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German Pages [248] Year 1999
NTOA 40 Michael Bachmann Antijudaismus im Galaterbrief?
NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS (NTOA) Im Auftrag des Biblischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz herausgegeben von Max Küchler in Zusammenarbeit mit Gerd Theissen
Zum Autor: Prof. Dr. theol. Michael Bachmann, seit 1995 Lehrstuhlinhaber an der Universität Siegen, zuvor seit 1980 an der Pädagogischen Hochschule Freiburg/Breisgau. Promotion (Münster 1978) und Habilitation (Basel 1990) mit Arbeiten zu Lukas und zu Paulus: Jerusalem und der Tempel. Die geographisch-theologischen Elemente in der lukanischen Sicht des jerusalemischen Tempels (BWANT 109), Stuttgart 1980; Sünder oder Übertreter. Studien zur Argumentation in Gal 2,15ff. (WUNT 59), Tübingen 1992. Ferner zahlreiche Aufsätze (und Wörterbuchartikel) zu neutestamentlichen Themen (lukanisches Werk; paulinisches Schrifttum; Hebräerbrief; Johannesoffenbarung), auch zu ikonographischen und didaktischen Aspekten der Rezeptionsgeschichte des Neuen Testaments.
Novum Testamentum et Orbis Antiquus
40
Michael Bachmann
Antijudaismus im Galaterbrief? Exegetische Studien zu einem polemischen Schreiben und zur Theologie des Apostels Paulus
Universitätsverlag Freiburg Schweiz Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1999
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Bachmann, Michael: Antijudaismus im Galaterbrief?: exegetische Studien zu einem polemischen Schreiben und zur Theologie des Apostels Paulus / Michael Bachmann. - Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl.; Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Novum testamentum et orbis antiquus; 40) ISBN 3-7278-1256-7 (Univ.-Verl.) ISBN 3-525-53940-1 (Vandenhoeck & Ruprecht)
Veröffentlicht mit Unterstützung des Hochschulrates Freiburg Schweiz, des Rektorates der Universität Freiburg Schweiz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Druckvorlagen w u r d e n vom Verfasser als reprofertige Dokumente zur Verfügung gestellt.
© 1999 by Universitätsverlag Freiburg Schweiz Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN 3-7278-1256-7 (Universitätsverlag) ISBN 3-525-53940-1 (Vandenhoeck & Ruprecht) ISSN 1420-4592 (Novum Testam. orb. antiq.)
Vorwort Die in diesem Band zusammengestellten sechs Beiträge greifen Fragen auf, die mich schon bei der Abfassung meiner 1992 erschienenen Habilitationsschrift (WUNT 59) beschäftigt haben, ohne daß ich damals Gelegenheit gehabt hätte, ihnen genauer nachzugehen. Seinerzeit standen die Struktur von Gal 2,15-21 und die Funktion dieser Passage im Gesamtzusammenhang des Briefs an die galatischen Gemeinden im Zentrum meiner Beobachtungen und Überlegungen, und der Fortgang der Diskussion auf diesen Feldern, die mehrheitlich recht freundlichen Rezensionen meines Buches sowie (zumal durch J. Lambrecht und A. Wechsler) unabhängig von ihm gewonnene Ergebnisse1 vermitteln mir den Eindruck, "nicht vergeblich gearbeitet" zu haben. Die Beschäftigung mit der paulinischen Argumentation im Galaterbrief, einem von Polemik fraglos nicht freien Schreiben, hatte mich an unterschiedlichen Punkten zu Zweifeln an einer Sicht veranlaßt, nach der Paulus hier mit "Werkgerechtigkeit", insbesondere mit jüdischer "Werkgerechtigkeit", abrechnen soll. Eine derartige Auffassung überzeugte mich u.a. deshalb nicht, weil der Apostel sich doch an galatische Christen, (zumindest primär) an Heidenchristen, wendet und deren Einstellung und Verhalten zu beeinflussen sucht. Solche Fragen, die in der Habilitationsschrift eher am Rande zur Sprache kamen, habe ich in den vorliegenden Aufsätzen weiter verfolgt. Das nicht sonderlich klare Stichwort "Antijudaismus" mag, auf neutestamentliche Sachverhalte angewandt, mittlerweile gelegentlich allergische Reaktionen auslösen. Für Paulus und den Galaterbrief indes scheint mir die Thematik in unserer geschichtlichen Lage und in der gegenwärtigen exegetischen Diskussion alles andere als obsolet. Einige wenige Zitate mögen das verdeutlichen. H. Schreckenberg (Umfeld, 89)2 urteilt aufgrund umfassender Kenntnisse: "Auf jüdischer Seite sah und sieht man im Galaterbrief eine Hauptquelle der Judenfeindschaft im theologischen und politischen Raum christlicher Zeit." Daß dazu nach wie vor Anlaß besteht, zeigt etwa die - nicht zuletzt mit Passagen des Schreibens an die galatischen Gemeinden begründete - Einschätzung durch R. Ruether (Nächstenliebe, 101 [vgl. 104]): "Die Position des Paulus war fraglos die des Antijudaismus." Und noch nach W. Kraus (Volk, 254) ist "für das ungläubige Israel" immerhin und ge1
S. Lambrecht, Studies, 303 samt Anm. 4 (vgl. ebd., 211-230, und dazu Bachmann, Sünder, VII), und A. Wechsler, Geschichtsbild und Apostelstreit. Eine forschungsgeschichtliche und exegetische Studie über den antiochenischen Zwischenfall (Gal 2,11-14) (BZNW 62), Berlin/New York 1991, bes. 390-393. Zur Entschlüsselung der im Vorwort verwandten Kurztitel s.u. Beitrag (V) Anm. 1.4.20.43 sowie Beitrag (VI) Anm. 9. 2 Im Blick auf die Frage "Neues Testament und Antijudaismus" vgl. I. Broer, Die Juden im Urteil der Autoren des Neuen Testaments. Anmerkungen zum Problem historischer Gerechtigkeit im Angesicht einer verheerenden Wirkungsgeschichte, in: ThGl 82,1992,233, und G.G. Stroumsa, From Anti-Judaism to Antisemitism in Early Christianity?, in: O. Limor/G.G. Stroumsa (Hg.), Contra Judaeos - Ancient and Medieval Polemics between Christians and Jews (TSMJ 10), Tübingen 1996,1-26 - sowie die dort genannte Literatur.
VI
Antijudaismus
im
Galaterbrief?
rade "im Gal die Verwerfung ... sachlich ... durch den Ausschluß vom Erbe und die Identifikation des Sinaibundes mit der Sklaverei vollzogen". In unserer historischen und in einer solchen forschungsgeschichtlichen Situation hängt von der Klärung dessen, ob für den Galaterbrief von Antijudaismus zu sprechen ist, nicht wenig ab: Hat man wirklich einen paulinischen Antijudaismus zu konstatieren und sich deshalb von ihm im Sinne der Sachkritik zu emanzipieren (s. Ruether, Nächstenliebe 112.210-212; vgl. ebd., 246, wo P. von der Osten-Sacken "Ruethers Untersuchung ... auf den Nenner der Notwendigkeit theologischen Besitzverzichts" bringt)? Oder ist "die Position des Gal" als "eine polemische Überspitzung" zu charakterisieren, "die nicht als letztes Wort anzusehen ist" (Kraus, Volk, 355) und im Römerbrief "zurückgenommen" wird (ebd., 359), sich also von dorther korrigieren läßt? Die Erarbeitung der hier vereinigten Studien hat mich zu der wenig konventionellen Überzeugung geführt, daß nicht der Galaterbrief selbst, vielmehr erst seine Rezeption antijudaistische Züge trägt. Dem leistet er mit seiner polemischen Schärfe freilich Vorschub. Es kam hinzu, daß schon bald die - im Fall der fepya v6|i.ou3: technische - Sprache und die jüdisch geprägte Schriftauslegung des Apostels nicht mehr hinreichend verstanden und zunehmend Probleme späterer Zeiten, insbesondere solche des 16. Jahrhunderts, in den Galaterbrief "hineingelesen" wurden. So betreffen diese - bewußt rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Aspekte einbeziehenden - Aufsätze nicht nur eine ganze Anzahl von nicht selten strittigen Einzelfragen der Paulus-Exegese, sondern auch das frühere wie das gegenwärtige Verhältnis von Judentum und Christentum, ferner die philologische und die ökumenische Debatte um die sog. Rechtfertigungslehre. Die Beiträge (I), (II) und (III) werden hier gemäß der jeweiligen Erstveröffentlichung unverändert abgedruckt4, allerdings mit neuem, einheitlichem Layout dem bei Aufsatz (III) die einstigen Randglossen zum Opfer gefallen sind - . Dazu wurden die Manuskripte auf Druckfehler und andere Versehen hin durchgemustert; insbesondere ist nun in Abb. 4 von Studie (III) der Mosaikfußboden der Syn-
3 Erst während der Drucklegung der vorliegenden Aufsatzsammlung stieß ich auf den folgenden, gerade auch diese Wendung betreffenden Beitrag: J.A. Fitzmyer, Paul's Jewish Background and the Deeds of the Law, in: ders., According to Paul. Studies in the Theology of the Apostle, New York/Mahwah, NJ, 1993, 18-35 (und 125-130). Dem Autor zufolge klingt sie (und die um den Genitiv kürzere, "abbreviated form") "like a slogan derived from his [d.h. Paulus') Jewish theological background, summing up the deeds prescribed or proscribed in the Mosaic Law, it's 'precepts'" (20); als Bestätigung dafür seien Qumran-Belege zu werten, insbesondere der durch 4QMMT (C27) gegebene, für den gelte: "It is clear ... that mcs'ym is to be understood as 'precepts'" (22, wo sodann auf Ex 18,20 verwiesen wird). Vgl. ferner die mir ebenfalls erst jetzt zugänglich gewordene wichtige Studie: R. Penna, Le "operedella Legge" in s. Paolo e 4QMMT, in: R S t B 9 / 2 , 1 9 9 7 , 1 5 5 - 1 7 6 , bes. 159.173-176. 4
Was die genauen Fundorte meiner früheren Publikationen angeht, die in diesem Aufsatzband wiederabgedruckt werden oder eine Entsprechung finden, s.u. das Inhaltsverzeichnis.
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Vorwort
agoge von Bet Alfa (im Sinne des Aufsatzes: richtig) so wiedergegeben worden, daß beispielsweise Abraham sozusagen auf dem Kopf steht. Die bei Beitrag (I) ursprünglich als Nachtrag gebotenen Ergänzungen zu Anm. 138.147.151.158.160 (ThZ 49,1993, 331) sind jetzt in diese Anmerkungen integriert (und an sie mit der Erstnennung der vollständigen Veröffentlichungstitel angeglichen) worden, während umgekehrt zu Beitrag (III) ein Nachtrag hinzugekommen ist. Die übrigen drei Studien sind in der vorliegenden Gestalt noch nicht publiziert worden. Allerdings handelt es sich allein beim abschließenden Aufsatz um eine Erstveröffentlichung im engeren Sinn, während von den Beiträgen (IV) und (V) kürzere Fassungen bereits erschienen sind. Der hiermit publizierte Beitrag (V) weicht dabei von der bereits veröffentlichten Version im wesentlichen durch einen umfangreicheren Anmerkungsapparat ab, weshalb auch in diesem Fall - nicht anders als in den Studien (I), (II) und (III) - in der Kopfzeile auf die Seitenzahlen der früheren Publikation hingewiesen werden kann. Viele haben daran Anteil, daß es zu dieser zunächst nicht als Einheit ins Auge gefaßten, deshalb auch mancherlei Überschneidungen - z.B. zwischen den Beiträgen (I) und (II) einerseits, (III) und (IV) andererseits - aufweisenden Aufsatzsammlung hat kommen können, in die ich nur solche Paulus-Studien aufgenommen habe, welche es zentral mit dem im Obertitel angesprochenen Themenbereich 5 zu tun haben. Herr Kollege G. Theißen bot mir den Publikationsort an, und Herr Kollege M. Küchler gab nicht nur seine Zustimmung dazu, sondern versorgte mich auch mit Literatur. Die Verlage Friedrich Reinhardt (Basel), de Gruyter (Berlin) und Neukirchener (Neukirchen-Vluyn) erklärten sich mit dem Wiederabdruck der Beiträge (I), (II) und (III) einverstanden. Die nicht eben einfache Aufgabe, die handschriftlichen Vorlagen in Maschinensatz zu überführen, bewältigte in Freiburg/Breisgau Frau M. Glockner und bewältigten dann in Siegen Frau R. Schumacher, Frau R. Reimann und Frau E. Dörnemann. Für das einheitliche Layout und für die graphische Gestaltung der Tableaus sorgte Herr M. Schüring, angeleitet und unterstützt von dem auch bei diesem Galaterbrief-Buch wieder tätigen Computerduo, meiner Frau, Ursula, und - vor allem - unserem Sohn, Philipp. Erneut unterzog sich Herr K.F. Ulrichs, inzwischen mein Wissenschaftlicher Mitarbeiter, den Mühen des Korrekturenlesens und der Erstellung der Register. An der Suche nach Druckfehlern waren überdies Frau K. Irle und Herr Ch. Eberhard beteiligt. Um die Erstellung der Abbildungsseiten kümmerten sich - neben Herrn Schüring - Frau K. Rohde und Herr M. Büchner. Ihnen allen sage ich herzlich Dank. St. Märgen/Siegen, den 28. Mai 1999 5
M. Bachmann
Der enge Bezug auf die paulinischen Schriften und speziell auf den Galaterbrief hat in Studie (II) dazu geführt, daß die Relation zwischen jenen Schriften und dem "QumranDokument" 4QMMT erörtert, aber (z.B.) nicht dessen Verhältnis zu dem einigermaßen halakhischen Schriftstück Act 15,23-29 (und zu seiner Dreier-Konstellation) thematisiert wird.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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(I)
Rechtfertigung und Gesetzeswerke bei Paulus 1 (Zuerst in: Theologische Zeitschrift [hg. von der Theologischen Fakultät Basel] 49, 1993, 1-33) (II) 4QMMT und Galaterbrief, n n n n "taJD und EPrA n o m o y 33 (Zuerst in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 89, 1998,91-113) (HI) Jüdischer Bundesnomismus und paulinisches Gesetzesverständnis, das Fußbodenmosaik von Bet Alfa und das Textsegment Gal 3,15-29 57 (Zuerst in: Kirche und Israel. Neukirchener Theologische Zeitschrift 9,1994,168191) Nachtrag 79 (IV) Ermittlungen zum Mittler: Gal 3,20 und der Charakter des mosaischen Gesetzes 81 (Vgl.: Amt und Gemeinde [hg. vom Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich] 48, 1997, 78-85) (V) Die andere Frau. Synchrone und diachrone Beobachtungen zu Gal 4.21-5.1 127 (Vgl.: Judaica. Beiträge zum Verstehen des Judentums 54, 1998, 144-164) (VI) Kirche und Israel Gottes. Zur Bedeutung und ekklesiologischen Relevanz des Segenswortes am Schluß des Galaterbriefs 159 (Erstveröffentlichung)
Stellenregister Autor(inn)enregister
191 215
(I)
Rechtfertigung und Gesetzeswerke bei Paulus* In memoriam Karl Heinrich Rengstorf (1.10.1903-24.3.1992) I
Reichlich vermessen und ein bisschen langweilig - so mag einem das gewählte Thema erscheinen. Denn ist es nicht zuviel des Guten und muss es nicht unergiebig bleiben, sich für eine kurze Vorlesung die Rechtfertigungslehre vorzunehmen, die über fast 2000 Jahre hin in Kirche und Theologie heftig diskutiert wurde und wird und die insbesondere bei der bis heute nicht überwundenen Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts eine erhebliche Rolle gespielt hat?1 In der Tat, die Rechtfertigungslehre als ganze in den Blick zu nehmen, das wäre vermessen und langweilig. Deshalb die erste Einschränkung: Es soll um den paulinischen Bereich gehen. Aber diese Reduktion hilft nur wenig weiter; denn unsere Paulus-Exegese ist nicht ohne die uns vorausliegende Kirchengeschichte denkbar, und was diese angeht, so ist zumal die Reformation eben der Paulus-Interpretation verpflichtet. Nach Luthers berühmtem Selbstzeugnis aus dem Jahre 15452 ist es ja die Aus-1 legung des Ausdrucks iustitia dei von Rom 1,17 gewesen, die seine Kehre bestimmt hat: Nicht, wie er gelernt habe, "de iustitia (ut vocant) formali seu activa" sei die Wendung zu verstehen, sondern um die passive Gerechtigkeit gehe es, "qua nos Deus misericors iustificat perfidem", "qua nos iustificemui". Um die heute übliche grammatische Terminologie zu verwenden3: Es handelt sich bei der "GerechtigLeicht überarbeitete und um Anmerkungen erweiterte Fassung der am 3.6.1991 in Basel gehaltenen öffentlichen Habilitations Vorlesung. 1 S. dazu nur A.E. McGrath, Iustitia Dei. A History of the Christian Doctrine of Justification, Bd. I-II, Cambridge u.a. 1986, bes. 1,1-4; indes wird hier (I, 3f.) auch einschränkend vermerkt, dass die eigentliche Geschichte der Rechtfertigungslehre "its sphere within the westem church alone" hat (1,3). Zum gegenwärtigen Stand der recht ermutigenden Versuche, die einschlägigen Lehrverurteilungen der Zeit der Reformation und "Gegenreformation" aufzuarbeiten und zu überwinden, zuletzt W. Pannenberg, Die Rechtfertigungslehre im ökumenischen Gespräch, ZThK 88 (1991) 232-246 (der sich insbesondere auseinandersetzt mit J. Baur, Einig in Sachen Rechtfertigung? Zur Prüfung des Rechtfertigungskapitels der Studie des ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen: "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", Tübingen 1989). 2 WA 54, 179-187 (bei O. Scheel [Hg.], Dokumente zu Luthers Entwicklung [SQS NF 2], Tübingen 2 1929: 186-193). Zitate: 185,19 (Scheel:191,35f.). 186,7(192,13f.). 186,20(192,27). Vgl. McGrath, Iustitia, II, 3-10, bes. 4. 3 S. dazu nur E. Hirsch, Hilfsbuch zum Studium der Dogmatik. Die Dogmatik der Reformatoren und der altevangelischen Lehre quellenmässig belegt und verdeutscht, Berlin 4 1964, 130(-133).
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Antijudaismus
im
Calaterbrief?
Ii
keit Gottes" nach Luther nicht um einen genitivus subiectivus, nicht um Gottes eigenes Gerechtsein, sondern eher um einen genitivus obiectivus, speziell um einen genitivus auctoris, um die vor Gott geltende Gerechtigkeit 4 , die der Mensch Gott verdankt. Angesichts dieser Vorgeschichte ist es kein Wunder, dass sich die protestantische und übrigens auch die katholische Paulus-Exegese insbesondere der letzten Jahrzehnte intensiv mit eben dieser Genitivverbindung, auf griechisch: 81KaiocróvT] 6 E O Ú , beschäftigt hat, freilich - und das zeigt endgültig, dass unsere erste Reduktion nur bedingt weiterhilft - ohne dass es hier zu einem Konsens gekommen wäre. E. Käsemanns Anregung etwa, es sei neben dem Gabe- auch der Machtcharakter der Gerechtigkeit Gottes zu bedenken, es sei also - Luther entgegen - durchaus auch (und zwar Uber Rom 3,5.25f. hinaus) mit Bedeutungsnuancen des genitivus subiectivus zu rechnen, ist weithin aufgegriffen, aber auch vehement zurückgewiesen worden. 5 So erfreulich es ist, dass, wie Käsemanns Votum und wie auch jüngere katholische Gesprächsbeiträge beweisen, Positionen des 16. Jahrhunderts nicht einfach in die gegenwärtige exegetische Diskussion hinein verlängert werden, dass hier vielmehr das Bemühen um die paulinischen Texte selbst zu Thesen führen kann, die sich nicht der konfessionellen Herkunft des Exegeten I verdanken, 6 so bedauerlich ist es, dass unsere erste Reduktion - die auf Paulus hin - noch nicht recht gegriffen hat. Nun, versuchen wir es mit einer zweiten! Sie ist in der Formulierung des Themas durch die Konjunktion "und" angedeutet, die hier keine Aufblähung meinen, sondern besagen soll, dass es um so etwas wie die Schnittmenge von Rechtfertigungslehre und Gesetzeswerken gehen soll - und das eben bei Paulus - ; Rechtfertigung soll primär oder allein interessieren unter dem Aspekt nicht der Genitivverbindung "Gerechtigkeit Gottes", sondern der anderen: "Werke des Ge-
4 In diesem Sinne übersetzt denn Luther bekanntlich auch in Rom 1,17 (vgl. nur D. Martin Luther, Biblia. Das ist die gantze Heilige Schrifft. Deudsch auffs new zugericht, Wittenberg 1545, hg. v. H. Volz, Bd. I-III, München 1974, III, 2270: "GERECHTIGKEIT/DIE FUR G o r r GILT" [vgl. WA.DB 7 , 3 0 bzw. 31]). 5 E. Käsemann, Gottesgerechtigkeit bei Paulus, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen, Bd. II, Göttingen 3 1970,181-193 (zuerst 1961), dessen Grandansatz sich, wie z.B. die Forschungsüberblicke durch J.A. Ziesler, The Meaning of Righteousness in Paul. A Linguistic and Theological Enquiry, MSSNTS 20 (1972) 9-14, und H. Hübner, Paulusforschung seit 1945. Ein kritischer Literaturbericht, in: A NRW 11,25,4 (1987) 2649-2840, 2694-2709, ausweisen, u.a. Ch. Müller, P. Stuhlmacher und K. Kertelge anschlössen, denen zumal R. Bultmann (AIKAIOÏYNH 0EOY, JBL 83 [1964] 12-16) und G. Klein (Gottesgerechtigkeit als Thema der neuesten Paulus-Forschung, in: Ders., Rekonstruktion und Interpretation. Gesammelte Aufsätze zum Neuen Testament, BEvTh 50 [1969] 225-236 [zuerst 1967]) gegenüberstehen. 6 S. dazu bes. E. Lohse, Die Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie, in: Ders., Die Einheit des Neuen Testaments. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 2 1973, 209-227, 210-213.227. Vgl. u. (bei) A. 49.
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Rechtfertigung und Gesetzeswerke bei Paulus
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setzes", fepya v6^ou. 7 Dass sich da zu weiterführenden Aussagen kommen lässt, ist nun entschieden wahrscheinlicher. Erstens deshalb, weil dieser Ausdruck "Werke des Gesetzes" nur an ganz wenigen Stellen vorkommt: Es handelt sich bei Paulus, besteht man auf regierendem und regiertem Nomen, nur um sechs Verse (Gal 2,16[3 mal]; 3,2.5.10; Rom 3,20.28; vgl. ferner Rom 9,32 v.l.). Jenseits dieser Stellen fehlt der Ausdruck bzw. ein ihm entsprechender hebräischer im biblischen Schrifttum ganz. Höchstens kommen noch einige Verse des Römerbriefs hinzu, an denen Paulus statt "ohne Gesetzeswerke" (Rom 3,28) oder statt "aus Gesetzeswerken" (Rom 3,20; Gal 2,16; 3,2.5.10) kürzer sagt: "ohne Werke" (Rom 4,6), "aus Werken" (Rom 4,2; 9,12.32; 11,6) 8 - und dies offenbar nicht zuletzt deshalb, weil es da auch um Ereignisse geht, die zeitlich vor der I mosaischen Gesetzgebung liegen. 9 Von "Werken des Gesetzes" zu reden, wäre da einigermassen anachroni-
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Dem Ausdruck bin ich bereits vor kurzem in einem knapp formulierten, exkursartigen Passus unter einem etwas anderen Aspekt nachgegangen: M. Bachmann, Sünder oder Übertreter. Studien zur Argumentation in Gal 2,15ff., WUNT 59 (1992) 91-100 (vgl. ferner ebd., 9-ll.90f.100f.162). Berührungen mit diesen Ausführungen werde ich im folgenden nicht in jedem Fall notieren. Vgl. u. A. 11. 8 Vgl. (etwa) die ähnliche Auflistung bei O. Hofius, "Rechtfertigung des Gottlosen" als Thema biblischer Theologie, in: Ders., Paulusstudien, WUNT 51 (1989) 121-147 (zuerst 1987), 127 A. 35, sowie den tabellarischen Überblick zu Ipyov im Corpus Paulinum bei D.J. Moo, "Law", "Works of the Law" and Legalism in Paul, WThJ 45 (1983) 73-100,93. Den aufgeführten Belegen hat man, diesem Tableau zufolge, am ehesten zur Seite zu stellen: Eph 2,9 ("aus Werken"); Tit 3,5 ("aus Werken in der Gerechtigkeit"); Röm 2,15 ("das Weik des Gesetzes" [s. hierzu u. A. 109-121, und zu Eph 2,9 und Tit 3,5 u. A. 96]). 9 Das gilt fraglos für die (letztlich) mit Abraham (Röm 4,2.6) in Zusammenhang gebrachten sowie für die mit Jakob und Esau (Röm 9,12) verknüpftenfepya(so zu Recht Moo, "Law", 81.94f.). Gut möglich ist, dass man angesichts des rückwärtigen Kontexts und insbesondere angesichts der weiterwirkenden Abrahamsthematik (s. Röm 9,12; 11,1) auch Röm 11,6 entsprechend zu verstehen hat, während das für Röm 9,32 - wenn es hier nicht ohnehin gemäss dem Mehrheitstext fepya vtyiov heissen muss - eher unwahrscheinlich ist (wo der Ausdruck "aus Werken" nach 9,31 und vor 10,5 sich eher als Abkürzung begreifen lässt, die eine prägnante Gegenüberstellung zu "aus Glauben" erlaubt). Sofern die Ipya von Röm 4,2ff. auf dem Hintergrund von Röm 3,20ff. zu begreifen sind, ist in Kap. 4ff. wahrscheinlich - wenn nicht an die Tora selbst, so - an Analoga der Gesetzeswerke zu denken (vgl. [indes] Joh 8,39 und dazu [H. L. Strack/]P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. I-IV, München 1922-1928, II. 524 und III, 186f.). Es leuchtet deshalb schwerlich ein, wenn Moo, "Law", 94-96, die präpositionalen Ausdrücke von Röm 4,2.6; 9,12.32 und 11,6 nicht eigentlich auf der Folie der um den Genitiv toü v6jio\> längeren Wendungen von Röm 3,20.28 interpretiert, sondern sie (und selbst die kompletteren Formulierungen) von der Verwendung des absolut gebrauchten Terminus fepyov bzw. kpya her erklärt und wenn entsprechend J. Lambrecht, Gesetzesverständnis bei Paulus, in: Das Gesetz im Neuen Testament (QD 108), hg. v. K. Kertelge, Freiburg/Basel/Wien 1986,88-127, 126(f.), äussert: "In Röm 4,2-5 und 9,10-13. 16 sagt Paulus deutlich, dass
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stisch. 1 0 Bei einer so gut überschaubaren Zahl von Belegen müsste sich doch etwas eruieren lassen! Das um so mehr, als dieses Feld zweitens seltsamerweise noch nicht abgegrast, auch nicht durch Gräben exegetischer Fehden bis zur Unkenntlichkeit verstellt ist. 1 1 1 Man ist sich vielmehr, obwohl die Art des Genitivs
Gottes rechtfertigende und erwählende Gnade allen menschlichen 'Werken', somit nicht nur den Gesetzeswerken, vorgeordnet ist" (vgl. S. Westerholm, Israels Law and the Church's Faith. Paul and His Recent Interpreters, Grand Rapids, Michigan, 1988, bes. 119, und die hierauf bezüglichen Anfragen von J.D.G. Dünn, Jesus, Paul and the Law. Studies in Mark and Galatians, London 1990,238f.). (Was das Laufen und Wollen von Rom 9,16 angeht, so findet es übrigens gerade in Ps 119[118] eine gewisse Entsprechung, nämlich in V. 32.35.) Vgl. u. (bei) A. 106.123. 10 Vgl., was die chronologische Anordnung angeht, nur Rom 5,13.14a.20 und Gal 3,17.19, doch auch Rom (5,14b und) 7,7ff. (und s. dazu O. Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi, in: Ders., Paulusstudien, 50-74 [zuerst 1983], 57f. samt A. 26, sowie Bachmann, Sünder, 76 samt A. 253). 11 An Studien, in denen der Begriff fepTa vö|iou mehr oder weniger im Zentrum steht, seien genannt: E. Lohmeyer, Probleme paulinischer Theologie II. "Gesetzeswerke", in: Ders., Probleme paulinischer Theologie, Darmstadt 1954, 31-74 (zuerst 1929); J. Blank, Warum sagt Paulus: "Aus Werken des Gesetzes wird niemand gerecht?", in: EKK. V 1, 1969, 79-95; U. Wilckens, Was heisst bei Paulus: "Aus Werken des Gesetzes wird kein Mensch gerecht"?, in: Ders., Rechtfertigung als Freiheit. Paulusstudien, Neukirchen-Vluyn 1974, 77-109 (zuerst 1969); J.B. Tyson, "Works of Law" in Galatians, JBL 92 (1973) 423-431; R.P. Füller, Paul and "the Works of the Law", WThJ 38 (1975) 28-42; Moo, "Law" (s.o. A. 8); L. Gaston, Works of Law as a Subjective Genitive, in: Ders., Paul and the Torah, Vancouver 1987, 100-106 (zuerst 1984); R. Heiligenthal, Soziologische Implikationen der paulinischen Rechtfertigungslehre im Galaterbrief am Beispiel der "Werke des Gesetzes". Bemerkungen zur Identitätsfindung einer frühchristlichen Gemeinde, Kairos 26 (1984) 38-53; J.D.G. Dunn, Works of the Law and the Curse of the Law (Galatians 3.10-14), in: Ders., Jesus (s.o. A. 9), 215-236 (vgl. 237-241) (zuerst 1984) (vgl. Ders., Yet Once More 'The Works of the Law': A Response, JSNT46 [1992], 99-117); H. Hübner, Was heisst bei Paulus "Werke des Gesetzes"?, in: Glaube und Eschatologie. Festschrift für Werner Georg Kümmel zum 80. Geburtstag, hg. v. E. Grässer/O. Merk, Tübingen 1985, 123-133; R.H. Gundry, Grace, Works, and Staying Saved in Paul, Bib 66 (1985) 1-38; G. Klein, Werkruhm und Christusruhm im Galaterbrief und die Frage nach einer Entwicklung des Paulus. Ein hermeneutischer und exegetischer Zwischenruf, in: Studien zum Text und zur Ethik des Neuen Testaments. Festschrift zum 80. Geburtstag von Heinrich Greeven (BZNW 47), hg. v. W. Schräge, Berlin/New York 1986, 196-211; P. Trümmer, Wieso "aus Werken des Gesetzes kein Mensch gerechtfertigt wird" (Gal 2,16) und welche Konsequenzen das für uns hat. Ein Essay, in: Ders., Aufsätze zum Neuen Testament, Grazer Theologische Studien 12 (1987) 81-94; Westerholm, Faith (s.o. A. 9), 116-121; W. Stegemann, Christliche Judenfeindschaft und Neues Testament, in: Ders. (Hg.), Kirche und Nationalsozialismus, Stuttgart/Berlin/Köln 1990,131-169, hier: 153-167 ("Das christliche Vorurteil von der jüdischen 'Werkgerechtigkeit'"); C.E.B. Cranfield, "The Works of the Law" in the Epistle to the Romans, JSNT 43 (1991) 89-101; Th.R. Schreiner, 'Works of Law' in Paul, NT 33 (1991) 217-244 (hier weitere Literaturangaben). Vgl. o. A. 7.
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Rechtfertigung und Gesetzeswerke bei Paulus
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dabei ein wenig dunkel bleibt,12 ziemlich einig darüber, was der Ausdruck meint,13 nämlich in etwa: "Gebotserfüllungen" (P. Billerbeck), "Dienst des Gesetzes" (E. Lohmeyer), "Tora-Observanz im ganz umfassenden Sinn" (O. Hofius).14! II Sich auf diesem Feld zu orientieren, dürfte also möglich sein. Es ist zudem angeraten: Zum einen, weil wir auch beim Ausdruck "Gesetzeswerke" eine schwere kirchengeschichtliche Hypothek mitzuschleppen haben; zum anderen,15 weil zwar dieses Syntagma selbst nicht sonderlich umstritten ist, wohl aber die Frage, wie denn, um eine Formulierung E. Lohmeyers zu verwenden,16 "der Kernsatz paulinischer Rechtfertigungslehre" zu verstehen ist, der Satz Rom 3,28 nämlich bzw. diejenige Formulierung, die Paulus in Rom 3,20 und Gal 2,16 im Anschluss an Ps 143(142),2 wählt und nach der "aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt (werden) wird". Wenn nun beides - jene Hypothek und diese Differenzen kurz in den Blick gefasst werden soll, so nicht nur, um erahnen zu lassen, welchen Problemen es sich zu stellen gilt, sondern gleichzeitig, um auf einen problematischen Umgang mit dem Ausdruck "Gesetzeswerke" aufmerksam zu machen. Setzen wir wieder bei Luther und damit bei der kirchengeschichtlichen Hypothek ein! Für den Reformator war jener Kernsatz von ähnlicher Bedeutung wie Rom 1,17. Das lässt sich z.B. daran ablesen, dass Luther "verschiedene(n) Thesen-
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Vgl. dazu zumal Lohmeyer, Probleme, bes. 73f. (es "bleibt die Art dieses Genetives grammatisch unklar" [73]), und W. Stegemann, Judenfeindschaft, 160f., auch P.C. Böttger, Paulus und Petnis in Antiochien. Zum Verständnis von Galater 2. 11-21, NTS 37 (1991) 77-100, 87, ferner R. Liebers, Das Gesetz als Evangelium. Untersuchungen zur Gesetzeskritik des Paulus, AThANT 75 (1989) 41. 13 Nach Schreiner, Works, 22S.228-23S, urteilt man in der Forschung einmütig (s. bes. 225): Das Syntagma "simply designates the deeds or actions commanded by the law" (235), genauer: seitens des mosaischen Gesetzes (s. ebd., 225; vgl. Moo, "Law", 92 samt A. 68, Heiligenthal, Implikationen, 41, sowie u. A. 112). Abgesehen davon besteht indes, wie sogleich deutlich werden wird, kein Konsens hinsichtlich dessen, was Paulus mit der Wendung beabsichtigt (s. Schreiner, Works, 217). 14 Billerbeck, Kommentar, III, 160f.l99 (Zitat: 199), Lohmeyer, Probleme, 67 (u.ö.) (vgl. Tyson, Works, 426 [u.ö.]), und Hofius, Rechtfertigung, 127 A. 35 - der sich indes betont davon absetzt, fepya v6pou mit Billerbeck und den ihm "in der Regel" (ebd.) folgenden Kommentatoren von "einzelnen 'Gebotserfüllungen'" (ebd.) zu begreifen, wie denn auch Lohmeyer ganzheitlich versteht und mit '"Gesetzesdienst' eine bleibende Bestimmtheit der menschlichen Existenz" (Probleme, 69) meint (vgl. u. A. 69.136). 15 Vgl. dazu o. (bei) A. 13f. 16 Lohmeyer, Probleme, 68.
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reihen über Rom 3,28"17 vorlegte, ferner etwa an dem berühmten "Sendbrief vom Dolmetschen" aus dem Jahre 1530.18 Hier wird ja gerade auch die Übersetzung von Rom 3,28 verteidigt, genauer: die Zufügung des Wortes "allein" gegenüber dem lateinischen (bzw. griechischen) Text: "Wir halten, das der mensch gerecht werde on des gesetzs werck, allein durch den glauben".19 An der Begründung für dieses freie Vorgehen ist für uns weniger der bekannte Passus20 von Interesse, der davon handelt, dass man die Eigenart der deutschen Sprache zu erkennen und ihr zu entsprechen habe: Man muss den Leuten "auff das maul sehen, wie sie reden, und I darnach dolmetzschen".21 Wichtiger ist für unseren Zusammenhang das nachfolgende Sachargument,22 und zwar zunächst deshalb, weil Luther hier ausdrücklich konstatiert, Paulus behandle in Rom 3,28 "das hauptstuck Christlicher lere, nemlich, das wir durch den glauben an Christum on alle werck des gesetzs gerecht werden".23 Sodann und vor allem, weil in diesen Ausführungen etwas von dem - um es so auszudrücken - Sitz im Leben deutlich wird, den die "Hauptlehre" bei Luther hat. Sie ist, wenn ich noch einmal fragwürdig formulieren darf, antikatholisch orientiert.24 Luther verweist nämlich darauf, die Lehre sei "sonderlich zu diser zeit" nötig, "da sie (sc. die "leute") so lang her der werck gewonet und mit macht davon zu reissen sind".25 Dass es auch um Antikatholizismus geht, bestätigt sich, wenn man andere Stellen hinzunimmt, an denen es dem Reformator um die
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G. Ebeling, Die Rechtfertigung vor Gott und den Menschen. Zum Aufbau der dritten Thesenreihe über Rom 3,28, in: Lutheriana. Zum 500. Geburtstag Martin Luthers von den Mitarbeitern der Weimarer Ausgabe (Archiv zur WA 5), hg. v. G. Hammer/K.-H. zur Mühlen, Köln/Wien 1984,103-130,105. Vgl. WA 391,44 A. 2, wo von "fünf Thesenreihen über Rom 3,28" die Rede ist, die "in den Ausgaben seit 1538 ... zusammengefasst" werden (H. Hermelink). 18 WA 30 II, (627-)632-646 (bei O. Ciernen [Hg.], Luthers Werke in Auswahl, Bd. IV, Berlin 6 1967: 179-193). 19 Ebd., 633,29f. (Ciernen IV: 180,7f.). Übrigens: "Die partícula exclusiva ist..., man möchte sagen 'pikanterweise', eine Kreation des Jakobus" (U. Luck, Die Theologie des Jakobusbriefes, ZThK 81 [1984] 1-30, 2); jedenfalls begegnet sie in Jak 2,24. 20 WA 30 II, 633,7-640,32 (Ciernen IV: 180,15-187,34). 21 Ebd., 637,2lf.(184,27). 22 Ebd., 640,33-643,13(187,35-190,15). 23 Ebd., 640,37-641,1(188,1-3). 24 Ähnlich z.B. A. Peters, Glaube und Werke. Luthers Rechtfertigungslehre im Lichte der heiligen Schrift, AGTL 8 (1962), 261f. (vgl. auch: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin XIV, I, 2, Leipzig 1960, 368 [Art. Werkgerechtigkeit]). Vgl. u. (bei) A. 29.46. 25 WA 30 II, 643,5f. (Ciernen IV: 190,7f.).
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paulinischen Gesetzeswerke zu tun ist. So heisst es in den "Themata de Votis" von 1521 26 in den Thesen 29 bis 31: 27 xxix Votum religionumautquodcunqueomnino quaedam lex est conscientiam natura captivans. xxx Et vita religiosa aut devotaria non nisi opera legis natura sunt. xxxi Quaecunque ergo de lege et operibus Paulus sentit, de votis et religiosis sentienda sunt. 29 Das Mönchsgelübde oder was für eins auch immer ist überhaupt eine Art Gesetz und nimmt von Natur das Gewissen gefangen. 30 Und das Mönchsleben ist von Natur nichts anderes als Werke des Gesetzes. 31 Was folglich Paulus auch immer über Gesetze und Werke denkt, das muss auch über die Gelübde und die Mönche gedacht werden. Insbesondere dieses denkt sich Luther28 - den Thesen 13 und 14 zufolge xiii Opus bonum fit aliquando opinione iustitiae et salutis querendae per ip sum. I xiiii Haec opinio universa impietas, infidelitas et idolatria est. 13 Das "gute Werk" wird im einzelnen Fall [oder: zuweilen] mit der Absicht getan, dadurch Gerechtigkeit und Heil zu erlangen. 14 Diese Absicht ist reine Gottlosigkeit, reiner Unglaube und reiner Götzendienst. Mit diesem Antikatholizismus kann sich auch ein leiser Antijudaismus verbinden, sofern der Reformator eine Entsprechung29 zwischen seiner Situation und der frühchristlichen sieht. Im Galaterbriefkommentar von 1519, 30 in dem sich Luther bei der Auslegung von 2,16 insbesondere gegen die zeitgenössische Lehre wendet,
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WA 8, (313-)323-335. Eine Übersetzung bietet: H. Junghans (Bearb.), Martin Luther, Glaube und Kirchenreform (Maitin Luther Taschenausgabe, hg. v. H. Beintker/H. Junghans/H. Kirchner, 2), Berlin 1984, (153-) 154-170. 27 WA 8, 324 (Junghans: 155). 28 Ebd., 324(154). Vgl. u. A. 46. 29 Dieser Sachverhalt ist bekannt und hat zu Anfragen hinsichtlich der Angemessenheit einer solchen Parallelisierung und hinsichtlich einer Paulus-Exegese geführt, die sozusagen mit einer lutherischen Brille geschieht (s. dazu vor allem K. Stendahl, The Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West, in: Ders., Paul Among Jews and Gentiles and Other Essays, Philadelphia 1976,78-96 [zuerst 1960 bzw. 1961/63], bes. 85-87, und J.D.G. Dunn, The New Perspective on Paul, in: Ders., Jesus [s.o. A. 9], 183-206 [vgl. 206-214] [zuerst 1983], bes. 185.194f.202, auch Bachmann, Sünder, 3f.; doch s. Moo, "Law", 98f„ und Schreiner, Wortes, 241-243; vgl. ferner u. bei A. 34-37). 30 WA 2, (436-)451-618. Eine Übersetzung bietet: I. Mann, Martin Luther, Kommentar zum Galaterbrief «1519 (Calwer Luther-Ausgabe, hg. v. W. Metzger, 10), München/ Hamburg 1968.
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dass "remissio peccatorum per satisfactiunculas, per contritiones coactas" ("durch ein bisschen Genugtuungswerke und erzwungene Reuegefühle") 31 geschehe, hatte der Interpret zuvor aus neutestamentlicher Zeit nämlich gerade die Pharisäer als Beispiel für ein Verhalten angeführt, das zwar in diesem Leben Anerkennung finde, 32 dennoch aber anders zu werten sei: als "iusticia servilis, mercennaria, ficta, speciosa, externa, temporalis, mundana, humana" ("eine knechtische, tagelöhnerische, vorgetäuschte, schöngefärbte, äusserliche, zeitliche, weltliche, menschliche Gerechtigkeit"). 33 Dass man diesem Antikatholizismus und auch dem mit ihm verbundenen gewissen Antijudaismus nicht leicht entgeht, mag ein recht unverdächtiger Zeuge demonstrieren: Hans Asmussen, der 1937 in der "Theologischen Existenz heute" zum Thema "Sola fide - das ist lutherisch!" schrieb 34 und dabei auf "Werkgerechtigkeit" als "d i e Gefahr des geistlichen Lebens schlechthin" hinauswollte, die sich in jenen Jahren nach ihm nicht zuletzt im politisch propagierten "artgemässen" Verhalten ausprägte. 35 Um dies abzuleiten formulierte er: "Die Tatsache, dass die I Reformation ohne die Erkenntnis nicht denkbar ist, dass die Werkgerechtigkeit ebenso die Gefahr der römischen Kirche sei, wie sie die Gefahr des Pharisäismus war, ist nicht mehr zu übersehen." 36 Es fragt sich natürlich, und wir müssen uns fragen, ob es erst die Reformation, erst die lutherische Reformation ist, welche die paulinischen Formulierungen von den Gesetzeswerken gegen das wendet, was Asmussen auch "Werkerei" 37 nennen kann, oder ob bereits Paulus selbst das tut. Ehe wir uns darum - nicht zuletzt wegen dieser Fragestellung - der modernen Paulus-Exegese zuwenden, sei indes noch angemerkt, dass der religiösen Gruppen geltende Vorwurf der Werkerei sich im Protestantismus nicht nur an der Aussenfront einstellte, sondern auch im Inneren: Die grösseren innerlutherischen Auseinandersetzungen, die der Konkordienformel vorausgingen - so der antinomistische, der majoristische und der synergistische Streit - , haben es ja weithin in der einen oder anderen Weise mit der Frage von "Werken" im christlichen Leben zu tun. 38 Und was den Schweizer Protestantismus jener Zeit angeht, so sei nur erwähnt, dass Melanchthon (1529) in Marburg Zwing-
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WA 2,491,33f. (Mann: 87). Ebd., 489,3l-34(83f.). 33 Ebd., 489,30f.(83 [ebd. A. 52 weist Mann zu "speciosa" auf den Vulgata-Text von Mt 23,27 hin, und das, wie aus WA 1, 356,18f. ersichtlich, zu Recht]). 34 Und zwar in H. 49 und 50 der Schriftenreihe (München: Chr. Kaiser Verlag). 35 Zitat(e): H. 50, 15 (vgl. 17). 36 Ebd. 37 Ebd., 16f. (u.ö.). 38 Vgl. dazu nur W. Joest, Gesetz und Freiheit. Das Problem des Tertius usus legis bei Luther und die neutestamentliche Parainese, Göttingen 1951,45-55, und McGrath, Iustitia, II, 26-32. 32
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Ii und den Seinen Werkgerechtigkeit unterstellte; denn, so sagte er, sie "reden ... und schreiben unschiklich davon, wie der mensch für got recht geschetzt werde, und treiben die lehr vom glauben nicht genugsam, sonder reden also darvon, als weren die werkh, so dem glauben volgen, die selbig gerechtigkheit"39. Dass sich so der Werkerei-Vorwurf an unterschiedlichsten Stellen einsetzen lässt, mag zwar das mit Antikatholizismus und Antijudaismus gegebene Problem ein wenig abmildem, weist zugleich jedoch auf eine zumindest problematische Seite - nicht nur, aber - auch der Position und Argumentation Luthers hin: Er verfahrt, wie der Aufmerksamkeit nur zu leicht entgeht, mit dem Ausdruck "Gesetzeswerke" recht grosszügig.40 Nicht nur, dass I diesem z.B., wie wir sahen, die Erfüllung der Mönchsgelübde subsumiert wird, obwohl diese Gelübde mit der Tora nun doch recht wenig zu tun haben; auch werden die Gesetzeswerke, um nur einige Beispiele aus dem "Sendbrief vom Dolmetschen" anzuführen,41 gleichgesetzt mit "unser(e) werck", mit "eusserlich werck",42 mit "gute" und "bose werck".43 In Rom 3,28 steht davon freilich nichts, und ebensowenig steht in Gal 2,16, was Luther 151944 kommentierend sagt: " O p e r a l e g i s . . . sunt bona in specie, mala in corde" ( " D i e W e r k e d e s G e s e t z e s ... sind gut dem Augenschein nach, aber im Herzen sind sie böse") 45 Solche philologische Grosszügigkeit, insbesondere die Gleichsetzung von "Werke" bzw. "Werke des Gesetzes" mit "gute Werke" ist natürlich nicht Luther allein anzulasten, dies um so weniger, als sich die Rede von den guten Werken angesichts der kirchlichen Tradition und der antikatholi-
39 So Melanchthon in einem auf die Zusammenkunft zurückblickenden Brief, der gut zwei Wochen nach dem Ereignis entstand (R. Stupperich [Hg.], Melanchthons Werke in Auswahl, Bd. VII,2: Ausgewählte Briefe 1527-1530, hg. v. H. Volz, Gütersloh 1975, 112-119 [bzw. CR 1,1098-1102], hier 114,29-33; McGrath, Iustitia, II, 33 [samt A. 13], zitiert den Passus merkwürdigerweise nach einer lateinischen Übersetzung des deutschsprachigen Schreibens). Zu Differenzen zwischen der lutherischen und der Schweizer Reformation hinsichtlich des tertius usus legis s. nur Moo, "Law", 73f. (Literatur). 40 Der Tatbestand durchdringt sich mit dem verwandten, dass bei Luther "der Begriff Werke kein eindeutiger Begriff" ist (R. Bring, Das Verhältnis von Glauben und Werken in der lutherischen Theologie, FGLP 10,7 [1955] [zuerst 1933, und zwar schwedisch], 14; s. dazu ebd., 14f., und vgl. ebd., 116). 41 Vgl. zu ihm o. (bei) A. 18(-25). Es liesse sich auch auf andere Schriften Luthers verweisen, so z.B. auf die Heidelberger Disputation (WA 1, [350-J353-374; s. hier bes. die Begründungen der Thesen XXI und XXV [ebd., 362.364]). Wohl noch aufschlussreicher ist die Römerbriefvorrede: D. Martin Luther, Biblia... (s.o. A. 4), III, 2254-2268 (vgl. WA.DB 7, 2-26 bzw. 3-27), hier bes. 2256f.2263 (vgl. WA.DB 7, 6.8 bzw. 7.9 und 7, 16.18 bzw. 17.19). 42 So etwa WA 30 II, 642,33f.l3 (Clemen IV: 189,37f.l5). 43 So etwa ebd., 641,36f.; 642,2(189,1.4). 44 Vgl. o. (bei) A. 30-33. 45 WA 2,492,37-39 (Mann: 90). Vgl. o. (bei) A. 28.32f. und u. (bei) A. 128.
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sehen Ausrichtung nahelegen musste. 46 Wir werden solcher Generosität im Umgang mit paulinischer Ausdrucksweise überdies sogleich wiederbegegnen, 47 wenn wir uns nach diesem Blick auf die mit dem Ausdruck "Gesetzeswerke" gegebene kirchengeschichtliche Hypothek nun kurz den gegenwärtigen Differenzen hinsichtlich der Frage zuwenden, warum denn Gesetzeswerke nach Paulus nicht rechtfertigen. I In lockerer Anlehnung an eine Auflistung, die der belgische Neutestamentier J. Lambrecht vor einigen Jahren vorlegte, 48 möchte ich drei Positionen nennen: (1) Vor allem R. Bultmann steht mit seiner Sicht der Dinge Luther sehr nahe: 49 "kein Mensch kann seine 'Gerechtigkeit' durch Gesetzeswerke erlangen - nämlich ... weil er diese nicht vorweisen kann." 50 Und: "Der Mensch soll... deshalb nicht aus Gesetzeswerken 'gerechtfertigt' werden, weil er nicht wähnen darf, aus eigener Kraft sein Heil beschaffen zu können". 51 Auch nach dem berühmten Marbur-
46 Zum Begriff opus bonum, wie er in der o. bei A. 28 zitierten These xiii der "Themata de Votis" erscheint, fügt Junghans (155 A. 6) erläuternd an: "Im Sinne der spätmittelalterlichen Frömmigkeit." Vgl. überdies: Deutsches Wörterbuch ... XIV, 1,2 (s.o. A. 24), 327-347 (Art. Werk), 336: "seit frühdt. zeit findet sich die - von der katholischen lehre getragene formelhafte Verbindung gute werke (opera bona)". Vgl. o. (bei) A. 24.29. 47 S. dazu bes. u. (bei) A. 61-65. 48 Lambrecht, Gesetzesverständnis, 99-104; L. stellt, anders als es im folgenden geschieht (vgl. W. Stegemann, Judenfeindschaft, 156-159), die Position U. Wilckens' voran, nennt überdies die J.D.G. Dunns (an dritter Stelle), die - von der E. P. Sanders' abhängig den Ausdruck fepya v6|io\j primär auf besondere, soziologisch relevante Merkmale des Judentums wie Beschneidungsgebot und Speisegesetze bezieht (vgl. z.B. Dunn, Perspective, 191, bzw. Ders., Works, 219f.; s. geradezu Dunns Sicht Cranfield, Works, bes. 89f.99f. [s. wiederum dazu Dunn, Response], Westerholm, Faith, bes. 117-119 [s. wiederum dazu Dunn, Jesus , 237-241 ], und Bachmann, Sünder, 11.91-93[-100]). Nicht drei oder vier, sondern fünf Auffassungen unterscheidet Schreiner, Works, 218-224 (und unterscheidet auf andere Weise auch R.B. Sloan, Paul and the Law: Why the Law Cannot Save, NT 33 [1991] 35-60), der dabei (Works, 220f.) der These L. Gastons von fepya v6no\> als genitivus subiectivus (s. dazu u. [bei] A. 120; vgl. o. bei A. 4) einen eigenen Punkt einräumt; Sch. nennt überdies - (ähnlich wie Lambrecht und) im Unterschied zu unserer Vorlesung - hinsichtlich der einzelnen Positionen, wo dies möglich ist, mehrere Vertreter aus der jüngeren exegetischen Diskussion. 49 Ähnlich urteilen indes inzwischen auch katholische Exegeten (s. dazu nur Lambrecht, Gesetzesverständnis, lOOf. [samt A. 41] und 126f. [samt A. 123], sowie Schreiner, Works, 218-220 [samt A. 6.9]). Vgl. o. (bei) A. 6. 50 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 61968, 264 (hier z.T. gesperrt). Vgl. überhaupt ebd., 260-270.341-346, femer die Studie: R. Bultmann, Christus des Gesetzes Ende, in: Ders., Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. II, Tübingen 5 1968, 32-58 (zuerst 1940). 51 Ders., Theologie, 265.
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ger Exegeten bringt also das menschliche Tun allenfalls scheinbar gute Werke hervor. Noch schlimmer: Man hat nach ihm Paulus so zu verstehen, dass "das Bemühen des Menschen, durch Erfüllung des Gesetzes sein Heil zu gewinnen, ihn nur in die Sünde hineinführt, ja im Grunde selber schon die Sünde ist",52 sofern dabei nämlich "das Gesetz... vom Menschen als Mittel seines Selbstruhms ergrifI fen wird".53 "Man bekommt", um die Position mit den Worten eines anderen Exegeten zu charakterisieren und ein wenig zu karikieren, dabei in der Tat "den Eindruck, dass Eifer für das Gesetz schädlicher ist als Übertretung" der Toravorschriften.54 Im Tun des Guten steckt so nach Bultmann immer schon der Wurm, der Wurm der Selbstgerechtigkeit. - Dagegen wenden sich die beiden anderen Positionen: (2) Denn U. Wilckens vertritt die Ansicht, die insbesondere für Rom 3,28 zu gelten habe: "es ist keineswegs so, dass er (sc. Paulus) das Streben des Menschen, durch Erfüllung des Gesetzes sich vor Gott als gerecht zu erweisen, als solches tadelt; geschweige denn, dass er einem wirklich aufgrund von Werken Gerechten seine Gerechtigkeit streitig machen würde. Aber Paulus beurteilt alle Menschen faktisch als Sünder, weil alle gesündigt haben."55 (3) Und E.P. Sanders wendet sich ebenfalls gegen Bultmann. Das lässt sich schon bei zwei markanten und witzig formulierten zentralen Sätzen seines einflussreichen Buches über "Paulus und das palästinische Judentum" erahnen, dass
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Ebd., 264f. (hier z.T. gesperrt). Vgl. R. Bultmann, Römer 7 und die Anthropologie des Paulus, in: Ders., Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, ausgew., eingel. und hg. v. E. Dinkier, Tübingen 1967,200-209 (zuerst 1932), 200: "Nicht erst die bösen Werke, die Übertretungen des Gesetzes, sind es, die den Juden vor Gott verwerflich machen, sondern schon die Absicht, durch Gesetzeserfiillung vor Gott gerecht zu werden, ist die Sünde, die an den Übertretungen nur zu Tage kommt" (vgl. u. [bei] A. 62f.). 53 Bultmann, Christus, 41. 54 H. Räisänen, Legalism and Salvation by the Law. Paul's portrayal of the Jewish religion as a historical and theological problem, in: Ders., The Torah and Christ. Essays in German and English on the Problem of the Law in Early Christianity (Publications of the Finnish Exegetical Society 45), Helsinki 1986, 25-54 (zuerst 1980), 33: "One gets the impression that zeal for the law is more damaging than transgression." 55 Wilckens, Paulus, 107 (der sich in der Ablehnung der Sicht Bultmanns [und Luthers] mit A. Schlatter einig weiss [s. ebd., 103-106]); vgl. ferner etwa ebd., 94: Es ist "nicht so, dass die Gesetzeswerke selbst, der Wille überhaupt, das Gesetz durch Werke zu erfüllen und dadurch sich vor Gott als Gerechten zu qualifizieren, von Paulus im Blick auf die Rechtfertigung des Menschen grundsätzlich bestritten werden ... Paulus spricht vielmehr lediglich davon, dass Sünder aufgrund von Gesetzeswerken nicht gerechtfertigt werden können." Das wirkliche Übertreten des Gesetzes, das bei Bultmann neben dem Selbstruhm bei der Begründung des Nicht-Gerechtfertigtwerdens die zweite Stelle einnimmt, tritt also bei W. an die Spitze. Den zweiten Platz nimmt hier indes nicht eigentlich die "Geltungssucht" (ebd.,
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nämlich der Apostel lediglich das "am Judentum für falsch I hält..., dass es kein Christentum ist", 56 und dass er nicht von der Misere hin zur Lösung, sondern "von der Lösung hin zur Misere" ("from Solution to plight") 57 denkt. Unmittelbar auf Bultmann bezogen ist die Formulierung: "An der Befolgung des Gesetzes", an den Werken des Gesetzes, "ist nicht das Bemühen als solches falsch, sondern die Tatsache, dass der, der das Gesetz hält, nicht nach der Gerechtigkeit trachtet, die Gott durch das Kommen Christi geschenkt hat". 58 Überschauen wir diese jüngeren Positionen zur Frage nach der Ursache des Nicht-Gerechtfertigtwerdens durch Gesetzeswerke, so kommt zu der Problemanzeige, ob Paulus im Zusammenhang dieser Terminologie möglicherweise leicht antijudaistisch formuliere (und einem Antikatholizismus und vielleicht auch ei-
107) ein - die nämlich einfach als wichtiges Element "des Sündenkataloges" (ebd.) eingeschätzt wird - , sondern eher (und nur undeutlich mit dem Moment des faktischen Sündigens verknüpft) "das beharrliche Festhalten an der Gesetzesgerechtigkeit entgegen der durch Gottes Gnade jetzt eröffneten Glaubensgerechtigkeit post Christum" (ebd., 102; vgl. die sogleich im Text zu charakterisierende Position, bes. u. [bei] A. 58). Nicht ganz glücklich ist m.E. die Gewichtsverteilung bei W. Stegemann, Judenfeindschaft, 157-159, nachgezeichnet, etwa wenn er zu W.' Auffassung bemerkt: "Die Tora war theoretisch ein Heilsweg" (ebd., 158), nämlich vor Christus. 56 E.P. Sanders, Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstrukturen, StUNT 17 (1985) (zuerst [als: Paul and Palestinian Judaism. A Comparison of Pattems of Religion] 1977 [Philadelphia/London]), 513 (hier durch Unterstreichung hervorgehoben) (vgl. Originalausgabe: 552). 57 Ebd., 451 (Originalausgabe: 475; vgl. E.P. Sanders, Paul, the Law, and the Jewish People, Philadelphia 1983, 150 [samt A. 26]) - wo S. bereits die Position Bultmanns (und die Auffassung A. Schweitzers) im Blick hat - . Dass schon W. Bousset, Der Brief an die Galater (SNT II, 31-74), Göttingen 3 1917, 49f. (zu Gal 2,21 [s. die nachfolgende A.]) die Dinge ähnlich sah, habe ich bereits früher (Bachmann, Sünder, 11 [samt] A. 75) notiert; S. selbst (Sanders, Judentum, 6f. samt A. 14 [Originalausgabe: 6 samt A. 14]) verweist auf G.F. Moore, Judaism in the First Centuries of the Christian Era. The Age of the Tannaim, Bd. I-III, Cambridge 1927-1930, III, 151 (A. 209 zu I, 495), als Vorgänger. 58 Sanders, Judentum, 457 (Originalausgabe: 482), der sich dabei auf Rom 10,2-4 beruft, kurz zuvor indes auf seinen Standardbeleg (vgl. die vorangehende A. [Bousset]): "Bultmanns Darstellung... ist... falsch, weil sie die Gedanken des Paulus in falscher Reihenfolge entwickelt. Nicht eine Analyse der Natur der Sünde bestimmt die Anschauung des Paulus, sondern seine Analyse des Heilsweges - nicht seine Anthropologie, sondern seine Christologie und Soteriologie. Pauli eigene Begründung für den Satz, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken 'gerechtfertigt' werde, ist nicht die, dass der Mensch nicht daran denken dürfe, sein eigenes Heil zu erlangen, sondern die, dass Christus umsonst gestorben wäre, wenn das Gesetz errettet (Gal 2,21)" (Judentum, 457 [Originalausgabe: 481f.]). Vgl. einerseits o. A. 55, andererseits zu (möglichen) soziologischen Implikationen der These Sanders' o. A. 48. Vgl. ferner u. (bei) A. 164-166.
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nem Antireformiertentum Vorschub leiste), ein Doppeltes hinzu: Zunächst die Frage, wie es sich denn vom Apostel her mit der "Hauptlehre" der lutherischen Reformation verhalte, mit dem articulus stantis et cadentis ecclesiae59, der nach dem Dargestellten ja selbst ausgesprochen heftigen Schwankungen ausgesetzt zu sein scheint. Fatalerweise sind die genannten Vertreter der erheblich divergierenden Positionen auch noch ausschliesslich Protestanten! Erlaubt die paulinische Ausdrucksweise hier I möglicherweise eine Klärung oder gar Entscheidung? In einem Punkt stimmen die vorgestellten Voten indes glücklicherweise oder mindestens interessanterweise immerhin überein, nämlich darin, dass es bei den Werken des Gesetzes irgendwie um die Ebene des Wirkens gemäss den Regelungen des Gesetzes, der Tora, oder doch um die Ebene des Versuchs eines solchen Wirkens geht Trotz dieses Konsenses, auf den vorhin schon bei der Erwähnung von P. Billerbecks weithin akzeptiertem Übersetzungsvorschlag "Gebotserñillungen" hingedeutet wurde, 60 ergibt sich indes gerade hier ein weiteres, ein letztes Problem: Ist diese Übersetzung einigermassen korrekt, oder verfehlt sie den Sinn des Ausdrucks "Gesetzeswerke"? Dass hier ein Problem vorliegt, wurde schon mit dem Verweis auf Luthers problematische Parallelisierung von "Gesetzeswerke" einerseits, "unsere", "äusserliche", "gute" und "böse Werke" andererseits angesprochen.61 Ähnlich frei, ähnlich problematisch verfährt indes etwa auch Wilckens, wenn er im Zusammenhang der schon zitierten Formulierungen sagt: "Im Geltungsbereich des Gesetzes vermag bereits eine einzige Sünde den Menschen zum Sünder zu machen; und darum gilt, dass der Sünder sich durch kein gutes Werk von seiner getanen Sünde befreien ... kann... Das sündige Werk ist es, das Unheilswirkung auf das Geschick des Sünders hat." 62 "Gesetzeswerke" entsprechen hier also guten und schlechten Werken, dem Tun gemäss dem Gesetz und dem Übertreten des Gesetzes. Was ermächtigt zu dieser seltsamen Gleichung? Paulus sagt doch an der von Wilckens thematisierten Stelle Rom 3,28 nichts von "Werken der Gesetzlosigkeit", vielmehr nur etwas von "Werken des Gesetzes". Ein Grund für die Identifizierung deutet sich in dem nicht weniger merkwürdigen, wenn auch vorsichtig formulierten Diktum von Bultmann an, "dass er (sc. Paulus) sich nicht scheut, in wenigstens scheinbarem Widerspruch zu seiner Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben, vom Gericht nach den
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Zur Geschichte (und zur Fragwürdigkeit) dieses Begriffes s. McGrath, Iustitia, II, 1 samt A. (1 und)3. 60 S.o. (bei) A. 12-14. 61 S.o. (bei) A. 40-43(-47). 62 Wilckens, Paulus, 107 (hier nur beim abschliessenden Vorkommen von "Werk" Kursivdruck). Vgl. noch ebd., 78 und 102 ("Werke des Gesetzes, das heisst Erfüllen der Gebote") sowie 108 (wo noch der Ausdruck "eigenes Werk" hinzukommt), ferner das o. A. 52 zitierte Wort Bultmanns. - Vgl. u. (bei) A. 74.
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Werken zu reden".63 Hier werden - wie ähnlich auch bei Sanders64 - implizit die auf das Gericht einerseits, die Rechtfertigung andererseits bezüglichen Wendungen "nach den Werken" und "aus Werken des Gesetzes" in Beziehung zueinander gesetzt, als wären die Präpositionen "nach" (tcondc) und "aus" identisch und als wäre der I Genitiv (toü) v6nou ohne Frage vernachlässigbar.65 Wenn man so verfahren dürfte, dann müsste man natürlich auch keine Hemmungen haben, hinsichtlich des Ausdrucks "Gesetzeswerke" auch noch "gute" wie "schlechte", ja, auch "meine" und "deine Werke" ins Spiel zu bringen; denn um die Klärung, wie das Tun des konkreten Menschen letztlich einzuschätzen ist, geht es beim "Gericht nach den Werken", sowohl bei Paulus als auch in seiner Umgebung. Aber ist diese, ebenfalls die Ebene des Tuns einschärfende Gleichung von "aus Gesetzeswerken" und "nach Werken" wirklich korrekt? Ist nicht eher damit zu rechnen, dass Paulus sich nicht zu widersprechen meint, wenn er von der Rechtfertigung "ohne Gesetzeswerke" und dem Gericht "nach den Werken" redet, und dass er bewusst unterschiedliche Ausdrucksweisen wählt? Dem werden wir jetzt nachzuspüren und damit zugleich und zunächst zum letztgenannten Problem Stellung zu beziehen haben,66 ob Gesetzeswerke - der opinio communis entsprechend - unmittelbar auf der Ebene des Tuns anzusiedeln sind.
in
Meine nun zu begründende exegetische These sei vorangestellt: Paulus meint mit dem Ausdruck "Werke des Gesetzes" nicht etwas, was auf der durch das Tun gemäss den Regelungen des Gesetzes markierten Ebene liegt, insbesondere nicht: Gebotserfüllungen, sondern er meint mit dem Syntagma "Werke des Gesetzes" die Regelungen des Gesetzes selber. Man könnte auch so formulieren: Er meint die zu beobachtenden mswt, die hlkwt.67 Bei der Argumentation zugunsten dieser Behauptung möchte ich so vorgehen, dass in einem ersten und längeren Durchgang das Neue Testament und in ihm im-
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Bultmann, Theologie, 78. Sanders, Judentum, 494f. (Originalausgabe: 516f.). 65 Dass zwischen den genannten Präpositionen sehr wohl zu unterscheiden ist, wird gut bei Ch.H. Cosgrove, Justification in Paul: A Linguistic and Theological Reflection, JBL 106 (1987) 653-670, 657-660, bes. 659f„ deutlich. - Zu den Abbreviaturen "ohne Werke" und "aus Werken" s.o. (bei) A. (8-)9. 66 Nämlich sogleich unter Punkt III, während im abschliessenden Passus, IV, auf den exegetischen Disput hinsichtlich des "Kernsatzes paulinischer Rechtfertigungslehre" und auf die mit ihm verknüpfte kirchengeschichtliche Hypothek zurückzukommen ist. 67 Vgl. (indes) u. A. 83.156. 64
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mer mehr Paulus in den Blick genommen wird; danach soll sich der Horizont wieder weiten und ausserneutestamentliches Vergleichsmaterial interessieren. I Zur Begründung! Die genannte These mag einem deshalb abstrus vorkommen, und sie ist vermutlich darum noch nie ernsthaft 68 und konsequent 69 vertreten worden, weil die Sprachgeschichte in eine andere Richtung weist oder zumindest zu weisen scheint; denn das griechischefcpyovist, um es mit dem betreffenden Artikel des Kitteischen Wörterbuchs zu sagen, "gleichen indogermanischen Stammes und gleicher Bedeutung wie das deutsche 'Werk'" 71 - und wie das englische "work". Man meint also sogleich, wenn man "Werke des Gesetzes" oder "works of the law" sagt, zu wissen, was mit fepya vönou gemeint ist. Da bei "Werk" - und entspreHO chend bei "work" - fraglos an das Wirken zu denken ist, legt sich natürlich der Schluss nahe, der Ausdruck "Werke des Gesetzes" sei gleichzusetzen mit "Wirken gemäss dem Gesetz (bzw. gemäss seinen Einzelvorschriften)". Indes, dieser Schluss ist zu einfach. Das lehrt etwa ein Blick auf das in Apk 2 wiedergegebene Sendschreiben an die Gemeinde in Thyatira (bzw. an ihren Engel) (Apk 2,18-29). Gegen Beginn, in V. 19, wird hier von fepya, von Werken, so gesprochen, dass fraglos auf die Ebene des Tuns abgehoben ist: "Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und dein Harren, und dass deine letzten Werke mehr sind als die ersten." 72 Wenn im Anschluss an das, was dann an Negativem über Isebel und die von ihr Verführten gesagt wird, die Formulierung erscheint: "ich werde euch geben, einem jeden nach euem Werken" 73 (V. 23), so ist deutlich, dass bei dieser, hier auf Jesus bezogenen Gerichtsterminologie mit £pya wiederum an den Bereich des Handelns gedacht ist, ja hier sogar an gutes und schlechtes Verhalten. 74 Ganz anders ist dann aber die Verwendung der Vokabel in V. 26, wo ihr nicht ein Pronomen der zweiten, sondern der ersten Person zur Seite tritt, das Jesus meint: "Und wer siegt und hält bis zum Ende meine Werke, dem
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Spasshaft gestreift wird die These von Liebers, Gesetz, 41 A. 3. In nuce vorhanden ist die These bei Lohmeyer, Probleme, 38-41.46.64.66-68.70f., den indes vor allem die Vielschichtigkeit des Werk-Begriffes gerade auch jenseits des Syntagmas "Werke des Gesetzes" dazu führt, es letztlich nicht durch "Gebote" (o.ä.) zu umschreiben, sondern durch "Dienst des Gesetzes" (ebd., 67 [u.ö.]). Entsprechend Tyson, Works, 426 (u.ö.), der sich sehr eng an Lohmeyers Studie anschliesst (s. ebd., 424f.; vgl. dazu Gaston, Works, 219f. [A. 6 zu 101]). Vgl. o. (bei) A. 14 und u. (bei) A. 106.136. 70 G. Bertram, Art.fepyov,in: ThWNT II (1935), 631-653, 631. Vgl. Deutsches Wörterbuch ... XIV,1,2 (s.o. A. 24), 328: "werk ist durch identität mit griech ...fepyov... als ¡dg. 69
wort erwiesen". 71 72 73 74
S. ebd. Vgl. indes u. (bei) A. 144f. So übersetzt H. Kraft, Offenbarung des Johannes (HNT 16a), Tübingen 1974,68. So ebenfalls Kraft, ebd. Vgl. dazu o. (bei) A. 62.
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werde ich Macht geben über die Völker." Natürlich kann hier I nicht Jesu Tun, sondern nur das Halten seiner Gebote gemeint sein, 7 5 zumal in 3,8 (vgl. V. 10) bzw. in 12,17 und 14,12 ähnlich vom Halten des Wortes Jesu bzw. der Gebote (kvzoXai) Gottes die Rede ist. 7 6 Erste Folgerung: "Werk", fcpyov, kann nicht nur - wie zumeist 7 7 - auf die Ebene des Wirkens, des Tuns gehen, sondern auch die Norm bezeichnen, der man entsprechen sollte, das Gebot. 7 8 Zweite Folgerung: Der zu "Werk" tretende Genitiv kann nicht nur - wie oft 7 9 - ein genitivus subiectivus sein, der das Subjekt des Wirkens kenntlich macht, sondern auch ein solcher Genitiv, der irgendwie die Qualität des Werkes, des Gebotes, charakterisiert. Als Bestätigung ist zu werten, dass zumindest das johanneische Schrifttum 80 mit Joh 6,28.29, vielleicht auch mit Joh 4,34 und 9,4 (vgl. 5,36; 17,4), Parallelen 81 bietet. 8 2 Kurz:
75 S. dazu Th. Zahn, Die Offenbarung des Johannes (KNT XVIII), Bd. I-II, Leipzig/ Erlangen '" 3 1924-1926,1, 294 ("Unter diesen Werken Jesu ist schwerlich nach Analogie von ... v. 19 das Wohlverhalten Jesu zu verstehen, sondern das von Jesus gelehrte und gebotene Tun und Lassen seiner Jünger"), und Lohmeyer, Probleme, 60 (samt A. 2). Vgl. Kraft, Offenbarung, 71 ("Schulbeispiel für einen prägnanten Ausdruck"). Nicht berücksichtigt ist leider gerade dieser fepyov-Beleg bei T. Holtz, Die "Werke" in der Johannesapokalypse, in: Neues Testament und Ethik. Für Rudolf Schnackenburg, hg. v. H. Merklein, Freiburg/Basel/Wien 1989,426-441. 76 Vgl. dazu Lohmeyer, Probleme, 60 samt A. 3 (Hinweis auch auf: Apk 1,3; 3,8; 22,7.9). Nach Zahn, Offenbarung, 1,294, meint überdies der Ausdruck t a fepya airtf| von 3,10b (vgl. Dt 27,26) und ebenfalls den Pronomina (von 3,10b sowie) von 3,12b (und Lev 18,5 LXX) korrespondieren (wie ähnlich die 'Werke' von Röm 9,32 dem aindc von Röm 10,5 [und Lev 18,5 LXX] entsprechen). S. dazu Bachmann, Sünder, 93.95 (samt A. 359 [hier auch: Literatur]). ">8 y g j hierzu u. A. 123, ferner, was den derartigen Gebrauch des zusatzlosen Terminus v6no? angeht, Westerholm, Faith, 107f. (vgl. 106.110f.).
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(iii) Neben den sechs Versen mit dem Plural "Gesetzeswerke" bietet Paulus einmal, in Rom 2,15, den Singular 109 : "das Werk des Gesetzes"." 0 Schon weil das Gesetzeswerk nach dieser - sich vielleicht an Jer 31,33 anlehnenden 111 - Stelle den Heiden ins Herz geschrieben ist, kann hier nicht das - nun einmal primär gegenüber der Aussenwelt stattfindende - Handeln gemäss dem Gesetz gemeint sein. 112 Nach dem Kontext der Stelle hebt der Apostel mit dem Singular irgendwie auf die Gesamtforderung der Tora oder einer Entsprechung zum jüdischen Gesetz 113 ab. Der Zusammenhang weist überdies gleichzeitig noch darauf hin, dass sich nach Paulus die Gesamtforderung in Einzelforderungen aufgliedert, der Autor indes gewisse Schwierigkeiten hat, diese Einzelregelungen zu bezeichnen. Im vorangehenden Vers hilft er sich ja mit der das regierende Substantiv auslassenden Formulierung t d w o v6|iou Man kann sie kaum anders verstehen als E. Käsemann, der in der Übersetzung das Wort "Forderungen" einfügt 1 1 4 Damit entsprechen die Forderungen des Gesetzes dem Werk des Gesetzes, und das passt natürlich bestens zu unserer These, die Werke des Gesetzes seien eben gerade als die Forderungen, die Einzelregelungen der Tora zu begreifen. I Warum sich der
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Vgl. dazu o. (bei) A. 8. Nicht nur der Singular unterscheidet die Stelle von den Belegen für "Gesetzeswerke", sondern zudem das Fehlen der bei ihnen durchweg - oder fast durchweg (Ausnahme ist allenfalls Röm 3,20) - vorliegenden inhaltlichen Oppositionen (zumal des Gegenübers zur iclon; Xpioroü; s. dazu u. bei A. 134f„ auch u. A. 123). Ausserdem handelt es sich in Röm 2,15 - wo auch allein der Artikel gesetzt ist - nicht um eine der präpositionalen Wendungen, die beim Plural das Feld beherrschen (vgl. nochmals o. bei A. 8, femer etwa Schreiner, Works, 217 A. 1). Dennoch ist die Berührung zwischen singularischem und pluralischem Ausdruck natürlich schon angesichts dessen nicht zu vernachlässigen, dass sich beide innerhalb des biblischen Schrifttums nur bei Paulus finden. 110 Vgl. hierzu und zum Nachfolgenden: Bachmann, Sünder, 96f. (samt A. 365-371 [hier auch: Literatur]). 1,1 Vgl. zu dieser Problematik E. Käsemann, An die Römer (HNT 8a), Tübingen 3 1974, (59-)60, und Heiligenthal, Werke, 283f. samt A. 329. In der Septuaginta ist hier, d.h. in Jer 38(31),33, übrigens der Plural v6jioi verwandt (vgl. dazu H. Hübner, Art. V6JICK;, in: EWNT II [1981], 1158-1172,1163, und u. [bei] A. 117). 112 Vgl. Cranfield, Works, 94: Die Vokabel bezeichnet hier (im Unterschied zu Röm 3,20 und zu den sonstigen Belegen für "Werke des Gesetzes", bei denen "obedience to the law" [ebd., 92.100] gemeint sei [vgl. o. A. 12-14.60]) "the work as prescribed" (vgl. Westerholm, Faith, 107f.). Anders z.B. W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, unter Mitwirkung v. V. Reichmann hg. v. K. Aland/B. Aland, Berlin/New York 61988,623: "d dem Gesetz entsprechende Handeln". 113 S. dazu etwa Heiligenthal, Werke, 282f„ und Cranfield, Works, 94 (welch letzterer für den Singular auf Joh 6,29 und Röm 8,4 verweist). 114 Käsemann, Römer, 57 (vgl. ebd., 58 [und 60]).
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Apostel in Rom 2,14 derart elliptisch ausdrückt, ist nicht ganz leicht zu sagen. Deutlich ist immerhin: Er verwendet vónoq stets im Singular 115 und meist im Blick auf das mosaische Gesetz als Einheit, 116 und er führt damit sozusagen fort, "dass LXX den Plur. töröt fast ausschliesslich mit dem Sing. v. übersetzt". 117 Schon das reduziert Paulus' sprachliche Möglichkeiten, im Plural von den Regelungen der Tora zu sprechen. Sofern er in Rom 7 den Terminus kvtoXf], Gebot, durchweg im Singular gebraucht und in V. 12 parallel zu vó^o^ verwendet und sofern er überdies in I Kor 7,19 die fevxoXai 6eoü sogar der Beschneidungsforderung entgegensetzt, kommt auch diese Vokabel für die Einzelregelungen der Tora bei ihm nicht in Betracht. Dafür fällt aus einem ähnlichen Grund wohl auch der in Rom 2,26 benutzte Plural xdt SiKaiob^iaxa xov vó^ou (vgl. Rom 8,4, auch 1,32) aus, geht es hier doch um die Erfüllung dieser 8iKaioi)(ixxia seitens "der Unbeschnittenheit" (t| ¿ttcpoßocrcia). Es bleibt dann allenfalls noch unser Ausdruck, fepya vó|iou, übrig. Er nun hat es nach Ausweis von Galater- wie Römerbrief mit der gerade auch die Beschneidungsforderung umgreifenden Tora zu tun, 1 1 8 und er mag in Rom 2,14f. eben deshalb vermieden worden sein, weil auch diese Verse die Frage der Gesetzeserfüllung seitens Unbeschnittener erwägen. Nach den Andeutungen eben dieses Zusammenhangs kann das Syntagma aber, wie wir sahen, gleichwohl die Forderungen, Regelungen des Gesetzes meinen. Und die Formulierung t a 8iKaia)n¿xta t o ö v6|íou von Rom 2,26, die in Rom 1,32 mit xó Sucaictyia xou 0eoö (vgl. Rom 8,4: xó 8iKaico|aa xoü vó^ou) eine gewisse Entsprechung findet, gibt dabei überdies eine hilfreiche Parallele zu unserer Genitivverbindung ab. Weder muss man, wie E. Lohmeyer 119 scherzhaft ins Gespräch brachte, "einen Genetivus nomisticus etablieren", noch auch ist es angeraten, dem nordamerikanischen Neutestamentier L. Gaston bei seinem Vorschlag zu folgen, es liege ähnlich wie bei der Formulierung von den Werken des Fleisches in Gal 5,19 ein genitivus subiectivus vor, bei dem das Gesetz als - I wie das "Fleisch" negativ wirkende Kraft zu begreifen sei. 120 Der Genitiv xov vó|i.ou deutet viel-
115 Anders als Paulus, der damit "the law as a Single entity" (Moo, "Law", 75) versteht, insbesondere Philo und Josephus (s. dazu nur W. Gutbrod, Art. v6p.oi; B.C.D., in: ThWNT IV [1942], 1029-1077, 1043-1046). 116 Vgl. Moo, "Law", 80, auch E. W. Stegemann, Die umgekehrte Tora. Zum Gesetzesverständnis bei Paulus, Jud 43 (1987) 4-20, 8. 117 Hübner, v6*io als Gebote des Gesetzes" (Burchard, Nicht aus Werken [s. Anm. 27] 410 Anm. 32) wird teils mehr oder weniger vorsichtig zurückgewiesen (s. o. Anm. 80; vgl. femer S. Meißner, Die Heimholung des Ketzers. Studien zur jüdischen Auseinandersetzung mit Paulus [WUNT 11,87], Tübingen 1996, 225f. samt Anm. 77 [doch vgl. auch u. Anm. 104]), teils als "von Interesse" referiert (so [z. B.] durch R. Heiligenthal, Rez. v.: Bachmann, Sünder [s. Anm. 2], ThLZ 118 [1993] 132-134: 134), teils freundlich vermerkt (so bei G. Strecker, Theologie des Neuen Testaments, bearb., erg. und hg. v. F. W. Hom, Berlin/New York 1996, 152 samt Anm.50). 91 Flusser, Bildung (s. Anm. 68) 166 (s. o. Anm. 64.68.89). Zwar heißt es auch in der jüngsten Veröffentlichung des verdienten Gelehrten, die diese Thematik berührt (Flusser, Gesetzeswerke [s. Anm. 42]), es seien "im Judentum die Werke und die Gebote eng verwandt" (401) und es sei "für Paulus ... der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen nicht sichtbar" (400); aber Flusser, der nun selbstverständlich auch 4QMMT C 27 in Be-
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4QMMTund Galaterbrief
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o. I), und nach Kenntnisnahme der Verwendung von D^&UO in jenem Dokument (s. o. II.l), wird es noch schwerer, sich von diesem Eindruck zu befreien. Er könnte vielmehr selbst so etwas wie eine Befreiung sein, eine Befreiung insbesondere von dem herkömmlichen und mit mancherlei Schwierigkeiten verbundenen Verständnis, mit fepya vbjiou sei das Wirken gemäß der Tora gemeint 92 . Jedenfalls I passen die Formulierungen gut zu den in 4QMMT beobachteten (i), und eine Reihe von Merkmalen im Zusammenhang des paulinischen Gebrauchs von "Gesetzeswerk(en)" läßt sich bei einer Interpretation im Sinne von Halakhot besser erklären (ü):
(i.a) Dem Nebeneinander von m i a i ""SWO (4QMMT C 27) und WÜVÜ (B 2) 9 3 entspricht bei Paulus das Miteinander der Ausdrücke fepya v6(iov (Rom 3,20.28; Gal 2,16; 3,2.5.10; vgl. Rom 9,32 v.l.) und fepya (Rom 4,2.6; 9,12.32; 11,6) 94 , die der Apostel durchweg ohne den Genitiv der Person, ohne Personalpronomen benutzt 95 . (i.b) Der Unterschied zwischen "Werken (des Gesetzes)" (B 2; C 27) - als Geboten - und "ihren Werken" (C 23) - als Gebotserfiillungen - , wie er in 4QMMT begegnet, findet offenkundig seine Parallele bei Paulus, z.B. in Rom 3,20 einer-
tracht zieht (s. 399f.), setzt mittlerweile "Gesetzeswerke" doch mit "Gesetzespraxis" gleich (399f.; vgl. sogleich [bei] Anm. 92) und vermutet, Paulus könne diese "Werke" - im Unterschied zu den "Geboten" - nicht zuletzt deshalb negativ werten (s. 402f.), weil nach jüdischem Sprachgebrauch "die Gebote von Gott ausgehen und die Weike vom Menschen" (401). Indes: 4QMMT wird bei diesen Erwägungen nur recht oberflächlich herangezogen (so ohne Erwähnung der Sachparallelen in B 1, B 2 und C 30), und was Paulus angeht, so steht es nicht viel besser (s. 402f.: Röm 2,15 als Ausnahme; Übergehen von Zusammenhängen wie Röm 3,20-22; Gal 2,15-21; 3,5-14). 92 S. dazu Bachmann, Rechtfertigung (s. Anm. 2) 5-15 (bes. 5 [samt Anm. 14] und 14f. [Gesetzeswerke werden in der theologischen und exegetischen Literatur, wo sie vom Wirken verstanden werden, merkwürdigerweise gleichgesetzt u. a. mit: unseren Werken, guten Werken, bösen Werken, Tun gemäß der Tora, Übertreten der Tora!]). Vgl. Burchard, Nicht aus Werken (s. Anm. 27) 410 (samt Anm. 32), ferner die vorangehende Anm. sowie u. (bei) Anm. 98. 93 S. dazu o. (bei) Anm. 44f.55f. 94 An dem Miteinander kann insofern kein Zweifel bestehen, als an den genannten Stellen - und nur an ihnen - eine der beiden Wendungen "aus Werken (des Gesetzes)" (Röm 3,20; 4,2; 9,12.32; 11,6; Gal 2,16; 3,2.5.10) und "ohne Werke (des Gesetzes)" (Röm 3,28; 4,6) verwandt wird. Lediglich der singularische Ausdruck von Röm 2,15 wird nicht mit Präposition gebraucht. 95 Darauf wies schon Lohmeyer, "Gesetzeswerke" (s. Anm. 84) 34.64.68.71, nachdrücklich hin (s. Bachmann, Rechtfertigung [s. Anm. 2] 19 samt Anm. 92). Wo der Genitiv vöiiou fehlt, ist das noch besonders auffällig (s. dazu ebd., 19 Anm. 92). Deshalb und angesichts des Sprachgebrauchs von 4QMMT und der Entsprechungen), die er bei Paulus findet, scheint mir schon die Vermutung Burchards (Nicht aus Werken [s. Anm. 27] 411 Anm.
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seits, Rom 2,6 andererseits. Und wenn in C 31 f. vom Tun des Guten (und der eschatologischen Relevanz solchen Handelns) die Rede ist, so korrespondiert dem die paulinische Rede vom guten Tun, vom "guten Werk", beispielsweise in Rom 2,(6-)7 96 . (i.c) Wie nach (Ex 18,20 und) 4QMMT C (27-)31 den "Werken (des Gesetzes)" durch das Tun (HfiW) zu genügen ist, so tritt diese Forderung (etwa) auch (in Rom 2,14 [f.] [noieiv] und) in Rom 4,(2-)4 (fepYd^eaeai) hervor97. (i.d) Scheint in 4QMMT (die Vokabel n[l]13ö und) der Terminus tlD^n gemieden, zugunsten von "Werken (des Gesetzes)" gemieden zu werden, so könnte bei Paulus die Verwendung von "Werk(en) (des Gesetzes)" der Ver-1 such sein, so von Tora-Geboten zu reden, daß nicht wie bei den sprachlich ziemlich analogen Ausdrücken xd SiKaiciHiaxa t o v v6|iao und fevroXal GeoO, die er in Rom 2,26 bzw. in lKor 7,19 benutzt, die Beschneidung aus-, sondern gerade eingeschlossen ist98. (i.e) Geht es in 4QMMT um gesetzliche Regelungen, welche primär die kultische Reinheit betreifen und insofern auch soziologisch relevante Trennungen bedingen 99 , so ist im Römer- und Galaterbrief, wie soeben angesprochen, bei "Werk(en) (des Gesetzes)" jedenfalls auch an das Beschneidungsgebot gedacht, welches das Judentum vom Heidentum abhebt, und im (halakhisch-)polemischen Schreiben an die Gemeinden Galatiens treten überdies Fragen der Tischgemeinschaft (Gal 2,12-14) und zu berücksichtigender Kalenderdaten (4,10) hervor100.
37) heikel: es "fehlt den fepya v6|j.od eine Possessivbezeichnung wohl der Kürze halber", erst recht aber die sich anschließende Bemerkung: "wenn auch bei Paulus sonst, dann vielleicht in Nachwirkung davon." Vgl. (o. Anm. 55 und) u. Anm. 105. 96 S. dazu, was 4QMMT angeht, o. (bei) Anm. 44f.56-59 und (bei) Anm. 64-66 und für Paulus nur Bachmann, Rechtfertigung (s. Anm. 2) 19f. (mit weiteren Belegen). Vgl. u. Anm. 105. 97 S. dazu einerseits o. (bei) Anm. 64-66.87, andererseits nur Bachmann, Rechtfertigung (s. Anm. 2) 27 Anm. 136 und 31 (mit weiteren Vergleichsstellen). Vgl. jedoch Flusser, Gesetzeswerke (s. Anm. 42) 397. 98 S. dazu einerseits o. (bei) Anm. 61, andererseits nur Bachmann, Rechtfertigung (s. Anm. 2) 22f. Der Genitiv wird angesichts der Parallelen als ein solcher des Bereichs (bzw. als genitivus partitivus) zu bestimmen sein (s. ebd., 23f. samt Anm. 121, femer Bachmann, Sünder [s. Anm. 2] 100 Anm. 394). Bei umgekehrter Anordnung handelt es sich um einen Genitiv des Inhalts, so bei (b) vôp.oç (xcàv) Ipycov (s. Rom 3,27; vgl. Eph 2,15 [und s. dazu u. bei Anm. 104]). Vgl. o. (bei) Anm. 92. 99 S. dazu bes.: Schiffman, Letter (s. Anm. 6) 65f.; Qimron/Strugnell, Miqsat (s. Anm. 1) 145-147 (Qimron; vgl. ebd., 198f. [Sussmann]); Grelot, œuvres (s. Anm. 2) 447f. - und vgl. o. (bei) Anm. 12.32.48. 100 Yg| 0 ( ^ i ) Anm. 2.27-32. Sofern man beachtet, daß der Ausdruck 6prya vónov bei Paulus, wie insbesondere Gal 3,10 zeigt (s. dazu u. [bei] Anm. 103, ferner Bachmann, Sünder [s. Anm. 2] 91-94), keineswegs ausschließlich auf derart markante halakhische Fra-
Uli
4QMMT und Galaterbrief
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Die Verwendung der Ausdrücke fepya v6|iOv> (bzw. x6fepyovxoü vö^ou) und fepya ähnelt dem Gebrauch von minn ""SWö und O^&WO in 4QMMT also ganz erheblich. Noch wichtiger dafür, ob Paulus mit dieser Terminologie nicht das Wirken gemäß der Tora meint, sondern auf Halakhot abhebt, sind selbstverständlich Indizien synchroner Art. Und in der Tat: Mit dieser These ist bei den paulinischen Texten selbst in mancherlei Hinsicht besser durchzukommen! Denn : (ii.a) Geht es bei fepya vö^ov (und Entsprechungen) nicht um menschliches Tun, sondern um Tora-Gebote, ja, um Gottes Gebote (vgl. Rom 7,22.25; I 8,7; IKor 7,19), so müssen Personalpronomina, welche die "Werke" Menschen zuweisen, natürlich fehlen - andernfalls nicht. (ii.b) Da bei dem in die menschlichen Herzen geschriebenen "Werk des Gesetzes" von Rom 2,15 fraglos nicht das Handeln, sondern "die grundsätzliche Kenntnis des Willens Gottes"102 im Blick ist, fügt sich dieser singularische Beleg bei unserer These nahtlos zu den übrigen - und nur dann. Der Zusammenhang mit dem pluralischen Ausdruck (und mit der für ihn behaupteten Bedeutung) wird im übrigen durch die fraglos (zu erfüllende [JtpdaoEiv]) Vorschriften meinende Wendung xd TOV vöiiou von V. 14 und durch das (entsprechend gebrauchte [na tov 6eou]) jedem Zweifel enthoben. (ii.c) Wie in Röm 2,14f. werden die zu erhellenden Ausdrücke bei Paulus auch sonst parallel zum Terminus V6|KX; verwandt; z. B. heißt es in Röm 3,28 "ohne Gesetzeswerke", in V. 21(-22) "ohne Gesetz". Bei der in diesem Aufsatz verfochtenen These ist das nur natürlich - sonst keineswegs. (ii.d) Mit dem Verständnis von "Gesetzeswerken" im Sinne von Geboten der Tora läßt sich die durch Gal 3,10 gegebene crux interpretum (und das durch Röm
gen bezogen wird und nicht den Vollzug von Halakhot meint, kann man Dunn, 4QMMT (s. Anm. 1) 151, nur zustimmen, wenn er (in Fortführung seiner berühmten, ähnlich freilich schon Jahrzehnte früher begegnenden These [s. dazu nur Bachmann, Sünder, 11 samt Anm. 75]) als "principal point of parallel" benennt, "that m i n n ' t o o and fepya vö(iou both seem to refer to 'works of the law' understood as defining a boundary" (vgl. Burchard, Nicht aus Werken [s. Anm. 27] [410 samt Anm. 33 und] 413f. samt Anm. 49, ferner u. [bei] Anm. 104). 101 S. zu den im folgenden aufgeführten Punkten (ii.a-h) Bachmann: Rechtfertigung (s. Anm. 2) 20 (a), 22-24 (b). 21 (c), 24-26 (samt Anm. 124) (d), 14f. (samt Anm. 66: Ch. H. Cosgrove, Justification in Paul: A Linguistic and Theological Reflection, JBL 106 [1987] 653-670: 657-660, bes. 659f.) (g), 26f. (h); Sünder (s. Anm. 2) 93-95 (samt Anm. 357.359).141-143 (e), 119-122 (0. 102 R. Heiligenthal, Werke als Zeichen. Untersuchungen zur Bedeutung der menschlichen Taten im Frühjudentum, Neuen Testament und Frühchristentum (WUNT 11,9), Tübingen 1983, 282. Vgl. Strecker, Theologie (s. Anm. 90) 152 (auch zu V. 26). Vgl. (indes) o. Anm. 91.
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Antijudaismus
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3,20 aufgeworfene ähnliche Problem) leicht bewältigen - nicht, wie üblich, mühsam. Denn daß der Fluch bei Übertretung auch nur einer einzigen biblischen Vorschrift (s. Gal 3,10b) für diejenigen, die sich von solchen Regelungen her definieren, bedrohlich erscheinen kann (s. V. 10a), läßt sich gut nachvollziehen (vgl. Gal 5,3; Jak 2,10) 103 , während nur schwer begreiflich zu machen ist, wieso solcher Fluch (s. Gal 3,10b) die "Gesetzeserfüller" treffen soll (s. V. 10a). (ii.e) Die Kohärenz der durch ydp verknüpften Sätze von Gal 3,10, ja, der Passage V. 10-12/13 ist auf syntaktischer wie semantischer Ebene enger, wenn fepya (V.lOa), xd YeYpap.|i£va. (V. 10b) und abxd (V. 10b [vgl. Dtn 27,26] und V. 12b [Lev 18,5]) unmittelbar zusammengehören. Darf man beifepyctan Halakhot denken (oder, mit Lev 18,4f.LXX formuliert, an xd Kpijiaxd |xov bzw. an xd npoaxdynaxd nou [d. h. Gottes]), so ist das hier (und ähnlich auch bei Rom 9,32; 10,5 [Lev 18,5]) der Fall - sonst nicht. (ii.f) Wenn es Paulus bei der Polemik gegen "Gesetzeswerke" um eine Ablehnung einer Ausrichtung auf (bestimmte) Halakhot geht, so wird leichter - als bei der üblichen Interpretation - verständlich, daß von ihm gleichwohl die Tora als ganze und auch ihre Gesamtforderung durchaus positiv gewertet wird (vgl. nur Rom 3,31; Gal 5,14). Dazu paßt ausgezeichnet, daß der Apostel in Rom 3,27 den v6no£ dem Gesetz xcövfepycDVgegenüberstellt, und I damit einem Ausdruck, zu dem Eph 2,15 mit v6|xo, und wie in Eph 2,10 sogleich von "guten Werken" die Rede ist, spricht Jak 2,18 von "meinen Werken", und zwar ganz im Unterschied zu Paulus (s. dazu nur o. [bei] Anm. 95f.). 106 S. dazu Gal 2,16 sowie zuletzt Burchard, Nicht aus Werken (s. Anm. 27), bes. 408-410. 107 Vgl. z. B. Rom 2,13, ferner etwa Flusser, Bildung (s. Anm. 68) 166, und Bachmann, Rechtfertigung (s. Anm. 2) 31 f.
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chen Streitigkeiten von kaum zu überschätzendem Gewicht sein dürfte 108 . Der Apostel wendet sich vielmehr gegen christliche Tendenzen, sich an bestimmten Regelungen wie der Beschneidung zu orientieren. Das würde nach ihm Konkurrenz zum Christusgeschehen und einen Verstoß gegen die mit Christus gegebene Inklusivität des Heils bedeuten. Besonders klar tritt diese Argumentation im Galaterbrief hervor, mit dem der vom eifernden, auf Exklusivität bestehenden Christenverfolger zum Völkerapostel gewordene Paulus sozusagen eine Art Anti-Dokument zu 4QMMT vorlegt, wohlgemerkt: ein an Christen gerichtetes Schreiben. Ist das Gesagte auch nur einigermaßen korrekt, wird man sich - zusammen mit J. D. G. Dunn - dem von M. Abegg formulierten Eindruck kaum verschließen können 109 : "the importance of MMT for New Testament research is nothing short of revolutionary".
108 Vgl. o. (bei) Anm. 36.105, ferner Bachmann, Rechtfertigung (s. Anm. 2), bes. l-10.32f. 109 Abegg, Paul (s. Anm. 12) 55 (vgl. ebd., 53: "For the first time we can really understand what Paul is writing about"). Vgl. Dunn, 4QMMT (s. Anm. 1) 147.
(m) Jüdischer Bundesnomismus und paulinlsches Gesetzesverständnis, das Fußbodenmosaik von Bet Alfa und das Textsegment Gal 3,15-29 I. Zur Diskussion um das Gesetz Paulus und seine Theologie zu verstehen, ist nicht eben ein leichtes Unterfangen. Dies traurige Lied wird bereits in 2Petr 3,16 angestimmt, und es gilt heute nicht weniger als damals. Umstritten ist insbesondere die für den Protestantismus so wichtige Rechtfertigungslehre1. Uneinigkeit besteht bereits hinsichtlich der Bedeutung des Ausdrucks "Gerechtigkeit Gottes", Sixaioator] öeoü, sofern etwa und zumal E. Käsemann dafür plädierte, ihn auch von der sich in der Gabe der Gerechtigkeit zeigenden Macht des Gebers, also Gottes, zu verstehen, während andererseits diesem Impuls gegenüber die ältere Position R. Bultmanns aufrechterhalten wird, nach der es (jenseits von Rom 3,5.25f) um das dem Menschen geschenkte Heil, um die vor Gott geltende Gerechtigkeit geht Auch wenn man von diesem Ausdruck absieht und sich an den Satz hält, daß "aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt werden wird" (Rom 3,20; Gal 2,16; vgl. Ps 143,2), stößt man in der Sekundärliteratur keineswegs auf einmütige Auffassungen. Wieder wird die Genitiwerbindung, hier: "Werke des Gesetzes" (fepya v6|xou) kontrovers behandelt: Hat sie es mit allem möglichen Wirken gemäß der Tora zu tun oder lediglich bzw. primär mit "identity and boundary markers" (so [bes.] J.D.G. Dunn) zwischen Juden- und Heidentum (wie der Beschneidung und den Speisegeboten)? Und: Meint sie überhaupt gesetzeskonformes Handeln und nicht vielmehr die Einzelregelungen des Gesetzes selbst, die Halakhot (wie ich, [ 1992 und] 1993, vorschlage)? Vor allem aber besteht Uneinigkeit darüber, ob der Satz als Verurteilung des menschlichen Be-1 strebens zu verstehen ist, sich der eigenen Werke vor Gott zu rühmen, oder ob er eben nicht derart individualistisch, "lutherisch" zu begreifen ist, sondern irgendwie anders, z.B. in dem Sinn, als hebe er auf die Gruppenzugehörigkeit ab, die sich in Gesetzeswerken (einerseits) und im Christus-Glauben (andererseits) manifestiere (so z.B. E.P. Sanders). Die Lage ist also, was das paulinische Rechtfertigungs- und Gesetzesverständnis angeht, nicht sonderlich gut überschaubar.
1
S. zum Vorangehenden und zum Nachfolgenden nur J. Lambrecht, S. 94-104; S. Westerholm, S. 1-101.143f, und M. Bachmann: 1992, S. 2-11 (vgl. S. 91-101); 1993, bes. S. 1-5.11-15.
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Etwas günstiger steht es, wenn man danach fragt, wie - sonst - im Frühjudentum über das Gesetz gedacht wird. Denn wenigstens dies darf aufgrund der jüngeren Diskussion (F. Mußner u.a.) wohl als einigermaßen geklärt gelten, daß der soeben erwogene Satz aus Rom 3,20 und Gal 2,16, weil er gegenüber christlichen Fehlhaltungen vorgebracht wird, nicht einfach für eine Charakterisierung jüdischen Verhältnisses oder gar des jüdischen Verhältnisses zur Tora ausgegeben werden kann. Einer deijenigen, die den sich hier andeutenden Kurz- bzw. Fehlschluß angeprangert haben, ist E.P. Sanders, dessen Buch "Paulus und das palästinische Judentum" das Gespräch der letzten zehn, fünfzehn Jahre wie kein anderes bestimmt hat. Er setzt im ersten Hauptteil dieser Veröffentlichung an die Stelle der früher weithin das Feld beherrschenden Auffassung von Werk- oder Leistungsgerechtigkeit als Signatur des Frühjudentums die These, angemessener sei eine Charakterisierung mit dem Stichwort "Bundesnomismus", das die Vorordnung der erwählenden, in den Bund einbeziehenden Gnade Gottes vor die Forderung der Gesetzesbefolgung ausdrückt. Im einzelnen kann Sanders (S. 400) den Bundesnomismus durch acht Punkte kennzeichnen: Die 'Struktur' (das 'Pattem') dieses Bundesnomismus besteht in Folgendem: 1) Gott hat Israel erwählt und 2) das Gesetz gegeben. Das Gesetz beinhaltet zweierlei: 3) Gottes Verheißung. an der Erwählung festzuhalten, und 4) die Forderung, gehorsam zu sein. 5) Gott belohnt Gehorsam und bestraft Übertretungen. 6) Das Gesetz sieht Sühnmittel vor, und die Sühnung führt 7) zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Bundesverhältnisses. 8) All jene, die durch Gehorsam, Sühnung und Gottes Barmherzigkeit innerhalb des Bundes gehalten werden, gehören zur Gruppe derer, die gerettet werden. Eine wichtige Interpretation des ersten und des letzten Punktes besteht darin, daß Erwählung und letztliche Errettung nicht als menschliches Werk, sondern als Taten der Barmherzigkeit Gottes verstanden werden.
Freilich ist angesichts der Sandersschen These - im Anschluß an Formulierungen des Autors selbst - ein Doppeltes zu fragen 2 . Zum einen: Inwiefern darf diese "Religionsstruktur" für das palästinische Judentum in den Jahrhunderten um die Zeitenwende geltend gemacht werden? Sanders beschreibt (S. 384[-395.400]) das Buch Vierte Esra als Ausnahme (sofern hier "der Bundesnomismus zusammengebrochen" und "zu einer Religion von individueller Selbstgerechtigkeit" I mutiert
2
S. zum Vorangehenden und Nachfolgenden M. Bachmann, 1992, S. 3-7 (mit dem Einwand J. Neusners, S. 49f: Sanders "brings to the Rabbinic sources the issues of Pauline scholarship and Paul" und "does not bring to the fore what Rabbinic sources themselves wish to take as their principal theme"), und für die sogleich zuerst zu formulierende Anfrage außerdem S. Westerholm, bes. S. 143-150. Vgl. ferner, was den Brief 4QMMT angeht (jetzt leicht zugänglich bei R. Eisenman/M. Wise, S. 193-201.203-205), M. Bachmann, 1993, S. 29-31 (samt Anm. 158).
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sei), und man wird darüber hinaus darauf verweisen können, daß die alttestamentliche Verknüpfung des Handelns mit Segen und Fluch (s. nur Dtn 270 sich durchhält (s. nur 4QMMT) und Aussagen wie Weish 6,18b ("Achtung... auf die Gebote ist Sicherung der Unsterblichkeit") dem, was man Leistungsgerechtigkeit nennen mag, immerhin nahekommen. Das religionsgeschichtliche Gelände ist also nicht so übersichtlich, wie man es möglicherweise gerne hätte. Zum anderen: Welcher Primärtext will denn überhaupt die von Sanders vertretene "Religionsstruktur" aussagen? Sanders demonstriert sie an vielen Einzelbelegen (z.B. [S. 309-325] aus dem Buche Jesus Sirach [s. bes. 7,8f; 11,21-28; 17,12.24-26; 24]). Aber benutzt er damit nicht die Zusammenhänge lediglich als Material zur Klärung eines von außen - von Paulus her - an sie herangetragenen Problems, ohne ihrer eigenen Intention nachzugehen? Diese Anfrage soll mit dem Nachfolgenden nicht beiseitegewischt werden. Aber mir scheint, daß wenn auch nicht durch einen einzelnen Text, so doch durch ein aufgrund von Texten interpretierbares Fußbodenmosaik sich so etwas wie Bundesnomismus einigermaßen geschlossen vor Augen führen läßt (II). Die Interpretation auf das Gesetz hin ist, abgesehen vom Begriff eben speziell des Bundesnomismus, nicht sonderlich originell3. Neu ist, soweit ich sehe, der Vergleich mit den paulinischen Aussagen in Gal 3,15-29 (III), der zeigen dürfte, daß Paulus mit jener "Religionsstruktur" vertraut ist Wenn er sie hier anspricht, aber inhaltlich in erheblichem Maße modifiziert, könnte das überdies vielleicht anzeigen, daß er mit ihrem Einfluß auf die Galater rechnet. Der - optische Vergleich von Mosaik und Textsegment endlich mag, zumal wenn dabei Übereinstimmungen und Differenzen schlagwortartig benannt werden (IV), das Leben mit paulinischen Themen möglicherweise ein wenig erleichtern.
II. Bet Alfa und Bundesnomismus Bei vielen Studienfahrten nach Israel steht auch der Besuch von Ausgrabungsstätten antiker Synagogen auf dem Programm. Man wird dabei mit einer bemerkenswerten Fülle von figürlichen Darstellungen konfrontiert. Als erstaunlich hat sie gerade auch deshalb zu gelten, weil man Anfang unseres Jahrhunderts eine derartige bildende Kunst für das palästinische Judentum noch kategorisch ausschloß (so z.B. E. Schürer), und zwar wegen der Wirkungsgeschichte des biblischen Bilderverbots, wie es etwa am Beginn der Zehn Gebote (in Ex 20,4; Dtn 5,8) formu-
3
Unumstritten ist diese besonders von H.-P. Stähli (1985 und 1988) verflochtene Deutung des Mosaiks, es ist das der Synagoge von Bet Alfa, indes nicht (s. dazu die forschungsgeschichtlichen Überblicke bei G. Stemberger, S. 182-187 [wo folgendermaßen kategorisiert wird: 1. Dekoration, 2. Kalenderbild, 3. Messiasgedanke, 4. Heterodoxes Judentum],208-220, und bei P. Prigent, S. [112-122.] 165-173). An Konnotationen, die es mit der Ordnung der dem universalen jüdischen Gott unterstehenden Welt zu tun haben, ist in-
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liert ist. Man wird also in Israel und ausgerechnet durch die wiederentdeckten antiken Synagogen mit, nun freilich schon einige Jahrzehnte alten, sensationellen Fakten konfrontiert. An dem vor etwa 30 Jahren freigelegten Boden der Synagoge von Hammat-Tiberias I (Abb. 1) läßt sich das Sensationelle der Funde demonstrieren. Erstaunen erregt dabei weniger das südöstliche Teilstück des Mosaiks, das die Fläche vor der in etwa nach Jerusalem weisenden Toranische mit dem Toraschrein bedeckt; denn es zeigt eben den Toraschrein und daneben andere, damals ebenfalls bereits weitverbreitete jüdische Symbole: siebenarmigen Leuchter (Menora), Palmzweig (Lulab) und Zitrusfhicht (Etrog), Widderhorn (Schqfar) und Räucherpfanne (Mahta). Diese Dinge sind indes sämtlich nicht-figürlich, widersprechen also schwerlich dem Bilderverbot von Ex 20,4 (vgl. Dtn 5,8): "Du sollst Dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild, weder dessen, was oben im Himmel, noch dessen, was unten auf Erden, noch dessen, was unter der Erde ist". In krassem Widerspruch dazu scheint jedoch das darunter eingeordnete, weiter nordwestlich liegende Feld zu stehen: In der Mitte sehen wir eine Gestalt, die uns aus nicht-jüdischen, heidnischen Parallelen bekannt ist, und zwar als der Sonnengott Helios oder auch als der Gott Sol invictus. Gerade gegen so etwas hatte sich doch Ex 20,4 und hatten sich viele alttestamentliche Stellen und ihnen entsprechende Maßnahmen gewandt (vgl. z.B. Dtn 4,19 und 2Reg 23,5.11). Und nun das! Aber damit nicht genug. Der Sonnengott ist umgeben vom Tierkreis, und damit von Darstellungen, die etwas beschreiben wollen, "was oben im Himmel" ist, und die sich dabei solcher Gestalten bedienen, die "auf Erden" und, wenn auch nicht "unter der Erde", so doch im Wasser sind. Wir sehen z.B. rechts oben Wassermann und Fische. Mit Ausflüchten ist diesem Sachverhalt nicht beizukommen, vor allem nicht mit der Ausflucht, hier handle es sich um die Synagoge einer jüdischen Sonder- oder Randgruppe. Denn Tiberias ist in der Mitte des 4. Jh. n.Chr., als das Mosaik entsteht, schon längst und immer noch Sitz des jüdischen Patriarchen und damit das rabbinische Zentrum des Judentums Palästinas und nicht nur Palästinas, und eine Mosaikinschrift im Eingang unseres Gebäudes benennt zu allem Überfluß auch noch einen "Severus" als Stifter, "der aufgezogen wurde (im Hause) der hochberühmten Patriarchen". Außerdem kommt ein ähnlich gestaltetes Tierkreismotiv noch auf Mosaikfußböden von mindestens drei anderen Synagogen (Na'aran [bei
des nicht vorbeizukommen (s. dazu nur G. Stemberger, S. 209.212, und P. Prigent, S. 172). Und für die hier vertretene Lösung spricht einerseits die besondere Prominenz der Tora-Thematik im Frühjudentum und sprechen andererseits die im folgenden anzudeutende (literarische und ikonographische) Geschichte sowohl der Einzelmotive als auch der Motivkombinationen und die ebenfalls knapp zu charakterisierende spezifische Gesamtkonzeption des Bet-Alfa-Bodens. 4 Zu Susija s. L.I. Levine, S. 123-128 (S. Gutman/Z. Yeivin/E. Netzer), und G. Stemberger, S. 179. Vgl. ebd., S. 178-180, was Jafia (Tierkreis oder zwölf Stämme), Kafr Bar'am (Steinfries [3. Jh.] mit Tierkreis [?]) und En Gedi (Tierkreis-Inschrift) angeht.
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Jericho]; Bet Alfa [in der Jesreel-Ebene]; (Husifa [am Karmel]; wohl auch: Susija [in Judäa]) vor4, und es ist damit lokal (Süden; Norden) und temporal (ca. 350 [Hammat-Tiberias]; 6. Jh. [Bet Alfa]) derart breit belegt, daß die Randgruppen-These und die weitere von einer eher zufälligen Übernahme aus dem heidnischen Kunsthandwerk auszuschließen sind. Bei mindestens zwei dieser Parallelen (Bet Alfa; Na'aran; wohl auch: Susija) ist überdies der Tierkreis wie schon in Hammat-Tiberias neben die Darstellung des Toraschreines plaziert Eine der Parallelen soll jetzt ein wenig näher interessieren, die der Synagoge von Bet Alfa - im Süden Galiläas gelegen. Abb. 2 deutet dreierlei an: Erstens und darauf ist gleich noch zurückzukommen-: I Zu den beiden genannten Szenen kommt hier eine weitere mit menschlichen Figuren hinzu. Zweitens: Anders als im reichen Hammat-Tiberias ist der Stil der Darstellung schlicht, um nicht zu sagen naiv; deshalb und wegen des extrem guten Erhaltungszustandes vermag das Mosaik uns indes auch besonders anzusprechen. Drittens: Zu diesem "stark orientalisierenden Charakter" (H.-P. Stähli) passen gut aramäische und griechische Inschriften ganz vorne, die das Mosaik in die Regierungszeit Justinus' (I.; S18-S27 n.Chr.) zu datieren erlauben und die zudem die Handwerker, Marianos und seinen Sohn Aninas, benennen. Nun aber zurück zum ersten Punkt: Drei Szenen sind hier verbunden, zusammengehalten durch einen ornamentalen Rahmen. Die vorderste Szene braucht, da wir die Parallele aus Hammat-Tiberias kennen, kaum noch erläutert zu werden. Nur dies sei hervorgehoben, daß der dargestellte Toraschrein nicht nur - wie in Hammat - durch die Muschel und zusätzlich durch die angedeuteten Vorhänge auf die wirkliche Toranische verweist, sondern mit ihr, die wieder nach Süden ausgerichtet ist, auch auf den Ort des (zerstörten) Tempels. Und das auch durch das "ewige Licht", das nach Ex 27,20 schon für das Wüstenheiligtum vorgeschrieben war. Auf die Löwen und Vögel erspare ich mir einzugehen. Die darunter angeordnete Tierkreis-Szene stimmt im wesentlichen mit der von Hammat überein. Nicht erwähnt hatte ich dort die in den Ecken durch Frauengestalten symbolisierten und zudem ausdrücklich bezeichneten Jahreszeiten. Von links oben an sind es, entgegen dem Uhrzeigersinn: Frühling (mit Hirtenstab), Sommer, Herbst und - als alte Frau dargestellt - der Winter. Nach innen zu schließen sich die den Monaten entsprechenden und ebenfalls durch hebräische Lettern identifizierten Tierkreiszeichen an: vom Widder (//' bzw.täli) rechts bis zu den Fischen ([w]dgjm bzw. [we]dagim) darunter. Innen dann im zentralen Medaillon wieder Helios mit Strahlenkranz, dem hier indes die Weltenkugel fehlt. Deutlicher als in dem durch eine später darübergezogene Mauer teilweise zerstörten Pendant in Hammat ist hier jedoch, daß Helios gemäß dem Mythos mit einer Quadriga, mit einem von vier Pferden gezogenen Wagen über den Himmel dahinfahrt Und anders als in Hammat ist der Hintergrund des Gespannes nicht hell, sondern noch vom Dunkel der ihrerseits lediglich durch Sterne und den Mond erhellten Nacht bestimmt, die nun weichen muß. Zu betrachten bleibt die dritte Szene, die auf einer ersten Verstehensebene schon wegen der Beischriften keinerlei Probleme bereitet: Da ist von Abraham und Isaak die Rede, und die - der aus einem oberen Bereich
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kommenden Hand zugeordneten - biblischen Worte "strecke nicht aus" (Gen 22,12: 'al-tisch e lah) beseitigen zusammen mit dem ebenfalls biblischen Hinweis auf den Widder ("und siehe: ein Widder"; Gen 22,13: w'hinne-'ajil) jeden Zweifel daran, daß es sich hier um die Geschichte vom Opfer Abrahams (bzw. von der Opferung Isaaks) aus Gen I 22 handelt, die im Judentum (im Anschluß an Gen 22,9) als "Bindung Isaaks" ( aqedai jishaq) bezeichnet wird: Auf dem lodernden Holzstoß und Altar wird den Platz des offenkundig in der Tat gebundenen Isaak der Widder einzunehmen haben; so will es die vom Himmel her einwirkende Gottheit. Die drei Szenen dürften nach diesen Erläuterungen einigermaßen überschaubar und verständlich sein. Offen ist jedoch, was sie zusammen, als Elemente einer dreiteiligen Einheit besagen sollen. Klar ist zwar, daß die südliche und die nördliche Szene, wenn man denn Menschen und Tiere darstellen darf, in einem Synagogengebäude Sinn machen. Klar ist zwar auch, daß die heidnisch wirkende mittlere nicht per Zufall hierhin gerutscht ist, auch nicht wegen irgendwelcher Auffassungen sektiererischer jüdischer Kreise. Aber was soll sie im Zusammenhang und was soll der Zusammenhang bedeuten? Darauf, daß mit einer die Szenen verbindenden Idee zu rechnen ist, weist die bereits gestreifte Vorgeschichte unserer synagogalen Darstellung. Denn es begegnet, wie wir sahen, die Kombination von Toraschrein und Tierkreis schon im 4. Jh. in Hammat-Tiberias (Abb. 1) und vor Bet Alfa noch in ein, zwei Synagogen ([Susija und] Na'aran). Noch 100 Jahre älter (nämlich vor 244/245 n.Chr. entstanden) sind die Wandgemälde einer Synagoge in der Nähe des Eufrats, wo man seit 1922 den Ort Dura Europos ausgegraben hat, und hier findet sich nun (Abb. 3) das Nebeneinander von Toranische und Bindung Isaaks, und zwar so, daß diese architektonische Gegebenheit auch hier bildlich aufgegriffen wird, nämlich durch die über ihr plazierte Darstellung des Tempeleingangs, neben dem der von Abraham errichtete Altar gleichsam die Stelle des jerusalemischen Brandopferaltars einnimmt. Wenn also sowohl der Tierkreis als auch die Opferung Isaaks lange vor der Synagoge von Bet Alfa mit Toranische bzw. -schrein bildlich verbunden waren, dürfte auch die Dreierkombination gewollt sein. Das gemeinsame Glied, die Toranische bzw. der Toraschrein, läßt wohl auch schon die Hauptlinie des zugrundeliegenden Konzepts erkennen, die es offenkundig mit der Bedeutung der Tora zu tun hat. Denn nicht nur sind schon vorher Opferung Isaaks wie Tierkreis mit dem Ort der Tora verbunden. Auf ihn wird derjenige, der den Synagogenraum beim - im Norden gelegenen - Haupteingang betritt, durch die drei Szenen auch hingeführt. Damit die vergleichsweise späte Entstehung des Mosaiks die Relevanz des angekündigten Vergleichs mit paulinischen Aussagen zum Gesetz nicht zu sehr mindert, empfiehlt es sich, die drei Szenen im folgenden (so gut wie) ausschließlich mit Hilfe von Texten aus früherer, aus biblischer Zeit zu erläutern, obwohl es mindestens ebensogut mit späteren Dokumenten möglich wäre 5 .
5 Das läßt sich insbesondere beobachten bei H.-P. Stähli (1985, S. 85-93; 1988, S. 61 -68) - und bei Prigent (S. 112-122.167-171).
Abb. 1: Hammal-Tiberias Fußbodenmosaik mit Tierkreis und Toraschrein (H.-P. StOhii, 1988, S. 60)
Abb. 2: Bei Alfa Fußbodenmosaik mit Opferung Isaaks, Tierkreis und Toraschrein (H.-P. SM, 1988, S. 63.59.57)
Abb. 3: Dura Europos Toranische und zugehöriges Fresko (Kultsymbole; Tempelfassade; Opferung Isaaks) (H.-P. Stähii, 1988, S. 73)
Abb. : Sepphoris Fußbodenmosaik (Weiss/Netzer, S. 14)
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Bei der Szene von der Bindung Isaaks wird man, zumal angesichts der Dura-Europos-Darstellung (Abb. 3), natürlich auch daran zu den-1 ken haben, daß die in Gen 22,2 als Morija bezeichnete Stätte dieses Geschehens beispielsweise in 2Chr 3,1 als Platz des jerusalemischen Tempels gilt 6 , und später im Judentum begründet die Bindung Isaaks jedes kultische Opfer und jeden Ritus der Sündenvergebung. Auch diese Verbindung mit dem Tempel verweist selbstverständlich schon auf die Tora, die ja in weiten Teilen Kultvorschriften bietet. Aber die Anordnung der Szenen ist in Bet Alfa doch anders als in Dura Europos. So fallt auf, daß die dem himmlischen Bereich zugehörende Hand auf unserem Mosaikboden ihren Platz genau in der Mitte des Bildfeldes hat und damit letztlich unter dem Toraschrein. Spätestens das gibt Anlaß, ein Verständnis ins Spiel zu bringen, nach dem Abraham - bald auch Isaak (vgl. nur Gebet Manasses 8) - als gerecht, wenn nicht als der paradigmatische Gerechte gilt. Das knüpft daran an, daß schon Gen 22 von einer Versuchung Abrahams (s. V. 1) und von seinem Gehorsam gegenüber Gott (s. V. 18; vgl. 26,5: "weil Abraham auf mein Wort gehört und alles gehalten hat, was er mir zu halten hatte: meine Gebote, Satzungen und Gesetze") spricht. Und so lesen wir keineswegs nur und erst im Jakobusbrief (2,21) davon, daß "unser Vater Abraham aus Werken gerechtgesprochen wurde, als er seinen Sohn Isaak als Opfer auf den Altar legte" (ähnlich schon Sir 44,19-21; Weish 10,5; IMakk 2,52; vgl. CD 3,2f). Besonders bemerkenswert ist bei dieser Auslegungstradition noch dreierlei: (1) Der Gehorsam Abrahams wird nicht nur auf die Bereitschaft zur Opferung Isaaks, auch nicht nur auf die (in Gen 17) vorangehende Durchführung der Beschneidung an sich und seinen Söhnen bezogen (s. nur Sir 44,20), sondern sogar auf die ganze Tora; in einer gegen Ende des ersten christlichen Jahrhunderts entstandenen Schrift heißt es dazu erläuternd: "damals ist das Gesetz ungeschrieben ... allgemein bekannt" gewesen (syrBar 57,2; und seine Gebote seien insbesondere auch von Abraham erfüllt worden [vgl. nochmals Gen 26,5]). (2) Mit der Bewährung Abrahams wird im Anschluß an die alttestamentliche Opferungsgeschichte selbst (s. Gen 22,15-18; vgl. Gen 26,4f) Hoffnung verknüpft, und zwar primär für Israel als Volk des zwischen Gott und Abraham geschlossenen Bundes (s. Ps 105,5-11; Sir 44,19-23, bes. V. 20). (3) Von diesem Bund ausgehend, werden die Juden späterer Zeiten aufgefordert, sich an der Gerechtigkeit Abrahams, seinem Tora-Gehorsam, zu orientieren (s. nur IMakk 2,49-52; vgl. 4Makk 18,1). Es liegt nahe, schon bei dem hinsichtlich dieser ersten Szene Gesagten an den Begriff "Bundesnomismus" zu denken. Denn es wird, so wie man Gen 22 im Frühjudentum auffaßt, vom einzelnen Juden nicht einfach Gehorsam verlangt; Gott hat
6
Nach T. Veijola, (bes.) S. 152-154, ist die Erzählung Gen 22,1-19, welche sich u.a. auch mit der Wendung "der Ort, den Gott ihm genannt hat" (V. 2.3.9), und mit dem Brandopfer-Begriff (V. 2.3.6.7.8.13) "konsequent... auf Jerusalem" ausrichte, sogar "von Anfang an als eine Kultätiologie Jerusalems konzipiert worden" (S. 154).
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sich Israel vielmehr verbunden - schon bei der Beschneidung Abrahams - und seinem Volk gute Regeln gegeben, die das Leben in dem derart bereiteten Raum ermöglichen, auch die Rückkehr in diesen geschützten Raum. Plakativ gesagt: Hier geht schon im Judentum die Gnade Gottes seiner Forderung voraus. I So weist also die erste Szene auf die heilsgeschichtliche Verankerung des jüdischen Bundesnomismus hin. Die nächste, so heidnisch wirkende Szene dürfte nun, wie mir - und nicht nur mir - scheint, diese Vorstellung von der Bedeutung des Gesetzes weiterführen: Zwar ist Israel schon seit Abraham und natürlich seit Mose noch deutlicher, nämlich sozusagen schriftlich, mit der Tora verbunden; sie hat jedoch Bedeutung nicht nur für Israel, sondern für die gesamte Schöpfung. Daß es der Tierkreis mit der geordneten Welt zu tun hat, bedarf kaum einer Begründung. Aber inwiefern hat er es mit der Tora zu tun? Nun, um dies zu erspüren, braucht man nur zwei Aussagen aus dem Buche Weisheit Salomos zu lesen, von denen die eine vom "Gesetz" handelt, die andere von der "Weisheit". Zusammenbringen darf man die beiden Stellen, weil dieses Buch und andere, die ebenfalls noch aus der Zeit vor Christi Geburt stammen, die Begriffe "Gesetz" und "Weisheit" (wohl unter Einfluß von Dtn 4,50 engstens verknüpfen (vgl. Weish 6,16-20), ja identifizieren (s. Sir 24, bes. V. 23; Bar 3,9-4,4, bes. 4,1). Zunächst sei Weish 18,4 zitiert: "durch sie (sc. Gottes Söhne, d.h. die Israeliten) sollte der Welt (bzw. dem Äon) das unvergängliche Licht des Gesetzes geschenkt werden". Abgesehen davon, daß man sich hier an die Sonne im Zentrum des Tierkreises erinnert fühlen könnte (vgl. Weish 7,25ff), ist nach diesem Vers also das Gesetz etwas für die - ohne es - dunkle Welt Wichtiges, derzeit jedoch nur, aber immerhin in der Hand Israels (vgl. Bar 3,37; Sir 24,8.10-12). Warum die Tora als etwas für die Welt Wichtiges gelten kann, läßt die andere Stelle erkennen, die sich in Weish 7 findet; hier wird als Wort Salomos u.a. formuliert: Gott "selbst hat mir... ein untrügliches Wissen der Dinge verliehen, so dass ich den Bau des Kosmos und das Wirken der Elemente verstehe (V. 17). Anfang, Ende und Mitte der Zeiten, den Wechsel der Jahreszeiten (V. 18), den Kreislauf der Jahre und die Stellungen der Gestirne (V. 19) ... Alles, was es nur Verborgenes und Sichtbares gibt, erkannte ich (V. 21)" - und nun kommt der Clou: "denn die Werkmeisterin aller Dinge, die Weisheit, lehrte es mich" (V. 22). Also: Die Weisheit war schon - als Werkmeisterin - bei der Schöpfung dabei (vgl. Spr 8,22ff; Sir 24), und sie, die "in Ewigkeit... kein Ende nehmen" (Sir 24,9) wird, vermittelt die für gelingendes Leben notwendige Einsicht in die Grundstruktur der Welt. Nicht zuletzt ist dabei zu denken an die Strukturierung der Zeit und den Lauf der Gestirne (vgl. auch Bar 3,31-4,4). Selbstverständlich ist das Buch Weisheit Salomos strikt gegen die heidnische Verehrung der Gestirne im Sinne von Göttern. Aber nach dem solchen Götzendienst zurückweisenden Kapitel Weish 13 deutet doch die "Schönheit" der Gestirne auf den "Urheber der Schönheit, der [all] das erschaffen hat." Kurz: Hinter aller Ordnung der Schöpfung steht Gott und steht seine Tora, und unsere Tierkreisszene versucht das vor Augen zu führen. Sie läßt sich dabei übrigens I zusammen mit Weish 7 in einen von Gen 1, von der sogenannten ersten
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Schöpfungsgeschichte herkommenden Traditionsprozeß einordnen (D. Lührmann, 1980). Auch dort geht es um die Möglichkeit, sich in der von Gott geschaffenen Welt orientieren, ihr gemäß leben zu können; und wenn da (in V. 14-18) das große und das kleine Licht, Sonne und Mond, zur "Bestimmung von Zeiten, Tagen und Jahren" dienen, so entspricht dem unsere Szene (und übrigens auch eine Stelle des Galaterbriefes [4,10]) ziemlich genau: in den Ecken die Jahreszeiten, dann die Monate, schließlich die Sonne, die für Tag und Nacht und das Nacheinander der Jahre zuständig ist. Die zentrale Stellung der Sonne macht also auch im Judentum Sinn, speziell natürlich in solchen Kreisen, die den Mondkalender (wieder) durch einen solaren ablösen wollen (vgl. nur Tempelrolle; äthHen 72-82; Jub; CD 3; 16), aber eben nicht nur dort (vgl. Ps 19, bes. V. 2-7; 104, bes. V. 2-4). Man muß das Astronomische freilich richtig einordnen: Nach Weish 7(0 gilt: Die Weisheit ist ein "lauterer Ausfluss der Herrlichkeit des Allmächtigen (V. 25),... ein Abbild des ewigen Lichts ... (V. 26). Sie ist herrlicher als die Sonne und übertrifft die ganze Sternenwelt... (V. 29)... Sie erstreckt sich machtvoll von einem Ende [der Welt] zum anderen und durchwaltet das All aufs beste." Der Jude, und nur er, weiß durch die Tora wirklich um diese Ordnung, hat deshalb indes auch die Pflicht, ihr entsprechend zu leben. Diese Chance und diese Verpflichtung ergibt sich nach den beiden betrachteten Szenen aus gedeuteter Geschichte, Heilsgeschichte, und aus gedeutetem Kosmos. Und das wird unterstrichen durch die verbleibende Darstellung, die die Betrachter nun mit dem Toraschrein (indirekt auch mit dem Tempel als Ort der Tora und Weisheit [Sir 24,10f; 45; 50; Weish 9,4ff]) und insofern ziemlich direkt mit der Tora konfrontiert, welche dann in Gestalt der Tora-Rollen im Gottesdienst im und beim wirklichen Schrein sichtbar wird. Es geht um Verpflichtung, aber auch um eine - Sühnemittel einschließende - Chance, die freudig ergriffen werden will. M.E. weist darauf zumindest noch der fruchttragende Baum auf der rechten Seite des Schreins hin. Jedenfalls heißt es im Selbstlob der Weisheit von Sir 24: "Wie eine Palme zu Engedi schoss ich auf und wie Rosenbüsche zu Jericho; wie ein stattlicher Ölbaum in der Niederung und wie eine Platane am Wasser ragte ich hervor (V. 14)... Kommet her zu mir, die ihr meiner begehrt, und sättigt euch an meinen Früchten (V. 19)... Wer mir dient, wird nicht in Sünden fallen (V. 22)." So etwas kennt auch Paulus. Er zitiert in Gal 3,12 (und Rom 10,5) aus Lev 18,5: "Wer sie (sc. die Vorschriften der Tora) tut, wird in ihnen leben." Verficht er also eine ähnliche Auffassung, wie sie deijenige Strang des Judentums vertritt, der sich in der als Bundesnomismus charakterisierbaren Hauptaussage des Mosaikbodens der Synagoge von Bet Alfa dokumentiert? Gibt auch Paulus zu verstehen: Die I Tora bestimmt von Anfang an für alle Zeiten die Ordnung der gesamten Welt, und gut ist der dran, der wie der zur legitimen Nachkommenschaft Abrahams zählende Angehörige des Bundesvolkes Israel die Chance hat, sich an das schon Abraham offenbarte und schon von Abraham befolgte mosaische Gesetz zu halten, welches Leben in Übereinstimmung mit Gott, Kosmos und Heilsgeschichte ermöglicht? Gibt Paulus eine solche Auskunft?
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III. Bet Alfa und Gal 3,15-29 Um hier weiterzukommen, soll jetzt das Textsegment Gal 3,15-29 ein wenig betrachtet werden. Mir scheint, man kann es ohne allzugroße Willkür sozusagen durch die Folie der drei Szenen des Bet-Alfa-Mosaiks hindurch in den Blick nehmen. Eine entsprechende Gliederung bietet Abb. 4. Für diese Verse sind dabei einfach Übersetzung und Einteilung aus dem berühmten Galaterbrief-Kommentar von H.D. Betz (1979/88) aufgegriffen worden. (Lediglich in V. 20f habe ich [zu] kräftig Interpretierendes durch den Einsatz von Tipp-Ex zu mäßigen gesucht.) Eine gewisse Entsprechung zum Mosaik fällt mindestens beim ersten und dritten Abschnitt ins Auge. Denn der erste, V. 15-18, hat es nicht anders als dort die Szene am Haupteingang mit Abraham und dem Abraham-Bund zu tun, und wie in Bet Alfa das südliche Feld mit dem Toraschrein den Synagogenbesucher selbst anspricht, nämlich auf die ihm durch die Tora gegebene Chance und Verpflichtung, so redet Paulus ab V. 26 und - innerhalb unserer Passage - erst von hier an die Adressaten des Briefes unmittelbar an, wie die nun verwandte 2. Person Plural, das "Ihr" dieser vier Verse, zeigt. Lassen wir den heikleren mittleren Textabschnitt zunächst mit der vagen Versicherung beiseite, er werde schon irgendwie mit der Tierkreis-Szene verbunden werden können, so ist nun bei den äußeren Abschnitten indes nicht nur Korrespondenz mit Bet Alfa, sondern gerade auch Differenz zur dort intendierten Aussage zu konstatieren. Was die ersten Verse (Gal 3,15-18) angeht, so kann nämlich keine Rede davon sein, Abraham (und ebenso der Abraham-Bund) würde hier mit der Tora verknüpft, die ihm in ungeschriebener Form schon bekannt gewesen und von ihm, dem Stammvater und Vorbild des Volkes Israel, - insbesondere bei der Bindung Isaaks - eingehalten worden sei. Ganz im Gegenteil! Paulus bedient sich nämlich dreier alttestamentlich vorgegebener Elemente, um zwischen Abraham und der Tora bzw. zwischen Abraham und dem Volk der Tora strikt zu trennen. Zum einen greift er den durch die Abraham-Geschichte vorgegebenen Begriff "Bund", berit (s. bes. Gen 15,18; 17,2.4.7.9.10.11.13.14.19.21), auf, der in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, in der Septuaginta (LXX) also, durch den nun natürlich auch I bei Paulus verwandten Terminus 5iaöf)KTi wiedergegeben wird (vgl. dazu auch Sir 44,18.20.22). AvaöfiKT) klingt noch juristischer und spezifischer als berit und meint oft so etwas wie ein Testament, und so verdeutlicht der Apostel den mit Abraham geschlossenen Bund und die damit verknüpften Verheißungen denn auch durch das Bild eines offenkundig recht speziellen "Testamentes", einer solchen Transaktion nämlich, deren Zeitpunkt nicht etwa und nicht erst vom Tod des den Besitz übereignenden Menschen bestimmt wird und welche durch diese Person in keiner Weise mehr modifiziert oder gar rückgängig gemacht werden kann (wohl: matfnatbárV [= Verfügung eines Gesunden]; so E. Bammel). Folgerung: Das "Testament" Gottes mit Abraham kann durch nichts Späteres beeinträchtigt werden. Das läßt sich nun darauf beziehen, daß nach der alttestamentlichen Darstellung, zweitens, Abraham weit vor Mose einzuordnen ist, und Paulus nennt in V. 17 sogar, wieder im Anschluß an die griechische Bibel (Ex
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12,40f LXX: 430 Jahre in Ägypten und Kanaan), eine konkrete Zahl: erst 430 Jahre nach dem Abraham-'Testament" ist es zur Gesetzgebung am Sinai gekommen (s. dazu D. Lührmann, 1988). Folgerung hieraus und aus dem ersten Punkt: Das Gesetz kann jenes "Testament" auf keine Weise aushebeln, es hat mit der Zuteilung der Erbschaft nichts zu tun. Dazu paßt das Dritte: In V. 16 bezieht Paulus sich darauf, daß in der Abraham-Erzählung hinsichtlich der Nutznießung des Bundes, des "Testamentes", im Singular von "dem Samen", "dem Nachkommen" die Rede ist (s. nur Gen 17,8; 22,18; vgl. Sir 44,21), und er interpretiert diese Ausdrucksweise äußerst spitzfindig7: Die Schrift "spricht nicht (so) wie (man) von einer Mehrheit ..., sondern, wie (man) von einem einzelnen (redet)". Daß dieser "eine", "einzelne" dann am Schluß des Verses als Christus identifiziert wird, ist für die nachfolgenden Ausführungen natürlich von hohem Belang, und wir werden darauf sogleich bei den Hinweisen zum dritten Textabschnitt zurückkommen. Aber es darf nicht übersehen werden, daß dieser Position - "der Nachkomme ist Christus" - eine stark akzentuierte Negation vorangeht: "Es heißt nicht: 'Und den Nachkommen' als von vielen". Nach dem zur Abraham-Szene von Bet Alfa Gesagten dürfte deutlich sein, was diese Negation soll: Der Apostel verwendet den Singular und die Negation, "um die traditionelle jüdische Interpretation abzuwehren" (H.D. Betz), nach welcher es sich bei dem Nachkommen, bei den Nachkommen Abrahams und den Bundeserben zunächst um das Volk Israel handelt (vgl. nochmals 4Makk 18,1). Diese Vielheit ist nach Gal 3,16 beim Abraham-Bund mit dem singularischen Terminus "Same", "Nachkomme", gerade nicht angesprochen. Folgerung: War durch die Testamentsterminologie und durch den Hinweis auf die Spanne von 430 Jahren sozusagen ein Trennungsstrich zwischen Abraham und die Mose-Tora gesetzt worden, so soll der Singular "Same", "Nachkomme", (nicht nur Abraham und Christus verbin- I den, sondern auch) einen weiteren Trennungsstrich markieren, nun zwischen Abraham und Volk Israel. Genauer: Hier wie dort hat Paulus aus dem, was nach üblicher jüdischer Auffassung als so etwas wie ein Bindestrich zu gelten hat, einen Trennungsstrich gemacht. Auf der einen Seite steht jeweils Abraham, auf der anderen steht das Gesetz und steht das Volk Israel. Soviel zur Übereinstimmung und zu den erheblichen Differenzen zwischen dem ersten Abschnitt unseres Textsegments und der Eingangsszene von Bet Alfa. Wenden wir uns nun ganz kurz den Versen Gal 3,26-29 zu, so dürfen wir ebenfalls nicht bei der schon benannten Berührung mit dem Toraschrein-Feld des Mosaikbodens stehenbleiben, daß nämlich beide Male konkrete Personen, die
7 Allerdings doch im Rahmen jüdischer Auslegungsgepflogenheiten (s. dazu H.D. Betz, S. 283f samt Anm. 34[.36], und H.-G. von Mutius [mit den dortigen Literaturverweisen]). - Die nachfolgende Übertragung gemäß W. Bauer, Sp. 1789f.
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Synagogenbesucher bzw. die Adressaten des Galaterbriefes, unmittelbar angesprochen werden. Zunächst wird man noch präzisieren können: Es geht hier nicht anders als in Bet Alfa darum, daß die Angesprochenen sich im Rahmen der Heilsgeschichte begreifen, der sie angehören; und nicht anders als dort sollen sich die Angesprochenen dabei als Nachkommen Abrahams verstehen. Damit hören aber die Gemeinsamkeiten denn auch so ziemlich auf. Was nämlich diese Nachkommenschaft Abrahams jeweils charakterisiert, ist nach jenem jüdischen Traditionsstrom die Israel gegebene mosaische Tora, während Paulus den Glauben an Christus oder, um es mit dem vorangehenden Vers zu sagen, das Kommen (der Möglichkeit) dieses Glaubens namhaft macht und damit das Christusgeschehen. Es ergibt sich demnach der Eindruck: An die Stelle des mosaischen Gesetzes ist hier bei Paulus Christus getreten. Daß Paulus in der Tat auf etwas in dieser Richtung Liegendes hinauswill, zeigt der Abschluß unseres Textsegments. Denn mit der hier begegnenden Begrifflichkeit vom "Samen", "Nachkommen", greift Paulus ja auf V. 16 zurück, wo er Christus als diesen einen Nachkommen identifiziert hatte - und gerade nicht Israel, das Volk der Tora. Und was er diesem Israel, dieser Vielheit, nicht zugebilligt hatte, räumt er jetzt doch einer Gemeinschaft ein: denen, die zu Christus gehören. Wer sich - wie die Adressaten - zu dieser Gemeinschaft zählen darf, kann das, Paulus zufolge, wegen der Zugehörigkeit zu Christus, nicht wegen der Zugehörigkeit zum Volk der Tora und damit eben auch nicht wegen seiner Verbundenheit mit der Tora. Natürlich sind damit Juden nicht ausgeschlossen; denn in der für unsere gesellschaftliche und kirchliche Gegenwart in vielfacher Hinsicht so wichtigen Formulierung aus V. 28, nach der hier "nicht Jude noch Grieche ..., nicht Sklave noch Freier, nicht Mann und Weib" ist, werden die Angehörigen des Volkes der Tora nicht nur angesprochen, sondern gleich zu Beginn genannt. Aber auch wenn man das sieht, bleibt doch nach dieser kurzen Musterung des ersten und dritten Textabschnitts festzustellen: Paulus kennt die von uns mit Hilfe des Mosaikbodens von Bet Alfa betrachteten jüdischen Traditionen, prägt sie aber vom Christusgeschehen her recht ra-1 dikal um. Und die Bedeutung des Volkes der Tora und damit die Bedeutung der Tora selbst wird von ihm dabei mindestens stark eingegrenzt: Die Tora hat nicht die Aufgabe des Abraham-"Testamentes", das vielmehr - sozusagen an ihr vorbei - in Christus und den Seinen eingelöst wird. Wenn Paulus zu Beginn des mittleren Textabschnitts (Gal 3,19-25) fragt: "Was soll nun das Gesetz?", so ist klar, daß hier jene Eingrenzung der Tora-Bedeutung nicht zurückgenommen werden kann. Ein etwaiger letzter Zweifel daran wird ausgeräumt, wenn man in V. 21 liest, daß Paulus die jüdische Hoffnung von der lebensfördernden, ja lebensspendenden Aufgabe der Tora anspricht, aber, wie die Irrealis-Konstruktion des Bedingungssatzes zeigt, nicht aufzunehmen gewillt ist. Zu klären ist indes, ob Paulus in diesem Abschnitt an der göttlichen Herkunft und an einer insofern positiven Rolle der Tora festhält. Denn in der gegenwärtigen exegetischen Diskussion wird von prominenter Seite vertreten, der Apostel halte das "durch Engel" gegebene Gesetz (V. 19) für dämonisch vermittelt und wolle auf
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eine "Disqualifikation der Geschichte Israels" hinaus 8 . Der Frage wollen wir uns wenigstens kurz zuwenden, natürlich ohne alle Einzelprobleme behandeln zu können. Unser Hauptaugenmerk soll vielmehr auf V. 19f ruhen, und da wiederum primär auf der wohl schwierigsten Formulierung, auf V. 20a. Nur dies sei zuvor vermerkt, daß unser ganzer, nach der Rolle des Gesetzes fragender Abschnitt durch die in den vorangehenden Versen mit dem Bild vom durch nichts zu beeinträchtigenden "Testament" eingeführte Polarität von Abraham-Bund und Gesetz bestimmt ist. Das geschieht allerdings mit der Nuancierung, daß nun dem Gesetz nicht mehr (wie in V. 18 [vgl. V. 16f]) Abraham selbst gegenübersteht, sondern, wie V. 16 vorbereitet hatte, der eine "Same", der - nahezu an Israel vorbei - beim Abraham-'Testament" im Blick war. D.h.: Nun geht es nicht mehr um Abraham und das Gesetz, sondern um das Gesetz und Christus bzw. den Glauben an ihn. Diese das ältere Gegenüber aufnehmende, es gleichsam chronologisch um eine Phase weiter voranführende Polarität charakterisiert unsere Verse durchgehend, und zwar so, daß die Zeit des Gesetzes als durch die Zeit des einen "Samens" Christus abgelöst geschildert wird. Hat man das erst einmal erkannt, so ist das Dunkel von V. 20a rasch aufgehellt 9 , jedenfalls dann, wenn man sich nicht durch manche Übersetzungen dazu verführen läßt, die beiden Sätzchen von V. 20 nur durch ein Komma oder ein Semikolon - so leider auch H.D. Betz (s. Abb. 4) - voneinander zu trennen. Betrachtet man V. 20a, zunächst ohne V. 20b, auf dem Hintergrund des rückwärtigen Kontexts und im Zusammenhang der beschriebenen Polaritäten, so kann nun kaum ein Zweifel daran bestehen, was hier durch die Aussage, "der Mittler" sei "nicht eines", negiert wird: der Mittler ist Mittler nicht in bezug auf I den soeben in V. 19 erneut singularisch angesprochenen "Samen", er ist es nicht in bezug auf Christus. Schon im Deutschen läßt die Negation ahnen, daß bei ihr, unausgesprochen, eine Position mitgemeint sein könnte, und im Griechischen ist das noch deutlicher, da hier das Zahlwort vorgeordnet und damit stark betont ist Zu Recht heißt es dazu im Galaterbrief-Kommentar Th. Zahns: "die Verneinung der Einheit, des Singulars, schließt in sich die Behauptung der Vielheit, des Plurals". Welche Vielheit gemeint ist, ergibt sich ebenfalls aus dem rückwärtigen Kontext und aus der unseren Zusammenhang bestimmenden Polarität von Gesetz und Christus. Denn genau eine hierauf bezügliche Gegenüberstellung war uns ja schon in V. 16 begegnet: "nicht viele, sondern einer"; das besagte dort: nicht das Volk der Tora, nicht die Vielheit Israel, ist "Same" Abrahams, sondern die Einheit Christus. Die in V. 20a
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So insbesondere G. Klein, S. 209f (Zitat: S. 210), und H. Hübner, S. 28f. Den hier vertretenen Lösungsansatz, den ich vor kurzem in Anknüpfung an Bammel, S. 317f (samt Anm. 3.5), knapp gegenüber anderen Deutungen begründet habe (Bachmann, 1992, S. 148f samt Anm. 265), werde ich demnächst eingehender auf dem Hintergrund der Forschungsgeschichte zu entfalten suchen. 9
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intendierte Gegenüberstellung wird bei Einheit und Vielheit genau dasselbe meinen, nur daß hier nicht von den Bundesverheißungen, sondern vom Gesetz ausgegangen wird. Deshalb ist die Negation hier nicht vor die Vielheit, sondern vor die Einheit zu setzen: nicht dem einen, Christus, sollte der Mittler das Gesetz geben, sondern der Vielheit, Israel. Weil man in den Kommentaren oft schon bei V. 16, wo man zumeist allein an der christologischen Aussage interessiert ist, das Gegeneinander von Negation und Position vernachlässigt und weil man in V. 20, durch den doppelten Hinweis auf "einen" geblendet, die Sätze nicht trennt, hat man statt der soeben gewonnenen Lösung eine verwirrende Fülle von Vorschlägen vorgelegt. Auf sie soll hier nicht eingegangen werden. Das scheint auch deshalb vertretbar, weil V. 20b die vorgeschlagene Deutung nachhaltig stützt. Dieser Satz, der offenkundig auf das monotheistische Grundbekenntnis Israels (s. Dtn 6,4) und damit auch des Christentums (vgl. nur 1 Kor 8,4.6) Bezug nimmt, muß nämlich fraglos auch vom nachfolgenden Vers her gelesen werden; denn überall dort, wo Paulus sein entrüstetes "Das sei ferne!" formuliert, weist er damit eine falsche These zurück, die sich aus einer vorher formulierten richtigen Aussage zwar nicht ergibt, aber doch zu ergeben scheint. Die falsche These liegt in unserem Fall zu Beginn von V. 21 vor, wo sie in Gestalt der Frage geäußert wird, ob "das Gesetz gegen die Verheißungen" sei. Damit muß angesichts der den Kontext auszeichnenden Polarität, insbesondere angesichts von V. 18 und angesichts des letzten Teils von V. 21, die folgende These gemeint sein: Das Gesetz könne doch über die Zuteilung des im Abraham-'Testament" Zugesagten entscheiden oder mitentscheiden, es insofern beeinträchtigen. Wenn das also die von Paulus zurückgewiesene falsche These ist, durch was wird sie denn, wenn auch nicht zwingend, nahegelegt? Nun, sie scheint aufgrund des monotheistischen Grundbekenntnisses von V. 20b möglich, und zwar genau dann, wenn es sich auf ein Handeln Gottes sowohl gegenüber dem "Samen" Abrahams als auch gegen-1 über den Empfängern des Gesetzes beziehen ließe. Eben um diese beiden Adressatenkreise müßte es in V. 20a gehen - und geht es hier schon nach unseren früheren Beobachtungen (und kann es selbstverständlich nach den alttestamentlichen Aussagen über die Mittlerrolle Moses zwischen Gott und dem Volk gehen). Unsere Interpretation von V. 20a ergibt sich also sowohl aus dem rückwärtigen als auch aus dem nachfolgenden Kontext. Es ergibt sich zugleich - und das ist für die uns leitende Frage nach der Rolle des Gesetzes nun natürlich von entscheidender Bedeutung: Paulus stimmt einerseits dem zu, daß ein und derselbe Gott hinter der Abraham-Verheißung und hinter dem Gesetz steht, rechnet demnach keineswegs mit einem dämonischen Ursprung oder Charakter des Gesetzes; aber andererseits lehnt er (nach V. 15ff, bes. V. 18) erneut und scharf die Auffassung ab, das Gesetz habe es auch nur einigermaßen direkt mit derjenigen Funktion zu tun, die dem Abraham-Bund zukommt. Hinsichtlich der inhaltlichen Aspekte der Aufgaben ist immerhin schon soviel deutlich: Bei der Zusage an Abraham geht es, mit V. 21 zu reden, um Lebendig-
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machen und Gerechtigkeit, beim Gesetz nach diesem Vers eben darum nicht, vielmehr, V. 19 und V. 22 zufolge, irgendwie um Übertretungen und Sünde. Und eher formal gilt - das haben wir ja bereits herausgearbeitet - : Der Abraham-Bund zielt auf den einen, Christus, das Gesetz betrifft die Vielheit, Israel. Damit dürfte endlich auch der Bezug zur mittleren Szene von Bet Alfa auf der Hand liegen, jedenfalls dann, wenn wir uns des Verses 28 erinnern, nach dem prinzipiell in dem einen Christus, bei den mit ihm durch die Taufe Verbundenen, etwa und insbesondere nicht mehr zwischen Jude und Nicht-Jude zu unterscheiden ist. Paulus weiß offenkundig darum, daß ein breiter Strom der jüdischen Überlieferung von der universalen, Leben ermöglichenden Bedeutung des mosaischen Gesetzes überzeugt ist, auch wenn diese Chance nur vom Bundesvolk Israel wahrgenommen werden kann. An der besonderen Beziehung Israels zum letztlich von Gott gegebenen mosaischen Gesetz hält der Apostel fest; aber durch die Art, wie er daran festhält, bestreitet er ein Doppeltes: Erstens, daß das Ziel der Lebensförderung durch dieses Gesetz wirklich erreicht werden könne (s. nochmals V. 12.21b); es sollte Israel vielmehr gerade mit Übertretungen (s. V. 19) und Sünde (s. V. 22) konfrontieren, und darauf, daß das Gesetz in diesem Sinne ernst zu nehmen ist, verweisen (wie auch die Parallelen Apg 7,53 [vgl. V. 38] und Hebr 2,2 nahelegen) sehr wahrscheinlich die Engel. Zweitens bestreitet er die universale Ordnungsfunktion des mosaischen Gesetzes, das als solches für Israel und nur für Israel da ist. Das Anliegen der Tierkreis-Szene wird insofern von Paulus kritisiert. Das zeigen, wie wir sahen, unsere Verse. Noch expliziter wird es in Gal 4,10, wo Paulus den offenbar Halt am mosaischen Gesetz suchenden Heidenchri-1 sten (s. Gal 4,21; 5,2-4; 6,12) in Galatien vorhält: "Tage beobachtet ihr und Monate und Jahreszeiten und Jahre". Paulus negiert damit auf der anderen Seite durchaus nicht die Berechtigung jedes universalen, auf die gesamte Schöpfung zielenden Anliegens. Das machen zwei Züge besonders deutlich: Indem zum einen selbst Israel durch das ihm verliehene Gesetz mit der Sünde konfrontiert wird, ergibt sich nach dem Apostel, wie er in V. 22 anspricht, daß alle Menschen als Sünder zu gelten haben. Das mosaische Gesetz ist insofern nicht die Konstatierung der allgemeinen Ordnung, sondern der allgemeinen Unordnung (vgl. E.W. Stegemann)! Zum anderen steht der eine Gott außer hinter dem verurteilenden Gesetz auch hinter dem älteren Abraham-Bund, und dieser Bund zielte auf den einen "Samen", damit, wie V. 28 zeigt, auf eine Gemeinschaft, die Juden und Nicht-Juden umfaßt, ja auf etwas, was nach dem Apostel noch nicht verwirklicht, aber doch mit Christus schon angebrochen ist: etwas, wo es - ob nun schön oder schade - nicht mehr "Mann und Frau" geben, wo also Gen 1,27, die Schöpfung des Menschen, überholt, überboten sein soll, und zwar durch das, was Paulus in unserem Brief einmal die "neue Schöpfung" (6,15) nennt. Sie ist nach ihm mit Christus jedenfalls ansatzweise da. Auf ihn, auch auf das vom Apostel offenkundig als "Gesetz Christi" (Gal 6,2) bezeichnete "Liebesgebot" (das nach seiner Darstellung [s. Gal 5,14] der ethischen Intention der Tora entspricht [M. Bachmann, 1992]) deutet durch die Zuchtmeister-, die "Pädago-
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gen"-Funktion des Aufweisens der Sünde (s. Gal 3,24) das mosaische Gesetz, das Gesetz Gottes hin. IV. Zusammenfassung in Schlagworten Der Dreischritt des Mosaikbodens geleitete den Synagogenbesucher im Sinne dessen, was man Bundesnomismus nennen kann, über das Bild von der heilsgeschichtlichen Bedeutung des gerechten Abraham und über die Betonung der Tora-Relevanz für die Ordnung des Kosmos am Ende hin zu Chance und Verpflichtung des eigenen Gehorsams. Paulus läßt seine Adressaten auf den heilsgeschichtlich primären Bund Gottes mit dem glaubenden Abraham schauen, zeigt ihnen dann die "pädagogische" Funktion des mosaischen Gesetzes in der Geschichte Israels, um schließlich alle an Christus zu weisen (und damit auch an das Gesetz Christi). Auch der Apostel läßt seine Adressaten demnach so etwas wie einen Dreischritt vollziehen. Während jedoch das Mosaik auf den Toraschrein zuführte und das heimliche Thema aller seiner Szenen die Tora war, ist es bei Paulus Christus (der vom Apostel an anderer Stelle - wie im Judentum die Tora - kaum zufallig mit der "Weisheit" identifiziert wird [lKor 1,30])10: Er ist der eine Same; er ist der, auf den Israel wartet; er ist der Inbegriff der neuen Schöpfung. I Bei ÜBEREINSTIMMUNG in der Aufeinanderfolge von Abraham, Gesetz und Gläubigen, die auch eine Übereinstimmung hinsichtlich des Vorrangs der Zu-
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Es ist (angesichts dessen) wohl kein Zufall, daß die Thematik der drei Szenen in der Kunstgeschichte nicht nur heimlich, sondern sogar deutlich auf Christus bezogen werden kann: Die Opferung Isaaks, des "einzigen" Sohnes (Gen 22,2; vgl. Rom 8,32), wird zum Bild für den Tod Jesu (s. dazu H.-P. Stählt, 1988, S. 65 samt Anm. 86); auch Züge der Sonne trägt Christus, die "Sonne der Gerechtigkeit" (Mal 3,20; vgl. z.B. 2Kor 3,18; Apk 1,16; 21,23; 22,16), früh, und dem entspricht, daß er schon im 3. Jh. ganz ähnlich wie in Hammat (und Bet Alfa) nach dem Modell des Sol invictus bzw. des römischen Herrschers als Kosmokrator (vgl. auch das Pantokrator-Motiv) dargestellt wird (s. dazu nur L.I. Levine, S. 66 [M. Dothan], ferner P. Prigent, S. 172); das Kreuz endlich findet bekanntlich recht schnell seinen Platz in der Apsis bzw. auf dem Altar.
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wendung der Gnade Gottes ist, kommt Paulus also vom CTira/uigeschehen her dazu, auf Kontinuitätsmerkmale ( s und — ) und positiv gefärbte Vorstellungen (Leben, Ordnung ...) Züge der Diskontinuität ( | und I } ) und eher mit negativen Assoziationen Verknüpftes (Sünde, Unordnung...) aufzutragen. Mit dem abschließenden Tableau sei versucht, das festzuhalten:
[Das Tableau folgt auf der nächsten Seite.]
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« s - 's J -c K feonv, in: BZ 22, 1934,30-42,
30, [K.] BORNHÄUSER, Der "Mittler". Versuch einer Erklärung von Gal. 3,19.20., in: NKZ 39,1928,21-24,21, und A. VANHOYE, Un médiateur des anges en Ga 3,19-20, in: Bib. 59, 1978,403-411,403, ferner u. (bei) Anm. 4. 2 Vgl. z.B. H. SCHLIER, Der Brief an die Galater (KEK VII), 12., neubearb. Aufl., Göttingen 1962,161,undH.D. BETZ, Der Galaterbrief. Ein Kommentar zum Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien (Hermeneia), München 1988 (zuerst [englisch]: 1979), 305. R. KÜBEL, Bibelkunde. Erklärung der wichtigsten Abschnitte der h. Schrift und Einleitung in die biblischen Bücher. Teil II: Das Neue Testament, 6. Aufl., Stuttgart 1896, 308, spricht sogar davon, daß "V.20 ... für den schwierigsten Vers des Neuen Testaments gehalten wird." ( vgl. O. FRITSCH, Galater 3, 20 [Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht der Margarethenschule zu Berlin], Berlin 1895, 5, und W. SLEBERT, Exegetisch-theologische Studie über Gal 3, 20 und 4,4., in: NKZ 15,1904,699-733,711). 3 T.D. CALLAN, Jr., The Law and the Mediator: Ga 3:19b-20, Diss. (masch.) Ph.D. Yale University 1976; hier v: N.A. DAHL. 4 T.[D.] CALLAN, Pauline Midrash: The Exegetical Background of Gal 3:19b, in: JBL 99, 1980, 549-567, 549. Vgl. o. (bei) Anm. 1. 5 [G.C.F.] LÜCKE, Noch ein Versuch über Galat. 3,20., mit besonderer Rücksicht auf die Auslegungen dieser Stelle von Dr. Winer, Dr. Schleiermacher und Prof. Schmieder, in: ThStKr 1, 1828, 83-109, 83.
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bzw. 1519) 6 seine knappen, später so von ihm nicht wiederholten 7 interpretativen Aussagen zum Vers mit dem Seufzer ab: Si quid profundius latet, alii quaerant: ego mea vela colligo.8 Es läßt sich also mit Karl WIESELER von einer "durch ihre Schwierigkeit berühmten Stelle" 9 sprechen, und man darf sich, zumal angesichts von Luthers Zugeständnis, andere könnten sich um hier etwa Verstecktes bemühen, nicht wundern, daß - zweitens - eine enorme Fülle von Lösungsvorschlägen entwickelt wurde. Schon im letzten Jahrhundert ist deren Anzahl mehrfach sehr hoch beziffert worden 1 0 . Da "solche Angaben", wie Heinrich SCHLIER11 es ausdrückt, "wohl mehr auf Gerüchten als auf Nachprüfungen" fußen, mag es genügen, drei Voten zur Dlustration anzuführen: Nach LÜCKE 12 gilt, "daß von der großen Summe der bisher versuchten Auslegungen auf jedes der neun Worte des kurzen Verses etwa dreyßig kommen"; Benjamin JOWETT13 (wie später dann Albrecht OEPKE14) erhöht - unter nicht weniger witziger Anspielung auf die in Gal 3,17 numerisch bemessene Zeitspanne zwischen Abraham- Verheißung und Gesetzgebung - auf 430, während es bei Friedrich SLEFFERT15 heißt: eine "fast unzählbare Menge von
6
WA 2, (436-)451-618. Vgl. die Übersetzung: I. MANN, Martin Luther, Kommentar zum Galaterbrief • 1519 (Calwer Luther-Ausgabe 10), München/Hamburg 1968. 7 Vgl., was Gal 3,(19.)20 im Kleinen Kommentar, in späteren Auflagen dieses Werkes und in der Auslegung von 1531/35 (s. WA 40 I.II) angeht (WA 2, [522-524.]524; 40 I, [473-501.]501-506), K. WIESELER, Commentar über den Brief Pauli an die Galater. Mit besonderer Rücksicht auf die Lehre und Geschichte des Apostels, Göttingen 1859,292f. (samt 292 Anm. 1), MANN, Kommentar, 149f. (samt Anm. 72), und J. ROHDE, Der Brief des Pau-
lus an die Galater (ThHK IX), Berlin 1989, 157 Anm. 21. 8 WA 2, 524 (hier Z. 20). Vgl. u. bei Anm. 30. 9
WiESELER, Gal, 288. Vgl. CALLAN, Law, v: "this infamously enigmatic passage".
10
S. dazu nur die Aufzählungen bei F. SlEFFERT, Der Brief an die Galater (KEK VII; 9. Aufl.), von der 6. Aufl. an neu bearb., Göttingen 1899, 210 Anm.*, SCHLIER, Gal 12 , 161 Anm. 2, und BETZ, Gal, 305 Anm. 70. 11
Gal 12 , 161 Anm. 2. Versuch, 83. 13 So SlEFFERT, Gal 9 ,210 Anm.* (vgl. z.B. FRITSCH, Galater 3,20,5 [samt Anm. 9f.]). 14 Der Brief des Paulus an die Galater (ThHK IX), Nachdr. der 2., verb. Aufl., Berlin 1964, 82. 15 Gal 9 , 210 (vgl. ZÖCKLER, Gal, 104: eine "Sintflut von Deutungen", die sich nach Z. übrigens "in erster Linie aus dem Auseinandergehen der Meinungen in betreff des UEOITTK" ergibt). Vgl. C.A.Th. KEILIUS (d.h. KEIL), Proponitur exemplum iudicii de diversis singulorum scripturae sacrae locorum interpretationibus ferendi, examinandis variis interpretum de loco Gal. III, 20. sententiis., in: DERS., Opuscula academica ad N. T. interpretationem grammatico-historicam et theologiae christianae origines pertinenlia, ges. und hg. v. I.D. GOLDHORN, Leipzig 1821, 211-317 (zuerst: 1809-1812 [s. ebd., 211 Anm. des Hg.; doch vgl. WIESELER, Gal, 288: 1800-1813]), 213: non videbatur nobis vllus alius locus in medium proferri posse, qui maiori interpretationis diversitati obnoxius fuisset, quam nobilissimus ille epist. ad Gal. III, 20. locus. 12
Ermittlungen zum Mittler
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Erklärungsversuchen". Wie bei einem schwierigen Kriminalfall gelegentlich der Kreis der möglichen Täter, der Verdächtigen, den Polizeibeamte oder auch interessierte Bürger umreißen, sich als recht umfangreich darstellt, so ist hier die Zahl der vorgeschlagenen Lösungen ganz erheblich. Und dabei scheint ein erfolgreicher Abschluß dieses exegetischen Falls um so weniger leicht, als zwar bei einem Verbrechen schon mal viele Mafiosi zu Recht dingfest gemacht werden mögen, kaum aber bei einem Auslegungsproblem auch nur zwei einander deutlich widerstreitende Interpretationsversuche gleichberechtigt als angemessene Antworten gelten können - es sei denn, man öffnete sich poststrukturalistischer Beliebigkeit . Die Versuchung, das zu tun, ist ausgesprochen verlockend, wenn man einen auch nur etwas längeren Blick auf das Feld der offerierten Lösungsvorschläge wirft. Denn obwohl seit dem Jahre 1800 eine ganze Reihe von Forschungsberichten vorgelegt wurde - den jüngsten unter den umfangreicheren bietet die erwähnte Yale-Dissertation - 1 7 , bleibt dieses Terrain doch schwer Uberschaubar, und das
16 Vgl., was diese Position angeht, etwa M. FRANK, Wörter, Wörter, Wörter. Eine Abrechnung mit dem Poststrukturalismus, in: Die Zeit, Nr. 38 vom 11. September 1992,74f. 17 Vor allem sind zu nennen: C.F. BONITZ, Plurimorum de loco Pauli Gal. III. 20. sententiae examinatae, novaque eius interpretatio tentata. Commentatio historico-exegetica, Leipzig 1800; DERS., Spicilegium observationum ad locum Pauli nobilissimum Gal III, 20, Leipzig 1802; C.Th. ANTON, explicado loci GaL III, 20. critica, histórica et exegetica (2., verb. und verm. Aufl. [der Wittenberger Diss. von 1800]), in: Sylloge Commentationvm Theologicarvm 5 (hg. v. D.I. POTT), (Helmstedt) 1804,141-274; KEIL, exemplum-, G.H.F. WEIGAND," ENOX. In nobilissimo Pauli ad Gal. III. 20 effato. Haud Genitivo sed Nominativo casu esse positum. Examinatis aliorum CCXXXXIII Interpretum explicationibus, Erfurt 1821; H.E. SCHMIEDER, Nova interpretatio loci Paulini Galat. III. 19-20 (Memoriam anniversariam inauguratae ante hos CCLXXXIII. annos Scholae Provincialis Portensis), Naumburg 1826, bes. 1-3; G.B. WLNER, Pauli ad Galotas epístola, 3., verm. und verb. Aufl.,
Leipzig 1829, 163-176 (= Excursus III. In locum cap. 3. v. 20.); WIESELER, Gal, bes.
292-304; G.A. FRIKKE, Das exegetische Problem im Briefe Pauli an die Galater C. 3,20 auf Grund von 3, 15-25 geprüft, Leipzig 1880, bes. 3-8; ZÖCKLER, Gal, 102-105; SLEFFERT,
Gal9, 210-218 (übersichtlicher: DERS., Kritisch exegetisches Handbuch über den Brief an die Galater [KEK VII; 7. Aufl.], neu bearb., Göttingen 1886, bes. 210-223); FRITSCH, Galater 3 , 2 0 , bes. 5-8.24-28; SIEBERT, Studie, bes. 700-711; CALLAN, Law, bes. 1-30 (vgl. zu
diesem letzteren Literaturüberblick u. [bei] Anm. 52). Recht stark auf die Auslegungsgeschichte bezogen sind auch J. SCHULTHESS, Engelwelt, Engelgesetz und Engeldienst, philologisch und litterarisch erörtert und auf die evangelische Gnade und Wahrheit zurückgeführt, Zürich 1833, und F.W. CULMANN, Noch ein Wort zum Verständnis der Worte Gal. 3, 20, Straßburg 1864; weniger explizit ist dies der Fall bei I.A. NOESSELTUS (d.h. NOESSELT), Prolusio in locum Paulli Apost. Gal. III, 20, in: DERS., Exercitationes ad sacrarum scripturarum interpretationem, Halle 1803, 143-168 (doch s. ebd., 146 Anm. a [Literatur]).
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Antijudaismus im GalaterbrieP
schon deshalb, weil hier grelle Farbkontraste und feine Abstufungen beieinanderliegen. Beispielsweise sieht Ragnar BRING18 in der Formulierung von V.20a, b 5i Heovni Koanoü (Gal 4,3.9; Kol 2,8.20), in: ZNW 83,1992,119-125, für den um das Genitivattribut erweiterten Ausdruck mittels des Thesaurus Linguae Graecae nicht nur die Zahl der antiken Vergleichsstellen gegenüber dem bisherigen Diskussionsstand deutlich erhöhen, sondern auch wahrscheinlich machen können: "Die Vermutung..., es handele sich bei den aroixeta xaü KOCT^OÜ um 'belebte Geister', entbehrt lexikalisch jeder Grundlage, da sich für diese Wortverbindung dafür kein einziger Beleg findet. Das [vom Autor, also RUSAM] beigebrachte Material erhärtet vielmehr die von J. Blinzler, G. Delling, E. Schweizer und P. Vielhauer vertretene Auffassung, daß es sich bei den atoixewx xoü K6CT|IOV> um die vier bzw. fünf physikalischen Elemente handelt." (Ebd., 125, hier Anm. 28-33 Literatur; vgl. ferner BACHMANN, Sünder, 123f. [samt] Anm. 122[.126f.].) 30 Die Frage nach einer etwaigen, gerade auch die Einschätzung des Gesetzes betreffenden, auf eine Abmilderung hinauslaufenden Entwicklung der paulinischen Anschauungen noch zwischen Galater- und Römerbrief (s. zu ihr nur BACHMANN, Sünder, 8 samt Anm. 41 [Literatur]) kann hier nicht weiter verfolgt werden (vgl. indes immerhin u. [bei] Anm. 194). Doch gehört sie, wie WALLACE, Galatians 3:19-20, (225-)227-229, zu Recht herausstellt, zu denjenigen Problemen, die Gal 3,19f. und Gal 3,20 ins Zentrum der gegenwärtigen Diskussionen über das paulinische Gesetzesverständnis rücken. 51 KLEIN, Individualgeschichte, 210. Vgl. DERS. , Art. Gesetz III. Neues Testament, in: TRE XIII (1984), 58-75, 67.
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Antijudaismus im Galaterbrief?
lig zusammengestellten Kriterien durchzumustern wären 52 , wird hier nicht gemacht, wenngleich die Vermutung durchaus naheliegt, auf bessere als die vorliegenden interpretativen Offerten werde man kaum stoßen 53 . Angegangen werden soll indes eine Auflistung und Ordnung von Indizien, und dabei wird natürlich kräftig auf die Arbeit anderer Exegeten zurückgegriffen werden, die wichtige textliche Hinweise aufgespürt haben, freilich ohne daß es zu einer (wirklichen) Integration in dasjenige Lösungsmodell gekommen ist, das seit geraumer Zeit als das beste gehandelt zu werden pflegt. Wenigstens es sei indes zunächst umrissen, und zwar unter Aufnahme von Kategorien, die bei der Sichtung des forschungsgeschichtlichen Feldes üblich geworden sind und mit Hilfe einer von Franz MUßNER zur Erläuterung dieses auch von ihm aufgegriffenen Modells angefertigten Skizze 54 . Im Anschluß daran werde ich mir freilich nicht das Genre des herkömmlichen Krimis selbst zum Vorbild nehmen und mit mehr oder weniger durchsichtigen Andeutungen ein Phantombild vorbereiten, sondern es soll eher wie am Schluß der Hercule-Poirot-Romane sein: dem angeblichen Täter (II) wird der wirkliche gegenübergestellt (HI); die dessen Täterschaft scheinbar ausschließenden Fakten werden anders erklärt (IV), und die der Schuld überfuhrenden Indizien werden aufgeführt (V). Natürlich: es bleibt ein Indizienbeweis. Nun aber zunächst der falsche Täter, die heute besonders gern vertretene Interpretation!
II "Es ist", so Joachim R O H D E 5 5 in seinem Kommentar, "davon auszugehen, daß ein unvollständiger Schluß vorliegt. Dabei lautet der Obersatz: 'Der Mittler ist nicht eines', d.h. gehört nicht nur zu einem, und der Untersatz: 'Gott aber ist einer'". Dem
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Wenig befriedigend ist beispielsweise das Vorgehen bei CALLAN, Law, 1-30 (vgl. o. [bei] Anm. 17). Denn wenn er (ebd., 4f.) gegen Anfang seines Forschungsberichtes drei "common arguments" (ebd., 4) auffuhrt (tieaVny; = Mose; neotTTK in V.19b und in V.20 mit letztlich identischem Referenzbezug;fevöt;und e i ; in gleicher Bedeutung [vgl. u. Anm. 68.98f.106]), die ihm dann zur Ausscheidung solcher Interpretationen dienen, "which, it seems..., can rather readily be dismissed" (ebd.), so können diejenigen Argumente, die für die derart durch das Sieb fallenden Vorschläge sprechen, natürlich schwerlich hinreichend gewürdigt werden. (Ähnlich zirkulär m.E. auch: DERS., Midrash [vgl. hier 549 mit 564-567].) 53 Vgl. LÜCKE, Versuch, 101: "Ich weiß wirklich keine bessere Auslegung, als die von mir getadelten [drei: nämlich die von B. WINER, von F.D.E. SCHLEIERMACHER und von C.A.Th./K.A.G. KEIL], Gäbe es eine bessere, sie wäre längst gefunden." Vielleicht ist sie's! 54 F. MUßNER, Der Galaterbrief (HThK IX), Freiburg/Basel/Wien 1974, 248-250 (Skizze: 249). S. dazu u. Anm. 63. 55 Gal, 157, wo zur Begründung zumal auf "die grammatische Struktur dieses Verses" (gemeint offenbar: V.20) verwiesen wird, freilich ohne daß sie näher charakterisiert würde
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entspricht der von Albrecht OEPKE56 unternommene Paraphrasierungsversuch: "Zum Begriff des Mittlers gehört es, daß er nicht einen einzelnen vertritt, sondern stets eine Mehrheit. Gott aber ist Einer. Also stammt das Gesetz mindestens nicht direkt von Gott, vielmehr von der Vielheit der Engel." Diese Erklärung ist z.B. (schließlich) auch von Heinrich SCHLIER rezipiert worden 57 , und sie allein wird im Exegetischen Wörterbuch zum Neuen Testament aufgeführt und dort als "wohl wahrscheinlichste" vertreten 58 . Insbesondere aufgrund des Forschungsberichts von CALLAN wird man in der Tat sagen dürfen, daß in einer solchen Einschätzung (sechs) Entscheidungen zusammenkommen, die seit längerem dominieren. Das gilt für die Frage, ob es sich in V.20a um eine partikulare (bzw. besser 59 : um eine konkrete) Aussage (z.B. ausschließlich über den Mittler Mose) handle oder eben, wie es bei einem Syllogismus näherliegen mag 6 0 , um eine allgemeine (bzw. besser 6 1 : um eine universale), der es zunächst "um den Begriff des Mittlers" 62 zu tun ist 6 3 (i). Es gilt ebenso für die häufig benannte Alternative 64 , ob als Gegenüber
(doch s. ebd., 158: es habe " b UEOi/crii; generische Bedeutung..., weil b nicht gleich CTSTOQ" sei [s. dazu u. bei Anm. 100]). Deutlicher drückt sich OEPKE, Gal, 83, aus: "Das erste 6k führt diesen ["Allgemeinsatz", nämlich V.20a] als Obersatz zu vl9, speziell seinen letzten Worten ein, das zweite Sfe dagegen v20b als zweiten, gegensätzlichen Untersatz zu v20a" (vgl. DERS., Art. neoi-CTie KTX., in: ThWNT IV [1942], 602-629, 622, ferner u. Anm. 63). Vgl. noch SIEFFERT, Gal9, 216 (es "(haben) die beiden Sätze 320 ganz die Form von Oberund Untersatz einer Schlussfolgerung"), ferner u. (bei) Anm. 66.68.69.84.86. 56 Gal, 84. Vgl. u. (bei) Anm. 70.82. 57 SCHLIER, Gal 12 ,161; anders noch DERS., Gal", 114f. Vgl. ferner z.B. HÜBNER, Gesetz, 28. 5 8 D . S Ä N G E R , Art. NEA'VCTK KTA.., in: EWNTII ( 1 9 8 1 ) , 1 0 1 0 - 1 0 1 2 , 1 0 1 1 . 59 Vgl. dazu etwa J. DOPP, Formale Logik (PhL(D) 3), Einsiedeln/Zürich/Köln 1969, 108f. 111-116.141(f.) (samt Anm. 38). 60 Vgl. dazu nur ebd., 141f. 61 Vgl. dazu nochmals ebd., 109.111-116. 62
OEPKE, Gal, 83; vgl. DERS., NEAITTK, 622.
63
S. dazu CALLAN, Law, bes. (4 und) 24 (vgl. 26): "20th Century interpretation of the passage... has been... almost unanimous in seeing v 20a as a universal Statement about mediation in general." Wenn ebd., 26 (entsprechend: CALLAN, Midrash, 566 Anm. 36), die Interpretation MUBNERS (Gal, 248-250 [vgl. o. bei Anm. 54]) zu den Ausnahmen von der Regel gezählt wird, so ist das schwerlich korrekt. Zwar betont MUBNER in der Tat (kaum anders als OEPKE [s. dazu o. Anm. 55]) eine "(Adversativ-)Verbindung mit V 19" (Gal, 248); aber er spricht doch auch davon, daß Paulus "dann in allgemeingültiger Formulierung feststellt, daß der Vermittler nicht Vermittler eines einzigen ist" (ebd., 248[f.] Anm. 25; Hervorhebung durch mich), wie denn auch in lTim 2,5f. und TestDan 6,2 hinsichtlich des Mittlers gelte: "immer steht hier einer Einheit eine Vielheit gegenüber". Vgl. u. (bei) Anm. 89. 64
Vgl. z.B. SIEFFERT, G a l 7 , 211-223, bes. 211.217 (vgl. DERS., G a l 9 , 212-214), RITSCHL, R e c h t f e r t i g u n g 2 , 2 5 0 , OEPKE, Gal, 83 (vgl. DERS., (lecriTTte, 622), u n d BETZ, Gal,
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Antijudaismus im Galaterbrief?
zu kv6q eine Zweiheit von Parteien oder eine vielköpfige Gruppe anzunehmen sei 6 5 (ii), und wenn letzteres, ob man an das Volk Israel oder nicht vielmehr an die nach V. 19 bei der Gesetzgebung beteiligten Engel zu denken habe 66 (iii). Und was das fevöq seiner grammatischen Funktion nach angeht, ist es schließlich das Übliche, nicht mit einem Genitiv der Qualität, auch nicht mit einem genitivus obiectivus zu rechnen, sondern mit einem subiectivus67 (iv). Eigentlich kommen zu diesen Entscheidungen noch zwei weitere hinzu, die indes in aller Regel gar nicht so empfunden werden: die Optionen für eine enge Zusammengehörigkeit nicht nur von fcv6K£iv charakterisiert (vgl. 1.13,23). Daß die Adressaten dabei gerade nicht auf die Seite des Verfolgers gehören, vielmehr auf die des verfolgten Isaak, ist also mit v. 29 schon so gut wie deutlich 33 - obwohl sich natürlich, wie durch das äXKä. zu Beginn des Verses auch angedeutet wird, das Verfolgtwerden nicht eben gut zum positiven Tenor des vorangehenden Verses fugt. Erneut mit dXXd einsetzend 34 . bekräftigt Paulus darum, ehe er diese Konsequenz expliziert, seinen Schriftbeweis noch durch die Aufnahme der sich in Gen 21 anschließenden Aussage über das Vertreiben der Sklavin und ihres Sohnes sowie über das Nicht-Erben seitens dieses Knabens und das Erben seitens des Nachkommens Saras. Mit dem in v. 30 gebotenen Zitat, auf dessen Eingang sowohl wegen jener Entgegensetzungen) als auch angesichts des eben durch Gen 21.9-10 vorgegebenen Zusammenhangs kaum verzichtet werden konnte, ist die Folgerung von v. 31 nun in der Tat gänzlich gesichert. Denn mit dem Stich-1 wort des Erbens wird an die Abraham-Argumentation von Kap. 3 (bes. vv. 15-29; vgl. 4.1-7) angeknüpft 35 , die dort - nämlich in 3.29 zu dem Ergebnis führte: "Abrahams Nachkomme seid ihr" und "Erben gemäß der Verheißung" (v. 29b). Was das, angewandt auf die von den beiden Frauen bestimmten Korporationen bedeutet, formuliert der Vers 4.31 als Konsequenz aus Gen 21. Es geht hier demnach nicht um einen Aufruf zur Auseinandersetzung mit
auch hier der Ausdruck p n a o von Gen 21.9 negativ, ja teils im Sinne der Aggression verstanden wird (s. die hilfreiche synoptische Zusammenstellung bei P. Naumann, Targum. Brücke zwischen den Testamenten 1 [Konstanz, 1991], 114-5,127: Götzendienst [CN Gen 21.9; TPsJ Gen 21.9,11; TJII Gen 21.9]; ungehörige Handlungen [CN Gen 21.9]; Tun ungehöriger Dinge [TJII Gen 21.9]; Streit [TPsJ Gen 21.10;22.1; vgl. Ms. EE der Kairoer Geniza Gen 21.10]; Versuch des Umbringens [Ms. LLder Kairoer Geniza Gen 21.9]). 33 Ähnlich zumal: Schlier, Galater, 226-7; Barrett, Essays, 165; Radi, Galaterbrief, 75-6; Broer, Vorsprung, 188-9. Das SICOKEIV von v. 29 nicht mit den Belegen für eben dieses Verb, sondern mit dem cbSiveiv von 4.19 zu verbinden, wie es bei Martyn, Faith, 179-80 samt Anm. 40, geschieht, ist hingegen wohl zu kühn (vgl. u. Anm. 41,46). - Vgl. u. (bei) Anm. 66-8. 34
Mit der abermaligen Verwendung der Adversativpartikel ergibt sich nun eine Entsprechung zur Tonlage von v. 28 (vgl. Rom 5.13-5, ferner Gal 4.7-8). Das wäre hingegen nicht der Fall, wenn die in v. 29 benannte Aggression in v. 30 durch eine Aufforderung zur Gegenaggression aufgegriffen würde. 35 So z.B.: Mußner, Galaterbrief, 333; Haacker, Augapfel, 100-1 (vgl. o. Anm. 30). Betont wird diese Verbindung auch von Becker, Galaterbrief, 55(-6), der in ihr jedoch eines der Indizien dafür sieht, "V. 28-30 zum paulinischen Einschub in eine ältere Exegese" zu "erklären" (vgl. u. Anm. 52). Daß sich indes, wie er (ebd.) meint, v. 31 nicht als Folgerung aus vv. 29-30 begreifen lasse, wird bei Beachtung jener Verbindung gerade nicht aufrechterhalten werden können.
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Die andere Frau
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den Gegnern, sondern um eine Art Platzanweisung36 im Nebeneinander der beiden charakterisierten Gemeinschaften: Paulus und seine Adressaten gehören auf die Seite der Freien! Bestätigt wird dieses (aufgrund des modifizierenden Zitates und seiner argumentativen Verwendung gewonnene) Resultat im übrigen noch durch zwei weitere Erwägungen. Die eine betrifft die Struktur unseres Abschnittes, die andere seinen Kontext. Hinsichtlich der Binnenstruktur kann ich mich kurz fassen, da ich einleitend u.a. auf die Gegenüberstellung zweier Frauen und die dabei befolgte Nachordnung der Freien hinwies. Schaut man genauer hin - und dazu hat vor allem 37 Gijs Bouwman 38 angeleitet - , so sieht man, daß dabei zwischen v. 25 und v. 26 gleichsam eine Symmetrieachse verläuft, ganz ähnlich wie zwischen den Medaillons des Freiburger Münsters. Ich veranschauliche die Ringkomposition durch eine Skizze, die einige Textmerkmale plakativ festhält 39 .
nicht wieder Knechtschaft!
unter dem Gesetz? der Sklavin
< der Freien
^ nach dem Fleisch' nach dem Geist \ Knechtscha 2 Bündnisse A HAGAR
4 29 ' /
nicht der Sklavin der Freien n a c 1 < em ' ' Fleisch nach dem Geist
_
/ Sinai V 4.24d,25a
4.26b,27
Verheißung & unsere Mutter / Unfruchtbare
jetziges Jerusalem / Knechtschaft V4.25b,c 4.26a V oberes Jerusalem/Freie
36
Vgl. K. Berger, 'Abraham in den paulinischen Hauptbriefen', MThZ 17 (1966) 47-89, 62, ferner o. (bei) Anm. 27-8,33,35, auch u. (bei) Anm. 43. (Da die "Brüder" in v. 31 angesprochen, auf ihren Status hin angesprochen werden, ist der umgekehrte Sachverhalt in v. 30 um so signifikanter, wie ihn Schlier, Galater, 227, treffend bezeichnet: "Es findet keine Anrede an die Gemeinde statt, die ja auch nicht durch Abraham, sondern durch Sara und Isaak typisch vorausgebildet ist" [vgl. dazu o. Anm. 24].) 37 Vgl. ferner etwa: G. Delling, 'oxoixfeio', ThWNTl (1964) 669; Lührmann, Galater, 79; Betz, Galaterbrief, 422; Longenecker, Galatiarts, 213. 38 Und zwar in dem o. Anm. 2 genannten Aufsatz, dort bes. 3144-5. Das Strukturtableau ebd., 3145, habe ich vor kurzem (Bachmann, Sünder, 131 [samt] Anm. 165) unter Hinzunahme von 5.1 (vgl. dazu u. Anm. 40) aufgegriffen und leicht modifiziert - wobei mir allerdings bei der Bezeichnung der Vers(teil)e Fehler unterliefen, die ich nun mit der sogleich folgenden Skizze korrigiere. 39 S. zu ihr die vorangehende Fußnote. Plakativ ist die Gegenüberstellung u.a. insofern, als in ihr einerseits bestimmte Textelemente (z.B. v. 24a) zumindest nicht in Schlagworte
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Antijudaismus im Galaterbrief?
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Was uns an diesem kleinen Struktur-Tableau im Augenblick interessieren soll, ist die Korrespondenz des Eingangs und des Ausgangs der Perikope 4 0 . Hier wie dort wird nämlich nicht eigentlich auf der Ebene des Schriftbeweises formu-1 liert, vielmehr seine Funktion bestimmt. Sie hat es nach 4.21 mit einem Bestreben der bekanntlich (5.2-3; vgl. 5.11 ;6.12-3,15, auch 2.3,7) beschneidungswilligen Adressaten zu tun, unter dem Gesetz (bitö v6|iov) zu sein, und dieses Bestreben weist Paulus in 5.1 nachdrücklich zurück 4 ': "Zur Freiheit hat euch Christus befreit; steht nun fest und seid nicht wieder durch ein Joch der Knechtschaft belastet!" Diese allein die Adressaten und nicht auch irgendwelche Gegner betreffende Aufforderung 4 2 ist also Zielpunkt des Schriftbeweises, und sie geht noch einen
umgesetzt werden und als bei diesem Transformationsprozeß andererseits die finite Verbform von v. 25c zu einem Substantiv wird. 40 Daß sie erst mit 5.1 und nicht schon mit (4.30 [vgl.dazu o. Anm. 30]bzw.)4.31 ende (vgl. o. Anm. 38), ist Minderheitsmeinung, die aber immerhin u.a. von den folgenden Autoren vertreten wird: Zahn, Galater, 244-5; R. Bring, Der Brief des Paulus an die Galater (Berlin/Hamburg, 1968) 203-4; F.F. Bruce, The Epistle of Paul to the Galatians (The New International Greek Testament Commentary; Exeter, 1982) 226; Haacker, Augapfel, 98; P. Stuhlmacher, 'Die Stellung Jesu und des Paulus zu Jerusalem. Versuch einer Erinnerung', ZJhK 86 (1989) 140-56, 152-3; Jankowski, Galater, bes. 96; Malan, Neotestamentica 26, 425-6,438-9; Perriman, EvQ 65, 29-32 (vgl.: Börse, Galater, 178; G.A. Kennedy, New Testament Interpretation through Rhetorical Criticism [SR; Chapel Hill/London, 1984] 150; Martyn, Faith, 164 Anm. 11). Für diese Sicht der Dinge läßt sich nicht nur die bereits angesprochene Ringkomposition, sondern, wie sogleich noch deutlich werden wird, auch der übergreifende Zusammenhang des Briefes geltend machen (vgl. dazu Bachmann, Sünder, bes. 105-7,111-2). 41 Kann schon inhaltlich kein Zweifel an einer Korrespondenz von 4.21 und 5.1 bestehen (schon sofern in 4.1-7 durch brcö vö^ov [vv. 4,5; vgl. vv. 2,3] auf den Status eines 5oüXo