Kulturtourismus in Tirol: Chancen und Widerstände in einer Alpenregion 9783839437865

In rural areas, cultural tourism is usually considered a driving force of socio-economic improvement. But what potential

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German Pages 236 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Ausgangslagen für Kulturtourismus in Tirol
Kulturtourismus als Denkfigur
Historische Berührungspunkte und Wegscheiden
Politische Rahmenbedingungen für Imagebildung und Identitätsangebote
Diskursverhältnisse in Tirol
Erinnerungskultur und Interkultur in der jüngeren (kultur-)politischen Praxis in Tirol
Fallstudien: Narrative und Räume am Beispiel des Tirol Panoramas und des Gedächtnisspeichers Ötztal
Kulturtourismus in Tirol
Fazit
Abkürzungsverzeichnis
Literatur
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Kulturtourismus in Tirol: Chancen und Widerstände in einer Alpenregion
 9783839437865

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Verena Teissl, Klaus Seltenheim Kulturtourismus in Tirol

Verena Teissl ist Professorin für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement im Studiengang Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement an der FH Kufstein Tirol und stellvertretende Vorsitzende des Fachverbandes Kulturmanagement. Sie hat langjährige Erfahrung als Kulturmanagerin im Festivalbetrieb, u.a. war sie Mitbegründerin des Internationalen Film Festival Innsbruck und Projektleiterin bei der Viennale – Vienna International Film Festival. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Festival Studies und Kulturbetriebsforschung. Klaus Seltenheim absolvierte den Masterstudiengang Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement an der FH Kufstein Tirol. Er arbeitete u.a. an der Evaluierung des Kulturfördertopfes stadt_potenziale der Stadt Innsbruck mit.

Verena Teissl, Klaus Seltenheim

Kulturtourismus in Tirol Chancen und Widerstände in einer Alpenregion

Die Forschung wurde unterstützt vom Tiroler Wissenschaftsfonds, die Publikation vom Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Kultur), Tirol Werbung, Fachhochschule Kufstein Tirol, Tourismusverband Innsbruck und seine Feriendörfer, Grüne Wirtschaft und Stadt Innsbruck (Kulturamt).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Esther Pirchner Satz: Jessica Ölz Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3786-1 PDF-ISBN 978-3-8394-3786-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort | 7 Ausgangslagen für Kulturtourismus in Tirol | 11

Betrachtungsfelder und Forschungsinteresse | 13 Kulturtourismus aus kulturmanagerialer Perspektive | 21 Verortung im Kontext Tirols | 27 Die touristische Raum- und Authentizitätskonstruktion | 35 Kulturorganisationen und KünstlerInnen (auf dem Land) | 39 Kulturtourismus als Denkfigur Kulturelle Nachhaltigkeit und Entwicklung als gesellschaftspolitische Kontexte | 47

ULRICH FUCHS – Exkurs: Kulturhauptstadt Europas – eine Herausforderung für Tourismus und Kultur | 51 Alternativangebote und Erinnerungskultur als Herausforderer alpin semantisierter Imagebildung | 67



Historische Berührungspunkte und Wegscheiden | 73

Nationalsozialistische Instrumentalisierung | 77 Kulturtouristische Ansätze im Tiroler Tourismus nach dem Zweiten Weltkrieg | 84



Politische Rahmenbedingungen für Imagebildung und Identitätsangebote | 89

Zur Rolle von Kultur in der österreichischen Tourismuspolitik | 90 Zur Rolle von Tourismus in der österreichischen Kulturpolitik | 97 Diskursverhältnisse | 105



Diskursverhältnisse in Tirol Standortkampagnen und Rolle der Tourismusverbände | 111

Die Kampagne „kultur.tirol“ | 112 Sight-_Seeing | 117 Die Rolle der Tourismusverbände | 120

Erinnerungskultur und Interkultur in der jüngeren (kultur-)politischen Praxis in Tirol | 125



Fallstudien: Narrative und Räume am Beispiel des Tirol Panoramas und des Gedächtnisspeichers Ötztal | 135

Das Tirol Panorama in Innsbruck | 139 Der Gedächtnisspeicher Ötztal in Längenfeld | 154



Kulturtourismus in Tirol Eine empirische Bestandsaufnahme | 173

Kulturtourismus im Gespräch: Interpretationen aus den Interviews | 175 Kulturschaffende über Kultur, Tourismus und Misstrauen | 193 Aussagen aus der sozialen Netzwerkanalyse | 195 Kultur- als Gesellschaftspolitik im touristischen Tirol? | 199



Fazit | 203 Abkürzungsverzeichnis | 209 Literatur | 213

Vorwort

Tirol ist bekannt als eine erfolgreiche Alpin-Tourismusregion und verfügt zugleich über eine beachtliche Bandbreite an kulturellen Angeboten. Es existieren international renommierte sowie kleinere Festivals, gut besuchte Jahresbetriebe sowie eine äußerst lebendige, innovative KulturinitiativenSzene. Dennoch gibt es kaum etwas, was man in Zusammenhang mit diesen Kulturangeboten als „Kulturtourismus“ bezeichnen könnte: Weder fließen sie in die Markenbildung Tirols ein noch gibt es ein umfassendes Bemühen seitens der Kulturschaffenden, auch Gäste anzusprechen. Die Ausnahmen bestätigen dabei die Regel: etwa die Tiroler Festspiele Erl, deren Publikum sowohl aus den direkten österreichischen und deutschen Einzugsgebieten als auch von weiter her anreist. Das Festival der zeitgenössischen Musik Klangspuren Schwaz hat sich mit seinen innovativen Formaten mittels Mundpropaganda einen Ruf bei deutschen UrlauberInnen erarbeitet. Für das exklusive Programm des Osterfestivals Tirol in Innsbruck und Hall reisen Gäste aus dem Einzugsgebiet und zu Aufführungen im Rahmen von artacts in St. Johann sogar Interessierte aus Übersee an. Auch einzelne wettbewerbsschwächere Gemeinden nützen bestehende Ausstellungsorte wie Schloss Landeck oder gründen Museen wie in Galtür. Trotz des tragischen Anlasses – eine der größten Lawinenkatastrophen in der österreichischen Geschichte, bei der 38 Tote zu beklagen waren – entstand mit dem Alpinarium ein innovativ gestalteter Ausstellungsort zur sozioökonomischen und touristischen Geschichte der Gemeinde, der 2007 mit dem Europäischen Museumspreis ausgezeichnet wurde. Und auch der für die Landeshauptstadt Innsbruck zuständige Tourismusverband inkludiert seit mehreren Jahren Musikfestivals und Architektur in seine Markenbildung, um Innsbruck mit einem alpin-urbanen Image zu versehen. Dennoch:

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Kulturtourismus findet sich weder in der tirolweiten touristischen Strategie wieder noch fließt er in die rege Tiroler Tourismusforschung ein, die jüngst mit einem eigenen Fonds aufgewertet wurde. Abermals bestätigt die Ausnahme die Regel: Lukas Siller hat mit fundierten theoretischen und empirischen Studien den Wettbewerbsvorteil von alpinen Destinationen durch die Integration von Kulturangeboten auf und auch abseits der monetären Ebene herausgestrichen. Für den geringen Stellenwert von Kulturtourismus in Tirol gibt es natürlich Gründe: Dazu zählen nicht nur das bestimmende Landschaftsmerkmal Alpen und die Sportangebote, sondern auch die strategische Entscheidung, den touristischen Raum mit volkskulturellen Bezügen aufzuladen. Damit sind entscheidende Weichen gestellt, die das Image und die touristische Erwartung prägen. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive führte dies zum zentralen Forschungsinteresse der vorliegenden Studie: Begreift man Kulturtourismus als Denkfigur für gesellschaftliche Entwicklung und kulturelle Nachhaltigkeit, lassen sich Fragen danach stellen, wie sich das Image und die Identität einer Region zueinander verhalten, wie sich dieses Verhältnis durch Ein- und Ausschließungen von Kulturangeboten im touristischen Raum abbildet und welche Effekte ein ergänzender Kulturtourismus unter Berücksichtigung von bestehenden und zu entwickelnden Kulturangeboten in Tirol haben könnte – ergänzend, weil das prägende Landschaftsmerkmal unbestritten die Alpen bleiben. Diese Fragen werden in den nachfolgenden Ausführungen mit der Entwicklung der Tourismusund Kulturangebotslandschaft in der jüngeren Tiroler Geschichte und der Analyse von tourismus- und kulturpolitischen Rahmenbedingungen kontextualisiert. Dafür gab es wiederum einen Leitgedanken und eine Vision: Der Leitgedanke folgte der Beziehungsanalyse zwischen Tourismus- und Kultureinrichtungen vor dem Hintergrund eines Kooperationsgedankens, der über finanzielle und werbetechnische Unterstützung hinausgeht und gemeinsame Ziele verfolgt. Die Vision sieht diese Ziele in kultureller Nachhaltigkeit und Entwicklung und stützt sich auf die gesellschaftspolitischen Konsequenzen, die sowohl Tourismus- als auch Kulturorganisationen in ihrem Handeln auslösen: Auch wenn sie unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, sind beide meinungsbildende und diskursstiftende Institutionen. Um sowohl den Leitgedanken als auch die Vision in einem außertirolischen Kontext zu verdeutlichen und die immanente Kraft von Kulturtou-

V ORWORT | 9

rismus als eigenständiges Konzept zu veranschaulichen, verfasste Ulrich Fuchs, Experte für Europäische Kulturhauptstädte, einen Beitrag über kulturelle Entwicklung durch die Kulturhauptstadt Europas, insbesondere am Beispiel Linz09. In diesem Exkurs wird aufgezeigt, dass Kulturtourismus eine transformatorische Kraft für gesellschaftspolitische Fragestellungen innewohnt, durch die selbst schwierige Themen zugänglich gemacht werden können. In Linz gelangen etwa außergewöhnliche, erfolgreiche und nachhaltige Projekte zur Erinnerungskultur bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit. Dieses Themenfeld spielt auch in der vorliegenden Studie zu Tirol eine Rolle, nicht zuletzt, weil Anlassfälle in den vergangenen Jahren zu neuen kulturpolitischen Richtlinien des Landes Tirol führten: Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Tirol und der Erkenntnistransfer in die kulturelle Praxis von Institutionen sollen dadurch gestärkt werden. Ein Kernthema ist die ideologische Instrumentalisierung von Brauchtum während des Nationalsozialismus, das durch die volkskulturelle Semantifizierung des touristischen Raums einen herausfordernden Anknüpfungspunkt für die vorliegende Auseinandersetzung darstellt. Neben diesem zeitgeschichtlichen Aspekt, der Fragen der kollektiven Identitätsgestaltung berührt, ist für den Kontext „ländlich alpiner Raum“ die Fragestellung relevant, inwiefern ein volkskulturell orientiertes Narrativ dem Identitätspluralismus der digitalen und globalen Gegenwart standhält. Die zahlreichen zeitgenössischen Kulturangebote in Tirol setzen diesem Narrativ eine pluralistische und in mancherlei Hinsicht wohl zeitgemäßere Authentizitätsverhaftung entgegen. Ihre Inklusion kann die Annäherung aus Image und Identität befördern, so die These. Die vielleicht kühne Weitläufigkeit des Betrachtungsradius erwies sich für den Erkenntnisgewinn manchmal als sehr herausfordernd, zielführend aber darin, Kontexte und Verhältnisse aus unterschiedlichen Perspektiven neu zu denken. Dies stützt sich auf den Ansatz der Cultural Studies, durch eine breite Kontextualisierung tiefer liegende Strukturen und Denkweisen freizulegen (Marchart 2008). Nach der Eingrenzung der Betrachtungsfelder und der Darstellung zentraler Begriffe werden im theoretischen Teil diverse historische Bezüge sowie exemplarisch die Rolle von Kultur in der Tourismuspolitik und die Rolle von Tourismus in der Kulturpolitik beleuchtet. Dazu wurden zahlreiche kulturmanageriale und -wissenschaftliche Werke und Studien, aber auch Gesetzestexte, Selbstdarstellungskanäle wie

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Websites sowie Pressemitteilungen verwendet. Als wegweisend und inspirierend erwiesen sich die kulturtouristischen Studien zu Alpindestinationen von Lukas Siller (Siller/Matzler 2011; Siller 2010), die Diskurs- und Dispositivanalyse nach Michel Foucault (1994; 1992), die touristische Raumkonstruktion nach Karlheinz Wöhler (2011; 2010) sowie Werke zur Erinnerungs- und Gedenkkultur (Allmeier et al. 2016; Assmann 2010; 2006). Zwei Fallstudien dienen zur Veranschaulichung von dispositiven Strukturen, also den ihnen innewohnenden Aussagen zum Verhältnis zwischen Image und Identität, rückgeführt auf politische Einflussfaktoren, touristische und kulturelle Praxis: das Tirol Panorama in Innsbruck und der Gedächtnisspeicher Ötztal im Längenfelder Ortsteil Lehn. ExpertInnenInterviews mit VertreterInnen aus Tourismus und Kultur unterstützen den Erkenntnisgewinn und eine soziale Netzwerkanalyse bietet Einblicke in Strukturen der Zusammenarbeit. Die Forschungsarbeit wurde vom Tiroler Wissenschaftsfonds unterstützt, die soziale Netzwerkanalyse fand als studentisches Projekt an der FH Kufstein Tirol unter der Leitung von Prof. (FH) Dr. Claudia Stura im Wintersemester 2015/16 statt und wurde von Klaus Seltenheim, Verena Nowak, Michaela Hauß und Susanna Christiane Wiesner durchgeführt. Teilergebnisse der Netzwerkanalyse wurden im Rahmen des 10. Forschungsforums der österreichischen Fachhochschulen am bfi Wien im März 2016 präsentiert und als Paper veröffentlicht (Teissl/Stura/ Seltenheim 2016). Unser persönlicher Dank für intensiven Austausch, wertvolle Hinweise und mannigfaltige Unterstützung gilt Vera Allmanritter, Katja Drews, Ingeborg Erhart, Franz Fischler, Patrick S. Föhl, Christine Gamper, Adrian Halasz, Franz-Stefan John, Mariella Klement-Kapeller, Johannes Köck, Elisabeth Kröll, Yvonne Pröbstle, Robert Simmerle, Helene Schnitzer, Andrea Sommerauer, Johannes Spies, Esther Strauß und Franz Wassermann. Viele anregende Ideen zum Thema Kulturtourismus verdankt Ulrich Fuchs, Verfasser des Exkurses, außerdem dem Tourismusdirektor der Stadt Linz, Georg Steiner.

Ausgangslagen für Kulturtourismus in Tirol

Nach Greg Richards (2007; 2005; 2003) und Albrecht Steinecke (2007) zählt Kulturtourismus zu den wachstumsintensiven Aktivitäten von TouristInnen und wird deshalb von zahlreichen Einrichtungen empirisch beforscht. „The World Tourism Organisation, for example, asserted that cultural tourism accounted for 37 % of global tourism, and forecast that it would grow at a rate of 15 % per year.“ (Zit. in Richards 2003: 1) Die Forschung wird indes durch die umfassenden kulturtouristischen Möglichkeiten und die daraus folgende Frage erschwert, welche Aktivitäten zu Kulturtourismus zählen, wie der Begriff also zu definieren und unter welchen Aspekten er zu beleuchten ist. (Ebd.) Für die vorliegende Arbeit wird Kulturtourismus auf die Angebote von Kulturorganisationen, insbesondere jenen mit zeitgenössischen und alternativen Angeboten in privatrechtlichgemeinnütziger Trägerschaft, eingeschränkt und unter dem Aspekt untersucht, inwiefern kooperative Beziehungen zwischen diesen öffentlich geförderten Kulturanbietern und staatlichen Tourismuseinrichtungen auf Image und Identitätsangebote einwirken können. Unter Heranziehung kulturwissenschaftlicher Theorien werden die Wirkungen gesellschaftspolitisch kontextualisiert. Sowohl Tourismusinstitutionen als auch Kulturorganisationen werden als Einrichtungen verstanden, die unter bestimmten Zielvorgaben an der Semantisierung von Räumen beteiligt sind: Sie bewirken darin Rückkoppelungen auf das Bewusstsein gegenüber diesen Räumen in ihrer (Kultur-)Geschichte und Gegenwart. Während Ansprüche auf kulturelle und ästhetische Bildung, kritisches Reflexionsvermögen, Empowerment von Minderheiten sowie gesamtgesellschaftliche Repräsentation grundlegende Aufgaben für Kulturorganisationen darstellen, deren Erfüllung von diesen erwartet und kulturpolitisch verankert wird, gilt

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Tourismus als hauptsächlich ökonomisch orientierte Materie. Die Spannungen, die aus diesem Antagonismus entstehen, werden aus unterschiedlichen Perspektiven im Laufe der Arbeit analysiert und diskutiert.

Der zentrale, den Text begleitende Gedanke ist jedoch das verbindende Element der gesellschaftlichen Wirkungspotenziale von Tourismus- und Kulturorganisationen. Dieser Grundsatz dient als Inspiration und Fundament für die Denkfigur Kulturtourismus, der eine kulturelle Nachhaltigkeit als Fundament zugrunde gelegt wird. Nicht zuletzt liegt der Aufwertung von Tourismuspolitik in Österreich in den vergangenen Jahren die Idee zugrunde, dass die Freizeitwirtschaft neben ihren ökonomischen auch ökologische sowie soziale Auswirkungen und diesbezügliche Verantwortungen innehat (Zimmermann/Gamper 2012b). Kulturelle Nachhaltigkeit als Konzept, das auf die Konsolidierung besonders der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit durch institutionell begleiteten Wertewandel abzielt, wird im Kulturmanagementdiskurs zunehmend theoretisch untermauert (Mandel 2012; Föhl et al. 2011; Kagan/Kirchberg 2008). In der kulturellen Praxis zeigt die Kulturhauptstadt Europas (ECoC), wie kulturelle Nachhaltigkeit konzeptuelle Verankerung erfahren kann1, und dient deshalb als Inspiration und Referenz. Eine Bezugnahme auf Nachhaltigkeitsdenken findet sich auch in den Aufgabenstellungen der Tiroler Tourismusverbände (TVBs) zur „Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen und regionalen Belange des Tourismus unter Bedachtnahme auf seine ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen und ökologischen Auswirkungen“. (Tiroler Tourismusgesetz) Aus diesen losen Fäden soll ein Netz geknüpft werden, um den Fragen nach den Chancen für und den Widerständen gegen Kooperationen nachzugehen. In Österreich und im Speziellen in Tirol ist die Ausgangslage für kooperativen Kulturtourismus dabei durch eine Beziehungslage, die als Parallelwelt bezeichnet werden kann, herausfordernd – und zugleich vielversprechend für neue Zugänge und Denkmuster im großen Themenkomplex Kulturtourismus. Im Folgenden werden die berücksichtig-

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„Stadt und Bürger: Dieses Kriterium soll die Städte außerdem ermutigen, ein Programm mit nachhaltigen Auswirkungen zu entwerfen, d.h. ein Programm, das sich auf die langfristige Entwicklung der Stadt auswirkt.“ (Europäische Kommission 2014)

A USGANGSLAGEN FÜR K ULTURTOURISMUS IN T IROL | 13

ten Akteure genannt, deren geschichtliche Entwicklung nachgezeichnet, die kulturmanagerialen Forschungszugänge zu Kulturtourismus erläutert und die Ausgangslage in Tirol vorgestellt.

B ETRACHTUNGSFELDER UND F ORSCHUNGSINTERESSE Die vorliegende Studie ist von folgenden Begrenzungen und Definitionen, Ansätzen und Motiven geleitet: Das Forschungsfeld beschränkt sich auf die Angebote von öffentlich geförderten Kulturbetrieben, insbesondere von Kulturinitiativen. Baukulturelles Erbe, Architektur sowie die Programme von volkskulturellen Vereinen, der Traditions- und Amateurkultur werden nicht berücksichtigt, obwohl die Thematik Volkskultur aufgrund ihres Stellenwertes für die Semantisierung und Kulturalisierung (Wöhler 2011) der Alpindestination Tirol eine Rolle spielen wird. Im Tourismusfeld werden die Marketingeinrichtungen und Tourismusverbände in die Betrachtung einbezogen. Das Forschungsinteresse konzentriert sich auf die Ermöglichung eines ergänzenden Kulturtourismus für den Tourismusraum Tirol: Mit welchen Potenzialen kann dieser gedacht werden und mit welchen Widerständen ist er konfrontiert? Kulturbetriebe2 sind im kulturmanagerialen Verständnis Einrichtungen, deren Aufgaben kulturpolitisch verankert und in der Regel an den Auftrag kultureller Bildung und breitestmöglicher Teilhabe gebunden sind. In der überwiegend aus Deutschland stammenden Fachliteratur zu Kulturmanagement wird unter diesem Verständnis zumeist auf hochkulturelle, öffentlich-rechtliche Kulturbetriebe referiert (vgl. Hausmann 2011; zu den Differenzen s.a. Teissl 2015).3 Sogenannte Popularkulturangebote und auch

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Was sie präsentieren, wird als Kunst wahrgenommen, so die pragmatische Definition von Werner Heinrichs (2006), der in „Der Kulturbetrieb“ die Entwicklung und Institutionalisierung der Spartenbetriebe Film, Theater, Musik, bildende Kunst und Literatur darstellt.

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Die Schwerpunktsetzungen kulturmanagerialer Literatur aus Österreich umfassen die Kulturbetriebslehre (Zembylas 2006; 2004), österreichische Kulturpoli-

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Festivals4 werden als „kulturnahe“ Angebote weniger oder in Zusammenhang mit der Kreativwirtschaft beforscht, während Kulturinitiativen als Soziokultur definiert und als Einrichtungen für kulturelle Bildung, Jugendkultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt verstanden werden (vgl. exemplarisch Blumenreich 2016). In Österreich entstanden Kulturinitiativen vereinzelt ab den 1950er-Jahren, insbesondere aber in den 1970er-, 1980erund 1990er-Jahren (Teissl 2015; Bernard 1995; Vesely 1993) und veränderten und modernisierten als privatrechtlich-gemeinnützige, zugleich öffentlich geförderte Einrichtungen die Angebotslandschaft grundlegend. Sie offerieren prozesshafte und partizipative Angebote sowie Programme zeitgenössischer Kunst (ebd.; Dreschke 2014), ihre Programmpolitik ist von der Lust am Experimentellen, von gesellschaftskritischen und kulturvermittelnden Positionen geleitet. Wo sie in ländlichen Regionen existieren, werden sie als „kulturelle Nahversorger“ bezeichnet, da sie oft die einzigen Anbieter zeitgenössischer Kunst und alternativer Kulturzugänge neben den Traditionsvereinen sind. Kulturinitiativen werden öffentlich gefördert, allerdings als Nischenanbieter. Zur Stärkung ihrer sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen organisieren sie sich seit Mitte der 1980er-Jahre in Dachverbänden und Interessengemeinschaften (Teissl 2015; Rögl 1998; Bernard 1995). Dass sie auch als Produzenten von „Sub-“ und „Gegenkultur“ bezeichnet werden, verweist auf Wahrnehmungsverhältnisse gegenüber anderen dominanten und repräsentativen Kulturangeboten, aber auch auf ihre systemische Rolle, produktive künstlerische und thematische Alternativdiskurse zu stiften. Sie stellen damit Spannungsverhältnisse her, was etwa im Kontext des zweiten Kulturentwicklungsplans für Linz (bekannt als „KEP neu“) im positiven Sinne als „wichtig für die kulturelle Entwicklung der Stadt“ angesehen wurde (Philipp/Stieber 2011: 45). Mit ihren prozessorientierten und zeitgenössischen Inhalten öffnen Kulturinitiativen gesellschaftskritische Räume und lösen damit auch Dynamiken aus, die, besonders auf dem Land, neben der ästhetischen immer auch eine soziale Komponente erfahren. „Der Erfolg oder Misserfolg von Kulturinitiati-

tik (Konrad 2011; Wimmer 2011; Knapp 2005) und die freie Szene (Bernard 1995). 4

Die intensive Entwicklung von Festivals aller Sparten seit den 1980er-Jahren führte dazu, dass sie als eigenes Format Aufnahme in die Theorienbildung und Betrachtung des Kulturbetriebs fanden. (Vgl. Klaic 2014; Teissl 2013)

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ven ist in hohem Maße vom sozialen Umfeld und der daraus entstehenden Akzeptanz oder Ablehnung abhängig.“ (Dreschke 2014: 23) Im vorliegenden Zusammenhang ist diese Dynamik ein wichtiger Faktor für das Spannungsfeld aus Image und Identitäten, denn es prägt das Verhältnis zwischen Kulturorganisationen und (kultur-)politischen sowie touristischen EntscheidungsträgerInnen mit. Relevanten Stellenwert haben die Trägerschaften, weil sie mit unterschiedlichen politisch determinierten Zielvorgaben, Rahmenbedingungen und Programmpolitiken verknüpft sind. Bei den beiden Trägerschaften, aus denen der öffentlich geförderte Kulturbetrieb in Österreich besteht, ist eine Verteilung von Finanzmitteln5 und repräsentativer Aufmerksamkeit zugunsten der öffentlich-rechtlichen zu beobachten. Mit der Fokussierung auf privatrechtlich-gemeinnützige Kulturinitiativen soll deren Bedeutung für zeitgemäße Angebote beleuchtet werden, die, im Falle des Tiroler Kulturtourismus, nicht nur in der potenziellen Alternative zu Folklore und Hochkultur besteht, sondern auch in ihrem Entwicklungspotenzial für kulturelle Nachhaltigkeit. In Tirol sind 132 Kulturinitiativen Mitglied beim Dachverband Tiroler Kulturinitiativen/IG Kultur Tirol (TKI 2016), die lokale, regionale und überregionale zeitgenössische Programme und Festivals ausrichten; das Spektrum reicht von kleinen Initiativen bis zu international renommierten Festivals. 2012 erarbeitete die TKI im Auftrag des Landes Tirol ein Konzept zur Stärkung der regionalen Kulturarbeit, in dem „schlaglichtartig die sozial-, kultur- und wirtschaftspolitischen Aspekte“ zeitgenössischer Kulturarbeit auf dem Land analysiert wurden. Es folgte ein tirolweites Austauschtreffen mit BürgermeisterInnen. Doch bis heute sind Kulturinitiativen am meisten vom Ausschluss aus dem touristischen Angebot betroffen – und suchen zugleich nicht nach einer Inklusion in dieses. Die tourismusbetrieblichen Betrachtungsfelder werden eingegrenzt auf die Funktionen und Tätigkeiten der Österreich Werbung, der BundesländerMarketinginstitution Tirol Werbung sowie der Tourismusverbände als Gebietskörperschaften öffentlichen Rechts. Sie unterliegen dem direkten

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Beide sind in unterschiedlicher Ausprägung mit kulturpolitischen Zielen verknüpft: die öffentlich-rechtlichen Trägerschaften direkt durch den Bildungsauftrag, die privatrechtlich-gemeinnützigen indirekt durch die Gemeinnützigkeit. Aber auch in den Förderrichtlinien drücken sich kulturpolitische Ziele für den alternativen Sektor aus.

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Einfluss der Tourismuspolitik, wobei Tourismus ebenso wie Kultur durch den österreichischen Föderalismus als Länderhoheit gilt. Indem die Marketinginstitutionen auf Bundes- und Länderebene für Marktforschung und Markenmanagement, die TVBs auf regionaler und lokaler Ebene für das Destinationsmanagement verantwortlich sind, firmieren sie als EntscheidungsträgerInnen auch für die Existenzformen von Kulturtourismus. Obschon die Vertretungseinrichtungen der Hoteliers und Bergbahnbetreiber ebenfalls äußerst einflussreiche Akteure des „Tourismuskomplexes“ – nach Wöhler die Gesamtheit von Einrichtungen und Akteuren, die am Tourismus beteiligt sind – darstellen, werden sie im vorliegenden Kontext nicht berücksichtigt, weil dies den Rahmen sprengen würde.6 Der Kulturbegriff unterscheidet sich im tourismuswirtschaftlichen und im kulturmanagerialen Verständnis. Bei Letzterem stehen Fragen der hochkulturellen Kunstpräsentation im engeren und kulturelle Prozesse im erweiterten Sinne im Mittelpunkt, wie sie Kulturinitiativen mit gesellschaftsbezogenen, popularkulturellen, künstlerischen und kulturvermittelnden Angeboten in Gang setzen. Im Tourismus herrscht hingegen ein weiter Kulturbegriff vor, er umfasst in der Marktforschung ebenso wie im Bewerbungskonzept (Hoch-)Kulturbetriebe und Sehenswürdigkeiten, aber auch alltagskulturelle Tätigkeiten wie Flanieren, Kulinarik oder Naturerlebnisse (vgl. Österreich Werbung 2013). In dieser Vielfalt finden alternative Kulturanbieter keine oder äußerst geringe Berücksichtigung. Das Kunstverständnis im engeren Sinne oszilliert in der touristischen Praxis zwischen Volks-, Massen- und Hochkultur und folgt oft einem „landläufigen“ Verständnis, wie sich auch aus den Interviews ergab. Diese unterschiedlichen Kulturbegriffe und ihre Konsequenzen für Kulturtourismus werden im Laufe der Arbeit diskutiert. Wesentlich dafür ist wiederum das Beziehungsverhältnis zwischen Tourismus- und Kulturorganisationen und wie sich dieses durch die Ein- oder Ausschließung von Kulturangeboten beschreiben lässt. Mit diesem Vorhaben wird an das politische Projekt der Cultural Studies angeschlossen, dessen Grundansatz der Frage nachgeht, wie welche Politik

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Auf die zum Teil innovative Tätigkeit einzelner Hoteliers und Bergbahnbetreiber für Kulturtourismus wird hier dennoch exemplarisch verwiesen: So baute der Hotelier Florian Werner die Kunst- und Konzerthalle arlberg1800 in St. Christoph am Arlberg oder bieten die Mayrhofner Bergbahnen Kunst im öffentlichen Raum inklusive Rahmenveranstaltungen.

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durch Kultur gemacht wird (Marchart 2008). Die Triade aus Macht, Kultur und Identität wird im Ansatz der Cultural Studies durch Analysen von politischen Kontexten und gesellschaftlichen Folgen sichtbar gemacht (ebd.). Im vorliegenden Fall wird das Spannungsfeld aus Image und Identität für Kulturtourismus in den Mittelpunkt gestellt. Ausgehend von der folkloristischen Semantisierung des Tourismusraums sind verschiedene Angebotscluster bezüglich dieses Spannungsfeldes voneinander zu unterscheiden: internationale, zeitgenössische inklusive alternativer Zugänge zur Regionalgeschichte und Volkskultur sowie die Erinnerungskultur in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit. Diese Cluster sind vor dem Hintergrund des Beziehungsverhältnisses bzw. der Kooperationsmöglichkeiten zu betrachten. Dazu wird die These aufgestellt, dass diese Angebote derzeit mehrheitlich als Minderheiten- und Nischenthemen in der touristischen Vermittlung geführt werden und nicht in das Destinationsmanagement integriert sind. Auf welche Einflussfaktoren dies zurückgeht, wird kulturund diskurstheoretisch analysiert und die Vorteile einer strategischen Einbindung von Kulturangeboten reflektiert. Für die empirische Erforschung wurden zum besseren Verständnis der Ausgangslagen und Erwartungen ExpertInnen-Interviews und eine soziale Netzwerkanalyse durchgeführt. Der untersuchte Raum, Tirol, stellt als Bundesland ein staatlich definiertes Territorium dar, innerhalb dessen die Landeshauptstadt Innsbruck mit 130.000 EinwohnerInnen das städtische Zentrum bildet. Bestimmt von der alpinen Topografie ist die Region außerhalb Innsbrucks von Tälern zum einen, von „rurbanen“ Siedlungstypen zum anderen geprägt. Auf diese Definition griffen die AutorInnen des im Auftrag des Landes Tirol erstellten „Konzeptpapiers zur Stärkung regionaler Kulturarbeit“ (2012) zurück: „Teilweise verschwimmen die Konturen zwischen Stadt und Land und zusätzlich zum städtischen und ländlichen Siedlungstyp hat sich ein dritter – gewissermaßen ein Übergangstyp – entwickelt. Die österreichische Soziologin Gerlind Weber bezeichnet diesen Typ als ‚rurbanen‘ Siedlungstyp. ‚Kleinststädte‘ (wie in Tirol beispielsweise Schwaz, Wattens oder Lienz) und Verbindungszonen zwischen Städten (wie etwa zwischen Innsbruck und Hall in Tirol) bzw. ‚Speckgürtel‘ sind diesem rurbanen Siedlungstyp zuzurechnen.“ (TKI 2012: 5)

Die im Kulturtourismus verwendeten Unterscheidungen zwischen Stadt und Land bringen für den Mikrokosmos Tirol eine definitorische Heraus-

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forderung mit sich, weil Innsbruck zwar Stadt, aber nicht Großstadt ist und seine Urbanität, dem touristischen Imperativ folgend, auch auf das alpine Landschaftsmerkmal bezogen wird. Angestrebt wird vom TVB eine „alpinurbane“ Positionierung, aktuell mit dem Fokus Architektur und Musikfestivals unterschiedlicher Genres. Der „ländliche Raum“ selbst erfährt unterschiedliche Definitionen. Für die EU sind u.a. Bevölkerungsdichte und Sozioökonomie relevant, aber auch der Landschaftsbegriff: „Der ländliche Raum kann auch mit dem Landschaftsbegriff verbunden werden. Ein solcher Ansatz ist nicht möglich, ohne auf die Funktionen zu verweisen, wie z.B. Wohnen und Fremdenverkehr, die ‚die Landschaft‘ neben der Funktion der landwirtschaftlichen Erzeugung hat.“ (Europäische Kommission 2015)

Außerdem könne der ländliche Raum „mittelfristig zu einem bevorzugten Raum werden, in dem die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen neben ihrer Arbeit ihr eigenes Wertesystem in bezug auf bevorzugte Freizeitaktivitäten, Konsumverhalten, kulturelle Vorlieben usw. entwickeln“ (ebd.). Indem das prägende Landschaftsmerkmal, die Alpen, die Angebote des Tiroler Tourismus charakterisiert, gewährleistet dieser in seiner starken Präsenz durchaus eine Klammer aus wirtschaftlichen, sozioökonomischen und auch soziokulturellen Gemeinsamkeiten. Die touristische und die kulturelle Praxis zeigen dabei ein heterogenes Bild aus Regionen mit gewachsenem Intensivtourismus zum einen und kulturell aktiven (Mikro-)Zentren zum anderen. Ein Zusammenhang, so eine weitere These, zwischen kulturell und touristisch aktiven Regionen existiert nicht. Wo sie lokal zusammentreffen, geht dies, mit der Ausnahme von Innsbruck, auf Einzelinitiativen zurück, nicht aber auf eine strategische Vorgangsweise. Die Gestaltung des touristischen Raums Tirol wird schließlich von den Verbandsgrenzen der 34 Tourismusverbände beeinflusst, welche nicht nach topografischen oder soziokulturellen Gegebenheiten, sondern nach Nächtigungszahlen geschaffen wurden.7 Die Kooperationskultur wird von dieser kleinteiligen Destinationsstruktur wettbewerbsorientiert beeinflusst und die Zusammenarbeit mit nicht touristischen Einrichtungen mitunter von der Tatsache erschwert,

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2011 wurden die bis dahin bestehenden 254 TVBs fusioniert und damit die Verbandsgrenzen neu gezogen.

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dass ländliche Gemeinden über „geringe Managementstrukturen und Governance-Wissen“ verfügen (Dax et al. 2008: 46). Zur weiteren theoriegestützten Erschließung des Tiroler Raumverständnisses sind kulturwissenschaftliche Raumkonzepte sowie ein Netzwerkverständnis der touristischen Dienstleistungsproduktion dienlich. Unter Kooperation wird in der vorliegenden Arbeit ein Konzept des Austausches verstanden, das von Diskurs- und Definitionshoheiten abrückt und ein methodisches Vorgehen auf Basis eines gemeinsamen Wollens meint (vgl. Föhl 2011: 119; Föhl/Neisener 2009). Dies setzt wiederum ein gemeinsames Ziel und/oder einen beiderseitigen Nutzen voraus. In der Fachliteratur wird die Wirksamkeit von Kulturtourismus u.a. mit dem Begriff der „kulturtouristischen Potenziale“ verhandelt, von denen identifiziert sind: Aufenthaltsverlängerung insbesondere im Städtetourismus, Imagewandel oder -erweiterung der Destinationsmarke, Überbrückung von tourismusschwachen Perioden, Schlechtwetteralternativen im (alpinen) Tourismusmanagement sowie im Kulturmanagement die Gewinnung neuer Publika, die Aufwertung von Soziokultur, meist fallbezogen auf strukturschwache, verödende und/oder tourismusschwache Regionen sowie die Ermöglichung interkultureller Begegnungen und kultureller Bildung. Damit einher geht die Frage nach der Auswahl und Aufbereitung jener Angebote, die für die entsprechenden Erwartungen und Ziele geeignet scheinen. Bendix spricht bezüglich kultureller Angebote und Güter von einem Prozess der In-Wert-Setzung. Wenn dieser nicht nur unter ökonomischen, sondern auch unter sozialen und ideellen Zuschreibungen stattfindet, kann dadurch eine reine Kommodifizierung vermieden werden (Bendix 2013: 48 ff.). Dass der Ausprägungsgrad zwischen In-Wert-Setzung und Kommodifizierung relational zu den Formen von Kooperationen steht, lässt sich mit der Bedeutung von Netzwerken erklären, deren Hierarchie wiederum oft von den Geboten des Marktes ausgeht. (Siller 2010: 37 ff.) Das Verständnis der kulturtouristischen Potenziale ist für den Aufbau einer Kooperationskultur wesentlich, denn diese involvieren Ressourcen-, Verteilungs- und Definitionsfragen. Sie evozieren darin gemeinsame Ansprüche an Zielsetzungen auf politisch-strategischer Ebene, der inhaltlichen Aufbereitung und Vermittlung (In-Wert-Setzung) sowie der operativen Umsetzung. Vor der Frage nach der gemeinsamen Zielsetzung werden finanzielle und/oder werbetechnische Unterstützung von Kulturanbietern durch Tourismuseinrichtungen, denen keine strategische kulturtouristische

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Verankerung zugrunde liegt, nicht als Kooperation interpretiert; in solchen Fällen können die Handlungsmotive von der Freisetzung kulturtouristischer Potenziale abweichen, wie sich aus den ExpertInnen-Interviews ergab. Im vorliegenden Fall müssen kooperationsgeeignete kulturtouristische Potenziale überhaupt erst identifiziert werden sowie jene Motive, die einen kooperativen Kulturtourismus in Bewegung setzen könnten. Als Tourismusraum mit dem prägenden Landschaftsmerkmal Alpen kann Kulturtourismus am besten in Form eines Komplementärangebots gedacht werden, was aber zugleich nach einem integrativen und keinem additiven Denken verlangt (Pröbstle 2014; vgl. Siller 2010). Anknüpfend an die Studien von Lukas Siller (Siller/Matzler 2011; Siller 2010) werden die Chancen und Widerstände für die Möglichkeit betrachtet, kulturelle Nachhaltigkeit als gemeinsame Basis und strategische Grundlage für solche Potenziale zu verstehen. Dies führt zu einer Erweiterung des wirtschaftlichen Referenzrahmens um jenen von kulturellen Entwicklungen. Während Tourismus in einem ökonomischen Referenzrahmen stattfindet, in dem der Bereich Kunst und Kultur eine Ressource neben anderen darstellt, steht im Kulturmanagement die Kunst- und Kulturvermittlung im Vordergrund. In der kulturellen Praxis ergibt sich daraus eine höhere Notwendigkeit für differenzierte Definitionen von Kunst und Kultur nach ökonomischen, gesellschaftlichen, sozialen und ästhetischen Relationen. Durch die Ansprüche an Kunst und Kultur, als öffentliche und meritorische Güter den Wirkungsfeldern von kulturellen, emotionalen und erkenntnisgeleiteten Prozessen zu entsprechen, verschiebt sich der Blickwinkel hin zu einer umfassenderen, gesellschaftsbezogenen Betrachtung: Die Erkundung, wo und wie Kulturtourismus gesellschaftliche und soziale zeitgemäße Bewusstseinsbildungs- und Wandlungsprozesse am Beispiel einer erfolgreichen Alpindestination in Gang setzen kann, steht somit im Mittelpunkt der vorliegenden Studie. Gestützt wird dieser gesellschaftspolitische Ansatz durch den Diskurs des gestaltenden Kulturmanagementverständnisses (Hoppe/Heinze 2016; Lewinski-Reuter/ Lüddemann 2008).

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K ULTURTOURISMUS

AUS KULTURMANAGERIALER P ERSPEKTIVE Kulturtourismus verzeichnet laut Prognosen ein steigendes Interesse und erlebt auch als Forschungsgegenstand seit den 1990er-Jahren einen dynamischen Aufschwung (Pröbstle 2014; Mandel 2012; Hausmann/Murzik 2011; Steinecke 2007; Richards 2005; vgl. Haid 1996). Zu den Charakteristika dieses Forschungsgegenstandes zählen zum einen seine multiplen fachlichen und wissenschaftlichen Perspektivierungen: Kulturtourismus wird in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, im Destinationsmanagement, in der Tourismussoziologie und -psychologie ebenso beforscht wie in der Kulturwissenschaft und im Kulturmanagement. Eine grundlegende Unterscheidung ist das räumliche Differenzmodell „Stadt“ und „Land“. Doch auch solche Zuordnungen bedürfen einer fallbezogenen Kontextualisierung: Verschiedene Großstädte bieten unterschiedliche infrastrukturelle, wirtschaftliche, historische und politische Voraussetzungen. Dasselbe trifft auf ländliche Räume zu, die sich durch z.B. Landflucht, den Grad der Traditionsausprägung, Einflüsse aus Agrar- oder Industriewirtschaft, Landschaftsmerkmale – wie die Alpen – und darauf aufbauende touristische Imagebildungen stark voneinander unterscheiden und divergierende Voraussetzungen für Kulturtourismus mitbringen. In interdisziplinären Fachpublikationen zu Kulturtourismus stehen kulturtouristische Angebotskategorisierungen und daraus ableitbare Vermittlungsstrategien im Mittelpunkt (Dreyer 2012; Heinze 2008; vgl. Steinecke 2007). Zu den gängigen Unterteilungen zählen Objekt-Kulturtourismus (Besichtigungen historischer Stätten oder Kunstmuseen), EreignisKulturtourismus (Festivals und Folklore-Veranstaltungen), gastronomischer Kulturtourismus (etwa Weinleseteilnahme) sowie Gebiets- und Ensemble-Kulturtourismus, bei dem Dörfer und kulturlandschaftliche Sehenswürdigkeiten im Mittelpunkt stehen (Steinecke 2007: 7). Steinecke unterscheidet auch zwischen „kulturellen Relikten, Einrichtungen und Schauplätzen“, „Räumen als kulturtouristischen Attraktionen“ und Industrietourismus und verschränkt diese Kategorien mit jeweils unterschiedlichen Aufbereitungs- und Vermittlungsformen, etwa Studien- und Bildungsreisen. (Ebd.: 9 ff.) Die drei Ansätze, Kulturtourismus nachfrageorientiert, angebotsorientiert oder wertevermittelnd auszurichten, bergen zugleich eine politische

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Grundsatzentscheidung in sich; Yvonne Pröbstle fasst diese in der Frage „Als wer wollen wir uns darstellen?“ zusammen8, mit den Modellen von Siller (Siller/Matzler 2011; Siller 2010) lässt sich deren Beantwortung zugleich auf Kooperationsmodelle und darin eingelagerte Diskursverhältnisse zurückführen. Wie „KulturtouristInnen“ beschrieben werden können, ist ein grundlegendes Definitions- und Erfassungsproblem der kulturtouristischen Forschungsgebiete. Für die gängige Unterscheidung zwischen General Cultural Tourist, Specific Cultural Tourist und Zufallstourist wird die Intensität des Reisemotivs für die Destinationswahl als Kriterium herangezogen, was sodann Ansprache und Bewerbungsstrategie in einem sehr groben Raster gestaltbar macht9; nur für den Specific Cultural Tourist ergibt eine Bewerbung für z.B. den Anlass „Festival“ vor seiner Zielentscheidung Sinn. Für bereits anwesende TouristInnen wird im Kulturtourismus die Entwicklung angebotsorientierter Pakete empfohlen (vgl. Siller 2010: 107 ff., unter Bezug auf Silberberg). In der Kulturmanagementforschung erfährt das Thema Kulturtourismus in den vergangenen Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit und fand als zentrales Handlungsfeld jüngst auch Eingang in KulturmanagementEinführungen (Hoppe/Heinze 2016; Hausmann 2011). Im Zentrum stehen zum einen die Erkenntnisgenerierung für Marketing und Vermittlung mit dem Ziel einer Erhöhung der Publikumszahlen (Pröbstle 2014; Mandel 2012). Diese Konzentration ist in Zusammenhang mit der Überalterung von aktuellen KulturnutzerInnen sowie sinkenden oder stagnierenden Publikumszahlen zu sehen. Zum anderen ist dieser Fokus aber auch vom kulturbetrieblichen Bildungs- und Vermittlungsauftrag motiviert. Diesbezüglich verweisen Mandel und Pröbstle auf das Phänomen, dass UrlauberInnen erstmals einen Museumsbesuch oder eine andere kulturelle Aktivität für sich in Anspruch nehmen und sich so die Motivation für kulturelle Nutzung auch im Herkunftsland erhöhen kann:

8

Geäußert im Rahmen der Kulturpolitischen Jahrestagung in Berlin 2015 und auf mehrere kulturtouristische Prozesse in Deutschland angewandt (vgl. auch Föhl/Sievers 2015).

9

Diese Unterscheidung geht auf die Studie des Irish Tourist Board (1988) zurück (Pröbstle 2014; vgl. Steinecke 2007).

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„Es sind nachweislich Touristen, die – außerhalb ihrer gewohnten Umgebung und alltäglichen Verpflichtungen – Kulturangeboten gegenüber offener in Erscheinung treten. Selbst wer im Alltag kaum für entsprechende Angebote zu begeistern ist, besichtigt auf Reisen gelegentlich Sehenswürdigkeiten, besucht Ausstellungen, Museen oder Kulturveranstaltungen und macht sich mit der örtlichen Geschichte und den Traditionen vertraut.“ (Pröbstle 2014: 9 f.)

So werden aus „Nicht-Besuchern im Alltag temporär Besucher von Kultureinrichtungen und -veranstaltungen“ (ebd.). Das kulturtouristische Potenzial „Publikumserhöhung“ bezieht sich aus kulturmanagerialer Perspektive also nicht nur auf die Ansprache von TouristInnen vor Ort, sondern auch auf das Aktivierungspotenzial von Nicht-BesucherInnen im Herkunftsland (ebd.; vgl. Mandel 2012; 2011: 177). Pröbstle stellt zugleich fest, dass es in der kulturbetrieblichen empirischen BesucherInnenforschung noch kaum Erkenntnisse zur kulturtouristischen Nachfrage gibt und, daraus abgeleitet, auch keine Zielgruppensegmentierung z.B. für Nah- oder FerntouristInnen (Pröbstle 2014: 55 ff.). „Bevor an eine Segmentierung der kulturtouristischen Nachfrage zu denken ist, muss der touristische Besucher konsequent als Teil des Kulturpublikums Berücksichtigung erfahren.“ (Ebd.: 59) Eine weitere Hürde stellt die sparten- und institutionsbezogene BesucherInnenforschung dar, die sich oft einer Vergleichbarkeit entzieht, sowie die Tatsache, dass vorhandene kulturbetriebliche Studien in vielen Fällen nicht für die allgemeine Forschung zugänglich gemacht werden. (Ebd.: 60 f.) Vielfach wird deshalb auf touristische Forschungsergebnisse und Statistiken zurückgegriffen, in welchen folgende Merkmale von KulturtouristInnen in Deutschland identifiziert sind: „Jüngere und ältere Individualtouristen, wenig Familien (mit kleinen Kindern), hohes Einkommen und Bildungsniveau, reiseerfahren und auslandsorientiert, hoher Anteil an Pauschalreisenden“ (Steinecke 2013, zit. in Pröbstle 2014: 61 f.). In ihrer Publikation „Kulturtouristen. Eine Typologie“ (2014) leitet Pröbstle aus ihrer empirischen BesucherInnenforschung bei konkreten Angeboten in Berlin, Salzburg, Schwäbisch Hall, Schleswig-Holstein, Kloster Maulbronn und beim

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Kulturhauptstadtjahr Ruhr.2010 die Klassifizierung von fünf Typen, inspiriert von Lebensstilen10, ab. Neben der BesucherInnenforschung stehen die soziokulturelle Wirkungsforschung und Kooperationsdynamiken im Mittelpunkt kulturmanagerialer Beforschung (Drews 2016; Mandel 2012; 2011; Föhl et al. 2011). Dazu zählen die soziokulturelle Aufwertung von Regionen oder Städten (Hausmann/Murzik 2011; Eichbaum 2008; Heinze 2008; vgl. Steinecke 2007) sowie Effekte für interkulturelle Begegnungen und kulturelle Bildung (Drews 2016; Mandel 2011). Soziokulturelle Wirkungen werden u.a. von Steinecke (2007) und Eichbaum (2008) auf die positive Identifikation von Einheimischen mit ihrer Heimat durch Kulturtourismus bezogen. Argumentiert wird dieser Effekt zugleich als Mittel zum Zweck für regionale ökonomische Nachhaltigkeit; der Grund für die wirtschaftliche Ko-Argumentation kann in der Schwierigkeit vermutet werden festzulegen, welche Art der soziokulturellen Identitätsstärkung anhand welcher Angebote aus Sicht eines pluralistischen Bevölkerungsverständnisses überhaupt erstrebenswert und demokratiepolitisch konsensfähig sein kann. Im Spannungsfeld aus Ökonomie und Gesellschaftsentwicklung, wofür Kulturtourismus in seiner Interdisziplinarität steht, dominiert mitunter der ökonomische Diskurs. Das Potenzial von Kulturtourismus für interkulturelles Verständnis basiert laut Mandel auf alltäglichem Erleben: „In der Kultur im ethnologischen Sinne, als Volks-Kultur einer Region oder eines Landes, manifestiert sich deren besondere Geschichte, Traditionen, Landschaftskultur, Esskultur, ökonomische Verhältnisse – Eigenheiten, die sowohl in der Alltagskultur erfahrbar werden können wie auch im Besichtigen kultureller Sehenswürdigkeiten und dem Besuch kultureller Veranstaltungen.“ (Mandel 2011: 176)

Inwiefern dieses in der Ausnahmesituation Urlaub und im Wechselspiel aus eigener Erwartung und touristisch semantifizierten Räumen tatsächlich funktionieren kann, scheint fraglich und ist empirisch kaum belegt, wie Mandel selbst festhält. Erwartungserfüllung führt bei UrlauberInnen

10 Unterhaltungsorientierte Ausflügler; pflichtbewusste Sightseeker; aufgeschlossene Entdecker; kenntnisreiche Traditionalisten; passionierte Spezialisten (Pröbstle 2014: 301–325).

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vielmehr oft zur Fundierung von Klischees und befördert bei Einheimischen mitunter antitouristische Haltungen.11 Die unterschiedlichen Voraussetzung für Kulturtourismus in der Stadt und auf dem Land werden auch in der Kulturmanagementforschung berücksichtigt: Während Kulturtourismus im Städtetourismus als Kerngeschäft verstanden wird, führen geringere kulturtouristische Nachfrage und Angebotsressourcen im ländlichen Raum zu einer eigentlich komplexeren Ausgangslage. Steinecke grenzt Küsten- und Hochgebirgsregionen insofern vom ländlichen Raum ab, als diese spezifische, touristisch verwertbare Landschaftsmerkmale aufweisen, während Regionen ohne landschaftliche Besonderheit im Umkehrschluss als „leer“ und quasi als Prototypen ländlicher Räume erscheinen. Pröbstle schreibt: „Wenn der ländliche Raum nur vereinzelt über kulturelle ‚Leuchttürme‘ verfügt, kann es dagegen in der Kombination mit Kultur- und Naturangeboten gelingen, das Profil einer Destination zu schärfen und Besuchsanreize zu setzen.“ (Pröbstle 2014: 12)

Unter Rückgriff auf eine Tourismusanalyse der Stiftung Zukunftsforschung (2010), in welcher der Trend zu Straßentheater, Open-Air-Konzerten, Stadt- und Volksfesten aufgezeigt wird, interpretieren Karin Drda-Kühn und Dietmar Wiegand: „Dies kommt dem ländlichen Raum mit seinem immensen Angebot an volkskulturellen Veranstaltungen entgegen.“ (Drda-Kühn/Wiegand 2011: 141) Eine solche Reduktion auf ein Narrativ des Ländlichen ist allerdings aus der Perspektive der Kulturalisierung zu hinterfragen.

11 Dieses Spannungsverhältnis wird in Zusammenhang mit Tourismus besonders in ökonomisch armen Ländern reflektiert und im sanften Tourismus durch einen bewussten Umgang mit kulturellen Klischees korrigiert (vgl. Kiefl/Bachleitner 2005). Der Studienkreis Tourismus und Entwicklung e.V. hat bereits in den 1970er-Jahren begonnen, die „Sympathie Magazine“ zu publizieren, in denen auf, im heutigen Sprachgebrauch, interkulturelle Auswirkungen des Tourismus in der Dritten Welt hingewiesen wurde. Die Magazine werden von einheimischen und deutschen AutorInnen gemeinsam verfasst und sind inzwischen nicht mehr auf die Länder der Dritten Welt beschränkt (Studienkreis für Entwicklung und Tourismus e.V. 2016).

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Schließlich zählen zu den in der kulturmanagerialen Literatur identifizierten Herausforderungen die unterschiedlichen Handlungsmotive und Zielsetzungen, die sich aus den retrospektiven Organisationsformen von Tourismuseinrichtungen und Kulturorganisationen ergeben und die Kooperationskultur beeinflussen (Siller/Matzler 2011; Föhl 2011; Siller 2010; vgl. Buri 2009). Das jeweilige Selbstverständnis und die Funktionsweisen der touristischen und der kulturbetrieblichen Systeme sind dabei politisch ebenso definiert wie sie in ihren Trägerschaften und Rechtsformen festgeschrieben sind. Aus ihnen leiten sich die jeweiligen Handlungsfelder, Ziele und Zweckrichtungen ab. Zwar sind in der Zweckrichtung noch Gemeinsamkeiten auszumachen, wie etwa in der Absicht, möglichst viel Publikum anzusprechen und zu erreichen: KulturnutzerInnen bzw. TouristInnen sind in unterschiedlicher Ausprägung RezipientInnen einer semantischen und ästhetischen Inszenierung sowie NutznießerInnen eines Ausnahmezustandes, dessen Erleben sie bewusst und willentlich anstreben. Die vorgegebenen Ziele der Anbieter allerdings sind unterschiedliche: Während touristische Systeme die ökonomische Stärkung einer Region nachfrageorientiert betreiben, stehen im kulturbetrieblichen System gesellschaftliche, kulturelle und soziale Ziele im Vordergrund, die entweder kulturpolitisch oder zivilgesellschaftlich anhand der Gemeinnützigkeit privatrechtlicher Einrichtungen als Organisationsziele definiert sind. Der Bildungsauftrag im hochkulturellen und der Nutzen für die Gesamtgesellschaft im privatrechtlich-gemeinnützigen Sektor sind nicht auf ökonomische Prosperität ausgerichtet, sondern umfassen vor allem den Zustand einer Gesellschaft in ihrer Demokratie- und Handlungsfähigkeit auf Basis von Kulturkompetenz und daraus abgeleitetem Reflexionsvermögen mündiger BürgerInnen. Ökonomische Aspekte finden gleichwohl Berücksichtigung, etwa in Form von Umwegrentabilität oder dem möglichen Beitrag von Kultureinrichtungen zur Imagebildung als Standortstärkung, sie bleiben aber den ideellen Zielen von Kulturorganisationen zumindest idealtypisch untergeordnet. Aus diesen Zielkonflikten leiten sich auch einige (nicht alle) der Herausforderungen für Kooperationen ab. Aus diesem knappen Abriss relevanter Ansätze in der deutschen Kulturmanagementforschung zu Kulturtourismus leiten sich für den Tiroler Kontext weiterführende Denkanstöße, aber auch Abgrenzungen ab. Kulturtourismus ist in (Groß-)Städten eine Wachstumsbranche und in vielen Fällen integraler Bestandteil des touristischen Images. Auf dem Land fällt

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Kulturtourismus leicht hinter die Attraktivität des prägenden Landschaftsmerkmals zurück und findet keine mit dem städtischen Kontext vergleichbare Selbstverständlichkeit, in das Image integriert zu werden, unabhängig vom real existierenden Angebot. Deshalb verdienen die Gewichtung bezüglich des Verhältnisses zwischen UrlauberInnen und Einheimischen als Publika sowie die Diskurse um Image und Identität eine differenzierte Betrachtung. Sie verdienen sie umso mehr, wenn, wie im Kontext Tirols, eine äußerst erfolgreiche Alpindestination im Widerspruch zu einem modernen Kulturtourismus zu stehen scheint.

V ERORTUNG

IM

K ONTEXT T IROLS

In Tirol spielt Kulturtourismus punktuell seit den 1980er-Jahren eine Rolle, die größte angebotsorientierte Kampagne lief unter dem Claim „Keine Berge – trotzdem Tirol“ der Tirol Werbung. Kulturtourismus ist dabei nicht in die Marke Tirol integriert und fand keinen Eingang in die aktuelle Tourismusstrategie „Der Tiroler Weg 2021. Kernbotschaft einer Strategie des Tiroler Tourismus“. Dies lässt sich auf die gewachsenen Strukturen von Tourismus und Kulturangebotslandschaft ebenso zurückführen wie auf den entscheidenden tourismuspolitischen Einflussfaktor, Kultur(-tourismus) nicht als A-Ziel für die Marke Tirol und das Destinationsmanagement zu definieren. Einzelne Initiativen und lokale Strategien wiesen und weisen dennoch auf bestehende Allianzen und spezifische Interessen hin: Dazu zählen die Aufenthaltsverlängerung der Gäste in der Landeshauptstadt Innsbruck seitens des zuständigen TVB, Schlechtwetteralternativen in den Ski- und Wanderregionen sowie die Attraktivitätssteigerung von kleinen Gemeinden, die im Wettbewerb um größtmögliche Skigebiete nicht mithalten können. Ein allgemeines Aufwertungspotenzial durch Kulturtourismus für alpines Destinationsmanagement hat Siller festgestellt (Siller/Matzler 2011; Siller 2010). Der Tiroler Tourismus hat als stärkstes Quellland Deutschland (knapp über 50 %), gefolgt von den Niederlanden und Österreich, mit steigenden Anteilen aus der Schweiz, Österreich, China im Jahr 2014/15 und aus Russland, Polen und Rumänien in den vergangenen zehn Jahren (Tirol Werbung o.J.: 10 ff.). Zu den wichtigsten Urlaubsaktivitäten zählen im Winter neben Sport die Kulinarik und „Party/Nachtleben bei jüngeren Gästen“, im

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Sommer außerdem „Kultur, Genuss, Erholung“ und „Ausflüge außerhalb des Urlaubsortes, Sehenswürdigkeiten besuchen“ (ebd.: 36 f.). Obschon Kultur bei den Aktivitäten im Sommer angeführt wird, spielt sie bei den Gründen, sich für Tirol zu entscheiden, weder im Winter noch im Sommer eine Rolle (ebd.) und entsprechend wird Kulturtourismus auch im Strategiepapier „Der Tiroler Weg 2021“ des Landes Tirol, der Tirol Werbung, der Wirtschaftskammer Tirol und dem Verband der Tourismusverbände nicht angesprochen. Für die Vision als strategischer Orientierungspunkt heißt es hingegen: „Der Tiroler Weg 2021 muss der Tiroler Identität entsprechen. Sie verknüpft Vergangenheit und Erfahrung mit Wünschen, Träumen, dem Anspruch an uns selbst und dem Anspruch unserer Gäste.“ (Land Tirol et al 2015, o.S.) Es wird ein Zusammenhang zwischen Tiroler Identität und alpinem Lebensgefühl hergestellt, das „für Einheimische und Gäste eine Werteerfahrung“ darstelle; die sodann vorgestellten drei Leitlinien des Tiroler Tourismus werden in der Stärkung von „Lebens- & Erholungsraum, Familienunternehmen und Kompetenzführerschaft im alpinen Tourismus“ festgelegt (ebd.). Das touristische Kulturnutzungsverhalten wird österreichweit im Rahmen der Urlauberbefragung T-Mona12 erhoben; diese wird seit 2004 zweijährlich von der Österreich Werbung in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), der Firma Manova und den neun Landestourismusorganisationen durchgeführt (Österreich Werbung o.J.). 2013 erstellte die Österreich Werbung die Sonderstudie „Kultururlaub Analysebericht“, in der „Ergebnisse aus diversen Studien der Österreich Werbung mit Blick auf den kulturinteressierten Gast hin ausgewertet“ wurden (Österreich Werbung 2013: 3). Sie basiert auf

12 T-Mona erfasst umfangreiche Informationen über die Gäste einer Region. Diese Daten bilden die Basis, um gezielte strategische Analysen, Positionierungen und Marketingmaßnahmen (weiter) zu entwickeln. Im Detail werden folgende Informationen erhoben: Gästestruktur der Urlauber (Herkunft, Alter, Geschlecht, Beruf, Bildung, Einkommen); Informations-, Entscheidungs- und Buchungsverhalten; Anreise und Aufenthalt: Verkehrsmittel, Unterkunft, Reisebegleitung, Aufenthaltsdauer, Besuchserfahrung, Aktivitäten etc.; Image der Urlaubsregion; Reiseausgaben nach Produktkategorien; Zufriedenheit gesamt und im Detail, Wiederbesuchsabsicht. (Österreich Werbung o.J.)

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einem weiten Kulturbegriff inkl. allgemeiner Freizeitangebote wie Flanieren und Kulinarik. Unter anderem wurde daraus abgeleitet: „Kultur ist allerdings nicht mit Hochkultur gleichzusetzen. Wichtiger noch als der Besuch von Museen oder Theater ist der Besuch von Sehenswürdigkeiten. Auch die Kulinarik, die Natur und Brauchtum/Tradition sind stark mit der Kultur verbunden. Kultururlauber lassen sich kaum auf eine spezifische Aktivität oder Interessenslage reduzieren.“ (Ebd.)

Mit diesen Einschränkungen erläutert die Analyse dennoch einige marketingrelevante Zusammenhänge für den Unterschied zwischen Land und Stadt: Dieser scheint weniger auf klischeehafte Vorstellungen von Städten als pulsierenden Konglomeraten mit vielfältigen Angeboten und dem Land als Idylle und langsamerer Gegenwelt zurückzugehen. Vielmehr konzentriert sich das kulturelle Interesse insgesamt auf Sehenswürdigkeiten (zwischen 81 und 97 % der befragten Gäste, ebd.: 7). An zweiter Stelle halten sich der Besuch von Restaurants und der Besuch von Museen und Ausstellungen die Waage, an dritter Stelle konkurrieren Museen mit Flanieren und Shoppen. Von kulturbetrieblichen Angeboten werden an achter Stelle noch klassische Musik/Oper genannt. Kunst- und Kulturangebote werden als Entscheidungskriterien zwar in der Statistik angeführt, sie werden aber nicht konkretisiert: 70 % für den städtischen und 49 % für den ländlichen Raum, Sehenswürdigkeiten rangieren in dieser Statistik an zweiter Stelle. Künstlerisch-kulturelle Festivals, Theaterbesuche, Lesungen usw. kommen nicht als eigene Kategorien vor.13 Aufgrund des weiten Kulturbegriffs ist diese Studie nur bedingt geeignet, um Rückschlüsse auf den spezifischen Stellenwert kulturbetrieblicher Angebote zu tätigen. Da außerdem davon auszugehen ist, dass in den TMona-Befragungen der Österreich Werbung privatrechtlich-gemeinnützige Kulturanbieter nicht erfasst sind, sind die Erhebungen nicht für das gesamte

13 Tourismus-Statistiken werden außerdem von der Wirtschaftskammer Österreich WKO erhoben. Auch diesen Erhebungen liegen in der Regel aber keine Kulturbegriffe zugrunde, welche differenzierte Aussagen zum Potenzial kulturbetrieblicher Angebote erlauben. Die WKO untersuchte Einrichtungen in den Kategorien Schausteller, Freizeitparks und Tierparks, Theater, Varietés und Kabaretts, Schaubergwerke, Veranstaltungszentren, Zirkusse, Tierschauen und Kinos.

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Kulturangebot repräsentativ. Auch in den Kulturstatistiken der Statistik Austria wird das touristische Kulturnutzerverhalten nicht erhoben, kulturbetriebliche Studien sind keine bekannt oder, wo vielleicht vorhanden, nicht zugänglich. Analog zu den Ergebnissen von Pröbstle (2014) in Deutschland lässt sich festhalten, dass in Österreich und in Tirol ein Mangel an zugänglichen empirischen Daten zu kulturtouristischen Interessen und Nutzungsverhalten zu Kulturangeboten abseits der touristischen Marktforschung herrscht.14 Dass Menschen auf Reisen eher dazu bereit sind, Kulturangebote jenseits ihrer alltäglichen Nutzungsgewohnheiten und Interessen wahrzunehmen, legt aber zum einen die Vermutung nahe, dass dieser Aspekt bei kulturtouristischen Strategien noch zu wenig berücksichtigt wird. Zum anderen erfordert auch das Verständnis kulturtouristischer Angebote auf dem „Land“, das in den herangezogenen Kulturmanagement-Studien in Deutschland von Popularkultur und Volksfesten als Angebotsspektrum ausgeht, eine kritische Hinterfragung. Die erwähnten Ansätze entsprechen zwar einem vom Narrativ „Land“ vorgegebenen Resultat und stützen sich auf die mit diesem angesprochenen touristischen Zielgruppen, sie blenden aber zugleich die veränderten und modernen Angebotsstrukturen auf dem Land aus, sodass keine Rückschlüsse auf eventuelle Nachfragepotenziale getätigt werden können. Im Tiroler Kontext zählt ein breites, zeitgenössisches und internationales Angebot zur konkreten Ausgangslage; diese Angebote könnten sowohl die Tendenz zur Internationalisierung unterstützen (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2011: 12) als auch die Modernisierungsbestrebungen, wie sie die Tirol Werbung mittels der Reform der Bildsprache umzusetzen versucht. Das (nachfrageorientierte) touristische Kulturnutzungsverhalten ist zugleich nicht der neuralgische Punkt der vorliegenden Studie, sondern vielmehr die Fragestellung danach, ob und wie der angebots- und wertevermittelnde Kulturtourismus nachhaltige Wirkungen für den Tourismusraum Tirol und seine BewohnerInnen zeigen kann. Die Trennung zwischen touristischen und einheimischen Publika stellt sich dabei als Herausforderung insofern dar, als zum einen erst deren Vermischung Kulturtourismus zu einem integrativen Teil mit Auswirkungen auf Image und Identität macht.

14 T-Mona erhebt diese auch für die Länder, diese Daten sind nicht frei zugänglich.

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Zum anderen sind antitouristische Haltungen bei den Einheimischen und Fragen der Auslastung von kleineren Kulturangeboten nicht zu leugnende Ausgangsproblematiken. Während Einheimische in der Regel für die touristische Imagekonstruktion keine direkte und/oder gewünschte Rolle spielen, erhebt Siller gerade den Anspruch, sie als Stakeholder zu erkennen (Siller 2010: 129) und den Aspekt der regionalen Identitäten offensiv gesellschaftspolitisch im Destinationsmanagement mitzutragen (Siller/ Matzler 2011: 214). Damit eröffnet sich die Möglichkeit, eine durch Kulturangebote erweiterte Imagebildung zu betreiben, die Identitätsaspekten mehr Raum in ihrer Ausverhandlung gibt. Dieser Ansatz unterscheidet sich von nachfrageorientierter Marktforschung und darauf aufbauender touristischer Strategieentwicklung durch die Ausweitung der Interessenlagen von Einheimischen sowie aller potenziell vom Tourismusfeld betroffenen Stakeholder und somit auch der Kulturschaffenden. Der Tiroler Schriftsteller und Tourismuskritiker Hans Haid reklamierte die Miteinbeziehung der Einheimischen auch bezüglich volkskultureller Darbietung im Tourismus, um die In-Wert-Setzung über die Kommodifizierung zu stellen. Dass die Miteinbeziehung von Kulturangeboten alpinen Destinationen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann, hat Lukas Siller dargelegt und am Beispiel Südtirol exemplarisch beleuchtet (Siller/Matzler 2011; Siller 2010). Siller interpretiert Kultur als Kernkompetenz einer Destination und geht dementsprechend von einem integrativen Ansatz aus. Als zentrale Herausforderungen für den Alpintourismus nennt er die Besonderheiten des Naturraums Alpen, welche zu einer schonenden Ressourcennutzung verpflichten. Er sieht einen Nachholbedarf im Verständnis für ökologische, jedoch auch damit verbundene sozial und kulturell nachhaltige Regionalentwicklung für diesen Raum (Siller 2010). Sowohl durch eine soziale als auch ökologisch nachhaltige Ausrichtung ergäben sich destinationsstärkende Effekte, die von den Gästen als solche wahrgenommen werden: Die Beschäftigung mit Identität und ein ressourcenschonender Umgang mit der Kernkompetenz Natur steigern die Attraktivität der Destination. Den Kern, aus dem die Wettbewerbsfähigkeit einer Region wachsen soll, sehen Siller und Matzler – in Rekurs auf Ritchie und Crouch – in einer wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen, kulturellen und politischen Nachhaltigkeit. Aus diesen Überlegungen heraus gilt es, komparative Wettbewerbsvorteile zu identifizieren. Kulturelle Angebote werden von Siller und Matzler als Teile der netzwerkartigen Produktion touristischer Angebote betrachtet. Insofern

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kann per se nicht von einer Unterordnung kultureller Angebote unter ökonomische Interessen gesprochen werden. Die Integration in das Programm der Destination diversifiziert vielmehr Interessenlagen, deren Austarieren die soziale Komponente des Nachhaltigkeitsverständnisses darstellt (Ritchie/Crouch 2003 zit. in Siller/Matzler 2011: 214). Maßgebend dafür ist das Kooperationsverständnis: Siller unterscheidet zwischen zwei Formen von Kooperationen im Destinationsmanagement: Beim CorporateModell wird die Destination ähnlich einem auf Gewinn ausgerichteten Unternehmen gemanagt, die touristische Bedürfnisbefriedigung stellt die Kernreferenz für die Entwicklung von Produkten und Prozessen dar. Das Community-Modell folgt hingegen der Idee einer übergeordneten Koordinierungs- und Marketingfunktion, die die Interessen der in der Destination angesiedelten und damit an der touristischen Produkterstellung mitwirkenden Stakeholder miteinbezieht. Die Ausrichtung bzw. Organisationsform folgt dem Verständnis der Gemeinnützigkeit und stellt den Interessenausgleich der involvierten Gruppen mit dem Ziel, die unterschiedlichen Aspekte von Nachhaltigkeit einzubeziehen, in den Mittelpunkt. (Siller/Matzler 2011: 211, mit Bezugnahme auf Flagestad/Hope, 2001; Siller 2010: 60) Für eine entsprechende Bewusstseinsbildung sieht Siller auch die Tourismus- und Kulturpolitik in der Pflicht, welche durch klare Förderkonturen statt der „Gießkanne“ und durch institutionell unterstützte Netzwerkbildung zum Aufbau von Kulturtourismus maßgeblich beitragen könnte (Siller 2010: 293); mit Siller lässt sich die entscheidende Bedeutung von Tourismus- und Kulturpolitik für die Kooperationskultur hervorheben. Dazu werden die tourismus- und kulturpolitischen Rahmenbedingungen und Narrative beleuchtet. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die tourismuspolitische Entscheidung, Tradition und Volkskultur als authentischen alpinen Lebensstil in das Tiroler Image zu integrieren und zeitgenössische Kulturangebote auszuschließen, zu einem Corporate-Modell führt. Seitens der Kulturbetriebe erfolgen kulturtouristische Kooperationen punktuell und im Einzelfall erfolgreich. Die Tiroler Festspiele Erl können als eines der wenigen originären kulturtouristischen Projekte im ländlichen Tirol identifiziert werden, dessen internationale Bewerbung auf die Kooperation mit der Österreich Werbung zurückgeht; im Gegensatz zu volkskulturellen Angeboten wie Almabtrieben und Platzkonzerten werden die hochkulturellen auf Bundesebene und nicht von der Tirol Werbung vermarktet (ExpertInnen-Interview TW1). Anders als das hochkulturelle

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Angebot in Erl richtet sich ein großer Teil der Kulturinitiativen innenorientiert aus, auch wenn, so die These, ihre Programme aus der Perspektive kultureller Nachhaltigkeit und Entwicklung kulturtouristische Potenziale bereithielten. De facto kooperieren auch die international renommierten Festivals kaum mit der Österreich Werbung15, fast alle Festivals und Kulturinitiativen pflegen aber mit den lokalen TVBs Beziehungen, die jedoch nicht unbedingt Kooperationen nach der hier verwendeten Definition sein müssen. Oft handelt es sich um Geld-Beziehungen (Teissl/Stura/ Seltenheim 2016). Intensive Bemühungen, Kulturtourismus zu nutzen, bestehen seitens des TVB Innsbruck und seine Feriendörfer: Mittels der Integration von Musikfestivals und Architektur in das Destinationsmanagement soll der kurzen durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Gäste in Innsbruck entgegengewirkt und ein alpin-urbanes Image aufgebaut werden. Inwiefern ein durchschlagender Erfolg von vereinzelten Strategien durch die Leerstelle Kultur in der übergeordneten Marke Tirol behindert wird, ist zu hinterfragen: Wenn die Assoziation von (zeitgenössischen) Kulturangeboten nicht in das Gesamtensemble der Marke integriert ist, könnte dies die Wirkungsmacht auch in jenen Regionen beschränken, wo – wie in Innsbruck – Kulturangebote eine verstärkte Rolle in der Positionierung spielen sollen 16 oder als Schlechtwetteralternativen bzw. lokale Aufwertung nötig sind. Von TouristikerInnen und Gemeinden initiierte Beispiele sind etwa das Alpinarium in Galtür, das mit 35.000 Eintritten pro Jahr punktet und mit dem Europäischen Museumspreis ausgezeichnet wurde, oder die Ausstellungen in Schloss Landeck zur Regionalgeschichte. Ihnen haftet unter einem ökonomischen Effizienzdruck der Charakter von Agenten des Wandels an. Der Status quo in Tirol lässt sich als Herausforderung auf mehreren Ebenen beschreiben: Kulturangebote sind nicht Teil der Marke Tirol, werden aber punktuell vor unterschiedlichen Erwartungen in lokales Desti-

15 Laut Auskunft der zuständigen Projektbetreuerin werden diese Serviceleistungen in Tirol von einzelnen Festivals und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen wahrgenommen. 16 Ein Image läuft durch die Welt: In dem Kinderbuch „Millie in Tirol“ (2013) von Dagmar Chidolue zeigt sich die Mutter wenig begeistert vom Vorschlag ihres Mannes, einen Kulturausflug nach Innsbruck zu machen, denn man sei schließlich zum Wandern und Kühe-Entdecken da.

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nationsmanagement integriert. Kooperationen finden, etwas pauschal gesprochen, im Sinne eines Corporate-Modells statt, und der insgesamt geringe Stellenwert von Kulturtourismus legt die Vermutung nahe, dass sich die Beziehung zwischen Tourismuseinrichtungen und Kulturanbieter als „parallel existence/blissful ignorance“17 (Siller 2010: 128) – in früheren Jahrzehnten als „nascent conflict“18 (ebd.) – beschreiben lässt. Zur Erreichung unterschiedlicher Potenziale kann Kulturtourismus hinsichtlich des Verhältnisses von Tradition und zeitgemäßer Modernisierung als transformatorischer Prozess gedacht werden. Diese Fragestellung kreist in Tirol wie ein Satellit um die Kernproblematik, die Wechselwirkung von Image und Identität. Im Anschluss an Siller versteht sich das Vorhaben, kulturelle Nachhaltigkeit in ihren sozialen und gesellschaftspolitischen Bezügen in den Mittelpunkt zu stellen, als weiterer Schritt, um dem Kulturtourismus in alpinen Destinationen einen größeren – nicht mehr nur marginalen – Stellenwert einzuräumen. Touristische und kulturelle Akteure tragen zur Ausprägung eines Gesellschaftsklimas bei und sprechen dabei unterschiedliche Sprachen. Daraus entstehende Konflikte lassen sich mit den Reflexionen von Karlheinz Wöhler (2011; 2010) vertieft erklären, der sich vielfach mit den Bedingungen und Motiven der Touristisierung von Räumen beschäftigt hat. Er formuliert seine Ansätze aus einer erwartungsorientierten Perspektive der Reisenden, die er zugleich historisch und phänomenologisch, nicht ökonomisch verankert. Was man im operativen Bereich als „Marketing“ bezeichnet, füllt er mit semiotischen Erklärungsmodellen und zeigt auf, wie Räume für die touristische Bewerbung konstruiert werden. Es lässt sich daraus nicht nur die konstruktivistische Macht von Marketing erläutern, sondern auch die Verkettung interpretieren, wie ökonomisch genutzte Sehnsuchtsbilder für TouristInnen als „Image“ auf die bereiste Gesellschaft als „Identität“ zurückwirken.

17 Merkmale sind „separate and independent; little or no contact; out of sight, out of mind“ (Siller 2010: 128). 18 Merkmale sind „problems, defying easy solution emerge; changing power relationships with emergence of one dominant stakeholder whose needs are detrimental to the other established stakeholders“ (ebd.).

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D IE

TOURISTISCHE R AUM UND A UTHENTIZITÄTSKONSTRUKTION Wird der touristische Raum aus kulturwissenschaftlichen Blickwinkeln betrachtet, offenbaren sich sowohl die Vielschichtigkeit seiner Konstruktion als auch die darin liegenden Bruchlinien. Dabei handelt es sich weniger um Sedimente im geografischen Sinne als vielmehr um die unterschiedlichen Bedeutungszuschreibungen, die der alpine Raum erfahren hat und weiterhin erfährt. Diese haben wiederum diskursiven Charakter und ihre Natur ist daher nicht friktionsfrei. In der Betrachtung der Alpen als touristischer Raum artikuliert sich der Widerspruch zwischen absolutem und relationalem Raumverständnis, wenn auch auf einer abstrakten Ebene. Die hier vertretene Ansicht, dass Raum erst in der Wahrnehmung der Menschen durch soziokulturelle Zuschreibungen entsteht (Lossau 2009) und somit von einem sozialen Raumverständnis (Bormann 2001) ausgegangen wird, trifft in der Auseinandersetzung über ebensolche Konnotationen den Kern absoluter Raumvorstellung. Diese folgt dem Prinzip der Ausschließlichkeit. Stellen im Raum können demnach immer nur von einem Individuum oder Objekt eingenommen werden (Schroer 2012). Im Falle der touristischen Raumkonstruktion nehmen im übertragenen Sinne Image und Identität diese Funktion des Besetzens ein. Raum muss diesbezüglich auch als (abstrakter) Treiber kollektiver Identitäten betrachtet werden. Er erhält diese Funktion einerseits dadurch, dass er als soziale Tatsache wahrgenommen wird und deshalb als Referenz für dessen BewohnerInnen gilt. (Bormann 2001: 287) Andererseits lagern sich im Raum soziale Prozesse ab, die wiederum auf ihn selbst zurückwirken und ihn so noch mehr zu einem konstanten Bezugspunkt werden lassen: „Die soziale Realität schreibt sich in die physische Welt des Raumes geradezu ein, wodurch sie von der räumlichen Physis nicht mehr zu unterscheiden ist.“ (Neckel 2009: 47) Das Einschreiben sozialer Praktiken in räumliche Gegebenheiten führt aber nicht nur zu einer Erstarrung derselben, die in weiterer Folge auf touristischer Ebene als Bilder und Identität vermarktet werden können. Erreichen sie nämlich repräsentativen Charakter, dann bieten sie eine Projektionsfläche, um sich daran abzuarbeiten und ihre hegemoniale Stellung herauszufordern. Mit Henri Lefebvre (2010) gesprochen, handelt es sich dabei um Repräsentationsräume. Raum an sich wird diesem Verständnis nach zu etwas Produziertem, durch soziale Praktiken Hergestelltem. Dadurch wird eine Landnahme auf

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symbolischer Ebene, eine Ermächtigung über den Raum möglich. Eine solche unterliegt wiederum einem Diskurs, in dem sich unterschiedliche Machtverhältnisse widerspiegeln und die Produktion von Tourismusräumen vorantreiben. Unter den Schlagwörtern Destination Marketing und Destination Branding wird der touristische Raum kommunizierbar gemacht. An dieser Stelle treten die TouristInnen selbst in den Prozess der touristischen Raumkonstruktion ein, der in einem Wechselspiel zwischen ihnen und den TouristikerInnen entsteht (Saretzki 2010). Wöhler legt den Fokus seiner Auseinandersetzung mit touristischen Räumen auf die Reisenden. Zu seinen zentralen Ausgangsthesen zählt seine auf Berghoff und Bausinger gestützte Annahme, dass reisebedingte Erfahrungen für TouristInnen auch im Massentourismus die Entwicklung der eigenen Identität berühren bzw. dass die Reisenden berührt werden wollen und dies das innerste Reisemotiv darstellt. Um diese Wahrnehmung zu ermöglichen, ist etwas „Fremdes“ als Differenzerfahrung notwendig, etwas, was vom bereisten Raum erwartet wird und auch in der Ermöglichung von Selbst-Entfremdung im Ausnahmezustand Reisen liegen kann. Zugleich „(ist) das Fremde eines Raums nicht ein besonderes Merkmal eines konkreten Raums, sondern das Ergebnis einer Interpretation, eines Interpretationskonstruktes“ (Wöhler 2011: 52). Die Erwartung der Reisenden erhöht deren Bereitschaft, durch den Tourismusbetrieb angesprochen zu werden, und baut auf vorgeprägte Sehnsuchtsbilder: Wer alpine Welt will, wird sich nicht durch Palmen angesprochen fühlen. Möglichkeitsräume werden auf dieser Grundlage touristisch konstruiert und ähnlich wie Produkte mit Vorstellungen aufgeladen: „Historisierung, Folklorisierung, Romantisierung, Naturalisierung, Anthropologisierung und Eventisierung bewirken, dass sich ein Tourist auf den Spuren der Ritter, Bergmänner, Dichter, Nepalesen oder schlicht der Natur wähnt, aber eine Inszenierung eines Raumkonzeptes erlebt (vgl. Urry 1995: 187 ff.; siehe auch Baudrillard 1988). Der Raum ist als solcher nicht marktfähig, sondern muss eine Bedeutung erhalten, die er als selbstbezogene Wirklichkeit nicht hat.“ (Wöhler 2011: 56)

Es tritt also eine Bedeutungsproduktion ein, die „Semantisierung“. Diese kann „entleerte“ Räume ebenso betreffen wie solche, die über markante Charakteristika verfügen:

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„Selbst bereits konstruierte Räume wie Stonehenge werden im Zuge der Identitätsbildung von New Age Travellern uminterpretiert: Aus der vermarkteten Neukonstruktion wird schließlich für die Touristen Realität, wenn sie im Raum tatsächlich Zeichen vorfinden, die auf dieses Stonehenge verweisen.“ (Ebd.: 57)

Die Aufbereitung des touristischen Raums unterliegt also einem Zusammenspiel von vorgeprägten Erwartungen bei den Reisenden und konnotativen Semantisierungen durch die Anbieter, um diese Erwartungen auf den beworbenen Raum zu beziehen. In der Regel berücksichtigt die Semantisierung bestehende kulturelle Elemente des empirisch erfahrbaren Raums, in Extremfällen kann sich der konstruierte aber vom realen Raum zur Gänze entkoppeln: Der Raum wird dann zu einer Ware, „zur beliebigen kulturalisierten Manövriermasse“, die den konkreten Raum nicht mehr zwingend als „Träger kultureller Entäußerung benötigt“ (ebd.: 119). Das veranschaulicht das Wirkungsausmaß der Raumkonstruktion. Touristifizierung bedeutet bei Wöhler die Verräumlichung von Selbstund Weltverhältnissen von Tourismuseinrichtungen für TouristInnen. Kiefl und Bachleitner beziehen sich mit dem Begriff auch darauf, wie der touristisch konstruierte Raum auf die Erfahrungswelt der Gesellschaft der Bereisten zurückwirkt (Kiefl/Bachleitner 2005). Das Bergerlebnis als Magnet der Alpen kann für TouristInnen wie für Einheimische auf einem ähnlichen Sehnsuchtspotenzial fußen – zumindest seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Freizeitkultur auch für die bereiste Gesellschaft einen hohen alltäglichen Stellenwert erlangen konnte, denn das Verhältnis zum Berg der heimischen Bevölkerung divergierte erheblich von dem der ersten AlpintouristInnen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert (Schlosser 2012). Einen entscheidenden Anteil daran, wie sich touristische Raumkonstrukte und empirische Erfahrungswelt zueinander verhalten, haben hingegen Semantisierung und Kulturalisierung. In ihnen findet jenes „Design“ statt, das „Image“ ermöglicht und insbesondere in der Kulturalisierung das „Echte“, Authentische verspricht (Wöhler 2011: 59). In der Zusammenfassung der Kultururlaub-Studie heißt es: „Kennenlernen von Tradition und Lebensweise ist in fast allen untersuchten Ländern ein sehr wichtiges Entscheidungskriterium für die Urlaubswahl. Im Zentrum stehen authentische Erlebnisse. Die Authentizität der Erlebnisse und Angebote

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werden in Zukunft noch wichtiger. Österreich hat hier eine starke Ausgangsbasis.“ (Österreich Werbung 2013: 3)

Eine Definition dessen, was „authentisch“ für die Befragenden und für die Befragten bedeutet, wird nicht gegeben. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive kann „Authentizität“ ebenso wenig wie „Wirklichkeit“ als Apriori-Wahrheit verstanden werden, sondern ist vielmehr konstruiert. Wenn Volkstümlichkeit als authentische Tiroler Lebensweise vermarktet wird, wird das Auge des angesprochenen „Kunden“ dies auch als authentisch identifizieren. Wöhler hält dazu fest: „Die Wahrnehmung des Kulturellen ist das Resultat strategisch definierter Vorstellungen von etwas Authentischem. Das heißt, die Suche nach dem ‚Echten‘ bzw. nach der Differenz zum Alltag im Sinne des Anderen (in mir und/oder bei Fremden) ist nicht ergebnisoffen. Mittels inszenierter Beobachtungseffekte entsteht Kultur als touristisches Angebot.“ (Wöhler 2011: 117)

Das Verhältnis von Inszenierung und Authentizität wird vom Wesen des Kulturbetriebs selbst nicht weniger bemüht als vom Tourismus: Beide inszenieren bestmöglich ihren Raum, ihre Darbietung für ein Publikum, das sich in der Regel auch als solches begreift. Die Authentizität ist demnach nicht nur innerhalb der Inszenierung, sondern auch als ihr Anlass zu suchen: in der Motivation und Intention der Anbieter. In den Fallbeispielen Tirol Panorama und Gedächtnisspeicher Ötztal werden diese Zusammenhänge ersichtlich. In Tirol ist der touristisch konstruierte Raum nicht vom konkreten Raum entkoppelt, jedoch wird ersterer vorwiegend mit Folklore aufgeladen und stellt somit eine Reduktion des realen Raums dar, wie ihn Einheimische auch aufgrund von Kulturangeboten wahrnehmen können. Einheimische erleben dadurch den konkreten Raum als komplexer und widerspruchsvoller. Am Beispiel Tirol zeigt sich dies in den zeitgenössischen, projekt- und prozessorientierten Zugängen und Angeboten der Kulturinitiativen. Sie tragen zur Erforschung kritischer Regionalgeschichte bei und vermitteln zeitgenössische Kunstformen in Räumen, die in der und durch die touristische Imageprägung hingegen als traditionell volkstümlich gezeichnet werden. Sie vervielfältigen also die Wahrnehmung des realen Raums und verhalten sich darin zum touristisch konstruierten Begriff der

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„ländlichen Authentizität“ inkongruent. Inwiefern die „getrennten“ Räume für Einheimische und TouristInnen sinnvoll und produktiv sind, wird ebenfalls zu betrachten sein. Bei Wöhler sind die Erwartungen der TouristInnen als kosmopolitische und persönlichkeitsbildende Disposition gedacht – eine Parallelität zum Kulturbetrieb und dessen Bildungsauftrag. Im Shift in der Sprache gehen Welten verloren: Aus der Erwartung wird die „Nachfrage“ und aus qualitativen Ansprüchen eine Bedürfnisbefriedung nach kommerziellen Interessen. Aus der Authentizitätskonstruktion als „Kunst der Tourismuswerbung“ (ebd.: 116) kann im empirischen Raum ein Konflikt zwischen Image und Identität entstehen, wenn diese Reduktion zu Ausgrenzungen führt, Vielfalt und Kritikpotenzial also an den Rand gedrängt werden. Reduktion im Sinne der touristischen Authentizitätskonstruktion ist ein wesentlicher Einflussfaktor für die Beschaffenheit des Tiroler Images und wirkt sich auf das Beziehungsverhältnis zwischen Tourismus und Kultur in Tirol aus: Man kann gegenüber der zeitgenössischen Kulturarbeit und Erinnerungskultur von Ausgrenzungseffekten mit der Folgewirkung einer Diskursdominanz in der Gesellschaft der Bereisten, aber auch der Reisenden sprechen. Im Folgenden wird ein exemplarischer Abriss der Entwicklung von Tiroler Kulturorganisationen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Aufbruchsphase ab den 1960er- und besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren gegeben. Im Fokus stehen dabei Widerstände und Kritik, mit denen Anbieter zeitgenössischer Kunstformen sowie einzelne KünstlerInnen konfrontiert waren und die im Wesentlichen auf ein konservatives Gesellschaftsklima zurückgehen. Auf dieses reagierend, gestalteten sie den konkreten Raum Tirol mit, während im Tourismus die Sportdestination gestärkt und der Massentourismus aufgebaut wurde (Tirol Werbung o.J.; Türkis 2010).

K ULTURORGANISATIONEN ( AUF DEM L AND )

UND

K ÜNSTLER I NNEN

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden unter der französischen Besatzung zahlreiche kulturelle Aktivitäten ermöglicht, die einer Entnazifizierung und Internationalisierung von Kulturangeboten dienen und die zeitgenössische kulturelle Produktion anregen sollten (Plattner 1999a). In der Jugend- und Kulturpolitik wurden diese Bestrebungen aufgegriffen,

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wovon die Gründungen der Jugendkulturwochen und des Österreichischen Grafikwettbewerbs Zeugnis ablegen (Teissl 2013; Riccabona/Wimmer/ Meller 2006; Plattner 1999a) Zeitgenössische künstlerische Entwicklungen sowie die Entfaltung der Jugendkulturwochen in den rebellischen 1960erJahren stießen jedoch in einem wertekonservativen Gesellschaftsklima auf Widerstände. Bereits 1948 wurde dem Maler Max Weiler (1910–2001) wegen „Herabwürdigung des Bauernstandes“ der Prozess gemacht: In den Fresken für die Theresienkirche auf der Hungerburg bei Innsbruck bediente sich Weiler „direkter Bezüge auf das Alltagsleben, auf die Tiroler Gebirgslandschaft mit Innsbrucker Reminiszenzen, auf Trachten und Volksnähe“. Diese in der lokalpatriotischen Wahrnehmung eigentlich hehre Absicht geriet jedoch in der stilistischen Umsetzung zu einem Skandal: „Weiler dachte daran, einmal mehr, die religiösen Inhalte und Erzählungen, u.a. diejenige der Kreuzigung Christi, mit Gegenwart auszustatten, indem er sie unter die Bedingungen der eigenen Zeit versetzte. Der dadurch erregte Skandal zählt zu den härtesten Auseinandersetzungen in Weilers Leben. Alte Frontlinien waren plötzlich wieder lebendig: jene zwischen einem konservativen Katholizismus und einer offenen, kritischen Frömmigkeit, jene zwischen einer rückwärtsgewandten Enge und einer an der Moderne orientierten Kultur.“ (Max Weiler Privatstiftung 2016; s.a. Plattner 1999a: 280 f.)

Nicht nur Weiler, auch der Musiker und Komponist zeitgenössischer Musik Werner Pirchner (1940–2001) löste mit seinen künstlerischen Innovationen und thematischen Aufbrüchen Kontroversen in den 1970er-Jahren aus, in einem Zeitraum, in dem sich auch VertreterInnen der Zivilgesellschaft ihre Interessen und Bedürfnisse in alternativen Kulturangeboten zu organisieren begannen. Zwischen den 1960er- und 1990er-Jahren gründeten sich zahlreiche Kulturzentren, zeitgenössische Galerien, Festivals und Kulturinitiativen. Diese Entwicklung spiegelt eine Umstrukturierung der Angebotslandschaft im Sinne einer gesellschaftspolitischen und künstlerischen Modernisierung Tirols, ausgehend von Kultur- und Kunstschaffenden wider. Sie waren dabei immer wieder mit Widerstand konfrontiert. Den neuen, zivilgesellschaftlichen Anbietern ging es um einen Aufbruch des Kunst- und Kulturverständnisses, um Plattformen und Drehscheiben für ein weltoffenes Gesellschaftsklima in Tirol und um zeitgenössische Kunstformen

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unterschiedlichster Stile. Sie brachten Jazz und Popkultur, internationale KünstlerInnen und Filmkunst nach Tirol, setzten sich mit eingelagerten Narrativen des Nationalsozialismus auseinander, trieben den Ausbruch aus konservativen Strömungen sowie die Modernisierung und Internationalisierung von Programmen voran. Das aus heutiger Perspektive harmlose Anliegen von Jugendlichen, die sich unter dem Namen „Wühlmäuse“ in Kufstein als Gruppe organisierten und die Errichtung eines Jugendklubs für Konzerte forderten, führte zu heftigsten Kontroversen bis hin zu deren Kriminalisierung (Erhard o.J.). Sie und alle InitiatorInnen der entstehenden privatrechtlich-gemeinnützigen Einrichtungen wie die Galerie St. Barbara in Hall (1971), die Eremitage in Schwaz (1974), das Theater am Landhausplatz (1973), das Kellertheater (1979), die Galerie Krinzinger (1979) oder das Treibhaus (1981) in Innsbruck waren Teil eines gesellschaftspolitischen Aufbruchs, der den Westen Europas im alternativen Kulturbereich prägte. Die kulturpolitische Anerkennung der Vehemenz und Beharrlichkeit der neuen Kulturanbieter erfolgte – wie auch in anderen Regionen zu der Zeit – 1979 durch den Erlass des Tiroler Kulturfördergesetzes. Es ermöglichte die finanzielle Unterstützung der Privatrechtlich-Gemeinnützigen, wodurch Kulturpolitik retrospektiv zum Wachstum der vielfältigen kulturellen Infrastruktur beitrug, wie sie heute existiert (Teissl 2015). Die vielgestaltige Kulturangebotslandschaft umfasst heute namhafte Festivals sowie regional verstreute soziokulturelle Zentren und Kulturinitiativen in allen Sparten und Stilen: Subkulturelles und Avantgarde, alternativen Mainstream und Hochkultur – Letztere hauptsächlich in der Landeshauptstadt Innsbruck und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, doch auch die Festspielhäuser in Erl, manche Veranstaltungen in den Swarovski Kristallwelten in Wattens und das 2015 eröffnete Ausstellungs- und Konzertgelände arlberg1800 in St. Christoph am Arlberg bieten Hochkultur, allerdings in privatrechtlicher Trägerschaft. Im Rest von Tirol sorgen besonders Festivals wie das Osterfestival Tirol, die Klangspuren Schwaz, artacts, fmRiese Forward Music Festival u.v.a.m. für herausfordernde Programme inklusive Österreichpremieren und Auftragswerken und bieten gemeinsam mit den Aktivitäten der Kulturinitiativen zeitgenössische Kunst und Kultur als Alternative zu Traditionsmuseen, Schlossfesten und volkskulturellen Veranstaltungen. Die Konflikte zwischen Tradition und Neuerung existieren bis heute, manifestierten sich aber besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren. Es

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waren die Jahrzehnte des rebellischen Aufbruchs durch Kulturanbieter – und zugleich jene des massiven Ausbaus touristischer Infrastruktur. Dem Sichtbaren – den Kulturangeboten, Hotelanlagen und Gebirgsstraßen – lag eine konfliktreiche Tiefenströmung zugrunde, Kunst- sowie Kulturschaffende und TouristikerInnen wurden quasi zu Antagonisten, die konträre Weltanschauungen vertraten und vermittelten. Die einen taten dies für die Einheimischen, die anderen für die Gäste: Den Einheimischen sollten Welt und moderne Gegenwart, den Gästen ein ursprüngliches Tirol angeboten werden. Mit dem einen verbanden sich Avantgarde und Internationalisierung19, Gegenkultur und alternativer Mainstream; mit dem anderen ein Bild der traditionsorientierten Ursprünglichkeit. Kritik an konservativen Institutionen und Haltungen führt zu Kulturskandalen: Der Ethnologe und Mundartdichter Hans Haid wurde aufgrund eines kritischen Gedichtes über die Schützen („a poor töttle“ [ein paar Dummköpfe], ca. 1973, Plattner 1999a: 234) als Obmann des von ihm mitbegründeten Ötztaler Heimatvereins abgesetzt (ebd.). Die Filmsatire „Der Untergang des Alpenlandes“ (1974), eine Gemeinschaftsarbeit des Musikers und Komponisten Werner Pirchner und des Kameramanns Christian Berger über die katholische und bierselige Grundstimmung in Tirol wurde, obschon vom ORF produziert, nach der Erstausstrahlung zensuriert (Teissl 2014). Die geplante Uraufführung von Felix Mitterers Bauerntragödie „Stigma“ (1982) über das elende Leben und Sterben einer durch Vergewaltigung geschwängerten Magd im Rahmen der erst 1981 gegründeten Volksschauspiele führte nach Morddrohungen gegen den Autor und Angriffen auf die Veranstalter zur Abwanderung der Veranstaltung von Hall in Tirol in die Oberländer Gemeinde Telfs (Plattner 1999a). Von 1986 bis 2007 wurde das „Innbrücken-Kreuz“ von Rudi Wach, eine Auftragsarbeit der Kreuzbruderschaft St. Jakob, nicht im ihm zugedachten öffentlichen Raum ausgestellt, sondern im Museum, weil es den gekreuzigten Jesus ohne Lendenschurz darstellt. Nicht alle diese Werke und Vorhaben waren dabei als Provokation gemeint, eine Eigenheit und Funktion bestimmter Kunstströmungen, wie sie ab den späten 1960erJahren in Reaktion auf gesellschaftliche Enge und empfundene Scheinhei-

19 In den 1970er-Jahren wurden erstmals in Österreich Marina Abramović in der Innsbrucker Galerie Krinzinger und Ravi Shankar bei den Ostermusiktagen (heute: Osterfestival) präsentiert.

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ligkeit einsetzte.20 Besonders Weiler und Wach gehörten diesen Strömungen nicht an, sie zählen vielmehr zu den Pionieren der Modernisierung von bildender Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg und wurden als provozierend empfunden, weil sie ihren Werken mittels moderner Stile und Interpretationen gesellschaftliche Wahrhaftigkeit verleihen wollten. Die Inhalte, an denen sich die Konflikte entzündeten, weisen spezifische Bezüge zum zeitgenössischen Tiroler Gesellschaftsklima und Werteverständnis auf. Zwei Themen lassen sich als besondere Tiroler „Tabumotive“ identifizieren: Katholizismus und Bauernstand. Dass noch in den 1980er-Jahren die katholischen Auftraggeber befürchteten, der nackte Jesus von Rudi Wach könne eine öffentliche Provokation sein, kommentierte der Künstler Jahrzehnte später als Problem, „das in den Augen des Betrachters“ liege (Wach im Zeitzeugengespräch im Innsbrucker Casino 2015; s.a. Plattner 1999a: 297), was eher als Zustandsbeschreibung einer gesellschaftlichen Grundstimmung denn als Kritik an Individuen zu werten ist. Im beginnenden 21. Jahrhundert verschieben sich die konfliktauslösenden Themen hin zu Fragen der Erinnerungskultur und der darin verwobenen Rolle von Brauchtum und Volkskultur. Diese jüngeren Ereignisse werden im Kapitel „Erinnerungskultur und Interkultur in der jüngeren (kultur-)politischen Praxis in Tirol“ dargestellt und beleuchtet. Obschon sich seit den 1970er- und 1980er-Jahren Kulturinitiativen etablierten und in den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts öffentliche Förderprogramme deren Diskursstiftung sowie zeitgenössische kulturelle Produktion unterstützten, setzt sich die Geschichte öffentlicher Erregungen in Zusammenhang mit dem Katholizismus fort, wie die Reaktionen auf das Schild „Grüß Göttin“ zeigen: Gestaltet von der Künstlerin Ursula Beiler im Rahmen des Tiroler Förderprogramms Kunst im öffentlichen Raum (KÖR Tirol), stand dieses Schild seit 2008 an der Autobahn auf Höhe der

20 Besonders in den 1970er-Jahren nutzte die Generation avantgarde-interessierter KünstlerInnen und Kulturbetreiber Kunst und Kultur für gesellschaftspolitische Positionierungen und führte legendäre Skandale herbei. In diesem Bereich sind etwa der Wiener Aktionismus, feministische Aktionen wie Valie Exports „Tapp- und Tastkino“ (1968), Franz Novotnys Film „Staatsoperette“ (1977), die „Alpensaga“ (1979–80) und Wolfgang Bauers Auftritte beim steirischen herbst zu nennen.

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Kufsteiner Nordausfahrt. Es folgten Vandalenakte, Leserbriefe21 und Proteste katholischer Vereine sowie der Schützen, die von „blasphemischer Provokation“ sprachen. 2016 setzten sich der amtierende Landtagspräsident und der Innsbrucker Diözesanbischof dafür ein, dass die Standortbewilligung nicht verlängert wurde (Nindler 2015), das Schild wurde abgebaut und hat bislang keinen neuen Standort (Stand Dezember 2016). Es mag verwundern, dass der Landtagspräsident (und der Diözesanbischof) sich in einer vergleichsweise kleindimensionalen Angelegenheit engagieren. Dieser Umstand symbolisiert aber eine Haltung, die in Zusammenhang mit Kulturtourismus in Tirol von Bedeutung ist: die weltanschauweltanschauliche Ausrichtung der offiziellen Politik, welche die Tiroler Identität als katholisch, konservativ und abschottend begreift und dies auch im Kultur- und Identitätsbegriff so ansiedelt (vgl. Fallbeispiel Tirol Panorama). Mit Wöhler lässt sich festhalten, dass Kulturangebote einen wesentlichen Aspekt für die Authentizität von touristischer Inszenierung darstellen; doch sind Kulturangebote auch und vor allem „Ergebnisse historischer Prozesse […], bei denen die Akteure als Kultur(angebots)produzenten eine wesentliche Rolle spielen“, womit die übergeordnete politische Ebene gemeint ist: „Was auf die touristische Tagesordnung gesetzt und dem kulturbeflissenen touristischen Blick überlassen wird, liegt nun nicht allein an der von Tourismuskritikern bescholtenen Tourismusindustrie. Neben und mit ihr sind es vor allem die politadministrativen Eliten, die sowohl die Art und Weise der Betrachtung der kulturellen Objektivationen wie Bauten, Plätze und Straßen vorgeben als auch bestimmen, wie diese Objektivationen auszusehen haben oder gar, was physisch und immateriell (Bräuche/Lebensweise) als Kultur zu erstellen ist.“ (Wöhler 2011: 117)

21 „Wie der Gender-Wahnsinn um sich greift, kann man an einem traurigirrsinnigen Beispiel am Straßenrand der Inntalautobahn zwischen Kiefersfelden und Kufstein sehen. Dort prangt auf einem Schild die groteske Aufschrift: Grüß Göttin in Tirol. Es ist schon traurig, dass in einem Land, das einen Andreas Hofer hervorgebracht hat, nun schon in fast allen Bereichen frustrierte Radikalemanzen und linke Spinner das Sagen haben. Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis man auch Patscherkofler(in), Inner(in) oder Brenner(in) sagt. Armes Tirol!“ (Krone Tirol 2010, Leserbrief)

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Die politische Ausrichtung in Tirol bedingt und unterstützt den im Tourismusmarketing verwendeten Kulturbegriff und damit verbundene Narrative. Eine Episode der Kulturinitiative Musik Kultur St. Johann (MuKu) aus der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass die Kämpfe darüber, was gezeigt werden darf und was als Angriff auf die hegemoniale Identität oder das Image gilt, weiterhin nicht beendet sind. In St. Johann in Tirol wurde vor ca. 30 Jahren das so genannte Knödelfest eingerichtet. Der Event folgt einem touristischen Verständnis von Kultur und Kulturtourismus, indem der ausklingende Sommer eine Verlängerung mittels einer auf Kulinarik ausgerichteten Veranstaltung erfährt, die zusätzliche Nächtigungszahlen am Ende der Saison generiert. Aufgeladen mit Blasmusikkapellen, Trachten und dem längsten Knödeltisch der Welt, der die Tiroler Esskultur repräsentiert, bedient die Veranstaltung sowohl aus der Werbung bekannte Bilder als auch Klischees von Tradition und Authentizität. Der öffentliche Raum wird dabei zumindest für einen Tag zum touristisch kulturalisierten – aus Sicht der MuKu bedeutet das eine Verknappung des Kulturverständnisses der einheimischen Bevölkerung. Am Abend vor dem Knödelfest zeugte eine Musik-Licht-Installation aus Feuer und Neonlicht, angebracht auf einem sechs mal sechs Meter großen Stahlgerüst, vom Vorhandensein eines kontemporären Kulturverständnisses. Die Kunstintervention wurde in einer Kooperation von zeitgenössischen KünstlerInnen aus dem bildenden und musikalischen Bereich sowie der örtlichen Blasmusikkapelle konzipiert. Kurz vor der Durchführung am Hauptplatz erwirkte der damalige Vorsitzende des Fremdenverkehrsverbandes beim Bürgermeister eine Krisensitzung, um die Intervention zu verhindern, weil ein Imageschaden für die Destination befürchtet wurde. Um dem Ernst der Lage Nachdruck zu verleihen, drohte der Obmann des TVB mit Rücktritt. Dieser erfolgte tatsächlich, weil die Intervention wie geplant stattfand – genauso wie der Rücktritt vom Rücktritt nur drei Tage später. Diese – einer gewissen Theatralik nicht entbehrende – Anekdote gibt einen Einblick in lokale Machtverhältnisse zwischen zeitgenössischen Kulturinitiativen und dem institutionalisierten Tourismus. Alleine die Tatsache, dass es wegen einer Kunstintervention zu einer Krisensitzung am Abend vor dem touristischen Event kommt, spricht Bände, ebenso die Aussage von touristischer Seite, dass man sich das über 30 Jahre aufgebaute Image als idyllisches Almdorf nicht zerstören lassen wolle (ExpertInnen-Interview K3).

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Vor diesen Ereignissen verbanden sich Tourismus- und Kulturangebote in Tirol in den Jahrzehnten des aufkommenden Massentourismus und der veränderten Kulturangebotslandschaft in keinem Verhältnis, das fruchtbar für Kooperation erschien, einerlei ob aus ökonomischer, imagebildender, (sozio)kultureller oder gesellschaftspolitischer Perspektive; eher trifft die Einordnung als „nascent conflict“ (Siller 2010) zu. Die Marke Tirol gilt national und international als äußerst erfolgreich, sie verknüpft sich in ihrem Image mit Winter- und Sommersport, mit einer archaischen, zugleich zugänglichen Bergwelt, zu der Naturnähe und Traditionsorientierung der Ansässigen zählen. Idylle und Authentizität werden in dieses Bild als selbstverständlich integriert, durchdringen das Szenario für jenen Raum, der so als touristischer konstruiert wird. In diesen Raum kann das touristische Zielpublikum Blicke in eine Welt werfen, in der „etwas sicht- bzw. wahrnehmbar“ wird, „was den Touristen angeht“ (Wöhler/ Pott/Denzer 2010) und dadurch seine Aufmerksamkeit und sein Interesse herbeiführt. In der über Jahrzehnte gewachsenen und konstruierten Marke Tirol, die das Bundesland als starke Alpindestination ausmacht, spielten und spielen kulturbetriebliche Angebote eine untergeordnete Rolle. Erste Versuche seitens der touristischen AkteurInnen, Kultur in die Imagebildung aufzunehmen, gehen auf die 1980er-Jahre zurück (Türkis 2010: 146 f.) und wurden ab den 1990er-Jahren intensiviert. Eine umfassende Kampagne wurde 2010 von der Tirol Werbung als Mastermind der Marke Tirol initiiert: „kultur.tirol“ mit dem Claim „Keine Berge – trotzdem Tirol“ war eine Standortkampagne unter Aufnahme bestehender kulturbetrieblicher Angebote für die Destination Tirol, wurde mittlerweile aber mit dem Hinweis auf Evaluierung eingestellt. Um tiefer liegende kulturtheoretische und gesellschaftspolitische Reflexionen zu ermöglichen, wird Kulturtourismus nachfolgend als Denkfigur eingeführt. Dies ermöglicht einen Blickwechsel: Vom Standpunkt „Kulturtourismus“ aus lassen sich anhand konkreter Themen gesellschaftspolitische Kontexte freilegen, zu denen offensichtlich gewachsene divergierende Vorstellungen vorherrschen. Mittels der Denkfigur kann der Status quo außer Kraft gesetzt und das Potenzial einer gesellschaftspolitischen Perspektivierung von Kulturtourismus im Denkversuch „kulturelle Nachhaltigkeit und Entwicklung“ durchlaufen werden.

Kulturtourismus als Denkfigur Kulturelle Nachhaltigkeit und Entwicklung als gesellschaftspolitische Kontexte

Die Miteinbeziehung der kulturellen Dimension in Nachhaltigkeitsmodelle wird seit den 1990er-Jahren diskutiert, wesentliche Impulse dafür waren die Agenda 21 (Rio de Janeiro 1992) und der Aktionsplan „The Power of Culture“ (1998; vgl. auch Kagan 2008) der UNESCO. Kulturelle Nachhaltigkeit erfährt darin einen gesellschaftsverändernden Bedeutungs- und Wirkungsradius, benötigt aber, um ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Bevölkerungsbewusstsein zu etablieren und eine Kultur der Nachhaltigkeit aufzubauen, eine Strategieentwicklung von meinungsbildenden Einrichtungen und politischen Departments. Föhl weist auf das diesbezügliche Versäumnis der deutschen Kulturpolitik hin, die das Thema zu wenig konsequent verfolgt habe (Föhl 2011) – eine Kritik, die sich auf die österreichische Kulturpolitik übertragen lässt. Hingegen wurden in Österreich und besonders in Tirol in den vergangenen Jahren Green Events durch Anreizimpulse u.a. aus dem Lebensministerium, in Tirol durch die Initiative „Green Events Tirol“ des Klimabündnis Tirol und des Umwelt Vereins Tirol in Zusammenarbeit mit dem Land Tirol gestärkt. Auch im Tiroler Tourismus wird ökologische Nachhaltigkeitskultur mittels der Alpenkonvention betrieben, zudem gibt es einen stärker werdenden Trend zu nachhaltiger Angebotsentwicklung auf Initiative von Hoteliers und der Grünen Wirtschaft im Tourismus. Parallel zur großen Bedeutung ökologischer Nachhaltigkeit – relevant nicht nur, aber auch für einen Alpinraum – setzte sich, wiederum unter der Federführung der UNESCO, ein Nachhaltigkeitsbegriff durch, der die kulturelle Entwicklung im sozialen Sinne

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meint und die Emanzipation von herrschenden Diskursen sowie dominanten Produktions- und Rezeptionsweisen miteinschließt. Daraus entstand der Kernbegriff der kulturellen Vielfalt und Entwicklung, welcher im Kulturverständnis der UNESCO verankert ist1 und als Referenz für die Kulturpolitik der EU sowie deren Mitgliedsstaaten dient. So wie die Notwendigkeit einer Integration von Kultur für das Projekt der Europäischen Union relativ spät erkannt und u.a. in ECoC umgesetzt wurde, so bemüht sich auch die UNESCO um eine entsprechende Bewusstseinsbildung zum Stellenwert von Kultur für die globale Entwicklung. Sie geht von einem generalistischen und zugleich wirkungsmächtigen Kulturbegriff aus: „Culture is an essential investment for peace and stability, and is a prerequisite for the success of human development. A more visible and effective inclusion of culture in development programmes at local, national, and international levels is critical for sustainable development.“ (UNESCO 2010: 15)

Die Rollen von Kulturtourismus werden in der Kernaufgabe der UNESCO, dem Erhalt des immateriellen Erbes, als ökonomisches und soziales Empowerment benannt: „Cultural heritage not only generates income, but also builds social cohesion, mobilizing communities around its care and management. Cultural festivals enhance dialogue.“ (Ebd.: 6) Aus kulturmanagerialer Perspektive erfährt „das Verständnis einer kulturellen Nachhaltigkeit in der ökologischen, vor allem aber in der sozialen Zielsetzung eine gesellschaftspolitische Dimension. Zugleich sind für Gleichstellung, Partizipation und Entwicklung die Bezugnahmen auf gesellschaftliche und politische Wertesysteme und Normen quasi unumgänglich. Kagan spricht von notwendigen Inter-Kompetenzen im Kunst- und Kulturbereich:

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„Die kulturelle Vielfalt zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Weise, in der das Kulturerbe der Menschheit durch eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen zum Ausdruck gebracht, bereichert und weitergegeben wird, sondern auch in den vielfältigen Arten des künstlerischen Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung, des Vertriebs und des Genusses von kulturellen Ausdrucksformen, unabhängig davon, welche Mittel und Technologien verwendet werden.“ (Österreichische UNESCO-Kommission 2017: 7)

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„These processes will also involve developing ‚inter‘competences: intercultural, inter-sub-cultural, inter-conventional.“ (Kagan 2008: 18) Keine dieser „Inter-Kompetenzen“ ist ohne eine Verknüpfung mit „Werteensembles“ (ebd.: 17) denkbar, was eine ethische Fragestellung nach den Kriterien für herangezogene Werte impliziert: „Sustainability implies that social actors bear normativity. Not any kind of normative frame, but a clearly ,open culture‘, one that acknowledges cultural diversity, favours participatory polities […].“ (Ebd.: 17 f.) Auch der Sozialwissenschaftler und Kulturmanager Davide Brocchi (2008; 2007) erforscht die Rolle von Nachhaltigkeit im Sinne von kultureller Entwicklung. Die Wechselwirkung zwischen Kultur und Gesellschaft zeigt den Kulturbegriff als konstruktivistische Macht, woraus sich die Tragweite von institutionellem Agieren für nachhaltige Prozesse ableitet. Kulturelle Entwicklung und demokratische Werte gehen dabei eine progressive Allianz ein, deren zentrale Hindernisse in ideologischen Machtstrukturen und Interessen liegen. (Brocchi 2008: 52 f.) Die Bedeutung der kulturellen Dimension erläutert Brocchi „durch drei zusammenhängende Fragen: - die Frage der Kultur der Nachhaltigkeit – oder besser von Kulturen der Nachhaltigkeit; - die Frage der kulturellen Strategien der Nachhaltigkeit; - die Frage nach den Faktoren, die die kulturelle Evolution der Gesellschaft hemmen oder fördern.“ (Brocchi 2007: 2) Für das Verständnis eines kooperativen Kulturtourismus mit dem Ziel, kulturelle Nachhaltigkeit zu bewirken, sind aus Brocchis Ansätzen zwei Punkte relevant: die Ablehnung von Alternativem als Hemmfaktor und die Bedeutung von interkulturellen Auseinandersetzungen als Förderfaktor (ebd.: 16). Sowohl Tourismus- als auch Kulturorganisationen sind an der Gesamtkonzeption des gesellschaftlichen Zusammenlebens beteiligt und insofern Akteure, die sich zum einen einer normierenden Tätigkeit kaum entziehen, zum anderen Wandel beeinflussen können. Kooperativer Kulturtourismus bietet die Chance, in der Zusammenführung unterschiedlich zweckgerichteter Institutionen nachhaltige und eventuell innovative Wirkungskreise zu erkunden und zu realisieren. Siller und Matzler verweisen darauf, dass Tourismus nur durch ein Netzwerk unterschiedlicher, zusammenspielender Akteure funktionieren kann, wenn sich also Netzwerke aus den Bereichen Wirtschaft und Ökologie mit gesellschaftsbezogenen Themen wie Macht

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und Einfluss zusammenschließen und den Diskursradius erweitern. (Siller/ Matzler 2011: 208 f.; Siller 2010: 60 f.) Eine gesellschaftspolitische Gemeinsamkeit ist in Tirol bislang kaum gegeben, was auf die historische Entwicklung von Tourismus und Kultur, auf den traditionellen Vermarktungsdiskurs der Alpendestination sowie eine nur punktuell vorhandene, gemeinsame Auseinandersetzung bezüglich kulturtouristischer Potenziale zurückgeht. Der fehlende ökonomische Druck in Verbindung mit einer geringen Anzahl von tourismus-, aber auch kulturpolitischen Willensbekundungen führt dazu, dass es gegenwärtig wenig Motivation und Basis für Kulturtourismus gibt. Zugleich eröffnet dieser fehlende ökonomische Druck den Blick auf andere Potenziale. Als Denkfigur ermöglicht Kulturtourismus das Außer-Kraft-Setzen des Status quo, der existierenden Rahmenbedingungen, Denkmuster und Handlungsgewohnheiten. In die entstehende Leerstelle wollen wir kulturelle Nachhaltigkeit und Entwicklung als mögliche Gemeinsamkeit platzieren: In seiner Interdisziplinarität und als Treiber von Transformation kann Kulturtourismus Annäherungsprozesse zwischen Tourismus, Kultur und Politik ermöglichen. Im Folgenden wird in den Blick genommen, ob und mit welchen Potenzialen kooperativer Kulturtourismus in Tirol als Katalysator für die Öffnung und Stärkung zeitgenössischer Angebote und Themen wirken kann, die in dieser Region unter dem Einfluss von touristischen und politischen Dominanzen als Nischen, im europäischen Kontext hingegen als zeitgemäß gelten. Konkret ist der Frage nachzugehen, ob und unter welchen Rahmenbedingungen und Diskursen die folkloristische Semantisierung und Kulturalisierung durch die Tourismuswirtschaft konfliktreiche Themen, kulturvermittelnde Methoden und zeitgenössische Angebote von Kulturorganisationen aus dem Image verdrängt. Das betrifft nicht folkloristische Angebote wie Erinnerungskultur und alternative Angebote, deren Bandbreite internationale Programme und entmythisierte Regionalgeschichte umfasst – einen Identitätspluralismus im realen Raum. Inwiefern ihre Integration in den touristischen Raum Image- und Identitätsdiskurse enger zueinander zu führen vermag und dadurch die Destination für alle Stakeholder stärken kann, ist eine Kernfrage: Auf die Vorzüge einer offenen Auseinandersetzung mit und der Sichtbarmachung von eigener Identität auch für den Tourismus hat Siller hingewiesen. Im Anschluss an Siller versteht sich das Vorhaben, kulturelle Nachhaltigkeit in ihren sozialen und gesellschaftspolitischen Bezügen in den Mittelpunkt zu stellen,

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als weiterer Schritt, um den bislang marginalen Stellenwert von Kulturtourismus in Form von Kulturangeboten in einer alpinen Destination aufzubrechen. Die Logik folgt dabei dem Konzept von ECoC, das sich der konfliktfähigen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart von Städten und Regionen widmet, auf Pluralismus baut und genau darin zeigt, dass Image und Identität keine Widersprüche darstellen müssen. Vielmehr zeigen zahlreiche und sehr unterschiedliche Beispiele das enorme Nachhaltigkeitspotenzial einer Konstruktion, die Imagewerte aus Identitätsangeboten herauslöst, sich schwierigen Themen und pluralistischen Zugängen stellt und damit ökonomische (touristische) Potenziale erwirken kann. Aus diesem Konzept lassen sich modellhafte Anleihen ableiten, die eine neue Dimension für Kulturtourismus auch außerhalb von ECoC eröffnet. Als Tanker verfügt ECoC natürlich über finanzielle und werbewirksame Vorteile; als Denkfigur ermöglicht ECoC aber inspirierende Ansätze für ein Kernverständnis von Kulturtourismus als verändernde Kraft mit einer die Disziplinen übergreifenden gesellschaftlichen Vision.

U LRICH F UCHS – E XKURS : K ULTURHAUPTSTADT E UROPAS – EINE H ERAUSFORDERUNG FÜR T OURISMUS UND K ULTUR Eine außerordentliche Gelegenheit, kulturelle Dynamik und Qualität unter den Bedingungen eines „friedlichen Ausnahmezustands“ zu entfalten, bietet seit nunmehr dreißig Jahren die von der Europäischen Union ins Leben gerufene Kulturhauptstadt Europas. Während in den ersten Jahren einige Städte diesen Titel tragen durften, deren Nimbus ohnehin stark mit Kultur verbunden war (unter anderen Athen, Florenz und Paris), entschieden nationale und europäische Institutionen in der jüngeren Vergangenheit zunehmend unter dem Gesichtspunkt einer Stadtentwicklungsperspektive, die auf Kultur als treibenden Motor setzt (unter anderen Glasgow, Lille, Liverpool, Linz, Essen-Ruhr und Marseille-Provence). Nicht ohne Grund entscheidet die EU fünf Jahre im Voraus, welche Städte Kulturhauptstadt Europas sein werden. Denn der Titel ist nunmehr weniger eine Auszeichnung für den aktuell erreichten Zustand der Stadt als vielmehr ein Stipendium für einen Entwicklungsprozess bis zum entschei-

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denden Jahr und darüber hinaus. Zu den Vorbereitungen eines Kulturhauptstadtjahres zählen oft, allerdings nicht verpflichtend, Investitionen in kulturelle Infrastruktur, aber auch beträchtliche Mittel zur Entwicklung des Programms und der internationalen Kommunikation eines solch großen Kulturprojekts. Im Falle der oberösterreichischen Stadt Linz, Kulturhauptstadt Europas 2009, investierten zum Beispiel Republik, Bundesland und Stadt insgesamt über 330 Millionen Euro, für das kulturelle Programm stand darüber hinaus ein Budget von 60 Millionen Euro zur Verfügung, das im Laufe der Vorbereitungen durch 11 Millionen Euro Sponsoring aufgestockt werden konnte. Der Anteil der direkten Programmausgaben betrug knapp 70 %, für Kommunikations- und Marketingausgaben waren 17 % des Gesamtbudgets veranschlagt. (Linz09 2009b) Frankreichs zweitgrößte Stadt, Marseille, war gemeinsam mit der sie umgebenden Region Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2013. Dank dieser Auszeichnung hat Marseille den erheblichen Rückstand an kultureller Infrastruktur im Vergleich zu anderen französischen Städten aufholen können. Die öffentliche Hand investierte 680 Millionen Euro in diverse kulturelle Infrastrukturmaßnahmen, für das Programm standen insgesamt 91 Millionen Euro (inkl. 15 Millionen Euro Sponsoring) zur Verfügung. Bei diesen gewaltigen Summen stellt sich natürlich die Frage nach der viel beschworenen Nachhaltigkeit solcher öffentlicher und zum Teil privater Investitionen. Der Erfolg dieser Projekte ist, wie bei allen unternehmerischen Entscheidungen, nicht im Vorhinein garantiert und hängt von vielfältigen Faktoren ab. Evaluierungsergebnisse vergangener Kulturhauptstädte wie Glasgow, Liverpool, Linz und Marseille-Provence kommen zu dem Ergebnis einer außerordentlich hohen Rentabilität: Jeder investierte Euro floss im Durchschnitt sechsfach zurück. Dabei ist zu berücksichtigen, dass neben den tangiblen Faktoren, wie neu geschaffenen Arbeitsplätzen und steigenden Nächtigungszahlen im Tourismus auch schwerer messbare Effekte zu bewerten sind: Imagewandel, Selbstbild der Stadt, Zufriedenheit der Einwohner, dauerhafte Verbesserung des kulturellen Angebots, Internationalisierung – um nur einige allgemeingültige Aspekte und Ziele des Kulturhauptstadtprojekts zu erwähnen. Welche Kriterien gelten bei der Bewerbung um diesen im nationalen und internationalen Kontext höchst begehrten Titel? Die Europäische Kommission gibt mit den derzeit gültigen Kriterien klare Vorgaben, die

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sich in hohem Maße an kultureller und künstlerischer Exzellenz des Programms und an dessen europäischer und internationaler Ausrichtung („European dimension“) sowie an langfristigen Strategien kultureller Nachhaltigkeit orientieren (vgl. legal base, Europäische Kommission 2017). Darüber hinaus sind die Verlässlichkeit der strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen („capacity to deliver“ und „management“) und die Orientierung an breiter Zugänglichkeit zum Kulturprogramm („outreach“) von großer Bedeutung. Die entscheidende Rolle bei der Auswahl der Bewerberstädte spielt eine von den europäischen Institutionen – Parlament, Rat, Kommission – eingesetzte zehnköpfige Jury, deren Mitglieder ausgewiesene Fachleute aus den Bereichen Kunst und Kultur sind, in der Regel erfahren in der Realisierung großer Projekte. Der Verfasser dieses Beitrags ist seit 2014 Mitglied dieses Gremiums und verbürgt sich für die hohe Qualität und politische Unabhängigkeit der Jury. Er wurde als Experte vom Europäischen Rat berufen, aufgrund seiner Funktion als Programmdirektor von zwei Europäischen Kulturhauptstädten: Linz und Marseille-Provence. Mittlerweile gibt es zahlreiche durchaus auch kontroverse Studien zu den Zielen, zum Erfolg und Scheitern einzelner Städte sowie zu den nachhaltigen Effekten des Projekts European Capital of Culture (ECoC) (vgl. unter anderem die Evaluierungen auf der Website der EU, Europäische Kommission 2016). Im Zusammenhang mit der vorliegenden Publikation sollen aber im Folgenden lediglich zwei Fragestellungen anhand konkreter Erfahrungen im Vordergrund stehen: Inwieweit lässt das Jahresprogramm einer Kulturhauptstadt Europas Raum für kontroverse Themen, für die Bearbeitung „blinder Flecken“ der Stadtgeschichte und für zeitgenössische Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Herausforderungen eines Gemeinwesens? Oder hat die von Gudrun Quenzel in ihrem Buch „Konstruktionen von Europa“ formulierte Feststellung noch immer ihre Berechtigung?: „Kurz, die Europäische Union konzipiert Kunst und Kultur als das Schöne, Gute und Wahre und schließt damit an kulturpolitische Traditionen an, wie sie auch in der Entstehungszeit der Nationalstaaten etabliert wurden.“ (Quenzel 2005: 202 f.)

Inwieweit beeinflussen die mit dem Projekt verbundenen, durchaus berechtigten Interessen einer Steigerung der Tourismuszahlen die Inhalte der Programmgestaltung? Und umgekehrt: Beeinflusst die Programmgestaltung

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einer Kulturhauptstadt nachhaltig Strategien und Inhalte der TourismusAkteure? Geschichte(n) erzählen „How do you solve a problem like the Fuhrer?“ Einige Monate vor der Eröffnung der Kulturhauptstadt Europas Linz09 brachte der renommierte englische Journalist Norman Lebrecht eine der zentralen Herausforderungen der für das Programm der Kulturhauptstadt Verantwortlichen auf den Punkt. In jener lakonischen Präzision zumal, wie sie wohl nur die englische Sprache zu leisten vermag. Gerade diese Stadt mit einem derartigen europäischen Titel zu krönen, so Lebrecht, sei eine Entscheidung, die Satire und Vernunft gleichermaßen unterlaufe. „Ever since it was named Culture Capital I have been anxious how Linz would handle the challenge – the more so since culture, for Hitler, was contiguous with politics and race. For Linz to escape the stigma, it would have to deconstruct and redefine the meaning of culture in a heterogeneous society – but how can that be done?“ (Lebrecht 2008)

Die tiefe Verstrickung von Linz mit dem Nationalsozialismus ist ebenso unbestritten wie die Aufgabe, die sich daraus ergab. Wenn eine Kulturhauptstadt Europas die europäische Dimension ihrer Geschichte thematisieren soll, dann darf es sie nicht kümmern, ob diese Geschichte strahlend ist oder dunkel. Sie muss sie herzeigen als Teil ihrer Identität in einem Europa, das immer auch kultureller und nicht nur ökonomischer oder politischer Prozesse bedarf, um sich als differente Einheit finden zu können. Was aber konnte Linz, die einstige Paten- und Lieblingsstadt Hitlers, seinen Gästen zeigen über Bauten, Orte und Pläne, über Gedenkstätten sowie die Last der Erinnerung hinaus? Und wie ließ sich gegen jene verengte Wahrnehmung angehen, die ein vielschichtiges Stadtgefüge auf die Formel von Linzer Torte und Hitler reduziert? Vieles durfte sich die Stadt auch vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres in einer vorläufigen Bilanz zugute halten. Wie kaum eine andere in Österreich war sie schon früh bemüht, ihre Rolle im Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Die Resultate dieser Selbsterforschung waren und sind beeindruckend. Wer wissen will, kann lesen und wird erfahren, was war zwischen

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Mauthausen, Gusen, Hartheim und all den anderen Arbeitslagern und Vernichtungshöllen, der Rüstungsproduktion der „Reichswerke Hermann Göring“ und dem Alltag einer Stadt und ihrer Region, die ihrem „Führer“ 1938 einen begeisterten Empfang bereitet hatte. Für das Kulturhauptstadtjahr 2009 reichten solche – eigentlich selbstverständlichen – Anstrengungen allerdings nicht aus. Bisher hatte Linz den Faschismus in seinen lokalen Formen vor allem durch historische Forschungen und durch Archivarbeit herausgearbeitet (vgl. Janko 2004). Es musste nun im Kulturhauptstadtjahr darum gehen, sowohl einem bereits wissenden als auch einem unwissenden Publikum Geschichte auf eine neue Weise zu erzählen, die kulturelle Fragen nicht ausklammert und Erzählformen findet für ein breites und auch touristisches Publikum und mit dem öffentlichen Raum auch eine größere Bühne sucht. Denn es waren nicht allein soziale und politische Konstellationen, die den Nationalsozialismus möglich und attraktiv gemacht haben. Deshalb gehörten die Konzepte Hitlers, sein Linz zu einer massiv aufgerüsteten Kulturstätte zu machen, ebenso zum NS-System wie die menschenverachtende Repression und das Morden. Eine Kulturpropaganda, welche die Moderne sowohl radikal zu disqualifizieren als auch im Dienste der eigenen Ideologie zu beerben suchte, entsprach den Bedürfnissen vieler, denen der Nationalsozialismus Heimat und Heilslehre bedeutete. Dekonstruktion und Neubestimmung von Kultur: Dies hatte Norman Lebrecht in seinem Artikel im Evening Standard gefordert, als Antwort auf die Perversion und das leere Pathos nationalsozialistischer Formensprache. Das Kulturhauptstadt-Programm von Linz09 unternahm den Versuch, diesem Anspruch gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund der besonderen Linzer Geschichte wurde und wird jedes ästhetische Spiel im kulturellen Kontext zu einem auch politischen Programm. Der Kompositionsauftrag von Linz09 beispielsweise, unter dem Titel „Instant Anton“ aus Anton Bruckners Sinfonien je ungefähr fünfminütige Kürzestversionen zu destillieren, sollte als adäquater spielerischer Umgang mit einem Heros interpretiert werden, der von den Nazis und Hitler selbst auf vielfältige Weise beansprucht und vereinnahmt worden war. Insgesamt umfasste das Programm von Linz09 220 Projekte für das Jahr 2009, davon 19, die das Thema Zeitgeschichte und Erinnerungskultur zum Schwerpunkt hatten. (Linz09 2009a)

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Für jenes zeitgeschichtliche Programm wurde ein Mission Statement erarbeitet, das die Grundüberzeugung der für das Programm Verantwortlichen zusammenfasste: „Linz09 ist in einer Stadt verortet, deren Geschichte es im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres auf europäischer Ebene wie auch lokal zu thematisieren gilt. Eine wichtige Position nimmt dabei jene Zeit ein, in der die heutige Kulturhauptstadt als ‚Führerstadt‘ galt und umgeben war von einem Ring an Vernichtungsorten (Mauthausen, Gusen, Ebensee und Hartheim). Spuren des Nationalsozialismus sind nicht nur im Umland, sondern auch in der Stadt selbst spürbar und bis zur Gegenwart hin wirksam – in Wohnanlagen, den sogenannten ‚Hitlerbauten‘, im Industriekomplex der voest alpine und auch in den Baumaterialien scheinbar unscheinbarer Bauten, die in der NS-Zeit mit Mauthausener Granit gefertigt wurden, der mit dem Leben der KZHäftlinge bezahlt wurde. Linz09 tritt nicht mit dem Anspruch an, die Aufarbeitung von Geschichte neu zu erfinden. Es geht vielmehr darum, neue Erzählformen zu finden, mittels derer sowohl die regionale Bevölkerung als auch ein Publikum aus ganz Europa angesprochen werden kann.“ (Linz09 2009c)

Kunst- und Kulturprojekte können nur zum Teil pure Wissensvermittlung beanspruchen, sie sind auch wenig geeignet für die Bewältigung von Schuldfragen. Leistbar hingegen schien eine Reflexion der Fakten und deren Einbettung in gegenwärtige Fragestellungen. Denn die Fragen an die eigene Geschichte haben sich verändert. Die nationalsozialistische Vergangenheit wird in Deutschland und Österreich nunmehr auch in ihrer urbanistischen, ästhetischen und künstlerischen Perspektive wahrgenommen, ohne dass dadurch die Gräuel der Vergangenheit relativiert oder ignoriert werden. Es ging durchaus auch um die Erzählweise an sich: Linz09 sollte viele komplexe Erzählweisen zulassen und fördern, um auf verschiedenen Ebenen zu wirken. Polemisch, sachlich, nüchtern und provokativ sollte Geschichte angefasst werden. Die Fragen nach den Gründen und der Form dieser Auseinandersetzung wurden in einzelnen Teilprojekten von Linz09 unterschiedlich beantwortet. Die Vielfalt an Zugängen war in einen Rahmen gefasst, der das ganze Jahr über bemerkbar sein und verschiedene Positionen versammeln sollte, die das Publikum zur eigenständigen Beschäftigung anregte.

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Die 19 zeitgeschichtlichen Projekte umfassten ein weites Spektrum, das alle künstlerischen Disziplinen und Formate berührte: Architektur, bildende Kunst, Literatur, Musik, Theater, Ausstellungen, wissenschaftliche Symposien, Stadtteilkultur, schulische und universitäre Projekte, Stadtführungen und Interventionen im öffentlichen Raum. Drei realisierte Projekte sollen an dieser Stelle vorgestellt werden. „Die Kulturhauptstadt des Führers“ Bereits drei Monate vor dem offiziellen Beginn der Kulturhauptstadt Linz09 eröffnete das Landesmuseum Oberösterreich eine Ausstellung mit dem provokativen Titel „Die Kulturhauptstadt des Führers“ (Linz09 2009d). Ausgehend von dem in seinen Erinnerungen geäußerten Satz Albert Speers „[…] was war eigentlich unerlaubt an dem Projekt, die eigene Jugendstadt zu einer kulturellen Metropole zu machen?“ zeigte die Ausstellung, wie sich das kulturelle Leben in der NS-Zeit tatsächlich gestaltete, welche Kontinuitäten aus jener Zeit mitgenommen wurden und wie stark die Brüche nach 1945 waren. Der erste Teil der Ausstellung beschäftigte sich mit den Voraussetzungen des künstlerischen Schaffens in Linz und Oberösterreich während der NS-Zeit, der zweite Teil konzentrierte sich auf dessen Darstellungen in den Bereichen Musik, bildende Kunst, Literatur und Theater. Mit 62.000 BesucherInnen innerhalb von sechs Monaten fand die Ausstellung ein ebenso breites wie interessiertes und auch internationales Publikum und wurde aufgrund des großen Andrangs verlängert. In den internationalen Medien wurde sie eingehend und überwiegend positiv rezipiert. Die Überlegung, mit der Eröffnung dieser Ausstellung noch vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres unmissverständlich klarzumachen, dass Linz09 diesem schwierigen Thema nicht ausweichen wird, erwies sich als richtig, zumal dadurch im Jahr 2009 selbst auch für die internationalen Medien der Blick frei wurde für das Linz von heute. „Unter uns“ Das Projekt „Unter uns“ setzte sich auf eindrückliche Art und Weise mit der Architektur der NS-Zeit auseinander (Linz09 2009e). Im Zentrum der Stadt Linz befinden sich neben der Nibelungenbrücke, welche die Stadt an

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beiden Ufern der Donau verbindet, zwei heute unter Denkmalschutz stehende so genannte „Brückenkopfgebäude“ als einzige tatsächlich realisierte Bauten der von Hitler geplanten Monumentalanlagen. Die Bauarbeiten für die beiden Gebäude begannen 1939, nachdem die benötigten Grundstücke ihren ursprünglichen Besitzern, darunter zahlreichen jüdischen Familien, enteignet wurden. Adolf Hitler mischte sich auch immer wieder persönlich in den Fortgang der Bauarbeiten ein. „Wer hat das Brückenkopfgebäude gebaut?“ Diese Frage war das Leitmotiv einer im Kulturhauptstadtjahr 2009 realisierten Installation mitten im Zentrum, am Hauptplatz von Linz. Fragen nach den Ingenieuren, den Bauarbeitern, den Baumaterialien, den beteiligten Firmen schlossen sich an. Die Installation „Unter uns“ versuchte, die Steine des Brückenkopfgebäudes „zum Sprechen“ zu bringen und die Vergangenheit sichtbar zu machen. Aus den archivarischen und materiellen Hinterlassenschaften, der Befragung von ZeugInnen, der heutigen Gestalt von Haus und Gelände montierte die Künstlerin Hito Steyerl in einem ehemaligen Geschäftslokal des Gebäudes eine Videoinstallation. In die Fassade des Gebäudes wurde ein Muster geschlagen, das den Verläufen von Verschleppungen, Flucht- und Reisebewegungen der Opfer und Täter dieser Geschichte entsprach. Die Fassade wurde zu einer symbolischen Landkarte, die hinter dem Putz die Baugeschichte im Kontext nationalsozialistischer Zwangsarbeit, Vertreibung und Auslöschung freilegt. Fragmentarisch beleuchtete dieses Einzelbeispiel eine Facette des nationalsozialistischen Alltags zwischen Gewaltherrschaft und NS-Ästhetik. Im Frühjahr 2010 wurde die Fassade, so wie im Projektverlauf geplant, wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Dass die Realisierung dieses Projekts – Eigentümerin des Gebäudes ist eine staatliche Immobiliengesellschaft; das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wird heute von der Linzer Kunstuniversität genutzt – äußerst schwierig war und viele Diskussionen auslöste, ist leicht vorstellbar. Eindeutig war die Haltung der politisch Verantwortlichen: Weder die konservative Landes- noch die sozialdemokratische Stadtregierung hat jemals versucht, der Intendanz in die Auswahl der Projekte „reinzureden“. Im Gegenteil, gerade die Bearbeitung der „blinden Flecken“ der Stadtgeschichte durch sichtbare Projekte im öffentlichen Raum wurde als willkommene Ergänzung zu der bereits seit Jahren in Linz und Oberösterreich stattfinden wissenschaftlichen Aufarbeitung des Faschismus gesehen.

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Natürlich gab es in der Bevölkerung und in den Medien zunächst auch Unverständnis und Unmut über einige Projekte, insbesondere die „Beschädigung“ der Fassade des Brückenkopfgebäudes wurde kontrovers diskutiert. Alle Projekte, die die NS-Zeit thematisierten, wurden von einem intensiven Vermittlungsprogramm begleitet, sodass sich am Ende alle Verantwortlichen darin einig waren, dass die Mehrheit der Bevölkerung in diesen Projekten einen Befreiungsschlag für die Stadt sah. Der Verfasser dieses Artikels wird den Moment nicht vergessen, als im Juli 2009 eine Gruppe von älteren, in Linz geborenen Juden, die 1938 nach Tel Aviv und Jerusalem fliehen konnten, angesichts dieses starken Zeichens ihren Gefühlen freien Lauf ließen. Sie kamen als israelische Staatsbürger zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Linz zurück und registrierten, dass sich ihre Stadt zu den Verbrechen des Nationalsozialismus öffentlich bekennt. „IN SITU“ Temporäre Zeichen im öffentlichen Raum (gesprayte Bodenmarkierungen) dokumentierten von März 2009 bis weit über das Kulturhauptstadtjahr hinaus Orte des nationalsozialistischen Terrors in Linz (Linz09 2009 f.). Schaltstellen des NS-Systems wie der Sitz der Gestapo gehörten ebenso zu diesen geschichtsträchtigen Orten wie Schauplätze der Verfolgung von Jüdinnen und Juden bis hin zur Alltagsdimension des NS-Terrors wie etwa Denunziationen oder Akten des Widerstands. Durch die Verbindung eines konkreten Ortes mit dem, was hier „IN SITU“ (lat.: vor Ort) geschehen ist, wurde die Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik in Linz an konkreten Fallbeispielen erfahrbar. „IN SITU“ verstand sich als Vermittlungsprojekt, das die Ergebnisse der Forschungsarbeiten zur Geschichte der Stadt in narrative und künstlerische Formate übersetzte, um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können – zeitgeschichtlich Interessierten, die bewusst nach Informationen suchten, aber auch Passanten, die zufällig mit der NS-Geschichte vor Ort konfrontiert wurden. Die insgesamt 63 Markierungen blieben über einen langen Zeitraum sichtbar und verblassten erst mit der Zeit. Diese temporäre Konfiguration war der ausdrückliche Wunsch der drei Historikerinnen, die als Projektautorinnen dieses Vorhaben für Linz09 entwickelt hatten.

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Hat das Kulturhauptstadtjahr nachhaltig den Umgang der Stadt Linz mit seiner eigenen Geschichte verändert? Die Antwort auf diese Frage fällt eindeutig positiv aus. (Fuchs/Heller 2009) War die NS-Zeit vor 2009 beispielsweise nie Gegenstand der vom Tourismusbüro organisierten Stadtführungen, so gehört es heute selbstverständlich dazu, sogar mit einem gewissen Stolz darauf zu bestehen, dass sich die Stadt ihrer eigenen Geschichte stellt und sie bearbeitet. Auch sieben Jahre nach Linz09 hält die intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit in Linz an. Das Gedenkjahr 2015 stand für die Kultur- und die Tourismusorganisationen unter dem Jahresthema „Erinnern“ und für 2018, das Jahr des 100. Jubiläums des Landes Oberösterreich, laufen Vorbereitungen für eine sowohl festliche als auch (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte. Linz erfährt für dieses neue Narrativ und diesen zumindest in Österreich nicht weit verbreiteten Mut überwiegend Anerkennung und Respekt, vor allem aus dem Ausland. Wie sehr Linz solche Modelle brauchen konnte, ist nach dem Kulturhauptstadtjahr noch einmal deutlich geworden. Eine Aktion der Kunstuniversität hatte mittels einer subversiven Verpackung darauf aufmerksam gemacht, dass die antikisierende Figur einer Aphrodite, die sich in einer Grünanlage befindet, der Stadt im Jahr 1942 als persönliches Geschenk von Adolf Hitler übereignet worden war. Daraufhin wurde die Statue von der zuständigen Behörde umgehend abtransportiert und ausgelagert – mit dem Hinweis, die Stadt Linz setze damit ihre „konsequente Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ fort. Entsprechend kommentierten die KünstlerInnen dieses Vorgehen als Verdrängungsprozess, der jede öffentliche Diskussion unmöglich mache: „Die Leiche ist wieder im Keller.“ In der lokalen Zeitung begann daraufhin eine vehement geführte Debatte zu der Frage, ob die Aphrodite im Keller verbleiben müsse oder wieder aufgestellt werden solle. 84 % der Befragten votierten für eine Wiederaufstellung. Debattiert wurde daraufhin in der Stadt, ob dieses Ergebnis als Blindheit oder als Zeichen politischer Reife zu verstehen ist. Unbestreitbar ist jedenfalls, dass in Linz nach 2009 kulturelle Projekte den politischen Diskurs zum Selbstverständnis der Stadt animieren. Stellt Linz aufgrund seiner besonderen Geschichte und deren kultureller Bearbeitung eine Ausnahme in der Reihe der Europäischen Kulturhauptstädte dar? Keineswegs! Liverpool eröffnete 2008 ein „International Slavery Museum“ und setzte sich kritisch mit der Rolle der Stadt zur Zeit

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des Sklavenhandels im 18. Jahrhundert auseinander. Riga wagte sich 2014 neben der Aufarbeitung des Stalinismus und der KGB-Herrschaft zugegebenermaßen noch etwas zaghaft an ein verdrängtes Kapitel der jüngeren Geschichte: der Kollaboration von Teilen der lettischen Bevölkerung mit den Organisatoren des Holocaust. In Marseille wurden 2013 gegen beträchtlichen Widerstand vor allem aus dem politischen Umfeld zahlreiche Projekte zum französischen Kolonialismus in Nordafrika und zur Rolle Albert Camus im algerischen Bürgerkrieg realisiert. Keine Chancen hatten 2016 in den Augen der EU-Jury jene rumänischen Städte im Wettbewerb um den Titel Kulturhauptstadt Europas für 2021, die in ihren Bewerbungsdossiers um die Aufarbeitung der Ceausescu-Ära einen Bogen machen wollten oder aber die aktuelle Situation der Roma und Sinti in Rumänien außer Acht ließen. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Zumindest für den Beginn des 21. Jahrhunderts kann man zusammenfassend feststellen, dass in den ambitionierten Kulturprojekten der Europäischen Union alles andere als eine obsolete Orientierung am Schönen, Guten und Wahren vorherrscht. Eine Bewerberstadt um den Titel Kulturhauptstadt Europas, die nicht auch die Brüche und blinden Flecken, die Konflikte und Spannungen des eigenen Gemeinwesens zum Programm erhebt, hätte im Urteil der Experten-Jury wohl kaum eine Chance. Und es bestehen ebenso große Zweifel, ob eine überwiegende Orientierung an folkloristischem Kolorit und affirmativ-konsensueller Selbstdarstellung Besucher aus Europa und europäische Medien anziehen würden. Neue Bündnisse wagen In Venedig demonstrieren Bürger gegen die stundenweise Belagerung und Einnahme der Stadt durch Tausende von Kreuzschifffahrt-Touristen; in Marseille ist das meistverkaufte Souvenir ebendieser Klientel, überwiegend aus den USA kommend, der Pariser Eiffelturm; in Dubrovnik und Siena (beide Bewerberstädte für den Titel Kulturhauptstadt Europas) entwerfen die TouristikerInnen in den Bewerbungsdossiers Strategien gegen den „hit and run tourism“ bzw. die „Pizza-Hut-connection“, die der lokalen Tourismusindustrie im Unterschied zu den international agierenden Reiseveranstaltern nur magere Einnahmen bringen; nach Barcelona, Riga oder Tallinn mag man an verlängerten Wochenenden kaum mehr reisen, weil stark

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alkoholisierte und kreischende Horden von jungen Erwachsenen, vornehmlich aus England und angelockt durch Billigflüge, lautstark ihre „hen party“ feiern. Der Massentourismus in den Städten ist ebenso wie an den Stränden und in den Bergen an seine Grenzen gestoßen bzw. hat diese längst überschritten. Der Ausbau immer weiterer Kapazitäten und das Setzen auf Quantität und damit verbundene Inhaltslosigkeit zerstören Landschaften und Stadtbilder, bringen der lokalen Ökonomie nur geringe Vorteile und produzieren Widerstände der heimgesuchten Einheimischen, die ihr ohnehin fragiles Sozialgefüge von schubartigen Ausnahmezuständen bedroht sehen. In einem sanften, auf Qualität und kulturelle Inhalte setzenden, ökologisch sensiblen Tourismus sehen viele Experten zunehmend eine Alternative. Weder Linz noch Marseille hatten allerdings vor dem Kulturhauptstadtjahr mit Auswirkungen von Massentourismus zu kämpfen. Im Gegenteil. In beiden Städten bestimmte der Geschäftstourismus das Geschehen und dementsprechend waren die touristischen Erwartungen an das ECoCProjekt hoch. Ein neues Segment des Marktes sollte erschlossen werden: der Kulturtourismus. Schmerzhafte und konfliktreiche Anpassungs- und Lernprozesse zwischen der Tourismusindustrie und den Kulturinstitutionen kennzeichneten die Jahre der Vorbereitung auf dem Weg zu einer unumgänglichen Zusammenarbeit. Während der klassische Geschäftsreisende seinen Aufenthalt in der Regel unter der Woche so kurz und so pragmatisch wie möglich halten will („time is money“), hat der Kulturtourist ganz andere Bedürfnisse: Er kommt überwiegend am Wochenende, hat Zeit und will möglichst bereits im Hotel oder im Taxi umfassend, gegebenenfalls mehrsprachig und freundlich darüber informiert werden, wie sich der Aufenthalt in der Stadt gestalten ließe, was man sich ansehen oder anhören solle, wo man ein gutes Restaurant finden könne und was man denn sonst noch so unternehmen müsse. Auf diese Anforderungen waren die Tourismus-Profis, die TaxifahrerInnen, der Service an der Hotel-Rezeption, das Auskunftspersonal am Flughafen und am Bahnhof genauso wenig vorbereitet wie die Gendarmerie in der Stadt oder die MitarbeiterInnen der Kultureinrichtungen. In Linz zum Beispiel hatten am Sonntag viele Restaurants und selbst einige Hotels geschlossen, mit den Fremdsprachenkenntnissen haperte es ebenso wie mit dem Wissen um kulturelles Geschehen. Bei den Publikatio-

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nen der Kultureinrichtungen hatte man den Eindruck, sie richteten sich inhaltlich und sprachlich eher an ein philosophisches Universitäts-Oberseminar als an ein breites und neugieriges Kulturpublikum. In den TouristikerInnen sahen die Kulturakteure vor allem schnöde Vermarkter, die sich für Inhalte nicht wirklich interessieren, und diejenigen, die touristisch ein neues Publikum erschließen sollten, schätzten die „Kultur-Fuzzis“ mehr oder weniger als elitäre Spinner ein, für die es belanglos ist, ob KundInnen (= BesucherInnen) kommen oder nicht. Das mag alles etwas überspitzt klingen und ist es vielleicht auch, aber im Kern trifft es eine Realität, die in Marseille im übrigen nicht viel anders war. In beiden Städten hat das Kulturhauptstadtprojekt diese Realität gehörig durcheinandergewirbelt und einiges auf den Kopf gestellt. Die Herausforderungen waren groß – für alle Beteiligten, die eine Zusammenarbeit nicht eingeübt hatten und die nun im gegenseitigen Interesse ein neues Bündnis wagen mussten. Die in beiden Städten von außen kommende Intendanz des Kulturhauptstadtprojekts leistete dabei „Übersetzungsarbeit“ und lud die Akteure zu neuen Wegen, zu Anstrengungen und Kompromissen ein. Das Ergebnis kann sich in beiden Fällen sehen lassen. Zunächst erstaunt nicht, dass sowohl in Linz als auch in Marseille die Anzahl der TagesbesucherInnen und die Nächtigungen im Kulturhauptstadtjahr selbst um 10 % (Linz) bzw. 15 % (Marseille-Provence) anstiegen. Damit erfüllten beide Städte die Erwartungen der neuen kulturtouristischen Orientierung. Bemerkenswert ist allerdings, wie sich die Zahlen in den Jahren nach dem ECoC-Jahr entwickelt haben. Erwartungsgemäß sank in Linz die Zahl der Nächtigungen im Jahr eins nach Linz09 geringfügig von 738.000 auf 693.000 Nächtigungen. Der letztgenannte Wert lag aber bereits deutlich über dem des Jahres vor der Kulturhauptstadt. Für die Jahre 2011 bis 2015 konnten die folgenden Nächtigungszahlen festgestellt werden: • • • • •

2011 2012 2013 2014 2015

742.000 Nächtigungen 793.000 Nächtigungen 775.000 Nächtigungen 775.000 Nächtigungen 777.000 Nächtigungen

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Für Marseille-Provence war das Ergebnis nach dem Kulturhauptstadtjahr 2013 sogar noch positiver: kein Rückgang im Folgejahr und deutlich steigende Zahlen 2015 und in den ersten neun Monaten 2016. Wie lassen sich diese Zahlen interpretieren? Wie weiter oben bereits dargelegt, war weder Linz noch Marseille vor dem Kulturhauptstadtjahr eine überzeugende kulturtouristische Destination. Salzburg, Wien und Graz oder Paris, Bordeaux und Lyon waren für an Kultur interessierte TouristInnen allemal interessantere Reiseziele. Mit dem Kulturhauptstadtjahr und mit durchaus nicht nur wohlgefälligen Mainstream-Programmen, sondern mit ambitionierten und kontroversen Themen konnten sich Linz und Marseille auf der europäischen Landkarte des Kulturtourismus neu positionieren. Das lag zum einen an dem Nimbus und dem steigenden Bekanntheitsgrad im ECoC-Jahr selbst sowie an sehr positiven Medienreaktionen, die sich oft erst mit einer gewissen Zeitverzögerung verbreiteten. Zum anderen stellen auch die mit dem Kulturhauptstadtjahr verbundenen kulturellen Infrastrukturen eine Art „Guggenheim-Effekt“ (Bilbao) dar – das heißt, neue Architekturen im Stadtraum wurden zu „Icons“, die nicht nur kulturell interessierte Menschen neugierig machen. Beispielhaft sei das „Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditerranée“ (MuCEM) in Marseille genannt, das als erstes Nationalmuseum Frankreichs außerhalb von Paris im Sommer 2013 eröffnet wurde und seitdem mit circa 1 Million BesucherInnen jährlich zum meistbesuchten Ziel der Stadt wurde. Kulturelle Nachhaltigkeit lässt sich allerdings nicht allein durch eine entsprechende Hardware sichern. Vielmehr ist es unabdingbar, dass sowohl die Kulturpolitik als auch die Kulturakteure ebenso wie die Tourismusindustrie die besonderen Erfahrungen des ECoC-Jahres in ihre weitergehenden Strategien integrieren. Etwas salopp formuliert ähnelt die Situation der eines Fußballclubs, der zum ersten Mal an der Champions League teilnimmt. Kluge Manager werden alles versuchen, um diesen Aufstieg auch in der folgenden Saison zu sichern. Die Erfahrungen in diesem Feld sind sowohl in Linz als auch in Marseille ambivalent und durchaus nicht nur positiv. Seitens der Politik waren zwar Zustimmung und Unterstützung für das Projekt am Anfang durchaus vorhanden, allerdings ging an der Lokalpolitik und ihren gewählten VertreterInnen das Potenzial des Kulturhauptstadtjahrs nahezu spurlos vorüber. Anstatt mit dem unzweifelhaften Erfolg im Rücken neue Ziele und Perspektiven der Kulturpolitik zu definieren, stellte sich in der Politik ein

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behäbiges Zufriedenheitsgefühl mit dem Erreichten ein. Oder, schlimmer noch, die Erfolge des Kulturhauptstadtprojekts standen schnell wieder zur Disposition, wenn sie mit Folgekosten verbunden waren. Die Euphorie der Linzer hatte sich nach dem Ende des Kulturhauptstadtjahres kaum gelegt, da wurden bereits die mehrsprachigen Ortstafeln (ein Projekt von Linz09) abgebaut, das Akustikon geschlossen und der Kinderpunkt am Hauptplatz aufgelöst. Als jüngsten Beleg lässt sich die Schließung des „Atelierhauses Salzamt“ anführen – ein im Jahr 2009 geschaffener Ort des internationalen Kulturaustausches für junge KünstlerInnen. Im Oktober 2016 beendete der Gemeinderat in einer unsäglichen und beschämenden Koalition mit den Stimmen der SPÖ, der rechtspopulistischen FPÖ und der ÖVP die Existenz dieser Einrichtung aus Kostengründen. Die meisten Kultureinrichtungen und ihre Akteure ließen und lassen sich durch diese reaktionäre politische Ignoranz nicht entmutigen. Bald nach dem Ende von Linz09 begann die Arbeit an einem neuen Kulturentwicklungsplan, der – aufbauend auf dem KEP I und den Erfahrungen des Jahres 2009 – als KEP II im Jahr 2013 beschlossen wurde und die Ziele der Kulturentwicklung bis zum Jahr 2020 festschreibt. Die zeitgenössische Orientierung des Linzer Kulturangebots setzte sich mit der erfolgreichen Bewerbung als UNESCO City of Media Arts ebenfalls positiv fort. Einer der populärsten Programmpunkte des Kulturhauptstadtjahres ist noch immer in Linz präsent: Mit der Installation eines „Höhenrausch“ genannten Parcours zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum und über den Dächern der Stadt hatte das Offene Kulturhaus (OK) 2009 alle Besucherrekorde gebrochen: Diese mit knapp 300.000 Eintritten meistbesuchte Gegenwartskunst-Ausstellung in Österreich seit 1945 wurde in den Folgejahren 2011 bis 2016 fortgesetzt, jeweils unter neuen, zeitgenössischen Thematiken. Kurz vor Ende der diesjährigen Ausstellung mit dem Thema „Andere Engel“ wurde die millionste Besucherin begrüßt. Die Erfolge in Linz wären undenkbar, hätte es nicht mit 2009 das eindeutige Bekenntnis der Tourismusindustrie und der Kulturanbieter gegeben, die begonnene Zusammenarbeit und das mit dem Kulturhauptstadtjahr begründete Bündnis nicht nur fortzusetzen, sondern zu intensivieren. So werden beispielsweise seit 2011 thematische Schwerpunktsetzungen für jeweils das gesamte Jahr gemeinsam definiert, die als eine Art Klammer inhaltlich und in der Dachkommunikation der Stadt verbindlich sind. Natur, Architektur, Musik, Donau, Erinnern und Media Art waren beispielsweise

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die großen Überschriften zwischen 2011 und 2016. Wer sich über ein ambitioniertes und inhaltlich gut aufgestelltes Miteinander von Kultur und Tourismus ein aktuelles Bild machen möchte, dem seien die Publikationen und die Website des Tourismusverbandes Linz (TVL) empfohlen. In der Folge des durch Linz09 Erreichten zeigt sich hier ein innovatives Verständnis von Kulturtourismus, der durchaus einen Beitrag leistet im Prozess der städtischen Transformation. Die Ergebnisse für Marseille sind noch vorläufig, aber in der zweitgrößten Stadt Frankreichs gibt es mehr Licht als Schatten, was die nachhaltige Sicherung des ECoC-Jahres anbetrifft. Die Ernennung der „Cité Radieuse“ von Le Corbusier zum Weltkulturerbe im Sommer 2016 und die künstlerische „Bespielung“ des Dachs dieser außergewöhnlichen Wohnanlage seit dem Kulturhauptstadtjahr („MAMO – Marseille Modulor“) gehörten ebenso zu einer willkommenen Anknüpfung wie die Sicherung eines der erfolgreichsten Programmpunkte des Jahres 2013: eine „Biennale Internationale des Arts du Cirque Marseille“ seit 2015. Die Überschüsse aus dem Programmbudget von Marseille-Provence 2013 – immerhin knapp 1 Millionen Euro – bilden den Grundstein für ein außerordentliches Festival im Jahr 2018, um so an die Energie anzuknüpfen, die fünf Jahre zuvor zum Erfolg führte. Zu den Hoffnungen auf nachhaltige Sicherung darf man ebenfalls zählen, dass sich Marseille erfolgreich um die Ausrichtung der „Manifesta – The European Biennal of Contemporary Art“ im Jahr 2020 beworben hat. Ausblick Trotz der noch relativ jungen Geschichte des sicherlich erfolgreichsten Projekts der europäischen Kulturpolitik gibt es bereits eine stattliche Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen zum Thema Kulturhauptstadt Europas. Tatsächlich bieten sich die ebenso zahlreichen und für jedes Projekt verpflichtenden Evaluierungen für unterschiedliche Betrachtungsweisen an. In dem vorstehenden Beitrag wurden lediglich zwei Aspekte am Beispiel Linz09 und Marseille-Provence 2013 aufgegriffen, in der Absicht, Anschauliches für diese Gesamtpublikation zu liefern. Dabei konnten die übergeordneten Strategien beider Kulturhauptstädte nicht einmal ansatzweise vorgestellt werden.

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Linz – zwischen den klassischen Kulturstädten Salzburg und Wien gelegen – wollte sich mit dem Kulturhauptstadtprojekt vor allem als die zeitgenössische und zukunftsorientierte Stadt in Österreich profilieren. Marseille-Provence 2013 wollte programmatisch vor allem eine Brücke zwischen den europäischen und den afrikanisch-arabischen Ländern des Mittelmeerraums bauen und verstand und versteht sich als „capitale euroméditerranéenne de la culture“. Inwieweit diese sehr unterschiedlichen Strategien in den beiden Städten Erfolg hatten, steht allerdings auf einem anderen Blatt und verdiente eine eigenständige kritische Würdigung. Nicht zu bestreiten ist hingegen, dass sich sowohl die drittgrößte Stadt Österreichs als auch die zweitgrößte Stadt Frankreichs auf der europäischen Landkarte des Kulturtourismus dank des Kulturhauptstadtjahres neu und erfolgreich positionieren konnten. Dieser Erfolg verdankt sich in erster Linie der langfristigen Verbindung der kulturpolitischen mit der touristischen Strategie beider Städte. Hinter diesen Erkenntnisstand wird keine Region Europas in Zukunft mehr zurückfallen können, will sie sich im 21. Jahrhundert erfolgreich und attraktiv im (kultur-)touristischen Wettbewerb behaupten.

A LTERNATIVANGEBOTE UND E RINNERUNGSKULTUR ALS H ERAUSFORDERER ALPIN SEMANTISIERTER I MAGEBILDUNG Der Idee von ECoC folgend, rückt statt einer „normalen“ Vermittlung einzelner Angebote ein Bewusstseinswandel in den Mittelpunkt: Welche Themen können in Tirol vom Standpunkt der Denkfigur Kulturtourismus aus gesehen so integriert werden, dass das Verhältnis zwischen Image und Identität in einen produktiven Diskurs verwandelt werden kann? Ausgehend von aktuellen Anlassfällen, die zu neuen Richtlinien in der Tiroler Kulturpolitik bezüglich Erinnerungskultur und Volkskultur geführt haben, könnte dies zum einen ein Transfer von Erinnerungskultur in die kulturelle und touristische Praxis sein; zum anderen eine Aufwertung alternativer Angebote, die das volkskulturelle Element modifizieren und/oder kontrastieren – also eine Modernisierung des ländlich alpinen Images durch alternative und internationale Angebote. Beide Felder sind von einem Diskursgefälle zwischen Image und Identität gekennzeichnet, einmal im Umgang

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mit der Tiroler Geschichte, einmal im Verhältnis zwischen Tradition und Modernisierung. Im Gegensatz zum Narrativ vom Land und der Semantisierung des touristischen Raums im alpin traditionellen Lebensstil birgt das Tiroler Kulturangebot, ästhetisch und thematisch vielfältig, innovative Authentizitätsbegriffe. Neben der Interkulturalität als Begegnungssituation im eigenen Land oder auf Reisen erfährt die Internationalisierung von Programmangeboten zur Unterstützung eines globalen Kulturaustauschs jüngst eine höhere Aufmerksamkeit im Kulturmanagement (Henze 2017), wobei hier insbesondere das Erbe des Eurozentrismus im hochkulturellen Betrieb hinterfragt werden sollte.2 Die Aufnahme von Internationalisierung und Erinnerungskultur in die Agenden des Kulturmanagements hinkt der kulturellen Praxis dabei zum Teil um Jahrzehnte hinterher. Dies lässt sich auf die hochkulturelle Ausrichtung des deutschen Kulturmanagements zum einen, die Scheu vor einer politischer Dimensionierung und Perspektivierung auch in den Geisteswissenschaften in Deutschland zum anderen zurückführen.3 Aufgrund ihrer Veranstaltungscharakteristika zählen z.B. künstlerischkulturelle Festivals zu den Speerspitzen von Internationalisierung, hier wiederum besonders Musik- und Filmfestivals als Folge der globalen Verbreitung kulturindustrieller Produktion ab dem frühen 20. Jahrhundert; postkoloniale Kritik bestimmte die gesellschaftspolitischen Sektoren dieser kulturellen Praxis und künstlerischen Produktion. Die Notwendigkeit, sich im Kulturmanagement auch mit Erinnerungskultur zu beschäftigen, wurde erstmals in der KulturmanagementEinführung von Hoppe und Heinze ausführlich behandelt (Hoppe/Heinze

2

Bis in die Nullerjahre des 21. Jahrhunderts bedeutet Internationalisierung im hochkulturellen Programmangebot im deutschsprachigen Raum vornehmlich die Berücksichtigung westlicher Kulturkreise.

3

Bei Marchart heißt es: „Deutsche Kulturwissenschaften offerierten keine Matrix für politisches Handeln. Die tiefere Ursache dafür mag, wie Assmann bemerkt, in einem aus der Erfahrung des Nazismus geborenen historischen Vorbehalt gegenüber direkter Politisierung von Wissenschaft zu finden sein. Paradoxerweise wirkt, sollte diese Einschätzung zutreffen, gerade die Zentralerfahrung der Shoa, die zugleich Anstoß des von Assmann mitbegründeten Gedächtnisparadigmas der Kulturwissenschaft ist, hemmend bezüglich realer Politisierung.“ (Marchart 2008: 22 f.)

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2016: 197 ff.). Kulturwissenschaftlich werden das von Wolfgang Koselleck als „negatives Gedächtnis“ bezeichnete Phänomen nationaler Schuld und der Umgang mit dieser von u.a. Aleida Assmann erforscht (Assmann 2010; 2006). Trotz der unvorteilhaften Bezeichnung „negatives“ Gedächtnis sieht die Gedächtnisforschung lösende, verbindende und verbindliche Konsequenzen im offenen Umgang damit, während die Tabuisierung solcher Traumata gesellschaftliche Weiterentwicklung behindert. Die Anforderungen, Image und Identität zu verknüpfen, zeigen gerade HolocaustGedenkstätten exemplarisch auf: Sie müssen sich an einem höchst diversen, ja, polarisierten BesucherInnen-Schema und an multiplen Aufgaben orientierten. Sie sind für die regionale und nationale Erinnerungskultur ebenso bedeutungsvoll wie für die global verstreuten Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen (vgl. Assmann 2010) und wirken auf regionales, nationales und globales Raumverständnis sowie das kollektive Gedächtnis zurück. Gudrun Quenzel verweist in „Konstruktionen von Europa“ (Quenzel 2005) auf den Paradigmenwechsel im Umgang mit Gedächtnis für kollektive Identitäten: Die Auseinandersetzung mit Schuld löse heroische Nationalgeschichtsschreibung zunehmend ab, man gedenke „statt der tatkräftigen Helden der Opfer“ (ebd., mit Bezug auf Giehsen 2002: 132). Inwiefern Schuld ein konstruktives Identitätsangebot ermöglicht, sei jedoch kritisch hinterfragt; in den Kunstsparten – und den Kulturbetrieben als ihre Vermittler – gibt es seit den 1990er-Jahren zahlreiche Ansätze, die Opfer-Täter-Trennung aufzuheben und Schuld als gemeinsames Trauma zu thematisieren.4 Im Zentrum der Auseinandersetzung mit dem negativen Gedächtnis steht letztlich die Notwendigkeit zu erkennen, welche Bedingungen den in Auschwitz vollzogenen Zivilisationsbruch (Diner 1988: 8) ermöglicht haben, damit die politisch kommunizierten Werte Europas wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Toleranz sich neu verankern können. Oder wie es Aleida Assmann formuliert: Es gilt, die progressiven bzw. produktiven Kräfte freizulegen, die ein Durchleuchten dieses dunklen Kapitels Europas ermöglichen, wie durch die Unantastbarkeit der Menschenrechte symbolisiert (Assmann 2006: 279). Mit dem Ableben der letzten ZeitzeugInnen tritt zugleich eine Wende von der Zeitgeschichte zur Geschichte ein und gibt der Beschäftigung mit dem negativen Gedächtnis eine neue Verantwortung. (Hoppe/Heinze 2016; Allmeier et al. 2016)

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Vgl. die Filme von Rithy Panh (Kambodscha), Patricio Guzmán (Chile).

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Erinnerungstourismus kann als Beitrag dazu verstanden werden und hat „in Deutschland durch den Nationalsozialismus und die DDR eine stark nationale Prägung erfahren. Gedenkstätten, Denkmäler und Ausstellungen, die sich diesen historischen Themen widmen, erfahren eine große öffentliche Aufmerksamkeit und werden häufig auf Reisen besucht“ (Pröbstle 2014: 13).

In Österreich hat ein offensiver Umgang mit Erinnerungskultur auf offizieller Ebene um vieles später als in Deutschland eingesetzt und auch Erinnerungstourismus beginnt erst langsam, eine Rolle zu spielen. Das Beispiel Linz zeigt, wie umfassend positiv entsprechend aufbereitete Angebote in gesellschaftspolitischer Hinsicht wirken können. Linz Tourismus ging den 1986 von der Stadtpolitik beschrittenen und durch Linz09 wirkungsmächtig umgesetzten Weg weiter und vermittelt auf seiner Homepage „Linz für (Zeit-)Geschichts-Interessierte“ ein umfassendes Angebot zur nationalsozialistischen Erinnerungskultur. (Tourismusverband Linz 2016) Bislang scheint die Vorstellung eines Bundeslandes Tirol, das sich mit erinnerungskulturellen, internationalen und überraschend alternativen Angeboten einen Namen macht, noch kaum im Bewusstsein von touristischen Multiplikatoren, Kulturanbietern und politischen EntscheidungsträgerInnen zu existieren. So wurde etwa die Bewerbung Innsbrucks für den Titel Kulturhauptstadt Europas 2024 von der Politik negativ beschieden; der hohe finanzielle Aufwand, das bevorstehende Maximilian-Jubiläumsjahr 2019 und die Aussicht auf eine Bewerbung für Olympia 2026 gaben dafür den Ausschlag. Die Chance, mittels ECoC einen Prozess der kulturellen Neufindung und Modernisierung anzustoßen, Kulturtourismus als (ergänzendes) Standbein strategisch aufzubereiten, stieß auf kein politisches Echo. Abseits eines solchen Großprojekts, das in seinen geforderten Dimensionen eine klare politische Willensbekundung und inhaltliche Positionierung benötigt, ist es umso bemerkenswerter, dass Alternatives als Nische mit politischer Unterstützung stattfindet. In der Zusammenarbeit zwischen Interessenvertretungen und Kulturpolitik wurden in den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts drei Förderschienen zur Intensivierung der zeitgenössischen, diskursorientierten Kunst- und Kulturproduktion eingerichtet: 2002 entstand TKI open, 2007 Kunst im öffentlichen Raum/KÖR Tirol und 2008 wurden die auf Innsbruck bezogenen stadt_potenziale initiiert. Sie ermöglichen die Produktion und Vermittlung von kritischen, erinnerungskulturel-

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len und gesellschaftspolitischen Projekten zeitgenössischer Kunst. Bei der vom Kulturamt der Stadt Innsbruck beauftragten Evaluation der Förderschiene stadt_potenziale traten die wirkungsmächtigen Narrative der freien Szene und der politischen EntscheidungsträgerInnen ebenso zutage wie Berührungsängste seitens der kulturellen Interessenvertretung gegenüber touristischen Stakeholdern. Auf einer Metaebene ließ sich feststellen, dass kulturvermittelnde Ansprüche, kulturpolitische Ziele und touristische Interessen in der Gesellschaft des frühen 21. Jahrhunderts neuen und v.a. gemeinsamen Ausverhandlungsprozessen unterzogen werden sollten; und dass es zwar unterschiedliche Erwartungen, aber doch ein grundsätzliches gemeinsames Interesse bei den unterschiedlichen Stakeholdern gibt. (Teissl/Seltenheim 2017; 2016) Auf Basis dieser, vorsichtig als Indizien für einen Bewusstseinswandel interpretierten, Erkenntnisse sowie der Vorgänge, die zu den neuen kulturpolitischen Richtlinien führten, können an dieser Stelle Angebote für Interkulturalität, Internationalisierung und Erinnerungskultur als geeignete Themen für kulturelle Nachhaltigkeit und Entwicklung durch Kulturtourismus formuliert werden. Sillers Verweis darauf, dass kulturtouristische Inszenierungen dem kulturmanagerialen Bildungsauftrag treu bleiben können, wenn sie „Elemente von ursprünglichen Traditionen“ enthalten (Siller 2010: 138), lässt sich weiterdenken: Wenn regionale Identitäten nicht nur an Traditionen anschließen und trotzdem tourismustauglich scheinen, warum sollte dies für moderne, aber ebenso authentische Angebote nicht ebenfalls gelten? Die Frage ist nicht rein rhetorischer Natur; sie impliziert vielmehr die Überlegung, mit welchen dispositiven Strukturen und Einflussfaktoren Image- und Identitätsangebote sowie damit verknüpfte Wertebildungen bzw. In-Wert-Setzungen von wem für wen stattfinden. Die in den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen definierten unterschiedlichen Zielrichtungen sind u.a. Ergebnisse der Entstehungsprozesse und gehen mit der Institutionalisierung von Selbstverständnis einher. Institutionalisierung bedeutet die Verankerung eines Handlungsfeldes im gesellschaftlichen Gefüge mit eingeschriebenen Regeln und bestätigt seine Relevanz für dieses. Deshalb haben Institutionen aber auch qua ihrer so gewonnenen Autorität das Potenzial, Treiber von Innovationen und Entwicklung zu sein. Die nachfolgende Skizzierung ist frei vom Anspruch einer chronologischen Entwicklung von Tourismus- und Kulturbetrieben. Vielmehr sind

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Phänomene der Gemeinsamkeiten und Differenzen zu Beginn ihrer retrospektiven Entwicklungen in der bürgerlichen Moderne sowie die divergierende Entfaltung nach dem Zweiten Weltkrieg interessant, als sich Tourismus und Kulturbetriebe fast gegenläufig weiterentwickelten.

Historische Berührungspunkte und Wegscheiden

Die Entstehung des modernen Tourismus als organisierter Sektor im 19. Jahrhundert (Zimmermann/Gamper 2012a: 15) fällt zeitlich zusammen mit der beginnenden Ausgestaltung des (hochkulturellen) Kulturbetriebs (Heinrichs 2006) und weist soziologische und kontextuale Parallelen auf. Technologischer Fortschritt, die Erstarkung des Bürgertums und ein neues Bewusstsein von subjektiver Identität griffen ineinander und prägten Tourismus- und Kulturbetriebsstrukturen. Der hochkulturelle Kulturbetrieb wuchs, als Kunstschaffende selbstbewusst und vermehrt aus ihrem Dasein als AuftragnehmerInnen heraustraten, sich selbsttätig mit Themen in die (bürgerliche) Gesellschaft einbrachten. Das beförderte zugleich die Entfaltung eines Marktes mit neuen Vermittlungseinrichtungen und Akteuren (Galerien, Verlage, SammlerInnen) sowie die thematische und motivische Öffnung künstlerischer Darstellung (vgl. Krieger 2007; Heinrichs 2006). Die Intention der bürgerlich-prestigeorientierten Kulturbetriebe wie Museen folgte zugleich dem nationalstaatlichen Impetus des 19. Jahrhunderts, geprägt vom zeitgenössischen Eurozentrismus und Imperialismus. Foucault bezeichnete diese als Heterotopien der vergangenen Jahrhunderte (Foucault 1992). Das organisierte Reisen verknüpfte sich seinerseits ebenfalls mit der bürgerlichen Schicht, während die zuvor übliche Praxis der „Grand Tour“ als Bildungsmerkmal und Privileg für und von Adeligen galt. Der Zugang zur Welt mittels Reisen, aber auch durch Kulturbetriebe durchlief Prozesse der Demokratisierung und bürgerlichen Emanzipation. Im zeitgenössischen Kontext bedeutete dieser Umbruch eine Machtverschiebung in die Breite, vom hohen und niederen Adel hin zu Bürgertum und Industrieadel. Sie

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waren die zentralen AdressatInnen für den aufkommenden Tourismus sowie für den sich neu entfaltenden Kulturbetrieb und sie schrieben beiden ihre gesellschaftspolitischen Ideale und Bedürfnisse sowie ihre sozioökonomischen Strukturen ein. Die neue Mobilität durch die Eisenbahn, der Ausbau touristischer Infrastruktur und das Heranwachsen internationaler Kommunikationsmöglichkeiten machten Weltausstellungen und die ab 1876 entstehenden künstlerisch-kulturellen Festivals zu frühen kulturtouristischen Attraktionen mit Ökonomisierungs- und Internationalisierungseffekten. Die erste Biennale in Venedig 1895 wurde dank der Unterstützung von und in Kooperation mit den Hoteliers ermöglicht; diese erhofften sich angesichts der eröffneten Eisenbahnstrecke touristischen Zulauf und sahen in dem Festival ein attraktives Zusatzangebot (Teissl 2013; Fleck 2012). Auch die Entstehung der Salzburger Festspiele war von kulturtouristischer Absicht inspiriert und die nie umgesetzten Pläne riesiger Festspielhäuser inklusive Lustgarten bereits 1920 legen Zeugnis von dem gigantisch gedachten Vorhaben ab, das sich erst in den Nachkriegsjahren in vergleichsweise bescheidenerem Ausmaß realisieren sollte. (Museum der Moderne Salzburg 2016) Die für den professionellen Tourismusbetrieb genutzten Länder- oder Regionalklischees entstanden jedoch auch abseits von touristischen Reisen, Literaturzeugnissen oder Museen, manchmal auch außerhalb der bürgerlichen Welt. Bereits im 17. Jahrhundert führte der Niedergang des Bergbaus dazu, dass Tiroler zu, nach heutigem Sprachgebrauch, Wirtschaftsmigranten wurden und ihren Lebensunterhalt als „Spielleute und Wanderhändler“ (Pizzinini 1996: 53) verdienten. Tirolerinnen waren davon genauso betroffen und wurden zusätzlich in die Prostitution gedrängt. (Ebd.) Aber auch eigens für den Verkauf angefertigtes, volkstümlich wirkendes Kunsthandwerk wurde produziert und feilgeboten. Schon zu dieser Zeit verbreitete sich ein Bild der TirolerInnen in Europa, das in Österreich mittels kultureller Produktionen verfestigt wurde. Die komische Oper „Der Tyroler Wastl“ (1798) von Emanuel Schikaneder zeichnete die Klischeebilder der urigen, religiösen AlpenbewohnerInnen in Tracht, die je nach Geschlecht entweder mit Büchse ausgestattet oder von Schönheit gesegnet waren. (Ebd.: 53 ff.) Auch die Industrialisierung führte zu neuen Armutsverhältnissen und der Entwicklung des so genannten Proletariats, zu Landflucht, Auswanderung und frühen Formen von künstlerischen Tourneen. Berühmt wurden im

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19. Jahrhundert die Wander-Sängergruppen wie die Zillertaler RainerFamilie, die ihre Tourneen bis in die USA und nach Russland unternahm. Tirol selbst wurde ab dem frühen 19. Jahrhundert zum Ziel erster touristisch und wissenschaftlich motivierter Reisetätigkeiten, dokumentiert und begleitet von einschlägigen Publikationen schriftstellerisch tätiger Lehrer und Theologen: „Das Land Tirol“ (Beda Weber 1837), „Drei Sommer in Tirol“ (Walter Steub 1842) und „Die Deutschen Alpen – ein Reisehandbuch“ (Adolph Schaubach 1845). Bereits in den 1840er-Jahren wurden im Zillertal Expeditionen zur Erkundung der Hochalpen unternommen (Steger 2010: 21 f.), der internationale Alpintourismus setzte, ausgehend von Großbritannien, v.a. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, 1857 wurde der britische Alpine Club gegründet (ebd.: 25 f.). Hochgebirgslandschaften wurden zunehmend von den Nicht-Ansässigen als reizvolle Herausforderung statt Bedrohung wahrgenommen, ein Wandel, der von der Entdeckung der Gebirgslandschaft als Motiv der Malkunst und der aufkommenden Alpinfotografie begleitet und unterstützt wurde.1 Nicht nur die Besteigung der Berge, sondern auch die Begehung von Talüberstiegen „auf den Spuren der Schafe und Säumer“ übte Faszination auf die frühen Alpintouristen aus (Schlosser 2012: 24). 1860 baute der Ötztaler Seelsorger Franz Senn eine tourismusfreundliche Struktur in Vent auf, einem der höchstgelegenen Orte im Tiroler Ötztal, und legte besonders auf die Ausbildung von Bergführern Wert, woraus das organisierte Bergführerwesen entstand. (Ebd.: 45, 57) Senn war 1873 auch an der Zusammenlegung des Österreichischen Alpenvereins (gegründet 1862) mit dem Deutschen (gegründet 1869) beteiligt. Der frühe Alpintourismus brachte Ansprüche des Fortschritts und der Weltläufigkeit in die Täler und bewirkte sozioökonomische Entwicklung. Dieser erste transformatorische Charakter von Tourismus besaß auch eine Qualität der kulturellen Begegnungen im noch nicht konstruierten und kommodifizierten Raum: Der Reiz des Exotischen war dem Individualtouristen gewiss, wenn sich etwa katholische Alltagsregelungen nicht mit den

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Bilder des englischen Gebirgsmalers E. T. Compton über Tirol machen Lust aufs Bergerlebnis (Tirol Werbung 2017a), in der Schweiz wurden die Gebrüder Wehrli mit ihrer Alpinfotografie berühmt.

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Vorhaben der Alpinisten vertrugen.2 Über das Ötztal schrieb der Sammler und Museumsgründer Hans Jäger (1937–2012): „Die ersten Gäste waren hochgebildete Leute aus den obersten Gesellschaftsschichten, aufgewachsen mit ästhetischen Ansprüchen, von denen wir heute nur mehr träumen. Oetz war ihnen gut genug, es muss auf sie unglaublich exotisch gewirkt haben!“ (Jäger 2013: 24)

Wirtsleute, Hoteliers und engagierte Einzelpersonen – etwa Geistliche, welche sich als Treiber von Weltöffnung und zugleich als Hüter katholischer Alltagsstrukturen hervortaten – zählten zu den Pionieren für die Professionalisierung der Tourismusstruktur. Zusammenschlüsse spielten dabei früh eine Rolle. Die heutigen Tourismusverbände entstanden in Reaktion auf die steigende Notwendigkeit für professionelle Werbe- und Kooperationsstrukturen, 1890 kam es zur „Gründungsversammlung einer gesamttirolischen Fremdenverkehrsorganisation, die unter anderem eine ‚Belehrung über Hotelprospekte‘ oder eine ‚Belehrungsschrift über zweckmäßige Annoncierung‘ herausgibt“. (Tirol Werbung 2017a) 1911 wurde das erste Landesfremdenverkehrsgesetz Tirols verabschiedet, „ein Novum in der Monarchie. Der Landesverband für Fremdenverkehr in Tirol wird zu einer halbamtlichen Körperschaft ‚Landesverkehrsrat‘ umgewandelt“ und 1927 wurde die Tourismusabgabe eingeführt. (Ebd.) Aus diesen frühen Tourismusgesetzen und regionalen Zusammenschlüssen bildeten sich in der Folge die heutigen Strukturen heraus, das Tiroler Modell wird als Vorläufer für die touristische Gesetzgebung in Österreich rezipiert. (Reisner/Lehar 2012: 50 ff.) Die kooperative Organisation zur Bewerbung von Regionen legte den Grundstein für den touristischen Institutionalisierungsprozess zur Jahrhundertwende und im frühen 20. Jahrhundert. Zweck-Kooperationen unter Gleichgesinnten wurden zu einem organisch gewachsenen Teil des touristischen Selbstverständnisses, Berge und das daraus ableitbare Image standen im Mittelpunkt. Eine vergleichbare Entwicklung fand in den heute öffentlich geförderten Sektoren des Kulturbetriebs nicht statt; bis in die zweite Hälfte des

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Doch es galt Widerstände zu überwinden. Sonntags, so wollte es die Kirche und drohte andernfalls mit Exkommunikation, durften weder Berge gestürmt noch verunfallte TouristInnen aus dem Fels gerettet werden. (Diemar 2007)

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20. Jahrhunderts waren Kulturangebote im deutschsprachigen Raum ein öffentlich-rechtlicher Sektor, in dem kooperative Selbstorganisation keine Rolle spielte. Erst mit dem Aufkommen zivilgesellschaftlicher Einrichtungen ergab sich ein Strukturwandel durch die sich diversifizierende Angebotslandschaft, was sich aber nicht in werbemotivierten Zusammenschlüssen niederschlug, die mit jenen im touristischen Sektor vergleichbar wären. Im frühen 20. Jahrhundert waren Tourismus und Kultur, ihren jeweiligen Narrativen folgend, zu Treibern von kulturellem Austausch und Weltanschauungen geworden. Literarische Zeugnisse von u.a. Stefan Zweig legen zugleich die Vermutung nahe, dass die zeitgenössische gesellschaftliche Entwicklung bezüglich Modernität und Pluralismus durch die nachfolgende nationalsozialistische Diktatur nicht nur unterbrochen, sondern nachhaltig verschüttet wurde.3 Die NationalsozialistInnen nutzten das bürgerliche Prestigepotenzial des Reisens ebenso zur Propaganda, wie sie im Kulturbetrieb volkskulturelle, deutsch-deutsche sowie kulturindustrielle Kulturbegriffe in den Vordergrund rückten, internationale Hochkultur stigmatisierten und jeglichen Pluralismus zugunsten der Konstruktion einer deutschen Einheit (Hermand 2010: 154 ff.) ausschalteten. Das Feld schien fruchtbar dafür.

N ATIONALSOZIALISTISCHE I NSTRUMENTALISIERUNG Während des Nationalsozialismus durchwirkten Antisemitismus und Faschismus die Tourismuswirtschaft und den Kulturbetrieb von unten und von oben, ideologische Infiltrierung, die Gleichschaltung der Freizeitgestaltung und die Kontrolle über Angebot und Nutzung zählten zu den national-

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Diesem Ansatz folgte auch die Ausstellung Anti:modern, kuratiert von Sabine Breitwieser, für Salzburg: „Am Beispiel zahlreicher Ereignisse wird untersucht, inwieweit in der westlichen Region Österreichs ein weltoffenes und den modernen Lebensformen und Künsten aufgeschlossenes Denken vorhanden war oder ob dieses durch die politische Propaganda der 1930er-Jahre verschüttet wurde. Die Erscheinungsformen und Produktionsbedingungen moderner Lebenswelten und die Konsequenzen eines Denkens und Handelns, das einem modernen Leben entgegengerichtet war, eröffnen sich in der Ausstellung über breit gefächerte Themenbereiche und Genres.“ (Museum der Moderne Salzburg 2016)

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sozialistischen Grundlegungen. Für die Freizeitgestaltung der als „Deutsche“ konstruierten Bevölkerung Deutschlands und Österreichs war die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF, 1933) zuständig, eine Teilorganisation der Deutschen Arbeiterfront (DAF) „mit den Abteilungen Reisen, Wandern und Urlaub, Feierabend, Volksbildung, Sport und Schönheit der Arbeit“ (Schreiber 1994: 206). KdF regulierte den Tourismus und bestimmte unter dem „höheren Ziel der Wiederherstellung der Arbeitskraft“ (ebd.: 53) das, was heute „Branding“ oder „Destinationsmanagement“ heißt. Tirol sollte „einer der wichtigsten KdF-Aufnahmegaue“ (ebd.) werden und Gauleiter Hofer sah im „Besitz der Berge […] für Tirol eine Verpflichtung gegenüber dem gesamten Deutschen Reich“ (Hofer 1939 zit. in Schreiber 1994: 54). Die Ressource „Landschaft“ sollte dabei nicht durch den von Handels- und Wirtschaftskammer erwünschten Aufbau von Industrie in Tirol zerstört werden: „Der Reichsgau Tirol-Vorarlberg ist ein reiner Hochalpengau […]. Seine Aufgabe ist dadurch bestimmt.“ (Gauhauptstellenleiter Mader 1941 zit. in Schreiber 1994: 54) Der 1938 einsetzende Massentourismus der Deutschen in Tirol brachte Anpassungsschwierigkeiten der Fremdenverkehrsunternehmer mit sich, die mit staatlich gelenkten Pauschalreisen und nachfrageorientierten Essensangeboten nicht vertraut waren, „da z.B. der Norddeutsche zu jeder Speise Kartoffeln habe wolle und ihm eine Schüssel Salzkartoffeln lieber wäre als Knödel oder Spaghetti“ (Leiter der Reichswirtschaftsgruppe Gaststätten- und Bewerbungsbetriebe Drees 1938 zit. in Schreiber 1994: 60). In einem Zitat von Gauleiter Hofer äußert sich das aufkommende Raumverständnis als Ware im ideologischen Auftrag: Die „Tiroler Naturschönheiten [waren] nicht dazu da, ‚um sie selbst zu genießen oder um nur damit Geschäft zu machen, sondern um sie im Interesse aller deutschen Volksgenossen, die Freude und Erholung suchen, zu verwalten‘“ (Hofer 1939 zit. in Schreiber 1994: 60). Tirol mutierte während des Nationalsozialismus „zu einem quasi-kolonialen und folkloreschwangeren Erholungsraum“ (Kerschbaumer zit. in Schreiber 1994: 66); Schreiber sieht darin eine Grundlegung des Massentourismus nach dem Zweiten Weltkrieg und eine Basis für Kontinuität: „Aus Sicht der Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft sollte sich diese Entwicklung unter den Bedingungen des modernen Massentourismus nach 1945 als vorteilhaft erweisen.“ (Schreiber 1994: 66) Die ökonomischen Engpässe im Tourismus, herbeigeführt u.a. durch die Tausend-Mark-Sperre (1933), beförderten die Annahme und Befürwor-

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tung des österreichischen Anschlusses durch FremdenverkehrsvertreterInnen: Die Aussicht auf Besucherströme nach Tirol veranlasste den Leiter des Fremdenverkehrsamtes Othmar Thun vor der Volksabstimmung, die den im März 1938 bereits erfolgten Anschluss Österreichs nachträglich legitimieren sollte, dazu, „einen Appell an die Fremdenverkehrsinteressierten des Landes Tirol zu richten, dem Führer am 10. April ‚ein entschlossenes JA‘ zu geben, damit ‚der ganze Strom aller Deutschen in unsere Täler flute, die die Sehnsucht nach den Tiroler Bergen im Herzen tragen‘“ (Brusatti 1994 zit. in Türkis 2010: 52).

Ob der „fehlenden Freiwilligkeit“ und paradigmatischen Strukturveränderung der Reisenden – „Touristen“ waren im Wesentlichen Fronturlauber und RüstungsarbeiterInnen sowie Kinder im Zuge der „Kinderlandverschickung“ – während des Zweiten Weltkriegs stellen Tourismus- und Geschichtsforscher infrage, ob man hier überhaupt von „Fremdenverkehr“ sprechen könne. (Türkis 2010: 57) Innenorientiert interpretiert Schreiber die Maßnahmen von KdF für die Freizeitgestaltung als Ersatz einer betrieblichen Sozialpolitik. „Die NS-Freizeitorganisation kurbelte den Tourismus an und ermöglichte mit riesigem propagandistischem Aufwand billige Kurzurlaube in den verschiedenen Gauen des Reiches. In den Genuss von Auslandsreisen kamen die Tiroler/innen aber nur in einer verschwindend geringen Zahl.“ (Schreiber 1994: 206)

Dennoch verfehlten diese „propagandistischen Aufwände“ ihre Wirkung nicht, sie hoben „das Ansehen des NS-Regimes, galt Reisen doch als bürgerliches Statussymbol und schien nun für jeden ‚Volksgenossen‘ im Bereich des Realisierbaren“ (ebd.). Strategische Maßnahmen zur Volkslenkung kennzeichneten auch Kulturangebote sowie deren Nutzung. KdF stellte durch seinen umfassenden Zugriff auf die Freizeitgestaltung ein Verbindungsglied zu Kulturangeboten dar; KdF organisierte „Bunte Abende, Konzerte, Theateraufführungen usw.“, um die „Betriebsgemeinschaft zu stärken und ein pseudoharmonisches Verhältnis zwischen Betriebsführern und Gefolgschaft herzustellen. 1938 besuchten allein in Innsbruck knapp 23.000 ‚Volksgenossen‘ derartige Veranstaltungen des KdF“ (ebd.: 207). Als Prototypen solcher Angebote nennt Schreiber ein monatliches

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Programmheft aus dem Jahr 1938: „6.1. Gauwanderbühne: ,Der Resl ihr Strumpfband‘/14.1.: Tanzkränzchen/29.1.: Weltanschaulicher Vortrag: ‚1.000 Jahre Judenherrschaft in Österreich‘.“ (Ebd.) Dass Kultur ins politische Zentrum rückte, gilt als ein Wesensmerkmal des Nationalsozialismus; charakteristisch waren Kulturbegriffe, die über Feindbilder konstruiert wurden4 und in den Dienst „der zu schaffenden ‚Volksgemeinschaft‘“ gestellt werden sollten (Hermand 2010: 157). Die Fraktion um Alfred Rosenberg setzte sich besonders für „das Konzept einer arisch-gesinnten Volkskultur“ ein (ebd.), die sowohl „die elitäre Bildungskultur für die Oberen Zehntausend als auch die weithin kommerzialisierte Unterhaltungskultur“ überwinden sollte, was der pragmatischeren Herangehensweise von Joseph Goebbels allerdings widersprach (ebd.: 157). Das nationalsozialistische Kulturverständnis folgte zwar einem „missionarischen Anspruch“, bediente sich aber auch der Unterhaltungskultur (ebd.: 10, 15 ff.) und besonders der Filmindustrie (Kleinhans 2003). Die postulierte Überlegenheit der deutschen Kulturleistungen war die Basis für eine deutsch-deutsche Konsensherstellung. Kulturbetriebe wurden als Agenten des „Wahrhaft-Deutschen“ (Hermand 2010: 26, mit Bezug auf u.a. Alfred Rosenberg) zu Achsen der Propagandapolitik, Kunst- und Kulturschaffende unterlagen der Zwangsmitgliedschaftsregelung der Reichskulturkammer (1933), der Goebbels als Präsident vorstand. In sieben Einzelkammern organisiert, gab diese sowohl Angebotsinhalte als auch ideologiekonforme Preispolitik und Sitzanordnungen vor. (Kleinhans 2003) Wanderbühnen, -ausstellungen und -kinos sorgten für eine flächendeckende kulturelle Versorgung. Diese umfassende Kontrolle bei maximaler Reichweite gestaltete Kulturangebote zu einem durchgreifenden Ideologisierungsinstrument. Die massive, bis ins kleinste Detail durchdachte Organisation des nationalsozialistischen Kunst- und Kulturbetriebs erschloss das Dritte Reich als von der Welt entkoppelt und prägte zumindest die Generation der im Nationalsozialismus Heranwachsenden in ihrem Kunstverständnis. Gleichzeitig sorgte die antijüdische Gesetzgebung für den massiven Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus dem öffentlichen Leben. Dieser Ausschluss erfolgte nicht nur in Form der umfassenden Berufsverbote, sondern auch durch desinformierende Maßnahmen wie das Zutritts-

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Die Zuschreibungen diverser Formen von „Entartung“ betrafen die Kunst der Moderne, das Judentum, städtische Kultur u.v.a. (Hermand 2010: 15 ff.)

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verbot zu Kulturangeboten und das Besitzverbot von Rundfunkgeräten, was insbesondere im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Holocaust fatal und perfid war. Inwiefern Kulturbetriebe über politische Willfährigkeit hinaus den staatlich legitimierten Antisemitismus und die nationalsozialistische Ideologie auch aktiv mit aufbereiteten, ist bislang für den Tiroler Raum aber nicht ausreichend erforscht.5 Deshalb kann an dieser Stelle nur auf die Einflüsse der deutsch-nationalen und der völkischen Bewegung verwiesen werden, denn auch die „nazifaschistische Führungsriege [konnte sich] bereits auf eine beachtliche Reihe nationalkonservativer bzw. völkischgesinnter Weltanschauungskomplexe stützen, deren ideologische Ahnenkette bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreichte“ (Hermand 2010: 154). In Österreich sind die antiliberale, antiurbane und kulturpessimistische Ausrichtung des Austrofaschismus und in Tirol die weit verbreitete Präsenz von Ideologien in der Alltagskultur (vgl. Plattner 1999a) zu bedenken. Die Entstehung und Entwicklung des legendären Tiroler VolkstheaterEnsembles Exl-Bühne (1902–1956) vereint einige dieser Einflüsse und Haltungen exemplarisch: Dazu zählen das politisch-ideologische Gründungsmotiv, die antisemitische Tendenz und die ideologische Nähe zum Nationalsozialismus. Die von KdF organisierten Tourneen des Ensembles mündeten in eine Blütezeit ihrer Popularität, schlossen Auftritte vor dem Wachpersonal im KZ Auschwitz-Birkenau mit ein und geben retrospektiv Einblick in die Potenzierung von Eigennutzen durch ideologische Infiltrierung. „Der von Anfang an bestehende deutschnationale Hintergrund, der sich im politischen Spektrum neu positioniert hatte, trat stärker hervor. Auf Gastspielreisen kam man dem verordneten Publikumsgeschmack im Dritten Reich entgegen und verwendete den zunehmend als ‚ursprünglich‘ und ‚unverfälscht‘ propagierten Volkstheaterbegriff als Legitimation der eigenen Theaterarbeit. Von Tirol als dem Ursprungsland

des

deutschen

Theaters,

wie

es

in

diversen

Selbst-

und

Fremddarstellungen behauptet wurde, konnte eine Bühne, die auf Gastspielreisen ländliche Stoffe in dialektal gefärbter Bühnensprache aufführte, nur profitieren. […]

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Eine minutiöse Analyse kunstpolitischer Ideologien und antisemitischer Haltung in den Gründungsjahren der Salzburger Festspiele ist für diese Zusammenhänge erhellend. (Vgl. Wolf 2014)

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Von den dreißiger Jahren bis 1945 war die Exl-Bühne eines jener vielen Kulturunternehmen, die dem Nationalsozialismus kulturell Vorschub leisteten, sie ‚war vor dem Anschluss auch Schauplatz politischer und propagandistischer Kundgebungen‘.“ (Schmidl 2013: 24 f.)

Der Niedergang der Exl-Bühne begann mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1956 folgte die Auflösung des Ensembles. Die nationalsozialistische Umdeutung von Brauchtum und Volkskultur scheint im Tiroler Kontext besonders relevant: Der zeitgenössische Kontext „Provinz“ ist ein „Zustand, der sich Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Großstadtwerdung herausgebildet hat und um die Jahrhundertwende als eine Lebensrealität im Bewusstsein der ‚Provinzler‘ verankert ist“ (Plattner 1999b: 20). Daraus folgten städtische Imitationsbestrebungen in der Landeshauptstadt ebenso wie antistädtische Ressentiments als ländliche Identifikationsmomente (vgl. ebd.: 22 ff.). Doch die Trennlinie zwischen Hochund Volkskultur verlief laut Plattner in Tirol um die Jahrhundertwende weniger strikt, das verbindende Element sei das „Verständnis von Heimat“ gewesen (ebd.: 31).6 Das nationalsozialistische Unterfangen, Brauchtum als

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Eine indirekte Reaktion und Materialisierung der ideellen Bedeutung von Heimat könnte auch in der Entstehungsgeschichte von Heimatmuseen liegen: „Heimatmuseen als Orte der Musealisierung des Heimatbegriffes vermögen innerhalb der Museumsgeschichte keine große, jedoch kurzfristig eine wichtige Rolle zu spielen. Beim Nachlesen der Gründungsgeschichten der über 170 Museen Tirols fällt auf, dass die meisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, speziell in der Zwischenkriegszeit eingerichtet und so benannt wurden […]. Während der NS-Diktatur wurde allein das Museum Schloss Bruck in Lienz mit der Sammlung von Werken von Albin Egger-Lienz eröffnet, das jedoch erst 1946 den Namen ‚Osttiroler Heimatmuseum‘ erhielt. Nach einem gewissen Stillstand erfolgte in den 1960er Jahren ein Anwachsen der Gründungen von Heimatmuseen. Laut Andrea Aschauer ist dies als Reaktion auf das wirtschaftliche Wachstum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die damit verbundenen Veränderungen der Gesellschaft, Arbeits- und Lebensbedingungen zu verstehen. Zu einem Museumsboom kam es dann in den 1980er Jahren. Dieser geschah zeitverzögert, denn zunächst mussten erst einmal Sammlungen von Gegenständen aus der ‚guten, alten Zeit‘ aufgebaut werden. Zwischen 1980 und

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Surrogat für Katholizismus und Volksbräuche als „Zivilreligion“ (Wallnöfer 2011: 154) zu etablieren, veränderte deren Rang und politische Bedeutung. Wo Hans Haid in der Ausübung von Volksbräuchen im 19. Jahrhundert noch ein subversives Potenzial gegen die Herrschenden festmacht (Haid 1996), erfolgte im Nationalsozialismus eine Einlagerung von NS-ideologischen Elementen in Bereiche der volkskulturellen Praxis. Betroffen waren u.a. Bräuche mit Wurzeln im Christentum, die durch germanische Mythen ersetzt wurden (Wallnöfer 2011), Weihnachtslieder wurden von dem Lehrer und Komponisten Josef Eduard Ploner7 umgetextet, „um einerseits Begriffe wie ‚Gott‘, ‚Vater‘, ‚Buß‘ und ‚Gnade‘ zu vermeiden, und andererseits dem Lied einen kämpferischen Schluss zu verpassen“ (Nußbaumer 2013: 53). Alpenländische Volksmusik wurde in mehreren Kontexten instrumentalisiert, u.a. wurden „kriegerische Lieder […] aus der Zeit der Tiroler Landesverteidigung von 1796/97 und des Tiroler Aufstandes von 1809 […], die den wehrhaften Charakter des Tirolers hervorheben“, in den Sammlungen „echter“ Lieder publiziert (ebd.). Die Blasmusik wurde als Besonderheit der Tiroler bemüht und Gauleiter Hofer vermerkte stolz, dass ein hoher Anteil der Blaskapellen auf den Gau Tirol-Vorarlberg entfiele: „Tirol-Vorarlberg ein Gau der Blasmusik – eine damals wohl nicht uninteressante Perspektive für die kulturelle Identitätskonstruktion im Vergleich zu anderen Gauen, von denen sich der Gau Tirol-Vorarlberg ja abheben wollte.“ (ebd.: 62, mit Bezug auf ein Zitat von Gauleiter Hofer 1942)

Ob und wie diese Form der Instrumentalisierung nachwirkt, ist nicht hinlänglich erforscht. Wallnöfer hält fest, dass mögliche Konsequenzen immer noch einen geringen Stellenwert im gegenwärtigen Kulturbewusstsein einnehmen. „Die Volkstumspolitik des Reiches ist leider noch immer nicht zur Genüge erforscht“, schreibt sie, „dabei ist es notwendiger denn je, aufgrund der zunehmenden Betonung des Regionalen nachzusehen, wie viel sich von

1990 entstanden ca. sechzig Prozent der Heimatmuseen Tirols.“ (Praxmarer 2012: 47). 7

Die CD-Veröffentlichung von Ploner 2012 und deren Folgen werden im Kapitel „Erinnerungskultur und Interkultur in der jüngeren (kultur-)politischen Praxis in Tirol“ aufgegriffen.

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den damals in die Welt gesetzten Meinungen erhalten hat.“ (Wallnöfer 2011: 154) Auch Nußbaumer verweist auf Forschungslücken in der Blasund Volksmusikpflege und -instrumentalisierung während der NS-Zeit. (Nußbaumer 2013: 43, 62) Dass sowohl die kulturelle als auch die touristische Praxis eine vom Nationalsozialismus belastete Geschichte aufweist, deren Folgen bis heute nachwirken, ist hinlänglich bekannt. Die Frage danach, wie die Erschließung des historischen Bewusstseins in die diskursive Mitgestaltung der Gegenwartsgesellschaft produktiv einfließen kann, wird aus kulturwissenschaftlicher Perspektive in Zusammenhang mit dem negativen Gedächtnis gesehen. In Tirol wurde die wissenschaftliche Erforschung zur Instrumentalisierung von Volkskultur und Brauchtum vor, während und nach dem Nationalsozialismus aufgrund von Anlassfällen jüngst politisch forciert. Um Erkenntnisse nicht nur zu generieren, sondern auch gesellschaftlich wirksam zu machen, ist zugleich ein entsprechender Transfer notwendig. In der touristischen und kulturellen Praxis können sensible kulturtouristische Vorhaben gerade in einer Komplementärrolle mit weniger ökonomischem Zwang zu tragfähigen Konzepten mit Innen- und Außenwirkung beitragen. Dies gelingt wiederum nur auf Basis einer Konsensherstellung, wofür die Entwicklung von Kulturtourismus nach dem Zweiten Weltkrieg kein Momentum bereithielt. Auch in der jüngsten Geschichte wurde dies verabsäumt (vgl. Fallstudie Tirol Panorama).

K ULTURTOURISTISCHE A NSÄTZE IM T IROLER T OURISMUS NACH DEM Z WEITEN W ELTKRIEG Mit dem Phänomen des Massentourismus ab den 1950er-Jahren setzte eine unterschiedliche Entwicklung von Tourismus- und Kulturbetrieben ein. Letztere besannen sich europaweit – in direkter Reaktion auf den Holocaust – zuerst noch auf einen bürgerlich-humanistischen Kulturbegriff zurück. Ab den späten 1960er-Jahren trat mit dem Agieren der Populär- und Gegenkulturen ein politisches Kulturverständnis in den Vordergrund, in dessen Folge die Kulturlandschaft weiter ausdifferenziert und um alternative, antibürgerliche Angebote erweitert wurde. Auch in Tirol kam es zu zahlreichen Gründungen alternativer Kulturvereine und Einrichtungen, die

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sich zeitgenössischen Formaten widmeten. Im Tourismus hingegen standen während der „Boomphase 1955–1972“ (Türkis 2010: 88) ganz andere Anliegen im Vordergrund: der Ausbau des Wintertourismus und des Gästepotenzials aus den Herkunftsländern Großbritannien, Irland und Westdeutschland; die bestmögliche Nutzung des Aufschwungs im Lebensstandard der westdeutschen Bevölkerung und der zunehmenden Motorisierung mit ihren Potenzialen (ebd.: 118). In diese Jahrzehnte fallen in Tirol mehrere kulturpolitische Entscheidungen gegen den Aufbau einer kulturtouristisch nutzbaren Angebotsstruktur (Plattner 1999a): Die inzwischen legendär gewordenen Jugendkulturwochen in Innsbruck entwickelten sich in den 1960erJahren zu einem Treffpunkt der Avantgarde, wo zahlreiche Prominente des deutschsprachigen Kunstbetriebs auftraten. Kurz vor der Abhaltung im Jahre 1969 wurde die Veranstaltung abgesagt und im Gesamten eingestellt; seitens der Politik identifizierte man sich nicht mit diesem alternativen Angebot und der in Leserbriefen geäußerte Unmut lässt kaum Gegenliebe oder auch nur Akzeptanz in der breiteren Innsbrucker und Tiroler Bevölkerung vermuten (vgl. Teissl 2013; Riccabona/Wimmer/Meller 2006; Plattner 1999a). Oskar Werners Vorhaben einer internationalen Schauspielwoche in Innsbruck wurde nach einmaliger, vom heimischen Publikum kaum angenommener Durchführung 1959 nicht weiter gefördert, es kam zu keiner Wiederaufnahme. Hingegen wurde 1956 der Bau des Passionsspielhauses in Erl befürwortet, welches 1959 eröffnet wurde. Durch die Initiative von Gustav Kuhn wurde es ab 1997 auch für jährlich stattfindende Festspiele abseits der Passionsspiele nutzbar gemacht, 2014 eröffnete mit maßgeblicher Finanzierung durch den Mäzen Hans-Peter Haselsteiner ein zweites Festspielhaus für die Wintersaison. Die Winter- und Sommer-Festspiele Erl gehörten bis Herbst 2015 zu den wenigen hochkulturellen Angeboten außerhalb von Innsbruck und ziehen, in der Sprache des Kulturtourismus, Specific Cultural Tourists an, jenes Publikum, das die Nutzung eines kulturellen Angebots als erste Reisemotivation hat und, in Zusammenhang mit Festivals, spartenbezogen einem „Circuit“ folgt. Mit der Kunst- und Konzerthalle arlberg1800 in St. Christoph am Arlberg eröffnete der Hotelier Florian Werner auf Eigeninitiative im Oktober 2015 ein weiteres hochkulturelles Zentrum für Musik und bildende Kunst im ländlichen Tiroler Raum und in einer Hochburg des Wintertourismus. Alternative Kulturangebote und Tourismuseinrichtungen bildeten sich in den 1960er-, 1970er- und frühen 1980er-Jahren als Parallelwelten

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heraus, definierten sich über ein durchwegs entgegengesetztes Wollen und Handeln, das in den Konflikten ab den 1970er-Jahren auch sichtbar wurde. Mit der Rezession zu Beginn der 1970er-Jahre verlor das Anliegen der Tiroler Tourismuseinrichtungen, vom Massentourismus auf Qualitätstourismus umzustellen, an Bedeutung (Türkis 2010: 118). Der Image-Ausbau Innsbrucks als Kongressstadt sowie die Rolle des Wintertourismus v.a. für Gäste aus Übersee blieben langfristige Ziele. Mitte der 1980er-Jahre gerieten Kunst und Kultur erstmals ins Blickfeld touristischer Anstrengungen (ebd.: 148), eine Tendenz, die in den 1990er-Jahren intensiviert wurde. „Verbesserungen beim Kulturangebot, welches auch aus Konkurrenzgründen immer dringlicher wird“ (Tourismuschef Kraft zit. in Türkis 2010: 146) wurden durch die Verlängerung der Festwochen der Alten Musik, die Aufwertung von baukulturellem Erbe und die Nutzung der Hofburg für international attraktive Ausstellungen angestrebt (Türkis 2010: 146 f.). Zur besseren Wahrnehmung der Angebote sollte eine „Arbeitsgemeinschaft mit der Tirol Werbung für das Kulturmarketing“ (ebd.) installiert werden. Der Kulturbegriff orientierte sich an Tradition und Hochkultur, die Maßnahmen und Vorhaben involvierten die zentralen touristischen Einrichtungen und, im Bereich Hochkultur, öffentlich-rechtlichen Kulturbetriebe. Aus den 1989 gegründeten Innsbrucker Sommerspielen wurde der Innsbrucker Sommer, eine Dachmarke, die vom Tourismusverband mit 3,5 Millionen Schilling (entspricht ca. 250.000 Euro) gefördert wurde (ebd.: 150), um die in den Sommermonaten in Innsbruck stattfindenden Festivals gebündelt zu bewerben. Hier wurden auch alternative Angebote von privatrechtlichgemeinnützigen Kulturinitiativen aufgenommen. 2013 wurde die Dachmarke erneut umbenannt: Der Kultursommer Innsbruck versammelt 18 festivaleske Veranstaltungen unterschiedlicher Sparten und Anbieter, der Tourismusverband Innsbruck und seine Feriendörfer fungiert als finanzielle Säule. Der Geschäftsführer von „Kultursommer Innsbruck“ beschreibt Tätigkeiten und Ziele wie folgt: „Zielgruppe sind kulturinteressierte Einheimische (Tirol – Südbayern und Südtirol) [sic!] und Touristen der Stadt. Bei der Lokalwerbung im Raum Tirol ist die Zielsetzung und damit auch der Auftrag an das Erscheinungsbild, neue ‚Kunden‘ für die Kulturveranstaltungen zu generieren. Hier liegt der Fokus bei den Zielgruppen im Alter von 20 bis 50 Jahren. Die Homepage im Sommer 2015 konnte hier um über

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300 Prozent an Steigerung zulegen. […] Ziel: ‚Kultursommer Innsbruck‘ von regionaler zu überregionaler Bedeutung führen.“ (ExpertInnen-Interview T5)

2010 wurde der Stellenwert von Kulturangeboten für Tirol und seinen Tourismus mit der Kampagne „kultur.tirol“ von der Tirol Werbung im größeren Stil aufgenommen. Hierbei handelte es sich um eine Standortkampagne, die weiter unten analysiert wird.

Politische Rahmenbedingungen für Imagebildung und Identitätsangebote

Tourismus- und Kulturpolitik werden beide als Querschnittsmaterien verstanden (vgl. Ribing/Zimmermann 2012; Konrad 2011). Obschon diese Felder zentrale Einflussfaktoren für Kulturtourismus darstellen, gibt es keine definierten oder formellen Schnittstellen auf Ebene der Landes- und Bundespolitik, die zahlreichen Verwebungen unterliegen so keinen Steuerungseingriffen. Operativ spielen sich Kooperationen auf der Ebene von TVBs und Kulturorganisationen ab, wodurch strategische Aufgaben auf eine untere Hierarchiestufe verlagert werden. Mit Föhl und Sievers lässt sich hingegen argumentieren, dass für die Ermöglichung von Kulturtourismus als kooperatives Handlungsfeld einer politisch etablierten Schnittstelle hohe strategische Bedeutung zukäme: „Es ist vor allem das Stärken von Querschnitts- und Entwicklungsfeldern wie kultureller Bildung, Kulturtourismus und Kulturwirtschaft, deren Potenziale für die Hervorhebung der lokalen oder regionalen Identität identifiziert und nutzbar gemacht werden können, und das Infragestellen jahrzehntelang eingeübter Praktiken der Kulturpolitik sowie der Kulturarbeit.“ (Föhl/Sievers 2014: 56)

Was Föhl und Sievers für Kulturentwicklungspläne in Deutschland feststellen, wird im Folgenden in einer Gegenüberstellung der Tourismus- und Kulturpolitik in Österreich betrachtet: Welche Voraussetzungen ergeben sich für eine Infragestellung eingeübter Praktiken und welche die Querschnittsmaterie Kulturtourismus betreffenden Paradigmen und Diskurse äußern sich in der Tourismus- bzw. Kulturpolitik? Welche Schlüsse lassen

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die Wechselwirkungen aus kultureller Produktion und Vermittlung zum einen, Marketing und Diskurs zum anderen zu, welche Einblicke ergeben sich in das Beziehungsverhältnis zwischen Tourismus- und Kultureinrichtungen auf den retrospektiven strategisch-politischen Ebenen? Seit der Ersten Republik ist Kulturpolitik in Österreich Staatsangelegenheit und hat eine lange Geschichte konservativer kulturnationalstaatlicher Ausrichtung, in deren Mittelpunkt die Förderung der für das Image Österreichs prestigereichen Veranstaltungen und Einrichtungen stand. (Wimmer 2011; Knapp 2005; Rögl 1998) Die Entwicklung zeitgenössischer und gesellschaftspolitisch aktiver Einrichtungen und Kulturinitiativen wurde kulturpolitisch ermöglicht, aber zugleich nicht aus ihrem Nischendasein befreit, was sich auch auf das Verständnis von Kulturtourismus auswirkt. Jünger ist die Verankerung der bundesweiten Tourismuspolitik in den 1990er-Jahren in Reaktion auf einen verschärften Wettbewerb und eine notwendig gewordene Aufwertung bundesweiter strategischer Imagebildung. (Vgl. Lehar/Reisner 2015; Ribing/Zimmermann 2012) Tourismuspolitik verzeichnet in den letzten beiden Jahrzehnten eine vermehrte Kompetenzbestimmung und Aktivität, zu der auch die im Folgenden hinsichtlich ihrer Kulturbezüge analysierte Tourismusstrategie 2010 zählt.

Z UR R OLLE

VON K ULTUR IN DER ÖSTERREICHISCHEN T OURISMUSPOLITIK Die österreichische Tourismuspolitik als „Gestaltung der Rahmenbedingungen“ und steuernder wie fördernder Eingriff in die heimische Tourismusstruktur ist ein noch junges Feld (Zimmermann/Gamper 2012b: 31). Erstmals war eine Sektion „Tourismus und historische Objekte“ mit der Abteilung „Tourismuspolitik“ 1991 im damaligen Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten eingerichtet worden. (Lehar/Reisner 2015: 41) Tourismus findet in der österreichischen Verfassung keine eigene Kompetenzbestimmung, er wird durch die Bundes- und Ländergesetzgebung geregelt. (Zimmermann/Gamper 2012b: 34) Auf Bundesebene sind die Tourismusbelange im heutigen Ministerium für Wissenschaft,

P OLITISCHE R AHMENBEDINGUNGEN | 91

Forschung und Wirtschaft1 angesiedelt, 2006 wurde zusätzlich ein parlamentarischer Tourismusausschuss eingerichtet, „ein deutlicher Indikator dafür, dass das komplexe System des Tourismus auch von der Politik als eigenständige Materie anerkannt wird“ (ebd.: 33). Der verstärkte staatliche Eingriff gründet sich zunächst auf das Bekenntnis zur ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit: Tourismus wird als gesellschaftliche Querschnittsund nicht als reine Wirtschaftsmaterie mit Gewinnmaximierung verstanden. (Ebd.) In der Selbstdarstellung der Abteilung „Tourismus & Historische Bauten“ des Wirtschaftsministeriums heißt es bezüglich der sozialen Nachhaltigkeit: „Achtung der sozialen Verträglichkeit: Die Erhaltung der kulturellen regionalen Identität und der Lebensbedingungen für Einheimische stellt ebenso wie Angebote für Gäste mit besonderen Bedürfnissen (Senioren/innen, Menschen mit Handicaps, Familien, sozial Schwächere) die Basis für einen zukunftsfähigen Tourismus dar.“ (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2016a)

Die entsprechende Grafik ist beim Feld „sozio-kulturelle“ Nachhaltigkeit mit einem Foto von Männern in Lederhosen unterlegt, ein Indiz am Rande für die Vorstellung von kulturellen, regionalen Identitäten auch in österreichischen Köpfen. Der Kultur wird eine große Bedeutung für die Positionierung Österreichs als Tourismusland zuerkannt. Sie findet auch in der österreichweiten Tourismusstrategie „Neue Wege im Tourismus“ Berücksichtigung, welche auf Basis des Regierungsprogramms2 und unter Beteiligung der Tourismusbranche, nicht aber von Kulturorganisationen seit 2009 erarbeitet und 2010 vorgestellt worden war. Diese Strategie sieht vor der Notwendigkeit, die Imagebildung zu forcieren, ein umfassendes Maßnahmenpaket und

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Bis 1. März 2014 Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, daneben existierte seit 2009 das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, die Wirtschaftsagenden waren von 2000 bis 2009 im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt.

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„Natur und Kultur sind die beiden Säulen des touristischen Angebots Österreichs, die nachhaltige Sicherung dieser Ressourcen ist daher unumgänglich.“ (Österreichische Bundesregierung 2008: 18)

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Evaluationsprogramm vor: Eine jährliche Tourismuskonferenz zur Abstimmung der Tourismuspolitik wurde ins Leben gerufen, ein Expertenrat evaluiert in einem jährlichen Bericht die Umsetzung der einzelnen Vorhaben (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2016b; Zimmermann/Gamper 2012b: 42; Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2010). Im Strategiepapier wird die Konzentration auf die drei USPs „Alpen, Donau und Stadt & Kultur“ sowie eine entsprechende Marketing-Fokussierung empfohlen.3 Den Kulturbereich betrifft neben „Stadt & Kultur“ das Vorhaben, Musik und Film als Imageträger besser zu nutzen. (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2010: 7) Um „historisches Erbe zeitgemäß zu verankern“, verwies der zuständige Minister Mitterlehner in seiner Präsentation der Tourismusstrategie in Innsbruck 2010 darauf, „Musiktradition und Filmschaffen“ vermehrt heranzuziehen, ein Vorhaben, das sich auch in konkreten Maßnahmen zur kulturellen Produktion niederschlug. Ende 2010 wurde die Förderinitiative FISA – Filmstandort Austria vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft initiiert, „um nachhaltige Impulse für den Filmproduktionsstandort Österreich“ zu ermöglichen (Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft 2017) und brachte eine in Österreich bis dahin nicht praktizierte, wirtschaftlich orientierte Förderlogik in die heimische Filmproduktion. FISA ermöglicht sowohl Einreichungen zur Produktionsförderung österreichischer Filme als auch internationaler Koproduktionen, für die bislang die Gelder fehlten. (Ebd.) Im Gegensatz zu den existierenden bundesweiten Filmfördermodellen, die auf das Filmfördergesetz 1980 zurückgehen, wird bei den Vergabekriterien von FISA die Wertschöpfungskette prominent berücksichtigt: „Damit wird es künftig neben der qualitativen Förderung des Films erstmals Unterstützungen geben, die an objektiv nachvollziehbare wirtschaftliche Kriterien gekoppelt sind“, hieß es in der Presseaussendung zum Auftakt von

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„Der internationale Gast macht hauptsächlich Urlaub in Österreich, eine Region oder Destination steht dabei nicht im Vordergrund. Eine Konzentration auf Österreichs Stärken im Tourismusmarketing ist zu wenig erkennbar. Im verschärften Wettbewerb ist eine Konzentration auf Alleinstellungsmerkmale erforderlich, um international überhaupt wahrgenommen zu werden. Die großen Themen Alpen, Donau und Städte & Kultur bieten sich dafür optimal an.“ (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2010: 6)

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FISA (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend o.J.). Der Beirat setzt sich aus VertreterInnen aus Politik (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft; Bundesministerium für Europa, Integration, Äußeres; Bundeskanzleramt Kunst und Kultur), Tourismus (Wirtschaftskammer Österreich; Österreich Werbung), Filmförderung (Österreichisches Filminstitut), der Hochschule für Film und Fernsehen (München) sowie österreichischen FilmproduzentInnen und Kreativen zusammen (Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft 2017). Mittels eines digitalen „kulturellen Eigenschaftstests“ kann das Förderpotenzial vor der Einreichung abgefragt werden, die Auswahl selbst erfolgt durch die Austria Wirtschaftsservice GmbH gemeinsam mit der nationalen Film Commission Location Austria. Im Unterschied zur klassischen Filmförderung werden bei FISA wirtschaftliche und touristische Effekte mitgedacht und auf die künstlerische Produktion angewandt. Die Wertschöpfung durch FISA wurde für 2013 mit 37,2 Millionen Euro angegeben. (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2014a) Das Format Film Commissions schien Pate für das FISA-Modell gestanden zu haben: Film Commissions & Funds sind Serviceeinrichtungen ohne ästhetische Interessen, die Locations und Production Guides für internationale Filmvorhaben und Werbefilme zur Verfügung stellen und Wirtschaftseffekte während der Drehzeit in Österreich zum Ziel haben. Über die Filmauswertungen in Kino, Fernsehen usw. hinaus erwirken sie Aufmerksamkeit für das Urlaubsland Österreich. Die bereits 1998 gegründete Cine Tirol Film Commission, eine Tochtergesellschaft der Tirol Werbung, benennt den wirtschaftlichen Faktor für 2016 mit über 6 Millionen Euro, über eine Milliarde KinobesucherInnen und TV-ZuseherInnen sahen die Filme mit in Tirol gedrehten Szenen. (Cine Tirol Film Commission 2017) Eine Steigerung von Nächtigungszahlen, verknüpft mit filmtouristischer Nachnutzung konnte laut Cine Tirol insbesondere bei indischen Gästen verzeichnet werden: „Von insgesamt knapp 400 Filmprojekten, die Cine Tirol seit 1998 nach Tirol geführt hat, waren über 70 aus Indien. Nicht zuletzt deshalb stieg die jährliche Nächtigungszahl indischer Touristen in Tirol zwischen 1998 (6.778 Nächtigungen) und 2012 (55.471 Nächtigungen) um über 718 Prozent. Mittlerweile gibt es spezielle Touren für indische Gäste auf den Spuren ihrer Filmstars.“ (Cine Tirol Film Commission 2013)

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Die Schnittstelle von FISA zur Tourismuswirtschaft, die im selben Ministerium untergebracht ist, erfolgt anhand der Tourismuskonferenz. 2011 verwies der Tourismusminister auf die steigende Internationalisierung des Tourismus, welcher durch FISA unterstützt würde. (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2011) Unter dem Themenschwerpunkt „Kultur im Rampenlicht“ wurde 2013 die Bedeutung von Kulturtourismus, insbesondere von Sehenswürdigkeiten und Architektur, diskutiert. Doch auch die durch FISA gestärkte Rolle von Film als Imageträger war Anlass zu Überlegungen, Filmtourismus besser zu etablieren und Internationalisierung voranzutreiben. (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2013) Obschon ökonomisch motiviert und ausgestaltet, ist FISA ein spannender Fall im tourismus- und kulturpolitischen Kontext: Jahrelang drängte die österreichische Filmszene angesichts der internationalen Erfolge von AutorenfilmerInnen wie Ulrich Seidl, Jessica Hausner, Nikolaus Geyrhalter u.v.m. auf eine massive Erhöhung der Fördermittel und eine damit verbundene Standortstärkung.4 Durch die mehrfach in Regierungsabkommen avisierte Erweiterung der Filmförderung sowie ihre Novellierung 2005 konnten nur Teilerfolge erzielt werden. (Wimmer 2011: 334 f., 340) Mit FISA erfolgte nun diese Umsetzung von wirtschaftlicher Seite mit eingebundenen touristischen Interessen, was sich zwar nicht mit der Motivation der Filmszene deckt, im Ergebnis jedoch ihre Forderungen erfüllt. Ein Anlassfall scheint die Debatte um die Zugehörigkeit von Michael Haneke anläss-

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Stellvertretend dafür: „Kein Geld für mehr Gold. Eine Schildbürger-Story? Nein, ein Modell dessen, wie sich die österreichische Regierung in Sachen Film verhält. Seit einigen Jahren erbeuten heimische Filmkünstler mit ihren Werken in Serie die wichtigsten internationalen Preise und außer ein paar Glückwünschen und ein paar Euros wurde nichts dafür eingesetzt. Eine halbwegs kreative Regierung müsste sich nach dieser Anerkennungsorgie zusammensetzen und die nötigen Konsequenzen beratschlagen. Statt es der Kulturministerin zu überlassen, ob sie noch die eine oder andere Million umschichten kann, müssten wenigstens die Ressorts Finanzen, Wirtschaft, Kultur und vielleicht sogar Infrastruktur gemeinsam einen Weg erarbeiten, der den künstlerischen Erfolgen ökonomische Nachhaltigkeit beschert. Hier geht es um eine neue Standortgründung.“ (Hütter 2010)

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lich seiner Oscar-Nominierung und Golden-Globe-Auszeichnung 2010 für „Das weiße Band“ zu sein – Hanekes Herkunftsland (Österreich) und das majoritäre Produktionsland (Deutschland) wurden in einer medial ausgetragenen Diskussion gegeneinander ausgespielt. In der Presseaussendung zum Start von FISA wurde darauf Bezug genommen: Die Abwanderung international erfolgreicher Regisseure solle verhindert werden, um das symbolische Kapital in ökonomisches verwandeln zu können. (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend o.J.: o.S.) Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass zahlreiche der im Ausland erfolgreichen heimischen Filmproduktionen ein kritisches, geradezu düsteres Bild von Österreich und seiner Gesellschaft zeichneten und insgesamt einem pessimistischen Weltverständnis Ausdruck verliehen. Hier ist ein Bruch mit der schönmalerischen österreichischen Filmproduktion nach 1945 zu verzeichnen. In der Innenwirkung führte allerdings der tourismuskritische Spielfilm „Vollgas“ (Sabine Derflinger 2001) trotz der Unterstützung durch Cine Tirol zu einem Konflikt mit den TVBs, die für eine geplante Tournee des Films durch Tirol mit moderierten Publikumsgesprächen nicht kooperierten. Im Bereich Musik – wie der Film als Potenzial zur Imagewerbung in der Tourismusstrategie erwähnt, allerdings mit dem bedeutsamen Zusatz Musik-„Tradition“ – erfolgte bislang keine mit FISA vergleichbare Maßnahme. Die unabhängige Plattform „Forum Musik“ des österreichischen Musiksektors erarbeitete unter Bezugnahme auf das Regierungsprogramm, nicht aber auf die Tourismusstrategie ein Maßnahmenpapier mit Empfehlungen zur Förderstruktur. In ihrer Analyse stellten sie ein Missverhältnis zwischen der Unterstützung von Klassik und Traditionsmusik gegenüber der zeitgenössischen Musik5 fest und forderten, Vielfalt in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu sollten eine Quotenregelung für Kulturbetriebe eingeführt und die Exportmaßnahmen gestärkt werden: „Durch die Exportförderung soll sich Österreich mittel- bis langfristig in den internationalen Märkten als Musikexportland behaupten. Heimisches kreatives musikalisches Schaffen stellt sich damit nicht nur als zeitgenössisches Kulturgut des Musik-

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Missverhältnis Förderung Klassik/Traditions- und Neue Musik: 94,43 % Klassik/traditionelles Musiktheater-Repertoire (2009: 107,2 Millionen), 5,57 % Vielfalt der zeitgenössischen, lebenden Musik (2009: 6,3 Millionen)

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landes Österreich dar, sondern präsentiert sich als maßgeblicher Wirtschaftsfaktor, dessen Wertschöpfung seinerzeitige Werte – im Jahr 2000 mehr als 2 Milliarden bei rd. 42.000 Beschäftigten – bei weitem übersteigen soll.“ (Forum Musik, o.J.: 4)

Inwiefern die tradierte, dem historisierenden und heimatträchtigen Image Österreichs entgegenkommende Fokussierung auf Klassik und Traditionsmusik den Blick auf die Potenziale der erfolgreichen Pop-Rock-Szene sowie der zeitgenössischen Musik verstellt, kann nur vermutet werden. Dennoch könnte analog zum künstlerischen Film gerade darin ein Vermögen für Modernisierungsbestrebungen liegen. Der im Rahmen der Tourismusstrategie festgestellte Mangel an touristischer Innovationskultur führte außerdem zur Gründung des Österreichischen Innovationspreises Tourismus. Er wird seit 2012 alle zwei Jahre mit wechselnden thematischen Schwerpunkten vergeben, das jeweilige Thema des ÖIT wird von Bund und Bundesländern gemeinsam festgelegt.6 Ein dritter Impuls aus der Tourismusstrategie war die Aktualisierung des Leitfadens „Barrierefreie Kunst- und Kulturangebote“ durch die TourismusServicestelle des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Rahmen der übergeordneten Thematik „Tourismus für alle“. (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2015) Sie gründet ihrerseits auf der „UN-Behindertenrechtskonvention – Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (2006), welche 2008 von Österreich ratifiziert wurde. FISA, ÖIT und die Barrierefreiheit bringen Einflüsse aus der Tourismuspolitik in die Gestaltung von Kulturbetrieben sowie in die kulturelle Produktion, die im Sinne von Modernisierung und Demokratisierung positiv interpretiert werden können. Sie zeigen den transformatorischen Einfluss des Tourismus auf den Kulturbetrieb bei gleichzeitigem Einklang mit dessen wirkungsorientierten Zielen. Dennoch ist der Motor nicht das Interesse an Kulturproduktion und -gut, sondern deren Nutzen für Image und Tourismusökonomie. Diese Problematik wirkt sich weniger auf die kulturelle Produktion selbst aus, sondern tritt in Form des Marketing-Diskurses zutage. Hier soll festgehalten werden, dass sich übergeordnete Ziele der

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Gegenstand des ÖIT 2014 waren „innovative, buchbare, kulturtouristische Angebote“ (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2014b), für 2016 einigte man sich auf die „Inszenierung der Ressource Wasser“.

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Tourismuspolitik in den genannten Fällen günstig auswirken und unter Einbindung einer kulturellen Nachhaltigkeit zum einen modellhaften Charakter entwickeln, zum anderen eventuelle Risiken einer rein ökonomisch orientierten Motivation wie Kommodifizierungsprozessen dämmen könnten. Die Aufnahme der kulturellen Nachhaltigkeit als Dimension von Kulturtourismus könnte der Missing Link für einen ressortübergreifenden Dialog und kooperativen Kulturtourismus sein.

Z UR R OLLE

VON

T OURISMUS IN K ULTURPOLITIK

DER ÖSTERREICHISCHEN

Im Gegensatz zur Tourismuspolitik war Kulturpolitik bereits in der Ersten Republik und in der Zwischenkriegszeit Staatsangelegenheit. Erst seit 1918/19 haben die Rede von und das Bemühen um ein „österreichisches“ Bewusstsein staatstragenden Stellenwert, Kultur war zu dessen Durchsetzung ein geeignetes Vehikel (vgl. Wimmer 2011; Konrad 2011; Knapp 2005; Rögl 1998). Da Österreich laut Anton Pelinka auf eine Geschichte zurückblickt, in der Veränderungen meist von außen herbeigeführt wurden, und dem Staat deshalb ein „heroischer Gründungsgestus […] vollständig fehlt“ (Pelinka 1995 zit. in Knapp 2005), wurden die kulturellen Werte mit dem Habsburgermythos und dynastischen Symbolen verknüpft. Auch die antiintellektuelle kulturpolitische Haltung in der Zwischenkriegszeit lässt sich historisch mit dem Mangel an einer eigenen demokratiepolitischen Entwicklung nach dem gescheiterten Revolutionsjahr 1848 erklären. (Ebd.) Die „Kulturnation“ Österreich entstand unter den Vorzeichen einer „Rückwärtsgewandtheit“ (Rögl 1998) und Wimmer zählt den „konservativen Anspruch zur Behauptung einer durch den Kulturbetrieb repräsentierten kulturimperialen Sonderrolle Österreichs“ (Wimmer 2011: 307) zu den inhaltlichen Grundlegungen der Kulturpolitik in den unterschiedlichen Regierungsphasen von 1945 bis heute (ebd.: 305 ff.). In der „konservativen Phase“ (Wimmer 2011; Knapp 2005) von 1945 bis 1970 prägte sich ein enges Verhältnis aus identitätsstiftenden und imagepflegenden Motiven in der Kulturpolitik aus, im Mittelpunkt standen Repräsentationskultur (Bundestheater, Festspiele) und „eine gut subventionierte Unterhaltungsindustrie und Brauchtumspflege“ (Rögl 1998: 10 f.). Hierzu zählten u.a. Fil-

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me wie „Im weißen Rössl“ oder „Der Förster vom Silberwald“, die nach innen eskapistisch und nach außen tourismustauglich wirkten. „Im Zeichen des aus der Zwischenkriegszeit wieder adaptierten ‚Habsburger Mythos‘ funktionalisierte man Oper, Burgtheater, Festspiele, Philharmoniker und Sängerknaben auch ökonomisch (Fremdenverkehr) und außenpolitisch. […] Auf dem Gebiet der nicht unbeträchtlich staatlich subventionierten und beeinflussten Unterhaltungsindustrie (Volksmusik, U-Musik, Film) sowie in der Volkstums- und Brauchtumskultur dominierte die Tradierung von Klischees, die, Heimat und heile Welt vortäuschend, zum einen die Funktionalisierung von Massenkultur für die Bedürfnisse des Fremdenverkehrs im Visier hatte, zum anderen aber auch im Rahmen einer patriotischen Bildung und Erziehung eine Rolle spielte.“ (Ebd.)

Knapp sieht Identitätsstiftung und Imagepflege als frühe kulturpolitische Motive im gesamten westeuropäischen Kontext nach 1945, zumal die Förderung einer nationalen kulturellen Identität als Teil des Wiederaufbaus verstanden und mit dem Rückgriff auf einen weitgehend bildungsbürgerlichen und humanistischen Kulturbegriff in Form von kulturellem Erbe und Hochkultur verknüpft wurde (Knapp 2005: 82 f.). Der Ausbau einer Infrastruktur für Zeitgenössisches und Weltoffenheit erfolgte in Österreich allerdings später als in anderen (west)europäischen Ländern. (Ebd.: 84) Während der sozialistischen Regierung von Bruno Kreisky (1970–83) wurde ein Paradigmenwechsel in der österreichischen Kulturpolitik angestrebt: Ihr wurde die „Fähigkeit zugeschrieben, eine ‚Humanisierung der Gesellschaft‘ zu bewirken“ (Wimmer 2011: 313). 1975 wurde ein umfassender kulturpolitischer Maßnahmenkatalog erstellt, um Schritte gegen das in einer Umfrage festgestellte mangelnde Kulturbewusstsein in der Bevölkerung einzuleiten. Unter der Prämisse einer „nachholenden ‚Demokratisierung von oben‘“ (Sinowatz 1976 zit. in Wimmer 2011: 313 f.) wurden die Teilhabemöglichkeiten von bislang vernachlässigten Schichten verbessert und die staatliche Förderung von KünstlerInnen erhöht. Doch erst 1988 (novelliert 1997) wurde das Kunstfördergesetz verabschiedet, das sich gezielt der Produktion und Verbreitung zeitgenössischer Kunstformate widmet. Eine nachhaltige Veränderung kulturpolitischer Zielsetzungen konnte in der demokratiepolitisch orientierten sozialistischen Phase jedoch nicht erreicht werden. (Vgl. Wimmer 2011; Knapp 2005) Auch die zahlreichen Bemühungen von Unterrichts- und Kunstminister Rudolf Scholten (1990–97),

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den diskursiven Wert zeitgenössischer Kunst für eine demokratiepolitische Gesellschaft zu etablieren, hatten laut Wimmer den „Preis einer Engführung von Kulturpolitik auf Kunstpolitik“ (Wimmer 2011: 317). Obschon in den 1990er-Jahren die Tendenz ersichtlich wurde, „kulturelle Infrastrukturförderung vor direkte Künstlerförderung zu stellen“ (Knapp 2005: 341), verlor diese mit Beginn des 21. Jahrhunderts wieder an Bedeutung. Ökonomisierungstendenzen, der Rückzug des Staates aus Teilbereichen des Kulturgeschehens (Streichung der Galerieförderung, Ausgliederung der Nationalbibliothek) prägten das beginnende 21. Jahrhundert. (Ebd.: 342) Als innovative Maßnahme seitens der österreichischen Kulturpolitik zeigte sich die Berücksichtigung der Kulturinitiativen in einer eigenen Förderabteilung: 1990 wurde eine diesbezügliche Richtlinie zur bundesweiten Unterstützung von Kulturinitiativen in Reaktion auf das stark angewachsene Angebotssegment erlassen, dem man eine besondere Innovationskraft für Kulturentwicklung zuschrieb. (Vgl. Teissl 2015; Bernard 1995; Vesely 1993) 1992 erfolgte dann die Einrichtung der entsprechenden Förderabteilung „Kulturinitiativen“ in der seit 1988 bestehenden Sektion Kunst. In der Leitlinie zur Förderung der Kulturentwicklung und Kulturinitiativen vom September 1990 wurde auf das offene Kulturverständnis des Europarats referiert, dessen „grenzüberschreitende Kulturdefinition erkennt, dass Begriffe wie Hochkultur und Subkultur dann irreführend sind, wenn sie Überund Unterordnungen einzelner Kulturformen suggerieren“ (Richtlinie Kulturinitiativen zit. in Vesely 1993: 90). Für die Förderwürdigkeit wurden damals u.a. genannt: „multikulturelle Aktivitäten, Belebung und Neudefinition authentischer Kulturen und kultureller Identität, Partizipation und Vermittlung lebendiger Kulturformen, die im jeweiligen Lebenszusammenhang aktivierend wirken“ (ebd.: 91). Im Wesentlichen sind diese Schwerpunkte bis heute gleich geblieben, statt „multikulturell“ heißt es heute „interkulturell“ und die Einreichmöglichkeiten wurden um neu entstehende Formate erweitert. Im Mai 2015 wurde die Förderung von Volkskultur in derselben Abteilung angesiedelt mit dem Argument, beide seien einem vordringlichen regionalen Charakter und kultureller Nahversorgung verpflichtet. Vor der „Kultur des Gewährens“ (Wimmer 2011: 312) wurde die Existenz der alternativen und zeitgenössisch orientierten Kultureinrichtungen zwar ermöglicht, zugleich sind sie aufgrund geringer Förderhöhen und fehlender Maßnahmen in Querschnittsmaterien wie der Schulbildung, aber

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auch im Tourismus ein Nischensektor geblieben. Derart bleibt ihr Stellenwert für progressive Diskussionen und das Aufbrechen von „gesellschaftlichen Hegemonieverhältnissen“ (Knapp 2005: 331), zu deren Produktion der Kulturbetrieb beiträgt, gering. Und obschon das Förderinteresse der Kulturinitiativen mit ihrem Beitrag zur „Neudefinition von authentischer Kultur und kultureller Identität“ argumentiert wird, zeigt sich im Gesamtförderanteil, dass Angebote mit Imageorientierung gegenüber pluralistischen Identitätsangeboten bevorzugt werden. Als 1991/92 die TourismusSektion im Wirtschaftsministerium eingerichtet wurde, beschränkte sich das dahingehende Kulturinteresse noch auf „historische Objekte“. Der gegenwärtige Stellenwert kulturindustrieller Aktivität im Kulturtourismus wurde trotz intensiver Entwicklung dieser „transnational agierenden Kultur- und Medienindustrie“ im kulturpolitischen Diskurs der 1990er- und der Nullerjahre des 21. Jahrhunderts im Wesentlichen übergangen; Wimmer sieht deren Spannkraft in der „Unterminierung nationalstaatlicher Ansprüche der Kulturpolitik“ und bezeichnet deren Akteure als „entscheidende kulturpolitische Player“ (Wimmer 2011: 320 f.). Diesen Zusammenhang nutzen nun Tourismuszweige für Imagewerbung und nachfolgende ökonomische Effekte. Trotz der Modernisierungsschübe durch die Bestrebungen unter Kreisky, einen sozialistischen Kulturbegriff einzuführen, und trotz der Hinwendung zu zeitgenössischen Kunstausdrucksformen in den 1990er-Jahren blieb die konservativ orientierte nationalstaatliche Vorstellung Österreichs ein dominanter kulturpolitischer Grundsatz. Dazu trug insbesondere die identitätsstiftende Bedeutung einer „Kulturnation“ zur Kompensation des „kleinen“ Österreich anhand von Prestigeeinrichtungen und Festspielen bei, ein Zusammenhang, der in der Kulturpolitik bereits nach 1945 zu einem klaren tourismuswirtschaftlichen Interesse führte: „Das Ziel, den Tourismus mit Hilfe der Kultur als Wirtschaftsfaktor zu fördern, [beeinflusste] das Kulturgeschehen und die Kulturpolitik in Österreich.“ (Knapp 2005: 85) Die imagepflegenden Effekte charakterisieren das außenorientierte und affirmierende Österreichbild. Man nimmt „unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation […] die Verstärkung traditioneller Österreichklischees in Kauf.“ (Ebd.: 331) Knapp betont, dass „der Wunsch, sich als ‚Kulturnation‘ zu präsentieren, zu Formen der Selbstinszenierung [führt], die die Reproduktion von Vergangenheit und das Fördern klassischer Österreich-Klischees in den Mittelpunkt stellen.“ (Ebd.: 329) Zugleich drängt

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das dominante Außenbild der „Kulturnation“ zeitgenössische, experimentelle und prozessorientierte Kulturarbeit in den Hintergrund der Wahrnehmung und Diskurse. Auch Wimmer verweist darauf, dass unter „ausgewiesenen Kulturfachleuten“ das kulturelle Leben Österreichs mit Prestige- und Traditionseinrichtungen, hingegen in nur sehr geringem Maße auch mit zeitgenössischen Kunstströmungen assoziiert wird (Wimmer 2011: 312); mit Wimmer lässt sich die enge kulturpolitische Anlehnung an die Imagepflege als „prekäres Verhältnis von kultureller Identität und Nationenbildung“ beschreiben (ebd.: 73). Knapp zieht schließlich aus ihrer Untersuchung den Schluss, dass „gesellschaftliche Entwicklungen zumeist nicht als kulturpolitische Fragebzw. Aufgabenstellungen wahrgenommen“ werden (Knapp 2005: 342). Dies lässt sich an den zwei Themenfeldern veranschaulichen, die für die Denkfigur Kulturtourismus wesentlich sind: Erinnerungskultur und alternative zeitgenössische Angebote spielen eine untergeordnete Rolle in den kulturpolitischen Agenden. Die größte Einrichtung in Österreich für nationalsozialistische Erinnerungskultur, das Mauthausen Memorial, lag von der Übergabe durch die Alliierten an die Republik Österreich 1947 bis 2015 im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Inneres (wo bis 1970 auch die Kulturpolitik angesiedelt war).7 Die Entstehungs-, Behauptungs- und Gestaltungsgeschichte des Memorials steht exemplarisch für den Zugang zu Erinnerungskultur im Österreich der Nachkriegsjahre. Der Ausverhandlungsprozess von 1947 bis 1949 zwischen Regierungsvertretern und dem Mauthausenkomitee aus ehemaligen österreichischen Häftlingen „bewegte sich zwischen der Frage nach zu erwartenden Erhaltungskosten und der Frage nach dem Symbolgehalt der künftigen Gedenkstätte“ (Perz 2016: 39). Der Druck, für die Wiedererlangung der österreichischen Souveränität Widerstand gegen den Nationalsozialismus belegen zu können, beeinflusste die Gestaltungskonzepte des frühen Memorials zum einen; zum anderen

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Im Juni 1927 Übergabe der russischen Besatzer an die Republik Österreich, 1949 wurde „das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen zu einem ‚öffentlichen Denkmal‘ erklärt. […] Im Zuge der Transformation in eine Gedenkstätte werden im ehemaligen Wäschereigebäude ein säkularer Weiheraum und eine Kapelle eingerichtet. Im Herbst 1949 wird das französische Denkmal als erstes großes nationales Monument enthüllt.“ (KZ-Gedenkstätte Mauthausen 2015)

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wurde ab den 1950er-Jahren der Opfer des Krieges insgesamt gedacht, ohne zwischen Opfern der Vernichtungsindustrie, Angehörigen der Zivilbevölkerung, Wehrmacht oder der SS zu unterscheiden. (Ebd.: 43) „Die Chiffre für das Leiden der (politischen) Häftlinge sollte in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zum Anknüpfungspunkt für verschiedene Staatsmythen werden, allen voran den zentralen Mythos der Zweiten Republik Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus.“ (Dürr 2016: 153)

Die staatliche Auslagerung, wie sie jüngst für die Gedenkstätte Mauthausen diskutiert wurde, wird von ExpertInnen der Erinnerungs- und Gedenkkultur mit dem Argument begrüßt, dass die Unabhängigkeit der Gedenkstätten vom Staat eine höhere Involvierung der Zivilbevölkerung begünstigt; zugleich fußt die Garantie, dass Erinnerungskultur auch nach dem Ableben von Zeitzeugen betrieben wird, auf der staatlichen Ermöglichung derselben (vgl. Allmeier et al. 2016). In Deutschland setzte mit der Wende ein Prozess ein, in dem „KZGedenkstätten in der alten Bundesrepublik, die bisher primär von einem zivilgesellschaftlichen, dem Selbstverständnis nach eher staatsfernen Engagement getragen worden waren, erstmals Gegenstand einer systematischen staatlichen Förderung und Regulierung“ unterzogen wurden. „Das öffentliche Gedächtnis wurde als ‚gesamtgesellschaftliche Aufgabe‘ definiert, für deren Umsetzung der Staat primär Rahmenbedingungen schaffen soll.“ (Siebeck 2016: 275) Das Thema „Aufarbeitung und Gedenken“ stellt heute einen Schwerpunkt im Ressort der deutschen Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters dar, in dem das „Gedenken an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft“ sowie die „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ angesiedelt sind. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2016) Eine vergleichbare kulturpolitische Entwicklung fand in Österreich nicht statt, wo Gedenkstätten und Erinnerungskultur, von Mauthausen abgesehen, nach wie vor wesentlich von zivilgesellschaftlichem Engagement abhängig sind.8 So existieren auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen

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Hingegen wurde für die Schulpädagogik im Jahr 2000 der Verein „erinnern.at – Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart“ als Bildungsorganisation für Lehren und Lernen vom damaligen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ins Leben gerufen. Er bietet ein internationales, mul-

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Widerstandes9 (1963) oder das Zeitgeschichte Museum und die KZGedenkstätte Ebensee (1988)10 aufgrund zivilgesellschaftlicher Gründungsinitiativen. Die fehlende Verankerung von Erinnerungskultur in der Kulturpolitik über finanzielle Förderung hinaus muss sieben Jahrzehnte nach Kriegsende als politisches Versäumnis interpretiert werden, dessen Motive in der Konstruktion des österreichischen Opfer-Mythos sowie einer sich von Deutschland und der eigenen Vergangenheit abgrenzenden „Kulturnation“ mitbegründet liegen (vgl. Perz 2016; Wimmer 2011; Knapp 2005). Dieses Versäumnis wirkt in das Diskursfeld von Image und Identität hinein und betrifft auch die Beziehungsstruktur zwischen gebietskörperschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Auch Interkulturalität als Thema des beginnenden 21. Jahrhunderts taucht bislang nur subsumiert in kulturpolitischen Zusammenhängen auf. Sie wird bei der Förderwürdigkeit einzelner Sparten wie der Projekt- und Jahresförderung von Kulturinitiativen erwähnt. Der Nationale Aktionsplan Integration (NAP.I) des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres sieht Maßnahmen v.a. im Bildungsbereich vor, Kultur wird nicht explizit erwähnt (Teissl/Allmanritter 2016). Analog zum Umgang mit Erinnerungskultur wurden bislang also auch für die möglichen Rollen, Posi-

timediales LehrerInnen-Fortbildungsprogramm. Heute wird der Verein vom Bundesministerium für Bildung unterstützt. 9

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes wurde von „ehemaligen WiderstandskämpferInnen sowie von engagierten Wissenschaftlern gegründet und ist seit 1983 eine Stiftung, die gemeinsam von der Republik Österreich, der Stadt Wien und dem Verein Dokumentationsarchiv getragen wird.“ (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes 2016)

10 Zeitgeschichte Museum und KZ-Gedenkstätte Ebensee, gegründet von Wolfgang Quatember, erinnern an die politische Geschichte von 1918 bis 1955. In der Darstellung des Verbundes Oberösterreichischer Museen heißt es: „Abseits der Tradierung idealisierter Heimatbilder zeigt es die politischen Konflikte der Lagerkultur der Ersten Republik, die Geschichte der Verfolgung im Nationalsozialismus, Formen des Widerstandes und Grundzüge des Umgangs mit der NSZeit. Es negiert damit ein harmonisiertes Betrachten der Vergangenheit und bildet einen wesentlichen Baustein reflektierter Erinnerungskultur.“ (Verbund Oberösterreichischer Museen 2015)

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tionierungen und Aufgaben von Kulturbetrieben für Interkultur kaum bundesweite kulturpolitische Rahmenbedingungen in Österreich gesetzt.11 Internationalisierungsbestrebungen im Tourismus sowie die Migrationsbewegungen machen beide Themenfelder zu aktuellen Herausforderungen. Die imagepflegende Ausrichtung der österreichischen Kulturpolitik wurde insbesondere vom Wiener Fremdenverkehrsverband aufgegriffen und für die touristische Bewerbung genutzt (Knapp 2005: 85). In der Wortwahl „zeitgemäße Verankerung historischen Erbes“ und dem Verweis auf fehlende Innovationskultur teilt sich im Strategiepapier der Tourismusstrategie 2010 indirekt der Wunsch mit, konservative Positionierungen aufzulösen. Am Beispiel FISA zeigt sich, dass weniger der Inhalt von Kunst die Aufmerksamkeit für touristische Nutzung auslöst als vielmehr der internationale Erfolg der österreichischen Films. Welche ÖsterreichBilder in welcher Ästhetik vermittelt werden, scheint sekundär, ausschlaggebend und scheinbar ausreichend ist die internationale Wahrnehmung. In der Konstellation FISA – Tourismus liegt ein Modell, das zum einen besagt, dass Tourismus und kritische Kunstformen sich zusammentun können; zum anderen, dass es seitens des Tourismus quasi einen greifund/oder messbaren Anlass braucht, um eine Allianz einzugehen. Von der Allianz zur Kooperation führt der Weg der Willensbekundung und Positionierung. Auch wenn Tourismus- und Kulturorganisationen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, so sind sie als meinungsbildende Institutionen an der Konstruktion des gesellschaftlichen Klimas und Selbstverständnisses beteiligt. Kooperativer Kulturtourismus im Sinne von kultureller Nachhaltigkeit ist auch mit der Frage konfrontiert, wie außen- und innenorientierte Wirkungen harmonisierend wirken können, wo Schnittstellen von Image und Identität zu verorten, zu verstärken oder zu generieren sind.

11 Auch hier wieder ein Querverweis zur Schulpädagogik: Die intermediäre Institution KulturKontakt Austria, unterstützt von Familien- und Kulturpolitik, berücksichtigt im Tätigkeitsschwerpunkt „Kulturvermittlung mit Schulen“ auch interkulturelle Zusammenhänge. (KulturKontakt Austria 2016)

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D ISKURSVERHÄLTNISSE Während Tourismuspolitik den „Umweg Kultur“ zur Imagebildung geht, beeinflusst das Argument der Imagepflege seinerseits kulturpolitische Schwerpunktsetzungen – man trifft sich auch ohne Absprache auf der Ebene der Ökonomie. Darin äußert sich in beiden Feldern eine Außenorientierung, in der gesellschaftspolitische Motive als Handlungskategorie auch in der Kulturpolitik eine geringe Rolle spielen. Es fehlt damit eine Grundlage für kooperativen Kulturtourismus ebenso wie für einen Kulturtourismus mit transformatorischem Charakter, während Kulturtourismus zugleich betrieben wird, wenn auch auf sekundärer Prioritätenstufe. Tourismuswerbung verweist zumeist nach wie vor auf „Kultur“ als das Schöne, Genießerische und Unterhaltende. Das mag auch daran liegen, dass der Begriff „Kulturtourismus“ nach wie vor noch mit einem Verständnis aus den 1980er- und 1990er-Jahren belegt ist, als baukulturelles Erbe sowie (hochkulturelle) Festivals und Einrichtungen als Zentren kulturtouristischer Anziehungspunkte verstanden wurden und derartige Angebote ein leicht konsumierbares Tourismus-Image unterstützten. Diese Vorstellung hält sich in Österreich jedoch auch durch die dominante imageorientierte Darstellung einer „Kulturnation“: „‚Kultur‘ läuft in diesem Zusammenhang Gefahr, ausschließlich als Freizeitvergnügen und Unterhaltung verstanden zu werden.“ (Knapp 2005: 330) In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich eine fast gegenläufige Entwicklung im Verhältnis Staat – Tourismus und Staat – Kultur identifizieren: Während auf Initiative unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Einrichtungen die privatrechtlich-gemeinnützigen Anbieter zu einer Erweiterung und Modernisierung der Angebotslandschaft beitrugen, bringt sich der Staat vermehrt in die Rahmenbedingungen des Feldes Tourismus ein. Man kann im Kulturbereich zugleich nicht von einer „Privatisierung“ im wirtschaftlichen Sinne sprechen, weil die privatrechtlich-gemeinnützigen Anbieter zumeist von öffentlicher Förderung abhängig sind. Auch die Umstrukturierungen öffentlich-rechtlicher Kulturbetriebe sind FormalPrivatisierungen, weil der Staat maßgeblicher Teilhaber und Geldgeber bleibt. (Vgl. Tschmuck 2008) Umgekehrt kann man im Tourismus nicht von einer „Verstaatlichung“ auf betrieblicher Ebene sprechen, weil lediglich bestimmte übergeordnete Ziele und damit verknüpfte Handlungsfelder einer stärkeren staatlichen Steuerung unterworfen werden. Das institutio-

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nelle Setting der Tourismus- und Kultureinrichtungen bringt unter dem Einfluss der sektoralen politischen Rahmenbedingungen Gegensätze mit sich. Die unterschiedlichen Maßstäbe in der öffentlichen Finanzierung von Kulturbetrieben führen zu einem erheblichen Gefälle zwischen gut finanzierten, meist öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und privatrechtlichgemeinnützigen Anbietern mit zum Teil prekären Arbeitsverhältnissen, auch wenn Letzteren Innovationspotenzial und Regionalentwicklung zugeschrieben werden. Zimmermann und Gamper unterscheiden zwei zentrale Instrumente der bundesweiten Tourismuspolitik: Neben den Regelungen zu direkten und indirekten Förderungen ist das Tourismusmarketing bundesweit eine „eigene Kategorie, weil Tourismusmarketing häufig nicht als ‚Förderung‘ eingestuft, sondern als ‚klassische Staatsaufgabe‘ beschrieben wird. Internationales Tourismusmarketing, so wird argumentiert, sei ein öffentliches Gut, das sich durch Nicht-Rivalität im Konsum und vor allem durch Nicht-Ausschließbarkeit kennzeichnet. So ist zum Beispiel ‚schöne Landschaft‘ ein öffentliches Gut, das jedem gleichermaßen zur Verfügung steht. Kein österreichischer Tourismusunternehmer würde daher die Führung der Dachmarke übernehmen, weil davon die gesamte Tourismuswirtschaft und damit auch die Konkurrenz profitieren würde.“ (Zimmermann/Gamper 2012b: 40)

Umgesetzt wird Tourismusmarketing auf Bundesebene von der Österreich Werbung, jedes Bundesland verfügt darüber hinaus über eine Landestourismus-Marketingeinrichtung, weshalb man von der „Allianz der 10“ spricht (Stolba 2012: 193). Die Österreich Werbung (gegründet Mitte der 1950er-Jahre als Österreichische Fremdenverkehrswerbung, umbenannt 1989) ist ein gemeinnütziger Verein mit zwei Vereinsmitgliedern: der Republik Österreich (75 % Anteil an den Mitgliedsbeiträgen), vertreten durch den Wirtschaftsminister, und der Wirtschaftskammer Österreich (25 % Anteil an den Mitgliedsbeiträgen). (Ebd.: 195) Ihre drei Aufgabengebiete sind die Markenführung „Urlaub in Österreich“, die „Bearbeitung der international erfolgversprechendsten Märkte mit innovativem, zeitgemäßem Marketing sowie die Weitergabe des Wissens über Gäste und Märkte an die heimische Tourismusbranche“ (ebd.: 193). Die Markenführung wird u.a. durch jährliche Themenschwerpunkte umgesetzt: 2014 hieß das Motto „Österreich. Treffpunkt Europas“, die genannten Kulturschwerpunkte waren

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Volkskultur, Musikgeschichte, das imperiale Österreich, Festspiel-Tradition und Architektur (Österreich Werbung 2014) – Repräsentanten der klassischen Narrative der Kulturnation Österreich. Kulturorganisationen und kulturelle Praxis stehen hier einer völlig anderen Ausgangslage gegenüber: Ihre Vermittlungsformen bleiben „individueller“, sind in ihrem stilistischen und intentionalen Pluralismus kaum unter einem ähnlich denkbaren „Mantel“ gesamtheitlich vermittelbar, sie folgen einem differenzierten Umgang mit Nachfrageorientierung und erfüllen Aufträge kultureller Bildung. Die politischen Strukturen auf Bundes- wie Länderebene, wie sie heute den Kultur- und Tourismusbereich mit entscheidenden Rahmenbedingungen versehen, unterscheiden sich insofern durch Stellenwert und Organisation von Marketing voneinander. Deshalb wird im Folgenden die Fragestellung verfolgt, inwiefern und welcher Art Marketing als tourismuspolitischer Eingriff Einfluss auf die Denkfigur Kulturtourismus besitzt. Für den Kulturbetrieb als Summe aller öffentlich geförderten Angebote existieren keine übergeordneten Marketingstrategien oder -einrichtungen nach innen oder außen. Jeder Betrieb und jede Einrichtung wirbt, abhängig von den personellen und finanziellen Ressourcen, in dem Radius und mit der Diktion, die er/sie für angemessen hält. Hingegen geschieht die touristische Imagebildung in den staatlichen Marketinginstitutionen, auch unter Miteinbeziehung von Kultur in ihren Facetten der kulturbetrieblichen Angebote und des baukulturellen Erbes sowie mit einem weiten Kulturbegriff. Den Beziehungsstrukturen und -dimensionen sowie der gemeinsamen Diskursstiftung von Tourismusmarketing und Kultureinrichtungen liegen keine formellen Kooperations- und/oder Austauschforen zugrunde. Absprachen finden also, wenn, dann individuell statt. Das Angebot der Österreich Werbung zur Beratung von Kulturbetrieben für touristisches Marketing setzt deren aktives Herantreten an die Österreich Werbung voraus. (Österreich Werbung 2016) Die privatwirtschaftliche Marketingeinrichtung BSX mit Sitz in Graz betreibt mit „Creative Austria“12 ein österreichweites

12 „Creative Austria ist ein Kooperations-Konzept zur gezielten Ansprache einer bestimmten Zielgruppe von Kulturtouristen. Im Blickpunkt stehen jene Kulturtouristen, die moderneren kulturellen Strömungen aufgeschlossen sind. Die Creative Austria Kooperations-Partner sind: Salzburg, Vorarlberg, Linz, Graz und Wien.

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PR-Dienstleisterunternehmen für kulturtouristische Aktivität und bewirbt gezielt zeitgenössische Kunst- und Kulturangebote touristisch. (BSX Schmölzer 2017) In Tirol bietet seit 2015 die Wolfgang Eder Consulting mit Sitz in Mösern und in der Ukraine Kulturtourismus und interkulturellen Tourismus an. (WEC – Wolfgang Eder Consulting 2017) Michel Foucault hat Diskurs als sprachliches Handeln definiert, das zum einen Machtverhältnisse herstellt und erhält, zum anderen Sprechen als Folge einer Logik beschreibt, die außerhalb des Individuums in der Gesellschaft etabliert ist und „weiterwuchert“ (Foucault 1994: 10). Die Konstruktion von Räumen manifestiert sich in Marketing-Aktivitäten, kulturbetriebliche Programme und Einrichtungen werden in der touristischen Vermarktung dort mit eingeschlossen, wo sie der Konstruktion des touristischen Raums und damit immer auch den Erfüllungen von Erwartungen entsprechen. Dies betrifft nicht nur die Auswahl der Angebote, sondern auch deren Vermittlungsdiktion. Bei Wöhler, Pott und Denzer heißt es: „[…] so ist, ausgehend vom sozialen und physischen Raum, offen zu legen, ob und inwieweit Tourismusräume in ihren Materialitäten Ausdruck von Diskursen sind. Tourismusräume als Konstruktionen aufgrund von Diskursen zu begreifen, rückt Machtkonstellationen unterschiedlicher Akteure in den Fokus.“ (Wöhler/Pott/ Denzer 2010: 17)

Zur Kontrolle von Diskurs und Diskursverhältnissen tragen nach Foucault unterschiedliche „Prozeduren“ bei, sie zielen im Wesentlichen auf Einschränkungen ab (bei Foucault „Verknappungen“ genannt): Kräfte zu bändigen und Zufälle ihres Auftauchens zu verhindern. „Es geht darum, die Bedingungen ihres Einsatzes zu bestimmen, den sprechenden Individuen gewisse Regeln aufzuerlegen und so zu verhindern, dass jedermann Zugang zu den Diskursen hat: Verknappung diesmal der sprechenden Subjekte.

Im Unterschied zu herkömmlicher Kulturtourismuswerbung ist es erklärtes Ziel, weniger die traditionellen Inhalte des kulturellen Angebotes in den Mittelpunkt zu stellen, als vielmehr jene Kulturproduktionen und Angebote in den Fokus zu setzen, die mit den Attributen kreativ, modern und ungewöhnlich beschrieben werden können.“ (Tourismus Salzburg GmbH 2016)

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Niemand kann in die Ordnung des Diskurses eintreten, wenn er nicht gewissen Erfordernissen genügt, wenn er nicht von vornherein dazu qualifiziert ist.“ (Foucault 1994: 25 f.)

Das Mitspracherecht bei der touristischen Vermittlung von nicht touristischen Stakeholdern unterliegt einer Reihe von inneren und äußeren Einflussfaktoren: Dazu zählen die Art und Weise, wie sich Tourismus und Kulturbetriebe nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltet haben, sowie die politischen Rahmenbedingungen. Letztere wirken – neben den oben erwähnten tourismus- und kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen – bei fehlenden Austauschforen auch auf die Dynamik dessen, was dem Begriff Querschnittsmaterie innewohnt: eine Schwächung von Themenfeldern, die nicht in übergreifenden Schwerpunkten verankert sind. Wenn die TourismusMarketing-Institutionen den Bereich Kultur für die Imagebildung und Standortpositionierung mit aufnehmen, hat dies durch den Sprach- und Bildgebrauch in der Vermittlung u.a. zur Folge, dass Kulinarik, Festspiele und Themenwege zu einem verallgemeinerten Kulturverständnis verschmelzen. Damit gehen auch die im Kulturmanagement zentralen Unterscheidungsschemata nach Trägerschaften und zivilgesellschaftlichen wie kulturpolitischen Wirkungsintentionen verloren und lösen sich in der touristischen Ansprache auf: Auf diskursiver Ebene stellen sich Kulturangebote dann als einheitliches und dem großen Bild „Urlaubsland Österreich“ untergeordnetes Programm mit einem größtenteils unterhaltenden Charakter dar. Themen der Erinnerungskultur und der Aufbau eines Erinnerungstourismus fallen den diskursiven Ausschließungskriterien ebenso zum Opfer wie, im Kontext ländlicher Raum, die Angebote alternativer Kulturanbieter. Die touristische Vermittlung des österreichischen und besonders des Tiroler Traditionsbewusstseins bestätigt diesbezügliche Vorstellungen und Erwartungen, während im alternativen Kulturbetrieb andere Zugänge auch zu Tradition, Volkskunst und Regionalgeschichte entstehen. Sie stellen damit in den Bühnenmittelpunkt, was sonst die Kulisse für den touristischen Raum ist.

Diskursverhältnisse in Tirol Standortkampagnen und Rolle der Tourismusverbände

Aufgrund des in der Verfassung festgelegten österreichischen Föderalismus obliegen zahlreiche Schwerpunktsetzungen den Landesregierungen. Die Belange des Tiroler Tourismus sind im Tiroler Tourismusgesetz (2006, novelliert 2011) und die Angelegenheiten der Tiroler Kultur in den Kulturfördergesetzen (1979, novelliert 2010) der Tiroler Landesregierung festgeschrieben. Im Jahr der Umbenennung der Österreich Werbung 1989 wurde auch die Tourismusmarketing-Organisation „unter der Führung von Andreas Braun aus dem Amt der Tiroler Landesregierung herausgelöst und als privatwirtschaftlicher Verein“ neu organisiert sowie 2003 in eine GmbH umgewandelt (Tirol Werbung 2017b). Der Verein Tirol Werbung „bildet das organisatorische Fundament für das Unternehmen Tirol Werbung GmbH. Zweck des Vereins ist die Entwicklung des Tiroler Tourismus zu fördern, das Marketing der Tirol Werbung mit jenem lokaler und regionaler Tourismusverbände sowie der Österreich Werbung zu koordinieren und die Standortmarke Tirol durch Entwicklung und Kommunikation zu führen und zu stärken.“ (Ebd.)

Der Vereinsvorstand setzt sich zusammen aus „1 Vertreter des Landes Tirol, 1 Vertreter der Wirtschaftskammer Tirol, 1 Vertreter des Tiroler Tourismusförderungsfonds sowie 1 Vertreter des Verbandes der Tiroler Tourismusverbände“ (ebd.). Der Kulturbegriff der Tirol Werbung ist wie jener der Österreich Werbung ein weiter, fokussiert jedoch auf jene Besonderheiten, die dem Kontext „ländlicher Raum“ mit dem Landschaftsmerkmal „Alpindestination“ geschuldet sind. Authentizitätsangebote im Sinne der Erwartung der Tou-

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ristInnen sind auf Tradition ausgerichtet. Da Kultur im engen Sinn von Angeboten der Kulturorganisationen kein „A-Ziel“ der Tirol Werbung darstellt, geschieht die Kulturalisierung des Raums schwerpunktmäßig über Folklore und erzeugt ein imagezentriertes „Tirol“-Verständnis in touristischer Logik. Mit zwei jüngeren Maßnahmen modernisierte die Tirol Werbung einerseits ihre Werbeästhetik, andererseits setzte sie eine groß angelegte Standortkampagne um, in deren Mittelpunkt kulturbetriebliche Angebote standen: Bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde eine Initiative zur touristischen Bewerbung kultureller Angebote in Tirol entwickelt, in deren Mittelpunkt der Kultur-Channel „kultur.tirol“ stand, eine umfassende, redaktionell betreute Website. 2010 wurde diese Initiative als Kampagne mit dem Claim „Keine Berge – trotzdem Tirol“ erneut aufgenommen.

D IE K AMPAGNE „ KULTUR . TIROL “ In der Pressekonferenz zum Auftakt im September 2010 hieß es seitens der Kulturlandesrätin Palfrader: „Tirol soll verstärkt als Kulturland beworben werden. Dieses Ziel ist im Regierungsprogramm niedergeschrieben und das wird mit der Kampagne kultur.tirol in die Tat umgesetzt“ (Tirol Werbung 2010). In der oben erwähnten Tourismus-Strategie 2010 hieß es bezüglich „Donau, Alpen und Städte & Kultur“: „Die historisch gewachsenen Städte drücken nicht nur die Kultur einer Region aus, sondern stellen gleichsam die Seele und Lebensgewohnheit ihrer Bewohnerinnen und Bewohner dar. Die dynamische Entwicklung des Städtetourismus baut heute vor allem auf der Stärkung von Kongress- und Festivaltourismus, aber auch Lifestyle und Design auf.“ (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2010: 8)

Die „Sicherstellung Österreichs als Kulturland“ war ein Ziel der im Rahmen der Strategieimplementierung abgehaltenen Workshops, an denen auch Vertreter der Tirol Werbung teilnahmen (ebd.: 25). Das legt die Vermutung nahe, dass die Kampagne von der oben erwähnten Tourismusstrategie „Neue Wege im Tourismus“ (2010) zumindest inspiriert war.

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Für die Kampagne wurde das Tirol-Logo um ein „kultur.tirol“-Logo erweitert, eine Bildsprache wurde entwickelt, in der Tirol als Land der Berge den Rahmen bildet, darin eingepasst wurden unterschiedliche Motive etwa von Festspielen oder baukulturellem Erbe. In der Sonderstudie „Kultururlaub Analysebericht“ (Österreich Werbung 2013) wird vor dem Hintergrund, dass Kultur als touristisches Angebot besonders in den Städten funktioniert, auf die Notwendigkeit verwiesen, Kulturangebote im ländlichen Raum in Kombination mit der imagegebenden Landschaft zu adressieren: „Eine Betrachtung der Entscheidungskriterien für den Kultururlaub in einer bestimmten Region in Österreich zeigt große Unterschiede zwischen Stadt und Land. Das Kunst- und Kulturangebot, Sehenswürdigkeiten sowie Ortsbild und Architektur sind jeweils auf dem Land und in der Stadt sehr wichtig. In der Stadt sticht allerdings gerade das Kunst- und Kulturangebot als mit Abstand wichtigstes Kriterium heraus. Auf dem Land sind die Landschaft und Natur, die Ruhe und die Berge wichtige Entscheidungskriterien. Kultur im ländlichen Raum spielt sich also immer auch in einem natürlichen Setting ab, ist nie losgelöst davon. Kultur im ländlichen Raum gehört in Anbetracht dieser Ergebnisse auch anders kommuniziert als die Kultur im urbanen Raum. Beispiel Land: was funktioniert sind Bilder z.B. der Bregenzer Seebühne vor dem Bodensee oder der Wolkenturm Grafenegg vor historisch/ landschaftlicher Kulisse.“ (Ebd.: 11)

Dies entspricht der Vorgangsweise bei der Kampagne „kultur.tirol“. In der Bildsprache wurde – im Falle der Einpassung von Kultur in die Landschaft als zentrale Ikone sogar im doppelten Sinne – ins Bild gesetzt, was laut Marktforschung Erfolg verspricht: Für die Gratwanderung aus Einzigartigkeit und affirmativer Breitenwirkung touristischer Bewerbung wird in der ländlichen Region dem Rahmen – die Tiroler Natur – die größere Aktivierungsmacht zugestanden als dem Bildzentrum – dem Motiv der Kultur. In diesem Bilddiskurs harmonieren beide. Besonders Angebote und Kunstschaffende mit „internationaler Strahlkraft“ (ExpertInnen-Interview TW2) sollten im Mittelpunkt der Kampagne stehen. Inserate wurden geschaltet, ein Kinotrailer verbreitet, der KulturChannel neu beworben und der Veranstaltungskalender auf Usergenerierung zur Verfügung der Kulturanbieter umgebaut: „‚Die Seite spiegelt das Kulturangebot wider, sie hat aber auch einen Magazin- und Feuilleton-Teil, der ausführliche Hintergrundinformationen zur Tiroler Kultur bietet‘,

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erklärt Josef Margreiter.“ (Tirol Werbung 2010) Die Tiroler Künstlerschaft schrieb einen Wettbewerb „zur künstlerischen Gestaltung des TirolBerges in Garmisch“1 aus: „Tiroler KünstlerInnen [sic!] oder Künstler mit starkem Tirol-Bezug waren dazu aufgerufen, das Schlüsselbild für den TirolBerg zu entwerfen.“ (Ebd.) Namhafte VertreterInnen der hochkulturellen und alternativen Kulturszene waren bei der Pressekonferenz anwesend, und es herrschte wohl erstmals seit den 1970er-Jahren eine gemeinsame Euphorie. Rückblickend wurde von einem Vertreter der Kulturverwaltung des Landes Tirol formuliert, dass mit der Kampagne ein entscheidender Schritt gewagt wurde: „Diese unmittelbare Rückkoppelung zwischen der, allen Gästen unterstellten, Fremdwahrnehmung Tirols als das Land der Berge und der Selbstwahrnehmung zu durchbrechen. Es gibt immer den Tourismus und den Rest Welt und ich empfand diese Kampagne als Überbrückung dieser Bruchlinien, zumindest visuell.“ (ExpertInnen-Interview KP1) Doch wenige Jahre später verschwand die Kampagne mit Hinweis auf Evaluierung, es blieb der Kultur-Channel. Was war geschehen? Der interaktive Veranstaltungskalender wurde nur von einem Teil der Kulturanbieter kontinuierlich genützt, ein geplanter Ausbau der Kampagne durch z.B. Inserate im süddeutschen Einzugsbereich missglückte durch den Mangel an Klarheit darüber, welche Anbieter über entsprechende kulturtouristische Potenziale verfügen; widersprüchliche Positionen der Tirol Werbung und der Kulturtreibenden bezüglich der Frage, wer solche Inserate finanzieren sollte, verhinderten deren langfristige Umsetzung. Missverständnisse über Ziel und Zweck der Kampagne zwischen den Anbietern und der Tirol Werbung bremsten die ursprüngliche Einsatzfreude, sodass sie schließlich beendet wurde.

1

Repräsentation der Tirol Werbung anlässlich der Alpinen Skiweltmeisterschaft in Garmisch 2011. In der Mitteilung der Tirol Werbung hieß es, man setze auf zeitgenössische Kunst. „,Der TirolBerg in Garmisch ist ein die Silhouette der Berggipfel aufgreifendes Zelt. Das neu zu schaffende Schlüsselbild soll ein Symbol für die Kultur des Landes und die Lebensart der Tirolerinnen und Tiroler sein‘, erklärt Josef Margreiter. […] In der Jury sitzen mit Josef Margreiter, Michael Brandl, Martin Ebster und Peter Marko Touristiker und mit Klaus Bartl, Verena Konrad und Sabine Gamper Künstler bzw. Kunsthistorikerinnen. Teilnahmeberechtigt sind alle KünstlerInnen, die in Tirol geboren sind oder einen starken Tirolbezug nachweisen können.“ (Tirol Werbung o.J.)

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Gut gemeint, schlecht gemacht? Die Kampagne 2010 wurde anfänglich ohne Einbindung der Kulturbetriebe entwickelt, erst in einer zweiten Phase wurden VertreterInnen unterschiedlicher Kultureinrichtungen zu einem runden Tisch gebeten. Von den 14 TeilnehmerInnen kamen fünf aus öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, zwei von den größeren Kulturinitiativen aus dem Bezirk Innsbruck-Land und drei aus dem privatrechtlich organisierten Festivalbetrieb; vertreten war auch die Tiroler Künstlerschaft. Der Auswahl wohnte, trotz ihrer Vielfalt, kein pluralistisches Kunst- und Kulturverständnis der real existierenden Kulturangebotslandschaft inne. Einrichtungen in den ländlichen Regionen waren z.B. unterrepräsentiert. Die Austauschmaßnahme selbst wurde in der Einschätzung des Kampagnenleiters begrüßt und initiierte als „nachhaltigen Effekt einen Dialog zwischen Kulturschaffenden unterschiedlicher Ausrichtung, wie er bislang nicht stattfand“ (ExpertInnen-Interview TW2). Insgesamt hatten scheinbar aber weder die kooperierenden Kulturanbieter noch die Tirol Werbung den Eindruck, dass ihre retrospektiven Erwartungen erfüllt würden, was auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden kann: Vordergründig drängen die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und die ungenaue methodische Umsetzung der Kampagne in den Blick. Während sich die Kulturanbieter eine Erschließung neuer touristischer Publikumssegmente erhofften, erwartete sich die Tirol Werbung eine zunehmende unterstützende Aktivität der Kulturanbieter u.a. in Form von Zuzahlungen, um Kultur nicht einfach „mitzutragen“, sondern langfristig in die Standortpositionierung aufnehmen zu können. Auch die Zielsetzung der Kampagne scheint retrospektiv missverständlich: Obschon in der damaligen Presseaussendung vermittelt wurde, dass „die Werke der Tiroler Kulturschaffenden […] sowohl innerhalb als auch außerhalb der Landesgrenzen“ (Tirol Werbung 2010) beworben würden, bekräftigen die Verantwortlichen der Tirol Werbung und der Kulturverwaltung im Nachhinein, es habe sich um eine nach innen gerichtete Standortkampagne gehandelt. „Markenbildung [ist] etwas sehr Umfassendes und hat auch mit Identitätswahrnehmung zu tun. Ich fand die Intention dieser Kampagne, so wie ich sie verstanden habe, extrem wichtig […]. Vielleicht gar nicht so sehr für das Publikum, das zum Tanzsommer oder zu den Festwochen geht, sondern für die vielen Tiroler, die das eigentlich Tirolerische nur in der Traditionskultur sehen. Es gibt ja auch in Tirol diese Grenzen untereinander. Das Hochkulturprogramm in Innsbruck ist leider

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immer noch ein ziemliches Minderheitenprogramm. Die Einzigen, die flächendeckend ausstrahlen, sind die Abonnements des Landestheaters und die Meisterkonzerte. Alles andere ist urbanes Minderheitenprogramm und hat mit der Bezirksmusikszenerie jenseits von Innsbruck nichts mehr zu tun. An diese nicht so eindeutige Situation war meines Erachtens diese Kampagne gerichtet.“ (ExpertInnen-Interview KP1).

Eine konkrete Problematik ergab sich aus der Erwartung der Tirol Werbung hinsichtlich eines finanziellen Beitrags seitens der Kulturbetriebe und der Kulturpolitik. Aus rechtlicher Perspektive stellt eine kulturpolitische Bezuschussung der Tirol Werbung eine Doppel- bzw. Quersubventionierung dar. 2015 wurden zwischen Tirol Werbung und Land Tirol Gespräche über eine Neuauflage der Kulturkampagne aufgenommen, an der diesmal auch die Kulturpolitik beteiligt sein soll: „Die Tirol Werbung ist eine Gesellschaft, die mehrheitlich vom Land Tirol beherrscht wird, und es ist für uns rechtlich ein Problem, im Kulturbudget Gelder umzuschichten, denn wir können uns ja nicht selber fördern. […] Da ist am Kopf etwas zu machen, denn dem Finanzreferenten kann es ja egal sein, und uns ist es auch egal. Wenn man aus unserem Budget etwas zur Tirol Werbung gibt, why not? […] irgendwann muss sich die Politik schon deklarieren und das nicht an die Beamten oder die Tourismusabteilung delegieren, die dann in Konflikt mit der Kulturabteilung geraten.“ (Ebd.)

In den Interviews mit Kulturinitiativen und TVBs auf dem Land war die Kampagne bei den TourismusvertreterInnen größtenteils bekannt, wurde aber als nicht attraktiv oder als nicht geeignet für die Region empfunden.2 Bei KulturvertreterInnen war sie hingegen unbekannt, doch interessierten

2

„Ich habe mich offen gesagt nicht lange mit der Kampagne beschäftigt, weil es ein strategisches Thema ist, das im Zillertal Tourismus angesiedelt ist, und ich habe kein Budget, um mich eigenständig an die Kampagne zu hängen.“ (ExpertInnen-Interview T2) „Wir haben uns weder finanziell noch anderweitig engagiert, weil mir die Suppe da zu dünn war.“ (ExpertInnen-Interview T1) „Die Kampagne war nur ein Feigenblatt, und dann haben wir gesagt‚ da machen wir besser gar nichts, als da halbherzig das Geld rauszuwerfen.“ (ExpertInnenInterview T4)

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sie sich für eine mögliche Bewerbung nach außen, für die ihnen selbst die entsprechenden Netzwerke und Ressourcen fehlen. (ExpertInnen-Interview K1; K3) Ein methodisch fundierter und moderierter Partizipationsprozess, um die unterschiedlichen Ausgangslagen und Erwartungen offenzulegen, schien nicht stattgefunden zu haben. Inwiefern die grundlegenden Begrifflichkeiten, damit verbundene Bewusstseinsbildungsprozesse und die Formulierung gemeinsamer Ziele Gegenstand der übergreifenden Auseinandersetzung waren, ist retrospektiv nicht mehr festzustellen. Insbesondere beträfe dies den zugrunde liegenden Kulturbegriff sowie die Deutung von „kulturtouristischem Potenzial“. In einem weiteren Vorstoß unternahm die Tirol Werbung einen Modernisierungsprozess mithilfe künstlerischer Herangehensweisen.

S IGHT -_S EEING Bereits ab Mitte der 1990er-Jahre ortet Türkis eine Veränderung in den touristischen Werbekonzepten, die sich von inhaltlichen Aussagen auf Design verlagerten. Die Bildsprache entwickelte sich in der Folge zu einem zentralen Marketingtool, dessen Umfang und Strategie weit über die künstlerisch gestalteten Werbeplakate und die Verwendung von Bildern des Kitzbüheler Malers Alfons Walde (1891–1958) hinausreichten, welche schon früh zur touristischen Praxis in Tirol gezählt hatten. „Jede Zeit hat ihre Bilder, jede touristische Epoche ihre Werbemittel: Franz von Defregger malte im 19. Jahrhundert lustige Tiroler vor imposanten Alpen. Die ersten grafisch gestalteten Tourismusplakate, die parallel zur Entstehung der Eisenbahn entstanden, zeigten möglichst detailreiche, hübsche Ansichten der Orte an der Strecke. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Tourismus in Tirol richtig in Schwung kam, charakterisierten die berühmten Grafikdesigner wie Arthur Zelger mit nur wenigen Strichen und Farbflächen den Sehnsuchtsort Tirol, ehe ihre Bilder in den 1970er-Jahren von Farbfotos mit sonnenbeglänzten Tiefschneehängen und in den 1990er-Jahren von Kunstfotografien mit nostalgischer Anmutung abgelöst wurden. Bei all der Veränderung in Bezug auf Techniken und Sujet-Auswahl blieb eines bei der Werbung für Tirol aber konstant: Sie war geprägt von Schönheit, Erhabenheit und perfekten Momenten. Im Dienste des Tourismus zeigten sich Tirol und die Tiro-

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ler von ihrer besten Seite. Was dem Klischee nicht entsprach, wurde ausgelassen oder beschnitten, retuschiert oder farblich aufgewertet.“ (Tirol Werbung 2015: 40)

Tourismusmarketing als Raumkonstruktion ist seit der digitalen Revolution in besonderem Maße mit der Bedeutung von visuellen Diskursformaten konfrontiert. Die Fotografie als Medium, das immer eine Realität zu versprechen scheint, letztlich aber Träger von Semantisierungsprozessen touristischer Räume ist, benötigt vor dem Hintergrund der interaktiven Kommunikationswelt eine Ästhetik der Glaubwürdigkeit. Ab 2011 entwickelte die Tirol Werbung auf Initiative des Bildtheoretikers Wolfang Scheppe eine neue Bildsprache. (Scheppe 2017) Sie „musste zu den Werten der Marke – mutig, stark, eigenwillig, echt und verbunden – passen. Sie musste zeigen, dass die Tiroler sich etwas Neues trauen, sie musste Selbstbewusstsein ausstrahlen, eigenwillig und authentisch sein. Nicht zuletzt musste sie darauf reagieren, dass auf Instagram und in anderen Netzwerken zahllose Bilder existieren, die das ungeschönte, reale Tirol zeigen – eine Entwicklung, mit der die brillanten Photoshop-Bilder nicht mehr in Einklang zu bringen waren.“ (Tirol Werbung 2015: 40)

Scheppe selbst sagt über die spezifische Herausforderung der touristischen Bildsprachenentwicklung: „Am knappsten ließe sich sagen, es gehe im Angesicht der visuellen Hegemonie aller Sehenswürdigkeiten, Monumente und Großattraktionen aus dem Wertekanon der touristischen Sichtweise gerade um die Differenzerfahrung des Unscheinbaren, in der sich der alltägliche Lauf der Dinge in einem Territorium ausdrückt.“ (Scheppe zit. in Tirol Werbung 2015: 40)

Im Zuge der Kampagne zur Bildsprache entstanden zwei Bildbände. Der erste, für den sieben Landschaftsfotografen im Auftrag der Tirol Werbung „ungeschönte und echte“ Bilder von Tirol im Sommer machten, wurde mit dem deutschen Fotopreis ausgezeichnet. Zu den Auflagen zählten die Umgehung fotografischer Stilmittel zur Überhöhung der aufgenommenen Realität, u.a.

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„sich selbst in Richtung Motiv bewegen (weniger Zoom, wo möglich); kein Dialog mit der zu fotografierenden Person durch direkten Blick in die Kamera; Close-ups eher vermeiden, um Raum für den Betrachter zu lassen; keine Inszenierungen oder Situationen, die danach aussehen; keine Schärfe-/Unschärfe-Spiele, keine Weitwinkel, keine Filter, keine Verzerrungen; Perspektiven des natürlichen Auges suchen“ (Präsentationsunterlagen der Tirol Werbung o.J.)

Die quasidokumentarischen Aufnahmen rückten in gewisser Weise dem Alltag näher, mussten aber Versprechen von Einzigartigkeit in der Naturerfahrung des touristischen Raums halten. Die Landschaft half und wurde zum Komplizen: „Da wir nicht das Abbild nach der Realität beurteilen, sondern die Realität nach der Abbildung […], hat der Fotograf es nicht leicht, diesem Zirkel zu entgehen. Was immer er tut, er kann dem geschlossenen System eines vorausgesetzten Bildrepertoires der Landschaft nicht entgehen, das das Sehen durch Erwartung, Wiedererkennen und Bestätigung bildhafter Vorstellungen substituiert.“ (Scheppe 2011: 12)

In gewisser Weise wurde die Konstruktion des touristischen Raums durch die neuen Anforderungen an das Marketing abstrakter und komplexer. Man kämpft um den Blick des Touristen in den angebotenen Raum, darum, dass „etwas sicht- bzw. wahrnehmbar“ wird, „was den Touristen angeht“ (Wöhler/Pott/Denzer 2010: 15) und dabei auch noch der Überprüfung und dem Wunsch nach Einzigartigkeit standhält. Das touristische Raumkonstrukt bündelt sich in seiner diskursiven Kraft, denn die imageprägenden, „weltbildformierenden“ (Wöhler) Bilder und die entstehenden Narrative treten über die Wahrnehmung der Zielgruppen hinaus, werden Teil der gelebten Wirklichkeit von allen in einer touristischen Region. „Weltbilder werden im Platzieren von Objekten in Räumen verhaltenswirksam, Räume erhalten so eine soziale Wertigkeit“, hält Wöhler fest und fährt fort: „Weltbilder (internal) geben die Richtung an, nach der durch Raumaneignung (external) eine objektive Welt produziert wird.“ (Wöhler 2010: 158) Dieses dialektische Verhältnis aus konstruiertem Raum und sozialer Aneignung findet besonders stark in der Bildsprache seinen Ausdruck und seine Wirksamkeit.

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„Inzwischen hat die Bildsprache von Sight-_Seeing Eingang in alle Kommunikationskanäle der Tirol Werbung gefunden. Aus dem Kunstprojekt hat sich eine tiroltypische, einheitliche Bildwelt entwickelt, mit der sich die Menschen in Tirol identifizieren können und die auch von bisher zwanzig Tourismusregionen, die sich dem Projekt angeschlossen haben, mitgetragen wird.“ (Tirol Werbung 2015: 42)

Im Fokus stehen dabei weniger kulturelle Angebote als die MarkenFixstarter Natur und Sport: „Fotografen, die heute für die Tirol Werbung arbeiten, haben nur eine thematische Vorgabe – etwa Bilder zum Mountainbiken zu machen – und begleiten einen Tag lang eine Gruppe von Menschen.“ (Ebd.) Doch zeigt die Miteinbeziehung des touristischen Blicks die Ermöglichung einer neuen Authentizitätsvermittlung sowie die Tatsache, dass an der Verhandlung solcher teilgenommen werden kann. Während die Tirol-Werbung auf strategischer Marketing-Ebene agiert, spielen sich konkrete Kooperationen auf der Ebene von Tourismusverbänden und Kulturorganisationen ab. Losgelöst von Strategien und Rahmenbedingungen entsteht auf dieser untersten Ebene eine Abhängigkeitssituation von individuellem Verhandlungsgeschick und persönlichen Vorlieben.

D IE R OLLE

DER

T OURISMUSVERBÄNDE

Neben der Tirol Werbung zählen die Tourismusverbände als Körperschaften öffentlichen Rechts zu den staatlichen Akteuren. 2011 wurden die dazumal bestehenden 254 zu 34 TVBs zusammengelegt. Sie sind die Ausführenden konkreter touristischer Angebotsentwicklung und bewerben die ihnen zugeteilten Regionen auch mit eigenen Maßnahmen und Schwerpunkten; in manchen Tälern gründen die TVBs Marketing-Dachverbände. Im Tiroler Tourismusgesetz 2006 (novelliert 2011) definiert § 3 Abs. 1 die Aufgaben der TVBs als „die Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen und regionalen Belange des Tourismus unter Bedachtnahme auf seine ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen und ökologischen Auswirkungen“ (Tiroler Tourismusgesetz 2015: 3). Hier findet sich der eingangs erwähnte Anknüpfungspunkt an die kulturellen Auswirkungen, welche als kulturelle Nachhaltigkeit, als Konzept von bewusster Reflexion und Willensentscheidung im Zusammenhang mit dem Verhältnis Image und Identität weitergedacht werden können. Das Tourismusgesetz umfasst zwei

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Rahmenbedingungen, die das Beziehungsverhältnis sowie das Selbstverständnis betreffen, die Mitgliederregelung sowie die Bewusstseinsbildung bei der einheimischen Bevölkerung zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Tourismus. TVBs finanzieren sich maßgeblich über die verpflichtende Tourismusabgabe und die Ortstaxen3. Ein interessanter Umstand für das Verhältnis zwischen TVBs und Kulturinitiativen erwächst aus der gesetzlichen Regelung zur (Pflicht-)Mitgliedschaft sowie deren Nutzen: „Tourismusverbände haben ihre Aktivitäten nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung ihrer Mitglieder auszurichten, sodass den Mitgliedern die Teilnahme an gemeinsamen Marketingmaßnahmen unter denselben Bedingungen zu ermöglichen ist.“ (Ebd.) Zu Pflichtmitgliedern der TVBs werden laut § 2 „jene Unternehmer im Sinn des § 2 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die unmittelbar oder mittelbar einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Tourismus in Tirol erzielen und im Gebiet des Tourismusverbandes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben“ (ebd.: 2). Die Beitragszahlungen der Pflichtmitglieder sind in Beitragsgruppen nach Berufen und Größe der Unternehmen unterteilt. Von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen sind nach § 31 f) „Umsätze von Theatern, Musikensembles und Museen, die von einer Gebietskörperschaft regelmäßig Zuschüsse von mehr als 30 v[om] H[undert] ihrer jährlichen Aufwendungen erhalten“4 (ebd.: 20).

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Beiträge der Mitglieder nach §§ 30 ff., b) Zuweisungen des Landes Tirol aus der Aufenthaltsabgabe nach § 8 des Tiroler Aufenthaltsabgabegesetzes 2003, c) Erträge aus einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit oder aus einer Beteiligung an einem erwerbswirtschaftlichen Unternehmen und aus Veranstaltungen des Tourismusverbandes, d) Erträge aus Vermietungen, Verpachtungen, Vermögensveräußerungen und sonstige Erträge, e) die Aufnahme von Krediten, f) freiwillige Zuwendungen. (Tiroler Tourismusgesetz 2015: 16)

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Außerdem „c) Umsätze aus sonstigen Leistungen (§ 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994), soweit sie nicht ausschließlich oder überwiegend in Tirol erbracht wurden, sowie Umsätze aus geistigen Leistungen mit wissenschaftlichem, literarischem, künstlerischem, technischem, buchhalterischem oder vergleichbarem Inhalt wie etwa Architektenpläne, Karten, Kompositionen, Modellskizzen oder Beratungsleistungen etwa von Werbeagenturen oder Ingenieurbüros, wenn deren Verwendungszweck nicht ausschließlich oder überwiegend in Tirol liegt“.

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Mit dieser Regelung sind zwei Sparten im Hochkulturbetrieb – Theater und Museen – sowie die mannigfaltigen Blaskapellen von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen, wenn sie mehr als 30 % Förderung erhalten. Nicht ausgenommen sind laut dieser Regelung andere öffentlich geförderte Kulturanbieter wie Kulturinitiativen, Kulturzentren (Treibhaus) oder Festivals; in der Praxis werden sie mit der 30-Prozent-Regel von der Abgabe befreit. Lichtspieltheater sind in der Beitragsgruppe IV bzw. V erfasst, die Unterscheidung zwischen kommerziellen und öffentlich-geförderten Arthousebzw. Programmkinos führt zu keinen Konsequenzen, obschon die vom Verein Otto Preminger-Institut betriebenen privatrechtlich-gemeinnützigen Innsbrucker Programmkinos unter die Fördergrenze von 30 % fallen, sind sie dennoch Pflichtmitglieder. Die Ausnahmeregelung für einen Teil der Kulturbetriebe ist zwar als indirektes staatliches Kultur-Förderinstrument einzuordnen. Von der finanziellen Erleichterung abgesehen geraten jedoch das zumindest im Gesetz festgehaltene Mitspracherecht der Mitglieder, deren explizite Berücksichtigung nach § 2 Abs. 1 sowie die Inanspruchnahme touristischen Marketings und von „Maßnahmen der Gästebetreuung, insbesondere im Bereich des Veranstaltungsmanagements“ (ebd.: 3) zu einer Frage beidseitigen individuellen Engagements und kommunikativer Bereitschaft. Auch die Art der Berücksichtigung von Kulturangeboten seitens der TVBs findet unterschiedlich starke Ausprägungen und Motive. Der TVB Region HallWattens unterstützt z.B. die dort ansässigen Festivals finanziell und wirbt mit dem Claim „Kultur ist unsere Natur“, der TVB Innsbruck und seine Feriendörfer setzt bewusst auf eine Förderung im Musikfestivalbereich und investiert auch sonst in Kulturtourismus. Wie sich Förderung, Motive und Absichten zueinander verhalten, konnte z.T. mittels der Interviews und sozialen Netzwerkanalyse geklärt werden. Es gibt noch eine weitere Aufgabe von TVBs, die – auf den ersten Blick überraschend – eine Rolle für kooperativen Kulturtourismus spielen kann, nämlich „die Förderung des Verständnisses der Bevölkerung für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Tourismus“ (§ 3c Tiroler Tourismusgesetz: 3). Damit tritt das Zielpublikum „Einheimische“ auf den Plan, das in der oben erwähnten Kulturförderrolle ebenso erreicht werden kann, wie es für das kulturtouristische Potenzial im Sinne einer Schnittmenge und/oder in einem gesellschaftlichen Beitrag für die Region umgesetzt werden könnte. TVBs befinden sich aus gesetzlicher Perspektive in einer

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triangulären Anspruchsforderung zwischen Angebot, Gast und einheimischer Gesellschaft. Als Treiber touristischer Angebote in einem konstruierten Raum sind sie der Erfüllung jener Erwartungen verpflichtet, die national und regional sowie von ihnen selbst lokal erweckt werden. Zugleich wird öffentliche Förderung auch von Kulturangeboten von ihnen erwartet; während es auf der einen Seite naheliegend scheint, dass die Förderung an die Passfähigkeit ins touristische Framing gebunden ist, engagieren sich TVBs auf der anderen Seite auch bei Angeboten, die keinen oder einen geringen tourismuswirtschaftlichen Nutzen erwarten lassen. Wie bei der Kampagne „kultur.tirol“ vermittelt, sind auch Einheimische ihre Zielpublika, ihre demokratiepolitische Aufgabe bleibt dennoch unbestimmt, im Kern wirtschaftlicher Argumentation überlassen und benötigt Lobbyismus bei Stakeholdern.5 Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass den politischen Rahmenbedingungen keine Impulse für Kulturtourismus als Schnittfeld erwachsen. Eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Tourismus- und Kulturpolitik auf Bundesebene wird weder erwähnt, noch scheinen Formen von formeller Kooperation auf. Tourismusmarketing als staatliche Aufgabe bringt vor diesem Hintergrund eine touristisierte Präsentation von Kultur mit sich, ohne dass Kulturbegriffe definiert, Vermittlung differenziert und das Verhältnis aus Imagebildung und Identitätsangeboten reflektiert würde. Kulturtourismus wird weder in der strategischen Herangehensweise noch in Ordnungsstrukturen, die den operativen Bereich beeinflussen (TVBs), platziert und braucht als Voraussetzung die Eigeninitiativen. Zu den weltanschaulichen Barrieren zwischen Tourismus und Kultur tragen insbesondere in Tirol die unterschiedliche Entwicklung der beiden Bereiche und ihre gesellschaftliche Positionierung nach dem Zweiten Weltkrieg bei, während zugleich über die Jahrzehnte eine konservativ orientierte Landespolitik und

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So hieß es in einem ExpertInnen-Interview: „Wenn wir hier der Meinung sind, das ist das Image der Region, dann heißt das noch lange nicht, dass wir das auch schaffen. Es auf die Leute zu übertragen, ist einfach ein extrem langwieriger Prozess. […] Wir haben mit Egger und anderen große Firmen Industrie hier. Wir sind Handels-, Schul- und Krankenhausstandort, also da gibt es viele Standbeine und nicht nur die touristische Sichtweise. Vielen Tourismusbetrieben fällt es schwer, das zur Kenntnis zu nehmen, aber für mich ist das klar. Nicht jeder hat ein Interesse am Tourismus.“ (ExpertInnen-Interview T3)

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touristische Imagebildung einen natürlich wirkenden Schulterschluss in der Traditionsorientierung des politischen und touristischen Raums zuließen. Das Prestigedenken in der Kulturpolitik wurde zwar innersystemisch aufgebrochen, indem privatrechtlich-gemeinnützige Anbieter förderwürdig wurden, jedoch finden sich keine Anzeichen für eine Auseinandersetzung mit deren etwaigem Potenzial für Image und Identität besonders in ländlichen touristischen Regionen. Die föderale Struktur begünstigt zudem, dass der Umgang mit Themen von nationalem Interesse der politischen Willensbekundung und den Ökonomieinteressen der Länder obliegt. Dennoch wurde die Aufladung der Marke Tirol unter dem Einfluss des digitalen Paradigmenwechsels verändert und deutet die Kampagne „kultur.tirol“ ein Bewusstsein vom Reiz kultureller Angebote an. Unter Miteinbeziehung von Sillers Ansätzen ließe sich eine Erweiterung des Diskursfeldes um Kultur (Erinnerungskultur, kulturelle Nachhaltigkeit) also denken, was sich im Anschluss an neue Ansprüche einer ungeschönten Authentizität und das offene Nutzerverhalten von TouristInnen positiv auf das Bild (in diesem Fall in doppelter Hinsicht) Tirols auswirken kann. Eine entscheidende Rolle spielt, wie auch Wöhler und Siller betonen, die Rolle der Politik. In der Tiroler Kulturpolitik weist einiges darauf hin, dass der Umgang mit Erinnerungskultur eine neue Aufmerksamkeit erfährt.

Erinnerungskultur und Interkultur in der jüngeren (kultur-)politischen Praxis in Tirol

Interkultur und Erinnerungskultur werden auch in Tirol maßgeblich von engagierten Einzelpersonen, PolitikerInnen und zivilgesellschaftlichen Vereinen betrieben, die z.T. einer zergliederten Förder- und Kompetenzstruktur gegenüberstehen. Beides, Interkultur und Erinnerungskultur, fand in den vergangenen Jahren aus unterschiedlichen Beweggründen vermehrt politische Aufmerksamkeit in Tirol: Interkultur und Integration werden im Zuge der aktuellen Bedeutung, die den Themen im deutschsprachigen und europäischen Raum beigemessen werden, auch in Tirol politisch wahr- und aufgenommen. Die schon länger andauernde Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur bezüglich des Nationalsozialismus findet auf akademischer, künstlerischer und kulturbetrieblicher sowie auf politischer Ebene statt, weist jedoch gerade durch die Vielzahl der Akteure und einen zu vermutenden mangelnden Austausch unter diesen eine größere Dispersität auf als das neuere Themenfeld „Interkultur/Integration“. Die oben ausgeführte Darstellung, dass Erinnerungskultur bislang nicht Teil der (kultur-) politischen Agenden ist, wirkt sich in der Gegenwart in zweierlei Hinsicht aus: Zum einen wird im Kulturmanagement die Zuständigkeit für Erinnerungskultur vor dem Hintergrund forciert, dass das Verschwinden von ZeitzeugInnen zu einer Zeit des Umbruchs führt; die Vermittlung durch die nachkommenden Generationen legt einen erhöhten Bedarf an Wissensaustausch unter den involvierten AkteurInnen nahe (Hoppe/Heinze 2016: 197 ff.) und führt zu Diskursen über Vermittlungsmethoden in Gedenkstätten (Allmeier et al. 2016). Zum anderen drohen bislang unerschlossene potenzielle Erinnerungsorte und/oder noch wenig bekannte Zusammenhänge

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in Vergessenheit zu geraten und möglicherweise traumatisch nachzuwirken. Beide Aspekte äußern sich implizit in Vorgängen rund um Erinnerungskultur in Tirol: Öffentlich debattierte Anlassfälle führten zu einer diskursiven Aufwertung, welche sich 2013 und 2015 in zwei neuen Richtlinien zum Kulturfördergesetz niederschlug. Bezüglich des Themenkomplexes Interkultur kann auf die in der städtischen Verwaltung Innsbrucks im Büro für Bebauung und Flächenwidmung eingerichtete Integrationsstelle verwiesen werden, die Vernetzung unter den migrantischen Vereinen betreibt und Veranstaltungen mit interkulturellem Hintergrund organisiert. In der vom Kulturamt der Stadt Innsbruck ausgerichteten Förderinitiative stadt_potenziale, die sich an die freie Szene wendet, werden regelmäßig interkulturelle Vorhaben eingereicht und gefördert.1 2014 unterstützte das Kulturamt der Stadt Innsbruck außerdem eine Studie zur Interkulturalität von Innsbrucker Kulturbetrieben der FH Kufstein.2 Beim Land Tirol ist der Fachbereich Integration in der Abteilung Gesellschaft und Soziales angesiedelt. Unter anderen wurde hier jüngst das Projekt „Erinnerungskulturen“ mit dem Ziel gefördert, „in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Geschichte(n) der Migration, insbesondere für jene der Arbeitsmigration seit den 1960ern, zu schaffen. Durchgeführt wird das Projekt an drei exemplarischen Orten und bezieht neben der allgemeinen Bevölkerung besonders ZeitzeugInnen, OrtschronistInnen und Gemeindebedienstete mit ein.“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2014)

Initiiert und ausgeführt wurde das Projekt vom gemeinnützigen Verein Zentrum für Migrantinnen und Migranten in Tirol im Jahr 2014, zahlreiche ähnliche Projekte führte der Verein in den vergangenen zehn Jahren bereits durch und ist neben diesen bewusstseinsbildenden Initiativen als Partnerorganisation des AMS an konkreten Integrationsmaßnahmen beteiligt. Insge-

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S. exemplarisch „Stimmen unserer Stadt“ (2008), „KUL-Tour Bibliothek“ (2008), „Innsbruck anders“ (2009), „Warteräume“ (2012). (bættlegroup for art 2017)

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Gemeinsam mit Master-Studierenden des Studiengangs Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement wurden diskurstheoretisch und empirisch die Attraktivität und die Leerstellen für Interkultur im Innsbrucker Kulturbetrieb erhoben (Teissl/Allmanritter 2016; Teissl et al. 2015).

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samt kann für das Themenfeld Migration/Interkultur eine sichtbare Aufgeschlossenheit in der Innsbrucker und Tiroler Kulturpolitik geortet werden, allerdings erwachsen daraus bislang keine strategischen Ansätze für die kulturtouristischen Handlungsfelder. Konfliktreicher präsentiert sich hingegen die Auseinandersetzung mit der Tiroler Geschichte vor, während und nach dem Nationalsozialismus.3 Drei Anlassfälle in den vergangenen Jahren bewirkten Handlungsnotwendigkeit bezüglich des Umgangs mit Erinnerungspolitik, insbesondere zur Rolle des „Brauchtums“, heute als Volkskultur bezeichnet: die CDVeröffentlichung des Komponisten Josef Eduard Ploner (1894–1955) 2011, der Rechnungshofbericht 2015 zur Vergabepraxis volkskultureller Förderung seitens des Landes Tirol sowie die Kontroverse um das zeitgenössische Kunstforschungsprojekt „Alpenländische Studien“ von Tal Adler. 2011 provozierte die öffentlich geförderte CD-Edition mit Kompositionen von Josef Eduard Ploner durch das (privat geführte) Institut für Tiroler Musikforschung Innsbruck öffentliche Kritik: Anstatt die Involvierung des Komponisten in den Nationalsozialismus im Begleitmaterial zur CD zu thematisieren, wurde er heroisiert und sein Schaffen nicht zeitgeschichtlich kontextualisiert. Dieser Vorfall führte schließlich dazu, dass die Tiroler Landesregierung ein wissenschaftliches Gutachten bei Dr. Michael Wedekind (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien) zur Rolle der Brauchtumskultur im Nationalsozialismus sowie die Aufarbeitung und Vermittlung an die Öffentlichkeit des Kenntnisstandes in Auftrag gab. (Amt der Tiroler Landesregierung 2013) Das im Juni 2013 übermittelte und auf der Homepage des Landes Tirol veröffentlichte Gutachten wiederum mündete in den Beschluss der Landesregierung vom 3. Dezember 2013 für den Förderschwerpunkt „Erinnerungskultur“ (Richtlinie der Landesregierung zur Förderung der Kultur Förderschwerpunkt „Erinne-

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Am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck ist u.a. Thomas Albrich Experte für die Erforschung der NS-Zeit und des Holocaust. Thomas Nußbaumer, Department für Musikwissenschaft, Fachbereich Musikalische Ethnologie der Universität Innsbruck, hat sich auf Volksmusik und Nationalsozialismus spezialisiert. Zahlreiche Publikationen stammen auch vom Zeithistoriker Horst Schreiber, der hauptberuflich AHS-Lehrer ist und als Leiter des pädagogischen Fortbildungs-Netzwerkes Tirol erinnern.at sowie im wissenschaftlichen Beirat zur Österreich-Ausstellung von Auschwitz wirkt.

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rungskultur“ 2013). Die Richtlinie hat zum Ziel, wissenschaftliche und vermittelnde Projekte zur Rolle der Brauchtumskultur während der NS-Zeit zu initiieren. In der Mitteilung des Landes Tirol zur Bekanntmachung des Gutachtens hieß es: „Eine wesentliche Aussage des Gutachtens ist es, dass zu den historischen Zusammenhängen des 20. Jahrhunderts einschließlich der Zeit des Nationalsozialismus auch für Tirol schon umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, es aber Forschungslücken im Detail gibt und die Wahrnehmung und Berücksichtigung dieser Erkenntnisse in der kulturellen Praxis noch nicht sehr weit gediehen sind.“ (Ebd.: § 3 Abs. 1)

Die fehlende „Wahrnehmung und Berücksichtigung in der“ – hier nicht näher spezifizierten – „kulturellen Praxis“ zur nationalsozialistischen Vergangenheit in Tirol ist ein wiederkehrender Gegenstand der Kritik auch seitens alternativer KulturarbeiterInnen und zeitgenössischer KünstlerInnen. Von den grundsätzlich wertkonservativen Veranstaltungen rund um die Gedenkfeiern der Tiroler Erhebung4 und dem mangelnden Engagement für die Gedenkkultur bezüglich der WiderstandskämpferInnen (vgl. Schreiber 2000), die erst seit wenigen Jahren vermehrt mitgedacht wird, bis hin zur wenig detailreichen Darstellung der NS-Zeit z.B. in der permanenten Ausstellung im Zeughaus, dem Museum zur Kulturgeschichte Tirols, sind nur einige Beispiele. Zugleich zeugt der große Publikumszuspruch bei der Sonderausstellung zum Tiroler Musikleben zur NS-Zeit im Ferdinandeum (als Rahmenprogramm eines dazu stattfindenden Symposiums) von breitem Interesse. (Rupnow 2013: 12) Im Herbst 2012 entbrannte eine weitere öffentliche Kontroverse rund um das Projekt „Alpenländische Studien“ von Tal Adler: Trotz der Förder-

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Horst Schreiber hält in „Widerstand und Erinnerung in Tirol 1938–1998“ (2000) fest: „Das Selbstbild Tirols sollte nicht mehr in Zusammenhang mit dem Widerstand im Nationalsozialismus, statt dessen nun noch stärker aus der Geschichte des Freiheitskämpfers Andreas Hofer geschöpft werden. In der Tat entsprach Hofers Antimodernismus, Antisemitismus, sein bigotter, ausgrenzender Katholizismus und die Ablehnung demokratischer Ideen eher dem ständestaatlichen Politikverständnis der führenden Eliten im Nachkriegstirol.“ (Schreiber 2000: 237)

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empfehlung durch die Fachjury der Initiative TKI open5 lehnte die zuständige Kulturpolitikerin die Förderung ab. Das prozessorientierte Kunstforschungsprojekt des österreichisch-israelischen Künstlers widmet sich ebenfalls der Erinnerungskultur in Österreich und umfasst eine Spurensuche auf zwei Ebenen: Die Fotoserie „Leveled Landscapes“ nimmt Landschaften in den Blick, an welchen nationalsozialistische Verbrechen stattfanden. Die Fotoserie „Freiwillige Teilnahme“ präsentiert Gruppenfotos von lokalen Akteuren und Vereinigungen, die es vor oder zur Zeit des Nationalsozialismus gab, u.a. auch den Alpenverein. „Die freiwillige Partizipation in diesem Projekt fordert die TeilnehmerInnen unmittelbar heraus, sich mit ihrer geschichtlichen Erbschaft auseinanderzusetzen: Was haben sie heute mit jenen gemein, die damals ‚sie‘ waren?“ (Verein Nationalsozialismus und Holocaust 2012)

Den Tiroler Schwerpunkt des österreichweiten Projekts siedelte Tal Adler in Seefeld an, einem Ort in Tirol, der im April 1945 von 1.700 jüdischen Häftlingen auf ihrem Todesmarsch durchquert worden war. Dieses regionale Teilprojekt reichte Adler bei der Förderinitiative TKI open ein. Erstmals seit Bestehen der Förderinitiative TKI open wurde die Empfehlung der Fachjury 2012 von den kulturpolitisch Verantwortlichen in zwei Fällen ausgesetzt: Neben Oliver Resslers Plakataktion „Wahlen sind Betrug“ betraf dies auch das Projekt von Tal Adler. KritikerInnen aus Universität und

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TKI open wird seit 2002 mit Landesmitteln von 68.500 Euro von der TKI ausgerichtet und konzipiert, es widmet sich mit einem jährlich wechselnden Schwerpunktthema Projekten der „Zeitkultur“: „TKI open bietet Freiraum für künstlerische Experimente und für die Bearbeitung von kulturellen, sozialen und politischen Fragen mit den Möglichkeiten von zeitgenössischer Kunst und Kultur.“ (TKI 2017) Eine jährlich wechselnde Fachjury wählt aus den eingereichten Projekten aus. 2012 waren 56 Projekte eingereicht worden, aus denen sieben empfohlen wurden. „Die Auseinandersetzung um TKI open 12 zog auch Konsequenzen für TKI open nach sich, so wurden z.B. die bis dahin für die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit der Projekte zur Verfügung stehenden Mittel gestrichen und die Richtlinien für TKI open in einzelnen Punkten geändert (z.B. verpflichtende Anwesenheit einer Vertreterin/eines Vertreters der Kulturabteilung bei der öffentlichen Jurysitzung mit beratender Funktion).“ (TKI 2013: 20)

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alternativem Kulturbereich verurteilten dieses Vorgehen als Zensur, während es kulturpolitisch als notwendiger Eingriff aufgrund formaler Fehler argumentiert wurde.6 In Folge wurde den Projektträgern kurz nach der offiziellen Absage eine Förderung aus einem „Sondertopf“ (Schneider 2012) durch das Land Tirol angeboten. Im Juni 2015 wurden die „Alpenländischen Studien“ von Tal Adler im Gemeindemuseum Absam (Tirol) ausgestellt und mit einem umfangreichen mehrwöchigen Begleitprogramm zu Geschichtskonstruktion, Erinnerungskultur und -politik kontextualisiert: „Photo-Int. Entstellung der Erinnerung“ reflektierte in Lesungen, Führungen und Podiumsdiskussionen spezifische Fälle von Tiroler Geschichtskonstruktion, wie dem Anderl von Rinn7. Die Tiroler Tageszeitung titelte anlässlich der Vernissage „Keine Toten unter den Touristen“ (Jelcic 2015) und suggerierte in journalistischer Manier das Narrativ der heilen touristischen Welt. Am 31. Oktober 2016 wurde die Gedenkstätte „Mahnmal Seefeld“ mit einem vom Architekten Michael Prachensky gestalteten Kunstwerk eingeweiht. Die Initiative dazu ging von der langjährigen Präsidentin und nunmehrigen Ehrenpräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Esther Fritsch aus. Schließlich wurde der Diskurs um Erinnerungskultur in Tirol durch ein drittes Ereignis angestoßen, nämlich durch die Kritik an der Fördervergabepraxis des Landes Tirol bei einzelnen traditionsorientierten Vereinen

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„Bei diesem Projekt von Tal Adler und Karin Schneider haben die Jury und die TKI ihr eigenes Reglement nicht eingehalten und ein Projekt empfohlen, das in der Form, in der es vorlag und eingereicht wurde, bereits zu 100 Prozent durch eine FWF-Förderung ausfinanziert war. […] Wir haben dieses Projekt abgelehnt und am selben Tag mit den Autoren Kontakt aufgenommen. Ich war eine Woche später in Wien und habe mich dort mit Tal Adler und Karin Schneider getroffen und habe ihnen gesagt, aus welchen Gründen wir abgelehnt haben und wie dieser Mangel zu sanieren ist. Zwei, drei Wochen später haben sie dieses Projekt gefördert bekommen und zwar noch höher als anfänglich eingereicht. […] In diesem Fall war nicht das Thema ausschlaggebend für die Ablehnung, sondern die Form.“ (ExpertInnen-Interview KP1)

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Im 15. Jahrhundert entstand in Rinn bei Innsbruck eine antisemitische Ritualmordlegende, die erst durch die Konzilserklärung „Nostra aetate“ im Jahr 1965 von der Kirche dementiert wurde. 1988 verbot Bischof Stecher den Wallfahrtskult. (Vgl. Albrich 2012)

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durch eine Rechnungshofprüfung: In dem Anfang 2015 bekannt gemachten Bericht zur Vergabepraxis volkskultureller Förderungen durch das Land Tirol wurden erhebliche Transparenzmängel in Form nicht nachvollziehbarer Förderempfehlungen durch politische Entscheidungsträger sowie die Missachtung geltender Regeln wie die zur Förderberechtigung grundlegende Eigenleistung festgestellt (Landesrechnungshof 2015: 25 ff., 34 ff.). Dies führte Ende 2015 zum Erlass einer weiteren Richtlinie innerhalb des Kulturfördergesetzes, jener für „Kultur – Volkskultur“ (Richtlinie zur Förderung der Kultur – Volkskultur 2015). Definiert werden die volkskulturellen Aktivitäten als „Heimat- und Brauchpflege, insbesondere der Volkstanz, das Trachten-, das Krippen- und das Schützenwesen“. In § 2 Abs. 2g wird festgehalten, dass bei den Zielsetzungen auch „die Aufarbeitung der Geschichte sowie die Vermittlung des Wissens um die eigene Geschichte in die Praxis volkskultureller Vereine und Verbände“ zu beachten sei. Als beurteilungsrelevant für die Förderwürdigkeit werden u.a. genannt: „(c) die Unterstützung interkultureller Aktivitäten, (d) die Herstellung von Synergien mit anderen Kultur- und Bildungsbereichen, (e) der verantwortungsvolle Umgang mit der Geschichte volkskultureller Vereine und Verbände“ (ebd.).

Das Dilemma der Volkskultur in Tirol nährt sich aus mindestens zwei Quellen: Die eine, ihr schlechtes Image als rückwärtsgewandte Tätigkeiten bei Teilen der Bevölkerung, geht zugleich auf die zweite als Vermächtnis zurück. Die erst seit kurzem initiatorisch betriebene Aufarbeitung zur Rolle des Brauchtums in der NS-Zeit als Frage danach, was die ideologische Vereinnahmung möglich machte, wie sie sich manifestierte und v.a. welche Rahmenbedingungen bereits vor 1938 und nach 1945 dem NS-Gedankengut durch (kultur-)politische Praxis Vorleben und Weiterbestand ermöglichten. Für die Volkskultur und ihr Image ist der (kultur-)politische Umgang mit Erinnerungskultur von besonderer Bedeutung, damit die Erkenntnisse in die gegenwärtige kulturelle Praxis einfließen können. In der Polemik um das Tal-Adler-Projekt wurde von offizieller Seite wiederholt betont, dass Aufarbeitung an zahlreichen Stellen geschehen sei und weiter geschehe. Mit der auch in der Medienöffentlichkeit breit wahrgenommenen Existenz

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dieser Projekte8 verhält es sich aber dennoch ähnlich wie mit dem Argument, das die renommierte Volkskundlerin Petra Streng dem schlechten Imagewert der Volkskultur bei Teilen der Tiroler Bevölkerung entgegensetzt: „Die volkskulturellen Vereine, Verbände und Initiativen in Tirol beweisen allein in ihren Programmatiken, in ihren internen und externen Veranstaltungen, dass Alt und Neu kein Gegensatzpaar sein müssen. […] ‚Die Volkskultur von heute ist offen, verharrt nicht im Stillstand, sondern ist in Bewegung und wird getragen von Erneuerungstendenzen‘.“ (Streng 2012: 38, mit Bezug auf die Sondernummer Kulturberichte „Volkskulturen“ 2012)

Es fehlt diesen „Erneuerungstendenzen“ ebenso an Sichtbarkeit und Breitenwirkung wie der Erinnerungskultur, sie existieren wie Inseln und erlangen keinen repräsentativen Stellenwert. Dazu trägt auch die touristische Raumkonstruktion der Marke Tirol bei, die durch ihre ökonomische Bedeutung und Allgegenwart eine einflussreiche Präsenz nach innen und außen hat. Das oben angeführte Beispiel Linz zeigt die Bedeutung von politischen Entscheidungen für oder gegen einen offensiven Umgang mit Aufarbeitung und Neuerung – ein Schritt, der in Tirol bislang nicht erfolgte. Indem volkskulturelle Darbietungen ein wichtiges Element für die touristische Raumkonstruktion darstellen, ist das Bild von Volkskultur einem stärkeren Touristifizierungsprozess ausgesetzt als der enge Kunst- und Kulturbegriff. In seiner kommentierten Materialsammlung „(Volks-)Kultur & Tourismus“ (Haid 1996) stellte der Volkskundler, Mundartdichter und Tourismuskritiker Hans Haid dar, wie sich das Verständnis von Volkskultur unter dem Einfluss und dem Zugriff des Tourismus von einer Kultur des Widerstands in einen „kommodifizierten Zirkus“ verwandelte:

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Dazu zählt die HistorikerInnen-Kommission, die zur Erforschung des Euthanasie-Projekts in Hall eingerichtet wurde, das Projekt „Temporäres Denkmal. Prozesse der Erinnerung“, das in der gleichnamigen Buchpublikation dokumentiert ist (Sommerauer/Wassermann 2009), oder die kritische Aufarbeitung der Geschichte eines der größten Kaufhäuser in Innsbruck anlässlich seiner Wiedereröffnung (Schreiber 2010).

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„VOLSKULTUR ist zum überwiegenden Teil – historisch gesehen – WIDERSTANDSKULTUR gegen Herrschaft, gegen Politik von oben. Also kann und soll es durchaus möglich sein, diese kulturelle Widerständigkeit herzuzeigen. In den Prospekten der Tourismuswerbung fehlen durchwegs diese Erläuterungen, fehlt das Aufzeigen der kulturpolitischen und historischen Hintergründe. Platt und vordergründig klischeehaft veräußert Tourismuswerbung diese Werte. Folklore als Ware. Sehr zwiespältig erscheint mir in diesem Zusammenhang, wenn ein Tourismusverband gemeinsam mit einem Pfarrer eine Tourismus-Dankwallfahrt unternimmt. […] Es wäre auch möglich, hier eine ungebrochene Tradition zu vermuten. Wenn ES schon Erntedankfeiern gibt, warum nicht auch danken für reiche Tourismus-Ernte?“ (Ebd.: 168)

Haid kritisiert an mehreren Stellen auch, dass der Bereich „Kulturtourismus“ von TouristikerInnen im Alleingang gestaltet wird und die Einheimischen nicht eingebunden werden – eine Form der Entmündigung, zu der Haid schreibt: „Einheimische mit dem klaren Bewusstsein, was sie haben, was ihnen dieser Volkskultur-Bereich wert ist, sind relativ leicht in der Lage, diese Bereiche entweder für sich zu behalten oder sensibel den Gästen darzubieten.“ (Ebd.) Volkskulturelle Darbietungen füllen oft als einzige kulturelle Veranstaltungen die Event-Hinweise auf den Websites von TVBs und dies meist in Rückgriff auf touristifizierte Angebote. Volkskultur im Sinne von Haid und Streng wird mitunter in der alternativen Kulturszene wahrgenommen, wie auch das Beispiel Gedächtnisspeicher Ötztal aufzeigt. Sie erfährt jedoch keine den traditionellen Formen gleichgestellte Aufnahme in das touristische Framing und die Semantisierung. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwischen (kultur-)politischer Gebarung und touristischer Raumkonstruktion eine weltanschauliche Nähe vorherrscht, welche ein enges Framing vorgibt, Stereotypen stützt und wenig zur Sichtbarmachung von Innovation und alternativen Zugängen und Entwicklungen beiträgt. Dies betrifft die Erinnerungskultur ebenso wie den für den ländlichen Raum bedeutsamen Zusammenhang aus Erinnerungs- und Volkskultur. Aus dem überhöhten und instrumentalisierten „Brauchtum“ während des Nationalsozialismus geriet „Volkskultur“ als Folklore, etwas pauschal formuliert, zum zentralen Bedeutungsträger im Marketingdiskurs. Die fehlende Aufarbeitung des Nationalsozialismus erschwert immer noch einen gegenwärtig unbefangenen Umgang mit Volkskultur und ihrer Imageerneuerung durch zeitgemäße Gestaltungstendenzen.

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Es fehlt der Schritt des „intelligenten Vergessens“ (Müller-Funk 2012), um negative Vergangenheit abzuschließen und zeitgemäße Entwicklungen nicht nur punktuell zu ermöglichen, sondern vor allem sichtbar zu machen und ihnen einen repräsentativen Stellenwert zu verleihen. Während Anlassfälle zu kulturpolitischen Richtlinien für eine solche Aufarbeitung führten, bleibt die Thematik in der Konstruktion des touristischen Raums außen vor. Im Gegensatz zum Linz Tourismus, der zeitgeschichtliche Themen und erinnerungskulturelle Angebote in das touristische Programm integriert, geben touristische Websites in Tirol die NS-Geschichte kaum und manchmal verharmlosend wieder. Im Folgenden wird anhand von zwei explorativen Fallstudien dargestellt, wie die InitiatorInnen der untersuchten Projekte deren Gestaltung beeinflussen: Das Tirol Panorama, eröffnet 2011, ist eine der jüngsten kulturpolitisch ermöglichten – eigentlich durchgesetzten – Großeinrichtungen in Innsbruck. Es zeigt den politisch motivierten Zugang zur Tiroler Identität. In Längenfeld, Ötztal, wurde 2013 das Projekt Gedächtnisspeicher Ötztal nach langer Vorlaufzeit begonnen. Betrieben vom Ötztaler Heimatverein wird dort dasselbe Thema der regionalspezifischen Tiroler Identität partizipativ verhandelt. Keine der beiden Einrichtungen entstand mit einer kulturtouristischen Zielsetzung. In ihren nicht ausgeschöpften Möglichkeiten zeigen sie in der Gegenüberstellung den polarisierenden Umgang mit Image und Identität und verweisen auf die Leerstelle Kulturtourismus als Standpunkt, der als übergeordnete Denkmethode nachhaltige kulturelle Entwicklung befördern könnte.

Fallstudien: Narrative und Räume am Beispiel des Tirol Panoramas und des Gedächtnisspeichers Ötztal

„Es gibt gleichfalls – und das wohl in jeder Kultur, in jeder Zivilisation – wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplazierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können. Weil diese Orte ganz andere sind als alle Plätze, die sie reflektieren oder von denen sie sprechen, nenne ich sie im Gegensatz zu den Utopien die Heterotopien.“ (Foucault 1992: 39) „[…], daß eine Untersuchung von Sammlungen und Sammlern sich nicht auf den begrifflichen Rahmen der Individualpsychologie zurückziehen kann, die alles mit Bezug auf Begriffe wie ‚Geschmack‘ oder ‚Interesse‘ oder gar ‚ästhetisches Vergnügen‘ erklärt. Denn erklärt werden soll gerade die Tatsache, daß der Geschmack sich auf bestimmte Gegenstände richtet und nicht auf andere, daß man sich für dieses, aber nicht jenes interessiert, und daß nur bestimmte Werke Vergnügen bereiten.“ (Pomian 1998: 54)

In seinem Text „Andere Räume“ schuf Michel Foucault eine Philosophie von „Orten außerhalb aller Orte“, von Menschen geschaffene Räume, an denen normative Regeln der „Realwelt“ außer Kraft gesetzt und eigene Gesetzmäßigkeiten etabliert werden. Vom Bordell bis zu den Kolonien werden diese anderen Räume als Gegenentwürfe geschaffen und spiegeln zugleich das Lebens- und Weltverständnis innerhalb der „normalen“ Räume.

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Hand in Hand mit gesellschaftlichen Veränderungen verschwinden die „anderen Räume“ oder werden durch neue ersetzt: „Tatsächlich hat jede Heterotopie ein ganz bestimmtes Funktionieren innerhalb der Gesellschaft, und dieselbe Heterotopie kann je nach der Synchronie der Kultur, in der sie sich befindet, so oder so funktionieren.“ (Foucault 1992: 41) Diese „Orte außerhalb aller Orte“ haben in ihrer Beziehung zum „verbleibenden Raum“ zwei Funktionen: einen „Illusionsraum zu schaffen, der den gesamten Realraum, alle Plazierungen, in die das menschliche Leben gesperrt ist, als noch illusorischer denunziert. […] Oder man schafft einen anderen Raum, einen anderen wirklichen Raum, der so vollkommen, so sorgfältig, so wohlgeordnet ist wie der unsrige ungeordnet, mißraten und wirr ist. Das wäre also nicht die Illusionsheterotopie, sondern die Kompensationsheterotopie, und ich frage mich, ob nicht Kolonien ein bißchen so funktioniert haben.“ (Ebd.: 45)

Foucault bezeichnet schließlich neben den Bibliotheken Museen als Heterotopien, „die der abendländischen Kultur des 19. Jahrhunderts eigen sind“ (ebd.: 41). Sie ermöglich(t)en es, Zeitepochen zu überspringen und unterschiedliche Räume an einem Ort zueinander in Beziehung zu setzen. Museen haben seit dem 19. Jahrhundert, jenem Zeitraum, in dem Foucault den eigentlichen heterotopischen Charakter von Museen verortet und in dem Tourismus und Kulturbetrieb sich institutionalisieren, zahlreiche Entwicklungen und Paradigmenwechsel durchlaufen. Geblieben sind ihre Ansprüche oder vielleicht ihr Nimbus, als „andere“ – künstliche und kunstvolle – „Räume“ in ihrer Anordnung und Gestaltung ein Hinaustreten aus der Alltagswelt und ein Eindringen in eine Reflexion derselben zu ermöglichen. Nach Foucault geschieht dies immer unter den Vorzeichen der Spiegelung der „Realwelt“, wodurch Aussagen über diese getroffen werden können. Zugleich entwickelten sich im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Modernisierungsdiskurse für Museen, die auf das Verhältnis zwischen Präsentation und Repräsentation in einem zeitgemäßen Demokratie-Verständnis referieren und durch u.a. die Miteinbeziehung von unterschiedlichen Zielgruppen zu neuen Angeboten und Vermittlungsmethoden finden. Einen anderen, wesensbezogenen Aspekt von Museen beschreibt ein weiterer großer Theoretiker, weniger von Gesellschaftsentwicklung als von Museumskunde, Krzystof Pomian (Pomian 1998). Ihn beschäftigte u.a. die Frage, warum welche Gegenstände gesammelt werden, was Dinge zu

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sammel- und ausstellungswürdigen Objekten macht. Pomian bezeichnet solche Objekte als „Semiophoren“ und meint damit Gegenstände, die aus dem ökonomischen oder nutzungsbedingten Kreislauf fallen. Durch die Sammeltätigkeit und den Kontext „Museum“ erfahren sie eine neue, immaterielle und symbolische Bedeutung für das kollektive Gedächtnis und kollektive Identitätsangebote. Semiophoren wohnt, ausgehend von diesem Funktionswandel, eine Beziehung zwischen ihrer sichtbaren Gegenständlichkeit und ihrer unsichtbaren Symbolbedeutung inne: „Der Gegensatz zwischen Unsichtbarem und Sichtbarem ist zunächst ein Gegensatz zwischen dem, wovon man spricht, und dem, was man wahrnimmt, zwischen dem Universum der Rede und der Welt des Blicks.“ (Ebd.: 46) Zentral ist für „die Welt des Blicks“ nicht nur die Auswahl von Semiophoren als gesammelten Objekten zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Personen, sondern, sobald sie zu Exponaten innerhalb einer Ausstellung werden, ihre Inszenierung: Die Art und Weise ihrer Präsentation bietet Interpretationsmöglichkeiten an, die über den ihnen zugesprochenen Symbolwert hinausgehen. Die Ausstellungsgestaltung schreibt jenen kulturellen Text, in dem sich die Denkweisen, zeitgenössischen Werte und Normen einer Gesellschaft mit veräußern und so einen weltanschaulichen Kontext herstellen: eine Heterotopie in jener Spiegelfunktion, welche die Normen und Werte der „Realwelt“ sichtbar machen. Aus den Sehnsuchtsorten des 19. Jahrhunderts werden Museen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Postkolonialismus, der Gender Studies und der Cultural Studies zu Objekten kritischer Ausstellungsanalysen hinsichtlich impliziter kolonialistischer und/oder patriarchaler Haltungen im kulturellen Text „Museum“. Mieke Bal führte in ihrer Auseinandersetzung mit den Cultural Studies den Begriff „Kulturanalyse“ ein und schreibt in ihrem gleichnamigen Buch: „So kommt es, dass das ausgestellte Ding für etwas anderes steht, nämlich für die Aussage über es.“ (Bal 2006: 37) In Österreich hat diese Entwicklung u.a. zur Umbenennung und -gestaltung des einstigen Völkerkundemuseums in Weltmuseum geführt.1 In solchen Dynamiken wird das Verhältnis zwischen der Spiegelfunktion von Museen als „andere Orte“ und den Entwicklungen in der „Realwelt“ als eine Beziehung der Unzeitlichkeit deutlich: Weltanschauliche und

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Für detaillierte Analysen kolonialistischer, rassistischer und genderspezifischer Sub-Mitteilungen in Ausstellungen vgl. Muttenthaler/Wonisch 2007.

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gesellschaftspolitische Veränderungen ziehen nur langsam in bestehende Museen ein, die sich als natürlich behäbige Institutionalisierung der Weltbilder zu ihrer Entstehungszeit erweisen. Sie retten Wissen in Form von Objekten in die Gegenwart, bleiben aber mitunter in ihrer Gesamt(an)ordnung „andere Räume“, die oftmals vergangene und keine gegenwärtigen Zeiten spiegeln – das museale Museum. Die Institution Museum, einst das antike Heiligtum der Musen für die Künste, die Kultur und die Wissenschaft, hat in den vergangenen Jahrzehnten eine besonders massive thematische, gestalterische und funktionale Ausweitung erfahren, deren Umsetzung gesellschaftspolitische Begleitprozesse erfordert, wenn zeitgemäße „andere Orte“ angestrebt werden (vgl. te Heesen 2012). Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden zwei Einrichtungen in Tirol analysiert, die unterschiedliche methodische Zugänge zur Sammlung von Semiophoren und ihrer Darbietung als Exponate im Kontext von Bedeutungskonstruktion bzw. als kulturelle Texte haben: das Tirol Panorama in Innsbruck und der Gedächtnisspeicher Ötztal in Längenfeld. Gemeinsam ist beiden Einrichtungen, dass sie relativ jung sind – das Tirol Panorama wurde 2011, der Gedächtnisspeicher 2013 eröffnet – und dass sie sich beide mit Tirol und seinen regionalen bzw. lokalen Identitäten beschäftigen. Beide passen sich auf höchst unterschiedliche Weise in zeitgemäße Ansprüche an Museen ein und können dennoch nicht als solche in klassischer Form verstanden werden: Während der Gedächtnisspeicher Ötztal als partizipatives Projekt zur Regionalgeschichte für den Raum Ötztal konzipiert ist, liegt dem Tirol Panorama die Vermittlung eines ideologisch motivierten Tirol-Mythos zugrunde. Keine der beiden Einrichtungen entstand mit der bewussten Intention, kulturtouristische Wirkung zu erzielen. Das Tirol Panorama wird dennoch touristisch vermarktet und der Gedächtnisspeicher ist durch die Aufnahme in den regionalen Dachverband Ötztal Natur Kultur (ÖNK), dessen touristisches Zugpferd das Ötzi-Dorf 2 ist, zumindest in den Kreislauf touristischer Bewerbung eingebunden, erfährt darüber hinaus aber kaum Berücksichtigung. In Bezug auf die Denkfigur Kulturtourismus

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Ein archäologischer Freilichtpark mit Erlebniselementen, der dem Besucher Leben, Wohnen und Wirtschaften in der Jungsteinzeit, der Zeit Ötzis, veranschaulichen soll. Im Ötzi-Dorf können sich u.a. Schulklassen mit der Lebensweise in der Region von vor sechstausend Jahren auseinandersetzen (Ötztal Natur Kultur 2016).

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als fiktiver Reflexionsraum eröffnen beide Einrichtungen konträre Diskurse und Narrative.

D AS T IROL P ANORAMA

IN I NNSBRUCK

Das Tirol Panorama mit Kaiserjägermuseum ist eines von fünf Häusern der Tiroler Landesmuseen GmbH und liegt am Bergisel in Innsbruck. Seit seiner Erweiterung umfasst es drei Ausstellungsbereiche: Das 1880 gegründete Kaiserjägermuseum, das 2011 translozierte Riesenrundgemälde „Die Schlacht am Bergisel“ (1894) des Malers Michael Zeno Diemer (1897– 1939) sowie die permanente Ausstellung „Schauplatz Tirol“. Dieses Museumsensemble3 fokussiert zum einen auf die in der offiziellen Geschichtsschreibung als „Tiroler Freiheitskampf“ bezeichnete Erhebung der Tiroler Bauern 1809 unter Andreas Hofer gegen die bayerische Herrschaft und den Eroberungszug Napoleons I. Zum anderen wurde insbesondere im Ausstellungsbereich „Schauplatz Tirol“ die Frage nach der Tiroler Identität als „Mythos einer Behauptung“ seit 1809 inszeniert: „Antizentralismus und Traditionalismus sind die Triebkräfte für den Aufstand von 1809. Danach wird die Freiheit zum Mythos: Tirol, die Geschichte einer Behauptung“, so die Selbstdarstellung des Tirol Panoramas. (Tiroler Landesmuseen 2017) Die Entstehung des Tirol Panoramas von 2006 bis zur Eröffnung 2011 war von öffentlichen Kontroversen begleitet, in denen vier Zusammenhänge eine Rolle spielten: Die Translozierung des Riesenrundgemäldes aus der Rotunde im Stadtteil Saggen an den neuen Standort Bergisel, was die

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Keiner der drei Ausstellungsbereiche kann nach Aussage des amtierenden Direktors bzw. den Richtlinien des International Council of Museums (ICOM) als Museum im reinen Sinne kategorisiert werden: Das Kaiserjägermuseum ist in der Verwaltung der Schützen mehr (Selbst-)Denkmal als eine forschende, vermittelnde Einrichtung; das Riesenrundgemälde sowie der Schauplatz Tirol unter der Leitung von Isabella Brandauer stellen Leih-Exponate in einer thematischen Ausstellung dar, es gibt keine eigene Sammlung und Forschungstätigkeit. (Tschofner 2014; ExpertInnen-Interview K2) Dennoch hat sich im Allgemeinbewusstsein sowie in der Sprachregelung der verwaltenden Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft GmbH die Rede von einem Museum bzw. einem Museumsensemble durchgesetzt.

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Auflösung der historischen und ursprünglich denkmalgeschützten Ensembleeinheit bedeutete; die hohen Kosten der Museumserweiterung am Bergisel; die Art und Weise der politischen Durchsetzung des Projekts; und schließlich das inhaltliche Vorhaben des erweiterten Museums (Pirchner 2009; TKI 2009). Genese, öffentliche Kontroversen und Gestaltungsprozess Die Ursprungsinitiative für das Tirol Panorama geht zurück auf Herwig van Staa, Bürgermeister von Innsbruck (1994–2002) und Tiroler Landeshauptmann (2002–2008). Gegen Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister wurde er „vom Wunsch des ‚Traditionsforums Tirol‘ informiert, dass dieses an das Land Tirol herangetreten sei, […] ein ‚Museum der Wehrhaftigkeit Tirols‘ zu errichten“ (van Staa 2012: 164). Mitte der Nullerjahre wurde die Umsetzung des Vorhabens begünstigt, als bei zwei musealen Einrichtungen in Innsbruck Renovierungsbedarf festgestellt wurde: beim Kaiserjägermuseum am Bergisel und bei der Rotunde, jenem Gebäude, das in historischer Ensembleeinheit das Riesenrundgemälde von Michael Zeno Diemer aus dem Jahre 1894 beherbergte. Seit 1974 standen Rotunde und Gemälde als historische Einheit unter Denkmalschutz, 2007 musste das Gebäude aufgrund von Baufälligkeit geschlossen werden. Schon 2006 fragte die Tiroler Landesregierung beim Bundesdenkmalamt an, ob eine Übersiedlung des Gemäldes möglich sei, was positiv beschieden wurde. 2007 erfolgte ein Grundsatzbeschluss der Tiroler Landesregierung zur Errichtung des erweiterten Museums am Bergisel als neuem Standort des Riesenrundgemäldes, in der Folge wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Als 2008 auf eine weitere Nachfrage ein negativer Bescheid des Bundesdenkmalamtes für die Übersiedlung des Gemäldes erfolgte, intervenierte die Tiroler Landesregierung und erwirkte in zweiter Instanz einen positiven Bescheid4.

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„LH Platter, LRin Palfrader und die RLB als Eigentümerin beriefen gegen den Bescheid des BDA. Bereits am 10. November 2008 verlautete Günther Platter: ‚Ich habe das Wort der Ministerin, die mir gesagt hat, im Fall eines negativen Bescheides wird es in der zweiten Instanz eine positive Entscheidung geben.‘ (Der Standard, 13.1.2009) Das Ministerium dementierte zwar eine Absprache, entschied aber am 11. Januar 2009 zugunsten der Tiroler Landesregierung.“ (Pirchner 2009)

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Die geplante Auflösung der Ensembleeinheit stieß auf breite Kritik bei Intellektuellen und in der Bevölkerung: Künstler – u.a. der Maler Paul Flora, die Schriftsteller Felix Mitterer und Alois Hotschnig sowie der Kurator Peter Weiermeier – schlossen sich zu einem Personenkomitee im Protest gegen das Vorhaben zusammen, beim Landeskonservator Ernst Caramelle vom Bundesdenkmalamt gingen zahlreiche Reaktionen aus der Bevölkerung zum Thema ein. Auch das International Panorama Council sowie das Linzer Ludwig Boltzmann Institut Medien.Kunst.Forschung sprachen sich gegen das geplante Vorhaben aus. (vgl. Pirchner 2009) Der zweite wesentliche Kritikpunkt an den Plänen der Landesregierung betraf die mit dem Projekt verbundenen Kosten und Folgekosten: War ursprünglich noch von 12,725 Millionen Euro, dann von 20 Millionen Euro die Rede, beliefen sich die Kosten schließlich auf knappe 25 Millionen Euro.5 Eine kritische Position nahmen insbesondere die Kulturinitiativen ein, vertreten durch die Interessengemeinschaft TKI. In einem offenen Brief an Landeshauptmann Platter und Landesrätin Palfrader äußerte die TKI kulturpolitische Kritik: „Während seit Jahren damit argumentiert wird, dass aus budgetären Gründen eine verstärkte Förderung von zeitgenössischer Kunst und Kultur nicht möglich sei, ist es auf der anderen Seite sehr wohl möglich, eine derzeit angenommene Summe von 20 Mio. Euro (laufende Folgekosten sowie Erhaltungs- und Restaurierungskosten der Rotunde nicht eingerechnet) für ein Großprojekt am Bergisel zu lukrieren.

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Beim Grundsatzbeschluss zur Errichtung des Museums wurden noch „Kosten von 12,725 Mio. Euro [veranschlagt]. Da in diesem Betrag u.a. Grundankäufe und museale Ausstattung nicht enthalten sind, werden sich die Gesamtkosten für den Neubau, die Verkehrserschließung und Umfeldgestaltung, die Übersiedelung und Restaurierung des Rundgemäldes, das Konzept und die Einrichtung des Museums auf rund 20 Mio. Euro belaufen. Im März 2009 ließ LH Platter den Museumsbau noch einmal evaluieren, nachdem weitere Mehrkosten von 1,7 Mio. Euro anzufallen drohten. Zur selben Zeit teilte die Kulturlandesrätin Beate Palfrader in einer schriftlichen Anfragebeantwortung an den grünen LA Gebi Mair mit, dass die Betriebskosten statt ursprünglich 328.000 Euro jährlich 670.000 Euro betragen würden – eine Summe, die erst bei ca. 180.000 Besuchen pro Jahr eingespielt werden kann, weshalb Palfrader mit einem Verlust von 345.460 Euro pro Jahr rechnet.“ (Ebd. 2009)

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Warum, so stellt sich die Frage, setzt die Kulturpolitik in Tirol auf die Realisierung eines umstrittenen Großprojektes und nicht – auch mit demselben Einsatz – auf das in die Zukunft gerichtete, innovative Potenzial von zeitgenössischer Kunst und Kultur?“ (TKI 2009)

In ihrem Antwortschreiben verwies Landesrätin Palfrader u.a. darauf, dass die Kosten für das Tirol Panorama nicht aus dem Kulturbudget gespeist würden, ging aber nicht weiter auf die kulturpolitische Grundsatzkritik ein. (Palfrader 2009)6 Neben den Protesten gegen die Auflösung der Ensembleeinheit7 und der Kritik an den Kosten sowie der kulturpolitischen Einstellung, trug auch die „Art der politischen Durchsetzung des Projektes“ (Pirchner 2009) zum Widerstand bei. Landesrätin Palfrader berief angesichts der Proteste aus der Bevölkerung und damaligen politischen Opposition – die Grünen hatten eine Anfrage an die Tiroler Landesregierung gestellt – im Februar 2009 eine Informationsveranstaltung ein und eröffnete sie mit den Worten, „,dass hier und jetzt keine Diskussion über die Translozierung stattfinden wird. Die Translozierung ist beschlossene Sache.‘ (Tonmitschnitt vom 18.2.2009)“ (Pirchner 2009). Im Mittelpunkt der Informationsveranstaltung stand das Museumskonzept, welches ebenfalls im offenen Brief der TKI kritisiert worden war: „Neben den konservatorischen Argumenten gibt es weitreichende inhaltliche Vorbehalte gegen das vorliegende Museumskonzept. International anerkannte Museumsfachleute beurteilen das Konzept als unzeitgemäß. HistorikerInnen warnen vor der Festschreibung eines kulturkonservativen, rückwärtsgewandten Geschichtsbildes.“ (TKI 2009)

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„Wir haben im Bereich der Museumsförderung zum Teil gewisse Sachen wie Kunstankäufe, Ausstellungsobjekte, Restaurierungssachen und das ein oder andere Kunstprojekt über die Kulturförderung laufen lassen. Das waren alles Projekte, die förderbar waren. Sonst ist das aus dem Landeshaushalt finanziert worden.“ (ExpertInnen-Interview KP1)

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Nur 40 % der Tiroler waren für eine Übersiedlung des Riesenrundgemäldes auf den Bergisel, aber 48 % dagegen, 11 % machten keine Angabe. (Vahrner 2009)

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Angesichts der Kritik an der fehlenden Thematisierung des Zweiten Weltkriegs dokumentierte die Kulturjournalistin Esther Pirchner: „Den Einwand, dass in einem Ausstellungshaus, in dem die Kriegsgeschichte Tirols im Jahr 1809 und während des Ersten Weltkriegs bestimmenden Raum einnimmt, der Zweite Weltkrieg auch als eigener Themenbereich (und nicht nur in Zusammenhang mit anderen Inhalten) behandelt werden müsse, lässt nicht nur Benedikt Erhard vom Kulturamt des Landes Tirol, sondern auch die wissenschaftliche Koordinatorin des Museums, Isabella Brandauer, nicht gelten: ‚Man muss natürlich Mut zur Lücke beweisen, es soll ja bewusst kein reines Haus der Geschichte werden.‘ Eine kontinuierliche Geschichte Tirols erzähle schon das Innsbrucker Zeughaus, außerdem fehle am Bergisel der Platz dafür.“ (Pirchner 2009)

Zu den Projektverantwortlichen zählten Vertreter der Kulturverwaltung, HistorikerInnen und VolkskulturexpertInnen aus Tirol. Für Museumsplanung, Konzept und Szenografie war die renommierte hg merz gmbh (Stuttgart/Berlin), für Texte und Konzept zusätzlich Huter & Roth KG (Wien; Schwerpunkt Texte) unter Mitwirkung der Tirol-ExpertInnen Michael Forcher (Historiker) und Petra Streng (Volkskundlerin) beauftragt worden. hg merz schildern im Katalog unter dem Titel „Tirol in Form bringen“, dass die Umsetzung des Auftrags sie in „[…] gestalterisches Neuland [brachte]: Weg von der Abstraktion und Reduktion, die der Arbeit gemeinhin als Richtschnur dienen, hin zu mehr Bildhaftigkeit, Dramatik, Opulenz. […] Die Augen für die Eigenart Tirols öffneten die zahlreichen Gespräche mit den Projektverantwortlichen vor Ort, unerlässlich war zudem die eingehende Beschaffung“

von kulturellen und politischen Informationen (Merz/Wais 2012: 174 f.). Der „Schauplatz Tirol“ zeigt Narrative und Motive des „Tirolertums“ in vier Kapiteln mit unterschiedlichen Gestaltungselementen: die alpine Landschaft („Das Land im Gebirge“) in einem „(enzyklopädischen) Schaudepot“ (Tschofner 2014); die Bedeutung der Gläubigkeit („Das Heilige Land“) in Glasvitrinen; eine Erfassung von sechs Tiroler Typen („Über die Tiroler“) in „kantigen Säulen“ (Tiroler Landesmuseen 2017) mit interaktiven Elementen und schließlich den Grundgedanken des Tirol Panoramas, die Unabhängigkeit und Freiheit als Tiroler Mythos („Die Behauptung

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Tirols“), in der Mitte des Raums. Im Konzeptpapier war zu diesem letzten Punkt vorgegeben: „‚Tirol ist eine Behauptung‘, so lautet eine Botschaft der Ausstellung, und das nicht nur gegen die Natur, sondern auch gegen Geschichte und Politik. Die Autonomie Südtirols ist bis jetzt das letzte große Kapitel in der langen Geschichte der Tiroler Freiheit.“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2008: 2)

Bei den ausgestellten Exponaten handelt es sich um Leihgaben aus zahlreichen Tiroler Museen, für das Museum angefertigt wurden u.a. die geschnitzten Holzfiguren im „Prolog“, eine Säulenhalle mit historischen Protagonisten sowie Namenlosen zur Zeit der Kämpfe 1809 (Künstler: Willy Verginer, Ortisei/St. Ulrich). Nach der Eröffnung des Tirol Panoramas 2011 lösten sich die Sorgen um die Geldmittelverteilung bei den Kulturinitiativen weitgehend auf8 und die geglückte Translozierung und neue visuelle Präsentation des Riesenrundgemäldes versöhnten viele der KritikerInnen des Projekts. Inwiefern die Ablehnung in der Konzeptionsphase als Äußerung zu interpretieren ist, die auf andere Ursachen als den Anlassfall selbst zurückzuführen ist, kann hier nur vermutet werden: Hinsichtlich der Finanzierungsproblematik herrscht bei den Kulturinitiativen eine kritische Disposition durch die Grundunzufriedenheit mit der Verteilung öffentlicher Kulturförderung sowie der kulturpolitischen Einstellung. Zum anderen stiftete die Ensembleeinheit als europaweite Rarität Interesse und Identität bei der Bevölkerung, unabhängig vom dargestellten Gegenstand des Gemäldes (vgl. Pirchner 2009), denn der Mythos um Andreas Hofer als Tiroler Freiheitsheld spaltet seit Jahrzehnten das offizielle, traditionsorientierte und das oppositionelle, aufbruchsorientierte Tirol. Zum dritten Jahrestag der Eröffnung des Tirol Panoramas initiierte das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck ein von den Tiroler Landesmuseen umgesetztes interdisziplinäres Symposium unter dem Titel „Vom Zankapfel zum Publikumsmagnet? Drei Jahre Tirol Panorama mit

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Bei der Eröffnung, die mit einem landesüblichen Empfang stattfand, inszenierten die Kulturinitiativen einen Flashmob: Zahlreiche Anwesende fielen wie tot um, um das befürchtete Sterben der Kulturinitiativen zu symbolisieren, als die Schützen in die Luft feuerten. (Jordan 2011)

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Kaiserjägermuseum“ (2014). In den Beiträgen, Analysen und Diskussionen aus „Innen- und Außenperspektive“ (Bonz 2014) rückten die einstigen Kritikpunkte zugunsten einer vermehrt inhaltlichen, gestalterischen und wirkungsorientierten Auseinandersetzung mit dem Tirol Panorama in den Hintergrund. Kritische Reflexionen zu Inhalt und Format In seinem Beitrag „Modo panoramico? Das Tirol Panorama am Innsbrucker Bergisel – Mutmaßungen über die Medienimmanenz des Affirmativen“ (Tschofner 2014) liefert der Kulturwissenschaftler Bernhard Tschofner eine profunde Ausstellungsanalyse und -kritik, ausgehend von der „Mehrschichtigkeit expositorischer Aufgabenstellungen“ des Tirol Panoramas. Zu seinen zentralen Beobachtungen zählen die fehlende mediengeschichtliche Kontextualisierung von Diemers Riesenrundgemälde, die Bedeutungskonstruktion anhand des Standorts Bergisel als „Gedächtnisort“ bei gleichzeitiger fehlender historischer Distanz sowie der Mangel an einem kuratorischen Standpunkt zum „Schauplatz Tirol“. Das Rundgemälde scheint das Jahr 1809 selbst zu erklären, „nicht den späteren Blick darauf, nicht Diemer und die Schaulust des späten 19. Jahrhunderts samt der Tiroler Geschichtsbegeisterung, sondern Hofer & Co. […]“ (ebd.: 244). Weder das massenkommunikative Element der Riesenrundgemälde als populäre Medien Ende des 19. Jahrhunderts noch die historische Distanz zwischen Ereignis und Bild würden als Einflüsse analysiert (ebd.). Dadurch wird der Besucherblick nicht fachkundig geleitet und bezüglich der Medialität geöffnet, vielmehr bleibt das Schauerlebnis einem verfälschenden illustrativen Charakter verhaftet und lässt keine Auseinandersetzung mit Geschichtskonstruktion zu. Zusammenfassend artikuliert Tschofner sein grundsätzliches Unbehagen über den „irritierenden affirmativen Charakter des gesamten Arrangements und den präferierten Formaten und Medien“. Dieses Unbehagen komme nicht vom Ort, sondern vielmehr „von den expositorischen Möglichkeiten […], die er bereithält“ (ebd.: 242). Gestalterische und vermittelnde Details des Ausstellungsbereichs „Schauplatz Tirol“ produzieren den Effekt einer Ethnologisierung der Tiroler Bevölkerung, der Hand in Hand mit einer Mythenkonstruktion geht und u.a. im Kapitel „Über die Tiroler“ sowie im Schaudepot deutlich wird. In „Über die Tiroler“ repräsentieren sechs Typen die Tiroler Bevölkerung: Bauern,

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Naturburschen, Rebellen, Der Tyroler, Die Tyrolerin und Wirtsleute9. Sie werden anhand von Exponaten wie Genrefiguren, Filmausschnitten und Alltagsgegenständen weniger historisch ermittelt und sozial verortet als vielmehr durch Reduktion der Kontexte konstruiert. Zu den Rebellen zählen Schmuggler und Wilderer, „aber auch Künstler, wenn sie sich gegen die Enge wehren“, sowie die Schützen. Diese Typologisierung widerspricht historischen, sozioökonomischen und gesellschaftspolitischen Anordnungen in der „Realwelt“: Schützen und KünstlerInnen etwa vertreten im 20. Jahrhundert in der Tiroler „Realwelt“ gegensätzliche Positionen zur Tiroler Identität10. Auch die verwendete Form des „(enzyklopädischen) Schaudepots“, das in der Auswahl und Kontextualisierung der Exponate als „kulturhistorisch argumentierte szenographische Präsentation“ (Tschofner 2014) wahrgenommen wird, dient der Mythenkonstruktion. Kulturhistorisch reichhaltige Exponate werden kaum kontextualisiert, Zitate von tirolkritischen Autoren wie Norbert C. Kaser oder Georg Kreisler werden aus dem Zusammenhang gerissen und im Sinne der Mythenbildung verwendet. Bal schreibt zum Umgang mit Objekten, dass man ihnen „stets die Möglichkeit geben soll, ‚Widerworte zu geben‘. Objekte werden durch pauschale Aussagen über sie oder durch ihren Gebrauch zu bloßer Exemplifizierung stumm. Eine detaillierte Analyse, bei der ein Zitat nie als Illustration dienen kann, sondern stets eingehend […] im Detail überprüft wird, widersteht der Reduktion“ (Bal 2006: 18).

Schließlich findet auch mit dem zentralen Thema des Museums keine Auseinandersetzung statt: dem Freiheitsbegriff selbst. Obschon es im Konzeptpapier noch heißt: „Die Abwehr von Aufklärung und Modernisierung war

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„‚Über die Tiroler‘ erfährt man vieles in kantigen Säulen, die wie mächtige Bäume im Raum stehen. Hinter großen und kleinen Türen gibt es die Wesenszüge von sechs exemplarischen Tirolern zu entdecken.“ (Tiroler Landesmuseen 2017)

10 Die Auswahl der KünstlerInnen kann aufgrund der geringen Anzahl nicht als repräsentativ eingeordnet werden; präsent sind u.a. der Komponist, Journalist, Filmemacher und Zeichner Bert Breit, der Künstler und Kurator Johannes Atzinger sowie der Journalist Claus Gatterer. Manche KünstlerInnen und deren Rechteverwalter stimmten einer Aufnahme in die Ausstellung nicht zu.

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lange Zeit der Preis für eine behauptete Eigenständigkeit“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2008: 2), werden gesellschaftliche und politische Folgewirkungen dieser Erkenntnis nicht thematisiert. Die „Freiheits“-Geschichte Tirols endet mit der als „Südtirol-Trauma“ bezeichneten Teilung des Landes 1918 und den nachfolgenden Wiedervereinigungsbestrebungen einzelner Gruppierungen und Politiker. Erst im Zuge der europäischen Einigungsprozesse und neuen Zugangsweisen zu nationalstaatlichen Konzepten trat die Vehemenz der Nordtiroler Wiedervereinigungsforderungen etwas in den Hintergrund; Günther Pallaver ortete einen mentalen Effekt der Europaregion, welche von einem „alten Regionalismus“ zu einem „neuen Regionalismus“ führe (Pallaver 2004). Auch dieser Paradigmenwechsel wird im Museum kaum vermittelt und eingeordnet, obschon die Einbettung in die europäische Geschichte beabsichtigt war. Obwohl es in der Absicht der AuftraggeberInnen lag, „dem Besucher und der Besucherin neue und interessante Ausblicke in die Zukunft zu erschließen“ und „historische und kulturelle Aspekte einer Region vielfach (zu) spiegeln und (zu) brechen“ (Palfrader 2009), bleibt das Tirol Panorama hinter den im Kulturbericht 2013 des Landes Tirol formulierten Anforderungen an Museen zurück: „Ein Museum ermöglicht durch sinnliche Vergegenwärtigung materieller, authentischer Zeugnisse der Gesellschaft Kenntnisse und Erkenntnisse über Werden und Sein und wirkt so mit bei der Gestaltung von Geschichtsbildern und Identitäten. […] Erinnerung, Reflexion und vor allem Auseinandersetzung sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, um Verständnis für gesellschaftliche Entwicklungen zu ermöglichen. […] Das moderne öffentliche Museum sollte diesem Wunsch insofern entsprechen, indem es von der reinen, unreflektierten Ansammlung von Gegenständen früherer Jahrhunderte durch wissenschaftliche Auswahl der Objekte und Eingliederung in sinnvolle Kontexte das Verständnis für lebendige Zusammenhänge vermittelt.“ (Aschauer 2013: 24)

Dem steht u.a. die gewählte historische Gestaltungsform der Wunderkammer des „Schauplatz Tirol“ entgegen11: „Die Ordnung der Welt, der Makro-

11 Die Zuordnung wird von Tschofner getroffen, im Konzeptpapier 2008 wird die Formulierung „eine Art Wunderkammer“ gewählt. Inwiefern bei der Entstehung

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kosmos, konnte so in einer verkleinerten Darstellung, dem Mikrokosmos, wiedergegeben werden […].“ (te Heesen 2012: 33) Kunst- und Wunderkammern waren „ein Ort, an dem das Wissen der Welt in Form von Büchern, Objekten und Bildern zusammengestellt und präsentiert wurde“, und dienten u.a. zur Repräsentation unter den Regierungseliten (ebd.). In seiner umfassenden Studie zu makro-, meso- und mikrosoziologischen Funktionen von Museen schreibt Volker Kirchberg: „Letztere [Museen, A.d.A.] sind nicht mehr nur Wunderkammern und Lagerraum für kulturell und geschichtlich bedeutende Artefakte – die traditionellen Funktionen ‚Sammeln‘ und ‚Bewahren‘. Sie sind auch akademische Institutionen, die Sammlungen im Lichte historischer und kultureller Ereignisse reflektieren und analysieren – die Funktion ‚Forschen‘. Und sie sind mehr und mehr Bildungs- und Unterhaltungsstätten, die Sammlungen verständlich aufbereiten und einer breiten Öffentlichkeit lehrend und unterhaltend zur Verfügung stellen – die Funktion ‚Vermitteln‘.“ (Kirchberg 2005: 19)

Von diesen auch seitens des ICOM definierten Aufgaben eines zeitgemäßen Museums erfüllt das Tirol Panorama die gestalterische Vielfalt als Versuch der Vermittlung. In den kritischen Analysen zum Tirol Panorama wird zugleich offensichtlich, dass gestalterische Aufbereitung fehlende Inhaltstiefe nicht kompensieren kann: „Man gewinnt den Eindruck, dass hier v.a. seitens der inhaltlich Verantwortlichen fast alles an die Gestaltung delegiert worden ist – die folgerichtig mit großen Metaphern reagiert.“ (Tschofner 2014: 247) Angesichts des Entstehungsprozesses des Tirol Panoramas – von der Ursprungsidee eines Museums der „Wehrhaftigkeit Tirols“ (van Staa 2012: 164) zu einer „panoramatischen Erfahrung Tirols“ (Meighörner zit. in Bonz 2014: 235) – deuten Vertreter der Projektverantwortlichen im Nachhinein an, man habe im Ergebnis Schadensbegrenzung betrieben. Der Verantwortliche in der Kulturverwaltung räumte im Rahmen des Symposiums Schwächen ein, es ginge aber um das Milieu „volkskultureller Selbstbespiegelung“ als „En-passant-Bild“ (Erhard zit. in Bonz 2014). Aufgrund des Entwicklungsverlaufs des Tirol Panoramas nimmt auch die Kulturpolitik

eine Auseinandersetzung mit Formaten und deren historischen Verortungen stattgefunden hat, ist nicht bekannt.

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eine affirmierende Rolle ein. Die amtierende Kulturlandesrätin, bis 2008 Direktorin der Tourismusschule St. Johann, seit 1. Juli 2008 Teil der Tiroler Landesregierung, am 24. Mai 2013 in ihrem Amt bestätigt, setzte das Vorhaben mit autoritärem Engagement um. Als kontrastierendes Beispiel kann das Siegesdenkmal in Bozen herangezogen werden. Auch dort setzt man sich mit der eigenen Geschichte und Identität auseinander, wagt aber einen Zugang, der dem des Tirol Panoramas diametral entgegengesetzt ist. Unter dem Namen „BZ ’18–’45. Ein Denkmal, eine Stadt, zwei Diktaturen“ wird die friktionsreiche Geschichte des Landes sowohl anhand der Beziehungen zwischen Südtirol und Italien als auch zwischen der deutschen und italienischen Sprachgruppe verhandelt. Dabei nähert sich die Einrichtung Fragestellungen, die aus einer kulturmanagerialen Sichtweise kulturtouristisches Potenzial im hier dargelegten Sinne haben. Erinnerungskultur und Interkulturalität stehen im Fokus. Das Siegesdenkmal in Bozen auf dem Siegesplatz steht für die Zeit des italienischen Faschismus und die damit verbundene Unterdrückung der deutschen Sprachgruppe. Bis heute gilt es als Referenz für den damals propagierten italienischen Herrschaftsanspruch über Südtirol. Bereits auf der Ebene der Initiierung des Projekts offenbaren sich die unterschiedlichen Herangehensweisen. Der politische Entschluss von VertreterInnen auf nationalstaatlicher, regionaler und kommunaler Ebene für eine Neugestaltung brachte traditionelle Konfliktparteien – Staat Italien, Autonome Provinz Bozen-Südtirol und Stadt Bozen – an einen Tisch. Eine einseitige Darstellung von Geschichte und die damit verbundenen Identitätskonstruktionen wurden somit bereits in der Planung verhindert. Das Museum im Siegesdenkmal lenkt den Blick auf kritische Selbstreflexion, geschichtliche Fakten und Befragung der daraus entstandenen Mythen und Identitätskonstruktionen. Im Tirol Panorama wird die Teilung Tirols nach dem Ersten Weltkrieg als „Trauma“ bezeichnet. Die Teilung in Nord- und Südtirol wird aus der Perspektive der eigenen Opferrolle in das Narrativ der Wehrhaftigkeit gegen Einflüsse von außen eingegliedert. Anstatt geschichtliche Entwicklungen zum Anlass für einen Diskurs über die eigene Identität zu nutzen, wird diese zementiert, fortgeschrieben und verschließt sich damit jeglicher diskursiver Anschlussfähigkeit an Gegenwart und Zukunft. Demgegenüber ist das Siegesdenkmal in Bozen auf ein kollektives Gedächtnis ausgerichtet und bietet Platz für kritische Reflexion statt für hegemoniale Positionen. Dadurch öffnet sich ein Raum für gesellschaftliche

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und politische Debatten, die sich aus der Vergangenheit speisen und Erkenntnisse für gegenwärtige und zukünftige Diskurse liefern. Dass der Fokus auf den Bereichen Erinnerungs- und Interkultur liegt, zeigt die Kulturbetrieben innewohnenden Potenziale auf, die auch aus einer kulturtouristischen Perspektive gesehen werden können. Kulturelle Nachhaltigkeit, Tourismus und Kulturtourismus Die hegemoniale politische Vorgangsweise bei der Umsetzung des Tirol Panoramas, deren Ergebnisse zum einen an die Machtbesetzung kultureller Bauten (Kirchberg 2005, mit Bezug auf Lefebvre) und der damit verbundenen offiziellen Repräsentation erinnern, erweist sich als weder ökonomisch noch kulturell nachhaltig: Die Besucherzahlen sind nach den ersten Jahren stark zurückgegangen.12 Nachdem sich der Besuch des Tiroler Publikums nach den ersten Jahren erschöpfte, bleiben TouristInnen das Kernpublikum. Als kulturtouristisches Angebot für den Individualtourismus ist das Tirol Panorama durch schlechte Verkehrsanbindung in Kombination mit der durchschnittlich kurzen Aufenthaltsdauer der Innsbrucker Städtetouristen uninteressant, nur für organisierte Reisegruppen bietet es durch die Parkmöglichkeiten mehr Anreize als Museen im Innsbrucker Zentrum. (ExpertInnen-Interview K2) Neben den logistischen Rahmenbedingungen sind aber die Fragen nach dem kulturellen und gesellschaftspolitischen Attraktivitätswert sowie dem vermittelten Tirol-Bild Fragestellungen, die für einheimisches wie touristisches Publikum gleichermaßen relevant sind: Es geht um den über die Tiroler Geschichte hinausgehenden Symbolwert von Andreas Hofer als „Freiheitsheld“, dessen Darstellung einem heroischen Geschichtsbild verhaftet bleibt, ohne dass überzeitlich gültige Aussagen gemacht oder ein „negatives“ Erinnerungsverständnis als neue historische Erzählung eingeführt wird. Mit Foucault lässt sich das Tirol Panorama,

12 „Die Besucher waren in den ersten zwei Jahren zu 70 Prozent Einheimische inklusive Südtirol. Jetzt dreht sich das allmählich […]. Die Besucherzahlen sind heruntergegangen, liegen jetzt bei ca. 90.000 bis 100.000 pro Jahr. Gestartet war man bei 180.000. Mittlerweise sind es geschätzt zwei Drittel Touristen und ein Drittel Einheimische.“ (ExpertInnen-Interview KP1) Laut Statistik Austria verzeichnete das Tirol Panorama im Jahr 2014 94.478 Besuche. (Statistik Austria 2016a)

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insbesondere der „Schauplatz Tirol“, als Kompensationsheterotopie verstehen, in der die „missratene“ als pluralistische Realwelt „wohlgeordnet“ wird, sich in dieser Wissensanordnung und Präsentationsform aber anachronistisch zu zeitgemäßen Ansprüchen an Museen verhält. Das Verständnis von Fremd- und Selbstbild erfuhr in den Darstellungen der Konzeptpapiere bis zur Selbstdarstellung des Tirol Panoramas nur leichte Veränderungen, die zugleich von großer Aussagekraft für das politische Verhältnis und Verständnis von Image und Identität sind: So stand im Inhaltspapier 2008 zum Kapitel „Über die Tiroler“ zu lesen: „Hier sieht man die Tiroler und die Tirolerinnen als reale und fiktive Figuren in verschiedenen Kostümierungen. Das Fremdbild wird zum Selbstbild und als solches vermarktet.“ In der heutigen Selbstdarstellung des Tirol Panoramas wurde dieser Satz um einen entscheidenden Zusatz ergänzt: „Das Fremdbild wird zum Selbstbild und als solches touristisch vermarktet.“ (Tiroler Landesmuseen 2017, A.d.A.). Die Typengestaltung im Tirol Panorama entspricht auch der touristischen Markenbildung, wie die Aussage eines Mitarbeiters der Tirol Werbung in der Nachlese zum Symposium „Vom Zankapfel zum Publikumsmagnet?“ belegt: „Zu Brandls eigenem Erstaunen entspricht das Tirol Panorama, das alles andere als im Zentrum der Aktivität der Tirol Werbung steht, zentralen Aspekten der Marke Tirol vollständig.“ (Bonz 2014: 231) Das Tirol Panorama sei ein „Leistungsbeweis der Marke Tirol und macht sie zu einem Erlebnis“ (ebd.), also einer Art Brandland. Die Deckungsdichte in der Wahrnehmung der Tirol Werbung und jener der Initiatoren und Gestalter des Tirol Panoramas mag sich mit der weltanschaulichen Nähe und strukturellen Verknüpfung der politischen und touristischen Institutionen begründen lassen. Der mit volkstümlichen Elementen und Requisiten ausgestattete touristische Raum der Marke Tirol findet im Andreas-Hofer-Mythos und der Tiroler Typenbildung zahlreiche Entsprechungen zur Gründungsintention des Tirol Panoramas. Dies ist insofern bemerkenswert, als keine Tourismus-VertreterInnen in den Gestaltungsprozess miteinbezogen waren. Kulturtouristische Intentionen spielten keine Rolle für die Konzeption des Tirol Panoramas, „da wir der Meinung waren, dass es Leute mit einem differenzierten Lese- und Wahrnehmungsinteresse, Leute mit einem weniger differenzierten und Leute mit einem sehr oberflächlichen Interesse gibt. Nach diesen Kriterien haben wir

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versucht, unsere Erzählungen zu strukturieren, und das halte ich auch für sinnvoll.“ (ExpertInnen-Interview KP1)

Ein Einflussfaktor für das tourismusaffine Ergebnis könnte auch der Außenblick der GestalterInnen gewesen sein; in einem in der Tiroler Tageszeitung erschienenen Interview meinte H.G. Merz: „Und der Bergisel ist einer dieser magischen Orte in Europa. Deshalb finde ich es wichtig, dass das da oben geschieht. Und man auch die Kaiserjäger einbindet – auch diese Seite, die Schützenvereine, dieses etwas reaktionäre Tirol, das ja viele Deutsche sehr schätzen. Diese Sonderlichkeit der Tiroler möchte ich auch zeigen.“ (Merz im Gespräch mit Jelcic 2008)

Nachfrage- und Werteorientierung nach Steinecke gehen im Tirol Panorama eine Allianz ein, ohne dass aber TouristikerInnen in den Prozess miteinbezogen waren. Das Tirol Panorama ist ein politisch motiviertes Projekt, in dem die offizielle Interpretation von Andreas Hofer und des „Mythos Tirol“ fortgesetzt werden. Die identitätsstärkende Rolle von Andreas Hofer und den im „Schauplatz Tirol“ dargebotenen Kapiteln bestätigen einen nicht wissenschaftlich, sondern ideologisch verankerten Diskurs. Beispiele von Wertevermittlung als kulturtouristische Strategie nach innen und außen finden sich in der Literatur bislang hauptsächlich in Regionen, die von allgemeiner Abwanderung, von sozialer Verarmung und fehlender kultureller Infrastruktur betroffen waren, wie die neuen deutschen Bundesländer nach der Wiedervereinigung 1989 (Eichbaum 2008). Die Verhältnisse in Tirol entsprechen dieser Ausgangslage nicht. Auch kann man der breiten Tiroler Bevölkerung keinen Mangel an Selbstvertrauen oder fehlende Identifikation mit ihrer Herkunftsregion vorwerfen, die „Mia-san-mia“-Mentalität oder die vereinigende Abneigung gegenüber dem „Wasserkopf“ Wien sind verbreitete Narrative. Ein moderierter Prozess im Zusammenhang mit der Denkfigur Kulturtourismus unter Miteinbeziehung unterschiedlicher Vertreter der Zivilgesellschaft und Gebietskörperschaften hätte jedoch einen Progress für pluralistische Positionen ermöglicht. Pröbstles Frage für kulturtouristische Prozesse – „Als wer wollen wir uns darstellen?“ – ermöglicht den Denkfreiraum, um die positiv transformatorische Kraft von Kulturtourismus auszulösen und um pluralistisch angelegte Prozesse über eine lokalpatriotische Identitätskonstruktion zu stellen. Die aus einer fikti-

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ven touristischen Perspektive gestellte Frage ist in ihrer Produktivität von mehreren Faktoren abhängig: Welches Image und welche Identitäten in einer Region herrschen in welchen Intensitäten vor? Welche Diskurse und Gegendiskurse wirken sich in diesem Zusammenhang prägend aus, welche sind marginalisiert? Wie greifen Image und Identität ineinander? Welche kulturpolitischen Rahmenbedingungen und welche touristischen Einflussfaktoren wirken in die Gesellschaft der Zielregion hinein? Nur eine Grundsatzentscheidung für einen gemeinsamen Prozess kann der Bearbeitung von solch umfassenden, interdisziplinären Fragestellungen nachkommen. Produktive und innovative Ergebnisse wurden mit einer solchen Vorgangsweise für die Erstellung von Kulturentwicklungsplänen (vgl. die Städte Linz und Salzburg) erreicht, bei der VertreterInnen der Zivilgesellschaft einschließlich privatrechtlich-gemeinnütziger Kulturschaffender und unterschiedlicher politischer Abteilungen (Kultur, Stadtplanung, Tourismus) in moderierter und methodisch gestützter Form zusammenarbeiteten. Ein partizipativer Prozess vor dem Hintergrund der Denkfigur „Kulturtourismus“ hätte die Möglichkeit geboten, tabuisierte, seit Jahrzehnten ideologisch benutzte und dichotomisch besetzte Themen neu zu verhandeln: von tradierten und alternativen Geschichtsbildern in der lokalen und europäischen Verortung über die Rollen von Volkskultur und zeitgenössischer Kunst für regionale und grenzüberschreitende Identitätsvorstellungen bis hin zum Tiroler Widerstand gegen die Nationalsozialisten innerhalb des Freiheitsbegriffes. Die im Rahmen des Symposiums vom Landesmuseumsdirektor angekündigte Neuorganisation des „Schauplatz Tirol“ als Wechsel- statt Dauerausstellung für „Themen, die in Tirol wichtig sind“ (Meighörner zit. in Bonz 2014: 230), mit zivilgesellschaftlicher Partizipation wird in den kommenden Jahren aus finanziellen und ressourcenbedingten Gründen nicht umgesetzt (ExpertInnen-Interview KP1; K2).

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D ER G EDÄCHTNISSPEICHER Ö TZTAL

IN

L ÄNGENFELD

Sozioökonomische Entwicklung des Ötztals Die fortschreitende Industrialisierung im 19. Jahrhundert führte zur Erosion traditioneller agrarischer Lebensformen auch im Alpenraum. Das Ötztal verlor bis 1900 knapp ein Drittel der Bevölkerung durch Abwanderung. Erst der aufkommende Tourismus, die dafür notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen und die damit verbundenen ökonomischen Möglichkeiten für die EinwohnerInnen führten zu einer Trendumkehr. Der Bau der Straße bis nach Sölden, die 1903 fertiggestellt wurde (Pinzer/Pinzer 2008: 73), sowie die Errichtung von Schutzhütten in den Bergen ab 1878 legten den Grundstein für die touristische Erschließung des Tals. Spielte zu Beginn nur der Sommertourismus eine Rolle, etablierte sich ab 1910 das Ötztal auch im Winter als Urlaubsdestination. Der sukzessive Ausbau dieses Standbeins in den 1920er- und 1930er-Jahren hatte ebenfalls Anteil an der Umkehr des Bevölkerungsschwundes. Die ersten Liftanlagen für den Skisport wurden 1948 in Betrieb genommen und seit 1975 gilt das Gletscherskigebiet mit Aufstiegshilfen als erschlossen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Tourismus nicht nur zu einer Trendumkehr, sondern sogar zu einem überdurchschnittlichen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum geführt hat (Bätzing 2002: 466 ff.). Diese Entwicklung führte in weiterer Folge zu einer sektoralen Verschiebung des Wirtschaftsgefüges. Der Dienstleistungssektor, der in der Gemeinde Sölden 80 % der Wirtschaftsleistung beträgt, wurde zum ökonomischen Rückgrat der Region (ebd.: 471 f.). Dem ökonomischen Wandel im Tal folgte ein soziokultureller. Als Indikator können dafür die Heiratskreise der Region herangezogen werden. Darin spiegelt sich das erweiterte Einzugsgebiet der PartnerInnenwahl wider (Stecher 1971 zit. in Bätzing 2002: 469 f.). Während in Oetz und Sautens bereits 1901 nur noch jede zweite Ehe zwischen Personen aus derselben Gemeinde geschlossen wurde, dauerte diese Entwicklung in Sölden bis 1950 und in Umhausen sogar bis 1965 (Bätzing 2002: 469 f.). Heute leben in den vom hiesigen Tourismusverband umfassten sechs Gemeinden Sölden, Längenfeld, Umhausen, Oetz, Sautens und Haiming knapp über 19.000 Menschen. Das entspricht der Population von Städten wie Kufstein, Hallein oder Traiskirchen. In Wien hat nur ein Bezirk weniger EinwohnerInnen als das Ötztal, nämlich der erste (Statistik Austria

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2016b). Im Jahr 2014 gesellten sich über 800.000 Gäste zu den Einheimischen, insgesamt wurden ca. 3,8 Millionen Nächtigungen verzeichnet (Amt der Tiroler Landesregierung 2016). Konstruktion des realen und imaginierten touristischen Raums Die touristische Entwicklung wurde und wird aber auch kritisch betrachtet, zur damaligen Zeit etwa von Geistlichen, die den Einfluss der Gäste auf die gewohnte Lebensform befürchteten (Diemar 2007). In der Rückschau werden die baulichen Eingriffe in Dorfstruktur und Natur kritisiert. Hans Jäger, Gründer des Turmmuseums Oetz, zeichnete in den späten 1980er-Jahren den sich entwickelnden Tourismus im Ötztal seit seiner Konstituierungsphase in den 1870er-Jahren nach. Vor allem das baukulturelle Erbe des Dorfs Oetz im Stile der Gotik und der Renaissance inmitten der Gebirgswelt entfaltete touristische Anziehungskraft. Während die hochgebildeten, aristokratischen Gäste auf Basis ihres Reichtums ihrem Urlaub frönten, waren die BewohnerInnen des Tals mit bitterer Armut und harter Arbeit konfrontiert. Die Gäste und die Bereitstellung diverser Annehmlichkeiten für diese wurden damals laut Jäger in verträglichem Ausmaß in das Dorfleben sowie in die alpine Umgebung integriert. Allmählich wurden die ökonomischen Aspekte des Tourismus erkannt. Die daraus resultierenden Eingriffe in Orts-, Naturbild und in die historische Bausubstanz der Gemeinde zugunsten der touristischen Erschließung führten zum Fernbleiben der ursprünglichen Gäste aus den oberen Bildungsschichten der Monarchie. Deren Fehlen wurde durch ein Mehr an TouristInnen aus anderen Gesellschaftsschichten kompensiert. Jäger kritisiert die damals beginnenden Eingriffe in das historische Verständnis des Ortsbildes; der von ihm beschriebene ursprüngliche Tourismus, der gebildete BürgerInnen durch die Kombination aus Kultur und Natur ansprach, wurde in Richtung Quantität der Gäste transformiert.13 Während Ortsbilder modernen Bedürfnissen

13 „Langsam, Jahr für Jahr wurde es anders, der Aufbruch zu einem anderen Tourismusverständnis setzte gewalttätig ein. […] Auf jede Saison hin wurden große Veränderungen gemacht, in Wirklichkeit waren es meist Schandtaten zu Lasten des Ortsbildes. […] Markante Stellen, die die Künstler begeisterten, mussten ohne Ursache verschwinden. […] Beim Halten des Niveaus hat es gefehlt, doch

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der Gäste angepasst wurden, versuchte man das Image einer traditionellen, agrarischen Lebensweise zu konservieren, in das touristische Produkt zu integrieren und zu vermarkten. Dabei laufen verschiedene Entwicklungsstränge zusammen. Der Reiz der alpinen Landschaft wurde im 19. Jahrhundert durch ReiseschriftstellerInnen einem breiten Publikum nähergebracht (Haid 1996: 131), die Bergwelt als Motiv für die Landschaftsmalerei entdeckt. Manche frühe Gemälde dienten der späteren Ikonisierung Tirols als Wintersportdestination, etwa „Der Aufstieg“ (1930) von Alfons Walde. Die Postkartenvariante des Bildes verkaufte sich bis 1950 eine Million Mal. Dazu kamen ca. 200.000 Farbdrucke sowie die Übernahme des Sujets als offizielles Tirol-Plakat. Auch das Medium Film, speziell „Der Weiße Rausch“ (Arnold Fanck, 1931) mit Leni Riefenstahl in der Hauptrolle, trug dazu bei, die winterliche Berglandschaft als Sehnsuchtsort aufzubauen. (Luger/Rest 2002: 12 f.) Dieses aus unterschiedlichen Kontexten und Interessen entstandene Tirol-Bild galt es nun – in der Lesart des Tourismuskritikers und Völkerkundlers Hans Haid –, in der Wirklichkeit für die TouristInnen als solches zu gestalten (Haid 1996: 131). Der durch den Tourismus erlebte wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufschwung trägt allerdings zur Erosion der im Marketing als authentisch und traditionell hochgehaltenen Lebensweise in Tirol bei. Die Herausbildung des dominanten Dienstleistungssektors in der Gästewirtschaft führte zu einem Austausch mit ausländischen Gästen. Diese entsprechen zu einem großen Teil nicht dem konservativ-tirolerischen Narrativ der TalbewohnerInnen, sondern brechen ein solches vielmehr auf und führen dadurch die Fixierung darauf in gewisser Wiese ad absurdum (Scheichl 1996: 147). Als tatsächlichen Treiber der Konservierung des als traditionell vermarkteten Tirol-Bildes macht Haid wirtschaftliche Interessen aus. An dieser Stelle beginnt die ideelle Konstruktion des touristischen Raums auf die Bereisten zu wirken. Die Einheimischen werden Teil der touristischen Inszenierung und in der Logik der Profitmaximierung in ein Klischee gesteckt. Bei den Einheimischen regt sich erst dann Widerstand gegen diese Vereinnahmung,

wie soll man Niveau halten, wenn man selbst keines hat? So sind wir außer Mode gekommen: Den gebildeten Leuten gefällt es nicht mehr, den Dummen ist das Geld ausgegangen. […] Früher kamen Denkanstöße ins Dorf, Touristen waren im Durchschnitt weit intelligenter als die Landbevölkerung.“ (Jäger 2013: 24 f.)

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wenn deren Auswüchse zu extrem werden. In Sölden wurden Protestunterschriften gesammelt gegen eine Werbung für Après-Ski-Bars mit nackten Frauenhintern und Slogans, die sexuelle Offenheit suggerierten. (Ebd.: 133) Der Tourismus im Ötztal kann demnach als allgegenwärtig, als Ausgangspunkt ökonomischer Prosperität und gesellschaftlichen Wandels, aber auch als Referenzpunkt für kritische Reflexionen, Grund für unzählige Diskurse u.v.m. bezeichnet werden. Er ist das Dispositiv des Ötztals. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung über die In-Wert-Setzung des Tales, die auf vielschichtige Art und Weise abseits polemischer Debatten von BefürworterInnen und GegnerInnen des (Massen-)Tourismus funktioniert, eröffnet dabei unterschiedlichste Perspektiven auf die Themen Kultur und Tourismus bzw. Kulturtourismus. Speziell der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit und die damit wachsende Nachfrage an touristischen Angeboten brachte in den 1960er- und 1970er-Jahren einen enormen ökonomischen Fortschritt für das Ötztal. (K4a 2015) Das ins Tal gespülte Geld schaffte Wohlstand buchstäblich über Nacht. Innerhalb einer Generation glichen sich die Lebensweisen in dem lange aus sozioökonomischer Sicht rückständigen Tal an jene außerhalb an. Dieser Sprung hat einen Teil der Geschichte und Identität der BewohnerInnen aus deren Bewusstsein verdrängt. Ein daraus resultierendes Gefühl der fehlenden Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur bildet die Basis für den Gedächtnisspeicher Ötztal. Das Fundament des Gedächtnisspeichers Ötztal Der Gedächtnisspeicher Ötztal ist als Gedächtnis des gesamten Tales konzipiert und sollte von Beginn an auf der bereits vorhandenen Natur- und Kulturarbeit des Ötztals aufbauen, zu deren Existenz diverse privatrechtlich-gemeinnützige Einrichtungen beitrugen: das Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum (1979) mit dem Gedächtnisspeicher Ötztal (2013) in Längenfeld, das Ötzi-Dorf (2001) in Umhausen, das Turmmuseum Oetz (2003) sowie der Naturpark Ötztal (2006). Sie schlossen sich im Netzwerk Ötztal Natur Kultur (ÖNK) mit dem Ziel zusammen, im Sinne einer Regionalentwicklung Ressourcen und Möglichkeiten zu bündeln und die Basis für eine nachhaltige Natur- und Kulturarbeit zu schaffen. Darüber hinaus wirkt die Kulturinitiative Pro Vita Alpina (seit 1972 eine Arbeitsgruppe, die sich 1989 als Verein konstituierte) seit über vierzig Jahren als kulturelle

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Nahversorgerin des Tales. Die Ausrichtungen der jeweiligen Institutionen sind dabei unterschiedlichster Natur. Das ÖNK sieht sich in seiner Selbstbeschreibung als Projekt, das die prägenden Elemente für und die Errungenschaften des Ötztals zugänglich machen will. Dabei wird die Ausrichtung bereits im Namen auf den Punkt gebracht. Der Geschäftsführer des Ötzi-Dorfs beschreibt den Anspruch des Netzwerkes mit dem Begriff der Bewusstseinsbildung. (ExpertInnenInterview T6) Das ÖNK versucht ein Verständnis für Natur- und Kultureinrichtungen in einem hochtouristischen Tal zu etablieren und richtet sich in der Ansprache an BesucherInnen der Region. Die sich im ÖNK wiederfindenden Organisationen beschäftigen sich in unterschiedlicher Gewichtung mit der talspezifischen Natur und Kultur. Der Naturpark Ötztal ist Teil des europaweiten Schutzgebiet-Netzwerkes Natura 200014. Dabei stehen ganzheitliche Betrachtung von und Umgang mit der Natur im Vordergrund. Mittels des Prinzips der Nachhaltigkeit und der Einbindung der Bevölkerung beschäftigt sich der Naturpark mit den Themen Erhalt der Natur, Erholung und Tourismus, Bildung, Forschung und Regionalentwicklung. Die Aufgabengebiete reichen von Landschaftspflege und Erschließung von Wanderwegen bis hin zu Bildungseinrichtungen. In diesem Zusammenhang können das Naturparkhaus in Längenfeld, welches sich an BesucherInnen des Naturparks Ötztal richtet, und das Universitätsforschungszentrum Obergurgl, an dem seit über fünfzig Jahren naturkundlich geforscht wird, genannt werden. Unter Regionalentwicklung versteht der Naturpark Ötztal auch, sich zu einer Marke aufzubauen, von der Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung des Tals erwartet werden. Die Bandbreite der Ausrichtung des Naturparks umfasst also ebenso den wirtschaftlichen Nutzen der Ressource Natur. (Naturpark Ötztal 2016) Das Turmmuseum Oetz baut auf der privaten Sammlung des Museumsgründers und Galeristen Hans Jäger in den 1980er-Jahren auf. Seine Intention war es, Kunstwerke und Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus dem Tal zu bewahren. Dies geschah aus dem Verständnis heraus, dass der rapide gesellschaftliche Wandel rurale, historisch gewachsene Kultur-

14 Natura-2000-Gebiete sollen natürliche Lebensräume auf dem Kontinent dauerhaft sichern. Die rechtliche Basis dafür liefern die Vogelschutzrichtlinie sowie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU. (Umweltbundesamt GmbH, 2016)

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(gegenstände) vergessen macht, und der Angst davor, dass sich das Tal zur geistigen Wüste entwickeln könnte. Das Museum arbeitet vor allem mit Gemälden. Dabei stehen historisch und regional bedingt religiöse Motive, Landwirtschafts- und Landschaftsmalerei im Vordergrund. Der Einfluss von Natur und Gesellschaftsform auf die Lebensweise der Menschen wird dabei in unterschiedlichen Epochen beleuchtet. Sonderausstellungen widmen sich z.B. bäuerlicher Baukultur oder unter dem Titel „Winterfreuden einst und jetzt“ dem Freizeitverhalten in der kalten Jahreszeit. Dabei steht nicht die Folklorisierung ländlicher Lebensformen und Bräuche im Zentrum, sondern die Intention, Lebensrealitäten darzustellen, die sowohl positiv als auch negativ konnotiert sein können. Der 2012 verstorbene Gründer des Museums Hans Jäger wollte u.a. durch die erwähnte Ausstellung über bäuerliche Baukultur Bauernelend und Bauernherrlichkeit thematisieren. (Ötztal Natur Kultur 2016) Das Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum im Längenfelder Ortsteil Lehn kann im Bereich der Heimatmuseen verortet werden. Das bäuerliche Leben bis in die 1950er-Jahre steht dabei im Vordergrund, BesucherInnen haben die Möglichkeit, die damaligen Lebens- und Arbeitsbedingungen nachzuempfinden. Das Areal umfasst zehn Gebäude, deren Geschichte teilweise bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, und erzählt vom Flachsanbau, spartanischen Lebensbedingungen und davon, wie diese gemeistert wurden. Seit 1966 arbeitet der Ötztaler Heimatverein an der Erhaltung und Aufbereitung der Geschichte des Tales und publiziert mit einer Unterbrechung von 2002 bis 2013 die Kulturzeitschrift Die Ache. (Ebd.) Die Kulturinitiative Pro Vita Alpina leistet in erster Linie zeitgenössische Kulturarbeit. Ende der 1980er-Jahre konstituierte sich die seit 1972 bestehende Arbeitsgruppe als Verein. Arbeiten und Projekte sind spartenübergreifender Natur und bespielen in ihrer thematischen Ausrichtung den gesamten Alpenraum. Die Kulturinitiative ist Gründungsmitglied der TKI, der IG Kultur Österreich und Teil des bilateralen Netzwerks Pro Vita Alpina, über das mit dem gleichnamigen Ableger in Südtirol kooperiert wird. Unter dem Motto „Mut, Witz und Widerstand in den Bergen“ werden Aktivitäten durchgeführt, die eine nachhaltige kulturelle und gesellschaftspolitische Entwicklung im ländlichen Raum fördern sollen. Des Weiteren beschäftigt sich Pro Vita Alpina mit Alltagskultur, Kooperationen – seien diese regional, national, oder international – und Feldforschung zur regionalen und grenzüberschreitenden Geschichte. Außerdem publiziert die

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Kulturinitiative zu den behandelten Themen und trägt mit ihrer Arbeit zur Wiederbelebung von altem Wissen bei, aus dem Erkenntnisse zur Entwicklung zukünftiger Strategien gewonnen werden können (Pro Vita Alpina 2016). Auf Initiative von Pro Vita Alpina wurde die Transhumanz15, als besondere Form des Schafwandertriebs, in Kooperation mit dem Südtiroler Kulturverein Schnals in die Liste der immateriellen Kulturgüter der Österreichischen UNESCO-Kommission aufgenommen. (Pro Vita Alpina 2016; Österreichische UNESCO-Kommission 2016) Das Ötztal kann, materialisiert im Mikrokosmos ÖNK, auf eine breite Auseinandersetzung mit der Natur und der Kultur des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Tal verweisen. Interessant ist dabei zu erwähnen, dass dieser Prozess von den ProtagonistInnen der Institutionen und politischen Verantwortlichen selbst getragen und nicht durch externe BeraterInnen implementiert wurde. Der Anstoß, das ÖNK zu gründen, geht auf den stellvertretenden Abteilungsvorstand Kunst und Kultur der Tiroler Landesregierung zurück. Obwohl Kulturentwicklungspläne und die damit verbundenen, auch ökonomischen Möglichkeiten mitunter Schlagwortcharakter aufweisen, stellt das ÖNK ein inspirierendes Beispiel für Selbstorganisation dar: Die vorhandene Expertise der Akteure, ihre Akribie und Motivation potenzieren sich im gemeinsamen Handeln. Aus Sicht der Kulturabteilung des Landes Tirol steht hinter dem Zusammenschluss der einzelnen Organisationen aus dem touristischen und kulturellen Bereich die betriebswirtschaftliche Überlegung der Nutzung von Synergien. Auch der sich vollziehende Generationswechsel innerhalb etablierter Vereine, der nicht nur das Ötztal betrifft, spielte in den Überlegungen mit, das ÖNK zu etablieren. Auf dieser Ebene stellt der Übergang vom Ehrenamt zur bezahlten Arbeit eine Herausforderung dar. (ExpertInnen-Interview KP1) Die Örtlichkeit des Gedächtnisspeichers selbst ist Teil des 1979 eröffneten Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseums in Längenfeld. Das Areal des Museums umfasst mittlerweile sieben Gebäude, die das bäuerliche Leben

15 Bei der Transhumanz handelt es sich um die einzige grenzüberschreitende Wanderweidewirtschaft in den Alpen, bei der ca. 5.000 Schafe im Frühling von Südtirol über bis zu 3.000 Meter hohe Alpengipfel nach Tirol getrieben werden. Seit 6.000 Jahren finden diese Schaftriebe, die außerdem zu einem kulturellen Transfer und gesellschaftlichen Austausch zwischen den Regionen geführt haben, statt. (Österreichische UNESCO-Kommission 2016)

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mit Fokus auf die Flachsverarbeitung bis Mitte des 20. Jahrhunderts erfahrbar machen. Das Haus, in dem heute der Gedächtnisspeicher untergebracht ist, steht gemeinsam mit anderen Liegenschaften des Museums seit 1993 unter Ensembleschutz. (Ötztaler Heimatverein 2016b) 2006 wurde es vom Heimatverein erworben und unter Belassung der historischen Bausubstanz adaptiert. Die Finanzierung sicherten die EU-Förderprojekte Interreg III für den Umbau des Hauses und Leader und Regio Imst für die innenarchitektonische Gestaltung sowie die Unterstützung der Ötztaler Gemeinden und des Tourismusverbandes (Schmid-Mummert 2014b). Das gesamte Areal bildet den Kern der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Seit der Gründung des Heimatmuseums steht der Gedanke im Vordergrund, dass das harte Leben der Bäuerinnen und Bauern vor dem Einzug des Tourismus aufgezeigt werden soll. Dies führt automatisch zu einem Bruch mit den propagierten touristischen Bildern einer archaischen, heilen Welt am Berg (Haid 1973 zit. in Schmid-Mummert 2014b). Der 2013 eröffnete Gedächtnisspeicher Ötztal hebt sich insofern von den anderen Einrichtungen im Tal ab, als seine Angebote in erster Linie an die einheimische Bevölkerung gerichtet sind und er als kultureller Nahversorger fungiert. Ziel ist, dass „das geistige und kulturelle Erbe des Ötztals bewahrt, erforscht und der Bevölkerung sowie Interessierten zugänglich gemacht“ wird. Dies gilt es, durch den „Aufbau und Betrieb eines kulturwissenschaftlichen Archivs, der Koordination tal- und institutionsübergreifender Projekte“ und der „Entwicklung und Umsetzung von Projekten gemeinsam mit der Bevölkerung und Öffentlichkeit“ zu erreichen. (Stellenausschreibung Gedächtnisspeicher Leiterin 2012, zit. in Schmid-Mummert 2014b: 22) Das Speichern von materiellen und immateriellen Kulturgütern Die Arbeit des Gedächtnisspeichers basiert auf einem weiten Kulturbegriff und setzt auf die Mitwirkung der TalbewohnerInnen. Auf Basis der gesetzten Themenschwerpunkte Familien, Bilder und Sprache (Schmid-Mummert 2013: 12) kann die Bevölkerung Gegenstände, Dokumente, Bilder usw. an den Gedächtnisspeicher herantragen, die nach einem genau festgelegten Ablauf aufgenommen werden. Mittels eines telefonischen Vorgesprächs wird geklärt, um welche Gegenstände es sich handelt. Mit der Übernahme

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der Artefakte wird ein Protokoll angefertigt und deren Zustand dokumentiert. Ein Vertrag regelt, ob es sich dabei um eine Leihgabe oder eine Schenkung handelt. Bei einer Schenkung werden zusätzlich die Nutzungsbedingungen in dem Kontrakt festgehalten. Die im Anschluss katalogisierten Gegenstände können somit nach deren Herkunft und EigentümerInnen identifiziert werden (Ebd.: 13). In den meisten Fällen handelt es sich dabei um zu Hause eingelagerte, fast vergessene Artefakte des früheren täglichen Gebrauchs, die nicht selten von den Eltern oder Großeltern geerbt worden sind. Um dem selbst formulierten Auftrag des Gedächtnisspeichers gerecht zu werden, war die Einbindung der lokalen Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Partizipation ist zwar ein Schlagwort der Stunde für die Integration von Menschen in gesellschaftliche, institutionelle Prozesse, wer sich aber um die konkrete Umsetzung solcher Schritte bemüht, betritt Neuland und steht vor der Schwierigkeit, Menschen für etwas motivieren zu wollen, was sie nicht kennen, nicht zu tun gewohnt sind und was ihr eigenes Handeln voraussetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Heimatverein als Initiator des Projekts fungiert. Dieser hat seit seiner Gründung 1966 das eine oder andere Mal kontroverse Diskussionen rund um den Umgang von Tourismus mit Natur und Kultur in den auf Fremdenverkehr getrimmten Ort getragen und damit eine oppositionelle Grundeinstellung einiger MeinungsmacherInnen gestärkt. Zu Beginn wurde der Gedächtnisspeicher daher kritisch beäugt und musste erst als das, was er ist, kennengelernt und akzeptiert werden. Vertrauensbildende Maßnahmen der Leiterin, wie Besuche im örtlichen Dorfwirtshaus, um Barrieren abzubauen, führten dazu, dass die Bevölkerung das gestellte Angebot im doppelten Sinn wahrzunehmen begann. So trugen die Menschen der Region nicht nur Gegenstände und Geschichten an das Gedächtnis des Tales heran, sondern partizipierten auch bei den Veranstaltungen. Das dadurch aufgebaute Vertrauen streicht die Leiterin als Voraussetzung für das Gelingen des Konzepts des Gedächtnisspeichers hervor. Dieses Vertrauen resultiert auch daraus, dass die Einrichtung als neutraler Boden wahrgenommen wird und nicht als materialisierte Kritik an der touristischen Entwicklung des Tales gilt. Darüber hinaus fungiert der Gedächtnisspeicher nicht alleine als museale Darstellung historischer Realitäten – eine Rolle, die das Heimatmuseum erfüllt. Dieses wird im Normallfall von der hiesigen Bevölkerung einmal während der Schulzeit besucht und gilt damit als im subjektiven Gedächtnis abgespeichert. Der Gedächtnis-

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speicher bietet hingegen Raum für Kommunikation, der die eigenen Erfahrungen anderen zugänglich macht und den Austausch darüber befördert. (ExpertInnen-Interview K4a) Dieses Sprechen-Lassen der Bevölkerung statt des Sprechens über sie scheint einer der Erfolgsfaktoren zu sein: Der Gedächtnisspeicher entwickelte sich wie gewünscht zu einem „kulturellen Dienstleistungsbetrieb“ (Matt 2011, zit. in Schmid-Mummert 2013: 11). Der kommunikativen Ausrichtung, durch die der Speicher als ein Ort der Begegnung positioniert werden sollte, wurde mit der räumlichen Gestaltung des umgebauten Hauses Rechnung getragen. Der dabei integrierte Veranstaltungssaal bietet den Raum für die Verhandlung des lokalen Gedächtnisses. (Schmid-Mummert 2013: 12) Der Gedächtnisspeicher erfüllt außerdem seine klassische Archivfunktion über die Grenzen des Tals hinaus. Sowohl wissenschaftliche Einrichtungen als auch Privatpersonen, die sich auf die Suche nach der eigenen Familiengeschichte gemacht haben, nutzen die Einrichtung. (Pirchner 2010: 45) Arbeitsweise des Gedächtnisspeichers Ötztal Der Gedächtnisspeicher setzt sich mit den unterschiedlichsten Facetten der regionalen Geschichte in ebenso differenten Formaten auseinander. Die Motivation dazu kam in den Augen der Verantwortlichen aus dem (Wieder-)Aufkommen des Tourismus im Tal. Der damit einziehende technische und gesellschaftliche Fortschritt wirkte sich auf die Kulturgeschichte in revolutionärer Weise aus. Der Gedächtnisspeicher bietet, wie beschrieben, den BewohnerInnen des Ötztals die Möglichkeit, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, diese unter persönlicher Beteiligung zu rekonstruieren und für InteressentInnen zugänglich zu machen. Dabei stehen nicht die Konservierung alter Gepflogenheiten und deren kommerzielle Nutzbarmachung aus einem touristischen Blickwinkel im Vordergrund. Vielmehr stellen das Bewusstwerden der eigenen Vergangenheit, die Kultivierung des alpinen Raumes und der damit verbundenen Geschichte – oder in diesem Fall der Geschichten – im Zentrum des Interesses. So werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, die sich durchaus im gesamtgesellschaftlichen Kontext wiederfinden und fundiert wissenschaftlich aufbereitet werden. Dabei wird stets darauf geachtet, dass InteressentInnen durch die Themenwahl angesprochen werden und die Vermittlung

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der Inhalte in einer allgemein verständlichen Sprache erfolgt (ExpertInnenInterview K4b). Im Frühling 2015 wurde unter dem Titel „Höfe ohne Männer“ das Dasein der Frauen und Kinder während des Ersten Weltkriegs auf den Bauernhöfen des Ötztals thematisiert. Damit wurden nicht nur regionalhistorische Lücken gefüllt, sondern auch das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung auf solche hin analysiert. Denn die Perspektive auf die Rolle von Frauen – speziell in Kriegszeiten, während derer sie das zivile Leben aufrechterhalten haben – steht auch in den Jubiläumsjahren der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts selten im Mittelpunkt des Interesses. Das Agieren an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Aufarbeitung der Regionalgeschichte und Kulturvermittlung eröffnet dem Gedächtnisspeicher die Möglichkeit, ein breites Feld zu bespielen. Im Zuge eines Erasmus+-Projekts, das sich mit der Auswirkung der sich verändernden alpinen Regionen – auch aus einer globalen Perspektive – für das Zusammenleben der Menschen auseinandersetzte, kamen ca. dreißig StudentInnen aus sieben europäischen Ländern ins Ötztal, um sich mit dem Themenkomplex Klimawandel und alpiner Lebensraum auseinanderzusetzen (Ploder 2015: 24). An diesem Beispiel wird das ergänzende kulturtouristische Potenzial der Einrichtung sichtbar. InteressentInnen wird die Möglichkeit gegeben, sich mit der hiesigen Kulturgeschichte abseits traditioneller Museumsbesuche auseinanderzusetzen. Die Größe der Einrichtung tritt dabei weniger räumlich als qualitativ in Erscheinung. Oral History – der „Ofnbonkpalaver“ Die soziokulturelle Funktionsweise des Gedächtnisses des Tales lässt sich anhand des Formates „Ofnbonkpalaver“ illustrieren. Es setzt an der kommunikativen Ebene von Geschichte und Gedächtnis an. Im bäuerlichen Milieu fand die Weitergabe von Erinnerung und Wissen in erster Linie mündlich statt. (Nora 1998) Diese Tradition wird mit dem Veranstaltungsformat des „Ofnbonkpalavers“ fortgeführt. (Schmid-Mummert 2013: 12) Wie beschrieben, nimmt der Gedächtnisspeicher die Zeitgeschichte unter dem Einfluss des ökonomischen Fortschritts in den Blick, der in erster Linie auf die touristische Erschließung der Region gründet. Das Format des „Ofnbonkpalavers“ setzt auf einer kommunikativ-partizipativen Ebene für die Rekonstruktion des Gedächtnisses des Tales an. Für das Ötztal typische Artefakte oder Berufe rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Anhand dieser werden die darin eingelagerten ehemaligen, aber auch aktuellen Be-

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deutungsebenen für die Talgesellschaft freigelegt. Auf kontroversielle Themenstellungen wird bewusst verzichtet. Vielmehr wird in Konzeption und Bewerbung der Veranstaltung darauf geachtet, dass die Themenwahl bestimmte Personen- oder (ehemalige) Berufsgruppen im Tal direkt anspricht. Sie werden als ExpertInnen in die Veranstaltung integriert. So beschäftigte sich der „Ofnbonkpalaver“ u.a. mit dem Beruf des Schmieds. Als Experte wurde der Sohn des letzten Schmieds im Tal eingeladen. Mittels Vortrags- und Diskussionselementen werden Erzählungen angereichert und verdichtet. Aus Sicht der Gedächtnistheorie kann das als Arbeit am sozialen Gedächtnis interpretiert werden. Diese Form der kollektiven Erinnerung – auch kommunikatives Gedächtnis genannt – entsteht im Austausch von individuellen Erinnerungen und hält sich über drei Generationen oder 80 bis 100 Jahre (Assmann 2006: 26). Um diesem natürlichen Ablaufdatum der kollektiven Erinnerung entgegenzuwirken, wird der „Ofnbonkpalaver“ aufgezeichnet und archiviert (Schmid-Mummert 2014a: 8). Wie vielschichtig dabei Tourismus- und Kulturgeschichte im Ötztal miteinander verwoben sind, lässt sich ebenfalls aus diesem Veranstaltungsformat destillieren. Für Schmid-Mummert stellt die Entwicklung des Tales nichts anderes als die Dokumentation des Tourismus an sich dar: „Jeder Fortschritt hat bei uns eine touristische Komponente.“ (ExpertInnenInterview K4a) Beim „Ofnbonkpalaver“ zum Thema Brot kristallisierte sich z.B. heraus, dass es vor dem Einzug des Massentourismus keine Semmeln im Ötztal gegeben hatte, weil diese erst durch die auf Urlaub kommenden Gäste nachgefragt wurden. Aber auch den Alltag revolutionierende Gegenstände wie die Waschmaschine fanden erst durch die mitgebrachten Ansprüche der Reisenden Einzug in das Gebirgstal. Die kulturelle Entwicklung des Tals lässt sich demnach nicht von der touristischen trennen. Zu verzahnt sind deren Wirkungen und Wechselwirkungen. Aber nicht nur der Fortschritt wird thematisiert. Die Rückbesinnung auf alte Praktiken scheint vor allem auch dazu zu dienen, an der Sozialität der Dorfgemeinschaft zu arbeiten. In Piburg wurde die in gemeinschaftlicher Arbeit restaurierte alte Mühle samt Backofen wieder in Betrieb genommen. Das gemeinschaftliche Backen trägt somit mehr zur Stärkung der Dorfgemeinschaft bei als zur Versorgung mit Brot. (Schmidt-Mummert 2014a: 8)

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In-Wert-Setzung und kulturtouristisches Potenzial des Gedächtnisspeichers Um sowohl materielle als auch immaterielle Kulturgüter in Ressourcen zu verwandeln, werden diese in einem ersten Schritt mit Werten aufgeladen. Diese In-Wert-Setzung entsteht in einem Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen und ideellen Zuschreibungen. Aus diesem Prozess folgt nicht automatisch die Kommodifizierung von Kulturgütern. (Bendix 2013: 47 f.) Der erwartete kulturelle Pflichtbeitrag der Bevölkerung am Tourismus basiert in Tirol auf Kulturalisierung und Folklorisierung der alpinen Lebensweise, die den touristisch konstruierten Raum anreichert. Das Marketing besetzt in weiterer Folge Begriffe wie Authentizität und Tradition. Obwohl darüber gestritten werden kann, ob es sich dabei um die Tiroler Kultur handelt oder nicht, ist es eine Tatsache, dass diese als solche in den touristischen Wertschöpfungsprozess integriert ist. Abseits von Brauchtumsvorführungen für TouristInnen kann dennoch nicht von einer Ware im Sinne eines Besitzverhältnisses gesprochen werden. Die Entscheidung, ob oder, präziser formuliert, in welcher Form kulturelle Güter in den touristischen Wertschöpfungsprozess eingegliedert werden, folgt demnach keinem Automatismus, sondern unterliegt gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen. Diese sind zwar von unterschiedlichen ökonomisch-politischen Machtverhältnissen geprägt, aber dennoch existent und somit einem Diskurs unterworfen. Das bereits erwähnte Beispiel der Proteste gegen sexualisierte Bewerbung von Après-Ski-Bars zeugt von einem solchen. Bendix streicht hervor, dass in der Praxis des Umgangs mit kulturellen Ressourcen die verschiedenen Treiber (ökonomische und soziokulturelle) der In-WertSetzung nicht voneinander zu trennen sind, und plädiert für eine integrative Sichtweise von In-Wert-Setzungs-Prozessen statt einer reflexartigen Abwehrhaltung gegen die Verquickung von kulturellen Gütern und touristischer Verwertung. Ingeborg Schmid-Mummert schlägt in ihrer Analyse in einem weiteren Schritt, der nicht auf einzelne kulturelle Güter und deren Verwertungspotenziale, sondern auf die regionalen Auswirkungen einer Verknüpfung von Tourismus und Kultur abzielt, in eine ähnliche Kerbe. Für sie sind im Ötztal die vermeintlichen AntagonistInnen Kultur und Tourismus in ihrer gegenseitigen Beeinflussung nicht voneinander zu trennen. Es stellt sich diesbezüglich wohl eher die Frage nach regionalgesellschaftlichen Deutungshoheiten, nach den dominanten Elementen von In-WertSetzungs-Prozessen. Ökonomischen Interessen an einer solchen kann eine

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hegemoniale Haltung attestiert werden. Der Fokus auf vermeintlich traditionelle Werte Tirols und das ostentativ zur Schau getragene touristifizierte Image des Landes drängen soziokulturelle Zuschreibungen kultureller Güter der autochthonen Bevölkerung an den Rand, eliminieren diese aber nicht. Der Gedächtnisspeicher arbeitet nun genau auf dieser Ebene mit der soziokulturellen In-Wert-Setzung der Kultur des Tales. Bendix sieht aus kulturmanagerialer Perspektive im Kulturtourismus grundsätzlich die Möglichkeit, dass kulturelle Akteure an der monetären Verwertung der Ressource Kultur zumindest partiell teilhaben können. Dies geschieht dann, wenn hochkulturelle Produktionen Teil des touristischen Geschäftsmodells werden und damit zu ernstzunehmenden Diskursteilnehmern aufsteigen. Da es sich bei Identität und Authentizität um semantische Konstruktionen handelt und nicht um konkrete Institutionen wie Theaterhäuser oder Festivals, bringen sie weder eine finanzielle Umverteilung der Einnahmen vom Tourismus zum Kulturbetrieb, noch eine Integration dessen in den Diskurs der Verwertungslogik mit sich. Tirol weist in diesem Zusammenhang einen markanten Unterschied zu jenen klassischen Destinationen auf, anhand derer Kulturtourismus beschrieben wird. Nicht Kultur, sondern Natur bildet den Humus, auf dem das Tourismusgeschäft floriert. Die Arbeit an dem seit dem 18. Jahrhundert konstruierten und exportierten Tirol-Bild, das die kulturelle Identität des Landes widerspiegeln soll, reichert die Destination an und zeichnet mitverantwortlich für die oben genannten Unterschiede zu anderen Reisezielen. Wertvorstellungen, kulturelle Errungenschaften, tradierte Praktiken usw. einer Region stellen Ressourcen dar. Im Falle der Destination Tirol werden diese als konsensual propagiert, kommodifiziert und dekonstruktivistischen Prozessen entzogen. Die Gewichtung der Art und Weise der In-Wert-Setzung ist eine ökonomische. (Ebd.: 48 ff.) Bendix und weiter oben Siller nähern sich kulturtouristischen Fragestellungen aus soziokultureller Sicht und versuchen die darin schlummernden Potenziale für (alpine) Destinationen herauszuarbeiten. Beide verfolgen den Ansatz, dass die Integration von materiellen und immateriellen Kulturgütern in das touristische Angebot keinem wie immer gearteten Materialismus der Kommodifizierung folgen muss. Der Verhandlung der Begriffe Tradition und Authentizität kann im touristischen Diskurs hingegen eine Gesetzmäßigkeit attestiert werden. Die Österreich Werbung beschäftigt sich in der bereits genannten Studie

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„Kultururlaub Analysebericht“ mit dem Bereich des Kulturtourismus unter den Aspekten Verwertbarkeit und Marketing. Auch hier fallen der Gebrauch und das Hervorheben der Bedeutung von Tradition und Authentizität, wenn auch aus einer anderen Perspektive, auf: „Kennenlernen von Tradition und Lebensweise ist in fast allen untersuchten Ländern ein sehr wichtiges Entscheidungskriterium für die Urlaubswahl. Im Zentrum stehen authentische Erlebnisse. Die Authentizität der Erlebnisse und Angebote werden in Zukunft noch wichtiger. Österreich hat hier eine starke Ausgangsbasis.“ (Österreich Werbung 2013: 3)

Die Darstellung der Österreich Werbung unterstreicht außerdem, dass es nicht rein um das Erlebnis Brauchtum geht. Vielmehr sei wichtig zu sehen, wie die Bevölkerung lebt, oder aber auch traditionelles Handwerk kennenzulernen und in einen Austausch mit den Autochthonen zu kommen. Einmal mehr wird dabei das Wort Authentizität gebraucht. (Ebd.: 9) Für diese Beschreibung könnte jene des Gedächtnisspeichers Ötztal als Vorbild gedient haben, die der Ötztaler Heimatverein 2013 veröffentlichte: „Im Zeitalter der Globalisierung ist ein bewusster Umgang mit regionalen Eigenheiten, kultureller Divergenz sowie gewachsenem Sozialkapital unabdingbar. Das geistige und kulturelle Erbe ist das Gedächtnis einer Region, es bildet die Grundlage jeglichen kulturellen Handelns. Als ‚Gedächtnis des Tales‘ hilft der Gedächtnisspeicher Ötztal, das geistige und kulturelle Erbe des Ötztals zu bewahren, zu erforschen und der Bevölkerung sowie Interessierten zugänglich zu machen.“ (Ötztaler Heimatverein 2013)

Der Gedächtnisspeicher kann demnach als Ort interpretiert werden, der sich auf soziokultureller Ebene mit einer In-Wert-Setzung beschäftigt. Allerdings, um in der Sprache der Tourismuswerbung zu bleiben, stellt zuallererst die Bevölkerung des Ötztals die Zielgruppe dar. Schließlich ist der Prozess des Aufbaus eines kollektiven Gedächtnisses ein diskursiver. Dieser Versuch der Kollektivierung eines regionalen Gedächtnisses erhält durch die aktive Einladung an die Bevölkerung, sich an diesem Prozess zu beteiligen, ja diesen erst zu ermöglichen, einen basisdemokratischen Zugang zur Erfassung der eigenen Geschichte(n). Das über Jahrzehnte seit dem Einsetzen des alpinen Massentourismus aufgebaute und kultivierte

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Narrativ des Ötztals wird dadurch weder gestört noch zerstört. Das regionalgeschichtliche Angebot des Gedächtnisspeichers spricht nicht nur Einheimische, sondern auch jene an, die das Ötztal als Urlaubsort für sich entdeckt haben. (ExpertInnen-Interview K4a) In der Wahrnehmung der Veranstalter nehmen ähnlich viele Einheimische wie TouristInnen an den Veranstaltungen teil. Aber auch auf wissenschaftlicher Ebene endet die Strahlkraft der Einrichtung nicht an den Talgrenzen: Sowohl aus der Schweiz als auch aus Bayern kamen WissenschaftlerInnen, die in der Archivarbeit des Gedächtnisspeichers ein Best-Practice-Beispiel sahen und sich von ihr inspirieren ließen. (Ebd.) Speziell das Ötztal mit seiner rasanten Entwicklung im Tourismus und der damit verbundenen Modernisierung aller Lebensbereiche im Tal, steht exemplarisch für die Frage, was dieser technische und ökonomische Fortschritt und die dadurch bzw. aus der touristischen Auslastung heraus entstehenden Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen für die Bevölkerung bedeuten. Tourismuskritik an sich stellt in Tirol keine neue Erscheinung dar. Auch im Ötztal wird die Entwicklung in diesem wichtigsten Industriezweig immer wieder hinterfragt. Der Gedächtnisspeicher stellt keine manifestierte Kritik an der Entwicklung des Tales dar, genauso wenig kann er als kulturtouristische Facette des breiten Programms des ansässigen Tourismus bezeichnet werden. Das Gedächtnis des Tales wirkt und arbeitet um vieles subtiler, fast schon unterbewusst. Geschichte, speziell die eigene, ist immer ein Referenzpunkt für aktuelle Entwicklungen und zukünftige Möglichkeiten. Meistens ist die Auseinandersetzung mit Geschichte eine schwierige, mit Schmerzen verbundene Angelegenheit. Auf nationaler Ebene steht hierzulande sinnbildlich dafür die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus. Dieser Prozess ist bis heute nicht abgeschlossen und gibt noch immer Anlass zu Kontroversen. Tirol kultiviert seit über 200 Jahren sein eigenes Narrativ. Das Ötztal kämpft im Umgang mit seiner Geschichte mit all jenen Einflüssen, die aus den übergeordneten tourismusund kulturpolitischen Ebenen (wie Land Tirol und Nation Österreich) auf das Tal einwirken, aber auch umgekehrt aus dem Ötztal heraus den Diskurs prägen. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht aber der Zeitabschnitt eines rasanten ökonomischen Fortschritts im Tal. Diese Dynamik veränderte innerhalb von zwei Jahrzehnten die Alltagskultur, was jedoch zu einer kurzzeitigen Amnesie darüber geführt zu haben scheint, wie die gesellschaftlichen Realitäten der EinwohnerInnen bis zu diesem Wendepunkt

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ausgesehen hatten und welche Zugänge zur Organisation der Talgesellschaft dadurch vielleicht verloren gingen. Der Tourismusforscher Greg Richards plädiert für ein anderes Verständnis von Kultur abseits von Repräsentations- und Verwertungsgedanken: Es gehe nicht darum, diese als Verknüpfung von verschiedenen Produkten bzw. Institutionen wie Museen und Veranstaltungen zu sehen. Vielmehr sei Kultur als fluides Konzept, als Prozess zu verstehen, der sich aus dem dialektischen Verhältnis von Produktion und Konsum, der Kapitalakkumulation, der Identitäts- und der Imagebildung entwickelt. (Richards 2007: 331) Gerade das Ötztal als eines der wichtigsten touristischen Gebiete Österreichs hinsichtlich seiner ökonomischen Wertschöpfung erweist sich bei genauerem Hinsehen als Diskursfeld dieser unterschiedlichen Zugänge. Es scheint, als habe die touristische Urbarmachung der Region samt der ihr zugeschriebenen Kultur, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen hat und auf ökonomische Profite hin orientiert war, einen Wendepunkt erreicht. Ihre eigene Prozesshaftigkeit hat eine andere Kultur hervorgebracht, die beginnt, sich mit ihrer Herkunft zu beschäftigen. Dies wiederum führt dazu, dass tradierte Praktiken hinterfragt werden und die Rückbesinnung auf eine von der Zeit und dem Fortschritt überholte Kultur genau jenen Boden aufbereitet, auf dem sich ein Paradigmenwechsel im Zugang zur touristischen In-Wert-Setzung des Tals in all seinen Komponenten entwickeln könnte: indem nämlich nicht Reaktion und Konservativismus, geboren aus Fortschrittsangst, als Triebkräfte dieser Entwicklung ausgemacht werden können, sondern die Sichtbarmachung der lokalen Vergangenheit in all ihren Facetten. Ein Beispiel dafür ist die oben erwähnte Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der alpinen Agrarwirtschaft während des Ersten Weltkriegs. Ansatz und Potenzial des Gedächtnisspeichers folgen einer soziokulturellen, gesellschaftspolitischen Regionalgeschichte. Sie bietet darin eine Form der Authentizität, wie sie nicht nur von den Gästen laut Umfragen formuliert wird, sondern auch einem Bedürfnis der hiesigen Bevölkerung entspricht. Der Gedächtnisspeicher bietet die Möglichkeit für die TalbewohnerInnen, sich auf die Suche nach der eigenen Geschichte und Identität zu begeben. Er wird dadurch beinahe zum Urlaubsort für Einheimische, auch eine Art der Heterotopie, ein Sehnsuchtsraum in einer touristischen Destination der Bereisten. Daraus kann jene Rückkoppelung zwischen touristischem

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und alltäglichem Raum entstehen, in dem Tradition (Image) und Identität verhandelt werden können. Die beiden Fallbeispiele zeigen ein unterschiedliches Verständnis von Exponaten und deren Kontextualisierung als Bedeutungsträger: Während das Tirol Panorama größtenteils mit den Leihgaben bestehender musealer Einrichtungen aus ganz Tirol semiophorische Objekte präsentiert, die von diesen Museen selbst nicht als Exponate verwendet werden, baut der Gedächtnisspeicher eine partizipativ aufgebaute Sammlung von Semiophoren auf, von denen ein Teil zu Exponaten wird. Sowohl die Präsentation und Vermittlung als auch die wissenschaftliche Begleitung und Aufarbeitung findet mit unterschiedlichen Methoden und anderen Zielsetzungen statt. Das Tirol Panorama erhält durch seine Aufbereitung und Vermittlung einen das Tiroler Image affirmierenden Charakter. Demgegenüber ist der Gedächtnisspeicher Ötztal als Prozess des Sammelns und Bearbeitens angelegt, um ein regionales Gedächtnis langfristig zu ermöglichen und eine dynamische Entwicklung von Neubefragung und Konstruktion desselben zu gewährleisten. Als „anderer Raum“ für die BewohnerInnen der Region Ötztal kann sich durch die Dichte und Überzeugungskraft des Gedächtnisspeichers zugleich kulturtouristisches Interesse entfalten.16

16 An dieser Stelle muss leider festgehalten werden, dass die geplante und kulturpolitisch unterstützte Aufwertung des Gedächtnisspeichers durch neu definierte Leitungsstrukturen im Sommer 2016 vom Vereinsträger nicht angenommen wurde. Ob die Überführung des als Projekt gestarteten Experiments in eine dauerhafte Einrichtung realisiert werden kann, ist offen.

Kulturtourismus in Tirol Eine empirische Bestandsaufnahme

Im Frühjahr 2015 fanden elf Gespräche mit insgesamt 15 Personen1 statt, das Erkenntnisinteresse zielte auf basale Kultur-, Rollen-, Selbst- und Kooperationsverständnisse im touristischen und kulturellen Sektor ab. Ausgewählt wurden MitarbeiterInnen der Tirol Werbung und der Kulturabteilung des Landes Tirol sowie Kulturschaffende und FunktionärInnen bzw. Marketingbeauftragte von TVBs in der Stadt Innsbruck und in führenden Tiroler Sommer- und Winter-Destinationen, in denen zugleich etablierte alternative Kulturangebote existieren (was nicht in allen Regionen Tirols der Fall ist). Im Winter 2015/16 wurde in einem studentischen Projekt der FH Kufstein Tirol unter Leitung von Prof. (FH) Dr. Claudia Stura tirolweit eine soziale Netzwerkanalyse durchgeführt. Sie sollte Beziehungs- und Kooperationsstrukturen durchleuchten und baute auf Hypothesen auf, die sich aus den ExpertInnen-Interviews ableiten ließen. Dazu zählten die Annahmen, dass die Beziehungen von monetärer und werbetechnischer Unterstützung

1

Interviewt wurden sechs TouristikerInnen, sechs Kulturschaffende, zwei VertreterInnen der Tirol Werbung und ein Vertreter der Kulturabteilung des Landes Tirol. Das Gespräch zum Gedächtnisspeicher und Ötztal Natur Kultur fand in Form eines Fokusgruppengesprächs statt. Bei den InterviewpartnerInnen aus dem Tourismus war eine Unsicherheit bezüglich einer eventuellen persönlichen Geschmacksbewertung des Kulturverständnisses spürbar; das kann auf die Gegebenheit des kulturmanagerialen Hintergrunds der InterviewerInnen zurückgeführt werden.

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geprägt sind, es an klaren Kommunikationsstrukturen mangelt und darüber hinaus kein ausgewogenes Verhältnis in der Besetzung touristischer und kulturbetrieblicher VertreterInnen in entscheidungsbefugten kommunalen Gremien besteht. Das wenig beforschte Feld Kulturtourismus in alpinen Regionen bietet sich für einen qualitativen Forschungszugang an und bringt eine Offenheit in der Methodenwahl mit sich. Damit wird zugleich der Fokus auf das Forschungsfeld und weniger auf einzelne Methoden gerichtet (Flick 2009: 261; Mayring 2002: 28). Obwohl den geführten Interviews ein Fragebogen zugrunde gelegt wurde, wurde dieser je nach Profession der Interviewten und regionalen Gegebenheiten angepasst und kann als Mischform von teilstandardisiert und offen bezeichnet werden (Hopf 2012: 177 ff.). Die Auswertung der Interviews orientiert sich an der von Gläser und Laudel (2004) beschriebenen qualitativen Inhaltsanalyse. Dadurch sollen Wirkungsweisen des untersuchten Feldes freigelegt und erklärt werden. Für die Durchführung einer sozialen Netzwerkanalyse kann auf Siller verwiesen werden, der den Netzwerkcharakter (kultur)touristischer Destinationen in der Produktion von Angeboten hervorgehoben hat (Siller/Matzler 2011: 214, mit Bezug auf Dredge/Pforr und Flagestad/Hope). Bei den ExpertInnen-Interviews ergaben die Gespräche mit den Kulturanbietern weniger einsichtsreiche Resultate zu Kulturtourismus selbst als zum Verhältnis der Interviewten zum Tourismus. Dies ist auf die oben erwähnte Auswahl der kulturbetrieblichen InterviewpartnerInnen zurückzuführen, die nicht nach deren kulturtouristischer Praxis, sondern nach touristisch besonders erfolgreichen Regionen erfolgte. Nicht die Darlegung von Best Practice stand im Fokus, sondern die weiter gefasste Erkundung, wie sich Kultur und Tourismus in Tirol zueinander verhalten. Dass gerade in touristisch und kulturell aktiven Regionen das Wesen der Ko-Existenz so stark zutage tritt, lässt sich vorsichtig als verselbstständigtes Narrativ interpretieren. In der nachfolgenden Auswertung werden deshalb die Gespräche mit den VertreterInnen von TVBs ausführlicher interpretiert. Die Interpretation erfolgt zu den Themen Kulturverständnis, kulturtouristische Potenziale, Marketing & Vermittlung und Kulturbewusstsein. Diese lagen dem narrativen Fragebogen zugrunde, die erfolgte Gewichtung resultiert aber aus der interpretatorischen Erfassung. Im Anschluss daran werden die Aussagen der Kulturtreibenden sowie Erkenntnisse aus der sozialen Netzwerkanalyse

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zusammengefasst und zuletzt das Interview mit einem Vertreter der Kulturabteilung des Landes Tirol ausgewertet. Die Interviews mit der Tirol Werbung flossen in den theoretischen Textteil ein und sind dort als solche ausgewiesen.

K ULTURTOURISMUS I NTERPRETATIONEN

IM G ESPRÄCH : AUS DEN I NTERVIEWS

Ableitbare Erkenntnisse in Bezug auf den touristischen Sektor wiesen auf kulturmanagerialer Ebene eine hohe Übereinstimmung mit in der Fachliteratur identifizierten Themenfeldern auf: Im Tourismus herrscht ein weiter Kulturbegriff vor, für den ländlichen Raum werden volkskulturelle Angebote und Bräuche als authentische, zugleich nachfrageorientierte Erwartungserfüllung der alpinen Marke Tirol integriert. Auffallend war die Affirmation seitens der TouristikerInnen, die Themenkomplexe „Kultur“, „Tourismus“ und „ländlicher Raum“ als Gegensatz zum städtischen Raum zu definieren und dabei einer Denkbahn zu folgen, die vom Tourismus selbst mitgeprägt wird. Es herrscht zugleich eine nur geringe Wahrnehmung von Tiroler Kulturangeboten jenseits hochkultureller Leuchttürme wie der Tiroler Festspiele Erl oder des Swarovski-Brandlands Kristallwelten. Deutlich trat auch der bestimmende wirtschaftliche Diskurs über Kultur als Nächtigungsproduzentin und Marketingvehikel zutage. Ein weiterer Aspekt zeigte sich in der möglichen Internationalisierung der Quellländer durch Kulturtourismus, besonders durch Festivals, welche vor dem Hintergrund der Abhängigkeit vom deutschen Markt in Tirol ein gewisses Innovationspotenzial bergen könnte. In einem Fall wurde der Überraschungseffekt alternativer Kulturangebote als positiver Kontrapunkt zum ländlichalpinen Image erwähnt, während aber Imageerweiterung durch andere als volkskulturelle Kulturangebote als nicht bedeutsam eingestuft wurde. Das Förder- und Initiativverständnis von kulturellen Angeboten leitet sich größtenteils aus den ökonomischen Zugängen zum einen, der Marketingkonzentration zum anderen ab, wird aber auch vom touristischen Strukturnetz und der kommunaler Kulturpolitik beeinflusst. Bei der Förderung von Kulturinitiativen überwiegen soziokulturelle Interessen gegenüber kulturtouristischen. Interessant ist, dass die touristische Konzentration auf

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Marketing ebenso selbstkritisch reflektiert wurde wie der hohe Abstimmungsaufwand durch das hierarchische Kooperationsnetz. Der eingeschränkte Stellenwert von Kulturtourismus wurde indes nicht nur auf die geringe ökonomische Notwendigkeit, sondern – insbesondere in der Stadt Innsbruck – auf ein mangelndes Kulturbewusstsein auf touristischer und landespolitischer Ebene zurückgeführt. Seitens der Kulturtreibenden wurde die touristische Denkweise als fremd und z.T. befremdlich empfunden, der Diskurs um Kultur als Marketingtool erweckte Misstrauen, selbstkritisch wurde angemerkt, dass man sich wenig um Austausch bemühe. Für Kulturtourismus spielte die Auseinandersetzung mit Kultur und Identität eine ausschlaggebende Rolle, wobei insbesondere Interesse an einer vielfältigen Regionalgeschichte geäußert wurde. Die monetäre und werbetechnische Unterstützung durch TVBs wird geschätzt und prägt besonders in den Talschaften die Erwartung an die Zusammenarbeit. Nicht bestätigt wurde dieser Eindruck in einem Fokusgruppengespräch, bei dem TouristikerInnen und Kulturtreibende anwesend waren. Hier waren Dialog- und Konfliktbereitschaft ebenso positiv bemerkbar wie die gemeinsame Auseinandersetzung mit den Themen. Als Einflussfaktor mag hierfür das Kooperationskonstrukt Ötztal Natur Kultur gelten, ein kulturpolitisch initiierter Versuch, „eingeübte Praktiken“ (Föhl/Sievers 2014) zu verändern. Das Verhältnis zu bzw. der Stellenwert von erinnerungskulturellen Angeboten wurde in den Interviews nicht abgefragt. Zum einen fehlten konkrete Anknüpfungspunkte in jenen Regionen, in denen die Interviews geführt wurden. Zum anderen wurde die politisch-strategische Metaebene dieses Zusammenhangs als komplex eingestuft. Vor dem Hintergrund fehlender basaler kulturtouristischer Praxis zum einen, dem Ist-Zustand alpin-ländlicher Imagebildung als Grundsatzentscheidung zum anderen sind erinnerungskulturelle Diskurse (noch) als Visionen der Denkfigur einzustufen. Die Thematik wurde umgekehrt nicht von den Interviewten angesprochen. Kulturverständnis und Angebot „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich schon öfter gefragt habe, was Kulturtourismus ist oder eher: Was ist Kultur an sich? Gehört ein Fußballspiel oder die Ursprungbuam auch zur Kultur oder ist Kultur etwas, was eine Randgruppe anspricht,

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wo beispielsweise die Musiker schon etwas können, aber einfach nicht viele Menschen hingehen.“ (T1)

Als „richtige“ Kultur wurden hochkulturelle Angebote verstanden: „Was man landläufig darunter versteht oder was ‚normale‘ Menschen unter Kultur verstehen, ist, wenn man ins Theater geht, also die Hochkultur.“ (T1) Massenkultur wurde eher als Unterhaltung eingeordnet und von „richtiger“ Kultur abgegrenzt: „Jetzt kann man natürlich darüber streiten, ohne jemanden beleidigen zu wollen, ob Marc Pircher Kultur, Kunst oder einfach nur Musik und Unterhaltung für das Zillertal ist. […] Für mich zählt es aber nicht wirklich als Kultur, […], es ist für mich eher Unterhaltung.“ (T2)

Ebenfalls von einem hochkulturellen Kulturbegriff abgesetzt wurden Veranstaltungen mit Bezügen zur lokalen Tradition, zu diesen „zählen dann die ‚Floitenschlagstaude‘2, die Volksmusik und all die Feste wie das Schmankerlfest; das transportiert zwar wiederum einen gewissen Teil des breiteren Begriffs von Kultur, […] aber das Fest an sich würde ich jetzt nicht als Kultur bezeichnen, sondern als Tradition.“ (T2)

Schließlich wurde auch ein kulturlandschaftlich-pädagogisches Angebot genannt: „Was ich bei uns mit der Kultur verbinde, ist unser Naturpark. Wir haben im Naturpark verschiedene Ausstellungen zu den Gletscherwelten, der Kulturlandschaft und es gibt eine eigene kleine Schule und auch einen eigenen Kulturwanderweg.“ (T2)

Trotz dieser Abgrenzungen dominierte bei den interviewten TouristikerInnen Hochkultur als Kernverständnis von Kulturangeboten und daran anschließendem Kulturtourismus im ländlichen Raum:

2

Die bei Ginzling (Zillertal) beheimatete Elisabeth Lackner (1845–1921), genannt „Floitenschlagstaude“, war als Rebellin und Wildschützin bekannt, ihre Geschichte, niedergeschrieben von Wilhelm Hofer, wurde von der Volksbühne Mayrhofen für die Bühne adaptiert.

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„Die Talschaften und deren TVBs tun sich mit dem Thema des Kulturtourismus wesentlich schwerer, weil sie nichts haben. In Wien ist ja die halbe Stadt Kultur. Zum Kulturtourismus gehören Bauwerke, Veranstaltungen etc. Wir haben hier halt keine Staatsoper und solche Sachen.“ (T1)

Kultur und Urbanität werden als gewachsene Gemeinsamkeit assoziiert: „Wenn ich den Begriff Kultur in den Mund nehme, dann ist das für mich […] immer irgendwas in einem eher urbanen Umfeld, was mit Theater, Oper, Musik und mit etwas, was auch geschichtlich dort verwurzelt ist, zu tun hat.“ (T2)

Am anderen Ende des Spektrums dieser als Voraussetzung für Kulturtourismus empfundenen Hochkultur rangieren Heimatmuseen. Sie sind oft das einzige kulturelle Schlechtwetterangebot in ländlichen Gemeinden, wurden aber in ihren Möglichkeiten als ungenügend empfunden und in ihren Ausgestaltungen kritisch erwähnt: „Wir müssen das Angebot dementsprechend auf ein Niveau bringen, das über das Heimatmuseum hinausgeht. Das Heimatmuseum ist nicht mehr zeitgemäß. Da ist alles irgendwie reingestellt, irrsinnig voll und ohne irgendwelche Interaktionen und so weiter, das muss dann auch aufgepeppt werden.“ (T1)

Aufgrund von fehlenden Angeboten in kleineren Gemeinden hat der Ausflugstourismus einen hohen Stellenwert. Angebote von Kulturinitiativen wurden aus touristischer Sicht zwiespältig wahrgenommen: als bedeutsam für die Soziokultur der Einheimischen zum einen, als zu unbedeutend für den Tourismus bis hin zu einem Störfaktor des Images zum anderen. Für die Soziokultur und das gesellschaftliche Klima in den Regionen wurden alternative Angebote und Kulturvereine gerade im Ausgleich zu Belastungen, die durch den Tourismus entstehen, geschätzt: „Das ist auf alle Fälle sehr wichtig. Die Dörfer leiden ja ohnehin alle ein bisschen unter dem Tourismus, dass alles immer noch größer sein muss, und deswegen sind solche Sachen für das Dorf schon wichtig.“ (T1) Bezüglich der touristischen Wirkung des Free-Jazz-Festivals artacts in St. Johann in Tirol kam folgende Einschätzung: „Hier haben wir ein Angebot, das nicht skihüttenkompatibel ist und wahrscheinlich eher dazu führen würde, dass nicht mehr Leute in der Hütte sitzen, sondern

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weniger.“ (T3) Die ermöglichte Spann- und Innovationskraft eines solches Angebots wurde zugleich vom selben Interviewpartner betont und im Falle der Festivals im vorderen Zillertal wurde deren Professionalität im Wettbewerb mit der „Stadt“ geschätzt: „[…] während der Steudltenn3 eher mit Profis gemacht wird beziehungsweise Auftritte zugekauft werden, wie bei einem Abend mit Elfriede Ott. Der Steudltenn ist eigentlich am professionellsten, weil da viele Sachen dabei sind, die man ansonsten nicht sieht. Die sieht man eigentlich nur in der Stadt, aber nicht bei uns.“ (T1)

Kulturtouristische Potenziale Tourismusökonomische Effekte durch Kulturangebote Wenig überraschend ist die Perspektivierung auf Kulturangebote unabhängig von deren Stil und Ausrichtung dominiert von tourismusökonomischen Effekten. Dazu zählen im ländlichen Raum die Passfähigkeit zum, nicht aber der Innovationsgrad für das Image; außerdem die touristische Erwartungserfüllung und die mediale Verwertbarkeit: Kultur zählt, um „Nächtigungen (zu) produzieren“ (T3), sie soll aktivieren, zugleich wenig kosten: „Wir haben sicher die Herausforderung, kulturelle Angebote zu haben, die einen Wow-Effekt hervorrufen. Wenn dieser Effekt da ist, dann würde man sich finanziell auch leichter tun, weil der Großteil durch Einnahmen und Sponsoren gedeckt ist. Ich erlebe nur allzu oft, dass mir wirklich grandiose Sachen präsentiert werden, aber das rechnet sich einfach nicht.“ (T2)

Das „Sich-Rechnen“ steht über der Imagewirkung, das Angebot kann das Berg-Image forcieren, soll es aber nicht beeinträchtigen: „Das Argument der Imagewirkung reißt mich als Geschäftsführer dieses TVB nicht mehr vom Hocker. […] Unser Image ist das Bergerlebnis und ich habe nicht vor, dass die Region zur Kulturregion wird, denn damit fesselt man sich auch. Es ist eher an den Dingen festzumachen wie dem Snowbombing.4 Da haben wir 6.000 Englän-

3

Theaterfestival in Uderns (Zillertal) seit 2011 mit Eigenproduktionen und Uraufführungen.

4

Musikfestival in Mayrhofen im Zillertal.

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der da, und dann kann ich schnell ausrechnen, was ich als Sponsor hineinzahle und was als Ortstaxe und Tourismusabgabe wieder zurückfließt. Selbst als TVB, der ja per se nicht gewinnorientiert rechnen muss, freut man sich, wenn die Rechnung aufgeht. Das Image ist da eher die Begleiterscheinung.“ (T2)

Am Geldwert misst sich auch das Verhältnis aus Investition, Anspruch und Gewinn: „Ich habe in meinen 30 Jahren gelernt, dass Kultur Geld kostet. Mit den Ursprungbuam lässt sich immer etwas verdienen, weil es die Massen begeistert, aber anspruchsvollere Dinge sind dann schon schwieriger.“ (T1) Neben dem Snowbombing wird auch das Altitude Festival 5 als Veranstaltung, die sich mittels Entkoppelung die „Ware Raum“ (Wöhler) zunutze macht, als Nächtigungsproduzentin und kulturtouristisch bedeutsam eingeordnet: „Beim Altitude wird das Thema England bespielt, und da kommen Hunderte Engländer, die sich über die besten englischen Comedians freuen, nach Mayrhofen. Da wird Mayrhofen aber irgendwo nur mehr zur Bühne eines kulturellen Events, das ja per se auch in England stattfinden könnte. Es zeichnet sich durch den alpinen Raum abseits der üblichen Bühnen in London aus.“ (T2)

Für die mediale Verwertbarkeit steht nicht der Inhalt einer Veranstaltung im Mittelpunkt, sondern der Transfer des Tiroler Bergerlebnisses, wie dies auch in der Bildsprachen-Kampagne der Tirol Werbung konzipiert wurde. Dieser Anspruch wirkt sich auch auf die Erwartung bezüglich eventuell neuer oder zusätzlicher Angebote aus: „Letzten Endes muss ich […] in der Kommunikation schauen, dass ich in die Breite gehe und Bilder nach außen bringe, in denen es jetzt nicht zwingend nur um das Musikfestival geht, sondern die die Stimmung und die Menschen beim Skifahren transportieren. Viele kommen ja nicht zum Festival, aber sie sehen die schönen Berge und beschließen, nächstes Jahr zu kommen. Das ist für uns im Markenkern das Ziel. In allem, was wir tun, haben wir die Vision, Europas führende Marke für Bergerlebnis zu werden, und da passt viel rein. Wenn es jetzt eine Kulturveranstaltung

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Festival mit Kabarettisten aus Großbritannien, initiiert von einem britischen Booker und Mitarbeiter des Fringe-Festivals in Edinburgh, der Stammgast im Zillertal ist.

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werden soll, dann muss ich mir überlegen, wie ich durch diese Veranstaltung das Bergerlebnis nach außen kommunizieren kann.“ (T2)

Neben der Breitenwirkung mit wirtschaftlichen und medialen Effekten spielen Kulturangebote als Medien der Erwartungserfüllung von „Authentizität“ und Verfestigung von Tirol-Bildern bei den anwesenden Gästen eine zentrale Rolle, wobei hier auf jenen Authentizitätsbegriff Bezug genommen wird, der in der Raumkonstruktion evoziert wird: „Ich bin überzeugt, dass viele oder die meisten von den 6.000 Menschen, die herkommen, und den Marc Pircher zu sehen, das als Zillertaler Kultur verstehen. Ohne das jetzt wissenschaftlich zu beleuchten, nehmen die das als Zillertaler Kultur mit. […] Ich muss nicht hergehen und dem Gast zwingend eine Illusion nehmen. Der ist mit dem Bild ja total glücklich, und wenn er dann wiederkommt, passt das gut.“ (T2)

Zielpublika Obschon in einer Aussage artikuliert wurde, dass, „was dem Einheimischen nicht gefällt, […] ich dem Gast auch schwierig rüberbringen werde“ (T1), wird eine deutliche Kluft in der Kulturnutzung von touristischen und einheimischen Publika festgestellt; auf die Nachfrage, ob es beim AltitudeFestival ein durchmischtes Publikum gäbe, hieß es: „Wenn ein deutsches Programm angeboten wird, dann ja. Letztes Jahr hatten wir Michael Mittermeier als einzigen deutschen Act, und da war das Haus voll. Bei den englischsprachigen sind eher weniger Einheimische. Da braucht man einen sehr engen Bezug und muss Englisch nicht nur sprachlich verstehen, sondern auch den Sinn erkennen.“ (T2)

Ob Innsbrucker anreisten oder Münchner zum Altitude kämen? „Nein, das ist 100 Prozent Englisch. Also für den Mittermeier sind sie schon von überallher gekommen.“ (T2) Zugleich sorgt das Ausbleiben von Einheimischen für Irritation dort, wo keine solchen sprachlichen und kulturkontextualen Zugangsbarrieren wie bei Altitude zu vermuten sind:

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„Man wundert sich schon, wenn keine Einheimischen herkommen, und fragt sich dann oft, warum. Da aktivieren wir zwar die Gäste, aber die Einheimischen nicht. […] Bei solchen Massenveranstaltungen kommen auch große Acts wie beispielsweise Revolverheld. Wenn man für die 15 Euro Eintritt nimmt, hat man draußen sofort den Skandal, dass das alles viel zu teuer sei. Wenn ich mir die sonst irgendwo ansehe, ist es viel teurer. Da ist man oft mit Dingen konfrontiert, die man nicht versteht.“ (T2)

Die Nachfrage, ob dies mit dem/der AnbieterIn in Zusammenhang gebracht werden könne, wurde bejaht: „Ja, da muss man wieder differenzieren, wer der Anbieter ist. Ist der Anbieter ein TVB oder eine Kulturinitiative? Die Kulturinitiative sagt ja ganz klar, wen sie damit ansprechen will. Auch die Volksbühne mit ihrem Theaterstück hatte zu 95 Prozent einheimische Besucher. Da haben wir uns zwar als TVB beteiligt, aber die Karten, die wir an Gäste verkauft haben, haben sich in Grenzen gehalten. Du hast immer dieses Entweder-oder.“ (T2)

Daran wird ersichtlich, dass sich Anbieter- und Finanzierungsdispositive in der Wahrnehmung der Publika niederschlagen; das für den Tourismus übliche nachfrageorientierte Modell – „Ich würde das als Kultur interpretieren, weil das auch dem Gast so vermittelt wird“ (T2) – kann in einer folkloristisch dominierten Tourismusregion wie Tirol bei einheimischen KulturnutzerInnen als bekannt und – besonders dort, wo alternative Angebote existieren – als unattraktiv oder zumindest außerhalb der Wahrnehmung vermutet werden. Der Authentizitätsbegriff erweist sich hier als „Raumteiler“, gespiegelt in „touristischen“ und „echten“ Angeboten sowie entsprechendem Nutzerverhalten. Nur in einem Fall – dem Free-Jazz-Festival artacts in St. Johann in Tirol – erweckt die Tatsache Aufmerksamkeit, dass Festivals Gäste außerhalb touristischer Werbekreise und aus anderen Ländern erreichen; aus dem attestierten „europäischen Bekanntheitsgrad“ von artacts wird geschlossen: „Die Besucher kommen aus den verschiedensten Teilen Europas und teilweise sogar aus Übersee. […] Der Gast, der speziell für dieses Festival kommt, ist natürlich Bestandteil einer gewissen Imagebildung der Region.“ (T3)

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Das Narrativ, das durch Nachfrageorientierung entsteht, verstellt zugleich den Blick auf die Potenziale von Initiativrollen, also der Schaffung von Nachfrage durch Angebote. So liegt dem Rückgriff auf die nachfrageorientierte Marktforschung insofern eine gewisse Ironie zugrunde, als Nachfrageorientierung, vordefinierte Zielpublika und Affirmation des konstruierten Raums Hand in Hand gehen: „Ich habe hier noch etwas Interessantes bezüglich den Sachen, die die Gäste bei uns machen: Da gibt es auch Veranstaltungen und Events und da sagen 57 Prozent Ja bei den Brauchtumsveranstaltungen. Bei der klassischen Musik sagen nur 4 Prozent Ja. Museen und Ausstellungen: 16 Prozent, und Oper und Operette: 1 Prozent.“ (T2)

Zugleich herrscht das Bewusstsein, dass auch „Angebot Nachfrage schafft“ (T3), wofür es zugleich Willensbekundungen, Werbekonzepte und Umsetzungsstrategien benötigt. Ein weiterer Interviewpartner meinte dazu: „Wir brauchen Mechanismen, die den kulturinteressierten Gast nicht suchen lassen, sondern das so aufbereiten, dass es ihn anhüpft. Die Technologien sind da, aber wir haben sie noch nicht richtig verstanden. Wir müssen es dem Gast näherbringen. Der weiß ja nicht, dass er die ‚Floitenschlagstaude‘ braucht, also muss ich einen Weg der Kommunikation finden, wie er merkt, dass er sie braucht. Ich kann mich als TVB nicht hinstellen und darauf warten, dass jemand nach Kultur fragt. Ich muss also überlegen: Was tue ich, damit der Gast nach Kultur fragt?“ (T2)

Derselbe Interviewpartner kritisierte die Abwesenheit von konkreten Produkten, um Marketing quasi dingfest zu machen: „Es wird einfach viel zu viel Marketing gemacht und es werden viel zu wenige Produkte hergestellt. Wenn es am Ende kein Produkt, sondern nur Marketing gibt, dann hab ich noch nichts verkauft.“ (T2) Produkte wären „Investitionen in die Infrastruktur, die das Erlebnis aufbereiten. Infrastruktur streue ich jetzt bewusst breit. Das kann eine Veranstaltung oder ein Klettersteig sein.“ (T2) Nicht ausgeschöpfte Potenziale In der Stadt Innsbruck dominierte die Frage der Aufenthaltsverlängerung, was für die generelle Thematik Kulturtourismus keinen, für die Positionierung Innsbrucks durchaus einen innovativen Charakter hat:

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„Wir haben ein Problem in Innsbruck. Das ist eigentlich ein weltweites Phänomen, das man mit Kulturtourismus sicher bekämpfen könnte, und das ist die kurze Aufenthaltsdauer. Diese kurze Aufenthaltsdauer ist einfach kostenintensiv. Touristen kosten, wenn sie kommen und wenn sie gehen, das Laufende ist gut kalkulierbar.“ (T4)

Das kulturtouristische Konzept des TVB Innsbruck und seine Feriendörfer integriert die Schwerpunkte Architektur und Musikfestivals in ihrer Genrevielfalt, die Festwochen der Alten Musik im Bereich der Hochkultur und Heart of Noise für ein junges, alternatives Publikum. Von den Festwochen der Alten Musik werde ein „Bogen zur zeitgenössischen Musik mit dem Spruch ‚Als die Alte Musik zeitgenössisch war, war Innsbruck ein kulturelles und politisches Zentrum Europas‘“(T4) gespannt. Allerdings sei man damit „erst am Anfang“ (T4). In Bezug auf die Innsbrucker Festwochen spricht der Interviewpartner von einem „absoluten Bekanntheitsmanko“ und erzählt von den positiven Erfahrungen bei Offensiven zur Bekanntheitserhöhung: „Wir haben letztes Jahr Kulturreiseveranstalter aus Deutschland und den Beneluxstaaten eingeladen. Das waren Fachleute, die es nur vom Hörensagen kannten und danach total begeistert von Innsbruck waren.“ Der brachliegende Markt wäre aufzubereiten: „Da müssen wir uns im Tourismusverband an der eigenen Nase nehmen, weil wir das bis jetzt noch nicht so forciert hatten.“ Für den Schwerpunkt Architektur gibt es eine Kooperation mit dem aut. architektur und tirol, „das dahingehend Führungen durch die Stadt veranstaltet. Ein Erfolgsmuster der Marke Innsbruck ist die avantgardistische alpine Ästhetik. Das ist ein touristischer Faktor, indem wir uns mit der Skisprungschanze am Bergisel und auch den berühmten Gletscherzungen bei den Stationen der Hungerburgbahn von Zaha Hadid darstellen.“ (T4)

Neben diesen Schwerpunkten bietet Innsbruck zahlreiche weitere kulturtouristische Angebote, die auch auf die Identität und eventuell auf die Bildungslücken der InnsbruckerInnen und TirolerInnen zurückwirken können wie eine Themenführung zu Max Weiler. Rund 15 % des Budgets werden in kulturtouristische Angebote investiert.

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Im ländlichen Raum geht es hingegen um ökonomisch nachhaltige Komplementär- als Schlechtwetterangebote: „Für uns ist der Ausflugstourismus ganz wichtig. […] Innsbruck, Kufstein, aber genauso der Naturpark von Mayrhofen sind schnell erreichbar. Wir sind sehr zentral und deswegen spielen Ausflugsziele für uns eine große Rolle. […] Man hat auch letztes Jahr im August, als das schlechte Wetter war, gesehen, dass Ausflüge immer wichtiger werden, und da muss man Alternativprogramme für den Gast bereitstellen.“ (T1)

Die hohe Abhängigkeit vom deutschen Herkunftsmarkt in den Tiroler Tälern führte zur Feststellung: „Wenn die Deutschen husten, haben wir Lungenentzündung. Wir sind ja bei den Nächtigungszahlen sehr stark, aber die Internationalität fehlt uns.“ (T1) In diesem Zusammenhang wird die Professionalität und Internationalität zweier lokaler Festivals, veranstaltet von Kulturinitiativen, erwähnt: „Es gibt den Stummer Schrei6 oder Steudltenn, die jetzt beide zufälligerweise in meinem TVB liegen, und die sich wirklich mit ihrem Programm von der volkstümlichen Musik abheben und teilweise, würde ich sagen, auf internationalem Niveau anbieten.“ (T1)

In St. Johann in Tirol werden die Potenziale der Kulturinitiative Musik Kultur St. Johann ebenfalls in der Internationalität gesehen, aber auch im Kontrapunkt zum volkstümlichen Image: „Es [artacts, A.d.A.] hat aber sicher einen bestimmten touristischen Aspekt und das Spannungsfeld finde ich einfach interessant. Den Überraschungseffekt, solch ein 6

Kulturfestival in Stumm (Zillertal), das seit 2003 mit der Motivation gegründet wurde, „einen wichtigen Gegenpol zur traditionellen Kultur einzurichten und etwas abseits vom Mainstream zu unterhalten. […] Traditionell steht das Volkstheater im Mittelpunkt des stummer schrei. Schauspieler und Stücke sind regional geprägt und präsentieren – im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Festivals – ausschließlich Eigenproduktionen. Die Theaterstücke erzählen Geschichten von und für die Region und machen durch ihre Authentizität den besonderen Charme des Zillertals auch für internationale Gäste spürbar.“ (Verein stummer schrei 2017)

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Jazzfestival in einer relativ traditionellen Tiroler Region zu veranstalten, finde ich gut. Das ist für mich ein spannender Kontrapunkt, wenn man Innovatives und eher Ungewohntes für alpine Regionen macht. Dazwischen gibt es natürlich ein großes Spektrum, da kann man von bildnerischer Kunst, Musik, Theater et cetera reden. Die Bandbreite ist sehr groß.“ (T3)

Stellenwert von Kulturvermittlung und Werteorientierung In diesem touristischen Diskurs wird der kulturmanageriale Anspruch an Kulturvermittlung im Sinne von kultureller Bildung weitgehend ausgeschlossen oder nur dort erwähnt, wo Kultur sich dem Konzept der Kulturalisierung annähert: „Ich finde, dass unsere Region sehr kontrastreich ist, das zeichnet uns aus. […] Wir sind modern, aber auch traditionell. Diese Gegensätze sind bei uns spürbar und ich finde, dass das für die Kultur sehr wichtig ist. Das ist ein guter Nährboden, und daher sind wir schon eine prädestinierte Region, die Kultur vermittelt. Aber es fließt bei uns einfach ins Angebot rein. Der Gast, der kommt, sieht die Kultur automatisch. […] Der nimmt das mit auf, in welcher Form auch immer.“ (T2)

Mit diesen Kontrasten, für die Kunst und alternative Kulturangebote stehen können und die oben positiv erwähnt wurden, wird im hinteren Zillertal nicht offensiv gearbeitet: „Ganz toll finde ich auch den Kunstweg. Wir haben ja relativ viele einheimische Künstler, moderne und traditionelle. Sie haben entlang der Zillertalpromenade verschiedene Kunstwerke gebaut. Die stehen da und sind überhaupt nicht aufdringlich. Man bleibt beim Spaziergehen vielleicht kurz stehen und liest die kleine Tafel. Man nimmt das einfach so nebenbei mit. Das ist Kultur im Unterbewusstsein.“ (T2)

Vorhandene Ressourcen werden gar nicht oder nur am Rande in die Raumkonstruktion aufgenommen, wie die Kunstwerke von Max Weiler: „Großartig beworben wird er wirklich nicht. […] Der Kenner sucht sie auf, aber die Menschen, die mit dem Namen nichts anzufangen wissen, und das sind wahrscheinlich die meisten, denen fällt es nicht auf. […] Das Verständnis für diese Kunst ist nicht vorhanden.“ (T2)

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Dieselben Interviewpartner formulierten ein Unbehagen bezüglich der Zielgruppenorientierung im Marketingparadigma: „Tourismus und Zielgruppe, das passt für mich nicht ganz zusammen, ich kann Tourismusgäste nicht schachteln. Mit Zielgruppen und Konsumgütern tue ich mir leicht, aber bei etwas Hochemotionalem wie dem Tourismus kann man das nicht einfach machen. […] Robert Trasser spricht mittlerweile vom Systemfehler Zielgruppe. Helene Karmasin hat es dann ‚Stilgruppen‘ benannt […]. Für mich ist es wichtig zu sehen, wo wir Bedürfnisse unabhängig von den sozialen Schichten festmachen können. Für mich besteht das alles immer wieder aus Extremen, und die Zielgruppe ist dann der Durchschnitt aus verschiedenen Punkten. Ich glaube halt nicht, dass die meisten Menschen in diesen Durchschnitt passen, sondern individuell sind. […] Ich suche jetzt nach einem extremen Beispiel: Hauptschulabschluss und Automechaniker, und dann zu behaupten, für den ist Mozart nicht interessant. Wenn der eine Liebe für Mozart hat, was soll ich da für eine Zielgruppe nehmen?“ (T2)

Regionalgeschichte als Anknüpfungspunkt für Kulturtourismus wird in Zusammenhang mit bekannten Motiven erwähnt: „Mit dem Thema der Stillen Nacht lässt sich richtiger Kulturtourismus betreiben. Das ist für jeden ein Begriff. Da brauche ich gar nicht lange nachzudenken, dass da an Kultur- und Kulturgeschichte etwas da ist. Ich glaube, das lässt sich auch am einfachsten und authentischsten umsetzen.“ (T2)

Förderrolle und Initiativcharakter „Wenn man sich bei der Gemeinde das Kulturbudget anschaut, dann sagt man: ‚Um Gottes Willen!‘, weil es so klein ist. Da geben wir als TVB wahrscheinlich mehr aus als die Gemeinde. (T2) „Was es nicht gibt, kann man nicht bewerben.“ (T4)

Als Gebietskörperschaften öffentlichen Rechts sind TVBs auch Geldgeber. Diese Förderrolle wurde in den ländlichen Regionen als eine Art „Zwangssituation“ reflektiert, in der Stadt Innsbruck als bewusste Aktivität, motiviert von strategischen Überlegungen und kultureller Affinität. In den Bezugnahmen auf kulturelle Fördertätigkeit dominierte ein Zwiespalt

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zwischen Wollen und Können, Sollen und Müssen: „Theater kostet uns 60.000 Euro, und das kann es ja nicht sein!“ (T1), wurde in Zusammenhang mit der Subventionierung von Einrichtungen, die wenig tourismuswirtschaftliche Nutzung bieten, geäußert. Gefördert wird aus den oben erwähnten soziokulturellen Motiven. Auch in der Stadt Innsbruck wird die finanzielle Förderung selbst von Großveranstaltungen nicht nur unter tourismuswirtschaftlichen Prämissen betrieben: „Wir unterstützen […] auch den Tanzsommer, wobei das touristisch kaum relevant ist, weil das eine Veranstaltung für Einheimische und eventuell noch Tiroler ist.“ (T4) Auf die Frage nach der Förder- und Initiierungsrolle kam in der Stadt Innsbruck die Antwort: „Man könnte sagen, die Aufgabe des Verbandes ist es, die Veranstaltungen im Ausland zu bewerben, und nicht, sie zu fördern. Aber was es nicht gibt, kann man nicht bewerben, und aufgrund dessen wurden viele Initiativen mit unserer finanziellen Unterstützung initiiert. Heart of Noise ist so ein Beispiel. Die sind damals zu mir gekommen und ich habe ihnen 10.000 Euro Startkapital gegeben, mit dem sie dann wiederum zur Politik gehen und um weitere Zuschüsse anfragen konnten.“ (T4)

Heart of Noise ist inzwischen ein Fixstarter in der Sommer-FestivalLandschaft. Inwiefern es auch kulturtouristisch angenommen wird, dazu liegen keine einsehbaren Daten vor. Im Unterschied dazu wurde am Land auf die Ressourcengrenzen referiert: „Wir im ländlichen Raum haben halt nicht die Kulturgüter oder das Geld für solche Großprojekte [Oper, A.d.A.].“ (T1) Die Initiativrolle wird nicht bei den TVBs angesiedelt, sondern bei „Gott“ und „Mäzenen“: „So etwas wie die Kristallwelten ist natürlich Wahnsinn, das ist ein Geschenk Gottes. So etwas kann dir nur passieren, das kann man selber gar nicht bauen. Das Gleiche in Erl. Das Land hätte es niemals geschafft, so etwas zu bauen und zu betreiben, wenn da nicht solch ein Mäzen dahinterstecken würde.“ (T1)

In Bezug auf die Festivals Steudltenn und Stummer Schrei wurde hingegen klar artikuliert: „Dasselbe als TVB zu initiieren, geht nicht“ (T1), dennoch

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„muss [ich] ihnen [den Veranstaltern von Stummer Schrei, Steudltenn, A.d.A.] immer wieder sagen, dass sie keine Rolle spielen, aber sie sind natürlich wichtig. […] Natürlich sind die Mittel enden wollend, weil es halt ein sehr kleines Segment ist.“ (T1)

Die touristische Zuständigkeit wird vor allem in der Bewerbung verortet: „In unserem konkreten Fall, also über unsere Storytelling-Maßnahmen, haben wir endlich den Platz dafür, auch kleinere Produkte zu kommunizieren. Wenn es um die Dimension der Veranstaltung geht, wird es dann schon schwieriger. Da stellt sich die Frage, ob sich das Land oder die Gemeinde beteiligt.“ (T2)

In den selbstreflexiven Gesprächspassagen wurden die Konzentration auf Marketingaktivität und der Abstimmungsaufwand zwischen den strategischen und operativen Tourismusakteuren kritisiert. „Der Abstimmungsaufwand ist teilweise schon relativ beträchtlich, weil wir als einzelner TVB eigenständige Maßnahmen durchführen. […] Es gibt meiner Meinung nach zu viele Schienen, die dafür verantwortlich sind. Es gibt Einzelbetriebe, regionale TVBs, Marketing GmbHs, Landestourismusorganisationen und die Österreich Werbung, und alle wollen schlussendlich das Gleiche. […] Wir machen manche Sachen einfach drei- oder viergleisig, versuchen das zu koordinieren und verbringen dadurch viel Zeit mit dieser Koordination.“ (T3)

Die Hierarchien, aber auch die Zergliederung von topografischen Einheiten durch die zugewiesenen Verbandsterritorien wurden kritisch gesehen und sind als Einflussfaktoren für den Kooperationsbegriff im Tourismus auf Ebene der TVBs untereinander zu werten. Zwei Aspekte wurden artikuliert: Der Konkurrenzgedanke unter den TVBs und die Verbandsgrenzen als Hindernis für Kommunikationspolitik, was wiederum auf Kulturangebote ausstrahlt: „Kitzbühel ist eine Tourismusmarke, die über 100 Jahre gewachsen ist. […] Die Kitzbüheler sind sich ihrer Marke sehr bewusst und lassen ihr Umfeld das auch spüren. Das ist für die Zusammenarbeit natürlich nicht produktiv. Für eine Kooperation braucht es eine gewisse Gleichstellung, da kann nicht einer von oben alles herunter diktieren. Das Verhältnis ist sehr kontrovers. […] In diesem Konkurrenzverhältnis

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werden vielfach Sachen unterbunden anstatt zugelassen. Man versucht, sich abzugrenzen und 100 Prozent des Outputs einzusacken.“ (T3)

Bei der Zusammenlegung der TVBs 2011 wurden die westlich von Innsbruck gelegenen tourismusschwächeren Regionen Innsbruck zugeordnet. Das führt für Kulturangebote im näheren Speckgürtelbereich zur Ausschließung in der Bewerbung: „Die Zusammenlegung hat natürlich den Vorteil, dass sich Synergieeffekte ergeben. Nach wie vor führen diese Verbandsgrenzen aber zu eigenartigen Erscheinungen. Bei uns im Veranstaltungskalender sind beispielsweise die Veranstaltungen von Innsbruck, Telfs, Igls, dem Sellraintal und vielen mehr enthalten, aber nicht jene von Hall [Speckgürtel von Innsbruck, A.d.A.].“ (T4)

In diesen Aussagen bestätigt sich, dass das Selbstverständnis von TVBs ihren Zielvorgaben gemäß touristische Erwartungserfüllung umfasst und ihre Förderrolle einen patriarchalen Charakter annehmen kann. Das Potenzial von alternativen Angeboten im ländlichen Raum als „dritter Weg“ zwischen Volks- und Hochkultur wird auch für Komplementärrollen nur zaghaft wahrgenommen und die Kooperationskultur ist von Wettbewerb und Verbandsgrenzen mitgeprägt. Die im Zuge der Tourismusstrategie 2010 erwähnte fehlende Innovationskultur spiegelte sich auch in manchen Äußerungen. Die Bedeutung einer strategischen Willensbekundung und die Möglichkeit eines ergänzenden Charakters von Kulturtourismus werden explizit erwähnt: „Bei den ganzen kulturellen Dingen muss man am Anfang halt wahnsinnig viel investieren, bis der erste Gast kommt. […] Da sind auch drei Jahre keine Zeit. Bei uns sind viele Skifahrer, weil wir die bereits seit 40 Jahren umwerben, und im Sommer kommen die Gäste, weil das bereits seit 100 Jahren läuft. In der Kultur ist es am allerschwierigsten, weil Kulturtourismus in diesem Sinne bei uns nie ein Massentourismus werden kann. Bei uns soll die Kultur eine Rolle spielen. Das merkt man ja auch in Tirol allgemein, man will nicht nur mehr die Skifahrer. Wenn man in die Zukunft denkt, muss man ja auch irgendwann damit anfangen. […] Aber auf kleiner Flamme köchelnd gewinnt das Thema Kultur bei uns schon an Bedeutung. […] Es ist ein mühsamer Weg zu lernen, dass das Zillertal nicht nur für Wandern,

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Radfahren, Skifahren und volkstümliche Musik steht, sondern dass hier auch ein zartes Pflänzchen Kultur am Wachsen ist. Das werden wir auch weiterhin gießen und nicht abreißen lassen, und trotzdem spielt es zurzeit einfach keine Rolle. Der Tourismus endet ja hoffentlich nicht in zehn Jahren, sondern soll ja noch ewig fortdauern, und dann wird man vielleicht irgendwann froh sein, dass man dieses Pflänzchen Kultur gepflegt hat.“ (T1)

Diesem optimistischen Bekenntnis stehen zahlreiche Kräfte und Auffassungen gegenüber, die kulturtouristische Aktivität in Tirol erschweren. In besonderem Maße ist dies der politisch-strategische Faktor Willensbekundung. Kulturbewusstsein „Die Volkskultur wird getragen, aber die Hochkultur nicht. Generell gibt es in Innsbruck und Tirol keine große Kulturaffinität.“ (T4)

Der geringe Stellenwert von Kulturtourismus zeigte sich auch, aber nicht nur, als Folgewirkung von fehlender ökonomischer Notwendigkeit: „Das ist sicher eine Prioritätenfrage. Für das Marketing braucht man natürlich auch immer das nötige Geld. Aus der touristischen Perspektive in Innsbruck lässt sich böse sagen, dass es diese Veranstaltungen nicht braucht, weil wir bereits einen starken Tourismus haben.“ (T4)

Weitere Gründe werden in der mangelnden Identifikation touristischer Stakeholder mit Kulturangeboten und einem fehlenden Kulturbewusstsein auf der politisch-strategischen Ebene geortet: Kulturtourismus „ist nicht das Kernthema von Tirol oder dem Zillertal, sondern es ist ein gewisses Nischenschema. Wenn man versucht, so ein Nischenthema irgendwo mit hineinzubringen, dann hat man gleich 50 Prozent Gegner, die diese Investitionen nicht tätigen möchten.“ (T2) „Das Problem dabei ist, dass bei uns im Haus keine Begeisterung dafür vorhanden ist bzw. war. […] Ich kenne niemanden im Haus, der die Konzerte besucht. Jeder

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hat einen Begriff von der Blasmusikszene oder der Volksmusik, aber von der Alten Musik haben die Menschen kein Bild.“

Zur politischen Ebene fährt der Interviewpartner fort: „Grundsätzlich ist das Problem des Kulturtourismus bei uns, dass das Thema nicht getragen wird. […] Ein Problem für das Kulturangebot an sich ist, dass auch politisch kein großes Engagement auf diesem Sektor besteht.“ (T4)

Bei einem anderen Interviewpartner heißt es einschlägig: „Wenn wir die Struktur der Kommunikation verändern, ist es wahrscheinlich gar nicht mehr so schwer. Immer dominiert dieser Markengedanke.“ (T2) Zur „Kulturaktivität der Tirol Werbung“ wird festgestellt, „dass sie einfach komplett unterfinanziert ist“ (T4), was wiederum Ergebnis der strategischen Entscheidung ist, Kultur abseits der folkloristischen Semantisierung nicht als „A-Ziel“ zu definieren. Die eingangs geäußerte Vermutung, dass diese Grundsatzentscheidung auch den Erfolg von lokalen Einzelinitiativen behindert, wird hier wie folgt bestätigt: Damit Kulturtourismus Stoßkraft entwickeln kann, ist es „wichtig, dass es nicht nur eine Einzelinitiative ist, sondern man es von Erl bis nach Reutte merkt, dass sich etwas tut und dass etwas passiert.“ (T1) Als tiefer sitzender Einfluss wird schließlich das wiederum mangelhafte Verständnis der historischen Dimension von Alpintourismus geortet, denn „eigentlich [kann man] behaupten, dass der Bergtourismus aus der Kunst entstanden ist, also durch die Gletscher- und Landschaftsmaler, die dann Wissenschaftler motiviert haben, ins Land zu kommen, und die wiederum haben darüber berichtet und damit die Alpinisten motiviert, aus denen dann die Touristen geworden sind. Das sollte man eigentlich im Bewusstsein haben, aber das ist nicht der Fall.“ (T4)

Auch das einseitige Geschichtsbild wird bemängelt: „Was mir auch wichtig ist, ist die Entwicklung eines historischen Bewusstseins, also dass es vor dem Andreas Hofer auch noch was anderes bei uns gab. Da fehlt es weit in der Bildung und im Bewusstsein.“ (T4)

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K ULTURSCHAFFENDE ÜBER K ULTUR , T OURISMUS UND M ISSTRAUEN In den Interviews mit den Kulturschaffenden trat zutage, dass der ökonomiegetriebenen Denkweise im Tourismus die kulturvermittelnde Intention der Kulturanbieter diametral entgegensteht. Kulturelle Bildung und Anregung zur Reflexion sind die treibenden Kräfte bei Angebotskonzeptionen; bei deren Planung seien TouristInnen kein Zielpublikum, das man „im Kopf“ (K1) habe, es werde aber davon ausgegangen, dass für TouristInnen besonders jene Angebote von Interesse seien, die „man nur hier sehen kann“ (K1); Angebot schaffe Nachfrage, wobei der Sommergast als kulturaffiner erlebt wird als der Wintergast. Regionale Geschichten würden eine glaubwürdige Authentizität ermöglichen, die „bekannte Theatertradition sei dabei ebenso attraktiv wie die ermöglichten Einblicke in unsere Kultur“ (K1). Von drei, in ihrer Programmatik ähnlichen Theaterfestivals (Steudltenn und Stummer Schrei im Zillertal, Geierwally-Freilichtbühne7 in Elbigenalp, Lechtal), käme etwa die sozialkritische Programmierung der Geierwally-Freilichtbühne sehr gut an; Steudltenn und Stummer Schrei würden hingegen nur vereinzelt von Gästen besucht. Eine über die TVBs ermöglichte touristische Ansprache wird erwünscht, man gehe davon aus, dass man selbst nur Kanäle nütze, die Einheimische erreichen. Einen befürchteten unerwünschten Effekt durch touristische Bewerbung sprach eine andere Kulturinitiative an, nämlich einen möglichen Verfremdungs- und Vereinnahmungsprozess durch die Aufnahme ihrer Angebote auf die Website des zuständigen TVB. Dies schließt an die oben ausgeführte Beobachtung einer ausschließenden Wechselwirkung von Adressat und Empfänger als diskursive Praxis an.

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Die Freilichtbühne in Anna Knittels („Geierwally“) Heimatort Elbingenalp wurde 1990 mit dem Auftragswerk „Die Geierwally“ von Felix Mitterer eröffnet und von 2011 bis 2012 mit Mitteln des Landes Tirol und der EU-Förderung aus dem Programm „Regionale Wettbewerbsfähigkeit“ umgebaut und erweitert. (Geierwally-Freilichtbühne 2017)

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Ein besonderes Potenzial von Kulturangeboten wird in der Vermittlung positiver Geschichten und einem „liebevollen“ Umgang mit „Heimat“ gesehen: „In anderen Ländern fällt mir bei offiziellen Anlässen der liebevolle Umgang mit der eigenen Kultur und der eigenen Heimat auf. Und wir? Wir bewegen uns zwischen Schwere – wie Felix Mitterer – und Anzüglichkeit (Dirndl und Busen). Positive Geschichten sollten eine größere Rolle bekommen. Ein liebevoller Umgang fehlt auch im Tourismus; was hat der Tourismus für eine Kultur? Eine ausbeuterische.“

Die Frage, ob ein Festival wie Stummer Schrei sich mit dem Tirol-Bild der Tirol Werbung decke, wurde bejaht, aber mit der einschränkenden Vermutung versehen, dass es „[auf]grund von Desinteresse missverstanden“ werde, der politische Wille fehle und es erst „Verständnisarbeit“ benötige. Der Tourismus stelle Logistik zur Verfügung, wirke aber an der Sache desinteressiert; selbstkritisch wurde das Desinteresse als „beidseitig“ geortet. Und auch wenn es Geld gäbe, so „vermittelt sich kein richtiges Interesse an Kultur, nur als Vehikel; dann wird es aber spröde und anbiederisch, auch bei der ‚vermeintlichen‘ Hochkultur wie den Kristallwelten. Das bewirkt auch Ablehnung bei den Kulturschaffenden, denn Kultur ist dann nicht mehr Identität; die Wirtschaft sollte ein Faktor der Kultur sein – und Kultur und Identität gehören zusammen.“ (K1)

Fehlende „Austauschplattformen und Gesprächskultur“ werden schließlich ebenso bemängelt, wie der Eindruck artikuliert wird, dass dort, wo Gespräche stattfinden, diese „nicht auf Augenhöhe geführt“ würden.

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A USSAGEN

AUS DER SOZIALEN

N ETZWERKANALYSE

Mittels der durchgeführten sozialen Netzwerkanalyse8 wurde versucht, die Beziehungsdimensionen zwischen Tourismusverbänden und privatrechtlich-gemeinnützigen Kulturinitiativen tirolweit zu ergründen. Die Durchleuchtung der zwischen diesen Institutionen verlaufenden Beziehungen soll einerseits einen Einblick in mögliche vorhandene Kooperationsstrukturen geben und andererseits aufzeigen, wo dieser Bereich ausbaufähig ist. Außerdem soll mittels dieses Zugangs beleuchtet werden, ob eine Beziehungspflege der Institutionen strategischer Natur ist und auf welcher Ebene solche Überlegungen angestellt werden. So wurde auch das Verhältnis von institutionalisiertem Tourismus und Kulturschaffenden zur öffentlichen Hand betrachtet. Gewählte, aber auch beamtete EntscheidungsträgerInnen der verschiedenen politischen Ebenen greifen juristisch, finanziell und auch programmatisch in die Ausrichtung der jeweiligen Systeme ein und werden damit automatisch Teil des Interessengebietes von AkteurInnen aus Tourismus und Kultur. Deshalb wurde versucht festzustellen, inwieweit es zu einer Vernetzung und/oder zu Personalunionen im Feld Politik, Tourismus und Kultur kommt. Grundsätzlich lässt sich auf Basis der erhobenen Daten 9 festhalten, dass das Verhältnis zwischen Tourismusverbänden und Kulturorganisationen im Regelfall als ein Nebeneinander – in der von Siller verwendeten

8

Zur Identifikation der Netzwerkstruktur und der Beziehungsgeflechte wurden die formale Netzwerkanalyse sowie die interorganisatorische Netzwerkanalyse komplementär angewendet. Damit kann sowohl untersucht werden, ob und wie die AkteurInnen kooperieren, um ihre Interessen durchzusetzen, als auch, welche Intensität ihre Beziehungen haben. (Vgl. Teissl/Stura/Seltenheim 2016)

9

Befragt wurden die Marketiers der 34 Tourismusverbände Tirols und der Tirol Werbung. Bei den 139 öffentlich geförderten Kulturanbietern wurden Obleute (Kulturvereine bzw. Kulturinitiativen und Festivals) und Marketiers (hochkulturelle Einrichtungen) adressiert. Die Befragung wurde online durchgeführt und erzielte eine Rücklaufquote von 91 % bei den Tourismuseinrichtungen und 47 % bei den Kulturschaffenden. Da einige der Kulturtreibenden die Umfrage ohne Antworten retournierten, lagen nach der Datenbereinigung Ergebnisse von 40 % aller angeschriebenen Kultureinrichtungen vor. (Vgl. Teissl/Stura/Seltenheim 2016)

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Typologie als „parallel existence/blissful ignorance“ – bezeichnet werden kann. Der auf Föhl (2009) referierende Kooperationsgedanke eines programmatischen Austausches findet sich in der Praxis nur in einer Ausnahme wieder. In diesem Fall wurde allerdings der betreibende Kulturverein vom örtlichen Tourismusverband gegründet10, ist deshalb nicht repräsentativ, aber inspirierend für formelle Kooperationsstrukturen. Tourismusverbände treten in der Wahrnehmung der Kulturanbieter vor allem als finanzielle UnterstützerInnen auf. Kommt es zu monetären Zuwendungen, dann werden die Projekte auch von Seiten des Tourismus beworben. Kontrastiert mit den Aussagen der ExpertInnen-Interviews zeigt sich hingegen ein symbolischer Charakter dieser finanziellen und werbetechnischen Unterstützung, je nach Projekt aber auch ein lebensnotwendiger Charakter für die Anbieter. Eine finanzielle Unterstützung von Tourismusverbänden kann flächendeckend in Tirol festgestellt werden und unterstreicht den Stellenwert des Tourismus als Ermöglicher von (zeitgenössischer) Kulturarbeit. Ein genuines Interesse an der Förderung eines kulturellen Angebots kann ebenfalls unter Einbeziehung der Interviews dem Tourismus dennoch nicht attestiert werden. Es hat vielmehr den Anschein, dass sich Tourismusverbände als mit finanziellen Mitteln ausgestattete Player im sozialen Gefüge des touristischen Raums betrachten und als solche im Zusammenhang mit privatrechtlich-gemeinnützigen Kulturinitiativen agieren. Die Ausschöpfung kulturtouristischer Potenziale steht nicht im Zentrum des Handelns. Diese Interpretation wird von der Tatsache untermauert, dass die erhobenen Daten keine Präferenz in der Unterstützung zwischen hochkulturellen oder zeitgenössisch alternativen Kulturorganisationen zeigen (Teissl/Stura/Seltenheim 2016: 6 ff.). Während also TVBs Kulturangebote aus dem Motiv heraus unterstützen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, richtet sich das kulturelle Angebot primär an die einheimische Bevölkerung und wirkt mehr als Antwort auf Touristifizierungsprozesse und weniger als Kooperation im dargelegten Sinn.

10 Die Angebotsprogrammatik dieses Sonderfalls folgt einer modernen volkskulturellen Darbietung mit Verhaftung in der Regionalgeschichte und findet an den Wochenenden im Sommer statt. Die gute Auslastung geht auf die vom TVB organisierten Busreisen zurück. Die Bühne gilt in Bezug auf die Zuschaueranzahl als die größte Tirols. (K1)

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Als Indikator für Kooperationen lag der Netzwerkanalyse die Überlegung zugrunde, dass erst ein Austausch zwischen unterschiedlichen Institutionen eine kooperative Grundlage bietet. Unter Austausch wurden dabei auf der einen Seite gemeinsame Treffen zwischen den einzelnen Playern und auf der anderen Seite das Sich-Einbringen von TouristikerInnen in die Kulturarbeit und umgekehrt verstanden.11 Diesbezüglich kann festgehalten werden, dass aus Sicht des Tourismus gemeinsame Treffen zwar nicht flächendeckend stattfinden, aber von ca. der Hälfte aller Tourismusverbände wird angegeben, sich an solchen mindestens einmal jährlich zu beteiligen. Für Kulturanbieter hingegen stellen gemeinsame Treffen mit TouristikerInnen die Ausnahme dar, nur in der Landeshauptstadt Innsbruck findet dies in vergleichsweise ausgeprägtem Maße statt. Ein ähnliches Bild ergibt sich aus der Frage, ob sich VertreterInnen des Tourismus in die Gremienarbeit von Kulturschaffenden und umgekehrt einbringen. Keine der befragten zeitgenössischen Kultureinrichtungen und -initiativen gab an, dass eine oder mehrere Personen Mitglied im zuständigen Tourismusverband seien (mit Ausnahme der vom Tourismusverband mitbegründeten Kulturinitiative). Hingegen geben 15 % der TVBs an, in Gremien von Kulturinitiativen vertreten zu sein. Diesbezüglich kann den Tourismusverbänden mehr Offenheit attestiert werden. Zwar müssen Doppelfunktionen auch in diesem Bereich als Ausnahme bezeichnet werden, dennoch gibt es diese vereinzelt.12 Alles in allem ergibt sich ein sehr heterogenes Bild, was die Beziehungsstrukturen zwischen Tourismusverbänden und Kultureinrichtungen betrifft. Den unterschiedlichen Formen in der Zusammenarbeit kann kaum ein kooperativer Charakter bescheinigt werden. Das bestätigt die Vermutung, dass Zusammenarbeit und Austausch zwischen Tourismusverbänden und Kulturinitiativen vom persönlichen Engagement der jeweiligen Betroffenen abhängig ist. Die durchgeführten Interviews förderten bei den VertreterInnen aus dem kulturellen Bereich Skepsis gegenüber dem Thema Kooperation mit Tourismusverbänden zutage.

11 Darunter wurden Personalunionen beispielsweise auf Vorstandsebene sowohl in Tourismusverbänden als auch in Kultureinrichtungen verstanden. 12 In der betreffenden Frage wurde ausgewiesen, dass damit explizit keine Vereine aus dem Bereich Brauchtum gemeint waren.

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Der Austausch zwischen Tourismusverbänden, Kulturanbietern und öffentlicher Hand auf lokaler Ebene zeichnet ein ebenso heterogenes Bild. Allerdings lässt sich auch hier festhalten, dass VertreterInnen des Tourismus verhältnismäßig häufiger angeben, an solchen Formaten zu partizipieren. Während es für Kultureinrichtungen die Ausnahme darstellt, sich an Treffen aller drei genannten Bereiche zu beteiligen, gibt fast ein Viertel der Tourismusverbände an, daran zu partizipieren. Der Austausch zwischen Kultureinrichtungen und lokalen politischen VertreterInnen stellt dagegen den Normallfall dar. Beinahe zwei Drittel der Befragten geben an, sich zumindest jährlich mit politischen VertreterInnen und/oder den zuständigen KulturreferentInnen zu treffen. Ein noch deutlicheres Bild zeigt sich in diesem Zusammenhang bei den Tourismusverbänden. Von diesen stehen über 80 % in einem Austausch mit politischen VertreterInnen unterschiedlicher Ebenen. Die Landeshauptstadt Innsbruck weist einen hohen Grad an Vernetzung zwischen Kulturtreibenden und Politik, Tourismus und Politik sowie Tourismus und Kulturbetrieben auf. Dies äußert sich sowohl in regelmäßigen Treffen mit politischen VertreterInnen der beiden Sektoren als auch dahingehend, dass Mitglieder von Kultureinrichtungen und Tourismusverband selbst als MandatarInnen in unterschiedlichen politischen Ebenen vertreten waren oder aktuell sind. Aber auch auf der Ebene des Austausches zwischen Tourismus und Kulturschaffenden zeigt sich in Innsbruck, dass miteinander gearbeitet wird. Aus den ExpertInnen-Interviews lässt sich schließen, dass touristische VertreterInnen das kulturtouristische Potenzial kultureller Produktionen nutzen wollen und Kulturanbieter auch aus strategischen Gründen unterstützen, wie die oben erwähnte Anschubfinanzierung durch den Innsbrucker Tourismusverband des zeitgenössischen Musikfestivals Heart of Noise zeigt. Zusammenfassend lassen sich folgende Schlüsse ableiten: Im Austausch und der Auseinandersetzung zwischen VertreterInnen von Tourismus und Kultur herrscht eine grundsätzliche Bereitschaft für Kooperationen vor und wird in unterschiedlichen Facetten praktiziert. Dennoch lässt sich keine tirolweite Tendenz erkennen, dass dieser gelebten Praxis strategische Überlegungen im Aufbau oder Umgang mit Kulturtourismus zugrunde liegen. Vielmehr kann das Verhältnis außer in Innsbruck als ein Nebeneinander bezeichnet werden. Dass Tourismusverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts von Seiten der Kulturschaffenden vor-

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nehmlich als GeldgeberInnen identifiziert werden, verfestigt das Nebenstatt Miteinander ebenso wie das Fördermotiv der TVBs, der Gemeinde etwas zurückzugeben. Die in den Interviews mehrfach dargelegte Situation, dass selbst GemeindereferentInnen auf TVBs als Förderer mit mehr Mitteln verweisen, mag sich zusätzlich auf eine entsprechende Rollenverfestigung auswirken. Positiv betrachtet kann in vielen Regionen auf eine funktionierende Gesprächsbasis zwischen Tourismus, Kultur und Politik verwiesen werden. Interpretiert man eine solche als Grundvoraussetzung für das Implementieren von Kooperationen, wäre zumindest eine gemeinsame Basis gelegt.

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ALS G ESELLSCHAFTSPOLITIK IM TOURISTISCHEN T IROL ? In einem Gespräch mit der Kulturverwaltung des Kulturamtes der Tiroler Landesregierung wurden Kulturbegriffe und der Stellenwert von Gesellschaftspolitik in der Kulturarbeit sowie das Verhältnis zwischen den Phänomenen „Tourismus“ und „Kultur“ reflektiert.13 Darin werden im Laufe des Textes angesprochene Zusammenhänge bestätigt: dass etwa durch den Tiroler Tourismus ein „produktiver Widerstand“ bei Kulturschaffenden ausgelöst wird und dass zwischen Kultur und Tourismus durchaus politische Bruchlinien aufreißen können. „Der Sport behauptet, er sei unpolitisch, der Tourismus behauptet, er sei unpolitisch, und die Kultur behauptet Gott sei Dank immer noch, dass sie gesellschaftspolitisch relevant ist und dass sie nicht unpolitisch sein kann.“

Auf die Frage, ob und wie über Kulturförderung Gewichtungen von Identitätsangeboten entstehen, bezieht sich der Gesprächspartner zunächst auf das Tiroler Kulturfördergesetz 2010, „das gegenüber den vorhergehenden Gesetzen versucht hat, den Kulturbegriff mit neuen Formen der Kunst, der Kunstvermittlung und der Organisation von kulturel-

13 Nachfolgend stammen alle Zitate von KP1.

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len Tätigkeiten (Kulturinitiativen) zu erweitern und damit der gesellschaftlichen Entwicklung nachzukommen“.

Doch auch wenn es dem „modernen Verständnis von Staat und staatlichen Funktionen“ entspräche, „dass der Schwerpunkt der Politik beim Setzen von kulturellen Rahmenbedingungen liegt“, unterläge die (kultur-)politische Praxis ideologischen Einflüssen: „Natürlich kommt es nicht von ungefähr, dass in Tirol, dessen Landtag sich mit einem Kulturförderungsgesetz zur Erhaltung des kulturellen Erbes verpflichtet hat, für die Erhaltung und Pflege des religiösen oder des kirchlich baukulturellen Erbes ein mit anderen Bundesländern vergleichsweise hoher Aufwand betrieben wird. Das kann man jetzt ideologisch konvertiert nennen und sagen, die Politik in Tirol hat die Säkularisierung noch nicht erreicht. Man kann es empirisch argumentieren und sagen, wir haben nun mal ein unglaublich dichtes, flächendeckendes Netz von baukulturellen Erbschaften im kirchlichen Bereich, was ja auch eine gewisse touristische Attraktion ist oder zur allgemeinen, auch nicht religiösen Erfahrung der Bevölkerung dienen kann. […] Ich habe ja jetzt nur vom baukulturellen Erbe und nicht von […] volkskulturellen Aktivitäten gesprochen, mit denen ich ganz unmittelbar in identitätspolitischen Bereichen bin. Hier wird natürlich auch von der Tiroler Landesregierung, wie von allen anderen politischen Systemen, in einer durchaus positiven Setzung Identitätspolitik betrieben. Es gibt in Tirol eine Dichte an Schützenkompanien, Brauchtumsverbänden, Volkstanz, Musikkapellen und Trachtenvereinen und an der Spitze aller Verbände findet man meist prominente aktive Politiker. Das hat natürlich ganz klar etwas mit politischen Setzungen zu tun, was für mich aber nicht zu skandalisieren ist. Ich meine, die Macht geht allemal noch vom Volke aus.“

Auf die Frage „Inwieweit sehen Sie durch die Kulturförderung ein pluralistisches und zeitgemäßes Image von Tirol ermöglicht oder repräsentiert?“ bezog sich der Interviewte auf Kulturpolitik als Korrektiv: „Ich glaube, dass hier die Kulturförderung durchaus korrigierende Funktionen erfüllt. Die politischen Setzungen, von denen ich vorher sprach, gehen nicht nur in Richtung der Traditionskultur, sondern durchaus auch in Richtung der Ermöglichung von Dingen, die immer schwieriger werden. […] Wir als Land Tirol fördern vorwiegend Kulturinitiativen, die auf örtlicher oder überregionaler Ebene bzw. einfach nicht auf Landesebene stattfinden, mit Angeboten und Programmen, die vor

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Ort nicht finanziert werden können – aus budgetären Gründen – oder nicht finanziert werden wollen – aus Gründen der gesellschaftlichen Verfasstheit.“

Das Verhältnis von Kultur und Tourismus ordnet er als kulturhistorisch gewachsenes Phänomen ein, ebenso wie die damit verknüpfte Frage nach Selbst- und Fremdbild: „Das eine ist ja vom anderen seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr zu trennen. Seitdem die Tiroler aus dem Zillertal und allen anderen Gebieten in die Welt gezogen sind, um sich und ihre Kultur zu verkaufen, gibt es ein ständiges Hin und Her zwischen dem Blick von außen und dem Blick von innen, der eigenen Produktion und Reaktion auf Interessen. Dieses ‚making of tradition‘, das in den Kulturwissenschaften seit den 1980er-Jahren sehr detailliert untersucht wird – dafür ist Tirol ein immer sehr erfreuliches und differenziertes Beispiel. Das heißt, dass Kultur und Tourismus ganz grundsätzlich nicht zu trennen sind.“

Im Verhältnis von Tourismus und Kultur, Selbstbild und Identitätsstiftung erkenne er vielmehr einen produktiven Widerstand: „Ich will es mal von der negativen Seite her oder von einer kontradiktorischen Position aus sehen. Mit das reichste kulturelle Geschehen, das wir in Tirol haben, definiert sich aus einer gewissen Gegnerschaft gegenüber dem Mainstream der touristischen Verkaufskultur. Das sind Motive, die nicht nur vor vierzig Jahren mich beschäftigt haben, sondern die Gott sei Dank auch heute noch junge Gruppen bewegen, die sich in Absetzung dieser verkaufsorientierten Kultur aufmachen, um neue Sachen zu suchen.“

Bezüglich der Zusammenarbeit mit der Tirol Werbung kommt er zu folgenden Schlüssen: „Also, ich bin kein Markenmensch. Ich finde es spannend, was die Marke Tirol macht. […] Mit Kraftplätzen, Schneepflügen und Leuchttürmen beschäftigen wir uns hier nicht jeden Tag, aber im Grunde genommen haben sie versucht, mit der Marke Tirol ein Thema, dessen Differenziertheit sie besser kennen als ich, diese Unübersichtlichkeit zu reduzieren und eine Systematik reinzubringen in das, worüber man redet. Da sind sie der Kulturpolitik haushoch überlegen.“

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Seiner Einschätzung nach wünschen sich eine Mitsprache von Kulturpolitik bei der Imagebildung „die Markenleute ja auch. Die sind ja durchaus offen, wobei man jetzt unterscheiden muss zwischen Kulturpolitik und Kulturverwaltung.“ Und während es auf Verwaltungsebene „mit der Tirol Werbung kein Problem“ gäbe, so sehe er doch sowohl in der politischen Struktur als auch in den Wertesetzungen potenzielle Konflikte. Bezüglich der Struktur hält er fest: „Die Tirol Werbung ist ja eine ziemlich schwere Konstruktion. Für uns am leichtesten ist es, in diesem Markensegment zu agieren, denn es gibt dieses Tirol Tourism Board, dem der Landeshauptmann zwar vorsitzt, aber in dem er nicht das letzte Wort hat. Die Mehrheiten liegen da ganz woanders, und ob die ganz konkret der Kulturlandesrätin Mitsprache gewähren […], wage ich zu bezweifeln.“

Gesellschaftspolitische Wertehaltungen seien im Tourismus mindestens gleich, eher noch mehr als in der Kulturpolitik gefordert; in der Annahme, dass wenn, dann nur die Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik agieren könne, liege eine Bruchlinie: „Das heißt, aus meiner Wahrnehmung ist das Einzige, was ich an der Tirol Werbung oder auch an der Marke Tirol kritisieren würde, eine gewisse Undifferenziertheit gegenüber gesellschaftspolitischen Wertehaltungen. […] Dass Tourismus, Kultur und Gesellschaft gemeinsame Themen haben, die etwas mit Migration, Integration, Rassismus zu tun haben, bei denen es um genderpolitische und familienpolitische Themen geht, bei denen es um Lebensqualitäten geht und so weiter: Um diese Themen ginge es beim Tourismus wesentlich mehr, aber um diese Themen geht es sicherlich auch im kulturpolitischen Bereich. Darin sehe ich auch die Problematik einer Kulturpolitik, die sich als solche auch wirklich als Gesellschaftspolitik versteht. Wenn sich diese dann in den Tourismus einmischt, dann gibt es genau dort die Bruchlinie. Da gibt es dann eine Konfliktzone.“

Fazit

Die Gründe für einen nicht elaborierten Kulturtourismus in Zusammenhang mit Kulturangeboten abseits von Sehenswürdigkeiten und Volkskultur wurden in der theoretischen Auseinandersetzung auf das diskurstreibende Verständnis von Tradition in dieser Alpindestination sowie die Herausbildung einer Parallelexistenz von Kultur- und Tourismuseinrichtungen nach einer Phase latenter Konflikte zurückgeführt. Zusätzlich fehlt die ökonomische Notwendigkeit, um kulturtouristische Angebote zu etablieren. Einen einsichtsreichen Kontext stellten die tourismus- und kulturpolitischen Rahmenbedingungen auf Bundes- und v.a. auf Länderebene dar. Kultur kann auf Bundesebene zwar als eine zentrale Ressource für den österreichischen Tourismus erkannt werden, wird jedoch als Teil einer historisierenden Imagebildung und einer ebensolchen Kulturalisierung des touristischen Raums wahrgenommen, ein Zugang, der für Großstädte und weniger für ländliche Räume üblich und nutzbar ist. Baukulturelles Erbe, Kulinarik und Landschaft sind prägende Eckpfeiler. In der Strategie „Neue Wege im Tourismus“ (2010) wurde vor dem Hintergrund ökonomischer und modernisierender Interessen auch die kulturindustrielle Produktion forciert. Standortstärkung und Wertschöpfung wurden am Beispiel FISA konkret, wovon auch die kritische heimische Filmproduktion zehrt, ohne dass diese an Vielfalt oder der Tourismus an Image verliert. Daran zeigt sich zugleich, dass Kultur dann Anklang bei strategischen Überlegungen auf politischer Ebene findet, wenn eine monetäre In-Wert-Setzung möglich ist. Für die Vermittlung konkreter Angebote außerhalb der Imagepflege und direkten Wertschöpfung bietet die Österreich Werbung einen bundesweiten Unterstützungsservice für Kulturschaffende, der in Tirol aber nur vereinzelt genützt wird. Die Architektin der Marke Tirol, die Tirol Werbung, lädt den

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ländlich-alpinen Raum mit einer traditionellen, volkskulturellen Bedeutung auf, unternahm jüngst aber auch Schritte der Modernisierung durch künstlerisch inspirierte Kommunikation (Sight-_Seeing) sowie eine Standortkampagne mit Fokus auf Kulturangebote („kultur.tirol“). Kultur stellt dennoch kein A-Ziel der Tirol Werbung dar. Dem tourismuspolitischen Ansatz nicht unähnlich, spielen auch in der österreichischen Kulturpolitik (hochkulturelle) Angebote eine Rolle als Imagefaktor und Wirtschaftszuträgerin (vgl. Wimmer 2011; Knapp 2005; Rögl 1998). Privatrechtlich-gemeinnützige Einrichtungen wurden durch gesetzliche Förderbestimmungen als innovative Treiber von Kulturentwicklung gestärkt, politstrategische Ableitungen, ein zeitgenössisches Kulturbewusstsein gesellschaftlich zu verankern, sind allerdings nicht erkennbar. Kulturinitiativen verbleiben vielfach in der Nische. Knapp und Wimmer attestieren der österreichischen Kulturpolitik ein fehlendes Bewusstsein für aktive gesellschaftspolitische Gestaltung. Tirol zählt nach Vorarlberg zu den Pionieren der gesetzlich festgeschriebenen Möglichkeit, zivilgesellschaftlich betriebene Kulturangebote öffentlich zu fördern, was sich in einer hohen Dichte an „kulturellen Nahversorgern“ und künstlerisch-kulturellen Festivals mit internationalen Programmen inklusive Uraufführungen und nationalen Premieren (Teissl 2013) niederschlug. Sie befüllen dadurch den realen Raum mit einer weitaus höheren Komplexität, als im touristischen Raum erfasst wird. Diese alternativen Kulturtreibenden agieren ihrerseits aber meist innenorientiert und im Kontext eines „produktiven Widerstandes“ gegenüber den etablierten Diskursen. Aus den tourismus- und kulturpolitischen Regelungen ließ sich ableiten, dass die Parallelexistenz von Tourismus und Kultur kein Korrektiv durch definierte Schnittfelder und -positionen findet. Obschon Kulturtourismus strategisch nicht verankert ist, findet er punktuell aus unterschiedlichen Motivationen heraus statt. Kulturtouristische Potenziale werden seitens der TVBs in der Aufenthaltsverlängerung des Innsbrucker Städtetourismus, den Schlechtwetter-Alternativen in Ski- und Wanderregionen sowie der Aufwertung von wettbewerbsschwächeren Gemeinden gesehen. Kulturschaffende in den ländlichen Regionen sehen die Potenziale hingegen in der kulturellen Bildung und einer Differenzierung des Tirol-Bildes. Alternative Kulturtreibende berücksichtigen UrlauberInnen zugleich in vielen Fällen nicht als Zielpublikum. Das Separieren von (angedachten) Zielpublika entspricht dem getrennten Raumverständnis und in der Folge der Kluft zwischen Image und Identität. Diese nicht nur in

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Tirol vorherrschende Problematik von tourismusintensiven Räumen wird zunehmend in der kulturmanagerialen Forschung berücksichtigt, ein Brückenschlag wird als Chance für kulturelle Entwicklung und Interkulturalität gesehen (Drews 2016). Um Kulturangebote als Treffpunkte von Gästen und Einheimischen zu verstehen, wäre eine kontinuierliche Datenerhebung bezüglich kultureller Interessen und Nutzerverhalten abseits touristischer und nachfrageorientierter Marktforschung nützlich. Man kann in Tirol von einer deutlichen Diskrepanz zwischen Imagekonstruktion und Identität(s-Pluralismus) sprechen. Die ökonomische Bedeutung des Tiroler Tourismus sowie die staatlich gestützte Marketingaktivität führen zu einer touristischen Diskursdominanz, die sich auf das Selbstverständnis der alternativen Kulturschaffenden ebenso auswirkt wie es sich in der Ungleichheit in möglichen Kooperationen äußert. „Kooperation“ wird auf beiden Seiten auf Basis finanzieller und werbetechnischer Unterstützung gelebt, inhaltlicher Austausch, gemeinsame Angebotsentwicklung und professionelle Arbeitsteilung finden hingegen nur in Ausnahmefällen statt. Dies lässt sich in der direkten Begegnung zwischen Kulturschaffenden und TouristikerInnen vorsichtig auf das Misstrauen der Ersteren gegenüber touristischen Denkweisen sowie auf die Geringschätzung der Letzteren gegenüber alternativen Angeboten zurückführen. Fehlendes Kulturbewusstsein auf politisch-strategischer Ebene wird von beiden Seiten wahrgenommen und kritisiert, woraus auch eine mögliche Verkennung der Potenziale von Kulturangeboten resultiert. Wo kulturtouristische Praxis stattfindet, ist sie das Ergebnis von individuellem Engagement sowohl von Kulturorganisationen als auch von TVBs. Die fehlende politischstrategische Ebene behindert zugleich den umfassenden Erfolg von Einzelinitiativen, weil Kultur dort nicht erwartet wird, wo sie nicht ins Image integriert ist. Das bedeutet zugleich, dass kulturell interessierte Zielgruppen von vornherein ausgeschlossen bleiben. Kulturtourismus wurde im vorliegenden Zusammenhang über den Status quo hinaus als Katalysator für gesamtgesellschaftliche kulturelle Weiterentwicklung gedacht. Seine Zwischenposition scheint geeignet, die Kräfte von Tourismus und Kultur zu bündeln und auch Themen zu stärken, die zwar auf den ersten Blick wenig Affinität zu touristischen Zwecken aufzuweisen schienen. Dazu zählen Angebote zur Erinnerungskultur bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit ebenso wie die Integration zeitgenössischer Formate. Das Konzept ECoC diente als Exempel und

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Referenz; da ECoC aber auch einem festivalesken, finanzkräftigen und prestigereichen Ausnahmezustand geschuldet ist, diente das Beispiel zur Veranschaulichung, wie Kulturtourismus gedacht werden kann. Mit u.a. Siller lässt sich die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorstoßes mit einem aufgewerteten Authentizitätsbegriff beschreiben, der kein überkommenes Narrativ des Ländlichen mehr abbildet, sondern an identitätsorientierte Angebote anschließt. Indem In-Wert-Setzungs-Prozesse kultureller Güter abseits ihrer monetären Verwertbarkeit verstanden werden, kann der Authentizitätsbegriff eine neue Tiefe der Glaubwürdigkeit erreichen, Einheimische und Gäste ansprechen und so ein Ineinanderführen von Identitäten und Image unterstützen. Diese Überlegungen gründeten auf der meinungsbildenden Wirkung von Kultur- und Tourismuseinrichtungen; auch Letztere sind nicht nur der Ökonomie, sondern einem gesellschaftlichen Auftrag verpflichtet, was sich in der tourismuspolitischen Institutionalisierung ebenso äußert wie in den Verantwortungen der TVBs als Gebietskörperschaften öffentlichen Rechts. Diese letztgenannten Referenzen bewegen sich trotz ihrer Festschreibung in der Praxis auf einer idealtypischen Ebene und ihr Weiterdenken wird zur Vision. Auf dieser bauen nach Siller und Matzler auch das Netzwerkdenken der touristischen Produktion und der Begriff der kulturellen Nachhaltigkeit auf. Eine Beforschung der Entwicklungen im Tourismus hinsichtlich ihrer gesamtgesellschaftlichen Rolle für Kulturbewusstsein, Kulturverständigung und kollektives Gedächtnis könnte als weiterführende Frage formuliert und interdisziplinär erweitert werden. Die alternative Ökonomietheorie beschäftigt sich mit ähnlichen Fragen des institutionellen Selbstverständnisses und dem Gesellschaftsbegriff von ökonomieorientierten Einrichtungen. Ihre Vertreter kommen dabei zu dem Schluss, dass die Stärke von Wohlstandsgesellschaften nicht länger in einem prolongierten, quasi eigendynamischen Wachstumsverständnis begriffen wird, sondern im Sinne eines neuen, globalen „Konvivialismus“ (Adloff/Leggewie 2014) zu verstehen ist – eine bewusste Auseinandersetzung mit dem „Projekt Demokratie“, das „vielerorts auf entkernte, formale Prozeduren reduziert“ ist, was als Ursache von Terrorismus und Bürgerkriegen verstanden werden kann (ebd.: 8). Im „konvivialistischen Manifest“ werden als Hauptursachen das „Primat des utilitaristischen, also eigennutzenorientierten Denkens und Handels und die Verabsolutierung des Glaubens an die selig machende Wirkung wirtschaftlichen Wachstums“ (ebd.: 9) gesehen. Das große Ziel,

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gemeinsam globalen Frieden und soziale Gleichheit zu erreichen, diente als Utopie dafür, lose scheinende Zusammenhänge hervorzuheben: Die jüngst erlassenen kulturpolitischen Richtlinien zur Stärkung der Erinnerungskultur und zur wissenschaftlichen Erforschung der Rolle von Brauchtum im Nationalsozialismus erfordern zur Nachhaltigkeit einen Praxis-Transfer. Institutionen, die gesellschaftlichen Einfluss haben – und dazu zählen Kulturorganisationen per definitionem –, aber auch Tourismuseinrichtungen können kraft ihrer (überregionalen) Diskursmacht zur Veränderung von Denkweisen und einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Die Setzung des Förderschwerpunktes Erinnerungskultur, gepaart mit dem politischen Willen, diese trotz Widerständen in die betreffenden Organisationen hineinzutragen, könnte einen Entwicklungsschub in diese Richtung leisten. In unterschiedlichen Facetten trat eine unausgesprochene Allianz zwischen der offiziellen politischen Haltung und der Ausgestaltung des touristischen Raums zutage: Sie manifestierte sich etwa im Fallbeispiel Tirol Panorama als empirisch erfahrbares Phänomen. Für eine Rückführung auf dispositive Strukturen, die nicht rein auf Machtpolitik, sondern auf die Verwebung tiefer liegender Kontexte abzielte, waren die ExpertInnenInterviews sowie die soziale Netzwerkanalyse aufschlussreich. Dazu zählten das von unterschiedlichen Akteuren formulierte fehlende Kulturbewusstsein in der Politik und im Tourismus und die tourismusökonomische Engführung von Kultur als Volkskultur und Marketingvehikel zum einen. Zum anderen wirkt sich das dadurch erweckte Misstrauen seitens der Kulturtreibenden durch eine defensive Interaktion mit touristischen Stakeholdern aus. Potenziert durch z.T. prekäre Verhältnisse in der alternativen Kulturszene und den ökonomischen Leistungsdruck im Tourismus, wird Geld zum zentralen Medium der Beziehung, was beidseitig den Gedanken an mögliche andere Gemeinsamkeiten niederhält. Als grundlegende Problematik kann die Tatsache einer fehlenden politischen Willensbekundung gesehen werden und, als Konsequenz, nicht vorhandene Rahmenbedingungen und Moderationsstellen zwischen Kulturund Tourismuspolitik für gesteuerte Bewusstseinsbildung und Ausverhandlungsprozesse. Diese könnten das grundsätzlich bekundete Interesse an Formen der Zusammenarbeit vertiefen und befördern. Da es zugleich mehrere Beispiele kulturtouristischer Angebote in Tirol gibt, könnte eine weiterführende Analyse ihrer Erfolge – in Bezug auf

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Internationalisierung, Modernisierung, kollektives Gedächtnis, Kultur- und Geschichtsbewusstsein und die Annäherung von Image und Identität – sie als Agenten des Wandels ausweisen. Denn innerhalb des kulturellen und touristischen Raums Tirol existieren viele Zwischenräume der Gemeinsamkeit mit und durch alternative Angebote. Dazu zählen auch einzelne angebotsorientierte und wertevermittelnde Gemeinde- und Tourismusprojekte. Der Erfolg solch kultureller Initiativen auf Gemeindeebene lässt die Gründe für nicht ausgeschöpfte Potenziale bei Angeboten der Kulturinitiativen in der kulturellen Affinität der InitiatorInnen vermuten, welche eine authentische Einbindung in die touristische Infrastruktur und damit in den angebotenen Raum mit sich bringen. In Galtür wählten die Verantwortlichen vor der Frage „Als wer wollen wir uns darstellen?“ (Pröbstle) einen offensiven Umgang mit Tourismus als lokalem Einfluss und mit dem Schmerz der Lawinentragödie, Faktoren, die für die Identität Galtürs maßgeblich sind und das touristische Image nicht nur nicht stören, sondern mittragen. Es sind also nicht zwingend Zugang, Thematik und Aufbereitung für Aufnahme oder Ausschließung ausschlaggebend, sondern der treibende Wille und – über die Orientierung auf den eigenen Nutzen hinausgehende – Vorstellungen, als wer man sich darstellen will. Hinter den Einzelerfolgen musealer Einrichtungen und zeitgenössischer Ausstellungsorte steht die Zusammenarbeit zwischen Gemeindeverantwortlichen, TouristikerInnen, Wirtschaftstreibenden und Kulturschaffenden. Diese Initiativen veranschaulichen nochmals die Aussage von Siller und Matzler: „Tourismus kann in einem Community Modell also nur dann funktionieren, wenn Kooperation und Kommunikation mit einer Vielzahl von Sektoren in Gesellschaft und Wirtschaft geschieht: Es bedarf aus diesem Grund der Zusammenarbeit mit politischen Vertretern, des Technologie-, Finanz-, Bildungs- und Gesundheitssektors, der Unterhaltungs- und Transportindustrie sowie der Umweltbewegungen; hieraus folgt wiederum, dass eine gute Tourismuspolitik nur durch den Zusammenschluss von Netzwerken erfolgen kann.“ (Siller/Matzler 2011: 212, mit Bezug auf Goeldner/ Ritchie, 2009)

Wenn die Tragweite von Willensbekundung und gesamtheitlichem Denken im Verlaufe des Textes veranschaulicht werden konnte, ist ein Ziel der vorliegenden Arbeit erreicht.

Abkürzungsverzeichnis

A.d.A. Abs. Bd. BDA bzw. d.h. DAF Dr. e.V. ebd. ECoC et al. EU f., ff. FH FISA FPÖ Hg. i.E. ICOM KdF KEP KÖR Tirol KZ LA LH LRin

Anmerkung der AutorInnen Absatz Band Bundesdenkmalamt Österreich beziehungsweise das heißt Deutsche Arbeiterfront DoktorIn eingetragener Verein ebenda European Capital of Culture (Kulturhauptstadt Europas) et alii (und andere) Europäische Union folgende Fachhochschule Filmstandort Austria Freiheitliche Partei Österreichs HerausgeberIn im Erscheinen International Council of Museums Kraft durch Freude Kulturentwicklungsplan Kunst im öffentlichen Raum Tirol Konzentrationslager Landtagsabgeordneter Landeshauptmann Landesrätin

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MAMO MuKu NAP.I NS o.J. o.O. o.S. o.V. ÖIT OK ÖNK ÖVP PR Prof. rd. RLB S. s. s.a. SED SPÖ TKI TVB, TVBs TVL u.a. u.v.a. u.v.a.m. UN UNESCO

USP v.a. vgl. WKO z.B. z.T.

Marseille Modulor Musik Kultur St. Johann Nationaler Aktionsplan Integration Nationalsozialismus, nationalsozialistisch ohne Jahr ohne Ort ohne Seite ohne Verlag Österreichischer Innovationspreis Tourismus Offenes Kulturhaus Ötztal Natur Kultur Österreichische Volkspartei Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) ProfessorIn rund Raiffeisen-Landesbank Tirol AG Seite siehe siehe auch Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Österreichs Tiroler Kulturinitiativen/IG Kultur Tirol Tourismusverband, Tourismusverbände Tourismusverband Linz und andere, unter anderem und viele andere und viele andere mehr United Nations (Vereinte Nationen) United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) unique selling proposition (Alleinstellungsmerkmal) vor allem vergleiche Wirtschaftskammer Österreich zum Beispiel zum Teil

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Abkürzungen aus den ExpertInnen-Interviews K Kulturschaffende KP Kulturpolitik T Tourismusverbands-VertreterInnen TW Tirol Werbung

Literatur

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Kulturmanagement Birgit Mandel (Hg.) Teilhabeorientierte Kulturvermittlung Diskurse und Konzepte für eine Neuausrichtung des öffentlich geförderten Kulturlebens September 2016, 288 S., kart., 27,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3561-4 E-Book: 24,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3561-8

Oliver Scheytt, Simone Raskob, Gabriele Willems (Hg.) Die Kulturimmobilie Planen – Bauen – Betreiben. Beispiele und Erfolgskonzepte Mai 2016, 384 S., kart., zahlr. farb. Abb., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2981-1 E-Book: 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2981-5

Maren Ziese, Caroline Gritschke (Hg.) Geflüchtete und Kulturelle Bildung Formate und Konzepte für ein neues Praxisfeld September 2016, 440 S., kart., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3453-2 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3453-6

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