1,12 bzw. Gal 1,16. Zu ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ u. ä. als Selbstbezeichnung des Paulus s. 1 Kor 1,1; 2 Kor 1,1; 1 Thess 2,7 (Eph 1,1; Kol 1,1; 1 Tim 1,1; 2 Tim 1,1; Tit 1,1). Um diesen Begriff handelt es sich auch in Röm 1,1; 11,13; 1 Kor 4,9; 9,1 f.5; 12,28 f.; 15,7.9; 2 Kor 11,13; 12,12; Gal 1,1.17.19 (Eph 2,20; 3,5; 4,11; 1 Tim 2,7; 2 Tim 1,11). 30 Der Epheserbrief bezeichnet die Apostel deshalb als das durch den „Eckstein“ Jesus Christus bestimmte, ausgerichtete und festgelegte „Fundament“, auf dem die Kirche erbaut ist (Eph 2,20). 31 Röm 1,1.5; 1 Kor 15,9 f.; Gal 1,15.16a. 32 S. dazu die zu Beginn des Aufsatzes zitierte Selbstvorstellung von Röm 1,1, in der die Worte „ausgesondert für das Evangelium Gottes“ (ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον θεοῦ) die absolute Bindung an das Evangelium zum Ausdruck bringen. 33 1 Thess 1,5 f.8; 2,2.4.8 f. 34 In 1 Thess 2,13 spricht Paulus im „apostolischen“ Plural von sich selbst. Zur sprachlichen Analyse ist zu bemerken: Der Genitiv τοῦ θεοῦ ist Genitivus auctoris zu λόγος, die Bestimmung 29
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die Verkündigung des Apostels das Instrument, durch das Gott selbst sein Wort laut werden läßt. Das heißt: Denen, die den Apostel hören, begegnet Gottes Wort im Menschenwort – seine rettende Anrede in menschlicher Sprache und in menschlichem Zeugnis. Das Menschenwort der apostolischen Predigt steht dabei ganz im Dienst des Evangeliums,35 und das Evangelium ist nirgends anders zu finden und zu vernehmen, als in dem Menschenwort des von Gott berufenen und bevollmächtigten Boten.36
III Aus dem bisher Dargelegten ergibt sich eine gewichtige Konsequenz, die in einem letzten Schritt unserer Betrachtungen noch bedacht werden soll. Wenn das Evangelium – wie wir gesehen haben – im strengen Sinn das Wort Gottes ist, dann ist es das Wort des Schöpfers, der nach Röm 4,17 „die Toten lebendig macht und das Nicht-Seiende ins Dasein ruft“. Das aber bedeutet: In dem Evangelium ist der schöpferische Geist Gottes auf dem Plan und am Werk. Von daher ist zu verstehen, was Paulus im Ersten Thessalonicherbrief über sein missionarisches Wirken in Thessalonich schreibt. Das von ihm verkündigte Evangelium – so hören wir in 1,5 f. – ist an die Thessalonicher ergangen „nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft des Heiligen Geistes“,37 und eben deshalb haben sie das Evangelium „inmitten großer Bedrängnis mit der Freude aufgenommen, die der Heilige Geist wirkt“. Dementsprechend erklärt der Apostel in 2,13: „Ich sage Gott unablässig Dank dafür, daß ihr, als ihr das in meiner Predigt ausgerichtete und vernommene Wort Gottes empfingt, es nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist: als Gottes Wort, das sich als solches wirksam erweist unter euch, den Glau-
παρ᾽ ἡμῶν gehört zu ἀκοῆς und steht für einen Genitivus auctoris, und der Genitiv ἀκοῆς gibt epexegetisch an, wo der λόγος τοῦ θεοῦ zu vernehmen ist. 35 Paulus versteht sich selbst im gleichen Sinn als Diener Jesu Christi und als Diener des Evangeliums; s. Röm 1,1.9; 15,16; 1 Kor 3,5; 4,1; 2 Kor 3,6 (die καινὴ διαθήκη ist das Evangelium); Phil 2,22. Vgl. auch 2 Kor 3,2 f. 36 Daß das Evangelium Gottes und die apostolische Verkündigung nicht identisch, wohl aber unlöslich aufeinander bezogen und miteinander verbunden sind, kommt auch in Tit 1,3 zum Ausdruck: (ὁ θεὸς) ἐφανέρωσεν […] τὸν λόγον αὐτοῦ ἐν κηρύγματι ὃ ἐπιστεύθην ἐγὼ κατ’ ἐπιταγὴν τοῦ σωτῆρος ἡμῶν θεοῦ. 37 1 Thess 1,5: τὸ εὐαγγέλιον ἡμῶν οὐκ ἐγενήθη εἰς ὑμᾶς ἐν λόγῳ μόνον ἀλλὰ καὶ ἐν δυνάμει καὶ ἐν πνεύματι ἁγίῳ. Bei ἡμῶν handelt es sich um den „apostolischen“ Plural. Die Worte ἐν δυνάμει καὶ ἐν πνεύματι ἁγίῳ sind nach meinem Urteil als eine Einheit zu fassen, und Paulus spricht nicht von Wundertaten, die seine Verkündigung begleiteten, sondern wie in 1 Kor 2,4 (ἐν ἀποδείξει πνεύματος καὶ δυνάμεως) von dem Glauben schaffenden Machterweis des Heiligen Geistes. Zu ἐν δυνάμει erklärt J. A. Bengel, Gnomon Novi Testamenti (³1773), hg. v. P. Steudel, Stuttgart ⁸1891, 810 zutreffend: ad fidem.
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benden.“38 Spricht Paulus hier von der Wirksamkeit des von ihm verkündigten Evangeliums, so ist das ganz umfassend gemeint: Das Evangelium hat bei denen, die es hörten, den Glauben an Jesus Christus geschaffen und ihnen so die eschatologische Rettung eröffnet;39 und es wirkt weiter in ihnen und an ihnen, indem es sie im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung bewahrt,40 ihnen die Kraft schenkt, um Christi willen zu leiden,41 und ihr ganzes Leben – gerade auch im Bereich der Heiligung – prägt und bestimmt.42 So sind die Christen zu Thessalonich in ihrer Existenz ein sichtbares Zeugnis dafür, daß das Evangelium als das schöpferische Wort Gottes den Glauben an Christus und das Leben in diesem Glauben wirkt. Daß dabei das Menschenwort des Apostels an der Leben schaffenden Macht des von ihm verkündigten Evangeliums partizipiert, kann aus den Aussagen des Ersten Thessalonicherbriefs nur gefolgert werden; es wird aber im Ersten Korintherbrief ausdrücklich gesagt, wenn es dort von der paulinischen Verkündigung des gekreuzigten Christus heißt: Diese Verkündigung erging „im Erweis des machtvoll wirkenden Geistes“, so daß der Glaube der Korinther in nichts anderem begründet ist als „in der Kraft Gottes“.43 Den Aussagen des Ersten Thessalonicherbriefs über das Evangelium als das schöpferische Wort Gottes lassen sich andere Zeugnisse der Paulusbriefe an die Seite stellen. So ist nach Röm 1,16 f. das von Paulus verkündigte Evangelium „Gottes Kraft zur Rettung für jeden Glaubenden“44, weil Gott selbst in ihm sein Heil „offenbart“ und eben damit den Glauben schafft, der das Heil ergreift. Vor allem aber ist hier der theologisch gewichtige Textzusammenhang 2 Kor 2,14–6,10 zu nennen, in dem es in grundlegenden Ausführungen um das Evangelium und um den apostolischen Dienst der Evangeliumsverkündigung geht. Zu Beginn des Abschnitts spricht Paulus in einem eindrücklichen Bild von dem Triumphzug des Evangeliums, an dem er selbst als der Verkündiger teilnimmt und in dem Gott durch ihn „den Duft seiner Erkenntnis an allen Orten offenbar macht“.45 Die heilvolle, weil Leben eröffnende Erkenntnis Gottes, von der hier 38 Auch in diesem Vers begegnet der „apostolische“ Plural. Zu den Worten ὃς καὶ ἐνεργεῖται ist anzumerken, daß καί der nachdrücklichen Unterstreichung des Relativpronomens dient (s. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 442,8b) und deshalb nicht mit „auch“ wiedergegeben werden sollte. 39 1 Thess 1,4–10; 5,9 f. 40 S. dazu 1 Thess 1,3; 3,1–13; 5,23 f. 41 So 1 Thess 2,14 in unmittelbarem Anschluß an V. 13. 42 S. dazu besonders 1 Thess 2,9–12; 3,12 f.; 4,1–12. 43 1 Kor 2,4 f.: ὁ λόγος μου καὶ τὸ κήρυγμά μου […] ἐν ἀποδείξει πνεύματος καὶ δυνάμεως, ἵνα ἡ πίστις ὑμῶν […] ᾖ […] ἐν δυνάμει θεοῦ. Neben 1 Kor 2,4 f. ist auch 1 Kor 1,18 zu nennen, wo Paulus von dem λόγος ὁ τοῦ σταυροῦ, d. h. von seiner Verkündigung des gekreuzigten Christus, genau das sagt, was er in Röm 1,16 dem Evangelium zuschreibt (s. Anm. 44). 44 Röm 1,16: δύναμις θεοῦ εἰς σωτηρίαν παντὶ τῷ πιστεύοντι. 45 2 Kor 2,14. In diesem Vers handelt es sich – wie zumeist in 2 Kor 2,14–6,10 – bei der Rede in der 1. Person Plural um den „apostolischen“ Plural und also um eine Aussage des Paulus über sich selbst.
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die Rede ist, ist die Erkenntnis Jesu Christi und seiner „Herrlichkeit“.46 Das heißt: Es ist die Erkenntnis, daß in Christus Gott selbst in seiner göttlichen Herrlichkeit gegenwärtig ist und daß er in ihm, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, den Menschen sein Heil bereitet hat und gewährt.47 Im verkündigten Evangelium tritt diese Herrlichkeit Christi strahlend in Erscheinung (4,4) – und damit zugleich in der apostolischen Predigt des Evangeliums, die Paulus als die „offene Verkündigung der Wahrheit“48 bezeichnet (4,2). Die Wirkmacht des Evangeliums beschreibt der Apostel dann in dem höchst bedeutsamen Satz 2 Kor 4,6: „Gott, der da sprach: ‚Aus der Finsternis leuchte das Licht hervor!‘ – der hat es in unseren Herzen Licht werden lassen, so daß leuchtend aufging die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi.“49 In diesem Satz sind zwei Gedanken aufs engste miteinander verbunden. Paulus hat zunächst das Damaskusgeschehen vor Augen, in dem ihm die Erkenntnis Jesu Christi zuteil wurde – und zwar durch die unmittelbare Begegnung mit dem auferstandenen Herrn als dem Evangelium in Person.50 Zugleich aber versteht er dieses Geschehen in einer bestimmten Hinsicht „modellhaft“51: Die Hörer der apostolischen Verkündigung begegnen dem auferstandenen Herrn zwar nicht unmittelbar, wohl aber als dem, der im verkündigten Evangelium präsent ist, und auch ihnen wird durch diese Begegnung die Erkenntnis Jesu Christi geschenkt. Paulus spricht also in 2 Kor 4,6 sowohl im Blick auf sich selbst wie auch im Blick auf die Korinther von dem Wunder des Zum-Glauben-Kommens. Dabei charakterisiert er dieses als ein Wunder der Neuschöpfung, das nur mit dem Wunder der Erschaffung des Lichtes am ersten Schöpfungstag verglichen werden kann. Wie Gott nach Gen 1,3 durch sein machtvolles Schöpferwort das Licht da aufstrahlen ließ, wo zuvor nichts als Finsternis herrschte, so läßt er durch das Evangelium als sein schöpferisches Wort in dem finsteren Herzen des vor Gott verlorenen Menschen das Licht aufleuchten, so daß die Erkenntnis der „Herrlichkeit“ des gekreuzigten und auferstandenen Christus „leuchtend aufgeht“.52 Der Satz 2 Kor 4,6 ist das klarste und eindrücklichste Zeugnis für die Gewißheit des Paulus, daß 46 Der Aussage
von 2 Kor 2,14 korrespondiert diejenigen von 2 Kor 4,6 (vgl. auch 4,4). dazu 2 Kor 5,14–21; 6,1 f. 48 So die Übersetzung der Worte ἡ φανέρωσις τῆς ἀληθείας bei Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 1701 s. v. φανέρωσις. 49 Zur Begründung der Übersetzung und zur Auslegung im einzelnen s. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus (s. Anm. *), 161–163. 50 Vgl. dazu auch das Selbstzeugnis des Apostels von Phil 3,8. 51 H.-J. Klauck, 2. Korintherbrief (NEB.NT 8), Würzburg 1986, 44. 52 Die Worte des Apostels sind in dem Gebet aufgenommen, das in der Göttlichen Liturgie vor der Verlesung des Evangeliums gesprochen wird: Ἔλλαμψον ἐν ταῖς καρδίαις ἡμῶν, φιλάνθρωπε δέσποτα, τὸ τῆς σῆς θεογνωσίας ἀκήρατον φῶς καὶ τοὺς τῆς διανοίας ἡμῶν διάνοιξον ὀφθαλμοὺς εἰς τὴν τῶν εὐαγγελικῶν σου κηρυγμάτων κατανόησιν. – „Laß leuchten, o menschenliebender Herr, in unseren Herzen das reine Licht deiner Gotteserkenntnis und öffne die Augen unseres Verstandes, damit wir die Verkündigung deines Evangeliums verstehen.“ 47 S.
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da, wo die Verkündigung das ihr vorgegebene Evangelium gehorsam ausrichtet, im Menschenwort des Verkündigers – Gottes Wort laut wird.
„Sünde“ – „Gesetz“ – „Gnade“ Überlegungen zu drei Grundbegriffen paulinischer Theologie1 Die Worte „Sünde“ (ἁμαρτία), „Gesetz“ (νόμος) und „Gnade“ (χάρις) gehören zu den zentralen Begriffen der Theologie des Apostels Paulus. Was genau Paulus unter diesen drei Größen versteht und wie er das Verhältnis zwischen ihnen bestimmt, das soll im Folgenden dargelegt werden. Daß es sich dabei lediglich um eine Skizze handeln kann, die sich auf die entscheidenden Aussagen des Apostels beschränken muß, sei ausdrücklich bemerkt.2
I Fassen wir zunächst die Aussagen über die „Sünde“ in den Blick, so ist mit einer sprachlichen Beobachtung einzusetzen: Paulus verwendet das Wort „Sünde“ (ἁμαρτία) – von wenigen Zitaten und formelhaften Wendungen abgesehen3 – ausschließlich im Singular und ohne den Zusatz irgendeines Attributes.4 In diesem für den Apostel charakteristischen Sprachgebrauch spiegelt sich sein eigentümliches Verständnis der Sünde wider, für das fünf Bestimmungen notiert werden können. 1. „Sünde“ ist bei Paulus nicht ein moralischer, sondern ein theologischer Begriff. Das heißt: Er gebraucht das Wort nicht als einen Ausdruck für sittliches Versagen oder für einzelne konkrete Verfehlungen, sondern er bezieht es in ganz grundsätzlicher Weise auf das unmittelbare Verhältnis des Menschen 1 Dem Aufsatz liegt ein Vortrag zugrunde, der im Dezember 2012 in Athen auf einer interdisziplinären Tagung zu Fragen der Ethik gehalten wurde (neugriechisch). 2 Da die folgenden Ausführungen wesentliche Ergebnisse meiner langjährigen Beschäftigung mit den Paulusbriefen voraussetzen, weise ich in den Anmerkungen zur näheren Begründung bzw. zur Vertiefung bestimmter Aussagen mehrfach auf frühere Arbeiten hin. Auf eine explizite Darstellung und Kritik von Positionen, die ich nicht teile, wird im Blick auf die Grenzen, die dem Umfang des Aufsatzes gesetzt sind, bewußt verzichtet. 3 Röm 4,7 (Ψ 31,1); 7,5 (traditioneller Gebrauch des Plurals); 11,27b (der Plural αἱ ἁμαρτίαι [diff. Jes 27,9 LXX] ist Angleichung an ἀσέβειαι 11,26b [= Jes 59,20 LXX]); 1 Kor 15,3 (vorpaulinische Lehrtradition); 15,17 (Bezugnahme auf V. 3); Gal 1,4 (vorpaulinische Formel); 1 Thess 2,16 (traditionelle Wendung; vgl. Gen 15,16 LXX; Dan 8,23 LXX θ’; 2 Makk 6,14). Der Plural αἱ ἁμαρτίαι bezeichnet jeweils die einzelnen Tatsünden. 4 Röm 3,9.20; 5,12 f.20 f.; 6,1 f.6 f.10–14.16–18.20.22 f.; 7,7–9.11.13 f.17.20.23; 8,2 f.10; 14,23; 1 Kor 15,56; 2 Kor 5,21; Gal 2,17; 3,22 (auch Röm 7,25b – nach meinem Urteil eine unpaulinische Glosse). Nicht spezifisch paulinisch ist die Formulierung ἁμαρτίαν ποιεῖν 2 Kor 11,7 (vgl. z. B. Dtn 9,21 LXX; Tob 12,10; 14,7 S; Jak 5,15; 1 Petr 2,22).
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zu Gott, seinem Schöpfer. Paulus kennzeichnet die Sünde als „Gottlosigkeit“ (ἀσέβεια), als „Ungerechtigkeit“ (ἀδικία) und als „Feindschaft gegen Gott“ (ἔχθρα εἰς θεόν)5 – und dementsprechend die „Sünder“ (ἁμαρτωλοί)6 als „Gottlose“ (ἀσεβεῖς), als „Ungerechte“ (ἄδικοι) und als „Feinde“ (ἐχθροί) Gottes7. Dieser Kennzeichnung entspricht der Satz Röm 1,21a, der gewissermaßen eine Definition der Sünde enthält, wenn dort im Blick auf alle Menschen gesagt wird: „Obwohl sie um Gott wußten, haben sie ihn nicht als Gott geehrt noch ihm gedankt, sondern sie sind in ihren Gedanken auf Nichtiges verfallen“ (γνόντες τὸν θεὸν οὐχ ὡς θεὸν ἐδόξασαν ἢ ηὐχαρίστησαν, ἀλλ’ ἐματαιώθησαν ἐν τοῖς διαλογισμοῖς αὐτῶν). Von allen Menschen gilt demnach: Statt Gott über alles zu lieben und zu ehren, verweigern sie ihm in törichter Verblendung den dankbaren Lobpreis wie auch den gehorsamen Dienst. Nicht ihm, dem lebendigen Gott, gehört ihr Herz, sondern Dingen, die im Vergleich zu ihm nichtig sind.8 Die Sünde ist also, wie wir sagen können, das fundamentale „Nein“ zu Gott. Dieses „Nein“ spricht nicht nur der Mensch, der Gott ganz bewußt ablehnt oder seine Existenz leugnet; es wird vielmehr auch da laut, wo Menschen so leben und handeln, denken und reden, als gäbe es Gott gar nicht. Und das „Nein“ ist ebenso da gegeben, wo es Menschen in ihrer Religiosität letztlich gar nicht um Gott selbst geht, sondern darum, ihn zum Erfüllungsgehilfen der eigenen Wünsche, Pläne und Ziele zu machen. Es ist das harte Urteil des Paulus, daß ausnahmslos alle Menschen so, wie sie von sich aus existieren, im Sinne des „Nein“ zu Gott Sünder sind.9 Mit diesem „Nein“ verfehlt der Mensch die Daseinsbestimmung, von Gott her und für Gott zu leben. Als dieser Mensch aber besitzt er nicht die δικαιοσύνη, d. h. die heilvolle, weil intakte Beziehung zu dem lebendigen Gott.10 5 ἀσέβεια: Röm 1,18; ἀδικία: Röm 1,18; 2,8; 3,5; 6,13 (vgl. 1 Kor 13,6); ἔχθρα εἰς θεόν: Röm 8,7. Wie bei der ἀσέβεια und der ἔχθρα εἰς θεόν, so geht es auch bei der ἀδικία um das Verhältnis des Menschen zu Gott: Die „Ungerechtigkeit“ besteht in der Mißachtung bzw. Verachtung Gottes und seines Willens und Gebotes. 6 Röm 3,7; 5,8.19; Gal 2,15.17. 7 ἀσεβεῖς: Röm 4,5; 5,6; ἄδικοι: 1 Kor 6,1.9 (vgl. auch Röm 3,10b); ἐχθροί: Röm 5,10. Zu ἄδικοι s. das in Anm. 5 zu ἀδικία Gesagte. 8 Daß der Mensch sich dem lebendigen Gott verschließt und statt dessen sein Herz an Nichtiges hängt, das bezeichnet Paulus in Röm 1,22 f. und 1,25 als Götzendienst. 9 Dieses Urteil ist für den Apostel eine zwingende Konsequenz der ihm geschenkten Erkenntnis Jesu Christi: Wenn um des ewigen Heils des Menschen willen der Sohn Gottes Mensch werden und sterben mußte (s. unten Teil III), dann folgt daraus die absolute Verlorenheit dieses Menschen vor Gott. 10 In Aussagen der paulinischen Rechtfertigungstheologie bezeichnet das Substantiv δικαιοσύνη das intakte und deshalb heilvolle Verhältnis des Menschen zu Gott. Daß diese δικαιοσύνη Werk und Gabe Gottes ist, kommt in dem Syntagma δικαιοσύνη θεοῦ zum Ausdruck (Röm 1,17; 3,21 f.25 f.; 10,3; 2 Kor 5,21), und die Rede von unserer – der Menschen – δικαιοσύνη kennzeichnet diese als die Gabe, die der Mensch von Gott empfängt (Röm 4,3.5 f.9.11.13.22; 5,17.21; 6,13.16.18–20; 8,10; 9,30 f.; 10,3–6.10; 1 Kor 1,30; 2 Kor 3,9; Gal 2,21; 3,6.21; 5,5; Phil 1,11; 3,6.9). Dem Gebrauch des Substantivs entspricht in den Rechtfertigungsaussagen die Verwendung des Adjektivs δίκαιος und des Verbums δικαιοῦν. Daß Gott δίκαιος ist, das besagt: er ist der, der die heilvolle Gottesbeziehung schafft und gewährt (Röm 3,26); und daß ein Mensch
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2. Fast überall in den Paulusbriefen, wo von der ἁμαρτία die Rede ist, wird diese personifiziert und somit als eine Macht gekennzeichnet, der ohne die durch Christus geschenkte Befreiung alle Menschen verfallen sind.11 In diesem Sinn erklärt der Apostel in Röm 3,9b, daß „Juden wie Heiden allesamt unter der Herrschaft der Sünde stehen“ (Ἰουδαίους τε καὶ Ἕλληνας πάντας ὑφ’ ἁμαρτίαν εἶναι), und er verweist zur Begründung auf Worte der Heiligen Schrift Israels: „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt. Alle sind abtrünnig geworden, alle miteinander sind verdorben. […] Da ist keine Gottesfurcht vor ihren Augen.“12 Die damit behauptete universale Herrschaft der Sünde sieht Paulus in dem Sündenfall Adams begründet.13 Durch Adam – so heißt es in Röm 5,12 – „ist die Sünde in die Welt hineingekommen“, und dieses Urgeschehen hatte zur Folge, daß „alle Menschen gesündigt haben“. Daß Paulus hier nicht im Präsens, sondern im Aorist formuliert, will beachtet sein.14 Denn dadurch wird angezeigt, daß die Sünde von Adam her ein Verhängnis ist, das auf der ganzen Menschheit lastet und dem sich niemand entziehen kann. Die Macht der Sünde beschreibt Paulus dann so, daß er sagt: Sie „herrscht“ über den Menschen und hält ihn als einen Sklaven gefangen, der ihr „dienen“ muß;15 und sie „wohnt“ zugleich in ihm, regiert sein Personzentrum und zwingt ihm ihren Willen auf.16 δίκαιος ist, das meint, daß er dieser Gottesbeziehung teilhaftig ist (Röm 1,17; 2,13; 3,10; 5,19; Gal 3,11). Wenn Paulus das Aktiv des Verbums – δικαιοῦν – verwendet, dann ist Gott Subjekt, und die Aussage ist, daß er dem Menschen die heilvolle Gottesbeziehung schenkt (Röm 3,26.30; 4,5; 8,30; Gal 3,8). Das vom Menschen gebrauchte Passiv – δικαιοῦσθαι – bedeutet dementsprechend, daß der Mensch die heilvolle Gottesbeziehung empfängt (Röm 2,13; 3,20.24.28; 4,2; 5,1.9; 1 Kor 6,11; Gal 2,16 f.; 3,11.24; 5,4). Zu erwähnen ist schließlich auch das Wort δικαίωσις, das in Röm 4,25 und 5,18 die Versetzung in das heilvolle Gottesverhältnis bezeichnet. 11 Röm 3,9.20; 5,12.21; 6,1 f.6 f.10–14.16–18.20.22 f.; 7,7–9.11.13 f.17.20.23; 8,2 f.10; 1 Kor 15,56; Gal 3,22. – An anderen Stellen geht es bei der Verwendung des Wortes ἁμαρτία wie in dem Zitat Röm 4,8 (= Ψ 31,2) um den Aspekt der Sünde als Tat: Röm 5,13.20; 14,23; Gal 2,17. Der auch hier präsente Gedanke des „Nein“-Sagens zu Gott liegt ebenfalls da vor, wo das Verbum ἁμαρτάνειν in theologisch gefülltem Sinn gebraucht wird: Röm 2,12; 3,23; 5,12.14.16; 6,15. 12 Ich zitiere die Verse Röm 3,10b–12a.18, in denen Paulus auf Qoh 7,20 und auf Ψ 13,1–3 (= 52,2–4); 35,2b Bezug nimmt. 13 S. dazu im einzelnen O. Hofius, Die Adam-Christus-Antithese und das Gesetz. Erwägungen zu Röm 5,12–21, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143), Tübingen 2002, 62–103: 79–81. 14 Die im Aorist formulierte Aussage πάντες ἥμαρτον von Röm 5,12, die bereits wörtlich gleich in Röm 3,23 begegnet, entspricht den aoristischen Feststellungen von Röm 1: γνόντες τὸν θεὸν οὐχ ὡς θεὸν ἐδόξασαν ἢ ηὐχαρίστησαν, ἀλλ’ ἐματαιώθησαν ἐν τοῖς διαλογισμοῖς αὐτῶν (V. 21a); φάσκοντες εἶναι σοφοὶ ἐμωράνθησαν καὶ ἤλλαξαν τὴν δόξαν τοῦ ἀφθάρτου θεοῦ ἐν ὁμοιώματι εἰκόνος φθαρτοῦ ἀνθρώπου καὶ πετεινῶν καὶ τετραπόδων καὶ ἑρπετῶν (V. 22 f.); μετήλλαξαν τὴν ἀλήθειαν τοῦ θεοῦ ἐν τῷ ψεύδει καὶ ἐσεβάσθησαν καὶ ἐλάτρευσαν τῇ κτίσει παρὰ τὸν κτίσαντα (V. 25); οὐκ ἐδοκίμασαν τὸν θεὸν ἔχειν ἐν ἐπιγνώσει (V. 28a). 15 Röm 5,21; 6,6.12–18.20; 7,14. 16 Röm 7,14–23 (insbesondere V. 17 und V. 20). Zu dem sehr schwierigen Text Röm 7,7–25a s. im einzelnen O. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams. Römer 7,7–25a, in: Ders., Paulusstudien II (s. Anm. 13), 104–154.
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3. Die Aussagen über den Menschen als Sklaven der Sünde machen deutlich: Die Sünde bestimmt nach Paulus den Menschen in seiner ganzen Existenz, und der Sünder ist „gottlos“ nicht erst in seinem bösen Tun, sondern er ist es ganz umfassend in seinem gottfernen und gottfeindlichen Sein. Die so von der Sünde beherrschte Existenz bezeichnet Paulus an mehreren Stellen des Römer- und des Galaterbriefs mit dem Begriff σάρξ („Fleisch“).17 Dementsprechend legt er dem sündigen Menschen das Bekenntnis in den Mund: ἐγὼ […] σάρκινός εἰμι πεπραμένος ὑπὸ τὴν ἁμαρτίαν – „Ich bin fleischlich, [das heißt:] unter die Sünde verkauft“ (Röm 7,14b).18 4. Alle sittlichen Verfehlungen und alle bösen Taten sind nach Paulus Auswirkungen des ὑφ’ ἁμαρτίαν εἶναι, der Seinsverfallenheit des Menschen an die Macht der Sünde. Sie sind – wie der Apostel in Gal 5,19a formuliert – ἔργα τῆς σαρκός: Werke, die der Mensch hervorbringt, weil er in seiner ganzen Existenz von der Sünde bestimmt ist.19 Den Zusammenhang zwischen der Verfallenheit an die Sünde und dem menschlichen Tun und Verhalten bringt Paulus besonders eindringlich in Röm 1,18–32 zur Sprache: Das in V. 21a geschilderte „Nein“ der Menschen zu dem lebendigen Gott hat nach V. 21b zur Folge, daß „ihr unverständiges Herz verfinstert wurde“ (καὶ ἐσκοτίσθη ἡ ἀσύνετος αὐτῶν καρδία20). Das heißt: Weil und indem sie „Nein“ zu Gott sagten, wurden sie blind für seinen guten und zu wahrer Menschlichkeit anleitenden Willen. Von V. 22 an wird dieser Sachverhalt in drei Schritten (V. 22–24, V. 25–27 und V. 28–32) so beschrieben, daß der Abfall von dem lebendigen Gott (V. 22 f., 25 und 28a) ein Tun und Verhalten zur Folge hat, das Paulus von Inhumanität gekennzeichnet sieht (V. 24, 26 f. und 28b–32): Gott „gibt“ den Menschen, der zu ihm „Nein“ sagt, an das „dahin“, was mit innerer Notwendigkeit die bittere Folge dieses bösen „Nein“ sein muß.21 5. Weil die Sünde das „Nein“ zu Gott, der Quelle des Lebens, ist, deshalb ist ihre Folge notwendig der Tod – und zwar nicht der physische, sondern der ewig von Gott trennende Tod. Mit dem Sündenverhängnis ist somit von Adam her ganz unmittelbar das Todesverhängnis verbunden. Das bringt Paulus in Röm 5,12 zum Ausdruck, wenn er sagt, daß „durch einen Menschen die Sünde in die 17 Röm 7,5.18; 8,3–9.12 f.; 13,14; Gal 3,3; 5,13.16 f.19.24; 6,8 (vgl. Röm 6,6, wo Paulus im Blick auf die Existenz unter der Herrschaft der Sünde von dem σῶμα τῆς ἁμαρτίας spricht). Eine andere Bedeutung hat σάρξ in Gal 2,20; Phil 1,22.24 sowie bei ἐν σαρκί 2 Kor 10,3: Hier bezeichnet das Wort die irdische bzw. die irdisch-vergängliche Existenz des Menschen. 18 Die Worte πεπραμένος ὑπὸ τὴν ἁμαρτίαν explizieren das Adjektiv σάρκινος, das hier Gegenbergiff zu πνευματικός ist. 19 In Gal 5,19b–21a werden in einem Lasterkatalog exemplarisch solche „Werke des Fleisches“ aufgezählt: „Unzucht, Unsittlichkeit, Zügellosigkeit, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Wutausbrüche, selbstsüchtige Streitereien, Zwistigkeiten, Parteiungen, Neid, Trunksucht, Freßgelage und dergleichen mehr“. 20 Das καί am Anfang des Satzes V. 21b hat konsekutive Bedeutung: „und deshalb“. 21 S. das dreimalige παρέδωκεν αὐτοὺς ὁ θεός […] V. 24, V. 26 und V. 28b.
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Welt hineingekommen ist und durch die Sünde der Tod“ und daß eben damit „der Tod zu allen Menschen hingekommen ist, weil sie alle gesündigt haben“. Dem ist die knappe Feststellung von Röm 6,23a an die Seite zu stellen: „Der Sold, den die Sünde auszahlt, ist der Tod.“ Daß die Sünde den von Gott trennenden Tod zur Folge hat, das sagt Paulus mit anderen Worten auch in Röm 3,23, wenn er dort im Blick auf Juden wie Heiden bemerkt: „Alle haben gesündigt und entbehren somit der Herrlichkeit Gottes“ (πάντες […] ἥμαρτον καὶ ὑστεροῦνται τῆς δόξης τοῦ θεοῦ).22 Unter der „Herrlichkeit Gottes“ versteht Paulus hier jene „Herrlichkeit“, die der Schöpfer bei der Erschaffung des Protoplasten sowohl diesem wie auch seinen Nachkommen zugedacht hat – nämlich das ewige Leben in der ungetrübten Gemeinschaft mit ihm, dem lebendigen Gott.23 Diese „Herrlichkeit“ blieb Adam wegen seiner Sünde verwehrt,24 und von ihm her gilt für alle seine Nachkommen, daß sie um ihrer Sünde willen die δόξα nicht besitzen, sondern zugleich mit der Sünde auch dem Tod verfallen sind.25
II Im Zusammenhang mit dem, was Paulus über die Sünde sagt, ist immer auch von dem „Gesetz“, d. h. von der Tora vom Sinai die Rede. Dabei hat der Apostel dezidiert jene Gebote und Verbote der Tora vor Augen, die – wie im Dekalog (Ex 20,2–17; Dtn 5,6–21) – in grundlegender Weise das Verhältnis des Menschen zu Gott und zu dem Mitmenschen betreffen. Für das paulinische Verständnis dieses Gesetzes sind drei Aussagen von besonderem Gewicht.26 1. Paulus bezeichnet den νόμος – das „Gesetz“ vom Sinai – als „heilig“ (ἅγιος), „geistlich“ (πνευματικός), „gerecht“ (δίκαιος) und „gut“ (ἀγαθός bzw. 22 Daß sich das universale πάντες von Röm 3,23 auf Juden wie Heiden bezieht, ergibt sich aus den Worten οὐ γάρ ἐστιν διαστολή V. 22b, die auf Röm 3,9–20 zurückverweisen (s. hier besonders V. 9). Vgl. auch Röm 10,12. 23 Der Begriff ἡ δόξα τοῦ θεοῦ (= „die Herrlichkeit, die Gott schenkt“) von Röm 3,23 und 5,2 entspricht dem Begriff der ζωὴ αἰώνιος (Röm 2,7; 5,21; 6,22 f.; Gal 6,8). Die gleiche Entsprechung besteht zwischen bloßem δόξα (Röm 8,18.21; 1 Kor 2,7; 15,43; 2 Kor 4,17; Phil 3,21; 1 Thess 2,12) und bloßem ζωή (Röm 5,17 f.; 8,10; 2 Kor 2,16; 5,4). 24 Die Worte ὑστεροῦνται τῆς δόξης τοῦ θεοῦ besagen nicht, daß Adam die δόξα bereits besessen und sie dann um seiner Sünde willen verloren habe. Denn ὑστερεῖσθαί τινος heißt nicht: „etwas verlieren“ oder „etwas verloren haben“, sondern es bedeutet: „einer Sache ermangeln“, „etwas nicht haben“. S. zu Röm 3,23 des näheren: Hofius, Die Adam-Christus-Antithese und das Gesetz (s. Anm. 13), 79–81. 25 Deshalb tritt dem σῶμα τῆς ἁμαρτίας von Röm 6,6 das σῶμα τοῦ θανάτου von Röm 7,24 an die Seite. 26 Zum paulinischen Gesetzesverständnis im einzelnen verweise ich auf meine folgenden Arbeiten: O. Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 50–74; Ders., Gesetz und Evangelium nach 2. Korinther 3, ebd., 75–120; Ders., Die Adam-Christus-Antithese und das Gesetz (s. Anm. 13). S. außerdem auch unten Anm. 29.
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καλός).27 Das besagt: Das Gesetz ist Gottes Wort, in dem gültig kundgemacht wird, was Gott von dem Menschen als seinem Geschöpf fordert. Mit der Forderung ist dabei die Bestimmung verbunden, daß jeder, der den Willen Gottes tut, das ewige Leben gewinnt und jeder, der den Willen Gottes nicht tut, dem ewigen Tod verfallen ist.28 Das im Gesetz geforderte Tun ist gemeint, wenn Paulus von den ἔργα νόμου – den „Werken des Gesetzes“ – spricht.29 Unter ihnen versteht er den ganzheitlichen und umfassenden, beständigen und vollkommenen Gehorsam, der aus wahrer Gottesfurcht erwächst. Ein Mensch, der diesen Gehorsam aufzuweisen hätte, der wäre „gerecht“.30 Er stände in der intakten Beziehung zu Gott und würde deshalb des ewigen Lebens teilhaftig werden. 2. Das Gesetz ist nach Paulus dem Menschen gegeben, der von Adam her immer schon unter der Macht der Sünde steht und deshalb gänzlich unfähig ist, in vollkommener Hinwendung zu Gott seinen Geboten zu gehorchen und seinen Willen zu tun.31 Angesichts dessen stellt sich die Frage nach dem Sinn des Gesetzes.32 Die Antwort, die Paulus hier gibt, lautet: Die Aufgabe und Funktion der Tora vom Sinai besteht darin, einen jeden Menschen als „Sünder“ zu entlarven, ihn zu verklagen und ihn unter das Verdammungs- und Todesurteil Gottes zu stellen.33 Paulus spricht im Blick darauf von dem κατάκριμα – von der „Verurteilung“, die im Gesetz laut wird,34 und von der κατάρα τοῦ νόμου – von dem „Fluch“, unter den das Gesetz einen jeden Mensch stellt, der nicht beständig all das tut, was im Gesetz geboten ist.35 Die Tora vom Sinai ist also für Paulus das strenge Wort des Gerichtes Gottes über den von der Sünde beherrschten Menschen. Von daher will der theologische Fundamentalsatz verstanden sein, den der Apostel in Röm 3,20 formuliert: „Aufgrund von Werken des Gesetzes wird 27 Vom νόμος: ἅγιος Röm 7,12a, πνευματικός Röm 7,14a, καλός Röm 7,16. Wenn in Röm 7,12b die ἐντολή – d. h. das in Röm 7,7–13 thematische Paradiesgebot Gen 2,16b.17 – als δικαία und ἀγαθή gekennzeichnet wird, dann gelten diese Prädikate ebenfalls von der Sinai-Tora, die Paulus hinsichtlich ihrer Quintessenz durch das Paradiesgebot repräsentiert sieht. Zum Verhältnis von Paradiesgebot und Tora s. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams (s. Anm. 16), 115–118. 28 Zu der positiven Bestimmung s. Röm 10,5 und Gal 3,12b (Zitat von Lev 18,5), zu der negativen Bestimmung Gal 3,10b (Zitat von Dtn 27,26a). S. außerdem auch Röm 2,13. 29 Röm 3,20.28; Gal 2,16a.b.c; 3,2.5.10. Im Römerbrief begegnet daneben auch die Kurzform ἔργα: Röm 4,2.6; 9,12.32; 11,6. Zu dem in der Exegese lebhaft umstrittenen Begriff der ἔργα νόμου s. im einzelnen: O. Hofius, „Werke des Gesetzes“. Untersuchungen zu der paulinischen Rede von den ἔργα νόμου, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 49–88; Ders., „Werke des Gesetzes“ – Zwei Nachträge, ebd., 89–94. 30 Röm 2,13. 31 S. dazu insbesondere Röm 8,7. 32 Paulus selbst stellt diese Frage in Gal 3,19a: Τί οὖν ὁ νόμος; – „Was soll nun das Gesetz?“ 33 S. dazu im einzelnen: Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi (s. Anm. 26), 56–63. 34 Röm 5,16.18, 8,1. Vgl. auch 2 Kor 3,4–9: Der Dienst des Gesetzes ist „Dienst der Verurteilung“ (ἡ διακονία τῆς κατακρίσεως V. 9a), d. h. ein Dienst, der das Todesurteil proklamiert (vgl. V. 7). 35 Gal 3,10.13.
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kein Fleisch (d. h. kein Mensch) vor Gott gerechtgesprochen werden;36 durch das Gesetz [kommt] nämlich [nur] Erkenntnis der Sünde“ (ἐξ ἔργων νόμου οὐ δικαιωθήσεται πᾶσα σὰρξ ἐνώπιον αὐτοῦ, διὰ γὰρ νόμου ἐπίγνωσις ἁμαρτίας). Der erste Teil dieses Satzes besagt: Weil der von Adam herkommende Mensch den im Gesetz geforderten Gehorsam nicht aufzuweisen vermag, deshalb kann und wird niemand durch das Tun dessen, was die Tora gebietet, die δικαιοσύνη – die intakte Beziehung zu Gott – erlangen. Wenn Paulus dann im zweiten Teil des Satzes erklärt, daß es durch den νόμος nur zur ἐπίγνωσις ἁμαρτίας kommt, dann ist damit nicht gemeint, daß der Mensch in der Begegnung mit der Tora seine Sünde erkennen und aufgrund solcher Erkenntnis den Weg der Umkehr finden kann.37 Der Apostel spricht vielmehr von einem objektiven Offenbarungsgeschehen: Im Licht des heiligen Gesetzes Gottes kommt beides an den Tag: die Größe und Macht der Sünde wie auch die Verlorenheit der ganzen Menschheit, die unter der Herrschaft der Sünde steht. 3. Es entspricht der soeben beschriebenen Sicht des Apostels, wenn er urteilt, daß die Tora vom Sinai dem vor Gott verlorenen Menschen kein Heil zu eröffnen vermag.38 Der νόμος müßte die Sünde und den Tod überwinden und den dem Tod verfallenen Sündern eine neue Existenz schenken können, wenn die δικαιοσύνη und damit die Rettung „aus dem Gesetz“ kommen sollte.39 Ein Weg zum Leben aber ist die Tora nach Paulus nicht.40 Deshalb spricht er in Röm 8,3a 36 Vgl.
besonders Gal 2,16 und außerdem auch Gal 3,11. Wollte man die Worte διὰ […] νόμου ἐπίγνωσις ἁμαρτίας so verstehen, dann wäre nicht ernst genommen, was Paulus über die Seinsverfallenheit des Sünders an die Sünde sagt. Diese Seinsverfallenheit, die die Tora nicht aufzuheben vermag (Gal 3,21b), zeigt sich gerade auch darin, daß der Sünder in der Begegnung mit dem Gesetz unfähig ist, seine Sünde zu erkennen und sich in wahrer Umkehr Gott zuzuwenden. 38 Paulus hat diese Erkenntnis allererst im Licht der anderen Erkenntnis gewonnen, daß das Heil eines jeden Menschen einzig und allein in dem gekreuzigten und auferstandenen Christus beschlossen liegt. Damit steht der Apostel in einem fundamentalen Gegensatz zum Tora-Verständnis des Judentums seiner Zeit, demzufolge die Tora vom Sinai dem sündigen Menschen die Möglichkeit der Rettung, d. h. den Weg zum Leben eröffnet. S. dazu Sir 17,11; 45,5; Bar 3,9; 4,1; PsSal 14,2; 4 Esr 14,30; syrBar 38,2; Rabbinisches bei P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch III, München 1926 = ²1954, 129–131.237.277 f. 39 Gal 3,21b: „[Nur] wenn ein Gesetz gegeben worden wäre, das Leben geben könnte, käme das heilvolle Gottesverhältnis tatsächlich aus dem Gesetz“ (εἰ […] ἐδόθη νόμος ὁ δυνάμενος ζῳοποιῆσαι, ὄντως ἐκ νόμου ἂν ἦν ἡ δικαιοσύνη). Vgl. auch Gal 2,21b: „Wenn durch das Gesetz das heilvolle Gottesverhältnis erlangt werden kann, dann ist Christus ohne Grund gestorben (d. h.: dann war sein Tod nicht notwendig)“ (εἰ […] διὰ νόμου δικαιοσύνη, ἄρα Χριστὸς δωρεὰν ἀπέθανεν). 40 Gegen dieses Urteil sprechen keineswegs die Worte ἡ ἐντολὴ ἡ εἰς ζωήν von Röm 7,10b. Die Verse Röm 7,7–13 bringen in der Gestalt eines Selbstbekenntnisses das zur Sprache, was in der Sündenfallgeschichte von Gen 2 f. über Adam berichtet wird. Die angeführten Worte beziehen sich dabei auf das Paradiesgebot Gen 2,16b.17 (vgl. 3,3) und bedeuten mithin: „das Gebot, das zur Bewahrung des von Gott geschenkten Lebens dienen sollte“. Der Sinn ist dagegen nicht: „das Gebot, das für den Fall der Befolgung das Leben verhieß“. Zur genaueren Begründung s. Hofius, Der Mensch im Schatten Adams (s. Anm. 16), 122–135. 37
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im Blick auf die Frage nach dem Heil von dem „Unvermögen“ des Gesetzes (τὸ ἀδύνατον τοῦ νόμου): Das Gesetz vermochte dem sündigen Menschen nicht zu helfen, „weil es sich angesichts der von der Sünde beherrschten Existenz als kraftlos erwies“ (ἐν ᾧ ἠσθένει διὰ τῆς σαρκός).41
III Was das Gesetz nicht vermag, das wirkt dem Zeugnis des Paulus zufolge die „Gnade“ Gottes. Zu diesem grundlegenden Begriff der paulinischen Soteriologie notiere ich – wie zum Begriff der „Sünde“ – fünf Bestimmungen. 1. Das Wort „Gnade“ (χάρις) meint in den soteriologischen Aussagen des Paulus nicht nur Gottes gnädige Gesinnung, sondern seine rettende Zuwendung zu dem vor ihm verlorenen sündigen Menschen.42 Die χάρις ist das göttliche „Ja“, das das böse „Nein“ des Sünders überwindet. Die Rede von der χάρις macht dabei deutlich, daß dieses „Ja“ einzig und allein in Gottes Liebe und Barmherzigkeit begründet ist und daß der Mensch es nicht verdient hat und auch nie je verdienen kann. 2. Die rettende Zuwendung Gottes zu dem sündigen Menschen ist sein Heilshandeln in Jesus Christus. Sie ist mithin als die Gnade Gottes zugleich „die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“.43 Wie die Sünde, so betrifft auch die Gnade in universaler Weite alle Menschen.44 Deshalb führt Paulus in Röm 3,23 f. die für Juden und Heiden geltende Aussage, daß „alle gesündigt haben und somit der Herrlichkeit Gottes entbehren“ (πάντες ἥμαρτον καὶ ὑστεροῦνται τῆς δόξης τοῦ θεοῦ [V. 23]), durch die folgenden Worte weiter (V. 24): „und sie empfangen die heilvolle Beziehung zu Gott als unverdientes Geschenk durch seine Gnade kraft der Erlösung, die in Christus Jesus geschehen ist“ (δικαιούμενοι δωρεὰν τῇ αὐτοῦ χάριτι διὰ τῆς ἀπολυτρώσεως τῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ45). Die rettende Tat Gottes, von der Paulus hier spricht, ist das Geschehen des Todes und der Auferstehung Jesu Christi, des menschgewordenen Sohnes Gottes. In diesem Geschehen ist die Sünden- und Todeswirklichkeit, die von Adam her alle Menschen 41 Die Wendung ἐν ᾧ hat hier – wie in Hebr 2,18; 6,17 – die Bedeutung „weil“, und σάρξ bezeichnet nicht menschliche Schwachheit, sondern wie an den anderen in Anm. 17 notierten Stellen die von der Sünde bestimmte menschliche Existenz. 42 Röm 3,24; 4,16; 5,2.15.17.20 f.; 6,1.14 f.; 11,5 f.; 2 Kor 6,1; Gal 2,21; 5,4. 43 2 Kor 8,9: „Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Obwohl er reich war, ist er um euretwillen arm geworden, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (γινώσκετε […] τὴν χάριν τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὅτι δι’ ὑμᾶς ἐπτώχευσεν πλούσιος ὤν, ἵνα ὑμεῖς τῇ ἐκείνου πτωχείᾳ πλουτήσητε). Zur Gnade Christi s. außerdem auch Röm 5,15. 44 S. dazu außer den sogleich zitierten Versen Röm 3,23 f. vor allem auch den Abschnitt Röm 5,12–21 (V. 15.17.20 f.). 45 Das Partizip δικαιούμενοι steht in Röm 3,24 für καὶ δικαιοῦνται. Paulus wählt des öfteren anstelle eines Verbum finitum ein Partizip; s. dazu Röm 6,6; 2 Kor 4,2.8–10; 5,12.19c; 6,3 f.; 7,5; 8,19; 9,11.13; 10,4–6; 11,6.
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zeichnet, überwunden und aufgehoben worden – und zwar dadurch, daß der Sohn Gottes im Gehorsam gegen den Willen seines Vaters das κατάκριμα und die κατάρα des Gesetzes auf sich selbst genommen hat.46 In Christi Tod und Auferstehung haben so die „Sünder“ den Freispruch zum Leben empfangen, sind die „Feinde“ mit Gott versöhnt und die „Gottlosen“ und „Ungerechten“ in den Stand der heilvollen Gottesbeziehung versetzt worden.47 An der gewichtigen Stelle 2 Kor 5,21 beschreibt Paulus dieses Geschehen mit den folgenden Worten:48 Gott „hat den, der die Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir die δικαιοσύνη θεοῦ würden in ihm“ (τὸν μὴ γνόντα ἁμαρτίαν ὑπὲρ ἡμῶν ἁμαρτίαν ἐποίησεν, ἵνα ἡμεῖς γενώμεθα δικαιοσύνη θεοῦ ἐν αὐτῷ). Wenn hier von Christus als dem menschgewordenen Sohn Gottes gesagt wird, daß er „die Sünde nicht kannte“, dann heißt das: er hatte mit der Sünde nichts zu tun, sie war ihm ganz und gar fremd.49 Diese Aussage hat nicht bloß das konkrete Tun und Verhalten Jesu Christi im Blick, sondern sie bezieht sich in umfassender Weise auf seine ganze menschliche Existenz. In dieser seiner Existenz war er ohne Sünde, war er der Macht der Sünde nicht verfallen. Die Sünde ist ja, wie wir gesehen haben, das böse „Nein“ zu Gott, das einen jeden von Adam herkommenden Menschen in seinem Sein zeichnet. Christus dagegen ist aufgrund seines göttlichen Ursprungs und Wesens der eine und einzige Mensch, dessen menschliche Existenz ihre Signatur in dem vollkommenen und beständigen „Ja“ zu seinem himmlischen Vater hat.50 Er ist auch als der Menschgewordene in seinem Sein der sündlose Sohn Gottes.51 Einzig deshalb kann gelten und 46 Zum κατάκριμα s. neben Röm 5,16b.18 vor allem Röm 8,1–4 (und dazu auch unten Anm. 51), zur κατάρα Gal 3,13 f.; 4,4 f. 47 S. dazu insbesondere Röm 5,6–11 und 2 Kor 5,14–21 sowie zur Sache O. Hofius, Sühne und Versöhnung. Zum paulinischen Verständnis des Kreuzestodes Jesu, in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 26), 33–49. 48 Ich übersetze den Satz 2 Kor 5,21 zunächst so wörtlich wie möglich. Zu der dann folgenden Auslegung vgl. Hofius, ebd., 45–47. 49 Zu ἁμαρτίαν γινώσκειν = „mit der Sünde und ihrer Macht zu tun haben“ vgl. Röm 7,7, wo τὴν ἁμαρτίαν γνῶναι die Bedeutung „mit der Sünde und ihrer Macht zu tun bekommen“ hat. 50 Daß Christus, wenn er in dieser Weise als sündlos angesehen wird, kein wahrer und wirklicher Mensch gewesen sei, ist kein zwingender Schluß. Er wäre es nur unter der Voraussetzung, daß die Sünde zur geschöpflichen Struktur des Menschen gehört. Genau das aber ist nicht der Fall! Der Mensch, wie er geschichtlich als Sünder existiert, ist der Mensch im Widerspruch zu dem Menschen, wie er von Gott, seinem Schöpfer, herkommt und nach seinem Willen sein soll. 51 Vgl. dazu Röm 8,3b, wo Paulus im Zusammenhang der Verse 8,1–4 formuliert: ὁ θεὸς τὸν ἑαυτοῦ υἱὸν πέμψας ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας καὶ περὶ ἁμαρτίας κατέκρινεν τὴν ἁμαρτίαν ἐν τῇ σαρκί. Nach meinem Urteil ist der schwierige Satz folgendermaßen zu verstehen: „Gott sandte seinen eigenen Sohn in der Gleichheit der von der Sünde gezeichneten menschlichen Existenz – und zwar um der Überwindung der Sünde willen, und er sprach das Gerichtsurteil über die Sünde in der Sündenexistenz (d. h. in der Existenz, die in dem für alle Menschen erlittenen Tod ganz und gar die Sache des Sohnes Gottes wurde).“ Wie in Röm 5,14 und in Röm 6,5, so wird auch hier durch das Wort ὁμοίωμα eine Identität bei gleichzeitiger Nichtidentität zum Ausdruck gebracht: Christus ist in der Inkarnation ein wahrer und wirklicher Mensch und darin den von Adam herkommenden Menschen gleich geworden, aber er bleibt auch als der
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gilt, was sodann in 2 Kor 5,21 über Christus bzw. über das Christusgeschehen gesagt wird. Der sprachlich wie gedanklich überaus dichte Satz, der fest im Kontext der Verse 2 Kor 5,14–21 verankert ist, setzt eine für die Soteriologie des Paulus fundamentale Erkenntnis voraus. Es ist dies die Erkenntnis, daß die Menschen, zu deren Heil Christus gestorben und auferstanden ist, von Anfang an in das Geschehen seines Todes und seiner Auferstehung einbezogen sind.52 Wenn Paulus in V. 21a sagt, daß Gott den sündlosen Christus „für uns zur Sünde gemacht“ hat, so heißt das: Er hat ihn mit der ganzen von der Sünde gezeichneten Menschheit identifiziert,53 und aufgrund dieser Identifikation hat sich in seinem Tod das Todesgericht ereignet, dem rechtens alle Menschen verfallen sind.54 Das Ziel und die Folge faßt Paulus dann in V. 21b in die Worte: „damit wir die δικαιοσύνη θεοῦ würden in ihm“ (ἵνα ἡμεῖς γενώμεθα δικαιοσύνη θεοῦ ἐν αὐτῷ). Das besagt: Diejenigen, für die das „für uns“ von V. 21a gilt, sind aufgrund der am Kreuz vollzogenen Identifikation nicht nur mit dem gekreuzigten, sondern in gleicher Weise auch mit dem auferstandenen Christus verbunden.55 In der Zugehörigkeit zu ihm (ἐν αὐτῷ!) werden und sind sie, was sie zuvor weder waren noch sein konnten: Menschen, die in ihrer Existenz von der δικαιοσύνη θεοῦ – von der heilvollen Beziehung zu dem lebendigen Gott – bestimmt sind. Wenn es dabei in einer recht ungewöhnlichen Formulierung heißt, daß sie „die δικαιοσύνη θεοῦ werden“, dann sind sie ganz unmittelbar mit eben jener Größe benannt, die sie als die zu Christus Gehörenden in ihrem Sein qualifiziert. In eindrücklicher Weise bringt so der Satz 2 Kor 5,21 das Geschehen des Todes und der Auferstehung Jesu Christi als die Heilstat Gottes zur Sprache, die allein in seiner freien Gnade begründet ist. Den Versen 2 Kor 5,18–21 zufolge ist mit dieser Heilstat unlöslich das Heilswort Gottes verbunden, das seine Heilstat kundgibt Menschgewordene der wesenhafte Sohn Gottes, der nicht der Macht der Sünde verfallen und nicht von der Sünde gezeichnet ist. Als dieser vermochte er in seinem Tod das κατάκριμα, das die Tora über die von der Sünde beherrschte Existenz ausspricht, auf sich selbst zu nehmen und die Sünder von ihm zu befreien (s. V. 1). – Die Worte Röm 8,3b.4 berühren sich nach Struktur und Aussage eng mit 2 Kor 5,21 wie auch mit Gal 4,4b.5, wo die Kennzeichnung Christi als γενόμενος ὑπὸ νόμον V. 4b dem γενόμενος κατάρα von Gal 3,13a entspricht. 52 S. dazu Röm 6,1–11; 7,4.6; Gal 2,19 f. und insbesondere 2 Kor 5,14b.15. In 2 Kor 5,14b.15 und dann auch in 2 Kor 5,21a hat ὑπέρ mit Genitiv der Person die Bedeutung „jemandem zugut“, „zu jemandes Heil“. Gleiches gilt für Röm 5,6.8; 8,32; 14,15; 1 Kor 1,13; 11,24; Gal 2,20; 3,13; 1 Thess 5,10. 53 Zu dem universalen Aspekt s. in 2 Kor 5,19 die Rede von dem κόσμος, d. h. der Menschenwelt, und zuvor bereits in 2 Kor 5,14b.15 das betonte dreimalige πάντες („alle“). 54 Vgl. dazu bereits die Aussage von 2 Kor 5,14b: „Einer ist für alle gestorben; folglich sind (sc. in seinem Tod) sie alle gestorben“ (εἷς ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν, ἄρα οἱ πάντες ἀπέθανον). 55 Für das angemessene Verständnis der Verse 2 Kor 5,14–21 insgesamt wie auch des V. 21 ist von Gewicht, daß Christus in V. 15b ausdrücklich als der bezeichnet wird, der für alle „gestorben und auferstanden“ ist (ὁ ὑπὲρ αὐτῶν [= πάντων V. 15a] ἀποθανὼν καὶ ἐγερθείς). Zu der unlöslichen Zusammengehörigkeit von Tod und Auferstehung Christi s. ferner auch Röm 4,25; 5,10; 6,4 f.9 f.; 8,34; 14,9; 1 Kor 15,3b.4; Gal 1,1–5; 1 Thess 4,14; 5,10.
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und erschließt56. Dieses Heilswort ist das Evangelium, auf dessen Inhalt Paulus mit dem Ausdruck „das Evangelium von Christus“ (τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ) hinweist57 und das in Apg 20,24 – durchaus im Sinne des paulinischen Verständnisses – als „das Evangelium von der Gnade Gottes“ (τὸ εὐαγγέλιον τῆς χάριτος τοῦ θεοῦ) bezeichnet wird. Durch das in der Verkündigung ausgerichtete Evangelium macht Gott selbst unter den Menschen das Heil bekannt, das in Christi Tod und Auferstehung geschaffen ist; und er gibt Menschen dieses sein Heil zu eigen, indem das Evangelium den Glauben wirkt, der das Heil ergreift.58 3. In dem, was durch die Gnade mit dem sündigen Menschen geschieht, erblickt Paulus ein Wunder der Neuschöpfung. Der mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus verbundene und durch ihn mit Gott versöhnte Mensch ist – wie der Apostel formuliert – „in Christus“ (ἐν Χριστῷ),59 und das bedeutet: Er gehört Christus als seinem Herrn und steht unter seiner guten Herrschaft.60 Von dem Menschen ἐν Χριστῷ aber gilt: εἴ τις ἐν Χριστῷ, καινὴ κτίσις· τὰ ἀρχαῖα παρῆλθεν, ἰδοὺ γέγονεν καινά – „Wenn jemand in Christus ist, so ist er ein neues Geschöpf; das Alte ist vergangen, siehe: Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17). Das „Alte“, das vergangen ist, ist die Sklaven-Existenz unter der Macht der Sünde, die als solche eine Existenz „unter dem Gesetz“ (ὑπὸ νόμον) – d. h. unter dem Todesurteil der Tora – war. An seine Stelle ist als das „Neue“ die Existenz „unter der Gnade“ (ὑπὸ χάριν) getreten, deren Signatur die Freiheit ist, die Christus den Glaubenden geschenkt hat.61 Wo zuvor die Sünde geherrscht hat, da herrscht jetzt die Gnade,62 und wo zuvor die Sünde wohnte, da wohnt jetzt Christus bzw. der Heilige Geist als der Geist Christi.63 In Gal 2,19–21 beschreibt Paulus das mit sehr persönlichen Worten. Er spricht hier von dem neuen Leben, das ihm nicht durch das Gesetz, sondern allein durch die Gnade Gottes ge56 Wie insbesondere durch 2 Kor 5,18–21 belegt wird, begreift Paulus das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus als den differenzierten Zusammenhang von Heilstat und Heilswort. S. dazu O. Hofius, „Gott hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung“ (2 Kor 5,19), in: Ders., Paulusstudien (s. Anm. 26), 15–32; Ders., Wort Gottes und Glaube bei Paulus, ebd., 148–174: 148–150. 57 Röm 15,19; 1 Kor 9,12; 2 Kor 2,12; 9,13; 10,14; Gal 1,7; Phil 1,27; 1 Thess 3,2. S. außerdem auch Röm 1,9 („das Evangelium von dem Sohn Gottes“) und 2 Kor 4,4 („das Evangelium von der Herrlichkeit Christi, der das Bild Gottes ist“). 58 Zum paulinischen Verständnis des Evangeliums und der apostolischen Verkündigung s. ausführlich: O. Hofius, „Die Wahrheit des Evangeliums“, in: Ders., Paulusstudien II (s. Anm. 13), 17–37; niederländische Fassung: „De waarheid van het evangelie“. Exegetische en theologische overwegingen bij de waarheidsclaim van de paulinische prediking, ThRef 45 (2002) 198–218. 59 Röm 8,1; 1 Kor 1,30; 2 Kor 5,17. 60 Vgl. dazu auch Röm 7,4; 8,9; 14,7–9; 1 Kor 3,23. 61 Das Gegenüber von ὑπὸ νόμον und ὑπὸ χάριν betont Paulus in Röm 6,14b (vgl. V. 15). S. dazu auch die ausdrückliche Antithese von ἁμαρτία und χάρις in Röm 5,20 f.; 6,1 (auch παράπτωμα und χάρις in 5,15 und 5,17). 62 Röm 5,21. 63 Röm 8,9–11. Zum einstigen „Wohnen“ der Sünde s. Röm 7,17.20.
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schenkt worden ist (V. 19a.21), und er sagt dazu (V. 19b.20): „Ich bin mit Christus gekreuzigt. So lebe also nicht mehr ich (sc. der alte Mensch), sondern es lebt in mir Christus. Das irdische Leben aber, das ich jetzt noch führe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich in den Tod dahingegeben hat“ (Χριστῷ συνεσταύρωμαι· ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ, ζῇ δὲ ἐν ἐμοὶ Χριστός· ὃ δὲ νῦν ζῶ ἐν σαρκί, ἐν πίστει ζῶ τῇ τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ τοῦ ἀγαπήσαντός με καὶ παραδόντος ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐμοῦ).64 4. Daß der an Christus glaubende Mensch ein „neues Geschöpf“ (καινὴ κτίσις) ist, das zeigt sich nach Paulus in einem neuen Leben, das nicht mehr von der Sünde und von der σάρξ, sondern von der Gnade und von dem Geist Gottes bestimmt wird.65 Dieses neue Leben ist Leben „für Gott“ und „für Christus“.66 Sein entscheidendes Kennzeichen ist die Liebe, die der durch das Evangelium gewirkte Glaube notwendig bei sich hat; denn der Glaube an Christus ist πίστις δι’ ἀγάπης ἐνεργουμένη – „Glaube, der als solcher durch Liebe tätig ist“ (Gal 5,6). Daß der an Christus glaubende Mensch die Liebe nicht aus eigener Kraft hervorbringt, das macht Paulus deutlich, wenn er sie als „Frucht des Geistes“ (καρπὸς τοῦ πνεύματος) bezeichnet (Gal 5,22).67 Fragen wir nach dem Maßstab, an dem sich das neue, unter der Leitung des Heiligen Geistes stehende Leben orientiert, so ist zu sagen: Dieser Maßstab ist für Paulus das „Gesetz Christi“ (Gal 6,2), d. h. der Herrschaftsanspruch des gekreuzigten und auferstandenen Herrn.68 In der Freiheit, die ihnen durch die Gnade Gottes geschenkt ist, prüfen und entscheiden die Glaubenden, was in einer konkreten Situation das vor dem Gekreuzigten zu verantwortende und eben damit auch gebotene Tun und Verhalten ist.
64 Eine vergleichbare Aussage über alle Christen findet sich in Röm 6,1–11; s. insbesondere V. 6 f. 65 S. dazu besonders Röm 6,1–7,6; 8,1–17; Gal 5,13–6,10. Wie Paulus in diesen Abschnitten deutlich macht, ist mit dem Geist Gottes und der von ihm bestimmten neuen Existenz die σάρξ – die unter der Macht der Sünde stehende und gegen Gott gerichtete Existenz – schlechterdings unvereinbar. Daß die alte Sündenexistenz den Glaubenden immer noch als Versuchung entgegentritt, weiß der Apostel sehr wohl. Er betont jedoch, daß sie dieser Versuchung keineswegs erliegen müssen, sondern ihr in der Kraft des Geistes Gottes zu widerstehen vermögen (Röm 8,12 f.; Gal 5,16). 66 Für Gott: Röm 6,11; Gal 2,19a. Für Christus: Röm 14,8; 2 Kor 5,15. 67 Die Liebe steht nicht zufällig am Anfang der Liste von Gal 5,22.23a: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue (πίστις), Sanftmut, Selbstbeherrschung.“ Das Wort πίστις hat in dieser Liste die gleiche Bedeutung wie in Röm 3,3. 68 Zum „Gesetz Christi“ s. des näheren Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi (s. Anm. 26), 70–72 (auch 66–69). – An dieser Stelle sei eine exegetische Anmerkung zu 1 Kor 7,19 angefügt: Der Satz ist formal wie inhaltlich eine Parallele zu Gal 5,6 und Gal 6,15. Deshalb meint die Wendung τήρησις ἐντολῶν θεοῦ („das Halten der Gebote Gottes“) nicht einfach die Befolgung aller Gebote der Sinai-Tora. Was Gottes Gebote sind, das entscheidet sich für Paulus vielmehr an dem Liebesgebot, das im Licht der Liebe Christi auszulegen ist und mit dessen Befolgung de facto erfüllt wird, was die Tora im Blick auf das Verhältnis zum Nächsten als den Willen Gottes bezeugt (Röm 13,8–10; Gal 5,13 f.).
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5. Die Herrschaft Jesu Christi ist die Herrschaft der Gnade. Nach Röm 5,21 übt die Gnade ihre Herrschaft in der Weise aus, daß diejenigen, die zuvor unter der Herrschaft der Sünde heillos dem von Gott trennenden Tod verfallen waren, nunmehr in der ihnen geschenkten heilvollen Gottesbeziehung bewahrt bleiben, die das ewige Leben zur Folge hat. Paulus unterstreicht diese Aussage noch einmal nachdrücklich in Röm 6,23, indem er der Sünde die Gnade gegenüberstellt: „Der Sold, den die Sünde auszahlt, ist der Tod. Das Geschenk aber der Gnade Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“
Das kirchliche Amt der Verkündigung bei Paulus und in den Deuteropaulinen Die folgenden Überlegungen sind der Frage gewidmet, was sich den authentischen Paulusbriefen einerseits und den Deuteropaulinen andererseits über ein kirchliches Amt der Verkündigung entnehmen läßt.1 Verkündigung meint dabei dezidiert die Predigt des Evangeliums als des Glauben wirkenden Wortes Gottes, in dem zur Sprache kommt, was Gott selbst den zu Aposteln berufenen Zeugen über die Person und das Werk seines Sohnes Jesus Christus geoffenbart hat.2 Von einem Amt der Verkündigung soll da gesprochen werden, wo die Predigt des Evangeliums als ein bestimmten Personen übertragener und von ihnen kontinuierlich wahrgenommener Dienst verstanden ist. Die Rede von einem kirchlichen Amt schließlich hebt auf den elementaren Unterschied zu dem Amt der einmaligen und einzigartigen Apostel Jesu Christi ab, die als die grundlegenden Christuszeugen in das Geschehen der Offenbarung Gottes in Jesus Christus mit hineingehören und deshalb keine kirchliche Instanz, sondern der Kirche als verbindliche Autorität vorgegeben sind.3 Träger eines kirchlichen Amtes sind zum einen die in einem größeren geographischen Bereich wirkenden urchristlichen Missionare4 und zum andern diejenigen, die in einer konkreten Gemeinde den Dienst der Verkündigung wahrnehmen. Ausschließlich um das Amt der Letztgenannten geht es im Folgenden.
1 Den Gegenstand der Betrachtung bilden damit Texte, die in der Exegese sehr unterschiedliche und zum Teil auch recht kontroverse Deutungen erfahren. Diese Deutungen im einzelnen darzustellen und in eine explizite Auseinandersetzung mit ihnen einzutreten, würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen. Die Literaturhinweise beschränken sich deshalb vor allem auf solche Beiträge, denen ich wichtige Einsichten verdanke, sowie auf eigene Arbeiten, in denen bestimmte Urteile eine nähere Begründung finden. – Für hilfreiche Gespräche danke ich meinem Freund Gert Jeremias. 2 S. dazu sowie zur präzisen Bestimmung des Verhältnisses von Evangelium und Verkündigung: O. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 148–174: 150–154; Ders., „Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17, in: J. von Lüpke / E. Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus. FS Oswald Bayer, Tübingen 2009, 71–86: 75–83 (in dem vorliegenden Band: 105–120: 108–117). 3 S. dazu im einzelnen O. Hofius, Die Einzigartigkeit der Apostel Jesu Christi, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008,189–202. 4 Dazu gehören die unmittelbaren Mitarbeiter des Paulus (s. z. B. 1 Kor 4,17; 9,6.14; 2 Kor 1,19; 8,18; Phil 2,19–22), aber auch andere umherziehende Missionare wie etwa Apollos (1 Kor 3,5; 4,1). In den Deuteropaulinen s. Kol 1,7 und dazu die tiefgründige Auslegung bei E. Lohse, Die Briefe an die Kolosser und an Philemon (KEK 9/2), Göttingen ¹(¹⁴)1968, 53 f.
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I Der früheste Zeuge für ein kirchliches Amt der Verkündigung in dem soeben beschriebenen Sinn ist der Erste Korintherbrief. Beachtung verdient hier zunächst der Abschnitt 1 Kor 3,10–17, der fest im Kontext des umfangreichen Textkomplexes 1 Kor 1,10–4,21 verankert ist und in diesem Kontext bedacht sein will. Paulus setzt sich von 1 Kor 1,10 an mit Streitigkeiten in der korinthischen Gemeinde auseinander, die in gewissen religiösen Vorstellungen und Erwartungen begründet sind.5 Die an dem Streit beteiligten Korinther streben nach heilbringender „Weisheit“, und sie haben offenbar in Jesus Christus den göttlichen Vermittler sowie – bei durchaus unterschiedlicher Wertschätzung – in Paulus, Apollos und Petrus die entscheidenden Verkündiger und Lehrer solcher Weisheit gesehen. Was sie von einem respektablen Verkündiger und Lehrer erwarten, ist „Weisheitsrede“, d. h. eine Rede, die ihnen die als heilsrelevant erachtete Erkenntnis göttlicher Geheimnisse vermittelt.6 Demgegenüber weist Paulus mit großem Nachdruck darauf hin, daß in der christlichen Gemeinde die Verkündigung prinzipiell nichts anderes sein kann als eine Rede, die das Kreuz Jesu Christi zum Inhalt hat (ὁ λόγος ὁ τοῦ σταυροῦ 1 Kor 1,18), – und zwar deshalb, weil das Heil eines jeden Menschen ausschließlich in dem gekreuzigten Christus beschlossen liegt. Dementsprechend betont der Apostel in 1 Kor 2,1 f., daß er bei seinem ersten missionarischen Wirken in Korinth nichts anderes verkündigt hat als den Χριστὸς ἐσταυρωμένος (vgl. 1,23). An sein erstes Wirken in Korinth erinnert Paulus erneut in 1 Kor 3,10. In 3,9 hat er die Gemeinde als „Gottes Bauwerk“ bezeichnet, was in 3,16 f. dahingehend präzisiert wird, daß sie „der Tempel Gottes“ ist. Unter Aufnahme des Bildes vom „Bauwerk“ erklärt der Apostel in V. 10: „Entsprechend der Gnade Gottes, die mir verliehen wurde, habe ich als ein kundiger Baumeister das Fundament gelegt (θεμέλιον ἔθηκα). Andere aber bauen darauf auf (ἄλλος δὲ ἐποικοδομεῖ).7 Jeder aber sehe zu, wie er darauf aufbaut!“ Das Fundament der korinthischen Gemeinde hat Paulus gelegt, indem er das Evangelium und damit den gekreuzigten Christus verkündigte (V. 10a). Wie sich das θεμέλιον τιθέναι auf die Verkündigung des Evangeliums bezieht, so auch das ἐποικοδομεῖν von V. 10b.8 Daraus folgt, daß Paulus von Personen spricht, die in der Gemeinde als 5 Zu den exegetischen Einzelfragen s. H.-Chr. Kammler, Kreuz und Weisheit. Eine exegetische Untersuchung zu 1 Kor 1,10–3,4 (WUNT 159), Tübingen 2003. 6 Das ergibt sich aus 1 Kor 1,17b; s. Kammler, ebd., 28–36. 7 An unserer Stelle ist ἄλλος (wie ἕτερος Röm 2,21) ein genereller Singular, der im Deutschen am besten durch den Plural wiedergegeben wird. Mit ἄλλος beginnt ein neuer Satz (= V. 10bα), weshalb im griechischen Text hinter ἔθηκα zumindest ein Kolon stehen sollte. 8 Das Verbum ἐποικοδομεῖν, das dann in den Versen 12 und 14 erneut begegnet, heißt: „aufbauen“, „darauf / darüber bauen“. Wird in 1 Kor 3,10.12.14 mit „weiterbauen“ übersetzt, so ist das zumindest mißverständlich. Denn das von Paulus gewählte Bild ist nicht das eines im Bau befindlichen und ständig wachsenden Gebäudes, bei dessen Errichtung einer das Werk des
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Verkündiger wirken. Wenn er von diesen sagt, daß sie auf dem von ihm gelegten Fundament „aufbauen“, so heißt das: Sie halten in ihrer Verkündigung an dem von ihm selbst gepredigten Evangelium fest. Einem jeden, der so „aufbaut“, gilt die Mahnung, daß er zusehen möge, wie er den Dienst der Verkündigung ausübt (V. 10bβ). Ehe Paulus diese Mahnung näher entfaltet, formuliert er in V. 11 einen theologisch gewichtigen Begründungssatz: θεμέλιον γὰρ ἄλλον οὐδεὶς δύναται θεῖναι παρὰ τὸν κείμενον, ὅς ἐστιν Ἰησοῦς Χριστός – „Denn ein anderes Fundament kann niemand legen als das, das gelegt ist: Jesus Christus.“ Die gängige Deutung dieses Satzes erblickt in Paulus das logische Subjekt zu dem Partizip κείμενον. V. 11 begründet dann das in V. 10b Gesagte bzw. die Wahl des Wortes ἐποικοδομεῖν: Das Fundament, das Paulus gelegt hat, kann keiner der nach ihm kommenden Verkündiger durch ein anderes Fundament ersetzen, sondern ein jeder von ihnen kann grundsätzlich nur auf diesem Fundament „aufbauen“. Daß diese Deutung sprachlich unanfechtbar ist und einen guten Sinn ergibt, steht außer Frage. Gleichwohl halte ich eine andere Interpretation des V. 11 für entschieden wahrscheinlicher. Diese geht davon aus, daß Gott das logische Subjekt von κείμενον, das Partizip also passivum divinum ist.9 Dann begründet V. 11 den V. 10 insgesamt: Ein anderes Fundament als jenes, das Paulus mit der Verkündigung des gekreuzigten Christus in Korinth gelegt hat, kann prinzipiell niemand und konnte also auch der Apostel nicht legen10 – und zwar deshalb nicht, weil dieses das von Gott selbst gelegte und mithin ausnahmslos allen Verkündigern vorgegebene Fundament ist. Gott hat es gelegt mit der Heilstat des Christusgeschehens und ihrer Offenbarung im Heilswort des Evangeliums.11 Mit den Worten παρὰ τὸν κείμενον nimmt Paulus so auf das Bezug, was er in seinem Brief bereits zuvor über Christus als die Heilsgabe Gottes und über ihre Erschließung durch Gott selbst gesagt hat.12 Als ein „kundiger Baumeister“ hat er sich eben darin erwiesen, daß er in seiner zur Gründung der Gemeinde führenden Predigt nichts anderes verkündigt hat als das, was ihm als dem berufenen Apoandern weiterführt, sondern das einer Grundlage und des auf dieser Grundlage Errichteten (vgl. dazu Platon, Leg 736e; Epiktet, Diss II 15,8; Philo, Cher 101. Gig 30. Conf 87. Her 116. Mut 211. Somn II 8. Cont 34). 9 Daß Paulus nicht παρὰ τὸν τεθειμένον, sondern παρὰ τὸν κείμενον schreibt, weist m. E. auf eine Differenzierung hin. 10 Zu οὐδείς in der Bedeutung „prinzipiell niemand“ / „ausnahmslos niemand“ vgl. Röm 14,7; 1 Kor 2,8.11; 12,3; 2 Kor 5,16; Gal 3,11. 11 Zu dem differenzierten, aber unlöslichen Zusammenhang von Heilstat und Heilswort s. vor allem den locus classicus 2 Kor 5,18–21. Aus den Deuteropaulinen sind die folgenden Texte zu nennen: Kol 1,21–23; Eph 2,13–18; 1 Tim 2,5–7; 2 Tim 1,9–11. 12 Christus als die Heilsgabe Gottes: 1 Kor 1,30b (ὃς ἐγενήθη σοφία ἡμῖν ἀπὸ θεοῦ, δικαιοσύνη τε καὶ ἁγιασμὸς καὶ ἀπολύτρωσις); 2,9b ([…] ἃ ἡτοίμασεν ὁ θεὸς τοῖς ἀγαπῶσιν αὐτόν); 2,12b (τὰ ὑπὸ τοῦ θεοῦ χαρισθέντα ἡμῖν). Die Erschließung durch Gott selbst: 1 Kor 2,10a (ἡμῖν […] ἀπεκάλυψεν ὁ θεὸς διὰ τοῦ πνεύματος); 2,12 (ἡμεῖς […] ἐλάβομεν […] τὸ πνεῦμα τὸ ἐκ τοῦ θεοῦ, ἵνα εἰδῶμεν τὰ ὑπὸ τοῦ θεοῦ χαρισθέντα ἡμῖν).
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stel Jesu Christi von Gott geoffenbart worden war. Auf dieses Fundament muß alle weitere Verkündigung in der Gemeinde gegründet sein. Die Verse 12–15 nehmen die Mahnung von V. 10bβ (ἕκαστος δὲ βλεπέτω πῶς ἐποικοδομεῖ) auf. Das Wirken derer, die auf dem von Paulus gelegten Fundament „aufbauen“, kann von durchaus unterschiedlicher Qualität sein (V. 12), und am Tag des Gerichts wird „offenbar“ werden, was das ἔργον eines jeden – d. h. sein Wirken im Dienst der Evangeliumsverkündigung – tatsächlich wert gewesen ist (V. 13). Dann werden die einen Lohn empfangen (V. 14), andere dagegen des Lohnes verlustig gehen, ohne damit jedoch das ewige Heil zu verlieren (V. 15). Bei den letzteren denkt Paulus an solche Verkündiger, die trotz unzulänglichem Wirken das Fundament nicht angetastet oder preisgegeben haben. Von ihnen wie von allen, die „aufbauen“, sind diejenigen fundamental unterschieden, die den „Tempel“ Gottes, die Gemeinde, „zerstören“ (V. 16+17).13 Der Apostel hat hier die Verkündiger einer Heilslehre vor Augen, die im Widerspruch zum Evangelium steht und durch die das Kreuz Christi „zunichte gemacht“ wird (1,17).
II Dem Abschnitt 1 Kor 3,10–17 läßt sich zwar entnehmen, daß in der korinthischen Gemeinde bestimmte Personen als Verkündiger wirken, er belegt aber für sich genommen noch nicht, daß es sich dabei um ein geordnetes „Amt“ der Wortverkündigung handelt. Ein eindeutiges Zeugnis für ein solches Amt findet sich jedoch an einer anderen Stelle des Ersten Korintherbriefes – nämlich in 1 Kor 12,28 f.14 Nachdem Paulus in 1 Kor 12,27 erklärt hat, daß die Korinther „Leib Christi und einzeln gesehen Glieder“ sind, legt er in V. 28 dar, was das für die unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen in der Gemeinde bedeutet: καὶ οὓς μὲν ἔθετο ὁ θεὸς ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ πρῶτον ἀποστόλους, δεύτερον προφήτας, τρίτον διδασκάλους, ἔπειτα δυνάμεις, ἔπειτα χαρίσματα ἰαμάτων, ἀντιλήμψεις, κυβερνήσεις, γένη γλωσσῶν – „Und die einen hat Gott in der Gemeinde15 eingesetzt erstens zu Aposteln, zweitens zu Propheten, drittens zu Lehrern; ferner [hat er eingesetzt] Wunderkräfte, ferner Heilungscharismen, Hilfeleistungen, Leitungsaufgaben, verschiedene Arten von Zungenrede.“ An dem griechischen Wortlaut dieses Satzes ist dreierlei bemerkenswert: 1. Das οὓς μέν wird nicht durch ein eigentlich zu erwartendes οὓς δέ aufgenommen, sondern der in V. 28a begonnene Gedanke wird in V. 28b anakoluthisch fortgeführt (ἔπειτα κτλ.). 2. In Das εἴ τις von V. 17 korrespondiert antithetisch dem εἰ δέ τις von V. 12. Die Aussage über das Apostelrecht 1 Kor 9,14 gehört dagegen nicht hierher, weil sich die Worte οἱ τὸ εὐαγγέλιον καταγγέλλοντες auf die Apostel (s. V. 1 f. und V. 5) und auf ihre unmittelbaren Mitarbeiter wie den in V. 6 erwähnten Barnabas beziehen. 15 Zu ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ = „in der Gemeinde“ vgl. 1 Kor 6,4. 13 14
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V. 28a ist οὕς Objekt zu ἔθετο, und auf dieses Objekt beziehen sich ἀποστόλους, προφήτας und διδασκάλους als Prädikatsakkusative; in V. 28b dagegen sind die Akkusative δυνάμεις, χαρίσματα ἰαμάτων, ἀντιλήμψεις, κυβερνήσεις und γένη γλωσσῶν direkte Objekte zu einem gedanklich nochmals zu ergänzenden ἔθετο.16 3. Während in V. 28a von drei Personengruppen die Rede ist, erscheinen in V. 28b fünf Abstracta, die verschiedene in der Gemeinde lebendige Charismen bezeichnen. Wie bereits dieser dreifache sprachliche Befund erkennen läßt, unterscheidet Paulus deutlich zwischen den persongebundenen und von ihren Trägern offenbar kontinuierlich wahrgenommenen Ämtern der „Apostel“, „Propheten“ und „Lehrer“ einerseits und den spontan sich äußernden und nicht an bestimmte Personen gebundenen Charismen andererseits. Was die drei in V. 28 und dann noch einmal in V. 29 genannten Personengruppen anlangt, so sind mit den ἀπόστολοι ohne Frage die vom Kyrios selbst berufenen Apostel Jesu Christi gemeint. Da es sich bei ihnen um Personen handelt, die im Dienst am Evangelium stehen, ist das gleiche auch für die προφῆται und für die διδάσκαλοι anzunehmen. Die Apostel werden an erster Stelle genannt, weil sie „mit ihrer missionarischen Wirksamkeit gemeindegründend tätig sind, also grund-legende Bedeutung haben und auch weiterhin Verantwortung für die Gemeinden tragen“.17 In der korinthischen Gemeinde hat allein Paulus als Apostel gewirkt. Wenn er gleichwohl den Plural ἀπόστολοι wählt, so deshalb, weil er „zugleich an die anderen Apostel […] und an die von ihnen gegründeten Gemeinden“ denkt.18 Während die Apostel in ihrem Dienst auf die Gesamtkirche bezogen sind, haben die Propheten und die Lehrer ihren Ort in der Einzelgemeinde. Der Unterschied zwischen den beiden Ämtern dürfte sich etwa folgendermaßen bestimmen lassen:19 Der Dienst der Propheten besteht in der Verkündigung des Evangeliums, durch das der Glaube an Jesus Christus gewirkt wird und die Glaubenden in diesem Glauben erhalten werden.20 Die Lehrer nehmen die Aufgabe wahr, das Evangelium lehrhaft zu entfalten, den Christusglauben auf seine Implikationen und Konsequenzen hin zu bedenken und die Schriften des Alten Testaments im Licht des apostolischen Christuszeugnisses auszulegen. Die Lehrer sind also nicht unmittelbar als Verkündiger tätig, wohl aber steht ihr Dienst in einer engen Beziehung zu der Verkündigung. Die besondere Dignität der beiden kirchlichen Ämter kommt darin zum Ausdruck, 16 Dabei verschiebt sich gegenüber der Verbindung mit doppeltem Akkusativ der Sinn insofern, als ἔθετο mit einfachem Akkusativ jetzt soviel wie „er hat gegeben“ bedeutet. 17 Chr. Wolff, Der erste Brief des Paulus an die Korinther (ThHK 7), Leipzig ³2011, 306. 18 Wolff, ebd. Zu dem Blick auf alle Apostel vgl. 1 Kor 4,9; 9,5; 15,7.9. 19 Vgl. die Kennzeichnung bei H. von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten (BHTh 14), Tübingen 1953, 66. 20 Wenn Paulus in 1 Kor 3,5 sich selbst und Apollos als διάκονοι δι᾿ ὧν ἐπιστεύσατε bezeichnet, dann liegt darin eine wesentliche Kennzeichnung der Verkündiger überhaupt. – Fragen kann man, ob die Verkündiger von 1 Kor 3,10–15 mit den προφῆται von 1 Kor 12,28 f. identisch sind.
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daß sie durch die Aufzählung πρῶτον ἀποστόλους, δεύτερον προφήτας, τρίτον διδασκάλους den Aposteln nicht nur nachgeordnet, sondern ihnen zugleich auch zugeordnet werden. Als höchst auffallend muß nun gelten, daß in 1 Kor 12,28 f. die Apostel, Propheten und Lehrer überhaupt erwähnt werden. Auffallend ist das nämlich deshalb, weil zuvor, d. h. vom ersten Vers des 12. Kapitels an, ausschließlich von Charismen die Rede gewesen ist und diese dann auch weiterhin Thema sein werden. Daß Paulus die drei Ämter ebenfalls zu den Charismen rechnet, halte ich – im Unterschied zu einer in der Exegese verbreiteten Sicht – für ausgeschlossen.21 Den Tatbestand, daß die ἀπόστολοι, προφῆται und διδάσκαλοι ganz unvermittelt erwähnt werden, und die Weise, wie das sprachlich geschieht, vermag ich vielmehr nur so zu verstehen, daß der Apostel diese Ämter sehr bewußt aufzählt und sie den Charismen gegenüberstellt. Ja, mehr noch: Dadurch, daß die Ämter an erster Stelle und unter dem Vorzeichen des μέν solitarium genannt werden, die Charismen hingegen erst danach und unter dem Vorzeichen eines ἔπειτα erscheinen, wird nach meiner Überzeugung eine deutliche Wertung zum Ausdruck gebracht. Paulus liegt offenbar an dem Hinweis, daß es neben den vielfältigen Charismen zunächst einmal die drei Ämter gibt und daß diese den Charismen gegenüber durchaus einen Vorrang haben.22 Eine theologische Begründung dafür läßt sich unschwer namhaft machen: Was immer von den Charismen zu sagen sein mag – von ihnen gilt nicht, was von den Wortämtern gilt: daß die Kirche insgesamt und so auch jede einzelne Gemeinde diese nicht entbehren kann, weil das Evangelium unentbehrlich ist. Wenn die drei Wortämter nicht zu den Charismen gehören, dann ergibt sich hinsichtlich der beiden kirchlichen Ämter eine nicht unerhebliche Konsequenz: Die προφῆται und die διδάσκαλοι von 1 Kor 12,28 f. sind streng von jenen Gemeindegliedern zu unterscheiden, die der Schilderung von 1 Kor 12–14 zufolge das Charisma der „Prophetie“ oder das Charisma der „Lehre“ haben. Das heißt: Der in 1 Kor 12,28 f. vorliegende Begriff προφήτης ist ein anderer als derjenige von 1 Kor 14,29.32.37, dem die Termini προφητεύειν (1 Kor 11,4 f.; 13,9; 14,1.3– 5.24.31.39) und προφητεία (1 Kor 12,10; 13,2.8; 14,6.22) zuzuordnen sind;23 und 21 Daß das Apostelamt sich der Gnade Gottes verdankt (Röm 1,5; 12,3; 15,15 f.; 1 Kor 3,10; 15,9 f.; Gal 1,15; 2,9; deuteropaulinisch: Eph 3,7), bedeutet noch nicht, daß es zu den Charismen gehört, die Gott ebenfalls in seiner Gnade gewährt (Röm 12,6). 22 Für exegetisch gänzlich unbegründet halte ich das zu Paulus (bes. zu 1 Kor 14) geäußerte Urteil: „,Amtsträger’ sind […] hier alle Getauften, die mit ihrem Charisma ja alle in Verantwortung stehen […]“: E. Käsemann, Amt und Gemeinde im Neuen Testament, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen ²1960, 109–134: 123. Ähnlich heißt es ebd., 124, daß „alle Charismatiker als solche zugleich Amtsträger sind“. 23 Das Verb προφητεύειν heißt an allen Stellen „prophetisch reden“, und das Substantiv προφητεία bezeichnet in 12,10; 13,2.8 (und ebenso in Röm 12,6) das Charisma der Prophetie, die „Prophetengabe“, sowie in 14,6.22 (und ebenso in 1 Thess 5,20) die Äußerung des charismatischen προφήτης, das „Prophetenwort“ bzw. die „prophetische Rede“.
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dem διδάσκαλος von 12,28 f. darf nicht die in 1 Kor 14,6.26 erwähnte διδαχή zugeschrieben werden. Was den charismatischen προφήτης betrifft, so spricht für unser Urteil bereits die Beobachtung, daß in 1 Kor 12–14 nirgends gesagt wird, daß dieser das Evangelium von Jesus Christus verkündige und sein Charisma mithin das der Christuspredigt sei. Als eine weitere Beobachtung kommt hinzu, daß man die an anderen Stellen des Briefes zu verzeichnende spezifische Verkündigungsterminologie in den drei Kapiteln vergeblich sucht. Es fehlen die Begriffe εὐαγγέλιον24, κήρυγμα25, εὐαγγελίζεσθαι26, κηρύσσειν27 und καταγγέλλειν28, und wo ein „Reden“ (λαλεῖν) erwähnt wird,29 da ist im Unterschied zu 1 Kor 2,6 f.13 nicht die Verkündigung des Evangeliums im Blick.30 Was der charismatische προφήτης tatsächlich kundtut, wird in 1 Kor 14 deutlich gesagt: Ihm wird in der Gemeindeversammlung ganz unmittelbar eine „Offenbarung“ zuteil (14,29 f.),31 die der Erbauung, Ermahnung, Belehrung oder Ermutigung dient (14,3.31). Es geht bei der προφητεία des Charismatikers also um ein Wort, das in einer konkreten Situation oder angesichts konkreter Herausforderungen auf das notwendig zu Bedenkende hinweisen und den Weg zur rechten Entscheidung zeigen soll.32 Die προφητεία unterliegt dabei der Prüfung durch die anderen Gemeindeglieder: οἱ ἄλλοι διακρινέτωσαν (14,29). Mit διακρίνειν ist hier nicht die Prüfung gemeint, ob der Prophet das Evangelium verkündigt hat; gedacht ist vielmehr an die Prüfung, ob das von ihm Gesagte mit dem Evangelium vereinbar ist,33 sowie ferner die Überlegung, welche Relevanz und welche Konsequenzen das Prophetenwort hat und wie es im einzelnen umzusetzen ist. Eine andere 24 In
1 Kor: 4,15; 9,12.14.18.23; 15,1. In 1 Kor: 1,21; 2,4; 15,14. 26 In 1 Kor: 1,17; 9,16.18; 15,1 f. 27 In 1 Kor: 1,23; 9,27; 15,11 f. 28 In 1 Kor: 2,1; 9,14 (außerdem 11,26 von der Proklamation des Todes Jesu beim Herrenmahl). 29 1 Kor 12,3.30; 13,1; 14,2–6.9.11.13.18 f.21.23.27–29.34 f.39. 30 Das in 1 Kor 14,19 dem ἐν γλώσσῃ λαλεῖν entgegengesetzte „vernünftige Reden“, durch das die Gemeindeglieder Belehrung empfangen, entspricht dem προφητεύειν, das bereits in 14,1–12 der Glossolalie gegenübergestellt wird. – In 1 Kor 14,36 begegnet zwar der Ausdruck ὁ λόγος τοῦ θεοῦ, doch damit ist nicht ein Wort gemeint, das bestimmte Charismatiker ausrichten, sondern das Evangelium, das die gesamte Kirche und so auch die Gemeinde zu Korinth durch die Verkündigung der Apostel empfangen hat. 31 So ἀποκαλύπτεσθαι mit Dativ der Person in 14,30. Dem ist die ἀποκάλυψις 14,6.26 zuzuordnen, auch wenn in V. 6 neben der ἀποκάλυψις die προφητεία noch gesondert genannt wird. 32 Man kann dazu das Phänomen der προφητεία in der Apostelgeschichte des Lukas vergleichen: Apg 11,27 f. und 21,10 f. (Ankündigung eines kommenden Geschehens); 13,1 f. (Anweisung, Barnabas und Paulus als Missionare auszusenden); 15,32 (Stärkung der Gemeinde durch ermutigenden Zuspruch); 21,4 (Warnung vor einem bestimmten Vorhaben). 33 Vgl. Röm 12,6: Die προφητεία des Charismatikers muß ausgeübt werden κατὰ τὴν ἀναλογίαν τῆς πίστεως, d. h. in Übereinstimmung mit der fides quae creditur, dem Glaubensinhalt, der dem Inhalt des Evangeliums entspricht und durch diesen bestimmt und festgelegt ist (s. 1 Kor 15,11). Hierher gehört 1 Kor 12,10: Die der προφητεία zugeordnete Gabe der „Unterscheidung [oder: Beurteilung] der Geister“ (διάκρισις πνευμάτων) ist die Prüfung, ob das 25
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Gestalt der charismatischen προφητεία wird in 1 Kor 14,23–25 beschrieben: Die προφητεία überführt einen Menschen, der als ein Nichtchrist an der gottesdienstlichen Zusammenkunft der Gemeinde teilnimmt. Hier ist nicht von der Wirkung der Evangeliumsverkündigung die Rede, sondern davon, daß die mit der Gabe der προφητεία ausgestatteten Gemeindeglieder den Nichtchristen erkennen und ihn seines heidnischen Vorlebens überführen.34 Aufgrund aller aus 1 Kor 12–14 zu gewinnenden Informationen kann m. E. zuversichtlich gesagt werden: Der προφήτης von 14,29.32.37 hat nichts mit einem Verkündiger des Evangeliums, das προφητεύειν von 11,4 f.; 13,9; 14,1.3–5.24.31.39 nichts mit der Verkündigung des Evangeliums und die προφητεία von 12,10; 13,2.8; 14,6.22 nichts mit dem Gegenstand dieser Verkündigung zu tun.35 Auf die Verkündigung des Evangeliums beziehen sich ebenfalls nicht die in dem Charismenkatalog 12,8–10 begegnenden Ausdrücke λόγος σοφίας und λόγος γνώσεως (V. 8). Wie insbesondere der Vergleich von 12,8–10 mit 13,1 f. lehrt, meint hier σοφία „eine auf spezieller Offenbarung beruhende Einsicht in bestimmte göttliche Geheimnisse“ und γνῶσις „eine dem Charismatiker verliehene besondere theologische Erkenntnis, die das ethisch angemessene Verhalten betreffen dürfte“.36 Man kann fragen, ob nicht unter der διδαχή von 14,6 und 14,26 die Mitteilung sowohl des λόγος σοφίας wie auch des λόγος γνώσεως zu verstehen ist. An beiden Stellen ist διδαχή jedenfalls auf eine einzelne Lehraussage und nicht etwa – wie in Röm 6,17; 16,17 – auf die christliche Lehre im umfassenden Sinn zu deuten.37 Im Unterschied zu den „Lehrern“ von 1 Kor 12,28 f., die in der Bindung an die apostolische Überlieferung den Inhalt des Christuskerygmas entfalten und erläutern, legen die Charismatiker, die in der Gemeindeversammlung eine διδαχή vortragen, einen bestimmten und begrenzten theologischen oder ethischen Sachverhalt dar.38 Bei der διδαχή von 1 Kor 14,6.26 handelt es sich ebensowenig wie bei der προφητεία von 1 Kor 12,10; 13,2.8; 14,6.22 um eine Bezeugung des Evangeliums von Jesus Christus, sondern um geistgewirkte Äußerungen, die eine dem Charismatiker je und je gewährte Einsicht zur Sprache bringen.
Gesagte in der Kraft des Geistes Gottes gesagt sein kann oder ob ein widergöttlicher Geist am Werk ist. S. dazu auch 1 Thess 5,19–22. 34 Vgl. D. Zeller, Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Göttingen 2010, 432. 35 Gleiches gilt für προφητεία Röm 12,6; 1 Thess 5,20. 36 So überzeugend Kammler, Kreuz und Weisheit (s. Anm. 5), 36. Die Begründung s. ebd., 35 f. 37 Um diese geht es in Gal 6,6 und in Phil 4,9, in den Pastoralbriefen (1 Tim 1,10; 4,6.16 u. ö.) sowie in 2 Thess 2,15 und in Kol 2,7. Zu Kol 2,7, wo πίστις die fides quae creditur meint, „die als Inhalt der Lehre dargeboten wurde“ (Lohse, Die Briefe an die Kolosser und an Philemon [s. Anm. 4], 143), vgl. auch Kol 1,7. 38 Von der charismatischen „Lehre“ ist auch in Röm 12,7 – im Rahmen einer Liste von sieben χαρίσματα (Röm 12,6–8) – die Rede.
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Anzuschließen ist hier noch die Frage, weshalb beide – die Verkündiger des Evangeliums und die in der Gemeindeversammlung redenden Charismatiker – „Propheten“ genannt werden.39 Die Antwort ergibt sich von dem Verbum προφητεύειν her, das unter anderem die Bedeutung „etwas von Gott Geoffenbartes kundtun“ hat. Eine Kundgabe göttlicher Offenbarung erfolgt in der Evangeliumsverkündigung,40 und sie geschieht ebenso auch in den spontanen Äußerungen der Charismatiker. Der entscheidende Unterschied liegt in dem jeweiligen Offenbarungsinhalt. Weil die für den Glauben grundlegende Christusoffenbarung den Inhalt der Evangeliumsverkündigung bildet, deshalb ist das im Dienst des Evangeliums stehende Amt – anders als die Charismen – für die Gemeinde und ihren Bestand konstitutiv.
III Ein paulinisches Zeugnis für das kirchliche Amt der Verkündigung liefert neben dem Ersten Korintherbrief auch der Philipperbrief.41 Der Apostel spricht in 1,14–18 von „Brüdern“ (V. 14), deren Wirken er mit den Wendungen τὸν λόγον λαλεῖν (V. 14), τὸν Χριστὸν κηρύσσειν (V. 15) und τὸν Χριστὸν καταγγέλλειν (V. 17) beschreibt. Unter diesen „Brüdern“ ist nicht die Gesamtgemeinde derer zu verstehen, die am Ort der Gefangenschaft des Apostels leben, sondern es sind bestimmte Personen gemeint, die dort und wohl auch in der Umgebung als Verkündiger wirken.42 Der λόγος, von dem V. 14 spricht, ist das in 1,12 und 1,16 erwähnte εὐαγγέλιον, das in 2,16 als λόγος ζωῆς gekennzeichnet wird. „Wort des Lebens“ – d. h. ein das Leben in der heilvollen Gottesbeziehung eröffnendes Wort – ist das Evangelium deshalb, weil es Christus und damit das eschatologische Heil zum Inhalt hat. Daß dieser Inhalt des Evangeliums auch der Inhalt ihrer Verkündigung ist, das allein ist für das Urteil, das Paulus in V. 15–18 über die ἀδελφοί fällt, von Bedeutung. Mögen die Motive der „Brüder“ lauter oder 39 Daß ein zu einer herausgehobenen Bezeichnung gewordener Begriff zugleich noch in anderer Bedeutung verwendet wird, findet sich auch sonst. Dazu nur zwei Beispiele: Bei Paulus heißen nicht nur die einmaligen „Apostel Jesu Christi“ ἀπόστολοι, sondern auch die mit einer bestimmten und begrenzten Aufgabe betrauten „Abgesandten“ einer Gemeinde (2 Kor 8,23; Phil 2,25) und wandernde Missionare (Röm 16,7 [vgl. dazu Apg 14,4.14; Did 11,3 f.6]). Bei Lukas ist μάρτυς die Entsprechung zu dem solennen paulinischen Apostel-Begriff (Lk 24,48; Apg 1,8.22; 2,32; 3,15; 5,32; 10,39.41; 13,31; 22,15; 26,16); zugleich wird aber auch Stephanus im Blick auf seinen Märtyrertod als μάρτυς Christi bezeichnet (Apg 22,20). 40 S. dazu die theologisch gewichtigen Ausführungen von 1 Kor 2,6–16 (V. 9+10a!) und außerdem Gal 1,11 f.15 f.; Eph 3,1–7. 41 Auf das Präskript Phil 1,1 f. verweise ich hier nicht, weil es sich bei den ἐπίσκοποι καὶ διάκονοι von V. 1 m. E. weder um Gemeindeleiter noch auch um Verkündiger handelt, sondern um „Verwalter und Helfer“, die in der Gemeinde organisatorische bzw. karitative Aufgaben wahrnehmen. 42 Vgl. J. Gnilka, Der Philipperbrief (HThK X/3), Freiburg – Basel – Wien ⁴1987, 58 f.
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unlauter sein – entscheidend ist der Tatbestand, daß sie an dem Inhalt des den Aposteln anvertrauten und von ihnen bezeugten Evangeliums festhalten (V. 18). Paulus weiß ja sehr wohl auch um die Möglichkeit, daß dieser Inhalt preisgegeben und ein „anderer“ Jesus als der des εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ verkündigt wird (2 Kor 11,4; Gal 1,6–9), und die für eine solche Verkündigung Verantwortlichen könnte und würde er keineswegs als „Brüder“ bezeichnen.
IV Wenden wir uns nunmehr den Deuteropaulinen zu, so ist zunächst der Epheserbrief in die Betrachtung einzubeziehen. In ihm ist im Kontext der Verse Eph 4,7–16 von Ämtern der Wortverkündigung und von ihrer Bedeutung für alle Glieder der Kirche die Rede.43 Der Verfasser zitiert dazu in V. 8 das Distichon Ps 68(67),19a, und zwar in einer Gestalt, die vom Wortlaut der Hebräischen Bibel und der Septuaginta abweicht,44 sich aber mit der Fassung im Psalmentargum näher berührt:45 ἀναβὰς εἰς ὕψος ᾐχμαλώτευσεν αἰχμαλωσίαν, / ἔδωκεν δόματα τοῖς ἀνθρώποις – „Hinaufgestiegen zur Höhe, hat er Gefangene gefangengeführt, / hat er Gaben gegeben den Menschen.“ Die Exegese des Psalmzitats erfolgt so, daß der erste Stichos in V. 9+10 und der zweite Stichos in V. 11–16 ausgelegt wird.46 Die Aussage des ersten Stichos bezieht der Verfasser auf den präexistenten und menschgewordenen Christus (V. 9), der mit seiner Erhöhung der Herrscher über das All geworden ist (V. 10). Die Auslegung des zweiten Stichos deutet dann die „Gaben“, die der erhöhte Christus „gegeben hat“, auf die Verkündiger des Evangeliums (V. 11)47 und die „Menschen“, die diese Gaben 43 Zu dem Abschnitt Eph 4,7–16 bietet M. Theobald, Mit den Augen des Herzens sehen. Der Epheserbrief als Leitfaden für Spiritualität und Kirche, Würzburg 2000, 122–133 eine knappe, aber gleichwohl in die Tiefe gehende Auslegung, an die sich ebd., 133–141 ein beachtenswerter Exkurs zum Thema „Das Amt in der Kirche“ anschließt, dem ich als evangelischer Exeget und Theologe im wesentlichen nur zustimmen kann. 44 Ps 68(67),19a lautet in MT und in LXX: „Du bist in die Höhe hinaufgestiegen, hast Gefangene gefangengenommen, hast Gaben empfangen unter den Menschen.“ 45 Zu TargPs 68,19 s. M. McNamara, The New Testament and the Palestinian Targum to the Pentateuch (AnBib 27), Rom 1966 (²1987), 78–81. Hinzuweisen ist ferner auf P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch III, München 1926 = ²1954, 596 f., wo neben TargPs 68,19 auch vergleichbare rabbinische Texte mitgeteilt werden. 46 Entgegen der Textdarbietung bei Nestle / Aland, Novum Testamentum Graece²⁶.²⁷ darf zwischen V. 10 und V. 11 kein Spatium gesetzt und V. 11 nicht mit einem Großbuchstaben begonnen werden. 47 Zu dieser Deutung ist der Verfasser m. E. dadurch gekommen, daß er die Worte ἔδωκεν δόματα der ihm vorliegenden Textfassung von Ps 68(67),19a zu dem 12. Vers des gleichen Psalms in Beziehung gesetzt hat, wo es heißt: κύριος δώσει ῥῆμα τοῖς εὐαγγελιζομένοις δυνάμει πολλῇ. Im Septuagintatext selbst hat εὐαγγελίζεσθαι die Bedeutung „die Siegesbotschaft verkünden“; unser Verfasser aber liest: „Der Herr wird denen ein (d. h. sein) Wort geben, die mit großer Macht das Evangelium verkündigen.“
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empfangen haben, auf die „Heiligen“, d. h. auf die Glieder der Kirche insgesamt (V. 12). Die Deutung der „Gaben“, die dem Pauluswort 1 Kor 12,28 verpflichtet sein dürfte, lautet: καὶ αὐτὸς ἔδωκεν τοὺς μὲν ἀποστόλους, τοὺς δὲ προφήτας, τοὺς δὲ εὐαγγελιστάς, τοὺς δὲ ποιμένας καὶ διδασκάλους – „Und er hat gegeben die einen als Apostel, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer.“48 In dieser Aufzählung erscheinen zunächst die „Apostel“ und die „Propheten“ – und somit die beiden Ämter, die der bereits vergangenen Gründungszeit der Kirche angehören.49 Der Verfasser des Briefes erblickt die besondere Dignität der Apostel und der Propheten darin, daß ihnen das „Christusgeheimnis“ geoffenbart worden ist, das sie dann in der Verkündigung des Evangeliums authentisch bezeugt haben.50 Eben deshalb bilden sie mit ihrem Christuszeugnis das durch den „Eckstein“ Jesus Christus ausgerichtete und festgelegte „Fundament“ der Kirche.51 Als in der nachapostolischen Zeit bestehende Ämter führt der Verfasser sodann die „Evangelisten“ und die „Hirten und Lehrer“ an. Während die „Evangelisten“ in einem größeren Bereich als Wandermissionare wirken,52 nehmen die „Hirten und Lehrer“ in jeder Einzelgemeinde den Dienst der Gemeindeleitung wahr.53 Die Formulierung ποιμένες καὶ διδάσκαλοι verknüpft beide Begriffe sprachlich miteinander und wird deshalb so zu deuten sein, daß zwischen Hirten und Lehrern „eine enge Verbindung personeller Art vorausgesetzt ist“.54 Die Möglichkeit, daß es sich um ein einziges Amt handelt, ist nicht auszuschließen,55 und die genannte Formulierung besagt auf jeden Fall, daß die Leitung der Gemeinde durch die Verkündigung und Lehre des Evangeliums geschieht. Wenn der Verfasser die Wortämter seiner Zeit mit den Ämtern des Anfangs in einer Reihe zusammenstellt, so kommt darin unübersehbar zum Ausdruck, daß die „Evangelisten“ und die „Hirten und Lehrer“ das Werk der ersten und grundlegenden Verkündiger fortsetzen – und daß sie dies in der Gebundenheit an ihr Christuszeugnis tun. Von V. 12 an legt der Verfasser dar, 48 Ich lese – analog zu 1 Kor 12,28 – ἀποστόλους, προφήτας, εὐαγγελιστάς und ποιμένας καὶ διδασκάλους als Prädikatsakkusative. 49 Die „Propheten“ sind wie in 1 Kor 12,28 die in den Einzelgemeinden wirkenden Verkündiger. 50 Eph 3,4 f. im Kontext der Verse 3,1–7. 51 Eph 2,20. Vgl. Theobald, Mit den Augen des Herzens sehen (s. Anm. 43), 103–105. Theobald bemerkt ebd., 105 Anm. 145 sehr zu Recht, daß es „verfehlt“ wäre, einen Gegensatz zwischen 1 Kor 3,11 und Eph 2,20 zu konstruieren. Denn: „Der Transfer der Metapher von Christus auf die Apostel und Propheten bedeutet keine Depotenzierung der Christologie zugunsten der Ekklesiologie, sondern betont umgekehrt die grundlegende Funktion des apostolischen Zeugnisses für die Bewahrung der Christologie in nachapostolischer Zeit.“ 52 Vgl. Apg 21,8: Der Wandermissionar Philippus (Apg 8,4–40) trägt den Titel „Evangelist“. 53 S. dazu O. Hofius, Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments, in: Ders., Exegetische Studien (s. Anm. 3), 218–239: 229 f. Zu ποιμένες als Bezeichnung der Gemeindeleiter vgl. Apg 20,28; 1 Petr 5,2 f. 54 J. Roloff, Die Kirche im Neuen Testament (GNT 10), Göttingen 1993, 247 f. 55 Das Amt der ποιμένες καὶ διδάσκαλοι entspräche dann dem Amt des ἐπίσκοπος in den Pastoralbriefen; vgl. Roloff, ebd., 248.
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was bereits durch V. 7 vorbereitet war: Die Wortämter dienen der „Zurüstung der Heiligen“, so daß alle Getauften mit den ihnen von Christus verliehenen Gaben zur Auferbauung der Kirche beizutragen vermögen. Das Ziel der Zurüstung weist dabei einen deutlichen Bezug zum Evangelium und zu seinem Inhalt auf. Es geht um die Einheit im Glauben an Christus und in der Erkenntnis Christi (V. 13), um die Mündigkeit, die davor bewahrt, ein Opfer falscher Lehre zu werden (V. 14), und um die Befähigung, in der Liebe von der Wahrheit des Evangeliums Zeugnis abzulegen (V. 15).
V In besonderer Ausführlichkeit wird das kirchliche Amt der Verkündigung in den Pastoralbriefen thematisiert.56 Anders als bei Paulus und im Epheserbrief werden dabei mit der theologischen Bestimmung erstmals kirchenordnungsmäßige Anweisungen verbunden, die sowohl die verantwortliche Übertragung wie auch die angemessene Führung des Amtes betreffen. Das Amt, dem in der Einzelgemeinde der Dienst am Evangelium übertragen ist, ist das des ἐπίσκοπος.57 Gute Gründe sprechen für die Annahme, daß dieses Amt in jeder Gemeinde von mehreren Personen ausgeübt wird. Das Wort ἐπίσκοπος („Aufseher“) selbst kennzeichnet die Amtsträger als Gemeindeleiter,58 und die Briefe schärfen mit Nachdruck ein, daß die erste und wichtigste Aufgabe der Gemeindeleitung darin besteht, das Evangelium zu verkündigen und zu lehren. Das Amt des Lehrers ist demnach völlig mit dem des Verkündigers verschmolzen. Eine weitere Besonderheit der Pastoralbriefe liegt in der ausdrücklichen Erwähnung der Ordination, die durch Handauflegung vollzogen wird und zum Amt der Verkündigung und Lehre bevollmächtigt. In diesem Zusammenhang ist der Gedanke einer „Sukzession“ unübersehbar: Paulus hat seinen Schüler Timotheus ordiniert, und dieser erteilt anderen die Ordination, die dann ihrerseits diejenigen ordinieren werden, die von ihnen zuvor in der apostolischen Lehre unterwiesen worden
56 Da ich mich bereits an anderer Stelle zu den Pastoralbriefen geäußert habe, kann und soll im Rahmen des vorliegenden Aufsatzes eine knappe Skizze genügen. Zur Begründung sowie zu einer detaillierten Darstellung s. vor allem: O. Hofius, Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe, ZThK 107 (2010) 261–284 (in dem vorliegenden Band: 193–213). Vgl. ferner auch: Ders., Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments (s. Anm. 53), 232–234. 57 1 Tim 3,1–7; Tit 1,5–9. Sollte πρεσβύτερος in 1 Tim 5,17.19; Tit 1,5 anders als in 1 Tim 5,1 Amtsbezeichnung sein (so die Mehrheit der Exegeten), so ergibt sich aus Tit 1,5–9 die Identität von ἐπίσκοπος und πρεσβύτερος, wozu neben Apg 20,17.28 vor allem 1 Klem 44,1–6 zu vergleichen wäre. 58 Vgl. dazu Apg 20,28. Der Begriff ἐπίσκοπος ist hier und in den Pastoralbriefen ein anderer als in Phil 1,1 (s. o. Anm. 41).
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sind.59 Alle zum Amt der Verkündigung und Lehre Ordinierten sind an die von Paulus herkommende apostolische Lehrtradition gebunden, die das Evangelium als das „Wort der Wahrheit“ (2 Tim 2,15) zum Inhalt hat.60 Diese Lehrtradition und damit zugleich das tradierte Evangelium selbst wird in den Pastoralbriefen als eine παραθήκη bezeichnet61 – d. h. als ein „heiliges anvertrautes Gut“62, das in der Kirche unverändert bewahrt und deshalb von Verkündiger zu Verkündiger unverfälscht weitergegeben werden muß.
VI Unsere bisherigen Überlegungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß sich sowohl in den Briefen des Paulus selbst wie auch in deuteropaulinischen Schriften Zeugnisse für ein in den Gemeinden vorhandenes Amt der Verkündigung finden. Als Bezeichnung der entsprechenden Amtsträger begegnen die Termini πρoφήτης (Paulus), ποιμὴν καὶ διδάσκαλος (Epheserbrief) sowie ἐπίσκοπος (Pastoralbriefe). Neben der unterschiedlichen Terminologie sind auch Unterschiede in der näheren Kennzeichnung des Amtes unübersehbar. Diese Unterschiede spiegeln geschichtliche Entwicklungen wider, die einer differenzierten Würdigung bedürfen und keineswegs von vornherein als problematisch angesehen werden müssen. Wenn etwa in der Aufzählung von Eph 4,11 die Charismen, die in 1 Kor 12,28 neben den Wortämtern genannt werden, überhaupt nicht mehr vorkommen, dann ist dazu zu bedenken, daß bereits Paulus die im Dienst des Evangeliums stehenden Wortämter von den Charismen abhebt und sie um dieses Dienstes willen jenen vor- und überordnet. Und wenn das Amt der Verkündigung und Lehre in den Pastoralbriefen zu einem ordinationsgebundenen Amt geworden ist, so kann hier durchaus von einer konsequenten Entwicklung gesprochen werden: Die für das kirchliche Amt konstitutive Bindung an das Evangelium verlangte mit innerer Notwendigkeit nach einer gottesdienstlichen Ordnung, die diese Bindung angemessen, d. h. in einer sowohl für die Amtsträger selbst wie auch für die Gemeinden eindeutigen Weise zum Ausdruck bringt. Unvergleichlich gewichtiger als alle Unterschiede, die notiert werden könnten, sind die theologischen Gemeinsamkeiten, die sich im Verständnis des kirchlichen 59 Der skizzierte Sukzessionsgedanke ergibt sich aus der Zusammenschau der folgenden Texte: 1 Tim 4,14; 5,22; 2 Tim 1,6; 2,2. Daß 1 Tim 4,14 nicht von der Ordination des Timotheus durch ein Ältestenkollegium redet, sondern in Übereinstimmung mit 2 Tim 1,6 seine Ordination durch Paulus voraussetzt, habe ich in einer gesonderten Studie zu zeigen gesucht: O. Hofius, Ἐπίθεσις τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου. Erwägungen zu der Ordinationsaussage 1 Tim 4,14, in: Ders., Exegetische Studien (s. Anm. 3), 173–186. 60 Die apostolische Lehrtradition ist die διδασκαλία von 1 Tim 1,10; 4,6.16; 6,1.3; 2 Tim 4,3; Tit 1,9; 2,1.10. 61 1 Tim 6,20; 2 Tim 1,12.14. 62 J. Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (in: NTD 9), Göttingen ¹(¹¹)1975, 47.
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Amtes der Verkündigung bei Paulus und den Verfassern des Epheserbriefes und der Pastoralbriefe wahrnehmen lassen. Dazu seien auf der Grundlage unserer Textbetrachtungen sowie unter Hinzufügung einiger weiterer Überlegungen die folgenden Punkte benannt: 1. Für Paulus und für den Verfasser des Epheserbriefes sind die kirchlichen Wortämter ungeachtet ihrer fundamentalen Unterschiedenheit von dem Amt der Apostel ebenso wie dieses eine Setzung Gottes (1 Kor 12,28) bzw. eine Gabe des erhöhten Christus (Eph 4,11). Eine entsprechende Formulierung erscheint in den Pastoralbriefen zwar nicht; aus dem, was in ihnen über das Amt der Verkündigung und Lehre gesagt wird, ergibt sich jedoch, daß sie in der Sache die gleiche Sicht vertreten. Zwischen Paulus und denen, die sich als seine Schüler wissen, besteht mithin darin ein voller Konsens, daß die kirchlichen Wortämter nicht anders als das grundlegende Apostelamt iure divino in der Kirche vorhanden sind und deshalb zum esse ecclesiae gehören. 2. Die Paulusbriefe und die Deuteropaulinen bieten keine tragfähige Basis für die Auffassung, daß die Predigt des Evangeliums prinzipiell Auftrag und Sache aller Gemeindeglieder ist, die Gemeinde die öffentliche Wahrnehmung des ihr gegebenen Auftrags einzig um der Ordnung willen bestimmten Personen überträgt und die mit dem verbi divini ministerium Betrauten somit lediglich stellvertretend für die ganze Gemeinde den Dienst der Verkündigung ausüben.63 Weder für die Deuteropaulinen noch auch für Paulus selbst stellt das kirchliche Amt der Verkündigung eine Institution dar, die in der Kirche allein aus praktischen Gründen erforderlich ist. 3. Das kirchliche Amt der Verkündigung ist der Kirche bzw. der Gemeinde gegeben, damit das Evangelium, aus dem sie lebt und ohne das sie keinen Bestand hat, „in ihr stets laut wird“.64 Weil aber das Evangelium nirgends anders zu finden ist als im Christuszeugnis der Apostel Jesu Christi, deshalb stellen Paulus selbst wie auch der Epheserbrief und die Pastoralbriefe nachdrücklich die Bezogenheit des kirchlichen Amtes der Verkündigung auf das Amt der Apostel heraus. Die mit dem Dienst der Verkündigung Betrauten sind zwar nicht „Nachfolger“ der Apostel in dem Sinn, daß sie in ihr Amt eintreten; denn dieses 63 Ebensowenig wie 1 Kor 14 sind Kol 3,16 und Eph 6,15 Belege dafür, daß der Dienst der Evangeliumsverkündigung der ganzen Gemeinde aufgetragen ist. Die Mahnung von Kol 3,16 zwingt auch dann nicht zu einer solchen Deutung, wenn man sie zu Kol 1,28 in Beziehung setzt. Zu den Worten ὑποδησάμενοι τοὺς πόδας ἐν ἑτοιμασίᾳ τοῦ εὐαγγελίου τῆς εἰρήνης Eph 6,15 bemerkt schon P. Ewald, Die Briefe des Paulus an die Epheser, Kolosser und Philemon (KNT 10), Leipzig ²1910, 252 zu Recht: „Verführt durch die Erinnerung an Jes 52,7 versteht man hier vielfach die Bereitschaft, das Evangelium zu verkünden. Doch hat dies in einem Zusammenhang, wo es sich um die Ausrüstung des Christen behufs siegreichen Widerstandes gegen die Geistermächte handelt, keinen Anhalt. Man wird zu denken haben an ,die Bereitschaft, welche das Evangelium des Friedens verleiht’.“ Vgl. die Auslegung bei J. A. Bengel, Gnomon Novi Testamenti (³1773), hg. v. P. Steudel, Stuttgart ⁸1891, 777: Pedes militis christiani firmantur evangelio, ne loco moveatur aut cedat. 64 Theobald, Mit den Augen des Herzens sehen (s. Anm. 43), 131 zu Eph 4,11.
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Amt ist seinem Wesen nach unübertragbar. Wohl aber stehen sie in dem Sinn in der Nachfolge der Apostel, daß sie nur in der strengen Gebundenheit an ihr Christuszeugnis Verkündiger und Lehrer des Evangeliums sein können und sind. Von daher will der in den Pastoralbriefen begegnende Gedanke der Sukzession verstanden sein. Die Kontinuität in der Abfolge der Amtsträger hat einzig den Sinn, die kontinuierliche Verkündigung und Lehre des von Paulus verbindlich bezeugten Evangeliums zu gewährleisten. Der Sukzessionsgedanke der Pastoralbriefe ist somit letztlich eine konsequente Weiterführung dessen, was Paulus selbst in 1 Kor 3,10 f. über das in seiner Christusverkündigung gelegte Fundament und über das „Aufbauen“ auf diesem Fundament sagt. 4. Wenn Paulus und die Verfasser des Epheserbriefes und der Pastoralbriefe die Bindung der kirchlichen Verkündigung an das den Aposteln geoffenbarte Evangelium betonen, dann setzen sie voraus, daß das Evangelium inhaltlich klar bestimmt ist und dementsprechend auch in verständlichen Sätzen ausgesagt werden kann. Indiz dafür sind die in den Briefen enthaltenen geprägten „Formeln“ apostolischer Lehrtradition, die das Evangelium in christologischen und soteriologischen Propositionen zur Sprache bringen. Als Beispiel sei die Paradosis 1 Kor 15,3b–5 genannt. In ihr ist assertorisch in Worte gefaßt, was Paulus und die anderen Apostel als das Evangelium verkündigen und was dementsprechend diejenigen, die durch ihre Verkündigung zum Glauben gekommen sind, als die Wahrheit erkannt und angenommen haben.65 Darin, daß solche „Formeln“ geschaffen und tradiert wurden, wird man einen Hinweis auf die – auch für die Apostel selbst geltende – Vorgegebenheit des Evangeliums erkennen dürfen. 5. Die Bindung an das von Gott her vorgegebene Evangelium bedeutet, daß weder die Amtsträger selbst noch auch die Kirche oder die Gemeinde als ganze darüber zu entscheiden haben, was je zu ihrer Zeit und je an ihrem Ort als Evangelium zu verkündigen und zu lehren ist. Sie bedeutet dagegen nicht, daß es ausreicht, die „Formeln“ apostolischer Lehrtradition einfach zu wiederholen. Der Inhalt des Evangeliums – das über Christus und das Christusgeschehen Gesagte – ist vielmehr stets neu zu bedenken und verantwortlich zu explizieren. Das zeigen bereits die authentischen Paulusbriefe, und es wird ebenfalls in den Deuteropaulinen greifbar. Dazu sei jetzt nur exemplarisch auf dreierlei hingewiesen: Paulus argumentiert im 15. Kapitel des Ersten Korintherbriefes auf der Grundlage der Paradosis V. 3b–5, sagt aber in seiner Argumentation deutlich mehr, als in der tradierten Formel selbst ausgesagt wird; der Verfasser des 65 Auf die Paradosis 1 Kor 15,3b–5 beziehen sich im Kontext von 1 Kor 15,1–11 sowohl die Worte τὸ εὐαγγέλιον […] τίνι λόγῳ εὐηγγελισάμην ὑμῖν – „mit welcher Aussage ich euch das Evangelium verkündigt habe“ V. 1 f. wie auch der Satz οὕτως κηρύσσομεν καὶ οὕτως ἐπιστεύσατε – „solches verkündigen wir, und solches habt ihr im Glauben angenommen“ V. 11b. Welches Gewicht Paulus der von ihm zitierten Paradosis beimißt, zeigt sich darin, daß er sie einst der Gemeinde „übergeben“ hat (V. 3a) und sie jetzt angesichts einer mit dem Evangelium unvereinbaren Behauptung (ἀνάστασις νεκρῶν οὐκ ἔστιν V. 12) ausdrücklich in Erinnerung ruft.
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Epheserbriefes nimmt das von Paulus bezeugte Evangelium auf, indem er das „Christusgeheimnis“ auch unter solchen Aspekten entfaltet, die in den ihm vorliegenden paulinischen Briefen noch nicht wahrzunehmen sind (Eph 2,11–3,13); und in den Pastoralbriefen finden sich innerhalb der Paulusschule erstmals Sätze wie die, daß Christus „der Mittler zwischen Gott und den Menschen“ ist (1 Tim 2,5) und daß er durch seinen Tod und seine Auferstehung „den Tod vernichtet“ hat (2 Tim 1,10). In allen diesen Fällen wird Neues gesagt, das bisher so nicht gesagt wurde. Aber die neuen Aussagen relativieren das Evangelium nicht, sie stehen nicht im Widerspruch zu ihm und heben es nicht auf. Das Fundament ist und bleibt, was die Apostel aufgrund der ihnen zuteil gewordenen Gottesoffenbarung als Inhalt des Evangeliums bezeugt haben: daß Jesus Christus nach seinem Ursprung und Wesen auf die Seite Gottes gehört und daß in ihm als dem menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Herrn das Heil aller Menschen beschlossen liegt. 6. Paulus selbst wie auch die Verfasser des Epheserbriefes und der Pastoralbriefe weisen dem kirchlichen Amt der Verkündigung ohne Frage eine besondere Stellung in der Gemeinde zu. Man kann hier durchaus von einem Gegenüber von Amt und Gemeinde sprechen – wobei dann allerdings keinen Augenblick vergessen werden darf, daß dieses Gegenüber Ausdruck für das Gegenüber von Evangelium und Gemeinde ist. Auf ihre Person gesehen stehen diejenigen, die das Amt der Verkündigung ausüben, der Gemeinde nicht gegenüber, sondern – wie alle anderen Gemeindeglieder – in ihr, und sie bedürfen wie alle anderen des Evangeliums, durch das sie im Glauben erhalten und so auch immer aufs neue zu ihrem Dienst ausrüstet werden.66 Die Autorität der mit der Predigt des Evangeliums Betrauten ist keine andere als die des Evangeliums, das sie verkündigen.67
66 Das kommt im Kontext von Eph 4,7–16 sehr schön darin zum Ausdruck, daß die Träger des kirchlichen Wortamtes in das „wir alle“ der Verse 13–16 einbezogen sind. 67 Die Sakramente werden in den Texten, die wir betrachtet haben, nirgends erwähnt. Wenn sie gleichwohl irgendwie mit im Blick sein sollten, dann ergäbe sich aus diesem Befund, daß die Sakramentsverwaltung zum Amt der Verkündigung gehört und nicht etwa umgekehrt die Verkündigung zu einem Amt der Sakramentsverwaltung.
Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe1 Von der Ordination als der Einsetzung in ein Amt der Kirche ist im Neuen Testament mit Eindeutigkeit nur in den Pastoralbriefen die Rede.2 In ihnen wird ausdrücklich erwähnt, daß Timotheus die Ordination empfangen hat (1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6) und daß er sie anderen Personen erteilt (1 Tim 5,22),3 und im Licht dieser Belege zeigt sich, daß weitere Aussagen der beiden Timotheusbriefe sowie des Titusbriefs entweder auf die Ordination Bezug nehmen oder sie zumindest mit im Blick haben.4 Ob sich über die Pastoralbriefe hinaus auch in der Apostelgeschichte des Lukas Hinweise auf die Ordination finden, ist umstritten und kaum mit hinreichender Sicherheit zu entscheiden.5 Die folgenden Über1 Dem Aufsatz liegt ein Vortrag zugrunde, der am 20. 5. 2 010 in Köndringen (Breisgau) auf einer ökumenischen Pfarrkonferenz gehalten wurde. Die Darlegungen beschränken sich bewußt darauf, den exegetischen Befund zu erheben, dessen Relevanz für das heutige Gespräch der Kirchen über das geistliche Amt mir außer Zweifel steht. Da die Pastoralbriefe nur eine Übertragung des ordinationsgebundenen Amtes an Männer kennen und die Exegese zunächst einmal das in den Texten Gesagte nachzuzeichnen hat, verwende ich im Folgenden durchweg die entsprechende maskulinische Terminologie. – Der Aufsatz wurde meinem Freund Wilhelm Hofius zum 70. Geburtstag gewidmet. 2 Aus der Literatur zur Ordination in den Pastoralbriefen bzw. im Neuen Testament seien genannt: E. Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament, Göttingen 1951, 67–100 (Literatur: 105–108); Ders., Art. Ordination II. Im NT, in: RGG³ IV (1960) 1672 f.; N. Brox, Die Pastoralbriefe (RNT 7), Regensburg 1969, 181 f.; J. Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (in: NTD 9), Göttingen ¹(¹¹)1975, 35 f.; G. Kretschmar, Die Ordination im frühen Christentum, FZPhTh 22 (1975) 35–69; H. von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt. Zum Verständnis der Ordination in den Pastoralbriefen (FRLANT 122), Göttingen 1979; Ders., Art. Ordination III. Neues Testament, in: TRE 25 (1995) 340–343 (Literatur: 343); A. T. Hanson, Art. Handauflegung I. Altes Testament/Judentum/Neues Testament/Religionsgeschichtlich, in: TRE 14 (1985) 415–422: 419 f.; J. Roloff, Der erste Brief an Timotheus (EKK 15), Zürich bzw. Neukirchen-Vluyn 1988, 263–272 (Literatur: 249); D. Sänger, Art. Ordination II. Neues Testament, in: RGG⁴ VI (2003) 619. 3 Zur Begründung dafür, daß sich die Anweisung 1 Tim 5,22 auf die Ordination bezieht, s. etwa Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament (s. Anm. 2), 88; Brox, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 2), 201–203; von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt (s. Anm. 2), 174–177; Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 313–315. 4 1 Tim 1,18.19a; 6,12b (mitsamt dem Kontext 6,11–16); 2 Tim 2,2; Tit 1,5 f. sowie außerdem die beiden Episkopenspiegel 1 Tim 3,1–7 und Tit 1,7–9. Auch die Weisung 2 Tim 1,13 dürfte hierher gehören; s. u. Anm. 91. 5 Diskutiert werden insbesondere die Texte Apg 6,6 (im Kontext der Verse 6,1–6) und Apg 13,3 (im Kontext der Verse 13,1–3), daneben auch Apg 14,23 und Apg 20,28. Zur Problematik s. etwa J. Roloff, Die Apostelgeschichte (NTD 5), Göttingen ¹(¹⁷)1981, 110 (zu 6,6). 194 (zu
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legungen konzentrieren sich deshalb auf die drei Pastoralbriefe, die etwa um das Jahr 100 n. Chr. von einem Paulusschüler verfaßt worden sind und hinsichtlich der Ordination sowohl die Praxis wie auch das theologische Verständnis ihrer Zeit widerspiegeln. Die historische Frage, seit wann die Ordination in der Kirche geübt worden ist,6 soll jetzt ebensowenig erörtert werden wie die andere, ob als ihr Vorbild die Ordination der jüdischen Gelehrten zu gelten hat, die in der rabbinischen Literatur an einigen Stellen erwähnt wird.7 Unser Interesse gilt ausschließlich der Frage nach Gestalt und Bedeutung der in den Pastoralbriefen bezeugten Ordination. Diese Frage, die nach meiner Überzeugung auch ohne den Rekurs auf den rabbinischen Ordinationsritus beantwortet werden kann, sei jetzt unter verschiedenen – einander ergänzenden – Aspekten bedacht.
I. Zur Terminologie Die Pastoralbriefe kennen noch keinen dem lateinischen Wort ordinatio entsprechenden Terminus, sondern sie verwenden jenen Begriff, der das für die Ordination konstitutive Element bezeichnet: ἡ ἐπίθεσις τῶν χειρῶν = „die Handauflegung“ (1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6) bzw. χεῖρας ἐπιτιθέναι = „die Hände auflegen“ (1 Tim 5,22).8 Diese Ausdrücke – und hier insbesondere die verbale Wendung – erscheinen im Neuen Testament auch da, wo in anderen Zusammenhängen von einem Akt der Handauflegung berichtet wird.9 Die besondere Nuance, die dem 13,3); Ders., Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 263. Ich selbst würde heute vorsichtiger urteilen, als ich es in einem früheren Aufsatz mit dem Hinweis auf Apg 6,6; 14,23; 20,28 getan habe: O. Hofius, Ἐπίθεσις τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου. Erwägungen zu der Ordinationsaussage 1 Tim 4,14, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 173–186: 173 Anm. 1 und 174 Anm. 3. 6 S. dazu etwa Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 266 f. 7 S. vor allem TosSanh 1,1; jSanh I 19a,47–56; bSanh 13b.14a. Zur Ordination der jüdischen Gelehrten sind aus der älteren Literatur insbesondere zu nennen: P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch II, München 1924 = ²1956, 647–661; Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament (s. Anm. 2), 28–66 (Literatur: 103 f.). Weitere sowie neuere Literatur s. bei von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt (s. Anm. 2), 224–228; D. Börner-Klein, Art. Ordination II. Judentum, in: TRE 25 (1995) 338–340: 340; C. Hezser, Art. Ordination VIII. Judentum. 1. Antike, in: RGG⁴ VI (2003) 631. – Ob die rabbinische Ordination bereits für die neutestamentliche Zeit vorausgesetzt und als Vorbild für die frühchristliche Ordination angesehen werden kann (so mit Billerbeck und Lohse z. B. Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus [s. Anm. 2], 35 f.), ist unsicher und umstritten (s. dazu etwa von Lips, ebd., 227 f.). Daß die jüdischen Zeugnisse gleichwohl bei einer detaillierten Betrachtung der in den Pastoralbriefen vorliegenden Ordinationsaussagen zu berücksichtigen sind, zeigen exemplarisch die Darlegungen bei Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 264–267. 8 Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament (s. Anm. 2), 85.97 spricht zutreffend von einer Bezeichnung a parte potiore. 9 Eine Handauflegung begegnet bei der Krankenheilung (Mt 9,18; Mk 5,23; 6,5; 7,32; 8,23.25; [16,18]; Lk 4,40; 13,13; Apg 9,12.17 f.; 28,8), bei der Segnung der Kinder (Mk 10,16; Mt
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Begriff der Handauflegung in den Ordinationsaussagen eignet, wird deutlich, wenn man sieht, daß der Vollzug der Amtseinsetzung durch Handauflegung mitsamt der dafür verwendeten Terminologie letztlich dem alttestamentlichen Bericht von der Amtseinsetzung des Josua durch Mose (Num 27,12–23) verpflichtet ist.10 In der Septuaginta-Fassung lautet der Befehl Gottes an Mose: ἐπιθήσεις τὰς χεῖράς σου ἐπ’ αὐτόν – „du sollst deine Hände auf ihn legen“ (Num 27,18), und entsprechend heißt es dann von dem Vollzug: ἐπέθηκεν τὰς χεῖρας αὐτοῦ ἐπ’ αὐτὸν καὶ συνέστησεν αὐτόν – „er legte seine Hände auf ihn und setzte ihn ein“ (Num 27,23; vgl. Dtn 34,9). Im hebräischen Text liegt der Wendung ἐπιτιθέναι τὰς χεῖρας die Formulierung „die Hände aufstemmen“ (sāmak jādajim) zugrunde,11 und dementsprechend wird die Ordination der jüdischen Gelehrten als „Handaufstemmung“ (sᵉmîkāh) bezeichnet. Von daher darf vermutet werden, daß unter der ἐπίθεσις τῶν χειρῶν, von der die Pastoralbriefe sprechen, nicht eine nur leichte Berührung mit der Hand, sondern das kräftige Aufstützen beider Hände zu verstehen ist.12
II. Das ordinationsgebundene Amt Das Amt der Kirche, zu dem nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe ordiniert wird, ist das verbi divini ministerium, d. h. das Amt der Verkündigung und Lehre.13 Was die Briefe über dieses Amt sagen, läßt keinen anderen Schluß zu als den, daß der Verfasser in ihm eine Stiftung Gottes und somit eine Institution erblickt, die – weil iure divino bestehend – zum esse ecclesiae gehört und für das Leben und Zeugnis der Kirche konstitutiv ist.14 Dem so zu kennzeichnenden Amt 19,13.15), bei der Betrauung mit einer bestimmten Aufgabe (Apg 6,6), bei der Aussendung zur Mission (Apg 13,3) und – in einem gewissen Zusammenhang mit der Taufe – als Instrument der Geistmitteilung (Apg 8,17–19; 9,17 f.; 19,6; Hebr 6,2). 10 S. außer Num 27,12–23 auch Dtn 34,9. Die Anknüpfung an diese Texte impliziert nicht eo ipso, daß damit zugleich auch das in ihnen vorliegende Verständnis des Vorgangs übernommen worden ist. S. dazu unten die Anmerkungen 33 und 62. 11 So in Num 27,23 und Dtn 34,9; in Num 27,18 dagegen „die Hand (sic!) aufstemmen“ (sāmak jād). 12 Vgl. J. Jeremias, ΠΡΕΣΒΥΤΕΡΙΟΝ außerchristlich bezeugt, ZNW 48 (1957) 127–132: 129; Ders., Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 35. 13 Wenn im Folgenden von „Verkündigung und Lehre“ gesprochen wird, so ist das Wort „Lehre“ stets als Nomen actionis, d. h. als Ausdruck für die Lehrunterweisung verstanden. 14 Im gleichen Sinn verstehen bereits Paulus selbst und der zu seinem Schülerkreis gehörende Verfasser des Epheserbriefs die kirchlichen Ämter der Verkündigung und der Lehre. Das zeigt sich darin, daß diese Ämter bei beiden in einer Aufzählung erscheinen, in der an erster Stelle das einmalige und einzigartige Amt der Apostel genannt wird: 1 Kor 12,28a; Eph 4,11. – Die Auffassung, daß das kirchliche Amt eine Funktion des allgemeinen Priestertums der Getauften und allein um der Ordnung willen erforderlich sei, hat am neutestamentlichen Zeugnis keinen Anhalt. Wo der Gedanke des Priestertums der Glaubenden begegnet (1 Petr 2,4–10; Apk 1,5b.6; 5,9b.10; 7,14 f.; 20,6; 22,3 f.; auch Hebr 4,16; 9,14; 10,10.14.19–22; 13,10.15), da fehlt
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kommt nach den Pastoralbriefen die Aufgabe der Gemeindeleitung zu, die damit als Leitung durch Verkündigung und Lehre bestimmt ist.15 Wie die Leitung dieser ihrer Bestimmung gemäß wahrzunehmen ist, das bringen insbesondere die beiden Timotheusbriefe zur Sprache, denn in ihnen wird der zum verbi divini ministerium ordinierte Apostelschüler dezidiert als der „idealtypische Gemeindeleiter“16 bzw. „prototypische Amtsträger“17 gezeichnet. Das Timotheus durch die Ordination übertragene Amt ist auf sein Zentrum gesehen Dienst am Evangelium,18 und es liefert als solches das Leitbild für das kirchliche Amt der Gemeindeleitung überhaupt. Die in den beiden Briefen ergehenden Weisungen, die vor allem die Verkündigung und Lehre des Wortes Gottes und von daher dann auch die Ordnung des kirchlichen Lebens und den Kampf gegen Irrlehre betreffen, sind deshalb keineswegs nur Timotheus als ihrem unmittelbaren Adressaten gesagt, sondern sie gelten in gleicher Weise auch den Leitern der einzelnen Gemeinden. Als „indirekte Adressaten“ sollen die Gemeindeleiter sich mit dem Apostelschüler identifizieren, „um sich von Paulus als ihrem Lehrer über Wesen und Pflichten ihres Amtes instruieren zu lassen“.19 Den Träger des Amtes der Gemeindeleitung bezeichnet der Verfasser der Pastoralbriefe als ἐπίσκοπος (1 Tim 3,2; Tit 1,7) und das Amt selbst entsprechend als ἐπισκοπή (1 Tim 3,1).20 Wird – wie es zumeist geschieht – ἐπίσκοπος hier mit „Bischof“ und ἐπισκοπή mit „Bischofsamt“ übersetzt, so darf auf keinen Fall einfach das heutige Verständnis dieser Begriffe unterstellt werden. Die wörtliche Bedeutung ist „Aufseher“21 bzw. „Aufseheramt“, und von daher empfiehlt eine Bezugnahme auf den Dienst der Verkündigung und Lehre. Man kann dagegen nicht die Worte ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε κτλ. von 1 Petr 2,9 ins Feld führen; denn diese beziehen sich keineswegs auf die Predigt des Evangeliums, sondern – wie die Anknüpfung an Jes 43,21 LXX zeigt und in der Peschitta (dtsbrwn tšbḥth) zutreffend zum Ausdruck gebracht wird – auf den die Heilstaten Gottes proklamierenden Lobpreis (vgl. dazu den Gebrauch von ἐξαγγέλλειν in Ψ 9,15; 70,15; 72,28; 78,13; 106,22 [s. auch ἀναγγέλλειν Ψ 9,12; 63,10; 91,3; 95,3; ἀπαγγέλλειν Ψ 70,17 f.; 144,4; εὐαγγελίζεσθαι Ψ 95,2]). S. dazu jetzt in dem vorliegenden Band: 215–228. 15 S. dazu O. Hofius, Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments, in: Ders., Exegetische Studien (s. Anm. 5), 218–239: 232–236. 16 J. Roloff, Die Kirche im Neuen Testament (GNT 10), Göttingen 1993, 263. 17 Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 262. 18 S. dazu besonders 2 Tim 4,5: […] ἔργον ποίησον εὐαγγελιστοῦ, τὴν διακονίαν σου πληροφόρησον. Das Wort εὐαγγελιστής = „Verkündiger des Evangeliums“ ist hier – anders als in Apg 21,8 und in Eph 4,11 – keine Amtsbezeichnung, sondern es kennzeichnet die entscheidende Aufgabe der von Timotheus wahrzunehmenden διακονία. Diese διακονία ist – wie die des Paulus von 1 Tim 1,12 – das, was Apg 6,4 ἡ διακονία τοῦ λόγου genannt wird. 19 Roloff, Die Kirche im Neuen Testament (s. Anm. 16), 263. 20 Neben dem Amt des ἐπίσκοπος (1 Tim 3,1–7; Tit 1,5–9) wird in 1 Tim 3,8–13 das kollegial ausgeübte und nach V. 11 offenbar auch Frauen übertragene Amt der διάκονοι erwähnt (die weibliche Form des Nomens ist ἡ διάκονος). Hier handelt es sich, wie die Verse 8–10 lehren, um ein karitatives Amt, dessen Übertragung offensichtlich nicht durch eine Ordination erfolgt. 21 Diese Bedeutung liegt – mit der Nuance „Hüter“ – in Apg 20,28 vor, wenn dort die „Ältesten“ der Gemeinde von Ephesus als ἐπίσκοποι der Herde Gottes charakterisiert werden. Vgl. dazu das Verbum ἐπισκοπεῖν in 1 Petr 5,2, außerdem auch 1 Petr 2,25: Jesus Christus „der Hirte
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sich – auch wenn man nicht eine Frühdatierung der Pastoralbriefe vertritt – für ἐπίσκοπος die sinngemäße Übersetzung „Gemeindeleiter“ und für ἐπισκοπή die Wiedergabe mit „Amt der Gemeindeleitung“.22 Daß eine Gemeinde nur von einem einzigen ἐπίσκοπος geleitet wird, dürfte in den Pastoralbriefen schwerlich vorausgesetzt sein.23 Zu denken ist vielmehr – wie bei den sonstigen neutestamentlichen Zeugnissen für das Amt der Gemeindeleitung24 – an ein von mehreren Personen kollegial ausgeübtes Amt. Dieses Urteil erführe eine ausdrückliche Bestätigung, wenn der in 1 Tim 5,17.19 und in Tit 1,5 begegnende Begriff πρεσβύτερος nicht wie in 1 Tim 5,1 den älteren Mann meint,25 sondern als Amtsbezeichnung („der Älteste“) verstanden werden muß.26 In diesem Fall ergäbe sich nämlich aus Tit 1,5–9 die Identität von πρεσβύτερος und ἐπίσκοπος,27 und der in Tit 1,5 (sowie in 1 Tim 5,17) zu verzeichnende Plural πρεσβύτεροι wiese demgemäß auf eine Mehrheit von ἐπίσκοποι hin.28 und Hüter eurer Seelen“ (ὁ ποιμὴν καὶ ἐπίσκοπος τῶν ψυχῶν ὑμῶν). – In Phil 1,1 heißt ἐπίσκοποι καὶ διάκονοι „Verwalter und Helfer“, nicht dagegen „Bischöfe und Diakone“. Gemeint sind nicht bestimmte Amtsträger, sondern Gemeindeglieder, die organisatorische bzw. karitative Aufgaben wahrnehmen und die Paulus deshalb eigens hervorhebt, weil er sich ihnen wegen der in 4,10–20 erwähnten Gabensammlung besonders verpflichtet weiß. 22 So – unter der Prämisse einer Frühdatierung – die Wiedergabe bei Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 23.69. Zur Übersetzung s. auch H. Menge, Das Neue Testament, Stuttgart ¹¹1949, 330 (vgl. 339): „Vorsteher“ / „Vorsteheramt“; L. Oberlinner, Die Pastoralbriefe I: Kommentar zum ersten Timotheusbrief (HThK XI/2.1), Freiburg – Basel – Wien 1994, 109: „Episkopos“ / „Episkopenamt (Vorsteheramt)“. 23 Die gegenteilige Auffassung kann sich keineswegs auf den in 1 Tim 3,2 und in Tit 1,7 zu verzeichnenden Singular ὁ ἐπίσκοπος stützen. Dieser ist nämlich grammatisch-syntaktisch durch das εἴ τις des jeweils voraufgehenden Verses (1 Tim 3,1; Tit 1,6) veranlaßt und hat mithin generischen Sinn. – H. Merkel, Die Pastoralbriefe (NTD 9/1), Göttingen 1991, 90 und L. Oberlinner, Die Pastoralbriefe III: Kommentar zum Titusbrief (HThK XI/2.3), Freiburg – Basel – Wien 1996, 24 wollen in der Kennzeichnung des ἐπίσκοπος als θεοῦ οἰκονόμος Tit 1,7 ein Indiz dafür erkennen, daß der Verfasser der Pastoralbriefe den Monepiskopat voraussetzt bzw. ihn zumindest für wünschenswert erachtet. Das überzeugt jedoch dann nicht, wenn man in dieser Kennzeichnung eine Anknüpfung an 1 Kor 4,1 erblickt und mit ihr „die getreue Verwaltung des anvertrauten Glaubensgutes“ (so richtig Oberlinner, ebd.) angesprochen sieht. 24 Für die Träger des kollegial ausgeübten Amtes der Gemeindeleitung finden sich die folgenden Termini: ἡγούμενοι „Führer, Leiter“ (Hebr 13,7.17.24), ποιμένες καὶ διδάσκαλοι „Hirten und Lehrer“ (Eph 4,11), πρεσβύτεροι „Älteste“ (Apg 11,30; 14,23; 20,17; 21,18; Jak 5,14; 1 Petr 5,1). Ihrer Funktion nach werden die πρεσβύτεροι in Apg 20,28 als „Aufseher“ (ἐπίσκοποι) und „Hirten“ (ποιμαίνειν) und in 1 Petr 5,3 f. als „Hirten“ (ποιμαίνειν) gekennzeichnet. – S. im einzelnen: Hofius, Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments (s. Anm. 15), 223–232. 25 So die Deutung bei Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 22.41 f.69 (vgl. auch 8). In der Formulierung οἱ καλῶς προεστῶτες πρεσβύτεροι 1 Tim 5,17 wäre dann von „älteren Männern“ die Rede, „die sich als tüchtige Vorsteher bewähren“. 26 So die meisten Exegeten. 27 Zu vergleichen wäre dann die Kennzeichnung der πρεσβύτεροι von Apg 20,17 als ἐπίσκοποι in Apg 20,28 sowie vor allem die Identität von ἐπίσκοποι und πρεσβύτερος in 1 Klem 44,1–6 (vgl. dazu H. E. Lona, Der erste Clemensbrief [KAV 2], Göttingen 1998, 474 f.). 28 Für die von Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 175 f.268 vertretene These,
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Die Pastoralbriefe – so ist festzuhalten – kennen nur ein einziges durch die Ordination übertragenes Amt: das des ἐπίσκοπος, dem der Dienst der Verkündigung und Lehre übertragen ist. Dabei gibt es kein hinreichendes Indiz für einen Monepiskopat oder gar für den monarchischen Episkopat und ebensowenig für die Stufenfolge „Diakon – Presbyter – Bischof“ sowie für den Gedanken, daß die Einsetzung in das jeweils höhere Amt die Zugehörigkeit zu der niedrigeren Amtsstufe voraussetzt.
III. Der Ordinator Für die Frage, wer nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe die Ordination vollzieht, sind wir zunächst an jene beiden Sätze gewiesen, in denen unter Verwendung des Terminus ἐπίθεσις τῶν χειρῶν die Ordination des Timotheus angesprochen wird (1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6). In 2 Tim 1,6 richtet Paulus an seinen Schüler die Mahnung: „Ich erinnere dich daran, die Gnadengabe Gottes immer wieder anzufachen29, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände (διὰ τῆς ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν μου).“ Dieser Satz ist eindeutig: Timotheus ist von Paulus ordiniert worden, und eine Mitwirkung weiterer Ordinatoren wird nicht erwähnt. Im Unterschied zu 2 Tim 1,6 enthält der Satz 1 Tim 4,14 ein sprachliches Problem. Der Apostel gebietet hier seinem Schüler: „Laß die in dir befindliche Gnadengabe nicht außer acht, die dir […] μετὰ ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου zuteil geworden ist.“30 Was die zunächst unübersetzt gelassenen Worte anlangt, so sehen fast alle Ausleger mit dem Ausdruck τὸ πρεσβυτέριον das Gremium der πρεσβύτεροι bezeichnet,31 und sie finden dementsprechend in dem Satz eine Erinnerung an die Gnadengabe, die Timotheus „unter Handauflegung [der Mitglieder] des Presbyteriums“ empfangen hat. Nach 1 Tim 4,14 wäre Timotheus also von einem Kollegium von „Ältesten“ ordiniert worden, wobei der Satz nicht den leisesten Hinweis darauf enthielte, daß Paulus an diesem Geschehen beteiligt war. Falls der Ausdruck τὸ πρεσβυτέριον in 1 Tim 4,14 tatsächlich die – sprachlich mögliche – Bedeutung „das Ältestenkollegium“ hat, dann muß zwischen der Aussage dieses Verses und derjenigen von 2 Tim 1,6 ein Widerspruch konstatiert werden, für den die Exegese bislang keine befriedigende Erklärung zu daß einer aus dem Gremium der πρεσβύτεροι in der Gemeinde das Amt des ἐπίσκοπος übernimmt, sehe ich im Text der Pastoralbriefe keinen Anhalt gegeben. 29 Bei ἀναζωπυρεῖν will die Aktionsart des Präsens beachtet sein: Es geht um das, was als ständiges bzw. immer wieder neues Tun gefordert ist. Vgl. demgegenüber den punktuellen Infinitiv Aorist ἀναζωπυρῆσαι bei Josephus, Ant VIII 234: Gott wird gebeten, eine wie tot herabhängende Hand „wieder zu beleben“. 30 Die Worte διὰ προφητείας, die ein zusätzliches exegetisches Problem bilden, lasse ich zunächst beiseite. 31 Diese Bedeutung hat πρεσβυτέριον z. B. in den Briefen des Ignatius: Eph 2,2; 4,1; 20,2; Magn 2; 13,1; Trall 2,2; 7,2; 13,2; Phld 4; 7,1; Sm 8,1; 12,2 (vgl. auch Phld 5,1).
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geben vermocht hat. Natürlich fehlt es nicht an Versuchen, den Widerspruch zu erklären und ihn durch exegetische Erwägungen zu beseitigen.32 Keiner dieser Erklärungsversuche, die überwiegend die Ordination durch Paulus für ein theologisches Konstrukt halten, vermag jedoch wirklich zu überzeugen.33 Ein Widerspruch zwischen 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6 ist einzig dann nicht gegeben, wenn man der von Joachim Jeremias vertretenen Auslegung folgt und in 1 Tim 4,14 für τὸ πρεσβυτέριον die sprachlich ebenfalls mögliche Bedeutung „die Ältestenwürde“ annimmt.34 Dann ergibt sich die folgende Übersetzung: „Laß die in dir befindliche Gnadengabe nicht außer acht, die dir […] unter Handauflegung zur [Verleihung der] Ältestenwürde zuteil geworden ist.“35 Daß die Einwände, die in der Exegese gegen dieses Verständnis des Satzes erhoben werden, alles andere als solide begründet sind, habe ich an anderer Stelle gezeigt.36 Nichts spricht somit gegen die Annahme, daß in 1 Tim 4,14 vorausgesetzt ist, was in 2 Tim 1,6 ausdrücklich gesagt wird: daß Paulus seinem Schüler Timotheus die Ordination erteilt hat. 32 Zu nennen sind hier vor allem die bei von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt (s. Anm. 2), 241–243 referierten Lösungsvorschläge 1, 2 und 4. S. ferner auch L. Oberlinner, Die Pastoralbriefe II: Kommentar zum zweiten Timotheusbrief (HThK XI/2.2), Freiburg – Basel – Wien 1995, 30 sowie die in der folgenden Anmerkung skizzierte Deutung M. Wolters. 33 Für keineswegs einleuchtend halte ich auch den Lösungsvorschlag von M. Wolter, Die Pastoralbriefe als Paulustradition (FRLANT 146), Göttingen 1988, 218–222, bes. 219 f. Nach Wolter geht es bei der Formulierung von 2 Tim 1,6 um die Assoziation an „die in Num 27,18.23; Dtn 34,9 belegte und durch Handauflegung vollzogene Designation Josuas durch Mose als dessen Nachfolger“ (219). Die Handauflegung sei dementsprechend anders als in 1 Tim 4,14 „als Sukzessionsritus verstanden“, und die Aussage ziele auf den Gedanken der „Übertragung“: „Zufolge Num 27,20 überträgt Mose dem Josua seine δόξα, und in 2. Tim 1,6 ist es das Charisma Gottes, das vom Apostel auf Timotheus übergeht“ (ebd.). Dazu ist zu sagen, daß in 2 Tim 1,6 von einer „Übertragung“ bzw. einem „Übergang“ des χάρισμα von Paulus auf Timotheus keine Rede ist (s. dazu unten bei Anm. 62). Weder in 2 Tim 1,6 noch auch in 2 Tim 2,1 liegt eine Anspielung auf die Einsetzung Josuas als Nachfolger des Mose vor, so daß hier mit Wolter (ebd., 222) eine theologisch programmatische „Orientierung der Nachfolge Paulus – Timotheus an der Nachfolge Mose – Josua“ zu konstatieren wäre. 34 Jeremias, ΠΡΕΣΒΥΤΕΡΙΟΝ außerchristlich bezeugt (s. Anm., 12); Ders., Zur Datierung der Pastoralbriefe, in: Ders., Abba. Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966, 314–316; Ders., Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 33–36. S. ferner auch D. Daube, The New Testament and Rabbinic Judaism (JLCR 2), London 1956 = New York 1973, 244 f. sowie zu entsprechenden älteren Deutungen (Peschitta, Dionysius der Kartäuser, Johannes Calvin, John Selden) die Hinweise bei Hofius, Ἐπίθεσις τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου (s. Anm. 5), 177–179. Zu den Belegen für πρεσβυτέριον = „Ältestenwürde“ s. Hofius, ebd., 179–181. 35 Der Genitiv τοῦ πρεσβυτερίου ist bei diesem Verständnis ein Genitivus finalis, der „die Intention des Ritus“ angibt (Jeremias, ΠΡΕΣΒΥΤΕΡΙΟΝ außerchristlich bezeugt [s. Anm. 12], 130–132; Ders., Zur Datierung der Pastoralbriefe [s. Anm. 34], 314). Zum adnominalen Genitiv des Zwecks (oder der Wirkung) s. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 166,1 mit Anm. 1. Belege für die Verbindung des mit ἐπίθεσις τῶν χειρῶν bedeutungsgleichen Wortes χειροθεσία mit einem finalen Genitiv sind bei Hofius, Ἐπίθεσις τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου (s. Anm. 5), 183 f. notiert. 36 Hofius, ebd., 179–182.
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Daß Timotheus als der von seinem Lehrer Ordinierte seinerseits andere Personen zum verbi divini ministerium ordiniert, läßt die Anweisung 1 Tim 5,22 erkennen: χεῖρας ταχέως μηδενὶ ἐπιτίθει – „Lege niemandem vorschnell – d. h. ohne gründliche Prüfung der Eignung – die Hände auf!“ Auf Timotheus als Ordinator weist ferner das an ihn gerichtete und später noch genauer zu bedenkende Gebot des Paulus 2 Tim 2,2 hin, das sich auf die bei der Ordination erfolgende Übergabe der apostolischen Lehrtradition bezieht: ἃ ἤκουσας παρ’ ἐμοῦ διὰ πολλῶν μαρτύρων, ταῦτα παράθου πιστοῖς ἀνθρώποις, οἵτινες ἱκανοὶ ἔσονται καὶ ἑτέρους διδάξαι – „Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue zuverlässigen Personen an, die [dann] fähig sein werden, ihrerseits andere zu unterweisen.“37 Aus den zitierten Worten kann zweierlei geschlossen werden: zum einen, daß die „zuverlässigen Personen“ von Timotheus ordiniert werden, und zum andern, daß sie dann ihrerseits diejenigen ordinieren, die zuvor von ihnen in der apostolischen Lehre unterwiesen worden sind. Man wird nicht fehlgehen, wenn man den genannten Anordnungen entnimmt, daß nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe die Ordination zum Amt der Kirche durch solche Personen vollzogen wird, die selbst die Ordination zu diesem Amt empfangen haben.38
IV. Die Voraussetzung für den Empfang der Ordination Daß der Empfang der Ordination an gewisse Voraussetzungen gebunden ist, machen die beiden Episkopenspiegel 1 Tim 3,1–7 und Tit 1,7–9 deutlich, in denen von dem Ordinanden die notwendige Begabung, die persönliche Integrität als Mensch und Christ sowie die Bewährung im Glauben gefordert wird.39 Ob in 1 Tim 4,14 als eine weitere Voraussetzung die Berufung durch Gott genannt wird, hängt von der Interpretation der Aussage ab, daß Timotheus die ihm bei der Ordination verliehene Gnadengabe Gottes διὰ προφητείας μετὰ ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν zuteil geworden sei. Das exegetische Problem dieser Aussage liegt darin, daß das von der Präposition διά abhängige Wort προφητείας sowohl als Genitiv Singular wie auch als Akkusativ Plural gelesen werden kann. Ausleger, die sich für den Genitiv Singular entscheiden und für διὰ προφητείας die Übersetzung „durch Prophetenwort“ / „vermittelst Prophetenwort“ wählen, 37 Vgl. dazu die Anweisung Tit 1,5, daß Titus in den Städten Kretas Gemeindeleiter „einsetzen“ soll. Als Terminus für die Amtseinsetzung erscheint hier das Verbum καθιστάναι, zu dem sein Gebrauch in 1 Klem 42,4 f.; 43,1; 44,2 zu vergleichen ist. Anders als die Timotheusbriefe enthält der Titusbrief keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Ordination des Adressaten; es ist aber ein recht seltsamer Schluß, wenn Wolter, Die Pastoralbriefe als Paulustradition (s. Anm. 33), 188 f. daraus folgert, daß Titus „offenbar als ‚Laie‘ dargestellt“ werden solle. 38 Einen Hinweis darauf, daß die Ordination von dem Inhaber eines hierarchisch übergeordneten Amtes vollzogen wurde, enthalten die Pastoralbriefe nicht. 39 S. außer den beiden Episkopenspiegeln auch 2 Tim 2,2 (πιστοὶ ἄνθρωποι); 2,24–26; Tit 1,6.
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beziehen diese Wendung auf die Ordinationshandlung selbst, und sie verstehen unter der προφητεία „geistgewirkte Worte des Zuspruchs an den einzusetzenden Amtsträger“40 bzw. „den verkündigenden, tröstenden und mahnenden Zuspruch, in dem der Amtsauftrag übermittelt, inhaltlich entfaltet und verpflichtend zugesprochen wurde“.41 Die προφητεία und die ἐπίθεσις τῶν χειρῶν werden dabei als zwei für den Ordinationsakt konstitutive Elemente beurteilt, die als „Bestandteile eines und desselben Vorganges“42 unmittelbar miteinander verbunden und als „gleichgewichtig“43 gedacht sind. Bei dieser Deutung besagt die Präpositionalphrase διὰ προφητείας, daß durch die προφητεία „die Übergabe des Amtscharismas“ erfolgt.44 Dann aber lassen die Worte μετὰ ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν kaum eine andere Interpretation zu als die, daß die Handauflegung lediglich eine die προφητεία begleitende zeichenhafte Geste darstellt.45 Damit wäre ohne Frage ein nicht geringer Widerspruch zu der Aussage von 2 Tim 1,6 gegeben, wonach das Charisma durch die Handauflegung (διὰ τῆς ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν) verliehen wurde. Will man διὰ προφητείας als διά + Genitiv Singular lesen, so müßte man schon übersetzen: „infolge eines Prophetenwortes“.46 Dann wäre in 1 Tim 4,14 von einer Berufung zum Amt die Rede, die der Ordination zeitlich voraufging und die – analog zu dem in Apg 13,1–3 berichteten Geschehen – in einer gottesdienstlichen Versammlung durch den Mund prophetisch begabter Gemeindeglieder erfolgte. Die gleiche Deutung ergibt sich, wenn man in 1 Tim 4,14 die Worte διὰ προφητείας als διά + Akkusativ Plural interpretiert und dort ausgesagt findet, daß Timotheus die Handauflegung, unter der ihm die Gnadengabe Gottes zuteil wurde, „aufgrund von Prophetenworten“ empfangen hat. Für dieses Verständnis spricht der Tatbestand, daß das Wort προφητεία in den Pastoralbriefen nur noch 40 So von Lips, Ordination III. Neues Testament (s. Anm. 2), 342,18 f.; s. dazu ausführlich Ders., Glaube – Gemeinde – Amt (s. Anm. 2), 243–246.250–253. 41 So Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 258. Vgl. ebd., 103: die „Worte“, mit denen Timotheus bei der Ordination „der Dienstauftrag verbindlich erteilt worden ist“; 267: „verkündigender Zuspruch an den Ordinanden“; 271: „Wort der Beauftragung und Sendung, das den Auftrag, zu dem die Gabe des Geistes zurüstet und fähig macht, konkret benennt, indem es ansagt, was in der jeweiligen geschichtlichen Situation der Kirche nach Gottes Willen an der Zeit ist.“ 42 Roloff, ebd., 257 Anm. 181. 43 von Lips, Ordination III. Neues Testament (s. Anm. 2), 342,25. 44 So Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 101. 45 Roloff, ebd., 257 Anm. 181 bemerkt zwar zu Recht, daß sich für die beiden Wendungen μετὰ ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν 1 Tim 4,14 und διὰ τῆς ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν 2 Tim 1,6 Bedeutungsgleichheit nahelege. Ein instrumentales Verständnis der μετά-Wendung dürfte in 1 Tim 4,14 aber nur dann möglich sein, wenn nicht bereits die ihr voraufgehende διά-Wendung das Mittel benennt, durch das Timotheus das χάρισμα empfangen hat. 46 So Hofius, Ἐπίθεσις τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου (s. Anm. 5), 184 mit dem Hinweis, daß mit διά c. gen. die Veranlassung bezeichnet werden kann (also: „kraft“, „infolge“); vgl. Röm 12,3; Gal 1,15; 4,23; Phm 22.
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in 1 Tim 1,18 und hier im Plural vorkommt.47 Timotheus wird dort mit dem Hinweis auf die einst über ihn ergangenen „Prophetenworte“ dazu ermuntert, im Vertrauen auf diese und durch sie ermutigt den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen.48 Mit dem „guten Kampf“, von dem in den Pastoralbriefen mehrfach gesprochen wird,49 ist der Dienst am Evangelium gemeint, zu dem unabdingbar die Bereitschaft gehört, um des Evangeliums willen zu leiden.50 Setzt man die relevanten Aussagen zueinander in Beziehung, dann ergibt sich für das Verständnis der προφητεῖαι von 1 Tim 1,18 und 1 Tim 4,14: Durch die „Prophetenworte“, die seiner Ordination vorausgingen, wurde Timotheus zu eben jenem von Leiden gezeichneten, aber zugleich auch unter der Verheißung des eschatologischen Siegespreises stehenden Kampf für das Evangelium berufen,51 den Paulus selbst bereits durchgekämpft hat.52 In dem Hinweis auf die προφητεῖαι kommt somit zum Ausdruck, daß die Berufung durch Gott die unerläßliche Voraussetzung für die Ordination bildet.53
V. Die Handauflegung und die Verleihung des Amtscharismas Wenden wir uns nunmehr der Ordinationshandlung selbst zu, so kann es nicht darum gehen, deren Verlauf zu rekonstruieren. Man wird zwar aus dem in 1 Tim 6,12b und in 2 Tim 2,2 begegnenden Hinweis auf die Anwesenheit „vieler 47 Vgl. Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament (s. Anm. 2), 81; I. H. Marshall, A Critical and Exegetical Commentary on The Pastoral Epistles (ICC), Edinburgh 1999, 566. – Keineswegs stichhaltig ist der Einwand, daß in 1 Tim 4,14 vor προφητείας der Artikel stehen müßte, wenn die Konstruktion διά + Akkusativ intendiert wäre (so von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt [s. Anm. 2], 252 und ihm folgend Roloff, Der erste Brief an Timotheus [s. Anm. 2], 257 Anm. 181). Da in 4,14 – anders als in 1,18 – ganz allgemein von „Prophetenworten“ gesprochen wird, ist hier die Setzung des Artikels, der den Nominalbegriff ja determinieren würde, grammatisch unmöglich. 48 1 Tim 1,18.19a: ταύτην τὴν παραγγελίαν παρατίθεμαί σοι, τέκνον Τιμόθεε, κατὰ τὰς προαγούσας ἐπὶ σὲ προφητείας, ἵνα στρατεύῃ ἐν αὐταῖς τὴν καλὴν στρατείαν ἔχων πίστιν καὶ ἀγαθὴν συνείδησιν. Mit der Formulierung „im Vertrauen auf diese und durch sie ermutigt“ nehme ich die Worte ἐν αὐταῖς V. 18b auf, in denen die Präposition ἐν kausalen Sinn haben dürfte (zu dieser Bedeutung s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 526 s. v. III.3.a). 49 S. neben 1 Tim 1,18.19a auch: 1 Tim 6,12a (ἀγωνίζου τὸν καλὸν ἀγῶνα τῆς πίστεως); 2 Tim 2,3 (καλὸς στρατιώτης Χριστοῦ Ἰησοῦ); 4,7 (s. u. Anm. 52). 50 2 Tim 1,8 (συγκακοπαθεῖν τῷ εὐαγγελίῳ); 2,3; 4,5; vgl. auch 3,10 f. 51 1 Tim 1,18,19a: s. o. Anm. 48; 1 Tim 6,12a: s. o. Anm. 49. 52 2 Tim 4,7.8a: τὸν καλὸν ἀγῶνα ἠγώνισμαι, τὸν δρόμον τετέλεκα, τὴν πίστιν τετήρηκα· λοιπὸν ἀπόκειταί μοι ὁ τῆς δικαιοσύνης στέφανος, ὃν ἀποδώσει μοι ὁ κύριος ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ, ὁ δίκαιος κριτής. 53 V. Hasler, Die Briefe an Timotheus und Titus (Pastoralbriefe) (ZBK.NT 12), Zürich 1978, 18 sieht in den προφητεῖαι einen Hinweis auf die „Autonomie und Entscheidungsbefugnis“ bzw. auf den „charismatischen Rechtsanspruch“ der gottesdienstlichen Versammlung – schwerlich zu Recht.
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Zeugen“54 folgern dürfen, daß die Ordination im Gottesdienst der versammelten Gemeinde erfolgte,55 über dessen liturgische Gestalt aber sind allenfalls Vermutungen möglich. Die entscheidenden Elemente des Ordinationsvollzugs dagegen lassen sich den Pastoralbriefen durchaus entnehmen. Das für die Ordination konstitutive und somit schlechterdings unverzichtbare Element bildet, wie nicht zuletzt in ihrer Bezeichnung als ἐπίθεσις τῶν χειρῶν zum Ausdruck kommt, die Handauflegung.56 Deren Bedeutung ergibt sich aus den beiden Aussagen 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6, die jetzt noch einmal als ganze zitiert und in Übersetzung wiedergegeben seien. Die Weisung von 1 Tim 4,14 lautet: μὴ ἀμέλει τοῦ ἐν σοὶ χαρίσματος, ὃ ἐδόθη σοι διὰ προφητείας μετὰ ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν τοῦ πρεσβυτερίου – „Laß die in dir befindliche Gnadengabe nicht außer acht, die dir aufgrund von Prophetenworten57 unter Handauflegung zur [Verleihung der] Ältestenwürde zuteil geworden ist.“ Entsprechend heißt es in 2 Tim 1,6: ἀναμιμνῄσκω σε ἀναζωπυρεῖν τὸ χάρισμα τοῦ θεοῦ, ὅ ἐστιν ἐν σοὶ διὰ τῆς ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν μου – „Ich erinnere dich daran, die Gnadengabe Gottes immer wieder anzufachen, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände.“ Wie die beiden Sätze lehren, besteht das Wesen der Ordination nicht darin, daß eine Gemeinde bestimmten von ihr erwählten Personen das Amt der Verkündigung und Lehre überträgt. Die Übertragung des Amtes wie auch die Bevollmächtigung zu ihm erfolgt vielmehr durch Gott selbst und also durch den, der das verbi divini ministerium in der Kirche gestiftet hat und Menschen zu diesem Dienst beruft.58 Die beiden zitierten Texte sprechen im Blick darauf von einem spezifischen χάρισμα, das durch die Handauflegung wirksam vermittelt wird. Die Handauflegung ist mithin nicht nur ein Segensgestus, der die Übergabe des Amtsauftrags begleitet, und auch nicht bloß ein Akt der Bestätigung, mit dem die Amtsübertragung sichtbar bekräftigt wird, sondern sie ist „ein sakramentaler Akt“,59 d. h. eine „effektive Handlung, in der dem Ordinanden etwas zuteil wird, was er zuvor nicht hatte“.60 Subjekt dieser 54 1 Tim 6,12b: ἐνώπιον πολλῶν μαρτύρων „vor vielen Zeugen“; 2 Tim 2,2: διὰ πολλῶν μαρτύρων „in Gegenwart vieler Zeugen“ (zu der hier vorliegenden Bedeutung von διά c. gen. s. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 361 s. v. A.III.2.a). 55 Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 267 vermutet mit gutem Grund, daß die μάρτυρες „wohl mit der gottesdienstlichen Gemeinde zu identifizieren“ sind. 56 Vgl. Roloff, ebd., 267, der zutreffend erklärt, daß es sich bei der Handauflegung um die „konstitutive Mitte“ des Vorgangs handelt. – Der Gedanke, daß die Handauflegung bei der Ordination auch unterbleiben oder durch ein anderes Element wie etwa den Handschlag ersetzt werden könne, ist mit dem Ordinationsverständnis der Pastoralbriefe gänzlich unvereinbar. 57 Oder, wenn προφητείας als Genitiv Singular gelesen wird: „infolge eines Prophetenwortes“. 58 Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament (s. Anm. 2), 84 betont zu Recht: „Wie die Berufung ein Handeln Gottes war, so handelt er auch bei der Ordination.“ 59 H. von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten (BHTh 14), Tübingen 1953, 126; M. Dibelius / H. Conzelmann, Die Pastoralbriefe (HNT 13), Tübingen ³1955, 56; Brox, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 2), 181 f. 60 Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 267 (Hervorhebung dort).
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Handlung ist Gott allein, und das durch sie vermittelte χάρισμα ist seine Gabe.61 In 1 Tim 4,14 kommt das durch das Passivum divinum ἐδόθη zum Ausdruck, und in 2 Tim 1,6 wird es durch die Wendung τὸ χάρισμα τοῦ θεοῦ angezeigt, in der – wie dann V. 7 bestätigt – die Worte τοῦ θεοῦ als ein Genitivus auctoris zu beurteilen sind. An beiden Stellen ist bereits durch die sprachliche Formulierung ausgeschlossen, daß der Ordinator durch die Handauflegung ein ihm selbst eignendes Charisma an den Ordinanden weitergibt oder daß hier eine übertragbare Qualität von dem Ordinator auf den Ordinanden übergeht.62 Fragen wir, worin das χάρισμα des näheren besteht, dann will beachtet sein, daß nach Tit 3,5 alle an Christus Glaubenden bereits als Getaufte den Heiligen Geist empfangen haben. Von daher kann mit dem χάρισμα nicht das πνεῦμα schlechthin gemeint sein,63 sondern nur eine besondere Ausrüstung durch den Heiligen Geist, die den Ordinierten zur Ausübung des ihm übertragenen Amtes befähigt.64 Das χάρισμα ist die dem Ordinierten von Gott verliehene „Amts61 Vgl. Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament (s. Anm. 2), 84: „Gott allein verleiht das χάρισμα.“ 62 S. dazu Lohse, ebd., 84.92. Zu Unrecht erklärt dagegen Brox, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 2), 182: „Die Handauflegung übertrug die Kraft von denen, die sie besitzen, auf den nachfolgenden bzw. delegierten Amtsträger.“ Ebenso unhaltbar ist die Interpretation bei Wolter, Die Pastoralbriefe als Paulustradition (s. Anm. 33), 218–222 (s. dazu oben Anm. 33). Bei der in Num 27,20 erwähnten Übertragung der Autorität (MT: hôd, LXX: δόξα) des Mose auf Josua und bei der für die rabbinische Ordination wesentlichen Weitergabe der von Mose überkommenen Autorität des Lehrers an den Schüler handelt es sich nicht um Sachparallelen zu der in 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6 bezeugten Verleihung des χάρισμα an den Ordinierten. 63 Vgl. Marshall, Commentary on The Pastoral Epistles (s. Anm. 47), 564 f. 64 So zutreffend J. Calvin in seinem Kommentar zum 1. Timotheusbrief (1552); s. Ioannis Calvini in Novum Testamentum Commentarii VII, hg. v. A. Tholuck, Berlin ⁴1864, 424 zu 4,14: Dicit collatam esse (sc. gratiam) cum impositione manuum, quo significat, una cum ministerio necessariis etiam dotibus ornatum fuisse. […] Itaque sensus est, Timotheum, quum Prophetarum voce ascitus fuit in ministerium, et deinde solenni ritu ordinatus, simul gratia Spiritus sancti instructum fuisse ad functionem suam exsequendam. Unde colligimus non inanem fuisse ritum: quia consecrationem, quam homines impositione manuum figurabant, Deus Spiritu suo implevit. Ich füge eine möglichst genaue Übersetzung hinzu: „Er (Paulus) sagt, daß die Gnadengabe unter Handauflegung übertragen worden ist, womit er anzeigt, daß er (Timotheus) zugleich mit dem Empfang des Amtes auch mit den notwendigen Gaben ausgestattet worden ist. […] Der Sinn ist deshalb, daß Timotheus, als er durch die Stimme der Propheten in das Amt berufen und dann in einer feierlichen Handlung [in dieses] eingesetzt wurde, zugleich zur Ausführung seiner Aufgabe mit der Gnadengabe des Heiligen Geistes ausgestattet worden ist. Daraus folgern wir, daß die Handlung nicht ein leerer Ritus gewesen ist – eben weil Gott die Weihe, die Menschen mit der Handauflegung zum Ausdruck gebracht haben, mit seinem Geist erfüllt hat.“ S. ferner auch die Darlegungen Calvins in: Kommentar zum 2. Timotheusbrief (1552) zu 2 Tim 1,6 (Commentarii VII [s. o.], 463 f.); Institutio Christianae religionis (1559) IV 3,16 (Opera selecta V, hg. v. P. Barth / W. Niesel, ²1962, 56 f.); IV 19,28 (ebd., 462 f.). – Da es bei der Handauflegung darum geht, daß der von Gott selbst zum Amt Berufene durch den, der ihn berufen hat, zur Ausübung des Amtes ausgerüstet wird, tangiert der Gedanke der Amtsgnade keineswegs denjenigen der Taufgnade. Daß die Ordination in den Pastoralbriefen „eine Bedeutung hat, die eine Abwertung der Taufe als Zeichen der allgemeinen Geist- und Gnadenmitteilung
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gnade“,65 und diese geistliche Gabe ist fortan „in“ ihm und „nimmt ihn in Pflicht“.66 Wenn der Verfasser der Pastoralbriefe dazu ermahnt, das χάρισμα nicht „außer acht zu lassen“ (1 Tim 4,14) und es immer wieder „anzufachen“ (2 Tim 1,6), dann zeigt dies: Die Gnadengabe Gottes begründet eine Befähigung, die der Ordinierte „bewähren muß, hinter welcher er zurückbleiben kann, die jedenfalls fortbesteht, so daß jederzeit daran erinnert und neu darauf verpflichtet werden kann“.67 Das χάρισμα ist gegeben und vorhanden, aber es bedarf zu seiner Wirksamkeit gewissermaßen der ständigen Aktivierung, indem es ernstgenommen und in der Ausübung des Dienstes am Evangelium stets neu in Anspruch genommen wird. Daß wir in dem durch die Handauflegung vermittelten χάρισμα τοῦ θεοῦ die göttliche Ausrüstung und Befähigung zur angemessenen Amtsführung zu erblicken haben, das findet seine Bestätigung durch den jeweiligen Kontext der beiden Ordinationsaussagen 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1,6. Was zunächst den Satz 2 Tim 1,6 anlangt, so sind hier die fest mit ihm verbundenen Verse 2 Tim 1,7 f. zu nennen. Der durch γάρ an V. 6 angeschlossene V. 7 begründet und bekräftigt die Weisung, die Gabe Gottes immer wieder „anzufachen“, indem er den Begriff des χάρισμα τοῦ θεοῦ erläutert:68 οὐ γὰρ ἔδωκεν ἡμῖν ὁ θεὸς πνεῦμα δειλίας, ἀλλὰ δυνάμεως καὶ ἀγάπης καὶ σωφρονισμοῦ – „Gott hat uns ja nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern [einen Geist] der Kraft und der Liebe und der Selbstüberwindung.“69 Was Gott durch die Gabe des χάρισμα dem Ordinierten schenkt, das ist demnach die Freiheit von aller Menschenfurcht, die Kraft zur Verkündigung des Evangeliums, die Liebe zu den Menschen, denen die Botschaft ausgerichtet wird, und die Selbstüberwindung angesichts aller Widerstände, mit denen der Verkündiger in seinem Amt zu rechnen hat. Dementsprechend beschreibt V. 870 die Wirkung des von Gott verliehenen Amtscharismas dahingehend, daß es den Ordinierten dazu befähigt, sich furchtlos zu dem von Paulus verkündigten Evangelium als dem „Zeugnis von unserem einerseits, als grundlegender Verpflichtung aller Glaubenden andererseits impliziert“ (so von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt [s. Anm. 2], 263; vgl. 287 Anm. 13), vermag ich nicht zu sehen. 65 So z. B. Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 35; von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten (s. Anm. 59), 126; Dibelius / Conzelmann, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 59), 56; Brox, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 2), 181 f. Nicht korrekt ist dagegen die Bestimmung des χάρισμα als „Amtsauftrag“ bei Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 255; Oberlinner, Pastoralbriefe I (s. Anm. 22), 208. 66 Roloff, ebd., 255. 67 Brox, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 2), 181. 68 In 2 Tim 1,7 bezieht sich der Plural ἡμῖν m. E. nicht auf alle Christen, sondern auf die mit der Verkündigung des Evangeliums beauftragten und zu ihrem Dienst durch den Geist Gottes ausgerüsteten Amtsträger. 69 Die Übersetzung von σωφρονισμός mit „Selbstüberwindung“ übernehme ich von Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 49. 70 2 Tim 1,8: μὴ οὖν ἐπαισχυνθῇς τὸ μαρτύριον τοῦ κυρίου ἡμῶν μηδὲ ἐμὲ τὸν δέσμιον αὐτοῦ, ἀλλὰ συγκακοπάθησον τῷ εὐαγγελίῳ κατὰ δύναμιν θεοῦ.
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Herrn“71 zu bekennen und wie der Apostel für dieses Evangelium zu leiden72. Der unmittelbare Kontext liefert so den entscheidenden Kommentar zu der Ordinationsaussage von 2 Tim 1,6. Das gleiche gilt auch für die Ordinationsaussage von 1 Tim 4,14, die fest in dem Abschnitt 1 Tim 4,12–16 verankert ist. In V. 13, der dieser Aussage unmittelbar vorausgeht, wird Timotheus in Hinsicht auf die Leitung des Gottesdienstes geboten, sich eifrig „der Lesung, der Predigt und der Unterweisung“ zu widmen,73 und den Abschnitt beschließt in V. 16 die Mahnung, sorgsam an der „Lehre“ des Evangeliums festzuhalten, das ihm selbst und denen, die seine Verkündigung hören, das eschatologische Heil bringt.74 Das in den beiden Sätzen V. 13 und V. 16 Gebotene zu tun, das bedeutet: das χάρισμα nicht außer acht zu lassen, das bei der Ordination von Gott geschenkt worden ist. Das χάρισμα bildet – wie daraus gefolgert werden kann – das tragende Fundament für die Befolgung der zahlreichen Weisungen, durch die in den Pastoralbriefen die wesentlichen Aufgaben des verbi divini ministerium beschrieben werden. Das heißt: Das ihm verliehene Charisma befähigt den Amtsträger zur rechten Leitung des Gottesdienstes,75 zur reinen Verkündigung und Lehre des Evangeliums,76 zur treuen Bewahrung der apostolischen Lehrtradition,77 zur verantwortlichen Einsetzung weiterer Amtsträger,78 zur entschiedenen Abwehr der Irrlehre79 – und mit dem allen zur makellosen Wahrnehmung des mit der Ordination gegebenen Amtsauftrags80 und zur ungeteilten Erfüllung des durch sie übertragenen Dienstes81. Blicken wir an dieser Stelle auf das zur Handauflegung Gesagte zurück, so sind zwei auffallende Tatbestände zu notieren und in aller Kürze zu kommentieren: zum einen, daß im Zusammenhang mit der ἐπίθεσις τῶν χειρῶν 71 Der Vergleich mit Röm 1,16 spricht dafür, daß mit den Worten τὸ μαρτύριον τοῦ κυρίου ἡμῶν 2 Tim 1,8a das εὐαγγέλιον von V. 8b gemeint ist. Zu der Verbindung von μαρτύριον mit einem den Gegenstand bezeichnenden Genitivus objectivus vgl. 1 Kor 1,6 (τὸ μαρτύριον τοῦ Χριστοῦ) sowie ferner auch Apg 4,33. 72 Vgl. o. Anm. 50. 73 1 Tim 4,13: πρόσεχε τῇ ἀναγνώσει, τῇ παρακλήσει, τῇ διδασκαλίᾳ. Bei der gottesdienstlichen ἀνάγνωσις dürfte auch die Verlesung von Briefen des Paulus gemeint sein; vgl. dazu etwa Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 254; Oberlinner, Pastoralbriefe I (s. Anm. 22), 206 f. Zu παράκλησις als Ausdruck für die Predigt vgl. Apg 13,15; Hebr 13,22. Zu διδασκαλία in der Bedeutung „Unterweisung“ s. 1 Tim 5,17; 2 Tim 3,10; Tit 2,7 (vgl. Röm 12,7). 74 1 Tim 4,16: ἔπεχε σεαυτῷ καὶ τῇ διδασκαλίᾳ, ἐπίμενε αὐτοῖς· τοῦτο γὰρ ποιῶν καὶ σεαυτὸν σώσεις καὶ τοὺς ἀκούοντάς σου. 75 1 Tim 4,13. 76 Wortverkündigung: 2 Tim 2,15; 4,2.5; Lehrunterweisung: 1 Tim 4,11.13.16; 2 Tim 4,2; Tit 2,7. 77 1 Tim 6,20; 2 Tim 1,14; vgl. auch 3,14. 78 1 Tim 5,22; Tit 1,5. 79 1 Tim 1,3–11.18–20; 4,1–11; 6,3–5.20 f.; 2 Tim 2,14–4,5; Tit 1,10–16; 3,8–11. 80 1 Tim 6,14. Zur Deutung der ἐντολή s. Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 352 mit Anm. 115. 81 2 Tim 4,5.
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jeder Hinweis auf das Gebet fehlt,82 und zum andern, daß als Amtsaufgabe des Ordinierten nirgends – und nicht einmal bei der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Gottesdienst (1 Tim 4,13) – die Feier des Heiligen Abendmahls erwähnt wird. Was das Gebet anlangt, so darf ein solches angesichts dessen, was Apg 6,6; 13,3; 14,23 berichtet wird, sicher vorausgesetzt werden. Zu denken wäre an ein epikletisches Gebet mit der von Erhörungsgewißheit getragenen Bitte, daß Gott den von ihm zum Amt der Verkündigung und der Lehre Berufenen mit dem χάρισμα ausrüsten möge. Hinsichtlich der Feier des Heiligen Abendmahls kann das Schweigen der Texte vielleicht damit erklärt werden, daß ihre Zuordnung zum Dienst der Verkündigung als selbstverständlich galt.83
VI. Die Übergabe der apostolischen Lehrtradition und das Bekenntnis des Ordinanden Weil die Ordination die Einsetzung in das Amt der Verkündigung und Lehre ist, deshalb gehören zu ihr als weitere wesentliche Elemente die Übergabe der apostolischen Lehrtradition und das Bekenntnis des Ordinanden. Die Übergabe der apostolischen Lehrtradition ist in den bereits zitierten und jetzt noch einmal in Übersetzung mitgeteilten Worten 2 Tim 2,2 angesprochen, in denen Paulus seinem Schüler Timotheus gebietet: „Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue zuverlässigen Personen an, die [dann] fähig sein werden, ihrerseits andere zu unterweisen.“ Diese Worte haben mit dem zu tun, was nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe der zentrale Inhalt der Verkündigung und der Lehrunterweisung ist. Es ist dies das Evangelium, das Paulus unmittelbar von Gott selbst anvertraut wurde und zu dessen „Verkündiger“ und „Lehrer“ er als der ἀπόστολος Χριστοῦ Ἰησοῦ in einmaliger und grundlegender Weise berufen und eingesetzt worden ist.84 Das Evangelium85 ist gemeint, wenn der Verfasser der Pastoralbriefe von dem zu verkündigenden „Wort“86 oder von der im Glauben zu erkennenden „Wahrheit“87 spricht, und es ist Gegenstand und Inhalt der „apostolischen Lehrtradition“ (διδασκαλία), die 82 Daß die προφητεία von 1 Tim 4,14 nicht auf ein Gebet gedeutet werden kann, betont mit Recht Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 102. An ein Gebet denkt dagegen z. B. Oberlinner, Pastoralbriefe I (s. Anm. 22), 211; ebenso deutet bereits M. Luther, Vorlesung über den 1. Timotheusbrief (1528), WA 26, 83,10–12. 83 Man könnte dazu auf Apg 2,42; 20,7–12 hinweisen. 84 1 Tim 1,11; 2,7; 2 Tim 1,8–11; Tit 1,3. 85 Das Wort εὐαγγέλιον erscheint in 1 Tim 1,11; 2 Tim 1,8.10; 2,8. 86 ὁ λόγος: 2 Tim 4,2; ὁ λόγος τοῦ θεοῦ: 2 Tim 2,9; Tit 1,3; 2,5; ὁ λόγος τῆς ἀληθείας: 2 Tim 2,15. Im Unterschied zu dem an diesen Stellen zu verzeichnenden Gebrauch von λόγος dürfte der Ausdruck ὁ κατὰ τὴν διδαχὴν πιστὸς λόγος Tit 1,9 die Predigt meinen. 87 1 Tim 2,4.7; 3,15; 4,3; 6,5; 2 Tim 2,15.18.25; 3,7 f.; 4,4; Tit 1,1.14. Auf diese Glaubenswahrheit beziehen sich auch die Begriffe πίστις = fides quae creditur (1 Tim 2,7; 3,9; 4,1.6; 5,8; 6,10; Tit 1,4.13) und εὐσέβεια (1 Tim 3,16; 6,3; Tit 1,1).
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aller kirchlichen Verkündigung und Unterweisung verbindlich vorgegeben ist.88 Diese apostolische Lehrtradition und somit das tradierte Evangelium selbst gilt dem Verfasser als eine παραθήκη,89 d. h. als ein „heiliges anvertrautes Gut“90, das in der Kirche unverändert bewahrt, vor aller Verfälschung durch Irrlehre geschützt und denen, die zum Dienst am Wort berufen werden, verantwortlich weitergegeben werden muß. Was Timotheus bei seiner Ordination von Paulus „gehört“ hat, das ist also das dem Apostel von Gott selbst anvertraute Gut (2 Tim 1,12), das dem Apostelschüler weitergegeben wurde, damit er es „hüte“ und „bewahre“ (1 Tim 6,20; 2 Tim 1,14).91 Das schließt nach 2 Tim 2,2 die Verpflichtung ein, die von Paulus herkommende normative Lehrtradition durch die Ordination unversehrt an andere weiterzugeben, die dann ihrerseits das gleiche zu tun verpflichtet sind.92 In welcher Weise die Übergabe der Lehrtradition geschah, wissen wir nicht. Denkbar ist, daß eine Zusammenfassung der entscheidenden Aussagen des von Paulus verkündigten Evangeliums verlesen wurde. Der apostolischen Lehrtradition korrespondiert das Bekenntnis des Ordinanden, das vielleicht als Antwort auf deren Übergabe verstanden werden darf93. Auf dieses Bekenntnis – und nicht auf das Taufbekenntnis – bezieht sich m. E. die Aussage von 1 Tim 6,12b, wonach Timotheus „vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis bekannt hat“94 (ὡμολόγησας τὴν καλὴν ὁμολογίαν ἐνώπιον πολλῶν μαρτύρων)95. Den entscheidenden Hinweis auf den Inhalt des Bekenntnisses 88 Für die apostolische „Lehre“ als Gegenstand der ebenfalls als διδασκαλία bezeichneten Lehrunterweisung (1 Tim 4,13; 5,17; 2 Tim 3,10; Tit 2,7) erscheinen neben dem einfachen ἡ διδασκαλία (1 Tim 4,16; 6,1) die folgenden Wendungen: ἡ ὑγιαίνουσα διδασκαλία (1 Tim 1,10; 2 Tim 4,3; Tit 1,9; 2,1), ἡ καλὴ διδασκαλία (1 Tim 4,6), ἡ κατ’ εὐσέβειαν διδασκαλία (1 Tim 6,3), ἡ διδασκαλία ἡ τοῦ σωτῆρος ἡμῶν θεοῦ (Tit 2,10). 89 1 Tim 6,20; 2 Tim 1,12.14. 90 Jeremias, Die Briefe an Timotheus und Titus (s. Anm. 2), 47; vgl. auch ebd., 51. 91 Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs mit 2 Tim 1,14 („Bewahre das [dir anvertraute] kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt“) darf man fragen, ob nicht auch der vorangehende Satz 2 Tim 1,13 die bei der Ordination erfolgende Übergabe der apostolischen Lehrtradition im Blick hat: ὑποτύπωσιν ἔχε ὑγιαινόντων λόγων ὧν παρ’ ἐμοῦ ἤκουσας ἐν πίστει καὶ ἀγάπῃ τῇ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ – „Als Vorbild gesunder Worte (d. h. Lehre) halte das, was du von mir gehört hast, fest im Glauben und in der Liebe, die in Christus Jesus [ihr Fundament haben].“ 92 Der hier greifbare Sukzessionsgedanke wird in Teil VII des Aufsatzes weiter zu bedenken sein. 93 So Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 267. 94 Bei den Worten ὁμολογεῖν τὴν καλὴν ὁμολογίαν hat der Verfasser bereits die Formulierung μαρτυρεῖν τὴν καλὴν ὁμολογίαν von V. 13 mit im Blick, so daß es sich hier nicht um die Figura etymologica handelt. Deshalb wähle ich bewußt nicht die Übersetzung „das gute Bekenntnis ablegen“. Zu der Erwähnung der „vielen Zeugen“ vgl. die auf die Ordination hinweisende Aussage von 2 Tim 2,2. 95 Zur Begründung der Deutung von 1 Tim 6,12b auf das Ordinationsbekenntnis s. Roloff, Der erste Brief an Timotheus (s. Anm. 2), 340–358; vgl. auch E. Käsemann, Das Formular einer neutestamentlichen Ordinationsparänese, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen ²1960, 101–108. – Die Frage, wie der Inhalt des von Timotheus abgelegten
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liefert der auf V. 12b folgende Satz, in dem gesagt wird, daß Jesus ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου „das gute Bekenntnis bezeugt hat“ (1 Tim 6,13). Hier erscheint im Unterschied zu V. 12b (ὁμολογεῖν τὴν καλὴν ὁμολογίαν) die recht ungewöhnliche Formulierung μαρτυρεῖν τὴν καλὴν ὁμολογίαν. In der Aussage über Timotheus ist mit dem Ausdruck ἡ καλὴ ὁμολογία in objektivem Sinn der Bekenntnisgegenstand, d. h. die von dem Ordinierten bekannte „Glaubenswahrheit“ gemeint,96 nicht dagegen der Akt des Bekennens. Um eben diese und keine andere ὁμολογία handelt es sich auch in der Aussage über das Zeugnis Jesu.97 Das heißt: Timotheus hat genau das „bekannt“, was Jesus ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου „bezeugt“ hat. Die Bestimmung ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου könnte dabei bedeuten: „vor Pontius Pilatus“, so daß von einem Wort-Zeugnis Jesu die Rede wäre.98 Parallelen in der frühchristlichen Literatur sprechen jedoch für die Übersetzung „unter Pontius Pilatus“ (= „zur Zeit des Pontius Pilatus“)99 – und dann bezieht sich das Zeugnis Jesu auf sein ganzes Sein und Wirken.100 Das aber ist der Inhalt des Evangeliums und der apostolischen Lehrtradition. Versteht man 1 Tim 6,13 in dem skizzierten Sinn, dann hat Timotheus bei seiner Ordination das bekannt, was Inhalt der ihm übergebenen παραθήκη ist: die Person und das Werk Jesu Christi.101 Mit dem Ordinationsbekenntnis hat er sich verpflichtet, unbeirrbar an der παραθήκη festzuhalten und in Verkündigung und Lehre das Evangelium unverfälscht auszurichten, und bei diesem Bekenntnis kann er von den vielen behaftet werden, die Zeugen seiner Ordination gewesen sind.
Bekenntnisses zu bestimmen ist, wird in der Exegese überaus kontrovers beantwortet. Im Folgenden beschränke ich mich darauf, meine eigene Sicht darzulegen und zu begründen. Mit den entsprechenden Ausführungen korrigiere ich das in O. Hofius, Art. ὁμολογέω κτλ., in: EWNT II (1981) 1255–1263: 1263 Gesagte. 96 Der Ausdruck ἡ καλὴ ὁμολογία tritt damit den Begriffen ἡ καλὴ διδασκαλία 1 Tim 4,6 und ἡ καλὴ παραθήκη 2 Tim 1,14 an die Seite. Zu ὁμολογία in objektivem Sinn vgl. Hebr 3,1; 4,14; 10,23. 97 Die Verse 1 Tim 6,12 f. sprechen also keineswegs von einer Parallelität zwischen dem Bekennen Jesu und dem Bekennen des Timotheus. 98 So Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 580 s. v. ἐπί I.1.a.δ; 999 s. v. μαρτυρέω 1.d. 99 Zu dieser Bedeutung von ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου s. Ignatius, Trall 9,1; Sm 1,2; Justin, Apol I 13,3; 46,1; 61,13; Dial 30,3; 76,6; 85,2; vgl. ferner auch Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 580 f. s. v. ἐπί I.2. 100 Vgl. dazu die Aussagen bei Ignatius, Magn 11 (Jesu Geburt, Tod und Auferstehung ἐν καιρῷ τῆς ἡγεμονίας Ποντίου Πιλάτου); Trall 9,1 (Jesu Geburt, menschliches Leben und Verfolgungsleiden ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου); Sm 1,2 (Jesu Kreuzigung ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου). Auf diese Stellen verweisen zu 1 Tim 6,13 mit Recht etwa Dibelius / Conzelmann, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 59), 67; Merkel, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 23), 51. 101 Vgl. dazu die geprägten christologisch-soteriologischen Aussagen der Pastoralbriefe: 1 Tim 1,15; 2,5 f.; 3,16b; 2 Tim 1,9 f.; 2,8; Tit 2,13 f.; 3,4–7.
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VII. Die apostolische Sukzession Wie insbesondere der bereits mehrfach angeführte Satz 2 Tim 2,2 zeigt, ist mit den Ordinationsaussagen der Pastoralbriefe die Vorstellung einer Sukzession verbunden – nämlich der Gedanke, daß die apostolische Lehrtradition in kontinuierlicher Abfolge von Amtsträger zu Amtsträger weitergegeben wird. Die Kontinuität in der Abfolge der Amtsträger hat dabei keinen anderen Sinn als den, der kontinuierlichen Bezeugung des Evangeliums zu dienen, und sie ist dementsprechend nur da gegeben, wo die apostolische Lehrtradition unverfälscht bewahrt wird. Hier stellt sich nun die Frage, wie das Verhältnis zwischen dem mit der Ordination übertragenen verbi divini ministerium und dem Amt des am Ursprung der Lehrtradition stehenden Apostels zu bestimmen ist. In welchem Sinn kann hier von einer „Nachfolge“ gesprochen werden? Der Befund der Pastoralbriefe scheint mir eindeutig zu sein: Die zum verbi divini ministerium Ordinierten sind nicht in dem Sinn „Nachfolger“ des Apostels, daß sie in sein Amt eintreten, sondern sie sind es präzise in dem Sinn, daß sie in strenger Bindung an das grundlegende Zeugnis des Apostels mit der Verkündigung und Lehre des von ihm bezeugten Evangeliums beauftragt sind. Dieser Sachverhalt läßt sich – zugleich exemplarisch für alle Gemeindeleiter – an Timotheus aufzeigen, der als unmittelbarer Schüler in einer besonders ausgezeichneten Weise in der Nachfolge des Paulus steht.102 Für Paulus als den von Gott selbst mit dem Evangelium und seiner Verkündigung Betrauten (1 Tim 1,11; Tit 1,3) gibt es nach den gewichtigen Aussagen von 1 Tim 2,7 und 2 Tim 1,11 eine dreifache Bestimmung: Er ist κῆρυξ, ἀπόστολος und διδάσκαλος – „Verkündiger“, „Apostel“ und „Lehrer“. Von Timotheus hingegen wird nur ein Zweifaches ausgesagt – nämlich: das „Verkündigen“ (κηρύσσειν 2 Tim 4,2) und das „Lehren“ (διδάσκειν 1 Tim 4,11; 6,2). Obwohl also Timotheus in seiner Eigenschaft als εὐαγγελιστής (2 Tim 4,5) ein mehrere Gemeinden übergreifendes Leitungsamt innehat, ist er doch kein Apostel. Worin sich das apostolische Amt des Paulus fundamental von dem kirchlichen Amt des Timotheus und demjenigen aller Gemeindeleiter unterscheidet, das kommt in 1 Tim 2,7 und in 2 Tim 1,11 klar zum Ausdruck: Paulus ist durch Gottes Setzung ganz unmittelbar dem Evangelium zugeordnet und mit seiner ganzen Existenz an es gebunden.103 Deshalb können ihm in 2 Tim 1,8 die an Timotheus gerichteten Worte in den Mund gelegt werden: „Schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn und auch nicht meiner, der ich sein Gefangener bin.“104 Wie dieser Satz zeigt, ist das Evangelium nicht ohne den Apostel und der Apostel nicht Das zeigt am deutlichsten die Anweisung von 1 Tim 4,13. Die in 1 Tim 2,7 und in 2 Tim 1,11 begegnende Formulierung εἰς ὃ ἐτέθην ἐγὼ κτλ. entspricht dem ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον θεοῦ von Röm 1,1. 104 Beachtenswert ist das Verhältnis dieses Satzes zu der Selbstaussage des Paulus in Röm 1,16. 102 103
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ohne das Evangelium zu denken. Bindung an das Evangelium heißt also eo ipso Bindung an das grundlegende Zeugnis des Apostels, und das gilt für Timotheus selbst wie auch für alle späteren Verkündiger und Lehrer. Der damit greifbare Sukzessionsgedanke konzentriert sich ganz auf Paulus, so daß mit Recht bemerkt worden ist, daß die Pastoralbriefe nur eine „paulinische“ Sukzession kennen.105 Ihre Sicht fügt sich allerdings voll dem ein, was in anderen neutestamentlichen Schriften über die Einmaligkeit und Einzigartigkeit der Apostel Jesu Christi gesagt wird.106 Die Apostel sind dem Zeugnis jener Schriften zufolge nicht Träger eines kirchlichen Amtes, sondern sie gehören unmittelbar in das Geschehen der die Kirche begründenden und tragenden Offenbarung Gottes in Jesus Christus mit hinein. Ihre Einmaligkeit und Einzigartigkeit ist dadurch gegeben, daß sie den begrenzten Kreis der Augenzeugen bilden, denen sich der gekreuzigte und auferstandene Christus in den Ostererscheinungen zu erkennen gegeben und die er damit zugleich zu authentischen Zeugen seiner Person und seines Werkes berufen hat. Was den Aposteln in der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn erschlossen und zur Verkündigung anvertraut wurde, ist das inhaltlich klar bestimmte Evangelium. Als die unmittelbar von Christus selbst berufenen Zeugen des Evangeliums sind die Apostel „früher als die Kirche“107 und dieser als verbindliche Autorität und Traditionsnorm vorgegeben.108 Deshalb haben sie in ihrem Amt prinzipiell keine Nachfolger. In welcher Weise vom Zeugnis der Pastoralbriefe bzw. des ganzen Neuen Testaments her im Blick auf die ordinierten Träger des kirchlichen Amtes der Verkündigung und Lehre von einer „apostolischen Sukzession“ zu sprechen ist, das läßt sich jetzt so beschreiben: Die Sukzession besteht nicht darin, daß das Amt der Apostel an „Nachfolger“ übertragen und dann durch die Zeit der Kirche hindurch in einer ununterbrochenen Kette weitergegeben wird, wobei die in die Sukzession Eingetretenen durch einen besonderen hierarchischen Status und durch nur ihnen verliehene Vollmachten wie etwa die Weihegewalt ausgezeichnet wären. Die „apostolische Sukzession“ hat ihr Wesensmerkmal vielmehr in der strengen Bindung an das von den Aposteln authentisch und verbindlich bezeugte Evangelium, und sie ist somit als die Sukzession in der gehorsamen Bezeugung und unverfälschten Weitergabe der Wahrheit des Evangeliums zu bestimmen. Brox, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 2), 240; Merkel, Die Pastoralbriefe (s. Anm. 23), 62 f. dazu von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten (s. Anm. 59), 13–31; O. Cullmann, Die Tradition als exegetisches, historisches und theologisches Problem, Zürich 1954, 28–41; O. Hofius, Die Einzigartigkeit der Apostel Jesu Christi, in: Ders., Exegetische Studien (s. Anm. 5), 189–202. 107 von Campenhausen, ebd., 25. 108 In Eph 2,20 werden deshalb die Apostel – und mit ihnen zugleich auch die ihr Zeugnis in den Einzelgemeinden vertretenden Propheten – als das durch den „Eckstein“ Jesus Christus ausgerichtete und festgelegte „Fundament“ bezeichnet, auf dem die Kirche erbaut ist. Dem entspricht, was Mt 16,18 (im Kontext der Verse 13–20) von Petrus gesagt wird. 105
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VIII. Der soteriologische Aspekt In einem letzten Schritt unserer Überlegungen ist nun noch eine Frage zu bedenken, die – wie mir scheint – in der Exegese der Pastoralbriefe nicht immer die gebührende Beachtung findet. Es ist die Frage nach dem Grund dafür, daß in ihnen der Ordination sowie der kontinuierlichen Weitergabe des Evangeliums durch die ordinierten Amtsträger jenes große Gewicht beigemessen wird, das wir aufgezeigt haben. Die Antwort ergibt sich aus der Wahrnehmung dessen, was in den Briefen über die eschatologische σωτηρία, d. h. über das in Jesus Christus beschlossene „Heil“ gesagt wird.109 Der Verfasser bezeichnet in gleicher Weise Gott und Christus als den „Retter“ (σωτήρ) der vor Gott verlorenen Menschen,110 und er begreift – einen zentralen Gedanken paulinischer Theologie aufnehmend – das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus als den differenzierten Zusammenhang von Heilstat und Heilswort.111 Nach 1 Tim 2,5–7 hat „der Mensch Christus Jesus“ als der eine und einzige „Mittler“ zwischen Gott und den Menschen „sich selbst für alle als Lösegeld dahingegeben“, und mit dieser seiner Heilstat ist unlöslich das Heilswort verbunden – nämlich das „zur rechten Zeit“ ausgerichtete „Zeugnis“112, für das Paulus eingesetzt wurde als „Verkündiger“, „Apostel“ und „Lehrer“. Genau die gleiche Aussagestruktur weisen die Worte 2 Tim 1,10 f. auf: „Der Retter Christus Jesus“ hat in der Heilstat seines Todes und seiner Auferstehung „den Tod entmachtet“ und im unmittelbaren Zusammenhang damit „Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht“ – nämlich durch das Heilswort des „Evangeliums“, für das Paulus eingesetzt wurde als „Verkündiger“, „Apostel“ und „Lehrer“. Wie sich aus der Parallelität der beiden Texte ergibt, ist das μαρτύριον von 1 Tim 2,6 nichts anderes als das εὐαγγέλιον von 2 Tim 1,10b, das in 2 Tim 1,8 ausdrücklich als μαρτύριον τοῦ κυρίου ἡμῶν bezeichnet wird. Das Evangelium, das Paulus zur grundlegenden Verkündigung anvertraut wurde,113 ist das „Wort 109 Der Ausdruck σωτηρία ἡ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ begegnet in 2 Tim 2,10, und ihm entspricht die Wendung ζωὴ ἡ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ von 2 Tim 1,1. Die zukünftige σωτηρία besteht in der ζωὴ αἰώνιος (1 Tim 1,16; 6,12; Tit 1,2; 3,7 [vgl. auch 1 Tim 4,8; 6,19; 2 Tim 1,10]) bzw. in der δόξα αἰώνιος (2 Tim 2.10). 110 Gott: 1 Tim 1,1; 2,3; 4,10; Tit 1,3; 2,10; 3,4 (vgl. σῴζειν 2 Tim 1,9; Tit 3,5). – Christus: 2 Tim 1,10; Tit 1,4; 2,13; 3,6 (vgl. σῴζειν 1 Tim 1,15). 111 Das hat bereits M. Luther in seiner Vorlesung über den 1. Timotheusbrief (1528) nachdrücklich zu 1 Tim 2,6 herausgestellt: WA 26, 39,25–41,23 (vgl. auch ebd., 13,25–14,29 [zu 1,8]; 65,18–66,8 [zu 3,16]). Zu Paulus selbst s. O. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), ²1994, 148–174: 148–150. 112 1 Tim 2,6b: τὸ μαρτύριον καιροῖς ἰδίοις. Der Akkusativ τὸ μαρτύριον ist hier wie eine Apposition an ὁ δοὺς ἑαυτὸν ἀντίλυτρον ὑπὲρ πάντων V. 6a angeschlossen (vgl. Röm 12,1) und steht für ἵνα τοῦτο μαρτυρῆται. Der Ausdruck καιροὶ ἴδιοι meint die von Gott bestimmte Zeit, in der das μαρτύριον in der Verkündigung laut wird (vgl. Tit 1,3). 113 S. dazu neben 1 Tim 2,5–7 und 2 Tim 1,10 f. auch Tit 1,3: ἐφανέρωσεν δὲ (sc. ὁ θεὸς)
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der Wahrheit“114, in dem Gott selbst das in Christus beschlossene Heil offenbar macht, und dieses Heil wird Menschen da zuteil, wo es unter dem Hören des Evangeliums zur „Erkenntnis der Wahrheit“ kommt.115 Daß das Evangelium laut wird, das ist demnach die notwendige Bedingung dafür, daß Menschen im Glauben an Christus das Heil empfangen.116 Die gleiche Bedingung gilt dann auch dafür, daß die Glaubenden im Glauben und damit in dem ihnen erschlossenen Heil bewahrt bleiben.117 Weil so das Heil der Menschen von der Bezeugung des Evangeliums abhängt, deshalb erachtet es der Verfasser der Pastoralbriefe für unabdingbar, daß die mit der Verkündigung und Lehre beauftragten Amtsträger bei ihrer Ordination in die Sukzession derer eintreten, die an die apostolische Lehrtradition gebunden sind und sich an sie gebunden wissen. Und weil es zur rechten Ausübung des Amtes über die persönlichen Qualitäten und Fähigkeiten hinaus der Ausrüstung durch Gott selbst bedarf, deshalb erblickt er in dem durch die Handauflegung vermittelten Amtscharisma die entscheidende Gabe der Ordination. Die Pastoralbriefe weisen den zum verbi divini ministerium Ordinierten zweifellos eine besondere Stellung innerhalb der Gemeinde zu.118 Dabei will allerdings beachtet sein, daß nach dem Zeugnis der Briefe die Autorität der Amtsträger keine andere ist und sein kann als die des Evangeliums, dem sie selbst wie alle anderen Gemeindeglieder das Heil verdanken und für dessen reine Verkündigung und Lehre sie um des Heils der Menschen willen verantwortlich sind.119 Dementsprechend liegt auch die Würde des durch die Ordination übertragenen Amtes ausschließlich darin, daß es im Dienst der Heilszueignung steht.
καιροῖς ἰδίοις τὸν λόγον αὐτοῦ ἐν κηρύγματι, ὃ ἐπιστεύθην ἐγὼ κατ’ ἐπιταγὴν τοῦ σωτῆρος ἡμῶν θεοῦ. 114 2 Tim 2,15: ὁ λόγος τῆς ἀληθείας. 115 S. dazu besonders 1 Tim 2,4 (ὃς πάντας ἀνθρώπους θέλει σωθῆναι καὶ εἰς ἐπίγνωσιν ἀληθείας ἐλθεῖν) mitsamt der Begründung 1 Tim 2,5–7 und zum Begriff der „Erkenntnis der Wahrheit“ ferner 2 Tim 2,25; 3,7; Tit 1,1. Was den Gedanken anlangt, daß die eschatologische σωτηρία schon jetzt zugeeignet wird, so sind die aoristischen Formulierungen ὁ σώσας ἡμᾶς 2 Tim 1,9 und ἔσωσεν ἡμᾶς Tit 3,5 zu vergleichen. 116 Lehrreich sind hier auch die Verse 1 Tim 1,15 f. mit der Korrespondenz der beiden Aussagen Χριστὸς Ἰησοῦς ἦλθεν εἰς τὸν κόσμον ἁμαρτωλοὺς σῶσαι, ὧν πρῶτός εἰμι ἐγώ V. 15 und πρὸς ὑποτύπωσιν τῶν μελλόντων πιστεύειν ἐπ’ αὐτῷ εἰς ζωὴν αἰώνιον V. 16. 117 S. dazu 1 Tim 4,16 (im Kontext der Verse 11–16) und 2 Tim 2,10 (im Kontext der Verse 8–10). 118 Das betont mit Recht von Lips, Glaube – Gemeinde – Amt (s. Anm. 2), 265; vgl. 263.283. Seine kritischen Folgerungen (s. 279–283, aber auch bereits 260–263) vermag ich allerdings nicht nachzuvollziehen. 119 Nach 1 Tim 4,6 ist der mit dem verbi divini ministerium Beauftragte dann ein καλὸς διάκονος Χριστοῦ Ἰησοῦ, wenn er „sich von den Worten der Glaubenswahrheit und der guten Lehre nährt“, d. h. sich in seinem gesamten Wirken an der das Evangelium bezeugenden apostolischen Lehrtradition als der ihm vorgegebenen Richtschnur orientiert.
Das Predigtamt der Kirche und das Priestertum aller Gläubigen I Die Kirche Jesu Christi lebt aus dem gepredigten Evangelium. Das ist deshalb so, weil das Evangelium nicht ein menschliches Wort ist, sondern in strengem Sinn Gottes eigenes Wort, durch das Menschen wirkmächtig zum Glauben an Jesus Christus berufen und in diesem Glauben erhalten werden. Lebt die Kirche aber aus dem Evangelium, so bedarf es notwendig jenes Amtes der Verkündigung, das da, wo man sich der Reformation verpflichtet weiß, bevorzugt als „Predigtamt“ oder als „ministerium verbi divini“ – als „Dienst am göttlichen Wort“ – bezeichnet wird.1 Der lateinische Ausdruck zeigt dabei an, daß der kirchlichen Verkündigung das Wort Gottes verbindlich vorgegeben ist.2 Aus diesem Grund hat das Predigtamt sein Wesensmerkmal in der gehorsamen Bindung an das von den Aposteln Jesu Christi authentisch bezeugte und im Neuen Testament zuverlässig dokumentierte Evangelium und damit in der unverfälschten Weitergabe des apostolischen Christuszeugnisses. Wem aber ist das ministerium verbi divini aufgetragen? In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird weithin die Überzeugung vertreten, daß das Amt der Verkündigung prinzipiell allen Getauften und also der Kirche bzw. Gemeinde als ganzer zukommt, daß die Kirche oder Gemeinde aber um der Ordnung willen die öffentliche Ausübung des ihr eignenden Amtes bestimmten Personen überträgt, die von ihr zu solchem Dienst berufen werden. Für diese Sicht, die nicht selten als das spezifisch evangelische Amtsverständnis angesehen wird, beruft man sich in Sonderheit auf Martin Luther3 sowie daneben auch auf die Confessio 1 Der Begriff ministerium verbi divini (auch verbi divini ministerium oder ministerium verbi) ist im Anschluß an ἡ διακονία τοῦ λόγου Apg 6,4 gebildet. Zu vergleichen sind in Lk 1,2 die Bezeichnung der Apostel als „Diener des Wortes“ (ὑπηρέται τοῦ λόγου) und in Apg 20,24 die Paulus in den Mund gelegten Worte ἡ διακονία ἣν ἔλαβον παρὰ τοῦ κυρίου Ἰησοῦ, διαμαρτύρασθαι τὸ εὐαγγέλιον τῆς χάριτος τοῦ θεοῦ. Bei Paulus selbst s. διακονία in Röm 11,13; 2 Kor 3,8.9b; 4,1; 5,18; 6,3 und vgl. διάκονος 1 Kor 3,5; 2 Kor 3,6; 6,4; 11,23 (Eph 3,7; Kol 1,7.23.25; 4,7). 2 S. dazu sowie zur Bestimmung des Verhältnisses von Evangelium und Verkündigung: O. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 148–174: 150–154; Ders., „Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17, in: J. von Lüpke / E. Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus. FS Oswald Bayer, Tübingen 2009, 71–86: 75–83 (in dem vorliegenden Band: 105–120: 108–117). 3 Genannt wird hier als grundlegend die Schrift ‚De instituendis ministris Ecclesiae‘ von 1523 (WA 12, 169–196). Der lateinische Text mit Übersetzung (R. und R. Preul) findet sich in:
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Augustana4, und ihre biblische Grundlage findet man in den neutestamentlichen Aussagen über das Priestertum aller Glaubenden. Ob die Berufung auf den Reformator und auf die Confessio Augustana zu Recht erfolgt, ist in der Forschung umstritten und soll jetzt nicht erörtert werden.5 Es geht im Folgenden vielmehr um die Frage, ob die soeben erwähnte biblisch-exegetische Begründung einer Nachprüfung standzuhalten vermag.
II Der Gedanke des Priestertums aller Glaubenden findet sich im Neuen Testament lediglich in drei Schriften – nämlich im Hebräerbrief, in der Offenbarung des Johannes und im Ersten Petrusbrief. Im Hebräerbrief werden die Glieder des zu Jesus Christus gehörenden Volkes Gottes zwar nirgends „Priester“ genannt, wohl aber werden sie in eindrücklicher Weise als Priester, ja sogar als Hohepriester gekennzeichnet. Dem Christuszeugnis des Briefes6 zufolge hat Jesus, der Sohn Gottes, durch sein Selbstopfer am Kreuz allen Glaubenden den Zugang zum himmlischen Allerheiligsten eröffnet, so daß sie bei seiner Wiederkunft – in der Stunde der Heilsvollendung – in die unmittelbare Nähe und Gegenwart des lebendigen Gottes eintreten und ihn dort schauen und anbeten dürfen.7 Antizipiert wird dieses hohepriesterliche Vorrecht bereits hier und jetzt im Gottesdienst der Gemeinde: in ihrem „Hinzutreten“ zu dem Thron Gottes, das im Gebet und im Lobpreis Gottes geschieht.8 Daß den Glaubenden mit der hohepriesterlichen Berufung – der κλῆσις ἐπουράνιος 3,1 – zugleich auch das Amt der Verkündigung aufgetragen sei, läßt sich dem Hebräerbrief nicht entnehmen.9 M. Luther, Lateinisch-Deutsche Studienausgabe, Bd. 3: Die Kirche und ihre Ämter, hg. v. G. Wartenberg / M. Beyer, Leipzig 2009, 575–647. Zu weiteren Äußerungen Luthers s. u. Anm. 25. 4 Die These ist dann die, daß in CA V mit dem „Predigtamt“ bzw. dem ministerium docendi evangelii der allen Getauften anvertraute Dienst der Verkündigung gemeint und erst in CA XIV von dem durch die Ordination übertragenen besonderen Amt die Rede sei. 5 Ich merke nur an, daß ich das in der vorigen Anmerkung erwähnte Verständnis von CA V nirgends überzeugend begründet sehe und im Blick auf Luthers nicht leicht zu erschließende Äußerungen zum Amt die Darlegungen von Werner Führer für einleuchtend halte: W. Führer, Reformation ist Umkehr. Rechtfertigung, Kirche und Amt in der Reformation und heute – Impulse aus kritischer Gegenüberstellung, Göttingen 2016, 81–102. 6 S. besonders Hebr 1,1–4; 2,5–18; 4,14–5,10; 7,1–10,18. 7 Zu den soteriologischen Aussagen des Hebräerbriefes s. O. Hofius, Biblische Theologie im Lichte des Hebräerbriefes, in: Ders., Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, 361–377: 369–376. 8 Hebr 4,16; 7,25; 9,14; 10,22; 13,15. 9 Zum Amt der Verkündigung s. Hebr 13,7 sowie ferner auch 13,17 und 13,24. Den Nachweis, daß den ἡγούμενοι von Hebr 13,7.17.24 die Verkündigung des Wortes Gottes übertragen ist, s.
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Was die Offenbarung des Johannes anlangt, so begegnet der Gedanke des Priestertums der Glaubenden expressis verbis in dem Lobpreis Jesu Christi 1,5b.610, in dem von himmlischen Wesen gesungenen „neuen Lied“ 5,9b.1011 und in der Seligpreisung 20,6, die all denen gilt, die der Auferstehung zum ewigen Leben teilhaftig werden12. Nach dem Zeugnis der beiden hymnischen Texte hat Christus diejenigen, die er durch sein Blut erlöst hat, zu „Priestern“ für Gott, seinen Vater, gemacht (1,6a; 5,10a). Wie dieses ihr Priester-Sein zu verstehen ist, das wird nicht zuletzt im Licht der Aussagen von 7,14b–17 (V. 15!) und 22,3–5 (V. 3!) deutlich. Der Satz, daß alle Glaubenden zu „Priestern“ gemacht sind, hat die noch ausstehende Heilsvollendung im Blick, in der den Erlösten die unmittelbare Gemeinschaft mit dem heiligen Gott zuteil werden wird. Als die durch Christi Sühnetod von allen Sünden Gereinigten dürfen sie dann Gott nahen, ewig an dem Ort seiner Gegenwart weilen, ihm im himmlischen Gottesdienst dienen13 und sein Angesicht schauen.14 Der alttestamentliche Gedanke, daß die Priester von Gott „geheiligt“ und ihm „heilig“ sind15 und daß sie deshalb unmittelbaren Zugang zu ihm haben, ist hier metaphorisch auf alle Glaubenden bezogen.16 Daß die in diesem Sinn zu „Priestern“ Gemachten in ihrem irdischen Leben als Verkündiger des Evangeliums wirken sollen oder wirken, wird in der Offenbarung des Johannes mit keiner Silbe auch nur angedeutet. Während sich die Frage, ob mit dem Priestertum aller Glaubenden das Amt der Evangeliumsverkündigung verbunden ist, für den Hebräerbrief und für die Offenbarung des Johannes in einigen wenigen Sätzen beantworten läßt, bedarf bei O. Hofius, Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments. Eine Skizze, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 218–239: 231 f. 10 Dem gekreuzigten und auferstandenen Christus gilt die Doxologie: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern für seinen Gott und Vater, – ihm gebührt die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit! Amen.“ 11 Das geschlachtete Lamm wird dafür gepriesen, daß es Menschen aus allen Völkern mit seinem Blut „für Gott erkauft“ und sie für ihn „zu einem Königtum und zu Priestern gemacht“ hat. 12 Alle, die an der ersten Auferstehung Anteil haben, werden im Tausendjährigen Reich „Priester Gottes und Christi“ sein und „zusammen mit ihm (sc. mit Christus) herrschen“. 13 In 7,15 und 22,3 ist das Verbum λατρεύειν zu beachten, das den priesterlichen Dienst bezeichnet. 14 Vgl. D. Sänger, Art. Priester/Priestertum I/4. Neues Testament, in: TRE 27 (1997) 396– 401: 400: Die Priester sind es, „die als die ‚Knechte Gottes‘ (22,3) im himmlischen Gottesdienst (vgl. Apk 4 f.) sich Gott unmittelbar nahen, ihm dienen und sein Angesicht schauen dürfen (Apk 22,3–5), so daß ,das Priestersein der Erlösten […] seine eschatologische Erfüllung in der Erfahrung der Nähe und Anwesenheit Gottes‘ findet“. Sänger zitiert E. Schüssler-Fiorenza, Priester für Gott. Studien zum Herrschafts- und Priestermotiv in der Apokalypse (NTA NF 7), Münster 1972, 401. 15 Lev 21,1–24 (bes. 6–8); Esr 8,28. 16 Vgl. J. Roloff, Die Offenbarung des Johannes (ZBK.NT 18), Zürich 1984, 35: Die durch Christus Erlösten „haben, wie die Priester im Alten Testament, unmittelbaren Zugang zum Bereich Gottes, ja sie gehören diesem Bereich an.“
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der Erste Petrusbrief einer ausführlicheren Erörterung. Ihm wenden wir uns deshalb erst an dritter Stelle und in einem eigenen Argumentationsgang zu.
III Von dem Priestertum aller Glaubenden ist im Ersten Petrusbrief in dem Abschnitt 2,4–10 die Rede, in dem die christliche Gemeinde als das neue Volk Gottes beschrieben wird, das er in seiner freien Gnade erwählt und zu seinem Eigentum gemacht hat. Der Verfasser legt zunächst in den Versen 2,4 f. den Tatbestand dar, und er verweist sodann in den Versen 2,6–10 auf das entsprechende prophetische Zeugnis der Heiligen Schrift Israels, wobei er die relevanten Stellen nicht nur zitiert, sondern zugleich auch kommentiert.17 In den Versen 2,4 f. wird in metaphorischer Sprache gesagt: Diejenigen, die im Glauben mit Jesus Christus, dem „lebendigen Stein“, verbunden sind,18 werden als „lebendige Steine“ zu einem „geistlichen Haus“ aufgebaut.19 Das Bild des „geistlichen Hauses“, das die Gemeinde als den wahren Tempel Gottes kennzeichnet,20 geht dann in V. 5 sogleich in ein weiteres Bild über: Die Glaubenden sind „eine heilige Priesterschaft“, deren Aufgabe darin besteht, „geistliche Opfer darzubringen, die Gott durch Jesus Christus wohlgefällig sind“ (ἱεράτευμα ἅγιον ἀνενέγκαι πνευματικὰς θυσίας εὐπροσδέκτους θεῷ διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ). Dieses Bild der „heiligen Priesterschaft“, auf dem in V. 5 der Akzent liegt, hat innerhalb der Verse 6–10 seine Entsprechung in den folgenden, an die Empfänger des Briefes gerichteten Worten des V. 9: „Ihr […] seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Volksgemeinschaft, ein Volk zum Eigentum21, damit ihr die Heilstaten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (ὑμεῖς […] γένος ἐκλεκτόν, βασίλειον ἱεράτευμα, ἔθνος ἅγιον, λαὸς εἰς περιποίησιν, ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε τοῦ ἐκ σκότους ὑμᾶς καλέσαντος εἰς τὸ θαυμαστὸν αὐτοῦ φῶς). In diesem Satz werden hohe alttestamentliche Prädikate des Gottesvolkes Israel auf die christliche Gemeinde übertragen. Die Bezeichnung der Gemeinde als βασίλειον ἱεράτευμα und ἔθνος ἅγιον ist dabei dem Wort Gottes an Israel von Ex 19,6 LXX 17 Die Hinweise auf das Zeugnis der Schrift werden in 2,6 eingeleitet durch die Wendung διότι περιέχει ἐν γραφῇ = „es heißt ja in der Schrift“; διότι ist wie in 1,16 und 1,24 kausale Konjunktion („denn“), nicht dagegen, wie manche Ausleger urteilen, Folgerungspartikel („darum“). Die in 2,6–10 zitierten Schriftworte versteht der Verfasser des Briefes im Sinn dessen, was er in 1,10–12 gesagt hat. 18 Ihre Bezeichnung als „Glaubende“ erscheint – im Anschluß an die Worte ὁ πιστεύων ἐπ’ αὐτῷ οὐ μὴ καταισχυνθῇ des in V. 6 zitierten und auf Christus bezogenen Schriftzitats Jes 28,16 – ausdrücklich in V. 7: ὑμῖν οὖν ἡ τιμὴ τοῖς πιστεύουσιν. 19 Das Prädikat οἰκοδομεῖσθε V. 5 ist m. E. als Indikativ, nicht als Imperativ zu lesen. 20 Vgl. 1 Kor 3,9–17; 6,19; Eph 2,19–22; 1QS 8,5–10. 21 D. h. ein zum Eigentum Gottes erwähltes Volk.
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entnommen, und der Bestimmung, daß ihre Glieder als γένος ἐκλεκτόν und λαὸς εἰς περιποίησιν die „Heilstaten“ Gottes „verkünden“ sollen, liegen die Verse Jes 43,20 f. LXX zugrunde.22 Die soeben zitierten Worte von 1 Petr 2,9 gelten ohne jeden Zweifel ausnahmslos allen an Christus Glaubenden. Sie alle werden mit der Metapher der „königlichen Priesterschaft“ als von Gott erwählte, zu seinem Dienst geheiligte und dadurch mit höchster Würde bekleidete Menschen angesprochen.23 Es ist dieser Satz aus dem Ersten Petrusbrief, auf den vor allem sich in Theologie und Kirche diejenigen berufen, die unter Hinweis auf den Gedanken des Priestertums aller Gläubigen die Ansicht vertreten, daß die Verkündigung des Evangeliums der Kirche bzw. der Gemeinde in ihrer Gesamtheit aufgetragen sei und das Predigtamt mithin prinzipiell allen Glaubenden zukomme. Vorausgesetzt wird dabei, daß in 1 Petr 2,9 mit dem griechischen Verbum ἐξαγγέλλειν, das ich in meiner Übersetzung des Verses mit „verkünden“ wiedergegeben habe, die Predigt des Evangeliums gemeint sei. In eben diesem Sinn hat Martin Luther das Wort verstanden. „Ihr […] seid […] das königliche Priestertum […], daß ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“24 – so lautet die Übersetzung des Reformators, und seine Auslegung kommt exemplarisch zur Sprache, wenn er erklärt: „Wir sind alle Priester, […], daß wir alle zu aller Zeit und an allerlei Orten Gottes Wort und Werk verkündigen sollen.“25 Obwohl die hier vorliegende Deutung 22 In 1 Petr 2,9 hat αἱ ἀρεταί wie schon in Jes 43,21 LXX und ebenso in Jes 42,12; 63,7 LXX die Bedeutung „Großtaten“ / „Machttaten“ / „Wundertaten“ u. ä. Gemeint sind die Heilstaten Gottes, d. h. sein rettendes Handeln in Jesus Christus. Die Redeweise ist hier die der hellenistischen Aretalogie. Zum Vergleich s. αἱ ἀρεταί in der Delischen Sarapis-Aretalogie des Maiistas (Ende 3. Jahrhundert v. Chr.), IG XI,4 1299,48 f.: πᾶν δὲ κατ’ ἦμαρ σὰς ἀρετὰς ἤειδεν („jeden Tag besang er deine Wundertaten“). Daß in diesem Satz das Verbum ἀείδειν („singen“, „besingen“, „preisen“) erscheint, verdient im Blick auf 1 Petr 2,9 besondere Beachtung. 23 Auf die einzigartige Hoheit und Würde hebt das Epitheton „königlich“ ab. 24 Hervorhebung von mir. – Zwischen den deutschen Verben „verkünden“ und „verkündigen“ sollte sprachlich unterschieden werden: das erstere bezeichnet die Kundgabe, die Proklamation, das letztere die Predigt, die kirchliche Verkündigung. 25 So in Luthers Predigt zur Einweihung der Schloßkirche zu Torgau am 5. Oktober 1544: WA 49, 590 f. (Druck). Zu Luthers Verständnis von 1 Petr 2,9 ist vor allem auf die Ausführungen in ‚De instituendis ministris Ecclesiae‘ hinzuweisen: WA 12, 179,38–180,32. Daraus sei 180,22 f. zitiert: praeceptum […], ut annuncient virtutes dei, quod certe est aliud nihil, quam verbum dei predicare („die Weisung, Gottes Heilstaten zu verkündigen, bedeutet mit Gewißheit nichts anderes, als das Wort Gottes zu predigen“). In den frühen Schriften Luthers s. zu 1 Petr 2,9 u. a. die folgenden Äußerungen: An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520), WA 6, 407,10–408,35; De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium (1520), WA 6, 564,6–14; Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520), WA 7, 27,17–28,37; De abroganda missa privata Martini Lutheri sententia (1521), WA 8, 422,17–423,2 (s. auch 425,7–9); Vom Mißbrauch der Messe (1521), WA 8, 495,8–33; Daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein und ab zu setzen, Grund und Ursach aus der Schrift (1523), WA 11, 411,22–413,22; (Erste) Epistel S. Petri gepredigt und ausgelegt. Erste Bearbeitung (1523), WA 12, 316,4–319,6.
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des Verbums ἐξαγγέλλειν auf die Verkündigung seit Luther von nicht wenigen Auslegern vertreten worden ist26 und ebenso auch in der neueren Exegese vertreten wird27, muß sie nach meinem Urteil als unhaltbar bezeichnet werden. Die Worte ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε beziehen sich vielmehr auf die hymnisch-lobpreisende Proklamation der Heilstaten Gottes in der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde. Zur Begründung dieser Sicht notiere ich zunächst drei sprachliche Überlegungen.28 1. Der Satz 1 Petr 2,9 nimmt, wie bereits gesagt wurde, mit den Worten γένος ἐκλεκτόν, λαὸς εἰς περιποίησιν, ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε κτλ. deutlich Bezug auf den Gottesspruch Jes 43,20 f. LXX, in dem es heißt: „Ich habe in der Wüste Wasser gegeben […], um mein auserwähltes Geschlecht zu tränken, mein Volk, das ich mir zum Eigentum erworben habe, daß es meine Heilstaten erzähle“ ([…] ποτίσαι τὸ γένος μου τὸ ἐκλεκτόν, λαόν μου, ὃν περιεποιησάμην τὰς ἀρετάς μου διηγεῖσθαι). Wie die hebräische Vorlage,29 so spricht auch der griechische Text von dem „erzählenden Lob“ des Volkes Gottes, das Rettung aus großer Not erfahren hat.30 Dieses dem Volk gebotene „Erzählen“ (διηγεῖσθαι) der Heilstaten Gottes31 geschieht, wie Karl Elliger bemerkt, in einer ganz bestimmten hymnischen Form: in einem Lied, das im Hebräischen tᵉhillā – d. h. 26 Als Beispiel sei J. A. Bengel, Gnomon Novi Testamenti (³1773), hg. v. P. Steudel, Stuttgart ⁸1891, 976 zitiert: ἐξ in ἐξαγγείλητε innuit multorum ignorantiam, quibus fideles debent virtutes Dei praedicare („ἐξ in ἐξαγγείλητε weist auf die Unwissenheit der Vielen hin, denen die Gläubigen die Tugenden Gottes verkündigen sollen“). 27 S. etwa K. H. Schelkle, Die Petrusbriefe. Der Judasbrief (HThK XIII/2), Freiburg – Basel – Wien ²1964, 65; W. Schrage, Der Erste Petrusbrief (in: NTD 10), Göttingen ¹(¹¹)1973, 84; L. Goppelt, Der Erste Petrusbrief (KEK 12/1), Göttingen ¹(⁸)1978, 154; N. Brox, Der Erste Petrusbrief (EKK XXI), Zürich – Einsiedeln – Köln bzw. Neukirchen-Vluyn 1979, 103; R. Feldmeier, Der erste Brief des Petrus (ThHK 15/I), Leipzig 2005, 94. Mit besonderer Emphase hat E. Käsemann, Amt und Gemeinde im Neuen Testament, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen ²1960, 109–134: 123 die Deutung auf das Amt der Verkündigung vertreten, indem er zu 1 Petr 2,5–10 und hier insbesondere zu τὰς ἀρετὰς ἐξαγγέλλειν V. 9 bemerkt: „Ein Vorgang heiligen Rechts bildet also die Antwort des Menschen auf göttliche Manifestation, und dieser Vorgang ist officium im strengsten Sinne. Das besagt, daß die Stelle des 1.Petr. wirklich von amtlichem Tun spricht und sprechen will. Wo man die Machttaten des Christus proklamiert, befindet man sich in konkretem Gegenüber zur Welt, und zwar in offizieller Mission. Man treibt das ministerium verbi divini, die διακονία τῆς καταλλαγῆς von 2. Kor 5,18. Man treibt es jure divino: Es ist jedem Christen übertragen und geboten, wenn er nicht aufhören soll, ein Christ zu sein.“ 28 Eine ältere von mir angefertigte Zusammenstellung s. bei Führer, Reformation ist Umkehr (s. Anm. 5), 85 f. 29 In ihr lautet der Schluß: tᵉhillātî jᵉsappērû „meinen Ruhm werden sie erzählen“ (V. 21b). Das hebräische Verbum spr pi., das dem griechischen διηγεῖσθαι zugrunde liegt, hat neben „erzählen“ auch die Bedeutungen „kundtun“ und „verkünden“; s. dazu unten bei Anm. 36 sowie die Anm. 37. 30 C. Westermann, Das Buch Jesaja. Kapitel 40–66 (ATD 19), Göttingen 1966, 106. Westermann spricht ebd. vom „Lob der Erretteten“. 31 Vgl. zum „Erzählen“ (διηγεῖσθαι) der Wundertaten Gottes Ψ 9,2; 25,7; 104,2; 144,5. Zu διηγεῖσθαι s. ferner Ψ 21,23; 87,12; 144,6; Sir 17,10 (vgl. auch ἐκδιηγεῖσθαι Ψ 117,17).
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„Lobpreis“ oder „Lobgesang“ – genannt wird.32 Wenn nun der Satz 1 Petr 2,9 einem Schriftwort verpflichtet ist, in dem das Reden von den Heilstaten Gottes den Lobpreis des erlösten Volkes Gottes meint, dann legt das die Frage nahe, ob nicht auch der neutestamentliche Satz in eben diesem Sinn verstanden sein will. 2. Im Unterschied zu Jes 43,21 LXX steht in 1 Petr 2,9 nicht das Verbum διηγεῖσθαι „erzählen“, sondern das schon erwähnte Verbum ἐξαγγέλλειν,33 das im Neuen Testament nur an dieser einen Stelle vorkommt.34 Der Verfasser des Briefes hat das Wort dem Septuaginta-Psalter entnommen, in dem es in mehreren Psalmen die Bedeutung „kundtun“ / „verkünden“ hat35 und – dem Verbum spr pi. des hebräischen Textes entsprechend36 – den hymnischen Lobpreis Gottes bezeichnet.37 So kann von denen, die Gott aus ihrem Verderben errettet hat, gesagt werden: θυσάτωσαν θυσίαν αἰνέσεως καὶ ἐξαγγειλάτωσαν τὰ ἔργα αὐτοῦ ἐν ἀγαλλιάσει „Sie sollen [ihm] ein Lobopfer darbringen und seine Taten mit Jubel verkünden“ (Ψ 106,22). Das lobpreisende „Verkünden“, das in der Regel in der versammelten Gemeinde geschieht,38 ist dabei in den einschlägigen 32 K. Elliger, Deuterojesaja I: Jesaja 40,1–45,7 (BKAT XI/1), Neukirchen-Vluyn 1978, 358: „Das Erzählen von Jahwes Ruhm“ geschieht „in Form einer […] tᵉhillā ,Lobpreis, Hymnus‘ genannten Liedgattung.“ Vgl. P. Volz, Jesaja II (KAT 9), Leipzig 1932, 44 z.St.: Israel erfährt die Wunder Gottes, „damit Jahwe eine ihn preisende Gemeinde auf der Erde habe“. B. Duhm, Das Buch Jesaja (HK III/1), Göttingen ⁴1922 = ⁵1968, 327 legt „meinen Ruhm erzählen“ durch „Psalmen singen“ aus. 33 Zu dieser Abweichung will beachtet sein, daß auch sonst in 1 Petr 2,6–10 der SeptuagintaText nicht wörtlich aufgenommen wird. 34 Zum unechten kurzen Markusschluß s. u. Anm. 43. 35 Ψ 9,15; 70,15; 72,28; 78,13; 106,22. Gegenstand des ἐξαγγέλλειν sind: das Lob Gottes (Ψ 9,15; 72,28; 78,13), die Gerechtigkeit und das Heil Gottes (Ψ 70,15), die Taten Gottes (Ψ 106,22). 36 Wie im Alten Testament und hier vor allem in den Psalmen, so bezeichnet spr pi. auch in den Qumrantexten „ein hymnisch-preisendes Verkünden der Heilstaten und der Größe Gottes“ (J. Conrad, Art. sāpar, in: ThWAT V [1986] 910–921: 920). S. dazu etwa 1QH 9,30.33; 11,23; 19,6.24 (alte Zählung: 1,30.33; 3,23; 11,6.24); 4Q511 Frgm. 63 II 2 f. 37 Zum Lobpreis Gottes sind auch weitere Aussagen der LXX-Psalmen zu vergleichen, in denen für „verkünden“ andere Verben gebraucht werden: ἀναγγέλλειν (Ψ 29,10; 50,17; 63,10; 91,3; 95,3; 101,22), ἀπαγγέλλειν (Ψ 70,17 f.; 77,4; 88,2; 104,1; 144,4) und εὐαγγελίζεσθαι (Ψ 39,10; 95,2 [das Verb heißt hier nicht „predigen“!]). Außerhalb der Psalmen s. in LXX zu ἀναγγέλλειν auch Jes 12,4 f. und 42,12 (δώσουσιν τῷ θεῷ δόξαν, τὰς ἀρετὰς αὐτοῦ ἐν ταῖς νήσοις ἀναγγελοῦσιν) sowie zu ἀναγγέλλειν und ἀπαγγέλλειν nebeneinander Jes 48,20. An einigen der genannten Stellen ist das griechische Verbum Wiedergabe des hebräischen ngd hif. = „verkünden“, für das zum Vergleich 11Q5 XIX 8 f. zitiert sei: „Es schrie meine Seele danach, deinen Namen zu loben (hll pi.), zu preisen (jdh hif.) mit Jubel deine Gnadenerweise, zu verkünden (ngd hif.) deine Treue. Für deinen Lobpreis (thlh) gibt es kein Erforschen (d. h.: keine Grenze).“ 38 Vgl. H.-J. Hermisson, Sprache und Ritus im altisraelitischen Kult. Zur „Spiritualisierung“ der Kultbegriffe im Alten Testament (WMANT 19), Neukirchen-Vluyn 1965, 36. Zu den in Anm. 35 genannten Psalmen, in denen die Septuaginta das den Lobpreis bezeichnende Verbum spr pi. des hebräischen Textes mit ἐξαγγέλλειν wiedergibt, s. die knappen Hinweise bei H.-J. Kraus, Psalmen I: Psalmen 1–59 (BKAT XV/1), Neukirchen-Vluyn ⁶1989, 223 (zu 9,14). 463 f. (zu 40,10 f.); Ders., Psalmen II. Psalmen 60–150 (BKAT XV/2), ebd. ⁶1989, 653 (zu 71[70],15). 673 (zu 73[72],28). 914 (zu 107[106],22). Das Forum, vor dem der Lobpreis laut wird,
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Psalmen-Texten nicht primär an Menschen, sondern – in der Gegenwart und vor den Ohren aller Anwesenden – an Gott gerichtet.39 Wenn im Neuen Testament einzig in 1 Petr 2,9 das Verbum ἐξαγγέλλειν begegnet und dessen Gebrauch sich bestimmten Septuaginta-Psalmen verdankt, in denen es dezidiert das hymnische Gotteslob des Volkes Gottes bezeichnet, dann spricht das dafür, daß auch in dem neutestamentlichen Satz an den Lobpreis Gottes gedacht ist. 3. An das soeben Gesagte schließt sich unmittelbar eine weitere Überlegung an: Dadurch, daß in 1 Petr 2,9 die Worte τὰς ἀρετὰς διηγεῖσθαι von Jes 43,21 LXX durch τὰς ἀρετὰς ἐξαγγέλλειν ersetzt wurden, ist eine Wendung entstanden, an der durch nichts abgelesen werden kann, daß mit dem Verbum ἐξαγγέλλειν die Verkündigung des Wortes Gottes gemeint sei.40 Auch im Text des Verses insgesamt und ebenso in seinem Kontext fehlt dafür das leiseste Indiz. Hält man sich das vor Augen und bedenkt man außerdem, daß an anderen Stellen des Briefes für die Predigt des Evangeliums die auch sonst im Neuen Testament in diesem spezifischen Sinn gebrauchten Verben εὐαγγελίζεσθαι („verkündigen“ [1,12.25; 4,6]), κηρύσσειν („predigen“ [3,19]) und λαλεῖν („reden“ [4,11a]41) erscheinen,42 so legt das noch einmal die Annahme nahe, daß der Verfasser bei der Verwendung des Verbums ἐξαγγέλλειν – dessen in der Septuaginta vorgegebenem Sinn entsprechend – an das Gotteslob der Gemeinde denkt.43 kann ausgeweitet werden: „unter den Völkern“ (Ps 9,12; 96[95],3; 105[104],1; Jes 12,4), „auf den Inseln“ (Jes 42,12), „bis ans Ende der Erde“ (Jes 48,20); „auf der ganzen Erde“ (Jes 12,5). 39 Dem Sprachgebrauch der Psalmen ist Philo verpflichtet, wenn er mit dem Verbum ἐξαγγέλλειν die Darstellung der Werke Gottes im dankbaren Lobpreis des Schöpfers bezeichnet (Plant 128 im Kontext 126–131) oder in hymnischer Terminologie vom Besingen der „Vorzüge“ (ἀρεταί) Gottes spricht (Somn I 256). 40 Mir ist in den griechischen Schriften des antiken Judentums und des frühen Christentums kein einziger Beleg dafür bekannt, daß eine Wendung wie ἐξαγγέλλειν τὰς ἀρετὰς τοῦ θεοῦ die Verkündigung des Wortes Gottes oder überhaupt so etwas wie den Akt des Predigens bezeichnet. 41 In 1 Petr 4,11a beziehen sich εἴ τις λαλεῖ und εἴ τις διακονεῖ auf zwei Ämter; vgl. Schelkle, Die Petrusbriefe. Der Judasbrief (s. Anm. 25), 119 f.; Schrage, Der Erste Petrusbrief (s. Anm. 27), 173; H. Windisch, Die Katholischen Briefe (HNT 15), Tübingen ³1951, 76; Brox, Der Erste Petrusbrief (s. Anm. 27), 207. 42 Zu diesen Verben gehört m. E. nicht ἀναγγέλλειν 1 Petr 1,12. Bezeichnung für die Verkündigung ist in V. 12 ausschließlich εὐαγγελίζεσθαι, während ἀναγγέλλειν hier die allgemeine Bedeutung „berichten“, „kundtun“, „mitteilen“ hat. 43 Goppelt, Der Erste Petrusbrief (s. Anm. 27), 154 Anm. 70 bemerkt: „Für LXX διηγεῖσθαι wird ἐξαγγέλλειν gesetzt, das griechische Leser leichter als ,verkündigen‘ verstehen können.“ Von der Grundbedeutung her bringt in der Tat διηγεῖσθαι die Nuance der erzählenden oder beschreibenden Darstellung sowie der Erklärung zum Ausdruck („erzählen“, „vortragen“, „beschreiben“, „schildern“, „erklären“), ἐξαγγέλλειν hingegen die Nuance der Kundgabe und Bekanntmachung – u. a. auch von Dingen, die man sonst nicht wissen kann („verkünden“, „Kunde bringen“, „bekannt machen“, „berichten“). S. zu ἐξαγγέλλειν in der Bedeutung „kundtun“ z. B. TestLev 2,10 (hier parallel zu κηρύσσειν „Kunde bringen“); Ψ 55,9; 118,26; Sir 18,4; Philo, Migr 73; [Mk] kurzer unechter Schluß. Der allgemeine lexikalische Befund vermag jedoch nicht den Befund zu relativieren, daß die Verwendung von ἐξαγγέλλειν in 1 Petr 2,9 einem spezifischen Sprachgebrauch des Septuaginta-Psalters verpflichtet ist (s. o. bei den Anmerkungen 35–39).
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Den drei sprachlichen Beobachtungen tritt ein inhaltliches Argument an die Seite – nämlich der Blick auf die Entsprechung, die innerhalb des Abschnitts 1 Petr 2,4–10 zwischen den beiden Versen 5 und 9 besteht. Die Aussage von V. 9, daß die Gemeinde als die „königliche Priesterschaft“ die Heilstaten Gottes – d. h. sein rettendes Handeln in Jesus Christus – „verkünden“ soll, ist in der Sache keine andere als diejenige von V. 5, der zufolge der Gemeinde als der „heiligen Priesterschaft“ die Weisung gilt, „geistliche Opfer darzubringen, die Gott durch Jesus Christus wohlgefällig sind“.44 Als „geistliches“ Opfer begegnet im Alten Testament wie auch in frühjüdischen Schriften vor allem der dankbare Lobpreis Gottes,45 zu dem das Gebet46 und der Gott wohlgefällige Wandel47 hinzutreten können. Die neutestamentliche Parallele Hebr 13,15 spricht dafür, in 1 Petr 2,5 die von der christlichen Gemeinde als der „heiligen Priesterschaft“ darzubringenden „geistlichen Opfer“ in erster Hinsicht auf den Lobpreis Gottes zu deuten. Außerdem wird man an den dem Evangelium gemäßen Wandel der Glaubenden denken dürfen.48 Für eine Deutung auf die Verkündigung des Evangeliums, wie sie Luther vertreten hat,49 gibt es dagegen im Kontext keinerlei Anhalt. Daß ἐξαγγέλλειν in 1 Petr 2,9 in Übereinstimmung mit dem alttestamentlichen Sprachgebrauch das Gotteslob des Volkes Gottes meint, ist in der Geschichte der Exegese dieser Stelle immer schon vertreten worden. Zu nennen ist hier etwa der Reformator Johannes Calvin, der nach dem Zeugnis der Institutio mit dem Verbum den Lobpreis Gottes bezeichnet sieht,50 wohingegen eine Deutung auf die Verkündigung des Wortes Gottes nirgends in seinen Werken begegnet. Dem sprachlichen Urteil entsprechend schreibt er in seinem Kommentar zu den Katholischen Briefen (1551) zu ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε κτλ.: Sedulo finem vocationis inculcat, ut eos stimulet ad dandam Deo gloriam. Summa autem est, Deum immensis beneficiis nos dignatum esse, et assidue prosequi, ut per nos illustretur sua gloria51 („Mit Ernst schärft er [der Apostel] das Ziel der 44 Vgl. die Entsprechung von θύειν θυσίαν αἰνέσεως und ἐξαγγέλλειν τὰ ἔργα αὐτοῦ (sc. τοῦ θεοῦ) ἐν ἀγαλλιάσει im Parallelismus membrorum von Ψ 106,22. 45 Ps 50[49],14.23; 54[53],8; 69[68],31 f.; 107[106],22; 1QS 10,6; 4QFlor (4Q174) III 6 f. 46 So Ps 141[140],2; vgl. auch Ps 51[50],19. 47 So 1QS 9,3–5: Gebet und vollkommener Wandel. 48 S. dazu die Aussagen über die heilige bzw. gute ἀναστροφή: 1 Petr 1,15 f.; 2,11 f. (auch 2,21); 3,1–17. Vgl. u. a. Röm 12,1; Phil 4,18; Hebr 13,16. Daß in 1 Petr 2,5 die Opferdarbringung „einzig […] auf das dem Glauben entsprechende Leben“ gedeutet werden kann, wie etwa Brox, Der Erste Petrusbrief (s. Anm. 27), 99 behauptet, läßt sich nicht mit hinreichenden Argumenten begründen. 49 Zu 1 Petr 2,5 s. Luther, (Erste) Epistel S. Petri gepredigt und ausgelegt (s. Anm. 25), 308,9–310,8: „Geistliche Opfer“ darbringen heißt: „das Evangelium predigen“ (308,18); „wer das predigt, der übt und treibt solches“ (308,19). Nach 309,24–27 sind die Priester des rechten Priestertums „alle schuldig, daß sie das Wort predigen, für die Gemeinde beten und sich für Gott opfern“ (26 f.). 50 J. Calvin, Christianae religionis Institutio (1536) IV (OS I 158 f.), V (OS I 210); Institutio Christianae religionis (1559) III 13,2 (OS IV 217), IV 18,17 (OS V 432). 51 J. Calvin, Commentarii in Epistolas Canonicas, hg. v. K. Hagen (Ioannis Calvini Opera
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Berufung ein, um sie [die Leser] dazu anzuspornen, Gott die Ehre zu geben. Der Hauptgedanke aber ist der, daß Gott uns unermeßlicher Wohltaten gewürdigt hat und [uns] fortwährend [durch sie] geleitet, damit durch uns sein Ruhm verherrlicht werde“). Dem Hinweis auf Calvin seien einige weitere Zeugnisse aus der Auslegungsgeschichte hinzugefügt. Vor allem ältere Lexika geben unter ausdrücklichem Hinweis auf den alttestamentlichen Hintergrund für ἐξαγγέλλειν in 1 Petr 2,9 als Bedeutung an: celebro („preisen“, „verherrlichen“)52, laudando vel profitendo notum facio, praedico53 („to make known by praising or proclaiming, to celebrate“54), laudo, celebro, praedico55. Was Kommentare anlangt, so übersetzt Johann Salomo Semler: ut longe et late propagetis gloriam eius, und er bemerkt in der Anmerkung zu ἐξαγγέλλειν: celebrare, ipso vestro statu tam perfecto.56 Die Auslegung Johann Georg Rosenmüllers lautet: Sacerdotum est laudes summi Dei celebrare. Hoc multo magis facere debent Christiani, quorum dignitas maior est illa Sacerdotum dignitate.57 Auch Hans Windisch dürfte an den Lobpreis Gottes denken, wenn er zu τὰς ἀρετὰς ἐξαγγέλλειν auf Philo, De somniis I 256 verweist.58 Als Ergebnis unserer Überlegungen kann nunmehr festgehalten werden: Wie der Wortlaut von 1 Petr 2,9 lehrt und der Blick auf den Kontext bestätigt, geht es in diesem Vers nicht um die Verkündigung des Evangeliums, sondern um die hymnisch-lobpreisende Proklamation eben jener Heilstaten Gottes, von denen das Evangelium Zeugnis gibt.59 Der Verfasser des Ersten Petrusbriefes sieht soExegetica XX), Genf 2009, 66. Zu Calvins Exegese von 1 Petr 2,9 s. ferner auch Institutio (1536) IV (OS I 158 f.); V (OS I 210); Institutio (1559) II 7,1; III 13,2; IV 18,17. 19,25 (OS III 327, IV 217, V 432.459). 52 H. Stephanus, Thesaurus Graecae Linguae, hg. v. C. B. Hase / W. Dindorf / L. Dindorf, Vol. III, Paris 1835, 1204 f.: 1204; Chr.A. Wahl, Clavis Novi Testamenti philologica, Leipzig ³1843, 178a. 53 C. L. W. Grimm, Lexicon graeco-latinum in libros Novi Testamenti, Gießen ⁴1888, 153b; praedicare steht hier in der Bedeutung „rühmen, preisen“ (s. sogleich die englische Übersetzung). 54 J. H. Thayer, A Greek-English Lexicon of the New Testament. Being Grimm’s Wilke’s Clavis Novi Testamenti translated revised and enlarged, Edinburgh ⁴1901 = 1961, 220b. 55 J. F. Schleusner, Novum Lexicon Graeco-Latinum in Novum Testamentum I, Leipzig ⁴1819, 842 s. v. 2 (praedicare = „rühmen, preisen“). In der Sache ebenso C. G. Bretschneider, Lexicon manuale Graeco-Latinum in libros Novi Testamenti, Leipzig ³1840, 145a s. v. 2. 56 J. S. Semler, Paraphrasis in Epistolam I. Petri, Halle 1783, 102 mit Anm. 80. 57 J. G. Rosenmüller, Scholia in Novum Testamentum. Tomus V, Nürnberg ⁶1831, 449. Für das Zitat ergibt sich unter Beachtung seines Kontexts etwa die folgende Übersetzung: „Der Priester Aufgabe ist es, die hervorragenden Eigenschaften des höchsten Gottes mit Lobpreis zu verherrlichen. Das sollen bei weitem mehr die Christen tun, deren Würde(stellung) größer ist als jene Würde(stellung) der Priester.“ 58 Windisch, Die Katholischen Briefe (s. Anm. 41), 61. Zu Philo, Somn I 256 s. o. Anm. 39. 59 V. Gäckle, Allgemeines Priestertum. Zur Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament (WUNT 331), Tübingen 2014, 448–451, besonders 449 f. deutet 1 Petr 2,9 zutreffend auf das Gotteslob der Gemeinde. Er relativiert diese seine Erkenntnis allerdings ein wenig, wenn er bemerkt: „Man mag den missionarischen Sinn des nach außen
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mit keineswegs in der Wortverkündigung die Aufgabe des ganzen priesterlichen Volkes Gottes.60 Wird 1 Petr 2,9 als ein solcher Beleg gelesen, so muß das als ein exegetisches, vor allem auf einem sprachlichen Mißverständnis des Verbums ἐξαγγέλλειν beruhendes Fehlurteil angesehen werden.
IV Im Anschluß an unsere exegetischen Erwägungen zum Hebräerbrief, zur Offenbarung des Johannes und zum Ersten Petrusbrief kann nunmehr das folgende Fazit formuliert werden: Die drei neutestamentlichen Schriften, die von dem Priestertum aller Glaubenden reden, liefern keinen Beleg dafür, daß zu diesem der Auftrag zur Verkündigung des Wortes Gottes hinzugehört. Aufgrund der drei Schriften ist das Priester-Sein der Glaubenden vielmehr dahingehend zu beschreiben, daß sie aufgrund der Zugehörigkeit zu Jesus Christus als ihrem Retter im Glauben Zugang zu Gott haben, mit ihrem Lobpreis und ihrem Dank vor ihn treten und ihm mit der Hingabe ihres Lebens dienen.61 Dies alles ist dabei ein Vorschein dessen, daß den Glaubenden in der Heilsvollendung das ewige Leben in der Gegenwart des lebendigen Gottes zuteil werden wird.62 Aus dem Tatbestand, daß an den drei neutestamentlichen Stellen jede Bezugnahme auf die Verkündigung des Wortes Gottes fehlt, ergibt sich eine zwingende Konsequenz: Das Neue Testament kennt keinen Begründungszusammenhang zwischen dem
gerichteten ,Weitersagens‘ in dieser Formulierung (sc. ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε κτλ.) zwar mithören können, aber der Akzent liegt auf dem in kultmetaphorischer Sprache ausgedrückten, nach oben gerichteten Gotteslob der Gemeinde“ (ebd., 450). Seine sehr vorsichtige Konzession begründet Gäckle in Anm. 267 mit dem Hinweis auf den profangriechischen Gebrauch von ἐξαγγέλλειν, wie ihn z. B. J. Schniewind, Art. ἀγγελία κτλ., in: ThWNT I (1933 = 1957) 56–71: 68 beschreibt. Zu Schniewinds Darlegungen ist jedoch zweierlei zu beachten: In Zeile 4 notiert er zu ὅπως τὰς ἀρετὰς ἐξαγγείλητε κτλ.: „Das ist Stil der Aretalogie“ – dazu ist zu bedenken, daß nach der Sarapis-Aretalogie des Maiistas die ἀρεταί des Gottes besungen werden (s. o. Anm. 22). In Zeile 26 heißt es: „In Septuaginta steht ἐξαγγέλλειν vom kultischen Verkünden“ – das aber geschieht, wie wir oben gesehen haben, im Lobpreis Gottes. 60 Von der Wortverkündigung ist im Ersten Petrusbrief an den folgenden Stellen die Rede: 1,12; 1,23–25; 4,11a; 5,1–4. Zu 4,11a s. o. Anm. 41, und zu 5,1–4 verweise ich auf Hofius, Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments (s. Anm. 9), 227–229. – Bei der in 1 Petr 3,15 von den Briefempfängern geforderten ἀπολογία παντὶ τῷ αἰτοῦντι ὑμᾶς λόγον περὶ τῆς ἐν ὑμῖν ἐλπίδος geht es um das persönliche Zeugnis von Christus und dem in ihm beschlossenen Heil, nicht dagegen um Verkündigung. 61 In eben diesem Sinn bestimmt Calvin das Priestertum aller Glaubenden: Christianae religionis Institutio (1536) II (OS I 82); IV (OS I 158 f.); V (OS I 210); Institutio Christianae religionis (1559) II 7,1. 15,6; III 13,2; IV 18,17. 19,25.28 (OS III 327.480 f., IV 217, V 432.459.463). 62 Dieser wichtige eschatologische Aspekt, der oben bei Anm. 7 bzw. bei Anm. 13 und 14 zum Hebräerbrief und zur Johannesoffenbarung erwähnt wurde, darf ebenfalls für den Ersten Petrusbrief vorausgesetzt werden; s. dazu 1 Petr 1,3–12; 1,21; 2,6 f.; 3,15.
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Priestertum aller Glaubenden und dem kirchlichen Amt der Verkündigung.63 Es bietet dementsprechend keine tragfähige Grundlage für die Auffassung, daß das ministerium verbi divini aufgrund jenes Priestertums prinzipiell allen Gliedern der Kirche oder Gemeinde zukomme, daß es aber um der geordneten öffentlichen Wahrnehmung willen bestimmten Personen übertragen und von ihnen gewissermaßen stellvertretend für alle anderen ausgeübt werde. Dieses Ergebnis ist mit dem Tatbestand zusammenzuschauen, daß das Amt der Verkündigung in gewichtigen neutestamentlichen Texten – unter ihnen gerade auch im Hebräerbrief und im Ersten Petrusbrief 64 – durchaus als eine besondere Stiftung Gottes beschrieben wird.65 Will man aufgrund des Gesamtzeugnisses des Ersten Petrusbriefes das Verhältnis zwischen dem von Gott selbst eingesetzten Amt der Verkündigung und dem Priestertum aller Gläubigen kennzeichnen, so wird man sagen können: Die Zugehörigkeit der Glaubenden zu der heiligen und königlichen „Priesterschaft“ (1 Petr 2,5.9), die mit ihrer Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi als dem „Volk Gottes“ gegeben ist, verdankt sich der Wiedergeburt durch das gepredigte Evangelium, das als „das lebendige und ewig bleibende Wort Gottes“ (1 Petr 1,23–25) den rettenden Glauben an Jesus Christus gewirkt hat (1 Petr 2,6–8). Sie ist damit die grundsätzliche Qualifizierung für die Wahrnehmung des Amtes der Verkündigung, sie ist aber keineswegs bereits selbst und als solche die Berufung und Bevollmächtigung zu diesem Amt. Im Gesamtkontext der neutestamentlichen Aussagen über das kirchliche Amt kann und muß sodann ein wichtiger Gedanke hinzugefügt werden: Das ministerium verbi divini ist der Gemeinde Jesu Christi von Gott gegeben, damit das Evangelium, aus dem sie lebt und ohne das sie keinen Bestand hat, „in ihr stets laut wird“66. Deshalb trägt die Gemeinde als die „königliche Priesterschaft“ die Verantwortung dafür, 63 Dem entspricht das Amtsverständnis der reformierten Kirchen der Reformationszeit. „Das allgemeine Priestertum hat keinen Platz in Calvins positiver Amtsdarstellung“ – bemerkt zutreffend H. Fagerberg, Art. Amt / Ämter / Amtsverständnis VI. Reformationszeit, in: TRE 2 (1978) 552–574: 569,9 f. Für die reformierten Bekenntnisschriften zitiere ich J.-J. von Allmen, Le saint ministère selon la conviction et la volonté des Réformés du XVIᵉ siècle, Neuchâtel 1968, 60: „Il est très typique que jamais les écrits symboliques réformés ne citent les textes sur la sacrificature royale du peuple de Dieu (Ex. 19.6 et ses citations dans 1 Pi. 2.5 et 9; Apoc. 1.6; 5.10 et 20.6) pour y voir le fondement ou la justification des ministères dans l’Eglise.“ 64 S.o. Anm. 9 und Anm. 60. 65 S. dazu meine folgenden Arbeiten: Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach dem Zeugnis des Neuen Testaments (s. Anm. 9); Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe, ZThK 107 (2010) 261–284 (in dem vorliegenden Band: 193–213); Das kirchliche Amt der Verkündigung bei Paulus und in den Deuteropaulinen, in: W. Eisele / Chr. Schaefer / H.-U. Weidemann (Hg.), Aneignung durch Transformation. Beiträge zur Analyse von Überlieferungsprozessen im frühen Christentum. FS Michael Theobald (HBS 74), Freiburg – Basel – Wien 2013, 339–357 (in dem vorliegenden Band: 177–192). 66 So sehr schön M. Theobald, Mit den Augen des Herzens sehen. Der Epheserbrief als Leitfaden für Spiritualität und Kirche, Würzburg 2000, 131 zu Eph 4,11.
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daß der Dienst am Wort Gottes67 sowohl in der notwendigen wie auch in der sachgemäßen, d. h. dem Evangelium entsprechenden Weise wahrgenommen wird.68
V Das Verhältnis von Amt der Verkündigung und Priestertum aller Glaubenden, dem unsere Überlegungen gewidmet sind, ist in der Reformationszeit in einer der reformierten Bekenntnisschriften ausdrücklich thematisiert worden. Es handelt sich um das Zweite Helvetische Bekenntnis (1566), dessen Verfasser, der Zürcher Reformator Heinrich Bullinger, bereits in seinem Kommentar zum Ersten Petrusbrief (1534) unter dem „Verkünden der Heilstaten Gottes“ von 1 Petr 2,9 zutreffend das Gotteslob der Gemeinde Jesu Christi verstanden hatte.69 Der 18. Artikel des Bekenntnisses, in dem das kirchliche Amt eine sowohl ausführliche wie auch in die Tiefe gehende Behandlung erfahren hat,70 legt zunächst in sorgfältigen Erwägungen dar, daß das Amt eine Setzung Gottes selbst und nicht eine von Menschen angeordnete Institution ist. Im Kontext der Entfaltung dieser Aussage unterscheidet das Bekenntnis dann ausdrücklich zwischen dem „Priestertum“ (sacerdotium), an dem alle Glaubenden Anteil haben, und dem „Amt“ (ministerium), mit dem nur die zur öffentlichen Verkündigung des Wortes Gottes Berufenen und Ordinierten beauftragt sind. Die entscheidenden Sätze lauten: „Die Apostel Christi nennen in der Tat alle, die an Christus glauben, Priester, dies aber nicht in Hinsicht auf ein Amt, sondern weil wir, da wir Glaubenden alle zu Königen und Priestern gemacht sind, Gott geistliche Opfer darbringen können. Gänzlich verschieden voneinander sind also das Priestertum und das Amt. Jenes nämlich ist allen Christen gemeinsam, wie wir soeben gesagt haben,
67 Daß dieser immer Dienst an Wort und Sakrament ist, das zu sagen ist vielleicht nicht überflüssig. 68 In diesem Sinn kann mit These IV der Theologischen Erklärung von Barmen (1934) von der „Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes“ gesprochen werden. 69 H. Bullinger, Kommentare zu den neutestamentlichen Briefen. Hebräerbrief – Katholische Briefe (Werke III 9), hg. v. L. Baschera, Zürich 2019, 223,14 f.: Certe annunciandi verbo et prophetae et apostoli utuntur pro laudandi et gratias agendi affectu. Id frequentissimum est in Psalmis […] („Zweifellos verwenden sowohl die Propheten wie auch die Apostel das Wort ‚verkünden‘ als Ausdruck für ‚loben‘ und ‚danksagen‘. Das geschieht sehr häufig in den Psalmen […]“). Dazu am Rand: ‚Annunciare‘ pro ‚celebrare‘ („‚verkünden‘ für ‚preisen‘“). 70 Confessio Helvetica posterior XVIII: Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, hg. v. E. F. K. Müller, Leipzig 1903 = Zürich 1987, 200–205; Reformierte Bekenntnisschriften 2/2. 1562–1569, bearb. v. M. Bucsay u. a., Neukirchen-Vluyn 2009, 316–323. Einen wertvollen Kommentar bietet von Allmen, Le saint ministère selon la conviction et la volonté des Réformés du XVIᵉ siècle (s. Anm. 63), 15–166.
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dieses dagegen nicht.“71 Das Bekenntnis beschreibt mit den zitierten Sätzen nicht nur das Faktum, daß das Amt der Verkündigung in der Zürcher Kirche durch eigens dazu berufene Personen ausgeübt wird, sondern es formuliert eine grundsätzliche theologische Aussage. Nach meinem Urteil entspricht diese dem Zeugnis des Neuen Testaments.
71 Der von mir übersetzte lateinische Text (Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, 202,12–17; Reformierte Bekenntnisschriften 2/2, 319,10–14) lautet: Nuncupant sane apostoli Christi omnes in Christum credentes sacerdotes, sed non ratione ministerii, sed quod per Christum, omnes fideles facti reges et sacerdotes, offerre possumus spirituales Deo hostias (Exod. 19,6; 1. Pet. 2,9; Apoc. 1,6). Diversissima ergo inter se sunt sacerdotium et ministerium. Illud enim commune est Christianis omnibus, ut modo diximus, hoc non item. Eine Parallele aus Buch IV Serm. 7 der zwischen 1549 und 1552 erschienenen ‚Dekaden‘ zitiert I. Tőkés, Commentarium in Confessionem Helveticam Posteriorem, Nagyvárad ²2006, 441: Necessario […] distinguimus inter sacerdotium christianum et ministerium ecclesiasticum. Omnes quidem christiani tam mares quam foeminae sacerdotes, sed non omnes ministri ecclesiae sumus („Mit Notwendigkeit unterscheiden wir zwischen dem christlichen Priestertum und dem kirchlichen Amt. Wir Christen alle nämlich, Männer wie Frauen, sind Priester, aber wir sind nicht alle Diener der Kirche“).
Die Frage nach dem „historischen Jesus“ als theologisches Problem I Die christliche Kirche bekennt in ihrem Credo den Glauben an Jesus Christus als den „Sohn Gottes“ und ihren „Herrn“. Dieses Bekenntnis bezieht sich dabei nicht auf eine mythische Gestalt, sondern auf eine geschichtliche Person – nämlich auf den Menschen Jesus von Nazareth, der zu Anfang unserer Zeitrechnung in Palästina lebte und unter Pontius Pilatus vor den Toren Jerusalems gekreuzigt wurde. Die Frage nach dem irdischen Jesus kann deshalb für die Kirche und so auch für die Theologie prinzipiell nicht belanglos sein; sie ist im Gegenteil von wesentlicher und für den Glauben grundlegender Bedeutung. Daß damit keineswegs die Frage nach dem „historischen Jesus“ gefordert ist, es sich bei dieser vielmehr um eine höchst fragwürdige Sache handelt, das soll in den folgenden Überlegungen aufgezeigt und begründet werden.1 Dazu bedarf es zunächst einer genauen Bestimmung der relevanten Begriffe. 1 Die Überlegungen waren Gegenstand des Semestereröffnungsvortrags, der am 11. 10. 2 010 an der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald gehalten wurde. – Aus der Fülle der Literatur nenne ich nur einige Arbeiten, die mir – sei es zu Zustimmung, sei es zu Widerspruch Anlaß gebend – in Sonderheit anregend und hilfreich waren: K. Barth, KD I/1, 419–470 (bes. 422–427). I/2, 145–187. IV/1, 174–178; R. Bultmann, Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft zum historischen Jesus, in: Ders., Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, hg. v. E. Dinkler, Tübingen 1967, 445–469 (= SHAW. PH 1960 / 3, Heidelberg ⁵1978); J. Jeremias, Das Problem des historischen Jesus (CwH 32), Stuttgart 1960 = ⁶1969 (entspricht: Der gegenwärtige Stand der Debatte um das Problem des historischen Jesus, in: H. Ristow / K. Matthiae [Hg.], Der historische Jesus und der kerygmatische Christus, Berlin 1961, 12–25); E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie (HUTh 2), Tübingen ⁵1979, bes. 71–86; Ders., Zur dogmatischen Bedeutung der Frage nach dem historischen Jesus, in: Ders., Wertlose Wahrheit. Zur Identität und Relevanz des christlichen Glaubens. Theologische Erörterungen III (BEvTh 107), München 1990, 214–242; M. Kähler, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus, Leipzig 1892 (Neudruck zusammen mit weiteren Texten Kählers in: Ders., Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus. Neu hg. v. E. Wolf [TB 2], München ²1956); E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen ²1960, 187–214; Ders., Sackgassen im Streit um den historischen Jesus, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen II, Göttingen 1964, 31–68; R. Kereszty, The Pre-Existence and Oneness of Christ, AEcR 167 (1973) 630–642; W. Kreck, Der historische Jesus und die Wirklichkeit Jesu Christi, KidZ 18 (1963) 184–191; Ders., Die Frage nach dem historischen Jesus als dogmatisches Problem, in: Ders., Tradition und Verantwortung. Gesammelte Aufsätze, Neukirchen-Vluyn 1974, 78–98; W. Mostert, Bemerkungen zum Verständnis der altkirchlichen Christologie, ZThK
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Der Ausdruck „der historische Jesus“ wird in der Forschung ganz überwiegend als ein Synonym zu den Begriffen „der irdische Jesus“ und „der vorösterliche Jesus“ verwendet, und er meint dann wie diese den Menschen Jesus von Nazareth in seiner irdisch-geschichtlichen Existenz. Demgegenüber scheint es mir um der begrifflichen und sachlichen Klarheit willen geboten zu sein, zwischen den Termini „irdischer Jesus“ bzw. „vorösterlicher Jesus“ einerseits und „historischer Jesus“ andererseits präzise zu unterscheiden. Ich wähle deshalb für meine Ausführungen die folgende Terminologie: Mit den Begriffen „der irdische Jesus“ bzw. „der vorösterliche Jesus“ bezeichne ich den irdisch-geschichtlichen Menschen Jesus von Nazareth, und dieser ist ebenfalls gemeint, wenn ich von „Jesus“ oder von „Jesus von Nazareth“ spreche. Unter dem „historischen Jesus“ verstehe ich den irdisch-geschichtlichen Menschen Jesus von Nazareth, wie ihn historische Forschung mittels der historisch-kritischen Methode zu rekonstruieren sucht und rekonstruiert. Außerdem verwende ich noch den Terminus „der apostolisch bezeugte Jesus“ und benenne mit ihm den irdisch-geschichtlichen Jesus, wie er im Zeugnis der Apostel und von daher im Neuen Testament aus der Perspektive des nachösterlichen Christusglaubens beschrieben wird. Aus dem soeben Gesagten ergibt sich, daß die Frage nach dem „historischen Jesus“ keineswegs einfach mit der Frage nach dem irdisch-geschichtlichen Jesus von Nazareth identisch ist. Sie ist vielmehr eine spezielle, nämlich durch die Wahl der historischen Perspektive bestimmte Gestalt dieser Frage. Eine weitere Kennzeichnung kommt hinzu: Die Frage nach dem „historischen Jesus“ ist nicht bloß die Frage nach dem, was man im einzelnen aufgrund historischer Forschung über Jesus von Nazareth wissen kann, sondern sie ist das Bemühen um ein durch solche Forschung zu gewinnendes Gesamtbild. Das heißt: Es geht bei jener Frage darum, mit den Mitteln der historischen Wissenschaft den wirklichen Menschen Jesus von Nazareth zu Gesicht zu bekommen und herauszufinden, wer er in Wahrheit war.2 Die entsprechende Forschungsarbeit geschieht unter der Prämisse, daß der Mensch Jesus von Nazareth in seiner geschichtlichen Wirklichkeit durch die historisch-kritische Methode zu erkennen ist, ja daß 102 (2005) 73–92; D. Schellong, „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?“ Rückfragen zur Suche nach dem „historischen Jesus“, in: Einwürfe 6 (1990) 2–47; W. Schmithals, Jesus Christus in der Verkündigung der Kirche. Aktuelle Beiträge zum notwendigen Streit um Jesus, Neukirchen-Vluyn 1972, bes. 60–79.80–90. In Ergänzung zu den aufgelisteten Autoren ist außerdem mit kräftiger Unterstreichung H. J. Iwand zu nennen, der sich in seinen Arbeiten vielfältig zur Problematik der Frage nach dem „historischen Jesus“ geäußert hat und dem ich in meiner Sicht wesentlich verpflichtet bin; s. dazu O. Hofius, Die Bedeutung Hans Joachim Iwands für die Exegese des Neuen Testaments, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008 (= Studienausgabe 2011), 282–296, bes. 290–293. – Für manche klärenden Gespräche über die im Folgenden erörterte Problematik danke ich den Freunden Martin Bauspieß und Hans-Christian Kammler. 2 Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 1), 83 formuliert präzise: „Es geht um das geschichtliche Phänomen Jesus von Nazareth, um Jesus Selbst, wie er war.“
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er als ein historisches Phänomen nur durch sie erkannt werden kann.3 Die in diesem Sinn unternommenen Rekonstruktionsversuche sind dabei weithin von dem Interesse geleitet, das Verhältnis zwischen dem irdischen Jesus und dem neutestamentlichen Christuszeugnis zu bestimmen. Das kann unter dem Vorzeichen einer kritischen Distanzierung von diesem Zeugnis geschehen, ebenso aber auch in der Absicht, einen inneren sachlichen Konnex zwischen ihm und Jesus selbst nachzuweisen.
II Der Frage nach dem „historischen Jesus“, wie sie soeben knapp charakterisiert wurde, haben sich seit dem Ende der Leben-Jesu-Forschung nicht wenige Neutestamentler mit großer Intensität gewidmet. Dabei sind unterschiedliche Konzeptionen entwickelt worden, die sich unter anderem hinsichtlich der für die Rekonstruktion maßgeblichen Kriterien wie auch hinsichtlich des herausgearbeiteten Jesusbildes deutlich voneinander abheben.4 Im Blick auf alle diese Konzeptionen ist nach meiner Überzeugung zu urteilen, daß die Frage nach dem „historischen Jesus“ ein nicht geringes theologisches Problem darstellt. Seiner Erörterung sei eine knappe Skizze der historischen Probleme vorausgeschickt, weil auch diese für die theologische Urteilsbildung von einiger Relevanz sind. Das entscheidende historische Problem liegt darin, daß der Versuch, auf dem Weg historisch-kritischer Forschung zu ermitteln, wer Jesus von Nazareth wirklich war, bereits angesichts der Quellenlage auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. Als Quellen kommen nach meinem Urteil ausschließlich die Schriften des Neuen Testaments und hier insbesondere – bei eindeutiger Präponderanz der Synoptiker – die vier Evangelien in Frage, wozu ich sogleich anmerken muß, daß ich die schriftliche Spruchquelle Q nicht als ein gesondert zu würdigendes Dokument anzuerkennen vermag, weil ich von ihrer Existenz nicht überzeugt bin.5 Die apokryphen „Evangelienüberlieferungen“ mit Einschluß des Thomas Vgl. Jüngel, ebd. Einen knappen Überblick über profilierte Positionen bis hin zu neueren geschichtshermeneutisch orientierten Entwürfen bietet Chr. Landmesser, Der gegenwärtige Jesus. Moderne Jesusbilder und die Christologie des Neuen Testaments, KuD 56 (2010) 96–120. Zur Position R. Bultmanns, die in der Literatur nicht immer präzise beschrieben wird, verweise ich auf den gewichtigen Aufsatz von M. Bauspiess, No quest for the historical Jesus? Leistungen und Grenzen der Sicht Rudolf Bultmanns für die historische und theologische Frage nach Jesus, in: U. H. J. Körtner u. a. (Hg.), Bultmann und Luther. Lutherrezeption in Exegese und Hermeneutik Rudolf Bultmanns, Hannover 2010, 123–154. 5 Anders – und repräsentativ für viele Exegeten – Chr. Heil, nach dessen Urteil Q „zu den wichtigsten Quellen für die Rückfrage nach Jesus“ zählt: P. Hoffmann / Chr. Heil, Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch, Darmstadt bzw. Leuven 2002, 26. – Die Existenz der Spruchquelle Q gilt weithin so sehr als über jeden Zweifel erhaben, daß sie nicht nur rekonstruiert (s. etwa die soeben genannte Ausgabe), sondern mit dem Sigel Q als 3 4
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evangeliums sind m. E. für die historische Frage unergiebig, und die außerchristlichen Zeugnisse der Antike beruhen ausnahmslos auf christlichen Äußerungen über Jesus, so daß sie keinen eigenen Quellenwert haben. Was nun die neutestamentlichen Schriften anlangt, so gibt es durchaus gute Gründe, für bestimmte in den Evangelien überlieferte Jesusworte die Authentizität und für bestimmte in ihnen enthaltene Berichte über Jesus die Historizität anzunehmen. Die dabei zu gewinnenden Ergebnisse liefern jedoch keine hinreichende Basis für das Bemühen, von der in den Evangelien gebotenen Darstellung in detaillierter Form oder auch nur in Grundzügen das angeblich „wahre“, d. h. historisch zutreffende Bild des irdischen Jesus abzuheben. Denn was immer und wieviel immer die historisch-kritische Arbeit über Jesus erkennen lassen mag – es sind und bleiben doch Bruchstücke, und Bruchstücke aus der Geschichte, dem Wirken und dem Reden eines Menschen erlauben kein begründetes Urteil über seine Person und sein Selbstverständnis. Der genannte Sachverhalt läßt sich an dem verbreiteten Versuch verdeutlichen, die Frage nach dem „historischen Jesus“ als Frage nach der Verkündigung Jesu zu stellen und dazu die „als authentisch anzuerkennenden Worte Jesu“ zu ermitteln.6 Die Problematik dieses Verfahrens zeigt sich bereits darin, daß die Urteile über die angemessenen Echtheitskriterien in der Forschung weit divergieren und die Entscheidung in dieser Sache immer auch von subjektiven Voraussetzungen bestimmt ist. Sodann will bedacht sein, daß jeder Versuch, die als authentisch anzuerkennenden Jesusworte zu ermitteln, in der Gefahr steht, möglicherweise unverzichtbar Authentisches auszublenden und damit, weil wesentliche Daten übersehen oder vernachlässigt werden, zu einer unzureichenden oder sogar falschen Einordnung und Interpretation des als authentisch angesehenen Materials zu gelangen. Periphäres wird unter Umständen für zentral gehalten, während das wirklich Zentrale überhaupt nicht oder lediglich als ein Randphänomen in den Blick kommt.7 Das Urteil etwa über die Authentizität ein eigenständiges Werk zitiert und neuerdings sogar in Kommentarreihen neben den neutestamentlichen Schriften der gesonderten Auslegung gewürdigt wird. Gleichwohl bleibt es dabei, daß ihre Existenz lediglich eine Hypothese ist – ob eine gut begründete, darüber kann man durchaus streiten. Die kritischen Einwände, die J. Jeremias, Neutestamentliche Theologie I: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh ⁴1988, 47 f. vorgetragen hat, sind längst nicht entkräftet. Doch selbst wenn die Spruchquelle in ihrer rekonstruierten Gestalt tatsächlich existiert hätte, ergäben sich im Blick auf sie die gleichen historischen Probleme, wie sie hinsichtlich der synoptischen Evangelien zu notieren sind. 6 Die zitierte Formulierung findet sich bei Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 1), 81.84; vgl. ebd., 85: „das kritisch gesicherte Minimum an Jesusworten, dessen Authentie nicht gut bezweifelt werden kann“. 7 Zur Verdeutlichung: Jüngel, ebd., 86 Anm. 6 beschränkt sich – der damit gegebenen methodischen Problematik durchaus bewußt (s. ebd. Anm. 8) – „im Wesentlichen“ auf das von R. Bultmann (Die Geschichte der synoptischen Tradition [FRLANT 29], Göttingen ³1957) „als für wahrscheinlich echt anerkannte“ Überlieferungsgut. Sollte in den Evangelien im Sinne der Forschungen meines Lehrers Joachim Jeremias entschieden mehr „echtes“ Überlieferungsgut vorhanden sein, so ändert sich das Gesamtbild nicht unerheblich.
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des Lösegeld-Wortes Mk 10,45 ist von ganz erheblicher Konsequenz für die Frage nach dem Selbstverständnis Jesu, und es ist ebenso von einigem Gewicht für die Entscheidung, ob die vielfach für unanfechtbar erachtete These, daß erst im nachösterlichen Kerygma „aus dem Verkündiger […] der Verkündigte geworden“ sei,8 wirklich haltbar ist.9 Zwei weitere Probleme will ich nur eben andeuten. Zum einen: Worte, die mit höchst möglicher Wahrscheinlichkeit als authentisch gelten können, sind dann entweder unverständlich oder zumindest mehrdeutig, wenn man ihren historischen Kontext nicht kennt, wenn man also nicht weiß, warum und wo, zu wem und in welcher Situation sie gesprochen wurden. Über Mutmaßungen kommt die Forschung in diesem Fall nicht hinaus. Zum andern: Kein Mensch – und folglich auch der Mensch Jesus von Nazareth nicht – ist ausschließlich in seinen Worten zu erfassen. Das gilt erst recht und verschärft, wenn nur eine zufällig erhaltene oder eine vom Exegeten allererst durch kritische Arbeit geschaffene Auswahl von Worten die Grundlage der Rekonstruktion bildet. Ich breche die Problemanzeige ab und halte fest, daß für keine denkbare Gestalt des „historischen Jesus“ mit hinreichenden Gründen der Anspruch erhoben werden kann, daß mit ihr der irdische Jesus in seiner Wirklichkeit erfaßt sei. Jede Rekonstruktion ist hier vielmehr in Wahrheit eine freihändige Konstruktion, die einer tragfähigen Quellenbasis entbehrt und auf der Wahl von Kriterien beruht, deren Angemessenheit keineswegs über jeden Zweifel erhaben ist.10
III Wenden wir uns nunmehr der theologischen Problematik der Frage nach dem „historischen Jesus“ zu, so ist diese damit gegeben, daß die Quellen, die der Rückfrage als Grundlage dienen, von Jesus durchweg aus der Perspektive des Christusglaubens sprechen und ihn damit als eine Person beschreiben, deren adäquate Wahrnehmung durch die historisch-kritische Forschung a priori zu bestreiten ist. Dieses Urteil soll jetzt erläutert werden, indem ich zunächst in strenger Konzentration auf das Wesentliche das neutestamentliche Christuszeug R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen ⁴1961, 35. S. etwa das Urteil von Jeremias, Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 5), 243: „Es ist […] nicht möglich, die Verkündigung Jesu auf die Ankündigung der Basileia zu beschränken. Wußte er sich selbst als der Heilbringer, so heißt das, daß das Selbstzeugnis Bestandteil der von ihm verkündigten Frohbotschaft war.“ 10 Für den „historischen Jesus“ gilt mutatis mutandis, was F. Rosenzweig, Atheistische Theologie, in: Ders., Kleinere Schriften, Berlin 1937, 278–290: 278 im Blick auf die im 18. Jahrhundert zu verzeichnenden Versuche, „das menschliche Leben Jesu als das Leben des großen Lehrers und das Christentum als die Lehre dieses Lehrers darzustellen“, bemerkt hat: „Darstellen hieß herstellen.“ 8 9
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nis kennzeichne und dem dann die der historischen Forschung allein mögliche Wahrnehmung Jesu gegenüberstelle. Für das neutestamentliche Christuszeugnis ist der Gedanke wesentlich, daß das Persongeheimnis des irdischen Jesus – d. h. sein wahres Sein – dem menschlichen Erkenntnisvermögen schlechterdings entzogen ist und ausschließlich aufgrund göttlicher Offenbarung erkannt werden kann. Paulus legt das eingehend in den theologisch höchst gewichtigen Ausführungen von 1 Kor 2,6–16 dar, und er weist an anderen Stellen seiner Briefe darauf hin, daß die Christus-Offenbarung in grundlegender Weise den Aposteln Jesu Christi durch die Begegnung mit dem auferstandenen Kyrios zuteil geworden ist11 und sich von daher dann immer neu da ereignet, wo das den Aposteln anvertraute Evangelium verkündigt wird, das Jesu Person und Werk zum Inhalt hat.12 Der Sicht des Paulus läßt sich diejenige der vier Evangelisten an die Seite stellen, der zufolge Jesu Persongeheimnis nicht nur den Zeitgenossen,13 sondern gerade auch den Jüngern vor Ostern verborgen war und erst den zu Aposteln berufenen Jüngern durch die Selbsterschließung des auferstandenen Herrn bzw. durch das offenbarende Wirken Gottes enthüllt worden ist.14 Paulus und die Evangelisten bringen mit 11 S. dazu 1 Kor 15,1–11 sowie ferner die paulinischen Selbstzeugnisse Gal 1,11 f.15 f.; 2 Kor 4,6; Phil 3,7–11. 12 In 2 Kor 4,6 beschreibt Paulus die ihm selbst vor Damaskus geschenkte und durch seine Verkündigung dann auch anderen gewährte Erkenntnis des gekreuzigten Jesus als ein Wunder, das nicht geringer ist als das in Gen 1,3 bezeugte Wunder der Erschaffung des Lichtes am ersten Schöpfungstag: „Gott, der da sprach: ‚Aus der Finsternis leuchte das Licht hervor!‘, – der hat es in unseren Herzen Licht werden lassen, so daß leuchtend aufging die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi.“ Zur Begründung der Übersetzung sowie zur Exegese des Satzes s. O. Hofius, Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: Ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen ²1994, 148–174: 161–163. 13 Das wird durch Texte wie die folgenden signalisiert: Mk 6,1–6 par. Mt 13,53–58; Mk 6,14– 16 parr.; Mk 8,27 f. parr.; Lk 4,22 (nicht als positive Reaktion zu deuten!); Joh 6,42; 7,27.40–43. 14 Nach Markus ist, wie etwa durch Mk 9,9 f.; 16,6 f. angezeigt wird, das vorösterliche Unverständnis der Jünger (6,52; 8,17 f. u. ö.) erst durch die Begegnung mit dem Auferstandenen überwunden worden, und darin zeigt sich, daß Jesus und die Geschichte Jesu grundsätzlich allein im Licht seines Todes und seiner Auferstehung erkannt werden können. – Für Lukas sind die Jünger Jesu nicht schon dadurch zu seinen „Zeugen“ geworden, daß sie vor Ostern seine Begleiter waren, sondern allererst dadurch, daß sie „Zeugen seiner Auferstehung“ (Apg 1,22b) wurden, indem der Auferstandene ihnen erschien, mit ihnen redete, ihnen sich selbst und seine Predigt von der Gottesherrschaft erschloß und sie so vom Unverständnis zur wahren Erkenntnis seiner selbst führte (s. neben Lk 24 besonders Apg 1,1–8.21 f.; 2,32; 3,15; 10,39–41; 13,30 f.; zum vorösterlichen Unverständnis s. Lk 9,45; 18,34). – Für das Johannesevangelium ist der Gedanke bestimmend, daß den Jüngern Jesu erst durch die Begegnung mit dem Auferstandenen das ihnen zuvor verborgene Persongeheimnis Jesu erschlossen wird und daß dann denen, die ihr Zeugnis vernehmen, die gleiche Erkenntnis durch den Geistparakleten zuteil wird, den der Auferstandene in der Einheit mit dem Vater sendet (s. dazu im einzelnen H.-Chr. Kammler, Jesus Christus und der Geistparaklet, in: O. Hofius / H.-Chr. Kammler, Johannesstudien. Untersuchungen zur Theologie des vierten Evangeliums [WUNT 88], Tübingen 1996, 87–190, bes. 106–108.109–112.118 f.122–124.137–140.182 f.). – Matthäus läßt zwar auf der Erzählebene seines Evangeliums den Jünger Petrus schon vor Ostern das ihm von Gott geoffenbarte wahre Bekenntnis sprechen, daß Jesus „der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ ist (Mt 16,16);
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den angedeuteten Aussagen auf unterschiedliche Weise zur Sprache, daß die Antwort auf die Frage nach Person und Werk des irdischen Jesus nirgends anders als in dem Christuszeugnis der Apostel Jesu Christi zu finden ist, das sich der Erkenntnis und Glauben wirkenden Selbstoffenbarung des auferstandenen Herrn verdankt. Unverkennbar wird damit der Anspruch erhoben, daß das, was die apostolischen Zeugen über Jesus sagen, nicht das Ergebnis menschlichen Denkens und Deutens, sondern geoffenbarte göttliche Wahrheit ist. Das apostolische Christuszeugnis bildet die Grundlage dessen, was die Schriften des Neuen Testaments und hier insbesondere auch die vier Evangelien über Jesus sagen. Bei den Evangelien handelt es sich weder um Biographien noch auch um eine bestimmte Form von Geschichtsschreibung, sondern um narratives Christuszeugnis und somit um eine völlig neue und analogielose literarische Gattung.15 Ihr Thema ist der irdische Jesus, wie er als der auferstandene Geder nachösterliche Charakter der Erzählung Mt 16,13–20 ist jedoch unübersehbar, so daß deutlich wird: Der Evangelist behauptet nicht eine bereits vorösterliche Erkenntnis des Persongeheimnisses Jesu, sondern er betont, daß einzig das dem Auferstehungszeugen Petrus von Gott in den Mund gelegte Bekenntnis die Wahrheit über den irdischen Jesus zum Ausdruck bringt. Daß Mt 16,16 ebensowenig wie Joh 6,69 (oder z. B. auch Joh 11,27) historisierend auf eine vorösterliche Erkenntnis Jesu gedeutet sein will, zeigt sich darin, daß auf der Erzählebene bereits zeitlich früher, nämlich in Mt 14,33 das wahre Bekenntnis aus dem Mund aller Jünger laut wird. Beide Texte, Mt 14,33 wie Mt 16,16, sind im Licht von Mt 28,7.10 zu lesen. – Zur Frage einer bereits vorösterlichen Erkenntnis Jesu vgl. Kähler, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus. Neudruck (s. Anm. 1), 42–44. Der durch historisch-kritische Exegese erhobene Befund entzieht dem berühmten Urteil Schleiermachers in § 99 seiner Glaubenslehre den Boden: „Die Jünger erkannten in ihm (sc. in Christus) den Sohn Gottes, ohne etwas von seiner Auferstehung und Himmelfahrt zu ahnden“ (F. Schleiermacher, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Zweite umgearbeitete Ausgabe (1830/31), 7. Auflage hg. v. M. Redeker, Berlin 1960, II 82). H. J. Iwand, Predigt-Meditationen, Göttingen 1963, 497 Anm. 1 bemerkt zu Recht, daß in den „geradezu programmatischen“ Sätzen des § 99 „der wirkliche dogmatische Hintergrund der Historisierung des Lebens Jesu aufgedeckt“ ist. 15 Die Evangelien unterscheiden sich wesentlich von einer Biographie, denn sie beschreiben nicht einen Menschen nach seinem individuellen Charakter, Ethos, Verhalten und Geschick, nicht eine Persönlichkeit in ihrer unverwechselbaren menschlichen Originalität und Einmaligkeit, Eindrücklichkeit und Vorbildlichkeit. Sie handeln vielmehr von einem Menschen, der in seiner Person und in seinem Werk, mit seinem Weg und mit seinem Geschick schlechthin alle anderen Menschen angeht und für sie alle heilsentscheidend ist. Die Evangelisten reden deshalb von diesem Menschen als solche, die an ihn glauben, wie man nur an Gott glauben kann, und sie schildern ihn selbst und seine Geschichte als die Erfüllung alttestamentlicher Heilsverheißungen. – Die Evangelien unterscheiden sich auch wesentlich von einer Geschichtsdarstellung, die eine Person der Vergangenheit zu vergegenwärtigen sucht. Sie schildern ja einen Menschen, der als der auferstandene und lebendige Herr geglaubt und dessen Geschichte als eine solche begriffen wird, die für alle Menschen aller Zeiten und Orte geschehen ist und in der deshalb ein jeder Leser bereits von Haus aus vorkommt, so daß für ihn in einem einzigartigen Sinn gilt: tua res agitur. G. Bornkamm, Geschichte und Glaube im Neuen Testament. Ein Beitrag zur Frage der „historischen“ Begründung theologischer Aussagen, in: Ders., Geschichte und Glaube I. Gesammelte Aufsätze Band III (BEvTh 48), München 1968, 9–24: 18 formuliert treffend: Das Entscheidende in der Darstellungsweise der Evangelien ist „die Erkenntnis, daß Jesu Geschichte sich gerade nicht in ein isolierbares Damals und Dort einschließen läßt, wie
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kreuzigte im Licht seiner österlichen Selbsterschließung offenbar ist, und für ihre Darstellung ist die Gewißheit ausschlaggebend, daß sowohl Jesu Person wie auch seine irdische Geschichte und seine vorösterliche Verkündigung erst im Licht dieser Selbsterschließung angemessen verstanden werden. Diese Gewißheit bildet den Grund dafür, daß in den Evangelien der nicht nur auf Erinnerung, sondern auch auf mündlichen Traditionen beruhende Rückblick auf die Geschichte und Verkündigung des irdischen Jesus und der durch den Auferstandenen gewährte Einblick in sein Persongeheimnis aufs engste miteinander verwoben sind. Der Jesus der Evangelien ist der von den Aposteln bezeugte Christus, und das will bei der Exegese aller in ihnen berichteten Ereignisse und aller in ihnen mitgeteilten Worte beachtet sein. Das bedeutet: Jede Erzählung und jedes Wort ist im Licht des Todes und der Auferstehung Jesu zu lesen und zu bedenken – und also unter dem hermeneutischen Vorzeichen zu interpretieren, daß der Handelnde und Redende der irdische Jesus als der ist, der seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung entgegengeht. Das Christuszeugnis begegnet im Neuen Testament ohne Frage in recht unterschiedlicher Gestalt. Titulaturen und Vorstellungen differenter traditionsgeschichtlicher Herkunft sowie besondere Akzentsetzungen und spezifische Ausprägungen in der theologischen Aussage sind unübersehbar, und hinsichtlich der Evangelien lassen sich Widersprüche in geographischen, chronologischen und erzählerischen Details ebensowenig bestreiten wie etwa der ganz erhebliche Unterschied zwischen den synoptischen Evangelien und dem Johannesevangelium. All dies berührt jedoch nicht das grundlegende Zeugnis von Jesu Person und Werk. Die Vielfalt miteinander konkurrierender und in manchen Zügen sogar miteinander unvereinbarer Jesusbilder, die angeblich bereits im Neuen Testament zu verzeichnen ist, halte ich ebenso für ein exegetisches Phantom wie die Vielfalt der Deutungen des Todes Jesu, die dort zu finden sein soll. In Wahrheit gibt es einen den Schriften des Neuen Testaments gemeinsamen Cantus firmus – nämlich das Zeugnis von der absoluten Analogielosigkeit Jesu Christi und damit auch des irdischen Jesus. Drei mit diesem Zeugnis verbundene Grundaussagen, denen später drei Charakteristika des „historischen Jesus“ gegenübergestellt werden sollen, möchte ich beschreiben. es notwendigerweise jede Historiographie tun muß“. „Auch wenn die Evangelien im Tempus der Vergangenheit erzählen, ist diese Zeit für die Evangelien gerade nicht vergangen, sondern gegenwärtig mächtig, Einbruch des Eschaton, Epiphanie Gottes und also eine Geschichte, die die Grenzen von Einst und Jetzt durchbricht. Für den Historiker bleibt diese Grenze grundsätzlich immer geschlossen, auch wenn er die Nachwirkung einer Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft erkennt. Völlig anders ist dagegen für die Evangelien das Einst der Geschichte Jesu nach der Gegenwart und Zukunft hin geöffnet.“ Die Evangelisten erzählen so, „daß die später Hörenden in die Geschichte Jesu von vorneherein mit einbezogen werden“. – Die nicht mit überzeugenden Argumenten zu bezweifelnde Analogielosigkeit der Evangelien korrespondiert der sogleich zu bedenkenden Analogielosigkeit Jesu.
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1. Die Analogielosigkeit Jesu betrifft dem neutestamentlichen Christuszeugnis zufolge zunächst und zuerst seine Person. Sie liegt darin, daß der Mensch Jesus von Nazareth, dessen echte, volle und individuelle Menschlichkeit nicht geleugnet, sondern im Gegenteil vorausgesetzt wird, gleichwohl kein purus homo – kein bloßer Mensch – ist.16 Er ist vielmehr darin von allen anderen Menschen qualitativ unterschieden, daß er seinem Ursprung und Wesen nach auf die Seite Gottes gehört, Gott in ihm in einzigartiger Weise gegenwärtig ist und in ihm – und nur in ihm – das ewige Heil eines jeden Menschen beschlossen liegt.17 Die Zeugen sehen in Jesus „die einmalige Epiphanie Gottes“ und „die praesentia Dei in Person“ – die rettende Gegenwart Gottes unter den vor ihm verlorenen Menschen.18 Daß in dem Menschen Jesus von Nazareth Gott selbst erscheint, redet und handelt, das bringt der Hoheitstitel „Sohn Gottes“ zum Ausdruck, kommt aber auch in ganz unterschiedlichen Prädikationen zur Sprache, von denen ich, um die Bandbreite der Zeugnisse zu dokumentieren, die folgenden in Erinnerung rufe: Jesus ist der „Immanuel“, der „sein Volk von ihren Sünden erretten wird“ (Mt 1,20b–23); der Gottessohn, in dessen Kommen sich das von den Propheten Israels angekündigte Kommen Gottes zur Aufrichtung seiner Königsherrschaft ereignet (Mk 1,2 f. [vgl. Jes 40,1–11 / Mal 3,1]; 7,37 [vgl. Jes 35,4–6]); das „Heil Gottes“ in Person für Israel und die Völkerwelt (Lk 2,30; 3,6); der menschgewordene göttliche Logos, in dem die Glaubenden die „Gnade und Wahrheit“ Gottes selbst schauen (Joh 1,1.14); „der Herr der Herrlichkeit“ (1 Kor 2,8) und als dieser Gottes rettende Macht und Weisheit (1 Kor 1,18–2,16)19; das vollkommene „Ebenbild“ Gottes, in dem Gott selbst in seiner ganzen Fülle realiter gegenwärtig ist (Kol 1,15.19; 2,9); „der Abglanz der Herrlichkeit Gottes und die Ausprägung seines Wesens“ (Hebr 1,3a); die Epiphanie der „Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes“ (Tit 3,4; vgl. 2 Tim 1,9 f.); „der wahre Gott und
16 Der lateinische Ausdruck purus homo, der dem griechischen ψιλὸς ἄνθρωπος (z. B. Origenes, Fragmenta in Joannem, Frgm. 33 [GCS 10, 508.23 f.]; Athanasius, Contra Arianos II 15 f. [PG 26, 177 B. 180 C]) entspricht, begegnet häufig in den Schriften Martin Luthers. So heißt es in den Wochenpredigten über Joh 16–20 (1528/29) zu Joh 17,2: „Johannes solet mit einfuren divinitatem Christi: sic agit de isto homine, das man greiffen kan, quod non sit purus homo“ (WA 28, 89,7 f. [im deutschen Text ebd., 27–29: „diese wort […] leiden nicht, das er ein lauter mensch sey“]). Weitere Belege: WA 3, 196,33. 319,23; 4, 27,21.27; 5, 614,9; 15, 465,33; 17 I, 72,13.32; 20, 326,17.20. 327,2. 355,5; 37, 573,24. Luther übernimmt den Ausdruck aus der älteren theologischen Literatur, zu der ich mir Belege bei Augustin, Anselm von Canterbury, Bonaventura, Thomas von Aquin und Riccoldus Florentinus notiert habe. 17 S. dazu die gewichtigen Ausführungen bei Barth, KD IV/1, 174–178. 18 J. Schniewind, Antwort an Rudolf Bultmann. Thesen zum Problem der Entmythologisierung, in: H.-W. Bartsch (Hg.), Kerygma und Mythos. Ein theologisches Gespräch (ThF 1), Hamburg-Bergstedt ⁴1960, 77–121: 108 (vgl. 80 f.); Ders., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 2), Göttingen ⁸1956, 15 f.27.188; Iwand, Predigt-Meditationen (s. Anm. 14), 472.567.645. 19 Der Ausdruck ὁ κύριος τῆς δόξης 1 Kor 2,8 ist eine Gottesprädikation; s. grHen 22,14; 27,3.5; äthHen 22,14; 25,3.7; 27,3.5; 36,4; 40,3; 63,2; 75,3; 83,8; koptApkEl 19,11.
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als solcher der Spender des ewigen Lebens“ (1 Joh 5,20b)20. Daneben sei nur noch darauf hingewiesen, daß nach der synoptischen Verklärungsgeschichte (Mk 9,2–8 parr.) und dem Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,14) Jesus als dem Sohn Gottes die göttliche δόξα eignet und daß dem Logion Mt 11,27 par. Lk 10,22 sowie dem Wort Joh 1,18 zufolge niemand außer ihm, dem Sohn des Vaters, den verborgenen Gott zu offenbaren vermag.21 Alle genannten Zeugnisse beziehen sich nicht nur auf den erhöhten Christus, sondern auf den gekreuzigten und auferweckten Herrn und mithin auch auf den irdischen Jesus, dessen wahres Sein durch das Ostergeschehen offenbar geworden ist. Und alles, was die Zeugnisse sagen, ist genau so gemeint, wie es gesagt ist. Das heißt: Die unterschiedlichen Aussagen, die Jesus als die praesentia Dei in Person prädizieren, sind SeinsAussagen und nicht bloß Formulierungen, die seine einzigartige Beziehung zu Gott oder seine besondere Funktion im Dienst Gottes zum Ausdruck bringen sollen. Wo sie so verstanden werden, da ist dies eine moderne Umdeutung, die in gar keiner Weise plausibel gemacht werden kann. Hätten die neutestamentlichen Autoren nämlich nur eine besondere Relation oder Funktion beschreiben wollen, so hätte es für sie durchaus sprachliche Möglichkeiten gegeben, das in unmißverständlicher Weise zu tun. Warum sie sich statt dessen einer Redeweise bedient hätten, mit der sie in ihrer jüdischen Umwelt zwangsläufig den Vorwurf der Blasphemie provozieren mußten,22 bleibt gänzlich unerfindlich. Daß es sich bei den „hohen“ Aussagen über Jesu Person keineswegs um uneigentliche Rede handelt, das zeigt sich aber vor allem daran, daß sie das Fundament dessen bilden, was im Neuen Testament über Jesu Geschichte und Werk gesagt wird.23 Denn was hier gesagt wird, das kann nicht von einem bloßen Menschen 20 Zu den Worten οὗτός ἐστιν ὁ ἀληθινὸς θεὸς καὶ ζωὴ αἰώνιος 1 Joh 5,20b ist sprachlich anzumerken, daß ζωὴ αἰώνιος durch die artikellose Anfügung als ein explizierendes Prädikat zu ὁ ἀληθινὸς θεός ausgewiesen wird. Die Metonymie ζωὴ αἰώνιος (= „der Spender des ewigen Lebens“), zu der Joh 11,25a zu vergleichen ist, bringt zum Ausdruck, daß Jesus nicht der Vermittler des ewigen Lebens ist, sondern daß dieses einzig „in ihm“ (V. 20aβ), d. h. in der Bindung an seine Person empfangen wird. Daß der Satz V. 20b sich nur auf den in V. 20a erwähnten υἱὸς τοῦ θεοῦ Jesus Christus beziehen kann, begründet ausführlich H.-Chr. Kammler, Christo logie und Eschatologie. Joh 5,17–30 als Schlüsseltext johanneischer Theologie (WUNT 126), Tübingen 2000, 78 f. 21 Des weiteren wären jene Texte zu beachten, die von Jesus sagen, was im Alten Testament einzig und allein von dem Gott Israels gesagt wird. S. dazu etwa Mt 1,21b (Ps 130,8); Mt 8,8b par. Lk 7,7b (Ps 107,20); Mk 1,40–42 parr. (2 Kön 5,7); Mk 4,35–41 parr. / Mk 6,45–52 par. Mt 14,22–33 (Ps 65,8; 89,10; Hi 9,8); Mk 13,31 parr. (Jes 40,8b); Lk 5,8b (Jes 6,5); Apg 4,12 (Jes 43,11; 45,21 f.; Hos 13,4). 22 S. dazu Joh 5,18; 10,33.36; 19,7. Diese Stellen spiegeln den Blasphemievorwurf wider, der von seiten der Synagogengemeinde gegenüber dem Christuszeugnis der johanneischen Gemeinde erhoben worden ist. 23 Das deutliche Kennzeichen dafür ist der Tatbestand, daß in allen vier Evangelien die Darstellung der Jesusgeschichte unter dem Vorzeichen der solennen Eröffnungstexte steht, die – von Ostern her! – sagen, wer der irdische Jesus ist. Diese Texte (Mk 1,2–13; Mt 1,1–4,16; Lk 1,5–4,13; Joh 1,1–51) liefern den hermeneutischen Schlüssel für das angemessene Verständnis
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gesagt werden, wie tief auch seine Relation zu Gott und wie einzigartig auch seine Funktion im Dienst Gottes gedacht sein mag. Nach der Überzeugung der neutestamentlichen Autoren ist die Person Jesus Christus, an die sie glauben, „Präsenz Gottes selbst und nicht einer potenzierten Menschlichkeit oder eines mindergöttlichen Gottwesens“.24 2. Dem Tatbestand, daß Jesus analogielose Person ist, entspricht nach dem Zeugnis des Neuen Testaments die Analogielosigkeit seiner Geschichte. Ist nämlich Jesus in Person die rettende Epiphanie Gottes, dann kann er prinzipiell nicht als eine persona privata – als ein für sich existierender Mensch – angesehen werden und sein Leben nicht als ein solches, das er für sich selbst gelebt hat. Seine irdisch-geschichtliche Existenz ist vielmehr göttliche Zuwendung zu den Menschen, und deshalb hat seine Geschichte ihre einzigartige Signatur in dem „pro nobis“ – in dem „für uns Menschen und zu unserm Heil“ des Nizänischen Glaubensbekenntnisses.25 Im Zeichen dieses „pro nobis“ stehen sowohl die Geburt Jesu wie sein Tod am Kreuz; ja, sein ganzes irdisches Leben ist dem neutestamentlichen Zeugnis zufolge durch das „für uns“ geprägt. Dem „pro nobis“ korrespondiert dabei das δεῖ, von dem die Leidens- und Auferstehungsankündigungen der Evangelien sprechen.26 Durch das göttliche „Muß“, von dem hier die Rede ist, wird unmißverständlich angezeigt, daß es sich bei dem Kreuzestod Jesu keineswegs um ein zufälliges, sondern im Gegenteil um ein von Gott gewolltes und daher notwendiges Geschehen handelt.27 Das aber heißt: dessen, was dann über den Weg Jesu, über sein Wirken und über seine Verkündigung berichtet wird. Dies alles ist also im Licht des Persongeheimnisses Jesu gesehen – nicht umgekehrt. Vgl. dazu die tiefgründigen Darlegungen bei Mostert, Bemerkungen zum Verständnis der altkirchlichen Christologie (s. Anm. 1), 83–85. 24 Mostert, ebd., 87. Die zitierte Bestimmung bezieht sich bei Mostert auf die altkirchliche Christologie, trifft aber ebenso bereits für das neutestamentliche Christuszeugnis zu. Gleiches gilt, wenn Mostert, ebd., 88 bemerkt: „Die Person Jesus Christus, an die wir glauben, die wir anschauen (ἐθεασάμεθα Joh 1,14), ist Gott selbst. Anders schaut der Glaube Jesus Christus gar nicht an.“ In dem damit benannten Sachverhalt ist es begründet, daß nach neutestamentlichem Zeugnis die Erkenntnis Jesu nicht in der Macht des Menschen steht. Wie Gott nur erkannt werden kann, wenn er selbst sich zu erkennen gibt, so auch der Sohn Gottes nur durch die Offenbarung Gottes. 25 Den unlöslichen Zusammenhang zwischen dem ὑπὲρ ἡμῶν von Gal 3,13 und der angemessenen Bestimmung der Person Jesu hat M. Luther, In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius (1531 [1535]) z.St. mit Nachdruck betont: Non debemus […] fingere Christum […] privatam personam (WA 40 I, 447,17). – Zur Geschichte Jesu als Geschichte pro nobis s. H. J. Iwand, Gesetz und Evangelium (Nachgelassene Werke 4), hg. v. W. Kreck, München 1964, 80–110; Ders., Christologie (Nachgelassene Werke. Neue Folge 2), hg. v. E. Lempp / E. Thaidigsmann, Gütersloh 1999, 363–377; speziell zu Paulus: G. Eichholz, Die Theologie des Paulus im Umriß, Neukirchen-Vluyn 1972, 188–202 (auch 202–213). Großartige ältere Texte: M. Luther, Ein klein Unterricht, was man in den Evangeliis suchen und gewarten soll (1522) (WA 10 I 1, 8–18); Berner Synodus (1532), cap. 7 (Reformierte Bekenntnisschriften 1/1, Neukirchen-Vluyn 2002, 526,32–527,22). 26 Mk 8,31 par. Mt 16,21 / Lk 9,22; Lk 24,7 (vgl. 24,26); Joh 3,14; 12,34 (vgl. 20,9). 27 S. dazu neben den Leidens- und Auferstehungsankündigungen der Evangelien u. a. auch
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Jesus „ist Mensch geworden, um zu sterben“,28 – und dies deshalb, weil sein von der Auferstehung nicht zu trennender Tod das Heilsgeschehen ist, in dem den vor Gott Verlorenen die Erlösung aus Sünde und Tod gewährt und so der heilvolle Zugang zur Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott eröffnet ist.29 Aus der Erkenntnis, daß die Geschichte Jesu in dem „pro nobis“ ihre Signatur hat, hat Paulus mit Grund die Folgerung gezogen, daß diese Geschichte diejenigen einschließt, für die Jesus gestorben und auferstanden ist, daß sie also als seine Geschichte bereits zugleich ihre Geschichte ist.30 Denkbar ist das für den Apostel nur deshalb, weil er die Geschichte Jesu als eschatologische Gottesgeschichte und damit als Überwindung der Todesgeschichte begreift. 3. Mit dem, was über die Analogielosigkeit Jesu und seiner Geschichte gesagt wurde, hängt ganz unmittelbar zusammen, daß der Mensch Jesus von Nazareth für die neutestamentlichen Zeugen keine Gestalt der Vergangenheit und seine Geschichte für sie keine vergangene Geschichte ist. Von allen neutestamentlichen Autoren einschließlich der Verfasser der vier Evangelien gilt: Sprechen sie von Jesus, so sprechen sie vom dem, der „gestern und heute derselbe“ ist „und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8).31 Damit erklären sie nicht nur, daß Jesus wie alle Großen der Vergangenheit geschichtliche Wirkung hat und daß seine Worte in der Geschichte weiterleben. Sie bekennen ihn vielmehr als den auferstandenen, zur Rechten Gottes erhöhten und lebendigen Herrn, der als dieser in seiner Gemeinde gegenwärtig ist, die sein Wort im gepredigten Evangelium vernimmt, ihn als den Kyrios anruft und seine Wiederkunft erwartet.
die folgenden Texte: Mt 26,54; Mk 10,45; Lk 17,25; 22,37; 24,44; Joh 3,16; Apg 2,23; 3,18; 4,27 f.; 13,27–29; 17,2 f.; 26,22b.23; Röm 8,3; Gal 4,4 f.; Hebr 2,10–17; 9,26b; 10,5–10; 1 Joh 4,9 f. 28 Iwand, Christologie (s. Anm. 25), 294. 29 Nirgends im Neuen Testament ist der Tod Jesu als ein lediglich von Menschen zu verantwortendes Geschehen verstanden, auf das Gott dann reagiert hat, indem er den Gekreuzigten von den Toten auferweckte und damit ihn selbst, sein Wirken und seine Verkündigung ins Recht setzte. Eine solche Sicht liegt auch nicht in dem sog. „Kontrastschema“ vor, das in Reden der Apostelgeschichte begegnet (Apg 2,23 f.; 3,13–15; 4,10 f.; 5,30 f.; 10,39 f.; 13,27–30). Nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte erfolgt nicht nur die Auferweckung Jesu, sondern ebenso auch sein Tod nach dem Plan und Willen Gottes und in Erfüllung dessen, was bereits in der Heiligen Schrift Israels angekündigt ist (s. dazu die in Anm. 27 notierten Stellen). Daß der dem Ratschluß Gottes entsprechende Tod Jesu göttliches Heilsgeschehen ist, kommt in Apg 20,27 f. unmißverständlich zum Ausdruck. 30 Röm 6,1–14; 2 Kor 5,14–21; Gal 2,19 f. Auch 1 Kor 15,1–23 gehört hierher: Weil das Heilsgeschehen des Todes und der Auferstehung Christi (V. 3b.4) diejenigen einschließt, für die Christus gestorben und auferstanden ist, deshalb ist seine Auferstehung der Realgrund ihrer Auferstehung und ihre Auferstehung die notwendige Folge seiner Auferstehung (V. 12–23). 31 Was die synoptischen Evangelien anlangt, so sagt H. J. Iwand, Glauben und Wissen (Nachgelassene Werke 1), hg. v. H. Gollwitzer, München 1962, 279 sehr schön: Sie sind „kein Requiem auf einen Toten“.
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IV Dem neutestamentlichen Zeugnis von Jesus, wie es im Vorigen in Grundzügen nachgezeichnet wurde, ist nun das Jesus-Bild gegenüberzustellen, zu dem die streng im Rahmen historisch-kritischer Forschung erörterte Frage nach dem „historischen Jesus“ immer nur gelangen kann. Für sie ist konstitutiv und kennzeichnend, daß sie Jesus ohne das Licht von Ostern in seiner irdischen Existenz und Geschichte zu erkennen sucht. Das ist durchaus konsequent, weil der in der Heiligen Schrift bezeugte lebendige Gott – im Unterschied zu dem, was Menschen über Gott denken und sagen – kein Gegenstand historischer Forschung ist und sein kann und der Historiker mithin die Grenzen seiner Disziplin überschreiten würde, wenn er Sätze über Gottes Handeln in der Geschichte formulieren wollte.32 Zugleich aber stellt die Ausblendung des Ostergeschehens und der mit ihm verbundenen Offenbarung des Persongeheimnisses Jesu durch Gott selbst in theologischer Hinsicht eine weitreichende Entscheidung dar. Mit ihr ist nämlich ein Weg gewählt, auf dem nach dem Zeugnis des Neuen Testaments – und folglich in dem Fall, daß dieses Zeugnis wahr ist – der irdische Jesus prinzipiell nicht erkannt, sondern in seiner Wirklichkeit nur verfehlt werden kann. Das sei unter drei Aspekten expliziert. 1. Die Frage nach dem „historischen Jesus“ rekonstruiert, wie auch immer das dabei gewonnene Bild im einzelnen aussehen mag, allemal eine Gestalt, die in der Einmaligkeit der geschichtlichen Existenz an ihre Zeit und ihren Ort gebunden ist und als solche nichts anderes ist und sein kann als ein purus homo – ein seinem Ursprung und Wesen nach auf die Seite der Menschen gehörender und von allen anderen Menschen qualitativ nicht unterschiedener Mensch. Damit wird bereits im Ansatz dem neutestamentlichen Zeugnis widersprochen, und es ist von Anfang an entschieden, daß die Frage, wer Jesus war, nur solche Antworten finden kann, die im Rahmen des Menschlichen und Menschenmöglichen bleiben. Jede hier denkbare Antwort versteht Jesus deshalb notwendig nach der Analogie einer schon bekannten oder zumindest denkbaren Erscheinung. Das zeigt sich etwa darin, daß er unter dem Vorzeichen der historischen Rückfrage als Rabbi, als Prophet, als Weisheitslehrer, als charismatischer Wundertäter, als Wanderprediger oder als endzeitlicher Gottesbote beschrieben wird. Auch die These, daß die einzige Kategorie, die den irdischen Jesu angemessen zu erfassen vermag, „die des Messias“ sei,33 bleibt in dem genannten Rahmen, weil der „Messias“-Begriff im Kontext der Frage nach dem „historischen Jesus“ 32 Zur Kritik an einer geschichtsphilosophischen bzw. geschichtstheologischen Sicht, nach der die Offenbarung Gottes in Jesus Christus Gegenstand historischer Erforschung und historischer Erkenntnis ist, s. H.-G. Geyer, Geschichte als theologisches Problem. Bemerkungen zu W. Pannenbergs Geschichtstheologie, in: Ders., Andenken. Theologische Aufsätze, hg. v. H.Th. Goebel u. a., Tübingen 2003, 39–52. 33 Käsemann, Das Problem des historischen Jesus (s. Anm. 1), 206.
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keineswegs in dem Sinn verstanden werden kann, der ihm im neutestamentlichen Christuszeugnis eignet, in dem er zu einem das göttliche Sein Jesu als des Heilsbringers zur Sprache bringenden Hoheitstitel geworden ist.34 Bei einigen Exegeten führt die historische Rückfrage zu dem Urteil, daß Jesus aufgrund seines unerhörten Hoheitsanspruchs in keine der gängigen Kategorien passe. Doch die so Urteilenden überschreiten mit ihrer Sicht ebenfalls den Bereich des Menschenmöglichen nicht. Denn selbst wenn etwa konstatiert wird, daß Jesus beansprucht, in einzigartiger Vollmacht als Stellvertreter Gottes zu reden und zu handeln oder der eschatologische Heilsbringer zu sein, dann ist solches durchaus auch bei einem anderen Menschen vorstellbar, und hier über die Wahrheit entscheiden zu wollen würde die Kompetenz des Historikers übersteigen. Den Gedanken einer göttlich begründeten Analogielosigkeit des irdischen Jesus muß die Frage nach dem „historischen Jesus“ jedenfalls a priori ausschließen, und in ihrem Horizont kann grundsätzlich kein Mensch gedacht werden, der die rettende Gegenwart Gottes unter den Menschen und deshalb Gegenstand des Glaubens sein könnte. Die neutestamentlichen Aussagen über die Gottheit Jesu vermag die historische Rückfrage von vornherein nur als Beschreibungen bestimmter Aspekte seiner menschlichen Wirklichkeit und damit als ihn und sein Wirken interpretierende religiöse Werturteile seiner Anhänger bzw. der ältesten Gemeinden zu beurteilen. 2. Wird Jesus als ein purus homo verstanden, so kann er nur als eine persona privata, nur als eine Person „für sich“ angesehen werden. Die Frage nach dem „historischen Jesus“ muß deshalb von dem „pro nobis“, das dem neutestamentlichen Zeugnis zufolge von der Person Jesu nicht zu trennen ist und die Signatur seiner vorösterlichen Existenz und Geschichte bildet, notwendig abstrahieren. Sie kann Jesus ein Dasein-für-andere lediglich in dem Sinn zuschreiben, wie es auch sonst als menschliche Hingabe möglich und wirklich ist, und dabei für ihn allenfalls eine besonders eindrucksvolle Gestalt solcher Hingabe behaupten. Die Konsequenz, die sich hinsichtlich der Soteriologie ergibt, liegt auf der Hand: Wo die Geschichte Jesu als die Geschichte eines purus homo angesehen wird, da ist es gänzlich ausgeschlossen, in ihr die Geschichte der rettenden Zuwendung Gottes zu den Menschen und somit in Jesu Tod ein Gottesgeschehen zu erblicken, das alle Menschen betrifft und in dem über sie alle entschieden ist.35 Der 34 S. dazu O. Hofius, Ist Jesus der Messias? Thesen, in: Ders., Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, 108–134: 121–134. 35 Auch hier gilt mutatis mutandis, was Rosenzweig, Atheistische Theologie (s. Anm. 10), 280 im Blick auf die liberale Leben-Jesu-Forschung bemerkt: Es ist eine unmögliche Voraussetzung, daß „das Leben eines andern in seiner vollen menschlichen Einzigkeit erfaßt schlechthin allgemeingültig sein und ein Mensch als bloßer Mensch, ja gerade als solcher, der Menschheit das werden sollte, was ihr der Gottmensch des Dogmas hatte sein können“. H. J. Iwand, Der Prinzipienstreit innerhalb der protestantischen Theologie, in: Ders., Um den rechten Glauben. Gesammelte Aufsätze (TB 9), hg. v. K. G. Steck, München ²1965, 222–246: 242 bemerkt zu Recht: „Solange wir vom Begriff des historischen, das heißt des gleich uns für sich lebenden
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Kreuzestod Jesu kann rein historisch betrachtet nicht als das Ziel seines Daseins in der Welt, sondern nur als die kontingente Folge seines Wirkens verstanden werden, wobei dann unterschiedliche Antworten auf die Frage möglich sind, ob Jesus mit seinem gewaltsamen Tod gerechnet und eine Sinndeutung für dieses sein Geschick gesucht und gefunden hat. 3. Historische Forschung fragt stets nach Ereignissen oder Gestalten der Vergangenheit, die zwar eine geschichtliche Wirkung haben können, selbst und als solche aber unwiderruflich vergangen sind. Daher gilt auch die Frage nach dem „historischen Jesus“ zwangsläufig einem Menschen der Vergangenheit mit seiner vergangenen Geschichte. Das heißt: Die historische Rückfrage sucht „den Lebendigen bei den Toten“ (Lk 24,5), auch wenn sie in Jesus eine Gestalt von geschichtlicher Wirkung und bleibender Bedeutung erblickt. Lebendig und gegenwärtig kann der „historische Jesus“ nur in der Erinnerung und in den Interpretationsversuchen derer sein, die sich für ihn interessieren oder ihn für bedeutend halten und daher – von ihm beeindruckt – aus seiner Lehre und seinem Verhalten Impulse für die eigene religiöse Lebensgestaltung und das eigene ethische Verhalten empfangen. Würde niemand mehr des Menschen Jesus von Nazareth gedenken, dann – dieser Schluß ist hier unausweichlich – wäre er nicht mehr.36 und für sich existenten Jesus ausgehen, wird das stellvertretende Leiden und Sterben Jesu nach seinem Realitätscharakter unbegreiflich. […] Innerhalb des Rahmens dieser endlichen Geschichte kann nicht einer für den anderen eintreten, er kann ihm vielleicht einiges von seinen Lasten, aber nie seine Existenz abnehmen. Die menschliche Existenz ist unauswechselbar.“ Zu der wichtigen Einsicht, daß der Mensch in seiner Existenz – und insbesondere auch hinsichtlich seiner Sünde und seines Todes – absolut unvertretbar ist, s. auch: Ders., Gesetz und Evangelium (s. Anm. 25), 75.92.100–104. 36 Im Rahmen der Frage nach dem „historischen Jesus“ ist eine Aussage über die Auferweckung Jesu – etwa die, daß Gott sich mit dem Gekreuzigten identifiziert oder daß er ihn und seine Verkündigung ins Recht gesetzt habe – nicht möglich, denn sie wäre hier ebenso wie jede Aussage über eine Heilsbedeutung des Todes Jesu eine Metabasis eis allo genos. Von daher leuchtet es mir nicht ein, wenn Jüngel, Zur dogmatischen Bedeutung der Frage nach dem historischen Jesus (s. Anm. 1), 219 die Notwendigkeit dieser Frage so begründet: „Es muß verstehbar sein, warum Gott den gekreuzigten Jesus – und nicht etwa den enthaupteten Täufer Johannes – auferweckt haben soll. Insofern nötigt der Glaube an den Auferstandenen zur Rückfrage nach dem irdischen Jesus und nach dem, was wir historisch von ihm wissen können.“ Das, was in der Tat verstehbar sein muß, kann m. E. gerade nicht der Historiker verstehbar machen, sondern hier ist ausschließlich eine theologische Antwort möglich. Die im Neuen Testament gegebene Antwort erweist sich dabei als in sich stringent: Der gekreuzigte Jesus ist auferweckt worden, weil er der Sohn Gottes ist, der Mensch wurde, um für die vor Gott verlorenen Menschen zu sterben und durch das als unlösliche Einheit zu begreifende Geschehen seines Todes und seiner Auferstehung dem Tod die Macht zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist von höchstem Gewicht, daß die neutestamentlichen Zeugen in der Auferweckung Jesu keineswegs ein kontingentes Ereignis erblicken, sondern ein solches, das von allem Anfang an außer Frage steht, weil es ein von Gott her notwendiges Ereignis ist. Den Synoptikern zufolge geschieht die Auferweckung Jesu in gleicher Weise wie sein Tod als Verwirklichung des göttlichen δεῖ bzw. in Erfüllung der in der Schrift Israels enthaltenen prophetischen Ankündigungen (Mk 8,31 parr.; 10,33 f. parr.; Mk 9,31 par. Mt 17,22 f.; Lk 24,7.26.44). Das Johannesevangelium
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An den drei skizzierten Sachverhalten zeigt sich in aller Klarheit, daß die Frage nach dem „historischen Jesus“ mit innerer Notwendigkeit nur eine Person zu Gesicht bekommen kann, die sich nicht bloß graduell, sondern absolut von dem Jesus des Neuen Testaments unterscheidet. Denn zwischen einem wie immer rekonstruierten „historischen Jesus“, der nichts anderes ist und sein kann als ein purus homo, und dem apostolisch bezeugten Jesus, der als die rettende Gegenwart Gottes unter uns Menschen geglaubt und dessen Geschichte als eine alle Menschen betreffende Gottesgeschichte begriffen wird, besteht ein qualitativer Sprung.37 Das aber bedeutet: Von dem „historischen Jesus“ führt kein Weg zu dem von den Aposteln und Evangelisten bezeugten Christus – es sei denn der Gedanke einer sekundären Apotheose des Menschen Jesus von Nazareth, der allerdings historisch schlicht unerklärlich und theologisch in jeder Hinsicht indiskutabel wäre. Daß sich im Neuen Testament nirgends ein Beleg für die Auffassung findet, daß Jesus erst durch seine Auferweckung zum Sohn Gottes geworden und so zu göttlicher Höhe erhoben worden ist, sei dazu nur eben angemerkt.38 Besteht – wie mir als zwingend erscheint – zwischen einem wie immer rekonstruierten „historischen Jesus“ und dem apostolisch bezeugten Jesus ein qualitativer Sprung, dann wird der Frage nach dem „historischen Jesus“ entschieden zu viel zugetraut, wenn man ihr Recht und ihre Notwendigkeit darin erblickt, daß sie die Entstehung des nachösterlichen Christusglaubens historisch plausibel machen könne und solle. Denn genau das vermag sie nicht zu tun, weil sie keibetont aufs stärkste die zwingende Notwendigkeit der Auferstehung Jesu (Joh 2,18–22; 10,17 f.; 20,9). Was die Apostelgeschichte des Lukas anlangt, so müssen neben 17,2 f. und 26,22 f. vor allem die Verse 2,23 f. mitsamt der in 2,25–36 gegebenen Begründung aus der Schrift sowie der Abschnitt 13,32–39 bedacht werden. 37 Daß bei nüchternem Urteil auch unter der Voraussetzung eines besonderen Vollmachtsanspruchs des „historischen Jesus“ zwischen diesem und dem neutestamentlichen Christuszeugnis ein qualitativer Sprung zu konstatieren ist, kommt in erfreulicher Klarheit in dem folgenden Aufsatz zum Ausdruck: M. Konradt, Stellt der Vollmachtsanspruch des historischen Jesus eine Gestalt „vorösterlicher Christologie“ dar?, ZThK 107 (2010) 139–166. Der Verfasser zeichnet anhand zentraler Texte der synoptischen Tradition das Bild eines hohen Vollmachtsanspruchs (144–163) und gelangt sodann (163–166) zu der Feststellung, daß dem Selbstverständnis des von ihm rekonstruierten Jesus gegenüber „die nachösterliche, eng mit dem Kyrios-Titel verbundene Verehrung Jesu“ wie u. a. auch die nachösterliche Bestimmung des Verhältnisses zwischen Jesus und Gott und die Entwicklung der Präexistenzvorstellung „etwas grundlegend Neues“ und mithin einen „qualitativen Sprung“ darstellen (165). Entsprechend lautet das Fazit: „Den Vollmachtsanspruch Jesu als eine Gestalt vorösterlicher Christologie zu klassifizieren […], tendierte dahin, diese Differenz zwischen dem historischen Jesus und der Christusverkündigung zu nivellieren“ (166). 38 In der Exegese wie auch in der dogmatischen Rezeption werden des öfteren zu Unrecht die Texte Apg 2,36, Röm 1,3b.4a und Phil 2,6–11 als Belege angeführt. S. zu Apg 2,36: Hofius, Ist Jesus der Messias? (s. Anm. 34), 130 Anm. 44; zu Röm 1,3b.4a: ebd., 128 f. (These 5.3.4); zu Phil 2,6–11: O. Hofius, Der Christushymnus Philipper 2,6–11. Untersuchungen zu Gestalt und Aussage eines urchristlichen Psalms (WUNT 17), Tübingen ²1991, 56–67.113–122. Zu Apg 2,36 s. auch Bauspiess, No quest for the historical Jesus? (s. Anm. 4), 148 f.
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neswegs stringent aufzeigen kann, daß das apostolische bzw. neutestamentliche Christuszeugnis an dem irdischen Jesus einen begründeten und somit theologisch legitimen Anhalt hat. Ein solcher Anhalt ist nämlich nur dann gegeben, wenn der irdische Jesus in Wahrheit der war, als den ihn die Apostel und Evangelisten bezeugen. Dagegen kann ihr Christuszeugnis niemals einen Anhalt an einem purus homo haben, wie Großes auch über ihn und seine Beziehung zu Gott gesagt werden mag. Gelangt aber die historisch-kritische Jesus-Forschung unweigerlich zu einer Gestalt, die von dem biblisch bezeugten Jesus qualitativ unterschieden ist, dann scheitert daran jeder Versuch, die nachösterliche Christologie als eine historisch plausible Deutung dieser Gestalt zu erweisen.39
V Angesichts unserer bisherigen Überlegungen stellt sich nun die Frage, wie der Tatbestand zu würdigen ist, daß durch historisch-kritische Arbeit sehr wohl bestimmte Züge der Verkündigung Jesu und seines Wirkens wahrgenommen werden können. Meine Sicht dazu möchte ich an jenen Phänomenen aufzeigen, die ein besonderes Hoheitsbewußtsein Jesu erkennen lassen. Es sind dies vor allem: die Gewißheit Jesu, daß der Anbruch der von ihm verkündigten heilvollen Gottesherrschaft an ihn selbst und sein Wirken gebunden ist;40 der Ruf in 39 An dieser Stelle ist in Ergänzung zu dem in Teil IV Dargelegten noch in aller Kürze auf die Unhaltbarkeit der These hinzuweisen, daß die Frage nach dem „historischen Jesus“ zwar nicht das Gottsein Jesu, wohl aber sein wahres Menschsein zu Gesicht bekommen könne. Unhaltbar ist diese These deshalb, weil es dem neutestamentlichen Zeugnis zufolge ja der Mensch Jesus von Nazareth ist, in dem Gott selbst sich realpräsent erweist, und weil daraus notwendig folgt, daß sein wahres Menschsein von seinem wahren Gottsein nicht getrennt werden kann. Das „vere homo“ ist ebenso ein Satz des Glaubens und des Bekennens wie das „vere deus“. Daß der wahre Mensch Jesus von Nazareth in Person die praesentia Dei ist, das und nur das begründet z. B. seine im Neuen Testament (Joh 7,18; 8,46; 2 Kor 5,21; Hebr 4,15; 7,26; 1 Petr 2,22; 3,18 [auch 1,19]; 1 Joh 3,5) bezeugte Sündlosigkeit, die in ihrem dort gemeinten nicht-moralischen Sinn mittels historisch-kritischer Forschung weder aufweisbar noch überhaupt begreifbar zu machen ist. In diesem Zusammenhang muß auch angemerkt werden, daß der Hinweis auf die Inkarnation – auf das ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο von Joh 1,14 – keineswegs dazu geeignet ist, die Frage nach dem „historischen Jesus“ als eine mögliche oder sogar als eine theologisch gebotene Frage zu erweisen. In Joh 1,14 ist ὁ λόγος grammatisch wie sachlich Subjekt des ganzen Verses, und demzufolge wird hier ausgesagt, daß der göttliche Logos Mensch geworden ist, ohne aufzuhören, dieser Logos zu sein. Das aber bedeutet: Im Logos-Sein Jesu liegt der Schlüssel zum Verständnis seines Menschseins, d. h. seiner analogielosen, weil durch die göttliche δόξα ausgezeichneten Existenz und Geschichte ἐν σαρκί. Die Frage nach dem „historischen Jesus“ muß davon abstrahieren, daß Jesus der menschgewordene Sohn Gottes ist. Wollte man Recht und Notwendigkeit dieser Frage mit Joh 1,14 begründen, so hieße das, den Satz ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο gegen den eindeutigen Wortsinn so zu verstehen, als habe sich der Logos in σάρξ verwandelt und damit aufgehört, der Logos zu sein. 40 Mt 11,2–6 par. Lk 7,18–23; Mt 12,28 par. Lk 11,20; Lk 4,16–21; 17,20 f. (zu ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ἔντος ὑμῶν ἐστιν V. 21b ist gedanklich zu ergänzen: „indem ich unter euch gegenwärtig
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die Nachfolge, mit dem er Menschen an sich selbst bindet;41 die Gewährung der Sündenvergebung in Wort und Tat;42 die Wendung ἀμὴν λέγω ὑμῖν als Einführung des eigenen Wortes;43 das autoritative ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν, mit dem die Kundgabe des verbindlichen Gotteswillens eingeleitet wird;44 der Anspruch, authentisch zu wissen und deshalb in letzter Verbindlichkeit sagen zu können, wer Gott ist und wie er sich verhält;45 die Anrede Gottes als „Abba“46 und die für das Gespräch mit den Jüngern charakteristische Differenzierung zwischen „meinem Vater“ und „eurem Vater“47; die Überzeugung, daß sich an der Stellung des Menschen zu Jesus die Frage des eschatologischen Heils oder Unheils entscheidet.48 Was die rein historische Betrachtung der aufgelisteten Phänomene anlangt, so besteht in der Forschung bereits hinsichtlich ihrer Authentizität keineswegs ein Konsens, und wo diese vorausgesetzt wird, da sind Sinn und Bedeutung der Phänomene ebenso umstritten wie die Frage, ob es zu ihnen außerhalb der Jesus-Tradition Parallelen gibt oder nicht. Wenn man – wie ich selbst es tue – die genannten Phänomene nicht nur für authentisch hält, sondern sie auch als analogielos beurteilt, dann bleiben sie historisch gesehen doch mehrdeutig49 – und dies sowohl im Blick auf ihren semantischen Gehalt wie auch im Blick auf ihre Interpretation, die ja als streng historische über den Bereich des Menschlichen und Menschenmöglichen nicht hinausgehen darf. Ich will das an einem der Phänomene verdeutlichen.50 In Mk 2,5 wird berichtet, daß Jesus zu einem Gelähmten sagt: ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι „deine Sünden werden [dir] hiermit bin“). Mit Recht bemerkt J. Schniewind, Das Selbstzeugnis Jesu nach den ersten drei Evangelien (1922), Wuppertal 1964, 11: „Die Gabe, von Jesus gebracht, heißt: das Reich Gottes“ und ebd., 13: „In seiner Person ist das Reich Gottes Gegenwart geworden“. Keineswegs hinreichend zu begründen ist dagegen die These von R. Otto, Reich Gottes und Menschensohn. Ein religionsgeschichtlicher Versuch, München ³1954, 75: „Nicht Jesus ‚bringt‘ das Reich – eine Vorstellung, die Jesu selber ganz fremd ist – sondern das Reich bringt ihn mit.“ 41 Mk 1,16–20 par. Mt 4,18–20; Mk 2,14 parr.; 10,21 parr.; Mt 8,21 f. par. Lk 9,59 f. 42 Mk 2,1–12 parr.; Lk 7,36–50; ferner die Berichte über Jesu Tischgemeinschaft mit den Sündern: Mk 2,15–17 parr.; Lk 15,1 f.; 19,1–10. 43 S. dazu Jeremias, Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 5), 44 f. 44 Mt 5,21–48 (hier die Verse 22, 28, 32, 34, 39 und 44). 45 S. dazu etwa Mt 20,1–15; Lk 10,20b; 15,3–32; 18,10–14a. 46 S. dazu Jeremias, Neutestamentliche Theologie I (s. Anm. 5), 67–73 (sowie jetzt meinen Aufsatz „Abba! Vater!“ in dem vorliegenden Band: 1–19). 47 Die Evangelienüberlieferung bietet keinen einzigen Beleg dafür, daß Jesus den Jüngern gegenüber von Gott als von „unserem Vater“ gesprochen hat. Was die Gebetsanrede des Vaterunsers (Mt 6,9b; Lk 11,2b) anlangt, so will beachtet sein, daß es sich hier um das den Jüngern gegebene Gebet handelt (Mt 6,9a; Lk 11,1.2a). 48 Mk 8,38 par. Lk 9,26; Mt 10,32 f. par. Lk 12,8 f.; Mt 11,6 par. Lk 7,23. 49 Daß sie durchaus auch negativ gedeutet werden können, weiß schon die Evangelienüberlieferung: Mt 9,34; Mk 2,7 parr.; 3,21; 3,22 parr.; Joh 8,48.52; 10,20.33. 50 S. zu den folgenden Darlegungen im einzelnen O. Hofius, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung. Exegetische Erwägungen zu Mk 2,5b, in: Ders., Neutestamentliche Studien (s. Anm. 34), 38–56.
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vergeben“. Im Kontext der Erzählung Mk 2,1–12 sind diese Worte eindeutig als Gewährung der Sündenvergebung durch Jesus selbst gemeint. Nimmt man – was natürlich lebhaft umstritten ist – die Authentizität der zitierten Worte an, so stellt sich die Frage, wie diese im Munde Jesu selbst zu verstehen sind. In sprachlicher Hinsicht ist hier ein doppeltes Verständnis möglich: Die Verbform ἀφίενται kann ein Passivum divinum sein, so daß der Sinn wäre: „Gott vergibt [dir] jetzt deine Sünden“. Jesus hätte demnach die Vergebung nicht selbst gewährt, sondern sie lediglich in abgeleiteter Vollmacht zugesprochen. Das Passiv ἀφίενται kann aber, wie sprachliche Parallelen beweisen, ebenso auch bedeuten: „Ich vergebe [dir] hiermit deine Sünden.“51 In diesem Fall wäre wie im Markustext von der in eigener Autorität gewährten Vergebung durch Jesus selbst die Rede. Liest nun der Historiker ἀφίενται als Passivum divinum, dann kann er als Parallele zu Jesu Wort den Vergebungszuspruch des Propheten Nathan von 2 Sam 12,13 namhaft machen. Sieht er dagegen mit ἀφίενται die Gewährung der Vergebung durch Jesus selbst ausgesagt, so hat er es mit einem Phänomen zu tun, zu dem es weder im Alten Testament noch auch in der frühjüdischen Literatur eine Parallele gibt.52 Daß Jesus das Wort Mk 2,5b im einen wie im andern Sinn gesagt haben kann, wird der Historiker konzedieren, weil beides im Bereich des Menschlichen möglich und denkbar ist. Die Frage, ob Jesus tatsächlich die Vollmacht zum Zuspruch der Vergebung oder sogar die Macht, sie in eigener Autorität zu gewähren, hatte, vermag der Historiker dagegen weder zu stellen noch zu beantworten. Einzig im Licht des neutestamentlichen Christuszeugnisses kann geurteilt werden, daß Jesus als der, der nach Mt 1,21 – wie Gott selbst (Ps 130,8) – „sein Volk von ihren Sünden erretten wird“ und dazu den Weg an das Kreuz geht, „Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben“ (Mk 2,10). Wie an Mk 2,5b exemplarisch deutlich wird, gewinnen die durch historische Forschung ermittelten Phänomene, die auf ein besonderes Hoheitsbewußtsein Jesu hinweisen, eine theologische Eindeutigkeit im Sinn der hohen Christologie der neutestamentlichen Schriften allererst im Licht des apostolischen Christuszeugnisses und mithin ausschließlich im Kontext jener Schriften selbst. In diesem Licht – und nur in ihm – können sie als Zeichen der praesentia Dei in dem irdischen Jesus und somit als Ausdruck der Seins- und Handlungseinheit zwischen dem Vater und dem Sohn begriffen werden. Werden sie aber erst durch das Christuszeugnis als begründet erwiesen, dann können sie nicht ihrerseits dieses begründen oder bestätigen. Eine keineswegs unwichtige Frage ist hier noch anzuschließen: Stößt die historische Forschung in der synoptischen Tradition auf Phänomene, die sich gegen das nachösterliche Christuszeugnis sperren oder gar mit ihm unvereinbar Die Parallelen aus frühjüdischen Texten s. ebd., 50–52. Die in die Form einer rhetorischen Frage gefaßte Feststellung der Schriftgelehrten, daß „niemand Sünden vergeben kann außer Gott allein“ (Mk 2,7b), bringt die communis opinio des antiken Judentums zum Ausdruck. 51 52
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sind? Solche Phänomene werden im Zusammenhang mit der Frage nach dem „historischen Jesus“ in der Tat benannt. So soll die Taufe durch Johannes ein Indiz dafür sein, daß Jesus wie alle anderen, die sich taufen ließen, als ein Sünder an den Jordan kam, um seine Umkehrbereitschaft zu dokumentieren und Gottes Vergebung zu suchen. Oder das Beten Jesu wird als ein Beleg dafür angesehen, daß er sich wie jeder fromme Jude als ein Mensch im Gegenüber zu Gott wußte, und das gleiche soll sich darin widerspiegeln, daß er nach Mk 10,17 f. auf die Anrede „guter Lehrer“ antwortet: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer einem: Gott“ (V. 18). Urteile wie diese, die angeblich die historische Wirklichkeit zur Geltung bringen, sind in Wahrheit nichts anderes als bloße Vermutungen. Sie beruhen darauf, daß die jeweiligen Textbefunde aus ihrem neutestamentlichen Zusammenhang herausgelöst werden und dann eine dem ursprünglichen Kontext zuwiderlaufende Deutung erfahren, ohne daß dafür eine hinreichende Begründung gegeben werden kann. Denn kontextlose Phänomene sind und bleiben für die historische Betrachtung mehrdeutig und damit letztlich stumm.
VI Ich komme zum Schluß und formuliere das folgende Fazit: Die Antwort auf die Frage nach dem irdischen Jesus gibt nicht die mittels der historisch-kritischen Methode vollzogene Jesusforschung, sondern einzig und allein das apostolische Christuszeugnis, das sich der Selbsterschließung des auferstandenen Herrn verdankt und in den Schriften des Neuen Testaments seinen gültigen Niederschlag gefunden hat. Mit dieser Feststellung ist nicht behauptet, daß die synoptischen Evangelien als im wesentlichen historisch zuverlässige Quellen zu beurteilen seien und sich deshalb aus ihnen durch historisierende Interpretation ein detailliertes Bild der vorösterlichen Geschichte Jesu gewinnen lasse. Die Synoptiker sind vielmehr ebenso wie das Johannesevangelium als Dokumente eines narrativen Zeugnisses von Jesu Person und Werk zu lesen und auszulegen.53 Für alle neutestamentlichen Schriften ergibt sich so in gleicher Weise die Aufgabe, das in ihnen enthaltene Christuszeugnis in immer neuem Bemühen mit den Mitteln wissenschaftlicher Exegese zu erheben und es im sorgsamen Hören auf die Texte auf seine innere Kohärenz, seine Implikationen und seine Konsequenzen hin zu bedenken. 53 Dazu – exemplarisch – ein Hinweis zur Passionsgeschichte der Evangelien: Es geht an der Intention der Texte vorbei, wenn die Exegese die Frage erörtert, ob das letzte Wort Jesu am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34 par. Mt 27,46), „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist“ (Lk 23,46) oder „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30) gelautet hat. Zu fragen ist vielmehr, was bei Markus und Matthäus mit dem Ruf der Gottverlassenheit, was bei Lukas mit der die bleibende Zugehörigkeit zum Vater bekundenden Vertrauensäußerung und was bei Johannes mit dem Wort von der Vollendung des dem Sohn aufgetragenen Werkes jeweils theologisch über den Kreuzestod Jesu ausgesagt wird.
Jesus Christus – die Mitte der Heiligen Schrift Grundlinien des evangelischen Schriftverständnisses* Wenn im Folgenden etwas über das evangelische Schriftverständnis gesagt werden soll, dann geht es um das Verständnis der Heiligen Schrift, wie es für die Reformatoren kennzeichnend ist und zu den zentralen Elementen reformatorischer Lehre gehört. Vor allem Martin Luther hat dieses Schriftverständnis in seinen Werken eingehend entfaltet und begründet.1 An seinen Darlegungen wird sich deshalb meine Skizze orientieren.2 Diese konzentriert sich im wesentlichen auf das Neue Testament, weil es in ihrem Rahmen schlechterdings unmöglich ist, die von den Reformatoren vertretene Sicht des Verhältnisses von Altem Testament und Neuem Testament in der erforderlichen Gründlichkeit darzustellen und kritisch zu würdigen.
I. Das evangelische Schriftverständnis und die Frage nach dem Heil des Menschen Bei Luther ist das Verständnis der Heiligen Schrift ganz unmittelbar mit einer Frage verbunden, von deren zentraler Bedeutung für die Kirche und ihre Verkündigung nicht nur er selbst, sondern alle Reformatoren überzeugt waren. Es ist dies die Frage nach dem Heil des Menschen – die Frage also, wie der heilige und lebendige Gott zu dem von der Sünde gezeichneten und im Schatten des * Vortrag im Rahmen eines Symposions, das von der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen und der Orthodoxen Geistlichen Akademie Minsk sowie dem Priesterseminar in Zirowitschi (Belarus) im Juli 2010 in Tübingen veranstaltet wurde und dem Thema „Was ist orthodox? Was ist evangelisch?“ gewidmet war. 1 Von besonderem Gewicht ist hier die 1525 erschienene Schrift ‚De servo arbitrio‘, WA 18, 600–787. Lateinischer Text mit Übersetzung von A. Lexutt: M. Luther, Lateinisch-Deutsche Studienausgabe, Bd. 1: Der Mensch vor Gott, hg. v. W. Härle, Leipzig 2006, 219–661. Ältere Übersetzungen: J. Jonas, in: M. Luther, Vom unfreien Willen, hg. v. F. W. Schmidt (M. Luther, Ausgewählte Werke. Ergänzungsreihe 1), München 1934; B. Jordahn, in: M. Luther, Daß der freie Wille nichts sei. Antwort D. Martin Luthers an Erasmus von Rotterdam (M. Luther, Ausgewählte Werke. Dritte Auflage, Ergänzungsreihe 1), München 1962. 2 Schriften Luthers werden in den folgenden Anmerkungen nur mit Titel und (außer bei ‚De servo arbitrio‘) mit Jahreszahl angeführt. Hinzugefügt sind die Fundorte in der Weimarer Ausgabe der Werke Luthers (WA) sowie ggf. auch diejenigen in der von O. Clemen besorgten Bonner Ausgabe (BoA). Lateinische Zitate wurden jeweils von mir übersetzt, und bei deutschen Zitaten habe ich eine behutsame Angleichung an die heutige Sprache vorgenommen.
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Todes lebenden Menschen steht und wie es für diesen Menschen eine intakte Gottesbeziehung geben kann.3 Daß die Antwort auf diese Frage prinzipiell nicht von Menschen erwartet werden darf, stand den Reformatoren außer Zweifel. Denn alles, was Menschen von sich aus über Gott und das Heil zu denken und zu sagen vermögen, sind nur opiniones, d. h. bloße Meinungen und Vermutungen, an die niemand sich im Blick auf sein Leben und sein Sterben mit Gewißheit halten kann.4 Hinsichtlich der Heilsfrage aber ist als Fundament einer letzten Wahrheitsgewißheit „die allergewisseste Wahrheit“ gefordert,5 und diese finden die Reformatoren in der Heiligen Schrift.6 Ihnen gilt das Neue Testament nicht als ein Dokument religiöser Lebensdeutung, in dem zu lesen steht, was bestimmte Menschen der Spätantike über sich selbst und über Gott gedacht haben, sondern es gilt ihnen als das einzigartige Buch, das Gottes Wort enthält – nämlich das der Kirche zur Verkündigung anvertraute Zeugnis von seiner Heilsoffenbarung in Jesus Christus.7 Die gültige Antwort auf die Frage nach dem Heil des Menschen sehen die Reformatoren deshalb in der Heiligen Schrift gegeben – in ihr allein.
3 Den Zusammenhang zwischen Schriftverständnis und Heilsfrage betont sehr zu Recht W. Führer, Die Schmalkaldischen Artikel (Kommentare zu Schriften Luthers 2), Tübingen 2009, 348 f. Exemplarische Zeugnisse bieten die Lutherzitate, die in dem vorliegenden Aufsatz in bzw. bei den Anmerkungen 11, 12, 20, 21 und 28 mitgeteilt werden. 4 Vgl. Tischreden, Nr. 50 (1531), WA.TR 1, 18,6–8 (BoA 8, 3,28 f.): Quid faciet dubia conscientia consolationem rogans, si opinionibus responderis etc., non certa doctrina? („Was soll ein von Zweifeln geplagtes Gewissen, das Trost sucht, machen, wenn man ihm mit bloßen Meinungen usw. antwortet und nicht mit gewisser Lehre?“) Zum Begriff der opiniones s. auch etwa in ‚De servo arbitrio‘ die unten in Anm. 40 zitierte Gegenüberstellung (WA 18, 605,18 f. [BoA 3, 100,13–15]) sowie die Wendung dubia aut opiniones = „Zweifel oder bloße Meinungen“ (WA 18, 605,32 [BoA 3, 100,32]). 5 De servo arbitrio, WA 18, 702,6 (BoA 3, 195,40 f.): certissimam veritatem pro stabiliendis conscientiis quaerimus. („Wir fragen nach der allergewissesten Wahrheit zur Festigung der Gewissen.“) – Vgl. ebd., WA 18, 603,24 (BoA 3, 98,9): certissima ac firmissima conscientiae assertio („die völlig gewisse und völlig sichere verbindliche Aussage für das Gewissen“); WA 18, 605,33 f. (BoA 3, 100,32 f.): assertiones ipsa vita et omni experientia certiores et firmiores („verbindliche Aussagen, die gewisser und unerschütterlicher sind als das Leben selbst und alle Erfahrung“); WA 18, 607,11 (BoA 3, 102,15): clarissima veritas („die allerklarste Wahrheit“). – S. dazu den Gesamtzusammenhang WA 18, 603,1–605,34 (BoA 3, 97,19–100,33). 6 Vgl. De servo arbitrio, WA 18, 603,15 (BoA 3, 97,36 f.): res illae asserendae, quae nobis traditae sunt divinitus in sacris literis („jene als Wahrheit zu bezeugenden Dinge, die uns von Gott her in der Heiligen Schrift überliefert sind“). 7 Luther nennt das die doctrina aut docenda veritas („die Lehre bzw. die zu lehrende Wahrheit“): WA 18, 628,21 (BoA 3, 119,18); vgl. WA 18, 628,27 f. (BoA 3, 119,26).
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II. Die Heilige Schrift – das Zeugnis von der Heilsoffenbarung Gottes in Jesus Christus Mit dem soeben Gesagten habe ich bereits das berührt, was man das reformatorische „Schriftprinzip“ oder besser noch das „Prinzip des Wortes Gottes“ (principium verbi divini) nennt.8 Der knappe Ausdruck dafür ist die Formel sola scriptura – „die Schrift allein“. Sie besagt, daß alle wahre Erkenntnis über Gott in seinem Verhältnis zum Menschen und über den Menschen in seiner Stellung vor Gott ausschließlich aus der Heiligen Schrift gewonnen werden kann. Drei Sachverhalte, die das Neue Testament sowohl durch seine Existenz wie auch durch seinen Inhalt dokumentiert, sind dabei für das „Prinzip des Wortes Gottes“ grundlegend: 1. Gott selbst hat in Jesus Christus – in seiner Person und in seinem Werk – dem vor ihm verlorenen Menschen das Heil bereitet. Diese seine Heilstat ist jenes Geschehen, das im Bekenntnis der Kirche mit den Worten beschrieben wird, daß der ewige Sohn Gottes „für uns Menschen und zu unserem Heil“ Mensch geworden, den Weg an das Kreuz gegangen und am dritten Tage von den Toten auferstanden ist. In diesem Geschehen und damit in Jesus Christus allein liegt das Heil des Menschen beschlossen. 2. Gott selbst hat seine Heilstat durch sein Heilswort bekannt gemacht. Das geschah, als der auferstandene Christus in den Ostererscheinungen einem begrenzten Kreis von Augenzeugen sich selbst und sein Werk erschlossen und ihnen diese seine Selbsterschließung zur Bezeugung und Verkündigung anvertraut hat. Jene Augenzeugen sind die Apostel Jesu Christi, die in der unlöslichen Verbundenheit mit ihrem Herrn in das Heilsgeschehen mit hineingehören,9 und das ihnen anvertraute Wort ist das Evangelium, das kundtut, wer Jesus ist und was sich in seinem Tod und seiner Auferstehung ereignet hat. Die Apostel sind – so Luther – der Kirche von Gott selbst als „unfehlbare Lehrer“ gegeben10 – und 8 Im Blick auf das Schriftprinzip betont K. G. Steck, Lehre und Kirche bei Luther (FGLP 27), München 1963, 142 mit Recht, daß es sich bei Luther nicht um ein von ihm selbst gesetztes principium handelt, sondern um die – auch in der Theologie vollzogene – gehorsame Anerkennung dessen, was Gott gesetzt hat: „Gewiß ist und bleibt es insofern petitio principii, als es keinen Weg für Luther gibt, sein primum principium denen einleuchtend zu erweisen, die es nicht anerkennen wollen. In diesem Sinn wird sich reformatorische Theologie nie davor scheuen dürfen, mit einer petitio ihres Prinzips zu beginnen. Aber es ist für Luther in keinem Sinne als bloßes Postulat gemeint. Er hat es nicht nur zum Schein an den Anfang seines Denkens und Auslegens gestellt, weil er keinen andern Ausweg fand, wenn er nicht zur römischen potestas docendi zurückkehren wollte; sondern er hat sich selbst dorthin gestellt gesehen, wo ihm die Evidenz des Evangeliums, d. h. die sich selbst erweisende Offenbarung Gottes in Christus den einzigen Platz anwies, der wirklich Gewißheit und zureichende Wahrheit bot: den Platz unter dem Wort, aus dem die Kirche der Glaubenden erwächst.“ 9 Vgl. dazu Luthers Formulierung Christus et apostoli in den in Anm. 12 und Anm. 13 mitgeteilten Zitaten (WA 36, 527,1 f. [BoA 7, 289,22]; WA 28, 191,8 [BoA 7, 255,2]). 10 Thesenreihe ‚De fide‘ für die Promotionsdisputation von Hieronymus Weller und Niko-
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zwar im Blick auf „die Kenntnis Christi, d. h. dessen, was zum Heil gehört“.11 Ihr Christuszeugnis ist „das rechte Wort Gottes“,12 so daß man hier auf ihren Mund sehen muß „wie auf Gottes Mund“.13 Als die einmaligen und einzigartigen Zeugen Jesu Christi übermitteln sie die ihnen geoffenbarte Wahrheit des Evangeliums der Kirche aller Zeiten, und darin sind sie das „Fundament“, auf dem die Kirche erbaut ist (Eph 2,20).14 3. Das Christuszeugnis der Apostel hat in den Schriften des Neuen Testaments seinen authentischen Niederschlag und seine für die Kirche maßgebliche Repräsentation gefunden. Niederschlag des apostolischen Christuszeugnisses sind dabei nicht nur die Briefe der Apostel und der Apostelschüler, sondern ebenso auch die vier Evangelien, die von der Absicht geleitet sind, das Persongeheimnis, laus Medler (1535), These 59, WA 39 I, 48,1 f.: […] Apostoli, qui certo Dei decreto nobis sunt infallibiles Doctores missi („[…] Apostel, die uns durch den feststehenden Beschluß Gottes als unfehlbare Lehrer gesandt sind“). 11 De servo arbitrio, WA 18, 779,6 (BoA 3, 283,3 f.): notitia Christi, id est, eorum quae sunt salutis. 12 Das 15. Capitel der 1. Epistel S. Pauli an die Corinther (1532/33), WA 36, 526,8–10. 527,1–3 (BoA 7, 289,18–23): Contra negantem principia non etc. Nos loquimur cum iis, qui deum fur Gott halten et pro veraci, qui non mentiatur, et quod Apostoli eius sint zeugen, qui vos audit etc. Das sind unser heubtstuck und grund. Et tota scriptura dicit de Christo filio et apostolis. Et credimus, quod Apostoli praedicarint, sey das recht wort, et qui credit, werd selig. („Wer die Voraussetzungen leugnet, mit dem soll man nicht streiten. Wir reden mit denen, die Gott für einen wahrhaftigen Gott halten, der nicht lügt, und die Apostel für seine Zeugen, wie Christus sagt: ‚Wer euch hört, der hört mich‘ [Lk 10,16]. Das sind unsere Hauptstücke und Grundlagen. Die ganze Schrift spricht von Christus, dem Sohn Gottes, und den Aposteln. Und wir glauben: Was die Apostel gesagt haben, das ist das rechte Wort Gottes, und wer glaubt, der wird selig.“) – Vgl. auch: Die ander Epistel S. Petri und eine S. Judas gepredigt und ausgelegt (1523/24) zu 2 Petr 1,16–18, WA 14, 27,11–15: Dieser Text lehrt, „daß die Apostel von Gott her gewiß gewesen sind, daß ihr Evangelium Gottes Wort wäre“, und er beweist auch, „daß das Evangelium nichts anderes sei denn eine Predigt von Christo“. Ebd., 27,20 f.: Was die Apostel von Christus verkündigen, das haben sie „nicht selbst erdacht, sondern durch Gottes Offenbarung gesehen und gehört“ (ähnlich schon ebd., 26,27 f.: „nicht aus den Fingern gesogen oder selbst erdacht“). 13 Das 17. Kapitel Johannis von dem Gebete Christi gepredigt und ausgelegt (1530), WA 28, 169,1–172,11 (BoA 7, 244,33–246,10). Aus diesem Zusammenhang sei WA 28, 170,5 (BoA 7, 245,9) zitiert: os Pauli, Petri, Iohannis inspiciendum ut dei. („Auf den Mund des Paulus, Petrus, Johannes muß man sehen wie auf den Mund Gottes.“) Vgl. auch ebd., WA 28, 191,8 f. (BoA 7, 255,2 f.): Si quis omnia verba ex Christi ore et apostolorum potest dicere deum dixisse, das ist Christiana scientia. („Wenn einer sagen kann, daß alle Worte aus dem Mund Christi und der Apostel Gott geredet hat, das ist christliche Erkenntnis.“) 14 Disputatio de potestate concilii (1536), These 4, WA 39 I, 184,14–16: [Apostoli] soli fundamentum Ecclesiae vocantur, qui articulos fidei tradere debebant. („Die Apostel allein werden das Fundament der Kirche genannt, sie, die die Artikel des Glaubens überliefern sollten.“) – Daß die hohen Aussagen nicht der Person der Apostel, sondern ihnen als den Trägern des apostolischen Amtes gelten, wird von Luther ausdrücklich betont: Das 17. Kapitel Johannis von dem Gebete Christi gepredigt und ausgelegt, WA 28, 172,8 f. (BoA 7, 246,5 f.): Ibi loquimur de legatione, officio non persona. („Wir reden hier von der Sendung und dem Amt, nicht von der Person.“) Als den Trägern ihres einmaligen und einzigartigen Amtes eignet den Aposteln eine Autorität, der in der Kirche keine andere Autorität vergleichbar ist oder an die Seite gestellt werden kann; s. dazu die Thesen 1–11 der Disputatio de potestate concilii, WA 39 I, 184,4–185,27.
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den Weg und das Werk dessen zu bezeugen, der in Person die Gegenwart Gottes unter uns Menschen ist.15 Die drei skizzierten Sachverhalte lassen erkennen, worum es bei dem reformatorischen Schriftprinzip im Entscheidenden geht: Der theologische Fundamentalsatz sola scriptura („die Schrift allein“) dient der Bezeugung des solus Christus („Christus allein“), indem mit Nachdruck der folgende Zusammenhang in den Blick gerückt wird: Das Heil des Menschen liegt allein in dem Sohn Gottes Jesus Christus beschlossen, der nirgends anders zu finden ist als in dem von den Aposteln bezeugten Evangelium, und dieses Evangelium ist einzig in der Heiligen Schrift enthalten, in der die Kirche deshalb die alleinige Quelle und Norm ihres Glaubens und ihres Bekennens, ihrer Verkündigung und ihrer Lehre erblickt.
III. Jesus Christus – die Mitte der Heiligen Schrift Wie die Beschreibung des Schriftprinzips zeigt, ist die Autorität der Heiligen Schrift die Autorität Jesu Christi und des ihn bezeugenden Evangeliums. Das ist deshalb so, weil Jesus Christus die Mitte – der zentrale Inhalt – der Schrift ist.16 „Die ganze Schrift“ – sagt Luther – „ist darauf ausgerichtet, daß sie uns Christus vor Augen stellt, damit wir Christus erkennen.“17 Auf ihn als den Mittelpunkt sind die Schriften des Neuen Testaments bezogen,18 und sie gewinnen durch das, was sie über ihn und von ihm her sagen, ihren spezifischen Charakter. Von daher kann Luther die Frage formulieren: „Nimm Christus aus der Heiligen Schrift – was wirst du außerdem noch darin finden?“19 In der Tat: Ohne das Evangelium von Jesus Christus bliebe im Neuen Testament an Bedeutsamem nichts übrig, was nicht bereits im Alten Testament oder auch in gewichtigen Texten des antiken Judentums zu lesen steht. Vor allem aber bliebe die Frage 15 S. dazu: Ein klein Unterricht, was man in den Evangeliis suchen und gewarten soll (1522), WA 10 I 1, 8,12–18,3: Die vier Evangelien sind unterschiedliche Beschreibungen des einen Evangeliums, das Luther so kennzeichnet (9,18–20): Es ist „eine Rede von Christo, daß er Gottes Sohn und für uns Mensch geworden, gestorben und auferstanden sei, ein Herr, über alle Dinge gesetzt“. 16 Den Worten „der zentrale Inhalt der Heiligen Schrift“ entspricht bei Luther der Ausdruck res scripturae („die Sache der Schrift“). 17 Sermon und Eingang in das erste Buch Mosi (1523), WA 12, 438 (BoA 7, 387,32 f.): Tota scriptura eo vergit, ut Christum nobis proponat, ut Christum cognoscamus. Vgl. Tischreden, Nr. 5585 (1543), WA.TR 5, 262,19 (BoA 8, 327,2): Tota scriptura est propter Filium. („Die ganze Schrift ist um des Sohnes willen da.“) 18 Auslegung des dritten und vierten Kapitels Johannis in Predigten (1538–1540), WA 47, 66,23 f.: Christus „ist das Mittelpünktlein im Zirkel, und alle Historien in der Heiligen Schrift, so sie recht angesehen werden, gehen auf Christum“. 19 De servo arbitrio, WA 18, 606,29 f. (BoA 3, 101,29): Tolle Christum e scripturis, quid amplius in illis invenies?
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nach dem Heil des Menschen unbeantwortet. Das Evangelium allein ist – wie Luther betont – das Licht der Schrift, das uns alles lehrt, „was wir wissen sollen und was zur Seligkeit not ist“,20 und einzig deshalb kann er die Heilige Schrift „das geistliche Licht“ nennen, das „bei weitem heller ist als die Sonne selbst, besonders in den Dingen, die das Heil betreffen“.21 Als die Mitte ist Christus zugleich der Schlüssel zur Heiligen Schrift. Das gilt zum einen in dem Sinn, daß das Evangelium das Alte Testament aufschließt,22 indem es lehrt, dieses von Christus her auf Christus hin zu lesen und so in ihm einen Zeugen für Christus zu erkennen. Und es gilt zum andern und vor allem in dem Sinn, daß Christus innerhalb der Schrift die entscheidende Norm für das angemessene Verständnis aller Texte ist.23 Das bedeutet: Die ganze Schrift ist in Relation zu dem in ihrem Zentrum stehenden apostolischen Christuszeugnis zu lesen und auszulegen. Im Blick auf jede einzelne Textaussage muß also gefragt werden, ob zwischen ihr und der Mitte der Schrift ein konsistenter Zusammenhang besteht oder nicht. Wo ein solcher Zusammenhang nicht gegeben ist oder sogar ein Widerspruch zur Mitte der Schrift konstatiert werden muß, da ist das 20 Die ander Epistel S. Petri und eine S. Judas gepredigt und ausgelegt (1523/24) zu 2 Petr 1,19, WA 14, 30,13–16.20–22: „Das ist Gottes Wort, das Evangelium, daß wir durch Christum erlöst sind vom Tod, Sünde und Hölle. Wer das hört, der hat das Licht und die Lampe im Herzen angezündet, dabei wir sehen können, das uns erleuchtet und lehrt, was wir wissen sollen. […] Denn das Licht lehrt uns alles, was wir wissen sollen und was zur Seligkeit not ist, welches die Welt durch ihre Klugheit und Vernunft nicht erkennt.“ – S. des weiteren auch: De servo arbitrio, WA 18, 654,40–655,10 (BoA 3, 143,28–144,2). 21 De servo arbitrio, WA 18, 653,29–31 (BoA 3, 142,12–14): Scripturas sanctas esse lucem spiritualem, ipso sole longe clariorem, praesertim in iis quae pertinent ad salutem vel necessitatem. Die oben im Text nicht mitübersetzten Worte vel necessitatem („oder auch die Notwendigkeit“) beziehen sich auf das in WA 18, 634,29–635,22 (BoA 3, 125,13–126,28) Gesagte. 22 Predigt am Ostermontag nachmittags (1526), WA 20, 336,24 f. mit dem Hinweis auf Lk 24,32: Euangelium est clavis, quae aperit veterem scripturam. („Das Evangelium ist der Schlüssel, der die alte Schrift öffnet.“) – S. ferner: Tischreden, Nr. 390 (1532), WA.Tr 1, 170,28 f. (BoA 8, 50,19): „Das neu testament leuchtet in das allt sicut dies in noctem.“ („Das Neue Testament leuchtet in das Alte wie der Tag in die Nacht.“) Ebd., Nr. 3789 (1538), WA.Tr 3, 616,1 f. (BoA 8, 169,22 f.): Euangelium est clarissimum et glossa omnium prophetarum. („Das Evangelium ist völlig klar und die Erklärung aller Propheten[worte].“) 23 Vgl. Dictata super Psalterium (1513–1516) zu Ps 81(82),5, WA 3, 620,5 f.: Nescito […] Christo impossibile est habere intellectum in Scriptura, cum ipse sit sol et veritas in Scriptura. („Ohne die Kenntnis Christi ist es unmöglich, Erkenntnis in der Schrift zu haben, da er selbst die Sonne und die Wahrheit in der Schrift ist.“) Ebd., zu Ps 101(102),6, WA 4, 153,27 f.: Ego non intelligo usquam in Script. nisi Christum crucifixum. („Ich habe kein Verständnis in irgendeiner Sache in der Schrift, wenn ich nicht den gekreuzigten Christus verstehe.“) Entsprechend heißt es dann in De servo arbitrio, WA 18, 607,4 (BoA 3, 102,6 f.): Christus […] aperuit nobis sensum, ut intelligamus scripturas. („Christus hat uns den Sinn geöffnet, daß wir die Schrift verstehen.“) Die hier vorliegende Anspielung auf Lk 24,45 bedeutet nicht, daß von dem sensus der Christen die Rede ist. Gemeint ist vielmehr der sensus scripturae (s. zu diesem Begriff WA 18, 607,21; 652,27; 734,3 [BoA 3, 102,28; 141,6 f.; 230,34]). Luther bezieht sich nämlich auf die folgende Aussage des Erasmus: De sensu scripturae pugna est. („Um den Sinn der Schrift geht der Streit“); De libero arbitrio ΔΙΑΤΡΙΒΗ sive collatio per Desiderium Erasmum Roterodamum, hg. v. J. von Walter, Leipzig 1910, 14,17 f.
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geboten, was unter den Reformatoren insbesondere Luther gefordert und selbst geübt hat: die Unterscheidung zwischen Schrift und Evangelium, zwischen dem, was in einem Text geschrieben steht, und dem, was der „Wahrheit des Evangeliums“ entspricht.24 Denn Christus ist – wie Luther bemerkt – der Herr auch der Schrift, die deshalb „nicht als Zeuge gegen, sondern als Zeuge für Christus“ gelesen und verstanden sein will.25
IV. Die Klarheit der Heiligen Schrift Zu dem, was die Reformatoren über das Schriftprinzip und über Christus als die Mitte der Schrift sagen, gehört wesentlich und unverzichtbar der Gedanke der „Klarheit“ der Heiligen Schrift.26 Dieser Gedanke wird nur recht verstanden, wenn man beachtet: Die Aussage, daß die Schrift „klar“ ist, ist beides in einem: eine Aussage über die Schrift als solche und eine Aussage über den Menschen, der sie liest. Das heißt: Es geht um das Klarsein der in sich selbst klaren Schrift für den Leser der Schrift. Dabei ist zwischen einer „äußeren Klarheit“ und einer „inneren Klarheit“ zu unterscheiden. Unter der „äußeren Klarheit“ der Schrift versteht Luther ihre vom Glauben unabhängige Evidenz.27 Damit ist gemeint, daß es nicht erst des christlichen Glaubens bedarf, um zu sehen, daß Jesus Christus die Mitte des Neuen Testa24 S. dazu P. Schempp, Luthers Stellung zur Heiligen Schrift (FGLP II 3), München 1929, 62–69 (Nachdruck in: P. Schempp, Theologische Entwürfe, hg. v. R. Widmann [TB 50], München 1973, 10–74: 57–62); H. Noltensmeier, Reformatorische Einheit. Das Schriftverständnis bei Luther und Calvin, Graz – Köln 1953, 33–36. 25 Thesenreihe ‚De fide‘ (s. Anm. 10), Thesen 40 f., WA 39 I, 47,1–4: Christus est dominus, non servus, Dominus Sabbati, legis et omnium. Et Scriptura est, non contra, sed pro Christo intelligenda, ideo vel ad eum referenda, vel pro vera Scriputura non habenda. („Christus ist der Herr, nicht der Knecht, der Herr über den Sabbat, über das Gesetz und über alle Dinge. Und die Schrift ist nicht als Zeuge gegen, sondern als Zeuge für Christus zu begreifen; deshalb ist sie [d. h. eine bestimmte Aussage] auf ihn zu beziehen oder nicht für wahre Schrift [d. h. für wahres Schriftzeugnis] zu halten.“) Vgl. auch These 49 ebd., 19 f.: Quod si adversarii scripturam urserint contra Christum, urgemus Christum contra scripturam. („Wenn unsere Gegner die Schrift gegen Christus treiben, dann treiben wir Christus gegen die Schrift.“) Ein lehrreiches Beispiel für das hier erwähnte urgere Christum contra scripturam liefert der Große Galaterbrief-Kommentar ([1531] 1535) zu Gal 3,14: WA 40 I, 457,9–459,4 (Hs) bzw. 457,10–459,24 (Dr). 26 S. dazu: De servo arbitrio, WA 18, 606,1–609,14; 652,23–661,12 (BoA 3, 100,34–103,23; 141,1–150,28). 27 S. dazu ausführlich A. Buchholz, Schrift Gottes im Lehrstreit. Luthers Schriftverständnis und Schriftauslegung in seinen drei großen Lehrstreitigkeiten der Jahre 1521–28 (EHS.T 487), Frankfurt am Main u. a. 1993, 59–138 (besonders 63 f.75–80.86–91.131–138). 232–237. Wo die These vertreten wird, daß nach Luther die claritas externa in der claritas interna begründet sei (Beispiele bei Buchholz, ebd., 76 Anm. 106), da beruht dies auf einer Interpretation der in ‚De servo arbitrio‘ enthaltenen claritas-Ausführungen (s. Anm. 26), die sowohl durch das dort Gesagte wie auch durch zahlreiche andere Aussagen des Reformators als eine Fehldeutung erwiesen wird.
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ments ist, und um zu erkennen, was in den neutestamentlichen Schriften über ihn und über das Heil des Menschen gesagt wird. Zu beidem bedarf es vielmehr einzig des unvoreingenommenen, genauen und um Verstehen bemühten Lesens und Bedenkens. Die Schrift – so Luther – ist „allen zugänglich, und sie ist klar genug, soweit es für die Seligkeit nötig ist“.28 Der Grund dafür liegt darin, daß die neutestamentlichen Zeugen in jedermann verständlichen Menschenworten, in grammatischer Korrektheit und in sprachlich sinnvollen Sätzen von Christus reden und daß ihre Worte nicht zweideutig sind, sondern genau das meinen, was sie sagen.29 Die „äußere Klarheit“ der Schrift ist also die Klarheit dessen, was im Evangelium über Christus und das in ihm beschlossene Heil gesagt wird, und das Verstehen erwächst hier aus dem eindeutigen Wortsinn. Die „äußere Klarheit“ der Heiligen Schrift, die ich jetzt nur mit wenigen Strichen kennzeichnen konnte, bildet die Voraussetzung und Grundlage für das, was Luther die „innere Klarheit“ der Schrift nennt. Aufgrund der „äußeren Klarheit“ kann prinzipiell jeder des Lesens Fähige kraft seines Erkenntnisvermögens wahrnehmen, was die Schrift von Christus und von dem Heil sagt. Dagegen kann – ebenso prinzipiell – kein Mensch von sich aus das, was die Schrift da sagt, als wahr annehmen und es im Glauben für wahr halten. Dazu bedarf es vielmehr des Heiligen Geistes, der dem Menschen das Wort des Evangeliums ins Herz schreibt, so daß er es als das ihm geltende Wort der Wahrheit erkennt und anerkennt. Auf dieses Werk des Geistes bezieht sich die Rede von der „inneren Klarheit“ der Heiligen Schrift. Daß die beiden „Klarheiten“ zwar zusammengehören, aber präzise zu unterscheiden sind, und daß die „äußere Klarheit“ die notwendige Bedingung für die „innere Klarheit“ ist, das macht sehr schön das folgende Lutherzitat deutlich: „Den Glauben an Christus ergreife ich durch das Wort (nämlich: durch das in der Schrift bezeugte Wort des Evangeliums). Das Wort ergreife ich zwar durch das Erkenntnisvermögen, aber daß ich jenem Wort zustimme, das ist das Werk des Heiligen Geistes, nicht der Vernunft.“30
28 Rationis Latomianae confutatio (1521), WA 8, 99,20 f.: Scripturae omnibus communes sunt, satis apertae, quantum oportet pro salute. 29 S. dazu exemplarisch: Das XIV. und XV. Kapitel S. Johannis gepredigt und ausgelegt (1538) zu Joh 14,13 f., WA 45, 539,9–551,4. Zitiert sei aus 548,16–18.26–28: „Darum bleiben wir bei diesem Artikel von Christo, wie ihn die Schrift lehrt, daß er beides, wahrhaftiger Gott und Mensch, genannt und [so] beschrieben wird, […] also daß die Worte allesamt bedeuten, was sie heißen. Denn sie sind nicht gesetzt, daß sie Wankelworte sein sollen, sondern daß sie unseren Glauben klar und gewiß gründen und bestätigen sollen.“ – Vgl. ferner etwa: De servo arbitrio, WA 18, 700,12–701,13 (BoA 3, 194,5–195,13). 30 Vorlesung über Jesaias (1527–30), WA 31 II, 439,30–32: […] fides in Christum, quam apprehendo per verbum. Verbum apprehendo quidem intellectu, sed assentiri illi verbo est opus spiritus sancti, non racionis […].
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V. Die Heilige Schrift und die Kirche Aus der Überzeugung, daß Jesus Christus die Mitte der Schrift ist und daß er selbst im Evangelium redet, ergibt sich für Luther und die anderen Reformatoren die Bestimmung des Verhältnisses von Heiliger Schrift und Kirche. In den von Luther verfaßten Schmalkaldischen Artikeln, die zu den lutherischen Bekenntnisschriften gehören, heißt es: „Es weiß, gottlob, ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören.“31 Bei der hier gegebenen Definition der Kirche handelt es sich für Luther um einen Satz, der sich der äußeren Klarheit der Heiligen Schrift verdankt. Der Reformator setzt nämlich voraus, daß ein Kind nach Vollendung des siebten Lebensjahres den Vernunftgebrauch erlangt32 und deshalb kraft der Vernunft den klaren Worten Jesu von Joh 10 (V. 3, V. 16 und V. 27) entnehmen kann, was die Kirche ist.33 Inhaltlich entspricht den zitierten Worten das Urteil, daß die Kirche das „Geschöpf“ des Wortes Jesu Christi – das heißt: des von den Aposteln gepredigten Evangeliums – ist und daß sie durch dieses Wort ihres Herrn regiert und im wahren Glauben erhalten wird.34 Das Wort der Kirche kann deshalb nicht über und auch nicht neben dem Evangelium stehen, sondern nur unter ihm und in seinem Dienst. Ja, das Wort der Kirche ist dann und nur dann ein wahres Wort, wenn in ihm das Evangelium laut wird. Von daher ist ausgeschlossen, daß die Kirche in eigener Autorität entscheiden könnte, was Schmalkaldische Artikel (Druck 1538) III 12, WA 50, 250,1–4 (BoA 4, 318,31–33). Vgl. Codex iuris canonici, can. 97 § 2 über den Minderjährigen: expleto […] septennio, usum rationis habere praesumitur. („Nach Vollendung des siebten Lebensjahres […] wird angenommen, daß er den Vernunftgebrauch erlangt hat.“) Ich zitiere den lateinischen Text nach: Codex iuris canonici. Codex des kanonischen Rechtes. Lateinisch-deutsche Ausgabe, Kevelaer ²1984, 34. 33 Vgl. die Aussagen über das Urteil von Kindern in: De servo arbitrio, WA 18, 617,21 f.; 677,24–26; 718,33 (BoA 3, 109,38 f.; 168,26–28; 214,16 f.). 34 Resolutiones Lutherianae super propositionibus suis Lipsiae disputatis (1519), WA 2, 430,6–8: Ecclesia […] creatura est Euangelii, incomparabiliter minor ipso, sicut ait Iacobus: voluntarie genuit nos verbo veritatis suae, et Paulus: per Euangelium ego vos genui. („Die Kirche […] ist das Geschöpf des Evangeliums, unvergleichlich geringer als dieses, wie Jakobus sagt: ,Er hat uns gezeugt nach seinem Willen durch das Wort seiner Wahrheit‘ (Jak 1,18), und Paulus: ,Ich habe euch durch das Evangelium gezeugt‘ (1 Kor 4,15).“ Vgl. auch: Ad librum eximii Magistri Nostri Magistri Ambrosii Catharini, defensoris Silvestri Prieratis acerrimi, responsio (1521): WA 7, 721,9–14: Euangelium […] prae pane et Baptismo unicum, certissimum et nobilissimum Ecclesiae symbolum est, cum per solum Euangelium concipiatur, formetur, alatur, generetur, educetur, pascatur, vestiatur, ornetur, roboretur, armetur, servetur, breviter, tota vita et substantia Ecclesiae est in verbo dei, sicut Christus dicit ‚In omni verbo quod procedit de ore dei vivit homo‘. („Das Evangelium ist […] vor dem Brot [d. h. dem Abendmahl] und der Taufe das einzigartige, gewisseste und vornehmste Zeichen der Kirche, weil sie durch das Evangelium allein empfangen, geformt, genährt, gezeugt, erzogen, versorgt, gekleidet, geschmückt, gekräftigt, gefestigt, bewahrt wird, – kurz: das ganze Leben und Wesen der Kirche ist [d. h. gründet] im Wort Gottes, wie Christus sagt: ,Der Mensch lebt von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes ausgeht‘ [Mt 4,4].“) 31 32
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christlicher Glaube ist und was nicht. Die Kirche kann sich im Gegenteil nur im gehorsamen Hören auf die Heilige Schrift immer neu das Evangelium sagen lassen und das, was sie da vernimmt, bezeugen und bekennen. Bei der Bindung der Kirche an die Heilige Schrift geht es so dezidiert um die Bindung an das Evangelium, das die Wahrheit über Jesus Christus gültig zur Sprache bringt, und damit um die Bindung an Jesus Christus selbst, der im Evangelium gegenwärtig ist und in ihm sein Heil erschließt. Die Reformatoren haben mit Nachdruck aufgenommen, was im Neuen Testament selbst in den Pastoralbriefen gesagt wird: Das Evangelium ist das „Wort der Wahrheit“,35 das die „Erkenntnis der Wahrheit“ schenkt.36 Es ist der Kirche von den Aposteln her als ein heiliges Gut überkommen und zur Bezeugung anvertraut,37 und nur wenn sie unerschütterlich an ihm festhält, kann und wird sie sein, was sie nach 1 Tim 3,15b ist: „die Säule und Grundfeste der Wahrheit“.38
VI. Die Heilige Schrift und das Dogma Der reformatorischen Verhältnisbestimmung von Heiliger Schrift und Kirche korrespondiert diejenige von Heiliger Schrift und Dogma. Anstelle des Begriffs dogma verwenden die Reformatoren zumeist den Ausdruck articulus fidei – „Artikel des Glaubens“.39 Artikel des Glaubens sind in erster Hinsicht diejenigen Sätze des christlichen Bekenntnisses, die das Verhältnis Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott und eben damit auch das Heil des Menschen betreffen. Diese Sätze sind streng von allen Meinungen der Menschen – gerade auch denen der Philosophen – zu unterscheiden.40 Während diese nämlich stets 35 2 Tim 2,15; vgl. Kol 1,5; Eph 1,13. Luther stellt, wie das in der vorangehenden Anmerkung aus den ‚Resolutiones Lutherianae‘ mitgeteilte Zitat exemplarisch zeigt, auch Jak 1,18 hierher – jedoch wohl zu Unrecht, weil dort nicht das Evangelium, sondern die Tora vom Sinai gemeint sein dürfte (vgl. Ps 118,43 LXX). 36 Zum Begriff und Gedanken der „Erkenntnis der Wahrheit“ s. besonders 1 Tim 2,4; 2 Tim 2,25. 37 Als ein „heiliges anvertrautes Gut“ (παραθήκη) wird das Evangelium in 1 Tim 6,20 und in 2 Tim 1,12.14 gekennzeichnet. Daß hier das Paulus vorgegebene und von ihm weitergegebene Evangelium gemeint ist, folgt aus dem Gesamtzusammenhang 2 Tim 1,8–14 (vgl. auch 1 Tim 1,11; Tit 1,3). 38 Zu dieser Kennzeichnung der Kirche s. die tiefgründige Auslegung Johannes Calvins: Ioannis Calvini in Novum Testamentum Commentarii VII, hg. v. A. Tholuck, Berlin ⁴1864, 411 f. Deutsche Übersetzung: Johannes Calvins Auslegung der kleinen Paulinischen Briefe, hg. v. O. Weber, Neukirchen-Vluyn 1963, 479–481. 39 Der Begriff dogma begegnet häufig in ‚De servo arbitrio‘; s. dazu vor allem: WA 18, 604,4; 604,6; 604,22.26; 605,18; 606,1; 631,28.33; 632,11.14; 639,11; 642,15 f.; 661,18; 667,8; 723,5 (BoA 3, 98,28; 98,31; 99,12.17; 100,13 f.; 100,34 f.; 122,26.32; 123,13.17; 129,38; 132,1 f.; 150,35; 157,3 f.; 218,38). Zur Identität von dogma (im Sinne von dogma Christianum) und articulus fidei s. WA 18, 656,21–30 (BoA 3, 145,20–31). 40 S. exemplarisch die scharfe Gegenüberstellung von dogmata Christiana („die christlichen
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hypothetisch bleiben und durchaus mit Skepsis betrachtet werden können, muß ein Dogma „klar, offenkundig und einleuchtend“, ja „völlig einleuchtend“ sein.41 Von daher will das Urteil verstanden sein, daß die Dogmen der Kirche nicht von dieser selbst „aufgestellt“ und „gestiftet“ worden sind, sondern von Gott allein. „Die Kirche Gottes“ – so formuliert Luther – „hat nicht die Macht, irgend einen Artikel des Glaubens aufzustellen, wie sie denn weder je einen solchen aufgestellt hat noch in Zukunft aufstellen wird.“42 „Alle Artikel“ sind vielmehr „hinreichend in der Heiligen Schrift aufgestellt, so daß nicht die Notwendigkeit besteht, daß außerdem noch ein solcher aufgestellt wird“.43 Artikel des Glaubens zu stiften – so heißt es an einer anderen Stelle – steht allein Gott zu;44 sein Wort „soll Artikel des Glaubens aufstellen und sonst niemand, auch kein Engel“.45 Für die These, daß alle Dogmen bereits in der Heiligen Schrift durch das Wort Gottes aufgestellt sind und es deshalb durchaus nicht in der Hand der Kirche liegt, Artikel des Glaubens festzusetzen, beruft sich der Reformator auf das Pauluswort 1 Kor 3,11: „Ein anderes Fundament kann niemand legen außer dem, das gelegt ist, welches ist Jesus Christus.“46 Dazu bemerkt er: „Hier hast du das von den Aposteln gelegte Fundament. Aber jeder Artikel des Glaubens ist ein Teil dieses Fundamentes, und daher kann kein anderer Artikel gelegt werden als der, der gelegt ist.“47 Alle Dogmen hängen dieser Aussage zufolge mit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus zusammen,48 die authentisch und verbindlich durch die Apostel in dem von ihnen bezeugten Evangelium zur Sprache gebracht wird. Dogmen“) und philosophorum et hominum opiniones („die Meinungen der Philosophen und der Menschen“) in: De servo arbitrio, WA 18, 605,18 f. (BoA 3, 100,13–15). 41 De servo arbitrio, WA 18, 656,24 f. (BoA 3, 145,24–26): clarum, apertum et evidens esse debet prorsusque similis caeteris omnibus evidentissimis articulis. („Es muß klar, offenkundig und einleuchtend sein und ganz und gar allen übrigen völlig einleuchtenden Artikeln gleich [d. h. mit ihnen kohärent].“) S. auch die Fortsetzung WA 18, 656,25–30 (BoA 3, 145,26–31). 42 Propositiones adversus totam synagogam Sathanae et universas portas inferorum (1530), These I, WA 30 II, 420,6 f.: Ecclesia Dei non habet potestatem condendi ullum articulum fidei, sicut nec ullum unquam condidit nec condet in perpetuum. 43 Ebd., These III, WA 30 II, 420,12 f.: Omnes articuli sufficienter sunt in scripturis sanctis conditi, ut non sit opus ullum praeterea condi. 44 Schmalkaldische Artikel (Druck 1538) II 2, WA 50, 206,3 f. (BoA 4, 299,21): „welches allein Gott zugehört“. 45 Ebd., WA 50, 206,27–29 (BoA 4, 299,32 f.) 46 Assertio omnium articulorum M. Lutheri per bullam Leonis X. novissimam damnatorum (1520), WA 7, 131,27–31: Certum est, in manu Ecclesiae aut Papae prorsus non esse statuere articulos fidei […] Probo hunc sic: i. Corint. iii. ‚Fundamentum aliud nemo potest ponere praeter id quod positum est, quod est Iesus Christus‘. („Es ist gewiß, daß es durchaus nicht in der Hand der Kirche oder des Papstes liegt, Artikel des Glaubens festzusetzen […]. Ich beweise das so: 1 Kor 3 [folgt das Zitat].“) 47 Ebd., WA 7, 131,31–33: Hic habes fundamentum ab Apostolis positum. At omnis articulus fidei est pars huius fundamenti, quare poni alius articulus quam positus est nullus potest. 48 Vgl. De servo arbitrio, WA 18, 638,24–639,1 (BoA 3, 129,24–26): Nos nihil nisi Ihesum crucifixum docemus, At Christus crucifixus haec omnia secum affert. („Wir lehren nichts außer Jesus, den Gekreuzigten. Aber der gekreuzigte Christus bringt das alles mit sich.“)
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Die Kirche kann die Dogmen deshalb nur „bezeugen“ und „bekennen“ und sie gegenüber der Häresie „verteidigen“ – wie sie das auf den „vier Hauptkonzilien“ (Nicäa 325, Konstantinopel 381, Ephesus 431, Chalcedon 451) getan hat.49 In den Dogmen, die Luther ausdrücklich als „Dogmen Christi“ bezeichnet,50 kommt das im Evangelium geoffenbarte „höchste Geheimnis“ zur Sprache: „Christus, der Sohn Gottes, ist Mensch geworden, Gott ist dreifaltig und ein einziger, Christus hat für uns gelitten und wird (sc. als der Auferstandene) in Ewigkeit herrschen.“51 Die von Gott gesetzten Artikel des Glaubens betreffen also das trinitarische und das christologische Dogma. Christi Person und Werk und eben damit des Menschen Heil sind der Inhalt des Evangeliums und deshalb auch des Dogmas. In der Überzeugung, daß die „Artikel des Glaubens“ von Gott selbst im Evangelium „gesetzt“ und so im Neuen Testament gültig kundgegeben sind, ist es begründet, daß die Reformatoren kein Lehramt kennen, das einer menschlichen Instanz übertragen wäre. Das Lehramt kommt weder der Kirche insgesamt noch auch bestimmten Personen in ihr zu – und selbstverständlich auch nicht der Theologie als Wissenschaft oder den Theologieprofessoren. Das Wort „Einer ist euer Lehrer: Christus“ (Mt 23,10) gilt hier exklusiv, und das bedeutet, daß das Evangelium von Jesus Christus und insofern die Heilige Schrift die alleinige Lehrautorität in der Kirche ist. Am Zeugnis der Schrift muß deshalb jedes theologische Urteil überprüft werden, das in der Kirche vertreten wird, wobei diese Überprüfung nur im gemeinsamen Gespräch derer möglich ist, die auf die Schrift hören wollen.
VII. Die Heilige Schrift und der Gottesdienst der Kirche Dem Schriftverständnis entspricht – wie abschließend noch kurz erwähnt sei – das evangelische Verständnis des Gottesdienstes. Die Reformatoren sehen die wichtigste Aufgabe der Kirche darin, das von den Aposteln bezeugte Evangelium zu verkündigen, in dem Christus selbst den Menschen sein Heil kundtut und zueignet. Da dieses Evangelium in der Heiligen Schrift in klarer inhaltlicher 49 S. dazu Luthers Schrift ‚Von den Konziliis und Kirchen‘ (1539), WA 50, 509–653. Ausgabe in einer dem heutigen Deutsch angenäherten Fassung: M. Luther, Von den Konziliis und Kirchen (M. Luther, Ausgewählte Werke. Dritte Auflage, Ergänzungsreihe 7), München 1963. Zum Begriff der „vier Hauptkonzilia“ s. dort 92, zur Würdigung der Konzilien vor allem 41–44.59–63 (Nicäa), 65–70 (Konstantinopel), 70–80 (Ephesus), 80–83.90 (Chalcedon). 92–94 (die vier Konzilien insgesamt). 50 De servo arbitrio, WA 18, 604,6 (BoA 3, 98,31). 51 De servo arbitrio, WA 18, 606,26–28 (BoA 3, 101,25–28): […] illud summum mysterium proditum est, Christum filium Dei factum hominem, Esse Deum trinum et unum, Christum pro nobis passum et regnaturum aeternaliter. Zu der Rede von dem summum mysterium vgl. 1 Tim 3,16.
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Bestimmtheit enthalten ist, kann es von denen, die mit dem Dienst am Wort Gottes beauftragt sind, in aller Eindeutigkeit wahrgenommen und in der gleichen Eindeutigkeit ausgerichtet werden – dies in der Erwartung, daß der Heilige Geist die Herzen der Hörenden öffnet, so daß sie zu dem Glauben geführt und in dem Glauben bewahrt werden, der das Heil ergreift. Der Ort, an dem das geschehen soll, ist vor allem andern der Gottesdienst der versammelten Gemeinde, in dem das Evangelium in der Predigt und in der Feier der heiligen Sakramente laut wird. Es ist in dem reformatorischen Schriftverständnis begründet, wenn Luther den Sinn des Gottesdienstes dahingehend beschreibt, „daß unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang“.52
52 Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis, bei der Einweihung der Schloßkirche zu Torgau gehalten (1544), WA 49, 588,16–18.
Die Auferweckung des Lazarusin den gottesdienstlichen Hymnen der Orthodoxen Kirche Ein Beitrag zur Auslegungsgeschichte von Joh 11,1–44 I Die Erzählung von der Auferweckung des Lazarus Joh 11,1–44 gehört sowohl in narrativer wie auch in theologischer Hinsicht zu den zentralen Texten des Vierten Evangeliums und des Neuen Testaments überhaupt. Die Orthodoxe Kirche hat – in auffallendem Unterschied zu den Kirchen des Westens – das Zeugnis dieser Erzählung dadurch in eindrucksvoller Weise aufgenommen, daß dem in ihr berichteten Geschehen innerhalb des Kirchenjahrs ein eigener Festtag gewidmet worden ist: der „Samstag des heiligen und gerechten Lazarus“.1 Dieser Tag, an dem die Erzählung von der Auferweckung des Lazarus in der Göttlichen Liturgie vollständig verlesen wird, gehört zu den hohen Festen der Kirche.2 An ihm – aber auch in den Gottesdiensten der fünf voraufgehenden Werktage und des unmittelbar folgenden Palmsonntags – werden darüber hinaus zahlreiche Hymnen gesungen, die das Wunder der Auferweckung des Lazarus zum Thema haben.3 Diesen Hymnen, in denen wir höchst beachtliche Dokumente der Auslegungsund Wirkungsgeschichte der johanneischen Erzählung zu erkennen haben,4 sind
1 S. dazu den entsprechenden Artikel in: K. Onasch, Kunst und Liturgie der Ostkirche in Stichworten unter Berücksichtigung der Alten Kirche, Wien – Köln – Graz 1981, 238 f. 2 In der älteren Tradition wird der Lazarussamstag in der Regel zum Dodekaortion gerechnet; s. K. Onasch, Art. Dodekaortion, in: Ders., Kunst und Liturgie der Ostkirche (s. Anm. 1), 86. Zur heute üblichen Bestimmung der zwölf Hochfeste s. etwa: The Festal Menaion, translated from the original Greek by Mother Mary and Archimandrite Kallistos Ware, London – Boston 1977 = 1984, 41 f.; P. D. Day, Art. Twelve great feasts, in: Ders., The Liturgical Dictionary of Eastern Christianity, Collegeville, MN 1993, 296. 3 Neben den Lazarus-Hymnen, die in das Triodion – das liturgische Buch mit den Eigentexten für die Vorfastenzeit und die Große Fastenzeit – aufgenommenen wurden, sind weitere Dichtungen erhalten. Erwähnt seien die beiden Hymnen des Romanos Melodos (6. Jahrhundert): Kontakion 26 und 27; s. P. Maas / C. A. Trypanis (Hg.), Sancta Romani Melodi Cantica. Cantica genuina, Oxford 1963, 102–116; J. Grosdidier de Matons (Hg.), Romanos le Mélode, Hymnes III (SC 114), Paris 1965, 145–225: 154–179.198–219. 4 Zur Auslegungs- und Wirkungsgeschichte von Joh 11,1–44 s. J. Kremer, Lazarus. Die Geschichte einer Auferstehung. Text, Wirkungsgeschichte und Botschaft von Joh 11,1–46, Stuttgart 1985. Kremer weist dort lediglich auf Romanos Melodos hin (150–152); die in dem vorliegenden Aufsatz behandelte Hymnendichtung findet dagegen keine Berücksichtigung.
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die folgenden Darlegungen gewidmet.5 Unser Interesse gilt dabei der Frage, welche Züge und Aussagen des Evangelienberichtes in den Hymnen aufgenommen wurden, welche Deutung sie dort erfahren haben und wie diese Deutung im Licht heutiger wissenschaftlicher Exegese des Textes Joh 11,1–44 zu würdigen ist.6 Der Betrachtung der Hymnen sei eine knappe Übersicht über die relevanten Texte vorangestellt.7 Den größten Teil des Materials liefern die folgenden Dichtungen, die jeweils einem bedeutenden Hymnographen zugeschrieben werden.8
5 Die griechischen Texte des Triodion zitiere ich nach der Ausgabe der Ἀποστολικὴ Διακονία der Kirche von Griechenland: Τριῴδιον κατανυκτικόν, Athen 1960. Anstelle der dort gebotenen metrischen Abteilung der einzelnen Verszeilen wähle ich jedoch eine der syntaktischen Struktur der Sätze entsprechende Interpunktion. – Allen griechischen Hymnen-Zitaten habe ich eine deutsche Übersetzung beigefügt, die um eine möglichst genaue Wiedergabe des Textsinns bemüht ist. Folgende Übersetzungen wurden verglichen: Die Ostkirche betet. Hymnen aus den Tagzeiten der Byzantinischen Kirche II: Vierte bis sechste Fastenwoche. Die Heilige Woche, Münster ²1963 (Übersetzung von K. Kirchhoff, Überarbeitung von Chr. Schollmeyer); Der Gottesdienst am Samstag des hl. gerechten Lazarus. Zusammengestellt und übersetzt von Erzpriester D. Ignatiev, München 1991; The Lenten Triodion, translated from the original Greek by Mother Mary and Archimandrite Kallistos Ware, London – Boston 1978 = South Canaan, PA 2002; The Lenten Triodion. Supplementary Texts, translated from the original Greek by Mother Mary and Archimandrite Kallistos Ware, Bussy-en-Othe 1979. 6 Zur Exegese s. O. Hofius, Die Auferweckung des Lazarus. Joh 11,1–44 als Zeugnis narrativer Christologie, in: Ders., Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 28–45. In diesem Aufsatz finden die im Folgenden notierten exegetischen Feststellungen ihre detaillierte Begründung. Vgl. außerdem auch die tiefgreifenden Ausführungen zu Joh 11,1–44 bei Χ. Κ. Καρακολης, Ἡ θεολογικὴ σημασία τῶν θαυμάτων στὸ κατὰ Ἰωάννην εὐαγγέλιο, Thessaloniki 1997, 248–309. 7 Die Übersicht berücksichtigt, daß in liturgischer Hinsicht die Gottesdienste des Freitagabends zum Lazarussamstags und diejenigen des Samstagabends zum Palmsonntag gehören. Die im Folgenden genannten Gottesdienste sind: a) der Hesperinos (Ἑσπερινός) = der Abendgottesdienst, d. h. die Vesper; b) das Apodeipnon (Ἀπόδειπνον) = der Nachtgottesdienst, dem in der westlichen Tradition die Komplet entspricht; c) der Orthros (Ὄρθρος) = der Matutin und Laudes entsprechende Morgengottesdienst. Während ich bei den drei Gottesdiensten sowie bei den Namen der Hymnographen der erasmischen Aussprache des Griechischen folge, werden andere griechische Fachbegriffe – von den Termini „Ode“ und „Stichologie“ abgesehen – nach der neugriechischen Aussprache wiedergegeben. Eine knappe Erläuterung der hymnologischen bzw. liturgischen Begriffe bietet der terminologische Anhang. 8 Zu den Hymnographen s. Π. Ν. Τρεμπελας, Ἐκλογὴ Ἑλληνικῆς Ὀρθοδόξου Ὑμνογραφίας, Athen ²1978, 279–287 (Andreas von Kreta [† 740]), 310–321 (Kosmas von Majuma [8. Jahrhundert]), 321 f. (Theophanes Graptos [† 845]), 345 f. (Theodoros Studites [759–826] und Joseph von Thessaloniki [762–832]), 376 (Leon der Weise [886–912]); s. auch 287–310 zu Johannes Damaskenos († vor 754) und zur Frage der Identifizierung des Johannes Monachos. Nicht näher bekannt ist offensichtlich Andreas der Blinde (Andreas Typhlos), dessen Stichiron in Anm. 19 erwähnt wird. – Knappe Informationen zu den Hymnographen finden sich in: Die Ostkirche betet. Hymnen aus den Tagzeiten der Byzantinischen Kirche I: Vorfastenzeit. Erste bis dritte Fastenwoche, Münster ²1962, 451–453; Osterjubel der Ostkirche. Hymnen aus der fünfzigtägigen Osterfeier der Byzantinischen Kirche, Münster ²1961, 621–623; Hymnen der Ostkirche. Dreifaltigkeits-, Marien- und Totenhymnen, Münster ²1960 = 1979, 269 f.
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Hymnen des Lazarussamstags: – im Hesperinos: Stichira Kaiser Leons des Weisen – im Apodeipnon: Kanon des Andreas von Kreta – im Orthros: Kanon des Theophanes Graptos Kanon und Tetraodion des Kosmas von Majuma9 Tetraodion und Stichira des Johannes Monachos10 Hymnen der fünf dem Fest voraufgehenden Tage:11 – im Orthros: Triodia des Joseph von Thessaloniki und des Theodoros Studites – im Hesperinos: Stichira des Joseph von Thessaloniki und des Theodoros Studites. Diesen Dichtungen treten die anonym überlieferten Hymnen an die Seite, zu denen unter anderem das Festtroparion und das Kontakion des Lazarussamstags sowie bestimmte Kathismata und Stichira des Palmsonntags gehören.12
II Wenn wir uns nunmehr den Texten selbst zuwenden, so ist in einem ersten Schritt unserer Betrachtung auf drei erzählerische Motive hinzuweisen, denen im Gesamtzusammenhang von Joh 11,1–44 eine besondere Bedeutung zukommt 9 Von Kosmas stammt auch der im Orthros des Palmsonntags gesungene Kanon, in dessen dritter Ode von Lazarus die Rede ist. 10 Die in Anm. 5 genannte Edition des Triodion bietet bei den mit den Äni verbundenen Stichira keine Verfasserangabe. Dagegen wird Johannes Monachos als Autor genannt in: Ἀνθολόγιον τῶν ἱερῶν ἀκολουθιῶν τοῦ ὅλου ἐνιαυτοῦ. Ἐπιμελείᾳ Κ. Παπαγιάννη. Τόμος Α’: Ἰανουάριος – Μάρτιος. Τριῴδιον, Thessaloniki 1992, 1069. Ob unter Ἰωάννης Μοναχός Johannes Damaskenos zu verstehen ist (so z. B. Die Ostkirche betet II [s. Anm. 5], 323–327; Onasch, Kunst und Liturgie der Ostkirche [s. Anm. 1], 239), ist umstritten; vgl. Τρεμπελας, Ἐκλογὴ Ἑλληνικῆς Ὀρθοδόξου Ὑμνογραφίας (s. Anm. 8), 288.405. Ich führe deshalb bei der Verfasserangabe lediglich den Namen Johannes an. 11 Bei den im Orthros auf die Stichologien folgenden Kathismen fehlt in der in Anm. 5 genannten Edition des Triodion eine Verfasserangabe, wohingegen diese in Die Ostkirche betet II (s. ebd.) Joseph von Thessaloniki bzw. Theodoros Studites zugeschrieben werden. – Da der Hesperinos des Freitags bereits zum Lazarussamstag zählt, gilt das zu diesem Gottesdienst Gesagt nur für die Tage von Montag bis Donnerstag. 12 Was die Fundorte der im Folgenden zitierten bzw. erwähnten Texte anlangt, so gilt: a) Die Hymnen des Lazarussamstags werden stets an erster Stelle sowie ohne Erwähnung des Tages und des entsprechenden Gottesdienstes angeführt. b) Bei den Hymnen der fünf dem Lazarussamstag voraufgehenden Werktage und des Palmsonntags werden jeweils der Tag und der betreffende Gottesdienst genannt. c) Oden werden mit römischen, Strophen (Troparia) mit arabischen Zahlen bezeichnet. Die Strophenzählung entspricht der im Triodion (s. Anm. 5) gebotenen Abfolge; dabei wird der Irmos, die Leitstrophe, stets als erste Strophe gezählt – also auch dann, wenn dort nur sein Anfang angegeben ist.
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und die in den Hymnen sowohl aufgenommen wie auch in ihrer theologischen Bedeutung reflektiert werden.13 1. Die Hymnen bringen das wichtige Motiv zur Sprache, das in dem Abschnitt Joh 11,6–16 zum Ausdruck kommt. Wie der Evangelist in diesen Versen darlegt, ist der Weg zur Auferweckung des Lazarus für Jesus selbst der Weg, der ihn an das Kreuz führen wird.14 Das aber bedeutet: Damit Lazarus lebt, muß Jesus sterben. Diesen Zusammenhang beschreibt unter anderem ein Triodion des Joseph. Der Dichter erwähnt zunächst die Ankündigung Jesu, daß er nach Jerusalem gehe, um am Kreuz zu sterben,15 und sodann heißt es: Θανάτου θέλων, Λόγε, ἐξαρπάσαι φίλον τὸν σόν, σαρκὶ θανατωθῆναι δι᾽ ἡμᾶς κατεπείγῃ τοὺς βροτούς, ἀθανατίζων τοὺς πιστούς, μόνε ἀθάνατε.16 „Weil du, o Wort, deinen Freund dem Tod entreißen willst, begehrst du, dich um unsertwillen, die wir sterblich sind, dem Fleisch nach töten zu lassen und so die Glaubenden unsterblich zu machen, du allein Unsterblicher.“
Als höchst bedeutsam muß gelten, daß das Troparion nicht nur von Lazarus spricht, sondern zugleich auch von „uns“, d. h. von den an Christus Glaubenden. Das entspricht voll und ganz dem Sinn der Erzählung Joh 11,1–44 selbst. In ihr geht es keineswegs nur um Lazarus allein; Lazarus repräsentiert vielmehr alle, die dem Tod verfallen sind und für die Christus in freiwilliger Entscheidung den Weg an das Kreuz geht, um sie aus der Gewalt des Todes zu erretten. Dieser Gedanke begegnet auch in dem folgenden Troparion, das ausdrücklich auf Joh 11,8 Bezug nimmt: Πρὸς Ἰουδαίαν, Χριστέ, πάλιν ἔρχῃ ζητοῦσαν τῆς ζωῆς σὲ τὸ ξύλον διὰ ξύλου ἀνελεῖν, ποθῶν ἀθανατίσαι τοὺς τεθανατωμένους τῇ διὰ ξύλου βρώσει.17
13 Daneben wären weitere Motive zu notieren, die aber von geringerem Gewicht sind und deshalb in dem vorliegenden Aufsatz nicht erörtert werden sollen. Nur ein Beispiel sei genannt: In Aufnahme der Wendung Λάζαρος ὁ φίλος ἡμῶν Joh 11,11 wird Lazarus in den Hymnen mehrfach als Jesu „Freund“ bezeichnet, und die entsprechende Aussage, daß Jesus Lazarus „liebhatte“ (Joh 11,3b.5), findet etwa ihr Echo in Tetraodion des Kosmas VI 2: Ἀγάπη σε εἰς Βηθανίαν, Κύριε, ἀπήγαγε πρὸς Λάζαρον, καὶ τοῦτον ἤδη ὀδωδότα ἀνέστησας ὡς Θεὸς καὶ ἐκ δεσμῶν τοῦ Ἅιδου διέσωσας („Die Liebe führte dich, Herr, nach Bethanien zu Lazarus, und ihn, der schon verweste, hast als Gott du auferweckt und aus den Fesseln des Hades errettet“). 14 S. neben V. 8 insbesondere auch V. 15 f.: Jesu Wort ἄγωμεν πρὸς αὐτόν (sc. πρὸς τὸν Λάζαρον) veranlaßt Thomas zu der Feststellung: ἄγωμεν καὶ ἡμεῖς ἵνα ἀποθάνωμεν μετ᾽ αὐτοῦ. 15 Freitag (Orthros), Triodion des Joseph IX 2: […] ἀληθῶς παραδοθήσομαι σταυρῷ ἀποκτανθῆναι σαρκί („in Wahrheit werde ich ausgeliefert werden, um dem Fleisch nach am Kreuz getötet zu werden“). Hier handelt es sich um eine Bezugnahme auf Mt 20,18 f. (vgl. Mk 10,33 f.; Lk 18,31–33). 16 Freitag (Orthros), Triodion des Joseph IX 3. 17 Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph VIII 4 (s. zu διὰ ξύλου ἀνελεῖν: Apg 5,30; 10,39; 13,29; Gal 3,13; 1 Petr 2,24 und zu τῇ διὰ ξύλου βρώσει: Gen 2,16 f.; 3,1–19). Vgl. auch Mittwoch (Orthros), Triodion des Theodoros IX 3: Nach Judäa, das ihn zu steinigen suchte, kommt Christus aufs neue, τὸ σωτήριον πάθος γλιχόμενος ἐκπληρῶσαι ὡς Θεός („in dem Verlangen,
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„Nach Judäa, das dich, den Baum des Lebens, durch den Baum (sc. des Kreuzes) töten will, gehst du aufs neue, Christus, weil du die unsterblich machen willst, die durch die Speise des Baumes getötet worden sind.“
Ein anderes Troparion kann dementsprechend dem einzelnen Gläubigen die Aussage in den Mund legen, daß Jesus nach Jerusalem geht, κτανθῆναι θελήματι τὸν ἀποκτανθέντα με διασῴζων τῆς φθορᾶς („sich freiwillig töten zu lassen, um mich, den Getöteten, vom Verderben zu erretten“).18 2. Die Hymnen betonen in Aufnahme der erzählerischen Notiz von Joh 11,43 f., daß die Auferweckung des Lazarus durch Jesu „Wort“, „Stimme“ oder „Befehl“ vollzogen wird.19 Nähere Kennzeichnungen sind dabei Wendungen wie ὁ λόγος τῆς ἐξουσίας σου20 („das Wort deiner Macht“), πρόσταγμα ζωηφόρου φωνῆς σου21 („der Befehl deiner Leben bringenden Stimme“), ζωοπάροχός σου λόγος22 („dein Leben gewährendes Wort“) und ὁ λόγος σου ὁ πανσθενής23 („dein allgewaltiges Wort“) oder die Rede von der φωνὴ θεόφθογγος („die von Gott ertönende Stimme“) und dem θεϊκὸν ῥῆμα („das göttliche Wort“) Christi24. Insbesondere die Ausdrücke ζωηφόρος φωνή und ζωοπάροχος λόγος lassen deutlich erkennen, daß die Hymnendichter das Jesuswort Joh 5,25 mit im Blick haben, an das auch die Lazarus-Erzählung selbst unüberhörbar erinnert und erinnern will. In der Erzählung wird ja genau jener Sachverhalt beschrieben, der in dem genannten Wort Jesu in einer theologischen Aussage zur Sprache kommt: ἀμὴν ἀμὴν λέγω ὑμῖν ὅτι ἔρχεται ὥρα καὶ νῦν ἐστιν ὅτε οἱ νεκροὶ ἀκούσουσιν τῆς φωνῆς τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ, καὶ οἱ ἀκούσαντες ζήσονται. 3. Die Hymnen bringen die Größe des Wunders der Auferweckung des Lazarus zum Ausdruck, indem sie im Anschluß an Joh 11,39 und Joh 11,43 f. zwei erzählerische Motive aufnehmen, die beide in dem folgenden Troparion erwähnt werden:
das erlösende Leiden als Gott zu vollenden“), und er erduldet dort willig den Tod εἰς τὸ σῶσαι ἡμᾶς („um uns zu erretten“). 18 Freitag (Orthros), Triodion des Joseph V 3. – S. ferner noch: Stichira des Leon 1; Tetraodion des Johannes VII 2; Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph VIII 4. 19 Stichira des Leon 3.6; Stichiron Andreas des Blinden; Kanon des Andreas II 2–4.6–9. III 3–7. IV 3.4.10. V 3–5. VI 2–6. VII 8. VIII 3. IX 8; Kathismata nach der ersten und zweiten Stichologie; Kanon des Theophanes I 3. III 5. IV 4. V 2; Kanon des Kosmas III 4. IV 5. V 2.3; Anderes Kathisma nach Ode III; Tetraodion des Kosmas VI 3. VII 3. VIII 3; Tetraodion des Johannes VII 3. VIII 2; Exapostilarion; Stichira des Johannes 7–9; Palmsonntag (Großer Hesperinos), Stichira zu den Luzernariumspsalmen 4; Palmsonntag (Orthros), Kanon des Kosmas III 2. – Die relevanten Termini sind: λόγος, ῥῆμα, φωνή, πρόσταγμα, πρόσταξις, κέλευσις sowie die entsprechenden Verben. 20 Stichira des Leon 3. 21 Kanon des Andreas II 4. 22 Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph IX 3. 23 Kanon des Kosmas III 4. 24 Kanon des Kosmas V 3 bzw. Kanon des Theophanes III 5.
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Ὁ τεταρταῖος ὀδωδὼς καὶ κειρίαις συνειλημμένος ἥλλατο ἔμπνους ὁ ἄπνους φωνοῦντός σου, Κύριε.25 „Der bereits vier Tage Tote, der schon verweste und von Binden umwunden war, – er, der Entseelte, sprang beseelt umher, als du [ihn] riefst, o Herr.“
Das eine Motiv betrifft den Tatbestand, daß Lazarus schon den vierten Tag im Grab liegt und also bereits in Verwesung begriffen ist. Immer wieder erscheint in den Hymnen das τεταρταῖος von Joh 11,39b, und mehrfach begegnet daneben – wie in dem soeben zitierten Troparion – das Partizip ὀδωδώς,26 mit dem die Worte ἤδη ὄζει des gleichen Verses aufgenommen werden. Das andere Motiv liegt in dem, was in Joh 11,43 f. über den gebietenden Ruf Jesu und die Reaktion des Lazarus berichtet wird: φωνῇ μεγάλῃ ἐκραύγασεν (sc. ὁ Ἰησοῦς)· Λάζαρε, δεῦρο ἔξω. ἐξῆλθεν ὁ τεθνηκὼς δεδεμένος τοὺς πόδας καὶ τὰς χεῖρας κειρίαις καὶ ἡ ὄψις αὐτοῦ σουδαρίῳ περιεδέδετο. Theophanes sagt dazu in einem seiner Troparia: Δεδεμένος τοὺς πόδας Λάζαρος ἐβάδιζε, θαῦμα ἐν θαύμασι! καὶ γὰρ μείζων ὤφθη τοῦ κωλύοντος ὁ ἐνισχύων Χριστός· οὗ τῷ λόγῳ πάντα δουλοπρεπῶς ὑπηρετοῦσιν ὡς Θεῷ καὶ Δεσπότῃ δουλεύοντα.27 „Gebunden an den Füßen schritt Lazarus einher – Wunder aller Wunder! Denn als größer als der, der ihn zurückhalten wollte, zeigte sich der, der ihm Kraft verlieh: Christus. Seinem Wort gehorchen, wie es sich einem Sklaven geziemt, alle Dinge, und sie dienen ihm als Gott und Herrn.“
In diesem Troparion ist nicht von einem zusätzlichen Wunder – also einem „Wunder im Wunder“ – die Rede,28 sondern das emphatische θαῦμα ἐν θαύμασι! kennzeichnet die Auferweckung des Lazarus in Übereinstimmung mit dem Sinn der Schilderung von Joh 11,44 als ein einzigartiges und unerhörtes Wunder, als das Wunder schlechthin.29
Kanon des Andreas VIII 3; vgl. Tetraodion des Johannes VII 4. Kanon des Andreas II 4.7. IV 7. VIII 3; Kanon des Kosmas I 4; Kanon des Theophanes V 4; Tetraodion des Kosmas VI 2; Tetraodion des Johannes VII 4; Palmsonntag (Großer Hesperinos), Stichira zu den Luzernariumspsalmen 4. – Die genaue Bedeutung von ὀδωδώς ist: „stinkend“; ich wähle dafür die Übersetzung „verwesend“ u. ä. 27 Kanon des Theophanes V 3. Zu dem Motiv von Joh 11,44 s. ferner: Kanon des Andreas V 5; Tetraodion des Kosmas VII 3; Tetraodion des Johannes VII 4. 28 Diese Deutung findet sich bei einigen Kirchenvätern; s. dazu W. Bauer, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen ³1933, 154; Καρακολης, Ἡ θεολογικὴ σημασία τῶν θαυμάτων στὸ κατὰ Ἰωάννην εὐαγγέλιο (s. Anm. 6), 303 Anm. 228. 29 So richtig die Übersetzung in The Lenten Triodion (s. Anm. 5), 481: „O wonder of wonders!“ Der Ausdruck θαῦμα ἐν θαύμασι entspricht der Formulierung θαῦμα θαυμάτων bei Romanos Melodos (s. Anm. 3): Kontakion 27,1. 25 26
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III Bleiben wir bei den erzählerischen Motiven, so muß jetzt von jenen Hymnen gesprochen werden, die in dem Bericht von der Auferweckung des Lazarus ein Zeugnis dafür erkennen, daß Jesus im Sinne des Dogmas von Chalcedon beides ist: wahrer Gott und wahrer Mensch. Er selbst offenbart diesen Hymnen zufolge in dem in Joh 11,1–44 berichteten Geschehen sowohl seine wahre Gottheit wie auch seine wahre Menschheit. So heißt es in einem Troparion des Theophanes: Δύο προβαλλόμενος τὰς ἐνεργείας σου ἔδειξας τῶν οὐσιῶν, Σῶτερ, τὴν διπλόην· Θεὸς γὰρ εἶ καὶ ἄνθρωπος.30 „Indem du deine zwei Wirksamkeiten in Erscheinung treten ließest, hast du, Heiland, die Zweiheit deiner Wesenheiten zu erkennen gegeben; denn du bist Gott und Mensch.“
Seine wahre Gottheit offenbart Jesus den Hymnen zufolge bereits darin, daß er von dem Tod des Lazarus weiß und ihn seinen Jüngern kundtut (Joh 11,11.14).31 Vor allem aber stellt er „die unbegrenzte Wirkkraft“ seiner Gottheit unter Beweis,32 indem er „in eigener Machtvollkommenheit“33 den von der Verwesung gezeichneten Lazarus durch sein allgewaltiges Schöpferwort34 vom Tode auferweckt.35 Darin zeigt sich, daß er der Sohn Gottes36 und als solcher – wie sein Vater – der „Gott der Lebenden und der Toten“37 ist. In der zuletzt erwähnten Aussage haben wir eine Prädikation vor uns, die Jesu einzigartige göttliche Hoheit zum Ausdruck bringt. Ihr treten in den Hymnen weitere Hoheitsbegriffe an die Seite. Neben dem häufigen Σωτήρ und dem in Joh 1,1.14 vorgegebenen Λόγος38 sind etwa die Bezeichnungen Jesu als ἀθάνατος, 30 Kanon des Theophanes III 2; s. ferner: Kanon des Andreas IV 9. IX 3; Stichira des Johannes 1. – Zu der Lehre von den δύο ἐνέργειαι Christi, wie sie in dem zitierten Troparion des Theophanes zum Ausdruck kommt, s. das Glaubensbekenntnis (Versio graeca) und die Canones 11–16 des Concilium Lateranense von 649: DH 228 f. (*500). 234–236 (*511–*516). 31 Kanon des Andreas I 8; Kanon des Kosmas I 2; Anderes Kathisma nach Ode III; Tetraodion des Johannes VI 2; Ikos; Stichira des Johannes 4; Mittwoch (Hesperinos), Stichira des Joseph 1. 32 So Tetraodion des Johannes VI 2: πιστούμενος […] τῆς θεότητός σου τὴν ἀόριστον ἐνέργειαν („gültig bezeugend […] die unbegrenzte Wirkkraft deiner Gottheit“ [zur Übersetzung des Verbums πιστοῦσθαι s. u. Anm. 81]). 33 αὐτεξουσίως: Kanon des Andreas IV 4; Tetraodion des Johannes IX 2 (s. auch IX 5 [zitiert bei Anm. 61]). Vgl. Stichira des Johannes 5: θεϊκῇ δυναστείᾳ αὐτεξουσίῳ θελήματι („mit göttlicher Macht in selbstmächtigem Willen“). 34 S. dazu die in den Anmerkungen 19–24 notierten Belege. 35 Stichira des Leon 5; Kanon des Andreas III 5. IV 5.6.9. VII 8. IX 3; Kanon des Theophanes I 4; Tetraodion des Kosmas VI 2.3. VII 2. VIII 3; Tetraodion des Johannes VI 3. VIII 2.4. IX 4; Stichira des Johannes 1; Dienstag (Orthros), Triodion des Theodoros IX 3. 36 Kanon des Andreas IV 2. 37 Kanon des Andreas V 1.2: Θεὸς ζώντων καὶ τῶν νεκρῶν. 38 Kanon des Andreas IV 9. V 4. IX 3.8; Kanon des Kosmas I 4; Kanon des Theophanes IV 3; Exapostilarion; Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph IX 3; Freitag (Orthros), Triodion des Joseph IX 3.
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παντοδύναμος, πάντων Κύριος und Βασιλεὺς τῶν ἁπάντων zu nennen.39 Von besonderem Gewicht aber sind die beiden folgenden Prädikationen: Jesus wird zum einen als der „Schöpfer“40 oder als der „Schöpfer aller“ bzw. der „Schöpfer des Alls“41 bezeichnet, weil er den bereits verwesenden Lazarus in göttlicher Schöpfermacht durch sein Wort aus dem Tod ins Leben ruft. Und zum andern gilt Jesus als der „Spender des Lebens“,42 der in Person „die Auferstehung und das Leben“ ist (Joh 11,25b).43 Wie Jesus in dem in Joh 11,1–44 berichteten Geschehen als wahrer Gott offenbar wird, so gibt er nach der Deutung der Hymnen hier zugleich auch seine wahre Menschheit zu erkennen. Obwohl er „als unbegrenzter Gott das All erfüllt“, wird darin, daß er von einem Ort zum andern geht, sichtbar, daß er 39 ἀθάνατος: Kanon des Theophanes I 3. V 2; Freitag (Orthros), Triodion des Joseph IX 3; Palmsonntag (Orthros), Ikos. – παντοδύναμος: Kanon des Theophanes IV 2; Kanon des Kosmas IV 4; Stichira des Johannes 4; Freitag (Orthros), Triodion des Theodoros IX 3. – πάντων Κύριος: Kanon des Kosmas III 3 (vgl. Apg 10,36; Röm 10,12). – Βασιλεὺς τῶν ἁπάντων: Dienstag (Orthros), Triodion des Theodoros II 5. 40 κτίστης: Kanon des Andreas VII 3. IX 2; Ikos; Montag (Orthros), Triodion des Theodoros VIII 3; Dienstag (Orthros), Triodion des Theodoros IX 3; Donnerstag (Orthros), Erstes Kathisma nach der dritten Stichologie. – δημιουργός: Kanon des Kosmas IV 2. – ποιητής: Anderes Kathisma nach Ode III. – πλάστης: Tetraodion des Kosmas VIII 3. – πλαστουργός: Kanon des Theophanes I 2. 41 κτίστης (ἁ)πάντων („der Schöpfer aller“): Kanon des Andreas III 2; Ikos; Palmsonntag (Großer Hesperinos), Stichira zur Liti 6. – κτίστης τῶν ὅλων („der Schöpfer des Weltalls“): Ikos. – ποιητὴς καὶ συνοχεὺς τῶν ἁπάντων („der Schöpfer und Erhalter aller Dinge“): Kanon des Andreas VIII 2. – Θεός τε καὶ τῶν ὅλων ποιητής („Gott und Schöpfer des Weltalls“): Donnerstag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros. – τῶν ὅλων πλαστουργός („der Bildner des Weltalls“): Kanon des Andreas IX 8. S. ferner auch: Kathisma nach der ersten Stichologie: ὁ διὰ λόγου πάντα συστησάμενος („der durch sein Wort alles bereitet hat“); Kanon des Kosmas I 2: ὁ πρὶν ἐκ μὴ ὄντων παραγαγὼν τὴν σύμπασαν κτίσιν („der einst aus dem Nichts die ganze Schöpfung ins Dasein gerufen hat“). Ausdrücklich als Schöpfer des Lazarus wird Jesus bezeichnet, wenn ein Troparion ihn sagen läßt: ἀπέρχομαι ἀναστῆσαι ὃν ἔπλασα („ich gehe hin, den aufzuerwecken, den ich gebildet habe“); so Mittwoch (Orthros), Erstes Kathisma nach der dritten Stichologie. 42 ζωοδότης („der Lebensspender“): Kanon des Andreas VIII 6 (vgl. ebd. II 8: ὁ ζωώσας); Kathismata nach der ersten und zweiten Stichologie; Kanon des Theophanes I 5. III 3; Donnerstag (Orthros), Triodion des Theodoros IV 2. Vgl. auch: Kanon des Theophanes V 2: ζωὴν χρηματίζων ἀθάνατος („der das Leben offenbarende Unsterbliche“); Kanon des Theophanes I 2: ζωῆς ταμιοῦχος („der Herr des Lebens“); Tetraodion des Johannes VII 3: τῆς ζωῆς ὁ ταμιάς („der Herr des Lebens“). 43 Kanon des Kosmas III 3: σὺ […] ἀνάστασις καὶ σὺ ζωὴ ὥσπερ ἔφης ἀληθείᾳ πέλεις („du bist, wie du gesagt hast, in Wahrheit die Auferstehung und das Leben“); vgl. Palmsonntag (Orthros), Kanon des Kosmas III 2. S. ferner etwa: Stichira des Johannes 1: ἀνάστασις καὶ ζωὴ τῶν ἀνθρώπων („die Auferstehung und das Leben der Menschen“); ebd. 3: ἡ ἀνάστασις τῶν κεκοιμημένων („die Auferstehung der Entschlafenen“); Kanon des Andreas V 2: ζωὴ καὶ φῶς ἀληθινόν („das Leben und das wahre Licht“); Kanon des Kosmas IV 3: ὁ φωτισμὸς πάντων καὶ ζωή („das Licht und das Leben aller“) / ζωὴ τῶν θανέντων („das Leben der Toten“); Kontakion (zitiert in Anm. 85); Mittwoch (Orthros), Triodion des Theodoros VIII 2: ἡ ζωὴ τῶν ἁπάντων („das Leben aller“).
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„ein sterblicher Mensch“ geworden ist.44 Als Gott weiß er alle Dinge, aber er fragt dennoch: ποῦ τεθείκατε αὐτόν; (Joh 11,34a),45 und als man ihm die Grabstätte zeigt, weint er „nach dem Gesetz der menschlichen Natur“46 über den Tod des Lazarus (V. 35).47 Er, der „mit dem Vater gleichewig ist“ und „die Gebete aller empfängt“, betet am Grab des Lazarus „als Mensch“ (Joh 11,41b.42)48 und erweist damit seinem himmlischen Vater die Ehre, wie sie ein Mensch ihm schuldig ist.49 Wo immer die Hymnen die Motive erwähnen, die das Menschsein Jesu offenbaren, da stellen sie die Heilsbedeutung der Inkarnation heraus. Charakteristisch sind hier etwa die folgenden Wendungen, die jeweils in einem an Christus gerichteten Wort begegnen: δεικνύων πᾶσι, Σωτήρ, ἀνόθευτον τὴν πρὸς ἡμᾶς οἰκονομίαν σου,50 δεικνύων τὴν σάρκωσιν τῆς οἰκονομίας σου καὶ ὅτι φύσει Θεὸς ὑπάρχων φύσει καθ᾽ ἡμᾶς γέγονας ἄνθρωπος,51 πιστούμενος […] τὴν ἐνανθρώπησίν σου,52 ἵνα δείξῃς πᾶσι τοῖς λαοῖς, ὅτι Θεὸς ὢν δι᾽ ἡμᾶς ἄνθρωπος ὤφθης.53 Die menschlichen Züge gelten den Hymnen also als Zeugnisse dessen, was das Bekenntnis der Kirche sagt: Πιστεύομεν […] εἰς ἕνα Κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, τὸν Υἱὸν τοῦ Θεοῦ τὸν μονογενῆ, […] τὸν δι᾽ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα ἐκ τῶν οὐρανῶν καὶ […] ἐνανθρωπήσαντα.54 44 Kanon des Theophanes III 4: Τόπους ἀμειβόμενος ὡς γεγονὼς βροτὸς πέφηνας περιγραπτός, ὁ πληρῶν τὰ πάντα ὡς Θεὸς ἀπερίγραπτος („Indem du die Orte wechseltest [d. h. von Ort zu Ort gingst], erschienst du als sterblich Gewordener begrenzt, du, der als unbegrenzter Gott das All erfüllt“). 45 Kanon des Andreas I 6. III 2. IV 5. VI 2; Kanon des Kosmas I 3; Kanon des Theophanes III 3; Kathismata nach Ode III; Tetraodion des Kosmas VIII 3; Tetraodion des Johannes VIII 2; Stichira des Johannes 1.4. Vgl. auch Stichira des Leon 1. 46 Stichira des Leon 5: νόμῳ φύσεως ἀνθρωπίνης; vgl. Kanon des Andreas IX 2: νόμῳ φύσεως σαρκός („nach dem Gesetz der fleischlichen Natur“). 47 Stichira des Leon 2.5; Kanon des Andreas I 4. II 5. III 5. IV 2.5. VI 2. VII 2. IX 2; Kanon des Kosmas III 2; Anderes Kathisma nach Ode III; Tetraodion des Johannes VI 2. IX 3; Tetraodion des Kosmas VII 2. 48 Kanon des Theophanes IV 3: Ὁ Πατρὶ συναΐδιος […] ὡς ἄνθρωπος προσεύχεται προσευχὰς ὁ πάντων προσδεχόμενος („Der mit dem Vater gleichewig ist […], der betet als Mensch – er, der die Gebete aller empfängt“). S. auch ebd. 2: Jesus betet, obwohl er aufgrund seiner Gottheit „nicht eines Beistands bedarf“ (οὐ συμμάχου δεόμενος). 49 Kanon des Kosmas V 2; Tetraodion des Johannes IX 2. Zu Jesu Gebet als Ausdruck seiner wahren Menschheit s. ferner: Anderes Kathisma nach Ode III; Tetraodion des Johannes VIII 4. 50 Kanon des Andreas I 6 („allen, Heiland, deine uns geltende wahre Heilsordnung vor Augen stellend“). Vgl. Kanon des Theophanes IV 2: οἰκονομίαν τελῶν ἀπόῤῥητον („die unsagbare [oder: geheimnisvolle] Heilsordnung vollendend“). 51 Kanon des Andreas I 4 („die deiner Heilsordnung entsprechende Inkarnation vor Augen stellend – nämlich: daß du, obwohl du von Natur Gott bist, von Natur uns entsprechend [d. h. unserer Natur entsprechend] ein Mensch wurdest“). 52 Kanon des Andreas IV 5 („deine Menschwerdung gültig bezeugend“ [zur Übersetzung des Verbums πιστοῦσθαι s. u. Anm. 81]). 53 Kanon des Andreas VII 2 („auf daß du allen Völkern vor Augen stelltest, daß du, obwohl du Gott bist, um unsertwillen als Mensch erschienen bist“). 54 Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum.
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Man wird bezweifeln dürfen, daß in der Erzählung Joh 11,1–44 bereits die beiden „Naturen“ Jesu und das Verhältnis zwischen ihnen in der differenzierenden Weise im Blick sind, wie die Hymnen es darstellen. Gleichwohl bringen die Hymnen zutreffend zur Sprache, daß in der Auferweckung des Lazarus der handelt, den der Prolog des Johannesevangeliums als den präexistenten göttlichen Logos beschreibt (Joh 1,1–9) und von dem er sagt (1,14): καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν, καὶ ἐθεασάμεθα τὴν δόξαν αὐτοῦ, δόξαν ὡς μονογενοῦς παρὰ πατρός, πλήρης χάριτος καὶ ἀληθείας. Daß in der Auferweckung des Lazarus die göttliche δόξα offenbar wird, die dem menschgewordenen und in den Tod am Kreuz gehenden Gottessohn eignet, wird in Joh 11 ausdrücklich gesagt.55 In den beiden – oben besonders hervorgehobenen – Prädikationen „Schöpfer“ und „Spender des Lebens“ sind deshalb zentrale Aussagen des Johannesevangeliums durchaus angemessen aufgenommen. Daß der Mensch Jesus von Nazareth der „Schöpfer“ ist, ergibt sich aus Joh 1,3, wo es von dem, der dann σάρξ wird, heißt: πάντα δι᾽ αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ χωρὶς αὐτοῦ ἐγένετο οὐδὲ ἓν ὃ γέγονεν. Und die Bezeichnung Jesu als „Spender des Lebens“ hat ihr Fundament vor allem in dem solennen ἐγώ εἰμι-Wort Joh 11,25b.c.26, das im Zentrum der Erzählung 11,1–44 steht.56
IV Unsere bisherigen Überlegungen galten den erzählerischen und zugleich theologisch relevanten Motiven des Evangelienberichtes von der Auferweckung des Lazarus. Nunmehr ist die entscheidende theologische Aussage in den Blick zu fassen, um die es in dem Text Joh 11,1–44 geht. Wie bereits bemerkt wurde, handelt die Erzählung von der Auferweckung des Lazarus keineswegs nur von Lazarus selbst, sondern in ihr ist von einem jeden Menschen die Rede, zu dessen Rettung der Sohn Gottes den Tod erlitten hat. Was diesem Menschen widerfährt, wenn er zum Glauben an Christus als seinen Erlöser kommt, das wird in Joh 11,1–44 narrativ zum Ausdruck gebracht. Die Auferweckung des Lazarus will also nicht nur als eine Auferweckung aus dem physischen Tod verstanden sein. Sie steht vielmehr zugleich für die Auferweckung aus dem geistlichen Tod, dem jeder Mensch aufgrund seiner Sünde verfallen ist, und für das Zum-Glauben-Kommen, mit dem der Mensch das ewige Leben empfängt. Die Erzählung Joh 11,1–44 schildert mithin das Wunder der Befreiung aus dem Sündentod. Die Lazarus-Hymnen bringen diesen Gedanken eindrucksvoll zur Sprache. Hier ist zunächst auf die sechste Ode des Kanon des Andreas von Kreta hinzuweisen. In den Strophen 1–7 redet der vom Tode auferweckte Lazarus selbst 55 S.
die Verse 11,4 und 11,40. S. außerdem: Joh 3,14–16.36; 4,14; 5,24.40; 6,35.47–51.54.63.68; 10,10b.28; 17,2; 20,31.
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zu seinem Erlöser.57 Lazarus bekennt: ἤγειράς με νεκρὸν τῷ προστάγματί σου58 („du hast mich Toten auferweckt durch deinen Befehl“), und dem entspricht die Aussage: ἔσωσάς με, Σωτήρ, δουλείας θανάτου καὶ ἔλυσας τὸν δεσμὸν τῶν ἀνομιῶν μου59 („du hast mich, Heiland, errettet von der Knechtschaft des Todes und gelöst die Fessel meiner Sünden“). Die gottesdienstliche Gemeinde, die in die sechste Ode einstimmt, weiß sich mit Lazarus identisch und bekennt ihre eigene Befreiung von den Banden der Sünde.60 In diesem Sinn ist auch das – ebenfalls in der „Ich“-Rede gehaltene – Troparion des Johannes gemeint: Ἐνήργησας ἀφράστως, Δέσποτα Σωτήρ μου, καθ᾽ ἑκατέρων τῶν δύο σου φύσεων αὐτεξουσίῳ θελήσει τὴν σωτηρίαν μου.61 „Du hast auf unsagbare Weise, Herr, mein Heiland, kraft jeder deiner beiden Naturen in selbstmächtigem Willen meine Errettung bewirkt.“
Die zitierten „Ich“-Reden sind Äußerungen des durch Jesu schöpferisches Wort gewirkten Glaubens. Daß der vom Tode auferweckte Lazarus zum Glauben an seinen Retter kommt, ist vorausgesetzt, wenn es in den Hymnen heißt, daß er anbetend vor Christus niederfällt (προσκυνεῖν62), ihn preist (δοξάζειν, μεγαλύνειν, ὑμνολογεῖν63) und bekennt: Σὺ Θεὸς καὶ Κτίστης μου· σὲ προσκυνῶ καὶ ὑμνῶ τὸν ἀναστήσαντά με.64 „Du bist mein Gott und Schöpfer. Dich bete ich an, und ich preise dich, der mich auferweckt hat.“
Lazarus repräsentiert dabei zugleich diejenigen, die in diesen seinen Lobpreis einstimmen: die Jünger Jesu bzw. die zum Glauben kommenden Zeugen des Geschehens65 – und ebenso die Gemeinde, in deren Gottesdienst die Hymnen erklingen66. Wie einst die Kinder beim Einzug in Jerusalem,67 so huldigt jetzt die Gemeinde dem, der sie vom Sündentod erlöst hat.68 57 Daß es sich um Worte des Lazarus handelt, ergibt sich aus der dritten Strophe, wenn es dort heißt: βοᾷ Λάζαρος πρὸς σὲ τὸν λύτην τοῦ Ἅιδου („ruft Lazarus zu dir, dem Vernichter des Hades“). 58 Kanon des Andreas VI 2–6. 59 Kanon des Andreas VI 1. 60 S. dazu auch die Worte πᾶσι παρέχων θείαν ἄφεσιν („allen die göttliche Vergebung gewährend“) im Kontakion (zitiert in Anm. 85) und im Ikos (zitiert in Anm. 78). 61 Tetraodion des Johannes IX 5. 62 Kanon des Andreas IV 4; Kathisma nach Ode III. 63 Kanon des Andreas II 3; Dienstag (Orthros), Triodion des Theodoros IX 3; Freitag (Orthros), Triodion des Theodoros VIII 3. 64 Kanon des Andreas VII 3. Vgl. ferner: Stichira des Leon 4.5; Tetraodion des Kosmas VII 2.3; Tetraodion des Johannes VII 3. 65 Stichira des Leon 2; Tetraodion des Kosmas IX 2; Exapostilarion; Mittwoch (Hesperinos), Stichiron des Theodoros. 66 Tetraodion des Kosmas IX 3; Anderes Exapostilarion; Donnerstag (Orthros), Erstes Kathisma nach der dritten Stichologie; Donnerstag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros. 67 Exemplarisch: Palmsonntag (Orthros), Erstes Kathisma nach der zweiten Stichologie. 68 Exemplarisch: Palmsonntag (Orthros), Kathismata nach der ersten Stichologie.
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Daß die durch Christus geschenkte Befreiung aus dem Sündentod von den Glaubenden immer neu in Anspruch genommen wird, bringen nicht wenige Hymnen zum Ausdruck.69 Exemplarisch seien die drei folgenden Troparia zitiert: Λάζαρον ἐξήγειρας τῷ θεϊκῷ, Χριστέ, ῥήματι· κἀμὲ πολλοῖς πταίσμασι θανέντα ἐξανάστησον, δέομαι.70 „Du hast Lazarus auferweckt, Christus, durch das göttliche Wort. Erwecke – ich bitte dich – auch mich auf, den an vielen Sünden Gestorbenen.“ Ὁ νεκρὸν ὀδωδότα Λάζαρον ἐγείρας, Χριστέ, τετραήμερον, ἐξανάστησόν με νεκρωθέντα νῦν ἁμαρτήμασι καὶ τεθέντα λάκκῳ καὶ σκοτεινῇ σκιᾷ θανάτου· ἀλλὰ ῥῦσαι καὶ σῶσον ὡς εὔσπλαγχνος.71 „Der du den toten und schon verwesenden Lazarus auferweckt hast, Christus, – ihn, der bereits vier Tage im Grabe lag: Erwecke mich auf, der jetzt in Sünden gestorben und der Grube und dem finsteren Schatten des Todes übergeben ist. Ja, erlöse und errette mich als der, der barmherzig ist.“ Τὸν νεκρὸν ὀδωδότα, δεδεμένον κειρίαις, Δέσποτα, ἤγειρας· καμὲ πεπεδημένον σειραῖς ἁμαρτημάτων διανάστησον ψάλλοντα· Ὁ τῶν Πατέρων ἡμῶν Θεός, εὐλογητὸς εἶ.72 „Den schon verwesenden Toten, der von Grabtüchern umwunden war, hast du, Herr, auferweckt. Auch mich, der umgarnt ist von den Stricken der Sünden, richte auf, der [dann] singt: Gott unserer Väter, gepriesen bist du!“
V Zuletzt sind noch zwei weitere theologische Aussagen der Hymnen zu bedenken, die in der Sache aufs engste miteinander verbunden sind. 1. Die Hymnen setzen die Auferweckung des Lazarus betont zu der Auferstehung Jesu in Beziehung, wobei diese in ihrem unlöslichen Zusammenhang mit dem Tod Jesu am Kreuz gesehen ist.73 In der Auferweckung des Lazarus – so 69 S. außer den im Folgenden zitierten Texten: Kanon des Kosmas V 3; Tetraodion des Johannes VI 4; Stichira des Johannes 8; Montag (Orthros), Erstes Kathisma nach der zweiten Stichologie; Montag (Orthros), Triodion des Joseph IX 2; Dienstag (Hesperinos), Stichira des Joseph 1; Mittwoch (Orthros), Erstes Kathisma nach der zweiten Stichologie; Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph III 3. VIII 2. IX 3; Mittwoch (Hesperinos), Stichira des Joseph 2; Donnerstag (Orthros), Erstes Kathisma nach der zweiten Stichologie; Donnerstag (Orthros), Triodion des Joseph IV 3.4. IX 4. – Wenn in den Hymnen von den πάθη die Rede ist, dann sind die „Sündenleidenschaften“ gemeint. 70 Kanon des Theophanes III 5. 71 Kanon des Theophanes V 4. 72 Tetraodion des Johannes VII 4. 73 Es entspricht diesem Tatbestand, daß im Orthros des Lazarussamstags das sonntägliche und österliche Auferstehungstroparion Ἀνάστασιν Χριστοῦ θεασάμενοι gelesen wird. Der Text sei hier (nach: Ἀνθολόγιον τῶν ἱερῶν ἀκολουθιῶν. Τόμος Α’ [s. Anm. 10], 117) zitiert und übersetzt: Ἀνάστασιν Χριστοῦ θεασάμενοι, προσκυνήσωμεν ἅγιον Κύριον Ἰησοῦν, τὸν
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das Zeugnis der Hymnen – erweist sich Jesus als der, der den θάνατος bzw. den Ἅιδης74 bezwingt und seiner Herrschaft ein Ende setzt.75 Die Dichter können gelegentlich so reden, als sei der Sieg über den Tod bereits in der Auferweckung des Lazarus errungen worden.76 Solche Formulierungen wollen jedoch im Kontext der Lazarus-Hymnen insgesamt verstanden sein, für die – dem neutestamentlichen Zeugnis entsprechend – die Erkenntnis grundlegend ist, daß die Überwindung des Todes in Jesu Tod und Auferstehung geschehen ist.
μόνον ἀναμάρτητον. Τὸν Σταυρόν σου, Χριστέ, προσκυνοῦμεν, καὶ τὴν ἁγίαν σου Ἀνάστασιν ὑμνοῦμεν καὶ δοξάζομεν· σὺ γὰρ εἶ Θεὸς ἡμῶν, ἐκτός σου ἄλλον οὐκ οἴδαμεν, τὸ ὄνομά σου ὀνομάζομεν. Δεῦτε πάντες οἱ πιστοί, προσκυνήσωμεν τὴν τοῦ Χριστοῦ ἁγίαν Ἀνάστασιν· ἰδοὺ γὰρ ἦλθε διὰ τοῦ Σταυροῦ χαρὰ ἐν ὅλῳ τῷ κόσμῳ. Διαπαντὸς εὐλογοῦντες τὸν Κύριον ὑμνοῦμεν τὴν Ἀνάστασιν αὐτοῦ. Σταυρὸν γὰρ ὑπομείνας δι᾽ ἡμᾶς θανάτῳ θάνατον ὤλεσεν. „Da wir die Auferstehung Christi geschaut haben, laßt uns anbeten den heiligen Herrn Jesus, der allein ohne Sünde ist. Vor deinem Kreuz, o Christus, fallen wir nieder, und wir besingen und verherrlichen deine heilige Auferstehung; denn du bist unser Gott, außer dir kennen wir keinen anderen, deinen Namen rufen wir an. Kommt, alle ihr Gläubigen, laßt uns die heilige Auferstehung Christi anbeten; denn siehe: durch das Kreuz ist Freude in die ganze Welt gekommen. Allezeit loben wir den Herrn und besingen wir seine Auferstehung. Denn er hat um unsertwillen das Kreuz erduldet und durch den (= seinen) Tod den Tod vernichtet.“ 74 Das Wort Ἅιδης wird in den Hymnen vielfach personifiziert verwendet und stellt deshalb im Grunde ein Synonym zu θάνατος dar. Das gilt auch dann, wenn – wie bereits in 1 Kor 15,55 v. l.; bei Meliton von Sardes, Passa-Homilie 102, und in den in Anm. 3 erwähnten Hymnen des Romanos Melodos (Kontakion 26,8–15; 27,1.9) – θάνατος und ᾅδης als personifizierte Größen nebeneinander erscheinen (zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund s. Hi 38,17 LXX; Jes 22,15 LXX; Apk 1,18; 6,8; 20,13 f.). Die Unterscheidung ist in diesem Fall lediglich eine poetische. Zur Identität des personifizierten ᾅδης mit dem θάνατος vgl. auch die Belege aus den Schriften der Kirchenväter bei G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961 = ⁵1978, 32a s. v. ᾅδης D. 75 S. etwa Stichira des Leon 2.3; Kanon des Andreas I 7. II 8. III 6. IV 6. VI 3. IX 6; Kanon des Theophanes I 3. IV 4; Kanon des Kosmas III 4. IV 4. V 3; Tetraodion des Johannes VII 3; Exapostilarion; Anderes Exapostilarion; Stichira des Johannes 2; Montag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros; Dienstag (Orthros), Triodion des Theodoros IX 3; Dienstag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros; Mittwoch (Hesperinos), Stichira des Joseph 1; Donnerstag (Orthros), Erstes Kathisma nach der dritten Stichologie; Donnerstag (Orthros), Triodion des Joseph VIII 3; Donnerstag (Orthros), Triodion des Theodoros IV 3. VIII 3. IX 3; Donnerstag (Hesperinos), Stichira des Joseph 2; Donnerstag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros; Freitag (Orthros), Erstes Kathisma nach der dritten Stichologie. 76 Als Beispiel kann der erste Satz des Ikos dienen, der im Orthros des Palmsonntags rezitiert wird: Ἐπειδὴ Ἅιδην ἔδησας, ἀθάνατε, καὶ θάνατον ἐνέκρωσας καὶ κόσμον ἀνέστησας, βαΐοις τὰ νήπια ἀνευφήμουν σέ, Χριστέ, ὡς νικητὴν κραυγάζοντά σοι σήμερον· Ὡσαννὰ τῷ Υἱῷ Δαυΐδ („Da du, Unsterblicher, den Hades gefesselt und den Tod getötet und die Menschheit auferweckt hast, haben die Unmündigen mit Zweigen dich, Christus, unermüdlich als Sieger gepriesen, und sie rufen dir heute laut zu: Hosianna dem Sohne Davids!“ [zu κόσμος in der Bedeutung „Menschenwelt“ / „Menschheit“ vgl. Bauer / Aland, Wörterbuch⁶, 907 s. v. 6]). S. ferner etwa: Stichira des Leon 3; Kanon des Andreas I 7. IV 6; Kanon des Theophanes I 3. IV 4; Kanon des Kosmas V 3; Donnerstag (Orthros), Triodion des Joseph VIII 3; Donnerstag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros („der Tod ist tot [θάνατος τέθνηκε], nachdem er schon vorher gemerkt hat, das Lazarus die Toten verläßt“).
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Der „Sieger über den Tod“ bzw. der „Vernichter des Hades“77 ist Jesus also als der gekreuzigte und auferstandene Herr. Was er als der Gekreuzigte und Auferstandene ist, das bestimmt ihn aber in seiner ganzen Existenz, und daraus folgt, daß er die Auferweckung des Lazarus eben als der wirkt, der zur Überwindung des Todes am Kreuz sterben und am dritten Tage von den Toten auferstehen wird. Das Wunder, das Lazarus widerfährt, kann deshalb zum einen als die „Präfiguration“ des Kreuzesgeschehens78 und als Hinweis auf die Bedeutung der Passion und des Kreuzestodes Jesu79 bezeichnet werden; und zum andern wird von diesem Wunder gesagt, daß Jesus mit ihm seine Auferstehung und den in ihr errungenen Sieg „im voraus gültig bezeugt“.80 Der Gedanke, daß Jesus durch das Lazarus-Wunder im voraus seine Auferstehung „gültig bezeugt“81, spielt in den 77 Festtroparion des Lazarussamstags: ὁ νικητὴς τοῦ θανάτου („der Sieger über den Tod“); Kanon des Andreas VI 3: ὁ λύτης τοῦ Ἅιδου („der Vernichter des Hades“); Donnerstag (Orthros), Triodion des Theodoros VIII 6: νικητὴς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ Ἅιδου („der Sieger über den Tod und den Hades“). 78 Ikos: ἄγωμεν οὖν πορευθώμεν […] καὶ τὸν τάφον Λαζάρου ὀψώμεθα· ἐκεῖ γὰρ μέλλω θαυματουργεῖν, ἐκτελῶν τοῦ Σταυροῦ τὰ προοίμια καὶ πᾶσι παρέχων θείαν ἄφεσιν („Laßt uns nun hingehen […] und das Grab des Lazarus schauen; denn dort will ich ein Wunder vollbringen, um die Präfiguration des Kreuzes[geschehens] ins Werk zu setzen und allen die göttliche Vergebung zu gewähren“). Zu dem als Wort Jesu formulierten Text ist sprachlich zweierlei anzumerken: 1. Das präsentische Partizipium conjunctum wird bereits im Neuen Testament als einem Finalsatz gleichwertig verwendet; s. F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen ¹⁷1990, § 418,4. Dieser Gebrauch des Partizipiums liegt m. E. in unserem Troparion vor – und ebenso auch in den Troparia, die in Anm. 82, in Anm. 84 und bei Anm. 90 zitiert werden. 2. Für das semantisch vieldeutige Wort προοίμιον empfiehlt sich bei der Übersetzung unseres Troparions die Wiedergabe mit dem Fremdwort „Präfiguration“ (vgl. dazu auch Stichira des Leon 3, zitiert bei Anm. 94). Der Ikos kennzeichnet die Auferweckung des Lazarus also als einen vorweg gegebenen Hinweis auf das, was am Kreuz geschehen und durch Christi Kreuzestod gewirkt werden wird. 79 Kanon des Andreas IV 6: Τοῦ Πάθους τὰ σύμβολα καὶ τοῦ Σταυροῦ σου γνωρίσαι βουληθείς, Ἀγαθέ, τοῦ Ἅιδου τὴν ἄπληστον γαστέρα ῥήξας ἀνέστησας ὡς Θεὸς τὸν τετραήμερον („Weil du die Kennzeichen deines Leidens und deines Kreuzes[todes] offenbaren wolltest, o Guter, hast du den unersättlichen Magen des Hades zerschmettert und als Gott den schon vier Tage Toten auferweckt“). Der Ausdruck τὰ σύμβολα bezeichnet hier eine Größe, an der etwas zuverlässig erkannt werden kann (vgl. zu dieser Bedeutung: Stichira des Johannes 4; Donnerstag (Orthros), Triodion des Joseph IV 5). Gemeint ist also: An der Auferweckung des Lazarus zeigt sich zuverlässig, was in Jesu Passion und Kreuzestod geschehen wird und das Exapostilarion in die Worte faßt: εἰς τέλος ὀλέσεις τὸν Ἅιδην θανάτῳ σου („für immer wirst du den Hades vernichten durch deinen Tod“). Zu vergleichen sind ferner auch die Aussagen über das Kreuz bzw. die Kreuzigung Jesu in: Kanon des Andreas I 7; Dienstag (Hesperinos), Stichira des Joseph 1; Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph VIII 4; Donnerstag (Hesperinos), Stichira des Joseph 2; Palmsonntag (Orthros), Kanon des Kosmas I 2. 80 Dienstag (Hesperinos), Stichiron des Theodoros: Προπιστοῦσαι ἐν τῷ φίλῳ σου τὰ τῆς Ἀναστάσεώς σου τῆς φρικτῆς, τοῦ Ἅιδου τὴν νέκρωσιν καὶ Ἀδὰμ τὴν ζωήν („Du hast an deinem Freund im voraus gültig bezeugt, was in deiner furchterregenden Auferstehung geschehen ist: des Hades Tod und Adams [Auferweckung zum] Leben“). Zu dem Verbum προπιστοῦσθαι s. die nächste Anmerkung. 81 „Gültig bezeugen“ oder „unter Beweis stellen“ ist m. E. der Sinn des in den Hymnen begegnenden bzw. in dem Kompositum προπιστοῦσθαι enthaltenen Verbums πιστοῦσθαι; s. dazu
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Hymnen eine hervorgehobene Rolle.82 Lazarus ist der παναληθέστατος μάρτυς („der allerwahrste Zeuge“) der Auferstehung Jesu,83 weil Jesus an ihm eben jene Macht über den Tod unter Beweis stellt, die in seiner eigenen Auferstehung offenbar wird.84 Indem er Lazarus auferweckt, zeigt er an, daß er in Person die ζωὴ αἰώνιος und deshalb „das Leben aller“ ist.85 Von daher ergibt sich dann eine wichtige Konsequenz für das Verständnis der Auferweckung des Lazarus. Sie bedeutet nach dem Zeugnis der Hymnen entschieden mehr, als daß der Tote in das irdische Leben zurückgerufen wird, und sie gilt ihnen auch keineswegs nur als die bloße Verheißung und Verbürgung einer künftigen Auferweckung zum ewigen Leben. Mit seiner Auferweckung empfängt Lazarus vielmehr bereits die ζωὴ αἰώνιος. Jesus handelt an ihm ὡς ζωὴν χρηματίζων ἀθάνατος86 („als der das Leben offenbarende Unsterbliche“) – und das heißt: Er gewährt ihm eben jene Gabe, die in gleicher Weise den durch Lazarus repräsentierten Glaubenden zuteil wird: die Unsterblichkeit.87 Auch wenn der Begriff der ἀθανασία im Vierten Evangelium nicht erscheint, so bringen die Lazarus-Hymnen mit ihm doch sehr wohl zur Sprache, was an zentralen Stellen des Evangeliums über die den auch die Zitate in Anm. 32 (Tetraodion des Johannes VI 2) und in Anm. 52 (Kanon des Andreas IV 5). 82 S. vor allem: Kanon des Andreas IX 3 (zitiert in Anm. 84); ferner: Stichira des Leon 4; Kanon des Kosmas I 4. IV 2; Tetraodion des Kosmas IX 3. Vgl. auch Palmsonntag (Großer Hesperinos), Stichira zu den Luzernariumspsalmen 4: Τὴν σεπτὴν Ἀνάστασιν τὴν σὴν προτυπούμενος ἡμῖν ἤγειρας […] τὸν ἄπνουν Λάζαρον („Um uns deine ehrwürdige Auferstehung im voraus zu offenbaren [s. o. Anm. 78], hast du den toten Lazarus auferweckt“). 83 Tetraodion des Johannes IX 3. 84 S. dazu Kanon des Andreas IX 3: Πιστούμενος, Λόγε, τὴν Ἀνάστασιν τὴν σήν, ἐκάλεσας τὸν Λάζαρον ἐκ τάφου καὶ ἤγειρας ὡς Θεός, ἵνα δείξῃς τοῖς λαοῖς Θεόν σε καὶ ἄνθρωπον ὁμοῦ ἐν ἀληθείᾳ ὄντα καὶ ἐγείραντα Ναὸν τὸν τοῦ σώματός σου („Um deine Auferstehung, o Wort, gültig zu bezeugen [s. o. Anm. 78], hast du Lazarus aus dem Grab gerufen und als Gott ihn auferweckt, damit du den Völkern zeigtest, daß du in Wahrheit zugleich Gott und Mensch bist und so auch den Tempel deines Leibes auferweckt hast“). Das Troparion verweist keineswegs zufällig auf den höchst gewichtigen Text Joh 2,19.21, dem die nicht weniger gewichtige Aussage von Joh 10,17 f. an die Seite zu stellen ist. 85 Mittwoch (Orthros), Triodion des Theodoros VIII 2: […] τοῦ δεῖξαι τοῖς λαοῖς, ὅτι ἐστὶν αὐτὸς ἡ ζωὴ τῶν ἁπάντων („um den Völkern zu zeigen, daß er das Leben aller ist“). Zu der hier vorliegenden Bezugnahme auf Joh 11,25b s. auch die in Anm. 43 angeführten Texte sowie das Kontakion des Lazarussamstags: Ἡ πάντων χαρά, Χριστός, ἡ ἀλήθεια, τὸ φῶς, ἡ ζωή, τοῦ κόσμου ἡ ἀνάστασις, τοῖς ἐν γῇ πεφανέρωται τῇ αὐτοῦ ἀγαθότητι· καὶ γέγονε τύπος τῆς ἀναστάσεως, τοῖς πᾶσι παρέχων θείαν ἄφεσιν („Christus, die Freude aller, die Wahrheit, das Licht, das Leben, die Auferstehung der Menschheit, ist denen, die auf Erden sind, in seiner Güte erschienen; und er wurde zum Urbild der Auferstehung, da er allen die göttliche Vergebung gewährt“). Zu dem Gedanken, daß Christus τύπος τῆς ἀναστάσεως ist, vgl. ActPaul: 3 Kor 6. 86 Kanon des Theophanes V 2. Der Akkusativ ζωήν ist selbstverständlich nicht mit ἀθάνατος zu verbinden (so falsch die in Anm. 5 erwähnten Übersetzungen), sondern der Satz besagt: Jesus, der selbst unsterblich ist, „offenbart“ in der Auferweckung des Lazarus das ewige Leben. 87 Mittwoch (Orthros), Triodion des Joseph VIII 4 (zitiert bei Anm. 17); Freitag (Orthros), Triodion des Joseph IX 3 (zitiert bei Anm. 17); Palmsonntag (Großer Hesperinos), Anderes Apolitikion: […] τῆς ἀθανάτου ζωῆς ἠξιώθημεν τῇ Ἀναστάσει σου („wir wurden durch deine Auferstehung des unsterblichen Lebens gewürdigt“).
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Glaubenden mit ihrer Auferweckung aus dem geistlichen Tod bereits geschenkte ζωὴ αἰώνιος gesagt wird.88 2. Damit stehen wir bereits bei der Beziehung zwischen der Auferweckung des Lazarus und der eschatologischen Auferstehung der Toten. Von dieser Beziehung spricht das Festtroparion des Lazarussamstags, das mit den Worten beginnt: Τὴν κοινὴν Ἀνάστασιν πρὸ τοῦ σοῦ Πάθους πιστούμενος, ἐκ νεκρῶν ἤγειρας τὸν Λάζαρον, Χριστὲ ὁ Θεός.89 „Um die allgemeine Auferstehung vor deinem Leiden gültig zu bezeugen90, hast du Lazarus von den Toten auferweckt, Christus, Gott.“
Wird in diesem Satz gesagt, daß Christus mit der Auferweckung des Lazarus die allgemeine Totenauferstehung „gültig bezeugt“ habe,91 so heißt es in anderen Texten, daß er sie hier „im voraus angekündigt / kundgegeben“92 oder „im voraus angezeigt“93 hat. Fragen wir, wie das gemeint ist, so gibt uns das im Großen Hesperinos des Palmsonntags gesungene sechste Stichiron zur Liti einen wichtigen Fingerzeig. Nach diesem Stichiron besteht die „Vorherverkündigung“ der Totenauferstehung darin, daß sich an Lazarus das Wort Jesu erfüllt: ὁ πιστεύων εἰς ἐμὲ κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται (Joh 11,25c). Lazarus ist also insofern τῆς παλιγγενεσίας προοίμιον σωτήριον („die heilsame Präfiguration der Wiedergeburt [d. h. der den Menschen neumachenden Auferstehung]“) geworden,94 als an ihm sichtbar wird, daß dem durch Jesus aus dem Sündentod auferweckten und an ihn glaubenden Menschen die zukünftige Auferstehung bereits gültig zugeeignet ist und daß sie auch durch den Tod nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Wir können somit zusammenfassend formulieren: Die Auferweckung des Lazarus ist nach 88 S.
dazu neben Joh 11,25 f. vor allem Joh 3,14–16.36a; 5,24; 6,40.47.54; 10,10.28; 20,21. Kathisma nach der ersten Stichologie: ἀνέστησας φωνήσας τὸν νεκρόν, τὴν τοῦ κόσμου, ζωοδότα, δι᾽ αὐτοῦ πιστούμενος Ἀνάστασιν („Du hast, indem du ihn riefst, den Toten auferweckt und so, Lebensspender, durch ihn die Auferstehung der Menschheit gültig bezeugt“). 90 Zum finalen Gebrauch des präsentischen Partizipium conjunctum s. o. Anm. 78. 91 Zu πιστοῦσθαι s. Anm. 81. 92 Kanon des Theophanes V 2: τῶν βροτῶν ἁπάντων οἷα Θεὸς τὴν ἐσομένην προθεσπίζων προδήλως Ἀνάστασιν („als Gott im voraus die zukünftige Auferstehung aller Sterblichen offen ankündigend“); Stichira des Johannes 2: τὴν πάντων ἀνθρώπων προμηνύων ἐκ φθορᾶς ἐλευθερίαν („die Befreiung aller Menschen von der Vergänglichkeit im voraus kundgebend“); Freitag (Orthros), Triodion des Joseph VIII 2: τὴν ἔγερσιν πάντων προμηνύων („die Auferweckung aller im voraus kundgebend“); Palmsonntag (Großer Hesperinos), Stichira zur Liti 6: προκηρύξαι τὴν Ἀνάστασιν („die Auferstehung im voraus kundzutun“). 93 Palmsonntag (Orthros), Stichira zu den Äni 4: Τὴν κοινὴν Ἀνάστασιν πρὸ τοῦ ἑκουσίου Πάθους σου εἰς πίστωσιν πάντων προενδειξάμενος, Χριστὲ ὁ Θεός, τὸν […] Λάζαρον […] ἀνέστησας („Indem du die allgemeine Auferstehung vor deinem freiwilligen Leiden zur Beglaubigung für alle im voraus anzeigtest, Christus, Gott, hast du Lazarus auferweckt“). 94 Stichira des Leon 3. Zu παλιγγενεσία als Bezeichnung für die eschatologische Auferstehung der Toten s. Lampe, A Patristic Greek Lexicon (s. Anm. 74), 998b s. v. παλιγγενεσία III.A.2. Für προοίμιον gilt das in Anm. 78 Gesagte. 89 Vgl.
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dem Zeugnis der Hymnen ein Vorschein des Ostersieges Christi, in dem die Auferstehung der an Christus Glaubenden definitiv entschieden und begründet ist – und zwar als eine Wirklichkeit, die sie schon jetzt in ihrem Sein zeichnet und bestimmt.
Terminologischer Anhang Äni: Die Αἶνοι (Ainoi)95 sind die zum Morgengottesdienst (Orthros) gehörenden Laudes-Psalmen Ps 148–150. An Sonn- und Festtagen werden an verschiedenen Stellen Stichira (→ Stichiron) zu den Psalmversen hinzugefügt. Apolitikion: Ἀπολυτίκιον (Apolytikion) heißt das einem bestimmten Werktag, Sonntag oder Festtag zugeordnete → Troparion, weil es unter anderem am Ende des Abendgottesdienstes (Hesperinos) vor der Entlassung (ἀπόλυσις) gesungen wird. In der Göttlichen Liturgie gehört dieses Troparion zu den Hymnen, die auf den Kleinen Einzug folgen. Exapostilarion: Als Ἐξαποστειλάριον (Exaposteilarion) wird ein → Troparion bezeichnet, das im Morgengottesdienst (Orthros) auf den → Kanon folgt und den → Äni unmittelbar voraufgeht. Ikos: Der Οἶκος (Oikos) ist ein → Troparion, das ebenso wie das → Kontakion ursprünglich Bestandteil einer umfangreichen frühbyzantinischen Kirchendichtung war, die im Gottesdienst gesungen, später jedoch durch den jüngeren → Kanon verdrängt wurde. Der Ikos folgt im Morgengottesdienst (Orthros) zusammen mit dem ihm voraufgehenden Kontakion auf die sechste → Ode des Kanons. Irmos: Εἱρμός (Heirmos) heißt ein als Leitstrophe dienendes → Troparion, das hinsichtlich der Silbenzahl, der Betonung und der Melodie das Modell für die auf es folgenden Troparia liefert. Im → Kanon ist der Irmos jeweils das erste Troparion einer jeden → Ode. An Sonn- und Festtagen wird der Irmos häufig am Ende einer Ode wiederholt. Kanon: Der Κανών ist die letzte Hochform der byzantinischen Kirchendichtung und bildet insbesondere ein wesentliches Element des Morgengottesdienstes (Orthros). Ein voll entwickelter Kanon besteht aus neun bzw. – da die zweite → Ode ausschließlich an bestimmten Tagen der Großen Fastenzeit gesungen wird – aus acht Oden. In der Großen Fastenzeit weist der Kanon vielfach eine auf drei und gelegentlich auch eine auf vier Oden reduzierte Gestalt auf. Ein nur drei Oden umfassender Kanon heißt → Triodion, ein nur vier Oden umfassender Kanon → Tetraodion.
95 Den griechischen Begriffen wird, wo es angezeigt ist, in Klammern die erasmische Aussprache beigefügt.
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Kathisma: Hinsichtlich des Begriffs Κάθισμα ist zwischen dem Psalmen- Kathisma und dem poetischen Kathisma zu unterscheiden. Als Psalmen- Kathisma wird jeweils eine der zwanzig Psalmengruppen bezeichnet, in die der alttestamentliche Psalter für die fortlaufende Lesung im Gottesdienst unterteilt ist (vgl. → Stichologie). In der Regel sind für den Morgengottesdienst (Orthros) zwei oder drei Kathismata und für den Abendgottesdienst (Hesperinos) ein Kathisma vorgesehen. Bei den poetischen Kathismata handelt es sich um Troparia (→ Troparion), bei deren Gesang man sitzen darf. Im Morgengottesdienst gibt es poetische Kathismata, die auf die Lesung eines Psalmen-Kathisma folgen, wie auch solche, die sich an die dritte → Ode des → Kanons anschließen. Kontakion: Als Κοντάκιον wird in der heutigen orthodoxen Hymnographie ein → Troparion bezeichnet, das ebenso wie der → Ikos ursprünglich Bestandteil einer umfangreichen frühbyzantinischen Kirchendichtung war. Diese wurde im Gottesdienst gesungen, später jedoch durch den jüngeren → Kanon verdrängt. Das Kontakion folgt im Morgengottesdienst (Orthros) auf die sechste → Ode des Kanons. In der Göttlichen Liturgie gehört es zu den Hymnen, die im Anschluß an den Kleinen Einzug gesungen werden. – Ursprünglich wurde die erwähnte frühbyzantinische Kirchendichtung als ganze Κοντάκιον genannt, und deren einzelne Strophen trugen jeweils den Namen „Ikos“ (Οἶκος). Als Beispiele s. die in Anm. 3 erwähnten beiden Kontakia des Romanos Melodos, die der Auferweckung des Lazarus gewidmet sind. Liti: Die Λιτή (Litē) ist ein Gebetsdienst, der an hohen Festtagen unmittelbar mit dem Abendgottesdienst (Hesperinos) verbunden ist und zu dem eine im Kirchenraum vollzogene Prozession der Liturgen gehört. Während der Prozession werden Troparia (→ Troparion) gesungen. Luzernariumspsalmen: Als Luzernariums- oder Lichterpsalmen gelten vier miteinander verbundene Psalmen, die zu den ältesten Elementen des Abendgottesdienstes (Hesperinos) gehören: Ps 140, Ps 141, Ps 129 und Ps 116 (Septuaginta-Zählung; Hebräische Bibel: Ps 141, Ps 142, Ps 130 und Ps 117). Zum Gesang dieser Psalmen, zu denen Stichira (→ Stichiron) hinzugefügt werden, werden im Kirchenraum alle Lichter angezündet. Ode: Die poetische ᾨδή ist ein zu einem → Kanon gehörender Hymnus. Eine Ode besteht aus drei bis acht metrisch-musikalisch gleichgestalteten Troparia (→ Troparion), wobei das erste Troparion den → Irmos, d. h. die Leitstrophe bildet. Stichiron: Στιχηρόν (Stichēron) heißt ein → Troparion, dem ein alttestament licher Psalmvers (= στίχος) voraufgeht. Stichira werden unter anderem mit den → Äni und mit den → Luzernariumspsalmen verbunden. Stichologie: Als Στιχολογία (Stichologia) wird eine fortlaufende, d. h. Vers für Vers erfolgende Lesung aus dem Psalter bezeichnet (vgl. → Kathisma).
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Tetraodion: Das Τετραῴδιον ist ein → Kanon, der nur vier → Oden umfaßt. Tetraodia werden ausschließlich in der Großen Fastenzeit gesungen, und zwar im Morgengottesdienst (Orthros) an den Samstagen der zweiten bis sechsten Fastenwoche (in der sechsten Woche ist dies der Lazarussamstag) sowie am Karsamstag. Triodion: Das Τριῴδιον ist ein → Kanon, der nur drei → Oden umfaßt. Triodia haben ihren Ort in der Großen Fastenzeit. Sie werden vor allem – außer am Dienstag und Donnerstag der Karwoche – von Montag bis Freitag im Morgengottesdienst (Orthros) gesungen. Von daher trägt auch das liturgische Buch, das die Eigentexte für die Vorfastenzeit und die Große Fastenzeit einschließlich der Karwoche enthält, den Namen „Triodion“. Troparion: Der Begriff Τροπάριον bezeichnet eine hymnische Einheit, die mit der Strophe eines Kirchenliedes der westlichen Tradition vergleichbar ist. Viele Hymnen bestehen aus mehreren Troparia. Das für einen bestimmten Wochentag, Sonntag oder Festtag vorgesehene Troparion wird → Apolitikion genannt.
Struktur und Gedankengang des Christushymnus Ὁ μονογενὴς Υἱός In der Enarxis der byzantinischen Liturgien des Johannes Chrysostomus und des Basilius folgt unmittelbar auf die zweite Antiphon ein Troparion, in dem sich poetische Schönheit und theologische Tiefe in eindrucksvoller Weise miteinander verbinden: der Christushymnus Ὁ μονογενὴς Υἱός.1 Dieser Hymnus findet sich in wörtlich gleicher Gestalt auch in den griechischen Liturgien des Jakobus und des Markus,2 und er ist in einer nur wenige Besonderheiten aufweisenden altarmenischen Übersetzung in der Liturgie der Armenisch-Apostolischen Orthodoxen Kirche3 sowie in einer mehrfach von dem griechischen Text abweichenden altsyrischen Fassung in der Jakobus-Liturgie der SyrischOrthodoxen Kirche4 enthalten.5 Entstanden ist der Hymnus im 6. Jahrhundert n. Chr., und zwar im Kontext der christologischen Auseinandersetzungen, die durch das Dogma von Chalcedon (451) hervorgerufen wurden.6 Im Bereich der 1 Ἰ. Μ. Φουντουλης, Βυζαντιναὶ Θ. Λειτουργίαι Βασιλείου τοῦ Μεγάλου καὶ Ἰωάννου τοῦ Χρυσοστόμου (Κείμενα Λειτουργικῆς 12), Thessaloniki 1978, 16 f. 2 Ἰ. Μ. Φουντουλης, Θεία Λειτουργία Ἰακώβου τοῦ ἀδελφοθέου (Κείμενα Λειτουργικῆς 5), Thessaloniki ²1977, 25; Ders., Θεία Λειτουργία τοῦ ἀποστόλου Μάρκου (Κείμενα Λειτουργικῆς 3), Thessaloniki ²1977, 28 f. In beiden Liturgien wird der Hymnus beim Kleinen Einzug gesungen. 3 Armenischer Text und englische Übersetzung: Divine Liturgy of the Armenian Apostolic Orthodox Church, hg. v. Tiran Abp. Nersoyan, London ⁵1984, 44 f. Der Hymnus dient an gewöhnlichen Sonntagen als Introitus der Enarxis. 4 Syrischer Text und englische Übersetzung: Anaphoras. The Book of the Divine Liturgies According to the Rite of the Syrian Orthodox Church of Antioch, Lodi, NJ 1991, 35 f. Der Hymnus hat seinen Ort am Beginn des Öffentlichen Gottesdienstes, d. h. der Liturgie der Katechumenen. Zum Vergleich der syrischen Fassung mit dem griechischen Text s. S. Janeras, Le tropaire Ὁ Μονογενής dans les liturgies orientales et sa signification œcuménique, in: H.-J. Feulner (Hg.), Liturgies in East and West. Ecumenical Relevance of Early Liturgical Development (ÖSLS 6), Münster u. a. 2013, 209–223: 213 f. 5 In der Koptisch-Orthodoxen Kirche wird der griechische (!) Hymnus in der 6. Stunde des Großen Freitags gesungen; s. Πιπαcχα Εθουαβ. The Holy Pascha. Being the Liturgies of the Holy Week of Pascha According to the Current Usage in the Church of Alexandria, Los Angeles, CA ²1990, 460. Der bei E. Renaudot, Liturgiarum orientalium collectio I, Frankfurt am Main – London ²1847, 442 aus dem koptischen Ritus der Konsekration des Patriarchen von Alexandrien mitgeteilte griechische Text weist gegenüber dem Wortlaut des Karfreitags eine Abweichung in der Syntax auf, womit eine leichte Verschiebung des Gedankengangs gegeben ist. 6 S. dazu insbesondere A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/1: Das Konzil von Chalcedon (451). Rezeption und Widerspruch (451–518), Freiburg – Basel – Wien 1986; Bd. 2/2: Die Kirche von Konstantinopel im 6. Jahrhundert, ebd. 1989.
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byzantinisch-orthodoxen Kirchen wird weithin Kaiser Justinian I. (527–565) als Verfasser des Hymnus angesehen;7 er soll in den Jahren 535/536 seine Aufnahme in die Göttliche Liturgie verfügt haben. Den Liturgie-Ausgaben der Syrisch-Orthodoxen Kirche zufolge handelt es sich dagegen um ein Werk des Patriarchen Severus von Antiochien (gest. 538).8 Die folgenden Betrachtungen gelten ausschließlich der griechischen Fassung des Troparion, und sie stellen sich im Blick auf diesen nach Form und Inhalt höchst anspruchsvollen Text eine doppelte Aufgabe: Ich möchte zunächst in einem ersten Schritt die sprachlichpoetische Struktur des Textes herausarbeiten und damit zugleich auch die ihr angemessene Interpunktion ermitteln; und ich möchte sodann in einem zweiten Schritt den Gedankengang des Hymnus nachzeichnen und seine entscheidenden theologischen Aussagen aufzeigen.9
I Die Bestimmung der sprachlich-poetischen Struktur, die ihren Ausdruck sowohl in der Interpunktion des Hymnus wie auch in seiner Gliederung κατὰ κῶλα findet, entscheidet sich primär an der grammatisch-syntaktischen Analyse des griechischen Textes. Betrachtet man von daher die Wiedergaben des Hymnus in liturgischen Büchern oder in wissenschaftlichen Editionen und Untersuchungen, so zeigt sich, daß diese der syntaktischen Gestalt des Textes nicht immer ganz gerecht werden,10 und das Gleiche ist ebenfalls im Blick auf die Übersetzungen in andere Sprachen wahrzunehmen. Da eine kritische Darstellung solcher Textdarbietungen und Übersetzungen den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen würde, muß ich mich darauf beschränken, meine eigene syntaktische Textanalyse vorzulegen und diese zu begründen. Die durch die Analyse 7 H.-J. Schulz, Die byzantinische Liturgie. Vom Werden ihrer Symbolgestalt (SQÖT 5), Freiburg 1964, 58 weist auf die Nähe des Hymnus zu Iustinianus Imperator, Confessio rectae fidei adversus tria capitula (PG 86, 995 C) hin. Zur Zuschreibung an Justinian und zu den ihr zugrundeliegenden Quellen s. ausführlich V. Grumel, L’auteur et la date de composition du tropaire Ὁ Μονογενής, EOr 22 (1923) 398–418. 8 S. dazu J. Puyade, Le tropaire ῾Ο Μονογενής, ROC 17 (1912) 253–258. 9 Aus der dem Hymnus gewidmeten Literatur seien genannt: J. Breck, The Troparion Monogenes. An Orthodox Symbol of Faith, SVTQ 26 (1982) 203–228; J. H. Barkhuizen, Justinian’s Hymn Ὁ μονογενὴς υἱὸς τοῦ Θεοῦ, ByZ 77 (1984) 3–5; G. Bühring / S. Uhlig, Antiochenisches und Justinianisches im Hymnus ,Eingeborener Sohn‘, OS 37 (1988) 297–307; V. L. Menze, Justinian and the Making of the Syrian Orthodox Church (OECS), Oxford 2008, 174 f.; S. Janeras, Le tropaire Ὁ Μονογενής dans les liturgies orientales et sa signification œcuménique (s. Anm. 4). 10 Das gilt z. B. auch für die Textdarbietung bei W. Christ / M. Paranikas, Anthologia graeca carminum christianorum, Leipzig 1871 = Hildesheim 1963, 52. Dieser Wiedergabe folgen u. a. E. Wellesz, A History of Byzantine Music and Hymnography, Oxford ²1961, 178 (s. auch die Übersetzung ebd., 179) und Barkhuizen, Justinian’s Hymn Ὁ μονογενὴς υἱὸς τοῦ Θεοῦ (s. Anm. 9), 3.
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gewonnene κατὰ κῶλα-Gliederung des Textes, auf dessen einzelne Zeilen im Folgenden jeweils verwiesen wird, sei den Erörterungen vorausgeschickt:11
Ὁ μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ,
ἀθάνατος ὑπάρχων καὶ καταδεξάμενος διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν,12 σαρκωθῆναι ἐκ τῆς ἁγίας Θεοτόκου 5 καὶ ἀειπαρθένου Μαρίας, ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας σταυρωθείς τε, Χριστὲ ὁ Θεός, θανάτῳ θάνατον πατήσας, εἷς ὢν τῆς Ἁγίας Τριάδος, 10 συνδοξαζόμενος τῷ Πατρὶ καὶ τῷ Ἁγίῳ Πνεύματι,
σῶσον ἡμᾶς.
Der Hymnus besteht aus einem einzigen Satz. Die als Zeile 1 an seinem Anfang stehenden Worte ὁ μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ sind als ein Vokativ zu lesen, der dann in Zeile 7 durch die Worte Χριστὲ ὁ Θεός noch einmal aufgenommen wird.13 Mit dem Vokativ des ersten Stichos beginnt ein Aussagezusammenhang, der erst in der Bitte σῶσον ἡμᾶς von Zeile 12 zu seinem Ziel und Abschluß kommt. Der ganze Hymnus ist demnach Anrufung Jesu Christi, des Sohnes Gottes. Zwischen die Anrede von Zeile 1 und die Bitte von Zeile 12 sind in den Zeilen 2–11 mehrere Partizipialkonstruktionen eingefügt, deren korrekte sprachliche Bestimmung für das Verständnis des Hymnus von entscheidender Bedeutung ist. Nach meinem Urteil liegen die Partizipien ὑπάρχων (Zeile 2), καταδεξάμενος (Zeile 3), ἐνανθρωπήσας (Zeile 6), σταυρωθείς (Zeile 7) und ὤν (Zeile 9) syntaktisch auf der gleichen Ebene. Sie sind – gewissermaßen als die 11 Den Begriff „Zeile“ (griechisch: στίχος) verwende ich zur Bezeichnung eines poetischen Verses. Zeilen, die nach meinem Urteil syntaktisch auf der gleichen Ebene stehen, sind hinsichtlich ihres Anfangs untereinander angeordnet, beginnen also jeweils linksbündig auf gleicher Höhe. – Die von mir vertretene Interpunktion entspricht der Wiedergabe des Textes in: http:// vassileia.blogspot.com/2016/07/justinian-only-begotten-son-and-word-of.html. 12 Die dem Partizip καταδεξάμενος voraufgehende Konjunktion καί wird bezeugt durch den offiziellen Text der griechischen liturgischen Bücher, durch die kirchenslawische Übersetzung, durch die Übersetzung in einem Horologion syro-palästinischen Ursprungs (M. Black, A Christian Palestinian Syriac Horologion [Berlin MS. Or. Oct. 1019], Cambridge 1954, 234) sowie durch die im Ritus der Kopten enthaltenen Fassungen (s. Anm. 5). Sie fehlt in einem Zweig der Textüberlieferung, dem F. E. Brightman / C. E. Hammond, Liturgies Eastern and Western I: Eastern Liturgies, Oxford 1896 = 1967, 366 folgen (s. auch 33 und 116). Diese Lesart dürfte sich als Auslassung aufgrund von Homoioarkton (κα-) erklären und deshalb als sekundär zu beurteilen sein. 13 Zum Nominativ als Vokativ vgl. im Neuen Testament u. a.: ὁ θεός Lk 18,11.13; Hebr 10,7; ὁ κύριός μου καὶ ὁ θεός μου Joh 20,28; ὁ πατήρ Mt 11,26. S. auch die unten in Anm. 24 zitierte Anrufung Jesu Christi.
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den Gedankengang tragenden Pfeiler – sämtlich attributiv auf ὁ μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ bezogen, und die mit ihnen verbundenen Aussagen dienen der näheren Kennzeichnung dessen, der in Zeile 1 mit diesem Vokativ angeredet wird. Anders stellt sich dagegen die syntaktische Position der Partizipien πατήσας von Zeile 8 und συνδοξαζόμενος von Zeile 10 dar: Der Partizipialsatz von Zeile 8 (θανάτῳ θάνατον πατήσας) ist als adverbiale Bestimmung dem σταυρωθείς von Zeile 7 und der Partizipialsatz der Zeilen 10 f. (συνδοξαζόμενος τῷ Πατρὶ καὶ τῷ Ἁγίῳ Πνεύματι) als adverbiale Bestimmung den Worten εἷς ὢν τῆς Ἁγίας Τριάδος von Zeile 9 zugeordnet.14 Der erstere bringt dabei ein modales, der letztere ein kausales Verhältnis zum Ausdruck.15 Blicken wir an dieser Stelle auf die bisherige sprachliche Analyse des griechischen Textes zurück, so ergibt sich für die Übersetzung ins Deutsche eine gewichtige Konsequenz: Der den Hymnus eröffnende Vokativ ist am besten als Anrede „Du einziggeborener Sohn und Logos Gottes“ zu übersetzen, und für die fünf auf diesen Vokativ bezogenen und somit attributiv gebrauchten Partizipien (ὑπάρχων, καταδεξάμενος, ἐνανθρωπήσας, σταυρωθείς und ὤν) empfiehlt sich die Wiedergabe durch Relativsätze, in denen die Anrede durch eine Formulierung in der 2. Person Singular weitergeführt wird („der du […]“). Fassen wir die Partizipialkonstruktionen der Zeilen 2–11 noch etwas genauer in den Blick, so lassen sich drei Aussageeinheiten voneinander abheben: 1. Durch die am Beginn der dritten Zeile stehende Konjunktion καί16 werden die beiden Partizipien ὑπάρχων und καταδεξάμενος fest miteinander verklammert. Das aber bedeutet: Die Möglichkeit, die Worte ἀθάνατος ὑπάρχων (Zeile 2) ganz unmittelbar als Attribut mit dem Vokativ ὁ μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ (Zeile 1) zu verbinden und dann erst mit καὶ καταδεξάμενος (Zeile 3) eine neue und eigenständige Aussage beginnen zu lassen,17 wird durch das καί schlechterdings ausgeschlossen. Die Zeilen 2–5 bilden syntaktisch eine zusammengehörige Einheit: „der du [deinem göttlichen Wesen nach] unsterblich bist und [dennoch]18 um unseres Heiles willen auf dich genommen hast19, Fleisch zu werden20 aus der heiligen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau 14 Ein
Hinweis darauf ist in beiden Fällen der asyndetische Anschluß an das Vorhergehende. kann frei übersetzen: „wobei du durch deinen Tod den Tod zertreten hast“ (Zeile 8) bzw. „weshalb du verherrlicht bist mit dem Vater und dem Heiligen Geiste“ (Zeilen 10 f.). 16 Zu ihrer Ursprünglichkeit s. o. Anm. 12. 17 Zu dieser m. E. nicht korrekten Sicht s. etwa die Textdarbietung bei Christ / Paranikas, Anthologia graeca carminum christianorum (s. Anm. 10), 52. Ihr entspricht z. B. die Übersetzung bei Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/2 (s. Anm. 6), 358. 18 Das καί dürfte ein καί adversativum sein. Zu diesem Verständnis s. die lateinische Übersetzung des Hymnus in der Anm. 1 zu Nicephorus Callistus, Ecclesiastica Historia XVII 28 (PG 147, 291 f.): qui cum immortalis esses, dignatus es propter salutem nostram incarnari ex sancta Dei Genitrice et semper virgine Maria. 19 Das Verbum καταδέχεσθαι hat hier die Bedeutung „annehmen“ im Sinn von „akzeptieren“. Möglich ist auch die Übersetzung „der du […] bereit warst“ oder „der du […] willens warst“. 20 Das Passiv σαρκοῦσθαι hat in Aussagen über die Inkarnation Christi die Bedeutung σὰρξ 15 Man
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Maria“. – 2. Die in Zeile 7 auf das Partizip σταυρωθείς folgende Konjunktion τέ verbindet dieses aufs engste mit dem Partizip ἐνανθρωπήσας der Zeile 6,21 wodurch deutlich die Zusammengehörigkeit der Zeilen 6–8 angezeigt wird. Die Worte ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας von Zeile 6 gehören folglich keineswegs als eine Explikation zu den ihnen voraufgehenden Worten σαρκωθῆναι ἐκ τῆς ἁγίας Θεοτόκου καὶ ἀειπαρθένου Μαρίας (Zeilen 4 f.), sondern sie sind mit den Worten σταυρωθείς τε, Χριστὲ ὁ Θεός der Zeile 7 zu verbinden:22 „der du ohne Veränderung [deines Wesens] Mensch geworden bist und [als der Menschgewordene]23 gekreuzigt wurdest, Christus Gott, [dabei] durch den Tod den Tod zertretend“. – 3. Als dritte Aussageeinheit verbleiben schließlich die Zeilen 9–11: „der du Einer der Heiligen Dreieinigkeit bist, [deshalb] verherrlicht mit dem Vater und dem Heiligen Geiste“. Die drei herausgearbeiteten Partizipialkonstruktionen bedürfen noch einer weiteren Überlegung. Obwohl der Vokativ ὁ μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ (Zeile 1) grammatisch determiniert ist, sind die attributiv gebrauchten Partizipien ὑπάρχων (Zeile 2), καταδεξάμενος (Zeile 3), ἐνανθρωπήσας (Zeile 6), σταυρωθείς (Zeile 7) und ὤν (Zeile 9) nicht durch den Artikel angeschlossen.24 Diese Artikellosigkeit dürfte sich dadurch erklären, daß die fünf Partizipien nicht als rein attributive Bestimmungen empfunden sind, sondern daß in ihnen „auch adverbialer Sinn mitschwingt“25. Die partizipialen Aussagen geben ja den Realgrund dafür an, daß die Bitte σῶσον ἡμᾶς (Zeile 12) überhaupt an Christus
γίνεσθαι; s. E. A. Sophocles, Greek Lexicon of the Roman and Byzantine Periods, Cambridge, MA – Leipzig ²1814 = Hildesheim – Zürich – New York 1983, 980a s. v. σαρκόω. 21 Zu der Konjunktion τέ s. R. Kühner / B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II: Satzlehre, Bd. 2, Hannover – Leipzig ³1904 = Hannover 1976, 242 f. (§ 519,2): Das allein stehende τέ dient der Anreihung von Sätzen, die „mit dem vorangehenden Satze in naher Beziehung stehen, indem sie eine Ergänzung, Erklärung, weitere Ausführung des vorangehenden Satzes oder auch eine aus diesem hervorgehende natürliche Folge ausdrücken, sodass man τέ häufig durch und so, und daher […] übersetzen kann“. Als Beispiel s. Hebr 1,3. 22 So richtig z. B. Christ / Paranikas, Anthologia graeca carminum christianorum (s. Anm. 10), 52. 23 Diese Nuance wird durch die Konjunktion τέ zum Ausdruck gebracht. 24 Zu einem der grammatischen Regel entsprechenden Anschluß s. exemplarisch die Anrufung in der im Orthros gesungenen Doxologie: Κύριε ὁ Θεός, ὁ ἀμνὸς τοῦ Θεοῦ, ὁ Υἱὸς τοῦ Πατρός, ὁ (!) αἴρων τὴν ἁμαρτίαν τοῦ κόσμου – „Herr Gott, du Lamm Gottes, du Sohn des Vaters, der du hinwegnimmst die Sünde der Welt“. 25 So zu diesem Phänomen F. Maier, Stilübungen und Interpretation im Griechischen, Bamberg ²1992, 27. Maier bietet prosaische Beispiele aus Diodor, Dio Chrysostomus, Plutarch und Xenophon. Als poetisch-hymnischen Beleg notiere ich die durch den Eigennamen Ζεύς determinierte Anrede in den ersten beiden Zeilen des berühmten Zeus-Hymnus des Kleanthes: Κύδιστ᾽ ἀθανάτων, πολυώνυμε παγκρατὲς αἰεί, / Ζεῦ φύσεως ἀρχηγέ, νόμου μέτα πάντα κυβερνῶν – „Berühmtester der Unsterblichen, Vielnamiger, stets alles Beherrschender, / Zeus, Herrscher über die Natur, der du nach dem Gesetz alles lenkst“.
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gerichtet werden kann und im Hymnus an ihn gerichtet wird. In ihnen ist mithin jeweils ein kausaler Nebensinn zu konstatieren.26 Im Anschluß an die syntaktische Analyse kann nunmehr eine deutsche Übersetzung des Christushymnus vorgelegt werden, die in der Wiedergabe der Struktur dem oben mitgeteilten griechischen Text entspricht:27
Du einziggeborener Sohn und Logos Gottes,
der du unsterblich bist und um unseres Heiles willen auf dich genommen hast, Fleisch zu werden aus der heiligen Gottesgebärerin 5 und immerwährenden Jungfrau Maria, der du ohne Veränderung Mensch geworden bist und gekreuzigt wurdest, Christus Gott, durch den Tod den Tod zertretend, der du Einer der Heiligen Dreieinigkeit bist, 10 verherrlicht mit dem Vater und dem Heiligen Geiste:
Errette uns!
II Suchen wir jetzt den Gedankengang des Hymnus nachzuzeichnen und seine entscheidenden Aussagen aufzuzeigen, so soll dies so geschehen, daß wir dabei auch auf die Bezugnahmen auf das Christuszeugnis des Neuen Testaments achten. Die Anrede Jesu Christi in dem Vokativ der Zeile 1 – ὁ μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ – setzt die christologische Diskussion und die dogmatischen Entscheidungen bis zum Konzil von Chalcedon (451) voraus, sie ist aber ebenso wie diese Entscheidungen letztlich dem Johannesevangelium und hier insbesondere dem Prolog Joh 1,1–18 verpflichtet. Die Prädikation Christi als ὁ μονογενὴς υἱός findet sich im byzantinischen Text von Joh 1,18,28 seine Bezeichnung als ὁ λόγος in Joh 1,1 f. und 1,14. Der im Prolog zu erhebende Bedeutungsgehalt der beiden Begriffe ist in unserem Hymnus voll rezipiert. Mit dem Hoheitstitel 26 In der deutschen Übersetzung könnte der kausale Nebensinn durch ein „ja“ zum Ausdruck gebracht werden: „der du ja unsterblich bist und […] auf dich genommen hast“, „der du ja […] Mensch geworden bist und gekreuzigt wurdest“, „der du ja Einer der Heiligen Dreieinigkeit bist“. 27 Auf die erläuternden Angaben, die im Verlauf der syntaktischen Analyse in den jeweils übersetzen Zeilen in eckigen Klammern hinzugefügt wurden, wird jetzt verzichtet. 28 Mit ὁ μονογενὴς υἱός bedeutungsgleich ist der Ausdruck μονογενὴς παρὰ πατρός in Joh 1,14.
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„der einziggeborene Sohn Gottes“29 wird Jesus Christus als der Sohn Gottes schlechthin gekennzeichnet und damit als der eine und einzige, der von Ewigkeit her auf die Seite Gottes gehört und als dieser seinem Ursprung und Wesen nach selbst wahrer Gott ist.30 Als der „Logos“ Gottes wird er prädiziert, weil er – und er allein – in seiner Person und deshalb auch in seinem Werk den unsichtbaren Vater offenbart und der Vater nirgends anders als nur in ihm zu finden ist.31 Der Vokativ der Zeile 1 bezeugt so in unmißverständlichen Worten die Einzigartigkeit Jesu Christi, und dem entspricht das Zeugnis der drei Aussageeinheiten, die auf diesen Vokativ folgen. Wenn die aus den Zeilen 2–5 bestehende erste Aussageeinheit mit den Worten ἀθάνατος ὑπάρχων beginnt (Zeile 2), dann wird Christus zugesprochen, was nach 1 Tim 6,16a (ὁ μόνος ἔχων ἀθανασίαν) ausschließlich Gott besitzt: ewiges Sein im Unterschied zu dem begrenzten Leben alles Geschaffenen.32 „Unsterblich“ ist der Sohn und Logos Gottes, weil ihm aufgrund seines göttlichen Ursprungs göttliches Wesen eignet.33 Auf dem Hintergrund dieser Aussage wird in den Zeilen 3–5 das unerhörte Wunder beschrieben, daß der „unsterbliche“ Gottessohn zum Heil der vor Gott verlorenen Menschen bereit war, menschliche und damit sterbliche Existenz anzunehmen.34 Bei den Worten καὶ καταδεξάμενος διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν, σαρκωθῆναι ἐκ τῆς ἁγίας Θεοτόκου καὶ ἀειπαρθένου Μαρίας handelt es sich ohne Zweifel um eine Aufnahme dessen, was in dem Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381) über den Sohn Gottes gesagt wird: τὸν δι’ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα ἐκ τῶν οὐρανῶν καὶ σαρκωθέντα ἐκ Πνεύματος Ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου.35 Wenn unser Hymnus dabei durch das Verbum καταδέχεσθαι das Ja herausstellt, das der Sohn Gottes um des Heils der Menschen willen zur Inkarnation – und S. dazu auch Joh 3,16.18; 1 Joh 4,9. wird sogleich in Joh 1,1 f. in solenner Weise ausgesagt. Zum Christuszeugnis des Prologs s. meinen Aufsatz über den Christushymnus, der ihm zugrunde liegt: Struktur und Gedankengang des Logos-Hymnus in Joh 1,1–18, in: O. Hofius / H.-Chr. Kammler, Johannesstudien. Untersuchungen zur Theologie des vierten Evangeliums (WUNT 88), Tübingen 1996, 1–23 (= Δομή καί λογική ἀκολουθία τοῦ ὕμνου τοῦ Λόγου στό Ιω 1,1–18, in: O. Hofius, Ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου. Συναγωγή καινοδιαθηκικῶν μελετῶν, ἐπιμ. Χ. Καρακόλης / π. Ἰ. Σκιαδαρέσης / Μ. Χατζηγιάννης [Ἐκδόσεις Ἄρτος Ζωῆς 56], Athen 2012, 33–80). 31 S. dazu Joh 1,18, aber auch Joh 12,45; 14,6.9; 17,6–8 sowie Mt 11,27 par. Lk 10,22; 1 Joh 5,20. 32 Vgl. auch 1 Tim 1,17 (sekundäre Lesarten haben hier ebenfalls ἀθάνατος). Zu ἀθάνατος als Gottesprädikat in liturgischen Texten s. etwa den Hymnus Φῶς ἱλαρόν: Christ / Paranikas, Anthologia graeca carminum christianorum (s. Anm. 10), 40; Π. Ν. Τρεμπελας, Ἐκλογὴ Ἑλληνικῆς Ὀρθοδόξου Ὑμνογραφίας, Athen ²1978, 158. 33 Vgl. Diognetbrief 9,2; Athanasius, De incarnatione Verbi 9 (PG 25, 112 A.B); Contra Arianos I 41; II 16; III 57 (PG 26, 96 B – 97 A; 177 C; 444 B.C). 34 Der Zusammenhang zwischen der Unsterblichkeit des Sohnes Gottes und dem Wunder seiner Inkarnation wird auch bei Athanasius, Contra Arianos I 41 angesprochen. 35 I. Karmiris, Τὰ δογματικὰ καὶ συμβολικὰ μνημεῖα τῆς Ὀρθοδόξου Καθολικῆς Ἐκκλησίας I, Graz ²1968, 130; DH 84 (*150). 29
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damit zu dem Weg an das Kreuz – spricht, dann hat das seine neutestamentliche Grundlage vor allem im Johannesevangelium und im Hebräerbrief.36 Mit dem Verbum σαρκοῦσθαι („Fleisch werden“) nehmen das Bekenntnis von NizäaKonstantinopel und der Hymnus auf die Worte ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο von Joh 1,14 Bezug.37 Daß der ewige Sohn Gottes „Fleisch“ wurde, besagt an dieser Stelle, daß er ein Mensch wurde, der als solcher sterben konnte und dem auch zu sterben bestimmt war.38 Der gleiche Gedanke ist in jenen frühen christologischen Aussagen präsent, die den Sohn Gottes als den bekennen, der „im Fleisch gekommen“39 und von daher „im Fleisch“40 ist. Daß die Inkarnation des Sohnes Gottes nicht als eine Verwandlung in „Fleisch“ verstanden werden darf, die dann zwangsläufig die Preisgabe des Gott-Seins implizieren würde, ist bereits für das Johannesevangelium evident. Gemeint ist in Joh 1,14 mit σὰρξ γίνεσθαι die Annahme menschlicher und damit sterblicher Existenz unter voller Wahrung der ewigen Gottheit.41 Weil unser Hymnus nicht anders denkt, bezeichnet er die menschliche Mutter, die den Sohn Gottes geboren hat, als ἡ ἁγία Θεοτόκος καὶ ἀειπάρθενος Μαρία (Zeilen 4 f.).42 Daß der Sohn Gottes sich mit der Inkarnation nicht in einen Menschen verwandelt hat, wird dann in der zweiten, die Zeilen 6–8 umfassenden Aussageeinheit sogleich ausdrücklich gesagt. Die Menschwerdung – so die Worte ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας der Zeile 6 – geschieht ohne eine Veränderung des Wesens und somit ohne Preisgabe des Gott-Seins. Nur unter dieser Voraussetzung kann der durch die Konjunktion τέ angefügte Satz gelten, der die Folge und das Ziel der Menschwerdung zur Sprache bringt: σταυρωθείς τε, Χριστὲ ὁ Θεός, θανάτῳ θάνατον πατήσας (Zeilen 7 f.). Der Kreuzestod wird von dem ausgesagt, der auch als der Menschgewordene wahrer Gott ist und bleibt, und in diesem seinem göttlichen Persongeheimnis liegt es begründet, daß sein Tod – im fundamentalen Unterschied zu allem anderen menschlichen Sterben – ein Heilsgeschehen ist. Die Worte ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας σταυρωθείς τε […] θανάτῳ θάνατον πατήσας Joh 4,34; 6,38 f.; 10,17 f.; 12,23 f.27; 14,31; 17,4; 18,11; Hebr 10,1–10. Der älteste Beleg für σαρκοῦσθαι = σὰρξ γίνεσθαι findet sich bei Meliton, Passa-Homilie 70 und 104 (ὁ ἐν παρθένῳ σαρκωθείς). 38 Der Gedanke der Sterblichkeit ist bereits in anthropologischen Aussagen des Alten Testaments (Gen 6,3; Jes 40,6; Jer 17,5; Ps 56[55],5; 78[77],39; Sir 14,17 f.) und von daher auch in späteren Texten (z. B. 1QH 7,21; 12,29; 17,16; Joh 3,6) mit dem Begriff „Fleisch“ verbunden. 39 1 Joh 4,2b; 2 Joh 7; vgl. Ignatius, Eph 7,2 (ἐν σαρκὶ γενόμενος). 40 Ignatius, Sm 3,1 (vgl. 1,2); s. auch σαρκικός Eph 7,2. 41 Einzig deshalb kann in Joh 1,14 auf die Worte καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν der Satz folgen: καὶ ἐθεασάμεθα τὴν δόξαν αὐτοῦ, δόξαν ὡς μονογενοῦς παρὰ πατρός, πλήρης χάριτος καὶ ἀληθείας. 42 Zu Θεοτόκος sei nur an das Konzil von Ephesus (431) und an das Bekenntnis des Konzils von Chalcedon (451) erinnert; s. zu ersterem Karmiris, Τὰ δογματικὰ καὶ συμβολικὰ μνημεῖα I (s. Anm. 35), 135–151.154 f.; DH 122 (*251) und 126 (*252), zu letzterem Karmiris, ebd., 175; DH 142 (*301). Das Theologumenon der ἀειπαρθενία Marias wird bereits von Athanasius vertreten: Contra Arianos II 70 (PG 26, 296 B); Expositio in Psalmos, zu Ps 84,11 (PG 27, 373 A). S. ferner etwa Epiphanius von Salamis, Ancoratus 119,5 (GCS 25, 148). 36 37
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nehmen, wie nicht zweifelhaft sein kann, erneut auf das Bekenntnis von NizäaKonstantinopel Bezug, und zwar auf die beiden Aussagen καὶ ἐνανθρωπήσαντα und σταυρωθέντα τε ὑπὲρ ἡμῶν.43 Wenn das Bekenntnis hier erklärt, daß der Kreuzestod des menschgewordenen Sohnes Gottes „für uns“ – und das heißt: zu unserem Heil – geschehen ist, dann interpretiert unser Hymnus diese Aussage durch den Partizipialsatz θανάτῳ θάνατον πατήσας (Zeile 8), der als adverbiale Bestimmung dem σταυρωθείς der voraufgehenden Zeile zugeordnet ist. Die Worte θανάτῳ θάνατον πατήσας kennzeichnen den Kreuzestod Jesu Christi als den Sieg über den Tod.44 Ihre neutestamentliche Grundlage wird in Texten wie 2 Tim 1,10 und Apk 1,17b.18 greifbar, vor allem aber im Johannesevangelium, das in dem Golgatha-Geschehen den Sieg erblickt, den der Sohn Gottes in der tiefsten Tiefe des Kreuzes über den Tod und die Welt des Todes erringt.45 In voller Entsprechung zu dem johanneischen Zeugnis bringt unser Hymnus in den Zeilen 7 f. durch die Worte σταυρωθεὶς […] θανάτῳ θάνατον πατήσας die Heilswirkung des Todes Jesu Christi zum Ausdruck. Damit erweist er sich als ein Dokument jenes Verständnisses des Kreuzestodes, das für das 5. und 6. Jahrhundert als charakteristisch gelten darf: Das Kreuz als der Ort des Leidens und Sterbens Jesu Christi ist zugleich der Ort seines Sieges und der Offenbarung seiner Herrlichkeit.46 Als Siegeszeichen in diesem Sinn kann das Kreuz allein deshalb verstanden werden, weil der Gekreuzigte nicht ein ψιλὸς ἄνθρωπος – nicht ein „bloßer Mensch“ – ist, sondern der μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ (Zeile 1), von dem aufgrund der Wahrheit, die mit den Worten ἀτρέπτως ἐνανθρωπήσας (Zeile 6) bezeugt wird, auch als von dem Menschgewordenen die Prädikation ἀθάνατος ὑπάρχων (Zeile 2) gilt.47 Der hinter σταυρωθείς τε eingefügte Vokativ Χριστὲ ὁ Θεός (Zeile 7) weist nachdrücklich auf diesen Sachverhalt hin. Die hohe Christologie, die bereits in den bisher betrachteten Zeilen des Hymnus begegnet, findet ihren stärksten Ausdruck in der dritten Aussageeinheit, d. h. in den Zeilen 9–11. Die entscheidende Aussage dieser Zeilen und damit des gesamten Troparion überhaupt liegt in den Worten εἷς ὢν τῆς Ἁγίας Τριάδος von Zeile 9. In dieser Seins-Prädikation – „Einer der Heiligen Dreieinigkeit“ – Karmiris, ebd., 130; DH 84 (*150). Vgl. dazu Athanasius, De incarnatione Verbi 9 (PG 25, 112 C); Contra Arianos III 57 (PG 26, 444 A). Anders als etwa das Ostertroparion (Χριστὸς ἀνέστη ἐκ νεκρῶν θανάτῳ θάνατον πατήσας καὶ τοῖς ἐν τοῖς μνήμασι ζωὴν χαρισάμενος) hebt unser Hymnus nicht ausdrücklich auf die Auferstehung Christi ab, obwohl diese selbstverständlich mit im Blick ist. Der Tod und die Auferstehung Jesu Christi bilden nach neutestamentlichem Zeugnis und ebenso nach dem Bekenntnis der Kirche eine unlösliche Einheit: Sie sind in ihrem differenzierten Zusammenhang das eine Heilsgeschehen, in dem der Sieg über den Tod errungen ist. 45 Die gesamte johanneische Passionsgeschichte ist eine Darstellung dieses Sachverhaltes. S. außerdem u. a. Joh 2,19–22; 10,17 f. einerseits und Joh 12,31; 14,30; 16,11; 16,33 andererseits. 46 Vgl. dazu L. Abramowski, Die Mosaiken von S. Vitale und S. Apollinare in Classe und die Kirchenpolitik Kaiser Justinians, ZAC 5 (2001) 289–341: 306. 47 Zu Recht bemerkt Barkhuizen, Justinian’s Hymn Ὁ μονογενὴς υἱὸς τοῦ Θεοῦ (s. Anm. 9), 4: „As the Deathless One He was able to defeat death by his own death!“ 43 44
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handelt es sich um das zentrale christologische Zeugnis des sog. „Neuchalcedonismus“.48 Dogmatisiert wurde es im Jahre 553 im zehnten Kanon des fünften ökumenischen Konzils (Konstantinopel II), und zwar in dem Bekenntnis, „daß unser im Fleisch gekreuzigter Herr Jesus Christus wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit und Einer der Heiligen Dreieinigkeit ist“ (τὸν ἐσταυρωμένον σαρκὶ Κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν εἶναι Θεὸν ἀληθινὸν καὶ κύριον τῆς δόξης καὶ ἕνα τῆς ἁγίας Τριάδος49). Wie in diesem Bekenntnis, so betonen die Worte εἷς τῆς Ἁγίας Τριάδος auch in unserem Hymnus in einer nicht mehr überbietbaren Weise die wahre Gottheit Jesu Christi. Sie beziehen sich in dem Hymnus dezidiert auf den, von dem zuvor gesagt war: Er, der μονογενὴς Υἱὸς καὶ Λόγος τοῦ Θεοῦ, hat – als der „Unsterbliche“ – zum Heil der Menschen „auf sich genommen, Fleisch zu werden“, ist – ohne aufzuhören, der ewige Sohn zu sein – „Mensch geworden“ und „wurde“ – mit der Heilswirkung der Überwindung des Todes – „gekreuzigt“. Von diesem Menschgewordenen und Gekreuzigten wird bezeugt: Er ist eine der drei Personen der Heiligen Trinität und also göttliche Person.50 Die Implikation des mit den Worten εἷς ὢν τῆς Ἁγίας Τριάδος beschriebenen Persongeheimnisses Jesu Christi benennt der auf diese Prädikation bezogene Partizipialsatz συνδοξαζόμενος τῷ Πατρὶ καὶ τῷ Ἁγίῳ Πνεύματι (Zeilen 10 f.). Weil den drei Personen der Trinität ein und dieselbe göttliche Herrlichkeit (δόξα) eignet,51 wird der Sohn Gottes „mit dem Vater und dem Heiligen Geiste verherrlicht“.52 Dies geschieht nicht zuletzt im anbetenden Lobpreis der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde, wobei man vielleicht auch daran denken darf, daß hier – insbesondere liturgischen Texten des Ostens zufolge – Menschen und Engel zu gemeinsamem Gotteslob vereint sind.53 48 Zu dem theologie- und dogmengeschichtlichen Kontext s. W. Elert, Die Theopaschitische Formel, ThLZ 75 (1950) 195–206; Ders., Der Ausgang der altkirchlichen Christologie, hg. v. W. Maurer / E. Bergsträßer, Berlin 1957, 71–132; Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/2 (s. Anm. 6), besonders 333–359; Janeras, Le tropaire Ὁ Μονογενής dans les liturgies orientales et sa signification œcuménique (s. Anm. 4), 216–220. 49 Karmiris, Τὰ δογματικὰ καὶ συμβολικὰ μνημεῖα I (s. Anm. 35), 195; DH 198 (*432). Die Prädikation Jesu Christi als θεὸς ἀληθινός nimmt das Zeugnis von 1 Joh 5,20b auf, diejenige als κύριος τῆς δόξης das Zeugnis von 1 Kor 2,8b. Zur theologischen Würdigung des Kanons insgesamt verweise ich auf J. Meyendorff, Le Christ dans la theólogie byzantine (BOe 2), Paris 1969, 91–107. 50 Eine eindrückliche Illustration dazu bietet das Apsis-Mosaik von S. Apollinare in Classe, Ravenna; s. Abramowski, Die Mosaiken von S. Vitale und S. Apollinare in Classe und die Kirchenpolitik Kaiser Justinians (s. Anm. 46), 302–313. 51 Zur δόξα Jesu Christi s. Joh 1,14; 2,11; 11,4.40; 12,41; 17,5.24, aber auch 1 Kor 2,8b sowie die Verklärungsgeschichte Mk 9,2–8. 52 Das Vorbild für die Rede von der „Mitverherrlichung“ liefert das Bekenntnis von NizäaKonstantinopel, in dem vom Heiligen Geist das σὺν Πατρὶ καὶ Υἱῷ συνδοξάζεσθαι ausgesagt wird: Karmiris, Τὰ δογματικὰ καὶ συμβολικὰ μνημεῖα I (s. Anm. 35), 131; DH 84 (*150). 53 S. dazu meinen Aufsatz: Gemeinschaft mit den Engeln im Gottesdienst der Kirche. Eine traditionsgeschichtliche Skizze, in: O. Hofius, Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, 301–325 (= Ἡ κοινωνία τοῦ οὐρανίου καί τοῦ ἐπιγείου κόσμου στή Θ. Λειτουργία
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Der Hymnus schließt in Zeile 12 mit der an Christus gerichteten Bitte: σῶσον ἡμᾶς. Erbeten wird damit eben jene „Rettung“, von der in den Zeilen 2–8 die Rede war: die σωτηρία, um derentwillen der Sohn Gottes Fleisch annahm, Mensch wurde und den Tod am Kreuz erlitt. Gemeint ist also die „Rettung“, durch die der vor Gott verlorene Mensch dem ewig von Gott trennenden Tod entrissen und mit dem ewigen Leben in der Gemeinschaft mit Gott beschenkt wird. Wenn in unserem Hymnus die christologischen Aussagen in die Bitte um diese „Rettung“ münden, dann kommt darin zum Ausdruck, daß die Christologie als Fundament und Voraussetzung der Soteriologie gesehen ist. Mit der Bitte σῶσον ἡμᾶς wird das Heil Gottes ergriffen, das in dem beschlossen liegt, zu dessen Bezeugung der Hymnus grundlegende christologische Bekenntnisaussagen aus den ersten sechs Jahrhunderten der Kirche zu einer in sich stimmigen Einheit verbunden hat.
τῆς Ἐκκλησίας. Βιβλικοθεολογική θεώρηση, in: Hofius, Ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου [s. Anm. 30], 400–438).
Bibliographie Otfried Hofius (2009–2021)1 2009 219. Ἡ ἀνάσταση τῶν νεκρῶν ὡς γεγονός σωτηρίας. Σκέψεις στό 15ο κεφάλαιο τῆς Α΄ πρός Κορινθίους Ἐπιστολῆς, in: C. J. Belezos (ed.), Saint Paul and Corinth. International Scholarly Conference Proceedings (Corinth, 23–25 September 2007), Athens 2009, Volume I, 623–641. – Griechische Fassung von Nr. 213. 220. Paulus – der Zeuge des Evangeliums. Zur Bedeutung des Völkerapostels für die Kirche der Reformation, Mariastein 54 (2009) 14–19. 221. Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu. Joh 13,1–11 als narratives Christuszeugnis, ZThK 106 (2009) 156–176. 222. Mensch und Schöpfung nach dem Zeugnis des Römerbriefs, in: R. Lapko (ed.), The Letter of St. Paul to the Romans. A collection of presentations made at the International Conference organised by the Catholic University in Ružomberok (Slovakia) Faculty of Theology in Košice under the patronage of Mr. Ján Hudacky MEP. March 10, 2009 – in the Year of St. Paul, Szeged 2009, 13–30. 223. „Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17, in: J. von Lüpke / E. Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus. FS Oswald Bayer, Tübingen 2009, 71–86. 2010 224. Β΄ προς Κορινθίους 5:19α: Το κείμενο και το πρόβλημα της μετάφρασής του, Αστήρ της Ανατολής 153 (2010) 81–84. 225. Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe, ZThK 107 (2010) 261–284. 226. Ἡ ἀνάσταση τοῦ Λαζάρου στούς λειτουργικούς ὕμνους τῆς Ὀρθόδοξης Ἐκκλησίας. Μιά συμβολή στήν ἱστορία τῆς ἑρμηνείας τοῦ Ἰω 11,1–44, in: Αγία Γραφή και Αρχαίος Κόσμος. Τιμητικό Αφιέρωμα στον Ὁμότιμο Καθηγητή Ιωάννη Λ. Γαλάνη (FS Ioannis L. Galanis), Thessaloniki 2010, 131–149. – Deutsche Fassung: Nr. 247; rumänische Fassung: Nr. 250. 227. „Verba theologica“. Erwägungen zum Problem theologischer Rede, Verba theologica 9 (2010), Nr. 19, 3–10. – Slowakische Fassung: Nr. 228.
1 Fortsetzung der Bibliographie in: O. Hofius, Exegetische Studien (WUNT 223), Tübingen 2008, 297–310. Dort sind nachzutragen: 135a. The Adam-Christ Antithesis and the Law: Reflections on Romans 5:12–21, in: J. D. G. Dunn (ed.), Paul and the Mosaic Law, Grand Rapids, MI 1996, 165–206. – 209a. Ἡ βιβλική μαρτυρία περί Ἰησοῦ Χριστοῦ καί ὁ θρησκευτικός πλουραλισμός, Αστήρ της Ανατολής 150 (2007) 344–346 (auch in: DBM 26 [2008] 95–100). – 218a. Ausgezeichnet durch die Gnade Gottes (Predigtmeditation über Lukas 1,[39–45].46–55. [56]), AuB 2008, Heft 22, 17–21.
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Bibliographie Otfried Hofius (2009–2021)
228. „Verba theologica“. Úvahy k problému teologickej reči, Verba theologica 9 (2010), Nr. 19, 10–16. – Slowakische Fassung von Nr. 227. 2011 229. Exegetische Studien (WUNT 223). Unveränderte Studienausgabe, Tübingen 2011. XI, 365 S. (s. Nr. 210). 230. Jesus Christus – die Mitte der Heiligen Schrift. Grundlinien des evangelischen Schriftverständnisses, in: W. Baschkirow / H. Lichtenberger / F. Schweitzer / A. Wassin (Hg.), Was ist orthodox? Was ist evangelisch? (ThID 13), Neukirchen-Vluyn 2011, 31–44. 231. Η «αλήθεια του ευαγγελίου». Ερμηνευτικές και θεολογικές σκέψεις σχετικά με την αξίωση αλήθειας του παύλειου κηρύγματος, DBM 27 (2009) 54–77 (erschienen 2011). – Griechische Fassung von Nr. 171. 232. Gottes Wort im Menschenwort. Zum Verständnis des Evangeliums bei dem Apostel Paulus, in: Труды Минской Духовной Академии. Спецвыпүск. Arbeiten der Geistlichen Akademie Minsk. Sonderheft, Жировичи / Zirovitschi 2011, 9–16. – Russische Fassung: Nr. 233. 233. Божие слово в человеческом слове. О понятии «Евангелия» у апостола Павла, in: Труды Минской Духовной Академии. Спецвыпүск. Arbeiten der Geistlichen Akademie Minsk. Sonderheft, Жировичи / Zirovitschi 2011, 17–24. – Russische Fassung von Nr. 232. 234. Comuniunea cu îngerii în slujba Bisericii. O schiţă istorico-tradiţională, in: Anuarul Facultăţii de Teologie Ortodoxă „Patriarhul Justinian“ din Bucureşti, Bucureşti 2011, 239–255. – Rumänische Fassung von Nr. 114. 2012 235. Ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου. Συναγωγή καινοδιαθηκικῶν μελετῶν, ἐπιμ. Χ. Καρακόλης / π. Ἰ. Σκιαδαρέσης / Μ. Χατζηγιάννης (Ἐκδόσεις Ἄρτος Ζωῆς 56), Ἀθήνα 2012. 542 S. – Der Band enthält die folgenden Beiträge: Nr. 82. 127. 132. 146. 149. 152. 153. 196. 203. 206. 209a (um Anmerkungen erweitert). 218. 219. 224. 226. 231. 236. 237. 238. 236. Δομή καί λογική ἀκολουθία τοῦ ὕμνου τοῦ Λόγου στό Ιω 1,1–18, in: Ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου (s. Nr. 235), 33–80. – Griechische Fassung von Nr. 87. 237. Ἡ ἀποστολική περί Χριστοῦ μαρτυρία καί ἡ Παλαιά Διαθήκη. Θέσεις, in: Ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου (s. Nr. 235), 482–496. 238. Τό ἐκ τῶν Ο΄ κείμενο τοῦ Δν 7,13–14. Σκέψεις σχετικά μέ τή μορφή καί τό μήνυμά του, in: Ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου (s. Nr. 235), 497–530. – Griechische Fassung von Nr. 195. 239. Die Frage nach dem „historischen Jesus“ als theologisches Problem, in: H. Assel (Hg.), Leidenschaft für die Theologie, Leipzig 2012, 79–115. – Griechische Fassung: Nr. 249. 240. Außerkanonische Herrenworte, in: Chr. Markschies / J. Schröter (Hg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung (7. Auflage der von E. Hennecke begründeten und von W. Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apokryphen). I. Evangelien und Verwandtes. Teilband 1, Tübingen 2012, 184–189.
Bibliographie Otfried Hofius (2009–2021)
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2013 241. Das kirchliche Amt der Verkündigung bei Paulus und in den Deuteropaulinen, in: W. Eisele / Chr. Schaefer / H.-U. Weidemann (Hg.), Aneignung durch Transformation. Beiträge zur Analyse von Überlieferungsprozessen im frühen Christentum. FS Michael Theobald (HBS 74), Freiburg – Basel – Wien 2013, 339–357. 242. Das Zeugnis von dem gekreuzigten Christus und das Nein des Unglaubens (Predigtmeditation über Johannes 12,34–36.[37–41]), AuB 2013, Heft 1, 3–8. 243. Ἁμαρτία, νόμος καί χάρις κατά τόν ἀπόστολο Παῦλο, in: Σ. Ζουμπουλάκης (ἐπιμ.), Ἡ ἐπιστροφή τῆς ἠθικῆς. Παλαιά καί νέα ἐρωτήματα (Ἐκδόσεις Ἄρτος Ζωῆς 59), Ἀθήνα 2013, 53–77. – Deutsche Fassung: Nr. 248. 2014 244. „Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“? Zum Problem der Übersetzung und Auslegung von 2 Kor 5,7, ZThK 111 (2014) 271–283. – Griechische Fassung: Nr. 246. 245. Единение за трапезой Господней. Свидетельство Нового Завета, in: U. Luz (Hg.), Единство церкви в Новом Завете (Серия «Современная библеистика»), Москва 2014, 192–199. – Russische Fassung von Nr. 217 (ohne Anmerkungen). 246. «Διὰ πίστεως περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους». Το πρόβλημα της μετάφρασης και ερμηνείας του Β΄ Κορ. 5,7, in: Παύλεια. Τόμος Επετειακός επί τῃ Συμπληρώσει Είκοσι Ετών από της υπό του Σεβασμιωτάτου Μητροπολίτου Βεροίας, Ναούσης και Καμπανίας κ. Παντελεήμονος Καθιερώσεως των Εκδηλώσεων προς Τιμήν του Αγίου Ενδόξου Αποστόλου Παύλου (1995–2014), Βέροια 2014, 509–532. – Griechische Fassung von Nr. 244. 247. Die Auferweckung des Lazarus in den gottesdienstlichen Hymnen der Orthodoxen Kirche. Ein Beitrag zur Auslegungsgeschichte von Joh 11,1–44, Review of Ecumenical Studies, Sibiu 6 (2014) 428–448. – Deutsche Fassung von Nr. 226. 2015 248. „Sünde“ – „Gesetz“ – „Gnade“. Überlegungen zu drei Grundbegriffen paulinischer Theologie, in: G. C. den Hertog / M. C. Mulder / T.E van Spanje (ed.), Acta. Bundel ter gelegenheid van het afscheid van prof. dr. T. M. Hofman als hoogleraar aan de Theologische Universiteit Apeldoorn, Heerenveen 2015, 241–253. – Deutsche Fassung von Nr. 243. 249. Τό ερώτημα περί του «ιστορικού Ιησού» ως θεολογικό πρόβλημα, DBM 40 (2012) 60–85 (erschienen 2015). – Griechische Fassung von Nr. 239. 2016 250. Învierea lui Lazăr în imnografia Bisericii Ortodoxe. O contribuţie la istoria interpretării pericopei din Ioan 11, 1–44, in: A. Ioniţă (ed.), Interpretarea Biblică între Biserică şi Universitate: perspective interconfesionale (Studia Oecumenica 10), Sibiu / Cluj-Napoca 2016, 178–201. – Rumänische Fassung von Nr. 226 bzw. Nr. 247. 251. „Extra nos in Christo“. Voraussetzung und Fundament des „pro nobis“ und des „in nobis“ in der Theologie des Paulus, in: R. Rausch (Hg.), Lutherische Identität. Protestantische Positionen und Perspektiven. Herbsttagung der Luther-Akademie 2013, Hannover 2016, 69–97.
298
Bibliographie Otfried Hofius (2009–2021)
2017 252. Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung. Mk 2,1–12 als narratives Christuszeugnis, in: A. Huijgen / C.-J. Smits / E. Lempp (Hg.), Schuld und Freiheit. Festgabe für Gerard Cornelis den Hertog (DBTRP 13), Münster 2017, 7–26. 2019 253. Struktur und Gedankengang des Christushymnus Ὁ μονογενὴς Υἱός, in: Μυριώνυμον εὖχος. Τῷ Σεβασμιωτάτῳ Μητροπολίτῃ Βεροίας, Ναούσης καί Καμπανίας κ. Παντελεήμονι ἐπί τῷ χρυσῷ Ἰωβηλαίῳ Ἱερωσύνης (1969–2019) καί τῷ ἀργυρῷ Ἰωβηλαίῳ Ἀρχιερωσύνης (1994–2019), Τόμος Γ΄, Βέροια 2019, 645–654. 2021 254. Exegetische und theologische Studien (WUNT 467), Tübingen 2021. VIII, 355 S. – Der Band enthält die folgenden Beiträge: 221, 222, 223, 225, 230, 232, 239, 241, 244, 247, 248, 251, 252, 253, 255, 256, 257, 258. 255. „Abba! Vater!“, in: Exegetische und theologische Studien (s. Nr. 254), 1–19. 256. Sprachliche Probleme im griechischen Text des Vaterunsers. Zur Exegese der ersten und dritten Wir-Bitte, in: Exegetische und theologische Studien (s. Nr. 254), 21–40. 257. „In eurer Tora steht geschrieben“. Zur Auslegung von Joh 8,17; 10,34; 15,25, in: Exegetische und theologische Studien (s. Nr. 254), 57–69. 258. Das Predigtamt der Kirche und das Priestertum aller Gläubigen, in: Exegetische und theologische Studien (s. Nr. 254), 215–228.
Nachweis der Erstveröffentlichungen „Abba! Vater!“ Unveröffentlicht.
Sprachliche Probleme im griechischen Text des Vaterunsers. Zur Exegese der ersten und dritten Wir-Bitte Unveröffentlicht.
Sündenvergebung als Prärogative Gottes und Jesu Zuspruch der Sündenvergebung. Mk 2,1–12 als narratives Christuszeugnis A. Huijgen / C.-J. Smits / E. Lempp (Hg.), Schuld und Freiheit. Festgabe für Gerard Cornelis den Hertog (DBTRP 13), Münster 2017, 7–26. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise der Lit Verlag, Münster.
„In eurer Tora steht geschrieben“. Zur Auslegung von Joh 8,17; 10,34; 15,25 Unveröffentlicht.
Die Erzählung von der Fußwaschung Jesu. Joh 13,1–11 als narratives Christuszeugnis ZThK 106 (2009) 156–176.
Mensch und Schöpfung nach dem Zeugnis des Römerbriefs R. Lapko (ed.), The Letter of St. Paul to the Romans. A collection of presentations made at the International Conference organised by the Catholic University in Ružomberok (Slovakia) Faculty of Theology in Košice under the patronage of Mr. Ján Hudacky MEP. March 10, 2009 – in the Year of St. Paul, Szeged 2009, 13–30. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise Herr Prof. Dr. Dr. Róbert Lapko, Slowakische Akademie der Wissenschaften, Bratislava (Slowakei).
„Fides ex auditu“. Verkündigung und Glaube nach Römer 10,4–17 J. von Lüpke / E. Thaidigsmann (Hg.), Denkraum Katechismus. FS Oswald Bayer, Tübingen 2009, 71–86.
300
Nachweis der Erstveröffentlichungen
„Wandeln im Glauben“ – „Wandeln im Schauen“? Zum Problem der Übersetzung und Auslegung von 2 Kor 5,7 ZThK 111 (2014) 271–283.
„Extra nos in Christo“. Voraussetzung und Fundament des „pro nobis“ und des „in nobis“ in der Theologie des Paulus R. Rausch (Hg.), Lutherische Identität. Protestantische Positionen und Perspektiven. Herbsttagung der Luther-Akademie 2013, Hannover 2016, 69–97. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise die Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig.
Gottes Wort im Menschenwort. Zum Verständnis des Evangeliums bei dem Apostel Paulus Труды Минской Духовной Академии. Спецвыпүск. Arbeiten der Geistlichen Akademie Minsk. Sonderheft, Жировичи / Zirovitschi 2011, 9–16. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise Vater Viktor Wasilewitsch, der Rektor des Orthodoxen Geistlichen Seminars in Zirovitschi (Belarus).
„Sünde“ – „Gesetz“ – „Gnade“. Überlegungen zu drei Grundbegriffen paulinischer Theologie G. C. den Hertog / M. C. Mulder / T.E van Spanje (ed.), Acta. Bundel ter gelegenheid van het afscheid van prof. dr. T. M. Hofman als hoogleraar aan de Theologische Universiteit Apeldoorn, Heerenveen 2015, 241–253. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise der Verlag Royal Jongbloed, Heerenveen (Niederlande).
Das kirchliche Amt der Verkündigung bei Paulus und in den Deuteropaulinen W. Eisele / Chr. Schaefer / H.-U. Weidemann (Hg.), Aneignung durch Transformation. Beiträge zur Analyse von Überlieferungsprozessen im frühen Christentum. FS Michael Theobald (HBS 74), Freiburg – Basel – Wien 2013, 339–357. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau.
Die Ordination zum Amt der Kirche und die apostolische Sukzession nach dem Zeugnis der Pastoralbriefe ZThK 107 (2010) 261–284.
Das Predigtamt der Kirche und das Priestertum aller Gläubigen Unveröffentlicht.
Die Frage nach dem „historischen Jesus“ als theologisches Problem H. Assel (Hg.), Leidenschaft für die Theologie, Leipzig 2012, 79–115. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise die Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig.
Nachweis der Erstveröffentlichungen
301
Jesus Christus – die Mitte der Heiligen Schrift. Grundlinien des evangelischen Schriftverständnisses W. Baschkirow / H. Lichtenberger / F. Schweitzer / A. Wassin (Hg.), Was ist orthodox? Was ist evangelisch? (ThID 13), Neukirchen-Vluyn 2011, 31–44. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
Die Auferweckung des Lazarus in den gottesdienstlichen Hymnen der Orthodoxen Kirche. Ein Beitrag zur Auslegungsgeschichte von Joh 11,1–44 Review of Ecumenical Studies, Sibiu 6 (2014) 428–448. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise Herr Dr. Alexandru Ioniță, Institut für Ökumenische Forschung, Lucian Blaga Universität Sibiu (Rumänien).
Struktur und Gedankengang des Christushymnus Ὁ μονογενὴς Υἱός Μυριώνυμον εὖχος. Τῷ Σεβασμιωτάτῳ Μητροπολίτῃ Βεροίας, Ναούσης καί Καμπανίας κ. Παντελεήμονι ἐπί τῷ χρυσῷ Ἰωβηλαίῳ Ἱερωσύνης (1969–2019) καί τῷ ἀργυρῷ Ἰωβηλαίῳ Ἀρχιερωσύνης (1994–2019), Τόμος Γ΄, Βέροια 2019, 645–654. – Die Abdruckerlaubnis erteilte freundlicherweise S. E. Panteleimon, Metropolit von Veria, Naoussa und Kampania (Griechenland).
Stellenregister Altes Testament Schriften des masoretischen Kanons Genesis 1,3 161 2 f. 93, 169 2,7 93 2,9 93 2,16 f. 266 2,16b.17 168 f. 2,17b 94 3 99 3,1–19 266 3,3 169 3,17–19 99 3,22–24 94 6,3 290 12,7 LXX 138 f. 15,9–21 LXX 67 15,16 LXX 163 17,1 LXX 138 18,1 LXX 138 19,2 LXX 81 22 149 22,2 149 22,2 LXX 149 22,16 LXX 149 26,2 LXX 138 26,24 LXX 138 29,17 LXX 121 35,9 LXX 138 39,6 LXX 121 42,7 36 42,30 36 Exodus 3,2 LXX 10,17 12,10 LXX 12,46 LXX 19,6 LXX 20,2–17 23,1 LXX
138 46 67 67 218 167 115
23,20 f. 23,21 24,15–18 LXX 24,17 LXX 26,30 LXX 32,11–13 32,30–32 32,32 33,11 LXX 33,18–23 LXX 34,7 34,8 f.
47 46 f. 124 121 121 46 46 46 124 124 46 46
Leviticus 12,3 13,43 LXX 18,5 18,5 LXX 18,5b LXX 21,1–24 21,6–8 22,28
57 121 109 f., 168 109 f. 109 217 217 65
Numeri 9,12 LXX 9,15 f. LXX 11,7 LXX 12,6–8 LXX 12,8 LXX 12,8a LXX 14,13–19 14,18 21,7 27,12–23 27,18 27,18 LXX 27,20 27,23 27,23 LXX
67 121 121 124 123 f. 124 46 46 46 195 195, 199 195 204 195, 199 195
304
Register
Deuteronomium 5,6–21 8,17 LXX 9,4 LXX 9,18–20 9,21 LXX 11,9 11,30 17,6a 19,15b 21,11 LXX 27,26a 30,11–14 LXX 30,11 LXX 30,14 LXX 32,39 34,9
2. Könige 167 110 110 46 163 65 65 57 57 121 168 110 f. 111 111 f., 140 54 195, 199
Richter 19,21 LXX
81
1. Samuel 2,6 12,5–25 15,25
54 50 46, 50
1. Regnorum (LXX) 2,24 12,5–25 15,25
115 50 50
2. Samuel 12,13
43, 247
2. Regnorum (LXX) 12,13 13,30
43 115
1. Könige 8,39 14,6 α’
44 88
3. Regnorum (LXX) 2,28 10,7 14,6 A 17,18 B 18,26 20,20
115 115 88 3 3 3
5,7
54, 238
4. Regnorum (LXX) 9,5
3
Jesaja 6,5 6,7 12,4 f. LXX 12,4 12,5 14,8 18,2 σ’ 22,15 LXX 27,9 LXX 28,7 LXX 28,16 28,16 LXX 28,16b 35,4–6 40,1–11 40,6 40,8b 42,12 42,12 LXX 43,11 43,20 f. 43,20 f. LXX 43,21 LXX 43,21b 43,25 44,22 45,21 f. 48,20 48,20 LXX 49,13 52,7 LXX 52,7a LXX 52,14 LXX 53,1 LXX 53,1 vg 53,1a 53,1a LXX 53,2 f. LXX 55,12 59,20 LXX 63,16 63,16 LXX 63,16a LXX 63,7 LXX
238 43 221 222 222 97 88 275 163 218 113 113, 218 113 54, 237 237 290 238 222 219, 221 238 220 219 f. 196, 219, 221 f. 220 43 43 238 222 221 97 115, 157 115 121 115 116 115 f. 115 f. 121 97 163 17 17 3 219
305
Stellenregister 64,7 64,7 LXX
17 17
Jeremia 2,27 2,27 LXX 3,4 3,4 LXX 3,19 3,19 LXX 6,24 LXX 9,23 10,22 LXX 11,16 LXX 11,20 15,3 LXX 17,5 17,10 20,12 27,43 LXX 30,8 LXX 30,29 LXX 33,8 44,5 LXX 49,14 vg 49,23 vg
17 17 17 17 17 17 115 44 115 121 44 121 290 44 44 115 115 115 55 115 116 116
Ezechiel 1,16 LXX 1,26 LXX 16,56 LXX 27,23 LXX 36,25–29a 36,27
121 121 115 39 55 145, 147
Hosea 13,4
238
Joel 3,5a LXX 3,5b LXX 4,18b
113, 115 115 57, 67
Obadja 1,1 LXX 1,1 vg
115 116
Jona 2,3–10
110
Micha 7,18
46
Nahum 1,12 LXX
115
Habakuk 3,2 LXX
115
Sacharja 1,12–17 3,1–7 3,3–5 3,4b 13,1 14,8
43 43 43 43 57, 67 57, 67
Maleachi 2,10 3,1
17 237
Psalmen (MT) 7,10 9,12 17,1a 17,2a 19,2 25,18 26,2 32,5 35,19b 44,22 49,13 50,14 50,23 51,4 51,9–14 51,12 f. 51,13b 51,19 54,8 56,5 58,12 65,4 65,8 66,11a 67,3 68,19a 69,5a 69,31 f.
44 222 47 47 97 46 38 46 58 44 93 223 223 55 55 145 145, 147 223 223 290 44 51 54, 238 34 44 186 58 223
306 69,35 74,12 78,39 82,6a 89,10 89,27 89,27a 89,27b 96,3 98,8 103,3 105,1 106,23 107,20 107,22 107,29 111,7 vg 114,4 114,6 130,8 139,1b.2 139,23 f. 141,2
Register 97 44 290 57, 67 54, 238 17 f. 17 f. 17 222 97 44 222 46 238 223 54 116 97 97 238, 247 44 38 223
Psalmen (LXX) 3,5 3,8 4,4 5,3 5,11 7,2 7,4 9,2 9,12 9,15 9,32 13,1–3 13,1 16,6 17,7 17,30 18,5 18,5a 21,2 21,3 21,6 21,23 21,25 25,7 26,7 27,1 29,9 29,10
5, 145 3 5 3 3 3 3 220 196 196, 221 110 165 110 3, 5 5, 145 39 117 117 3 3–5, 145 5, 145 220 5, 145 220 5 5 5 221
30,23 31,1 31,2 33,7 33,18 34,23 34,25 35,2b 38,6b 39,9 39,10 42,1 f. 42,1 43,2 44,7 f. 45,9 50,17 51,3 52,2–4 54,17 55,9 56,3 56,8 60,3 61,10 62,2 63,10 65,11a 65,17 67,12 67,19a 70,15 70,17 f. 72,28 77,4 78,13 85,3 85,5 85,7 87,2 87,10 87,12 87,14 88,2 88,48b 88,49 91,3 95,2 95,3 101,22 102,1 f. 104,1 104,2
5, 145 163 165 5, 145 5, 145 3 f. 110 165 98 3 f. 221 3 39 3 4 44 221 3 165 5 222 5 3 5 98 3 196, 221 34 5 186 186 196, 221 196, 221 196, 221 221 196, 221 5 113 5 5, 145 5, 145 220 5 221 98 98 196, 221 196, 221 196, 221 221 3 221 220
307
Stellenregister 106,6 106,13 106,19 106,22 106,26 106,28 111,7 117,17 118,26 118,43 119,1 129,1 140,1 141,2 141,6 143,4 144,1 144,4 144,5 144,6
5, 145 5 5 196, 221 f. 110 5 115 220 222 258 5 5, 145 5 5 5 98 3 196, 221 220 220
Hiob 1,8 2,3 7,21 9,8 12,7 f. 14,7a LXX 14,20b 17,4 17,14 34,36 38,17 LXX 42,5 LXX 42,9 f. LXX
44 44 46 54, 238 97 100 93 17 17 17 275 115 46
Sprüche 2,12 LXX 3,28 LXX 15,11 24,12 27,1 LXX
39 25 44 44 25
Hoheslied 1,8 LXX 5,15 LXX
3 121
Qohelet 7,20
165
Daniel 2,20 2,24 2,27 3,9 3,16 LXX 3,16 θ’ 3,31–4,34 3,31–4,34 LXX 3,97[30] LXX 4,4 4,14[17] LXX 4,23[26] LXX 4,28[31] LXX 4,34 LXX 4,34a[37a] LXX 5,4 LXX 5,7 5,7 LXX 5,11 5,16 LXX 5,29 LXX 6,3[4] LXX 6,19 6,21b 7,12 LXX 7,13 f. 7,13 LXX 7,14 LXX 7,14b LXX 7,26 f. LXX 8,23 LXX 8,23 θ’ 11,44 LXX
53 35 52 53 85 85 52 52 54 52 54 54 54 45 54 54 52 54 52 f. 54 54 54 35 53 54 54 54 54 54 54 163 163 115
Esra 8,28
217
1. Chronik 28,9 29,10 29,10 LXX
44 17 3, 17
2. Chronik 9,6 LXX
115
308
Register
Zusätzliche Schriften der Septuaginta 1. Esdras 4,18 8,22
4. Makkabäer 121 44
Judith 8,3 8,15 9,4 9,12 11,7 11,23
44 44 114 f. 163 17 163
1. Makkabäer 10,35 12,15
44 39
2. Makkabäer 6,14 6,25 7,1–41 7,18 12,11
163 99 64 99 98
3. Makkabäer 5,7 6,3 6,8 6,36
3 99
Sapientia Salomonis 121 44 3 3 99 121
Tobit 2,13 S 7,10 S 10,12 12,10 13,4 14,7 S
11,12 A 18,4
17 17 17 98 f.
1,9 14,3 15,4 f. 16,7
115 17 121 98
Sirach 14,17 f. 15,11 17,10 17,11 18,4 22,26 23,1 23,4 23,16 25,2 25,24 42,18–20 43,1 45,5 48,10 50,22 hebr 51,1 hebr 51,10 51,10 hebr
290 98 220 169 222 99 17 17 121 121 99 44 121 169 45, 47 44 17 17 17
Baruch 3,9 3,29–31 4,1
169 111 169
Neues Testament Matthäus 1,1–4,16 1,20b–23 1,21 1,21b 3,14 4,18–20
238 237 247 238 85 246
4,24 5,17 5,21–48 5,22 5,28 5,32 5,34
115 67 246 63, 246 246 246 246
309
Stellenregister 5,39 246 5,44 246 6,7–9a 21 6,9a 246 6,9b–13 21 6,9b 7, 246 6,9c 27 6,10a 27 6,10b 27 6,11 22–27 6,11 vg 24 6,12 27 6,12a 22 6,12b 23 6,13 21 6,13a 27–40 6,13a it 31 6,13a syrp 37 6,13b 39 7,12 67 8,8b 238 8,21 f. 246 9,6 44 9,18 194 9,33 42 9,34 246 10,16–25 39 10,24b 88 10,28 38, 44 10,32 f. 246 11,2–6 245 11,6 246 11,7 78 11,13 67 11,20 78 11,25b.26 4, 6 11,25b 4 11,26 285 11,27 238, 289 12,28 245 13,19 39 13,53–58 234 14,1 115 14,16 85 14,22–33 238 14,33 236 16,13–20 211, 236 16,16 234, 236 16,18 211 16,19 56 16,21 239 17,3 139 17,22 f. 243
18,18 19,13 19,15 20,1–15 20,18 f. 20,22 f. 20,28 22,29 22,40 23,10 24,6 24,9–14 24,48 26,31 26,39 26,41 26,42 26,54 26,65a 27,29 v.l. 27,33 27,46 28,7 28,10
56 194 f. 194 f. 246 266 2 71 67 67 260 115 39 110 38 2, 6 38 6 240 42 4 3 3, 6, 248 236 236
Markus 1,1 1,2–13 1,2 f. 1,7 f. 1,11 1,16–20 1,28 1,40–45 1,40–42 1,45 2,1–12 2,5 2,5b 2,6 f. 2,7 2,7a 2,7b 2,8–11 2,8 2,8a 2,9 2,10 2,11 2,12b 2,14 2,15–17 2,23
4 4, 55, 238 55, 237 55 4 246 115 54 238 78 41–56, 246 f. 246 41–56, 247 43 42–44, 47, 53, 56, 246 42 247 43 44 42 43 43 f., 54 f., 247 43 f. 42, 54 246 246 78
310 3,11 f. 3,15 3,17 3,21 3,22 4,17 4,35–41 5,7 5,21–24 5,23 5,35–43 5,41 6,1–6 6,5 6,14–16 6,45–52 6,52 7,11 7,31–37 7,32 7,34 7,37 8,17 f. 8,23 8,25 8,27 f. 8,31 8,34–38 8,38 9,2–10 9,2–8 9,3 9,4 9,7 9,9 f. 9,9 9,12 9,25 9,31 9,40 10,16 10,17 f. 10,18 10,21 10,32–34 10,33 f. 10,38 f. 10,45 10,46 12,6 12,24 13,7 13,9–13
Register 4 44 3 246 246 39 54, 238 4 54 194 54 3 f., 43 234 194 234 54, 238 234 3 54 194 3 237 234 194 194 234 3 f., 55, 239, 243 56 55, 246 55 55, 238, 292 44 139 4, 55 234 55 55 4 4, 55, 243 133 194 248 248 246 4 55, 243, 266 2 4, 55, 71, 233, 240 3 4 67 115 39
13,26 f. 13,31 14,21 14,22–25 14,22–24 14,24 14,27 14,32–42 14,35 14,36 14,37 14,38 14,40 14,41 14,55–64 14,61 f. 14,62 14,63 f. 15,22 15,33 f. 15,34 15,39 16,6 f. 16,6 [16,18] [concl. brev.]
55 238 55 4 55 4 38 2 3 1–19 4 38 4 3 f., 55 55 55 55 55 3 4 3 f., 6, 248 4 234 4 194 222
Lukas 1,2 1,5–4,13 1,11 1,25 2,30 2,48 3,6 3,8 3,22 4,16–21 4,18 4,21 4,22 4,40 5,1–11 5,8 5,8b 5,10b 5,20 5,24 7,7b 7,14 7,18–23 7,23 7,36–50
215 238 139 42 237 42 237 78 121 f. 245 122 78 234 194 56 56 238 56 41 44 238 43 245 246 246
311
Stellenregister 7,44b 76 8,13 39 8,54 4, 43 9,22 239 9,26 246 9,29 121 f. 9,45 234 9,50 133 9,59 f. 246 10,20b 246 10,21b.c 4, 6 10,21b 4 10,21c 4, 8 10,22 238, 289 11,1.2a 21, 246 11,2b–4 21 11,2b 7, 10, 246 11,2bβ 27 11,2bγ 27 11,3 22–27 11,4a 22, 27 11,4b 23, 27–40 11,4b syrp 37 11,20 245 12,5 44 12,8 f. 246 12,32 4 12,45 110 13,12 43 13,13 194 15,1 f. 246 15,3–32 246 16,15 44 16,16 67 16,29 67 16,31 67 17,20 f. 245 17,21b 245 17,25 240 18,8b 44 18,10–14a 246 18,11 4, 285 18,13 4, 285 18,31–33 266 18,34 234 19,1–10 246 21,12–19 39 22,19c 88 22,27 71 22,31–43 38 22,37 240 22,40 38 22,42 2, 6
22,43 139 22,46 38 23,34 6 23,46 6, 248 24 234 24,5 243 24,7 239, 243 24,26 239, 243 24,27 67 24,34 139 24,44 240, 243 24,48 185 Johannes 1,1–51 1,1–18 1,1–9 1,1 f. 1,1 1,3 1,14 1,17 f. 1,17a 1,18 1,38 1,41 1,41b 1,42 1,45 1,45b 1,49 1,49b 1,51 2,4 2,11 2,13 2,17 2,18–22 2,19–22 2,19.21 2,22 3,1 3,6 3,10 3,14–16 3,14 f. 3,14 3,16 3,18 3,36 3,36a 4,14
238 288 272 288 f. 237, 269 272 75, 237–239, 245, 269, 272, 288, 290, 292 68, 87 57 238, 288 f. 87 3 67 3 57 67 87 67 67 75 292 69 67 244 75, 291 277 67, 76 69 290 69 272, 278 75 67, 239 240, 289 289 272 278 272
312 4,25 4,31 4,34 4,38 4,53 5,1 5,17 f. 5,18 5,24 5,25 5,37–40 5,37 5,38 5,39 f. 5,39 5,40 5,44 5,45–47 5,46 f. 5,46b 6,4 6,23 6,26–58 6,30–35 6,32bα 6,35 6,36 6,38 f. 6,40 6,41–51 6,42 6,45 6,45a 6,47–51 6,47 6,49 6,54 6,57 6,63 6,68 6,69 7,2 7,18 7,19 7,23 7,27 7,28 f. 7,30 7,33 7,37 f. 7,37b–39 7,38 7,38b
Register 3 87 290 88 83 69 69 43, 238 272, 278 267 68 121 f. 69 68 66 272 69 68 69 67 69 87 25 68 68 272 69 290 278 68 234 67 57 272 278 68 272, 278 87, 98 f. 272 87, 272 236 69 245 57, 67 57, 67, 83 234 75 75 75 57 67 67 57
7,40–43 7,42 7,49 7,51 8,12–20 8,14 8,17 f. 8,17 8,18 8,20 8,31 f. 8,42 8,45–47 8,46 8,48–59 8,48 8,52 8,56 9,2 9,7 9,11 9,15 9,22b 9,34 10,1–30 10,3 f. 10,3 10,10 10,10b 10,14 10,16 10,17 f. 10,18 10,20 10,22–39 10,25 f. 10,27 10,28 10,30 10,31–39 10,33 10,34 f. 10,34 10,35 f. 10,35 10,35b 10,36 11,1–44 11,2 11,3b 11,4 11,5 11,6–16
234 67 57 57 f. 57 75 57, 67 57–69 57 75 87 75 69 245 69 246 246 67 87 80 80 80 69 69, 83 76 76 257 278 272 76 257 75, 244, 277, 290 f. 44 246 57 69 76, 257 272, 278 57 69 43, 57, 238, 246 67 57–69 57 f. 58, 67 67 42, 238 263–279 87 266 272, 292 266 266
Stellenregister 11,7 f. 11,8 11,11 11,12 11,14 11,15 f. 11,16 11,25 f. 11,25a 11,25b.c.26 11,25b 11,25c 11,27 11,34a 11,35 11,39 11,39b 11,40 11,41 11,41b.42 11,43 f. 11,43 11,44 11,50 11,55 12,14–16 12,16 12,23 f. 12,23 12,26 12,27 12,27a 12,28 12,31 12,34 12,37–41 12,38 12,38 vg 12,41 12,42 12,45 13–19 13,1–19,42 13,1–30 13,1–11 13,1–5 13,1–4 13,1 13,1a 13,1b 13,1c 13,2–5 13,2
75 87, 266 266, 269 87 269 266 3 278 238 27 270, 277 278 236 271 271 267 268 272, 292 6 271 267 f. 43 268 83 69 67 76 290 75 77, 88 6, 75, 290 57 6 291 58, 75, 239 67, 69 115 116 292 69 289 75 72 71 71–90 79 72 72–75, 78 74–76 74–76 74, 76 74 f. 71, 74–76, 81
13,3 13,4–8 13,4 f. 13,5 13,6–11 13,6–10 13,6–8 13,6 13,6a 13,6b 13,7 13,7b 13,8aβ 13,8bβ 13,9 f. 13,9 13,9b 13,10 13,10b.c 13,10b 13,10c.11 13,10c 13,11 13,12–20 13,12–17 13,12 13,12a 13,12b–17 13,12b–16 13,12b 13,13–16 13,13 f. 13,13 13,14 f. 13,14 13,14a 13,14b 13,15 13,16 13,17 13,18–30 13,18 13,18b 13,20 13,25 f. 13,25 13,26 f. 13,27a 13,30 13,34 13,35 13,36 f. 14,2f
313 74–76 85 74–76, 78 f. 77 f., 85 78 f. 78 f., 86 79 87 79 76 f., 79, 85 76, 86 f. 76, 79 77, 79, 85 76 f., 79 f., 82–86 79 f., 86 80, 83, 87 80, 85 71, 78, 80, 83 79 79–86 75 85 72, 79, 86 71 71 f., 76, 78 f., 86, 89 f. 72 86 87 88 86, 88 88 87 4, 87 f. 88 87 f. 88 88 87 f. 87 f. 71 f., 88 72 67 f., 71 f. 57 88 72 87 75 71 71 f., 75 88 87 f. 87 77
314 14,5 14,6 14,8 14,9 14,12 14,19 f. 14,19 14,19b 14,21 14,22 14,23 14,26 14,28 14,30 14,31 15,3 15,12–17 15,12 15,13 15,14 15,15b 15,18–24 15,20 15,25 16,2a 16,5 16,10 16,11 16,17 16,27 16,28 16,30 16,33 17,1 17,2 17,4 17,5 17,6–8 17,6 17,8 17,11 17,12 17,13 17,14 17,15 17,16 17,17 17,18 17,21 17,24 17,25 17,26a 18,1
Register 87 87, 289 87 87, 289 75 76 77 99 77 87 77 76 75 291 290 86 88 f. 87 f. 76 88 87 58 88 57–69 69 75 75 291 75 75 75 75 291 6, 75 87, 272 44, 290 6, 292 289 87 75 6, 75 67 f. 75 87 39 87 87 88 6 6, 77, 292 6 87 75
18,4–8 18,11 18,28 18,31 18,36 19,3 19,7 19,10 19,13 19,14 19,17 19,23 f. 19,23 19,24 19,28 19,30 19,36 f. 19,36 19,42 20,2 20,9 20,13 20,16 20,17 20,18 20,20 20,21 20,22 f. 20,24 20,25 20,28 20,29 20,31 21,2 21,7 21,12 21,15–17 21,20 f.
75 2, 75, 290 75 57 f. 75 4 57, 69, 238 44 3 75 75 67 83 67 f. 67, 72 75, 248 67 f. 67 69 87 67, 76, 239, 244 87 3, 87 75 87 87 88, 278 56 3 87 4, 87, 285 123 272 3 87 87 87 87
Apostelgeschichte 1,1–8 1,3 1,8 1,19 1,21 f. 1,22 1,22b 1,24 2,3 2,23 f. 2,23 2,25–36 2,32
234 139 185 3 234 185 234 44 139 240, 244 240 244 185, 234
315
Stellenregister 2,36 2,42 3,13–15 3,15 3,18 4,10 f. 4,12 4,14 4,27 f. 4,33 4,36 5,30 f. 5,30 5,32 6,1–6 6,4 6,6 7,2 7,26 7,30 7,35 8,4–40 8,17–19 9,12 9,14 9,17 f. 9,17 9,36 10,36 10,39–41 10,39 f. 10,39 10,41 11,27 f. 11,30 13,1–3 13,1 f. 13,3 13,15 13,27–30 13,27–29 13,29 13,30 f. 13,31 13,32–39 14,4 14,14 14,23 15,8 15,32 16,9 16,11 17,2 f.
244 207 240 185, 234 240 240 238 185 240 206 3 240 266 185 193 196, 215 193–195, 207 139 139 139 139 187 195 194 44 194 f. 139 3 113, 185 234 240 266 185 183 197 193, 201 183 193, 195, 207 206 240 240 266 234 139, 185 244 185 88 193 f., 197, 207 44 183 139 25 240, 244
19,6 20,7–12 20,15 20,17 20,24 20,27 f. 20,28 21,4 21,8 21,10 f. 21,18 22,15 22,20 26,16 26,22 f. 26,22 26,22b.23 28,8 28,23
195 207 25 188, 197, 173 215 240 187 f., 193 f., 196 f. 183 187, 196 183 25, 197 185 185 139, 185 244 67 240 194 67
Römer 1,1–4 1,1 1,3 f. 1,3a 1,3b.4a 1,5 1,9 1,15 1,16 f. 1,16 1,17 1,18–3,20 1,18–32 1,18 1,19 1,21a 1,21b 1,22–24 1,22 f. 1,22 1,24 1,25–27 1,25 1,26 f. 1,26 1,28–32 1,28a 1,28b–32 1,28b
155 109, 140, 154, 158 f., 210 136 117 244 115, 158, 182 109, 117, 136, 140, 154 f., 159, 173 109, 157 107 f., 112, 132, 140 f., 160 94, 109, 112, 154, 160, 206, 210 107, 164 f. 91, 107 f., 136 166 92, 112, 164 134 92, 164–166 166 166 164–166 166 166 166 92, 164 166 166 166 165 f. 166 166
316 2,5 2,7 2,8 2,10 2,12 2,13 2,15 2,16 2,21 2,27 3,3 3,5 3,7 3,9–20 3,9 3,9b 3,10 3,10b–12a.18 3,10b 3,19 3,20 3,21–4,25 3,21–30 3,21–26 3,21 f. 3,21 3,22 3,22b.23 3,22b 3,23 f. 3,23 3,24 3,25 f. 3,26 3,28 3,30 3,31 4,1 4,2 4,3 4,3a 4,5 f. 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 4,11 4,11a 4,13 4,15 4,16
Register 112 93, 167 112, 164 93 112, 165 107, 165, 168 145 109, 154 178 129 f. 174 112, 149, 164 164 167 92, 163, 165, 167 165 165 165 164 58 163, 165, 168 f. 94, 132, 141 107 108 107, 164 67, 94, 108 f. 107 f., 118, 132, 141 91 167 170 92 f., 136, 165, 167, 170 102, 112, 128, 134, 165, 170 107, 164 96, 118, 132, 141, 164 f. 96, 112, 165, 168 95, 165 58 149 165, 168 106, 164 58 106, 164 92, 164 f. 168 163 165 164 129 f., 164 107 107, 164 112 170
4,17 159 4,22 164 4,23–25 107 4,25 111, 133, 165, 172 5 104 5,1–11 94, 107 5,1–5 146 5,1 f. 95, 109, 132, 141 5,1 112, 165 5,2 92 f., 167, 170 5,3–5 114 5,3 95, 101 5,5 134, 140, 146 5,5b 109 5,6–11 138, 171 5,6–10 92, 136 5,6 92, 107, 133, 138, 146, 164, 172 5,7 f. 149 5,8–10 112, 151 5,8 f. 95, 151 5,8 92, 107, 133, 138, 146, 164, 172 5,9 f. 112 5,9 112, 165 5,10 92, 95, 107, 136, 138, 151, 155, 164, 172 5,10a 151 5,10b 151 5,11 101 5,11b 109 5,12–21 91 f., 94, 104, 107, 136, 170 5,12 f. 163 5,12 92, 165 f. 5,13 165 5,14 165, 171 5,15–19 107, 138 5,15–17 104, 113 5,15 105, 170, 173 5,16 136, 165, 168 5,16b 92, 171 5,17 f. 167 5,17 92, 106, 164, 170, 173 5,17b 94, 109 5,18 92, 136, 165, 168, 171 5,18a 92 5,18b 94 5,19 164 f. 5,20 f. 163, 170, 173 5,20 165 5,20b.21 104
Stellenregister 5,21
92, 106 f., 164 f., 167, 173, 175 5,21b 94 6 144 6,1–7,6 174 6,1–14 137, 240 6,1–11 172, 174 6,1 f. 163, 165 6,1 149, 170, 173 6,4 f. 172 6,4 94, 129 6,5 171 6,6 f. 163, 165, 174 6,6 128, 165–167, 170 6,8a 102 6,9 f. 172 6,9 101 6,10–14 163, 165 6,11 94, 144, 174 6,12–18 165 6,12 94 f. 6,13 164 6,14 f. 170 6,14b 173 6,15 165, 173 6,16–18 163, 165 6,16 164 6,17 109, 184 6,18–20 164 6,20 f. 91 6,20 163, 165 6,22 f. 92, 94, 163, 165, 167 6,22 94 6,23 175 6,23a 91, 167 6,23b 94 7,1 129 7,4 137, 143 f., 172 f. 7,5 f. 143 7,5 91, 144, 163, 166 7,6 94, 172 7,7–25a 91, 107, 136, 165 7,7–13 168 f. 7,7–9 163, 165 7,7 149, 171 7,10b 169 7,11 163, 165 7,12a 168 7,12b 168 7,13 f. 163, 165 7,14–23 165 7,14 165 7,14a 168
317
7,14b 166 7,16 168 7,17 144, 163, 165, 173 7,17 v.l. 144 7,18 144, 166 7,20 144, 163, 165, 173 7,23 163, 165 7,24 f. 94 7,24.25a 94 7,24 94, 167 7,25b 163 8 104 8,1–17 6, 94, 149, 174 8,1–11 94 8,1–4 104, 108, 171 8,1 92, 136, 143, 168, 172 f. 8,2 f. 163, 165 8,2 94, 113, 143, 147 8,3–9 166 8,3 f. 138, 155 8,3 111, 136, 146, 240 8,3a 169 8,3b.4 172 8,3b 171 8,4 130, 134, 144 8,5–8 91, 136 8,5 144 8,6–8 107 8,7 92, 164, 168 8,8 144 8,9–11 107, 134, 173 8,9 f. 143 8,9 95, 142 f., 173 8,9a 143 f. 8,9b 143 8,10 f. 94, 102 8,10 94, 163–165, 167 8,10a 143 8,11 94 f., 104, 145, 150 8,11a 143 8,11b 143 8,12 f. 166, 174 8,14–16 6 8,14 5, 143 8,15–17 101 8,15 f. 94 8,15 1–19, 140, 145, 147 8,16 f. 146 8,16 145 8,17 93, 95 f. 8,18–30 6, 96, 103, 147, 150 8,18–25 91–104, 146 8,18–22 97
318 8,18 8,19–30 8,19–22 8,19 8,20 8,21 8,22 8,23–25 8,23 8,23b 8,24 8,24a 8,24b 8,25 8,26 f. 8,27 8,28–30 8,28 8,29 f. 8,29 8,30 8,30c 8,31–39 8,31–34 8,31 f. 8,31 8,31a 8,31b.32 8,32 8,32a 8,33–37 8,33 f. 8,33 8,34 8,35–37 8,35 f. 8,38 f. 8,39 9–11 9,1–5 9,1 9,10 9,12 9,14 9,21 9,23 9,28 9,30–10,3 9,30–33 9,30 f. 9,30
Register 6, 93, 96 f., 103, 146 f., 167 97 97 97, 101, 103 97 f., 100 92 f., 97, 100, 146, 167 101 146 97, 101 f., 128, 143, 145 102 100, 112 102, 104 102 102, 129, 131 146 44, 133 107, 148 f. 96, 101 93, 96, 114 96, 102, 136, 146 97, 165 96 149 133 137 133 149 149 104, 111, 133, 136, 149, 155, 172 149 f. 149 149 148 104, 133, 172 149 95 95–97, 149 134, 150 105, 115 109 145 101 168 149 44, 113 93 44 106 f. 109, 132, 141 106, 164 107, 149
9,32 168 9,32a 107 9,33 113 10 105 10,1–3 105 10,1 112 10,2 f. 107 f. 10,2 107 10,3–6 164 10,3 107–109, 164 10,3b 115 10,4–17 105–120, 157 10,4–15 132, 141 10,4 105 f., 108–110 10,5–17 105 f., 108 f. 10,5–8 109–111 10,5 105, 107, 109, 111 f., 168 10,6–17 140 10,6–10 108 10,6–8 109 f., 112–114, 116 10,6 f. 111, 114 10,6 105, 107, 111 10,6a 111 10,7 110 10,8 105, 109, 111 f., 114, 116 f., 140, 156 f. 10,9–17 109, 112–117 10,9–13 112 f., 145 10,9 f. 105, 112 f., 115 f. 10,9 5, 112, 142 10,10 106, 112 f., 164 10,11–13 112 f. 10,11 105, 112 f., 115 10,12 f. 105, 112 10,12 113 f., 167 10,13 105, 112 f., 115 10,14–17 105, 112, 114–117 10,14 f. 105, 109, 111, 113, 157 10,14.15a 114 10,14 105, 115, 118, 132, 141 10,14b 114 10,15 109, 157 10,15a 114 10,15b 115, 117 10,16 f. 105, 109, 115, 156 10,16 105 f., 109, 111, 115 f., 154, 156 f. 10,16a 115 10,16b 115 f. 10,17 105, 111, 116, 140, 155, 157 10,17a 116 10,17a vg 119
Stellenregister 10,17b 10,18–21 10,18 10,18b 10,19 10,21 11,1 11,5 f. 11,5 11,6 11,11 11,13 11,26 11,26b 11,27b 11,28 12,1 12,3 12,4 12,6–8 12,6 12,7 12,19 13,8–10 13,11 13,14 14,7–9 14,7 14,8 14,8b 14,9 14,15 14,20 14,23 15,1–6 15,4 15,7 15,15–21 15,15 f. 15,16 15,19 15,20 f. 15,20 15,29 15,31 16,7 16,17 [16,25–27] [16,25]
114, 116 105 115, 117 117 105 108 105 170 96 168 105, 112 105, 158, 215 112 163 163 109, 154 212, 223 116, 182, 201 113 184 182–184 184, 206 112 174 112 166 173 179 174 95, 143 133, 143, 172 130, 133, 172 129, 131, 155 163, 165 89 67 89 140 182 109, 140, 154, 159 109, 111, 117, 140, 154, 156, 173 114 109, 157 154 39 185 184 155 155 f.
1. Korinther 1,1
158
1,4–9 1,4 f. 1,6 1,9 1,10–4,21 1,10 1,12 1,13 1,17 1,17b 1,18–2,16 1,18–25 1,18 1,21 1,23 1,24 1,26–31 1,30 1,30b 2,1 f. 2,1 2,4 f. 2,4 2,6–16 2,6 f. 2,7 2,8 2,8b 2,9.10a 2,9 2,9b 2,10 2,10a 2,11 2,12 2,12b 2,13 2,16b 3,5 3,9–17 3,9 3,10–17 3,10–15 3,10 f. 3,10 3,10b 3,10bα 3,10bβ 3,11 3,12–15 3,12 3,13 3,14
319 148 134 134, 156, 206 136, 143, 148 178 113, 178 143 133, 172 114, 157, 180, 183 178 108, 237 139 112, 139 f., 156, 160, 178 112, 156, 183 118, 138, 156 f., 178, 183 156 148 106, 137 f., 143, 164, 173 179 118, 178 157, 183 140, 160 156, 159, 183 140, 185, 234 130, 156 f., 183 93, 167 179, 237 136, 292 185 139 179 140 179 179 140, 179 179 130, 156 f., 183 143 159, 177, 181, 215 218 178 178–180 181 191 178 f., 182 178 f. 178 179 f. 179, 259 180 178, 180 180 178, 180
320 3,15 3,16 f. 3,16 3,17 3,23 4,1 4,2 4,9–13 4,9 4,15 4,17 5,5 6,1 6,4 6,9 6,11 6,19 f. 6,19 7,17 7,19 7,40 8,11 9,1 f. 9,1 9,4–6 9,5 9,6 9,8 9,12 9,14 9,16 9,18 9,23 9,27 10,4 10,13 10,33 11,4 f. 11,24 11,24b 11,24c 11,25c 11,26 12–14 12,1 12,2 12,3 12,4–6 12,8–10 12,8 12,10 12,27
Register 112, 180 178, 180 134, 143 180 143, 173 159, 177, 197 154 95 158, 181 154, 183 177 112 164 180 164 165 143 134, 143, 218 129 174 143 133 158, 180 157 44 158, 180 f. 177, 180 58 117, 140, 154, 173, 183 111, 154, 156 f., 177, 180, 183 157, 183 111, 154, 157, 183 154, 183 157, 183 113 32, 148 112 182, 184 172 133 88 88 183 182–184 182 5, 143 5, 113, 145, 179, 183 113 184 184 182–184 180
12,28 f. 158, 180–185 12,28 180 f., 187, 189 f. 12,28a 180 f., 195 12,28b 180 f. 12,29 181 12,30 183 13,1 f. 184 13,1 183 13,2 182, 184 13,6 164 13,8 182, 184 13,9 182, 184 13,12 126, 131 14 190 14,1–12 183 14,1 182, 184 14,2–6 183 14,3–5 182, 184 14,3 183 14,3b.4 240 14,6 182–184 14,9 183 14,11 183 14,13 183 14,18 f. 183 14,19 183 14,21 58, 183 14,22 182, 184 14,23–25 184 14,23 183 14,24 182, 184 14,25 134 14,26 183 f. 14,27–29 183 14,29 f. 183 14,29 182–184 14,30 183 14,31 182–184 14,32 182, 184 14,34 f. 183 14,34 58 14,36 116, 140, 154, 183 14,37 182, 184 14,39 183 f. 15 150 15,1–23 240 15,1–19 118 15,1–11 138–140, 158, 191, 234 15,1 f. 111, 118, 140, 156 f., 183, 191 15,1 154, 156, 183 15,2 112, 155 15,2a 118
Stellenregister 15,3 f. 15,3 15,3a 15,3b–5 15,3b.4 15,5 15,6–8 15,7 15,8 15,9 f. 15,9 15,11 f. 15,11 15,11b 15,12–23 15,12–19 15,12 15,14 15,14b 15,14c 15,15 15,17 15,17b 15,18 15,20–23 15,23 15,28 15,32 15,35–57 15,35 15,39 15,42–49 15,42 15,43 15,44 15,49 15,50–57 15,50 15,53 f. 15,55 v.l. 15,56 16,3 16,5 16,22
67 163 191 118, 138, 140, 142, 155, 191 f. 172 139 139 158, 181 158 158, 182 158, 181 157, 183 42, 118, 142, 183 118, 191 240 139 118, 156, 191 142, 156, 183 118 118 118 163 118 112, 118 150 143, 150 136 95 102 105 113 93 92 93, 167 128 96 150 92 92 275 163, 165 129, 131 129 147
2. Korinther 1,1 1,3–14 1,3–11 1,6 f. 1,8–11 1,11
158 127 95 127 127 127
1,12–14 1,18–22 1,18 1,19 f. 1,19 1,21 1,22 1,24 2,4 2,12 2,14–7,4 2,14–6,10 2,14–3,6 2,14–17 2,14 2,15 f. 2,15 2,16 2,17 2,17a 2,17b 3,1–3 3,2 f. 3,4–4,6 3,4–9 3,6 3,7 3,8 3,9 3,9b 3,12 f. 3,15 3,18 4,1–6 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7–5,10 4,7–18 4,7–16 4,7–15 4,7 4,8–10 4,10 4,11 4,12 4,13–15
321 127 127 127 155 118, 136, 156 f., 177 127 128, 134, 140, 145 127 129, 131 117, 140, 154, 173 127 160 127 127 108, 160 f. 150 112 167 116, 130, 140, 142, 154, 157 156 156 127 140 f., 159 127 168 140 f., 159, 215 168 140 f., 215 136, 164, 168 215 127 109 93, 127 127 128 f., 215 116, 128, 140, 142, 157, 161, 170 112, 134, 156 130, 134, 140, 155, 161, 173 113, 118, 127, 156 f. 108, 134, 141, 161, 234 127–131 95 127 127 131 128, 170 128 128 127, 134 127
322 4,13 4,14 4,16–5,10 4,16 4,17–5,1 4,17 4,18 5,1–10 5,1–5 5,1 5,2–6 5,2–5 5,2 5,4 5,5 5,6–8 5,6 5,6b 5,7 5,8 f. 5,8 5,9 f. 5,9 5,10 5,11–6,10 5,11–16 5,11–13 5,12 5,14–21 5,14b.15 5,14b.15a 5,14b 5,15 5,15a 5,15b 5,16 5,17 5,18–21 5,18 5,18a 5,19 5,19a 5,19c 5,21 5,21a 5,21b 6,1–10 6,1 f. 6,1 6,3 f. 6,3 6,4–10
Register 113, 130, 157 101, 127 f., 130 127, 146 128 f. 127 93, 95, 128, 167 128, 130 127 96, 102, 130 101, 128, 130 127 128 102 102, 167 140, 145 121, 125, 127–129 128 f., 131 125 121–132 127 128 f., 131, 150 131 129 127 f. 127 127 127 128, 170 137, 161, 171–173, 240 172 133 172 174 172 133, 144, 172 179 143, 173 137, 172 f., 179 215 137 134, 137, 140, 155, 172 134 128, 170 107, 133, 163 f., 171 f., 245 172 172 127 161 127, 170 128, 170 215 95
6,4 6,8 7,5 7,10 8,7–9 8,7 8,9 8,14 8,18 8,19 8,23 9,11 9,13 10,1 f. 10,2 10,3 10,4–6 10,7 10,14 10,16 11,4 11,6 11,7 11,13 11,23–33 12,10 12,12 13,3 13,5
215 129, 131 95, 128, 170 112 89 105 170 96 154, 177 101, 128, 170 88, 185 128, 170 117, 128, 140, 154, 170, 173 129 129 129, 166 128, 170 143 117, 140, 154, 173 157 118, 140, 157, 186 128, 170 111, 140, 154, 156 f., 163 158, 215 95 95 158 134 134
Galater 1,1–5 1,1 1,4 1,5 f. 1,6–9 1,6 1,7 1,8 f. 1,11 f. 1,11 1,12 1,15 f. 1,15.16a 1,15 1,16 1,16a 1,17 1,19 2,2 2,5 2,7
172 158 163 157, 234 186 157 117, 140, 154, 157, 173 157 139, 157, 185, 234 111, 154, 156 f. 158 139, 185 158 182, 201 118, 136, 156–158 134 158 158 111, 154, 156 f. 142, 154, 157 154, 157
323
Stellenregister 2,9 2,15 2,16 f. 2,16 2,16a.b.c 2,16a 2,16b 2,17 2,19–21 2,19 f. 2,19 2,19a 2,19b.20 2,20 2,20a 2,20b 2,21 2,21b 3,1–14 3,1 3,2 3,3 3,5 3,6–4,7 3,6–14 3,6 3,8 3,10–14 3,10–12 3,10 f. 3,10 3,10b 3,11 3,12 3,12b 3,13 f. 3,13 3,13a 3,19a 3,21–29 3,21 3,21b 3,22 3,23–4,7 3,24 3,26 v.l. 3,29 4,1–3 4,2 4,4–7 4,4–6 4,4 f.
154, 157, 182 164 112, 165 101, 118, 132, 141, 169 168 132, 141 132, 141 138, 163–165 173 f. 137, 148, 172, 240 144, 148 174 174 118, 132, 136, 141, 155, 166, 172 134, 143, 148 130, 133, 148 106, 164, 170, 174 169 132 118 115 f., 140, 156, 168 166 115 f., 134, 140, 156, 168 110 141 106, 115, 164 165 108 136 110 168 168 165, 169, 179 110 168 138, 140, 171 133, 168, 172, 239, 266 172 168 132, 141 106 f., 164 169 118, 132, 141, 163, 165 6 112, 165 118 143 138 138 6 155 108, 138, 171, 240
4,4 4,4b.5 4,4b 4,5 4,6 4,8 4,9 4,13 4,16 4,19 4,21–31 4,21b 4,23 5,1 5,2 5,4 5,5 5,6 5,7 5,13–6,10 5,13 f. 5,13 5,16 f. 5,16 5,18 5,19–23 5,19 5,19a 5,19b–21a 5,22.23a 5,22 5,24 6,2 6,6 6,8 6,15
111, 136, 138 172 172 138 1–19, 134, 136, 140, 142, 145, 147 105 146 157 157 134 110 58 116, 201 102 148 148, 165, 170 106, 146, 164 174 142, 157 148, 174 174 166 166 130, 174 5, 143 144 166 166 166 174 174 143, 166 89, 174 154, 184 166 f. 174
Epheser 1,1 1,6 f. 1,13 2,6 f. 2,10 2,11–3,13 2,13–18 2,13 2,14–18 2,15 f. 2,19–22 2,20 3,1–7 3,4 f.
158 134 140, 155, 157, 258 134 134 192 179 134 155 134 218 158, 187, 211, 252 185, 187 187
324 3,5 3,6 3,7 3,8 3,17 4,7–16 4,7 4,9 f. 4,9 4,10 4,11–16 4,11 4,12 4,13–16 4,13 4,14 4,15 4,32 5,2 5,2 v.l. 5,25 6,15 6,16 6,19
Register 158 154 182, 215 157 134, 143 186–188, 192 188 186 186 186 186 158, 186, 189 f., 195–197, 226 187 f. 191 136, 188 188 188 134 89, 133 133 89, 133 140, 155, 190 39 154
Philipper 1,1 f. 1,1 1,5 1,6 1,7 1,11 1,12–14 1,12 1,14–18 1,14 1,14 v.l. 1,15–18 1,15 1,16 1,17 f. 1,17 1,18 1,18b 1,19 1,22 1,23 1,24 1,27–2,18 1,27 1,27a 1,27b
185 185, 188, 197 154 134, 148 154 164 95 154, 185 185 f. 111, 130, 154, 156 f., 185 140 185 118, 156 f., 185 154, 185 118, 156 f. 185 186 105 112, 142 166 125, 150 166 89 173 117, 140, 154 154
1,28 1,29 f. 1,29 2,5 2,6–11 2,11 2,12 f. 2,12 2,13 2,16 2,19–22 2,22 2,25 3,6 3,7–11 3,8 3,9 3,19 3,20 f. 3,21 4,3 4,9 4,10–20 4,14 4,15 4,18
112 95 118, 132, 141 134 244 5, 113 148 112, 148 134, 148 185 177 154, 159 88, 185 164 132, 141, 234 161 107, 118, 132, 141, 143, 164 112 96, 102, 150 93, 128, 167 154 184 197 95 154 223
Kolosser 1,1 1,5 1,7 1,13 1,14 1,15 1,19 f. 1,19 1,21–23 1,23 1,24 1,25 1,27 1,28 1,29 2,7 2,9 3,4 3,13 3,15 3,16 4,3 4,7
158 154, 157, 258 177, 184, 215 136 134 237 134 137, 237 179 154, 156 f., 215 95 140, 154, 156 93, 134 156, 190 134 184 137, 237 93 89 134 140, 154, 190 154 215
325
Stellenregister 1. Thessalonicher 1,3 1,4–10 1,4 f. 1,5 f. 1,5 1,6 1,8 1,10 2,2 2,3 2,4 2,7 2,8 f. 2,9–12 2,9 2,12 2,13 2,14 2,16 3,1–13 3,2 3,3 f. 3,7 3,12 f. 4,1–12 4,8 4,13–17 4,14 4,17 4,17b 5,9 f. 5,9 5,10 5,19–22 5,20 5,22 5,23 f. 5,24
160 160 148 140, 158 f. 156, 159 95, 154 85, 155, 158 112, 136, 150, 155 111, 130, 140, 154, 156–158 156 44, 130, 154, 157 f. 158 140, 154, 158 160 111, 156 f. 93, 160, 167 115 f., 134, 140, 148, 154, 156, 158–160 95, 160 112, 130, 157, 163 160 117, 140, 154, 173 95 95 160 160 140 150 133, 142, 172 150 125 150, 160 112 133, 150, 172 f. 184 182, 184 121 148, 160 148
2. Thessalonicher 1,4 1,6 1,8 1,10 2,10 2,13 f. 2,13 2,14 2,15
95 95 140, 154 156 112 148 112 93, 156 184
3,1 3,2 3,3
155 39 39, 148
1. Timotheus 1,1 1,3–11 1,10 1,11 1,12 1,15 f. 1,15 1,16 1,17 1,18–20 1,18.19a 1,18 1,18b 2,3 2,4 2,5–7 2,5 f. 2,5 2,6 2,6a 2,6b 2,7 3,1–7 3,1 3,2 3,8–13 3,8–10 3,9 3,11 3,15 3,15b 3,16 3,16b 4,1–11 4,1 4,3 4,6 4,8 4,10 4,11–16 4,11 4,12–16 4,13 4,14 4,16 5,1 5,8 5,17
158, 212 206 184, 189, 208 155 f., 207, 210, 258 196 213 209, 212 f. 212 f. 289 206 193, 202 202 202 212 207, 213, 258 179, 212 f. 209 192 133, 212 212 212 158, 207, 210 188, 193, 196, 200 196 f. 196 f. 196 196 207 196 207 258 156 f., 207 139, 209 206 207 207 184, 189, 207–209, 213 212 212 213 206, 210 206 156, 206–208, 210 189, 193–195, 198–207 184, 189, 206, 208, 213 188, 197 207 156, 188, 197, 206, 208
326 5,19 5,22 6,1 6,2 6,3–5 6,3 6,8 6,9 6,10 6,11–16 6,12 f. 6,12 6,12a 6,12b 6,13 6,14 6,16a 6,19 6,20 f. 6,20
Register 188, 197 189, 193 f., 200, 206 189, 208 210 206 f. 189, 207 f. 25 29 207 193 209 209, 212 202 193, 202 f., 208 f. 208 f. 206 289 212 206 189, 206, 208, 258
2,18 2,24–26 2,25 3,7 f. 3,7 3,10 f. 3,10 3,14 4,2 4,3 4,4 4,5 4,7.8a 4,7 4,17 4,18
158, 212 189, 193–195, 198 f., 201, 203–206 205 204 f. 207, 258 154, 202, 205, 207, 210, 212 206 206 179 209, 237 212 f. 212 154, 192, 207, 212, 291 212 158, 210 189, 208, 258 193, 208 134, 143, 189, 206, 208 f., 258 199 189, 193, 200, 202 f., 207 f., 210 202 213 155, 207, 209 140, 154, 207 212 f. 206 157, 189, 206 f., 213, 258
1,4 1,5–9 1,5 f. 1,5 1,6 1,7–9 1,7 1,9 1,10–16 1,13 1,14 2,1 2,5 2,7 2,10 2,13 f. 2,14 3,4–7 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8–11 3,14
2. Timotheus 1,1 1,6 1,7 f. 1,7 1,8–11 1,8 1,8a 1,8b 1,9–11 1,9 f. 1,9 1,10 f. 1,10 1,10b 1,11 1,12 1,13 1,14 2,1 2,2 2,3 2,8–10 2,8 2,9 2,10 2,14–4,5 2,15
207 200 207, 213, 258 207 213 202 206, 208 206 154, 157, 206 f., 210 189, 208 207 196, 202, 206, 210 202 202 156 39
Titus 1,1 1,2 1,3
158, 207, 213 212 140, 154, 156 f., 159, 207, 210, 212, 258 207, 212 188, 197 193 188, 197, 200, 206 197, 200 193, 200 196 f. 189, 207 f. 206 207 207 189, 208, 212 140, 154, 207 206, 208 189, 208, 212 209 133 209 212, 237 204, 212 f. 212 212 206 26
Philemon 13 154 22 201
327
Stellenregister Hebräer 1,1–4 1,3 1,3a 1,8 f. 2,5–18 2,10–17 2,18 3,1 4,2 4,2 vg 4,14–5,10 4,14 4,15 4,16 6,2 6,17 7,1–10,18 7,25 7,26 9,14 9,26b 10,1–10 10,5–10 10,7 10,10 10,14 10,19–22 10,22 10,23 12,5 13,7 13,8 13,10 13,15 13,16 13,17 13,22 13,24
216 287 237 4 216 240 170 209, 216 115 116 216 209 245 195, 216 195 170 216 133, 216 245 195, 216 240 290 240 4, 285 195 195 195 216 209 111 197, 216 240 44, 195 195, 216, 223 223 197, 216 206 197, 216
Jakobus 1,18 2,16 5,14 5,15
258 26 197 163
1. Petrus 1,3–12 1,10–12 1,12 1,15 f. 1,16
225 218 222, 225 223 218
1,17 1,19 1,21 1,23–25 1,24 1,25 2,4–10 2,4 f. 2,5–10 2,5 2,6–10 2,6–8 2,6 f. 2,6 2,9 2,11 f. 2,21 2,22 2,24 2,25 3,1–17 3,15 3,18 3,19 4,6 4,11a 5,1–4 5,1 5,2 f. 5,2 5,3 f.
6 245 225 225 f. 218 222 195, 218, 223 218 220 218, 223, 226 218, 221 226 225 218 196, 218–227 223 89, 223 163, 245 266 196 f. 223 225 245 222 222 222, 225 225 197 187 196 197
1. Johannes 1,7b 2,6 2,13 f. 3,5 3,12 3,16 4,2b 4,9 f. 4,9 5,18 5,20 5,20a 5,20b
86 89 39 245 39 89 290 240 289 39 f. 289 238 238, 292
2. Johannes 7 290 Apokalypse 1,5b.6
195
328 1,6a 1,17b.18 1,18 3,10 4 f. 4,11 5,9b.10 5,10a 6,8 6,10 7,14 f. 7,14b–17
Register 217 291 275 38 217 4 195, 217 217 275 4 195 217
7,15 11,6 12,11 13,14 15,3 18,4 18,7 20,6 20,13 f. 22,3–5 22,3 f. 22,3
217 44 98 98 4 4 110 195, 217 275 217 195 217
Pseudepigraphen des Alten Testaments Kopt. Apokalypse des Elia
4. Esra
19,11
3,14 7,11 f. 8,1 8,44 10,9 14,30
137, 237
Apokalypse des Esdras 7,5
4
Apokalypse des Mose 20,2 21,6 32,2
93 93 4, 8
Apokalypse des Sedrach 16,7
39
Apokryphe Psalmen 155,11
35 f.
Aristeasbrief 38 58, 66 77 98 168 58 292 98 Griech. Baruchapokalypse 4,15 4,16
93 93
Syr. Baruchapokalypse 14,17 f. 38,2 56,5 f. 67,6 85,2
99 169 99 107 46
67 99 99 99 97 169
Ezechiel-Apokryphon Frgm. 3
17
Äth. Henochbuch 22,14 25,3 25,7 27,3 27,5 36,4 40,3 63,2 75,3 83,8
137, 237 137, 237 137, 237 137, 237 137, 237 137, 237 137, 237 137, 237 137, 237 137, 237
Griech. Henochbuch 2,14 25,4 27,3 27,5 103,5
137, 237 44 137, 237 137, 237 94
Slaw. Henochbuch 53,1 64,5
46 46 f.
329
Stellenregister Joseph und Aseneth
Sibyllinen
15,1–8 20,1–5
45 76
2,344 f.
99 149 149 45, 47
Bodl. a, 14 Bodl. a, 21–23 Bodl. a, 21 Bodl. a, 23 Bodl. b, 3 Bodl. b, 4 Bodl. b, 10 Bodl. b, 21 Bodl. c, 12 Bodl. c, 13 Cambr. a, 18
Jubiläenbuch 3,25 18,2 18,15 41,23–25
Liber Antiquitatum Biblicarum 37,3
99
Paralipomena Jeremiae 2,3 5,32 6,9 9,3 9,25
46 4 4 4 4
Syr. Psalmen III 11
35 f.
Psalmen Salomos 4,23 14,2 14,8 18,6
39 169 44 115
39
Aram. Testament Levis (CTLevi ar.) 9 9 9 2, 9 f. 10 10 53 53 9 53 9
Testamente der 12 Patriarchen Ruben 4,10
39
Levi 2,10 9,11 18,9
222 80 45, 47
Vitae Prophetarum IV 4 IV 12 IV 15
52 52 46, 52
Qumrantexte Damaskusschrift (CD) 13,9 f. 14,19
45, 47 45, 47
Gemeinderegel (1QS) 4,20–23 8,5–10 9,3–5 10,6
55 218 223 223
Loblieder (1QH) 7,21 9,30 9,33 11,23
290 221 221 221
12,29 17,16 19,6 19,24
290 290 221 221
Genesis-Apokryphon (1QGenAp ar [1Q20]) II 19 II 24 III 3 XXII 30
9 9 9 53
Aram. Testament Levis 1QTestLevi ar (1Q21) Frgm. 29,1 9
330
Register
4QTestLevib ar (4Q213a) Frgm. 1 II 12 9
4QVisions of Amramd ar (4Q546) Frgm. 2,3
4QTestLevic ar (4Q213b) 4 9
6QEnGiants ar (6Q8) Frgm. 1,4
Florilegium (4QFlor [4Q174]) III 6 f.
9
9
Psalmenrolle (11QPsa [11Q5])
223
XIX 8 f. XXIV 3–17 XXIV 6 f. XXIV 8 XXIV 10 XXIV 11
4QTobit 4QToba ar (4Q196) Frgm. 2,9 9 Frgm. 14 I 6 9 Frgm. 14 II 11 9 4QTobb ar (4Q197) Frgm. 4 I 17 10 Frgm. 4 II 10 9 Frgm. 4 III 8 9
221 35–37 36 36 35–37 36
Targum zu Hiob (11QTargHi [11Q10]) XXXI 5 (Hi 38,28) 8 XXXVIII 2 f. (Hi 42,9 f.) 46, 51
Gebet des Nabonid (4QOrNab [4Q242])
Melchisedek-Midrasch (11QMelch [11Q13])
I 3 f. I 3 I 4
II 4–8
51 51 f. 51–53
Weitere Fragmente
4QTestament of Qahat ar (4Q542) Frgm. 1 II 11
9
4Q372 Frgm. 1,16 4Q460 Frgm. 9 I 6 4Q504 Frgm. 1–2 V 17 f. 4Q511 Frgm. 63 II 2 f.
Philo und Josephus Philo
De gigantibus
De Abrahamo
15 95 30 179
80 139 170 149 De agricultura 25 95 De Cherubim 101 179 De confusione linguarum 87 179
45, 47
De migratione Abrahami 21 95 73 222 De mutatione nominum 36 95 173 95 211 179 De plantatione 126–131 222 128 222
17 17 38 221
331
Stellenregister De somniis I 256 II 8 II 237
Josephus 222, 224 179 95
De specialibus legibus I 62 I 113 II 16 II 230 III 205
95 95 95 95 95
De vita contemplativa 34 179 De vita Mosis I 105 II 166 II 194
95 46 92
Legum allegoriae I 108 III 69 f. III 72 III 74 III 103
95 95 95 95 124
Quis rerum divinarum heres sit 116 179 262 124
Antiquitates Judaicae I 222 II 153 III 22 f. III 266 IV 247 IV 259 VI 88–94 VI 92 f. VI 92 VI 93 VI 141–151 VI 143 VI 144 f. VI 151 VIII 17 VIII 234 X 170 X 216 f. XI 143 f. XII 215
149 44 46 44 44 44 48–50 46 48–50 50 50 50 50 50 44 198 25 52 46 25
Bellum Judaicum II 420 II 441 IV 656 V 402
153 25 153 59
Contra Apionem II 14
115
Vita 279 f.
25
Rabbinische Literatur Tosefta
Mischna Joma 1,1
63
Pea 3,8
12
‛Edujot 5,7
12
Sanhedrin 1,1
194
‛Aboda Zara 3,4
59–62
Babylonischer Talmud Berakhot 32b 60 f., 63 f. 40a 12 60b 36 f.
332
Register
‛Erubin 55a 111
Qidduschin I 61b,44
11
Rosch ha-Schana 17b 60–62
Sanhedrin I 19a,47–56 VI 23b,66
194 11
Ta‛anit 23a 23b (Z. 36–38) 23b (Z. 37) 23b (Z. 46)
12, 15 15, 18 11 11
Soṭa 12a 12 33b 60, 65 f. Qidduschin 32a 12 70a 12 Baba Meṣi‛a 59b 111 Sanhedrin 13b.14a 194 38b 47, 93 70b 12 90b 60, 65 f. Makkot 24a 12 ‛Aboda Zara 17a 60 f., 63, 65 18a 12 54b 60–62 55a 60 f. Außerkanonische Traktate Abot de R. Nathan (Rez. A) 1 93 8 12 Abot de R. Nathan (Rez. B) 13 12 19 12 27 12 Jerusalemer Talmud Pea I 15c,60 VII 20b,24
11 12
Joma VI 43d,26
11
Soṭa VII 21c,34 f.
60, 65
Midraschim Mehkilta de R. Jischma‛el zu Exodus zu 13,19 12 zu 20,5 59, 61 zu 20,6 12, 15 zu 20,19 58 Mekhilta de R. Schim‛on b. Jochai zu Exodus zu 21,13 65 Sifra zu Leviticus ’ḥrj mwt IX 10 zu 18,5 qdwšjm III 11 zu 20,26
110 12
Sifre zu Deuteronomium § 56 zu 11,30 65 f. § 316 zu 32,13 12 § 347 zu 33,6 12 Midrasch Tannaim zu Dtn 15,10 60–62 zu Dtn 24,19 12 Genesis Rabba 11,2 zu 2,3 11,6 zu 2,3 12,5 zu 2,4 26,7 zu 6,1 68,4 zu 28,10 75,3 zu 32,4 78,2 zu 32,26
93 11 93, 99 11 f. 60, 65 39 88
Exodus Rabba 32,4 zu 23,21 46,3 zu 34,1
47 12
Leviticus Rabba 4,6 zu 4,2 8,1 zu 6,18 25,1 zu 19,23 32,1 zu 24,10
59–62 60, 65 11 15
Deuteronomium Rabba 8,6 f. zu 30,12–14 111 Hoheslied Rabba 2,30 zu 2,14 12 Klagelieder Rabba Peticha 24 12 1 § 53 zu V. 16 59, 61, 64 f.
333
Stellenregister Qohelet Rabba 1 § 24 zu V. 8 11 § 2 zu V. 1
59–61, 63, 65 59, 61, 63
Midrasch zu den Psalmen 17 § 3 zu V. 2 47 f. Midrasch zu den Sprüchen zu 15,17 76 Tanchuma Ex, mšpṭjm § 18 47 Dtn, w’tḥnn § 6 12 Tanchuma ed. S. Buber Gen, br’šjt § 40 38 Ex, mšpṭjm § 11 47 Dtn, w’tḥnn § 5 12 Pesiqta de Rab Kahana 2,4 60, 65 Zusatz 6 46
Pesiqta Rabbati 37,2
46
Andere Haggadawerke Pirqe de R. Eli‛ezer 31 12 Seder Elijahu Rabba 7 (33,2) 7 19 (112,18) 7 19 (112,21) 7 Jüdische Gebete bBer 60b 36 f. Gebet ’attāh hû’ 7 Introduktion zum Gesang des Mose 7 Synagogengebete 17
Targumim Targum Neofiti Genesis 4,13 22,7 27,18 27,34 27,38
44 11 11 11 11
Exodus 10,17
46
Deuteronomium 30,11–14 30,13
111 110
Exodus 10,17
46
Leviticus 18,5
110
Targum Onqelos Genesis 22,7 27,18 27,34 27,38 44,19 f.
11 11 11 11 12
Fragmenten-Targum
Exodus 10,17
46
Genesis 4,13 (V)
44
Leviticus 18,5
110
Deuteronomium 30,11–14
111
Numeri 30,17
12
Targum Pseudo-Jonathan Genesis 2,25 4,13 22,7 27,18 27,34
93 44 11 11 11
Targum-Fragmente aus der Kairoer Geniza Ms D Gen 48,18 11
334
Register
Targum Jonathan zu den Propheten
Targum zu den Psalmen
Richter 11,36
11
1. Samuel 15,25
46
Jesaja 8,4 52,13–53,12
11 46 f.
65,4 66,11a 68,19 89,27 89,27a 89,27b 103,13
Jeremia 2,27
17
Ezechiel 22,7
12
Amos 7,2 f. 7,5 f.
46 46
Maleachi 2,10a 3,23 f.
15 45, 47
51 34 186 15, 17 f. 18 17 12
Targum zu Hiob 17,14 31,18 34,36a
17 12 15
Targum zu den Sprüchen 3,12
12
Targum scheni zu Esther 1,1 4,16
12 17
Targum-Fragment zu Jos 5,14
47
Frühchristliche Schriften und Kirchenväter Expositio in Psalmos zu Ps 84,11 290
Ambrosius De sacramentis V 4,18 V 4,29
32 32
Augustinus
Arnobius der Jüngere
De dono perseverantiae 6,12 31
Commentarii in Psalmos Ps 119 31
De sermone Domini in monte II 9,30 31
Conflictus cum Serapione II 30 31
Barnabasbrief
Athanasius Contra Arianos I 41 II 15 f. II 16 II 70 III 57
10,11
129
Clemens von Alexandrien 289 237 289 290 289, 291
De incarnatione Verbi 9 289, 291
Paedagogus III, II 11,2 III, II 11,3 III, II 12,2 III, II 12,3
126 126 126 126
Stromateis IV, XXVI 166,2 126
335
Stellenregister Cyprian
13,1
De dominica oratione 7 31 25 31
Philadelphier 4 198 5,1 198 7,1 198
Didache 8,2b 10,5 11,3 f. 11,6
21, 29 39 185 185
Smyrnäer 1,2 3,1 8,1 12,2
209, 290 290 198 198
289
Trallianer 2,2 7,2 9,1 13,2
198 198 209 198
Diognetbrief 9,2
Dionysios von Alexandrien Fragmenta 32 Epiphanius von Salamis Ancoratus 119,5
290
Evangelienfragment POxy 840 34 f.
80
Gregor von Nyssa De oratione dominica orationes IV 25 Hieronymus Commentaria in Evangelium S. Matthaei zu 6,11 24 f. Hymnen Doxologie 287 Lazarus-Hymnen 263–281 Ὁ μονογενὴς Υἱός 283–293 Ostertroparion 291 Φῶς ἱλαρόν 289 Ignatius Epheser 2,2 4,1 7,2 20,2
198
Johannes Chrysostomus In Ep. ad Romanos Homiliae XIV 5 98 f., 103 In Ep. I ad Corinthios Homiliae VI 3 126 In Ep. II ad Corinthios Homiliae X 2 126 Justin Apologie I 13,3 46,1 61,13
209 209 209
Dialog mit Tryphon 30,3 209 76,6 209 85,2 209 Justinian (Kaiser) Confessio rectae fidei adversus tria capitula 284 1. Klemensbrief
198 198 290 198
Magnesier 2 198 11 209
8,3 16,1–16 16,17 42,4 f. 43,1 44,1–6 44,2
17 89 89 209 209 188, 197 209
336
Register
Marcion Evangelium Lk 11,4b
Polykarpbrief 7,2 8,1 f.
31
27 89
Maximus Confessor
Pseudoklemeninische Homilien
Mystagogia 24
XVII 18 XVII 18,5 f.
121, 126
Meliton von Sardes
Romanos Melodos
Passa-Homilie 70 290 102 275 104 290
Kontakion 26 Kontakion 26,8–15 Kontakion 27 Kontakion 27,1 Kontakion 27,9
Methodius von Olympus De resurrectione II 16,9
123 f. 123 f.
263 275 263 268, 275 275
Severian von Gabala
126
Scholia zu 2Kor 5,7
123–125
Nazaräerevangelium
Sophia Jesu Christi
Frgm. zur Brotbitte des Vaterunsers 24 f.
POxy 1081,10–19
Origenes
Adversus Marcionem IV 26
31
De fuga in persecutione 2,5
31
De oratione 8,1
31
De resurrectione carnis XLIII
126
Commentarii in Joannem X 43 (27) § 306 zu 2,21 f. XIII 53 (52) § 355 zu 4,42 XIX 3 §§ 16–20 zu 8,19 XXXII 4 ff. zu 13,6–10 De oratione XXVII 1–6 XXVII 7–9 XXVII 7 XXVII 13
25 25 23 25
92
Tertullian
126 126 126 80 f.
Theodor von Mopsuestia
Fragmenta in Joannem Frgm. 33 237
Katene zu Röm 8,22
Paulusakten
Interpretatio Ep. II ad Corinthios zu 5,6–8 123–126
3Kor 6
277
Petrusevangelium 1,1
80
101
Theodoret von Kyros
337
Stellenregister
Byzantinisches Schrifttum und Frühmittelalter Euthymios Zigabenos (Zigadenos)
Theophylakt von Achrida
Commentarius in quatuor Evangelia zu Mt 6,13a 32
Enarratio in Evangelium Lucae zu Lk 11,4b 32
Hrabanus Maurus
Expositio in Ep. II ad Corinthios zu 5,6–8 126
Commentaria in Matthaeum Liber II, zu 6,13 32
Griechische und römische Autoren Aelius Aristides Orationes 24,1 K = 44 D
98 f.
Antiphon aus Rhamnus Orationes II 4,5
94
Appian Bella Civilia Romana III 93 153 IV 20 153 IV 113 153 Aristophanes Ecclesiazusae 833 3 Pax 466 3 Plutus 130 99 145 98 160 99 470 98 f. Ranae 521 3 Artemidor Oneirocriticus V 92
25
Demosthenes Epistulae 4,5
25
Orationes VI 34 XVIII 49 XVIII 249 XXXII 8
98 98 f. 99 99
Dionysius Halicarnassensis Antiquitates Romanae VIII 33,3 98 f. Epiktet Dissertationes I 3,3 I 19,9 II 15,8 II 19,27
94 95 179 94
Fragmenta 26 95 Euripides Fragmenta 1073,6
25
Rhesus 331 25 789 94 Heliodor Aethiopica I 14,26 I 14,27
153 153
Herodot Historiae I 21,1 V 38,2
88 88
338
Register Plutarch
Homer Ilias 24,490 Odyssee 4,114
114
Alexander 8,4 (668)
114
Amatorius 13 99 Sertorius 11,8
Kleanthes Zeus-Hymnus 1 f.
287
Longus Daphnis et Chloë II 30,4 99 Lucan De Bello civili X 183
116
Lukian Verae Historiae II 27
25
Lysias Orationes XII 58
98 f.
153
Polybius Historiae II 25,11 V 13,10
25 25
Ps.-Lukian Asinus 26 153 Sophokles Oedipus Coloneus 307 114 1129 99 Thukydides
Maiistas
Historiae I 20,1 I 41,2 II 52,2
Delische Sarapis-Aretalogie IG XI,4 1299,48 f. 219, 225
Xenophon
99
Platon Cratylus 403d 99 Gorgias 471e 96 515e 99 520c 99 Leges 736e 179 803b 73
115 99 94
Anabasis V 8,13 VI 6,23 VII 6,33 VII 7,7
99 98 99 99
Cyropaedia II 1,23 II 3,10 V 2,35 VII 5,41 VIII 7,7
25 80 99 80 25
Symposium 219a 25
Memorabilia Socratis III 3,15 99 III 5,9 114
Timaeus 21a 115
Symposium IV 5
25
339
Stellenregister
Inschriften und Papyri Aramäische Ossuar-Inschriften
Oxyrhynchos Papyri (POxy)
yJE 3,1 (Beyer) yJE 12a (Beyer) yJE 12b (Beyer) yJE 16c, 2 (Beyer)
840,34 f. 1081,10–19
10 10 f. 10 10 f.
5/6 Ḥever Nabatean Contract (pap5/6ḤevA nab) recto, Frgm. 1,6.7 9 recto, Frgm. 3,1 9
80 92
Papyri Graecae magicae (PGM) 13,579
98
Preisigke, Sammelbuch I 5224,20
23
Autorenregister Abbott-Smith, G. 131 Abramowski, L. 71, 88, 291 f. Aland, B. 23 f., 26, 28 f., 73 f., 78, 82, 97 f., 100 f., 113 f., 123, 129, 146, 150, 161, 202 f., 209, 275 Aland, K. 23 f., 26, 28 f., 73 f., 78, 82, 97 f., 100 f., 113 f., 123, 129, 146, 150, 161, 202 f., 209, 275 Allmen, J.-J. von 226 f. Augenstein, J. 59, 69 Bacher, W. 58, 61, 64, 67 Bachmann, Ph. 122 Bagnall, R. S. 23 Balz, H. R. 91, 99 Barkhuizen, J. H. 284, 291 Barr, J. 1 Barrett, C. K. 59, 69, 72 f., 78, 83 f. Barth, K. 229, 237 Bauer, H. 53 Bauer, W. 23 f., 26, 28 f., 59, 72–74, 78, 81–84, 97 f., 100 f., 113 f., 123, 129, 146, 150, 161, 202 f., 209, 268, 275 Bauspieß, M. 231, 244 Bayer, O. 135 Beasley-Murray, G. R. 71, 83 f. Becker, J. 10, 59, 71–73, 78, 83 Bengel, J. A. 3, 110, 114, 159, 190, 220 Benseler, G. E. 131 Betz, H. D. 5 Beyer, K. 9 f., 14, 51, 83 Beza, Th. 3, 6, 73 Billerbeck, P. 16, 25, 27, 36, 39, 47, 58, 60, 65, 67, 99, 169, 186, 194 Bindemann, W. 91 Black, M. 285 Blank, J. 72, 75, 78, 83 f. Blass, F. 4, 23, 26, 41, 74, 79, 81, 87, 96, 100, 102, 113–115, 128 f., 138, 145, 160, 199, 276 Börner-Klein, D. 194 Boismard, M.-É. 81 Bornemann, E. 26 Bornkamm, G. 235 Bovon, F. 30 Box, G. H. 34
Breck, J. 284 Bretschneider, C. G. 224 Brightman, F. E. 285 Brown, E. E. 58 f., 71 f., 77 f., 83 f. Brox, N. 193, 203–205, 211, 220, 222 f. Buber, S. 64, 76 Buchholz, A. 255 Bühring, G. 284 Bullinger, E. W. 110 Bullinger, H. 227 f. Bultmann, R. 59 f., 71, 77 f., 80–84, 87 f., 116, 229, 233 Burchard, Chr. 93 Calvin, J. 135, 152, 199, 204, 223–225, 258 Campenhausen, H. von 181, 203, 205, 211 Carmignac, J. 35 Carson, D. A. 71 Charles, R. H. 9 f. Charlesworth, J. H. 35 f. Chase, F. H. 31 Christ, W. 284, 286 f., 289 Collins, J. J. 51 Conrad, J. 221 Conzelmann, H. 203, 205, 209 Cranfield, C. E. B. 6 f., 94, 97, 114 Cremer, H. 24–26 Crum, W. E. 122 Cullmann, O. 211 Dalman, G. 7, 22, 24, 26, 35, 39 Danker, F. W. 14, 24, 123 Daube, D. 199 Day, P. D. 263 Debrunner, A. 4, 23, 26, 41, 74, 79, 81, 87, 96, 100, 102, 113–115, 128 f., 138, 145, 160, 199, 276 Dibelius, M. 94, 203, 205, 208 Dietzfelbinger, Chr. 58 f., 72, 83 f. Díez Macho, A. 47 Drosdowski, G. 16, 28 Drusius, J. 33 Duhm, B. 221 Dupont-Sommer, A. 51f
342 Eckstein, H.-J. 110 f., 148 Eger, Th. 28, 94, 123 Eichholz, G. 26, 137, 142, 148, 152, 239 Elert, W. 292 Elliger, K. 221 Epstein, J. N. 65 Erasmus von Rotterdam, D. 254 Ewald, P. 190 Eynikel, E. 124 Fagerberg, H. 226 Feldmeier, R. 220 Fiebig, P. 85 Fitzmyer, J. A. 9, 11, 52 Foerster, W. 24, 26 Frey, J. 1, 17 Fuchs, E. 102 Führer, W. 216, 220, 250 Φουντούλης, Ἰ. Μ. 283 Furnish, V. P. 122, 130, 132 Gäckle, V. 224 f. García Martínez, F. 10, 52 Gaugler, E. 145, 147 Gemoll, W. 132 Gerth, B. 16, 50, 73 f., 83, 98, 100, 287 Gese, H. 22, 35 f., 38 Geyer, G. 241 Gielen, M. 29 Gnilka, J. 25, 28, 38, 72, 77 f., 82 f., 185 Goppelt, L. 89, 220, 222 Gräßer, E. 91, 103, 122 Grelot, P. 52 Grillmeier, A. 283, 286, 292 Grimm, C. L. W. 108, 123, 224 Grosdidier de Matons, J. 263 Grotius, H. 34 Grumel, V. 284 Grundmann, W. 5, 34, 45 f. Gundry Volf, J. M. 149 Hägerland, T. 48–54 Haenchen, E. 45, 58, 71 f., 84 Hammond, C. E. 285 Hanhart, R. 43 Hanson, A. T. 193 Harfenes, G. 7 Harnack, A. von 31 Harnisch, W. 99 Harrington, D. J. 9, 11, 52 Hasler, V. 202 Hauck, F. 78 Hauspie, K. 124
Register Heil, Chr. 231 Heinrici, C. F. G. 122, 130 Heitmüller, W. 77, 84 Hengel, M. 2 Hermisson, H.-J. 221 Hezser, C. 194 Hoffmann, D. 62 Hoffmann, P. 231 Hofius, O. 2 f., 8, 12, 18 f., 41 f., 45 f., 48, 55, 68, 73, 78, 89, 92 f., 105–107, 111, 115, 128, 134, 136–141, 144, 153, 161, 165, 167–169, 171, 173 f., 177, 187–189, 194, 196 f., 199, 201, 209, 211 f., 215–217, 225 f., 230, 234, 242, 244, 246, 264, 289, 292 f. Holtzmann, H. J. 83 f. Horner, G. 121 f. Iwand, H. J. 56, 135, 152, 230, 235, 237, 239 f., 242 Jacobitz, K. 131 Janeras, S. 283 f., 292 Janowski, B. 45 f. Jenni, E. 29 Jeremias, J. 1 f., 6–8, 12–18, 22 f., 34–37, 72, 82, 189, 193–195, 197, 199, 205, 208, 229, 232 f., 246 Jewett, R. 5 Johansson, D. 48 Jones, H. S. 121 Jongeling, B. 52 Jülicher, A. 99, 102 Jüngel, E. 89, 229–232, 243 Kaegi, A. 131 Kähler, M. 229, 235 Käsemann, E. 5, 93, 182, 208, 220, 229, 241 Kahle, P. 11 Kammler, H.-Chr. 68, 86, 139 f., 143, 178, 184, 234, 238, 289 Καρακόλης, Χ. Κ. 264, 268 Karmiris, I. 289–292 Karrer, M. 124 Kehrein, J. 28 f. Kereszty, R. 229 Kikuchi, S. 135 Kittel, G. 7, 123 Klauck, H.-J. 125, 130, 161 Klein, H. 26, 28 Koch, D.-A. 109 Koch, K. 46 Kohler, H. 88
Autorenregister Konradt, M. 28, 244 Kratz, R. G. 51 f. Kraus, H.-J. 145, 221 Kraus, W. 124 Kreck, W. 152, 229 Kremer, J. 263 Kretschmar, G. 193 Kreussler, O. 121 Kühner, R. 16, 50, 73 f., 83, 98, 100, 287 Kümmel, W. G. 122 Kuhn, K. G. 26 Labuschagne, C. J. 52 Lagarde, P. de 12 Lambrecht, J. 91 Lampe, G. W. H. 121, 275, 278 Landmesser, Chr. 94 f., 231 Lausberg, H. 114 Leander, P. 53 Leonard, J. M. 24 Liddell, H. G. 121 Lietzmann, H. 6 f., 105, 117, 122 Lips, H. von 193 f., 199, 201 f., 213 Lipsius, R. A. 105, 112 Littmann, E. 8, 12 Lohmeyer, E. 32, 45 Lohse, E. 5, 8, 143, 177, 184, 193 f., 202–204 Lona, H. E. 197 Lührmann, D. 92 Lünemann, G. 98 f. Lust, J. 124 Luther, M. 29, 33, 73, 118 f., 134 f., 143, 152, 207, 212, 215 f., 219 f., 223, 237, 239, 249–261 Luz, U. 26, 28 Maas, P. 263 Maier, F. 287 Maier, J. 51, 63, 65 Major, J. R. 123 Marshall, I. H. 202, 204 McNamara, M. 186 Melamed, E. Z. 65 Melanchthon, Ph. 33 Menge, H. 49, 73 f., 80, 100, 122, 132, 197 Menze, V. L. 284 Merkel, H. 197, 209, 211 Messing, G. M. 98 Metzger, B. M. 81, 84, 154 Meyendorff, J. 292 Meyer, R. 52, 78 Michel, O. 98
343
Milik, J. T. 51 Moore, G. F. 47 Mostert, W. 229, 239 Müller, U. B. 148 Munk, E. 37 Muraoka, T. 124 Neef, H.-D. 17 Niemand, Chr. 81, 83 Nijman, M. 23 Nöldeke,Th. 12 Noltensmeier, H. 255 Oberlinner, L. 197, 199, 205–207 Odeberg, H. 60, 65, 68 Oepke, A. 82 f. Onasch, K. 263, 265 Osten-Sacken, P. von der 91 Otto, R. 246 Palm, F. 121 Pape, W. 121 Paranikas, M. 284, 286 f., 289 Parkhurst, J. 123 Passow, F. 121, 146 Pesch, R. 38 Peterson, Ε. 5, 7 Philonenko, M. 9, 17, 34 f., 39 Pietersma, A. 124 Preisigke, F. 23 Preuschen, E. 80 Puech, É. 52 Puyade, J. 284 Rehkopf, F. 4, 23, 26, 41, 74, 79, 81, 87, 96, 100, 102, 113–115, 128 f., 138, 145, 160, 199, 276 Renaudot, E. 283 Rengstorf, K. H. 30 Richter, G. 71, 80 Rietz, H. W. L. 36 Risch, E. 26 Roloff, J. 187, 193 f., 196 f., 201–203, 205–208, 217 Rose, H. J. 123 Rosenmüller, J. G. 224 Rosenzweig, F. 233, 242 Rost, V.Chr.F. 121 Roth, D. T. 31 Rüger, H. P. 8, 12, 15 Sänger, D. 193, 217 Sanders, J. A. 35
344 Schattner-Rieser, U. 1, 9, 17, 35 Schelbert, G. 1 f., 5, 8, 10–18 Schelkle, K. H. 114, 220, 222 Schellong, D. 230 Schempp, P. 255 Schenke, L. 34 f. Schirlitz, S.Ch. 28, 94, 123 Schlatter, A. 55, 59 f., 68, 116 Schleiermacher, F. 235 Schleusner, J. F. 32, 123, 224 Schlier, H. 5, 99 Schmeller, Th. 122 f., 130 Schmidt, H. W. 117 Schmithals, W. 43, 93 f., 230 Schmitz, J. 32 Schnackenburg, R. 59, 71–73, 76–78, 83, 88 Schneider, A. B. 64 Schnelle, U. 58, 71–73, 76–78, 83 Schniewind, J. 30, 55 f., 106, 225, 237, 246 Schöttgen, Chr. 34 Schrage, W. 220, 222 Schürmann, H. 26, 30, 34, 38 Schüssler-Fiorenza, E. 217 Schulthess, F. 12 Schulz, H.-J. 284 Schulz, S. 73, 78 Schweizer, E. 30 Schwyzer, E. 73, 98 Scott, R. 121 Segert, S. 16 Seiler, E. E. 131 Semler, J. S. 224 Sengebusch, M. 121 Seybold, K. 17 Sieffert, F. 145 Slater, W. F. 34 Smyth, H. W. 98 Sokoloff, M. 39 Sophocles, E. A. 121, 287 Sperber, A. 12 Staab, K. 101, 125 Σταματάκος, Ι. Δ. 121 Stec, D. M. 15, 17 Steck, K. G. 251 Stephanus, H. 224 Steudel, A. 52 Stolz, F. 46 Strathmann, H. 80, 84
Register Strotmann, A. 1 f. Stuhlmacher, P. 7, 99 Thayer, J. H. 123, 224 Theobald, M. 58, 66, 69, 186 f., 190, 226 Thierfelder, A. 49 Thrall, M. E. 122 f., 130 Thyen, H. 57, 59, 68, 71, 73, 77 f., 80, 83, 88 Tigchelaar, E. J. C. 10, 52 Tőkés, I. 228 Τρεμπέλας, Π. Ν. 264 f., 289 Trowitzsch, M. 152 Trypanis, C. A. 263 Uhlig, S. 284 Vögtle, A. 91 Vollenweider, S. 91, 94 Volz, P. 221 Vretska, K. 132 Wahl, Chr.A. 123, 224 Warren Wells, J. 121 f. Weder, H. 91, 99 Welker, M. 152 Wellesz, E. 284 Wellhausen, J. 71, 78 Wengst, K. 59 f., 69 Westermann, C. 220 Wette, W. M. L. de 34 Wettstein, J. J. 34, 36, 73, 82 Wiesner, J. 49 Wikenhauser, A. 75, 84 Wilckens, U. 73, 78, 84, 93 Windisch, H. 122, 222, 224 Winer, G. B. 98 f. Wolff, Chr. 122 f., 127, 130, 143, 181 Wolter, M. 5, 28, 199 f., 204 Worp, K. A. 23 Woude, A. S. van der 52 Wright, B. G. 124 Wünsche, A. 36 Zahn, Th. 7, 30 f., 59, 72, 80 f., 83 f., 99 f., 114 Zeller, D. 99, 184 Zerwick, M. 33, 77 Zimmermann, Chr. 1, 17 Zumstein, J. 59 Zunz, L. 7
Sachregister Abba 1–19, 246 – Belege und sprachliche Bestimmung 1–14 – „Abba! Vater!“ 1–7 – Gebetsanrede Gottes – im Neuen Testament 1–7, 18 f., 145, 147, 246 – in Texten des antiken Judentums? 16–18 Abendmahl 207 Abraham-Erzählung Gen 22,1–19 – Verständnis bei Paulus 149 Absolutionsformel, orthodoxe 56 Adam – schicksalsbestimmend für die „adami tische“ Menschheit 91–94, 165, 169 – schicksalsbestimmend für die außermenschliche Schöpfung 98 f. – vor dem Fall im Besitz der δόξα? 92–94, 167 – s. a. Paradies- und Sündenfallgeschichte Altes Testament 66–69, 181, 238, 253 f. Amt der Verkündigung, apostolisches – s. Apostel Jesu Christi Amt der Verkündigung, kirchliches 177–192 – als Amt der Verkündigung und Lehre 195–198, 211, 213 – Amtsbezeichnungen – διδάσκαλος 180–184, 187, 189, 197 – ἐπίσκοπος 188 f., 196–198 – εὐαγγελιστής 187, 196 – ἡγούμενος 197, 216 f. – ποιμήν 187, 189, 197 – πρεσβύτερος 197 f. – προφήτης 180–185, 187, 189 – Bindung an das Evangelium 189, 191, 210 f., 215, 258 – Dienst der Heilszueignung 213 – geschichtliche Entwicklungen 189 – Stiftung Gottes 190, 195, 203, 226 f. – und das Amt der Apostel Jesu Christi 190 f., 210 – und das Priestertum aller Gläubigen 195 f., 215–228 – und Gemeinde 190–192, 213, 226 f. – s. a. Gemeindeleitung – s. a. Ordination
Amtsstufen Diakon – Presbyter – Bischof 198 Amtsverständnis, reformiertes 226 Analogielosigkeit – der vier Evangelien 235 f. – Jesu Christi 54–56, 236–240, 289 Anrufung – Gottes 4–7, 19, 94, 145 – Jesu Christi 113 f., 240, 286 Apostel Jesu Christi 111, 116 f., 158, 177, 181 f., 187, 207, 210–213, 215, 230, 234–236, 240, 244 f., 251–253, 257–259 – Autorität und Traditionsnorm 211 – Einzigartigkeit 211, 252 – und Kirche 187, 211, 251 f. Apostelgeschichte – Erwähnung der Ordination? 193 – Jesu Tod als Heilsgeschehen 240 – Kontrastschema 240 – προφητεία 183 – s. a. Lukas Apostelrecht 180 Aramaismen 3, 22 f. Artikel des Glaubens 252, 258–260 Auferstehung der Toten 102, 128, 217, 240 Außerchristliche Zeugnisse über Jesus 232 Barmer Theologische Erklärung 227 Bekenntnis – in objektivem Sinn 208 f. – und Glaube 113 – κύριος Ἰησοῦς 5, 113, 145 Bekenntnisschriften, reformierte 226–228 Bekenntnisse, ökumenische – Chalcedon 283, 288, 290 – Ephesus 290 – Konstantinopel II 292 – Nizäa-Konstantinopel 239, 289–292 Blasphemie – s. Gotteslästerung Charisma – das bei der Ordination verliehene Amtscharisma 203–206 Charismen – s. Gemeinde, christliche
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Register
Christologie und Soteriologie 293 Christusgeschehen 94, 100–105, 107 f., 134, 136 f., 146, 150, 152, 170–173, 179, 191 – s. a. Heilshandeln Gottes in Jesus Christus Christusoffenbarung, grundlegende 177, 179 f., 185, 187, 191 f. – s. a. Jesus Christus: Selbsterschließung Christuszeugnis – apostolisches 18 f., 21, 181, 188, 191 f., 235 f., 244 f., 247 f., 251–253 – und Heiligen Schrift 254 – und Neues Testament 252 – narratives 41–56, 71–90, 235 f., 248 – neutestamentliches 233–240 Confessio Augustana 215 f. Confessio Helvetica posterior 227 f. Diakonat 196 Dogma 258–260 – christologisches 260 – trinitarisches 260 Ekstatische Phänomene 5, 143, 145, 147 Episkopat – monarchischer Episkopat 198 – Monepiskopat 198 Erkenntnis – Gottes 107 f. – als Erkenntnis Jesu Christi 140 f., 160–162 – als Erkenntnis seiner Heilstat in Jesus Christus 141, 145, 151 – Jesu Christi 107 f., 164, 188, 234 f. Erwählung 148 f., 152, 218 Erzählen der Heilstaten Gottes 220 f. Erzählung, symbolische 72 Evangelien, apokryphe 231 f. Evangelien, neutestamentliche 248 – Analogielosigkeit 235 f. – Biographien? 235 f. – Exegese 236 – Geschichtsschreibung? 235 f. Evangelium 94, 107, 111, 115–119, 130, 132, 139–141, 151–162, 173 f., 177–192, 196, 202, 205–213, 215, 222–227, 234, 240, 253–262 – Gegenwart Jesu Christi im Evangelium 111, 116 f., 140, 155, 161, 240, 258 – Gottes eigenes Wort 139–141, 155, 158–162, 215 – Jesus Christus der Inhalt des Evangeliums 117 f., 154 f.
– τὸ εὐαγγέλιον τῆς δόξης τοῦ Χριστοῦ 155 – τὸ εὐαγγέλιον τῆς εἰρήνης 155 – τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας 155 – τὸ εὐαγγέλιον τῆς χάριτος τοῦ θεοῦ 173, 215 – τὸ εὐαγγέλιον τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ 154 – τὸ εὐαγγέλιον τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ 154 – τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ 117, 140, 154 f., 173 – und Glaube 107, 111, 118, 135, 140–142, 152, 160–162, 173 f., 177, 181, 185, 188, 191 f. – und Heilige Schrift 253, 255 – und Heiliger Geist 159 f. – und Verkündigung 117 f., 139–141, 152, 156–159, 161 f., 173, 177–180, 191 f., 207 f., 215, 251 – verbum externum 141 f., 152 – Wahrheit 157, 189, 207, 211–213, 258 extra nos in Christo – bei Johannes Calvin 135, 152 – bei Martin Luther 134 f., 152 – bei Meister Eckhart 135 Fleisch – die irdisch-sterbliche Existenz 148, 290, 292 – die von der Sünde beherrschte Existenz 144, 166 Gebet 4–7, 207, 216 – einzigartige Gebetsnot der Glaubenden 146 f. Gemeinde, christliche 178, 182, 197, 215, 218 f., 226, 261 – als heilige und königliche Priesterschaft 218 f., 223, 226 f. – priesterlicher Zugang zu Gott 216 f., 225 – als Leib Christi 180 – Charismen 180–182, 184 f., 189 – Gemeindeversammlung 183, 185 – Gottesdienst 4–7, 201, 203, 206, 216, 221, 260 f., 292 Gemeinde, johanneische – Verhältnis zur Synagogengemeinde 58 f., 66–69 – s. a. Johannesevangelium Gemeindeleitung 187 f., 195–197, 200, 210 – durch Verkündigung und Lehre 187 f., 196 – s. a. Amt der Verkündigung, kirchliches
Sachregister Gemeinschaft – mit Gott 92, 94, 155, 167, 216 f. – mit Jesus Christus 148–150 Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) – s. Gottesbeziehung, heilvolle Gericht – Strafgericht Gottes 112, 136 Gesetz 106–111, 136, 144 f., 148, 167–170, 173 f. – Anklage und Verurteilung des Sünders 107 f., 110, 136, 148, 168 f. – Werke des Gesetzes 168 f. Gesetz Christi 174 Glaube an Jesus Christus 94, 105–119, 127, 130, 132, 140–142, 151 f., 160–162, 173 f., 213, 215, 225 f., 235, 255–257, 261 – creatura verbi 142 – fides ex auditu 119, 142 – fides quae creditur 113, 142, 151, 183 f., 207 – und fides qua creditur 113, 141 f., 151 – und Evangelium 107, 111, 118, 135, 140–142, 152, 160–162, 173 f., 177, 181, 185, 188, 191 f. – und Verkündigung 105–119, 140–142 Glaubende 143–150, 160, 213, 216–219, 223 – Bewahrung 148–150, 160 – Einwohnung – des Heiligen Geistes 143 f., 147, 152 – Jesu Christi 143 f. – Gotteskindschaft 94 f., 97, 100 f., 145 f. – s. a. Gebet – s. a. Heiliger Geist – s. a. Jesus Christus – s. a. Lazarus – s. a. Liebe Glossolalie 145, 147, 183 Gott – Barmherzigkeit 170 – Gnade 107, 135, 158, 170–175, 178, 218, 237 – als Gnade Jesu Christi 170 – Liebe 137, 146, 149 f., 170 – Schöpfungswille 93 f., 104 – Treue 148, 152 Gottesbeziehung, heilvolle 106, 133, 136, 164 f., 168, 170 f., 175, 185, 240, 250 – die gegenwärtige δικαιοσύνη 112 – die Eröffnung der eschatologischen σωτηρία 112 – durch Toragehorsam zu gewinnen? 106 f., 109–111
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– Gabe Gottes in Jesus Christus 110–118 Gottesdienst – s. Gemeinde, christliche Gotteslästerung 42 f., 55, 69, 238 Götzendienst 164 Grammatik, allgemein – Anrede 16–18 – Funktionsverb 28 – Funktionsverbgefüge 28–30, 35, 40 – Vokativ 16–18 Grammatik, aramäische – Casus pendens-Konstruktion 51 – Kausativstamm des Verbums 33–35, 40 – kausativer Sinn 34 f., 40 – permissiver Sinn 34–37, 40 – perfectum coincidentiae 23 Grammatik, griechische – Dativus finalis 102 – Genitivus finalis 199 – Konditionalsatz mit εἰ c. Ind. und kausaler Nuance 87 – Nominativ als Vokativ 3 f., 6, 87, 285 – Partizip – anstelle eines Verbum finitum 128, 170 – attributiv mit adverbialem Nebensinn 287 f. – paronomastisches 73 – Verneinung durch μή 145 – Passiv, unpersönliches 113 – δέ in der Bedeutung „also“ / „wie gesagt“ 129 – διά m. Akk. nicht Bezeichnung des Urhebers 98 – διά m. Gen. – Bezeichnung des Begleitumstands 129–131 – Bezeichnung der Veranlassung 201 – ἐν m. Dat. der Person anstelle des bloßen Dativs 134 – ἐν ᾧ in der Bedeutung „weil“ 170 – μέν solitarium 182 – τέ als allein stehende Konjunktion 287 – ὑπέρ m. Gen. der Person 133, 172 Handauflegung im Neuen Testament 194 f. – s. a. Ordination Heil 94, 104, 132, 137, 139 f., 149, 151, 155, 160, 172, 253 – im Christusgeschehen beschlossen 105–108, 110–112, 115, 117 f., 213 Heilige Schrift 249–261 – Klarheit 255 f. – Quelle und Norm
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Register
– der Verkündigung und Lehre 253 – des Glaubens und Bekennens 253 – res scripturae 253 – und apostolisches Christuszeugnis 254 – und Dogma 258–260 – und Evangelium 253, 255 – und Gottesdienst 260 f. – und Kirche 257 f. Heiliger Geist 4–6, 55, 94 f., 101 f., 140–147, 152, 173 f., 204 f., 256, 261 – der Geist Jesu Christi 142 f., 173 – Einwohnung in den Glaubenden 143 f., 147, 152 – Herrschaft über die Glaubenden 142–148 – Interzession für die Glaubenden 146 f. – und Evangelium 159 f. Heilsfrage – und Schriftverständnis 249 f. – Wahrheitsgewißheit 250 Heilsgeschehen – s. Christusgeschehen – s. Heilshandeln Gottes in Jesus Christus Heilsgewißheit 149 f. Heilshandeln Gottes in Jesus Christus – Heilstat und Heilswort 117, 137, 172 f., 179, 212, 251 – Heilstat 133, 137, 139, 141–143, 146, 150 f., 212, 223 – s. a. Christusgeschehen – s. a. Jesus Christus – s. a. Mensch – Heilswort – s. Evangelium Heilsvollendung 95, 103, 132, 146 f., 149–151, 216 f., 225 Herrlichkeit – Gottes 141, 161 – Jesu Christi 96, 130, 155, 161, 238 Herrlichkeit, eschatologische 92–97, 102–104 – die Herrlichkeit des ewigen Lebens 92–94, 128, 146, 167 – Adams Besitz vor dem Fall? 92–94, 167 Hoffnung 99 f., 102–104, 142, 146 Irrlehre 196, 206, 208 Israel 218 Jesus Christus – „Abba!“ 2–4, 6 f., 19, 145, 147, 246 – Analogielosigkeit 54–56, 236–240, 242, 289
– Auferstehung 55, 75, 94, 96, 104, 128, 138 f., 234 f., 240 – s. a. Jesus Christus: Tod und Auferstehung – Beiname „Christus“ (Χριστός) 136 – Blut Jesu Christi 217 – der Herr der Herrlichkeit 137, 237 – der Schlüssel zur Heiligen Schrift 254 f. – die Epiphanie Gottes 56, 237, 239 – die Mitte der Heiligen Schrift 253–255 – die praesentia Dei in Person 56, 67, 137, 237–239, 242, 245–247, 253 – Präsenz der Herrlichkeit Gottes 161 – „Einer der Heiligen Dreieinigkeit“ 291 f. – Einwohnung in den Glaubenden 143 f. – Erhöhung 186, 240 – Fußwaschung 71–90 – kein Sakrament 88 – Geburt 158, 239 – Gegenwart – im gepredigten Evangelium 111, 116 f., 140, 155, 161, 240, 258 – in der Gemeinde 240 – Gottheit 55, 137, 242, 269 f., 290–292 – Herrlichkeit 96, 130, 155, 161, 238 – Herrschaft 174 f. – über die Glaubenden 142–148 – Hoheitsbewußtsein – vorösterliche Zeugnisse 245–247 – Inhalt des Evangeliums 117 f., 154 f. – Inkarnation 75, 245, 289 f. – Interzession 149 – irdisches Leben 238 f., 248 – kein purus homo 237–239, 291 – keine Gestalt der Vergangenheit 240 – keine persona privata 239 – Krankenheilungen 41, 43 f., 53 – Kreuzestod 55 f., 72, 75–78, 86, 88, 108, 138 f., 155, 172, 178 f., 216, 239 f., 242 f., 290 f. – notwendige und hinreichende Bedingung des Heils 79–86 – sacramentum und exemplum 89 f. – Sühnetod 76, 85 f., 104, 137, 172, 217 – Versöhnungsgeschehen 137 f., 155, 171, 173 – s. a. Jesus Christus: Tod und Auferstehung – Liebe 73 f., 76, 79, 86, 146, 149, 174 – Logos 245, 288 f., 291 f. – Menschensohn (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου) 44, 54–56
Sachregister – Menschsein – unlösliche Verbindung von vere homo und vere Deus 245 – Menschwerdung 137 f., 171, 186, 290–292 – Parusie 96, 150 f., 240 – Person und Werk 55, 136 f., 139, 155, 158, 209, 234–236, 248, 251 – Persongeheimnis 55, 136, 234–239, 241, 290 – den Jüngern vor Ostern verborgen 234 f. – Prädikationen seines göttlichen Seins 237 f. – Präexistenz 55, 186, 272 – seine Geschichte als eschatologische Gottesgeschichte 239 f., 242, 244 – das pro nobis als ihre Signatur 239 f. – Einbezogensein derer, für die sie geschieht 137, 240 – keine vergangene Geschichte 240 – Überwindung der Todesgeschichte 240, 244 – seine irdisch-vorösterlichen Geschichte 236, 242 – seine Macht (ἐξουσία) 43 f., 54–56 – seine Passion als seine Aktion 75 – Seins- und Handlungseinheit mit Gott 56, 247 – Selbsterschließung – grundlegend in den Ostererscheinungen 118, 139, 157 f., 161, 211, 234 f., 251 – im verkündigten Evangelium 140 f., 161, 179, 212 f., 234 – Sieger über den Tod 212, 274–276, 291 – Sohn Gottes 4, 19, 55, 75, 136–138, 145 f., 148 f., 155, 164, 170–174, 177, 216, 237 f., 244, 251, 253, 285, 288–293 – Sündenvergebung 41–56, 246 f. – Sündlosigkeit 171 f., 245 – Tod und Auferstehung – das eine Heilsgeschehen 94, 107, 110 f., 133, 137, 149, 155, 170–173, 212, 235 f., 240, 251 – keine kontingenten Ereignisse 3 f., 75, 239 f., 243 f. – s. a. Jesus Christus: Auferstehung – s. a. Jesus Christus: Kreuzestod – Ursprung und Wesen 55, 136, 155, 192, 237, 241, 289 – Verkündigung, vorösterliche 236, 245–248 – Weltrichter 55 – τέλος νόμου 108
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Jesus, historischer (d. h. historisch-kritisch konstruierter) 18, 48, 229–248 – die Frage nach dem „historischen Jesus“ 229–248 – Begriffsbestimmung 230 f. – historische Probleme 231–233 – theologische Probleme 233–245 Jesusforschung 248 Johannesevangelium – Distanzierung von der Sinai-Tora bzw. von der Heiligen Schrift Israels? 58 f., 66–69 – Passionsgeschichte 75, 291 – Sicht des Alten Testaments 66–69 Juden – Verhältnis zu den Samaritanern 65 f. Jünger Jesu – Erkenntnis Jesu erst nach Karfreitag und Ostern 76, 234 f. Kirche 177, 181 f., 186–191, 193–195, 203, 208, 211, 215, 219, 226, 249 f., 257–261 – ihr Bekenntnis 229, 253 – ihr Glaube 229, 252–261 – ihre Lehre 184, 253 – ihre Verkündigung 249 f., 253 – Lehrautorität und Lehramt in ihr 259 f. – und Evangelium 257 f. – und Heilige Schrift 257 f. – s. a. Gemeinde, christliche Königsherrschaft Gottes – Jesus und die βασιλεία τοῦ θεοῦ 245 f. Kreuz 108, 139, 172 – Siegeszeichen 291 Lazarus – Auferweckung 263–279 – in den Hymnen der Orthodoxen Kirche 263–281 – Repräsentant der an Christus Glaubenden 266 f. Lazarussamstag 263 Leben – ewiges 92–95, 103 f., 106, 109 f., 112, 128, 136 f., 146, 150, 168, 175, 217, 225 – s. a. Herrlichkeit, eschatologische – irdisches 129–131 – neues 142–148, 173 f. Leben-Jesu-Forschung 231, 233, 244 Lehre, die christliche 184 Lehre / Lehrunterweisung 195 f., 198, 203, 206 f., 209–211, 213
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Register
Lehrer – Charismatiker 182–184 – Lehre als Charisma 182 f. – kirchliches Amt der Verkündigung 180–184, 187, 189, 197 Lehrtradition, apostolische 118, 138, 140, 142, 155, 189, 191 f., 200, 206–210, 213 Leib – himmlisch-unvergänglicher 128–131 – irdisch-vergänglicher 94 f., 101 f., 128–131 Leiden – der jetzigen Zeit 96 f., 147, 149 – für das Evangelium 202, 205 f. – um Jesu Christi willen 95 f., 160 Liebe – Gottes 137, 146, 149 f., 170 – Jesu Christi 73 f., 76, 79, 86, 146, 149, 174 – unter den Glaubenden 87–90, 174 – zu Gott 139, 149, 174, 188 Liturgien, ostkirchliche 283 f. Lobopfer 221 Lobpreis – Gottes 216, 220–223, 227 – erzählendes Lob 220 – Jesu Christi 217 Lukas – solenner Begriff des „Zeugen“ Jesu Christi 185, 234 – s. a. Apostelgeschichte Maran atha! 147 Maria – ἀειπάρθενος 290 – θεοτόκος 290 Mensch – Rettung durch Gott 94–96 – Rettung durch Jesus Christus 136 – und außermenschliche Schöpfung 91–104 – Verlorenheit vor Gott 91–94, 136, 164, 169 Methode, historisch-kritische 230 f., 241–245, 248 ministerium verbi divini – s. Amt der Verkündigung, kirchliches Missionare, urchristliche 177 Neuchalcedonismus 292 Neues Testament 215, 225 f., 228, 230, 235–241, 244 f., 248, 251–253
– Adoptionschristologie? 244 – Vielfalt von Deutungen des Todes Jesu? 236 – Vielfalt von Jesusbildern? 236 Neuschöpfung 161, 173 Offenbarung Gottes in Jesus Christus 250–253, 259 Opfer, geistliche 218, 223 Ordination 188 f., 193–213, 216 – Amtsauftrag 203, 206 – Amtscharisma 202–207, 213 – Berufung durch Gott 200–202, 204, 208 – Handauflegung 194 f., 198–207, 213 – Ordinationsbekenntnis 208 f. – Ordinator 198–200 – Prüfung der Eignung 200–202 – Sukzession der Ordinierten 188 f., 191, 210 f. – Übergabe der apostolischen Lehrtradition 200, 207 f. – und Heilszueignung 212 f. Ordination, rabbinische 194 f., 204 Osterkerygma und Osterglaube 139 Paradies- und Sündenfallgeschichte Gen 2+3 – Verständnis bei Paulus 93 f., 99, 169 Paradiesgebot Gen 2,16b.17 168 Paulus – apostolischer Dienst 127–129, 131, 160 – Bindung an das Evangelium 158, 210 f. – Damaskusereignis 157, 161 – Existenz im irdisch-vergänglichen Leib – Bedrängnis, Leiden und Todesgefahr 127–129, 131 – Fernsein von Christus 129, 131 – in der Sicht der Pastoralbriefe 196, 202, 205–208, 210–212 – κῆρυξ, ἀπόστολος und διδάσκαλος 210 – Theologie – extra nos in Christo 133–152 – in nobis 133–135, 142–148, 151 f. – pro nobis 133–142, 148–152 – Verständnis des Evangeliums 153–162 – s. a. Abraham-Erzählung Gen 22,1–19 – s. a. Paradies- und Sündenfallgeschichte Gen 2+3 Plural, apostolischer 127, 156–160 Prädikationen Jesu Christi 113 Predigt – s. Verkündigung Predigtamt – s. Amt der Verkündigung, kirchliches
Sachregister Priestertum aller Gläubigen – nach neutestamentlichen Zeugen 216–225 – und kirchliches Amt der Verkündigung 195 f., 215–228 principium verbi divini 251–253 pro nobis als methodisches Erkenntnisprinzip 152 Proklamation der Heilstaten Gottes, hymnisch-lobpreisende 220, 224 Prophet – Charismatiker 182–185 – Prophetie als Charisma 182–185, 200–202 – kirchliches Amt der Verkündigung 180–185, 187, 189 Ravenna, S. Apollinare in Classe – Apsis-Mosaik 292 Rechtfertigungstheologie – Terminologie 106, 136, 164 f. Rettung, eschatologische 112, 118, 136, 160, 212 f. Sakramente 192, 227, 261 Samaritaner – Verhältnis zu den Juden 65 f. Schluß a maiore ad minus 149, 151 Schöpfung, außermenschliche – und Mensch 91–104 – Vergänglichkeit 97–101 – zukünftige Befreiung 99–101 Schrifthermeneutik – Unterscheidung zwischen Verheißung und Gesetz 110 Schriftprinzip, reformatorisches 251–253 Schriftverständnis, evangelisch-reforma torisches 249–261 – und Heilsfrage 249 f. sola scriptura 251 – und solus Christus 253 Soteriologie und Christologie 293 Spruchquelle Q 231 Stilistik – Anadiplosis 116 – Anakoluth 128 – Asyndeton 53 – Ellipse 115 f., 143 – Gradatio (Klimax) 114 – Inclusio 71 f., 97 – Interrogatio 114 – Litotes 115 – Metapher 144, 218 f.
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– Metonymie 97, 101, 110, 146, 150 f. – Passivum divinum 98, 102, 140, 179, 204 – Personifikation 97, 110 – Synekdoche 115 Subjektivismus – hermeneutischer 152 – religiöser 152 Sühne – s. Jesus Christus: Kreuzestod Sünde 91 f., 136 f., 141, 143 f., 147 f., 163–167, 171 f. – als Macht 91, 104, 107, 138, 141, 143 f., 165, 169, 171 f., 174 – als Tat 166 – das fundamentale Nein zu Gott 91 f., 136, 164, 171 Sünde-Tod-Zusammenhang 91 f., 94, 104, 137 f., 144, 166 f., 170 f., 175, 240, 249 f. Sündenvergebung – Erwirkung – durch Interzession 45–53 – durch priesterliche Sühneriten 45, 47 – Gewährung durch Jesus selbst 41–56 – Kundgabe durch einen Boten Gottes 43, 45 – Prärogative Gottes 41–56 Sukzession, apostolische – s. Ordination Synagogengemeinde – Verhältnis zur johanneischen Gemeinde 58 f., 66–69 Taufe 79, 82 – Taufbekenntnis 208 Tehilla 220 f. Tod – der von Gott trennende Tod 92, 136, 168, 212 – s. a. Sünde-Tod-Zusammenhang – die kreatürliche Sterblichkeit 92, 94 f. Tora – der Pentateuch 57, 64–66 – die Heilige Schrift Israels als ganze 58, 65 f. – die Tora vom Sinai 57, 61–64, 66 – s. Gesetz Tora-Verständnis des Judentums 169 Trinität 291 f. Triodion 263 f. Vaterunser 7, 10, 21–40 – ἐπιούσιος 23–27 – εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν 27–40
352 verbi divini ministerium – s. Amt der Verkündigung, kirchliches Verkünden, lobpreisendes 220 f., 225, 227 Verkündigung 105, 114–119, 152, 195 f., 198, 203, 206 f., 209–211, 213, 215, 219 f., 222–225, 234, 240, 260 f. – Auftrag aller Gemeindeglieder? 190, 195 f., 215–228 – und Evangelium 117 f., 139–141, 152, 156–159, 161 f., 173, 177–180, 191 f., 207 f., 215, 251 – und Glaube 105–119, 140–142 Versöhnung – s. Jesus Christus: Kreuzestod Versuchung 37–39
Register Volk Gottes, erlöstes 216, 218, 220–223, 225 Vollendung, eschatologische – s. Heilsvollendung Wahrheit – des apostolischen Christuszeugnisses 235 – des Evangeliums 142, 157 f., 161, 188, 191, 207, 211–213, 252 – Erkenntnis der Wahrheit 213 – Wort der Wahrheit 212 f. Weisheit und Weisheitsrede 178 „Wir“, apostolisches 127, 156–160 Wort Gottes 107, 111, 177, 215, 226 f., 250 – s. a. Evangelium
Register griechischer Begriffe und Wendungen ἀββά 1–19, 145 – ἀββὰ ὁ πατήρ 1–7 ἄγεσθαι – πνεύματι θεοῦ 5, 143 ἀκοή 109, 114–116, 156 f. ἀκούειν 114, 118 – ἀκούειν τινός hören von / über 114 ἀλήθεια – ἐπίγνωσις ἀληθείας 213 – ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου 157 – ἡ φανέρωσις τῆς ἀληθείας 161 ἁμαρτάνειν 165 ἁμαρτία 163, 165 – ἁμαρτίαν γινώσκειν 171 – ἁμαρτίαν ποιεῖν 163 – ποιεῖν τινα ἁμαρτίαν 171 – ὑφ’ ἁμαρτίαν εἶναι 166 ἀνάγνωσις 206 ἀποκαλύπτειν / ἀποκάλυψις – von charismatischer Offenbarung 183 – von der Offenbarung Jesu Christi durch Gott 158 ἀπόλλυσθαι 118 ἀποστέλλεσθαι 111, 114 f. ἀπόστολος 88 – Abgesandter einer Gemeinde 185 – Wandermissionar 185 – ἀπόστολος Ἰησοῦ Χριστοῦ u. ä. 158, 180 f. ἀρετή – αἱ ἀρεταί 219 ἀσθένεια 146 ἀφιέναι – ἀφίενταί σου αἱ ἁμαρτίαι 41 f. βλασφημεῖν 42 γίνεσθαι – δικαιοσύνη θεοῦ 172 – ἐκ γυναικός 138 – κατάρα 172 – σάρξ 286 f., 290 – ὑπὸ νόμον 172 γραφή – αἱ γραφαί die Heilige Schrift 66 f. – ἡ γραφή das Schriftwort 67 – ἡ γραφή die Heilige Schrift 58, 67
διακονία – ἡ διακονία τοῦ λόγου 215 διάκονος – Diener am Wort Gottes 215 – in Phil 1,1 185 – karitatives kirchliches Amt 196 διδασκαλία – akt. Lehrunterweisung 206, 208 – pass. Lehre 207 f. διδάσκαλος – Charismatiker 182 f. – διδαχή 182–184 – kirchliches Amt der Verkündigung 180–184, 187, 189, 197 διδαχή – die christliche Lehre 184 διηγεῖσθαι 220–222 δικαιοσύνη κτλ. in der Rechtfertigungs theologie – sprachlich – δίκαιος 164 f. – δικαιοσύνη 106, 136, 164 – δικαιοῦν / δικαιοῦσθαι 136, 165 – δικαίωσις 165 – theologisch – δικαιοσύνη 106, 110 – δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ 106, 108 f. – ἐκ θεοῦ δικαιοσύνη 107 – ἐκ νόμου δικαιοσύνη 107, 109 – ἐκ πίστεως δικαιοσύνη 107, 109–112 – ἰδία δικαιοσύνη 106–109 – δικαιοσύνη und σωτηρία 112 f., 118, 136 δόξα – δόξα τοῦ θεοῦ (gen. auctoris) 92 f., 167 ἐγείρεσθαι – in Auferstehungsaussagen 138 εἶδος 121–132 εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν 27–40 ἐκδημεῖν 129 ἐνανθρωπεῖσθαι 290 f. ἐνδημεῖν 129 ἐντυγχάνειν ὑπέρ τινος 133 ἐξαγγέλλειν 196, 219–224 ἐξουσία 44, 54 – ἐξουσίαν ἔχειν m. Infinitiv 44, 54
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Register
– ἐξουσίαν ἔχειν τινός 54 – ἐξουσίαν ἔχειν ὑπέρ τινα 54 ἐπικαλεῖσθαι 112 f., 115 ἐπιούσιος 23–27 ἐπίσκοπος – in Phil 1,1 185, 188, 197 – kirchliches Amt der Verkündigung 188 f., 196–198 – ἐπισκοπή 196 f. ἐποικοδομεῖν 178 f. εὐαγγελίζεσθαι 109, 111, 118, 156 f., 222 εὐαγγέλιον 111, 118, 140, 153–156, 198 f., 207 – τὸ εὐαγγέλιον (absolut) 154 – τὸ εὐαγγέλιον ἡμῶν / μου 155 f. – τὸ εὐαγγέλιον τοῦ θεοῦ 140, 154 – τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ 154 f. εὐαγγελιστής – kirchliches Amt der Verkündigung 187, 196 – nicht als Amtsbezeichnung 196, 210 εὐσέβεια die Glaubenswahrheit 207 ἡγούμενος 197, 216 f. καθώς als begründende Konjunktion 87 καταγγέλλειν 111, 118, 156 f. κήρυγμα 118, 156 κηρύσσειν 109, 111, 114–116, 118, 156 f., 222 κράζειν 5–7 κύριος – κύριος Ἰησοῦς 5, 113, 145 – κύριος πάντων 113 – ὁ κύριος τῆς δόξης 137, 237 λαλεῖν 111, 130, 156 f., 222 λέγειν ἐν τῇ καρδίᾳ 110 λόγος – das Evangelium / das Wort Gottes – ὁ λόγος 111, 154, 207 – ὁ λόγος τῆς ἀληθείας 157, 207, 213 – ὁ λόγος τῆς καταλλαγῆς 155 – ὁ λόγος τοῦ θεοῦ 111, 116, 140, 154, 183, 207 – ὁ λόγος τοῦ κυρίου 155 – ὁ λόγος τοῦ Χριστοῦ 154 – ὑπηρέται τοῦ λόγου 215 – s. a. διακονία – die Verkündigung des Evangeliums – ὁ λόγος ὁ τοῦ σταυροῦ 139, 160, 178
– Wort eines Charismatikers – λόγος γνώσεως 184 – λόγος σοφίας 184 λούειν / λούεσθαι – diff. νίπτειν / νίπτεσθαι 81, 83 μαρτυρεῖν 118 μαρτύριον 156, 206, 212 – τὸ μαρτύριον τοῦ κυρίου ἡμῶν 206, 212 μάρτυς bei Lukas 185 νίπτειν / νίπτεσθαι 80 f. – diff. λούειν / λούεσθαι 81, 83 νόμος – der Pentateuch 57, 66 – die Heilige Schrift Israels 58 – die Tora vom Sinai 57 – κατάρα τοῦ νόμου 168, 171 f. – τὸ ἀδύνατον τοῦ νόμου 170 – ὑπὸ νόμον 173 ὁμοίωμα 171 ὁμολογεῖν 112 f. ὁμολογία in objektivem Sinn 208 f. ὁρᾶν – ὀφθῆναί τινι 138 f. – ὀφθῆναι ὑπό τινος 138 ὀργὴ θεοῦ 112 οὕτως – substantivische Verwendung 42 ὀφείλημα 22 παραθήκη 189, 208, 258 παράκλησις 156, 206 πειρασμός 37–39 – εἰσφέρειν τινὰ εἰς πειρασμόν 27–40 – ἐμπίπτειν εἰς πειρασμόν 29 – ἔρχεσθαι / εἰσέρχεσθαι εἰς πειρασμόν 38 περιπατεῖν 129 f. πιστεύειν – πιστεύειν εἰς 118, 132, 141 f. – πιστεύειν ἐπί 113 – πιστεύειν ὅτι 142 πίστις – die fides quae creditur 183 f., 207 – πίστις Ἰησοῦ Χριστοῦ u. ä. 118, 132, 141 πληροῦν 111, 156 ποιμήν 187, 189, 197 πρεσβυτέριον – das Ältestenkollegium 198 f. – die Ältestenwürde 199 f. πρεσβύτερος 197 f. προφήτης
Register griechischer Begriffe und Wendungen – Charismatiker 182–185 – προφητεία 182–185, 200–202 – προφητεύειν 182–185 – kirchliches Amt der Verkündigung 180–185, 187, 189 ῥῆμα 111, 114, 116 f. – ῥῆμα τῆς πίστεως 111 – ῥῆμα Χριστοῦ 116 f., 157 σαρκοῦσθαι 286 f., 290 σάρξ – die irdisch-vergängliche Existenz 166 – der Mensch in seiner Sterblichkeit 290 – σὰρξ γίνεσθαι 286 f., 290 – die von der Sünde beherrschte Existenz 143 f., 166, 170–172, 174 – εἶναι ἐν σαρκί 143 f. – σὰρξ ἁμαρτίας 171 f. συμμαρτυρεῖν 145 σῶμα 128 – θνητὸν σῶμα 94 f.
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– νεκρὸν σῶμα 94 f. – σῶμα τῆς ἁμαρτίας 94, 166 f. – σῶμα τοῦ θανάτου 94, 167 σωτήρ – Gott 212 – Jesus Christus 212 σωτηρία / σῴζεσθαι 112 f., 118, 136, 212 f. – σωτηρία und δικαιοσύνη 112 f., 118, 136 ὑπακούειν 11 ὑπέρ m. Gen. der Person 133, 172 – εἶναι ὑπέρ τινος 133 – ἐντυγχάνειν ὑπέρ τινος 133 ὑπόδειγμα 87 ὑστερεῖσθαί τινος 93, 167 χάρις 170 – ὑπὸ χάριν 173 χρείαν ἔχειν m. Inf. Aor. 85 Χριστός 136 – ἐν Χριστῷ / ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ 134 – Χριστοῦ εἶναι 143