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German Pages 273 [279] Year 2007
Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Band 24
Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte Herausgegeben von
Gilbert H. Gornig Hans-Detlef Horn Dietrich Murswiek
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte
Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Herausgeber im Auftrag der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn: Dieter Blumenwitz †, Georg Brunner †, Karl Doehring, Gilbert H. Gornig, Eckart Klein, Hans v. Mangoldt, Boris Meissner †, Dietrich Murswiek, Dietrich Rauschning
Band 24
Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte
Herausgegeben von
Gilbert H. Gornig Hans-Detlef Horn Dietrich Murswiek
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Bände 1 – 19 der „Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht“ erschienen im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1434-8705 ISBN 978-3-428-12525-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier d entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Kunstraub im Rahmen kriegerischer Konflikte gab es in allen Perioden der Geschichte der Menschheit. Seit alters her haben siegreiche Truppen Kulturgüter im Feindesland zerstört oder sie von dort als Trophäen mit nach Hause genommen. Mit ihnen konnte man daheim seinen Sieg dokumentieren, gleichzeitig aber auch die Niederlage oder Unterwerfung des Gegners symbolträchtig und auf subtile Art verstärken, besonders wenn es sich um religiöse Gegenstände oder um Reichsinsignien handelte. Die Kunstbeute im Krieg hatte aber auch mythologische und religiöse Wurzeln: Durch Wegnahme der am meisten verehrten Gegenstände konnte man den Feind besonders treffen, glaubte man doch, ihm damit den Schutz seiner Gottheiten zu nehmen. Zu Hause zeugten schließlich die erbeuteten Kunstgegenstände von den Triumphen der Soldaten und damit von der Leistungsfähigkeit des Souveräns. Zugleich mehrten die erbeuteten Kunstgegenstände den Reichtum, der als Beispiel für die eigene Leistungsfähigkeit zur Schau gestellt werden konnte. Neben kriegsbedingtem Vandalismus, der stets zu unersetzlichen Verlusten und Schäden an Kulturgütern führte, vermindert sich das Kulturerbe der Welt kontinuierlich durch physikalische Verfallsprozesse und natürliche Gefahren wie Erdbeben, Überschwemmungen, Orkane und Feuersbrünste. Aber auch der Kunsthandel, der sich von wirtschaftlichen Aspekten leiten läßt, berücksichtigt in der Regel nicht die Schutzwürdigkeit des Kulturguts. Die 23. Staats- und Völkerrechtliche Fachtagung der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht vom 2. bis 4. November 2005 im Christkönigshaus in Stuttgart-Hohenheim war dem internationalen und nationalen Kulturgüterschutz sowie seiner Bedeutung für die Zeugnisse deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa 60 Jahre nach Kriegsende, Flucht und Vertreibung gewidmet. Damit wurden die Probleme des Kulturgüterschutzes, die mit dem legalen und illegalen Kunsthandel und mit den Gefahren aufgrund von Naturkatastrophen zusammenhängen, weitgehend ausgeblendet. Das Symposium widmete sich vielmehr den Gefahren, die Kulturgütern in einem oder nach einem Krieg drohen, und den Problemen der Rückführung kriegsbedingt ins Ausland verbrachter Kulturgüter. Dabei standen die Instrumente, die das internationale und das nationale Recht zum Kulturgüterschutz bereithält, im Mittelpunkt der Erörterungen. Einleitend setzt sich Gilbert Gornig mit dem Begriff des Kulturguts und der Frage auseinander, warum Kulturgüter schützenswert sind. Dazu gibt er einen
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Vorwort
Überblick über die Geschichte des Kulturgüterschutzes auf internationaler Ebene und widmet sich den internationalen Organisationen und ihrem sekundären Recht, deren Ziel – auch – der Schutz von Kulturgütern ist. Tobias Irmscher betrachtet den Kulturgüterschutz aus der Warte des humanitären Völkerrechts und geht insbesondere auf die Frage ein, wie Kulturgüter im Krieg zu schützen sind. Ioana Rusu analysiert die Zugehörigkeit der Kulturgüter zum Volk oder zur Landschaft im Falle von Bevölkerungsaustausch und Vertreibung. In der Erkenntnis, daß der internationale Kulturgüterschutz letzten Endes im „guten Willen“ der staatlichen Akteure gründet, fragt Hans-Detlef Horn sodann danach, ob und warum der Schutz von Kulturgütern nicht nur als gesellschaftliches Bedürfnis erkannt, sondern zudem als staatliche Aufgabe verstanden werden muß, und welche Bedeutung dabei insbesondere dem Mittel der Rückführung nationaler Kulturgüter aus dem Ausland zukommt. Anschließend beschäftigt sich Frank Fechner eingehend mit den Regeln, Arten und Instrumenten des Kulturgüterschutzes, die auf europäischer Ebene aufzufinden sind, und zeigt Ansatzpunkte zu deren Verbesserung auf. Das Problem der Kulturgüterrückführung wird dann ganz konkret von Susanne Schoen und Günter Rauer im Hinblick auf die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland nach Rußland und Polen verbrachten Kulturgüter aufgenommen. Mit dem Kulturgüterschutz in Rußland, Rumänien, Ungarn und Polen befassen sich schließlich die Beiträge von Oxana Vitvitskaya, Monica Vlad, Elisabeth Sándor-Szalay und Andrzej Januszajtis. Für die Betreuung des Manuskripts sowie das Personen- und Sachregister danken die Herausgeber Frau Aldona Szczeponek von der Philipps-Universität Marburg; Ioana Rusu, ebenfalls Philipps-Universität Marburg sei für die Übersetzungsarbeiten gedankt.
Marburg/Freiburg, im Oktober 2006 Gilbert H. Gornig Hans-Detlef Horn Dietrich Murswiek
Foreword The theft of objects of art in times of war has been wide spread throughout all periods of history. Since time immemorial, victorious armies have destroyed the cultural assets in the land of the enemy or taken them as trophies to their homelands. These captured cultural assets were a means to demonstrate their victory, and at the same time, reinforced in a symbolic and subtle way the defeat and the subjugation of the adversary, especially in regard to religious objects or insignia of the defeated empire. The plunder of art has mythological and religious roots as well - by taking away the most venerated objects, one believed that a strong blow was delivered to the enemy because it was also believed that this was a means of depriving them the protection of their gods. Ultimately and in their home country, the loot of art testified to the soldiers’ triumph and thereby to the power of their sovereignty. At the same time, the captured objects of art increased the wealth of the winner, who could exhibit them as proof of his or her own power. Besides war vandalism, which has always brought irreparable losses and damage to cultural assets, the cultural heritage of the world continually diminishes due to physical processes of decay and natural disasters such as earthquakes, floods, hurricanes or wildfire. As a general rule, the trade of cultural goods, which is guided mostly by economic aspects, does not take into consideration the objective necessity of protecting certain cultural assets. The twenty-third conference on state and international public law held November 2-4, 2005 by the Studiengruppe für Politik und Völkerrecht in the Christkönigshaus in Stuttgart-Hohenheim was dedicated to discussing the national and international protection of cultural assets, as well as the corresponding importance shown by the illustration of German culture and history in Eastern Europe, sixty years after the end of the Second World War, German flight, and German displacement. Thus, the problems concerning the protection of cultural assets related to legal and illegal trafficking of such goods and the dangers arising from natural disasters were not considered. The symposium was dedicated primarily to discussing the dangers to which cultural assets are exposed during or after a war and to discussing the problem of repatriating goods that have been taken abroad during times of war. These discussions focused on the instruments of international and national law that could be used to offer protection of cultural assets.
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Foreword
As an introduction, in his lecture, Gilbert Gornig assesses the term “cultural asset” and the reasons for which these goods are worth protecting. The lecture also contained a historical overview concerning the protection of cultural assets on the international level and pointed out the international organisations and their secondary law which aims to protect cultural assets. Tobias Irmscher analysed the protection of cultural goods from the standpoint of humanitarian international public law and considers the question of how these goods should be protected in times of war. Ioana Rusu evaluates the idea on whether cultural assets belong to the people or to the physical land in the cases of population exchange and population displacement. In recognition of the fact that international protection of cultural assets is grounded in the goal of good will of states, Hans-Detlef Horn then analysed if and why the protection of cultural assets must be understood not only as a social need but also as a duty of the state, and which significances are thereby associated, especially those significances encountered when considering repatriation of national cultural assets that have been taken to foreign countries. The lecture of Frank Fechner evaluated the rules, types, and instruments for protecting cultural assets that are to be found at the European level and pointed out some starting points for their improvement. The problem of repatriation of cultural assets was then analysed by Susanne Schoen and Günter Rauer using the concrete examples of goods that were taken from Germany to Poland and Russia during and after the Second World War. Finally, the lectures of Oxana Vitvitskaya, Monica Vlad, Elisabeth Sándor-Szalay and Andrzej Januszajtis dealt with the protection of cultural assets in Russia, Romania, Hungary and Poland. The publishers would like to thank Mrs. Aldona Szczeponek from Philipps University of Marburg for editing the manuscript and preparing the indices. They would also like to thank Ms. Ioana Rusu, also from Philipps University of Marburg, for her work in translating the texts into English. Marburg/Freiburg, October 2006 Gilbert H. Gornig Hans-Detlef Horn Dietrich Murswiek
Inhaltsverzeichnis
Gilbert H. Gornig Der internationale Kulturgüterschutz ....................................................................... 17 Abstract .................................................................................................................... 63
Tobias H. Irmscher Kulturgüterschutz im humanitären Völkerrecht ....................................................... 65 Abstract .................................................................................................................... 91
Ioana Eleonora Rusu Kulturgüterzugehörigkeit im Falle von Vertreibung und Bevölkerungsaustausch ... 93 Abstract .................................................................................................................. 120
Hans-Detlef Horn Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe – unter besonderer Berücksichtigung deutschen Kulturguts im Ausland........................................................................... 121 Abstract .................................................................................................................. 138
Frank Fechner Kulturgüterschutz auf europäischer Ebene ............................................................. 141 Abstract .................................................................................................................. 155
Susanne Schoen Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter.......... 157 Abstract .................................................................................................................. 166
Inhaltsverzeichnis
10 Günter Rauer
Völkerrechtliche Aspekte der Rückführung kriegsbedingt verlagerten Kulturgutes nach Polen und Deutschland............................................................... 167 Abstract .................................................................................................................. 185
Oxana Vitvitskaya Schutz der Kulturgüter in der Russischen Föderation ............................................ 187 Abstract .................................................................................................................. 209
Monica Vlad Schutz von Kulturgütern durch Rumänien ............................................................. 213 Abstract .................................................................................................................. 222
Elisabeth Sándor-Szalay Der Schutz fremder Kulturgüter durch Ungarn ...................................................... 225 Abstract .................................................................................................................. 238
Andrzej Januszajtis Der Schutz der gemeinsamen europäischen Kulturgüter in Danzig ....................... 241 Abstract .................................................................................................................. 251
Die Autoren ................................................................................................................. 253 Personenregister .......................................................................................................... 267 Sachregister ................................................................................................................. 269
Table of Contents
Gilbert H. Gornig The International Protection of Cultural Assets ....................................................... 17 Abstract .................................................................................................................... 63
Tobias H. Irmscher The Protection of Cultural Property in International Humanitarian Law ................. 65 Abstract .................................................................................................................... 91
Ioana Eleonora Rusu The Protection of Cultural Assets in case of Expulsion and of Population Exchange ..................................................................................... 93 Abstract .................................................................................................................. 120
Hans-Detlef Horn The Protection of Cultural Assets as a Duty of Modern Nation-State – under particular consideration of German Cultural Assets abroad ......................... 121 Abstract .................................................................................................................. 138
Frank Fechner The Protection of Cultural Assets on the European Level...................................... 141 Abstract .................................................................................................................. 155
Susanne Schoen Loss of Cultural Assets – Selected particular Cases of German Cultural Assets brought to Russia during World War II ................................................................. 157 Abstract .................................................................................................................. 166
Table of Contents
12 Günter Rauer
Aspects of International Law regarding the Repatriation of Cultural Possessions transferred to Poland and Germany in Times of War ............................................. 167 Abstract .................................................................................................................. 185
Oxana Vitviskaya The Protection of Cultural Assets in Russia ........................................................... 187 Abstract .................................................................................................................. 209
Monica Vlad The Protection of Cultural Assets in Romania ....................................................... 213 Abstract .................................................................................................................. 222
Elisabeth Sándor-Szalay The Protection of Foreign Cultural Assets in Hungary .......................................... 225 Abstract .................................................................................................................. 238
Andrzej Januszajtis The Protection of Common European Cultural Assets in Gdansk ........................... 241 Abstract ................................................................................................................... 251
The Authors................................................................................................................. 253 List of Names .............................................................................................................. 267 Index............................................................................................................................ 269
Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations A
Dokument der UN-Generalversammlung
a. A.
anderer Ansicht
ABl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
Abt.
Abteilung
AJIL
American Journal of International Law
ALR
Art Loss Register
AMRE
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Anh.
Anhang
Anm.
Anmerkung
Arch.
Archiv
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AVR
Archiv des Völkerrechts
AWR
Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem
Az.
Aktenzeichen
BBl.
Bundesblatt
Bd.
Band
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtliche Sammlung
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, amtliche Sammlung
bzw.
beziehungsweise
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Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations
DDR
Deutsche Demokratische Republik
d. h.
das heißt
ebda.
ebenda
ed.
editor/edition
EG
Europäische Gemeinschaft
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
EU
Europäische Union
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
GG
Grundgesetz
GUS
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
HLKO
Haager Landkriegsordnung
HRLJ
Human Rights Law Journal
Hrsg.
Herausgeber
hrsg.
herausgegeben
HStR
Handbuch für Staatsrecht
ICCROM
International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property
ICJ
International Court of Justice
ICOM
International Council of Museums
ICOMOS
International Council of Monuments and Sites
IFAR
International Foundation for Art Research
IGH
Internationaler Gerichtshof
IKRK
Internationales Komitee vom Roten Kreuz
Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations ILA
International Law Association
ILC
International Law Commission
ILM
International Legal Materials
ILR
International Law Reports
IPBPR
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
IRRC
International Review of the Red Cross
IStGH
Internationaler Strafgerichtshof
Kap.
Kapitel
KSZE
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
lit.
litera
LNTS
League of Nations Treaty Series
NATO
North Atlantic Treaty Organisation
No.
Number/numéro
Nr.
Nummer
OSZE
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
ÖZöR
Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht
PCIJ
Publications of the Permanent Court of International Justice
RdC
Recueil des Cours
Rdnr.
Randnummer
Res.
Resolution
RESC
Revidierte Fassung der Europäischen Sozialcharta
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGW
Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe
S.
Seite
s.
siehe
Sér.
Séries
SPÖ
Sozialdemokratische Partei Österreichs
StIGH
Ständiger Internationaler Gerichtshof
TEFAF
European Fine Art Foundation
UdSSR
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
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Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations
UN
United Nations
UNESCO
United Nations Education, Scientific and Cultural Organization
UNIDROIT
International Institute for the Unification of Private Law
UNO
United Nations Organization
UNTS
United Nations Treaty Series
usw.
und so weiter
VBS
Satzung des Völkerbunds
vgl.
vergleiche
VO
Verordnung
vol.
volume
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
WIPO
World Intellectual Property Organization
WVK
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge
YBILC
Yearbook of the International Law Commission
z. B.
zum Beispiel
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Ziff.
Ziffer
ZP I
I. Zusatzprotokoll vom 8.6.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949
ZP II
II. Zusatzprotokoll vom 8.6.1977 zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949
ZVölkR
Zeitschrift für Völkerrecht
Der internationale Kulturgüterschutz Von Gilbert H. Gornig
I. Einleitung Der Kulturgüterschutz ist eine vielschichtige Materie, die in den unterschiedlichsten Bereichen der Rechtswissenschaften eine immer größere Rolle spielt. Es werden das Zivil- und Handelsrecht, das Strafrecht, das Verfassungsund Verwaltungsrecht, das Internationale Privatrecht sowie das Verfahrensrecht berührt, zunehmend müssen aber auch das Völkerrecht und das Europarecht beachtet werden.1
1. Begriff des Kulturguts a) Allgemein Weder im Völkerrecht noch im nationalen Recht gibt es eine allgemeingültige Definition des Begriffes Kulturgut2. Man ist sich nur einig, daß Kulturgüter grundsätzlich eines rechtlichen Schutzes bedürfen. Bevor auf Schutzaspekte in den Rechtsnormen eingegangen werden kann, ist es also nötig, den Begriff des Kulturguts zu klären. Einer Definition des allgemeinen deutschen Sprachgebrauchs zufolge ist das Kulturgut „etwas, was als kultureller Wert bestand hat und bewahrt wird“3. Eine genaue Subsumtion im Einzelfall läßt sich damit jedoch nicht treffen. Verschiedene Theorien versuchen sich daher an einer Bestimmung des Begriffs Kulturgut:
___________ 1 Reichelt, Gerte, Einführung in die Thematik, in: Reichelt, Gerte (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 31; ebenso: Genius-Devime, Barbara, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit im völkerrechtlichen Kulturgüterschutz, 1996, S. 91. 2 Vgl. Schorlemer, Sabine von, Internationaler Kulturgüterschutz: Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, 1992, S. 82. 3 So definiert in: Duden, Band 5, S. 2305.
Gilbert H. Gornig
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Nach dem Enumerationsprinzip4 ist unter Kulturgut ein solches Gut zu verstehen, welches in einer Liste bzw. einem Register im Gesetz aufgeführt ist5. Dieses System wird in Ländern, deren Rechtsordnung auf dem Common Law basiert, angewandt. Nach dem Klassifikationsprinzip6 ist eine konkrete Verwaltungsentscheidung einer dafür bestimmten Stelle erforderlich. Die somit bestimmten Kulturgüter werden dann in eine Liste aufgenommen. Diese Methode ist hauptsächlich in Frankreich und in den vom Code Civil beeinflußten Rechtsordnungen anzutreffen, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Kategorisationsprinzip7 erfolgt eine generelle Beschreibung der Güter, die dem Kulturgüterschutz unterfallen. Diese Methode findet sich vornehmlich in internationalen Abkommen wie der UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut (UNESCO-Convention on the Illicit Movement of Art Treasures) vom 14. November 19708. Bisher konnte aber keine Einigung über eine allgemeingültige Definition erzielt werden. Einigkeit besteht nicht einmal darüber, ob es um etwas von Menschenhand Geschaffenes geht, ob auch immaterielle Güter erfaßt werden und das Naturerbe dazu gehört.9 Die Schwierigkeit, eine universell akzeptable Begriffsbestimmung zu finden, wird durch einen sich stetig wandelnden Kulturbegriff weiter erschwert. Als Beispiele seien Definitionen aus wichtigen Rechtsgrundlagen des internationalen Kulturgüterschutzes angeführt: Nach der Definition des Haager Abkommens vom 14. Mai 195410 sind Kulturgüter gemäß Art. 1 zunächst bewegliches und unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist, Baulichkeiten, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung beweglichen Guts dienen, sowie Orte, die in beträchtlichem Umfang Kulturgut aufweisen. Enger gefaßt wird diese weite Umschreibung durch Beispiele. Das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 197211 umfaßt in Art. 1 drei Gruppie___________ 4
Schmeinck, Sabine, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, 1993, S. 50; Jaeger, Andrea, Internationaler Kulturgüterschutz, 1993, S. 10; Reichelt (Anm. 1), in: Reichelt, S. 13. 5 Verordnung Nr. 3911/92 vom 31.12.1992 (ABl. L 395 v. 32.12.1992, S. 1 ff.) der EG über die Ausfuhr von Kulturgütern beinhaltet als Anhang eine Auflistung von Gegenständen, die unter den Begriff des Kulturguts fallen. 6 Schmeinck (Anm. 4), S. 51; Jaeger (Anm. 4), S. 10. 7 Schmeinck (Anm. 4), S. 51; Jaeger (Anm. 4), S. 10. 8 Text: BT-Drs. VI/3511; UNTS, Bd. 823, S. 231; ILM, Bd. 10 (1971), S. 289 ff. 9 Vgl. die Definitionen in nationalen Rechtsordnungen bei Schmeinck (Anm. 4), S. 47; Jaeger (Anm. 4), S. 10. 10 Text: BGBl. 1967 II, S. 1235 ff.; UNTS, Bd. 249, S. 215 ff. 11 Text: BGBl. 1977 II, S. 213; ILM, Bd. 11 (1972), S. 1358 ff.
Der internationale Kulturgüterschutz
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rungen: Denkmäler (Werke der Architektur, Großplastik und der Monumentalmalerei, Objekte und Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind), Ensembles (Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind) und Stätten (Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind).12 Zusätzlich sind noch in Art. 2 bestimmte Naturgebilde, bestimmte geologische und physiographische Erscheinungsformen und Naturstätten aufgenommen worden, die dem Kulturerbe hinzuzuordnen sind. Im Sinne der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern gilt als „Kulturgut“ ein Gegenstand, der vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Artikels 36 des EG-Vertrages als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ eingestuft wurde und unter eine der im Anhang genannten Kategorien fällt oder, wenn dies nicht der Fall ist, zu öffentlichen Sammlungen gehört, die im Bestandsverzeichnis von Museen, von Archiven oder von erhaltenswürdigen Beständen von Bibliotheken aufgeführt sind.13 Deutlich wird damit, daß Kulturgut zwar nicht einheitlich bestimmbar, allerdings vielleicht als Kategorie begreifbar ist.14 Sinngemäß ist Kulturgut gleichzustellen mit Kulturerbe, wobei letztere Wortwahl mit dem Begriff „Erbe“ auf die Bedeutung von Kulturgütern für zukünftige Generation hinweist.15
___________ 12 Die Europaratskonvention zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 03.10.1985, Text: BGBl. 1987 II, S. 623 ff., unterscheidet auch zwischen Denkmälern, Ensembles und Stätten. 13 Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten als „öffentliche Sammlungen“ diejenigen Sammlungen, die im Eigentum eines Mitgliedstaats, einer lokalen oder einer regionalen Behörde innerhalb eines Mitgliedstaats oder einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Einrichtung stehen, die nach der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats als öffentlich gilt, wobei dieser Mitgliedstaat oder eine lokale oder regionale Behörde entweder Eigentümer dieser Einrichtung ist oder sie zu einem beträchtlichen Teil finanziert. 14 Streinz, Rudolf, Internationaler Schutz von Museumsgut, 1998, S. 23. 15 Herzog, Ronald, Kulturgut unter Wasser, 2002, S. 29.
Gilbert H. Gornig
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b) Kunstbegriff Bringt man den Begriff der Kultur in Zusammenhang mit dem Begriff der Kunst, dann stehen wir vor der erneut schwierigen Frage, was Kunst ist und wann Kunst zu einem Kulturgut wird. Die Bemühungen in der deutschen Rechtsprechung und im deutschen Schrifttum, eine allgemeingültige Definition der Kunst zu entwickeln, waren bislang vergebens. Es setzte sich zunehmend die Einsicht durch, daß eine solche Definition nicht möglich sei. Das Bundesverfassungsgericht war allerdings noch im Jahre 197116 von der Definierbarkeit der Kunst ausgegangen: „Das wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“.17 Später betonte das Bundesverfassungsgericht aber die Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren.18 Es verwendete nebeneinander mehrere Kunstbegriffe: den von ihm als materiell bezeichneten Kunstbegriff der Mephistoentscheidung, einen von ihm formal genannten Kunstbegriff, der das „wesentliche eines Kunstwerks“ darin sieht, daß es einem bestimmten Werktyp zugeordnet werden kann, und einen gewissermaßen offenen Kunstbegriff, der „das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin sieht, daß es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen, so daß sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt“.19 Im Schrifttum hat jeder der drei Kunstbegriffe seine Vertreter gefunden. Ferner wird nach dem sogenannten Kriterium der Drittanerkennung verfahren und die Frage, ob ein Gegenstand ein Kunstwerk ist, davon abhängig gemacht, daß es ein in Kunstfragen kompetenter Dritter für vertretbar hält, den Gegenstand als Kunstwerk anzusehen.20 Die Schwierigkeit der Definition von Kunst belegt eindrucksvoll, welche Schwierigkeit es erst bedeutet, den Begriff des Kulturguts zu definieren. Man ___________ 16
BVerfGE 30, S. 173 ff. (S. 188 f. [Mephisto]). BVerfGE 30, S. 173 ff. (S. 188 f.). 18 BVerfGE 67, S. 213 ff. (225) (anachronistischer Zug). 19 BVerfGE 67, S. 213 ff. (226 f.). Den anachronistischen Zug, die schauspielerische Darstellung eines Gedichts von Berthold Brecht, subsumiert das Verfassungsgericht somit unter alle drei Kunstbegriffe. Es läßt offen, welcher Definition der Kunst es folgen will, wenn die verschiedenen Kunstbegriffe miteinander in Konflikt geraten. Immerhin stellt es im Fortgang der Entscheidungsbegründung immer wieder auf die Interpretationsfähigkeit, die Interpretationsbedürftigkeit und die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten des anachronistischen Zugs ab und steht damit dem offenen Kunstbegriff nahe. BVerfGE 67, S. 213 ff. (228 ff.); 81, S. 278 ff. (293 f.). 20 Starck, Christian, in: Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich/Starck, Christian, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 5 Abs. 3 Rdnr. 298 ff. 17
Der internationale Kulturgüterschutz
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muß sich deswegen, ohne die verschiedenen Kunst- und Kulturkonzeptionen zu vertiefen, dem Begriff des Kulturguts anders nähern, zum Teil durch eine negative Abgrenzung. Man könnte aber auch zwischen objektiven und subjektiven Kriterien unterscheiden. c) Kulturgut aa) Objektive Kriterien (1) Körperlichkeit und Stofflichkeit Der Terminus Kultur„-gut“ verdeutlicht, daß Körperlichkeit und Stofflichkeit im Gegensatz zu spirituellen Formen des kulturellen Erbes vorhanden sein müssen.21 Allerdings ist der Wortlaut nicht entscheidend, da eine weite Auslegung des Begriffs denkbar ist und die Begriffe „cultural property“ und „cultural heritage“ sowie im Französischen „biens“ eine Ausdehnung auf immaterielle Güter nicht ausschließen.22 In der Tat werden Folklore, Rituale, Traditionen und Glauben ebenfalls zum kulturellen Erbe im weiteren Sinne gerechnet, sogar soziales Wissen, Sitten und Lebensweisen, die das Wesen ethnischer und nationaler Mentalität ausdrücken, sollen dazugehören.23 Der Erhalt jener immateriellen kulturellen Werte erfordert jedoch andere Maßnahmen als bei dinglichen Objekten erforderlich wären, so daß sich auf internationaler Ebene folgerichtig ein duales Schutzsystem etabliert hat. Während der letzten Jahre hat die Weltorganisation für geistiges Eigentum eine Reihe von Rechtsinstrumentarien zum Schutz immaterieller kultureller Werte geschaffen wie etwa die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 5. Dezember 188724. Die UNESCO und einige andere internationale Organisationen be___________ 21
Vgl. Abele Klaus, Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem?, in: Fechner, Frank/Oppermann, Thomas/Prott, Lyndel von (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 67 ff. (80). 22 Vgl. Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 80. 23 Vgl. Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 80. 24 Text: RGBl. 1887, S. 127; revidierte Fassung: BGBl. 1985 II, S. 81. Die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der 1886 in Bern angenommen wurde. Sie begründete zum ersten Mal die Anerkennung des Urheberrechts (Copyrights) zwischen souveränen Nationen. Sie wurde auf Veranlassung von Victor Hugo erarbeitet. Vor ihrer Ratifizierung lehnten es Staaten häufig ab, Werke anderer Nationen als geschützt zu behandeln. So konnte beispielsweise ein in London publiziertes Werk, das in Großbritannien unter Schutz stand, in Frankreich frei verbreitet werden und umgekehrt. In der Folgezeit kam es zu mehreren Revisionen; seit 1908 spricht man daher von der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ). Die Berner Übereinkunft sieht vor, daß jeder Vertragsstaat den Schutz an Werken von Bürgern anderer Vertragspartner genauso anerkennt wie den Schutz von Werken der eigenen Bürger. Der Schutz erfolgt gemäß der Berner Übereinkunft automatisch, d. h. es wird keine Registrierung und kein Copyright-Vermerk vorausgesetzt. Die Übereinkunft garantiert eine minimale Schutzdauer von mindestens fünfzig Jahren über den Tod des
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mühen sich hingegen insbesondere um den Erhalt physisch greifbarer Objekte, um die es bei diesem Symposium insbesondere gehen wird. Immaterielle Werte gehören also trotz ihrer im Einzelfall unbestrittenen Erhaltungswürdigkeit nicht zu den Kulturgütern im hier verwendeten Sinn, geht es doch darum, Objekte einem Volke zuzuweisen. (2) Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Kulturgütern Die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Kulturgütern ist wenig nützlich, da kaum ein Objekt existiert, das nicht auch beweglich gemacht werden könnte. Man denke etwa an monumentale Baudenkmäler, die in Einzelteile zerlegt den Weg in mitteleuropäische Museen gefunden haben.25 Der fortgeschrittene Einsatz technischer Mittel erlaubt es, selbst unbewegliche Stätten zu verlagern, ohne dabei ihr Gefüge zu verändern.26 Es sei hierbei an den Wiederaufbau der Tempel von Philae und Abu Simbel anläßlich des Baus des Assuan-Staudammes erinnert. Fresken, Wandgemälde, Mosaike, Fußböden können ohne weiteres von Wänden abgelöst werden und damit von einem unbeweglichen zu einem beweglichen Kulturgut werden.27 In der Entscheidung des Cour d’Appell Montpellier vom 18. Dezember 1984 im Fall der Ville de Genève et Fondation Abegg v. Consorts Margail (Fresques de Casenoves)28 hatte das Gericht die wertvollen aus dem 11. Jahrhundert stammenden Fresken einer kleinen Kapelle in Frankreich, ungeachtet ihrer Abnahme durch den Antiquitätenhändler Simon im Jahre 1954, im Wege einer Fiktion weiter als „unbewegliche“ Gegenstände behandelt. Das Gericht führte aus, daß diese Konstruktion notwendig sei, um historische Ensembles hinreichend zu schützen.29 ___________ Urhebers (post mortem auctoris) hinaus. Den Vertragsstaaten steht es offen, diese Zeitspanne zu verlängern. Beispielsweise hat die Europäische Union 1993 in ihrem Bestreben zur Harmonisierung des Urheberrechtsschutzes diese Periode auf 70 Jahre verlängert. Seit 1967 wird die Berner Übereinkunft von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organisation, WIPO) verwaltet. 25 Vgl. Gornig, Gilbert, Wem gehört der Pergamon-Altar? Völkerrechtliche Diskussion der Forderung Griechenlands auf Rückgabe von Kulturgütern, in: Gornig, Gilbert/Schiller, Theo/Wesemann, Wolfgang (Hrsg.), Griechenland in Europa, 2000, S. 61 ff., sowie Antonio, Theodora, Völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Kulturgüterschutz. – Insbesondere die Frage der Rückkehr des Parthenon-Fries, ebda., S. 97 ff. 26 Vgl. von Schorlemer (Anm. 2), S. 65. 27 Vgl. den Fall Moley V. Pigne Prott, Lyndel V., Problems of Private International Law for the Protection of Cultural Heritage, Bd. 217 (1989 V), S. 215 ff. (240). Ferner: Autocephalous Greek-Orthodox Church of Syprus v. Goldberg Vine Arts, Inc., Fn. 717 f. Supp. 1374 (s. d. ind. 1989); 917 f. 2d 178 (7th cir 1990). Vgl. dazu Gornig, in: Gornig/Schiller/Wesemann, S. 61 ff. (85 f.). 28 Text: Recueil Dalloz Sirey, Jurisprudence 1985, S. 208 ff. 29 Ebenda, S. 208.
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Das Abkommen betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten vom 18. Oktober 190730 schützt allerdings lediglich unbewegliches Eigentum wie „dem Gottesdienst, der Kunst, der Wissenschaft und der Wohltätigkeit gewidmete Gebäude“ sowie „geschichtliche Denkmäler“.31 Auch der am 15. April 1935 abgeschlossene Roerich-Pakt32 sagt in dessen Art. 1, daß die historischen Monumente, Museen, wissenschaftlichen, künstlerischen, erzieherischen und kulturellen Institutionen in den Schutzbereich einbezogen seien. Auch hier wurden in erster Linie unbewegliche Kulturgüter geschützt, bewegliche nur insofern, als sie sich innerhalb der geschützten Gebäude befanden. Das Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Haager Landkriegsordnung) vom 18. Oktober 190733 bezieht sich ebenfalls in erster Linie auf unbewegliches Kulturgut. So heißt es in Art. 27 HLKO, daß bei Belagerungen und Beschießungen „alle erforderlichen Vorkehrungen“ zu treffen seien und die dem Gottesdienst, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Gebäude sowie geschichtliche Denkmäler „soviel wie möglich zu schonen“ seien. Daraus kann geschlossen werden, daß bewegliche Kunstschätze dem sonstigen feindlichen Eigentum gleich stehen und vom Feind nicht in jedem Fall geschont werden müssen. Es bleibt also danach die Zerstörung und die Wegnahme des feindlichen Eigentums in allen Fällen möglich, sofern gemäß Art. 23 g HLKO „diese Zerstörung oder Wegnahme durch die Erfordernisse des Krieges dringend erheischt“ wird. Nach der Haager Landkriegsordnung gilt für bewegliche Objekte gemäß Art. 53 HLKO eine mittelbare Form des Schutzes bei Ausübung militärischer Gewalt auf besetztem Gebiet. Gegenstände, die vom Besatzungsheer beschlagnahmt werden dürfen, sind „alles bewegliche Eigentum des Staates, das geeignet ist, den Kriegsunternehmungen zu dienen“. Da bewegliche Kulturgüter dazu allerdings kaum geeignet sind, werden sie im Ergebnis durch diese Norm vor der Beschlagnahme geschützt.34 Gemäß Art. 56 Satz 2 letzter Halbsatz ist ferner „(j)ede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von ... geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft“ untersagt. Das Haager Abkommen dehnte damit den Schutz zwar auf bewegliche Kulturgüter aus, allerdings nur hinsichtlich militärischer Gewalt auf besetztem feindlichem Gebiet. Während des Ersten Weltkriegs war somit bewegliches Kulturgut, von den Fällen feindlicher Besetzung abgesehen, nicht ausdrücklich gegen Feindseligkeiten geschützt. ___________ 30
Text: RGBl. 1910, S. 256 ff. Art. 5 des IX. Haager Abkommen zum 18.10.1907. 32 Treaty on the Protection of Artistic and Scientific Institutions and Historic Monuments, Text: LNTS, Bd. 167, S. 289 ff. 33 Text: RGBl. 1910, S. 107 ff. 34 Buhse, Karl-Heinrich, Der Schutz von Kulturgut im Krieg. Unter besonderer Berücksichtigung der Konvention zum Schutz des Kulturguts im Fall eines bewaffneten Konflikts vom 14. Mai 1954, 1959, S. 7; von Schorlemer (Anm. 2), S. 68. 31
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Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine Ausdehnung des Kulturgüterschutzes auf bewegliche Kulturgüter, so durch die Haager UNESCOKonvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 195435, die grundsätzlich sowohl bewegliches als auch unbewegliches Kulturgut schützt. So ist nach Art. 1 a Kulturgut im Sinne dieser Konvention „bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist“. Da die Gebrauchsrequisition beweglicher Kulturgüter gemäß Art. 4 Abs. 3 ausdrücklich verboten ist, eine entsprechende Vorschrift für unbewegliches Gut hingegen fehlt, genießt bewegliches Kulturgut stärkeren Schutz. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, daß die Ausnahmevorschrift für den Fall einer militärischen Notwendigkeit nicht für das Verbot der Gebrauchsrequisition beweglichen Kulturgutes gilt. Die UNESCOKonvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut (UNESCO-Convention on the Illicit Movement of Art Treasures) vom 14. November 197036 nimmt Bezug auf bewegliche Gegenstände, das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 197237 und die Europaratskonvention zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 3. Oktober 198538 beschränken sich hingegen auf unbewegliche Denkmäler, Gebäudegruppen und Stätten. Deutlich ist damit, daß die Beweglichkeit bzw. Nichtbeweglichkeit eines Objekts kein konstitutives Merkmal für die Kulturguteigenschaft sein kann.39 Im humanitären Völkerrecht hat sich gleichwohl erst allmählich die Vorstellung durchgesetzt, daß unbewegliches und bewegliches Kulturgut gleichermaßen schützens- und erhaltenswert sei. (3) Objekte ohne menschlichen Schöpfungsakt Schließlich werden auch Objekte als Kulturgüter anerkannt, die ohne menschlichen Schöpfungsakt entstanden sind. Menschliche und tierische Überreste und naturgeschichtliche Objekte, geologische Funde, Fasern, Samen, Blütenpollen, werden als Kulturgüter von höchstem Wert betrachtet, sofern sie Aufschluß über vergangene Kulturen und die Evolution des Menschen geben. So schützt die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut vom 14. November 1970 seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, ___________ 35 36 37 38 39
Text: BGBl. 1967 II, S. 1235 ff.; UNTS, Bd. 249, S. 215 ff. Dazu vgl. unten V.1.a.bb. Text: BGBl. 1977 II, S. 213 ff.; ILM, Bd. 11 (1972), S. 1358 ff. Dazu vgl. unten. Text: BGBl. 1987 II, S. 623 ff. So von Schorlemer (Anm. 2), S. 69.
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Botanik und Anatomie sowie Gegenstände von paläontologischem Interesse40. Nach dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972 sollen zum Kulturerbe auch zählen „gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete..., die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“.41 Die UNESCO Recommendation Concerning the International Exchange of Cultural Property vom 26. November 1976 zählt zum kulturellen Eigentum auch Evolutionen der Natur, die von historischem, künstlerischem, wissenschaftlichem oder technischem Wert und Interesse sind einschließlich der zoologischen, botanischen, geologischen Exemplare. Die am 28. November 1978 verabschiedete Recommendation for the Protection of Movable Cultural Property zählt ebenfalls zoologische, botanische und geologische Exemplare zum beweglichen Kulturgut.42 Die Europaratskonvention zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 3. Oktober 198543 läßt die Grenze zwischen Natur und Kulturerbe verschwimmen, denn „Stätten“ (“sites”) werden als „gemeinsame Werke von Mensch und Natur“ (“combined work of man and nature”) umschrieben.44 Man hat aber letztlich entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht45 davon auszugehen, daß Kultur- und Naturerbe nicht identisch sind. Zu unterschiedlich sind die erforderlichen Schutzmechanismen, um Kulturgut und Naturgut unter die gleichen Normen zu subsumieren. Man muß allerdings konzedieren, daß es Überschneidungen gibt und Natur- und Kulturgüterschutz ineinander greifen können. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Naturerbe Ausdruck menschlichen Schaffens ist, wie es etwa bei Gartenanlagen der Fall sein kann.
___________ 40
UNESCO-Konvention 1970, Art. 1 a. Art. 1, letzter Halbsatz. 42 Recommendation for the Protection of Movable Cultural Property vom 28.11.1978 angenommen bei der Generalversammlung der UNESCO auf seiner zwanzigsten Sitzung in Paris. Vgl. Abs. 1 (xi). 43 Text: BGBl. 1987 II, S. 623 ff. 44 Convention for the Protection of the Architectural Heritage of Europe, 1985, Art. 1 Abs. 3. 45 Trintignan, Helène, La protection internationale des biens culturels en temps de paix, 1974, S. 63. Sie geht davon aus, daß alle Naturgüter der UNESCO-Konvention von 1972 auch Kulturgüter sind. Vgl. auch Greenfield, Jeannette, The Return of Cultural Treasures, 1989, S. 254. Nach ihr sollen pauschal auch natural objects zu Kulturgütern zählen. 41
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(4) Alter? Schließlich herrscht die Vorstellung vor, daß nur Objekte eines bestimmten Alters den Schutz als Kulturgut genießen. Nach der Verordnung Nr. 3911/92 vom 31. Dezember 199246 ist für die Einordnung als Kulturgut das Alter in Verbindung mit dem materiellen Wert ausschlaggebend47. Ferner heißt es in den Denkmalschutzgesetzen Bayerns, der Rheinland-Pfalz und SchleswigHolsteins, daß es sich um Gegenstände aus vergangener Zeit handeln müsse. Objekte aus der Gegenwart oder der zeitgenössischen Kunst seien ausgeschlossen. Allerdings sehen die meisten nationalen Gesetze vor, daß die jeweils zuständige nationale Behörde ein Objekt auch dann als geschützt erklären kann, wenn es nicht von hohem Alter ist. Eine fixe Altersangabe wäre zwar ein leicht handhabbares Kriterium, da dann relativ einfach ermittelt werden könnte, wann ein schützenswertes Kulturgut vorliegt. Allerdings wird es nicht immer einfach sein, das Alter eines Objekts auf ein Jahr genau zu bestimmen, wenn es erforderlich sein sollte. Schließlich wird eine Altersgrenze nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führen. Zweckmäßiger wäre es, sich bei Kunstgegenständen von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Epoche leiten zu lassen.48 Die Konvention von San Salvador vom 16. Juni 197649 differenziert in Art. 2 zwischen der Epoche vor der Kolonialzeit und der Epoche der Kolonialzeit sowie dem 19. Jahrhundert. Im letzten Fall werden „monuments, buildings, objects of an artistic, utilitarian, and ethnological nature“ einbezogen.50 Nach dem Agreement between the United States of America and the Republic of Peru for the Recovery and the Return of Stolen Archaeological, Historical, and Cultural Properties vom 15. September 198151 sind aus der präkolumbischen Epoche praktisch alle Kunstwerke und Artefakte als erhaltungswürdige Kulturgüter zu qualifizieren. ___________ 46
Text: ABl. L 395 v. 32.12.1992, S. 1 ff. Vgl. Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 79. 48 Die UNESCO Recommendation of International Principles Applicable to Archaeological Excavations aus dem Jahre 1956 schlug vor, nicht länger Werke zu schützen, die aus der Zeit vor einer festgelegten Jahresangabe datieren, sondern stellte stattdessen auf die Zugehörigkeit einer bestimmten Epoche ab. 49 Convention on the Protection of the Archeological, Historical, and Artistic Heritage of the American Nations, approved on June, 1976, through Resolution AG/Res. 210 (VI-O/76), adopted at the Sixth Regular Session of the General Assembly, Santiago, Chile. 50 Art. 2 b. 51 Text: TIAS 10136, S. 2 ff. Vgl. Treaty of Co-Operation between the United States of America and the United Mexican States Providing for the Recovery and Return of Stolen Archaeological, Historical, and Cultural Properties, Text: ILM, Bd. 9 (1970), S. 1028 ff. 47
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Eine festgeschriebene zeitliche Grenze oder ein Epochenabschluß bedeutete allerdings die Gefahr, daß erhaltenswerte Kunstschätze jüngeren Datums nicht als erhaltenswürdig und geschützt qualifiziert würden. Das kann zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen. Aus diesem Grund sollte man auf eine Datumsgrenze oder auch eine zeitliche Beschränkung verzichten, da nicht nur das Alter ein Kulturgut zu einem erhaltenswerten Kulturwert macht.52 Allerdings kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Epoche oder Zivilisation den Wert und damit die Bedeutung eines Kulturguts erhöhen. (5) Wertvolle Originale? Der Sprachgebrauch legt es schließlich nahe, unter Kulturgut nur wertvolle Originale zu verstehen. In der Tat schützt die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut vom 14. November 1970 Eigentum von künstlerischem Interesse, ferner Bilder, Malereien und Zeichnungen, die vollständig von Hand gefertigt wurden.53 Eine ähnliche Passage findet sich im Europäischen Übereinkommen über Straftaten hinsichtlich Kulturgut vom 13. Juni 1985, in der ebenfalls von Hand gefertigte Gegenstände (“entirely by hand“) gefordert werden.54 Daraus ließe sich schließen, daß ein Akt menschlichen kulturellen Schaffens erforderlich sei und mithin ein Original vorliegen müsse, um das Vorliegen eines Kulturgutes zu bejahen. Auch im Schrifttum wird häufig große Bedeutung darauf gelegt, daß es sich um ein von Menschenhand geschaffenes Objekt handelt.55 Zum einen wird man aber nicht immer wirklich mit 100%iger Sicherheit nachweisen können, daß es sich um ein Kunstwerk aus einer bestimmten Hand handelt. Ferner gibt es Vervielfältigungsmöglichkeiten, deren Ergebnisse durchaus von kulturellem Interesse sein können. Schließlich sind maschinell gefertigte Erzeugnisse nicht unbedingt von geringerer Bedeutung. So bezieht die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 Reproduktionen in den Schutzbereich ein.56 Frühe Entwicklungen von Flugzeugen, Automobilen, Maschinen, die es in allen Museen der Welt zu besichtigen gibt, sind ebenfalls Kulturgüter von höchstem Wert. Gerade in letzter Zeit nimmt die Bedeutung derartiger Kulturgüter zu, man denke etwa an die Ausstellungsstücke der neuen Pinakothek in München. Auch alte ___________ 52
Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 79. UNESCO-Konvention, Art. 1 lit. g und i. 54 European Council, Convention on Offences Relating to Cultural Property, 1985, Appendix, II Abs. 1 lit. c. 55 Vgl. Engstler (Anm. 55), S. 13; Trintignan (Anm. 45), S. 14, sie spricht von „apport de l’homme“. 56 Vgl. Art. 1 a letzter Halbsatz. 53
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Fabrikhallen mit dem Maschinenpark stehen heute unter Denkmalschutz und gelten als schutzwürdige Kulturgüter. Die Recommendation on Industrial Archaeology des Europarats von 1979 würdigt daher auch das wissenschaftliche ästhetische und soziologische Interesse an diesen Gegenständen.57 Auch Rekonstruktionen können von Bedeutung sein, z. B. dann, wenn das Original nicht mehr auffindbar ist, aber die Nachbildung Aufschluß über das künstlerische und das technische Vermögen von Menschen zu einer früheren Zeit gibt. Die Originaleigenschaft eines Werkes ist daher nicht ausschlaggebend für seine Einordnung als Kulturgut. (6) Eigentum? Fragen des Eigentums spielen keine Rolle. Die Präambel des Treaty on the Protection of Artistic and Scientific Institutions and Historic Monuments (der sog. Roerich-Pakt) aus dem Jahre 1935 hob hervor, daß es alle nationalen und privaten unbeweglichen Monumente zu schützen gelte, die den kulturellen Schatz eines Volkes darstellen. Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 bestätigt ebenfalls, daß Kulturgut ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse zu schützen sei. Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972 betont in der Präambel, daß Kulturgut zu schützen sei, gleichviel welchem Volke es gehört. Die Frage des Eigentums ist also für die Schutzwürdigkeit und den Erhalt eines Kulturguts irrelevant. Das Kulturgut ist schützenswert in seiner Existenz ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Nation oder einer Privatperson. Bei der Frage der Herausgabe eines Kulturguts spielt allerdings das privatrechtliche Eigentum eine maßgebliche Rolle. Ist der zivilrechtliche Eigentümer nicht feststellbar, wird die nationale Zugehörigkeit58 relevant sein. Gleichzeitig ist ein Kulturgut eine Ware, die wirtschaftlichen Aspekten unterworfen59 und damit dem Handel ausgesetzt ist60. bb) Subjektive Kriterien Die objektiven Kriterien geben allerdings keine Antwort darauf, warum ein solcher Gegenstand schutzwürdig sein soll. Die generelle und die konkrete Schutzwürdigkeit bedarf einer besonderen Begründung. ___________ 57 Council of Europe Parliamentary Assembly Recommendation 827 (1979) on Industrial Archaeology 31. Session, 2. Part Abs. 3. 58 Dazu vgl. Knott, Hermann, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, 1990. 59 Wyss, Martin P., Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 9. 60 von Schorlemer (Anm. 2), S. 54 ff.; Jaeger (Anm. 4), S. 57 ff.
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(1) Schutzwürdigkeit allgemein Vor dem Hintergrund menschlichen Elends stellt sich im Zusammenhang mit dem Kulturgüterschutz prinzipiell die Frage, warum man für die Erhaltung und Pflege von Kultur Geld ausgibt. Sollte nicht Priorität darin liegen, gegen die Armut lebender Generationen vorzugehen, anstatt sich mit dem Schutz von Gebäuden und Denkmälern für die Zukunft zu befassen? Nein, auch Kultur und ihre Verkörperung in Gegenständen soll lebensfähig bleiben und ihrer sozialen, sakralen, geschichtlichen Zweckbestimmung gemäß bewahrt und genutzt werden.61 Die UNESCO weist darauf hin, daß Kultur langfristig als überlebensnotwendig zu betrachten sei. In der Präambel der Haager UNESCO-Konvention von 1954 spiegelt sich ein wichtiger Aspekt wieder: Durch eine Beschädigung des Kulturgutes eines Volkes wird zugleich das kulturelle Erbe der gesamten Menschheit beeinträchtigt.62 Im Kulturgut spiegelt sich die Seele eines Volkes wider, so daß es schon aus diesem Grunde schützenswert ist. Es zeigt eine bestimmte Entwicklungsstufe des Volkes, belegt dessen handwerkliches und künstlerisches Geschick zu einer bestimmten Zeit und ist damit zugleich von historischem Interesse. Das Kulturgut gibt Aufschluß über Fertigkeiten und Techniken, die übernommen, ausgebaut und perfektioniert werden können. Kulturgüter sollen daher einem möglichst weiten Kreis von Personen zugänglich gemacht und die kreative Schöpfung stimuliert werden, denn – so Saladin –: „Kultur lebt nur, wenn sie tatsächlich lebt, wenn sie sich immer wieder neu und als Neues hervorbringt“63. An Kulturgütern lassen sich häufig auch geschichtliche Ereignisse ablesen und belegen. Kulturschätze können Erkenntnisse in vielen wissenschaftlichen Bereichen begründen und bestätigen. Die Kultur dient damit der Wissenschaft und Forschung, aber auch der Bildung der Allgemeinheit.64 Zudem werden Kultur___________ 61 In Ziffer 34 des KSZE-Schlußdokumentes von Krakau heißt es: „Die Teilnehmerstaaten sind sich bewußt, daß die Wahrung der ursprünglichen Funktion von Denkmalen und historischen Stätten (...) einen wesentlichen Bestandteil der im Rahmen der KSZE zur Bewahrung und zum Schutz des gemeinsamen kulturellen Erbes unternommenen Bemühungen darstellt“. Ähnlich bereits Art. 5 lit. a der UNESCO-Konvention von 1972, der die Vertragsstaaten verpflichtet ”to adopt a general policy which aims to give the cultural and natural heritage a function in the life of the community (...)“. 62 Fitschen, Thomas, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler, Wilfried (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 183 ff. (185). 63 Saladin, Peter, Heimat als Aufgabe, in: Cagianut, Francis/Geiger, Willi/Hangartner, Yvo/Höhn, Ernst (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Staats- und Verwaltungsrechts. Festschrift für Otto K. Kaufmann, 1989, S. 29 ff. (40). 64 Knott (Anm. 58), S. 21.
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güter als bedeutende Erziehungsfaktoren begriffen.65 Schließlich geht es natürlich um den Schutz des materiellen Bestandes. Kultur und Kulturgüter sollen bestmöglich vor Verfall geschützt und so der Nachwelt erhalten werden. Im Vordergrund steht dabei die physische Bewahrung und die Dokumentation des (kultur-)geschichtlichen Kontextes66. Archäologische Raubgrabungen, Diebstahl von Kulturgut und illegaler Handel werden insoweit als Bedrohung begriffen, da sie geeignet sind, den wissenschaftlichen Erkenntniswert zu beeinträchtigen. Kultur spielt im heutigen Leben auch eine große Rolle bei der Freizeitgestaltung. Es besteht ein Bedürfnis nach geistigen Rückzugsmöglichkeiten und neuer Weltorientierung. Die wachsende Popularität von Kunst und Kultur ist allerdings auch mit den neuen Vermittlungsformen zu erklären sowie als Flucht aus einer von technischen und wirtschaftlichen Sachzwängen beherrschten Welt. Kunst darf aber nicht auf die bloß ästhetische Dekoration des Alltags reduziert werden67. Kulturgüter sind als grundsätzlich als schützenswert zu qualifizieren. (2) Schutzwürdigkeit im besonderen Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972 betrachtet nur diejenigen Objekte gemäß Art. 1 als schützenswert, die von „außergewöhnlichem universellem Wert“ sind. Diese Kriterien unterliegen der subjektiven Wertung. Man ist sich einig, daß nicht der wirtschaftliche Wert eines Objekts für seinen Erhalt als Kulturgut bestimmend sein darf.68 Die Schutzwürdigkeit eines Kulturguts wird in manchen Fällen offensichtlich sein, wie beispielsweise bei ___________ 65
Engstler (Anm. 55 (Anm. 55), S. 17. So spricht § 203 lit. c des zürcherischen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (PBG) vom 07.09.1975 in der Fassung vom 01.09.1991 ausdrücklich von Schutzobjekten „als wichtige Zeugen einer politischen wirtschaftlichen, sozialen oder baukünstlerischen Epoche“. 67 Sloterdijk, Peter, Der konservative Schein – Notiz über Literatur in nachutopischer Zeit, in: „Die Weltwoche“ vom 12.04.1990, S. 81. 68 Dies unterstreicht auch der Preliminary Report vom 08.08.1969 zur Konvention der UNESCO von 1970, heißt es doch dort: How ever humble an object may be, it may be worthy of protection (...). Its commercial value is only one aspect, not the determing one, and even of minor importance, except in the case of possible compensation for the victim of spoliation. An object of no commercial value may, in fact, be immensely important for a people. UNESCO, Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property, Preliminary Report prepared in compliance with Art. 10 of the Rules of Procedure Concerning Recommendation to Member States and International Conventions Covered by the Terms of Art. IV § 4 of the Constitution, SHC/MD/2 Paris, 08.08.1969, S. 2 Abs. 11. 66
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archäologischen Funden.69 Sie kann auf wissenschaftlichen Gründen beruhen, es können auch künstlerische Gründe ausschlaggebend sein, es kann sich um ein besonders wertvolles Kunstwerk handelt, weil es ein besonders schöner, formvollendeter Gegenstand ist, der als einzigartig und unersetzlich gilt. Schutzwürdigkeit wird ferner gegeben sein, wenn ein Gegenstand von geschichtlicher Bedeutung ist, repräsentativ für das jeweilige kulturelle Erbe einer bestimmten Epoche, eines bestimmten Landes oder Landesteils. Die Schutzwürdigkeit bemißt sich schließlich an der Funktion als Integrationsfaktor, als identitätstiftendes Element.70 Allerdings darf die identitätstiftende Kraft als Merkmal nicht überbewertet werden, zumal es wegen wachsender Egoismen in der Gesellschaft und schwindenden Nationalbewußtseins immer weniger Interesse an der Identifizierung mit der Geschichte und Kultur einer Nation gibt.71 Die Häufigkeit und Verbreitung sowie der Erhaltungszustand des Gegenstands kann die Schutzwürdigkeit erhöhen.72 Bei diesen Wertungen muß natürlich auch das Interesse der zukünftigen Generation berücksichtigt werden.73 In allen Fällen wird es auf das subjektive Empfinden einer Person ankommen, eines Experten, eines Fachmanns, um das Vorliegen dieses subjektiven Kriteriums festzustellen und damit Schutzmechanismen auszulösen. Da die Zahl der Experten in der Regel gering sein wird, sind es einige wenige Repräsentanten der Menschheit, die eine Entscheidung im Namen aller über die Schutzwürdigkeit eines Kulturguts treffen. Wer sind nun allerdings diejenigen, welche die Entscheidung über die Schutzwürdigkeit eines Kulturguts treffen. Es wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß das weder eine nationale noch eine internationale Expertengruppe tun könne, noch ein internationales Gericht, sondern letztlich nur der Ursprungsstaat selbst.74
cc) Resümee Vom Begriff Kulturgut werden alle Werte und Objekte erfaßt, die gegenständlich, beweglich oder unbeweglich sind, einem menschlichen Schöpfungsakt zugrunde liegen, unabhängig vom Alter oder der Zugehörigkeit zu einer Episode, unabhängig von der Frage, ob es sich um ein Original handelt, und ___________ 69
Vgl. Trintignan (Anm. 45), S. 45. Vgl. Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 79. 71 So leider zurecht: Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 85. 72 Vgl. Abele (Anm. 21), in: Fechner/Oppermann/Prott, S. 86 f. 73 von Schorlemer (Anm. 2), S. 77. 74 Goy, Raymond, Le retour et la restitution des biens culturels à leur pays d’origine en cas d’appropriation illégale, in: RGDIP, Bd. 83 (1979), S. 962 ff. (969); Schulze, Dorothee, Die Restitution von Kunstwerken. Zur völkerrechtlichen Dimension der Restitutionsresolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 1983, S. 26. 70
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der Frage des Eigentums. Diese Kriterien kennzeichnen aber noch nicht die Besonderheit des Gegenstands.75 Hinzukommen muß ein subjektives Kriterium, wie die Schutzwürdigkeit aus wissenschaftlichen oder künstlerischen Gründen, wegen seiner geschichtlichen Bedeutung, seiner repräsentativen Wirkung und seiner identitätstiftenden Kraft. Dies zu beurteilen wird internationalen oder nationalen Experten oder dem Ursprungsstaat obliegen.
II. Historische Entwicklung des Kulturgüterschutzes auf internationaler Ebene 1. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs Der internationale Kulturgüterschutz selbst ist eine Entwicklung der neueren Zeit, jedoch läßt sich von der Antike bis zur Neuzeit die Rolle des Kulturguts als Gegenstand des Interesses in Konflikten verfolgen.76 Dies ist auch der Grund dafür, daß der Kulturgüterschutz in Kriegszeiten der traditionelle Kern dessen ist, was im Völkerrecht unter Kulturgüterschutz verstanden wird.77 So müssen Kulturgüter seit jeher mit ihrer identitätstiftenden Symbolik als Zielscheibe zur moralischen Destabilisierung des Gegners herhalten.78 Daß nur noch eines von sieben Weltwundern erhalten geblieben ist, zeigt nur zu deutlich, daß der Raub von Kulturgütern schon in der Antike ein beliebtes Mittel zur Kriegsführung war.79 Zunächst wird der Schutz von Kulturgut daher im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen gesehen. Hier herrscht seit Anfängen der Geschichte ein Kriegsbeuterecht vor80, welches erst im 19. Jahrhundert durch das Völkerrecht Ächtung erfuhr.81 Noch das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, welches zur damaligen Zeit als sehr fortschrittlich empfunden wurde, sieht das Beuterecht als eine Möglichkeit zum Eigentumserwerb an.82
___________ 75
So auch von Schorlemer (Anm. 2), S. 76. Genius-Devime (Anm. 1), S. 91; Kilian, Michael, Kriegsvölkerrecht und Kulturgut, in: NZWehrR 1983, S. 41 ff. (43 f.). 77 Wyss (Anm. 59), S. 82. 78 Wyss, Martin Philipp, Kulturgüter: Ziel und Opfer der Gewalt, in: VN 1994, S. 92; Herdegen, Matthias, Der Kulturgüterschutz im Kriegsvölkerrecht, in: Dolzer, Rudolf/Jayme, Erik/Mußgnug, Reinhard (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 161 ff. (162). 79 Kilian (Anm. 76), in: NZWehrR 1983, S. 41. 80 Engstler (Anm. 55), S. 78; Schmeinck (Anm. 4), S. 31 ff., 201; Herdegen (Anm. 78), in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, S. 162. 81 Fechner, Frank, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, 1991, S. 87. 76
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Eine der ersten Anordnungen an Soldaten, Altäre und Tempel nicht zu zerstören, wurde vom japanischen Kaiser Godaigo im Jahre 1339 ausgesprochen. Die erste überlieferte Ausfuhrbeschränkung ist eine Exportrestriktion aus dem Jahre 1464, als Papst Pius II. die Ausfuhr von Kunstwerken aus dem Kirchenstaat untersagte. Der erste völkerrechtliche Vertrag, der eine Rückführung von Kulturgut vorsieht, stammt aus dem 16. Jahrhundert: Cesare Vorgia verpflichtete sich, alle aus dem herzoglichen Palast in Urbino entführten Gegenstände zurückzugeben. Der Westfälische Friede 1648 sah die Rückgabe von Archiven und literarischen Dokumenten vor. Doch auch Napoleon betrieb noch systematisch umfangreichen Kunstraub.83 Hiervon allerdings mußte Frankreich später vieles wieder zurückerstatten. Der „Lieber Code“ (Dienstvorschrift der Unionstruppen im amerikanischen Bürgerkrieg, 1861-1865)84 leistete verhältnismäßig früh einen wesentlichen Beitrag zur völkerrechtlichen Entwicklung bezüglich des Kulturgüterschutzes.85 Es handelt sich hier um die erste nationale Bestimmung, die das Beuterecht an Kulturgütern verbot. Als Reglementierung der kriegführenden Parteien im amerikanischen Bürgerkrieg wurde er zum Vorbild zahlreicher internationaler Regelungen. Die Brüsseler Deklaration von 1874 entwickelte den Gedanken aus Art. 34 Lieber Code weiter: Das Eigentum von Kirchengemeinden und Einrichtungen, die der Religion, Wohltätigkeit, Erziehung, Kunst oder der Wissenschaft gewidmet sind, wurde wie Privateigentum behandelt und vom Beuterecht ausgeschlossen. Zudem stand die Wegnahme, Zerstörung und bewußte Beschädigung von historischen Denkmälern und Werken der Kunst und Wissenschaft im besetzten Gebiet“ unter Strafe.86 Allerdings scheiterte die Verabschiedung der Deklaration an der unterschiedlichen Interessenlage der Konferenzteilnehmer.
___________ 82 Rudolf, Walter, Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, in: Hailbronner, Kay/Ress, Georg/Stein, Torsten (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung. Festschrift für Karl Doehring, 1989, S. 853 ff. (856), vgl. § 194 I 9 ALR. 83 Rudolf (Anm. 82), in: FS für Doehring, S. 857; Stumpf, Eva, Kulturgüterschutz im internationalen Recht unter besonderer Berücksichtigung der deutsch-russischen Beziehungen, 2003, S. 43. 84 Vgl. dazu Fiedler, Wilfried, Zur Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes, in: Hailbronner, Kay/Ress, Georg/Stein, Torsten (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung. Festschrift für Karl Doehring, 1989, S. 199 ff. (213 f.); Stumpf (Anm. 83), S. 47; von Schorlemer (Anm. 2), S. 261 f. 85 Herdegen (Anm. 78), in: Dolzer/Jayme/Mußgnug, S. 164; Streinz (Anm. 14), S. 43. 86 Die so genannte Brüsseler Deklaration stellt den ersten Versuch einer internationalen Kodifikation des Landkriegsrechts dar. Sie enthält bereits wichtige Teile der Haager Landkriegsordnung von 1899 (nicht ratifiziert).
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Ein erstes internationales Verbot der Zerstörung von Kulturgut ist der Haager Landkriegsordnung vom 29. Juli 1899 zu entnehmen,87 wonach das Eigentum der Gemeinden und der dem Gottesdienste, der Wohltätigkeit, dem Unterrichte, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Anstalten, auch wenn diese dem Staate gehören, als Privateigentum zu behandeln ist. Jede absichtliche Entfernung, Zerstörung oder Beschädigung von derartigen Gebäuden, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und der Wissenschaft ist danach verboten und muß geahndet werden.
2. Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs Der Erste Weltkrieg ließ Kulturgüter weitestgehend verschont. Die verschleppten Güter wurden zum großen Teil zurückgegeben.88 Den ersten ausschließlichen Schutz von kulturellen Werten im Krieg zeigt das Beispiel des Roerich-Pakts auf.89 Er wurde am 15. April 1935 von den Mitgliedstaaten der Panamerikanischen Union90 unterzeichnet und von zehn amerikanischen Staaten ratifiziert. Er enthält Regelungen über den Schutz von Museen, künstlerischen und wissenschaftlichen Institutionen, Denkmälern sowie des Personals. Nach Art. 2 und 3 des Paktes mußten Kulturgüter gekennzeichnet werden. Nach Art. 4 und 5 jedoch verloren militärisch genutzte Kulturgüter, wie Gebäude, ihren Schutzanspruch. Zusammen mit dem RoerichPakt wurde am 15. April 1935 der Washingtoner Vertrag unterzeichnet, der am 17. Juli 1937 in Kraft trat. Unterzeichner sind ebenfalls die Staaten der Panamerikanischen Union. Art. 8 des Abkommens beschäftigt sich mit dem Schutz von beweglichen Kulturgütern im bewaffneten Konflikt. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg gilt der Zweite Weltkrieg als schwerwiegender Entwicklungseinschnitt im Kulturgüterschutz.91 Einen Beitrag leistete hierzu auch Deutschland durch vielfache Kunstannexionen in besetzten
___________ 87
Fechner (Anm. 81), S. 87. Schmeinck (Anm. 4), S. 35 f.; von Schorlemer (Anm. 2), S. 263 ff. 89 Treaty on the Protection of Artistic and Scientific Institutions and Historic Monuments, erwähnt in: Rudolf (Anm. 82), in: FS für Doehring, S. 858; vgl. Stumpf (Anm. 83), S. 55; von Schorlemer (Anm. 2), S. 269 f. 90 Die Panamerikanische Union (PAU) ist die 1910 in Washington (D.C.) zur Vorbereitung und Durchführung der panamerikanischen Konferenzen gegründete Vereinigung von 21 amerikanischen Staaten; sie bestand bis 1948. Nachfolgeorganisation ist die OAS. 91 Vgl. Fiedler (Anm. 83), in: FS für Doehring, S. 199. 88
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Gebieten,92 aber auch die Sowjetunion und die USA, die Deutschland in nichts nachstanden.93 Aus Art. I Ziff. 2 c UNESCO Satzung in der Fassung vom 16. November 1945 läßt sich entnehmen, daß hier erstmals die Staatengemeinschaft ein Interesse an der Erhaltung der Kulturgüter einzelner Völker dokumentierte.94 Das Haager Abkommen aus dem Jahr 1954 stellt endgültig die Weichen hin zu einem grenzüberschreitenden Schutz von Kulturgut, auch wenn es erst ab den 60er Jahren effektive Ansätze gab, den Schutz von Kulturgütern auf eine internationale Ebene zu heben.95 Die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut vom 14. November 1970 und das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972 dienen in umfassender Weise dem Kulturgüterschutz. Neben der UNESCO war es der Europarat, der sich intensiv dem Kulturgüterschutz widmete.96 Zu erwähnen sind das Europäische Kulturabkommen vom 19. Dezember 195497, das Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturgutes vom 6. Mai 196998, das Europäische Übereinkommen vom 13. Juni 198599 und die Europaratskonvention zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 3. Oktober 1985100. Im Zusammenhang mit dem illegalen Handel von Kulturgut ist auch die Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998 in bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, von Bedeutung. In dieser Erklärung wird klargestellt, daß in den jeweiligen Ländern einerseits eine Ermittlung von Kunstwerken, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und ___________ 92 Schmeinck (Anm. 4), S. 36; Fiedler, Wilfried, Kulturgüter als Kriegsbeute?, 1995, S. 7; Wyss (Anm. 59), S. 89. 93 Vgl. Schmeinck (Anm. 4), S. 37 ff.; ausführlich dazu: Jenschke, Christoff, Der völkerrechtliche Rückgabeanspruch auf in Kriegszeiten widerrechtlich verbrachter Kulturgüter, 2005; Schoen, Susanne, Der rechtliche Status von Beutekunst. Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004. 94 Fitschen (Anm. 62), in: Fiedler, S. 185. 95 Fitschen (Anm. 62), in: Fiedler, S. 185. 96 Zu den Organisationen und Institutionen sowie deren Regelungen vgl. ausführlich unten IV. 97 Deutscher Text: BGBl. 1955 II, S. 1128 ff. Internationale Quelle: UNTS 218, S. 129 ff.; European Treaty Series Nr. 18. 98 Deutscher Text: BGBl. 1975 II, S. 1145 ff. Internationale Quelle: UNTS 788, S. 227 ff.; European Treaty Series Nr. 66. 99 Es ist noch nicht in Kraft getreten. 100 Deutscher Text: BGBl. 1987 II, S. 623 ff. Internationale Quelle: European Treaty Series Nr. 66.
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noch nicht zurückgegeben wurden, erfolgen soll und andererseits diese Ergebnisse so veröffentlicht werden sollen, daß die Rechtsnachfolger der rechtmäßigen Eigentümer davon Kenntnis erlangen können.101 Um den Schutz in Friedenszeiten zu gewähren, kam es zur Ausprägung nationaler Regelungen, gleichwohl wird auch hierbei eine Entwicklung hin zur Internationalisierung gesehen.102
3. Resümee Der Umgang mit Kulturgütern hat im geschichtlichen Überblick also einen Wandel erfahren.103 Im Laufe der Zeit hat sich bei Politikern ein wachsendes Bewußtsein hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit der Kulturgüter entwickelt, leider aber nicht bei den Kombattanten. Ereignisse wie die Bombardierung von Dubrovnik, die Zerstörung der Nationalbibliothek in Sarajevo und die Zerstörung der Brücke von Mostar dokumentieren die Verachtung, die Soldaten den Kulturgütern anderer Völker entgegenbringen.104 Noch aktueller zeigen die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan aufgrund eines Dekrets des Taliban-Regimes im Jahr 2001105 und die Plünderung der Museen anläßlich des Irakkrieges 2003, daß ein umfassenderer Schutzmechanismus geschaffen werden und die Bedeutung von Kulturgütern noch mehr in das Bewußtsein der Menschen treten muß. Die Frage nach dem juristischen Schicksal von vielen Gegenständen, die zur Kriegsbeute wurden, bleibt zudem nach wie vor unge-
___________ 101
Zur Konkretisierung dieser Erklärung haben die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände eine Erklärung zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, im Dezember 1999 abgegeben. 102 von Schorlemer (Anm. 2), S. 591. 103 Schmeinck (Anm. 4), S. 45. 104 Wyss (Anm. 78), in: VN 1994, S. 97. 105 Zum Kulturerbe im Bamiyan-Tal gehören die Überreste der beiden BuddhaStatuen aus dem 5. und 6. Jahrhundert, mit 53 und 38 Metern die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt. Nach ihrer gewaltsamen Zerstörung durch die Taliban im März 2001 sind sie ein Mahnmal gegen religiösen Fanatismus und Intoleranz. Im Juli 2003 hat die UNESCO die Überreste der Statuen und die zahlreichen buddhistischen Klosteranlagen und Heiligtümer sowie Festungsbauten aus islamischer Zeit in die Welterbeliste aufgenommen. Das Tal wurde wegen der vorhandenen Schäden, der Gefährdung durch Plünderer, illegalen Kunstraubs und noch nicht entsorgter Personenminen auch in die „Rote Liste“ des gefährdeten Welterbes eingetragen. Vgl. dazu Zekri, Sonja, Zwei Löcher, hundert Pläne. Das große Spiel von Bamian: Die Trümmer sind gesichert, nun soll Afghanistan über die Zukunft der zerstörten Buddhas entscheiden, in: Süddeutsche Zeitung vom 03.11.2005, Nr. 253, S. 11.
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klärt106, auch deswegen, weil man damit dem besiegten Volk eine weitere Niederlage zufügen möchte.
III. Formen der Bedrohung Die heutigen Formen der Bedrohung von Kulturgut sind vielschichtig. Sie reichen von bewaffneten Konflikten über Feuer, Wasser, Diebstahl, Naturkatastrophen, Vandalismus bis hin zum Schädlingsbefall.107 Dies verdeutlicht, daß nicht nur der Schutz vor Plünderung und Zerstörung im Krieg, sondern auch der Schutz in Friedenszeiten ins Auge gefaßt werden muß.108 Die Heterogenität der Bedrohungspotentiale109 spricht für eine Aufschlüsselung der Gefahren je nach dem, ob es sich um Kriegszeiten oder Friedenszeiten handelt. 1. Krieg und Konfliktfall Der Aspekt der Gefährdung von Kulturgütern im Krieg ist offensichtlich. Massenvernichtungswaffen können in der Regel nicht zielgenau eingesetzt werden und zerstören ganze Städte ohne Rücksicht auf die dort lebende Bevölkerung, aber auch ohne Rücksicht auf kulturelle Werte, die unwiderruflich vernichtet werden. Häufig werden absichtlich Kulturwerte zerstört, man denke etwa an die sinnlose Vernichtung Dresdens und vieler anderer deutscher Städte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, aber auch an die Zerstörung von Dubrovnik. 2. Friedenszeiten Die Gefahren für Kulturgüter in Friedenszeiten sind unterschiedlicher Art. a) Physische Einflüsse Die Bedrohungen durch Umweltgefahren haben meist irreversible Auswirkungen. Als Beispiele sind in diesem Zusammenhang die Luftverschmutzung110, aber auch die Versandung größerer Gebiete und das Vordringen tropi___________ 106
Rudolf (Anm. 82), in: FS für Doehring, S. 853 f. Vgl. von Schorlemer (Anm. 2), S. 25. 108 Stumpf (Anm. 83), S. 71. 109 von Schorlemer (Anm. 2), S. 591. 110 Die Umweltschmutzung in Athen hatte auch schwere Schäden an den antiken Kulturgütern der Stadt zur Folge. 107
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scher Vegetation zu nennen.111 Die Förderung des Denkmalschutzes ist gerade vor diesem Hintergrund hervorzuheben. Ferner besteht ein Konflikt zwischen Massentourismus112 auf der einen Seite und Kulturgefährdung113 auf der anderen Seite, insbesondere in den Gebieten, in denen Kulturgüter die Hauptattraktionen darstellen und die Menschen ins Land locken.114 So wird beispielsweise gefordert, daß die Touristenströme, die die Pyramiden oder den Machu Picchú besuchen, zahlenmäßig beschränkt werden müßten. b) Zivilisatorischer Fortschritt Auch der Fortschritt der Zivilisation birgt Gefahren für Kulturgüter in sich. So weist die Präambel der Konvention zum Schutz des Weltkulturerbes darauf hin, daß „der Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse (...) noch verhängnisvollere Formen der Beschädigung oder Zerstörung nach sich zieht“. c) Kunsthandel Der wachsende internationale Kunsthandel läßt sich von wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiten. Hieraus ergibt sich eine weltweite Zerstreuung wertvoller Kulturgüter.115 Vor allem dem illegalen Kunsthandel116 kommt großes Gewicht zu. So ist durch die enorme Nachfrage nach Kunst die Zahl der Kunstdiebstähle gestiegen.117 In modernen Industriegesellschaften, in denen existenzielle Probleme in den Hintergrund rücken, bekommen kulturelle Fragen wieder einen höheren Stellenwert.118 Dies erhöht automatisch die Nachfrage nach Privatbesitz von Kulturgütern. d) Desintegration Einen weiteren Problemaspekt für viele Kulturgüter in Form von Gebäuden und Bauten stellt die Desintegration, also die fehlende Rücksichtnahme auf das Kulturgut durch die umliegende Bebauung, dar.119 Viele Staaten haben dieses ___________ 111
Vgl. Wyss (Anm. 59), S. 94. von Schorlemer (Anm. 2), S. 110 ff. 113 Vgl. Wyss (Anm. 59), S. 97. 114 Vgl. Wyss (Anm. 59), S. 95. 115 Engstler (Anm. 55), S. 26; so auch: Schmeinck (Anm. 4), S. 62. 116 Vgl. Knott (Anm. 58), S. 24 f. 117 Schmeinck (Anm. 4), S. 26; vgl. Knott (Anm. 58), S. 25. 118 Pieroth, Bodo/Kampmann, Bernd, Außenhandelsbeschränkungen für Kunstgegenstände, in: NJW 1990, S. 1385; Jaeger (Anm. 4), S. 1. 119 So ist beispielsweise der Kölner Dom im Juli 2004 auf die Rote Liste des Welterbes genommen worden, nachdem die Stadt Köln entschieden hatte, ihre Hochhauspolitik, die den Blick auf den Dom einschränkt, fortzusetzen. 112
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Problem bereits erkannt und verfügen über nationale Gesetze, die kulturelle Aspekte in ihre Bauplanungsvorschriften einbeziehen (u. a. Ägypten, Griechenland, Spanien, Deutschland, Österreich und die Schweiz).120 Hierbei ist wichtig, daß das Schutzinteresse meist nicht nur einzelnen Objekten zu gelten hat, sondern auch ganze Gebäude-Ensemble einbezogen werden müssen. Wyss spricht hier von der „psychohygienischen Funktion der Denkmalpflege“121 als Ansatzpunkt für ein Entgegenwirken gegen die Bedrohung von Kulturgütern. Allerdings besteht ein Interessenkonflikt: Wie sind veränderte Nutzungsbedürfnisse der Eigentümer und denkmalpflegerische Interessen in Einklang zu bringen?122 Manchmal, besonders bei neuerer Architektur, ist es auch schlechthin eine Geschmacksfrage, inwieweit Schutz nötig ist.
___________ 120
Beispielsweise hat Ägypten in Artikel 16 des Gesetzes Nr. 117 vom 06.08.1983 den Kulturminister bevollmächtigt, Bauvorhaben in der Nähe von historischen Stätten zu untersagen (Text: “Collection of Legislative Texts Concerning the Protection of Movable Cultural Property“, Egypt, UNESCO 1985, CLT-85/WS 27; Gebäude dürfen gemäß Art. 13 Ziff. 4 nur mit Bewilligung der Egypt Antiquities Organization, der in Art. 5 die umfassende Kontrolle über alle Fragen der Kulturgütererhaltung übertragen wurde und die sich gemäß Art. 27 Abs. 3 um die Entwicklung einer “archaeological awarness by all means“ bemühen soll, baulich verändert oder renoviert werden). Ähnliche Vorschriften finden sich in der griechischen „Antiquities Act“ vom 09.08.1932 in Verbindung mit Act 14469/1950 “Concerning Protection of a Special Category of Edifices and Works of Art Subsequent to 1830“, dessen Artikel 52 Abs. 1 die Veränderung von vor 1830 entstandenen Bauten und historischen Stätten von einer Bewilligung des Erziehungsministeriums abhängig macht (Text: UNESCO-Collection, Greece, CC-87/WS 5). Das spanische Gesetz 16/1985 über das spanische historische Erbe vom 25.06.1985 betrifft den Schutz großräumiger Denkmalkomplexe (Text: UNESCO-Collection, Spain, CC-88/WS 6.): Artikel 15 unterscheidet Denkmäler, historische Gärten, historische Komplexe und Stätten sowie archäologische Gebiete (“Historical Complex“, “Historical Site“, “Archaeological Area“), die durch Gesetz oder königliches Dekret zu Objekten von nationalem kulturellem Interesse erklärt werden können. Auf diese Weise registrierte Objekte umfassen gemäß Art. 18 auch ihre Umgebung (“An immovable item declared Property of Cultural Interest is inseparable from its surroundings“), die ihrerseits nicht ohne entsprechende Bewilligung verändert werden darf. Das Kriterium der Sichtbarkeit eines gesamten Komplexes schützt die “Cultural Heritage Act“ Ecuadors vom 02.07.1979 mit der Begründung, daß die Umgebung einen integrativen Bestandteil des eigentlichen Kulturgutes darstellt (Art. 7 des Gesetzes Nr. 865; Text: UNESCOCollection, Ecuador, CLT-85/WS 23). Vgl. dazu Wyss (Anm. 59), S. 105 f. 121 Wyss (Anm. 59), S. 107. 122 Wyss (Anm. 59), S. 109.
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IV. Zuordnungsproblematik: nationale contra internationale Ebene 1. Nationale Zugehörigkeit a) Problematik der Zuordnung von Kulturgütern Das Konzept der nationalen Zuordnung von Kulturgütern,123 dem vor allem wirtschaftlich arme Länder mit hohem Kulturgutaufkommen anhängen, hat zum Inhalt, daß Kulturgut, welches aus einem Land oder Kulturkreis hervorgeht, grundsätzlich auch in diesem verbleiben soll. Kulturgüter sind aber in der Regel nur schwer einer Nationalität bzw. einem Volk zuzuordnen. Gehört ein von einem Chinesen in den USA zu einem aztekischen Symbol bearbeiteter Bernstein nach China, in die USA, nach Mexiko oder an die Samlandküste? Es stellt sich ferner die Frage, ob unter Umständen auch ausländische Werke als nationale Kulturgüter qualifiziert werden können. So differenziert beispielsweise das deutsche Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. August 1955124 nicht nach den Ursprüngen eines Objekts. Es kann also ein in fremden Ländern entstandenes Kunstwerk nationales Kulturgut sein. Die Nofretete und der Pergamon-Altar sind bekannte Beispiele für die Zuordnungsproblematik.125 Mußgnug ist 1976 in diesem Zusammenhang der Meinung, daß eine Musterlösung nicht im Haager Abkommen, geschweige denn irgendwo anders zu finden sei.126 Ähnlich schwierig gestaltet sich die Umsetzung einer Repatriierung der Kulturgüter. Beispiele hierfür sind die Elgin-Marbles127, die Nofretete und der Pergamon-Altar128. Schwer lösbare Probleme bestehen, wenn es um das Schicksal ___________ 123
Jaeger (Anm. 4), S. 2 f. Das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 06.08.1955 verpflichtet die die Länder, das nationale Erbe vor der Abwanderung zu bewahren. Danach sind Kunstwerke und anderes Kulturgut einschließlich Bibliotheksgut, deren Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde und Archive, archivalische Sammlungen, Nachlässe und Briefsammlungen mit wesentlicher Bedeutung für die deutsche politische Kultur- und Wirtschaftsgeschichte in ein „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ bzw. „Verzeichnis wertvoller Archive“ einzutragen. Text: BGBl. 1955 I, S. 501 ff. 125 Mußgnug, Reinhard, Wem gehört Nofretete?, 1977, S. 7 ff.; Gornig (Anm. 25), in: Gornig/Schiller/Wesemann, S. 61 ff. 126 Mußgnug (Anm. 125), S. 13. 127 Dargestellt in: Hugger, Heiner, Rückführung nationaler Kulturgüter und internationales Recht am Beispiel der Elgin Marbles, in: JuS 1992, S. 997 ff.; vgl. Knott (Anm. 58), S. 136. 128 Gornig (Anm. 25), in: Gornig/Schiller/Wesemann, S. 61 ff. 124
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von Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien129, aus von einer Staatensukzession betroffenen Gebieten oder aus Regionen, hinsichtlich derer ein Bevölkerungsaustausch vorgenommen wurde, geht. Möglicherweise stehen sich hier sogar nationale Zuordnung und Kulturgüterschutz unversöhnlich gegenüber.130 Zuallererst ist allerdings entscheidend, ob das Objekt trotz fremden Ursprungs rechtmäßig erworben wurde, also beispielsweise der ordnungsgemäße Ankauf eines ausländischen Objekts durch ein Museum oder einen Staatsangehörigen vorliegt.131 Ist das der Fall, stellt sich die Frage der nationalen Zugehörigkeit nicht. b) Bestimmung der nationalen Zugehörigkeit Für die Bestimmung der nationalen Zugehörigkeit eines Kulturguts fehlen einheitliche Kriterien. Jedenfalls gehören nur diejenigen Objekte, die die Qualität eines Kulturguts aufweisen und auf besondere Weise mit dem Staat verbunden sind, zum nationalen Kulturerbe. Diese besondere Verbindung mit dem Staat kann sich aus verschiedenen Faktoren ergeben: Der Bezug zu einem Staat kann bestimmt werden –
durch die Person des Künstlers, nämlich dessen Staatsangehörigkeit, dessen Lebensort, dessen aktuellem Aufenthalt, der Dauer des Aufenthaltes,
–
ferner durch den typischen Charakter des Kunstwerks,
–
dessen Erschaffungsstätte,
–
aber auch durch die Herkunft des verwendeten Materials132,
–
durch die Tatsache des Fundes auf dem Territorium des Schutzstaates, etwa bei einer archäologischen Grabung,
–
durch die Zugehörigkeit zu einer unbeweglichen Sache,
–
durch den Ursprung oder die Herkunft des Kulturguts (Prinzip des “district d'origine”)133,
___________ 129
Fechner (Anm. 81), S. 101. Streinz (Anm. 14), S. 163; vgl. auch: von Schorlemer (Anm. 2), S. 313 ff. Vgl. auch den Beitrag von Rusu in diesem Band. 131 Vgl. von Schorlemer (Anm. 2), S. 61. 132 Vgl. Jaeger (Anm. 4), S. 11; aufgezählt auch in der UNESCO-Konvention 1970, Art. 4, auch in: Jayme, Erik, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer, Rudolf/Jayme, Erik/Mußgnug, Reinhard (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 42 ff.; Jayme, Erik, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsproblem im internationalen Kulturgüterschutz, 1991, S. 14 ff. 130
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–
durch das „patrimoine intellectuel“134.
Auch in der UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut vom 14. November 1970 wird eine besondere Verbindung zu einem Staat gefordert, wenn dieses Kulturgut seinem kulturellem Erbe zugerechnet werden soll. Hier kann die besondere Verbindung (connection test) auf fünffache Weise zustande kommen (Art. 4). Einem Staat gehört –
Kulturgut, das entweder von Staatsangehörigen eines Staates oder innerhalb der Grenzen des Staates von ausländischen Staatsangehörigen oder staatenlosen Personen, die innerhalb des Gebiets wohnen, geschaffen wurde (nationaler Schöpfungsakt),
–
Kulturgut, das innerhalb des nationalen Gebiets gefunden wurde (Fund auf nationalem Territorium),
–
Kulturgut, welches mit der Zustimmung der zuständigen Behörden des Ursprungslandes von archäologischen, ethnologischen oder auch naturwissenschaftlichen Missionen erworben wurde (rechtmäßiger Erwerb im Ausland),
–
Kulturgut, das Gegenstand eines vereinbarten kulturellen Austausches war (Austausch),
–
Kulturgut, das als Geschenk empfangen wurde oder mit der Zustimmung der zuständigen Behörde vom Ursprungsland rechtmäßig gekauft wurde (Erwerb im Inland).
Die erste Kategorie knüpft an die Personalhoheit des Staates an, die zweite an die Gebietshoheit. In den übrigen Fällen liegt eine Willenseinigung vor, die es erlaubt, dem Staat das entsprechende Kulturgut als sein Erbe zuzurechnen.135 Eine Zeitangabe, wie lange ein Objekt einem Land zugerechnet werden muß, fehlt. Alle diese Kriterien geben allerdings keineswegs eine eindeutige Auskunft über die Zugehörigkeit eines Kulturguts zu einem bestimmten Staat. So kann es Probleme geben, wenn eine Person vorübergehend in einem fremden Staat lebt und dort Kunstwerke schafft. Es kann daher möglich sein, daß sowohl der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Künstler hat, das Werk beansprucht als auch der Staat, in dem das Kunstwerk geschaffen wurde. Die Personalhoheit ___________ 133
Es wird festgestellt, daß die auszuliefernden Güter sich auf dem betreffenden Territorium befanden und von dort weggebracht wurden. 134 Nach diesem Prinzip wird als Herkunftsterritorium das Gebiet angesehen, das – nach Abwägung mit den Interessen der Bewohner des von der Auslieferung betroffenen Territoriums – mit dem Kulturgut am engsten verbunden ist. 135 Vgl. hierzu auch von Schorlemer (Anm. 2), S. 61 f.
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und die Gebietshoheit stehen damit in Konkurrenz. Da Art. 4 der UNESCOKonvention keine Rangfolge für die einzelnen Verbindungen erkennen läßt, kann es Situationen geben, in denen also zwei oder mehrere Staaten zur selben Zeit das nationale Kulturgut für sich beanspruchen. Art. 17 Abs. 5 der UNESCO-Konvention von 1970 sieht lediglich vor, daß die UNESCO auf Ersuchen von mindestens zwei Parteien des Übereinkommens, zwischen denen eine Streitigkeit über die Durchführung des Übereinkommens entstanden ist, ihre guten Dienste anbietet, um die Kontroverse beizulegen.
2. Internationale Ebene Wegen der Schwierigkeit der Lösung des Problems der nationalen Zuordnung zeigt das Prinzip des Common Heritage of Mankind einen anderen Weg auf. Nach dem Common Heritage-Prinzip werden Kunst und Kulturgut als das gemeinschaftliche Erbe der Menschheit verstanden und auch Ansprüche hierauf begründet. Diese Ansicht teilen in erster Linie am Kunsthandel Beteiligte, ferner Staaten, die Kulturgut importieren möchten und Staaten, die in Kolonialzeiten und Kriegszeiten erworbenes Gut nicht herausgeben wollen. Der Begriff stammt aus dem Recht des Tiefseebergbaus. Das Prinzip hat sich völkerrechtlich auch für andere Bereiche außerhalb nationalstaatlicher Hoheitsgebiete durchgesetzt (Hohe See, Weltraum, Antarktis) und ist daher nicht ohne weiteres auf ein Kunstwerk übertragbar.136 Er wird dennoch in den Debatten der UNO und ihren Sonderorganisationen – teils in leichter Abweichung – verwendet, wenn es um den Schutz von Kulturgut geht.137 Die Zielrichtung des Begriffs bleibt gleichwohl unklar,138 auch ist die Entnationalisierung durch Erklärung zum Weltkulturerbe139 nicht ganz unproblematisch. Jedenfalls ist zuzugeben, daß es bei einer Straftat an einem Kulturgut keine Rolle spielt, ob das Kulturgut aus dem einen oder anderen Staat stammt. Kulturgüter gehören zum Erbe der Menschheit, so daß jeder Staat verpflichtet ist, Kulturgut zu schützen, egal, wem es zugewiesen ist. Von Staaten im Besitz wertvollen fremden Kulturguts wird die Frage des Aufbewahrungsortes des Kulturgegenstandes daher gerne unter Berufung auf das Common HeritagePrinzip als gegenstandslos hingestellt.
___________ 136
Dargestellt in: Jayme (Anm. 132), S. 14. Paech, Norman/Stuby, Gerhard, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, S. 797. 138 Paech/Stuby (Anm. 137), S. 798. 139 Jayme (Anm. 132), S. 13. 137
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V. Organisationen und Institutionen Kulturgüterschutz auf internationaler Ebene ist nur möglich, wenn Organisationen und Institutionen länderübergreifend tätig werden. Neben der legislativen Arbeit ist auch praktisches Tätigwerden von großer Relevanz. 1. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) mit ihrem Hauptsitz in Paris wurde durch den Vertrag vom 16. November 1945 gegründet. Sie ist eine unabhängige internationale Organisation und unterliegt somit nicht der Kontrolle der Vereinten Nationen. Unter den Sonderorganisationen der UNO weist die UNESCO eine Besonderheit auf: Den Mitgliedstaaten wird nämlich die Bildung von nationalen Kommissionen nahe gelegt.140 Die UNESCO agiert im Bereich des Kulturgüterschutzes weltweit. Zu den Aktivitäten der Organisation gehören die Anfertigung von Konventionen und Empfehlungen sowie die Förderung von Studien und politischen Programmen. Von der UNESCO initiierte Konferenzen leisten einen wichtigen Beitrag, Probleme und Fragestellungen auf dem Gebiet des Kulturgüterschutzes zu erfassen und Lösungen aufzuzeigen.141
___________ 140 Art. VII der Satzung der UNESCO; die UNESCO hat 191 Mitgliedstaaten, die nationale UNESCO-Kommissionen eingerichtet haben. Diese Nationalkommissionen, die es bei anderen UNO-Organisationen nicht gibt, beziehen die mit Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation befaßten Organisationen und Institutionen des jeweiligen Landes in die Planung, Verwirklichung und Evaluierung des breit gefächerten UNESCO-Programms ein. Die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) ist eine Mittlerorganisation der Auswärtigen Kulturpolitik. Sie wirkt als Bindeglied zwischen Staat und Wissenschaft sowie als nationale Verbindungsstelle in allen Arbeitsbereichen der UNESCO. Ihre Aufgabe ist es, die Bundesregierung und die übrigen zuständigen Stellen in UNESCO-Belangen zu beraten, an der Verwirklichung des UNESCO-Programms in Deutschland mitzuarbeiten, die Öffentlichkeit über die Arbeit der UNESCO zu informieren und Institutionen, Fachorganisationen und Experten mit der UNESCO in Verbindung zu bringen. 141 Das Kulturprogramm der UNESCO arbeitet weltweit für die Erhaltung des kulturellen Erbes und die Förderung der kulturellen Vielfalt. Die UNESCO war federführend für die von der UNO-Generalversammlung ausgerufene Weltdekade für kulturelle Entwicklung (1988-1997), die die Anerkennung der kulturellen Dimension jeder Entwicklung forderte. Neue Akzente haben die Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ mit ihrem 1995 vorgelegten Bericht „Unsere kreative Vielfalt“ sowie die Weltkonferenz „Kulturpolitik für Entwicklung“ im April 1998 in Stockholm gesetzt. Im November 2001 hat die UNESCO die Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt verabschiedet.
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2. International Institute for the Unification of Private Law Das International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT) ist eine unabhängige intergouvernementale Organisation mit Sitz in Rom, die bereits 1926 gegründet wurde. Ziel von UNIDROIT ist die Ausarbeitung von Möglichkeiten zur Harmonisierung und Koordinierung der Privatrechtsordnungen von Staaten und Staatengruppen sowie die schrittweise Vorbereitung der staatlichen Übernahme einheitlicher Privatrechtsnormen. UNIDROIT ist mit der Vereinheitlichung des Privatrechts, aber auch mit Fragen des Kulturgüterschutzes beschäftigt142.
3. International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property Das International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property (ICCROM) wurde im Jahr 1959 von der UNESCO gegründet. Der Sitz des ICCROM ist Rom. Beteiligt sind an dem Forschungszentrum über 100 Staaten. Es ist die einzige Einrichtung ihrer Art mit einem weltweiten Mandat, die Erhaltung aller Arten von kulturellem Erbe zu fördern, egal, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Kulturgüter handelt. ICCROM macht es sich zur Aufgabe, die Qualität der Erhaltungsmaßnahmen zu verbessern und das Bewußtsein von der Wichtigkeit des Schutzes des Kulturerbes zu stärken.
4. International Council on Monuments and Sites Der Internationale Rat für Denkmalpflege (International Council on Monuments and Sites - ICOMOS) wurde 1965 in Warschau gegründet, ein Jahr nach der Unterzeichnung der Charta von Venedig, der Internationalen Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles. ICOMOS ist eine internationale nicht-staatliche Organisation, die sich weltweit für den Schutz und die Pflege von Denkmälern und Denkmalbereichen und die Bewahrung des historischen Kulturerbes einsetzt. ICOMOS beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbe-Komitees und an der Erfüllung der UNESCO-Konvention zum Weltkulturerbe. Nationalkomitees bestehen bereits in mehr als 110 Ländern.143 ICOMOS hat außerdem 21 Internatio___________ 142
Zum UNIDROIT-Übereinkommen vom 24.06.1995 vgl. unten V.1.a)ee). Das deutsche Nationalkomitee von ICOMOS setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Erhaltung von Denkmälern, Ensembles und Kulturlandschaften ein. Um die Fachwelt und Öffentlichkeit zu beraten und das öffentliche Interesse für 143
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nale Wissenschaftliche Komitees. Sitz des Internationalen Sekretariats von ICOMOS ist Paris. Seine Empfehlungen haben zwar keine rechtliche Verbindlichkeit, erhalten ihren Wert jedoch durch faktische Befolgung, soweit allgemeine Empfehlungen überhaupt auf den Einzelfall anzuwenden sind.144
5. Europarat Der Europarat hat die „Aufgabe, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zum Schutz und zur Förderung der Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, herzustellen und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern“ (Art. 1 lit. a Satzung des Europarats). Die Aufgaben sollen „durch Beratung von Fragen von gemeinsamem Interesse, durch den Abschluß von Abkommen und durch gemeinschaftliches Vorgehen auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet und auf den Gebieten des Rechts und der Verwaltung sowie durch den Schutz und die Fortentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ erfolgen (Art. 1 lit. b Satzung des Europarats).
6. Europäische Union Maßnahmen der EU zum Kulturgüterschutz waren bisher selten. Das liegt an dem Umstand, daß die EU in erster Linie wirtschaftliche Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes mit seinen Grundfreiheiten trifft und ihr nur ungern Kompetenzen im Kulturbereich von den Mitgliedstaaten zugestanden werden.145 Die Suche nach einer breiteren Legitimität und der Wunsch, die Zusammengehörigkeit der europäischen Bürger zu stärken, führten jedoch zu einer deutlichen Zunahme gemeinschaftlicher Initiativen auf kulturellem Gebiet
___________ Denkmalschutz und Denkmalpflege zu fördern, ist das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS u. a. in folgenden Bereichen aktiv: Monitoring und Information zu den deutschen Denkmälern auf der Liste des Weltkulturerbes, Vorbereitung und Durchführung von internationalen Kolloquien und Tagungen zu Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, Publikation der Tagungsergebnisse und wichtiger Grundsatzpapiere zur Denkmalpflege, Zusammenarbeit mit anderen Nationalen Komitees sowie mit verschiedenen nationalen Gremien (Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, Deutsche UNESCO-Kommission, Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz) und mit internationalen Organisationen (UNESCO, ICCROM, Europarat). Vgl. http://www.icomos.org/ger many. 144 Fechner (Anm. 81), S. 97. 145 Bila, Jacqueline, Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, Diss. Bonn, 1997, S. 29; Fechner (Anm. 81), S. 79.
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und zur Entwicklung einer eigenständigen „europäischen Kulturpolitik“, die auch zunehmend für den Kulturgüterschutz relevant wurde.146 Der eigentliche Beginn „europäischer Kulturpolitik“ ist in den siebziger Jahren zu verzeichnen.147 Der Grundstein ist durch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Mai 1974 zum Schutz des europäischen Kulturguts148 gelegt worden, in der insbesondere der Rat aufgefordert wurde, sich mit Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz des europäischen Kulturguts sowie anderen kulturellen Fragen zu befassen, bei denen ein gemeinschaftsrechtliches Vorgehen möglich und wünschenswert ist.149 In der Folgezeit vollzog sich die Entwicklung der Gemeinschaftsaktion auf der Grundlage einer Mitteilung der Kommission an den Rat über die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich im Jahre 1977150. Die Mitteilung betrifft u. a. den freien Handel mit Kulturgütern, die Steuerharmonisierung im Kulturbereich, die Harmonisierung des Urheberrechts, Maßnahmen zur Förderung des Kulturaustausches und zur Erhaltung von Baudenkmälern und die Notwendigkeit, gegen den illegalen Kunsthandel auf Gemeinschaftsebene vorzugehen.151 Seitdem finden regelmäßig Zusammenkünfte der für Kulturfragen zuständigen Minister der Mitgliedstaaten im Rat statt, die in der Regel zu Entschließungen auf Ratsebene führen und inhaltlich die unterschiedlichsten kulturellen Gebiete und damit auch den Kulturgüterschutz betreffen.152 In den achtziger Jahren folgten weitere Initiativen auf kulturellem Sektor. Maßgeblich ist die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 12. Oktober 1982 mit dem Titel „Verstärkung der Gemeinschaftsaktionen im Bereich Kultur“153, die sich, wenn auch nicht schwerpunktmäßig, mit dem freien Austausch von Kulturgütern und der Erhaltung des architektonischen Erbes befaßt.154 Die 1987 folgende Mitteilung über neue Impulse für die Aktion der Europäischen Gemeinschaft im kulturellen Bereich155 stellt ein Rahmenprogramm für die Aktivitäten der Gemeinschaft im Kulturbereich vor. Für den engeren Kulturgüterschutz bedeutsam sind zudem die Entschließungen des Europäischen Parlaments von 1982 und ___________ 146 147
von Schorlemer (Anm. 2), S. 479. Vgl. den Beitrag von Fechner in diesem Band. Schmahl, Stefanie, Kulturkompetenz der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S.
31. 148
ABl. Nr. C 62 vom 30.05.1974, S. 5. Bila (Anm. 146), S. 32; Niedobitek, Matthias, Kultur und Europäische Gemeinschaft, 1992, S. 60 f. 150 Mitteilung der Kommission an den Rat vom 22.11.1977 über die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich (Bulletin EG, Beilage 6/1977, S. 5). 151 Bila (Anm. 146), S. 30 f.; von Schorlemer (Anm. 2), S. 481. 152 Schmahl (Anm. 148), S. 32; Bila (Anm. 146), S. 34 f. 153 Bulletin EG, Beilage 6/1982, S. 8. 154 Schmahl (Anm. 148), S. 32. 155 KOM (87) 603 endg. vom 14.12.1987. 149
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1988 zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes156. Bezüglich der Abschaffung der Binnengrenzen ist insbesondere die Mitteilung der Kommission an den Rat über den Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Hinblick auf die Beseitigung der Binnengrenzen im Jahre 1992157 zu nennen. Hauptelement dieser Mitteilung bildet das Vorhaben, eine ausgleichende Maßnahme zum Wegfall der Binnengrenzen nach dem 31. Dezember 1992 zu schaffen, um den Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene die Durchsetzung ihrer nationalen Kulturgutschutzbestimmungen i. S. d. Art. 30 EG-Vertrag (EGV) zu ermöglichen.158 Es existierten damit auf europäischer Ebene bis zur jetzigen Gemeinschaftskonzeption keine europäischen Regelungen im Kulturgüterschutzbereich, welche alle Mitgliedstaaten verpflichteten, Schutzregeln auch hinsichtlich ausländischer Kulturgüter anzuwenden und deren Ausfuhr zu verhindern. Zwar bestanden die unterschiedlichsten Mitteilungen, Entschließungen und Aktionsprogramme, aber ohne eine Verpflichtung zur Rückgabe von unter Verstoß gegen nationale Ausfuhrverbote verbrachten Kulturgütern.159 Das Begehren eines Mitgliedstaates auf Rückgabe illegal ausgeführter Kulturgüter war bis zur Einführung des gegenwärtig bestehenden Schutzsystems nur durch Staatsverträge durchzusetzen.160
7. Weitere Organisationen Um die Liste der Organisationen und Institutionen zu vervollständigen ohne weiter auf Details einzugehen, sind noch der International Council of Museums (ICOM) und in diesem Zusammenhang auch der Code of Professional Ethics zu nennen. Mit Kulturgüterschutz befassen sich zudem auch die International Foundation for Art Research (IFAR)161 in New York und das Art Loss Register (ALR)162. ___________ 156
Entschließung zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes vom 14.09.1982 (ABl. Nr. C 267 vom 11.10.1982, S. 25 ff.) und vom 28.10.1988 (ABl. Nr. C 309 vom 05.12.1988, S. 423 f.). 157 KOM (89) 594 vom 22.11.1989. 158 Bila (Anm. 146), S. 32. 159 Bila (Anm. 146), S. 35. 160 Walter, Bernhard, Rückführung von Kulturgütern im internationalen Recht, 1988, S. 71. 161 Die International Foundation for Art Research (IFAR) ist eine nicht auf Gewinn abzielende Organisation, die sich der Echtheit der Kunstwerke widmet. IFAR bietet unparteiisch maßgebliche Auskünfte über beispielsweise Echtheit, Besitz und Diebstahl von Kunstgegenständen an. IFAR wurde 1969 gegründet, um die Öffentlichkeit über
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Des Weiteren sind im Zusammenhang mit ihren eigentlichen Tätigkeiten am Rande auch die Kommission für internationales Recht163, die International Law Association (ILA) 164, das Institut de Droit International 165 und Interpol166 mit dem Schutz von Kulturgütern befaßt.167
VI. Rechtsgrundlagen des internationalen Kulturgüterschutzes Der Kulturgüterschutz wurde zunächst als Bestandteil des humanitären Völkerrechts als Teil des Kriegsrechts, der den unmittelbaren Schutz von Personen im Fall von Konflikten gewährleisten soll, gesehen.168 Heute wird der Kulturgüterschutz nicht mehr nur auf den Schutz im Konfliktfall reduziert, sondern ___________ Probleme in der Kunstwelt zu informieren, Kunstwerke zu erforschen und deren Echtheit zu bestätigen. 162 Das Art Loss Register (ALR) ist die größte private EDV-Datenbank zur Aufklärung von Kunstdiebstählen weltweit. Mit gegenwärtig mehr als 120.000 detailliert registrierten, gestohlenen Sammlerstücken und Wertgegenständen, die täglich mehr werden, und mit qualifizierten mehrsprachigen Kunsthistorikern, die weltweit in den Büros London, New York, Köln und St. Petersburg arbeiten, bildet das ALR ein schlagkräftiges Instrument gegen die internationale Kunstkriminalität. Durch kontinuierliches Abgleichen aktueller Handelsware von Auktionshäusern, Galerien und Händlern mit dem Datenbestand leistet das ALR in Kooperation mit der Polizei einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung von Kunstdiebstahl, zur Verhinderung von Versicherungsbetrug und schließlich zur Eindämmung von Kunstkriminalität. Statistisch wird jeder vierte Fall aufgeklärt, so daß bislang Hehlerware mit einem Gesamtwert von mehr als 100 Mio. US-$ identifiziert werden konnte. 163 Streinz (Anm. 14), S. 196 ff. 164 Hauptziele sind das Studium und die Entwicklung des allgemeinen und privaten internationalen Rechts. Es wird in verschiedenen internationalen Ausschüssen gearbeitet. Auf alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen werden diese Arbeiten diskutiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. 165 L' Institut de Droit international wurde am 08.09.1873 im Rathaus von Gent in Belgien gegründet. Elf renommierte Völkerrechtler schlossen sich zusammen, um ein unabhängiges Institut zu schaffen, das sich der Entwicklung des internationalen Rechts widmen sollte. Es erhielt 1904 den Friedensnobelpreis. 166 Ziel von Interpol ist die umfassende Unterstützung aller kriminalpolizeilichen Behörden und anderer Einrichtungen, die unter Berücksichtigung nationaler Gesetze und der Menschenrechte zur Verhütung oder Bekämpfung von Verbrechen beitragen können. Die Hauptfunktionen der Organisation sind die Gewährleistung eines globalen Kommunikationssystems, die Bereitstellung von Datenbanken für die Informationsverarbeitung, die Benachrichtigung der Mitgliedstaaten über gesuchte Personen, Koordinierung gegenseitiger Unterstützungsmaßnahmen durch Entsendung von technischen Spezialisten und Zurverfügungstellung von Ausrüstung (technische Hilfe) und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in Bereichen Forschung, Aus- und Fortbildung, Ausrüstung, Einsatz von Personal und Hilfsmitteln. Interpol wird durch die jährlichen Zahlungen der Mitgliedstaaten finanziert. 167 Dargestellt in: Streinz (Anm. 14), S. 196 ff. 168 Streinz (Anm. 14), S. 41 f.
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durch ihn auch den bereits angeführten vielschichtigen und nuancenreichen Gefahren in Friedenszeiten begegnet. 1. Internationale Regelungen a) Weltweite Abkommen aa) Haager Konvention vom 14. Mai 1954 Zu den bedeutendsten Regelungen im Kulturgüterschutz gehört die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954169. Mit ihr wurde die Haager Landkriegsordnung weiterentwickelt170. Die Haager Konvention von 1954 definiert das von ihr geschützte Gut. Sie enthält keine „Allbeteiligungsklausel“ 171, d. h. sie ist im Gegensatz zu vorangegangenen Regelungen auch dann anzuwenden, wenn nichtunterzeichnende Staaten beteiligt sind. Dadurch wird der Anwendungsbereich deutlich erweitert. Die als „bedeutendes Vertragsrecht des Kriegsvölkerrechts“ 172 anerkannte Konvention verpflichtet in Art. 3 die Staaten, bereits in Friedenszeiten die Sicherung des auf ihrem Gebiet befindlichen Kulturguts gegen die absehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts vorzubereiten. Dies hat auch einen gewissen Schutz der Kulturgüter in Friedenszeiten zur Folge.173 So kann in Friedenszeiten eine Kennzeichnung des Kulturgutes vorgenommen werden. Ein Schild verdeutlicht174, daß das jeweilige Kulturgut nicht nur eine nationale, sondern eine weltkulturelle Bedeutung hat. Art. 4 enthält die Verpflichtung, das Kulturgut selbst, seine Umgebung oder die zu seinem Schutz bestimmte Einrichtung nicht so zu nutzen, daß diese im Konfliktfall zum Angriffsziel werden könnten. Absatz 2 sieht aber eine Ausnahme für die Fälle vor, in denen „die militärische Notwendigkeit dies zwingend erfordert“. Die Zentralnorm der Konvention ver___________ 169
Deutscher Text: BGBl. 1967 II, S. 1235 ff. Internationale Quelle: UNTS, vol. 249, S. 215 ff. 170 Fechner (Anm. 81), S. 87. 171 Vgl. von Schorlemer (Anm. 2), S. 594. 172 Hartwig, Bernd, Die Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, in: NZWehrR, 1967, S. 97 ff. (97), 145 ff. 173 Fechner (Anm. 81), S. 89; Kilian (Anm. 76), in: NZWehrR 1983, S. 52 und 57. 174 Das Kennzeichen der Konvention besteht aus einem nach unten hin spitzen Schild in Ultramarinblau und Weiß. Der Schild wird aus einem ultramarinblauen Quadrat, dessen eine Ecke die Spitze des Schildes darstellt, und aus einem oberhalb des Quadrats befindlichen ultramarinblauen Dreieck gebildet, wobei der verbleibende Raum auf beiden Seiten von je einem weißem Dreieck ausgefüllt wird. Vgl. dazu Art. 16 Abs. 1 der Konvention.
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bietet im bewaffneten Konflikt jede direkte Attacke oder Maßnahme gegen Kulturgut oder dessen Aneignung, Zerstörung oder Diebstahl.175 Als erstem Dokument dieser Art wird der Haager Konvention aus dem Jahr 1954 beachtliche moralische und psychologische Wirkung zugeschrieben176, zumal dieses auch der erste Vertrag mit weltweitem Anspruch ist, der sich ausschließlich mit den Fragen zum Schutz von Kulturgütern beschäftigt.177 Durch Art. 28, der die Verpflichtung enthält, alle zu bestrafen, die sich einer Verletzung der Konvention schuldig gemacht haben, ist die Gefährdung von Kulturgütern zum „Weltverbrechen“ geworden. Es findet sogar eine rangartige Gleichsetzung mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus statt.178 Bedauerlich ist die Beschränkung der Konvention auf bewaffnete Konflikte.179 Positiv anzumerken ist, daß auch Archivgut geschützt ist. Eine Schwäche enthalten die Art. 8 und 9: Zwar ermöglichen sie den Sonderschutz von unbeweglichen Kulturgütern mit sehr hoher Bedeutung, dennoch sind hier Einschränkungen, die sich auf die praktische Durchsetzbarkeit auswirken, zu finden. So kann z. B. der Kölner Dom wegen des Hauptbahnhofes in unmittelbarer Nähe erst gar nicht unter solchen Schutz gestellt werden.180 In Westeuropa ist die Besiedlung generell zu dicht, um allen Anforderungen gerecht werden zu können.181 Fraglich ist weiterhin, ob im Gefecht Kulturgüter vom Laien überhaupt erkannt werden können, damit der vertraglich zugesicherte Schutz durch ihn zum Tragen kommt. Durch moderne Waffen sind Schütze und Ziel schließlich so weit auseinander, daß man in der Regel keine Kenntnis von Kulturgütern in der Nähe eines möglichen Zieles hat. Bei flächendeckenden Zerstörungen wird die Erhaltung von Kulturgütern sowieso zur Illusion.182 Die Funktionalität der Haager Konvention ist stark abhängig von der aktuellen Schutzpolitik der offiziellen Stellen.183 Im Golfkrieg 1990/91 gab es weder Kommissare für Kulturgut noch wurde bei Angriffen Rücksicht auf Kulturgüter genommen; vielmehr wurden diese, wie das kuwaitische Nationalmuseum, vorsätzlich zerstört. Im jugoslawischen Bürgerkrieg wurden systematische Angriffe auf Kulturgüter ausgeführt; der historische Stadtkern von Dubrovnik, der sogar durch eine
___________ 175 176 177 178 179 180 181 182
Vgl. Art. 4 III der Konvention. Kilian (Anm. 76), in: NZWehrR 1983, S. 56. Herzog (Anm. 15), S. 142. Kilian (Anm. 76), in: NZWehrR 1983, S. 54. Fechner (Anm. 81), S. 91. Hartwig (Anm. 173), in: NZWehrR 1967, S. 146. Hartwig (Anm. 173), in: NZWehrR 1967, S. 146. Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 90; Hartwig (Anm. 173), in: NZWehrR 1967,
S. 150. 183
Fechner (Anm. 81), S. 90.
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Flagge der UNESCO gekennzeichnet war, wurde fast komplett vernichtet. Die Eingriffs- und Kontrollkompetenzen werden daher als lückenhaft angesehen.184 bb) UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 Das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut vom 14. November 1970185 zeichnet sich im Grundgedanken durch einen „kulturellen Nationalismus“ aus, vergleicht man es mit den vorangegangenen Erläuterungen zum Haager Abkommen.186 Das Übereinkommen aus dem Jahr 1970 soll die Effektivität der einzelnen nationalen Exportverbotsbestimmungen erweitern.187 Handelsbeschränkungen sollen insgesamt als völkerrechtliches Instrument in Friedenszeiten dienen. Ziel ist auch der Schutz vor „Kulturausverkauf“ schwächerer Länder an reiche Nationen, an Museen oder Privatsammlungen.188 Das Abkommen wird aus verschiedenen Gründen kritisch beurteilt: Der Gedanke des Schutzes von fremdem Kulturgut ist nicht konsequent, es finden sich Lücken im Bereich von Kulturgütern aus Nichtvertragsstaaten und von im Herkunftsland nicht erfaßten Kulturgütern.189 Es geht ferner nur um die zwischenstaatliche Ebene. Privatrechtliche Rückgabeforderungen von Einzelpersonen sind nicht vorgesehen. Manche Staaten haben, wohl aus Furcht, daß früher rechtswidrig erworbene Gegenstände zurückgegeben werden müssen, nicht unterzeichnet.190 In erster Linie haben solche Staaten ihr Interesse an der Unterzeichnung bekundet, bei denen der Export von Kulturgütern den Import deutlich übersteigt.191 Gleichwohl ist das Abkommen von 100 Staaten ratifiziert worden. Von den westeuropäischen Staaten ist nur Italien beigetreten.192 Das Abkommen wird als wichtiges multilaterales Übereinkommen zum Schutze von Kulturgütern qualifiziert.193
___________ 184
Wyss (Anm. 59 ), in: VN 1994, S. 93. Text: BT-Drs. VI/3511; UNTS, vol. 823, S. 231; ILM, Bd. 10 (1971), S. 289 ff. 186 Vgl. Rudolf (Anm. 82), in: FS für Doehring, S. 861. 187 Vgl. Streinz (Anm. 14), S. 81. 188 Vgl. Rudolf (Anm. 82), in: FS für Doehring, S. 865. 189 Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 96. 190 Es handelt sich um Staaten, denen es wirtschaftlich gut geht und die in ihrer Kolonialzeit oder in der Kriegszeit Kunstwerke entführt haben. Vgl. auch Schmeinck (Anm. 4), S. 55; Jaeger (Anm. 4), S. 19. 191 Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 96. 192 Vgl. Schmeinck (Anm. 4), S. 55. 193 Vgl. Jaeger (Anm. 4), S. 19. 185
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cc) Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes vom 23. November 1972 Sowohl Naturkatastrophen als auch weiter reichende Infrastrukturmaßnahmen zeigen die Notwendigkeit einer internationalen Kooperation. Die ad hocHilfe der UNESCO bei der Rettung der Tempelanlagen von Abu Simbel (1960) und die Hilfe zur Rettung von Kunstschätzen bei Überschwemmungskatastrophen (Venedig/Florenz, 1966) war Anstoß zur Schaffung eines verbindlichen Schutzsystems194 im Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes vom 23. November 1972195. Die Definition von Kulturgut umfaßt hier, wie bereist erwähnt, nicht nur Kulturgüter von besonderem Wert, sondern auch Naturdenkmäler. Zudem ist die Trennung nach beweglichen und unbeweglichen Gütern aufgegeben worden, was im Hinblick auf technische Möglichkeiten der Gegenwart und der Zukunft (z. B. Verlagerung von Gebäuden, Monumenten) sinnvoll erscheint.196 Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs soll mit der Formulierung „außergewöhnlicher universeller Wert“ getroffen werden. Bis 2004 sind 788 Kultur- und Naturgüter mit außergewöhnlichem Wert197 auf einer Liste verzeichnet worden. Unter diesem Weltkulturerbe versteht man besonders schützenswerte Kulturgüter der Menschheit, die über den engeren historischen Kontext ihres Entstehens und der Wirkung in ihrer Zeit hinausgehend zu Entstehung und Entfaltung der jeweiligen Kultur beigetragen haben. Beim Weltkulturerbe geht es nicht um eine rechtliche Zuordnung, sondern es geht um einen Schutz, der gegen die Gefahren gerichtet ist, die das Kulturgut in seiner Substanz bedrohen. Nach Art. 4 der Konvention zum Schutz des Kulturund Naturerbes der Welt durch die Generalkonferenz der UNESCO im Jahr 1972 liegt die Hauptverantwortung bei den Vertragsstaaten und somit auf nationaler Ebene. Das Recht zur Auswahl und Einstufung des geschützten Gutes haben gemäß Art. 3 die Staaten. Nach Art. 5 hat sich jeder Vertragsstaat zu bemühen, wirksame und tatkräftige Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes zu treffen. Internationale Unterstützung und internationaler Schutz erfolgen gemäß Art. 6 nur unter voller Achtung der Souveränität der Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich das Kultur- und Naturerbe befindet. Jeder Vertragsstaat legt nach Art. 11 Abs. 1 einem Komitee für das Erbe der Welt198 nach Möglichkeit ein Verzeichnis des Gutes vor, das zu dem in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kulturund Naturerbe gehört. Das Komitee stellt nach Art. 11 Abs. 2 unter der Be___________ 194
Vgl. Streinz (Anm. 14), S. 73. Deutscher Text: BGBl. 1977 II, S. 213 ff. Internationale Quelle: ILM, Bd. 11 (1972), S. 1358 ff. 196 Vgl. Fitschen (Anm. 62), in: Fiedler, S. 191. 197 Vgl. Herzog (Anm. 15), S. 51. 198 Vgl. Art. 8 der Konvention. 195
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zeichnung „Liste des Erbes der Welt“ eine Liste der zum Kultur- und Naturerbe gehörenden Güter199 sowie nach Art. 11 Abs. 4 eine „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“ auf. In diese Liste darf nur solches Kultur- und Naturerbe aufgenommen werden, das durch ernste und spezifische Gefahren bedroht ist. 200 Der begrüßenswerte Ansatz wird in einigen Vorschriften stark relativiert, denn die hauptsächliche Verantwortung und Entscheidungsgewalt bleibt auf nationaler Ebene. Die internationale Staatengemeinschaft kann nur insoweit eingreifen, als sie vom Vertragsstaat um technische oder finanzielle Hilfe ersucht wird. Eine Regelung für Fälle, in denen der betreffende Vertragsstaat aus Gleichgültigkeit oder im vollen Bewußtsein oder aufgrund von Scham, seine eigene Hilfsbedürftigkeit einzugestehen, Hilfe ablehnt oder nicht einfordert, gibt es nicht.201 Dieser Souveränitätsvorbehalt ist als Schwachpunkt des Weltkulturerbes zu sehen.202
___________ 199
Es ist in erster Linie Aufgabe eines jeden Vertragsstaates, Erfassung, Schutz und Erhaltung des jeweiligen Kulturerbes sowie dessen Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen, doch kann aus einem Treuhandvermögen („Fonds für das Erbe der Welt“) für einzelne Objekte internationale Unterstützung gewährt werden. Die Liste des Weltkulturerbes der Menschheit umfaßt Denkmäler, Ensembles und Stätten aller Kulturkreise und aller geschichtlichen (auch vorgeschichtlichen) Zeiten. Insgesamt führte im Juni 2002 die UNESCO-Liste des Welterbes 730 Denkmäler in 125 Staaten auf. Davon sind 563 Kulturdenkmäler und 144 Naturdenkmäler. 23 weitere gehören beiden Kategorien an. 33 Stätten stehen in der „Roten Liste“ besonders gefährdeter Stätten, die durch Verfall, Krieg, Katastrophen oder durch Bauprojekte ernsthaft bedroht sind. Deutschland ist mit 27 Stätten auf der Liste vertreten, von denen nur eine, die Grube Messel, zum Naturerbe gehört, die anderen zum Kulturerbe. Darunter befinden sich mehrere Kirchen und Dome wie die Wieskirche und der Kölner Dom, ferner Denkmäler wie die Wartburg, die Würzburger Residenz oder die Berliner Museumsinsel, aber auch technische Stätten wie das Bergwerk Rammelsberg im Harz oder die Kulturlandschaft Zollverein in Essen. Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kulturerbes der Welt ist für die Bundesrepublik Deutschland am 23.11.1976 in Kraft getreten. 200 In die Rote Liste des Welterbes werden besonders gefährdete Objekte aufgenommen und zwar selbst dann, wenn der zuständige Unterzeichnerstaat keinen Antrag an die UNESCO stellt. Seit 2005 befinden sich 33 Denkmäler auf dieser Liste. So ist beispielsweise der Kölner Dom im Juli 2004 auf die Rote Liste des Welterbes genommen worden, nachdem die Stadt Köln entschieden hatte, ihre Hochhauspolitik, die den Blick auf den Dom einschränkt, fortzusetzen. Auch nach den Beratungen der UNESCO im Juli 2005 bleibt der Kölner Dom auf der Roten Liste. 201 Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 98. 202 Vgl. Streinz (Anm. 14), S. 78; so z. B. Art. 6 I: (...) unter voller Achtung der Souveränität der Staaten (...).
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dd) Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Rückgabe von Kulturgütern an die Ursprungsländer vom 22. Oktober 1987 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete am 22. Oktober 1987 eine – rechtlich unverbindliche – Resolution über die Rückgabe von Kulturgütern an die Ursprungsländer203, welche die Bedeutung der Rückgabe für die geistigen und kulturellen Grundlagen eines Staates akzentuiert. Die Resolution wurde mit über 100 Stimmen gegen 15 Stimmen der westlichen Länder angenommen, womit der grundlegende Konflikt zwischen den Ursprungsländern und den reichen Importstaaten erneut verdeutlicht wurde. ee) Unidroit-Übereinkommen vom 24. Juni 1995 Das Unidroit-Übereinkommen vom 24. Juni 1995 ist das Ergebnis einer Studie über den Schutz von gutgläubigem Erwerb von Kulturgut, die von der UNESCO in Auftrag gegeben wurde.204 Es stellt einen erneuten Versuch dar, die in der Konvention 1970 unbefriedigend gelösten Problemstellungen effektiver anzugehen.205 Kapitel II des Übereinkommens (Artikel 3 bis 4206) ermöglicht es einem Privateigentümer, gestohlenes Material zurückzufordern, während Kapitel III (Artikel 5 bis 7) einem Vertragsstaat erlaubt, illegal exportiertes Material zurückzufordern. Grundlegend werden also zwei Hauptfälle des illegalen Kunsthandels, der Diebstahl und der illegale Export, behandelt.207 Der gutgläubige Erwerb ist auf eine angemessene Entschädigung beschränkt. Das ___________ 203
Text: Djonovich, Dusan J. (Hrsg.), United Nations Resolutions, Series I, vol. XXV (1987), 1989. 204 Vgl. Schmeinck (Anm. 4), S. 56; Turner, Stefan, Das internationale Kulturgüterrecht und die Zerstreuung des deutschen Kulturbesitzes nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Fiedler, Wilfried, Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 147 ff. 205 Vgl. Streinz (Anm. 14), S. 95. 206 Artikel 3 (1) des Übereinkommens verlangt, daß der ursprüngliche Eigentümer eines Gegenstandes den Besitzanspruch behält und nicht enteignet werden kann („Der Besitzer eines gestohlenen Kulturgutes soll es zurückgeben“). Deshalb gilt das Eigentumskonzept des bürgerlichen Rechts für alle unterzeichnenden Staaten (in bezug auf Kulturgüter). Artikel 2 (2) fügt hinzu, daß unaufgezeichnetes archäologisches Material als gestohlen angesehen werden kann, obgleich anerkannt wird, daß Nachweise unerlaubter Ausgrabungen wohl nicht verfügbar sein werden. Artikel 4 sieht Entschädigungszahlungen an jeden Eigentümer vor, von dem die Rückgabe eines gestohlenen Gegenstands verlangt wird und der sich beim Kauf korrekt verhalten hat. Dies soll Händler und Sammler dazu ermuntern, gründliche Nachforschungen über die Herkunft gekaufter Gegenstände zu erstellen. Jedoch wurde dieser Artikel von Staaten kritisiert, die mit der Tatsache nicht einverstanden sind, daß sie womöglich ihr eigenes Kulturerbe zurückkaufen müssen. Trotzdem sollte dieser Artikel zu einem durchsichtigeren Handel führen, bei welchem potentielle Käufer versuchen werden, zwischen legal und illegal beschafften antiken Kulturgütern zu unterscheiden. 207 Vgl. Jaeger (Anm. 4), S. 142.
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Unidroit-Übereinkommen bezieht sich nur auf Ansprüche internationalen Charakters. Es ist nicht rückwirkend (Artikel 10); so ist die Legitimität einer inzwischen etablierten Sammlung nicht bedroht. Bisher208 ist das Übereinkommen von 21 Staaten ratifiziert worden. Deutschland nimmt bewußt Abstand. Kritikpunkte sind der zu weite Anwendungsbereich und der Vorwurf, daß die Entschädigungsregel zu unpräzise sei. Vergleichbare Ergebnisse seien in vielen Fällen durch „kulturgutfreundliche“ Auslegung des geltenden Sach- und Kollisionsrechtes zu erwirken. Die geringe Effektivität wird auch darauf zurückgeführt, daß es, entgegen der Entwurfsfassung, doch eher um zwischenstaatliche und nicht um privatrechtliche Beziehungen geht.209 b) Europäische Regelungen Die europäischen Regelungen gelten als umfassende internationale Regelwerke. Sie schützen das Kulturgut nicht gegen spezifische Gefahren wie die UNESCO-Konventionen, sondern konstituieren einen allgemeinen Schutz. aa) Europäisches Kulturabkommen vom 19. Dezember 1954 Das Europäische Kulturabkommen vom 19. Dezember 1954210 verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete schützende und unterstützende Maßnahmen zu ergreifen. Es ist unter den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges entstanden und knüpft an die Aufgaben des Europarates, die Ideale und Grundsätze zu wahren und zu fördern, die ihr gemeinsames Erbe bilden, an. Das Abkommen ist nicht auf die Mitgliedstaaten des Europarates beschränkt. Jede Vertragspartei soll geeignete Maßnahmen zum Schutz und zur Mehrung ihres Beitrags zum gemeinsamen kulturellen Erbe Europas ergreifen. Es wird angeordnet, daß jede Vertragspartei die europäischen Kulturgüter, die sich unter ihrer Kontrolle befinden, als Bestandteil des gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes zu betrachten hat und die erforderlichen Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen soll. Außerdem soll der Zugang zu diesen Kulturgütern erleichtert werden. Die Formulierungen in dem Kulturabkommen haben leider eher deklaratorischen Charakter und somit wenig praktische Bedeutung.211
___________ 208
Vgl. Stand der Quelle 2003. Vgl. Turner (Anm. 204), in: Fiedler, S. 148. 210 Deutscher Text: BGBl. 1955 II, S. 1128 ff. Internationale Quelle: UNTS, vol. 218, S. 129 ff., European Treaty Series Nr. 18. 211 Vgl. Jaeger (Anm. 4), S. 18; Streinz (Anm. 14), S. 102. 209
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bb) Europäisches Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturgutes vom 6. Mai 1969 Das Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturgutes vom 6. Mai 1969212 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der laut Präambel den Schutz des ernsthaft von Zerstörung bedrohten europäischen archäologischen Kulturgutes betrifft.213 Der Schwerpunkt liegt beim Schutz des wissenschaftlichen Erkenntniswertes von archäologischen Fundgegenständen und Grabungsstätten.214 Das Übereinkommen enthält eine „Öffnungsklausel“,215 damit können auch Nichtmitgliedstaaten beitreten. Das Übereinkommen enthält in erster Linie Absichtserklärungen. Es wird nicht gewagt, den Handel mit unrechtmäßig erlangten archäologischen Objekten zu verbieten,216 zudem fehlen Mechanismen zu Durchsetzung.217 cc) Europäisches Übereinkommen über Straftaten hinsichtlich Kulturguts vom 13. Juni 1985 Das Europäische Übereinkommen über Straftaten hinsichtlich Kulturguts vom 13. Juni 1985 schützt das Kulturgut nur mit allgemeinen Vorschriften. Der Schutz von Kulturgut wird nur allgemein gestreift (Art. 4 und 5). Im Vordergrund steht die Rückführung von Kulturgut nach einer Straftat.218 Hierbei sind die Vertragsstaaten zur gegenseitigen Hilfe verpflichtet. Der Vertrag basiert auf dem Strafrecht, d. h. Kulturgut kann nur dem Täter, nicht aber einem gutgläubigen Erwerber entzogen werden.219 Das Übereinkommen ist noch von keinem Staat ratifiziert worden220, es ist also noch nicht in Kraft getreten.
___________ 212
Deutscher Text: BGBl. 1975 II, S. 1145 ff. Internationale Quelle: UNTS, vol. 788, S. 227 ff.; European Treaty Series Nr. 66. 213 Dazu Fechner (Anm. 81), S. 92 ff. 214 Vgl. Wyss (Anm. 59), S. 133. In diesem Zusammenhang sei noch auf die Empfehlung der UNESCO vom 05.12.1956 bzgl. Fragen das archäologische Kulturgut hingewiesen, die ähnlichen Inhalts, allerdings nicht bindend, ist. 215 In Art. 11 I des Übereinkommens zu finden. 216 Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 93. 217 Vgl. Jaeger (Anm. 4), S. 19. 218 Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 95. 219 Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 95. 220 Quelle von 2003.
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dd) Europäisches Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 3. Oktober 1985 Dem in der Satzung des Europarates verankerten Gedanken der Bewahrung und Förderung des gemeinsamen europäischen Erbes ist das Europäische Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom Oktober 1985221 gewidmet. Es konkretisiert das Kulturabkommen von 1954. Der Europarat stellte dem Abkommen die Erwägung voran, daß „das architektonische Erbe einen unersetzlichen Ausdruck des Reichtums und der Vielfalt des europäischen Kulturerbes darstellt, auf unschätzbare Weise Zeugnis unserer Vergangenheit ablegt und ein gemeinsames Erbe aller Europäer ist.“ Die Verpflichtungen des Übereinkommens beziehen sich auf den Schutz der architektonischen Stätten, die als Denkmäler, Ensembles und Stätten definiert werden (Art. 1). Zunächst sollen diese erfaßt und im Falle ihrer Gefährdung dokumentiert werden. Es sind gesetzliche Maßnahmen zum Schutz des architektonischen Erbes zu ergreifen, die auch so weit gehen können, daß von den Eigentümern der betreffenden Objekte geeignete Maßnahmen zur Erhaltung verlangt werden und, falls diese sie nicht vornehmen, die Behörden in die Pflicht genommen werden. Schließlich soll auch eine gegenseitige Abstimmung dieser Maßnahmen auf der Ebene des Europarates erfolgen. Dem Übereinkommen sind dreißig europäische Staaten beigetreten. ee) Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern Der Zweck der Verordnung Nr. 3911/92222 ist die Verhinderung von nachteiligen Auswirkungen auf national bedeutendes Kulturgut, die aus dem ___________ 221 Deutscher Text: BGBl. 1987 II, S. 623 ff. Internationale Quelle: European Treaty Series Nr. 66. 222 ABl. 1992, Nr. L 395, S. 1 ff. Geändert durch folgende Maßnahme: Richtlinie 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.06.2001, ABl. L 187 vom 10.07.2001. Vgl. dazu Richtlinie 96/100/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.02.1997 zur Änderung des Anhangs der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl. L 60 vom 01.03.1997). Durch diese Richtlinie wurde der Anhang der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern geändert. Vgl. ferner den Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern und der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (KOM [2000] 325 endg. – nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Der Bericht enthält das Verzeichnis der für die Erledigung der Ausfuhrförmlichkeiten zuständigen Zollstellen, das Verzeichnis der für die Ausstellung der Ausfuhrgenehmigungen zuständigen Behörden und das Verzeichnis der für die Ausübung der Befugnisse gemäß der Richtlinie
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Wegfall der Binnengrenzen der EG resultieren könnte. Die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft darf nur erfolgen, wenn eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. Die Ausfuhrgenehmigung wird auf Antrag des Beteiligten erteilt. Sie kann im Hinblick auf die Ziele dieser Verordnung verweigert werden, wenn die betreffenden Kulturgüter unter eine Rechtsvorschrift zum Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert in dem betreffenden Mitgliedstaat fallen. ff) Richtlinie Nr. 93/7/EWG vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachte Kulturgüter Die Richtlinie Nr. 93/7/EWG vom 15. März 1993 betrifft die Rückgabe von Kulturgütern, die vor oder nach ihrer unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gemäß den nationalen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne von Artikel 36 EG-Vertrags als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert“ eingestuft wurden. Solche nationalen Kulturgüter sind nur zurückzugeben, wenn sie unter eine der im Anhang aufgeführten Kategorien fallen oder zu öffentlichen Sammlungen gehören, die im Bestandsverzeichnis von Museen, von Archiven, von erhaltungswürdigen Beständen von Bibliotheken oder von kirchlichen Einrichtungen aufgeführt sind. Die Richtlinie kommt somit zur Anwendung, wenn derartige Gegenstände unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden, also entgegen den dort geltenden Rechtsvorschriften oder unter Verstoß gegen die Bedingungen, unter denen eine Genehmigung zur vorübergehenden Verbringung erteilt wurde. Die Mitgliedstaaten können den Geltungsbereich der Rückgaberegelung auf nicht in den Anhängen aufgeführte Kategorien von nationalen Kulturgütern und/oder auf vor dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verbrachte Kulturgüter ausdehnen. Ein Mitgliedstaat muß ferner ein unrechtmäßig in sein Hoheitsgebiet gelangtes Kulturgut unabhängig davon zurückgeben, ob es innerhalb der Gemeinschaft verbracht oder zunächst in ein Drittland ausgeführt und später in einen anderen Mitgliedstaat wiedereingeführt wurde. Die von den Mitgliedstaaten benannten zentralen Stellen koordinieren die Maßnahmen im Hinblick auf die Rückgabe von Kulturgütern, insbe___________ 93/7/EWG zuständigen zentralen Stellen. Diese Verzeichnisse wurden im Amtsblatt veröffentlicht (ABl. C 61 vom 03.03.2000, ABl. C 18 vom 21.01.2000 und Amtsblatt C 76 vom 16.03.1996). Vgl. schließlich die Entschließung des Rates vom 21.01.2002 zum Bericht der Kommission über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 über die Ausfuhr von Kulturgütern und der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl. C 32 vom 05.02.2002).
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sondere die Auffindung von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern. Verweigert der Besitzer die Rückgabe, sind allein die Gerichte des ersuchten Mitgliedstaats für die Anordnung der Rückgabe des Kulturguts an den ersuchenden Mitgliedstaat zuständig. Nur die Mitgliedstaaten haben das Recht zur Erhebung einer Rückgabeklage. Eine Privatperson, die Eigentümer eines entwendeten Kulturguts ist, kann gegen den aktuellen Besitzer lediglich die nach allgemeinem Recht zulässigen Rechtsmittel einlegen. Der Rückgabeanspruch erlischt ein Jahr nach dem Zeitpunkt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Besitzers Kenntnis erhält. In jedem Fall erlischt der Rückgabeanspruch 75 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats verbracht wurde; bei Kulturgütern, die zu öffentlichen Sammlungen gehören oder im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt sind, ist der Rückgabeanspruch jedoch unverjährbar. Im Falle der Rückgabe hat der Besitzer Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, sofern das zuständige Gericht davon überzeugt ist, daß er beim Erwerb des Kulturguts die notwendige Sorgfalt hat walten lassen. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle drei Jahre, erstmals im Februar 1996, einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie.223 Die Maßnahmen haben die Mitgliedstaaten und die Akteure des internationalen Handels für einen besseren Schutz von Kulturgütern auf europäischer Ebene zwar sensibilisiert, aber es ist zu konstatieren, daß diese Rechtsakte kaum Einfluß auf den Rückgang des illegalen Handels mit Kulturgütern hatten. Die Anwendung der Richtlinie und der Verordnung könnte durch eine entsprechende Strukturierung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den zuständigen Behörden verbessert werden.224
gg) Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 Ergänzend zu den rechtlichen Regelungen über den internationalen Kulturgüterschutzes sei abschließend das römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes angeführt. Beschlossen von 120 Staaten soll es als weiterer Schritt zur Verbreitung und zur Stärkung der Bestimmungen des humanitären Völker___________ 223
ABl. 1993 Nr. L 74, S. 74 ff. Vgl. den Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern und der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (KOM (2000) 325 endg. – nicht im Amtsblatt veröffentlicht). 224
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rechts gelten. Der Vertrag trat am 1. Juli 2002 offiziell in Kraft. Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 stellt in Art. 8 des IStGHStatut vorsätzliche Angriffe auf „geschichtliche Denkmäler“ unter Strafe. Der Kulturgüterschutz wird aufgrund der individuellen strafrechtlichen Verfolgbarkeit erheblich ausgeweitet, eine gewisse Unvollständigkeit bezüglich des Kulturgüterschutzes ist dennoch im Vergleich zur Haager Konvention zu erkennen.
2. Bilaterale Abkommen Die bilateralen Abkommen schaffen zwar keinen so umfassenden Schutz wie multilaterale Abkommen. Sie sind jedoch leichter abzuschließen.225 Als Beispiele seien die Abkommen zwischen den USA und Mexiko vom 17. Juli 1970226, die Verwaltungsabkommen zwischen den USA und Peru vom 15. September 1981227, den USA und Guatemala vom Mai 1984, den USA und Ecuador vom 17. November 1983, die Verträge zwischen Mexiko und Guatemala vom 31. Mai 1975228, Mexiko und Peru vom 15. Oktober 1975229 und das Abkommen Niederlande-Australien von 1972 erwähnt. Die bilateralen Abkommen, die die Bundesrepublik Deutschland mit osteuropäischen Staaten geschlossen hat, betreffen nicht den Kulturgüterschutz in Friedenszeiten, sondern vor allem Kunstschätze, die bedingt durch den Zweiten Weltkrieg abhanden gekommen sind. Konkrete Rückführungsverpflichtungen enthalten die Abkommen zumeist nicht. Vielmehr handelt es sich hier um bloße Absichtserklärungen, wie z. B. im Vertrag zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991230. Anders verhält es sich lediglich bei dem Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion vom 9. November 1990231. In diesem Vertrag ist vorgesehen, daß „verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kunstschätze, die sich auf ihrem (der Vertragsstaaten) Territorium befinden, an den Eigentümer oder seinen Rechtsnachfolger zurückgegeben werden. Diese ___________ 225
Vgl. Fechner (Anm. 81), S. 99. Treaty of Cooperation Providing for Recovery and Return of Stolen Archaeological, Historical and Cultural Properties vom 17.07.1970. 227 Agreement Respecting the Recovery and Return of Stolen Archaeological, Historical and Cultural Properties vom 15.09.1981. 228 Convenio de proteccion y restituccion de monumentos arqueologicos, artisticos e historicos. 229 Convenio de proteccion y restituccion de biens arqueologicos, artistcos e historicos y de cooperation en los campos de la arqueologia y la restauracion de monumentos. 230 Text: BGBl. 1991 II, S. 1315 ff. 231 Text: BGBl. 1991 II, S. 702 ff. 226
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Verpflichtung wurde in das deutsch-russische Kulturabkommen vom 16. Dezember 1992232 übernommen. Allerdings verletzte die Duma das Abkommen durch ein Gesetz, das die „Kriegsbeute“ der Roten Armee zum rechtmäßigen Eigentum Rußlands erklärte.233
VII. Fazit Das immense wirtschaftliche Gefälle zwischen den Staaten weltweit läßt einen die Länder übergreifenden Schutz von Kulturgütern, die ohne technische und finanzielle Mittel vom Zerfall und Untergang – aus welchen Gründen auch immer – bedroht sind, sinnvoll erscheinen. Die Anzahl der Abkommen zeigt, daß in der Staatengemeinschaft ein Bewußtsein für den Kulturgüterschutz234, gleich welcher Art und auf welchem Gebiet, vorhanden ist. Damit erfahren auch Rechtsfragen, die mit Kulturgütern in Zusammenhang stehen, verstärkte Aufmerksamkeit.235 Der in vielen Abkommen verankerte Souveränitätsvorbehalt läßt aber häufig gegenüber einem nicht kooperationswilligen Einzelstaat einen Zwang zur Pflege und Erhaltung von Kulturgütern nicht zu.236 Streitigkeiten über die nationale Zugehörigkeit, wie sie beispielsweise in Fällen der Staatensukzession und im Falle eines Bevölkerungsaustausches, aber auch bei einer Entführung von Kulturgütern in vergangenen Zeiten oder im Rahmen eines Krieges auftreten, harren nach wie vor der Lösung und sind daher von besonderem wissenschaftlichen Interesse. Staaten sind zwar zu einem umfassenden Kulturgüterschutz im Kriegsfall verpflichtet, das alles hilft aber wenig, wenn entsprechende Abkommen von den Kombattanten nicht respektiert werden, weil ihnen die Achtung vor fremder Kultur nach wie vor fehlt und sie – wie in der Antike – durch die Zerstörung von Denkmälern den Gegner am härtesten treffen und verletzen wollen. Der Kulturgüterschutz hat zwar im letzten Jahrhundert eine fortschrittliche Entwicklung erfahren, dieser ist jedoch noch nicht als abgeschlossen zu bewerten. Insbesondere bedarf es einer Erziehung zum Respekt vor kulturellen Leistungen, stellen diese doch ein gemeinsames Erbe der Menschheit dar, das für unsere Nachkommen bewahrt werden sollte. * * * ___________ 232 233 234 235 236
Text: BGBl. 1993 II, S. 1256 ff. Dazu vgl. unten den Beitrag von Schoen. Vgl. Jaeger (Anm. 4), S. 23. Vgl. Streinz (Anm. 14), S. 201. Vgl. Fechner (Anm.81), S. 103 f.
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Abstract Gilbert H. Gornig: The International Protection of Cultural Assets, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 1763. The immense economic differences between the states of the world make an international system of protection of cultural assets meaningful, as these assets would be threatened by decay and decline without a technical and financial support. The large number of international treaties in this field shows that the state community is very conscious of the importance of the protection of cultural assets regardless of their type and their actual location. This is why the legal aspects of the protection of cultural assets have been given a great importance. The reserve of sovereignty contained by many treaties does not allow a coercion against a state not willing to cooperate in matters of protection and preservation of cultural assets. Disputes on the property of a cultural asset, such as in the case of state succession or population exchange, but also in the case of theft of cultural assets or disposal in times of war still wait for an answer and are of a great scientific importance. States are obliged to guarantee the protection of cultural assets in case of war, but this obligation becomes meaningless when the combatants do not respect these treaties. Like in the antiquity, the latter lack any respect for foreign cultural assets and the destruction of such goods is often regarded as the most severe punishment for the enemy. The protection of cultural assets has experienced a positive development in the last decade, but this process cannot be regarded as completed. Education in the sense of a respect for cultural achievements is necessary, as these assets constitute the common heritage of mankind and should be preserved for future generations.
Kulturgüterschutz im humanitären Völkerrecht Von Tobias H. Irmscher
I. Einleitung Das humanitäre Völkerrecht, oder Kriegsvölkerrecht in der klassischen Terminologie, ist die Rechtsmaterie, die historisch zuerst Bestimmungen über den Schutz von Kulturgütern enthielt.1 Dies überrascht nicht, bedeuteten doch schon damals militärische Auseinandersetzungen und überhaupt die sprichwörtlichen Kriegswirren neben dem Kunstraub schwerwiegendste Gefahren für Kulturgüter. Hinzu kommt, daß außerhalb des Kriegsrechts jedenfalls abstraktgenerelle Regeln zum Schutz solcher Gegenstände und Einrichtungen praktisch nicht vorhanden waren. Der Beitrag, der eine Gesamtübersicht über die verschiedenen Schutzkonzepte und -mechanismen zu geben beabsichtigt, gliedert sich in fünf Teile: zunächst einer Darstellung der Entwicklung des Kriegsvölkerrechts und seiner Bestimmungen zum Schutz von Kulturgütern (II.), sodann einer näheren Untersuchung der einzelnen Vorschriften, einmal zum Schutz der Kulturgüter vor Zerstörung (III.) sowie zum Schutz vor Wegnahme (IV.). Nachfolgend sind die bestehenden Durchsetzungsmechanismen zu erörtern (V.), ehe abschließend kurz neuere Entwicklungen und die Praxis im Bereich des kriegsvölkerrechtlichen Kulturgüterschutzes angesprochen werden (VI.). Zuvor sei noch kurz auf den Begriff des Kulturguts und die Reichweite der Schutzbestimmungen eingegangen. 1. Der Begriff des Kulturguts Voraussetzung für die Anwendbarkeit der entsprechenden Schutzvorschrift ist die Kulturgutseigenschaft. Um diesen Begriff rankt sich ein ebenso alter wie anhaltender Streit.2 Für das humanitäre Völkerrecht kann dieser jedoch regel___________ 1
Zur Zugehörigkeit des Kulturgüterschutzes zum „humanitären“ Völkerrecht vgl. F. Bugnion, La genèse de la protection juridique des biens culturels en cas de conflit armé, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 313, 322. 2 Vgl. allgemein nur G. Gornig, Der internationale Kulturgüterschutz, in diesem Band.
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mäßig offenbleiben, soweit er vertraglich oder auf sonstige Weise fixiert ist. Die einschlägigen Rechtsakte enthalten mehr oder weniger klare Begriffsbestimmungen und damit Aussagen über die Reichweite der ggf. anwendbaren Schutzvorschriften wie auch die entsprechende Einschränkung der militärischen Entscheidungsfreiheit. Am weitesten ist die Definition des Kulturgutsbegriffs in der Haager Kulturgutkonvention vom 14. Mai 19543, die einen enumerativen Ansatz mit einer abstrakten Definition verbindet.4 Danach ist bewegliches oder unbewegliches Gut geschützt, „das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist, wie z.B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler kirchlicher oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gruppen von Bauten, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, von Archivalien oder von Reproduktionen …“ (Art. 1 lit. a).
Auf Herkunft und Eigentumsverhältnisse kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.5 Gleichermaßen vom Schutz umfaßt sind Gebäude, die im wesentlichen faktisch der Erhaltung oder Ausstellung der genannten beweglichen Güter dienen, wie z.B. Museen, große Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte für den Kriegsfall (lit. b), außerdem auch sog. Denkmalzentren, d.h. Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut und Aufbewahrungsorte aufweisen (lit. c). Neben diesem umfassenden Kulturgutsbegriff wird im humanitären Völkerrecht auch ein etwas engerer Begriff verwendet, der dann einen erhöhten Schutz nach sich zieht.6 Der Sonderschutz7 nach Art. 8 des Haager Kulturgutabkommens kommt nur „Kulturgütern von sehr hoher Bedeutung“ zu. Und sowohl das Zweite Protokoll zum Haager Kulturgutabkommen vom 26. März 19998 als auch die beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen vom 8. Juni 1977 (ZP I und ZP II)9 sehen besondere Schutzmaßnahmen vor für ein Kulturgut, bei dem es sich „um kulturelles Erbe von höchster Bedeutung für die Menschheit“ handelt – so das Haager Protokoll in Art. 10 – bzw. bei ___________ 3
BGBl. 1967 II S. 1233; D. Schindler/J. Toman, The Laws of Armed Conflict, 3. Aufl. 1988, S. 745 ff. 4 Zu den verschiedenen Definitionsansätzen vgl. H.-D. Horn, Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe – unter besonderer Berücksichtigung deutschen Kulturguts im Ausland, in diesem Band. 5 K. Partsch, in: D. Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Ziff. 901. 6 Anders K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 901, Anm. 4, der eine unterschiedliche Wertigkeit im Rahmen der verschiedenen Definitionen ablehnt. 7 Dazu im einzelnen unten sub III., bei Fn. 74. 8 Schweizerisches BBl. 2003, 6091. 9 BGBl. 1990 II S. 1551 und S. 1637.
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Denkmälern, Kunstwerken und Kultstätten, „die zum kulturellen oder geistigen Erbe der Völker gehören“ – so Art. 53 ZP I und Art. 16 ZP II.10 Schon aus dieser Formulierung wird im übrigen deutlich, daß Kirchen, Gebetshäuser oder sonstige Gebäude, die religiösen Zwecken dienen, nicht schon per se dem Kulturgüterschutz unterfallen. Allerdings sind die allgemeinen, gewohnheitsrechtlichen Schutzbestimmungen gleichermaßen auf solche Gebäude anwendbar und bewirken damit identischen Schutz, so daß zum Teil auch diese unter den Kulturgutsbegriff gefaßt werden. Die heute auch gewohnheitsrechtlich geltende Haager Landkriegsordnung enthält beispielsweise eine weitgefaßte, alle „dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissenschaft und der Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude“ sowie die geschichtlichen Denkmäler umfassende Schutzvorschrift.11 Völlig obsolet ist der Streit um den Kulturgutsbegriff im humanitären Völkerrecht freilich nicht geworden, berücksichtigt man die gewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen. Auch hier findet sich die schon im Vertragsrecht aufscheinende Differenzierung zwischen einem Kulturgut generell und besonders wichtigen, und d.h. auch besonders schützenswerten Gütern.12 Ohne nähere Einschränkung und Definition wird als Grundregel vorgegeben: „Jede Konfliktpartei hat das Kulturgut zu respektieren.“13 Insoweit sind die allgemeinen Abgrenzungsfragen auch im humanitären Völkerrecht relevant.
___________ 10 Auch diese Formulierung stellt auf die besondere Bedeutung der genannten Objekte ab – UK Ministry of Defence (Hrsg.), The Manual of the Law of Armed Conflict, 2004, Ziff. 5.25.2; Y. Sandoz/C. Swinarski/B. Zimmermann (Hrsg.), Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977 (ICRC Commentary), 1987, Prot. I Art. 53, Rn. 2064. - A.A. S. von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 285, derzufolge die von Art. 53 ZP I geschützten Kulturgüter nicht von großer Bedeutung sein müßten. Gegen diesen Ansatz spricht zum einen das besonders weite Schutzkonzept von Art. 53 (dazu unten sub III., bei Fn. 66 und zum anderen bereits der Wortlaut: Die Zugehörigkeit eines Objekts zum kulturellen oder geistigen Erbe der Völker impliziert einen herausgehobenen, bedeutsamen Status. 11 Zum ganzen auch S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 286 ff., insbesondere zum Streit über die Frage, ob Art. 53 ZP I / Art. 16 ZP II infolge des Verweises auf das „geistige Erbe“ (spiritual heritage) sämtliche Kirchen und Kultstätten erfassen. Hierzu auch Y. Sandoz et al. (Fn. 10), Prot. I Art. 53, Rn. 2064 ff. 12 Vgl. die Regeln 38 ff. der List of Customary Rules of International Humanitarian Law, abgedruckt als Anhang bei J.-M. Henckaerts, Study on customary international humanitarian law: A contribution to the understanding and respect for the rule of law in armed conflict, IRRC 87 [No. 857] (2005), 175, 198 ff. 13 Einleitungssatz von Regel 38 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12).
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2. Die Anwendbarkeit in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten Das klassische Kriegsvölkerrecht fand im Falle eines zwischenstaatlichen Krieges im formellen Sinne Anwendung. Das moderne humanitäre Völkerrecht stellt im Gegensatz dazu insofern eine Fortentwicklung dar, als es ebenso Regeln für sog. nicht-internationale bewaffnete Konflikte bereitstellt.14 Regelmäßig ist in diesem Fall nur ein absoluter humanitärer Mindeststandard anwendbar.15 Nicht so aber im Kulturgüterschutz: Die Schutzvorschriften gelten gleichermaßen im internationalen wie im nicht-internationalen Konflikt, wie ein Textvergleich (Art. 53 ZP I und Art. 18 ZP II) bzw. die Erstreckungsklauseln in Art. 19 Kulturgutkonvention und Art. 22 des Zweiten Haager Protokolls zeigen.16 Die jüngst veröffentlichte Studie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zeigt, daß auch die gewohnheitsrechtlichen Regeln für den Kulturgüterschutz gleichermaßen auf den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt Anwendung finden.17 Insofern erübrigt sich im folgenden eine weitere Differenzierung.
II. Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes im Kriegsvölkerrecht Auch wenn, wie bereits erwähnt, die ersten völkerrechtlichen Bestimmungen zum Kulturgüterschutz im Kriegsvölkerrecht entstanden, lagen doch die eigentlichen Ursprünge dieser Rechtsmaterie in der Form, wie sie heute gelten, erst im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert.18 1. Die „vorklassische“ Zeit Es ist dabei sicher richtig, daß in der „vorklassischen“ Zeit in den verschiedenen Rechts- und Kulturkreisen Regeln für die Kriegsführung bestanden, die ___________ 14
K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 65 Rn. 20. Vgl. den für nicht-internationale Konflikte geltenden gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen von 1949 sowie das Diktum des IGH in seiner Nikaragua-Entscheidung, daß dieser Art. 3 den „minimum yardstick“ für bewaffnete Konflikte darstelle – ICJ, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua ./. USA), ICJ Rep. 1986, 14. S.a. K. Ipsen (Fn. 14), § 65 Rn. 12 ff., v.a. Rn. 18. 16 Der Sache nach wohl a.A. S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 293 ff. 17 Vgl. die Regeln 38 ff. der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 18 So der Sache nach wohl auch S. Turner, Die Zuordnung beweglicher Kulturgüter im Völkerrecht, in: W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 48 ff., der seine Betrachtungen über die „Stufen der historischen Entwicklung des kriegsrechtlichen Kulturgüterrechts“ mit Napoleons Kunstraub im Verlauf der Revolutionskriege und den Reaktionen hierauf beginnt. 15
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dem Schutz einzelner Personen dienten und zugleich die Unantastbarkeit bestimmter Objekte bestimmten, zu denen im weitesten Sinne auch Kulturgüter gehören. So waren beispielsweise die pan-hellenischen Heiligtümer wie Olympos, Delos und Delphi als heilig und unantastbar angesehen. Religiöse Stätten, Kirchen und Klöster und vergleichbare Einrichtungen genossen nicht nur im europäischen Mittelalter, sondern auch im frühen Islam Immunität. Ein besonderer Schutz für Tempel und andere Heiligtümer ist aus den alten indischen Reichen sowie für die Zeit nach dem 15. Jahrhundert aus Japan überliefert. Freilich ist dieser Schutz zumeist nur den religiösen Einrichtungen des eigenen Glaubens zugestanden worden.19 Kulturgüter als solche, also insbesondere Werke der Kunst und Wissenschaft, standen demgegenüber unter keinem besonderen Schutz und wurden vielfach Opfer von Raub und Zerstörung. In zahlreichen alten Rechtsordnungen – v.a. dem in der Bibel überlieferten altisraelitischen Recht,20 in der griechischen21 und auch in der römischen Antike22 – ist das faktisch uneingeschränkte Beuterecht des Siegers anerkannt. Auch im Mittelalter gab es keine grundsätzliche Abweichung von dem Plünderungs- und Beuterecht.23 Kriegerische Auseinandersetzungen endeten regelmäßig mit der Zerstörung und Plünderung von Kulturgütern und Schätzen – lediglich Kirchen, Klöster und dergleichen wurden möglicherweise verschont. ___________ 19
Zu allem F. Bugnion, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 313, 314 ff.; C. Greenwood, in: D. Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Ziff. 105 ff. 20 Das umfassende Beuterecht sieht nicht nur die Versklavung der nichtkampffähigen Bevölkerung als zulässig an, sondern gestattet ausdrücklich auch die Plünderung der unterlegenen und zerstörten Städte und legt den an die Priester und Leviten auszukehrenden Anteil fest; vgl. H. Grotius, De iure belli ac pacis - libri tres (1625), hrsg. v. W. Schätzel, 1950, III. Buch, 6. Kap., I. (S. 462); J. Berndt, Internationaler Kulturgüterschutz, 1998, S. 8 f. mit detaillierten Nachweisen. 21 Auch die Antike kannte grundsätzlich keine Einschränkung des Beuterechts, sah dieses vielmehr als normales, rechtmäßiges Verhalten an. Xenophon bestätigt dies ebenso wie Aristoteles, der in seiner „Politik“ feststellt: „Das Gesetz bedeutet nämlich eine Übereinkunft, wonach das im Kriege siegreich Überwundene dem Sieger gehört“ (Buch I, Kap. 6, 5). Hinzu traten bei den Griechen religiöse und symbolische Erwägungen: Götterbilder und sonstige Kultgegenstände gewähren Schutz, ihre Wegnahme stellt den Feind schutzlos und gewährt möglicherweise eigene Vorteile – vgl. J. Berndt (Fn. 20), S. 9 f. 22 J. Berndt (Fn. 20), S. 10 f.; H. Grotius (Fn. 20), III. Buch, 6. Kap., VII.2 (S. 466). Nur in extremen Ausnahmefällen wird eine Mäßigung beim Beuterecht angemahnt. Die hemmungslose Bereicherung und Plünderung u.a. von Kultgegenständen durch den sizilianischen Statthalter Verres wird von Cicero angeprangert und führt zu dessen Verurteilung zu einer hohen Geldbuße – vgl. J. Berndt (Fn. 20), S. 11 f. 23 Nach J. Berndt (Fn. 20), S. 12, m.w.N., äußerte aber beispielsweise Karl der Große hieran deutliche, wenn auch im Ergebnis fruchtlose Kritik, wonach Kulturgüter ohne Zustimmung ihres Eigentümers nicht aus dem Ursprungsland entfernt werden dürften.
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Freilich wird das private Aneignungsrecht mehr und mehr vom staatlichen Okkupationsrecht verdrängt, wobei der Heerführer bestimmte Sachen zur Plünderung freigeben kann.24 Eine andere Entwicklung bedeutet die Abwendung der Plünderung durch eine Geldzahlung des Besiegten, der sog. Kontribution.25 Gleiches gilt im wesentlichen für die frühe Neuzeit. Der dreißigjährige Krieg zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit und mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung und die Wirtschaftstätigkeit, wie weitgehend das Beute- und Plünderungsrecht reichte und welcher enorme Verlust an Kulturgütern durch Brandschatzung und Zerstörung verursacht wurde.26 2. Die Herausbildung des modernen Kriegsvölkerrechts Ausgangspunkt für die bis heute andauernden kriegsrechtlichen Bestimmungen war ein verändertes Verständnis von Krieg überhaupt, das – wenn auch sicher etwas idealisiert – in den berühmten Worten von Jean-Jacques Rousseau zum Ausdruck kommt, daß der Krieg kein Verhältnis zwischen Menschen, sondern zwischen Staaten sei, an dem die einzelnen nur zufällig und nicht als Menschen oder Bürger, sondern nur als Soldaten beteiligt sein könnten.27 Dieses für das moderne humanitäre Völkerrecht grundlegende Verständnis wirkt sich letztlich auch auf Inhalt und Reichweite des Schutzes von Kulturgütern aus, indem diese heute weitestgehender Schonung unterliegen.28 Zunächst bestand der Schutz allerdings nur mittelbar. Denn die Staatsbezogenheit des modernen Krieges bedeutete per se zunächst nur eine Schonung privaten Eigentums, d.h. der in privatem Besitz befindlichen Kulturgüter. Erst später erfolgte eine Ausdehnung des für Privatpersonen und -vermögen vereinbarten Schutzes auch auf solche Kulturgüter, die in staatlichem oder sonst in öffentlichem bzw. kirchlichem Eigentum standen. Auch wurden bestimmte, enumerativ aufgezählte Objekte unter ausdrücklichen Schutz gestellt, d.h. mit Immunität gegenüber den Kampfhandlungen ausgestattet. So findet sich bei Emer de ___________ 24 J. Berndt (Fn. 20), S. 13; H. Grotius (Fn. 20), III. Buch, 6. Kap., XVIII et seq. (S. 473 ff.). 25 J. Berndt (Fn. 20), S. 13; s.a. E. de Vattel, Les Droit des Gens ou Principes de la Loi Naturelle (1758), hrsg. von W.Schätzel, 1959, III. Buch, Kap. IX, § 165 (S. 451). 26 Vgl. auch C. Greenwood (Fn. 19), Ziff. 112. 27 « La guerre n’est donc point une rélation d’homme à homme, mais une rélation d’Etat à Etat, dans laquelle les particuliers ne sont ennemis qu’accidentellement, non point comme hommes ni même comme citoyens, mais comme soldats ; … Enfin chaque Etat ne peut avoir pour ennemis que d’autres Etats et non pas des hommes, attendu qu’entre choses de diverses natures on ne peut fixer aucun vrai rapport.» – Du Contrat Social, Livre I, chapitre IV, in: J.-J. Rousseau, Oeuvre complètes III, Èditions Gallimard 1964, S. 345, 357. S. hierzu auch C. Greenwood (Fn. 19), Ziff. 113. 28 S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 259.
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Vattel (1714-1767) der Satz, daß „Gotteshäuser, Grabstätten, öffentliche Gebäude und alle wegen ihrer Schönheit ehrwürdigen Werke“, d.h. solche Gebäude, „die der Menschheit zur Ehre gereichen und zur Vergrößerung der Macht des Feindes nicht beitragen“, sowie die zur Erbauung dienenden Dinge, Kunstdenkmäler und „Meisterwerke der Schönheit“ zu schonen seien. Freilich bestand ein Recht zur Zerstörung, wenn militärische Gründe dieses erforderlich machten.29 Die mutwillige Zerstörung bzw. Wegnahme von Kulturgütern galt als Bruch guter Sitten und der vernünftigen Kriegsbräuche.30 Auch die erste umfängliche Kodifikation des Kriegsrechts, der sog. LieberCode von 1863,31 enthält Sondervorschriften zugunsten von Kulturgütern. Dieses Reglement, eine lediglich innerstaatlich verbindliche Dienstanweisung für die amerikanischen Unionstruppen,32 sieht einerseits eine Gleichstellung der Kulturgüter mit privatem Vermögen vor und unterbindet damit die Aneignung außer aufgrund friedensvertraglicher Regelung (Art. 34 i.V.m. 31). Zum anderen bestimmt der Code, daß klassische Kunstwerke, Bibliotheken, wissenschaftliche Sammlungen und wertvolle Instrumente gegen jede Art vermeidbarer Beschädigungen zu schützen seien, und zwar auch im Falle der Belagerung oder Beschießung von befestigten Orten (Art. 35). 3. Die einzelnen Kodifikationen Der Lieber-Code bildete zusammen mit dem Project of an International Declaration Concerning the Laws and Customs of War, der nicht ratifizierten sog. Brüsseler Erklärung von 1874,33 und dem vom Institut de Droit International angeregten sog. Oxford Manual von 188034 die Grundlage für die erste völker___________ 29
E. de Vattel (Fn. 25), III. Buch, Kap. IX, § 168 (S. 453 f.). K. Partsch (Fn. 5), vor Ziff. 901 Anm. 1. 31 Instructions for the Government of Armies of the United States in the Field, General Orders No. 100, 24 April 1863, abgedruckt bei D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 3 ff., sowie auszugsweise bei W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 250. Vgl. auch C. Greenwood (Fn. 19), Ziff. 116. 32 Vgl. hierzu nur S. Turner (Fn. 18), S. 34 f. 33 Abgedruckt bei D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 27 ff. Hierzu auch S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 262. Die Erklärung enthält gleichfalls ein Verbot von Plünderungen als Ausdruck der Unverletzlichkeit des Privateigentums (Art. 39) sowie in Art. 8 die Gleichstellung von kirchlichem oder sonst der Wohltätigkeit, Erziehung, Kunst oder Wissenschaft gewidmetem Eigentum mit Privateigentum. Hinzu trat eine Verpflichtung, die diesen Zwecken dienenden Gebäude weitestgehend zu schonen, soweit sie nicht ihrerseits zu militärischen Zwecken verwendet wurden. 34 The Laws of War on Land, Manual published by the Institute of International Law (Oxford Manual). Adopted at Oxford, 9 September 1880, Ann.I.D.I. 5 (1881-82), S. 156 ff.; abgedruckt auch bei D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 35 ff. 30
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rechtlich verbindliche Regelung, das Haager Reglement vom 29. Juli 189935 und seine Überarbeitung, die Haager Landkriegsordnung von 1907.36 Die Haager Landkriegsordnung enthält einmal den allgemeinen Schutz des Privateigentums bei Kriegshandlungen und in bezug auf besetztes Gebiet insbesondere ein explizites Plünderungsverbot (Art. 28 und Art. 47). Zum anderen finden sich Bestimmungen zum Schutz von dem Gottesdienste, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Gebäuden sowie von geschichtlichen Denkmälern „bei Belagerungen und Beschießungen“, soweit diese nicht militärisch verwendet werden (Art. 27 HLKO). Eine fast gleichlautende Vorschrift enthält Art. 5 des IX. Haager Abkommens betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten von 1907; Art. 7 dieses Abkommens enthält ein Plünderungsverbot.37 Auch wenn die Verluste an Kulturgut im Ersten Weltkrieg vergleichsweise gering waren, hatten sich bereits in diesem Krieg die aus einem unbeschränkten Luftkrieg resultierenden Gefahren – nicht nur für Kulturgüter – angedeutet.38 Nicht zuletzt aus diesem Grund wurden 192339 von einer Expertengruppe die sog. Haager Luftkriegsregeln vorgelegt, die zum Teil als Ausdruck der seinerzeit geltenden Rechtsauffassung angesehen werden.40 Danach war die Bombardierung von Bodenzielen aus der Luft allein dann zulässig, wenn sie sich gegen explizit militärische Ziele richtete (Art. 24). Gebäude, die Kulturgut beherbergen oder darstellen, müssen geschont und zu diesem Zweck gekennzeichnet werden (Art. 25), die Einrichtung von Schutzzonen sollte möglich sein (Art. 26). Diese Regeln blieben jedoch unverbindlich, und auch spätere Versu___________ 35
D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 63 ff. RGBl. 1910, S. 107 ff.; D. Schindler / J. Toman (Fn. 3), S. 63 ff.; zur Entstehungsgeschichte C. Greenwood (Fn. 19), Ziff. 120; K. Partsch (Fn. 5), vor Ziff. 901 Anm. 1. 37 Hierzu auch S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 266. 38 Erste Beschränkungen des Luftkrieges wurden bereits auf der I. Haager Friedenkonferenz verabschiedet: gem. Deklaration (IV.1) vom 29. Juli 1899 (abgedruckt bei D. Schindler/J. Toman [Fn. 3], S. 201 ff.) wurde das Abwerfen von Projektilen und Sprengkörpern von Ballons und vergleichbare Methoden für einen Zeitraum von fünf Jahren verboten. Das Verbot wurde durch Deklaration XIV. vom 18. Oktober 1907 (abgedruckt ebd.) für weitere fünf Jahre, danach aber nicht mehr erneuert. 39 Bereits 1918/19 hatte eine Kommission niederländischer Völkerrechtler auf Anregung der Niederländischen Archäologischen Gesellschaft Vorschläge für den erweiterten Schutz von Kulturgütern bereits in Friedenszeiten ausgearbeitet – hierzu und zu dem 1915 von E. Zitelmann vorgelegten Entwurf S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 267 f. 40 F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. II, Kriegsvölkerrecht, 2. Aufl. 1969, S. 178 f.; auch C. Greenwood (Fn. 19), Ziff. 122 Anm. 2. Die Regeln sind abgedruckt bei D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 207 ff.; dt. Übersetzung in: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten – Textsammlung – August 1991, DSK VV2007320037, S. 399 ff. 36
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che der Reglementierung des Luftkriegsrechts blieben erfolglos41 – mit den bekannten furchtbaren Folgen für die Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs. Ebenfalls in der Zwischenkriegszeit hatte man sich mit der Schaffung von spezifischen Regeln zum Schutz von Kulturgütern befaßt, vor allem auf Betreiben des International Office of Museums des Völkerbundes.42 Erfolgreich zum Abschluß kamen diese Versuche jedoch nur auf regionaler Ebene im Kontext der Panamerikanischen Union. Deren Mitgliedstaaten schlossen zwei Verträge zum Schutz von Kulturgütern: für unbewegliche Kulturgüter den sog. RoerichPakt – benannt nach dem russischstämmigen Künstler, Wissenschaftler und Politiker Nicolaj Konstantinowitsch Roerich – über den Schutz künstlerischer und wissenschaftlicher Einrichtungen und geschichtlicher Denkmäler in Krieg und Frieden vom 15. April 1935, ferner das sog. Washingtoner Abkommen über den Schutz beweglichen Vermögens von historischer Bedeutung vom gleichen Tag.43 Animiert von diesem Beispiel gab es Bestrebungen des erwähnten Internationalen Museumsbüros, ein universelles Abkommen zum Schutze von Kulturgütern zu schaffen, die in einem 1938 vorgelegten Konventionsentwurf mündeten.44 Die Arbeiten wurden aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nicht weiter fortgeführt, der unmittelbar und mittelbar zu einer Vernichtung und Verbringung von Kulturschätzen in bis dahin unbekanntem Ausmaß führte. In der Folge der furchtbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs kam es zunächst zu einer Revision der humanitären Vorschriften des sog. Genfer Rechts mit der Ausarbeitung und Verabschiedung der vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949. Diese enthielten jedoch – außer einer Bestätigung des Plünderungsverbots (Art. 33 Abs. 2 und 3 der IV. Genfer Konvention) – keinerlei Vorschriften zum Schutz von Kulturgütern. Fünf Jahre später konnte dann – unter dem Dach der UNCESO – die sog. Haager Konvention zum Schutze der Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konflikts vom 14. Mai 1954 unterzeichnet werden.45 Dabei stützten sich die Verhandlungspartner nicht nur auf die bereits vor dem Krieg geleistete Vorarbeit, sondern ebenso auf die Schutzmechanismen, Formulierungen und Regelungstechniken der vier Genfer Konventionen.46 Nicht zuletzt deshalb, aber auch angesichts der grund___________ 41
F. Berber (Fn. 40), S. 178, 179 f. Vgl. Y. Sandoz et al. (Fn. 10), Prot. I Art. 53, Rn. 2061, Fn. 19; K. Partsch (Fn. 5), vor Ziff. 901 Anm. 1; S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 271. 43 Vgl. mit m.w.N. S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 269 f.; Y. Sandoz et al. (Fn. 10), Prot. I Art. 53, Rn. 2061. Der Roerich-Pakt ist abgedruckt bei D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 737 ff. 44 Dazu S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 271 f. 45 Allgemein hierzu S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 276 ff. 46 S. Turner (Fn. 18), S. 26. 42
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legenden Bedeutung der Haager Kulturgutkonvention spricht man von ihr auch als von den Rot-Kreuz-Bestimmungen für Kulturgüter.47 Ergänzt wird das Übereinkommen – in dem sich auch Bestimmungen zur Respektierung der mit dem Schutz von Kulturgut betrauten Personen finden48 – von Ausführungsbestimmungen, die Vertragsbestandteil geworden sind,49 und einem Zusatzprotokoll,50 das insbesondere ein Ausfuhrver- und Rückführungsgebot für Kulturgüter aus besetztem Gebiet normiert. Angesichts der im Laufe vieler Konflikte zu Tage tretenden Unzulänglichkeiten51 wurde 1999 dann ein grundlegendes, zweites Protokoll verabschiedet mit dem Ziel, durch ergänzende Regelungen die im Laufe der Zeit erkannten Unzulänglichkeiten abzustellen.52 Von großer Bedeutung sind schließlich die 1977 nach mehrjährigen Verhandlungen verabschiedeten zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen von 1949. Erstmals wurden hier die klassischen Regelungen über die Kriegsführung und ihre Beschränkungen – das sog. Haager Recht, zu dem prinzipiell auch die Kulturschutzregelungen zählen – und die humanitären Bestimmungen zum Schutz des einzelnen (das sog. Genfer Recht) in einem Vertrag gemeinsam normiert53 und gleichermaßen auf den Luftkrieg erstreckt.54 Vom Kulturgüterschutz handelt gerade je eine Vorschrift, Art. 53 des ersten und Art. 16 des zweiten Protokolls. Gleichwohl kommt dieser Regelung aufgrund ihres im Vergleich zu den älteren Texten weiterführenden Inhalts und der beschränkten Verbreitung des Haager Kulturgutabkommens von 1954, deren Bestimmungen ausdrücklich unberührt bleiben,55 eine besondere Bedeutung zu.56 ___________ 47 Vgl. R.-J. Wilhelm, La « Croix-Rouge des monuments », IRRC 36 (1954), S. 793 ff.; S. Turner (Fn. 18), S. 26. 48 K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 926 f. 49 Art. 20 des Haager Kulturgutabkommens. 50 BGBl. 1967 II, S. 1300; D. Schindler/J. Toman (Fn. 3), S. 777 ff. 51 Vgl. nur A. Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, 2000, S. 135 f., die nach einer kurzen Erörterung des Golfkriegs 1990/91 und des jugoslawischen Bürgerkriegs zum Ergebnis kommt, daß die praktische Wirksamkeit des Kulturgutabkommens von 1954 erheblichen Zweifeln ausgesetzt sei. 52 Umfassend zum Zweiten Haager Protokoll J.-M. Henckaerts, New rules for the protection of cultural property in armed conflict, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593 ff. 53 Vgl. C. Greenwood (Fn. 19), Ziff. 127. 54 S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 282. 55 Vgl. den Wortlaut „Unbeschadet der Bestimmungen der Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten und anderer einschlägiger internationaler Übereinkünfte ist es verboten …“ Zum Verhältnis der beiden Vertragswerke zueinander K. Partsch (Fn. 5), vor Ziff. 901 Anm. 2 c); S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 284 f. sowie unten Fn. 66. 56 Vgl. K. Partsch (Fn. 5), vor Ziff. 901 Anm. 1 a.E. Den 114 Vertragsparteien des Haager Kulturgutabkommens von 1954 stehen immerhin 163 bzw. 159 Ratifikationen der beiden Zusatzprotokolle von 1977 gegenüber. Wichtige Militärnationen wie die Vereinigten Staaten und Großbritannien sowie zahlreiche afrikanische Staaten zählen
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III. Der Schutz vor Zerstörung Neben dem Schutz des einzelnen Individuums im Verlaufe militärischer Auseinandersetzungen stand im klassischen Kriegsvölkerrecht – gewissermaßen als zweites großes Grundprinzip – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten militärischen Mittel bzw. Kriegsführungsmethoden gegenüber der militärischen Notwendigkeit.57 Es besteht eben gerade kein unbegrenztes Schädigungsrecht (Art. 22 HLKO; Art. 35 Abs. 1 ZP I), soweit die einzelnen Gebote zur Schonung einzelner oder beispielsweise von Kulturgütern bestehen.58 Dies ist zwar grundsätzlich nur eine relative Grenze für die Anwendung militärischer Gewalt, weil die „pragmatischen Erfolgsinteressen“ entscheidend für deren Zulässigkeit sind. Gleichwohl ergeben sich im Einzelfall hieraus absolute Verbote. Als Kernvorschrift zählt hierzu jedoch jedenfalls das Gebot der Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten bzw. zwischen zivilen und militärischen Objekten.59 Angriffe sind auf militärische Ziele zu beschränken, Zivilisten und zivile Objekte dürfen weder angegriffen noch zum Gegenstand von Repressalien gemacht werden.60 Unterschiedslose Angriffe sind verboten.61 Diese allgemeine kriegsvölkerrechtliche Regel stellt zugleich die Grundregel für den Schutz von Kulturgütern vor Zerstörung dar.62 Ansätze hierfür finden sich bereits in der Haager Landkriegsordnung von 1907. Diese enthält nicht nur ein Verbot des Angriffs oder Beschießens unverteidigter Orte (Art. 25 HLKO), sondern auch die Vorgabe, daß die Zerstörung feindlichen Eigentums verboten ist, es sei denn, „diese Zerstörung … [wird] durch die Erfordernisse des Krieges dringend erheischt“ (Art. 23 lit. g HLKO). Hinzu kommt eine ausdrückliche Schutzbestimmung für religiöse, kulturelle und humanitäre Einrichtungen – d.h. Gebäude, aber auch „geschichtliche Denkmäler“ –, die einerseits vom Heimatstaat deren Kennzeichnung und Bekanntgabe fordert und andererseits vom Angreifer verlangt, „bei Belagerungen und Beschießungen“ alle erforderlichen Vorkehrungen zu deren Schonung zu treffen. Dieser mittlerweile auch ___________ nicht zu den Vertragsparteien des Haager Abkommens, wobei die Vereinigten Staaten auch die Zusatzprotokolle nicht ratifiziert haben und deshalb völkerrechtlich nur dem Roerich-Pakt, der HLKO sowie dem Gewohnheitsrecht verpflichtet sind. 57 K. Ipsen (Fn. 14), § 65 Rn. 3 ff. 58 S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 264. 59 Vgl. die Regeln 1 ff., 7 ff. der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12); Art. 51 ZP I. 60 Art. 51 Abs. 6, Art. 52 Abs. 1 ZP I; UK Manual (Fn. 10), Ziff. 5.24. 61 Regel 11 ff. der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12); Art. 51 Abs. 4 ZP I; UK Manual (Fn. 10), Ziff. 5.23. 62 F. Bugnion, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 313, 317.
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gewohnheitsrechtlich verbindliche63 Schutz setzt freilich voraus, daß diese Objekte „nicht gleichzeitig zu einem militärischen Zwecke Verwendung finden“ (Art. 27 HLKO). Dieses Gebot größtmöglicher Schonung ist heute generell ausgeweitet und gilt gleichermaßen in bezug auf die Zivilbevölkerung im ganzen, Zivilisten und zivile Objekte. Gleichwohl finden sich auch weiterhin besondere Schutzvorschriften für Kulturgüter.64 Die Regelung im ZP I geht dabei über das zuvor geltende Vertrags- und Gewohnheitsrecht hinaus und stellt ein grundsätzlich absolutes Verbot feindseliger Handlungen und von Repressalien65 gegen besonders wichtige, das kulturelle oder geistige Erbe der Völker darstellende Kulturgüter auf (Art. 53).66 Zugleich ist es untersagt, solche Objekte zur Unterstützung militärischer Einsätze zu verwenden. Das absolute Verbot von Kampfmaßnahmen gegen kulturell und religiös bedeutsame Gebäude und Einrichtungen hat freilich noch nicht völkergewohnheitsrechtlichen Status erlangt.67 Nach allgemeinem Völkerrecht besteht gleichwohl eine besondere Verpflichtung der Parteien eines bewaffneten Konflikts, im Verhältnis zu entsprechenden Gebäu___________ 63
S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 264. UK Manual (Fn. 10), Ziff. 5.25.1. Zweck hierfür sei v.a., den verantwortlichen Befehlshabern Existenz und Bedeutung der Kulturgüter vor Augen zu führen – ebd. Ziff. 5.25.3. 65 K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 909. Sowohl Großbritannien als auch Irland haben allerdings einen Vorbehalt im Hinblick auf das Repressalieverbot erklärt – A. Roberts/R. Guelff, Documents on the Law of War, 3. Aufl. 2000, S. 506, 511; UK Manual (Fn. 10), Ziff. 5.25, Fn. 104. 66 A.A. S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 288 f., derzufolge aufgrund des Verweises auf die „Weitergeltung“ [sic!] des Haager Kulturgutabkommens von 1954 „nicht nur der Grundsatz militärischer Notwendigkeit zum Tragen [komme], sondern auch der Verlust des Schutzes in dem Moment, in dem Objekte … zur Unterstützung des militärischen Einsatzes verwendet werden“. Diese Interpretation steht – ungeachtet entsprechender Stellungnahmen auf der Diplomatischen Konferenz (vgl. W.A. Solf, in: K.J. Partsch / M. Bothe / W.A. Solf [Hrsg.], New Rules for Victims of Armen Conflicts, 1982, S. 333) – im eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut von Art. 53, wonach dessen Regeln „unbeschadet“ des Haager Abkommens gelten (engl. without prejudice), der aber keine Übernahme der dort enthaltenen Schrankenregelungen anordnet. Einschränkend auch Y. Sandoz et al. (Fn. 10), Prot. I Art. 53, Rn. 2072 mit Fn. 28, allerdings nur im Hinblick auf den Schutzverlust bei – per se verbotener – militärischer Nutzung des geschützten Objekts (ebenso K. Partsch [Fn. 5], Ziff. 918 Anm. 1). Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn das Kulturgut zu einem militärischen Objekt i.S.v. Art. 52 Abs. 2 ZP I geworden ist (Y. Sandoz et al., ebd. Rn. 2079; K. Partsch [Fn. 5], Ziff. 918 Anm. 2; W. Solf, ebd., S. 333). Im übrigen wäre es sinnwidrig, wenn die Haager Kulturgutkonvention, die ausdrücklich die Erhaltung des kulturellen Erbes bezweckt (vgl. Abs. 3 der Präambel), den von Art. 53 ZP I gewährten Schutz durch Bereitstellung einer Derogationsregel einschränken würde. 67 Gewohnheitsrechtliche Geltung erlangt hat allerdings das Repressalieverbot gegen Kulturgüter im Sinne des Haager Abkommens von 1954 – Regel 147 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 64
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den und Denkmälern besondere Sorgfalt zu üben, soweit sie nicht selbst militärisch genutzt werden. Das Verbot feindseliger Maßnahmen gegen besonders wichtige Kulturgüter und deren Benutzung zu militärischen Zwecken, die sie der Zerstörung aussetzt, ist völkergewohnheitsrechtlich freilich nicht uneingeschränkt, sondern steht unter dem Vorbehalt überragend wichtiger militärischer Erfordernisse.68 Daraus folgt unmittelbar, daß im Falle einer kriegerischen Besetzung das Zerstörungs- und Beschädigungsverbot absolut ist, weil hier militärische Erfordernisse nicht mehr bestehen können.69 Weitergehende Schutzgebote im Hinblick auf die Kriegsführung enthält auch das Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 nicht. Es verpflichtet die mittlerweile 114 Vertragsstaaten auf die Respektierung von Kulturgütern, untersagt also feindselige Maßnahmen, Repressalien sowie die militärische Nutzung unter dem Vorbehalt militärischer Notwendigkeit (Art. 4 Abs. 1, 2 und 4).70 Hinzu treten Verpflichtungen zur Sicherung von Kulturgut bereits zu Friedenszeiten (Art. 3) und zur Verhinderung von dessen „sinnloser“ Zerstörung (Art. 4 Abs. 3). Mit seiner Pflicht zur Kennzeichnung von Kulturgut durch das bekannte blau-weiße Schild71 schafft es zudem eine essentielle Voraussetzung für die Erkennbarkeit und damit Unterscheidbarkeit von Kulturgütern bzw. Depots und erstreckt den Kulturgüterschutz damit bereits auf Friedenszeiten.72 Verfahrenstechnisch von Bedeutung ist die Schaffung eines Generalkommissars, den jede Partei im Einvernehmen mit der Schutzmacht des Kriegsgegners ernennen kann und dem Durchsetzungs- und Überwachungsfunktionen neben und zusammen mit den Schutzmächten obliegen.73 Für besonders wichtige Einrichtungen, namentlich Bergungsorte und Denkmalszentren, wird gem. Art. 8 ein Sonderschutzsystem geschaffen, das auf einer Eintragung in ein von der UNESCO geführtes internationales Register74 beruht und in bezug auf welches grundsätzlich Unverletzlichkeit vereinbart wird ___________ 68 Regeln 38 B, 39 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 69 Dies ergibt sich auch unmittelbar aus Art. 56 Abs. 2 HLKO. 70 K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 905 ff. 71 Artikel 6, 10 und 16 f. Haager Kulturgutabkommen. Zur Kennzeichnung auch K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 929 ff. 72 S. hierzu J. Hladík, Marking of cultural property with the distinctive emblem of the 1954 Hague Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 379 ff. 73 Art. 6 ff. der Ausführungsbestimmungen zum Haager Kulturgutabkommen; K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 928; vgl. allgemein S. Landolt, Die rechtliche Stellung des Generalkommissärs für Kulturgut, 1973. 74 Art. 8 Abs. 6 Haager Kulturgutabkommen und Art. 12 ff. der Ausführungsbestimmungen. Hierzu auch Kalshoven, Constraints on the Waging of War, 2. Aufl. 1991, S. 39.
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(Art. 9), solange keine militärische Nutzung erfolgt.75 Auch Transporte können dem Sonderschutz unterstellt werden (Art. 12, 13). Auch dieser Schutz ist freilich nicht absolut, sondern kann „in Ausnahmefällen unausweichlicher militärischer Notwendigkeit“ aufgehoben werden (Art. 11 Abs. 2). Es können jedoch nur solche Objekte unter Sonderschutz gestellt werden, die „sich in ausreichender Entfernung von großen Industriezentren oder wichtigen militärischen Objekten“ befinden, wobei zu letzteren auch Flugplätze, Rundfunksender, militärisch bedeutsame Betriebe und Transporteinrichtungen sowie Hauptverkehrsadern zählen (Art. 9 Abs. 2). In Anbetracht dieser außerordentlich strengen Voraussetzungen76 sind solche Unterschutzstellungen bislang nur in insgesamt acht Fällen erfolgt: in Deutschland der Oberrieder Stollen in der Nähe von Freiburg i.Br., ähnliche Bergungsorte in Österreich und den Niederlanden sowie die Vatikanstadt (als Denkmalsort).77 Angesichts der Unwirksamkeit dieses allzu strikten Schutzkonzeptes, die in erster Linie auf die hohen, nur selten zu erfüllenden Anforderungen zurückzuführen ist, und vor dem Hintergrund der ernüchternden Erfahrungen insbesondere im Golfkrieg 1990/91 und im jugoslawischen Bürgerkrieg78 kamen die Vertragsparteien im 1999 verabschiedeten Zweiten Protokoll zur Kulturgutkonvention überein, einen „verstärkten Schutz“ für kulturelles Erbe von höchster Bedeutung vorzusehen, wenn dieses auch innerstaatlich effektiv geschützt und weder für militärische Zwecke noch für den Schutz militärischer Anlagen verwendet wird (Art. 10 ff.). Dieser „verstärkte Schutz“, der ebenfalls eine internationale Listung voraussetzt, hat gleichermaßen die Unverletzlichkeit des betroffenen Kulturguts aus Angreifer- und Verteidigerperspektive zur Folge.79 Zudem stellt das 2004 in Kraft getretene, mittlerweile 34 Staaten bindende Protokoll80 zusätzliche Erfordernisse für Angriffshandlungen gegen Kulturgüter auf, wenn diese infolge militärischer Verwendung ihren verstärkten Schutz grundsätzlich verloren haben.81 Dieser nachwirkende Schutz beinhaltet u.a., daß der Angriff die einzig mögliche Maßnahme darstellt, sämtliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden und der Angriff grundsätzlich von der höchsten ___________ 75 Ausführlicher zum Sonderschutz K. Partsch (Fn. 5), vor Ziff. 901 Anm. 3, Ziff. 910 ff. 76 So auch die Einschätzung von F. Kalshoven (Fn. 74), S. 39. 77 J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593, 607 (Fn. 35); K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 912 Anm. 4. 78 Hierzu A. Hipp (Fn. 51), S. 135 f.; S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 258; J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593, 594. 79 Vgl. J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593, 611 ff. mit Einzelheiten. 80 Stand 14. Oktober 2005 (Quelle: International Committee of the Red Cross, IHL and other related treaties, verfügbar im Internet unter www.icrc.org [1.11.2005]). 81 Art. 13 des Zweiten Haager Protokolls; s.a. J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593, 609 f.
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Befehlsebene angeordnet wird. Neben den Regelungen zum verstärkten Schutz enthält das Protokoll eine Klarstellung zum Begriff der „militärischen Notwendigkeit“, die außerhalb des Sonderschutzes feindselige Handlungen gegen und die militärische Nutzung von Kulturgütern ausnahmsweise zulässig werden läßt (Art. 4 Abs. 2 Kulturgutkonvention).82 Es finden sich Klarstellungen zur Respektierungspflicht gegenüber Kulturgütern sowie die am ZP I orientierte83 Verpflichtung auf Vorsichtsmaßnahmen gegen die Wirkungen von Kampfeinsätzen und beim Angriff.84
IV. Der Schutz vor Wegnahme Die kriegsvölkerrechtlichen Regeln zum Schutz der Kulturgüter vor Wegnahme sind nicht in vergleichbarer Weise mit dem allgemeinen Kriegsaktionen- (Haager) Recht verbunden, beziehen sie sich doch in erster Linie auf Situationen außerhalb konkreter Kampfhandlungen. Noch im klassischen Völkerrecht war die Aneignung beweglicher Sachen des Gegners im Kriege zulässig und begründete einen gültigen Rechtstitel.85 Die Wegnahme konnte dabei sowohl Rechtsdurchsetzung als auch Kriegsführungsmaßnahme (Schwächung des Gegners) sein.86 Erst später kommt es – aus humanitären Erwägungen gegenüber Privatpersonen und wegen Achtung der Souveränität des Kriegsgegners – dazu, daß sämtliche dahingehenden Eingriffe der friedensvertraglichen Bestätigung bedürfen.87 Der Lieber-Code gibt hiervon beredt Zeugnis, wenn er die Beschlagnahme und Verbringung beweglicher Kulturgüter auf Anweisung des Staatsoberhaupts für möglich erklärt, die Klärung der endgültigen Eigentumsfrage dabei aber dem Friedensvertrag vorbehält.88 Daß der Zugriff auf Sachgüter des Gegners – außer im Falle der Annexion nach einer debellatio – ___________ 82
Art. 6 Zweites Haager Protokoll, vgl. mit Einzelheiten, auch zur Entstehung, J. Hladík, The 1954 Hague Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict and the notion of military necessity, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 621 ff.; s.a. J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81, [No. 835], S. 593, 599 ff. 83 Vgl. Art. 57 und 58 ZP I – hierzu UK Manual (Fn. 10), Ziff. 5.26.5. 84 Art. 7 und 8 Zweites Haager Protokoll – s.a. J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593, 613. 85 Siehe hierzu S. Turner (Fn. 18), S. 31 ff.; H. Grotius (Fn. 20), III. Buch, 6. Kap., I et seq. (S. 462 ff.); 13. Kap., I (S. 524) und E. de Vattel (Fn. 25), III. Buch, Kap. IX, §§ 160, 138 (S. 449, 433). 86 S. Turner (Fn. 18), S. 32 unter Verweis auf E. de Vattel (Fn. 25), III. Buch, Kap. IX, §§ 160, 138 (S. 449, 433). 87 S. Turner (Fn. 18), S. 33. 88 Art. 36: “If such works of art, libraries, collections, or instruments belonging to a hostile nation or government, can be removed without injury, the ruler of the conquering state or nation may order them to be seized and removed for the benefit of the said nation. The ultimate ownership is to be settled by the ensuing treaty of peace. …”.
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nur aufgrund einer friedensvertraglichen Regelung erfolgen kann,89 setzen die neueren Texte voraus; sie enthalten im übrigen nur unmittelbar wirkende, absolute Schutzvorschriften. Elementar ist hierbei das mittlerweile gewohnheitsrechtlich geltende90 Plünderungsverbot, das in der Haager Landkriegsordnung gleich zweimal auftaucht: im Kontext der allgemeinen Kriegsführungsregeln (Art. 27) sowie im Zusammenhang des Rechts der kriegerischen Besetzung (Art. 47). Ergänzt wird es durch eine ausdrückliche Schutzvorschrift zugunsten des Privateigentums91 (Art. 46 Abs. 2). Zulässig sind allein Kontributionen und die Requisition von Natural- und Dienstleistungen.92 Damit besteht insoweit auch kein Beuterecht mehr93 – allein bewegliches Staatseigentum kann beschlagnahmt werden (Art. 53 Abs. 1). Für Kulturgüter, namentlich das Eigentum der dem Gottesdienste, dem Unterrichte, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Anstalten, folgt dieser Schutz aus ihrer Gleichstellung mit Privateigentum in Art. 56 HLKO, dessen Abs. 2 dann unmißverständlich feststellt: „Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von derartigen Anlagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden.“
Öffentliche Gebäude und Liegenschaften sind gem. Art. 55 vom Besatzungsstaate zu erhalten und nach den Regeln des Nießbrauchs zu verwalten. Er ist damit jedenfalls in bezug auf die unbeweglichen Kulturgüter als Treuhänder anzusehen.94 Damit besteht ungeachtet zahlreicher Verstöße, v.a. im Verlauf des Zweiten Weltkriegs, ein grundsätzlich umfassender Schutz vor Beschlagnahme von Kulturgut. In Art. 33 Abs. 2 der IV. Genfer Konvention von 1949 wird das Plünderungsverbot bestätigt. Die Haager Kulturgutkonvention von 1954 wiederholt diesen Grundsatz in Art. 4 Abs. 3 und verpflichtet die Vertragsparteien,
___________ 89
S. Turner (Fn. 18), S. 36 f. Regel 52 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 91 Vgl. auch S. Turner (Fn. 18), S. 58 f. Für die gewohnheitsrechtliche Geltung vgl. Regel 51 (c) der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 92 Art. 49 und 52 HLKO, s.a. Art. 53 Abs. 2 HLKO. Hierzu S. Turner (Fn. 18), S. 59. 93 Anders im Seekriegsrecht: Das XI. Haager Abkommen von 1907 über gewisse Beschränkungen des Beuterechts im Seekrieg (RGBl. 1910 S. 316) geht weiterhin von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Beutekriegs im Seerecht aus. Obwohl es keinerlei Ausnahmevorschrift für Kulturgüter enthält, finden sich doch mehrere prisenrechtlichen Entscheidungen des Inhalts, daß Kunstwerke nicht dem Beuterecht unterlägen – vgl. S. Turner (Fn. 18), S. 61. 94 S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 265. 90
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„… jede Art von Diebstahl, Plünderung oder anderer widerrechtlicher Inbesitznahme von Kulturgut … solchen Guts zu verbieten, zu verhindern und nötigenfalls solchen Handlungen ein Ende zu setzen.“
Zudem enthält sie ein Verbot der Requisition fremden beweglichen Kulturguts. Von diesen Vorgängen der Besitzergreifung ist die Ausfuhr von Kulturgütern aus dem besetzten Gebiet zu unterscheiden. Ein ausdrückliches Ausfuhrverbot ist allein im ersten Protokoll zum Haager Abkommen von 1954 aus dem gleichen Jahr enthalten,95 während das Abkommen selbst in Art. 5 lediglich die Besatzungsmacht zur Unterstützung der nationalen Behörden bei der Kulturgutsicherung anhält. Für Kulturgüter, die unter Verletzung des ersten Haager Protokolls ausgeführt wurden, besteht eine Rückführungsverpflichtung sowie ein Verbot der Zurückhaltung für Reparationszwecke.96 Das Zweite Haager Protokoll von 1999 verbietet nicht nur jede unerlaubte Entfernung oder Eigentumsübertragung von Kulturgut in besetztem Gebiet, sondern – vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Golfkrieg von 1990/91 – gleichermaßen archäologische Ausgrabungen und sonstige Veränderungen von Kulturgut oder der Art seiner Verwendung „mit dem Ziel, kulturelle, historische oder wissenschaftliche Belege zu verbergen oder zu zerstören“ (Art. 9). Der Grundsatz, daß die Verbringung von Kulturgütern durch friedensvertragliche Regelung erfolgen kann, gilt auch im modernen Völkerrecht. Damit können Kulturgüter durch vertragliche Vereinbarung in der Folge eines militärischen Konflikts grundsätzlich an den Siegerstaat übertragen werden, insbesondere die Rückgabe rechtswidrig entzogener Werke und theoretisch auch die Übergabe bestimmter Werke als Ersatz für zerstörtes Kulturgut. Ein typisches Beispiel hierfür ist Art. 247 Abs. 1 Versailler Vertrag, der Deutschland zur Lieferung von wertvollen Bibliotheksbeständen als Ersatz für die 1914 niedergebrannte Bibliothek Löwen (Belgien) verpflichtet.97 Allerdings ist auch die Zulässigkeit dieser sog. kompensatorischen Restitution (engl. restitution in kind) als Sonderform der Reparationsleistungen umstritten.98 Sie setzt in jedem Fall eine Übereinkunft voraus. Inwieweit solche vertraglichen Regelungen über die Aushändigung bzw. Eigentumsübertragung im übrigen völkerrechtlich zulässig sind, ist nicht völlig geklärt. Allein der Umstand, daß diese Klauseln üblicherweise in Friedensverträgen zu finden sind und daher auf einer faktischen ___________ 95
Näher K. Partsch (Fn. 5), Ziff. 922; S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 303 f., 426 f. Ziff. 3 des (ersten) Protokolls zur Haager Kulturgutkonvention, S. Turner (Fn. 18), S. 71 ff. 97 Vgl. L. Engstler, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 127 ff. 98 Vgl. S. Turner (Fn. 18), S. 116 ff. mit ausführlicher Darstellung der Diskussion zwischen den Alliierten während des Zweiten Weltkriegs und danach; E. Stumpf, Kulturgüterschutz im internationalen Recht unter besonderer Berücksichtigung der deutschrussischen Beziehungen, 2003, S. 188 ff. 96
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Ungleichheit der Parteien basieren, führt nicht zu ihrer Unwirksamkeit.99 Insoweit gilt der völkerrechtliche Grundsatz volenti non fit iniuria.100 Diskutiert wird allenfalls die Nichtigkeit aufgrund Verstoßes gegen höherrangiges, zwingendes Recht (ius cogens).101
V. Durchsetzungsmechanismen Der Blick auf die beiden Schutzrichtungen und Mechanismen hat gezeigt, daß im humanitären Völkerrecht durchaus weitreichende und potentiell wirksame Schutzvorschriften zur Verhinderung von Zerstörung und Wegnahme von Kulturgütern bestehen. Freilich zeigt ein Blick auf die Vielzahl bewaffneter Konflikte, daß das Bestehen der Regeln zwar notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für einen effektiven Kulturgüterschutz ist. Gerade im Kriegsvölkerrecht offenbart sich die Durchsetzungsproblematik im Völkerrecht besonders deutlich; gerade hier hat die Rechtsgemeinschaft aber auch eine Reihe von Mitteln entwickelt, die eine weitestgehende Beachtung der geltenden Regeln auch im Bereich des Kulturgüterschutzes sicherzustellen bezwecken. Die bestehenden Durchsetzungsmechanismen bestehen im wesentlichen in zweierlei Richtung: präventiv, d.h. auf die Verhinderung von Verstößen gerichtet, und repressiv, also in Reaktion auf Mißachtungen. Zum ersten Bereich zählen insbesondere die innerstaatliche Verbreitung der Kenntnisse über das geltende Recht, also Unterrichtung und Ausbildung des militärischen Personals (1.), sowie die wechselseitige oder neutrale Überwachung der Beachtung einschlägiger Regeln (2.). Der zweite Komplex umfaßt demgegenüber Reaktionen auf erfolgte Rechtsverstöße, darunter Sachverhaltsaufklärung und -untersuchung (3.), Schadensersatz und Wiedergutmachung, ggf. unter Einschaltung Dritter oder justizförmiger Streitbeilegungsinstanzen (4.). Ein immer wichtiger werdender Aspekt ist die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit, und zwar sowohl nach nationalem wie nach Völkerrecht (5.). Im Grenzbereich zwischen präventiver und repressiver Maßnahme liegt schließlich die Rechtsdurchsetzung durch Repressalie, die zwar einerseits auf rechtskonformes Verhalten in der Zukunft abzielt, andererseits aber bereits einen Rechtsverstoß voraussetzt (6.).
___________ 99
Zur Problematik der ungleichen Verträge vgl. W. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Fn. 14), § 15 Rn. 34 f. 100 S. Turner (Fn. 18), S. 38. 101 S. Turner (Fn. 18), S. 38 f.
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1. Ausbildung und Instruktion Die Verpflichtung von Staaten zur Ausbildung der eigenen Streitkräfte und sonstiger Kombattanten im Hinblick auf das humanitäre Völkerrecht und zur Ausgabe entsprechender Dienstvorschriften ist mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt (Rule 142). Hinzu kommt eine Verpflichtung, militärischen Befehlshabern von entsprechender Bedeutung oder Rang Rechtsberater für das humanitäre Völkerrecht zur Verfügung zu stellen (Rule 141).102 Auch das ZP I mit seinen für den Kulturgüterschutz wichtigen Vorschriften enthält eine entsprechende Verpflichtung. Spezielle Bestimmungen, die auch die Information der Zivilbevölkerung einschließen, finden sich in Art. 25 der Haager Konvention von 1954 sowie, bezogen auf die Respektierung, in deren Art. 7; darüber hinaus auch in Art. 30 des Zweiten Haager Protokolls. 2. Überwachung Von gleicher Bedeutung, gerade im Konfliktfalle, ist die wechselseitige bzw. neutrale Überwachung der Beachtung einschlägiger Regeln. Bereits für Friedenszeiten statuiert Art. 26 Abs. 2 der Haager Konvention von 1954 zudem eine Berichtspflicht, wonach Staaten alle vier Jahre dem UNESCOGeneraldirektor „über die … zur Durchführung dieses Abkommens und seiner Ausführungsbestimmungen getroffenen, vorbereiteten oder in Aussicht genommenen Maßnahmen“ Bericht erstatten müssen.103 Gem. Art. 37 Abs. 2 Zweites Haager Protokoll ist auch insoweit alle vier Jahre ein Bericht an den gem. Art. 24 eingesetzten Ausschuß für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vorzulegen.104 Auch unabhängig von der Berichtspflicht ist es Aufgabe des Ausschusses, die Durchführung des Protokolls zu beobachten und zu überwachen.105 Im Konfliktfall ist es Aufgabe des bei jeder Konfliktpartei einzusetzenden Generalkommissars für Kulturgut, die Anwendung des Haager Kulturgutab___________ 102
S.a. Art. 82 ZP I. Hierzu mit Hinweisen auf die Berichtspraxis J. Hladík, Reporting system under the 1954 Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, IRRC (2000) 82 [No. 840], S. 1001 ff. Kritisch wegen des Fehlens einer Prüfung der Berichte durch ein unabhängiges Expertengremium K. Partsch (Fn. 5), Schlußbemerkungen (nach Ziff. 936), S. 326. 104 Berücksichtigt man, daß Voraussetzung für den Beitritt zum Zweiten Haager Protokoll die Ratifikation des Haager Abkommens von 1954 ist (vgl. Art. 2, 42 Abs. 1), so bedeutet diese neuerliche Berichtspflicht praktisch eine Verdoppelung der staatlichen Pflichten. Inwieweit hier in der Praxis eine Kombination der Berichte vorgenommen werden kann – auch der Ausschuß wird vom UNESCO-Sekretariat administrativ unterstützt (Art. 28 Zweites Haager Protokoll) –, wird sich erweisen müssen. 105 Art. 27 Abs. 1 lit. c) Zweites Haager Protokoll. 103
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kommens zu überwachen, bei den Konfliktparteien oder deren Schutzmächten mit zweckmäßigen Hinweisen zur Anwendung vorstellig zu werden und etwa erforderliche Berichte zu verfassen.106 3. Unabhängige Sachverhaltsaufklärung und Streitbeilegung Konflikte über die Auslegung und Anwendung der kriegsvölkerrechtlichen Regelungen zwischen zwei Vertragsparteien können im übrigen durch Schlichtungs- oder Vermittlungsverfahren beigelegt werden, entweder direkt – ggf. unter Zuhilfenahme der guten Dienste des UNESCO-Generalsekretärs (vgl. Art. 36 des Zweiten Haager Protokolls) – oder über die jeweils bestellten Schutzmächte. Dieses Konzept wurde im Kriegsvölkerrecht erstmalig in der Genfer Kriegsgefangenenkonvention von 1929 herangezogen und fand dann Aufnahme sowohl in die Haager Kulturgüterkonvention von 1954 und deren zweites Protokoll von 1999 als auch in Art. 5 des ZP I. Bereits auf konkrete Ereignisse und deren Konformität mit dem anwendbaren Recht richtet sich die Sachverhaltsaufklärung und -untersuchung, die gleichermaßen unter Einschaltung der UNESCO oder der Schutzmächte erfolgen kann. Einen separaten Untersuchungsmechanismus sieht hier v.a. das ZP I vor. Gem. Art. 90 ZP I wird eine Internationale Ermittlungskommission gebildet, die nach entsprechendem Einverständnis der Konfliktparteien dafür zuständig ist, diejenigen Tatsachen zu untersuchen, die möglicherweise einen erheblichen Verstoß gegen die Konventionen oder das Zusatzprotokoll darstellen.107 Auch der Generalkommissar für Kulturgut ist berechtigt, nach Zustimmung der Partei, bei der er tätig ist, Untersuchungen vorzunehmen.108 4. Staatenverantwortlichkeit Jeder einem Staat zurechenbare Völkerrechtsverstoß begründet grundsätzlich dessen Pflicht zur Wiedergutmachung, wozu in erster Linie Restitution und Schadensersatz zählen.109 Im Kriegsvölkerrecht war die Schadensersatzpflicht explizit bereits in Art. 3 des IV. Haager Abkommens von 1907 für Verletzun___________ 106 Vgl. Art. 6 Ausführungsbestimmungen zur Haager Kulturgutkonvention, insbesondere Ziff. 4 und 5, sowie Art. 8. 107 Zur internationalen Untersuchungskommission vgl. E. Kussbach, The International Humanitarian Fact-Finding Commission, International and Comparative Law Quarterly 43 (1994), S. 174 ff. 108 Art. 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen zur Haager Kulturgutkonvention. 109 Vgl. International Law Commission, Art. 34 Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts; Anhang zu Res. 56/83 der UNGeneralversammlung, UN Doc. A/Res/56/83.
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gen der Haager Landkriegsordnung statuiert worden.110 Sie findet sich mittlerweile auch in Art. 91 ZP I, gilt jedoch gewohnheitsrechtlich auch darüber hinaus.111 Restitution, also Wiederherstellung des vor der Handlung herrschenden Zustands, steht dabei unter dem Vorbehalt der Möglichkeit und der Verhältnismäßigkeit im Verhältnis zum Schadensersatz.112 Soweit eine entsprechende Vereinbarung besteht oder getroffen wird, können die Feststellung des Bestehens und ggf. Umfang und Ausmaß einer Restitutions- oder Schadensersatzverpflichtung unabhängigen Vergleichs- und Schlichtungsinstanzen, aber auch verbindlicher schiedsgerichtlicher oder gerichtlicher Entscheidung übertragen werden. 5. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Zur Durchsetzung der kriegsvölkerrechtlichen Ge- und Verbote zum Zwekke des Kulturgüterschutzes werden zunehmend auch strafrechtliche Sanktionen angedroht und ggf. verhängt. Die aus dem Verstoß gegen völkerrechtliche Schutzvorschriften folgende individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit113 tritt dabei neben die Staatenverantwortlichkeit und die daraus folgende Ersatzund Wiedergutmachungspflicht. Ursprünglich kam hier lediglich eine Bestrafung nach nationalem Recht in Betracht, anfangs sogar nur die Verpflichtung zur disziplinarischen oder strafrechtlichen Verfolgung gem. Art. 28 der Kulturgutkonvention.114 Das ZP I von 1977 enthält, wie schon die Genfer Konventionen von 1949, eine Verpflichtung zur Bestrafung schwerer Verletzungen, zu denen gem. Art. 85 Abs. 4 lit. d) auch die Zerstörung von eindeutig als solchen erkannten Kulturgütern entgegen Art. 53 ZP I zählt.115 Auch das Zweite Haager Protokoll statuiert eine Pflicht für die innerstaatliche Bestrafung näher definierter schwerer Verstöße gegen seine Bestimmungen und zwar erstmalig auch bei nicht-internationalen Konflikten – ergänzt durch eine Vereinbarung über die Gerichtsbarkeit und Auslieferungsregeln (Art. 15 ff.).116 Neben die nationale tritt – in letzter Zeit verstärkt – die internationale Strafverfolgung von Individuen, die unter Verstoß gegen kriegsrechtliche Regeln Angriffe gegen Kulturgut durchführen oder befehlen. Bereits im Statut des ___________ 110 Die Vorgängerkonvention, das II. Haager Abkommen vom 29. Juli 1899, enthielt eine solche Schadensersatzregelung noch nicht. 111 Regel 150 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 112 Art. 35 ILC-Articles (Fn. 109). 113 Vgl. die Regeln 151, 156 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 114 Kritisch K. Partsch (Fn. 5), Schlußbemerkungen (nach Ziff. 936), S. 326. 115 Hierzu näher S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 289 ff. 116 Vgl. im einzelnen J.-M. Henckaerts, IRRC (1999) 81 [No. 835], S. 593, 613 ff.
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IMT Nürnberg waren als Kriegsverbrechen aufgezählt worden u.a. die Plünderung von privatem und öffentlichem Vermögen und die vorsätzliche, nicht aus militärischen Gründen erforderliche Zerstörung von Städten und anderen Siedlungen (Art. 6 lit. b). Dementsprechend wurden beispielsweise Rosenberg und Goering u.a. wegen der umfassenden Plünderung von Kunst- und Kulturgütern in den besetzten Gebieten unter dem Aspekt Kriegsverbrechen verurteilt.117 Auch im Statut des 1993 eingerichteten Ad-hoc-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien ist die „Inbesitznahme, Zerstörung oder vorsätzliche Beschädigung“ von Kulturgut und die Plünderung öffentlichen wie privaten Eigentums als Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt (Art. 3 lit d und e). Auch dieses Gericht hat in Urteilen gegen Befehlshaber der jugoslawischen Volksarmee wegen der Zerstörung der Altstadt von Dubrovnik118 den Schuldvorwurf der Anklage wegen Kriegsverbrechen bestätigt.119 Schließlich ist auch der ständige Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, der 2003 seine Arbeit aufgenommen hat, für die Verfolgung von Kriegsverbrechen zuständig, zu denen u.a. auch vorsätzliche Angriffe auf Kulturgüter zählen (Art. 8 Abs. 2 lit. a) Ziff. ix) sowie lit. e) Ziff. iv) IStGH-Statut). Seine Zuständigkeit ist jedoch komplementär zur nationalen Strafgerichtsbarkeit und erstreckt sich überdies nur auf solche Kriegsverbrechen, die nach dem Inkrafttreten des Statuts am 1. Juli 2002 begangen wurden. 6. Repressalie Zur einseitigen Rechtsdurchsetzung steht den Staaten auch heute noch das bereits klassische Mittel der Repressalie zur Verfügung. Eine Repressalie, in der moderneren Terminologie der International Law Commission auch Gegenmaßnahme (counter measure) genannt, ist eine an sich völkerrechtswidrige Zwangsmaßnahme, mit der auf einen vorherigen Rechtsbruch eines anderen Staates reagiert wird, um diesen zu einer Einstellung seines völkerrechtswidrigen Verhaltens zu zwingen. Gerade im Kriegsvölkerrecht bestehen freilich starke Zweifel an der Geeignetheit der Repressalie, da sie oft eher zu einer Es___________ 117 Internationaler Militärgerichtshof (Hrsg.), Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, 1947, Bd. 1, Urteil, S. 189, 270 ff., 317, 332 f. (= AJIL 41 [1947], S. 172, 237 f., 274, 287). 118 Einer Studie des Institute for the Protection of Cultural Monuments in Verbindung mit der UNESCO zufolge wurden nahezu 70 % aller Bauwerke der historischen Altstadt zerstört, darunter öffentliche und private sowie religiösen Zwecken gewidmete Gebäude, Straßen, Plätze, Brunnen, Tore und Brücken. Die Kosten für den Wiederaufbau wurden 1993 auf knapp 10 Mio. US-Dollar geschätzt. 119 Prosecutor v. Pavle Strugar, IT-01-42-T „Dubrovnik“, Trial Chamber, Urt. v. 31. Januar 2005; Prosecutor v. Miodrag Jokic, IT-01-42/1-T, Trial Chamber, Urt. v. 18. März 2004.
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kalation gegenseitiger Rechtsbrüche führt und zudem extrem mißbrauchsanfällig ist.120 Grundsätzlich steht die – auch kriegerische – Repressalie im internationalen bewaffneten Konflikt121 auch zur Durchsetzung der Kulturgüterschutzregeln zur Verfügung. Sie beruht freilich in erster Linie auf dem Reziprozitätsgedanken,122 der im Kontext des Kulturgüterschutzes wegen ihres absoluten Wertes und Schutzbedürfnisses prinzipiell versagt. Kulturgüter als solche gelten dementsprechend als repressalienfest und sind insoweit uneinschränkbar geschützt. Dies bedeutet, daß ein Verstoß gegen die Schutzvorschriften auch nicht unter Verweis auf das Repressalierecht gerechtfertigt werden kann – ein generell für zivile Objekte123 und Privateigentum124 geltender Schutz, der explizit auch für Kulturgüter gilt.125
VI. Neuere Entwicklungen und Praxis im Bereich des kriegsvölkerrechtlichen Kulturgüterschutzes Zum Abschluß sei auf einige aktuelle Entwicklungen im Bereich des kriegsvölkerrechtlichen Kulturgüterschutzes eingegangen – eine zwangsläufig willkürliche Auswahl dreier Situationen, die jedoch jede für sich in ganz unterschiedlicher Weise Probleme und Erfolge des kriegsrechtlichen Kulturgüterschutzes aufzeigen: der jahrzehntelange Konflikt in Kambodscha (1.), die Situation in Afghanistan unter den Taliban (2.) sowie der letzte Irakkrieg (3.). 1. Der Kambodscha-Konflikt Der jahrzehntelange Konflikt in und um Kambodscha ist mit dem Pariser Frieden von 1991 und dessen Umsetzung zu Ende gegangen. Damit läßt sich auch jetzt erst resümieren, inwieweit die einzelnen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, insbesondere die Haager Kulturgutkonvention, zum Schutz der Kulturgüter des Landes beigetragen haben. Eine jüngst veröffentlichte Studie kommt hier zu dem Ergebnis, daß die Denkmäler und archäologischen Stät___________ 120 S. Oeter, in: D. Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Ziff. 476 Anm. 2. 121 Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt haben die Parteien kein Recht auf Repressalien – Regel 148 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12). 122 S. Oeter (Fn. 120), Ziff. 476 Anm. 1. 123 Art. 52 Abs. 2 ZP I. 124 Art. 33 Abs. 3 IV. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 (BGBl. 1954 II S. 917). 125 Regel 147 der List of Customary Rules of International Humanitarian Law (Fn. 12); Art. 53 lit. c) ZP I, Art. 4 Abs. 4 Kulturgutkonvention; vgl. auch Art. 50 Abs. 1 lit. c) ILC-Articles (Fn. 109).
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ten aufgrund der kriegerischen und gewalttätigen Auseinandersetzungen, aber auch durch Vernachlässigung, Vandalismus und Räuberei ernsthafte Schäden davontrugen.126 Gleichwohl scheint es, daß infolge der Anwendung wenigstens einiger Schutzbestimmungen wie beispielsweise der Kennzeichnungspflichten der Haager Konvention, die Kambodscha 1962 ratifiziert hatte, schlimmeres verhindert werden konnte. Mit Blick auf die Gefahren für den berühmten Tempelkomplex von Angkor, die aus zufluchtsuchenden Zivilisten und den nahen Kampfhandlungen resultierten, erbaten die vietnamesischen Behörden beispielsweise 1970 technische Unterstützung seitens der UNESCO gem. Art. 23 Haager Kulturgutabkommen.127 Eine 1972 beantragte Unterstellung unter Sonderschutz i.S.v. Art. 8 Kulturgutabkommen scheiterte am Widerspruch anderer Staaten wegen Nichtanerkennung der Regierung.128 Dieser Fall zeige auch, so die Studie, daß bereits das Bestehen einer entsprechenden völkervertragsrechtlichen Verpflichtung den zuständigen Behörden auch innerstaatlich den Schutz entsprechender Kulturgüter erleichtern könne.129 2. Die Zerstörung der Buddha-Statuen in Bamijan Weltweites Aufsehen hat die Zerstörung der Buddha-Statuen in Bamijan, Westafghanistan, durch die Taliban im März 2001 hervorgerufen. Es handelte sich dabei um zwei 37 und 53 Meter hohe, in den Fels gehauene Statuen aus dem zweiten bis fünften Jahrhundert nach Christus. Kriegsvölkerrechtlich galt insoweit, da Afghanistan weder Vertragspartei der Haager Kulturgutkonvention noch des ZP II ist, lediglich der gewohnheitsrechtliche Maßstab. Auch dies setzt freilich voraus, daß es sich um einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt handelte, der zwar – bezogen auf Afghanistan als ganzes – zu diesem Zeitpunkt noch anhielt, aber doch mit der Herrschaft der Taliban über ca. 90 % des Landes eine gewisse Stabilisierung gefunden hatte. Angesichts der Rechtslücken hat die UNESCO, die sich mittlerweile auch vor Ort um die Fragmente der Statuen sowie die Konservierung der Felsnischen kümmert,130 eine Erklärung über die vorsätzliche Zerstörung von kulturellem Erbe initiiert, die 2003
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É. Clément/F. Quinio, La protection des biens culturels au Cambodge pendant la période des conflits armés, à travers l’application de la Convention de La Haye de 1954, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 389 ff. 127 É. Clément/F. Quinio, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 389, 391 f. 128 É. Clément/F. Quinio, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 389, 393, unter Verweis auf J. Toman, La protection des biens culturels en cas de conflit armé, 1994, S. 131. 129 É. Clément/F. Quinio, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 389, 396 ff. 130 Vgl. C. Manhart, UNESCO’s mandate and recent activities for the rehabilitation of Afghanistan’s cultural heritage, IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 401, 403 ff.
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von der UNESCO-Generalkonferenz verabschiedet wurde.131 Darin werden die Staaten aufgefordert, alles ihnen mögliche zur Verhinderung solcher Zerstörungen zu tun. Inwieweit dies Ausgangspunkt für eine generell gültige Regelung sein kann, bleibt abzuwarten. Deutlich wird aber auch, daß der kriegsvölkerrechtliche Schutz nur einen Teilbereich der für Kulturgüter entstehenden Gefahren abdeckt und im übrigen von den friedensvölkerrechtlichen Instrumenten – wie insbesondere den beiden UNESCO-Konventionen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut132 und vom 23. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt133 – ergänzt werden muß.134
3. Die Situation im Irak Gleichermaßen in der Öffentlichkeit diskutiert wurde die Situation wichtiger Kulturgüter im Zuge des letzten Irakkonflikts und des Einmarsches der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten im Frühjahr 2003.135 Insbesondere die Plünderungen des Irakischen Nationalmuseums haben zu heftigen Protesten weltweit geführt. Die amerikanischen Streitkräfte unterliegen völkerrechtlich insoweit allein dem Völkergewohnheitsrecht und der HLKO, sind die Vereinigten Staaten doch weder Vertragspartei der Haager Kulturgutkonvention noch haben sie das ZP I ratifiziert. Gem. Art. 43 HLKO haben die US-Streitkräfte innerhalb des von ihnen besetzten Gebietes „… alle … Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung (ordre public) und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.“
Diese Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung schließt auch – wie eine Zusammenschau mit Art. 47 HLKO zeigt – die Ver___________ 131 UNESCO Declaration Concerning the International Destruction of Cultural Heritage, Paris, 17 October 2003, verabschiedet auf der 32. Sitzung der UNESCO-Generalkonferenz; abgedruckt in IRRC 86 (2004) [No. 854], S. 447 ff. 132 ILM 10 (1971), 289 ff. dt. Übersetzung BT-Ds. VI/3511 (26.05.1972); vgl. ausführlich S. von Schorlemer (Fn. 10), S. 427 ff. 133 BGBl. 1977 II, S. 213; ILM 11 (1972), 1358 ff. Ausführlich zu Entstehung und Inhalt dieser Konvention T. Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 183 ff. 134 Vgl. Abschn. IV der UNESCO-Deklaration (Fn. 131). 135 A. Khan, The Obligation of the Coalition Provisional Authority to Protect Iraq’s Cultural Heritage, ASIL Insight (July 2003), im Internet verfügbar unter http://www.asil.org/insights/insigh113.htm (1.11.2005).
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hinderung von Plünderung mit ein, und zwar auch und insbesondere im Hinblick auf Kulturgüter. Spezifische Verpflichtungen nicht nur für die Vereinigten Staaten enthält die Resolution 1483 (2003), in der der UN-Sicherheitsrat – zuvörderst mit Blick auf die Plünderungen des Nationalmuseums – die Staaten darauf verpflichtete, alles zu unternehmen, um seit 1990 gestohlene, geplünderte oder sonst abhanden gekommene irakische Kulturgüter wieder zurückzuführen. Dies müsse insbesondere Aus- und Durchfuhrverbote einschließen.136 Deutlich wird daran, daß spezifische Bestimmungen zum Schutz von Kulturgut auch ad hoc durch eine entsprechende mandatorische Resolution des UNSicherheitsrates nach Kap. VII UN-Charta in Geltung gesetzt werden können. Tatsächlich ist es bereits 2003 zu einer Kooperation der Coalition Provisional Authority mit der UNESCO und dem durch die bereits erwähnte UNESCO Weltkulturerbekonvention von 1972137 eingesetzten World Heritage Committee gekommen.138
VII. Zusammenfassung und Ausblick Der Überblick über den Kulturgüterschutz hat gezeigt, daß das humanitäre Völkerrecht weitreichende Schutzkonstruktionen für die Sicherung und Bewahrung von Kulturgut bereitstellt. Problematisch ist dabei v.a. die Vielschichtigkeit der anwendbaren Rechtssätze infolge der nur begrenzten Akzeptanz der Haager Kulturgutkonvention von 1954 und des Zweiten Haager Protokolls von 1999. Einen absoluten Zerstörungsschutz gibt es nur für besonders wichtige, das kulturelle oder geistige Erbe der Völker repräsentierende Kulturgüter, allerdings nur für die Vertragsparteien des ZP I und des zweiten Protokolls zur UNESCO-Konvention. Im übrigen steht er unter dem Vorbehalt militärischer Notwendigkeiten und wird ergänzt durch Verpflichtungen zur Sorgfalt und zur Sicherung in Friedenszeiten wie Kennzeichnung und Kontrolle. Der Schutz vor Wegnahme beweglicher Kulturgüter ist hingegen umfassend geregelt. Das Plünderungsverbot und der Schutz von Privat- und gleichgestelltem öffentlichen Eigentum gelten überdies auch gewohnheitsrechtlich. Vertraglich kann die Ausfuhr und Übereignung von Kulturgütern freilich in den vom völkerrechtlichen ius cogens gezogenen Grenzen einvernehmlich vereinbart werden. Allerdings haben sich die bestehenden Regeln trotz der verfügbaren Durchsetzungsmechanismen als jedenfalls bislang nicht hinreichend erwiesen, einen effektiven Schutz sicherzustellen. Dies hängt regelmäßig auch mit dem Vorbehalt militärischer Notwendigkeit zusammen, unter dem der größte Teil der an___________ 136 137 138
UN-Sicherheitsrat, Res. 1483 (2003) vom 23. Mai 2003, Abs. 7. S.o., Fn. 133. A. Khan (Fn. 135).
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wendbaren Schutzbestimmungen steht. Gleichwohl gilt für den Kulturgüterschutz wie für das gesamte humanitäre Völkerrecht, daß schon die Umsetzung des Möglichen – d.h. von den Staaten Akzeptierten – eine Verbesserung der Lage im Vergleich zum ungefesselten, totalen Krieg ohne jegliche Rücksichtnahme darstellt. * * *
Abstract Tobias H. Irmscher: The Protection of Cultural Property in International Humanitarian Law, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 65-92. The protection of cultural property in modern international law is based on the idea that armed conflicts are conducted between states or recognised groups, not between individuals. Specific rules for the protection of cultural property can therefore be found in almost all comprehensive codifications of the law of armed conflict since the 1863 Lieber Code. Likewise, the 1907 Hague regulations on the war on the land contain general provisions for protecting private property and to spare historic monuments and buildings dedicated to religion, art, and science. Based on earlier proposals, on the experiences in World War II and on the mechanisms and formulations of the 1949 Geneva Conventions, States adopted in 1954 the Hague Convention for the protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, which was amended – with a view to remedy certain shortcomings and deficiencies – by a Second Protocol in 1999. The two 1977 Additional Protocols to the Geneva Conventions of 1949 are of similar importance for the protection of cultural property. The current law of armed conflict grants absolute protection against destruction only for objects which constitute the cultural and spiritual heritage, but only for the parties to the 1977 Additional Protocols and to the 1999 Second Hague Protocol. Apart from this, cultural property is to be respected, but subject to reasons of military necessity. With regard to the taking-away of movable cultural property, modern international law contains a comprehensive protection. The prohibition of pillage and the protection of private property and public cultural property form part of the international customary law of war. The exportation and transfer of cultural property may, however, be agreed upon in a treaty, subject only to the limits of ius cogens.
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With a view to implementing the existing rules, states are required to disseminate knowledge of the applicable international treaties and to provide instruction to its military personnel. Other effective means to secure compliance with the applicable law are mutual or neutral control and supervision, factfinding in cases of alleged violations, or state responsibility. Of ever growing importance is the individual criminal responsibility, both under national and international law. Finally, parties to an international conflict may resort to reprisals with a view to compel the adversary to comply with the applicable rules, but they must not be directed against cultural property.
Kulturgüterzugehörigkeit im Falle von Vertreibung und Bevölkerungsaustausch Von Ioana Eleonora Rusu
I. Einleitung Was geschieht mit den Kulturgütern eines Gebietes, wenn seine Bewohner vertrieben wurden oder ein Bevölkerungsaustausch stattgefunden hat? Sind diese an das Gebiet gebunden, in dem sie erschaffen wurden, oder gehören sie zur Bevölkerung, da nur in Verbindung mit dieser sie ihre Funktionalität entfalten können? Es wird daher zunächst die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Vertreibung erörtert, dann die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der damit verbundenen Enteignung diskutiert und insbesondere untersucht, ob bezüglich der Kulturgüter besondere Regeln gelten. Auch Fragen der rechtlichen Zugehörigkeit von Kulturgütern im Falle einer Staatennachfolge in ein bestimmtes Gebiet, die häufig die gewünschte Folge der Vertreibung ist, werden erörtert. Schließlich wird untersucht, welche Kriterien für die Zuordnung der Kulturgüter herangezogen werden können, wenn die Zugehörigkeit eines Kulturgutes aus welchem Grunde auch immer als ungeklärt gilt.
II. Vertreibung, Flucht und Bevölkerungsaustausch 1. Begriffe Allgemein versteht man unter Vertreibung die mit Gewalt oder sonstigen Zwangsmitteln bewirkte Aussiedlung der Bevölkerung aus ihrer Heimat. Charakteristisch für Vertreibung ist der behördliche Ausweisungsbefehl. Flucht liegt hingegen vor, wenn die angestammte Bevölkerung durch sonstiges Tun oder Unterlassen der örtlichen Machthaber gezwungen wird, ihre Heimat zu verlassen1. Sie ist völkerrechtlich genauso zu würdigen wie die Vertreibung, wenn sie aufgrund staatlichen Drucks erfolgt. ___________ 1 Vgl. Blumenwitz, Dieter: Einführung, in: Blumenwitz, Dieter (Hrsg.), Flucht und Vertreibung, 1987, S. 13.
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Ein Bevölkerungsaustausch ist die Verpflanzung von nationalen, sprachlichen oder religiösen Minderheiten aus ihrem Heimatstaat in ihren Mutterstaat aufgrund eines Vertrages zwischen zwei Staaten, der den Personenkreis und den Staatsangehörigkeitswechsel festlegt, die Durchführung der Transporte regelt und für die Überführung und Liquidation des Vermögens sorgt2. In diesen Bevölkerungsaustauschverträgen werden auch Probleme der Mitnahme beweglicher Kulturgüter geregelt.3 Als völkerrechtliches Institut wurde der Bevölkerungsaustausch 1913 durch den Frieden von Konstantinopel zwischen Bulgarien und der Türkei etabliert und in der Nachfolgezeit vor allem auf dem Balkan zur Lösung von Minoritätenfragen eingesetzt. Im Zuge des Lausanner Vertrages von 1923 fand ein Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei statt. 1,1 Millionen Christen zogen nach Griechenland und 380.000 Muslime in die Türkei. In der griechischen Provinz Thrakien verblieb eine türkische Minderheit von heute 120.000 Menschen, die von Athen lange Zeit nicht als solche anerkannt wurde. Umgekehrt lebte in Istanbul eine kleine griechisch-orthodoxe Gemeinde, die Pogromen (1955) und Repressalien ausgesetzt war.4 Ein Bevölkerungsaustausch ist einer Vertreibung gleichzusetzen, wenn er unfreiwillig erfolgt. ___________ 2
Vgl. Bülck, Hartwig, Bevölkerungsaustausch, in: Strupp, Karl/Schlochauer, HansJürgen, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., Bd. 1, 1960, S. 201. 3 Ein solcher Bevölkerungsaustausch erfolgte im Jahr 1922, als 1,6 Millionen Griechen im Austausch gegen 360.000 Türken Kleinasien verlassen mußten. 4
In der Sitzung vom 08.12.1922 des Unterausschusses der ersten Lausanner Konferenz verlangten die türkischen Delegierten einen obligatorischen Bevölkerungsaustausch, da die Ereignisse in den vorigen Jahren jede Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens von Griechen und Türken zerstört hatten. Die griechischen Delegierten sträubten sich dagegen, insbesondere wiesen sie auf die Ungerechtigkeit eines Austausches von 1. 500 000 Griechen gegen 350 000 Türken und setzten sich für einen Rücktransport der Flüchtlinge ein. Der Türkei gelang es im Hinblick auf ihren militärischen Erfolg und in Anbetracht der gleichgültigen Stellungnahme der übrigen Vertragsparteien, den obligatorischen Austausch durchzusetzen. Die Teilnehmer sahen darin die Möglichkeit, jede Ursache zum Streit zwischen beiden Nationen zu beseitigen. Dr. Nansen, ein vom Völkerbund beauftragter Experte, um eine Lösung für die Flüchtlingsproblematik zu finden, setzte sich für die Notwendigkeit des Austausches ein. Er führte in seinem Bericht aus, daß die furchtbaren Härten des Austausches jedenfalls noch geringer wären als die Härten, die sich ergeben würden, wenn man die Situation der Minderheiten in ihrem jetzigen Zustand belassen würde. Der obligatorische Charakter dieses Bevölkerungsaustausches wird von der griechischen Regierung und der griechischen Delegation mit besonderer Antipathie entgegengenommen. Trotz der Erklärung der griechischen Delegation und des Protestes der betroffenen Minderheiten, der aus Kleinasien geflohenen Bevölkerung, wurde wegen der schwachen Haltung der Alliierten der obligatorische Bevölkerungsaustausch dann letztendlich vereinbart. Ausgenommen sind gemäß Art. 2 des Lausanner Abkommens vom Austausch die griechischen Bewohner Konstantinopels, d.h. die im Bezirk der Stadt Konstantinopel vor dem 31.10.1918 dort niedergelas-
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2. Völkerrechtliches Vertreibungsverbot a) Vorbemerkung Um Vertreibung von Völkern und Volksgruppen als Unrecht zu erkennen, bedarf es keiner völkerrechtlichen Kenntnisse, widerspräche doch jeder Versuch, Vertreibung zu rechtfertigen, unserem Rechtsgefühl5. Der Nachweis eines völkerrechtlichen Vertreibungsverbots ist aber trotzdem nicht einfach6, da die Aussagen zum Problem der Vertreibung in der Völkerrechtswissenschaft spärlich sind. Das ist darauf zurückzuführen, daß das Völkerrecht ein Recht in erster Linie der Staaten und nicht der Menschen und der Völker war. Dazu kommt die Tatsache, daß im Zeitalter des klassischen Völkerrechts von 1648 bis 1918 Vertreibungsprobleme von dem Ausmaß, wie sie im letzten Jahrhundert aufgetreten sind, nahezu unbekannt waren. Das klassische Völkerrecht hatte deshalb für diese Vorgänge keine besonderen Rechtssätze entwickelt. Das Recht auf Beibehaltung des Wohnsitzes war im Recht sämtlicher Kulturstaaten anerkannt. Es erlosch auch nicht bei Souveränitätswechsel. b) Völkervertragsrechtliches Vertreibungsverbot Die Frage, ob die Vertreibung von Menschen von ihrem Wohnsitz zulässig ist, ist bereits für die vierziger Jahre vom geltenden Völkerrecht ganz klar zu verneinen. aa) Haager Landkriegsordnung Im Falle des Kriegszustands läßt sich das Vertreibungsverbot aus der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 ableiten7. So hat gemäß Art. 43 HLKO der Besetzende „nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öf___________ senen Griechen, die Griechen von den beiden Inseln Imvros und Tenedos, das Ökumenische Patriarchat, sowie das ranghöchste Patriarchat der Orthodoxie, die muslimische Bevölkerung Westthrakiens, d. h. die östlich der alten griechischen Grenze, wie sie durch den Bukarest Vertrag (1913) festgesetzt wurde, wohnenden Muslimen. Gleichermaßen galt, daß kein Hindernis aus irgendwelchem Grund dem Auswandern irgendeiner Person entgegengestellt werden durfte. 5 Vgl. auch die Stellungnahmen moralischer Autoritäten: Pius XII., Zum Problem der Vertreibung. Eine Sammlung von Worten und Weisungen des Hl. Vaters, 1953, S. 7, 26, 53; Schweitzer, Albert, Das Problem des Friedens in der heutigen Welt, 1954, S. 6. 6 So Kimminich, Otto, Das Vertreibungsverbot in der völkerrechtlichen Entwicklung, in: Blumenwitz (Fn. 1), S. 95 ff. 7 Text: RGBl. 1910, S. 107 ff. Vgl. Buy, F. H. E. W. du, Das Recht auf die Heimat im historisch-politischen Prozeß, 1974, S. 93 ff.; Blumenwitz (Fn. 1), S. 54.
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fentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar ... unter Beachtung der Landesgesetze“. Die öffentliche Ordnung unter Beachtung der Landesgesetze stellt man aber nicht wieder her, wenn man die eingesessene Bevölkerung vertreibt. Zu erwähnen ist auch die sog. Martens'sche Formel, die in Absatz 5 der Präambel zur HLKO Aufnahme gefunden hat. Danach verbleiben bei einer Besetzung „die Bevölkerung und die Kriegsführenden unter dem Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts ...“, wie sie sich „aus den unter gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens“ ergeben. 8 bb) Statut des Nürnberger Militärgerichtshofs Das Vertreibungsverbot ist auch Tatbestand eines völkerrechtlichen Delikts nach dem Statut des Nürnberger Militärgerichtshofs9. Art. 6 (c) des Statuts des Nürnberger Militärgerichtshofs qualifiziert „Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges“ als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“10. cc) Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten Nach dem Zweiten Weltkrieg ergibt sich ein Deportationsverbot auch aus dem Vierten Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten11 vom 12. August 1949.12 Art. 49 Genfer Abkommen untersagt Einzel- und Zwangsverschickungen. Nach Art. 52 Abs. 2 sind alle Maßnahmen verboten, die darauf abzielen, Arbeitslosigkeit zu schaffen, da auch dadurch die Bevölkerung veranlaßt werden könnte, ihre Heimat zu verlassen.
___________ 8 Vgl. auch Gornig, Gilbert, Zukunftsperspektiven der Minderheiten und Volksgruppen im Bereich der Wiedergutmachung, in: Blumenwitz, Dieter/Gornig, Gilbert (Hrsg.), Rechtliche und politische Perspektiven deutscher Minderheiten und Volksgruppen,1995, S. 25 ff. (40). 9 Text: Internationaler Militärgerichtshof (Hrsg.), Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg, 14.11.1945 – 01.10.1946, Bd. I, 1947, S. 7 ff. 10 Vgl. dazu auch Gornig, Gilbert, Die Verantwortlichkeit politischer Funktionsträger nach völkerrechtlichem Strafrecht, in: Neue Justiz 1992, S. 4 ff. (8). 11 Vgl. Art. 49, 52 Abs. 2, aber auch die Art. 146, 147; vgl. Blumenwitz (Fn. 1), S. 23 f.; du Buy (Fn. 7), S. 108 ff. 12 Text: Berber, Friedrich, Völkerrecht. Dokumentensammlung, Bd. II: Konfliktrecht, 1967, S. 2069 ff.
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dd) Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords Ein Vertreibungsverbot läßt sich zudem aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords vom 9. Dezember 194813 entnehmen. In diesem Abkommen bedeutet Völkermord eine Handlung, die in der Absicht begangen wird, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Als eine solche Handlung kommt unter anderem auch die „Verursachung von schweren körperlichen oder seelischen Schäden an Mitgliedern der Gruppe“, die „vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe“ in Betracht, „die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“ 14. ee) Europäische Menschenrechtskonvention Nach Art. 3 des Vierten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention15 vom 16. September 1963 darf niemand aus dem Hoheitsgebiet des Staates, dessen Staatsangehöriger er ist, durch Einzel- oder Kollektivmaßnahmen ausgewiesen werden. Ein Vertreibungsverbot fremder Staatsangehöriger ist in Art. 4 enthalten. Danach sind Kollektivausweisungen von Ausländern unzulässig.16 c) Völkergewohnheitsrechtliches Vertreibungsverbot aa) Vertreibungsverbot Die Vertreibung aus der Heimat ist nach Völkergewohnheitsrecht, das durch Staatenpraxis und eine ihr zugrundeliegende Rechtsüberzeugung entsteht, rechtswidrig, da sie die Verbindung zwischen der Bevölkerung und dem angestammten Siedlungs- und Kulturraum zerreißt17. Das Verbot der Vertreibung ___________ 13
Text: UNTS, vol. 78, S. 277 ff. Vgl. du Buy (Fn. 7), S. 105 ff. Vgl. Art. II der Konvention. Vgl. hierzu Ermacora, Felix, Rechtsgutachten über die sudetendeutsche Frage, 1991, Ziff. 105, 109, 185 ff; Gornig, Gilbert, Völkerrecht und Völkermord, 2002, S. 25 ff. 15 Text: BGBl. 1968 II, S. 423 ff.; dort heißt es: „Kollektivausweisungen von Ausländern sind nicht zulässig“. 16 Art. 32 der Genfer Flüchtlingskonvention (Text: BGBl. 1953 II, S. 559 ff.) vom 28.07.1951 schränkt die den Staaten vom Völkerrecht eingeräumte Freiheit zur Ausweisung von Ausländern ein, bezieht sich aber nur auf Flüchtlinge. Art. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (Text: BGBl. 1959 II, S. 998 ff.) vom 13.12.1955 läßt die Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Vertragsstaats grundsätzlich nur dann zu, wenn der Ausländer die staatliche Sicherheit gefährdet oder gegen die öffentliche Sicherheit, Ordnung und Moral verstoßen hat. Beide Fälle sind für die Vertreibung von Minderheiten und Volksgruppen jedoch nicht relevant. 17 Kimminich (Fn. 6), in: Blumenwitz, S. 104, 106. 14
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eigener Staatsangehöriger ergibt sich ferner daraus, daß kein Staat verpflichtet ist bzw. gezwungen werden kann, Nichtstaatsangehörige aufzunehmen.18 bb) Recht auf die Heimat Problematisch ist, ob sich im Völkergewohnheitsrecht der Satz des Rechts auf die Heimat19 bereits durchgesetzt hat, ob also mit dem an die Staaten adressierten Verbot zu vertreiben, ein den Menschen zustehendes Recht, nicht vertrieben zu werden, korreliert. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß seit jeher Völker das Recht genießen, auf ihrem Grund und Boden zu leben und zu bleiben. Vertreibungen kamen in der Geschichte – von Ausnahmen abgesehen – so häufig nicht vor. Erst mit und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Vertreibungen von Volksgruppen üblich. Die Mißbilligungen20, die jene Vertreibungen bei Staaten und Staatsoberhäuptern erfuhren, dokumentieren, daß Vertreibungen als völkerrechtliches Unrecht betrachtet werden und den Völkern und Volksgruppen ein Recht auf Verbleib in ihrer angestammten Heimat zusteht. Hinsichtlich des Inhalts des Rechts auf die Heimat lassen sich zwei Hauptforderungen unterscheiden: Die Träger des Rechts auf die Heimat haben das Recht, stets ungestört in der Heimat zu bleiben und jederzeit in die Heimat zurückkehren. Das Recht, in der Heimat zu bleiben, verurteilt jede Ausweisung, Zwangsumsiedlung aus diskriminatorischen Gründen und jede Vertreibung als völkerrechtswidrig. Das Recht, in die Heimat zurückzukehren, bedeutet, daß die Träger nach einem Verlassen der Heimat das Recht haben, in ihre Heimat zurückzukommen, um sich dort erneut anzusiedeln. Als Träger des Rechts kommen das Volk, die Volksgruppe, aber auch der einzelne in Betracht, weniger wohl das Staatsvolk, das durch seinen Staat völkerrechtliche Möglichkeiten hat, sich gegen Eindringlinge zur Wehr zu setzen. ___________ 18
Gornig, Gilbert, Das Refoulement-Verbot im Völkerrecht, 1987, S. 2 ff. Beim Begriff Heimat geht es in erster Linie um einen Raum, zu dem Menschen eine besondere Beziehung haben. Die Beziehung kann durch Geburt oder Ansässigkeit entstanden sein. Emotionale Bindungen spielen keine Rolle. Als drittes Element kommt die zeitliche Komponente hinzu. Vgl. dazu: Gornig, Gilbert, Das Recht auf Heimat und das Recht auf die Heimat. Völkerrechtliche Überlegungen, in: Weigand, Katharina (Hrsg.), Heimat. Konstanten und Wandel im 19./20. Jahrhundert. Vorstellungen und Wirklichkeiten, 1997, S. 33 ff. (35 ff.); ders., Das Recht auf die Heimat. Auch ein Beitrag zu Vertreibung und Enteignung im Völkerrecht, in: IFLA Informationsdienst für Lastenausgleich, BVFG und anderes Kriegsfolgenrecht, Vermögensrückgabe und Entschädigung nach dem Einigungsvertrag 1997, Nr. 11, S. 121 ff.; ferner: Gornig, Gilbert/Murswiek, Dietrich (Hrsg.), Das Recht auf die Heimat, 2006. 20 Zwangsumsiedlungen in der Sowjetunion, wie etwa die der Wolga-Deutschen, der Balten, der Krim-Tataren wurden verurteilt, ebenso die Vertreibung der Türken aus Bulgarien, die Vertreibung der Kurden aus ihrer Heimat und die sog. ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien durch die bosnischen Serben. 19
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d) Keine Rechtfertigung der Vertreibung Die Vertreibung lässt sich durch keinen Satz des Völkerrechts rechtfertigen. aa) „tu quoque“ Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung läßt sich nicht mit den von den anderen durchgeführten Vertreibungsmaßnahmen rechtfertigen. Das Völkerrecht kennt nicht den Grundsatz tu quoque.21 bb) Repressalie Das Völkerrecht erlaubt eine Repressalie, um den Rechtsbrecher zur Aufgabe seines rechtswidrigen Verhaltens zu veranlassen22. Die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg können damit nicht als Repressalien gerechtfertigt werden, da der Rechtsbrecher bereits besiegt war. Im übrigen ist eine Verletzung von Leib und Leben, also auch eine Vertreibung, als Repressalie unzulässig. cc) Potsdamer Abkommen Das Potsdamer Abkommen konnte für Vertreiberstaaten wie Polen und die Tschechoslowakei sowie für Deutschland als res inter alios gesta keine Bindungswirkung erzeugen. Es enthält ferner in Abschnitt XIII, der die Vertreibungsmaßnahmen anspricht, keine Erlaubnis der Vertreibung. 3. Völkerrechtliche Würdigung eines Bevölkerungsaustausches In einem Bevölkerungsaustauschvertrag wird festgelegt, ob der Austausch der Bevölkerungen mit oder unabhängig von dem Willen der betroffenen Bevölkerungsgruppen geschehen soll. Der Bevölkerungsaustausch ist nur dann rechtmäßig, wenn sich die Betroffenen frei entschließen können, ob sie sich umsiedeln lassen wollen oder nicht. Die erzwungene Auswanderung ist, auch in vertragsgemäßer Einkleidung, wegen des Elends, welches sie erzeugt, völkerrechtswidrig.23 Freiwillige Umsiedlungen werden formal durch Gewährung eines mit der Auswanderungspflicht verbundenen Optionsrechts für den Mut___________ 21 Vgl. Verdross, Alfred/Simma, Bruno, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 67, S. 50. 22 Die deutschen Rechtsverletzungen gegenüber dem polnischen Staat waren aber 1945 bereits beendet, so daß eine Repressalie nicht mehr statthaft war. Auch fehlte es an dem erforderlichen Versuch, die Probleme friedlich zu lösen sowie an der notwendigen Androhung der Repressalie. 23 Blumenwitz (Fn. 1), S. 26.
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terstaat realisiert.24 Bei den freiwilligen Umsiedlungen wird es den Mitgliedern einer Minderheit ermöglicht, in ein drittes Land oder in das Land, in dem die Minderheit der Volks-, Sprach- oder Glaubensgenossen beheimatet ist, freiwillig umzusiedeln.25 Die bisherige Staatsangehörigkeit geht dann meist bei der Ausreise verloren, die neue wird bei der Einreise in den Aufnahmestaat erworben oder nach dessen Gesetzen verliehen.26 Jedoch sind die Grenzen zwischen Zwang und Freiheit der Entscheidung stark verwischt, denn häufig wird durch moralischen oder materiellen Druck die Zustimmung zu einem Austausch erzwungen. Aus diesem Grund fällt eine Unterscheidung zwischen einem freiwilligen und erzwungenen Austausch schwer. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen Verträgen, bei denen die betroffene Bevölkerung aktiv am Bevölkerungsaustausch durch Wahrnehmung von Optionsrechten auf freiwilliger Basis teilnimmt und solchen Verträgen, bei denen die betroffene Bevölkerung lediglich Objekt der Personalhoheit des eigenen Staates ist und gegen bzw. ohne ihren Willen ausgetauscht wird. Dies gilt ebenso für den normativen Inhalt der Verträge, welcher sich in 4 Gruppen unterteilen lässt: –
Verträge, die entweder dem Einzelnen ausdrücklich die Freiheit der Entscheidung lassen,
–
Verträge, die einen geheimen Zwangseinschlag haben, der sich aus der Gesamtheit der Vertragsbestimmungen ergibt,
–
Verträge, die einen verschleierten Zwangscharakter haben und dem Einzelnen die Möglichkeit lassen, sich der kollektiven Entscheidung der Gruppe zu entziehen, letztlich
–
Verträge, die offensichtlich auf Zwang abstellen.27
Ebenso werden die Grenzen noch stärker verwischt, wenn man die tatsächliche Ausführung des Vertrages durch den Heimatstaat betrachtet. Diese kann sich von massiver propagandistischer Beeinflussung über wirtschaftliche oder soziale Druckmaßnahmen bis hin zur offenen Drohung steigern.28 Einige Argumente für einen obligatorischen Bevölkerungsaustausch lassen sich durch die Minderheitenproblematik erklären. Es wird zunächst angeführt, daß Minderheiten sich dem Staat ihres Volkstums oft mehr verbunden fühlten als dem beheimateten Staat; sich sogar von diesem Staat loslösen wollten. Daraus würde dann eine Illoyalität der Minderheit dem Staat gegenüber folgen, ___________ 24
Blumenwitz (Fn. 1), S. 144. Krülle, Siegrid, Options- und Umsiedlungsverträge, in: Blumenwitz (Fn. 1), S. 153. 26 Blumenwitz (Fn. 1), S. 144. 27 Blumenwitz (Fn. 1), S. 26. 28 Blumenwitz (Fn. 1), S. 26. 25
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wodurch hier wiederum eine Gefahr für den beheimateten Staat entstehen würde und deshalb ein Zwangsaustausch als gerechtfertigt erscheint.29 Ein weiteres Argument ist, daß es sich für die Minderheit als einen Vorteil darstellt mit ihrem Volk wiedervereinigt zu werden, um auch somit dem assimilatorischen Druck, wie Anpassung und Integration zu entgehen.30 Teils wird die Zulässigkeit von Zwangsaustauschverträgen gerechtfertigt, indem auf wichtige Staatsinteressen oder Interessen des internationalen Friedens verwiesen wird. Die im Interesse aller Völker stehende Notwendigkeit, durch einen Zwangsaustausch einer Volksgruppe „einen gefährlichen Brandherd des internationalen Friedens“ zu beseitigen, sei höher zu werten als das Interesse einer Volksgruppe auf Erhaltung ihres Wohnsitzes.31 a) Argumente gegen die Zulässigkeit eines obligatorischen Bevölkerungsaustausches aus heutiger Sicht Die Unvereinbarkeit mit dem Völkerrecht wird damit begründet, daß durch die Versagung des Optionsrechts ein Bevölkerungsaustausch zur radikalen Beseitigung einer ganzen Volksgruppe führen kann. Eine derartige Beseitigung stellt eine Vertreibung oder Massenumsiedlung dar, welche jedoch als Verstoß gegen das allgemeine völkerrechtliche Vertreibungsverbot angesehen wird. Das zwangsweise Austauschen einer Bevölkerung eines besetzten Gebietes wird als ein Verstoß gegen das gewohnheitsrechtliche Deportationsverbot gewertet, wie es in Art. 49 IV der IV. Genfer Konvention niedergelegt ist. Außerdem wird ein Verstoß gegen das Verbot der Ausweisung eigener Staatsangehöriger angenommen, welches sich aus Art. 13 Nr. 2, 15 Nr. 2 Allgemeinen Menschenrechtserklärung (AEMR) von 1948 und aus Art. 3 des vierten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1963 herleiten lässt. Nach Art. 13 Nr. 2 AEMR hat jeder Mensch das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen zu verlassen und dorthin zurückzukehren. Gemäß Art. 15 Nr. 2 AEMR darf niemandem seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen werden, noch das Recht verwehrt bleiben die Staatsangehörigkeit zu wechseln. In diesen Artikeln soll der Gedanke der freien Wahl des Wohnsitzes, d.h. die internationale Freizügigkeit, sowie der freie Wechsel der Staatsangehörigkeit dargelegt werden.32 Jedoch werden damit nicht die Seßhaftigkeit und die staatsbürgerliche Verbundenheit geschützt, sondern lediglich die ___________ 29 Pallieri, Georgio Balladore, Les transferts internationaux des population, in Annuaire de l´Institut de Droit International, 1952, S. 147. 30 Höxter, Werner, Bevölkerungsaustausch als Institut des Völkerrechts, 1932, S. 53. 31 Winiarski, Bogdan, Annuaire de l´Institut de Droit International, 1952, S. 191 f.; Kopal, Vladmir, Recht auf die Heimat vom Blickpunkt des Völkerrechts, 1963, S. 289. 32 Bülck, Hartwig, Recht auf die Heimat, 1954, S. 26.
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Unzulässigkeit willkürlicher Entziehung der Staatsangehörigkeit. Demnach kann bei einem obligatorischen Austausch ein Verstoß gegen die AEMR nicht angenommen werden. Gemäß Art. 3 des vierten Zusatzprotokolls zur EMRK darf niemand aus dem Hoheitsgebiete des Staates, dessen Staatsangehöriger er ist, durch Einzel- oder Kollektivmaßnahmen ausgewiesen werden. Fraglich ist jedoch, ob ein zwangsmäßiger Bevölkerungsaustausch aufgrund eines Vertrages, wie hier das Lausanner Abkommen, als Ausweisung bezeichnet werden kann. Bei einem Bevölkerungsaustausch handelt es sich um die Überführung in ein anderes Gebiet auf vertraglicher Grundlage. Es liegt somit kein Verstoß gegen die EMRK, mangels vorliegen des Merkmals Ausweisung vor. Ein solcher obligatorischer Austausch stellt jedoch nach mehreren Ansichten einen generellen Verstoß gegen Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Recht auf die Heimat und gegebenenfalls Minderheitenrechte dar.33 Hiernach werden die Zwangaustausche als Vertreibungen angesehen. Es ist jedoch nicht zulässig, die Bevölkerungsaustauschverträge mit Vertreibungen gleichzusetzen, denn bei Vertreibungen werden keine Abkommen zwischen den beteiligten Staaten getroffen, vielmehr wird die Bevölkerung aus dem Machtbereich des Staates einseitig durch direkten Zwang entfernt.34 b) Unzulässigkeit eines obligatorischen Bevölkerungsaustausches Nach den oben angeführten befürwortenden Ansichten werden obligatorische Bevölkerungsaustauschverträge damit gerechtfertigt, daß sie sich als einzig richtige Lösung für die Minderheitenproblematik anbieten. Ausgangspunkt der Rechtfertigung ist die Beseitigung der Minderheitenproblematik. Es wird behauptet, daß die Illoyalität von Minderheiten die Sicherheit des sie beheimatenden Staates gefährden würde. Dies käme daher, daß sie sich ihrem Mutterstaat verbunden fühlten oder sogar auf eigene Staatenbildung in ihrem Aufenthaltstaat drängten und somit den Volksfrieden und die internationalen Beziehungen zu gefährden drohten.35 Dem kann jedoch entgegengehalten werden, daß die Illoyalität der Minderheiten in der Regel nicht von den Minderheiten ausgeht, sondern von dem Staat ausgelöst wird, der ihre Rechte mißachtet. Es muß als Aufgabe des Staates angesehen werden die Minderheiten auf freiwilliger Basis zu assimilieren, oder ihren Status zu achten und für einen Ausgleich unter den auf seinem Gebiet lebenden Volksgruppen zu sorgen.36 Weiterhin wird die Behauptung aufgestellt, daß auch die loyalen Minderheiten davon profitieren, wenn sie notfalls unter Zwang im Sinne der Nationalstaatsanforderung in ihre Heimat zurückgeführt werden, denn sie wären dann wieder mit ihrem ___________ 33 34 35 36
Krülle (Fn. 25), S. 153. Krülle (Fn. 25), S. 149. Pallieri (Fn. 29), S. 146. Blumenwitz, (Fn. 1) S. 155.
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Volk vereint und entgingen somit dem assimilatorischen Druck des umsiedelnden Staates.37 Hier wird jedoch gänzlich übersehen, daß der Mensch wohl kaum durch Zwang seinem Glück zugeführt werden kann und darf. Eine Rechtfertigung eines zwangsmäßigen Bevölkerungsaustauschvertrages kann somit nicht überzeugen. Die von einem Austausch betroffene Bevölkerung hat nie aufgehört, davon Zeugnis abzulegen, daß sie die zwangsmäßige Umsiedlung als nicht geeignetes Mittel zur Lösung von Minderheitenfragen erachtet. So demonstrierten und protestierten die Flüchtlinge, wie oben bereits erwähnt, anlässlich des griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausches im Rahmen des Lausanner Vertrages. Ein Zwangsbevölkerungsaustausch ist aus deren Sicht eine pervertierte neue Form der Zwangsaustreibung und Zwangsenteignung, deren sich kein Staat gegen den Willen seiner Bevölkerung strafbar machen dürfe.38 Fraglich und ausschlaggebend ist, ob wirklich ein hohes Staatsinteresse einen Zwangsaustauschvertrag, wie hier beim Lausanner Abkommen, rechtfertigen kann. Das Zusammenspiel der Argumente für bzw. gegen Zwangsaustauschverträge reduziert sich letztlich auf die Schlüsselfrage, ob in Ausnahmefällen Staatsinteressen auf einen Austausch der Bevölkerungen höher bewertet werden können als die dem Individuum gegebenen Rechte.39 Auf der einen Seite könnte das hohe Staatsinteresse, die Vermeidung eines drohenden Völkermordes stehen und auf der anderen Seite die einzelnen Flüchtlinge mit den ihnen verliehenen Menschenrechten. Dies war beim Vertrag von Lausanne gegeben, denn der griechisch-türkische Bevölkerungsaustauschvertrag kam nur zustande, da der Völkerbund einen drohenden Völkermord an der griechischen Minderheit in der Türkei abwenden wollte.40 Hier wird in der Völkerrechtslehre mit deutlich überwiegender Meinung gesagt, daß wenn man eine Rangfolge dieser hohen Rechtsgüter aufstellen müsste, die Menschenrechte der einzelnen Individuen Vorrang vor den Interessen von Einzelstaaten bzw. der Staatengemeinschaft hätten.41 Auch daß diese Abgrenzung ihre Grenze spätestens an der Stelle findet, wo es um die Vermeidung eines Völkermordes geht, steht dem nicht entgegen.42
___________ 37
Höxter (Fn. 30) S. 54. Du Buy (Fn. 7), S. 49; Rabl, Kurt, Das Recht auf die Heimat, 1965, S. 43. 39 Pallieri (Fn. 29), S. 148. 40 Krülle, Siegrid, Options- und Umsiedlungsverträge, in: Flucht und Vertreibung. Vorträge eines Symposiums, Bd. I, 1986, S. 145 f. 41 Du Buy (Fn. 7), S. 47. 42 Pallieri (Fn. 29), S. 147; Kimminich, Otto, Das Recht auf die Heimat, 1989, S. 141. 38
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c) Ergebnis der völkerrechtlichen Würdigung In Anbetracht der herausgearbeiteten Argumente kommt man zu einer eindeutigen Verurteilung des zwangsmäßigen Bevölkerungsaustausches im Völkerrecht. Der obligatorische Bevölkerungsaustausch gewährleistet keinen Minderheitenschutz. Er steht gerade im Gegensatz zum Minderheitenschutz, da er den Zweck hat, die betreffenden Minderheiten aufzulösen und in einen anderen Nationalstaat zu verpflanzen. Er bildet für die nationale „Bereinigung“ ein äußerst radikales Mittel. Das Wesen des obligatorischen Bevölkerungsaustausches ist es, daß Vertragsparteien sich durch ein internationales Abkommen verpflichten, ihre eigenen Staatsangehörigen mit denjenigen der Gegenpartei auszutauschen, ohne Rücksicht darauf, ob der Einzelne von dieser Vereinbarung Getroffene, damit einverstanden ist oder nicht.43 Dies steht jedoch mit der neueren Entwicklung des Völkerrechts, wonach der Wille der Bevölkerung, sei es durch eine Option oder durch eine Volksabstimmung erforscht werden muß, denn hier wurde der Einzelne einfach zum willenlosen Verhandlungsobjekt degradiert.44 Es ist juristisch falsch, hier von einem „Austausch“ zu sprechen, denn mit dem Tausch wird bekanntlich für beide Teile eine Sachschuld gesetzt, aber die Zeiten, in denen der Mensch tatsächlich als Sache betrachtet wurde sind vorbei, den Menschen als eine Handelsware anzusehen, die als solche auch dem Tausch unterworfen wäre, ist nicht nur vom moralischen Standpunkt aus zu verurteilen, sondern auch juristisch ungenau.45 Insgesamt ist festzuhalten, daß obligatorische Bevölkerungsaustauschverträge, zwar nicht gegen allgemeine Normen des Völkerrechts oder gegen bestimmte völkerrechtliche Verträge verstoßen, jedoch aufgrund des für den Einzelnen dadurch entstandenen Elends völkerrechtswidrig sind. Es ist auf jeden Fall den Menschenrechten in einer Abwägung der Vorzug vor den Interessen von Einzelstaaten bzw. der Staatengemeinschaft zu gewähren. Im Zweifelsfall scheitern Austauschverträge dann an den Rechten der betroffenen Minderheit. Dies wurde im obligatorischen Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei nicht beachtet. Dieser Bevölkerungsaustausch geschah gegen den Willen der Flüchtlinge und endete letztlich in einem verheerenden Elend für die Betroffen. Demnach ist das Abkommen im Lausanner Vertrag von 1923 über den Bevölkerungsaustausch der beiden Bevölkerungsminderheiten in Griechenland und in der Türkei als völkerrechtswidrig anzusehen. ___________ 43
Dahm, Georg, Völkerrecht, Bd. I, 1958, S. 410; Rabl, Kurt, Zur Frage des Verbots von Massenzwangsaussiedlungen nach dem geltenden Völkerrecht, 1959, S. 77 ff. 44 Streit, Georg, Der Lausanner Vertrag und der griechisch-türkische Bevölkerungsaustausch, 1929, S. 55. 45 Leontiades, Leonidas, Der griechisch-türkische Bevölkerungsausstausch, in: ZaöRV 35, S. 553.
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4. Folge Vertreibung, Flucht und unfreiwilliger Bevölkerungsaustausch sind völkerrechtswidrig, unabhängig davon, ob der Staat eigene oder fremde Staatsangehörige vertreibt. Es spielt auch keine Rolle, ob der Vertreibung eine Grenzänderung und damit eine Staatensukzession vorausgegangen ist oder nicht. Eine andere Frage ist jedoch, ob die Rechtswidrigkeit der Vertreibung ipso facto zur Rechtswidrigkeit der Enteignung führt.
III. Enteignung 1. Verbot der entschädigungslosen Enteignung Fremder In bezug auf das Vermögen von Fremden, also Ausländern und Staatenlosen, gelten die Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts. Ein grundsätzliches Verbot der Enteignung von Ausländern existiert nicht46. Der internationale Mindeststandard47 verlangt aber, daß rechtmäßige Enteignungen überwiegend im öffentlichen Interesse liegen48, nicht diskriminieren und eine Entschädigung bedingen49. a) Völkerrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Enteignung aa) Öffentlicher Nutzen Die Enteignung hat dem „öffentlichen Nutzen“50, dem Allgemeinwohl zu dienen. Die Beantwortung der Frage, ob die Enteignung dem Allgemeininteresse dient, hängt von den innerstaatlichen Zielen, die mit der Maßnahme verfolgt ___________ 46 Gloria, C., Internationales Wirtschaftsrecht, in: Ipsen, Knut, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 47, Rdnr. 16 ff. 47 Vgl. hierzu Verdross/Simma (Fn. 21), § 1213, S. 802. 48 Vgl. Gloria (Fn. 46), in: Ipsen, § 47, Rdnr. 16 ff.; Wenk, Silke, Das konfiszierte deutsche Privatvermögen in Polen und der Tschechoslowakei. Die Rechtslage nach Abschluß des deutsch-polnischen und deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages, 1993, S. 86. 49 Oppenheim, Lassa/Lauterpacht, Hersh, International Law, vol. 1, 6th ed. 1947, S. 318; Dolzer, Rudolf, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 20 f.; Seidl-Hohenveldern, Ignaz, International Economic Law, 1989, S. 137 ff.; Kimminich, Otto, Der Warschauer Vertrag - Grundlage oder Vernichtung privater Entschädigungsforderungen?, in: JZ 1971, S. 485 ff.; Mann, F. A., Völkerrechtswidrige Enteignungen vor nationalen Gerichten, in: NJW 1961, S. 705 ff.; Gornig, Gilbert, Rechtliche Würdigung von Vertreibung und Enteignung dargestellt am Schicksal der Donauschwaben Jugoslawiens, in: AWR-Bulletin, 1991, Nr. 2, S. 72 ff. (80). 50 Vgl. etwa Gloria (Fn. 46), in: Ipsen, § 47, Rdnr. 17.
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werden, ab51. Völkerrechtswidrige Ziele dürfen allerdings mit den Enteignungsmaßnahmen nicht angestrebt werden. Die Enteignungsmaßnahmen können also nicht mit dem öffentlichen Nutzen gerechtfertigt werden, wenn sie die Vertreibung zum Ziel haben oder diese beschleunigen sollen. bb) Diskriminierungsverbot Das Diskriminierungsverbot könnte die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Ausländern, aber auch die unterschiedliche Behandlung verschiedener Ausländer umfassen. Das Gebot der Gleichbehandlung der Ausländer mit Inländern hat sich jedoch nicht durchgesetzt.52 Das Diskriminierungsverbot untersagt damit lediglich die Schlechterbehandlung einer oder mehrerer Ausländergruppen gegenüber anderen53. Gerechtfertigt ist die Diskriminierung nur, wenn sachliche Gründe vorliegen. cc) Entschädigung Im innerstaatlichen Recht hatte sich im 19. Jahrhundert der Grundsatz durchgesetzt, daß der enteignende Staat bei einer Enteignung zur Entschädigung verpflichtet sei. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt seitdem auch im Völkerrecht54 und wurde auch in der Praxis respektiert. Es ist an den Enteigneten eine „prompte, adäquate55 und effektive56 Entschädigung“ zu zahlen (sog. ___________ 51 So Hartmann, Gode, Nationalisierung und Enteignung im Völkerrecht, 1977, S. 100. Vgl. auch Dahm, Georg, Völkerrecht, Bd. I, 1958, S. 513 f.; Gornig (Fn. 49), S. 80. 52 Vgl. Hartmann (Fn. 51), S. 109; Gornig (Fn. 49), S. 81. 53 In der Praxis gab es allerdings immer wieder eine anerkannte Schlechterstellung der Angehörigen bestimmter Nationen. So hat das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen lediglich gegen die Niederländer gerichtete Enteignungsmaßnahmen Indonesiens als rechtmäßig erachtet. Das Gericht berief sich dabei auf den Grundsatz, daß das Gleichbehandlungsprinzip nicht nur die Gleichbehandlung von Gleichem, sondern auch die Ungleichbehandlung von Ungleichem verlange. Es führte aus, daß die Einstellung des ehemaligen Kolonialvolkes zu seinen ehemaligen Kolonialherren naturgemäß eine andere sei, als zu anderen Ausländern; vgl. ArchVR, Bd. 9 (1961/62), S. 318 ff. (359). 54 Vgl. Haager Schiedshof vom 13.12.1922 über die Norwegian Shipowners' claims, in: Reports of International Arbitral Awards, vol. I, S. 338. Max Huber in seinem als Schiedsspruch anerkannten Gutachten vom 01.05.1925 in der Affaire des biens britanniques au Maroc espagnol, in: Reports of International Arbitral Awards, vol. II, S. 617 ff. (647); StIGH, Entscheidung vom 25.05.1926 über Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Merits), in: Publications of Permanent Court of International Justice, Series A, Collection of Judgements, No. 6 (1926), S. 22 ff. 55 Adäquat ist sie nur dann, wenn sie dem vollen Wert oder dem Marktwert des enteigneten Gegenstandes entspricht. 56 Für die Effektivität der Entschädigung ist erforderlich, daß diese frei transferierbar ist und in konvertierbarer Währung ausgezahlt wird.
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„Hull-Formel“57). So kamen insbesondere die Ostblockstaaten nach dem Übergang zum sozialistischen System fast ausnahmslos der Verpflichtung, die betroffenen ausländischen Eigentümer zu entschädigen, in Globalentschädigungsabkommen nach.58 b) Rechtfertigungsversuche aa) Kriegsbeute Eine Rechtfertigung der Konfiskationen als Kriegsbeute greift nicht. Es handelt sich beim Kriegsbeuterecht um ein Institut des Kriegsvölkerrechts vergangener Jahrhunderte59. Nach der bereits vor Beginn des Zweiten Weltkriegs geltenden Haager Landkriegsordnung hat privates Eigentum im Landkrieg grundsätzlich unberührt zu bleiben60. Nach Absatz 2 des Art. 46 HLKO darf das Privateigentum nicht eingezogen werden61. Die Haager Landkriegsordnung enthält insoweit die Festschreibung von Völkergewohnheitsrecht62. bb) Insbesondere: Potsdamer Abkommen Zur Rechtfertigung der entschädigungslosen Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg beruft man sich auch auf das Potsdamer Abkommen63. Diese Ansicht ist allerdings nicht haltbar. Deutschland sowie entschädigungslos enteignende Staaten wie Polen und die Tschechoslowakei sind daran nicht beteiligt. ___________ 57
Die „Hull-Formel“ wurde vom US-amerikanischen Außenminister Cordell Hull in einem Notenwechsel in Folge der Enteignungen amerikanischer Ländereien und Ölrechte durch Mexico im Jahre 1938 geprägt. 58 Vgl. Veith, Werner/Böckstiegel, Karl-Heinz, Der Schutz von ausländischem Vermögen im Völkerrecht, 1962, S. 169 ff.; Bindschedler, Robert Denise, Verstaatlichungsmaßnahmen und Entschädigungspflicht nach Völkerrecht, 1950, S. 54 ff. 59 Vgl. Wenk (Fn. 48), S. 76 f.; Blumenwitz (Fn. 1), S. 47. 60 Vgl. Art. 28, 46 und 47 HLKO. 61 Vgl. hierzu Fiedler, Wilfried, Vom territorialen zum humanitären Kulturgüterschutz. Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes nach kriegerischen Konflikten, in: Fechner, Frank/Oppermann, Thomas/Prott, Lyndel V. (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes. Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 159 ff. 62 So sagt das Urteil des Nürnberger Militärgerichtshofs vom 01.10.1946 aus, daß die in der Haager Landkriegsordnung niedergelegten Regeln ohne Rücksicht auf ihre vertragliche Geltung zum mindesten beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs „were recognized by all civilized nations and were regarded as being declaratory of the laws and customs of war“, zitiert nach Berber, Friedrich, Lehrbuch des Völkerrecht. Band II: Kriegsrecht, 1969, S. 73. Vgl. ferner Fiedler, Wilfried, Die Kulturgüter der Sudetendeutschen als Rechtsproblem, in: Jahrbuch für sudetendeutsche Museen und Archive 1993 – 1994, 1995, S. 11 ff. (17). 63 Text: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland 1945, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 13 ff.
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Abschnitt IV, der die von Deutschland zu erbringenden Reparationen behandelt, trifft keine Regelung zu den vermögensrechtlichen Folgen der Vertreibung. Nach dem Abschnitt IX b des Potsdamer Abkommens erfolgte nur eine vorläufige Gebietszuweisung zur Verwaltung, die unter dem Vorbehalt einer späteren anderslautenden Regelung in einem Friedensvertrag stand. Damit durfte der polnische Staat das in den Oder-Neiße-Gebieten gelegene öffentliche Eigentum unentgeltlich nutzen. Das private Eigentum hingegen durfte aufgrund einer solchen Verwaltungszession nicht ohne weiteres genutzt und schon gar nicht entzogen werden. cc) Lastenausgleichszahlungen als Rechtfertigung Lastenausgleichszahlungen durch die Bundesrepublik Deutschland können nicht als Rechtfertigung herangezogen werden, denn sie dienten der Eingliederung der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland durch gezielte Maßnahmen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Die Entschädigungsleistungen sollten einen vorläufigen Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgelasten zwischen den Opfern der Vertreibung und den nicht so schwer betroffenen Bevölkerungsteilen schaffen.64 2. Verbot der entschädigungslosen Enteignung von eigenen Staatsangehörigen Lange fand der Schutz des Eigentums keine Verankerung im Völkerrecht, so daß Enteignungsmaßnahmen gegenüber eigenen Staatsangehörigen allein dem Verfassungsrecht unterworfen waren. Die Enteignung eigener Staatsangehöriger war damit grundsätzlich eine Angelegenheit von nationalem Belang. Lediglich die Europäische Menschenrechtskonvention schützt im Zusatzprotokoll vom 20. März 195365 auch das Eigentum eigener Staatsbürger. 3. Folge Ein Staat, der Fremde enteignet, handelt völkerrechtswidrig und kann durch seine Enteignungsmaßnahmen nicht Privateigentum an sich reißen. Der Enteignende ist für sein völkerrechtswidriges Handeln völkerrechtlich verantwortlich und hat den verschuldeten Schaden wiedergutzumachen. Das Eigentum ist also zurückzugeben. Soweit dies nicht möglich ist, ist ein Ausgleich zu leisten. Dieser Anspruch ist völkerrechtlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß ___________ 64
Vgl. hierzu Schaefer, Karl Heinz, Forderungen gegen die Bundesrepublik aus dem Einigungsvertrag und wegen der deutsch-polnischen Verträge?, in: IFLA 1991, S. 4 ff. (5). 65 European Treaty Series No. 9; Simma, Bruno/Fastenrath, Ulrich (Hrsg.), Beck Texte Menschenrechte, 4. Aufl. 1998, S. 271 ff.
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dritte Personen private Rechte an dem Eigentum erworben haben. Das Eigentum eigener Staatsangehöriger wird in der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt.
IV. Staatensukzession und Privateigentum 1. Allgemein Das Recht der Staatennachfolge im Falle einer Gebietsabspaltung durch Zession66 oder Sezession67 (Partialsukzession) oder eines Staatsuntergangs durch Dismembration68, Fusion69 oder Inkorporation70 (Universalsukzession) widmet sich dem Schicksal der völkerrechtlichen Rechte und Pflichten des Staates, des Staatsvermögens und der Staatsschulden. Das Recht der Staatennachfolge gibt aber auch Auskunft, ob die Staatennachfolge Einfluß auf das Schicksal des im einverleibten Gebiet oder in Drittstaaten sich befindenden Privatvermögens hat. Die Wiener Konventionen über die Staatennachfolge in Verträge von 197871 und über die Staatennachfolge in das Staatseigentum, Staatsarchive und Staatsschulden von 198372 widmen sich den Problemen der Staatennachfolge, sind aber nur für unbedeutende Kleinstaaten in Kraft getreten. Wenn das Völkerrecht Privateigentum und Staatsvermögen bei einer Staatennachfolge unterschiedlich behandelt, muß im Einzelfall entschieden werden, ob es sich bei einem Kulturgut um Privateigentum oder Staatseigentum handelt. 2. Schicksal des Privateigentums bei Staatennachfolge Tritt ein Staat an die Stelle eines anderen, so stellt sich die Frage, ob davon in irgendeiner Weise auch das Privateigentum natürlicher oder juristischer Personen – das kann auch ein Staat sein - tangiert wird. Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in das Staatseigentum, Staatsarchive und Staatsschulden von 1983 gibt hierzu keine Auskunft.73 Die Staatenpraxis aber belegt, ___________ 66
Abtretung eines Gebietes von einem Staat an den anderen. Losreißen eines Gebiets von einem Staat und Anschluß an einen anderen Staat oder Bildung eines Neustaates. 68 Aufteilung des gesamten Gebiets des Vorgängerstaates auf mehrere Nachfolgestaaten. 69 Zusammenschluß mehrerer bisher unabhängiger Staaten zu einem Neustaat. 70 Anschluß eines Staates an einen anderen Staat. 71 Text: International Legal Materials 17 (1978), S. 1488 ff. 72 Text: International Legal Materials 22 (1983), S. 396 ff. 73 Die Konvention beschränkt ihren Geltungsbereich auf das Staatseigentum und die Staatsschulden. 67
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daß eine Staatensukzession als solche das Privateigentum nicht berührt.74 Dies ist auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum75 und ergibt sich auch aus der in der Literatur76 und der Judikatur77 vertretenen Auffassung von der Verpflichtung des Staates, „wohlerworbene Rechte“ im Falle der Staatensukzession zu respektieren. Etwas anderes muß dann gelten, wenn der Staat Privateigentümer war und unterging. Es gehört zu den Rechten des neuen Souveräns, die Eigentumsordnung in seinem Staatsgebiet grundsätzlich nach eigenem Ermessen zu ordnen. So kann der neue Souverän auch Verstaatlichungen durchführen78. Soweit diese Maßnahmen Inländer betreffen, und zwar auch solche, die erst kraft Staatennachfolge Inländer wurden, sind diese grundsätzlich ohne völkerrechtlichen Belang, es sei denn das Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention ist anzuwenden. Handelt es sich bei den Betroffenen um Fremde, was die Regel sein wird, gelten die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts, die bereits oben dargestellt wurden. Wenn die Enteignung von Privatvermögen, das im Staatsgebiet liegt, rechtswidrig ist, kann für Privateigentum im Drittstaat nichts anderes gelten. 3. Schicksal des Staatsvermögens bei Staatennachfolge Das Staatsvermögen eines untergehenden Staates geht grundsätzlich auf den Nachfolgestaat über.79 Im Falle einer Partialsukzession wird das Verwaltungs___________ 74 So ist in Anhang XIV unter Z. 9 im Friedensvertrag mit Italien vom 10.02.1947 bestimmt, daß das Eigentum, die Rechte und Interessen bisher italienischer Staatsangehöriger in den abgetretenen Gebieten auf der Grundlage der Gleichheit mit den Staatsangehörigen der Nachfolgestaaten respektiert werden müssen. 75 Delbrück Delbrück, Jost, in: Dahm, Georg/Delbrück, Jost/Wolfrum, Rüdiger, Völkerrecht. Bd. I/1, Die Grundlagen. Die Völkerrechtssubjekte, 1989, S.183. 76 Vgl. hierzu etwa Feilchenfeld, Ernst H., Public Debts and State Sucession, 1931, S. 682 ff.; O'Connell, Daniel Patrick, State Succession in Municipal Law and International Law, vol. 1, 1967, S. 250 f., 349, 375 f., 448, 466, 473; Holtzendorff, Franz von, Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2. Die völkerrechtliche Verfassung und Grundordnung der auswärtigen Staatsbeziehungen, 1887, S. 38 f.; Rivier, Alphons, Lehrbuch des Völkerrechts, 1. Aufl. 1889, S. 88 f. 77 So hat der StIGH aus einer Reihe von Bestimmungen des Versailler Vertrages indirekt eine Rechtspflicht der Nachfolgestaaten zur Respektierung wohlerworbener Rechte entnommen; vgl. Rechtsgutachten über die Deutschen Siedler in Polen, Publications of Permanent Court of International Justice, Series B, No. 6 (1923), S. 36 f. Dort heißt es: „Les droits privés acquis conformément aux droits en vigueur, ne deviennent points caducs à la suite d'un changement de souveraineté“. Urteil über die Deutschen Interessen in Polnisch Oberschlesien, Publications of Permanent Court of International Justice, Series A, Collection of Judgements, No.7 (1926), S. 31. 78 Delbrück (Fn. 75), in: Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 183. 79 Vgl. dazu Gornig, Gilbert, Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands, Teil II, 1992, S. 48 f., 83 f.
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vermögen im abgetretenen Gebiet ebenfalls auf den Nachfolgestaat übergehen, bei Finanzvermögen erscheint dies zweifelhaft zu sein. 4. Staatsvermögen als Verwaltungs- oder Finanzvermögen Da sich das Schicksal von Privatvermögen natürlicher und juristischer Personen sowie Staatsvermögen im Falle einer Staatensukzession unterschiedlich darstellt, kommt es jeweils auf die Eigentumsverhältnisse an einem Kulturgut an. Staatsvermögen wird definiert als die Gesamtheit derjenigen Vermögensgegenstände, welche dem Staat oder einem anderen Träger öffentlicher Verwaltung zugeordnet ist. Staatsvermögen wird in überkommener Weise in die beiden Gruppen Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen gegliedert80. Unter Verwaltungsvermögen versteht man all diejenigen Gegenstände, „welche den für die Erfüllung der staatlichen Zwecke und Aufgaben erforderlichen Apparat bilden, welche also zum Dienste der Behörden, zur Ausführung der staatlichen Tätigkeit, zum Betrieb der Staatsanstalten gehören, mit einem Wort: das Inventar des Staates“81. ___________ 80 Vgl. Schmitz, Bernhard, Die Unterscheidung zwischen Finanz- und Verwaltungsvermögen im Lichte des modernen Rechts- und Wirtschaftsstaates, 1966, S. 1 ff.; Friauf, Karl Heinrich, Staatsvermögen, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 1990, S. 295 ff. (308 ff.); Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 1260 ff. Diese Unterscheidung geht zurück auf die Einteilung des französischen Staatsvermögens in „domaine public“ und „domaine de l'Etat“ durch den Code Napoléon. Dabei war der „domaine public“ unveräußerlich, weil er dem Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben unentbehrlich war, während der „domaine de l' Etat“ für veräußerlich erklärt wurde80. Allerdings fand eine echte Differenzierung dieser Begriffe erst im 19. Jahrhundert statt, als der wirkliche Unterschied zwischen „domaine public“ und „domaine privé“ herausgearbeitet wurde. In Deutschland war es vor allem Lorenz von Stein, der 1860 in seinem Lehrbuch der Finanzwissenschaft das gesamte Staatsvermögen in Staatsbesitz einerseits und Staatsdomänen andererseits einteilte. Diese Unterscheidung zwischen Verwaltungsund Finanzvermögen wurde auch ins Völkerrecht übernommen, denn auch im Völkerrecht kann der Staat als Rechtspersönlichkeit Eigentümer beweglicher und unbeweglicher Güter sein. Für die Zwecke der Regelung der Staatennachfolge wird grundsätzlich zwischen den beiden Eigentumsarten differenziert. Vgl. Huber, Max, Die Staatensuccession, 1898; Schoenborn, Walther, Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2. Der Staat als Subjekt des Völkerrechts. Staatensukzessionen, Gesandtschafts- und Konsularrecht. Staatsgebiet und Staatsverträge. Zweite Abteilung, Staatensukzessionen, 1913; Guggenheim, Paul, Beiträge zur völkerrechtlichen Lehre vom Staatenwechsel, 1925, S. 84 ff.; Castrén, Eric J. S., Aspects récents de la succession d'États, in: Recueil des Cours, vol. 78 (1951 I), S. 379 ff.; Verdross, Alfred, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 258 ff.; O'Connell (Fn. 76), S. 199 ff.; Delbrück (Fn. 75), S. 169 ff.; Gornig, Gilbert, Staatennachfolge und Einigung Deutschlands, Teil II, 1992, S. 17 ff., 79 ff. 81 Vgl. Laband, Paul, Das Finanzrecht des Deutschen Reiches, in: Annalen des Deutschen Reichs, 1873, Sp. 406 ff. (412 f.).
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Finanzvermögen werden die öffentlichen Sachen genannt, die durch ihren Wert oder ihre Erträgnisse dem Staat oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts fiskalische Mittel zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben liefern. Das Finanzvermögen folgt primär den Regeln des Privatrechts, insbesondere Erwerb, Belastung und Veräußerung.82 Es handelt sich also letztlich beim Finanzvermögen um das Privatvermögen des Staates, das einen finanziellen Gewinn abwerfen soll, der dem Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung steht. Können Kulturgüter weder unter das Verwaltungsvermögen noch unter das Finanzvermögen subsumiert werden, liegt Privateigentum vor. 5. Anwendung auf Kulturgüter Kulturgüter lassen sich nicht unter den Begriff des Staatsvermögens subsumieren. Sie sind nicht Verwaltungsvermögen, da sie nicht unmittelbar den Zwecken der Verwaltung dienen. Sie sind weder dem Gebrauch durch staatliche Stellen (Verwaltungsgebrauch) noch der Nutzung durch die Bürger gewidmet. Kulturgüter fallen auch nicht unter das Finanzvermögen, da sie nicht durch ihren Wert oder ihre Erträgnisse dem Staat oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts (insbesondere Gebietskörperschaften) fiskalische Mittel zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben liefern. Sie sind daher als Privateigentum zu betrachten. In Fällen der Staatensukzession sind also bei Kulturgütern die Regeln über das Schicksal des Privatvermögens heranzuziehen. Das Privateigentum bleibt grundsätzlich unberührt. Ist der untergehende Staat jedoch Privateigentümer eines Kulturguts, wird das Objekt in der Regel Privateigentum des Neustaates.
V. Kulturgüter 1. Allgemein Kunstgegenstände gehören natürlich zuerst dem Künstler oder demjenigen, dem sie rechtmäßig übereignet worden sind. Sie fallen damit grundsätzlich unter das Privateigentum, werden also von Vertreibungsmaßnahmen und Staatensukzessionen nicht berührt. Übereignungen werden auch weiterhin möglich bleiben, wenn man den Kunsthandel nicht verbieten will. Es gibt aber auch Fäl___________ 82
Creifelds, Carl (Hrsg.), Rechtswörterbuch, 8. Aufl., 1986, S. 812; vgl. auch Delbrück (Fn. 75), S. 170; Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I. Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 1958, S. 326; Calker, Fritz van, Grundzüge des Deutschen Verwaltungsrechts, 1925, S. 57.
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le, in denen die Eigentumsverhältnisse unklar sind oder Kulturgüter unter Verletzung von Gesetzen außer Landes gebracht worden sind. In Fällen der Staatensukzession kann die Frage der Zugehörigkeit von Kulturgütern dann umstritten sein, wenn der Gegenstand im Falle einer Dismembration in einem Drittstaat liegt. Nach dem „kulturellem Internationalismus“ ist jegliches Kulturgut zu schützen, unabhängig davon, ob es einen ursprünglich nationalen Bezug zu dem Gebiet hat, in dem es sich gerade befindet. Nationales Kulturgut wird als gemeinsames kulturelles Erbe der Menschheit angesehen. Jeder Staat ist somit Treuhänder gegenüber der ganzen Menschheit für das in seinem Herrschaftsbereich befindliche Kulturerbe.83 Das Konzept des nationalen Kulturpatrimoniums beruht auf der Festlegung von Kulturgütern nach nationalen und staatlichen Gesichtspunkten. So werden Kulturgüter einem Staat oder einem Volk zugeordnet, die Eigentümer und Bewahrer des Kulturgutes sind84. Die Bestimmung des „Nationalen“ erfolgt über das Territorium, der Herkunft des Künstlers oder dem besonderen Bezug des Kunstwerkes zur Nation. Wie ohne weiteres ersichtlich ergeben sich bei diesem nationalen Kulturpatrimonium generelle Definitions- und Zuordnungsprobleme. 2. Zuordnung der Kulturgüter a) Zuordnung nach der Zugehörigkeit zu einer unbeweglichen Einrichtung Eine Ansicht für die Zuordnung beweglicher Kulturgüter stellt auf die Zugehörigkeit zu einer auf dem Territorium belegenen unbeweglichen öffentlichen Einrichtung als deren wesentlicher Bestandteil oder Zubehör ab85. In diesem Fall vermittelt die Belegenheit der unbeweglichen Sache die territoriale Zuordnung der beweglichen Sachgüter.86
___________ 83 So spielt es etwa für eine Straftat an einem Kulturgut keine Rolle, ob dieses Kulturgut aus dem einen oder anderen Staat stammt. Kulturgüter gehören zum Welterbe der Menschheit, so daß jeder Staat verpflichtet ist, Kulturgut zu schützen, egal, wem es zugewiesen ist. 84 Vgl. Rudolf, Walter, Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, in: Hailbronner, Kay/Ress, Georg/Stein, Torsten (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung. Festschrift für Karl Doehring 1989, S. 853 ff. (861). 85 Vgl. O'Connell (Fn. 76), S. 204. 86 Gornig, Gilbert, Wem gehört der Pergamon-Altar? Völkerrechtliche Diskussion der Forderungen Griechenlands auf Rückgabe von Kulturgütern, in: Gornig, Gilbert/Schiller, Theo/Wesemann, Wolfgang (Hrsg.), Griechenland in Europa, 2000, S. 61 (66 f.).
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b) Prinzip des Zusammenhaltens von Sammlungen Das Prinzip des Zusammenhaltens von gewachsenen Sammlungen geht davon aus, daß gewachsene Sammlungen einen Organismus darstellen, der nicht auseinanderzureißen sei. Dieses Prinzip erlangte besondere Bedeutung bei der Auseinandersetzung um die Habsburgischen Sammlungen nach dem Ersten Weltkrieg. Ungarn beanspruchte nach dem Prinzip des Ausgleichs im Falle der Staatensukzession einen Anteil der Wiener Sammlungen. Dies wurde von Österreich, das das Prinzip des Zusammenhaltens von gewachsenen Sammlungen geltend machte, strikt abgelehnt.87 c) Zuordnung von Kulturgütern nach nationaler Zugehörigkeit aa) Allgemein Für die Bestimmung der nationalen Zugehörigkeit eines Kulturguts fehlen einheitliche Kriterien. So kann der Bezug zu einem Staat bestimmt werden durch den Ort der Schöpfung, die Staatsangehörigkeit des Künstlers, den typischen Charakter des Kunstwerks, aber auch durch die Herkunft des verwendeten Materials. Ferner stellt sich auch die Frage, ob unter Umständen auch ausländische Werke als nationale Kulturgüter qualifiziert werden können. So differenziert beispielsweise das deutsche Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung von 1955 nicht nach den Ursprüngen eines Objekts. Es kann also ein in fremden Ländern entstandenes Kunstwerk nationales Kulturgut sein. Nur diejenigen Objekte, die die Qualität eines Kulturguts aufweisen und auf besondere Weise mit dem Staat verbunden sind, gehören zum nationalen Kulturerbe. Diese besondere Verbindung mit dem Staat kann sich aus verschiedenen Faktoren ergeben, nämlich –
aus der Tatsache des Fundes auf dem Territorium des Schutzstaates, etwa bei einer archäologischen Grabung,
–
aus der Tatsache, daß das entsprechende Objekt auf dem eigenen Territorium geschaffen wurde, weil es etwa ein einheimischer Künstler gefertigt hat,
–
aus der Tatsache, daß das Objekt zwar fremden Ursprungs ist, aber rechtmäßig erworben wurde, also beispielsweise bei Ankauf eines ausländischen Objekts durch ein Museum oder einen Staatsangehörigen.
___________ 87 In Art. 1 der österreichisch-italienischen Ausführungskonvention zum Vertrag von St. Germain vom 04.05.1920 kommt das Prinzip der Erhaltung organisch gewachsener Zusammenhänge von Kulturgütern klar zum Ausdruck.
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Auch in der UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut (UNESCO-Convention on the Illicit Movement of Art Treasures) vom 14. November 1970 wird eine besondere Verbindung zu einem Staat gefordert, wenn dieses Kulturgut seinem cultural heritage zugerechnet werden soll. Hier kann die besondere Verbindung (connection test) auf fünffache Weise zustande kommen (Art. 4): –
Kulturgut, das entweder von Staatsangehörigen eines Staates geschaffen wurde, oder innerhalb der Grenzen des Staates von ausländischen Staatsangehörigen oder staatenlosen Personen, die innerhalb des Gebiets wohnen, geschaffen wurde (nationaler Schöpfungsakt),
–
Kulturgut, das innerhalb des nationalen Gebiets gefunden wurde (Fund auf nationalem Territorium),
–
Kulturgut, welches mit der Zustimmung der zuständigen Behörden des Ursprungslandes von archäologischen, ethnologischen oder auch naturwissenschaftlichen Missionen erworben wurde (rechtmäßiger Erwerb im Ausland),
–
Kulturgut, das Gegenstand eines vereinbarten kulturellen Austausches war (Austausch),
–
Kulturgut, das als Geschenk empfangen wurde oder mit der Zustimmung der zuständigen Behörde vom Ursprungsland rechtmäßig gekauft wurde (Erwerb im Inland).
Die erste Kategorie knüpft an die Personalhoheit des Staates an, die zweite an die Gebietshoheit. In den übrigen Fällen liegt eine Willenseinigung vor, die es erlaubt, dem Staat das entsprechende Kulturgut als sein Erbe zuzurechnen. Es sollen also nur dann Export- und Importkontrollen zur Anwendung kommen, wenn ein Objekt eine besondere Verbindung zum jeweiligen Territorialstaat aufweist. Eine Zeitangabe, wie lange ein Objekt einem Land zugerechnet werden muß, fehlt. Alle diese Kriterien geben allerdings keineswegs eindeutige Auskunft über die Zugehörigkeit eines Kulturguts zu einem bestimmten Staat. So kann es Probleme geben, wenn eine Person vorübergehend in einem fremden Staat lebt und dort Kunstwerke schafft. Es kann daher möglich sein, daß sowohl der Staat, der die Staatsangehörigkeit des Künstlers hat, das Werk beansprucht, als auch der Staat, in dem das Kunstwerk geschaffen wurde. Die Personalhoheit und die Gebietshoheit stehen damit in Konkurrenz. Da Art. 4 der UNESCOKonvention keine Rangfolge für die einzelnen Verbindungen erkennen lässt, kann es Situationen geben, in denen also zwei oder mehrere Staaten zur selben Zeit das nationale Kulturgut für sich beanspruchen.
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bb) „district d'origine“ Mit dem Begriff „district d'origine“, Ursprungs- oder Herkunftsland, wird festgestellt, daß die auszuliefernden Güter sich auf dem betreffenden Territorium befanden und von dort weggebracht wurden88. cc) „patrimoine intellectuele“ Nach dem Prinzip des „patrimoine intellectuel“ wird als Herkunftsterritorium das Gebiet angesehen, das mit dem Kulturgut am engsten verbunden ist. Nach den angeführten Bestimmungen soll das kulturelle Erbe, das aus einem Gebiet entfernt worden ist, wieder zurückgeführt werden.89 Mit der Berufung auf das Prinzip des „patrimoine intellectuel“ erzielten die Nachfolgerstaaten im Falle einer Staatennachfolge in ihrem Restitutionsbemühen nur bescheidene Erfolge, da ihre Interessen mit anderen Gesichtspunkten abgewogen werden müssen. Dies sind einmal die Beziehungen zu anderen Staaten, als deren kulturelles Erbe die Gegenstände auch in Betracht kommen. Die Praxis der Siegermächte90 des Zweiten Weltkrieges zeigt, daß ausgelagerte oder geraubte Kulturgüter, die zu den vertriebenen Volksgruppen in Be___________ 88 Art. 192 des Vertrags von Saint Germain enthält eine Restitutionsverpflichtung hinsichtlich aller seit dem 01.06.1914 aus den zitierten Gebieten entfernten Kulturgütern, sofern sie nicht von Privaten erworben wurden. Art. 196 bezieht sich auf künstlerische, archäologische, wissenschaftliche und historische Objekte, die Bestandteil der Habsburgischen Sammlungen waren und über die im Vertrag von Saint Germain keine anderen Regelungen getroffen wurden. Vgl. Engstler, Ludwig, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 251. 89 In Art. 5 der österreichisch-italienischen Ausführungskonvention (Text: Martens, G. Fr. de/Triepel, Heinrich (Hrsg.), Nouveau Recueil Général de Traité, troisième série, vol. XIX, 1928, S. 682 ff.) zum Vertrag von Saint Germain wird ein durch Sachverständige zu beurteilender gegenseitiger Austausch von Kulturgütern vereinbart. Grundsätzlich sollen sämtliche Kulturgüter im öffentlichen Besitz restituiert werden, die aus den an Italien abgetretenen Gebieten stammen. Vgl. hierzu Turner, Stefan, Die Zuordnung beweglicher Kulturgüter im Völkerrecht, in: Fiedler, Wilfried (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage. Völkerrechtliche Probleme der Auslagerung, Zerstreuung und Rückführung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg, 1991, S. 90 ff. In der österreichisch-tschechoslowakischen Ausführungskonvention (Text; Martens/Triepel (a.a.O.), Nouveau Recueil Général de Traité, troisième série, vol. XIX, 1928, S. 694 ff. [700 ff.]) wird das Gebiet als räumliche Grundlage für eine bestimmte Kultur angesehen, die sich auf ihm durch die dort lebenden Menschen entwickelt hat. 90 Jüdische Kulturgüter, die von den Nazis in den besetzten Gebieten geraubt wurden, hätten nach den Restitutionsregeln des Kriegsrechts normalerweise an die diese Gebiete beherrschenden Staaten zurückgegeben werden müssen. Die Juden vor allem in den USA waren aber mit der Restitution jüdischen kulturellen Eigentums an die osteuropäischen Staaten bzw. dem Verbleib jüdischen Kulturgutes in Deutschland nicht ein-
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ziehung standen, nicht an die Wohnsitzstaaten restituiert wurden, sondern den Aufnahmestaaten bzw. an die Betroffenen selbst übergeben wurden. d) Die Zuordnung von Gütern nach dem Prinzip des billigen Ausgleichs Nicht alle Güter lassen sich nach den erwähnten Grundsätzen zuordnen. In diesem Fall muß ein gerechter Ausgleich nach Billigkeit getroffen werden.91 3. Insbesondere: Kulturgüterzugehörigkeit bei Vertreibung und Bevölkerungsaustausch Während die bislang gefundenen Ergebnisse zum Kulturgüterschutz den Fall betrafen, in dem es nicht zu einem Bevölkerungsaustausch oder zu einer Vertreibung der Bevölkerung kam, muß nun bedacht werden, ob diese Grundsätze auch dann angewendet werden können, wenn die Bevölkerung oder ein Teil davon das Land zwangsweise verlassen mußte. Bei einem Bevölkerungsaustausch oder -transfer sahen die früheren Verträge keine Beschränkungen in der Mitnahme beweglicher Sachen vor und erlaubten auch die Mitnahme von Kulturgütern. Später enthielten die Verträge Bestimmungen, die für manche Güter die Freiheit der Mitnahme statuierten, für andere, und so auch für Kulturgüter, Beschränkungen enthielten. Die Auswanderer sind gemäß Art. 8 des Lausanner Abkommens frei ihre fahrende Habe mitzunehmen oder wegtransportieren zu lassen. Was nicht mitgenommen oder wegtransportiert wird, soll inventarisiert und geschätzt werden.92 Ebenso genießt die auszutauschende Bevölkerung hiernach Zoll- und Steuerfreiheit. Ist gemäß Art. 8 IV Lausanner Abkommen eine Mitnahme des beweglichen Vermögens nicht möglich, so darf es zurückgelassen werden. In diesem Falle erfolgt gemäß Art. 13 eine Schätzung des zu liquidierenden beweglichen und unbeweglichen Vermögens nach Anhörung der Berechtigten. Anschließend händigt die gemischte Kommission nach erfolgter Schätzung jedem Berechtigten eine Bescheinigung über den Wert des ihm entzogenen Vermögens aus.93 Die liquidierten Vermögen werden gemäß Art. 14 I des Lausanner Abkommens der Regierung des Staates, in dem sie sich befinden, zur ___________ verstanden. Es sollte vielmehr herrenloses jüdisches Kulturgut dem jüdischen Volk als Ganzes zugewiesen werden. Somit kam es zur Gründung einer Jewish Restitution Successor Organization, die in der US-amerikanischen Besatzungszone wirkte und mit der Jewish Cultural Reconstruction Inc. zusammenarbeitete, die die Verteilung der Güter durchführte. 91 Auch in der Konvention von 1983 über die Staatennachfolge hat der auf der Billigkeit beruhende Gedanke des gerechten Ausgleichs Eingang gefunden. 92 Streit (Fn. 44), S. 16. 93 Leontiades (Fn. 45), S. 561.
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Verfügung gestellt, wofür der Auswanderer im Ankunftsland eine entsprechende Entschädigung erlangt. Ist den Auswanderern ohne Entschädigung Vermögen enteignet worden, dies bezieht sich auf die Auswanderer, die seit dem 18. Oktober 1912 eines der betreffenden Länder verlassen haben, so setzt die Kommission die Höhe der Entschädigung fest. Die Entschädigung ist von der Regierung zu zahlen, in deren Besitz der Ort liegt, in dem der Auswanderer wohnte. Gemäß Art. 14 II 2 Lausanner Abkommen soll auf Grund der alle sechs Monate gemachten Schätzung eine Abrechnung der von den Regierungen geschuldeten Summen aufgestellt werden, bei der endgültigen Rechnung werden dann die Konten gegeneinander aufgerechnet, wobei gemäß Art. 14 IV Lausanner Abkommen ein eventueller Unterschied bar zu erstatten ist.94 Die festgestellten Summen sind von dem betreffenden Staate dem anderen Staate geschuldet; der Auswanderer soll vom letzten Staate im Prinzip Güter gleichen Wertes und gleicher Art, die er verlassen hat, erhalten. Bei der definitiven Liquidation zwischen den beiden Staaten werden die beiderseitigen Globalbeträge kompensiert, der Rest ist bar auszuzahlen.95 Die geschuldeten Summen müssen in höchstens 3 Jahresraten ausgezahlt werden. Sollte die von einer Regierung zu zahlende Summe so groß sein, daß längere Fristen angemessen erscheinen, so ist zunächst eine von der Gemischten Kommission festzusetzende Summe, die bis zu 20 % der Gesamtschuld gehen kann, bar zu entrichten, wobei für den Rest Obligationen herauszugeben sind, deren Tilgung innerhalb von höchstens 20 Jahren erfolgen muß.96 Ingesamt ist festzuhalten, daß die Regelung der Vermögensverhältnisse ausgesprochen zugunsten der Türkei ausgefallen ist, wenn man in Betracht zieht, daß die Zahl aus der Türkei ausgewanderten Griechen fast das Dreifache der von dem Austausch betroffenen Türken beträgt und die Ansiedlungskosten für die griechische Regierung weit höher war als die der Türkischen. Der Art. 2 § 1 Abs. 2 und 4 des deutsch-estnischen Protokolls über die Umsiedlung der deutschen Volksgruppe Estlands in das Deutsche Reich vom 15. Oktober 193997 enthielt eine besondere Ausfuhrgenehmigung von Kunstsammlungen und Gegenständen für historische oder sonstige bedeutsame Archive und persönliche Unterlagen. Der § 27 der deutsch-italienischen Richtlinien für die Rückführung der Reichsdeutschen und Abwanderung der Volksdeutschen aus Südtirol (dem Alto Adige) in das Deutsche Reich vom 21. Oktober 193998 erlaubte Privatsamm___________ 94
Leontiades (Fn. 45),, S. 562. Streit (Fn. 44), S. 17. 96 Leontiades (Fn. 45), S. 563. 97 Hecker, Hellmuth, Die Umsiedlungsverträge des Deutschen Reiches während des Zweiten Weltkrieges, 1971, S. 15 ff. 98 Rabl (Fn. 38), S. 192 ff. 95
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lungen und Archive, die sich auf die deutsche Kultur bezogen, auszuführen; Kulturgüter im Besitz von Museumsgesellschaften durften ausgeführt werden, wenn die zuständigen Organe die Überführung nach Deutschland beschlossen hatten. Von Kirchenbüchern und Archiven der deutschen Gemeinden durften Kopien bzw. Fotografien angefertigt werden, im Einzelfall wurde eine Ausfuhrgenehmigung erteilt. Der Art. 7 § 1 Abs. 15 des Zusatzprotokolls zum deutsch-lettischen Umsiedlungsvertrag vom 30. Oktober 193999 enthielt detaillierte Regelungen für verschiedene Arten von Kulturgütern. Güter mit Bezug zu Lettland durften in der Regel nicht ausgeführt werden. Die Ausfuhr war dagegen bei Gütern mit Bezug zur deutschen Volksgruppe erlaubt. Der Art. 1 § 2 c der deutsch-ungarischen Vereinbarung über die Behandlung von Abwanderern und ihres Eigentums vom 29. Mai 1940100 legte fest, daß die umzusiedelnden Personen die in ihrem Eigentum stehenden Kunstsammlungen und Einzelobjekte mit Ausnahme derer, die eine besondere kulturelle und historische Bedeutung für das Ausfuhrland haben, mitnehmen durften. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Kulturgüter den vertriebenen Menschen zurückgegeben und nicht dem – ehemaligen – Heimatstaat der Vertriebenen oder dem Vertreiberstaat.101 Die Regelungen dokumentieren, daß bei einer Vertreibung oder Aussiedlung einer Volksgruppe die Bindung der Kulturgüter an die Menschen als bedeutender angesehen wird, als die Bindung der Kulturgüter an das Territorium. Die Bindung an eine Volksgruppe erwies sich in der Regel auch als stärker als das Prinzip des Zusammenhaltens organisch gewachsener Sammlungen. Als allgemeine Richtlinie läßt sich damit eine Zuordnung zur Volksgruppe feststellen, wenn die Kulturgüter zu dieser in einer besonders engen Beziehung standen. Natürlich kann es im Interesse des vertriebenen Volkes liegen, Kulturgüter zurückzugeben, insbesondere wenn es sich um Teile einer unbeweglichen Sache handelt und diese um der Einheit und der Kultur willen wieder hergestellt werden soll. Es sollte dann aber vor Ort hinreichend zum Ausdruck gebracht wird, daß das Gebäude dem Kulturkreis des vertriebenen, also einst dort ansässigen Volkes entstammt und nicht vom Belegenheitsstaat als eigene Kultur ausgegeben wird. Ferner wird man erwarten, daß das vertriebene Volk Zugang zu dieser Kultur hat. Dies war zu Zeiten des Kalten Krieges und des „Eisernen Vorhangs“ gerade nicht der Fall. Ein Anspruch auf Rückgabe gegenüber dem ___________ 99
Hecker (Fn. 97), S. 61 ff. Hecker (Fn. 97), S. 172 ff. 101 Vgl. Fiedler, Wilfried, Die Kulturgüter der Sudetendeutschen als Rechtsproblem, in: Jahrbuch für sudetendeutsche Museen und Archive 1993 - 1994, S. 11 ff. (14), zum Fall des Kulturgüterschutzes der Sudetendeutschen. 100
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vertriebenen Volk lässt sich nicht nachweisen, wäre auch nicht verständlich und würde die Vertreiber belohnen.
VI. Schluß Jede Vertreibung und die Enteignung fremder Staatsangehöriger ist völkerrechtswidrig. Damit ist auch der damit verbundene Entzug von Privatvermögen und damit auch Kulturgütern völkerrechtswidrig. Bei einer Staatensukzession bleibt Privateigentum unangetastet, es sei denn der Staat war Privateigentümer und ging unter. Damit bleiben auch Kulturgüter unangetastet. Ist das Privateigentum eines Kulturgutes ungeklärt, gibt es diverse Kriterien, um die Zugehörigkeit zu bestimmen, die verdeutlichen, daß das Kulturgut in erster Linie zum Volk gehört und nicht zum Territorium. Das bedeutet, daß im Falle einer völkerrechtswidrigen Vertreibung das vertriebene Volk Anspruch auf die Kulturgüter hat. Schon gar nicht ist ein Anspruch der Vertreiber auf das Kulturgut der Vertriebenen zu rechtfertigen. * * *
Abstract Ioana Eleonora Rusu, The Protection of Cultural Assets in case of Expulsion and of Population Exchange, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 93-120. The expulsion of foreign citizens is an infringement of public international law. Therefore the expropriation of these citizens is unlawful, as private property should remain untouched in case of a state succession, except for the cases in which the state itself is an private owner and ceases to exist. Cultural assets should not be affected by territorial changes. However, in those cases in which the private property of a cultural asset is unclear, a series of criteria should be used in order to determine to whom the asset belong. These criteria show that cultural assets are tied to the people who created them and not to the territory of creation. This means that the expulsed people have the right to claim the cultural assets.
Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe – unter besonderer Berücksichtigung deutschen Kulturguts im Ausland Von Hans-Detlef Horn
I. Politische Anfechtungen und rechtliche Anstrengungen Der öffentliche Kulturgüterschutz hat es schwer. Als überindividuelle Aufgabe begriffen, trifft er regelmäßig auf die individuellen Belange des Kulturgutbesitzers. Das gilt schon im nationalen, innerstaatlichen Raum, wie etwa an den Vollzugsschwierigkeiten des Denkmalschutzrechts abgelesen werden kann. Besonders aber gilt dies im internationalen Rahmen, in dem nicht nur öffentliche und private Interessen, sondern politische Systeme, Ideologien und Rechtsordnungen aufeinandertreffen. Die staatliche Souveränität reagiert auf das ethisch-moralisch hoch aggregierte Thema des Kulturgüterschutzes mit höch ster Empfindlichkeit. Anstrengungen zum Schutze sogenannter nationaler Kulturgüter, die sich im Ausland befinden, ziehen allzu leicht den Verdacht eines verqueren „Kulturnationalismus“ auf sich. Und wenn das Begehren gar auf Rückführung gerichtet ist, kann sich der Verdacht rasch zu dem Vorwurf eines imperialistischen „Kulturfaschismus“ steigern. In dieser Weise ließ sich zum Beispiel der Direktor des British Museum, Sir David Wilson, vernehmen, als Griechenland im Jahre 1983 von England die Herausgabe der Elgin Marbles forderte.1 Nicht nur dieser Fall ist bis heute geeignet, für Unruhe zu sorgen. Noch viel mehr gilt dies für Restitutionsansprüche, die auf weltkriegsbedingt im Ausland lagernde deutsche Kulturgüter erhoben werden. Hier dauert es meist nicht lange, bis – ausgesprochen oder unausgesprochen, offen oder verdeckt – die Argumentationsfigur der „kompensatorischen Restitution“ bemüht wird,2 um im Hinblick auf die Kulturgutraubzüge des Nationalsozialismus ein solches Begehren als ungerechtfertigt, als anmaßend oder gar als revanchistisch zu diskreditieren und mit Empörung zurückzuweisen. Das bekannteste und gravie___________ 1 Vgl. Gerd Roellecke, Warum schützen wir Kulturgüter?, in: Mußgnug/Roellecke (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Kulturgüterschutzes, 1998, S. 31 (43). 2 Dazu Rudolf Dolzer, „Kompensatorische Restitution“?, NJW 2000, S. 560 ff.
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rendste Beispiel hierfür ist gewiß das russische „Beutekunstgesetz“ vom 15.4.1998, das nach einigen Änderungen am 25.5.2000 endgültig in Kraft getreten ist. Dort (in Art. 6) wird mit dem Kompensationsgedanken ausdrücklich das eine Rückführung ausschließende Eigentumsrecht der Russischen Föderation an jenen deutschen Kulturgütern begründet, die von den stalinistischen Trophäeneinheiten in den Jahren 1943 ff. in die UdSSR verbracht wurden und sich heute noch auf russischem Territorium befinden. Die Position wurde kürzlich von der Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums, Frau Irina Antonowa, noch einmal in aller Deutlichkeit wiederholt. Sie war Ende August 2005 nach Dresden gekommen, um der 50. Wiederkehr jenes Tages zu gedenken, als Mitte der 1950er Jahre die überraschenden Restitutionen der Sowjetunion an die DDR begannen. Die erste große Rückführung betraf damals 1240 Bilder der Dresdner Gemäldegalerie. Was seither zurückkehrte, insbesondere die „Sixtinische Madonna“ von Raffael, bildet heute den Kernbestand der Dresdner Sammlung. Gleichwohl werden dort immer noch ca. 380 Bilder vermißt, darunter mehrere von Cranach dem Älteren, von van Dyck oder von Tizian. Die naheliegende Frage, ob denn nicht, was damals – unter einer diktatorischen Sowjetunion – möglich war, heute, zwei Generationen später, mit einem demokratischen Rußland als Akt der Aussöhnung wieder möglich sein könne, nämlich die Rückgabe sämtlicher deutscher Kulturgüter, die noch in russischem Besitz sind – diese Frage wies Frau Antonowa ebenso kühl wie kompromißlos mit den Worten zurück: „Jedes Volk muß wissen: Wenn das künstlerische Erbe eines anderen Volkes zerstört wird, kann es dafür das eigene verlieren“3. Die Bundesrepublik Deutschland mag so das Völkerrecht auf ihrer Seite haben, dem sowohl der sowjetische Kunstraub als auch dessen russische Legalisierung widerspricht. Aber in Anbetracht der zweifellos gewaltigen Schäden, die Rußland durch die nationalsozialistische Aggression erlitten hat, wird Deutschland im Sinne eines „Macht geht vor Recht“ stets die moralische Asymmetrie im „Beutekunst“-Streit konfrontieren müssen.4 ___________ 3 Zit. nach Heinrich Wefing, Mehr gibt's nicht: Irina Antonowa erinnert in Dresden an die Rückkehr der Sixtinischen Madonna, in: FAZ vom 27.8.2005, S. 37; vgl. auch zur gegenwärtigen russischen Haltung Kerstin Holm, Rührt nicht an unsere Beutekunst, in: FAZ vom 18.4.2006, S. 42. 4 Umfassend zur „Beutekunst“-Problematik im deutsch-russischen Verhältnis Wilfried Fiedler, Kulturgüter als Kriegsbeute? Rechtliche Probleme der Rückführung deutscher Kulturgüter aus Rußland, 1995; ders., Warum wird um die Kriegsbeute noch immer gestritten?, in: Meissner/Eisfeld (Hrsg.), 50 Jahre sowjetische und russische Deutschlandpolitik sowie ihre Auswirkungen auf das gegenseitige Verhältnis, 1999, S. 263 ff.; ders., „Kriegsbeute“ im internationalen Recht, in: Strocka (Hrsg.), Kunstraub – ein Siegerrecht?, 1999, S. 47 ff.; Susanne Schoen, Der rechtliche Status von Beutekunst. Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2004; Jochen A. Frowein, Beutekunst in Rußland, in: Bröhmer u.a. (Hrsg.), Festschrift für Georg Ress, 2005, S. 95 ff.; allgemein zu Rechtsfragen der weltkriegsbedingten Zerstreuung deutscher Kulturgüter aus öffentli-
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Im supranationalen Raum der Europäischen Union ist die Debatte über den grenzüberschreitenden Kulturgutschutz einschließlich der Rückführung unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter mittlerweile in weit ruhigeres Fahrwasser eingeglitten, will heißen: sie ereignet sich auf der Grundlage konsentierter Rechtsregeln. Doch trotz der Existenz eines europäischen Kulturgut-Schutzrechts5 hat die Diskussion an politischer Brisanz, die durchaus auch gesteigerte Hitzegrade annehmen kann, nichts verloren. Die Anstrengungen, eine übernational verbindliche Verständigung über die Bedeutung und Schutzwürdigkeit von Kulturgütern zu erreichen, haben bekanntlich dort eingesetzt, wo ihnen die größten Gefahren drohen: im Krieg. Noch unter dem Eindruck der Napoleonischen Beutezüge stehend, die Anfang des 19. Jahrhunderts nahezu das gesamte kulturelle Erbe Europas in französische Gewalt gebracht hatten,6 fand der Kulturgüterschutz mit dem Abschluß der Haager Konvention im Jahre 1899 Eingang in die erste große Kodifikation der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs.7 Nachdem deren Schutzvorschriften 1907 noch ergänzt und erweitert werden konnten, bildeten sodann die Verwüstungen, die der Zweite Weltkrieg am Kulturgutbestand Europas angerichtet hat, den Hintergrund dafür, daß mit der Haager Konvention von 1954 der Kulturgüterschutz bei bewaffneten Konflikten ein ausdifferenziertes Regelwerk erfahren hat. Seither sind es die zahlreichen Übereinkommen des Friedensvölkerrechts, die einen internationalen Kulturgüterschutz bewirken sollen.8 Sie richten sich zumal gegen die Gefahren, die aus den vielfältigen Formen der wirtschaftlichen Nutzung von Kulturgütern drohen. Zu nennen sind hier insbesondere die unter der Ägide der UNESCO entstandenen Konventionen von 1970 ___________ chem oder privaten Besitz: Wilfried Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage. Völkerrechtliche Probleme der Auslagerung, Zerstreuung und Rückführung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg, 1991; w.N. bei Frank Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes, in: ders./Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 11 (41). 5 Zur Entwicklung s. Kerstin Odendahl, Kulturgüterschutz. Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, S. 210 ff.; ferner Frank Fechner, Kulturgüterschutz auf europäischer Ebene, in diesem Band. 6 Vgl. Rainer Wahl, Kunstraub als Ausdruck von Staatsideologie, in: Strocka (Hrsg.), Kunstraub – ein Siegerrecht?, 1999, S. 27 (30 ff.); Gerd Roellecke, Kulturgüterschutz und Politik, in: Grupp/Hufeld (Hrsg.), Festschrift für Reinhard Mußgnug, 2005, S. 473 (474). 7 Näher Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 107 ff.; Matthias Herdegen, Der Kulturgüterschutz im Kriegsvölkerrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 161 ff.; Felix Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 47 (63 f.); sowie Tobias Irmscher, Kulturgüterschutz und humanitäres Völkerrecht, in diesem Band. 8 Hierzu Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 129 ff.; Rudolf Dolzer, Kulturgüter im Friedensvölkerrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 149 ff.
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und 1972, die UNIDROIT-Konvention von 1995, sowie – auf Europa bezogen – die Kulturgutübereinkommen des Europarats und die Regelungswerke der Europäischen Union zum Schutz des sowohl europäischen wie nationalen kulturellen Erbes. Nimmt man die im innerstaatlichen Bereich existierenden Rechtsvorschriften hinzu, wird erkennbar, daß der rechtliche Kulturgüterschutz heute in ein Mehrebenengeflecht eingebettet ist, in dem internationales, europäisches und nationales Recht ineinandergreifen und einander ergänzen; die neueste Monographie zum Thema – von Kerstin Odendahl – spricht von einem „ebenenübergreifenden Normensystem“9. Das ist ein Fortschritt. Aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Die Rede von einem Normensystem darf nicht darüber hinweg täuschen, daß inhaltlich von einem homogenen Kulturgüterschutzrecht noch nicht die Rede sein kann. Zwar sind ebenenübergreifende Zusammenhänge und Anknüpfungen hergestellt, aber ein ebenenintegrierender, „einheitlicher Ansatz“10 fehlt nach wie vor. Die Suche nach und die Verständigung auf gemeinsame Prinzipien und Grundsätze des Kulturgüterschutzes ist weiter im Gange.
II. Internationaler Kulturgüterschutz aus national-verfassungsstaatlichem Wollen Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden ganz spezifisch nach dem national-verfassungsstaatlichen Auftrag zum Kulturgüterschutz gefragt. Die Perspektive ist bewußt nach innen gerichtet. Gegenüber der Vogelschau des internationalrechtlichen Gefüges wird gleichsam die Froschperspektive eingenommen und konkret der Frage nachgegangen, ob und inwieweit der Verfassungsstaat (der Bundesrepublik Deutschland) das Bemühen um den Schutz seiner Kulturgüter als Aufgabe begreift und begreifen muß. Die Begründung und Rechtfertigung für diesen Ansatz liegt in der einfachen Erkenntnis: „Erst dank des nationalen Kulturgüterschutzes gelingt der internationale“11. Der universelle Kulturgüterschutz erwächst aus dem nationalen, hat dort seinen Ursprung, seine Quelle. Im Pluriversum der Staatenwelt gründet jede politische Verständigung und jede völkerrechtliche Verbindlichkeit letzten Endes im „guten Willen“ der beteiligten staatlichen Akteure. Dieser aber bildet und entwickelt sich im und nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts- und Politikraums. Ganz so, wie es uns das Kantische Traktat „Zum Ewigen Frieden“ ___________ 9
Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 237 ff., 353 ff. Frank Fechner (Fn. 4), S. 13. 11 Peter Häberle, National-verfassungsstaatlicher und universeller Kulturgüterschutz – ein Textstufenvergleich, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 91 (103). 10
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lehrt, daß die friedliche Koexistenz der Völker dieser Erde nur über eine Republikanisierung der je binnenstaatlichen Politiksysteme erreicht werden kann, vermag auch eine Weltkultur(güter)gemeinschaft nur aus den je nationalen Bewußtseins-, Willens- und Verantwortungsbildungen für den Kulturgüterschutz hervorzugehen. Je ausgeprägter und effektiver der Kulturgüterschutz auf nationaler Ebene „in weltbürgerlicher Absicht“ begriffen und betrieben wird, desto mehr Chancen bestehen, daß der internationale Kulturgüterschutz ernst genommen und zu völkerrechtlichen Verpflichtungen ausgebaut wird, die aus einer an der Goldenen Regel orientierten Gegenseitigkeitsordnung von gemeinsamen Überzeugungen und Prinzipien hervorgehen – und darum akzeptiert werden. Das Unterfangen der Binnenschau geschieht dabei in betont reflexiver Absicht. Sieht man nämlich auf die literarische Behandlung des Themas Kulturgüterschutz, so zeigt sich, daß überwiegend die völkerrechtliche und in jüngerer Zeit auch die europarechtliche Dimension im Vordergrund steht. Eher spärlich nehmen sich demgegenüber Untersuchungen zum Zusammenhang von „kulturellem Internationalismus“ und „kulturellem Nationalismus“12 aus, näherhin zur Frage, ob und inwieweit es dem Verfassungsstaat als „offener Verfassungsstaat“13 aufgegeben ist, die Sache Kulturgutschutz sowohl als nationale zu begreifen als auch diese zugleich in das Internationale hinein fortzudenken und fortzutreiben. Die Frage kulminiert in der staatlichen Sorge um den Schutz nationalen Kulturguts – einschließlich seiner Rückführung aus unrechtmäßigem ausländischem Besitz. Der Versuch einer Antwort geht in vier Gedankensschritten vor: Zunächst gilt es, sich über den Begriff des Kulturguts zu verständigen. Sodann muß ganz grundsätzlich der Frage nachgegangen werden, warum wir überhaupt Kulturgüter schützen sollen. Denn erst mit der Antwort auf diese Frage im Gepäck kann die weitere angegangen werden, warum es der Staat sein soll, der dafür Verantwortung trägt. Abschließend wird besonders die Kulturgüterrückführung als Mittel des Kulturgüterschutzes in den Blick genommen.
___________ 12
Peter Häberle (Fn. 11), S. 92. Klaus Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964, S. 292 f.; vgl. ferner Christian Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Bd. VII, 1992, § 172; Christian Hillgruber, Der Nationalstaat in der überstaatlichen Verflechtung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Bd. II, 2004, § 32 Rn. 113 ff. 13
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III. Zum Begriff des Kulturguts Was ist überhaupt ein Kulturgut? Wer von den Aufgaben des Kulturgüterschutzes handeln will, muß sich zuvor über ihren Gegenstand verständigt haben. Der Begriff des Kulturguts bestimmt das Aufgabenfeld des Kulturgutschutzes. Ob dieses eröffnet ist, entscheidet sich nach jenem. Hier leisten die Rechtsquellen des Kulturgüterschutzes Hilfestellung. Sie bieten Definitionen, regeln Verfahren und enthalten bisweilen sogar detaillierte Auflistungen, um die Praxis zu entlasten.14 Doch die Frage: Warum haben wir es mit einem Kulturgut zu tun? greift in einem tieferen Sinne über die Perspektive des Rechtsanwenders hinaus, weil und sofern es gerade um den Sinn und die Begründung solcher rechtlichen Festlegungen geht. Sie will hier daher weniger rechtstextlich-positivistisch als vielmehr kategorial-essentiell angegangen werden. Versteht man das Kulturgut schlicht als vergegenständlichte Form von Kultur,15 scheint indes wenig erreicht: Die Begriffsbestimmung droht in der Weite des Kulturbegriffs verloren zu gehen. Gleichwohl können aus der Unterscheidungskraft des Kulturbegriffs hilfreiche Präzisierungen gewonnen werden. Mit Niklas Luhmann16 läßt sich Kultur als „Universalgegebenheit einer menschlichen Gesellschaft“ begreifen, in der alle Zeugnisse menschlicher Tätigkeit abgehoben von ihrem unmittelbaren Gebrauchssinn zum zweiten Mal zusammengefaßt und registriert sind – und zwar zu dem Zweck, Unterschiede und Vergleiche mit anderen Kulturen bzw. „Kulturkreisen“17 zu ermöglichen.18 Demnach kann das Kulturgut zunächst als eine Ausdrucksform der Universalgegebenheit eines Kulturkreises begriffen werden. Doch um weiter voranzukommen, muß noch gefragt werden: Was qualifiziert ein beliebiges Gut zu einem Kulturgut? Zu kurz greift es, das Kulturgut in seinem Wesen – wie vorgeschlagen wurde – allein als Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung19 oder als Manifestation der Menschenwürde20 zu erkennen. ___________ 14
Dazu Gilbert Gornig, Der internationaler Kulturgüterschutz, in diesem Band. Zu Recht skeptisch gegenüber Begriff und Schutz eines nicht-objektbezogenen, immateriellen Kulturbesitzes Frank Fechner (Fn. 4), S. 18; Gerd Roellecke (Fn. 6), S. 479 ff. 16 Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 341; vgl. auch Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 48. 17 Vgl. Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen, 1998, S. 54: „ Kulturkreise sind das umfassendste ‚Wir‘, in dem wir uns kulturell zu Hause fühlen, gegenüber allen anderen ‚Sie‘ da draußen“. 18 Gerd Roellecke (Fn. 6), S. 479 ff. 19 Markus Müller, Kulturgüterschutz: Mittel nationaler Repräsentation oder Wahrung des Gemeinsamen Erbes der Menschheit?, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 257 (260). 20 Martin Philipp Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung. Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, 1992, S. 19. 15
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Eine derartige Individualisierung des Kulturgutbegriffs blendet den überindividuellen Charakter aus. Das Kulturgut ist eine Repräsentationsweise der Kultur, und Kultur ist etwas, das in seiner Gesamthaftigkeit das einzelne Individuum übergreift.21 Indessen kann auch nicht einfach auf die Funktion oder funktionale Stellung des Kulturguts, die es in einem Kulturkreis einnimmt, abgehoben werden.22 Kulturgüter sind keine Funktionen, sondern sie haben Funktionen. Funktionen sind Zuschreibungen, aus denen Folgerungen und Rechtfertigungen abgleitet werden. So ist es die Funktion eines Kulturguts, das seine Unterschutzstellung legitimiert. Der Begriff des Kulturguts aber muß vorher ansetzen. Die Funktion ist immer relativ;23 sie setzt die Erkenntnis des Funktionsträgers voraus. Die Schwierigkeiten zu bestimmen, was ein Kulturgut ausmacht, rühren aus dem Faktor Zeit, dem jedes kulturelle Geschehen unterworfen ist. Kulturgüter werden nicht als Kulturgüter geschaffen. Der kulturprägende Charakter eines Gutes erweist sich erst im Nachhinein. Zum Beispiel die Bilder van Goghs: Sie waren zu seiner Zeit keine schutzwürdigen Kulturgüter, sondern – bekanntlich zu seiner Verzweiflung – schwer verkäufliche Wirtschaftsgüter.24 Entscheidend ist also der Übergang vom Wirtschafts- oder auch Gebrauchsgut – man denke an Bibliotheken, Archive, Alltagsutensilien – zum Kulturgut. Dieser aber ist definitorisch nicht festzulegen. Was allein gesagt werden kann, ist dies: Die Kulturguteigenschaft ergibt sich aus der besonderen Wertschätzung, die die Gesellschaft „aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen“ (Art. 1 des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972) dem Gut im Laufe der Zeit entgegenbringt. Es ist diese Wertschätzung, infolge derer das Werk als Versinnbildlichung der Universalgegebenheit eines Kulturkreises erkannt werden kann. Diese begriffliche Annäherung verzichtet hier darauf, sie mit der ganzen Breite der Vorschläge in der wissenschaftlichen Diskussion und in internationalen Rechtstexten zu konfrontieren.25 Sie versteht sich allerdings insofern informationsträchtiger, als nicht nur von einer wesentlichen oder großen Bedeutung die Rede ist, die das Kulturgut kennzeichnet, sondern auch deren Grund und Art benannt sowie sein überindividueller Charakter betont wird. Für eine trennscharfe juristische Subsumtion bleibt dies freilich gleichwohl zu vage. Die konkrete Kulturgutbestimmung ist notwendig eine Sache positiver gesellschaftlicher Dezision. Daher verweisen das internationale wie das nationale ___________ 21
Ebenso Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 48. So aber Markus Müller (Fn. 19). 23 Ähnlich Frank Fechner (Fn. 4), S. 23. 24 Zu diesem Beispiel und zum Folgenden Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 33. 25 Vgl. hierzu statt vieler Frank Fechner (Fn. 4), S. 17 ff., sowie Markus Müller (Fn. 19), S. 259 ff. 22
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Kulturgutrecht letzten Endes auf Listen, in denen die einzelnen Kulturgüter aufgeführt werden.
IV. Warum schützen wir Kulturgüter? Zum Kulturgut kann nur werden, was schon vorhanden ist. In ihm begegnet ein Gegenstand des kulturellen Erbes einer Gesellschaft. Der Anknüpfungspunkt für den Schutz des Kulturguts liegt mithin in der Vergangenheit. Seine Absicht ist indes gegenwarts- und zukunftsgerichtet. Er will das Prägende einer Kulturgesellschaft identifizieren und auf deren Weg durch die Zeit bewahren. Kulturgüterschutz ist also – nicht anders wie der Naturschutz – ein konservatives Projekt: Sein Ziel ist die Bewahrung der Werke des Menschen – wie der Natur – in der Gegenwart und für die Zukunft. Doch warum? Warum schützen wir Kulturgüter? Allzu häufig wird die Frage nicht gestellt.26 Kulturgüterschutz scheint sich selbst zu legitimieren; wer dagegen ist, disqualifiziert sich als Banause.27 Doch es ist gerade das Ziel des Erhaltens und des Bewahrens, das begründungsbedürftig ist. Dieses ist selbst eine kulturelle Errungenschaft. Wie der Blick auf andere Kulturkreise zeigt, ist auch das Gegenteil, nämlich Vernichtung, in welcher Weise auch immer: durch Verbrennen, Vergraben oder Versenken, denkbar und vorkommend. Lyndel Prott verweist zum Beispiel auf einen amerikanischen Indianerstamm, der meint, seine rituellen Geräte dürften nicht erhalten und ausgestellt werden, sondern müßten nach Gebrauch in einen Fluß geworfen werden.28 Das Programm des Schutzes durch Bewahren folgt aus den spezifischen Funktionen, die unser Kulturkreis seinen Kulturgütern zuschreibt. Zu Recht wird hier immer wieder auf die identitätsstiftende Bedeutung der Kulturgüter abgehoben.29 Karl-Peter Sommermann hat kürzlich in Anlehnung an Niklas Luhmann und Jan Assmann30 die Kulturgüter treffend als „Gedächtnisstützen der Gesellschaft“ bezeichnet, die die Kenntnis und das Bewußtsein des kulturellen Erbes wachhalten und damit zugleich als Orientierungspunkte im Prozeß der individuellen und kollektiven Identitätsbildung wirken.31 Doch wird man ___________ 26
Vgl. aber Lyndel V. Prott, The International Legal Protection of Cultural Heritage, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 295 (303). 27 Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 41. 28 Lyndel V. Prott (Fn. 26). 29 Z.B. Markus Müller (Fn. 19), S. 261 m.w.N. 30 Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997; Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 5. Aufl. 2005. 31 Karl-Peter Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, VVDStRL 65 (2006), S. 7 ff. (8 f.).
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noch tiefer graben müssen. Was ist der Grund dafür, daß die Bewahrung des kulturellen Erbes die individuelle und gemeinschaftliche Identität prägt und festigt? Hermann Lübbe begründet die Bemühungen, Vergangenes gegenwärtig zu halten, aus dem Bedürfnis, die Unsicherheiten und den Vertrautheitsschwund zu kompensieren, der mit der Dynamik der zivilisatorischen Evolution einhergeht.32 Der Gedanke wurzelt in einer Kompensationstheorie der modernen Welt, wie sie in der Philosophie Hegels vorgezeichnet, schließlich bei Joachim Ritter und Odo Marquard33 ausgeführt wird: Unter den Zeitnotbedingungen unserer vita brevis kann niemand von vorn anfangen. Auf dem Weg in die Zukunft muß jeder unvermeidlich anknüpfen an das, was er vorfindet. Doch sieht man auf die Bewegungs- und Antriebskräfte unserer modernen Welt, so schafft sie ihre „Zukunft“ offenbar methodisch weitgehend „geschichtslos“. Ihre Fortschrittsphilosophie des aufgeklärten Rationalismus, der Funktionalisierung, Technisierung und Egalisierung der menschlichen Wirklichkeit, zielt auf eine (ständige) Veränderung, die sich – getragen vom Aktionismus unaufhörlichen Nützlichkeitsstrebens und von der Überzeugung unwiderstehlicher Gestaltungsmacht – unabhängig und unbeeindruckt von den geschichtlichen Traditionen der „Herkunft“ vollzieht. Gerade unter solchen Diskontinuitätsbedingungen aber wird das Geschichtliche, die Kontinuitätserfahrung zum Positivthema, zum (Über-)Lebensbedürfnis. Die moderne Emanzipationskultur erzwingt so die Ausbildung einer Bewahrungskultur. Ebenso wie heranwachsende Kinder sich an ihren Teddybär halten, kompensiert die moderne Gesellschaft ihr Vertrautheitsdefizit gegenüber dem Neuen mit der Suche und der Pflege des Vertrauten, und zwar mit um so größerer Intensität, je schneller der Innovation die Innovation und der Reform die Reform folgt. Gerade also unter den Bedingungen der „modernen Entzweiung“ (Joachim Ritter) von Herkunft und Zukunft ereignet sich auf diese Weise, was eben sterblichkeitsbedingt unvermeidlich gilt: „Zukunft braucht Herkunft“ (Odo Marquard). Das ist die Funktion des historischen Sinns der modernen Welt, wie er sich in den vielfältigen konservatorischen Aktivitäten, so auch im Kulturgüterschutz (wie in der Archäologie und der Ästhetik, durch Renovierung und Restauration, in Museen und Geisteswissenschaften) zum Ausdruck bringt. Verfehlt wäre es, hierin einen resignativen Grundzug zu erkennen. Vielmehr ist es gerade das Zugleich von Entzweiung einerseits und Kompensation ande___________ 32 Hermann Lübbe, Zeit-Verhältnisse. Zur Kulturphilosophie des Fortschritts, 1983, S. 18 ff.; ders., Der verkürzte Aufenthalt in der Gegenwart. Wandlungen des Geschichtsverständnisses, in: Kemper (Hrsg.), „Postmoderne“ oder Der Kampf um die Zukunft, 1988, S. 145 (151). 33 Odo Marquard, Zukunft und Herkunft, in: ders., Skepsis und Zustimmung, 1994, S. 15 ff.; ders., Philosophie des Stattdessen, in: ders., Philosophie des Stattdessen, 2000, S. 30 ff.
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rerseits, das Frieden und Zufriedenheit mit der eigenen Wirklichkeit und darin Orientierung und Identität schafft. Eine totale Zukunftsphilosophie, die das Alte ignorierte, ebenso wie eine totale Herkunftsnostalgie, die das Neue negierte, trüge den Keim des Totalitären und damit der Zerstörung in sich.
V. Die politische Dimension des Kulturgüterschutzes Vor dem Hintergrund dieses Begründungsversuchs tritt eine weitere Eigenart des Kulturgüterschutzes hervor, auf die aufmerksam gemacht werden muß und die uns schließlich zu der Frage führen wird, ob er als eine staatliche Aufgabe zu begreifen ist. Wie gesehen, bestimmt sich der Begriff des Kulturguts wie auch der Zweck des Kulturgutschutzes im Blick auf eine bestimmte Gesellschaft, einen bestimmten Kulturkreis. In dieser Abhängigkeit vom sozialen Kontext weist der Kulturgüterschutz von vornherein auch eine eminent politische Dimension auf. Er lagert in der Sphäre des Öffentlichen, nicht des Privaten, und indem er auf die seinsmäßige Wirklichkeit einer bestimmten menschlichen Gemeinschaft bezogen ist, nimmt er wesensgemäß den Gegensatz zwischen dem Homogenen und dem Heterogenen – die Grundkategorie des Politischen34 – in sich auf. Das macht nicht nur die Unterscheidung von eigenen und fremden Kulturgütern möglich und wirklich, sondern macht auch die besondere Affinität des Kulturschutzthemas deutlich, zwischen Menschen und Menschengruppen ein öffentliches Beziehungsfeld zu begründen, das durch einen bestimmten Intensitätsgrad der Assoziation oder Dissoziation gekennzeichnet ist.35 In der Bewahrung ihres kulturellen Erbes behauptet die Gruppe die kontinuierliche Existenz ihrer Identität, was zugleich den Wettbewerb bis hin zu einem „Kampf der Kulturen“ (Samuel P. Huntington) um ihre Kulturgüter zur realen Möglichkeit werden läßt. Die in der Weltgemeinschaft der Völker nach wie vor politisch allein maßgebende Homogenität wird jedoch durch den Nationalstaat gebildet. Politisch betrachtet sind daher eigene Kulturgüter immer nationale Kulturgüter, und Kulturgüterschutz wird zum „Mittel nationaler Repräsentation“36. Die Erkenntnis von der politischen Anfälligkeit des (eigenen, nationalen) Kulturgutschutzes stellt sich freilich in ein gewisses Spannungsverhältnis zur Idee und zum Programm der Bewahrung eines Weltkulturerbes („common he___________ 34
Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1932. Zu dieser Kennzeichnung des Politischen Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Begriff des Politischen als Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts, in: Quaritsch (Hrsg.), Complexio Oppositorum – Über Carl Schmitt, 1988, S. 283 (284 f.); auch ders., Was kennzeichnet das Politische und was ist sein Grund?, in: Der Staat 44 (2005), S. 595 ff. 36 Markus Müller (Fn. 19), S. 263 ff. 35
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ritage of mankind“), wie es von der UNESCO-Konvention von 1972 verfolgt wird. Doch tut sich hier ein Widerspruch nicht auf. Bezeichnenderweise folgt das übrige Kriegs- und Friedensvölkerrecht, wie etwa die UN-Übereinkommen von 1970 (UNESCO) und 1995 (UNIDROIT) über die illegale Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, nicht diesem Menschheitsprinzip, ebenso wenig die gleichgerichtete EG-Kulturgüterrichtlinie von 1993, sondern dem Prinzip der nationalen Zugehörigkeit und dem politischen Gesetz des Antagonismus der Staaten. Aber auch die Welterbe-Konvention hebt das Politische nicht auf, sondern erscheint, worauf Gerd Rollecke hingewiesen hat,37 gerade als Ausdruck desselben, indem sie zwar eine treuhänderische Solidargemeinschaft aller Staaten für den Kulturgüterbestand etabliert, diese aber „unter voller Achtung ihrer Souveränität“ begründet. Im Pluriversum der Staatenwelt sind und bleiben die Einzelstaaten die Adressaten der Schutzverpflichtungen des internationalen Kulturgutrechts.
VI. Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe Die Frage, ob der Kulturgüterschutz als Staatsaufgabe zu begreifen ist, nimmt den Staat nicht als Subjekt völkerrechtlicher Verpflichtungen, sondern an und für sich in den Blick. Seine Eignung für die Sache Kulturgüterschutz versteht sich freilich nicht von selbst. Der Blick auf die Wirklichkeit stimmt sogar zuweilen skeptisch.38 Man denke nur an den staatlich organisierten Kulturvandalismus unter dem NS-Regime oder im Afghanistan der Taliban; auch in Tschetschenien, im Irak oder in Teilen Afrikas scheint das je eigene Kulturgut durch die staatliche Gewalt derzeit mehr in Gefahr als unter Schutz zu stehen. Zudem können nicht nur staatliche Ideologie, sondern auch schlichter Unwille oder wirtschaftliche Unfähigkeit dazu führen, daß der nationale Kulturgüterschutz unvollkommen ausfällt. Es ist nicht zuletzt dieser Befund, der die internationale Staatengemeinschaft zur Verständigung auf die WelterbeKonvention veranlaßt hat. Doch warum soll es überhaupt der Staat sein, der für den Kulturgüterschutz Verantwortung trägt? Die Suche nach einer normativen Begründung verweist auf die Staatsaufgabenlehre. Diese antwortet auf die Frage, was soll der Staat, was sollen die Bürger leisten. Für den Rechtswissenschaftler ist dabei das positiv gesetzte Recht die primäre Erkenntnisquelle. Doch da findet er in Deutschland nur wenig. Während es noch die Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich zur Staatsaufgabe erklärt hatte, die Abwanderung deutschen Kulturguts ins ___________ 37
Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 46; vgl. auch Frank Fechner (Fn. 4), S. 33 ff. Vgl. Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 32; Frank Fechner, Wohin gehören Kulturgüter?, in: Grupp/Hufeld (Hrsg.), Festschrift für Reinhard Mußgnug, 2005, S. 485 (494 f.). 38
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Ausland zu verhüten (Art. 150 Abs. 2 WRV), begnügt sich das Grundgesetz lediglich mit einer entsprechenden Kompetenzverteilungsregel (früher Art. 74 Abs. 1 Nr. 5, jetzt Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG). Eine grundsätzliche Kulturschutzbestimmung ist im Grundgesetz nicht enthalten. Zwar haben schon die Staatsziele-Kommission von 1983 und zuletzt, im Juni 2005, die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ empfohlen, das Grundgesetz um eine Kulturstaatsklausel mit dem Inhalt zu ergänzen: Der Staat schützt und pflegt bzw. fördert die Kultur.39 Doch dazu ist es bislang nicht gekommen. Als Grund dafür wird vor allem auf die Diffusität des Kulturbegriffs und auf die Unklarheit über die normative Kraft eines solchen allgemeinen Staatsziels verwiesen. Auf mehr Beifall könnte möglicherweise eine Schutzklausel zugunsten des kulturellen Erbes und der nationalen Kulturgüter stoßen. So wurde etwa vorgeschlagen, Art. 20 a GG wie folgt zu fassen: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen das kulturelle Erbe, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere“.40 Eine solche Ergänzung des Grundgesetzes befände sich durchaus im Einklang mit der Verfassungsentwicklung in anderen europäischen Staaten.41 Dort ist der Schutz des kulturellen Erbes vielfach zusammen mit dem Schutz der Umwelt verfassungsgesetzlich verankert. Solche rechtstextlichen Entwicklungen und Empfehlungen rühren indes aus den überpositiven, staatsethischen Gehalten der Staatsaufgabenlehre. Zwischen der Staatszwecklehre, die die Grundlegitimation der Existenz staatlicher Herrschaftsgewalt behandelt, und den vielfältigen Detailausprägungen staatlicher Aktivität, analysiert sie auf einer mittleren Abstraktionsebene, was die Sache des Staates ist, welche Aufgaben er wahrnehmen sollte.42 Auf dieser Ebene ist heute die Verantwortung des Staates für die Pflege des kulturellen Erbes zwar weithin unumstritten. Doch so unproblematisch, wie es scheint, liegen die Dinge für den Typus des freiheitlichen Verfassungsstaates nicht. Beginnen wir mit Jacob Burckhardt, dessen „Weltgeschichtliche Betrachtungen“ dieser Tage 100 Jahre alt geworden sind. Nach ihm wird die weltgeschichtliche Entwicklung durch drei, einander bedingende Potenzen bestimmt: ___________ 39 Vgl. hierzu jüngst zusammenfassend Michael Kloepfer, Staatsziel Kultur?, in: Grupp/Hufeld (Hrsg.), Festschrift für Reinhard Mußgnug, 2005, S. 3 ff. m.z.N. 40 Karl-Peter Sommermann (Fn. 31), S. 44. 41 Vgl. Peter Häberle (Fn. 11), S. 93 ff. 42 Hierzu allgemein Dieter Grimm, in: ders. (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1996, S. 9 ff.; Hans-Peter Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977; Peter Häberle, Staatsaufgabenlehre, AöR 111 (1986), S. 595 ff.; Josef Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Bd. III, 1988, § 57.
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Staat – Religion – Kultur.43 Die wechselseitige Bedingtheit von Staat und Kultur ist vielfältig und existentiell: Als Schöpfung des okzidentalen Rationalismus gehört der Staat zu der von Menschen gestalteten Lebenswirklichkeit, hat von dorther sein Programm erhalten und wirkt diesem entsprechend durch seine Ordnung und seine Institutionen auf die Wirklichkeit ein. Sowohl in seinem Sein wie in seinem Wirken repräsentiert er die Wirklichkeit einer menschlichen Gemeinschaft als politische Einheit. Der Stoff jedoch, aus dem die politische Einheit des Staates hervorgeht und auf der sie beruht, ist die nationale Identität, in der sich die Bürger des Staates zusammenfinden. Diese ist eine Stiftung der Kultur. Der Staat ist mithin selbst ein Kulturphänomen. Dann aber, so ist zu folgern, muß es ihm auch um die Pflege und Erhaltung seiner kulturellen Grundlagen gehen. Doch der Blick auf die Ordnung des rechtsstaatlich-liberal verfaßten Staates gebietet Einhalt: Dieser ist ein Staat der Distanz und der Nicht-Identifikation.44 In der grundrechtlichen Gewährleistung kultureller Freiheiten überläßt er die Kultur und ihre Pflege der gesellschaftlichen Entwicklung. Er hat die Bedingungen bereitzustellen, die kulturelle Entfaltung ermöglichen. Aber damit vermag er nicht mehr als die Erwartung eines Beitrags zur Identitätsbildung zu verbinden.45 Einfordern kann er sie nicht. Der freiheitliche Verfassungsstaat lebt insoweit, in der berühmten Wendung von Ernst-Wolfgang Böckenförde, von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.46 Das schafft Unsicherheit, wie etwa die wiederkehrende Debatte um die Existenz und Vorgabe einer politischen „Leitkultur“ anzeigt. Darf oder muß der Verfassungsstaat gleichwohl, und wieweit, in der Sorge um seine politische Einheit Strategien für die Herstellung des kulturellen Zusammenhalts verfolgen? Ist der plurale und offene, auf internationale Integration angelegte Verfassungsstaat legitimiert, nationale kulturelle Identität zu behaupten und zu stüt___________ 43 Jacob Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, hrsg. von Jakob Oeri, 1905, Nachdruck hrsg. von Rudolf Marx, o.J., S. 3 ff. Die Religion wird dort gegenüber der Kultur als besondere Potenz ausgewiesen, weil sie über diese hinausweist auf das unermeßliche Mysterium göttlicher Bestimmung und Bindung; dem Zeitgeist der Gegenwart freilich erscheint die Religion immer weniger als Elementarmacht als vielmehr als Annexphänomen der Kultur. 44 Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Bd. II, 2004, § 26 Rn. 21 ff. m.w.N.; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 760 ff. 45 Zur Kategorie der Verfassungserwartung Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Bd. V, § 115 Rn. 163 ff., 222 ff. 46 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1967), in: ders., Staat – Gesellschaft – Freiheit, 1976, S. 42 (69).
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zen?47 Der nationale Kulturgüterschutz ist – gerade auch, soweit er auf Rückführung im Ausland lagernder Kulturgüter gerichtet ist – mehr als bislang wahrgenommen in das Problemgeflecht dieser Grundfragen eingewoben. Die dazu auf der abstrakteren Ebene der Kulturstaatslehre mittlerweile unterbreiteten Antworten werden in dieser Hinsicht noch kleinzuarbeiten sein. Vorläufig will gesagt sein: Der staatliche Einsatz für das kulturelle Erbe ist Dienst an Staat und Kultur. Gehört das kulturelle Erbe und dessen Bewahrung zu den identitätsstiftenden Faktoren, von denen der Verfassungsstaat lebt, dann zehrt dessen Vernachlässigung an seinem Lebensnerv. Der Verfassungsstaat ist umso stabiler und damit gerade auch umso mächtiger in der Durchsetzung kultureller Freiheiten, je stärker er in „seiner“ Kultur und „seinem“ kulturellem Erbe verankert ist.48 Demnach gilt es zu erkennen: Der Verfassungsstaat agiert im Kulturgüterschutz um seiner selbst und seiner Funktionen willen und daher prinzipiell legitim. Prekär wird es lediglich dann, wenn der staatliche Kulturschutzbetrieb in Konflikt gerät mit der Freiheit vor einseitiger Kultursteuerung oder gar nationalistischer Kulturideologie. Innerhalb dieser Grenzen aber kann der staatliche Kulturgüterschutz als Bereicherung des Kulturgeschehens und des Kulturerlebens in Freiheit, als Angebot und Unterstützung für die Entfaltung der Einheit in der Vielfalt, als Hilfestellung für die individuelle und kollektive Orientierung im Prozeß der Moderne begriffen werden. In dieser Weise gehört die Pflege des kulturellen Erbes, wie der Verfassungsvergleich erweist, zum gemeineuropäischen Staatsaufgabenbestand, ebenso wie sie auch auf völkerrechtlicher Ebene in einer Vielzahl von Verträgen anerkannt und verdichtet ist.
VII. Kulturgüterrückführung Neben der Frage nach der Legitimität des staatlichen Kulturgüterschutzes steht diejenige nach dessen Mitteln. Die Mittel korrelieren den Gefahren, denen Kulturgüter ausgesetzt sind. Die Maßnahme und das Bemühen um die Rückführung von nationalen Kulturgütern reagiert auf deren entweder kriegsbedingte oder sonst illegale Verlagerung auf das Territorium eines ausländischen ___________ 47 Zu diesen Fragen aus verfassungstheoretischer, verfassungsrechtlicher und aus europarechtlicher Perspektive siehe jüngst Arnd Uhle, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004; ferner Udo Steiner und Dieter Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), S. 7 ff. bzw. S. 46 ff., sowie Karl-Peter Sommermann und Stefan Huster, Kultur im Verfassungsstaat, VVDStRL 65 (2006), S. 7 ff. bzw. S. 51 ff., jew. m.z.N., Uwe Volkmann, Kultur im Verfassungsstaat, DVBl. 2005, S. 1061 ff. 48 Ebenso prinzipiell wie programmatisch Udo Di Fabio, Die Kultur der Freiheit, 2005, S. 71 ff., 185 ff., 260 und passim.
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Staates. Ziel ist es, den Status quo ante herzustellen. Das Kulturgut soll von dem Ort im Ausland, wo es unrechtmäßig lagert, an den Ort zurückkehren, wo es sich – und zwar zu Recht – zuvor befunden hat.49 Damit tritt das Problem der räumlichen Zugehörigkeit, genauer: die Frage nach der Legitimität einer (staats)gebietlichen Zuordnung von Kulturgütern in den Blick. Dies zunächst in ganz prinzipieller Hinsicht: Kann oder muß die Zuordnung eines nationalen Kulturguts in den nationalen Raum zu den Maximen des Kulturgüterschutzes gezählt werden? Hat das Kulturgut eine Heimat, gleichsam eine Staatsangehörigkeit, mit der es derart wesentlich verbunden ist, daß bei einer Trennung von dieser die nationale Identität Schaden nimmt? Der gesamte Komplex der Kulturgüterrückführung sowie auch des Schutzes von Kulturgütern gegen Abwanderung wird von dieser Grundfrage durchdrungen.50 Dementsprechend intensiv und kontrovers wird sie behandelt. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, daß ein (Rechts-)Prinzip nationaler Zuordnung von vornherein überlagert ist vom (international-privatrechtlichen) Prinzip des Eigentums.51 Eine Rückführung aus Gründen nationaler Zugehörigkeit sieht sich daher behindert, wenn über das Kulturgut im Ausland rechtmäßig Eigentum begründet worden ist. Restitution ist dann allein eine Frage des politischen Willens und des Preises. Damit aber zeigt sich: Das Kulturgut hat nicht nur eine Heimat, es kann seine Heimat wechseln. Geschieht der Umzug kraft legalen Eigentumswechsels, spielt der Aspekt, daß es sich um ein nationales Kulturgut handelt, keine Rolle. Das macht es schwierig, bei anderen „Umzügen“ das nationale Kulturargument zur Begründung des Rückführungsanspruchs in Stellung zu bringen. Sind die Eigentumsverhältnisse unklar oder werden die Rechte auf Eigentum, Besitz oder Behaltendürfen bestritten, substituiert der Streit um die Zuordnung den Streit um das Eigentum. Diese Einsicht wird man als eine der tieferen Ursachen dafür anzusehen haben, daß die grundsätzliche Legitimität der Berufung auf eine nationale Zugehörigkeit umstritten ist. Auch das Völkerrecht verhält sich zur Frage national begründeter Kulturgutansprüche ambivalent.52 Es anerkennt zwar im Grundsätzlichen einen derarti___________ 49 Zum völkerrechtlichen Restitutionsrecht übersichtlich Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 162 ff. 50 Siehe zuletzt dazu Reinhard Mußgnug, Die Staatsangehörigkeit des Kulturguts, in: Bröhmer u.a. (Hrsg.), Festschrift für Georg Ress, 2005, S. 1531 ff.; Frank Fechner (Fn. 38), S. 485 ff.; Markus Müller (Fn. 19), S. 263 ff.; anhand zahlreicher praktischer Beispiels- bzw. Streitfälle Erik Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 7 ff. 51 Gerd Roellecke (Fn. 6), S. 474 f.; siehe auch (kritisch) Frank Fechner (Fn. 38), S. 486 f., 493 f. 52 Vgl. Frank Fechner (Fn. 4), S. 31 ff.; Rudolf Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind“, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechts-
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gen Kulturgut-Patrimonialismus. Ebenso findet sich aber auch – in der Welterbe-Konvention von 1972 – das Prinzip des menschheitlichen KulturgutInternationalismus. Dieses verwirft gerade das Prinzip der territorialen Zuordnung. Denn wenn das gesamte Kulturgut allen gehört, dann kann niemand die Herausgabe eines einzelnen Guts verlangen; vielmehr hat der das Recht zum Besitz, der es gerade tatsächlich besitzt53 – unbeschadet der Pflicht, es im Interesse der Menschheit treuhänderisch zu schützen und zu bewahren. Doch quer zu einer vermeintlich territorialen Standortbindung eines Kulturguts liegt dessen geistige Herkunftsbindung. Jedes Kulturgut hat seinem Wesen nach eine Heimat, nämlich eine geistige Heimat.54 Kulturgüter sind – wie gesehen – Ausdruck der kulturellen Selbstbestimmung einer Gesellschaft in einem raum-zeitlichen Zusammenhang. Ins Politische gewendet sind sie bezogen auf eine Nation, werden beansprucht als Formen und Symbole nationaler Repräsentation.55 Nach welchen Kriterien sich diese geistig-nationale Bindung herstellt,56 könnte dabei systematisch unter Bezug auf die drei konstituierenden Elemente eines Staates erkannt werden: Der rechtmäßige und endgültig gedachte Lagerort57 verweist auf das „Staatsgebiet“; die Person, die es geschaffen, und die Gesellschaft, die es als Ausdruck ihrer nationalen Identität rezipiert hat, nehmen Bezug auf das „Staatsvolk“;58 und die Zuweisung der daraus folgenden kulturrechtlichen Verantwortung für den Schutz und die Pflege eines solchen Werkes meint die „Staatsgewalt“.59 Findet man die Erklärung für die Rede vom nationalen Kulturgut dabei vor allem darin, daß in ihm die Identität des Künstlers und die geistigen Energien der Nation, die es als das ihre rezipiert, zum Ausdruck gebracht sind,60 so erscheint die Berufung auf die Gebietshoheit der „Staatsgewalt“, um die Rückführung eines im Ausland befindlichen Kulturguts an seinen rechtmäßigen Herkunftsort zu legitimieren, als das schwächste Argument. Der territoriale Besitz ___________ fragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 13 ff.; Markus Müller (Fn. 19), S. 266 ff. 53 Gerd Roellecke (Fn. 1), S. 44 f. 54 Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 407 ff., spricht von „kulturellen Bindungen“. 55 Markus Müller (Fn. 19), S. 257 f. 56 Zur Debatte über taugliche Zuordnungskriterien Erik Jayme, Kunstwerk und Nation. Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, 1991, S. 16 ff.; ders. (Fn. 50), S. 13 ff., 24 ff., Markus Müller (Fn. 19), S. 263 ff.; Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 411 ff. 57 Dazu Reinhard Mußgnug (Fn. 50), S. 1540 f. 58 Dies besonders hervorhebend Markus Müller (Fn. 19), S. 265: identitätsstiftende Wirkung und Rezeptionsgeschichte entscheidend. 59 Ähnlich Peter Häberle (Fn. 11), S. 102. 60 Vgl. etwa Erik Jayme, „Entartete Kunst“ und Internationales Privatrecht, 1994, S. 24; ders., Kunstwerk und Nation (Fn. 56), S. 28 ff.
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eines eigenen Kulturguts ist nicht das schlechthin Entscheidende für einen nationalen Kulturgüterschutz. Nationale Kulturgüter können auch im Ausland ihre Funktion der nationalen Identitätswahrung und Repräsentation erfüllen und können auch durch die ausländische Staatsgewalt effektiv geschützt, gepflegt und zugleich zugänglich gehalten werden.61 Letzteres ist freilich Voraussetzung. Der Schutz, die Pflege und die Zugänglichkeit (möglichst mit Herkunftsangabe) eines fremden Kulturguts muß als Ordre public-Vorbehalt begriffen werden, unter dem das Recht auf Besitz des ausländischen Verwahrstaates steht;62 auf dessen Einhaltung muß der „Heimat“-Staat in Wahrnehmung seiner kulturrechtlichen Verantwortung hinwirken. Hier wäre viel gewonnen, wenn die Staaten den Schutz auch fremder bzw. Welt-Kulturgüter, die sich auf ihrem Territorium befinden, nicht nur als völkerrechtliche Verpflichtung, sondern auch als innerstaatliche Aufgabe begreifen und wahrnehmen würden. Diese kulturrechtliche, jedenfalls kulturpolitische Position findet Unterstützung in ästhetischen Prämissen. Im Problem der territorialen Zuordnung von Kulturgütern spiegelt sich die ästhetische Opposition von Materie und Geist.63 Ist es die Materialität des Werkes oder ist es vielmehr seine geistige Verinnerlichung, die für seine ästhetische Rezeption und ebenso für seine identitätsstiftende Wirkung entscheidend ist? Im Jahre der 200. Wiederkehr seines Todestages mag hierzu eine kurze Polemik von Friedrich Schiller angeführt werden dürfen, die er um das Jahr 1800 gegen Frankreich und die Kunstraubzüge Napoleons gerichtet hat:64 „Was der Griechen Kunst erschaffen, Mag der Franke mit den Waffen Führen nach der Seine Strand, Und in prangenden Musäen Zeigt er seine Siegstrophäen Dem erstaunten Vaterland!
___________ 61
Hierzu vgl. auch Wilfried Fiedler, „Kriegsbeute“ im internationalen Recht (Fn. 4), S. 58 f.: „immerhin ein erster Schritt“. 62 Zu einem gleichsam umgekehrten kulturpolitischen Ordre public, der nationale Besitz- und Rückforderungsansprüche unter den Vorbehalt überstaatlicher Erhaltungsinteressen stellt, vgl. Martin Philipp Wyss, Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 201 ff. 63 Dazu Gerhard Kaiser, Schillers Einspruch gegen den Kunstraub der Weltmächte. Zur Bedeutung der Ästhetik für ein rechtliches Problem, in: Strocka (Hrsg.), Kunstraub – ein Siegerrecht?, 1999, S. 41 ff. 64 „Die Antiken zu Paris“, in: Schillers Werke, Nationalausgabe, hrsg. v. Julius Petersen, Gerhard Fricke u.a., Band 2, Teil 1 („Deutsche Größe“), S. 408; zit. nach Gerhard Kaiser (Fn. 63), S. 42.
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Hans-Detlef Horn Ewig werden sie ihm schweigen, Nie von den Gestellen steigen In des Lebens frischen Reihn. Der allein besitzt die Musen, Der sie trägt im warmen Busen, Dem Vandalen sind sie Stein.“
Für den Räuber nichts als Stein – eine selbstbewußte Position, die, wie mir scheint, auch geeignet ist, die russische Haltung im „Beutekunst“-Streit um deutsche Kulturgüter in grelles Licht zu rücken. Unbeschadet dessen will insgesamt festgehalten sein: Primäres Ziel auswärtiger Kulturgüterschutzpolitik muß die Substanzerhaltung und die Zugänglichkeit nationaler Kulturgüter sein, um ihr Gedächtnis wachzuhalten.65 Die Rückführung auf das eigene, nationale Territorium erscheint demgegenüber als sekundäre Aufgabe. Die Präsentation im Ausland kann im Einzelfall als Chance begriffen werden, nationale Identität nach außen wirkungsvoll zu vertreten und für sie zu werben. Auch auf diese Weise kann Kulturgüterschutz dazu beitragen, der Völkerverständigung in einer Gegenseitigkeitsordnung des Friedens zu dienen. * * *
Abstract Hans-Detlef Horn: The Protection of Cultural Assets as a Duty of Modern Nation-State – under particular consideration of German Cultural Assets abroad, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 121-139. Only on account of the protection of cultural assets on the national level does the protection of these assets on the international level succeed. The more effectively this protection on the national level is first realized and then carried out, do there exist more chances that this same protection on the international level is taken seriously and consolidated in reciprocal agreements and obligations according to international law. In having recognized this connection between cultural nationalism and cultural internationalism the questions, whether, for what reason and to what extent the protection of national cultural assets belongs to the duties of the modern nation-state, need to be posed. Also the prob___________ 65 In dieser Richtung auch Kerstin Odendahl (Fn. 5), S. 406 f., allerdings zurückhaltender hinsichtlich der Zugänglichkeit (S. 424 f.), sowie Frank Fechner (Fn. 4), S. 26 ff., ders. (Fn. 38), S. 488 f., 491; 495 f., 497, auch mit Hinweis darauf, daß selbst im Abwanderungsschutzrecht die Substanzerhaltung als vorrangiges Anliegen des Kulturgüterschutzes anerkannt ist.
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lem of the territorial classification and assignment of cultural assets is raised, particularly in connection with the attempt to return such assets, which have been removed from the native country in war or due to other illegal means.
Kulturgüterschutz auf europäischer Ebene Von Frank Fechner
I. Einleitung Aufgabe dieses Referats ist es, in Ergänzung der vorausgehenden grundlegenden Darstellungen einige europarechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes aufzuzeigen. Kulturgüterschutz darf nie nur national gesehen werden, daher ist der europäische Aspekt eine wichtige Ergänzung des nationalen Kulturgüterschutzes. Indessen kann auch der europäische Kulturgüterschutz nur einen Ausschnitt eines umfassenderen Kulturgüterrechts darstellen und darf nicht ohne Berücksichtigung des Völkerrechts bleiben. Letztlich muß das europäische Kulturgüterrecht vor dem Hintergrund der allgemeinen Grundsätze dieses Rechtsgebiets gesehen werden – wenn es solche denn überhaupt gibt. Auf die Prinzipien des Kulturgüterschutzes soll daher am Schluß kurz hingewiesen werden.
II. Kulturkompetenz der Gemeinschaft Bevor die Maßnahmen der Gemeinschaft im Kulturgüterschutz untersucht werden können, muß zunächst auf die Frage eingegangen werden, inwieweit der Kulturgüterschutz überhaupt eine Materie ist, mit der sich die Gemeinschaft beschäftigen darf. Der Kulturgüterschutz enthält einen problematischen Begriffsbestandteil: die Kultur. Bekanntermaßen ist der Zugriff der Gemeinschaft auf die Kultur nicht unumstritten. Desungeachtet hat sich die Gemeinschaft auch schon vor Einführung des „Kulturartikels“ mit Kulturpolitik beschäftigt. Die Kultur ist erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Gegenstand der Gemeinschaftspolitik geworden. Zuvor stand ganz der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund, wie sich schon an der Bezeichnung „EWG“ ablesen läßt. Eine andere Vorgehensweise wäre eventuell vorzugswürdig gewesen, um die heute vielfach beklagte Europamüdigkeit zu verhindern.
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Erstmals hat die Kommission 1977 auf Anregung des Europäischen Parlaments 1 in größerem Umfang kulturpolitische Aktivitäten in ihre Tätigkeit einbezogen. 2 Aufgegriffen wurde bereits damals die Frage des freien Handels mit Kulturgütern und der Erhaltung von Kulturdenkmälern. Der Begriff „Kulturgut“ wurde allerdings zunächst in einem sehr weiten Sinne gebraucht und konnte etwa auch urheberrechtliche Aspekte beinhalten. 3 Dieser Ansatz wurde mit Unterstützung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten 4 in den folgenden Jahren ausgebaut, 5 mit dem Ziel, einen europäischen Kulturraum zu schaffen. Die Tätigkeit der Gemeinschaft bezog sich auf einzelne Schwerpunktbereiche, war aber noch nicht durch ein einheitliches Kulturkonzept gekennzeichnet. 6 Charakteristisch für diese Vorgehensweise waren Initiativen wie die zur Förderung des Lesens von Büchern, der Übersetzung von Büchern in weniger verbreitete Sprachen der Gemeinschaft oder zur Kulturstadt Europas. Immer wieder wird kritisiert, daß Europa sich in diesen Jahren zu sehr mit Unwichtigem verzettelt habe, anstatt die Kultur ins Zentrum seiner Initiativen zu setzen. Gerade angesichts der gegenwärtigen Stagnation des Integrationsprozesses, der Europamüdigkeit vieler Unionsbürger bis hin zur Ablehnung der Verfassungsurkunde, läßt sich darauf hinweisen, daß es am einigenden Grundkonsens fehlt, an dem Bewußtsein, für die Freiheit und für eine bestimmte Kultur einzustehen. Sehr plastisch sind die Worte, die einem der Gründerväter der Gemeinschaft zugeschrieben werden, Jean Monnet, wenn sie wohl auch nie nachgewiesen worden sind: „Wenn ich es noch einmal zu tun hätte, würde ich mit der Kultur beginnen“. Natürlich ist diese Vorstellung noch heute mindestens so unrealistisch, wie sie es zur Zeit der Gründung der EWG gewesen wäre. ___________ 1
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Schutz des europäischen Kulturguts vom 13.5.1974, ABl. 1974 Nr. C 62 S. 5; siehe auch ABl. 1976 Nr. C 79, S. 6. 2 Die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich. Mitteilung der Kommission an den Rat, Vorlage vom 22.11.1977, BullEG, Beil. 6/77. 3 Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13.5.1974 zum Schutz des europäischen Kulturguts, ABl. 1974 Nr. C 62, S. 5. 4 Feierliche Deklaration zur Europäischen Union, von Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf der Tagung des Europäischen Rates in Stuttgart am 19.6.1983 unterzeichnet, in: EA 1983, S. D 420 (426 f.). 5 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Gemeinschaft und die Kultur, Stichwort Europa 5/83, S. 1 ff.; dies., Die Europäische Gemeinschaft und die Kultur, Stichwort Europa, 14/85, S. 1 ff., und unter demselben Titel Stichwort Europa, 10/88, S. 1 ff. 6 Christian Tomuschat, Rechtliche Aspekte des Gemeinschaftshandelns im Bereich der Kultur, in: F.I.D.E. (Hrsg.), Reports of the 13th Congress, Thessaloniki 1988, Bd. 1, Legal aspects of community action in the field of culture, 1988, S. 17.
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Selbst die selektive und weithin zufällige Vorgehensweise der Gemeinschaft in der Kultur stieß auf zum Teil heftigen Widerstand der Mitgliedstaaten. Dies gilt in besonderem Maße für die deutschen Bundesländer. Sie sahen ihr „Hausgut“, die Kultur, nicht nur durch kompetenzielle Zugriffe des Bundes gefährdet, sondern fürchteten nun auch den Zugriff auf die Kultur durch Brüssel. Vielen wird noch der vehemente Einsatz der Bundesländer gegen eine Regelung des Rundfunks in Erinnerung sein, der von Seiten der Länder als „Kulturgut“, von Seiten der Kommission und vom EuGH hingegen als Wirtschaftsgut und Dienstleistung eingeordnet wurde. Innerstaatlich wurde versucht, den Bundesländern mehr Mitspracherechte bei der Rechtssetzung der Gemeinschaft einzuräumen, wenn Landeskompetenzen betroffen sind, indem Stellungnahmen des Bundesrates von der Bundesregierung berücksichtigt werden müssen. Dieser 1992 ins Grundgesetz eingefügte „Europaartikel“ – Art. 23 GG – hat allerdings an der grundsätzlichen Kompetenzproblematik nichts geändert. Ist die Diskussion auf europäischer Ebene ruhiger geworden, so liegt das wohl nicht zuletzt daran, daß die Gemeinschaft mittlerweile die kulturelle Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten stärker anerkennt und in ihren Rechtsakten berücksichtigt. Innerstaatlich flammt die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gerade wieder auf. Die Rückstufung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum „Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland“ zur Rahmengesetzgebungskompetenz in Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG ist zwar einer der wenigen Schritte in die richtige Richtung, aber ausgerechnet an einer falschen Stelle. Selbst wenn die Besonderheit des deutschen Kulturföderalismus ausgeblendet wird, war das Kompetenzgerangel zwischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten in Fragen der Kultur unübersehbar. Die Kommission versuchte durch erweiternde Auslegung die Gemeinschaftskompetenzen im EGV auszudehnen, wofür der Bildungsbereich besonders charakteristisch ist (der nach nationalem Recht anders als im Gemeinschaftsrecht auch zur Kultur zählt). So wurde die gesamte Hochschulausbildung kurzerhand zur „beruflichen Bildung“ degradiert und insgesamt europarechtlich durchformt. Ob diese und andere Maßnahmen vom EGV gedeckt waren, blieb letztlich strittig. Dieser kompetenziellen Unsicherheit nahm sich der Vertrag von Maastricht an, mit dem hinsichtlich der Kultur wie auch der Bildung eigenständige Vorschriften in den Vertrag eingefügt wurden. Der sog. Kulturartikel, Art. 151 EGV, hat die Kulturpolitik der Gemeinschaft auf eine eigene vertragsrechtliche Grundlage gestellt. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung beinhaltet dieser Artikel allerdings keine Kompetenz der Gemeinschaft zur Schaffung von Normen im Bereich der Kultur. Vielmehr werden der Gemeinschaft klare Grenzen einer Betätigung im kulturellen Sektor gesetzt. Die Gemeinschaft leistet lediglich einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten. Hierbei sind
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die nationale und regionale Vielfalt der Mitgliedstaaten zu wahren und zugleich das gemeinsame kulturelle Erbe hervorzuheben. Als konkrete Maßnahmen kann der Rat Fördermaßnahmen erlassen. Hierbei ist ausdrücklich jegliche Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ausgeschlossen. Im übrigen können lediglich Empfehlungen erlassen werden. Die Einzelheiten sind allerdings weiterhin umstritten. So wird vorgebracht, der Kulturartikel bezwecke keine scharfe Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Ziel dieses Artikels sei es vielmehr, auch der Gemeinschaft eine kulturelle Betätigung zu ermöglichen, damit neben den Mitgliedstaaten ein weiterer verantwortungsvoller Rechtsträger sich in gemeinsamem Vorgehen eines wichtigen Bereichs annimmt. 7
III. Auswirkungen des Kulturartikels auf den Kulturgüterschutz Ungeachtet dieser Fragen im einzelnen hat der Kulturartikel unmittelbare Auswirkungen auf das Recht des Kulturgüterschutzes in der Gemeinschaft. 8 Dies bereits durch die Querschnittsklausel des Abs. 4, derzufolge die Gemeinschaft den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen des Vertrags Rechnung trägt. Darüber hinaus stuft der Kulturartikel, der Vorstellung des Rates zufolge, das kulturelle Erbe als vorrangigen Aktionsbereich der Gemeinschaft ein. Kulturelles Erbe betrifft in erster Linie materielle Hinterlassenschaften. Damit wird sowohl der Denkmalschutz als auch der Kulturgüterschutz in den Politikbereich der Gemeinschaft einbezogen. Fördernde Maßnahmen der Gemeinschaft sind daher zur Erhaltung und zum Schutz sowohl des beweglichen als auch des unbeweglichen kulturellen Erbes möglich. Unerheblich sind hierbei die Eigentumsverhältnisse, d. h. es können sowohl in öffentlicher Hand als auch im Privateigentum stehende Objekte gefördert werden. 9 Darüber hinaus ist indessen auch der Schutz nicht-materiellen Erbes denkbar, beispielsweise die Pflege überlieferter Handwerkstechniken, besonderer Sprachen oder Mundarten oder Musik- und Tanzformen. Empfehlenswert ist es allerdings, für derartige Schutzvorschriften den Begriff des Kulturgüterschutzes zu vermeiden. Voraussetzung der Einbeziehung in den Tätigkeitsbe___________ 7 Marie Cornu, Compétences culturelles en Europe et principe de subsidiarité, 1993, S. 161. 8 Zu Einzelheiten des Kulturartikels siehe Frank Fechner: Art 151, in: von der Groeben / Schwarze (Hrsg.), EG/EU-Vertrag, 6. Aufl., Bd. 3, 2003 m.w.N. 9 Georg Ress/Jörg Ukrow, Art. 151, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Vertrag über die Europäische Union, Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Stand: Dez. 2005, Rdnr. 47.
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reich der Gemeinschaft ist jedenfalls die europäische Bedeutung des zu schützenden kulturellen Erbes. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nicht, ob die Gemeinschaft für ihre Fördermaßnahmen an eine vorherige Einordnung des Schutzobjektes durch den betreffenden Mitgliedstaat als „förderungswürdig“ abhängig ist. Einer Ansicht in der Literatur zufolge steht es der EU grundsätzlich nicht frei, Förder-, Unterstützungs- und Ergänzungsmaßnahmen für solche Kulturgüter zu beschließen, die nach Auffassung des betreffenden Mitgliedstaats kein kulturelles Erbe von europäischer Bedeutung darstellen. Es dürfe durch eine europäische Förderpolitik, z. B. die Denkmalschutzpolitik eines Mitgliedstaats, nicht konterkariert werden. 10 Diese Ansicht erscheint nicht zwingend. Da die Gemeinschaft auf Fördermaßnahmen beschränkt ist, kann eine nationale Schutz- und Erhaltungspolitik durch die Gemeinschaft von vornherein nicht verhindert werden. Denkbar ist es hingegen, zusätzliche Schutzaspekte in einen Mitgliedstaat hinein zu bringen, die von diesem aus finanziellen oder grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht vorgesehen sind. Zu denken ist an Beispiele, in denen das europäische Interesse wesentlich größer ist als das Interesse des betreffenden Mitgliedstaats, etwa an der Erhaltung des Archivs oder der Bibliothek eines bedeutenden Europapolitikers, für das sich der betreffende Mitgliedstaat aus politischen oder sonstigen Gründen nicht einsetzt. In einem solchen Fall spricht vieles für eine autonome Interpretation des Begriffs „europäische Bedeutung“, die eine Fördermaßnahme der Gemeinschaft auch in einem solchen Falle zulassen würde. Eine Parallelität von nationaler und europäischer Bedeutung kann dann nicht verlangt werden. Schutz sollte auch unabhängig von einer nationalen Bedeutung gewährt werden. Weitere Fälle einer Schutzbedürftigkeit unabhängig vom nationalen Interesse sind bedeutende Werke außereuropäischer Künstler oder solcher der Völkerkunde, die dennoch in kultureller Hinsicht von „europäischer Bedeutung“ sind. Der Kreis möglicher Schutzmaßnahmen ist dabei weit zu ziehen. Aspekte des „Schutzes“ des kulturellen Erbes beinhaltet etwa auch die Verhinderung von Kunstdiebstählen oder deren Aufklärung. 11
IV. Kulturgüterschutz im europäischen Sekundärrecht Neben den eben dargestellten primärrechtlichen Vorgaben des Kulturgüterrechts gibt es sekundärrechtliche Regelungen. Allerdings wurde erst Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Schutzsystem für Kulturgüter eingeführt. Zuvor wurden Kulturgüter als „Waren“ im Sinne des freien Warenverkehrs der ___________ 10 11
Ress/Ukrow (Fn. 9), Rdnr. 48. Jürgen Sparr, Art. 151, in: Jürgen Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Rdnr. 44.
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Art. 23 ff. EGV eingeordnet. Rechtlich unterschieden sich damit unwiederbringliche Kulturgüter nicht von Autoersatzteilen oder Abfall. Im Vordergrund der gemeinschaftsrechtlichen Aktivitäten stand in jener Zeit die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes mit einem freien Warenverkehr. Der Kulturgüterschutz stellte wie das geistige Eigentum und der Jugendschutz ein Hindernis des freien Warenverkehrs dar. Allenfalls wurden nationale Schutzvorschriften über die Ausnahmebestimmung des jetzigen Art. 30 EGV zugelassen. Danach stehen die Vorschriften über die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten unter anderem solchen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die zum Schutz eines nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert gerechtfertigt sind. Allerdings dürfen solche Verbote oder Beschränkungen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Der eng und autonom auszulegende Art. 30 EGV erlaubt über den Schutz der abschließend aufgezählten Rechtsgüter hinaus den Mitgliedstaaten keinen weitergehenden allgemeinen Schutz ihrer nationalen Kultur und deren Förderung durch handelshemmende Maßnahmen. Regelungen, die nur vorgeschoben sind und mit denen der Staat in Wirklichkeit andere als die in Art. 30 EGV vorgesehenen Ziele und zwar insbesondere wirtschaftlicher Art verfolgt, sind demgegenüber rechtswidrig. Diese Rechtslage brachte Probleme für kulturgüterreiche Mitgliedstaaten mit sich, die bestrebt waren, eine Abwanderung ihrer Kulturgüter zu verhindern. Die Lage spitzte sich zu, als der Wegfall der Grenzkontrollen nationale Exportbeschränkungen zu verunmöglichen drohten. Nun erst wurde die Einführung eines kulturgüterrechtlichen Schutzsystems politisch unabdingbar. Bei der Frage nach der Einführung eines europäischen Kulturgüterschutzsystems standen sich letztlich unvereinbare Interessen gegenüber. Auf der einen Seite Staaten mit reichem kulturellem Erbe, insbesondere im Süden der Gemeinschaft, die einen Schutz ihres kulturellen Erbes anstrebten. Auf der anderen Seite Mitgliedstaaten, deren Interesse an Schutzsystemen geringer war als ihr Interesse an einem wirtschaftlich starken Kunsthandel, meist die nördlicher gelegenen Staaten, bei denen der Handel mit Kulturgütern anderer Staaten einen wichtigen Handelszweig darstellt. Die widerstreitenden Interessen wurden, wie so häufig im Europarecht, im Wege des Kompromisses gelöst. Die so eingeführten Regelungen sollten einen Ausgleich dafür schaffen, daß die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Kulturgüter nicht mehr effektiv auf ihrem Hoheitsgebiet bewahren können. Hierfür wurden die Exportverbote europaweit vereinheitlicht und auf die Außengrenzen verlagert, um das Abwandern der europäischen Kulturgüter aus der Gemeinschaft heraus in Drittstaaten zu verhindern. Zusätzlich wurde zwischen den Mitgliedstaaten ein Rück-
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gabesystem eingeführt, das eingreift, wenn ein Kulturgut unrechtmäßig aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft gelangt ist. Es soll die Rückführung in den Herkunftsstaat sicherstellen. Bereits an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, daß die Regelungen des Europarechts zum Kulturgüterschutz bei Lichte betrachtet nicht oder doch nicht primär geschaffen wurden, um Kulturgüter zu schützen, sondern um eine Abwanderung von Kulturgütern aus dem Territorium des jeweiligen Mitgliedstaats zu verhindern. Dies ist letztlich ein nationalstaatliches Interesse, ein Interesse, das in der Literatur des Kulturgüterrechts häufig pejorativ mit dem Begriff Kulturnationalismus belegt wird. 12
1. Ausfuhrverordnung Die Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern, kurz Ausfuhrverordnung 13 , macht den Export von Kulturgütern in Drittstaaten grundsätzlich von einer Ausfuhrgenehmigung abhängig. Allerdings müssen die Kulturgüter bestimmten, in einer Liste aufgeführten Kategorien zugehören und eine bestimmte Wertgrenze überschreiten. Zuständig für die Erteilung der Genehmigung ist der Herkunftsmitgliedstaat. Das ist der Staat, in dem sich das Kulturgut am 1.1.1993 rechtmäßig befunden hat bzw. der Staat, in den es seither in rechtmäßiger Weise verbracht worden ist. Die Entscheidung darüber, was als nationales Kulturgut anzusehen ist, wird von jedem Mitgliedstaat selbst getroffen und insoweit europarechtlich anerkannt, als es den festgelegten Kategorien entspricht. Dem Schutz der Verordnung unterfallen mithin Kulturgüter nur, wenn sie nach dem Recht des Herkunftsmitgliedstaats geschützt sind und wenn sie zusätzlich die Voraussetzungen des Anhangs der Verordnung erfüllen. Die Ausfuhr von Kulturgütern darf gem. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung nur erfolgen, wenn eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. ___________ 12 Weitere Einzelheiten bei Frank Fechner, Die Vorhaben der EG zum Kulturgüterschutz, in: DÖV 1992, S. 609 ff.; Pierre Laurent Frier, La libre circulation des biens culturels dans l´Europe de 1993, in: Quentin Byrne-Sutton/Marc-André Renold (Hrsg.), La libre circulation des collections d´objets d´art. The Free Circulation of Art Collections, Zürich 1993, S. 23 ff.; Kurt Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, in: NJW 1993, S. 2206 ff.; Jürgen Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, in: JZ 1994, S. 111 ff. 13 Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern, ABl. 1992 Nr. L 395, S. 1, mit der Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 752/93 der Kommission vom 30.3.1993, ABl. 1993 Nr. L 77, S. 24, und der Änderung der Durchführungsverordnung durch die Verordnung Nr. 1526/98 der Kommission vom 16.7.1998.
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Die in einem Anhang aufgeführten Kategorien von Kulturgütern i.S.d. Art. 1 der Verordnung umfassen (als Punkt A. 1.) mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände aus Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder unter Wasser, archäologischen Stätten oder archäologischen Sammlungen. Unter B. werden die einzelnen Kategorien von Kulturgütern bestimmten Wertgruppen zugeordnet. Beispielsweise muß der Wert eines Gemäldes 150.000.- € überschreiten. Archäologische Gegenstände werden unter Kategorie 1 der Wertgruppe 0 (Null) Ecu („wertunabhängig“) eingeordnet. Diese für einen effektiven Schutz archäologischer Fundzusammenhänge unverzichtbare generelle Unterschutzstellung erfährt allerdings durch die Regelung des Art. 2 Abs. 2, 2. Unterpunkt der Verordnung eine erhebliche Relativierung. Zufolge der sog. Bagatellklausel darf der zuständige Mitgliedstaat keine Ausfuhrgenehmigung für archäologische Gegenstände aus Grabungen und archäologischen Funden und Stätten verlangen, wenn diese von archäologisch oder wissenschaftlich beschränktem Wert sind. Eine Ausnahme gilt für archäologische Kulturgüter aus archäologischen Sammlungen. Die Bagatellklausel steht zwar unter dem Vorbehalt, daß die von ihr erfaßten Kulturgüter „nicht unmittelbar aus Grabungen, archäologischen Funden und archäologischen Stätten in einem Mitgliedstaate stammen“; es ist allerdings nicht nachvollziehbar, wie diese Einschränkung in der Praxis geprüft und durchgesetzt werden kann. Der Begriff „archäologisches Kleingut“ erscheint daher per se problematisch. 14
2. Rückgaberichtlinie Die Ausfuhrverordnung wird ergänzt durch die Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, kurz Rückgaberichtlinie. 15 Rückgabebestimmungen dienen – ganz allgemein – in erster Linie der Herstellung rechtmäßiger Zustände, indem illegale Transaktionen rückgängig gemacht werden. Ist ein Kulturgut entgegen den Vorschriften der Ausfuhrverordnung von einem in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden, so hat dieser Staat sicherzustellen, daß es wieder zurückgebracht wird. Die Rückgaberichtlinie ordnet die Rückgabe von Kulturgütern an, die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht ___________ 14
Siehe auch Frank Fechner, Kulturgutgesetzgebung im Spannungsfeld von EU- und Landesrecht, in: Archäol. Nachr. bl. 1998, S. 190 ff. 15 Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern, ABl. 1993 L 74, S. 74, mit der Änderung des Anhangs in der Richtlinie vom 17.2.1997, ABl. 1997 L 60, S. 59.
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worden sind, soweit sie auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats aufgefunden werden (Art. 2). Der Begriff des Kulturguts ist in der Richtlinie nicht europaeinheitlich definiert. Vielmehr ist für den Begriff des Kulturguts zunächst maßgeblich, daß der Gegenstand vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft wurde. Anstoß erregt hat hierbei die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, einen Gegenstand auch noch nach der unrechtmäßigen Verbringung aus seinem Hoheitsgebiet als nationales Kulturgut einzustufen. Hinzukommen muß zur nationalen Unterschutzstellung, daß das Kulturgut entweder einer der in einem Anhang aufgezählten Kategorien unterfällt oder in einem Bestandsverzeichnis einer öffentlichen Sammlung oder ähnlichen Einrichtung geführt wird (Art. 1 Nr. 1). Hierin zeigt sich die Ausrichtung auf nationale Schutzvorschriften. Dies ist im Rahmen einer Regelung, die die Rückführung bestimmter Kulturgüter an die Herkunftsstaaten regelt, konsequent, zeigt zugleich aber wiederum, daß hier ein an kulturgüterrechtlichen Prinzipien ausgerichtetes, europaeinheitliches System nicht gesucht wurde. Im Vordergrund stehen vielmehr die nationalen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten an „ihren“ Kulturgütern. Ihnen wird innerhalb eines gewissen einheitlichen Rahmens entsprochen, sofern sie eine Normierung im nationalen Recht gefunden haben. Zusätzlich muß ein Gegenstand, um dem Kulturgutbegriff zu unterfallen, einen bestimmten Mindestwert aufweisen. Liegen die genannten Voraussetzungen hinsichtlich eines Kulturguts vor, kann der ersuchende Mitgliedstaat gegen den Eigentümer und ersatzweise gegen den Besitzer bei dem zuständigen Gericht des ersuchten Mitgliedstaats Klage auf Rückgabe des Kulturguts erheben, das sein Hoheitsgebiet unrechtmäßig verlassen hat. Erforderlich für die Zulässigkeit der Klage ist allerdings immer, daß der Klageschrift eine Erklärung der zuständigen Stellen des ersuchenden Mitgliedstaats beigefügt ist, wonach das Kulturgut unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde (Art. 5). Wird die Rückgabe angeordnet, so gewährt das zuständige Gericht dem Eigentümer in der Höhe, die es im jeweiligen Fall als angemessen erachtet, eine vom ersuchenden Mitgliedstaat zu zahlende Entschädigung, sofern es davon überzeugt ist, daß der Eigentümer beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist (Art. 9). Finanzschwächere Mitgliedstaaten haben darauf hingewiesen, daß die Entschädigungsregelung eine Geltendmachung von Rückgabeansprüchen in der Praxis verunmöglichen kann. Eine grundlegende Beschränkung der Wirkung der Rückgaberichtlinie ergibt sich durch die Stichtagsregelung des Art. 13. Danach gilt die Richtlinie nur in Fällen, in denen Kulturgüter ab dem 1.1.1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden.
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Frühere Fälle unrechtmäßiger Verbringung werden von der Richtlinie nicht erfaßt. Die Richtlinie entfaltet keine Rückwirkung auf Transaktionen, die vor dem 1.1.1993 liegen. Der Ausschluß von Rückwirkungen ist nicht nur für die Akzeptanz der Regelung bei den Mitgliedstaaten wichtig, sondern auch von der Sache her geboten, sind doch frühere Fälle der Verbringung nicht mit identischen Kriterien auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen. Dies gilt für viele bekannte Beispiele der Rückgabeverlangen von Kulturgütern, wie die „Elgin Marbles“, den Pergamonaltar oder die Nofretete in Berlin. Es verbleibt in bestimmten Fällen wiederum die Beweisbarkeit. Dem Schutz archäologischer Fundzusammenhänge läuft in der Praxis die Beweislast des die Herausgabe eines Kulturguts fordernden Staats zuwider, wenn er beweisen soll, daß das Kulturgut nach dem Stichtag (dem 1.1.1993) aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde. Dieser Nachweis läßt sich für archäologische Objekte, die vor ihrer illegalen Ausgrabung nicht bekannt waren, im Regelfall nicht führen. Nur wenige Ausnahmen lassen sich anführen, wie beispielsweise die „Kapitolinische Trias“, die aufgrund eines bei der illegalen Ausgrabung am Fundort zurückgebliebenen Arms aus dem Schweizer Kunsthandel zurückgeholt werden konnte. 16 Hinzugekommen sind die Beispiele archäologischer Kunstwerke in amerikanischen Museen, deren illegale Herkunft aufgrund der Fotos bei Kunsthändlern nachgewiesen werden konnte. Interessanterweise enthält die Rückgaberichtlinie keine ausdrückliche Bagatellklausel für archäologische Objekte. Teilweise wird sie im Hinblick auf die Ausfuhrverordnung als selbstverständlich vorausgesetzt. Ob sich diese Ansicht durchsetzen wird, erscheint fraglich. Weicht die Rückgaberichtlinie insoweit von der Ausfuhrverordnung ab, so hat das zur Folge, daß Gegenstände, die aufgrund der Rückgaberichtlinie zurückgegeben werden müssen, anschließend ohne Ausfuhrgenehmigung wieder ausgeführt werden dürfen. Das ist ein schwer hinzunehmender Wertungswiderspruch, der sich aus der späteren Aufnahme der Bagatellklausel in die Ausfuhrverordnung auf Drängen des Kunsthandels ergibt. Aus Sicht der Erhaltung archäologischer Fundzusammenhänge müssen insoweit Zweifel an der Ausfuhrverordnung bestehen und nicht an der Rückgaberichtlinie. Vehement wurde die Möglichkeit kritisiert, daß ein Staat noch nach der Ausfuhr einen Gegenstand als nationales Kulturgut klassifizieren kann. So sehr man diese Kritik im Regelfall verstehen mag, so ist die Regelung z.B. naturgemäß für Objekte hilfreich, die vor der Ausgrabung noch nicht bekannt sein können.
___________ 16
Wenn auch nicht nach den Regelungen des Gemeinschaftsrechts.
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3. Kritik an den sekundärrechtlichen Vorschriften Die europarechtlichen Regelungen zum Kulturgüterschutz sind aus weiteren Gründen und aus verschiedenen Richtungen kritisiert worden. Eine Seite sieht in den Regelungen einen Sieg protektionistischer Bestrebungen, 17 die den Kunsthandel in übertriebener Weise behindern. Problematisch ist vor allem, ob in das Eigentum des Erwerbers in der von der Richtlinie vorgesehenen Form eingegriffen werden darf, ohne gegen die – auch europarechtlich anerkannte – Eigentumsgarantie zu verstoßen. Die andere Seite betont die nachteiligen Auswirkungen für den Kulturgüterschutz. Dies trifft vor allem für die Einordnung der Schutzfähigkeit eines Kulturguts nach seinem Handelswert und die Einengung des Kulturgüterschutzes auf „EG-Kulturgut“ zu.
V. Umsetzung des Europarechts in nationales Recht Kurz soll noch auf die Frage eingegangen werden, wie das Europarecht auf das nationale Recht zurückwirkt. Im Gegensatz zu Verordnungen, die unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten, bedürfen Richtlinien der EU einer Umsetzung in nationales Recht. Das gilt auch für die eben dargestellte Rückgaberichtlinie. Von der Umsetzung ist auch die Rückgabepflicht abhängig. In Deutschland wurde jahrelang unter Federführung des Bundesinnenministeriums an einer Gesetzesvorlage für die Umsetzung gearbeitet. Massive Widerstände gegen die Richtlinie selbst und die geplante Umsetzung verzögerten das weitere Verfahren. Schließlich wurde von der Kommission wegen mangelnder Umsetzung, die bis zum 15. März 1994 hätte abgeschlossen sein sollen, am 3.12.1997 ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH angestrengt. Im Sommer 1998 wurde – für viele unerwartet – ein anderer Entwurf vom Bundestag als Gesetz beschlossen. Die Umsetzung in nationales Recht ist in Deutschland in Form des Kulturgutsicherungsgesetzes erfolgt. 18 Das Kulturgutsicherungsgesetz umfaßt als Artikelgesetz u.a. das Kulturgüterrückgabegesetz. Hier wird vor allem umschrieben, welche Gegenstände als Kulturgut geschützt sind, wobei die Eintragung in ___________ 17 Andrea Jaeger, Internationaler Kulturgüterschutz, 1993, S. 43; siehe auch Kurt Siehr, Freizügigkeit und Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, in: FS Mestmäkker, 1996, S. 483 ff. 18 Gesetz zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern und zur Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung (Kulturgutsicherungsgesetz – KultgutSiG) vom 15.10.1998, BGBl. I, S. 3162; vgl. hierzu Diethardt von Preuschen, Kulturgutsicherungsgesetz und EGRecht, in: EuZW 1999, S. 40 ff.
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das „Verzeichnis national wertvollen Kulturguts“ erforderlich ist. Neben den Zuständigkeiten werden darüber hinaus die Voraussetzungen für Rückgabeverlangen anderer Mitgliedstaaten geregelt. Abweichend von den Vorgaben der Richtlinie wird dort festgelegt, daß der verbrachte Gegenstand bereits vor seiner Verbringung von dem ersuchenden Mitgliedstaat als nationales Kulturgut eingestuft wurde (§ 5 Abs. 1 Nr. 1). Diese Vorschrift soll der Rechtssicherheit dienen und verhindern, daß noch nach Ablauf der Verjährungsfristen ein Gegenstand zum nationalen Kulturgut erklärt wird. Dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts dürfte die Umsetzung nicht Genüge tun. Es bliebe einem Verfahren vor dem EuGH überlassen, dies festzustellen. Problematisch ist zudem, daß viele wichtige Kulturgüter vom Rückgabeanspruch nicht umfaßt sind. In die vom Gesetz für das Rückgabeverlangen deutschen Kulturguts für maßgeblich erklärten Verzeichnisse national wertvollen Kulturguts können Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen und Archiven nicht eingetragen werden. Dies sind allerdings regelmäßig besonders bedeutungsvolle Kulturgüter. Kirchliche Kulturgüter können zwar zur Eintragung angemeldet werden, 19 allerdings ist fraglich, ob den Kirchen zuzumuten ist, ihre Kunstschätze von staatlichen Stellen registrieren zu lassen.
VI. Völkerrecht Mit den Regelungen der EU zum Schutz von Kulturgütern kann man sich somit aus Sicht des Kulturgüterschutzes nicht zufrieden geben. Selbst eine Verbesserung des europäischen Schutzsystems könnte allenfalls ein Zwischenschritt sein. Wirksame Regelungen zum Schutz von Kulturgütern sind mit zunehmender Globalisierung nur noch auf internationaler Ebene denkbar. Ein Ratifizierungsgesetz zur UNESCO-Konvention von 1970 und der von 1995 zum Schutz von Kulturgut liegt bisher nur als Entwurf vor. Selbst wenn es unterzeichnet würde, könnte dies nichts an dem derzeitigen Hauptfehler ändern: Geschützt wird nur das, was vom jeweiligen Herkunftsland als „von nationaler Bedeutung“ klassifiziert wird und in einer in Deutschland zugänglichen Liste registriert ist. Funde aus Raubgrabungen können naturgemäß in einer solchen Liste nicht verzeichnet sein. Zudem liegt die Beweislast bei den Herkunftsländern. Angesichts dieser Situation mangelnden internationalen Schutzes muß gefragt werden, ob nicht doch die einzelnen Staaten sich ihrer Verantwortung auch für fremdes Kulturgut stärker bewußt werden müßten. Denkbare nationale ___________ 19
§ 19 Abs. 2 des Kulturgüterrückgabegesetzes.
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Hilfe für fremde Kulturgüter wäre beispielsweise ein Importverbot für nicht nachweislich legal ausgegrabene archäologische Objekte oder ein Handelsverbot für Bodenfunde. 20
VII. Ausblick Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es derzeit weder national noch im Europarecht ein effektives Schutzsystem für Kulturgüter gibt, das sich an Prinzipien des Kulturgüterschutzes orientiert. Eine Zuordnung von Kulturgütern zu bestimmten Staaten reicht zur Erhaltung von Kulturgütern nicht aus. Erforderlich sind Vorschriften des nationalen wie des internationalen Rechts, die Kulturgüter nicht um ihrer nationalen Bedeutung oder ihres wirtschaftlichen Wertes wegen schützen, sondern weil es sich um unwiederbringliche Kulturgüter handelt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur gibt es eine Reihe von Ansätzen, aus denen sich rationale Leitlinien ergeben. Herauszuarbeiten oder weiter fortzuentwickeln sind die Prinzipien, die für den Kulturgüterschutz maßgeblich sein können und sollen. 21 Das grundsätzlich vorrangige Prinzip muß das der Substanzerhaltung sein. Dies ergibt sich aus der Unwiederbringlichkeit von Kulturgütern im Gegensatz zu anderen Waren. Zweifellos wird es immer Konstellationen geben, in denen Kulturgüter vorrangigen Werten geopfert werden müssen. Indessen hat diese Abwägung unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung von Kulturgütern für den einzelnen, bestimmte Gemeinschaften und Nationen, aber auch als gemeinsames Erbe der Menschheit und für künftige Generationen zu erfolgen. Ein weiteres, besondere Aufmerksamkeit erheischendes Prinzip ist das der Kontexterhaltung. Sehr häufig ist ein Kulturgut in einem bestimmten Zusammenhang wissenschaftlich und kulturell wesentlich bedeutungsvoller, als wenn es aus diesem Zusammenhang herausgelöst worden ist. Das gilt für ein Supraportengemälde, das für einen bestimmten Raum eines Schlosses gemalt wurde, ebenso wie für archäologische Kleinfunde. Diese können von großer Aussagekraft sein, wenn der Fundkontext bekannt ist, beispielsweise ein an sich unbe___________ 20
Vgl. Michael Müller-Karpe, Schützen statt zerwühlen, in: FAZ vom 20.8.2005,
S. 45. 21 Frank Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 11 ff.; ders.: Wohin gehören Kulturgüter? Rechtliche Ansätze eines Ausgleichmodells, in: Klaus Grupp/Ulrich Hufeld (Hrsg.), Recht – Kultur – Finanzen, FS Mußgnug zum 70. Geburtstag, 2005, S. 485 ff.; Kerstin Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, insbes. S. 627 ff.
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deutender römischer Gegenstand in einem alemannischen Grab. Mit dem Hinweis „Fundort unbekannt“ versehen, fehlen die wichtigsten Informationen. 22 Ein weiteres Prinzip ist die Zugänglichkeit für die Allgemeinheit. Dieses Prinzip darf – ebensowenig wie die anderen Prinzipien – verabsolutiert werden, kann doch auch die Allgemeinheit eine Gefahr für Kulturgüter darstellen. Dennoch ist dies die grundsätzliche Rechtfertigung für eine oft kostenintensive Erhaltung von Kulturgütern mit Steuergeldern. Bedeutungsvoll ist weiterhin die Erhaltung von Kulturgütern für deren wissenschaftliche Erforschung. Deutlich wird dies bei archäologischen Fundstellen, die durch eine Ausgrabung zerstört werden. Insoweit erscheint es sinnvoll, zumindest einzelne Fundplätze oder Teile davon für Fragestellungen künftiger Forschergenerationen zu erhalten. Keinesfalls zu vernachlässigen ist die Berücksichtigung der Eigentumsordnung durch das Kulturgüterrecht. Über diese Selbstverständlichkeit hinaus, die lediglich durch Zeitablauf abgeschwächt werden kann (vgl. „Elgin Marbles“), kann die Motivation des Eigentümers für den Erhalt seiner Kulturgüter nutzbar gemacht werden. Korrigierende Beschränkungen können sich indessen als notwendig erweisen, wie z.B. die Erhaltungspflicht im Denkmalrecht. Weitere Leitlinien eines substanzorientierten Kulturgüterschutzes können die Erhaltung zu kultischem Gebrauch sein oder die Zuordnung zu einem Volk oder einer Ethnie. In diesen Zusammenhang gehören auch die ersten völkerrechtlichen Ansätze einer Zuordnung von Kulturgütern im Rahmen von Staatenneuordnungen, Umsiedlung und Vertreibung. 23 Lassen sich die einzelnen Prinzipien auch nicht verabsolutieren, so sollte es doch die Aufgabe des Kulturgüterschutzes sein, die Kriterien für Abwägungsvorgänge herauszuarbeiten und Zuordnungskriterien für Kulturgüter zu bilden, die sich an diesen Prinzipien orientieren. Die politische Realisierbarkeit solcher Ansätze bleibt allerdings mehr als zweifelhaft – Kulturgüter haben leider keine Lobby! * * *
___________ 22 Daniel Graepler, Fundort unbekannt, in: Antike Welt 26, 1995, S. 221 ff.; zur Diskussion siehe Martin Flashar (Hrsg.), Bewahren als Problem, 2000. 23 Odendahl (Fn. 21), S. 151 ff.
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Abstract Frank Fechner: The Protection of Cultural Assets on the European Level, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 141-155. It was the Maastricht Treaty which gave the cultural policy of the European Community an own legal basis. In this field a special emphasis has been laid on the measures concerning the preservation and the protection of cultural heritage. However, this system of protection created by norms of secondary Community law does not protect the cultural possessions as such, but rather the interest of the national states in cultural possessions. The same thing applies to the German law on the protection of cultural possessions as well as to the norms of international law. A national, European and international legal system, which protects the goods for the mere fact that they are irretrievable would therefore be necessary.
Kulturgutverluste – Ausgewählte Einzelfälle in bezug auf die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter Von Susanne Schoen „Das Prinzip der Ortsveränderung von Kunstsammlungen ist an sich nichts Anstößiges. Sehen wir nicht ständig, daß große Einzelwerke oder selbst kostbare Sammlungen durch Erbgang oder Kauf von einem Land in ein anderes gelangen? Das Gehässige daran ist die Absicht der Demütigung, die mit den Beraubungen im engeren Sinne verbunden wird. …Der Besiegte verbindet damit eine ebenso brennende wie dauernde Vorstellung: die Verwandlung einer Niederlage in eine ewige Kränkung. Sind denn selbst die zivilisierten Völker unwiderruflich dazu verurteilt?“ Dieses Zitat eines französischen Gelehrten ist mehr als 100 Jahre alt und stammt aus einem Buch, „Kunstraub – Über die Schicksale von Kunstwerken in Krieg, Revolution und Frieden“, von Wilhelm Treue. Leider hat das Zitat bis heute an seiner Aktualität nichts eingebüßt, wenn man beispielsweise an die Plünderungen aus dem Nationalmuseum in Bagdad denkt, die nach der Invasion der amerikanischen Truppen 2003 durch die vorwiegend einheimische Bevölkerung erfolgt sind. Bevor auf die ausgewählten Einzelfälle eingegangen werden soll, möchte ich kurz auf die Rechtslage betreffend den kriegsbedingt nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter eingehen. Mit anderen Worten: Warum beansprucht Deutschland vom russischen Staat 60 Jahre nach Kriegsende die Rückgabe seines kriegsbedingt verbrachten Kulturgutes und das, obwohl Deutschland ohne Kriegserklärung in die Sowjetunion einmarschiert ist? Deutschland hat ohne Zweifel im Zweiten Weltkrieg einen Eroberungskrieg gegen die sowjetische Bevölkerung und auch gegen die russische Kultur geführt. Aber ungeachtet der Tatsache, daß Deutschland einen Angriffskrieg geführt hat und damit das Völkerrecht in erheblichem Umfang verletzt worden ist, war Deutschland nach seiner Kapitulation keineswegs rechtlos. Denn der Vergeltungsgedanke ist dem Völkerrecht fremd. Die allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts haben ihren Niederschlag in der Haager Landkriegsordnung von 1907 (HLKO) gefunden. Zu diesen Grundsätzen gehört auch, daß Kulturgüter dem besiegten Feind nicht weggenommen und außer Landes gebracht werden dürfen. Die Wegnahme von Kulturgut des Feindes wird als verwerflich und darüber hinaus als rechtlich unzulässig angesehen mit der Folge, daß Zuwiderhandlungen eine Rückgabepflicht auslösen. Der in Art. 56 Abs. 1
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HLKO enthaltene Schutz von öffentlichen Gebäuden einschließlich von Anstalten, die der Kunst und der Wissenschaft gewidmet sind, wird durch Art. 56 Abs. 2 HLKO für bewegliches Kulturgut ergänzt, indem es dort heißt: „Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von derartigen Anlagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden.“ Der Kulturgüterschutz nach Art. 56 HLKO umfaßt somit bewegliches und unbewegliches Kulturgut gleichermaßen. Dabei kommt es auf den Aufenthaltsort des beweglichen Kulturgutes nicht an. Denn Art. 56 Abs. 2 HLKO gewährt durch die zusätzliche Aufzählung von „Werken der Kunst und Wissenschaft“ eine weitergehende Sicherung, als sie sich bereits aus Art. 56 Abs. 1 HLKO für den Schutz der dort aufgeführten Anstalten und damit mittelbar auch für die darin aufbewahrten Kunstgegenstände ergibt. Dieser durch Art. 56 Abs. 2 HLKO erweiterte Kulturgüterschutz hat im Zweiten Weltkrieg besondere Bedeutung erlangt. Infolge der Lufthoheit, die die Alliierten im Laufe des Krieges ausgeübt haben, wurden durch die Bombenangriffe auf die deutschen Städte auch Museen und andere kulturelle Einrichtungen schwer beschädigt. Zur Abwendung der Zerstörung, die infolgedessen den Kulturgütern in diesen Einrichtungen drohte, wurden diese zumeist noch rechtzeitig in Kellern, Bunkern und Bergwerken ausgelagert. Diese Kunstwerke befanden sich nun nicht mehr in Anstalten, die der Kunst und Wissenschaft gewidmet waren. Wegen des erweiterten Schutzes gemäß Art. 56 Abs. 2 HLKO durften aber auch diese Kulturgüter nicht beschlagnahmt und nicht in die Sowjetunion verbracht werden. Der besondere Grund für den umfassenden Schutz von Kulturgütern liegt darin, daß sich in diesen Werten die schöpferisch-kreative Leistung einer Bevölkerung widerspiegelt. Während erbeutete Kulturgüter beim Sieger das Gefühl des Triumphes erzeugen, verstärken sie beim Besiegten das Gefühl der Niederlage. Unter Verstoß gegen diesen Kulturgüterschutz hat die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg Kulturgüter zielgerichtet ausgewählt und wertvolle Teile des deutschen Kulturerbes in die Sowjetunion mitgenommen. Vieles wurde ab 1955 im Zusammenhang mit dem Abschluß des Warschauer Paktes an die DDR zurückgegeben, darunter z.B. Raffaels Sixtinische Madonna aus der Dresdner Gemäldegalerie und der Fries des Pergamonaltars aus dem gleichnamigen Museum in Berlin. Darüber hinaus blieben viele Kulturgüter weiter verschollen und wurden in sowjetischen Geheimdepots versteckt. Im Zeichen von Glasnost und Perestroika kam es zu einer Annäherung der beiden Machtblöcke in Ost und West, die 1990 auch die Vereinigung Deutschlands ermöglicht hat. Infolgedessen wurden die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion und nach Auflösung der Sowjetunion zwischen Deutschland und der Russischen Föderation auf eine neue völkerrechtliche Grundlage gestellt. Der Geist der Verständigung trat – wie es in der Präambel zu den Verträgen deutlich zum Ausdruck kommt – an die Stelle der Konfrontation. Im Rahmen der Verhandlungen über den deutsch-sowjetischen
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Nachbarschaftsvertrag von 1990 und das deutsch-russische Kulturabkommen von 1992 waren beide Staaten daher überzeugt, auch das schwierige Problem der Beutekunst lösen zu wollen und zu können. Aus diesem Grunde wurde in beide Verträge eine Rückgabeverpflichtung aufgenommen: In Art. 15 des deutsch-russischen Kulturabkommens heißt es wörtlich: „Die Vertragsparteien stimmen darin überein, daß verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden, an den Eigentümer oder seinen Rechtsnachfolger zurückgegeben werden.“ Zuständig für die Verhandlungen auf völkerrechtlicher Ebene ist die Bundesrepublik Deutschland. Den Bundesländern stehen im Bereich der Kulturgüterrückführung keine Kompetenzen zu. Mit dem Ziel der Umsetzung getroffener Vereinbarungen und dem ernsthaften Bemühen, in der Beutekunstfrage zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, wurde ab 1993 über die Modalitäten der Rückgabe des deutschen kriegsbedingt verbrachten Kulturgutes verhandelt. Als symbolische Geste für die weiteren Kulturgüter, die bald folgen sollten, übergab der russische Kulturminister 1994 einige Bücher der Forschungsbibliothek Gotha. Zurückgegeben werden sollten 5.815 wertvolle Bücher des 16. bis 18. Jahrhunderts (darunter z.B. die so genannte Fürstenbibel von 1541, einzigartige Sammelbände mit Flugschriften und Pamphleten zur Reformation, zum Dreißigjährigen Krieg und zur französischen Revolution). Im Jahre 1956 übergab die Akademie der Wissenschaften der UdSSR insgesamt 329.818 Bücher an die DDR. Die weiteren Bücher, um die es uns noch geht, wurden 1994 auch für den Rücktransport verpackt, dann aber nicht mehr auf den Weg nach Deutschland gebracht. 1997 wurden dann noch Mappen mit Archivunterlagen des früheren Außenministers Walther Rathenau zurückgegeben. Im weiteren Verlauf gerieten die Verhandlungen auf Regierungsebene ins Stocken, weil sich Abgeordnete des russischen Parlaments der Rückgabe von „Kriegsbeute“ widersetzten. Das russische Parlament verabschiedete 1998 das so genannte Beutekunstgesetz. Mit diesem Gesetz beansprucht Rußland im Grundsatz die kriegsbedingt verbrachten Kulturgüter bis auf wenige Ausnahmen als russisches Eigentum. Daher stellt dieses Gesetz eine erhebliche Belastung in den deutsch-russischen Rückführungsverhandlungen dar. Wegen der Völkerrechtswidrigkeit des Gesetzes hat Deutschland gegenüber dem russischen Staat eine rechtswahrende Erklärung eingelegt. Wir betrachten das Gesetz folglich als rein innerrussische Angelegenheit. Auch wenn der lange Weg der Aussöhnung zwischen Deutschland und Rußland in den letzten Jahren im Prinzip erfolgreich beschritten worden ist, aber eine wichtige Etappe des gemeinsamen Weges muß noch genommen werden: Die Lösung des Beutekunstproblems steht noch aus. Die Bundesregierung vermutet, daß sich insgesamt in Rußland noch mehr als eine Million Kunstwerke, darunter 200.000 Kunstschätze von besonderer musealer Bedeutung, mindestens 4,6 Millionen Bücher und mindestens drei Kilometer Archivgut befinden. Die Kulturgüter, um deren Rückgabe es geht, stammen bis auf wenige Ausnahmen aus kulturellen Einrichtungen, die in Ge-
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bieten liegen, die nach dem Krieg von der Roten Armee besetzt worden waren. Nur ausnahmsweise sind Einrichtungen in den westlichen Besatzungszonen betroffen gewesen, nämlich dann, wenn diese Einrichtungen ihre Kulturgüter während des Krieges als Sicherungsmaßnahme vor Luftangriffen nach Osten ausgelagert haben. Eine dieser Ausnahmen stellen die Kunstwerke der Kunsthalle Bremen dar. Und damit wären wir schon bei einem unserer bekanntesten Rückführungsfälle. Aus dem Bestand der Kunstsammlung Bremen wurde 1943 ein Teil, nämlich 50 Gemälde, 1.715 Zeichnungen und ca. 3.000 Druckgrafiken nach Schloß Karnzow in der Mark Brandenburg ausgelagert. Vieles davon ist bis heute verschwunden. Die Kunstwerke sind über die ganze Sowjetunion verstreut, und Exponate tauchen bisweilen auch in anderen Kontinenten auf. Als sowjetische Soldaten 1945 in Schloß Karnzow Quartier nahmen, stöberten sie das Versteck mit den Kunstwerken auf. Die ausgelagerte Kunstsammlung wurde zerfledert, beschädigt und von Soldaten mitgenommen. Zum Teil hatten die Soldaten keinerlei Kunstverständnis und besaßen keine Vorstellung vom Wert ihrer persönlichen Trophäe. Zwei Blätter hat es beispielsweise nach Aserbaidschan verschlagen, die anläßlich eines Staatsbesuchs zurückgegeben wurden. 12 Exponate wurden in postsowjetischer Ära aus dem Museum in Baku gestohlen. Sie tauchten in New York wieder auf und kehrten nach einem Gerichtsverfahren zurück nach Bremen. Da eine Weisung der staatlichen Organe nicht vorlag, findet das Beutekunstgesetz selbst nach russischer Auffassung auf die Bremer Sammlung keine Anwendung. Gleichwohl ist die sogenannte Baldin-Sammlung, die zum Bremer Altbestand gehört und 362 Zeichnungen mit Werken u.a. von Rembrand, Tizian, Corot und Manet sowie zwei Gemälde von Dürer und Goya umfaßt, noch nicht nach Deutschland zurückgegeben worden. Der Offizier Baldin, nach dem dieser Sammlungsteil benannt ist, verstand als Architekt etwas von Kunst. Er erkannte die Bedeutung der Zeichnungen und Gemälde und tauschte dabei auch von seinen Kameraden Kunst- gegen Gebrauchsgegenstände. Auch wenn Baldin die Kulturgüter mitgenommen hat, ohne daß ein Befehl der sowjetischen Führung vorlag, hat Baldin sich nicht persönlich bereichern wollen. Baldin behielt die Kunstwerke nicht für sich, sondern gab sie an das Moskauer Architekturmuseum, dessen späterer Direktor er wurde. Da die Raubkunstdepots strenger Geheimhaltung unterlagen, wurde erst ab 1989 bekannt, wo die Kunstschätze abgeblieben waren. Baldin bemühte sich um Rückgabe und schrieb sogar zu diesem Zweck an die politische Führung seines Landes. Die für März 2003 vom russischen Kulturminister zugesagte Rückgabe wurde in letzter Minute durch eine Entschließung des russischen Parlamentes vereitelt, obwohl die Kunsthalle 20 Baldin-Blätter der St. Petersburger Eremitage gewissermaßen als eine großzügige Geste der Dankbarkeit angeboten hatte. In der Eremitage waren die Exponate zuletzt aufbewahrt worden. Die Abgeordneten der Duma sprachen sich mit großer Mehrheit gegen die Rückgabe aus und forderten eine angemessene Gegenleistung von Deutschland. Die 20 Exponate waren wohl aus russischer Sicht zu wenig. Die russische Staatsanwaltschaft ermittelte ge-
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gen den russischen Kulturminister und untersagte die Ausfuhr mit der Begründung, die Kunsthalle habe ihr Eigentum nicht ausreichend nachgewiesen. Die Stempel der Bremer Kunsthalle oder des Bremer Kunstvereins auf den Blättern und die kopierten Inventarverzeichnisse taugten allenfalls dazu zu belegen, daß die Werke früher in Bremen aufbewahrt oder ausgestellt waren. Die Argumentation ist schon deshalb nicht überzeugend, weil es in der Regel die Eigentümer sind, die die ihnen gehörenden Sachen mit einem Stempelaufdruck versehen. Und dies machen sie, um im Falle eines Diebstahls den Eigentumsnachweis zu führen. Die gleichfalls zur Bremer Sammlung gehörenden 101 Bremer Blätter sind im Jahre 2000 nach Bremen zurückgelangt. Sie wurden 1993 im Auftrag eines Kriegsveteranen in der Deutschen Botschaft in Moskau abgegeben. Bei den zurückgegebenen Werken handelt es sich u.a. um Druckgrafiken von ToulouseLautrec, Goya, Delacroix und Manet sowie um Dürers berühmtes Aquarell „Felsenschloß“, eine der ersten Landschaftsdarstellungen und damit ein herausragendes Kunstwerk. Obwohl diese Kunstwerke sich auf dem Botschaftsgelände bereits im Besitz der Bundesrepublik Deutschland befanden, dauerte es noch einige Jahre bis die Ausfuhrgenehmigung nach Deutschland erteilt wurde. Ähnliche Ausdauer war erforderlich, um das Gemälde „Die ruhende Henne“ von D’Hondecoeter in die Sammlung nach Dresden zurück zu bekommen. Eine Privatperson hatte dieses Bild ebenfalls an der deutschen Botschaft abgegeben. Neun Jahre benötigte es, um die Ausfuhrgenehmigung von den russischen Behörden zu erlangen. Dies zeigt, wie zäh die Verhandlungen verlaufen, und wie sehr wir hingehalten werden. Ein sehr prägnanter und aktueller Einzelfall, in dem die Bundesregierung in letzter Zeit Rückführungsverhandlungen geführt hat, ist das Rubensgemälde „Tarquinius und Lucretia“, über den in unseren deutschen, aber auch in russischen Medien berichtet wurde. Das Gemälde „Tarquinius und Lucretia“ hing ursprünglich in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam. Gestohlen wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg von einem sowjetischen Militärangehörigen, der es für sich in die Sowjetunion abtransportierte und in der Wohnung seiner Familie über Jahrzehnte hinweg versteckt hielt. Auf sowjetischem Staatsgebiet war die Sachenrechtsordnung damals sozialistisch geprägt. Dies bedeutet, daß Kulturgüter in der Regel nicht verkehrsfähig waren. Ein privater Handel – gar mit einem wertvollen Rubensgemälde – war nicht zulässig. Dies änderte sich grundlegend erst durch das neue russische Zivilgesetzbuch von 1995. Die Tochter des Militärangehörigen verkaufte das in Deutschland abhanden gekommene Gemälde unter der Geltung des neuen russischen Zivilrechts. Der derzeitige Besitzer, ein russischer Geschäftsmann mit juristischer Ausbildung, erstand das Gemälde 1999 von einem Händler. Der derzeitige Besitzer beruft sich auf Gutgläubigkeit beim Erwerb. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet indes nach dem neuen russischen Recht schon deshalb aus, weil das Gemälde dem Eigentümer abhanden gekommen ist. Denn an
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abhanden gekommenen Gegenständen gibt es keinen gutgläubigen Erwerb. Dies regelt Art. 302 Abs. 1 des geltenden russischen Zivilgesetzbuches. In der deutschen Presse ist ungeachtet dessen intensiv über die Gutgläubigkeit des Besitzers des Rubensgemäldes debattiert worden. Daher erlaube ich mir einige Fakten darzulegen, die außerdem dafür sprechen, daß der Besitzer wußte bzw. wissen konnte, daß das Bild seinem Veräußerer nicht gehörte. Durch unsachgemäße Behandlung hatte das Gemälde großen Schaden erlitten. Der Rahmen des großformatigen Gemäldes ist nicht mehr vorhanden. Das Gemälde selbst wurde ersichtlich mehrfach auf Koffergröße gefaltet, um es besser transportieren und verwahren zu können. Die Leinwand und die Farbe sind entsprechend geschädigt. Um derartige Beschädigungen zu vermeiden, werden große Bilder, wenn sie schon nicht in Rahmen transportiert werden können, bei einer Verlagerung von Fachleuten nicht geknickt, sondern mit der Leinwand nach außen gerollt. Aber noch ein Weiteres spricht entschieden gegen die Gutgläubigkeit: Im Kaufvertrag mit dem derzeitigen Besitzer trägt das beschädigte Gemälde nicht irgendeinen Titel, sondern genau diejenige Bezeichnung, unter dem es in der Kunstgeschichte bekannt ist und auch als Verlustbild dokumentiert ist: „Tarquinius und Lucretia“. Käufer und Verkäufer wußten damit doch sehr genau, womit sie handelten. Der derzeitige Besitzer wollte das Gemälde auch nicht behalten. Was liegt näher, als das Bild derjenigen Einrichtungen anzubieten, aus deren Sammlung es stammt und aus der es abhanden gekommen ist? Genau dieses tat der Besitzer, wenngleich er auch nicht unter seinem richtigen Namen tätig wurde. Denn er hat das Gemälde 2003 unter fremden Namen über einen Mittelsmann in der Schweiz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg angeboten. Weshalb also vollzogen sich die Verkaufsofferten unter konspirativen Bedingungen, doch bestimmt nicht, weil die Anbieter glaubten, auf ehrliche Weise ein wertvolles Gemälde erworben zu haben? Bei einem derartig gelagerten Sachverhalt darf es also nicht verwundern, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten weiterhin Eigentümer des Gemäldes ist und sie die Herausgabe vom derzeitigen Besitzer verlangen kann. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland als Staat einen eigenständigen Rückgabeanspruch. Sie stützt sich dabei darauf, daß die Verbringung dieser „Kriegsbeute“ unter Verstoß gegen die HLKO erfolgt ist. Ferner beruft sie sich auf vertraglich eingegangene wechselseitige Rückgabeverpflichtungen, deren konsequente Erfüllung seitens des russischen Staates weiterhin aussteht. Unterstellt, das völkerrechtswidrige Beutekunstgesetz könnte angewandt werden, so stünde dieses einer Rückgabe in diesem Fall auch nicht im Wege. Denn für Kulturgüter, die nicht auf Anordnung der Besatzungsorgane geplündert worden sind, sondern privat mitgenommen wurden, gilt das Beutekunstgesetz nicht. Und obwohl das Rubensbild privat geplündert worden ist, weigert sich der russische Staat bisher, das Gemälde seinem rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Es befindet sich derzeit in den Ausstellungsräumen der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg.
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Und nun komme ich zu einem ganz anders gelagerten Fall einer kriegsbedingt erfolgten Verbringung von Kulturgut. Es geht um 18 Teile aus der Silbersammlung des Herzogs von Anhalt-Dessau, die sich heute in der Eremitage zu St. Petersburg befinden. Neben den heutigen privaten Eigentümern, den Erben des Herzogs, bemüht sich auch die Bundesregierung um Rückgabe. Der Herzog war während der Hitler-Diktatur erklärter Gegner des Nationalsozialismus und Opfer nationalsozialistischer Verfolgung seit 1934. Ab 1939 mußte er Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Rüstungsbetrieben leisten und kam schließlich in KZ-Haft nach Dachau. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er erneut, diesmal durch die sowjetische Besatzungsmacht, festgenommen. Der Grund seiner Verhaftung lag darin, daß er Mitglied des höchsten Adels und Großgrundbesitzer war. Außerdem wurde er fälschlicherweise als führender Vertreter des Nationalsozialismus bezeichnet. Er starb 1947 in Buchenwald unter Haftbedingungen. Im Zuge der Verfolgung des Herzogs durch die sowjetische Militäradministration wurden auch die Teile der Silbersammlung konfisziert. Seine Kinder haben gemäß dem russischen Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgungen vom 18. November 1991 seine Rehabilitierung beantragt und auch erreicht. Die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation in Moskau hat nämlich 1992 anerkannt, daß der Herzog Antifaschist und Verfolgter des nationalsozialistischen Regimes war. Die Generalstaatsanwaltschaft hat 1994 den Kindern ferner mitgeteilt, daß nach dem russischen Rehabilitationsgesetz im Falle der Rehabilitierung das Vermögen des unschuldig Verfolgten zurückgegeben wird. Gleichwohl warten die Erben weiterhin auf Beseitigung der materiellen Folgen des von russischer Seite eingeräumten Unrechts. Denn die konfiszierte Silbersammlung wird den Kindern des Herzogs weiter vorenthalten. Auch der zuständige russische Kulturminister hat die Rückgabe der Kunstgegenstände in Aussicht gestellt. Die bisherigen staatlichen Entscheidungen haben erstaunlicherweise bis heute nicht dazu geführt, daß in der Eremitage die Silberteile eingepackt und auf den Weg nach Deutschland gebracht worden wären. Vorstehend habe ich einige Fälle herausgegriffen, die das Problem der kriegsbedingt nach Rußland verbrachten Kulturgüter besonders deutlich herausstellen. Diese betroffenen Exponate stehen stellvertretend für die vielen anderen Kulturgüter, die noch in Rußland sind und auf deren Rückkehr wir warten. Nun möchte ich auch noch einen Rückführungsfall schildern, der 2002 weitgehend erfolgreich abgeschlossen werden konnte. So kam nach jahrelangen Verhandlungen der größte Teil der mittelalterlichen Fenster aus dem Chor der Marienkirche Frankfurt/Oder zurück nach Deutschland. Für diese Kirchenfenster beansprucht das russische Beutekunstgesetz kein Eigentum, weil sie im Eigentum der Kirchengemeinde stehen und ausschließlich religiösen Zwecken gedient haben. Das Beutekunstgesetz, das von der Bundesregierung nicht anerkannt wird, sieht in seinem Art. 8 Abs. 2 für diese Kunstgegenstände eine Aus-
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nahme vor. Anträge auf Rückgabe können für Kunstgegenstände, die im Eigentum religiöser Organisationen oder privater Wohltätigkeitseinrichtungen stehen und ausschließlich zu religiösen oder wohltätigen Zwecken verwandt wurden, erhoben werden. 1941 sind die drei Chorfenster mit den mittelalterlichen Glasmalereien zum Schutz vor Kriegseinwirkung ausgebaut und in Kisten verpackt worden. Kurz vor Kriegsende sind die Kisten in das Neue Palais in Potsdam eingelagert worden. Nach Kriegsende entdeckte die russische Trophäenbrigade die Fenster und transportierte die Scheiben in die Sowjetunion. Jahrzehntelang war die kostbare Bilderbibel verschollen. Im Westen war ihr Verbleib völlig unbekannt. Erst 1991 wurde publik, daß 111 der 117 Fensterfelder mit den Motiven aus dem alten und neuen Testament und der Legende vom Antichristen in einem Depot der Eremitage in St. Petersburg eingelagert waren. Es begannen langwierige und schwierige Verhandlungen auf Regierungsebene, um die Rückgabe der 111 Fensterfelder zu erwirken. Immer neue Schwierigkeiten – auch bürokratischer Art – stellten sich in den Weg, die die Rückgabe bisweilen in weite Ferne rücken ließ. Insbesondere wurde von russischer Seite die Forderung erhoben, daß die Fenster erst in Rußland restauriert werden müßten. Die Fenster seien viel zu fragil, um die lange Reise nach Deutschland antreten zu können. Mit Hilfe deutscher Glasfensterexperten wurde diese Behauptung widerlegt. Denn mit den modernen Verpackungsmaterialien kann Glas so geschützt verpackt werden, daß es auch einen Transport über weite Strecken unbeschadet überstehen kann und auch überstanden hat. Die Eremitage trennte sich nur schweren Herzens von den Fenstern und wehrte sich noch zu einem Zeitpunkt gegen die Rückgabe, als auf Regierungsebene zwischen dem Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien und dem russischen Kulturminister die Modalitäten der Rückgabe schriftlich längst vereinbart waren. Die vorläufig letzte Überraschung in Sachen Kirchenfenster bescherte uns in diesem Sommer das Interview, das ein früherer Mitarbeiter des Puschkin-Museums der Presse gab. Er gab kund, daß die sechs vermißten Fensterfelder noch im Moskauer Puschkin-Museum lagern. Als sich 2001 der Erfolg der Verhandlungen über die Rückgabe der Kirchenfenster abzeichnete, habe man auch im Puschkin-Museum beraten. Die Museumsdirektorin habe die Glasmalereien weder zeigen noch restaurieren wollen, denn sie habe befürchtet, die Kunstgegenstände nach Deutschland zurückgeben zu müssen. Wir, die deutsche Seite, waren davon ausgegangen, daß diese Scheiben auf dem damaligen Transport zerstört oder in private Hände gelangt seien. Einen kleinen Erfolg hatten wir dann noch im Jahre 2003. Im Rahmen der jahrelangen engen Kooperation und guten Zusammenarbeit zwischen der deutschen Forschungsgemeinschaft und der russischen Staatsbibliothek war dieses Projekt möglich. 86.000 historische Zeitungen wurden infolgedessen nach Deutschland gegeben. Bei der Sammlung handelt es sich allerdings nicht ausschließlich um kriegsbedingt verbrachte Zeitungen, sondern teilweise auch um sogenannte Dubletten aus den eigenen Beständen, von denen sich die Russische Staatsbibliothek Moskau trennte. Das Bemerkenswerte dieser unkompli-
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ziert verlaufenden Rückgabe liegt darin, daß sie ohne jede Beschränkung durch das Beutekunstgesetz erfolgt ist. Nicht nur die russische Staatsbibliothek, auch andere Bibliotheken und Archive würden gerne mit Deutschland im Bereich der Rückführung zusammenarbeiten, werden aber daran durch das Beutekunstgesetz gehindert. Die voluminösen deutschen Bestände nehmen nämlich viel Raum ein, sind teilweise nicht sehr wertvoll, und wegen des mangelnden Bezugs zur Geschichte und Kultur des eigenen Landes für russische Wissenschaftler und andere Nutzer der Einrichtungen nur von begrenztem Interesse. Die weitere Verwahrung und Erhaltung der deutschen Bestände von russischen Archiven wird teilweise als Last empfunden wird. Die Abgabe der Bestände an Deutschland würde Platz insbesondere für russischsprachige Literatur schaffen. Zu nennen sind auch noch die Rückgaben aus Anlaß von Staatsbesuchen. So brachte der russische Präsident Putin 2001 drei kleinformatige Gemälde mit nach Deutschland. Diese Gemälde unterlagen als private Kriegsbeute nicht dem Beutekunstgesetz. Private Kriegsbeute umfaßt bevorzugt kleinformatige Objekte, um diese unauffälliger transportieren zu können. Vor dem Krieg gehörten die Kunstwerke in die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und wurden seit Kriegsende vermißt. Auf Moskauer Märkten waren die Gemälde wieder aufgetaucht, wo sie ein russischer Bauunternehmer erstand und Dresden zukommen ließ. An dieser Stelle kann nicht unerwähnt bleiben, daß andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Gegensatz zu Rußland kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter ohne Vorbehalte zurückgeben. Vorreiter war hier Georgien, das 1996 Buchbestände, darunter Bände aus der verloren geglaubten Handbibliothek Friedrich Schillers sowie eine kostbare Streitschrift Martin Luthers aus dem Jahre 1523, zurückgegeben hat. Die Rückgabe der 111 Kirchenfensterscheiben steht als Beispielsfall für die deutsche Erwartung auf weitere Fortschritte bei der Lösung der Kontroverse um die Beutekunst. Vor einigen Monaten haben Direktoren aus führenden deutschen Museen die Forderung erhoben, einen neuen Weg der Verständigung einzuschlagen. Statt auf der Einhaltung von Rechtsvorschriften zu beharren, wurde angeregt, daß Deutschland sich an der Erhaltung und Restaurierung der nach Rußland abtransportierten Kunstwerke beteiligt, damit die Kulturgüter wenigstens in Rußland ausgestellt werden können. Dieser Vorschlag ist nicht realisierbar, und zwar nicht nur wegen der immer knapper werden Haushaltsmittel in Bund und den Ländern. Derjenige, der Kulturgut gegen den Willen des Eigentümers weggenommen hat und die Rückgabe verweigert, kann nicht auf finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für diese Gegenstände hoffen. Durch die Restaurierung würden die Gegenstände an Wert gewinnen und zwar in der Hand des nichtberechtigten Besitzers. Letztlich nützt der Vorschlag nur der jeweiligen russischen Einrichtung und den dortigen Museumsbesuchern. Ein Vorteil für Deutschland ist nirgends auszumachen. Eine derartige spendable Geste würde zudem als nachträgliche Rechtfertigung eines völker-
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rechtswidrigen Verhaltens mißverstanden werden können. Dies wäre ein verheerendes Signal: Viele andere Staaten beobachten genau, ob und wie Deutschland seinen Standpunkt in der Beutekunstproblematik wahrt. Die Verweigerungshaltung Rußlands kann nicht noch belohnt werden, während andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion sich vertragstreu verhalten und Kulturgut ohne Vorbehalte an Deutschland zurückgegeben haben. Auch wenn die erfolgten Rückgaben leider nicht darüber hinwegtäuschen können, daß die Verhandlungen mit Rußland stagnieren, so hofft Deutschland, daß die vertrauensvolle Zusammenarbeit, wie sie in vielen anderen Bereichen mit Rußland besteht, mit der Zeit auch eine Lösung der Rückführungsfrage ermöglichen wird. Große Teile der traditionell deutschfreundlichen russischen Bevölkerung teilt ungeachtet des Leides, das Deutschland im Zweiten Weltkrieg den Menschen angetan hat, die Politik der Hardliner im russischen Parlament nicht. Beide Staaten sind daher aufgerufen, weitere Schritte aufeinander zuzugehen und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Mit einem Zitat habe ich den Vortrag begonnen, mit einem Zitat möchte ich enden. 24 in Deutschland stationierte amerikanische Kunstschutzoffiziere haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die auch auf Seiten ihres Staates vorhandene Planung, Kulturgut aus deutschen Museumsbeständen in die USA abzutransportieren, mit Erfolg gewehrt. Ihren Protest haben sie im November 1945 im so genannten Wiesbadener Manifest zum Ausdruck gebracht: „Wir möchten darauf hinweisen, daß unseres Wissens keine historische Kränkung so langlebig ist und soviel gerechtfertigte Verbitterung hervorruft wie die aus welchem Grunde auch immer erfolgende Wegnahme eines Teils des kulturellen Erbes einer Nation, sei es auch, daß dieses Erbe als Kriegstrophäe aufgefaßt wird.“ * * *
Abstract Susane Schoen: Loss of Cultural Assets – Selected particular Cases of German Cultural Assets brought to Russia during World War II, in: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 157-166. The practical difficulties of the repatriation of German cultural possessions brought to Russia during and after World War II are demonstrated with the help of numerous examples. However, there are some examples of successful repatriations. Both states are called upon to make some steps in order to try to come together and find a conjoint solution to the so-called problem of the art booty.
Völkerrechtliche Aspekte der Rückführung kriegsbedingt verlagerten Kulturgutes nach Polen und Deutschland Von Günter Rauer Ich möchte mich auf folgende Aspekte konzentrieren: –
Die Frage der sog. „restitution in kind“ und ihre Legitimationsbasis und
–
die Zuordnung von Auslagerungskulturgütern und Archivalien und solchen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten im Zusammenhang mit Staatensukzessionen, die mit Bevölkerungsverschiebungen einhergehen.
I. Historie und Ausgangslage 1. Als sich während des Zweiten Weltkrieges die Luftangriffe auf Berlin etwa ab Herbst 1941 zu massieren begannen, wurden wertvolle Bestände der Berliner Museen und der Preußischen Staatsbibliothek, zu einem kleinen Teil auch private Sammlungen, die sich als Leihgaben in den staatlichen Museen befanden, innerhalb Berlins und außerhalb in sichere Depots im Westen und Osten des damaligen Reichsgebietes, in Kellergewölbe von Schlössern, Kirchen und Schulen und Bergwerksstollen ausgelagert. Die in den Osten jenseits der Linie Oder-Lausitzer Neiße ausgelagerten Bestände gerieten nach dem 08.05.1945, in polnischen Besitz. Ein Teil der in die sowjetischen Besatzungszone gelangten Bestände wurde von den Trophäenbrigaden der Roten Armee in die Sowjetunion verschleppt. Beginnend ab 1942 wurden Museums- und Archivbestände aus Ostpreußen und Pommern westwärts ausgelagert. Sie befanden sich bei Kriegsende jenseits und diesseits der Oder-Neiße, in der sowjetisch besetzten Zone, der britischen und der US-Zone – sofern nicht durch Kriegseinwirkungen, Plünderungen, Brennstoff- oder Makulaturgewinnung vernichtet oder verschollen. Demgegenüber standen ab 1939 groß angelegte Plünderungs- und Zerstörungsaktionen deutscher Einsatzgruppen – auch der Wehrmacht – an polnischen Museums-, Bibliotheks- und Archivbeständen. Die geraubten Bestände waren bei Kriegsende, z. T. zusammen mit den deutschen Auslagerungsbeständen, über die Besatzungszonen verteilt.
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2. Bei Aufnahme der Verhandlungen über Kulturgüterrückführung zwischen der deutschen Bundesregierung und Polen im Februar 1992 fanden sich somit a)
Kulturgüter in Deutschland vor, die aus dem damaligen (und jetzigen) polnischen Territorium stammten; b) Kulturgüter in Polen vor, die aus dem Territorium der heutigen Bundesrepublik Deutschland stammten; c) Kulturgüter in Polen und in Deutschland vor, die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten im heutigen Polen stammten.
II. Rechtslage 1. Aus Polen verschleppte Bestände Nach allen Rückgaben der Besatzungsmächte, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland seit 1946 befinden sich heute in Deutschland nur noch sehr wenige kriegsbedingt verbrachte oder verlagerte Kulturgüter aus Polen. Es handelt sich um einige, wenn auch wertvolle Urkunden, Handschriften, Militaria, archäologische Exponate, und ein Gemälde. 1995/96 führten deutsche Experten in mehr als 500 Kultureinrichtungen umfangreiche Recherchen nach kriegsbedingt verlagerten Objekten durch. Im gleichen Zeitraum rief die Bundesregierung die deutsche Bevölkerung auf, noch in ihrem Besitz befindliche, fremde, kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter zu melden und zurückzugeben. Daher ist davon auszugehen, daß die von polnischer Seite immer noch geäußerten Vermutungen, in deutschen Museen befänden sich umfangreiche Bestände geraubter polnischer Kulturgüter, nicht belastbar sind. Das deutsche Angebot, Experten beider Seiten freien Zugang zu Museen und Depots beider Seiten zu gewähren, hat Polen bisher abgelehnt. Der prominenteste Teil unter den aus Polen verschleppten Kulturgütern besteht aus 73 Urkunden des Deutschen Ordens aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die 1941 von deutschen Archivaren aus dem Kronarchiv Warschau nach Königsberg entwendet und von dort in das Archivlager Göttingen verbracht wurden. Zur rechtlichen Bewertung: Die deutsche Rückgabeverpflichtung ergibt sich aus Art. 56 Abs. 2 und 46 Abs. 2 der Anlage zum Haager Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landeskrieges von 18.10.1907 (HLKO).1 Museale Objekte, Handschriften, historische Urkunden, Gemälde etc. sind „Werke der Wissenschaft und der ___________ 1
RGBl 1910, S. 107, 110; Vertragsslg. AA, Bd. 28 A, S. 348.
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Kunst“ im Sinne von Art. 56 Abs. 2, deren Beschlagnahme untersagt ist.2 Gleichfalls geschützt sind Anstalten, die der Wissenschaft und der Kunst gewidmet sind (Art. 56 Abs. 1). Sie dürfen, wie Privateigentum, nicht beschlagnahmt werden (Art. 46 Abs. 2). Polen und das Deutsche Reich waren bzw. sind Vertragsparteien. Die Verletzung dieser Pflichten führt gemäß Art. 3 des Haager Abkommens vom 18.10.19073 zum Schadensersatz. Eine Variante des Ersatzes ist die Naturalrestitution, d. h. die Rückgabe, soweit das Kulturgut noch existiert und sich in Deutschland befindet. Zahlreiche beschlagnahmte und verschleppte Kulturgüter sind vernichtet worden oder verschollen. Schadensersatz für Kriegsschäden wird durch Reparationen geleistet. Ich werde diesen Aspekt nachfolgend im Zusammenhang mit der Rückgabeverpflichtung der deutschen Auslagerungsbestände erörtern. Welche Wirkungen hat in diesem Zusammenhang Art. 28 Abs. 3 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages vom 17. Juni 1991?4 Zum besseren Verständnis führe ich alle Absätze des Art. 28 auf: „Art 28: Abs. 1: Die Vertragsparteien werden bei der Pflege und Erhaltung des europäischen kulturellen Erbes zusammenarbeiten. Sie werden sich für die Denkmalpflege einsetzen. Abs. 2: Die Vertragsparteien werden sich der auf ihrem Gebiet befindlichen Orte und Kulturgüter, die von geschichtlichen Ereignissen sowie kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und Traditionen der anderen Seite zeugen, besonders annehmen und zu ihnen freien und ungehinderten Zugang gewährleisten beziehungsweise sich für einen solchen Zugang einsetzen, soweit dieser nicht in staatlicher Zu-
___________ 2 Art. 56 Abs. 1: Das Eigentum der Gemeinden und der dem Gottesdienste, der Wohltätigkeit, dem Unterricht, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Anstalten, auch wenn diese dem Staat gehören, ist als Privateigentum zu behandeln. Abs. 2: Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von derartigen Anlagen, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und der Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden. Art. 46 Abs. 1: Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger und das Privateigentum sowie die religiösen Überzeugungen und gottesdienstähnliche Handlungen sollen geachtet werden. Abs. 2: Das Privateigentum darf nicht eingezogen werden. 3 Art. 3: Die Kriegspartei, welche die Bestimmungen der bezeichneten Ordnung verletzen sollte, ist gegebenen Falles zum Schadensersatze verpflichtet. Sie ist für alle Handlungen verantwortlich, die von den zu ihrer bewaffneten Macht gehörenden Personen begangen werden. 4 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vom 17. Juni 1991 über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, BGBl. 1991 II, S. 1314.
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ständigkeit geregelt werden kann. Die genannten Orte und Kulturgüter stehen unter dem Schutz der Gesetze der jeweiligen Vertragspartei. Die Vertragsparteien werden gemeinsame Initiativen in diesem Bereich im Geiste der Verständigung und Versöhnung verwirklichen. Abs. 3: Im gleichen Geiste sind die Vertragsparteien bestrebt, die Probleme im Zusammenhang mit Kulturgütern und Archivalien, beginnend mit Einzelfällen, zu lösen.“
Anders als in den Rückführungsklauseln des Art. 16 Abs. 2 des deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrages von 1990 und Art. 15 des deutsch-russischen Kulturabkommens von 1992 – „Die Vertragsparteien stimmen überein, daß verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden, an den Eigentümer oder seinen Rechtsnachfolger zurückgegeben werden“5 – fehlt in dem oben zitierten Art. 28 Abs. 3 die Vokabel „Rückgabe”. Der Grund: Über die Rückgabeverpflichtung von Kulturgütern konnte in den Vertragsverhandlungen keine Einigung erzielt werden, lediglich über das Prozedere. Art. 28 Abs. 3 verpflichtet die Vertragsparteien, nach Treu und Glauben in der Frage der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter, „beginnend mit Einzelfällen“, eine einvernehmliche Lösung auszuhandeln, und stellt somit die Grundlage für Rückführungsverhandlungen dar. 2. Deutsche Auslagerungsbestände Hierbei handelt es sich um solche Kulturgüter, die ab 1941 innerhalb des damaligen Reichgebietes aus den zunehmend bombengefährdeten Großstädten, vor allem aus Berlin ausgelagert wurden und sich nach dem 8. Mai 1945 jenseits der Oder-Neiße befanden: Gemälde, Bibliotheksbestände, Handschriften, Teile der Deutschen Luftfahrtsammlung Berlin (heute Deutsches Technikmuseum) u. a. Daraus seien hervorgehoben: die Auslagerungsbestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek, davon die zunächst nach Fürstenstein und dann weiter nach Grüssau in Schlesien evakuierten Bestände. Dort nach dem 08.05.1945 von Polen aufgefunden, wurden sie sodann auf diverse polnische Bibliotheken verteilt. Der bedeutendste Teil wurde in die Jagiellonische Sammlung der Universitätsbibliothek nach Krakau verbracht.
___________ 5 Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 1990, BGBl. 1990 II, S. 703; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation vom 16. Dezember 1992 über kulturelle Zusammenarbeit, BGBl. 1993 II, S. 1256.
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Zur Rechtslage: Art. 28 Abs. 3 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages enthält, wie gesagt, eine Verfahrensverpflichtung, trifft aber keine materielle Regelung. Die HLKO ist auf diese Konstellation nicht ohne weiteres anwendbar. Es handelt sich hier um eine Auslagerung von Kulturgütern durch das Deutsche Reich innerhalb seines eigenen Territoriums. Polen hat nichts geplündert und auf eigenes Territorium verbracht, sondern nach Kriegsende auf dem zunächst seiner Verwaltung unterstelltem Territorium Aufgefundenes beschlagnahmt und behalten. Selbst wenn man zur Anwendbarkeit der HLKO käme, widerspräche die Zurückbehaltung nur dann deren Bestimmungen, wenn der Übergang der zunächst faktischen, später in bilateralen Verträgen bestätigten polnischen Souveränität6 über dieses Territorium nichts an der völkerrechtlichen Zuordnung dieser Kulturgüter zu Deutschland geändert hätte. D. h. die völkerrechtliche Zuordnung ergibt sich aus anderen Regelungen. Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 19547 befaßt sich in Abschnitt II, Ziff. 5 ihres Ersten Protokolls zwar mit der Frage, was mit Kulturgut zu geschehen hat, das von einer Vertragspartei im Gebiet einer anderen deponiert wurde, um es vor Kriegsgefahren zu schützen: „Kulturgut aus dem Gebiet einer Hohen Vertragspartei, das von dieser in dem Gebiet einer anderen Hohen Vertragspartei deponiert wurde, um es gegen die Gefahren eines bewaffneten Konflikts zu schützen, ist von dieser nach Beendigung der Feindseligkeiten an die zuständige Behörde des Herkunftsgebietes zurückzugeben.“
Hieraus könnte argumentiert werden, daß die Rückgabeverpflichtung erst recht gelte, wenn Kulturgüter innerhalb des vormals eigenen Territoriums deponiert wurden. Doch ist diese Konvention und das Erste Protokoll, das für die Bundesrepublik Deutschland am 11.11.1967, für Polen am 06.11.1956 in Kraft trat, nicht auf Tatbestände vor ihrem Inkrafttreten anwendbar. Hier verlassen wir das Völkervertragsrecht und begeben uns auf den mitunter schmalen Pfad des Völkergewohnheitsrechts bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Wem stehen bewegliche Kulturgüter aus einem Staat zu, die zufälligerweise auf einem Territorium gelegen sind, das von diesem abgetrennt und einem anderen Staat zugeschlagen wurde? Eine völkergewohnheitsrechtliche Regel liegt dann vor, wenn sich zu einer gleichförmigen Übung („consuetudo“) eine allgemeine Rechtsüberzeugung ___________ 6
BVerfGE 40, 141 (169); Dieter Blumenwitz, Der Vertrag vom 12.09.1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, NJW 1990, S. 3041 (3044 f.). 7 BGBl. 1967 II, S. 1235.
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(„opinio iuris“) herangebildet hat.8 Die „Übung“ wird hier in der Staatenpraxis sichtbar, nämlich in den Regelungen der Friedensverträge des Ersten Weltkrieges, insbesondere der Verträge von St. Germain und Trianon (sie betrafen die Aufteilung des Vermögens nach dem Auseinanderbrechen der österreichischungarischen Doppelmonarchie)9. Ihnen und den Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zum Friedensvertrag von Trianon10 lag die Vorstellung zugrunde, daß auf dem übertragenen Gebiet vorhandenes und mit ihm verknüpftes staatliches Vermögen mit dem Gebiet auf den Nachfolgerstaat übergeht.11 Bis zu den Friedensverträgen des Ersten Weltkrieges verblieb allerdings privates Vermögen dem Vorgängerstaat. Darunter wurde damals das Privatvermögen der regierenden Herrscher verstanden. Diese Trennung wurde in den Pariser Vorortverträgen verwischt, da Vermögen der Herrscher nunmehr als dem Staat zugehöriges Vermögen angesehen wurde.12 Als staatliches Vermögen i. e. S. wurde die sog. domaine public, das Verwaltungsvermögen des Staates verstanden.13 Hinweise auf die Grundlage diese Regel finden sich in Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b) des Entwurfs der International Law Commission (ILC) einer Konvention über das Recht der Staatennachfolge in Staatsvermögen, Staatsarchive und Staatsschulden von 1983:14 „Art.14: Abs. 1: When part of the territory of a State is transferred by that State to another State, the passing State property of the predecessor State to the successor State is to be settled by agreement between them. Abs. 2: In the absence of such an agreement: (a) immovable State property.....
___________ 8 Hierzu statt vieler: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, §§ 552 ff. 9 Auszugsweise abgedruckt in: United Nations Legal Series, Materials on Succession of States in Respect of Matters others than Treaties, ST/LEG/SER.B/17, 1978. 10 PCIJ, SER A7B No. 61, 237 (Fall der Péter Pázmány-Universität). 11 Ludwig Engstler, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 240 ff.; Stefan Turner, in: Wilfried Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 79. 12 Engstler (Fn. 11), S. 240. 13 Engstler (Fn. 11), S. 229. 14 United Nations Conference on Succession of States in Respect of State Property, Archives and Debts, Official Records Vol II, A/CONF:117/16 (Vol. II), 1995.
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(b) movable State property of the predecessor State connected with the activity of the predecessor State in respect of the territory to which the succession of States relates shall pass to the successor State.”
Bei diesem Konventionsentwurf ist Zurückhaltung angebracht, wenn man aus ihm völkergewohnheitsrechtliche Regeln extrahieren möchte. Die Konvention ist bisher nicht in Kraft getreten. Soweit sie bisher gezeichnet wurde, wurde sie bisher von keinem Staat ratifiziert. Sie war bereits im Entwurfsstadium umstritten. Hauptgrund: Sie betont zu stark Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Dekolonisierung und berücksichtigt zu wenig andere Sukzessionskonstellationen.15 Für die Frage, ob und wo sich die Konvention auf bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht stützt, geben die Materialien über die Beratungen der ILC Auskunft. Diesen zufolge, griff man bei Art. 14 auf eine bestehende Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung zurück.16 Ausgangspunkt für diese völkergewohnheitsrechtliche Regel ist, daß eine Verbindung des Vermögens zum übergegangenen Gebiet bestand. Aus der früheren Staatenpraxis, so z. B. Staatensukzessionsvorgängen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wie der Verlust der spanischen Überseekolonien an die USA, insbes. Puerto Ricos,17 und den späteren Pariser Friedensverträgen,18 ergibt sich, daß die Belegenheit nur dann die Zugehörigkeit zum Nachfolgerstaat vermittelt, wenn eine Verknüpfung zum betreffenden Gebiet besteht. Die zufällige Belegenheit ist nicht entscheidend, sondern ob eine Verknüpfung mit einem Rechtsträger am normalen üblichen Belegenheitsort besteht. Dies ist bei den besagten deutschen Auslagerungsbeständen aber nicht der Fall. Ihr Bezug zum Belegenheits-Territorium ist ein rein zufälliger. Die eigentliche Verknüpfung besteht zu den staatlichen Rechtsträgern in Deutschland, nämlich der Preußischen Staatsbibliothek, jetzt Staatsbibliothek zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz und den Berliner Museen, z. B. dem Technikmuseum. Die Gebietszession hat daran nichts geändert. Die Zuordnung von Kulturgütern aus Privateigentum bleibt von Gebietszessionen ohnehin grundsätzlich unberührt.19 Verstärkendes Momentum für die unveränderte Zuordnung der staatlichen Kulturgüter ist die Tatsache, daß es sich bei dem Großteil ___________ 15 Thomas Fitschen, Das rechtliche Schicksal von staatlichen Akten und Archiven bei einem Wechsel der Herrschaft über Staatsgebiet, 2004, S. 274 f. 16 United Nations Conference (Fn. 14), S. 16, para 11 ff. 17 Fitschen (Fn. 15), S. 96, Friedensvertrag zwischen Spanien und den USA vom 10. Dezember 1998 in: Consolidated Treaty Series, Vol. 187, 1979, S. 100 ff . Dessen Art. VIII verpflichtet zur Übergabe von Dokumenten nur insoweit, als sie sich auf unbewegliches, öffentliches Vermögen („public domaine“) der Spanischen Krone in den abgetretenen Territorien beziehen, das an die USA übergeht. 18 Turner (Fn. 11), S. 178 f., Engstler (Fn. 11), S. 240 ff. 19 Engstler (Fn. 11), S. 240; Gilbert Gornig, Das rechtliche Schicksal der Danziger Kulturgüter seit 1939/45, 1999, S. 34 f.
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dieser Bestände um einzigartige Zeugnisse deutschen Kulturschaffens handelt.20 Selbst wenn man, entgegen dieser Auffassung das Vorliegen einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Regel in Abrede stellen sollte, hätte das hier keine Relevanz. Von polnischer Seite wird die Zuordnung der Auslagerungsgüter aus Berlin im Grunde nämlich nicht bestritten. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß die in Krakau verwahrten Bestände der Berliner Preußischen Staatsbibliothek von polnischer Seite „Berlinka“ genannt werden.21 Die polnische Seite stellt dem Rückgabeanspruch, gewissermaßen im Wege der Aufrechnung, Reparationsansprüche aus Zerstörung eigenen Kulturgutes durch die deutsche Besatzung entgegen.22 Polen behauptet, es habe sich die deutschen Auslagerungsgüter als sog. „restitution in kind“ oder auch „kompensatorische Restitution“ durch das Dekret über „verlassenes und ehemaliges deutsches Vermögen“ vom 08.03.1946 aneignen dürfen.23 Was ist „restitution in kind“? Dieser Begriff findet sich in friedensvertraglichen Regelungen des Ersten Weltkrieges. Bekannt sind Art. 247 Abs. 1 und 2 des Versailler Vertrags betreffend die Auslieferung spezifizierter deutscher Kulturgüter als Ersatz für die Zerstörung der Universitätsbibliothek von Leuven/Louvain und die Übergabe legal von Deutschland erworbener Kulturgüter als besondere Reparationen an Belgien sowie die friedensvertraglichen Regelungen von 1947 mit Italien, Bulgarien und Ungarn über die Kompensation für Kulturgut, das aus Staaten unter ihrer Besatzung verschleppt worden war.24 Es handelt sich in all diesen Fällen um Schadensersatzvereinbarungen, denen Forderungen für völkerrechtswidrige Kulturgutzerstörungen im Krieg und/oder unter Besatzung zugrunde lagen. Es handelt sich, völkerrechtlich gesehen, um Reparationen, nämlich Ersatz –
für spezifiziertes, zerstörtes eigenes Kulturgut,
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in Gestalt von spezifiziertem fremdem Kulturgut,
–
im Rahmen einer friedensvertraglichen Vereinbarung.
___________ 20 Dazu: Verlagert, Verschollen, Vernichtet. Das Schicksal der im 2. Weltkrieg ausgelagerten Bestände der Preußischen Staatsbibliothek, 1995, unveränderter Nachdruck 1998, Stefan Turner (Fn. 11), S. 180. 21 Nowicki, Die begehrte „Berlinka“, in: Zycie Waszawy vom 03.03.2001. 22 Antwort der Bundesregierung auf die schriftl. Anfrage von MdB Marschewski, BT-Drs. 15/3159, S. 9. 23 Turner (Fn. 11), S. 179. 24 Engstler (Fn. 11), S. 126 ff.
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Dem Völkergewohnheitsrecht sind sie fremd. D. h., wir bewegen uns hier im Bereich des Art. 3 der HLKO. Diese Voraussetzungen liegen bei den polnischen Aufrechnungsforderungen nicht vor. Polen macht vielmehr die –
einseitige,
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pauschale Einbehaltung von Kulturgütern für
–
nicht spezifizierte, vernichtete eigene Kulturgüter
geltend. Nach heutigem Standard, spätestens aber nach der Haager Konvention vom 14.05.1954 über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten können Kulturgüter nicht mehr als reparationsfähige Ersatzleistungen angesehen werden.25 Auch der Rückgriff auf Alliierten-Besatzungsrecht verschafft keine Legitimation. Das Besatzungsrecht enthält bekanntlich keine endgültige Regelung der Frage der Reparationen in Gestalt der „restitution in kind“. Wegen Uneinigkeit im Alliierten Kontrollrat kam eine endgültige Regelung über ein umfassendes „restitution in kind“-Programm nicht zustande. Vor allem die USA wandten sich gegen die Einbeziehung von Kulturgütern in Reparationen. Deswegen blieb es bei der schlichten Ankündigung in der Kontrollratsdirektive vom 21.01.1946, eine “restitution in kind” für vernichtete Güter einmaligen Charakters zuzulassen und die Feststellung des Ersatzes einer endgültigen Regelung vorzubehalten. Diese wurde wegen des Dissenses zurückgestellt und abschließend nie getroffen.26 Als Quelle für Reparationsansprüche ziehen polnische Rechtsgutachten das Potsdamer Abkommen heran. Über dessen Rechtswirkungen in bezug auf Deutschland herrscht bekanntlich Dissens, der hier nicht vertieft werden soll, zumal die Frage der territorialen Souveränität Polens über die ehemaligen deutschen Ostgebiete inzwischen durch den Warschauer Vertrag vom 07.12.1970 und dem sog. „Zwei plus vier“-Vertrag27 in Verbindung mit dem Vertrag vom 14.11.1990 über die Bestätigung der Westgrenze28 endgültig geregelt ist.29 Der Warschauer Vertrag hatte aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland keine vermögensrechtlichen Auswirkungen.30 ___________ 25
Turner (Fn. 11), S. 71. Engstler (Fn. 11), S. 139 ff.; Wojciech Kowalski, Art Treasures and War, 1998, S 72 ff.; Turner (Fn. 11), S. 117 ff. 27 Vertrag vom 12.09.1990 über die abzuschließende Regelung in bezug auf Deutschland, BGBl. 1990 II, S. 1317. 28 BGBl. 1991 II, S. 1328; Verdross/Simma/Geiger, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit – zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neiße-Gebiete, 1980, S. 45 ff, 85. 29 Blumenwitz (Fn. 6). 30 Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 08.12.1970, Nr. 171, S. 1819; BVerfGE 40, 141 (169). 26
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Aus Teil IV des Potsdamer Abkommens ergibt sich, daß mögliche Reparationsansprüche Polens gegenüber Deutschland ausschließlich aus dem sowjetischen Anteil der Reparationen befriedigt werden sollen. Selbst wenn man die zweifelhafte Bindungswirkung des Potsdamer Abkommens nicht in Rechnung stellt,31 muß sich Polen dies entgegenhalten lassen, weil es seinen Anspruch auf die deutschen Ostgebiete – wenigstens bis zum Abschluß der Ostverträge – auf das Abkommen gründete. Die Sowjetunion verzichtete im Einvernehmen mit der Regierung der Polnischen Volksrepublik32 im Vertrag mit der DDR vom 22.08.195333 mit Wirkung ab 01.01.1954 auf weitere Erhebung von Reparationen.34 Die Wirkung dieses Verzichts gegenüber ganz Deutschland35 wurde am 24.08.1953 von Polen bestätigt.36 1970 bestätigte die polnische Regierung bei Unterzeichnung des Warschauer Abkommens, in dem Deutschland die Westgrenze Polen bekräftigte, erneut, daß der Verzicht von 1953 für Deutschland als Ganzes galt.37
3. Kulturgüter aus und Archivalien aus und über die ehemaligen deutschen Ostgebiete Es handelt sich hierbei um Museumsbestände (archäologische Sammlungen, z. B. die archäologische Sammlung des ehemaligen Pommerschen Provinzialmuseums Stettin), Bibliotheksbestände (u. a. Universitätsbibliothek in Breslau), historische Archive (z. B. Archiv des Deutschen Ordens), Kirchen-(Matrikel-) Bücher, Regierungs- und Verwaltungs-Archive aus und über die deutschen Ostgebiete. Teils wurden sie aus dem Osten des Deutschen Reiches in den letzten Kriegsmonaten nach Westen ausgelagert, teils verblieben sie dort, teils kamen sie schon in den Jahren 1914-1918 nach Berlin, teils befanden sich Bestände von jeher im Preußischen Zentralarchiv.
___________ 31
Blumenwitz (Fn. 6). „Trybuna Ludu“ vom 24.08.1953. 33 EuropaArchiv 2 (1953), S. 5973 ff. 34 Vertrag zwischen der DDR und der UdSSR vom 22.08.1953, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik der UdSSR, Bd. 1, S. 348. 35 Helmut Rumpf, Die deutsche Frage und die Reparationen, ZaöR 1973, S. 344 (351). 36 EuropaArchiv 2 (1953), S. 5981. 37 Rumpf (Fn. 35); Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 08.12.1970, Nr. 171. 32
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a) Museale Sammlungen, Bibliotheken Anders als im Falle der Auslagerungsbestände, handelt es sich hier um Kulturgüter, die eine Beziehung zum abgetrennten Gebiet und der darauf lebenden bzw. ehemals lebenden Bevölkerung aufweisen. Das gilt sowohl für die Museums- und Bibliotheksbestände wie für alle Archivalien. Der oben erläuterten Regel des Völkergewohnheitsrechts zufolge würden solche Kulturgüter an den Nachfolgerstaat übergehen, sofern die erforderliche Verknüpfung dieser Kulturgüter zum übergegangenen Territorium besteht. Ist dies noch der Fall, nachdem die Bevölkerung dort nicht mehr lebt? Wir greifen hier wiederum auf Völkergewohnheitsrecht zurück. Die Frage ist, mehr noch als im Fall der Auslagerungsgüter, umstritten, auch wenn die Begründungen für die divergierenden Auffassungen letztlich so weit nicht auseinanderliegen. Wir sollten uns bewußt sein, daß hier juristische Argumente an die Stelle ethisch-moralischer treten oder sie verdecken. Allen Fällen von Gebietszessionen, also auch den erwähnten Beispielen der Übernahme spanischer Überseekolonien durch die USA und den Konsequenzen des Ersten Weltkriegs – dem Zerfall der österreich-ungarischen Doppelmonarchie und den Gebietsabtretungen in den Versailler Verträgen – ist gemeinsam, daß damals keine oder – im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg – nur geringe Bevölkerungsverschiebungen38 stattfanden. Gewaltsame Massenvertreibungen sind ein Phänomen des Endes des Zweiten Weltkrieges und – leider – auch noch späterer Zeit. Hinweise auf eine bevölkerungsakzessorische Behandlung von Kulturgütern finden sich in der Staatenpraxis bereits in der Zwischenkriegszeit, allerdings im Zusammenhang mit vertraglich geregelten Umsiedlungen, so etwa in den bilateralen Vereinbarungen über die sog. „Heimholung von Reichs- und Volksdeutschen“ aus dem Baltikum und Südtirol von 1939.39 Diese Vereinbarungen erlaubten im Grundsatz die Mitnahme historischer Sammlungen, Privatsammlungen wertvoller Archive, die sich auf die deutsche Kultur bezogen. Im Einzelfall entschieden paritätische Kommissionen oder man suchte Kompromisse, wie die Fertigung von Kopien, Teilung von Sammlungen (so z. B. im Fall des sog. Silberschatzes der Schwarzen Häupter: ein Teil blieb im Dom-Museum zu Riga zurück, der andere wurde mitgenommen und befindet sich heute in Deutschland40). Solchen Verträgen lag die Rechtsvorstellung zugrunde, daß die Entfernung einer gesamten Volksgruppe ___________ 38
Ein bedeutenderer Bevölkerungsaustausch fand zwischen Griechenland und Türkei auf der Grundlage des Vertrags von Lausanne von 1923 statt. In eine andere Kategorie fällt die türkische Verfolgung der Armenier vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg. 39 Gornig (Fn. 19), S. 79 f. Mit weiteren Beispielen Turner (Fn. 11), S. 103 ff. 40 FAZ vom 27.01.1986.
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aus dem Staatenverbund eine Neuordnung der Zuordnung von Kulturgütern erforderlich macht, die zwischen dem kulturellen Erbe der Volksgruppe und der übrigen Bevölkerung des Wohnsitzstaates unterscheidet.41 Nun kann man einwenden, daß diese Vereinbarungen vom übersteigerten nationalsozialistischen Verständnis der Bewahrung deutschen Volksgutes beeinflußt waren, das damals nicht als völkergewohnheitsrechtliches Prinzip für die Zuordnung von Kulturgütern gelten konnte. Wie sah die Staatenpraxis der Alliierten, die von solchen Vorstellungen frei war, in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus? Die Staatenpraxis der Westalliierten, vor allem der USA in der unmittelbaren Nachkriegszeit bei der Rückgabe von verschlepptem oder verlagertem Kulturgut aus Vertreibungsgebieten in Osteuropa zeigt, daß solches Kulturgut nicht den kommunistisch beherrschten Ursprungsstaaten der vertriebenen oder ermordeten Bevölkerungen zurückgegeben wurde, sondern den Rechtsnachfolgern der Alteigentümer im Exil,42 so z. B. geraubtes Vermögen von Volksgruppen aus osteuropäischen Staaten: Dürerzeichnungen aus dem ehemaligen Eigentum des Fürsten Lubomirski aus Lemberg wurden nicht an das an sich berechtigte staatliche Lemberger Museum, sondern an seine Familie im Ausland zurückgegeben,43 oder es erfolgten Rückgaben an Repräsentanten dieser Volksgruppen, z. B. der Jewish Restitution Successor Organization.44 Archive aus den deutschen Ostgebieten wurden von den US-Besatzungsbehörden nicht an Polen, sondern an deutsche Stellen übergeben.45 Die Übergabepraxis der britischen Besatzungsbehörden gegenüber Polen war damals ambivalent,46 beeinflußt durch eine ebensolche Haltung Großbritanniens gegenüber dem nunmehr kommunistisch beherrschten Polen. Als weiteres Faktum, das aus einer anderen Ausgangslage heraus, in späterer Zeit in dieselbe Richtung weist und damit Rückschlüsse zumindest auf den Ansatz einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Regel 30 Jahre früher zuläßt, sind die niederländisch-indonesischen Expertenempfehlungen über „Cultural Cooperation in the Field of Museums and Archives Including Transfer of Objects“ von 1975 zu werten.47 Es ging hierbei um die späte Bereinigung offener Fragen aus der Unabhängigkeit Indonesiens. Die Empfehlungen orien___________ 41
Turner (Fn. 11), S. 102 f. Turner (Fn. 11), S. 106 ff. 43 Spoils of War (hrsg. von der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste des Bundes und der Länder, Magdeburg) No. 8 (Mai 2003), S. 64 ff. 44 Gornig (Fn. 19), S. 80 f. 45 Fitschen (Fn. 15), S. 176 f. 46 C. F. Meekings, Rückgabe von Archiven an Polen, Der Archivar 1948 (Heft 2 Januar), S. 71 ff. 47 Turner (Fn. 11), S. 273 ff. 42
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tieren sich im Grundsatz für die Zuordnung von Kulturgüter nach Indonesien an Bevölkerungsgruppen und Personen, für Archivalien an der Bewahrung des historischen Zusammenhangs (Abgabe von Kopien, Mikrofilmen). Hinter der Zuordnung von Kulturgütern zu der vormals im übergegangenen Gebiet ansässigen, daraus umgesiedelten bzw. vertriebenen Bevölkerungsgruppe anstatt zum Gebiet steht das völkerrechtliche Prinzip der „equity”, in Gestalt der „equitable distribution of assets” (Prinzip des billigen Ausgleichs).48 Die Materialien der International Law Commission über die Arbeiten an der erwähnten Konvention von 1983 über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, Staatsarchive und Staatsschulden setzen dieses Prinzip als gewohnheitsrechtliche Regel voraus.49 Auch die Gutachten der sog. Badinter Schiedskommission der Londoner Jugoslawien-Konferenz aus den Jahren 1991, 1992 und 1993 zu Fragen der Staatennachfolge in Archive des ehemaligen Jugoslawien legen diese Regel zugrunde.50 Indirekt läßt die ILC in ihrem Abschlußbericht zur Konvention von 1983 zu Art. 13 (Art. 14 der Endfassung) erkennen, daß in der Frage der „equity” auch die Nützlichkeit und Verwertbarkeit – in jenem Fall der Archive – für die örtliche Verwaltung auf dem übergegangenen Gebiet eine Rolle spielt.51 Demzufolge ist bei der Frage, wem staatliche museale Sammlungen und Bibliotheksbestände zuzuordnen sind, im Rahmen einer „equitable distribution” neben dem Kriterium der Verknüpfung mit dem Territorium zumindest auch das Kriterium der Verknüpfung mit der ehemals dort lebenden Bevölkerung zu berücksichtigen. Bei der „Billigkeit des Ausgleichs“ sind auch Überlegungen zu berücksichtigen, den organischen Zusammenhang der betroffenen Sammlungen und die Nutzbarkeit der Bibliotheken nach Möglichkeit wiederherzustellen oder zu bewahren. Dabei haben beide Staaten gemäß Art. 28 Abs. 3 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages einen Verhandlungsauftrag. b) Archive Die Archivabgabe als „Begleitung“ von Gebietsabtretungen und -abspaltungen hat eine völkerrechtliche Tradition, die ihren Ausgang bei historischen Urkunden nahm, welche Rechtstitel über das abgetretene Gebiet dokumentierten.52 Diese Legitimation wurde im 19. Jahrhundert zurückgedrängt, als man begann, die Sammlung solcher Dokumente als Einheit zu verstehen, die ihren ___________ 48 49 50 51 52
Turner (Fn. 11), S. 86 f. United Nations Conference (Fn. 15), S. 13, para 8 ff. Fitschen (Fn. 15), S. 311 ff. United Nations Conference (Fn. 14), S.18, para 20. Engstler (Fn. 11), S. 230; United Nations Conference (Fn. 15), S. 31, para 5.
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Dokumentationswert nur im Zusammenhang der Einzeldokumente behalten konnte.53 Archive als systematisch in Registraturen geführtes laufendes Verwaltungsschriftgut in Abgrenzung zu historischen Archiven kamen erst ab dem 19. Jahrhundert ins Blickfeld der völkerrechtlichen Betrachtung. Bis zum Ersten Weltkrieg bildeten sich völkerrechtliche Regeln heran.54 Davon zu unterscheiden sind archivfachliche Regeln, die die völkerrechtlichen überlagern.55 Dies ist das inzwischen herrschende Provenienzprinzip. Es besagt, daß jeder historische Archivkörper als geschlossene Einheit in dem Zusammenhang und an dem Ort aufbewahrt und belassen werden muß, an dem er aus der Tätigkeit seines Urhebers entstanden ist. Das Prinzip selbst stellt keine völkerrechtliche Regel dar, wohl aber die daran ausgerichtete, fortgesetzte Staatenpraxis. Es wird erstmalig in den Friedensverträgen des Ersten Weltkriegs, nämlich u. a. in den Archiv-Vereinbarungen betreffend die Wiener Zentralarchive im Vertrag von St. Germain und im Vertrag von Trianon betreffend den österreichisch-ungarischen Ausgleich zugrunde gelegt.56 Aus den Materialen der schon mehrfach erwähnten ILCKonvention von 1983 über Staatennachfolge betreffend Vermögen, Archive und Schulden, insbesondere zu Art. 24 (Art. 25 der Endfassung) ergibt sich, daß das Provenienzprinzip als eines von mehreren Prinzipien, nicht aber als ein allgemeiner völkerrechtlicher Grundsatz gelten kann, der Vorrang vor anderen Überlegungen für die Zuweisung von Archiven hätte.57 Der bereits zitierte Art. 14 der bisher nicht in Kraft getretenen, vorgenannten Konvention von 1983 greift die völkergewohnheitsrechtliche Regel auf, daß Staatsvermögen mit dem abgetretenen Gebiet übergeht, soweit es damit verknüpft ist.58 Diese Regel geht von der Kontinuität hinsichtlich Gebiet und dar___________ 53
Engstler (Fn. 11), S 234 f. Engstler (Fn. 11), S. 236 ff.; Fitschen (Fn. 16), S. 91. 55 Engstler (Fn. 11), S. 234 ff. 56 Engstler (Fn. 11), S. 243 ff., 259 ff.; Fitschen (Fn. 16), S. 122 ff., 124 ff. 57 United Nations Conference on Succession of States in Respect of State Property, Archives and Debts, Official Records Vol I, A/CONF: 117/16 (Vol. I), 1995, S. 155163, para 62 ff.; Fitschen (Fn. 15), S. 302 ff. 58 Art. 20 ff. der Endfassung des Entwurfes der ILC-Konvention von 1983, welche sich auf die Archivfragen beziehen, gehen von dieser Regel im Grundsatz aus und modifizieren sie für verschiedene Fallkonstellationen und Archivkategorien. Die Diskussion in der Konferenz verlief auch zu Art. 25 Abs. 2 (Art. 27 Abs. 2 der Endfassung, welcher den Archivübergang im Falle der Übertragung eines Gebietsteils ohne entsprechende Vereinbarung regelt) kontrovers. Die Annahme der Endfassung durch die Konferenz mit 59 Stimmen bei einer Gegenstimme und neun Enthaltungen kann daher allenfalls als Indiz für die Akzeptanz der generellen Tendenz der Regelung zum Zeitpunkt der Verabschiedung 1983 angesehen werden, ist aber nicht geeignet, Rückschlüsse auf die Existenz bereits bestehender entsprechender völkergewohnheitsrechtlicher Regelun54
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auf lebender Bevölkerung aus. Ist dies nicht mehr der Fall, bedarf die Regel einer Erweiterung.59 Die Notwendigkeit hierfür folgt aus dem Charakter von Archivalien: Sie sind kondensierte Geschichte und kondensiertes Regierungs- und Verwaltungshandeln über das auf dem Staatsgebiet lebende Staatsvolk. Mit der Vertreibung oder Umsiedlung der Bevölkerung aus dem Zessionsgebiet verlieren diese Archivalien den Anknüpfungspunkt für ihre Zuordnung.60 aa) Historische Archive Historische, abgeschlossene Archive verkörpern die Geschichte eines Volkes. Gebietsakzessorietät besteht nur insoweit, als das betreffende Volk tatsächlich in diesem Gebiet lebt.61 Dies ist nicht mehr der Fall. Sie stehen somit nicht dem Nachfolgerstaat, sondern dem Altstaat zu, in dem die vertriebene Bevölkerung lebt.62 Hierzu gibt es ein prominentes Beispiel: das erwähnte Archiv des Deutschen Ordens,63 zuletzt in Königsberg, heute im Geheimen Preußischen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem. bb) Behördenarchive64 Anders als bei historischen, abgeschlossenen Archiven spielt bei Archiven in Gestalt von Behördenregistraturen der Gesichtspunkt der Nutzung für die Verwaltung des Zessionsgebietes eine maßgebliche Rolle. Dieser Gesichtspunkt scheint – wie bereits erwähnt – u. a. in den Materialien über die Arbeiten der ILC-Konvention von 1983 auf. (1) Zentrale Berliner Regierungsarchive Betroffen sind die preußischen zentralen Regierungs- und Verwaltungsakten über die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Sie stammen nicht aus dem Zessionsgebiet, sondern beziehen sich auf dieses Gebiet. Das solchen Abforderun___________ gen zuzulassen. Vgl. United Nations Conference (Vol. I) (Fn. 57), S. 164-168, para 8 ff.; United Nations Conference (Vol II) (Fn. 14), S. 109 f; para 148; Fitschen (Fn. 15), S. 288 ff.; 293. 59 Ahasver von Brandt, Schicksalsfragen deutscher Archive, Der Archivar 1948 (Heft 3 Mai), Spalte 133-140. 60 Turner (Fn. 11), S. 181. 61 Joachim Meyer-Landrut, Die Behandlung von staatlichen Archiven und Registraturen nach Völkerrecht, Archivalische Zeitschrift 48 (1953), S. 42-120. 62 Engstler (Fn. 11), S. 270; Meyer-Landrut (Fn. 61), S. 118 ff. 63 Erich Weise, Das Staatsarchiv Königsberg, seine Bedeutung für die deutsche und europäische Wissenschaft, 1949. 64 Herta von Ramm-Helmsing, Das Schicksal ostdeutscher Archive, Der Archivar 5 (1952), Spalte 6-22, 210-234.
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gen zugrunde liegende Pertinenzprinzip wurde, wie bereits erwähnt, in den Pariser Vorstadt-Verträgen zugunsten des Provenienzprinzips, der Bewahrung organisch gewachsener Bestände in ihrem Zusammenhang, zurückgedrängt. Im Vertrag von Trianon geregelte Abgaben beschränkten sich z. B. auf vor der Vereinigung 1867 im Königreich Ungarn geführte, später an die Zentrale nach Wien abgegebene Bestände.65 In bezug auf Akten- und Archivbestände gemeinsamer Behörden verzichtete Ungarn im Abkommen vom 28.05.1926, eine Aufteilung zu fordern. Zwecks gemeinsamer Nutzung wurde eine ständige ungarische Archivdelegation gebildet, die das Material am Standort in Wien wie eigenes behandeln konnte.66 Infolgedessen sind die traditionell zentral in Berlin geführten Bestände von Regierungs- und Rechtsprechungsakten betreffend Ostpreußen und Pommern grundsätzlich dem Altstaat zuzuordnen. Zur pauschalen Abforderung von Originalen fehlt die Legitimation, da in den Zessionsgebieten weitgehende Bevölkerungsdiskontinuität besteht.67 Polnischen Bedürfnissen könnte dadurch Rechnung getragen werden, daß freier Zugang zur Nutzung dieser Archive eingeräumt bzw. Kopien zur quasi-authentischen Nutzung überlassen würden. (2) Regionale Archive Im Rahmen der „equitable distribution“ ist ein Ausgleich zwischen der Verfügbarkeit von Archiven für die Verwaltung des Zessionsgebietes, soweit benötigt, und der Präsenz bevölkerungsakzessorischer Bestände im Altstaat unter Wahrung ihres Zusammenhangs zu suchen. Dies geschieht im deutsch-polnischen Verhältnis bereits in Ansätzen durch Kooperation auf archivfachlicher Ebene, so z. B. zwischen dem Landesarchiv Greifswald und dem Staatsarchiv Stettin, durch Überlassung von Kopien durch Verfilmung und Vervielfältigung. Solche einzelfallgerechten Lösungen weiter auszuhandeln, entspräche der Verpflichtung aus Art. 28 Abs. 3 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. (3) Archive lokaler Behörden Gegenüber der regionalen Ebene weist das Behördenhandeln auf lokaler Ebene größere Sachnähe auch im Aktenniederschlag auf. Hier treten die Bevölkerungsakzessorietät und die Gebietsakzessorietät am Charakter des jeweiligen Sachgebietes deutlich zutage: –
Register der Standesämter, Personalakten von Beamten/Angestellten von Behörden: Hier gibt es eine, wenn auch nur ansatzweise und zag-
___________ 65 66 67
Fitschen (Fn.15), S. 125. Fitschen (Fn. 15), S. 125. Engstler (Fn. 11), S. 270.
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hafte deutsch-polnische Staatenpraxis bezüglich des Austausches von Personalakten. –
Kataster, Domänenverwaltung, Wasser- und Wegerechte etc.: Diese Bestände waren bis zum Abschluß des bilateralen Vertragswerkes (s. o. Ziff. II 2.) mit der Hypothek des völkerrechtlich bilateral nicht fixierten Rechtsstatus der Gebiete östlich der Oder-Neiße belastet.
Dies erleichtert die jeweilige Zuordnung nach Nützlichkeit und Zweckbestimmung68 und reduziert die Notwendigkeit, einen Ausgleich über „equitable distribution“ wie im Falle regionaler Archive zu suchen. Der Auftrag in Art. 28 Abs. 3 des Nachbarschaftsvertrages gebietet, Lösungen im Ausgleich zwischen Gebiets- und Bevölkerungsakzessorietät unter Berücksichtigung der Nützlichkeit der Bestände für die jeweilige Seite und des Archivzusammenhangs zu suchen. Hierfür bietet sich das Prinzip der “equitable distribution” an: einerseits zur Steuerung eines Aktenaustausches von Beständen, wo er sich anbietet: Abgabe von Spezialakten, von personenbezogenen Akten; andererseits – im Ausgleich – dort, wo ein Austausch aus archivfachlichen Erwägungen zur Unbenutzbarkeit so geteilter Bestände führen würde, im Wege einer Archivkooperation: gemeinsame Nutzung, Herstellung von Kopien durch Verfilmung/Digitalisierung zur quasi-authentischen Nutzung. Die Überlegungen des Internationalen Archivrates (ICA) für die Behandlung von Archivalien, die nach Grenzverschiebungen von zwei Staaten beansprucht werden, gehen dahin, die Abforderungen von Originalen durch Einräumung von Zugangsrechten und Überlassung von Kopien zu ersetzen.69 Diese Wege werden in Einzelfällen bereits beschritten. Der technische Fortschritt – Verfilmung und Digitalisierung von Archiven – erlaubt die Nutzung durch Alt- wie durch Nachfolgerstaat, ohne den Standort der Archive zu verändern und ihren Zusammenhang zu zerstören.
___________ 68
Meyer-Landrut (Fn. 61), S. 117. UNESCO Dok. 20 C/102 (25.08.1978); abgedruckt in: Klaus Oldenhage, Richtlinien und archivarische Grundsätze der UNESCO zur Beilegung von internationalen Konflikten um Archive, Der Archivar 36 (1983), Spalte 173-176; Fitschen (Fn. 15), S. 270 ff.: Die Grundsätze haben, wie auch aus der Entstehungsgeschichte hervorgeht, in erster Linie Fälle im Zuge der Dekolonisierung im Auge. Sie verweisen vorrangig auf bilaterale und multilaterale Übereinkünfte sowie Grundsätze, Prinzipien und Verfahren des Völkerrechts. Sie betonen das Provenienzprinzip und lassen als Ausnahme das sog. funktionale Pertinenzprinzip (zur Gewährleistung der administrativen Kontinuität) zu, jedoch als völkerrechtlichen Regeln nachgeordnete archivalische Prinzipien. 69
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Zusammenfassung und Schlußbemerkung –
Die umfangreichen Bevölkerungsverschiebungen als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges haben die Grundlage der Regeln verändert, die für die friedensvertraglichen Regelungen am Ende des Ersten Weltkrieges zur Auseinandersetzung von Kulturgütern und Archiven im Rahmen der Staatensukzession maßgeblich waren.
–
Zeichnete sich bereits 1919 Zurückhaltung gegenüber einer Teilung oder Abforderung historischer Archive und organisch gewachsener zentraler Regierungsarchive vom Altstaat ab, so verfestigte sich diese Linie ab 1945.
–
Die, wenn auch nicht ganz widerspruchsfreie, da auch von divergierenden politischen Motiven beeinflußte Praxis der Westbesatzungsmächte bei der Rückgabe von Kulturgütern aus Vertreibungsgebieten an die vertriebenen Volksgruppen oder Nachfolger getöteter Gruppen stellte die Weichen für eine sich in Ansätzen bereits in der Zwischenkriegszeit abzeichnende Entwicklung hin zur Berücksichtigung auch der Bevölkerungsakzessorietät bei der Zuordnung von Kulturgütern und Archivalien.
–
Zum Ausgleich zwischen verschiedenen Prinzipien zur Aufteilung von Kulturgütern und Archiven aus Staatseigentum zwischen Vorgänger- und Nachfolgerstaat bei Staatensukzession ist das völkerrechtliche Prinzip der „equitable distribution” geeignet.
–
Art. 28 Abs. 3 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages von 1991 enthält den verbindlichen Auftrag an Deutschland und Polen, hierüber eine Verständigung zu erzielen.
Der Beitrag befaßte sich mit einigen völkerrechtlichen Aspekten der Rückführungsfrage. Diese Aspekte sind kompliziert, sollten aber nicht überschätzt werden. Sie sind lösbar. Sie werden allerdings erst dann lösbar werden, wenn auch für die Fragen eine Lösung gefunden wird, die von juristischen Argumenten verdeckt werden. Bis dahin können wir vorläufig nur kleine Schritte tun, um auf diesem Weg die Etappe der angeblich „noch offenen Rechnungen“ endgültig hinter uns zu lassen. Wenn dieses Stadium erreicht sein wird, wird die deutsch-polnische Diskussion über eine Rückführungslösung keiner juristischen Krücken mehr bedürfen. * * *
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Abstract Günter Rauer: Aspects of International Law regarding the Repatriation of Cultural Possessions transferred to Poland and Germany in Times of War, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 167-185. The article deals with the question of the rules of international law applying to the attribution of cultural possessions transferred between Germany and Poland as a result of World War II. The main focus is laid on the question of the legitimacy of the restitution in kind for damaged cultural possessions as well as on the problem of the attribution of cultural possessions and archives especially those from the former German eastern territories in case of state succession accompanied by expulsions.
Schutz der Kulturgüter in der Russischen Föderation Von Oxana Vitvitskaya
I. Primäre Ziele des Kulturgüterschutzes Kulturgüter sind Objekte, die sich aufgrund ihrer Bedeutung der besonderen Wertschätzung einzelner Gruppierungen, Nationen oder Völker oder sogar eines Großteils der internationalen Staatengemeinschaft erfreuen. Dementsprechend stellen diese Objekte in einigen nationalen Rechtssystemen res extra commercium dar.1 Manche Staaten entziehen Kulturgüter gänzlich dem Rechtsverkehr, indem sie einen „gutgläubigen Erwerb“ an diesen ausschließen (Frankreich und Italien), während andere den privaten Handel mit Kulturgut durch öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen erschweren.2 Das Recht der Bundesrepublik Deutschland kennt die Kategorie der „unveräußerlichen beweglichen Sache“ nicht.3 In der Russischen Föderation werden Kulturgüter als besondere Art des beweglichen Eigentums definiert.4 Der zivilrechtliche Rechtsverkehr der Kulturgüter wird im Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation (ZGB RF) und in seiner speziellen Gesetzgebung geregelt. Im ersten Teil des ZGB RF wird festgestellt, daß zu unbeweglichen Sachen Bodengrund stücke, Teile des Erdinneren, Gebäude und Einrichtungen gehören, alles, was fest mit dem Boden verbunden ist.5 Die Sachen, die nicht zu den unbeweglichen gehören, gelten als bewegliches Eigentum. Kulturgüter, obwohl sie nicht speziell im ZGB RF erwähnt sind, gehören zur Kategorie der beweglichen Sachen und sind wie andere Sachen verkehrsfähig.6 In einigen Fällen können aber ___________ 1 Kulturgüter können gänzlich dem Privatrechtsverkehr entzogen sein oder als öffentliche Sachen dem Rechtsverkehr nur „parallel“ oder „beschränkt“ entzogen sein. 2 Weber, M., Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, 2002, S. 2. 3 Mußgnug, R., Museums- und Archivgut als „res extra commercium“?, in: Wiener Symposium 18/19. Oktober 1990, 1992, S. 141-147. 4 Art. 1 des Föderalen Gesetzes über Objekte des kulturellen Erbes vom 25.06.2002, in: Sobranije Zakonodatelstva RF, 2002, Nr. 26. S. 271 ff. 5 Sergeev, A. P./Tolstoj, Y. K. (Hrsg.), Das bürgerliche Recht, 6. Aufl., 2002, S. 256 ff. 6 Boguslawskij, M., Kulturgüter im internationalen Rechtsverkehr. Rechtliche Aspekte, 2005, S. 33.
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die Rechte des Eigentümers aufgrund Gesetzes beschränkt werden. Diese Regelung des Art. 74 Abs. 2 der Verfassung der Russischen Föderation ergibt sich aus der besonderen Position der Kulturgüter und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung für das russische Volk.7 Zweck der Einschränkung ist der Schutz der Kulturgüter. Bei der Regelung des Rechtsverkehrs in diesem Bereich hat das gesamtstaatliche Interesse Vorrang vor den Interessen des einzelnen. Dies wird insbesondere bei der Regelung der Ausfuhr und Einfuhr der Kulturgüter und der Verjährung deutlich (Verbot und Begrenzungen der Ausfuhr, Unanwendbarkeit der üblichen Verjährungsfristen).8 Sinn und Zweck des Kulturgüterschutzes ist in erster Linie die Erhaltung der Kulturgüter in ihrer Originalsubstanz. Keine Kränkung schmerzt so wie die Plünderung und Zerstörung von Kulturgut.9 Grund für die Erhaltung ist die Einmaligkeit und Unwiederbringlichkeit der Kulturgüter.10 Die Bemühungen der zivilisierten Gesellschaft, die Kulturgüter zu erhalten, bedeuten gleichzeitig die Wahrnehmung der Verantwortung für die Kulturgüter gegenüber den künftigen Generationen sowie die Achtung vor den Leistungen anderer Menschen und das Interesse an der eigenen Vergangenheit. Substanzerhaltung umfaßt die Maßnahmen, die jedem Staat zumutbar und obligatorisch sind, nämlich Schutz vor Zerstörung, Vorkehrungen gegen Beschädigungen, auch gegen Diebstahl. Weiterhin ist es für jede Gesellschaft erforderlich und unabwendbar, optimale Erhaltungsbedingungen sicherzustellen.11 Zur Erhaltung der Kulturgüter gilt in der Russischen Föderation eine spezielle Gesetzgebung. Das spezielle föderale Gesetz „Über die Objekte des Kulturerbes (Denkmale der Geschichte und Kultur) von Völkern der Russischen Föderation“ vom 25. Juni 2002 regelt den Schutz der Kulturgüter.12 Präventive Maßnahmen und der Umgang mit Verantwortlichen des Kulturgutdiebstahls werden hingegen durch die Zollgesetzgebung, das Verwaltungsrecht und das Strafgesetzbuch geregelt.13
___________ 7
Schoen, S., Der rechtliche Status von Beutekunst, 2003, S. 181. Über Verjährungsfristen: Boguslawskij (Fn. 6), S. 88. 9 Peya, Andreas, Die Ausfuhr von Kulturgütern im nationalen und Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 1. 10 Fechner, Frank/Oppermann, Thomas/Prott, Lyndel V. (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, 1996, S. 25. 11 Fn. 10, S. 27. 12 Sobranije Zakonodatelstva RF, 2002, Nr. 26, Art. 2510. 13 Bundesamt für Zivilschutz (Hrsg.), Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten, 4. Aufl. 1997; Fiedler, Wilfried (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage. Völkerrechtliche Probleme der Auslagerung, Zerstreuung und Rückführung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg, 1991; Simpson, Elizabeth (Hrsg.), The Spoils of War: World War II and its afternach: the loss, reappearance and recovery of cultural property, 1997. 8
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Darüber hinaus kann es Zweck des Kulturgüterschutzes sein, bestimmte Objekte mit rechtlichen Mitteln an einem bestimmten Platz zu bewahren. Im Sinne des Kulturgüterschutzes ist das dann der Fall, wenn durch die Herauslösung eines Objekts der dem Kulturgut innewohnende Zusammenhang zerstört würde.14 Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, die Zugänglichkeit von Kulturgütern für die Forschung und Allgemeinheit zu gewährleisten. Die „Zugänglichkeit“ rechtfertigt den staatlichen Eingriff in die Rechte der Eigentümer von Kunstschätzen und bei der Restaurierung von Gebäuden. Mißlich ist es allerdings für die Bevölkerung, wenn Ankäufe in Magazinen verschwinden oder wenn eine mit staatlichen Mitteln restaurierte Burg nicht besichtigt werden darf.15 Dabei muß aber die Zuordnung der Sachen zu bestimmten Menschengruppen berücksichtigt werden. Der Eigentümer eines wertvollen Gegenstandes ist im Regelfall immer noch der beste Garant für dessen Erhaltung. Weiterhin steht an zweiter Stelle die Zuordnung eines Gegenstandes zu den Menschen, für die er von religiöser Bedeutung ist. Nach Möglichkeit sollte der Kulturgüterschutz auf religiöse Gefühle Rücksicht nehmen. Außer religiösen Gefühlen können Kulturgüter das Selbstbewußtsein einer Volksgruppe stärken. Kulturgüter stellen in diesen Fällen Symbole dar, an denen sich eine Zugehörigkeit manifestiert oder politische Ziele konkretisieren. Die Zugänglichkeit der Kulturgüter ist ein verfassungsrechtliches Prinzip, das in Art. 44 Abs. 2 der Verfassung der Russischen Föderation verankert ist.
II. Zum Begriff „Kulturgut“ im Völkerrecht und im russischen Recht 1. Zum Begriff im Völkerrecht Es ist üblich, daß in den internationalen Übereinkommen und in der nationalen Gesetzgebung der Begriff „Kulturgut“ sinngleich mit den Begriffen „Kulturerbe“, „Kulturwert“, „Kulturdenkmal“ angewandt wird. Die Bezeichnung „Kulturerbe“, die oft in den einzelnen Dokumenten der UNESCO verwendet wird, stimmt in der Regel mit dem Begriff „Kulturgut“ überein.16 Eine abschließende Definition des Begriffes Kulturgut ist jedoch in den Schutzgesetzen nicht zu finden. In der Literatur wird „Kulturgut“ teilweise synonym mit „Kunstwerk“ verwendet, teilweise explizit zwischen Kulturgut und Kulturerbe ___________ 14
Fn. 10, S. 27. Fn. 10, S. 28. 16 Kohls, F., Kulturgüterschutz. Wirkungen von Verstößen gegen Ausfuhrverbote und Möglichkeiten der Rückführung illegal verbrachter Kulturgüter, 2001, S. 69. 15
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unterschieden. Eine Analyse der verwendeten Kulturgutbegriffe im außerrechtlichen Bereich steht zunächst vor einer Fülle von Begriffskonzeptionen, die teilweise einander widersprechender Natur sind.17 Eine einheitliche Definition des Begriffes Kulturgut läßt sich deshalb nicht finden. Einigkeit besteht allenfalls insoweit, als das Kulturgut sowohl eine bewegliche oder unbewegliche Sache als auch eine Sachgesamtheit sein kann. Wahrscheinlich wird jede Rechtsordnung daran scheitern müssen, das Kulturgut zu definieren.18 Zum ersten Mal wurde der Begriff durch die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten eingeführt. Kulturgut im Sinne dieser Konvention sind, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist, wie z. B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler religiöser oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gebäudegruppen, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind; Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und bedeutende Sammlungen von Büchern, Archivalien oder Reproduktionen des vorbezeichneten Kulturguts; b) Baulichkeiten, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung der unter a) bezeichneten beweglichen Güter dienen, wie z. B. Museen, größere Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a) bezeichnete bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; c) Orte, die in beträchtlichem Umfang Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a) und b) aufweisen und als Denkmal bezeichnet werden.19 Damit unternimmt die Konvention eine Aufteilung der Sachen auf zwei Kategorien: auf mobiles Vermögen und Immobilien. Diese Unterteilung war schon im römischen Recht bekannt und wurde in bezug auf mobiles Vermögen in der Formel mobilia personam sequuntur ausgedrückt.20
2. Verfassungsrechtliche und gesetzliche Begriffe des „Kulturgutes“ in der Russischen Föderation In der Verfassung der Russischen Föderation verwendet man die Begriffe „Kulturgüter“, „Kulturerbe“, „Denkmal der Geschichte und Kultur“ als gleich___________ 17
Heinz, K., Kultur – Kulturbegriff – Kulturdenkmalbegriff, 1993, S. 55. Fn. 17, S. 70. 19 Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 14.05.1954, in: Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, 4. Aufl. 1997, S. 11. 20 Boguslavskij (Fn. 6), S. 18. 18
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bedeutende.21 Dabei muß man darauf achten, daß im russischen Recht unter dem „Kulturgut“ nur materielle Werte der Kultur verstanden werden. Immaterielle Güter, z. B. Urheberrechte, werden in der Gesetzgebung über den Schutz der intellektuellen Rechte geregelt.22 Im Gesetz der Russischen Föderation „Die Grundlagen der Gesetzgebung Rußlands über Kultur“ wird ein erweiterter Begriff für Kulturgüter eingeführt.23 Es werden eigentlich wieder, genauso wie in der Verfassung der Russischen Föderation, zwei identische Begriffe erwähnt: „Kulturgut“ und „Kulturerbe“. Dabei versteht die „Grundlage der Gesetzgebung“ unter dem „Kulturerbe“ die materiellen und geistigen Schätze, die in der Vergangenheit entstanden sind, sowie die Denkmäler, geschichtliche und kulturelle Objekte, die eine Bedeutung für die Bewahrung und Entwicklung der nationalen Eigenart des russischen Volkes haben.24 Der Kreis potentieller Rechtsgüter kann daher als unermeßlich groß bezeichnet werden, während die tatsächliche Einordnung als „Kulturgut“ in erster Linie von Wertvorstellungen geprägt wird. Einen rein objektiven und statischen Kulturgutbegriff kann man wahrscheinlich überhaupt nicht geben. Aus diesem Grund bedient sich der Gesetzgeber unterschiedlicher Hilfsmittel, um den Begriff Kulturgut in eine faßbare Form zu bringen. Deswegen werden in der Gesetzgebung unterschiedliche Definitionen, je nach Schutzbedarf, verwendet. Hinzu kommt, daß die Methoden der Begriffsbestimmung differieren und fast zwangsläufig unbestimmte Begriffe verwendet werden, die ihrerseits wieder einer wertenden Auslegung bedürfen. Die „Grundlagen der Gesetzgebung über Kultur“ stellen fest, daß in der Russischen Föderation alle Formen des Eigentums an Kulturgütern erlaubt sind.25 Es wird vorausgesetzt, daß die Russische Föderation eine zielgerichtete Politik verfolgt, die die Rückführung der illegal aus dem Territorium Rußlands verschleppten Kulturgüter vorsieht.26 Eine detaillierte Bestimmung des Begriffes „Kulturgut“ befindet sich in Art. 6 des Gesetzes der Russischen Föderation „Über Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter“ vom 15. April 1993.27 In Art. 6 des Gesetzes wird erläutert: „Für die Ziele dieses Gesetzes versteht man unter Kulturgütern die materiellen bewegli___________ 21 Art. 44 Abs. 2; Art. 74 Abs. 2 Verfassung der Russischen Föderation, in: Verfassung der Russischen Föderation, 2000, S. 11. 22 Sergeev, A., Das Urheberrecht in Russischen Föderation, 2. Aufl. 2002, S. 15. 23 Zakon, Grundlagen der Gesetzgebung der Russischen Föderation über die Kultur, 1. Aufl. 2000, S. 25. 24 Art. 3 der Grundlagen der Gesetzgebung der Russischen Föderation über die Kultur. 25 Fn. 24, Art. 43. 26 Fn. 24, Art. 59. 27 Das Gesetz über Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter vom 15.04.1993 ʋ 4804-1, in: Rossijskaja Gazeta, Nr. 92, 15.05.1993.
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chen Sachen, die sich auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden“. Darüber hinaus wird im Einklang mit der internationalen Praxis ein Verzeichnis der Kulturgüter verwendet. Zu diesem Verzeichnis gehören (Art. 7 des Gesetzes „Über Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter“ vom 15. April 1993):28 a) Güter von geschichtlichem Wert, einschließlich diejenigen, die mit den Ereignissen von nationaler Bedeutung, mit der Entwicklung der Gesellschaft und des Staates, mit der Geschichte der Wissenschaft und Technik verbunden sind, sowie diejenigen, die zum Leben und zur Tätigkeit besonderer Persönlichkeiten gehören; b) die Sachen und deren Teile, die man als Ergebnis archäologischer Ausgrabungen bezeichnen kann; c) Güter von künstlerischem Interesse, insbesondere: –
Bilder und Zeichnungen, die ausschließlich von Hand auf irgendeinem Träger und irgendeinem Material angefertigt wurden;
–
Originalarbeiten der Bildhauerkunst und der Skulptur in irgendeinem Material;
–
Originale von künstlerischen Zusammenstellungen, die ausschließlich von Hand auf irgendeinem Träger und irgendeinem Material hergestellt wurden;
–
Originale von künstlerischen Zusammenstellungen und Montagen von irgendeinem Material;
–
Künstlerisch ausgestaltete religiöse Werke, insbesondere Ikonen;
–
Originalgravuren, -drucke und -lithographien;
–
die Werke dekorativ angewandter Kunst, einschließlich die künstlerischen Werke aus Glas, Keramik, Holz, Metall, Elfenbein, Stoff und anderen Materialien;
–
Kunstgewerbe;
–
Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologische Lagerstätten;
–
alte Bücher, Dokumente und Publikationen, die ein besonderes Interesse darstellen (historisches, wissenschaftliches, literarisches), einzeln oder in Sammlungen;
___________ 28
Die in der russischen Gesetzgebung aufgezählten Kulturgüter werden entsprechend der UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgütern vom 14.11.1970 strukturiert, in: ILM Bd.10 (1971), S. 289.
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–
alte Münzen, Orden, Medaillen, Siegel und andere Gegenstände für die Sammlungen;
–
seltene Manuskripte und Inkunabeln;
–
Archive, einschließlich Foto-, Phono- und Filmarchive;
–
einzigartige und seltene Musikinstrumente;
–
Briefmarken und ähnliches, einzeln oder in Sammlungen;
–
seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Anatomie sowie Gegenstände von paläontologischem Interesse;
–
andere bewegliche Sachen, einschließlich Kopien, die eine historische, künstlerische, wissenschaftliche oder andere kulturelle Bedeutung haben, sowie diejenigen, die der Staat als Denkmäler der Geschichte und Kultur schützt.
Die Aufzählung der Kategorien ist nicht abschließend. Es besteht immer die Möglichkeit, diesem Verzeichnis andere Kulturgüter hinzufügen, die im Gesetz nicht erwähnt sind. Das Gesetz steckt den Rahmen jener Objekte, die in seinen sachlichen Anwendungsbereich fallen können, wie ersichtlich, sehr weit ab. Die Kategorisierung erfolgt hauptsächlich hinsichtlich der Art von Gegenständen, nur vereinzelt finden sich Altersgrenzen. Grundsätzlich kann man in der russischen Gesetzgebung zwei Modelle unterscheiden: zum einen das Verzeichnismodell, zum anderen das Kategorienmodell. Im ersten Fall wird im Gesetz nicht definiert, welche Kulturgüter schützenswert sind; vielmehr ergibt sich die Schutzwürdigkeit der Kulturgüter konstitutiv aus der Eintragung in ein Verzeichnis der schutzwürdigen Kulturgüter. Im zweiten Fall wird im Gesetz bestimmt, welcher Kunstgegenstand potentiell schützenswert ist. Ein Verzeichnismodell hat einige Vorteile. Für den Eigentümer von Kunstgegenständen ergeben sich in diesem Fall keinerlei Unsicherheiten, ob sein Kunstgegenstand potentiell schutzwürdig ist und damit eine Ausfuhr einer Genehmigung bedarf oder ob eine Ausfuhr ohne Genehmigung erfolgen kann.
3. Grundlagen des Kulturgüterschutzes im Rahmen des Völkerrechts und der Partnerschaft zwischen Rußland und EU a) Internationale Beziehungen Rußlands im Rahmen der kulturellen Zusammenarbeit Mit dem Ende des Kommunismus in Europa und dem Zerfall des ehemaligen Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) veränderte sich die Euro-
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päische Welt bedeutend und rasch.29 Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, die sich nach dem Bürgerkrieg in Rußland Ende 1922 herausgebildet hatte, existierte nur bis 1991. Der Drang der konstituierten Staaten der UdSSR nach Unabhängigkeit, territorialer Autonomie und realer Souveränität führte zum Zerfall und zur Umwandlung der UdSSR in eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS). Der Zerfall des kommunistischen Herrschaftssystems und der Sowjetunion hat zur Entstehung der Probleme der neuen Gesetzgebung geführt. Nach der völligen Veränderung des Kräfteverhältnisses, das während des zwanzigsten Jahrhunderts nach dem Ende des „Kalten Kriegs“ entstanden war, waren völlig neue Rechtsregulierungen im Bereich des Schutzes und Rechtsverkehrs der Kulturgüter notwendig. Zur gegenwärtigen Zeit ist Rußland Partner in mehr als 90 internationalen Abkommen, die Fragen des Kulturgüterschutzes betreffen.30 Dazu gehören sowohl die mehrseitigen internationalen Übereinkommen als auch zweiseitige Vereinbarungen auf zwischenstaatlichem Niveau oder auch auf dem Niveau der Staatsorgane. Die völkerrechtlichen Normen stellen einen untrennbaren Teil des russischen Rechtssystems dar. Werden durch einen internationalen Vertrag andere Regelungen als in der Gesetzgebung Rußlands enthalten eingeführt, sind gemäß Art. 15 Abs. 4 der Verfassung die Normen des internationalen Vertrages anwendbar. Die internationalen Verträge, die die Zusammenarbeit im Bereich des Kulturgüterschutzes betreffen, unterliegen der Ratifizierung (Art. 23 des Gesetzes über die Ratifizierung internationaler Verträge).31 Nach dem Zerfall der UdSSR wurde in der Russischen Föderation ein politisches Konzept der „Übernahme der Pflichten und Rechte“ herausgearbeitet. Laut diesem Konzept hat die Russische Föderation die Verpflichtungen der ehemaligen Sowjetunion im Bereich des Kulturgüterschutzes im vollen Umfang übernommen. b) Ausgestaltung der Beziehungen mit der EU und Perspektiven der Zusammenarbeit im Bereich des Kulturgüterschutzes im Rahmen der Zusammenarbeit EU - Rußland Die Annäherung zwischen der EG und Rußland sowie die weitere Entwicklung der Beziehungen erfolgten erst ab Ernennung von Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU. Im Rahmen der von Gorbatschow initiierten Reformen veränderte sich das Verhältnis der Sowjetunion zur Außenwelt und ___________ 29 Simon, Gerhard (Hrsg.), Rußland – eine Kultur am Rande Europas, in: BIOst., Bd. I, 2000, S.11. 30 Liste der internationalen Abkommen, die durch Rußland unterzeichnet sind, in: Boguslawskij (Fn. 6), S. 115. 31 Boguslawskij (Fn. 6), S. 67.
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damit zu Europa rasch.32 Im außenpolitischen Bereich begann eine neue Epoche. Der Zusammenbruch des Kommunismus, die Auflösung des RGW und der weitere Zerfall der Sowjetunion waren überraschend und hatten die Annäherung zwischen dem Nachfolger der UdSSR, nämlich Rußland, und Europa unerwartet stark gebremst. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR trat Rußland als ein selbstständiges Subjekt der Geschichte wieder auf die politische Bühne. Es war dringend erforderlich, ein neues Politik- und Rechtssystem zu bauen, weil das alte einfach nicht funktionierte.33 Rußland mußte aufs Neue die außenpolitischen Kontakte knüpfen, obwohl das Land als Nachfolger der UdSSR anerkannt wurde und fast alle internationalen Abkommen der ehemaligen UdSSR in bezug auf die Russländische Föderation weiter gültig waren. Rußland war gezwungen, neue Ansätze für die Außenpolitik zu entwickeln. Der Staat mußte einen eigenen Platz in der Welt finden, sich an der ganz neuen innenpolitischen und außenpolitischen Situation orientieren. Rußland konnte entweder die Zugehörigkeit zu Europa als „schwächerer Nachbar“ spüren oder einen eigenen Weg ohne Europa in Anbindung an die traditionelle Orientierung finden, zum Beispiel in der Gestaltung der Beziehungen mit den GUS-Ländern. Das Jahr 1994 bezeichnet eine neue Periode im Prozeß der Osterweiterung und Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der EU und Rußland. Damals begann die EU mit der Vorbereitung der Unterzeichnung des neuen Abkommens zwischen Rußland und der EU und es wurde schon im ersten Vorschlag der Kommission vorgesehen, daß dieses Abkommen einen eigenen Platz zwischen den Europa-Abkommen und den schon existierenden Abkommen über den Handel und die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der EG einnimmt.34 Am 24. Juni 1994 unterzeichneten der Präsident der Russischen Förderation, die Regierungschefs der zwölf Mitgliedstaaten, der Präsident des Rats der EG und der Präsident der EGKommission auf der Insel Korfu das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits (PKA). Das Abkommen trat am 1. Dezember 1997 in Kraft.35 Mit der Unterzeichnung des PKA wurden die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Rußland abgesteckt. Seit dieser Periode gilt der Begriff Partnerschaft als zentrales Element der Beziehungen zwischen Rußland und der EU. Die Partnerschaft, die im ___________ 32
Althauser, C., Rußlands Weg in den Europarat, 1997, S. 12. Kempe, I./Van Meuers, W./Ow, B., Direkte Nachbarschaft an der Ostgrenze einer erweiterten EU, in: Die EU-Beitrittsstaaten und ihre östlichen Nachbarn, 1. Aufl. 1999, S. 34. 34 Bull. EU, 1992, Nr. 1/2. 35 BGBl. 1997 II, S. 846. 33
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PKA vorgesehen war, könnte jedoch die erste Stufe eines Integrationsprozesses zwischen Rußland und der EU darstellen. Was bedeutet eigentlich der Begriff „Partnerschaft“? Die Begriffe „Partnerschaft“ und „Strategische Partnerschaft“ werden weder im Vertragstext noch in den später angenommenen Dokumenten über die Zusammenarbeit zwischen der EU und Rußland genau definiert. Es ist offensichtlich, daß man hier eine neue Gestalt der Beziehungen zwischen EU und Rußland gemeint hat. Die Kriterien für eine Begriffsbestimmung und Ziele der Partnerschaft können nur aus der Präambel und aus Art. 1 und 2 des PKA entnommen werden und diese tragen zuerst wirtschaftlichen und politischen Charakter. Ziel dieser Partnerschaft ist es, einen geeigneten Rahmen für den politischen Dialog zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, die Förderung der Wirtschaftsbeziehungen sowie die Ausweitung von Handel und Investitionen zu ermöglichen, einen Rahmen für die schrittweise Integration von Rußland und einen größeren Raum der Zusammenarbeit in Europa zu organisieren sowie die notwendigen Voraussetzungen für die künftige Errichtung einer Freihandelzone zwischen der Gemeinschaft und Rußland zu schaffen.36 Das politische Fundament für eine Partnerschaft sind die Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte, wie sie insbesondere in der Schlußakte von Helsinki und in der Pariser Charta für ein neues Europa definiert sind. Sie sind gemäß Art. 2 sowohl Grundlage der Innen- und Außenpolitik der Vertragsparteien als auch ein wesentlicher Bestandteil der Partnerschaft. Folglich richten sich die Vertragsparteien nach den in der modernen Gesellschaft angenommenen demokratischen Werten und Prinzipien. Es geht um die weitere Entwicklung und Vollendung der Reformprozesse, die in Rußland begonnen haben, und um die weitere Teilnahme der EU an diesem Prozeß. Mit der Partnerschaft sollte die Annäherung Rußlands an die EU erreicht werden. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung in einer Erklärung der Präsidentschaft der EU zum Inkrafttreten des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens am 1. Dezember 1997, in der es heißt: „Mit dem Abkommen wird die Aufnahme Rußlands in die Europäische Familie verankert“.37 Konzeptionell meint die Partnerschaft nicht nur die Zusammenarbeit und die Annäherung, für die die Übereinstimmung der gemeinsamen pragmatischen Interessen ausreicht, sondern auch eine andere Qualität der Beziehungen, die Kongruenz der politischen Prinzipien, Ähnlichkeit der geopolitischen und strategischen Interessen. Tatsächlich charakterisiert die Partnerschaft die Intensität der zwischenstaatlichen Kontakte und der regelmäßige Dialog auf höchster Ebene. Die Partnerschaft ist ein Modell, das sich an der langfristigen und dynamischen Zusammenarbeit in allen Bereichen der internationalen Kooperation – von der Sicherung der nationalen Sicherheit bis zur Entwicklung der Weltwirtschaft und ___________ 36 37
Borko, J., Europäische Union vor dem 21. Jahrhundert, 2001, S. 24. BGBl 1997 II, S. 847-893.
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des Umweltschutzes – orientiert. Folglich verlangt die Partnerschaft gleichberechtigte Beziehungen und weitere Integration. Deswegen kann die Partnerschaft als die erste Stufe der politischen Integration zwischen Rußland und der EU eingeschätzt werden.38 Das Abkommen hat zunächst eine politische und wirtschaftliche Orientierung. Jedoch werden dort die Probleme der Zusammenarbeit zwischen der EU und Rußland im Bereich der Kulturgüterschutz berücksichtigt. Art. 85 Abs. 1 des Abkommens beinhaltet die grundlegenden Normen darüber, daß die Vertragsparteien sich verpflichten, „die kulturelle Zusammenarbeit zu fördern, um die bestehenden Beziehungen zwischen ihren Völkern zu stärken, wobei die künstlerische Freiheit und der gegenseitige Zugang zu künstlerischen Werten geachtet werden“. In Art. 85 Abs. 2 werden die Bereiche der Zusammenarbeit definiert. Dazu gehören der Kulturaustausch zwischen den Organisationen und zwischen denjenigen, die im Kulturbereich arbeiten, der Austausch durch Informationen im Bereich des Denkmalschutzes und die Erhaltung der historischen Plätze. Dabei erwähnt der Vertrag das Erbe nur im Bereich der Architektur. Die Werke der Literatur oder Kunst bleiben tatsächlich außerhalb der Regelung des Abkommens. Nur durch die erweiterte Auslegung und das Wort „insbesondere“ kann man behaupten, daß die Zusammenarbeit den Schutz der anderen Kulturgüter und den Informationsaustausch in bezug auf andere Kulturgüter zwischen den Parteien deckt. Das PKA schuf die ersten institutionellen und politischen Voraussetzungen für die Stimulierung aller Formen der bilateralen Zusammenarbeit zwischen der EU und Rußland. Das PKA trägt deswegen eher einen politischen Charakter und enthält weder eine Präferenzbehandlung des Handels noch einen Zeitplan für die Angleichung der Rechtsvorschriften. Eigentlich wird der Begriff „Annäherung der Gesetzgebung“ weder in der juristischen Praxis noch in den weiterfolgenden Dokumenten erläutert. Zusammenfassend muß man sagen, daß durch das PKA im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen EU und Rußland die ersten Voraussetzungen für Dialog im Rahmen Kulturgüteraustausch und Kulturgüterschutz geschaffen wurden. Seit 2001 werden die ersten Schritte für die Schaffung des gemeinsamen Raums zwischen Rußland und der EU vorgenommen. Im Mai 2005 wurden in Rußland vier „Roadmaps“ oder vier „Wegekarten“ unterzeichnet.39 Diese Dokumente stellen eine Planung der gemeinsamen europäischen Zukunft dar. Es wurden die konkreten Schritte vorgesehen, die zur Schaffung des gemeinsamen ___________ 38
Epiney, Luk, Der Stellenwert des europäischen Gemeinschaftsrechts in den Integrationsvertragen. Schweizer Beiträge zum Europarecht, 1992, S. 21. 39 Offizielle Internetseite des Präsidenten der Russischen Föderation. Die internationalen Dokumente. http://www.kremlin.ru/interdocs/2005/05/10/1 940_type7206787994. shtml?type=72067.
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Wirtschaftsraums, des gemeinsamen Raums der Sicherheit und des gemeinsamen Raums im Bereich der Wissenschaft und Kultur führen sollen. Als wichtigste gemeinsame Ziele sind in diesem Dokument die Zugänglichkeit der Kulturgüter für die Bevölkerung und die Erweiterung des zwischenkulturellen Dialogs genannt. Als wichtig werden die Maßnahmen der Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Museen Rußlands und Europas sowie die Entwicklung der Kooperation im Rahmen der internationalen Organisationen, insbesondere im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, formuliert. Insgesamt kommt man aber nicht umhin festzustellen, daß die Fragen des Kulturgüterschutzes im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und Rußland sehr wenig herausgearbeitet werden.
4. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes der Kulturgüter auf dem Territorium der Russischen Föderation Art. 44 Abs. 2 der Verfassung der Russischen Föderation gewährleistet dem einzelnen das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben, Benutzung der kulturellen Einrichtungen und Zugang zu Kulturgütern. Dabei korrespondiert mit dem Recht des einzelnen die Pflicht des einzelnen, sich um die Erhaltung des historischen und kulturellen Erbes zu kümmern und die Denkmäler der Kultur und Geschichte zu bewahren.40 Mit dem Ziel, die verfassungsrechtlichen Freiheiten zu konkretisieren, gewährleisten die „Grundlagen der Gesetzgebung über die Kultur“ das Recht auf die Heranführung an Kulturgüter, auf Zugang zu den staatlichen Bibliotheken, Museen, Archiven und anderen Sammlungen in allen Bereichen der kulturellen Tätigkeit. Der Zugang kann nur aus den Gründen der Bewahrung des Staatsgeheimnisses oder besonderer Nutzungsregelungen, die ausschließlich durch die Gesetzgebung der Russischen Föderation festgelegt werden, Beschränkungen erfahren.41 Die Grundlagen der Gesetzgebung der Russischen Föderation über die Kultur von 9. Oktober 1992 Nr. 3612-1 proklamieren die grundlegende Rolle der Kultur in der Entwicklung und Selbstverwirklichung der Persönlichkeit, der Humanisierung der Gesellschaft und der Erhaltung der nationalen Eigenart der Völker. Die Verwirklichung des Rechts auf die Teilnahme an dem Kulturleben ist davon abhängig, inwieweit die Bevölkerung durch Einrichtun___________ 40
Karpovitsch, V./Lasareva, V./Okunkova, L./Kutafina, O. (Hrsg.), Kommentar zu der Verfassung der Russischen Föderation. Art. 44. Elektronische Version, in: http:// constitution.garant.ru/DOC_3866952.htm. 41 Die Grundlagen der Gesetzgebung der Russischen Föderation über die Kultur von 09.10.1992, Nr. 3612-1, in: Zakon (Fn. 23), S. 25 ff.
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gen der Kultur versorgt wird (damit sind die Bibliotheken, Theater, Konzerthallen, Museen, Bildgalerien gemeint). Das Gesetzbuch über den Städtebau der Russischen Föderation und das Föderale Gesetz vom 17. November 1995 Nr. 169-FZ "über die Bautätigkeit in der Russischen Föderation“ beinhalten ein Verbot für die Planung und den Bau von Wohngebieten ohne kulturelle Einrichtungen. Die Kultureinrichtungen müssen unter Berücksichtigung der Bauforderungen und Bedürfnisse der Einwohner errichtet werden. Der Zugang zu den Kulturgütern umfaßt die kostenlose Nutzung der Bibliotheken, die der Bevölkerung zugänglich sind, und vernünftige Eintrittspreise in Theater, Konzerthallen und Museen. Die Gesetzgebung verpflichtet die kulturellen Einrichtungen zu speziellen Ermäßigungen für Kinder, Studierende, Behinderte und andere Teile der Bevölkerung. Das Recht, die Kulturgüter zu nutzen, ist untrennbar mit der Pflicht verbunden, sich um die Erhaltung des Kulturerbes zu kümmern und die Denkmale der Kultur und Geschichte zu bewahren (Art. 44 Abs. 3 der Verfassung der Russischen Föderation). Die Denkmale der Kultur und Geschichte unterliegen der staatlichen Kontrolle und werden durch den Staat registriert. Das Kulturerbe der Bevölkerung Rußlands ist außerordentlich reich. Das sind die materiellen und geistlichen Schätze, die enorme Bedeutung für die Bewahrung der nationalen Eigenart der Völker Rußlands haben. Der Verlust des Kulturerbes kann irreversibel sein. Aus diesem Grund wird die Vernichtung oder Beschädigung der Denkmäler der Kultur strafrechtlich verfolgt und führt zur Schadensersatzpflicht.42
5. Zivilrechtlicher Schutz der Kulturgüter in Rußland a) Der anfängliche Eigentumserwerb im russischen bürgerlichen Recht Entscheidend für den tatsächlichen Erhalt der nationalen Kulturgüter ist nicht das Bestehen von Export- oder Veräußerungsverboten, sondern die zivilrechtliche Einordnung der Kulturgüter. Sie entscheidet über die Gefahr bei illegaler Ausfuhr und damit über Rückgaberechte und -bedingungen. Charakteristisch für alle sachenrechtlichen Regelungsmodelle, so unterschiedlich sie in den einzelnen Staaten auch sein mögen, ist, daß das Eigentum an nationalen Kulturgütern vom öffentlichen Interesse überlagert und eingeschränkt ist.43 Die Betrachtung der Regelungsgruppen der EU-Länder zeigt, daß jeder Staat auf seine Weise versucht, das auf dem Staatsgebiet befindliche Kulturgut dort zu ___________ 42 Okunkov, L. (Hrsg.), Kommentar zur Verfassung der Russischen Föderation. Offizielle elektronische Version des ZGB RF mit Kommentar: http://www.garweb.ru/project/law/doc/10064072/10064072-001.htm. 43 Bila, J., Nationaler Kulturgüterschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 85.
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konservieren und gesetzlich den Verlust des Kulturgutes an das Ausland zu vermeiden.44 Die Exportgesetze enthalten die Bestimmung von Kriterien, bei deren Vorliegen eine bestimmte Kontrollmaßnahme vorgenommen werden darf, sowie die zur Kontrollmaßnahme erforderlichen Ermächtigungen. In den nationalen Regelungen der europäischen Länder sind Exportverbote vorgesehen, zeitlich beschränkte und unbeschränkte Vorkaufsrechte für den Staat oder von öffentlichen Sammlungen, die Bindung von Ausfuhrgenehmigungen an Auflagen sowie strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen die Kulturgüterschutzbestimmungen. In Rußland befindet sich die Mehrheit von Regelungen bezüglich des Rechtsverkehrs der Kulturgüter im Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation.45 Dieses bildet die Grundlage für den Erwerb der Kulturgüter. Im russischen Zivilrecht unterscheidet man den anfänglichen und den abgeleiteten Eigentumserwerb. Zum anfänglichen Weg des Eigentumserwerbes gehört zum Beispiel die Herstellung der neuen Sache.46 Im Fall der Herstellung wird der Schöpfer selbst der Eigentümer des Bildes oder der Skulptur. Darüber hinaus behält er die Urheberrechte, wenn das Bild oder die Skulptur an andere Personen aufgrund eines Kaufvertrages, Schenkungsvertrages oder in der Erbfolge übergeht und die andere Person das Eigentum am Bild oder an der Skulptur erhält.47 Im russischen Recht gilt kein Abstraktionsprinzip zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft. Das Eigentum kann durch Verpflichtungsgeschäft (z. B. durch den Kaufvertrag) erworben werden. Zu den anfänglichen Wegen des Eigentumserwerbes zählt auch die Entdekkung eines Schatzes. Wenn der Schatz jedoch als Denkmal der Geschichte oder Kultur eingestuft wird, muß er in staatliche Hände übergeben werden.48 Ein weiterer Weg des Eigentumserwerbes ist die Ersitzung.49 Der Erwerb durch Ersitzung tritt nach Art. 234 ZGB RF ein, wenn der Erwerber den beweglichen Gegenstand fünf Jahre redlich, offen und ununterbrochen als seinen eigenen besessen hat. Der Beginn der Frist für die Ersitzung beginnt bei einer Vindikationslage nicht mit der Inbesitznahme der Sache, sondern später. Nach russischem Recht muß erst der Herausgabeanspruch des Eigentümers verjährt sein, bevor die Ersitzungsfrist überhaupt beginnen kann. Dabei muß man beachten, daß die Fristen, die in Art. 234 Abs. 1 ZGB RF genannt sind, mit den ___________ 44
Fn. 43, S. 98. Der erste Teil des ZGB RF ist am 01.01.2005 in Kraft getreten. Offizielle elektronische Version des ZGB RF mit Kommentar befindet sich in dem Rechtsystem „Garant“, http://www.garweb.ru. 46 Sadikov, A. (Hrsg.), Das Zivilrecht der Russischen Föderation. Allgemeiner Teil, 2001, S. 441 ff. 47 Boguslavskij (Fn. 6), S. 92. 48 Boguslavskij (Fn. 6), S. 93. 49 Fn. 6, S. 194 ff. 45
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Fristen, die im Gesetz von 1993 „Über Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter“ genannt sind, nicht übereinstimmen. Im ZGB RF spricht man von einer fünfjährigen Frist in bezug auf das bewegliche Eigentum. Im Gesetz von 1993 spricht man hingegen bei beweglichen Sachen, wie Kulturgütern, von einer 20jährigen Verjährungsfrist. Man muß daher die spezielle 20-jährige Frist anwenden.50 Das Eigentumsrecht bei gutgläubigem Erwerb entsteht unabhängig von dem Willen und den Rechten des früheren Eigentümers.51 Schließlich wird ein Eigentumserwerb von Kulturgütern durch Nationalisierung bewirkt. Auf dem Territorium der Russischen Föderation wurde die Nationalisierung von 1918 bis 1920 und von 1940 bis 1941 ohne Entschädigungen durchgeführt.52 Im Gegensatz zu früheren Bedingungen der Nationalisierung ist derzeit die Umwandlung eines Vermögens in Staatseigentum nur aufgrund eines Gesetzes möglich. Dabei müssen der Wert dieses Vermögens und andere Verluste dem Eigentümer erstattet werden. Gemäß Art. 35 der Verfassung der Russischen Föderation kann die erzwungene Enteignung eines Vermögens zugunsten staatlicher Belange nur mit einer vorangehenden und gleichwertigen Erstattung einhergehen. Im russischen Recht führen also traditionell folgende Wege zum anfänglichen Eigentumserwerb: 1) Herstellung der neuen Sache, 2) Erwerb des Eigentums an der herrenlosen Sache, 3) Erwerb des Eigentumsrechts aufgrund der archäologischen Ausgrabungen, 4) Ersitzung und 5) Erwerb des Eigentums im Wege der Nationalisierung durch den Staat. b) Die abgeleitete Form des Entstehens von Eigentum Von besonderer Bedeutung hinsichtlich der Kulturwerte sind die abgeleiteten Formen des Entstehens von Eigentum: –
durch Kaufvertrag;
–
durch Schenkungsvertrag;
–
im Erbfall.
Zu den abgeleiteten Formen, die eine Bedeutung auch für den internationalen Umsatz der Kulturwerte haben, gehören: Verkauf bei der Versteigerung des unwirtschaftlichen Vermögens und Rückkauf der Kulturwerte vom Staat. Gemäß Art. 454 ZGB RF wird durch Kaufvertrag eine Partei (Verkäufer) verpflichtet, einen Gegenstand (Ware) ins Eigentum des Käufers zu übergeben. ___________ 50
Mazein, D., Sämtliche Probleme der Rechtsregulierung des zivilrechtlichen Verkehrs von beweglichen Kulturgüter, in: Zurnal Rossijskogo Prava, 2004, Nr. 9, S. 46-47. 51 Boguslavskij (Fn. 6), S. 92. 52 Boguslavskij (Fn. 6), S. 93 ff.
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Der Käufer wird verpflichtet, diese Ware anzunehmen und dafür einen bestimmten Geldbetrag zu bezahlen. Der Kauf von Kulturwerten unterscheidet sich von normalen Kaufverträgen. Eine besondere, nämlich für diesen Bereich spezifische Form ist der Versteigerungsverkauf. Im gegenwärtigen Rußland wurden Versteigerungen erstmals durch die Firma „Alfa Art“ durchgeführt. Derzeit beschäftigt sich diese Firma nur mit dem Verkauf von Bildern durch spezielle Galerien. Von den ursprünglich existierenden Auktionshäusern ist nur noch das Haus „Gelos“ tätig. „Gelos“ hat eine führende Position auf dem Kunsthandelsmarkt in Rußland. Außer Handelsgeschäften in Moskau hat das Haus Filialen in den Regionen und eine Vertretungsfirma in London.53 Ein weiterer Grund für einen Eigentumserwerb ist der Schenkungsvertrag. Aus juristischer Sicht ist eine Schenkung ein Vertrag, durch den eine Partei (Schenker) einer anderen Partei (Beschenkter) einen Gegenstand ins Eigentum kostenlos übergibt oder zu übergeben verpflichtet wird. Als Spende wird die Schenkung eines Gegenstandes zu gemeinnützigen Zwecken anerkannt. Gemäß Art. 582 ZGB RF kann etwas den Museen, den Stiftungen und anderen Kultureinrichtungen gespendet werden. Bei Schenkungsverträgen mit Teilnahme ausländischer Personen oder bei den Verträgen mit zusätzlichen ausländischen Elementen wird gemäß Art. 1211 ZGB RF das Recht des Landes angewendet, in dem sich der Wohnsitz des Schenkers oder sein Hauptsitz während der Tätigkeit befindet. Die Schenkung ist einer der ältesten Verträge im Bereich des bürgerlichen Rechts. Dieser Vertrag war noch im römischen Recht als einer der Entstehensgründe des Eigentumsrechts bekannt. Das Hauptprinzip dieses Vertrages ist seine Unentgeltlichkeit. Die Hauptverpflichtung des Schenkers ist die Übergabe des Geschenkes. c) Vindikationsklage Hauptrechtsmittel zugunsten des Eigentumsschutzes ist die sog. Vindikationsklage. Man versteht darunter eine Klage des Eigentümers ohne Besitz gegen den Besitzer.54 Im römischen Recht hieß der Restitutionsanspruch rei vindicatio (von vim dicere – Gewalt androhen) und bezeichnete das Verhaltensrecht des Eigentümers im Zusammenhang mit der Suche und der Rückgabe seines Gegenstandes (wo ich meinen Gegenstand finde, dort verlange ich ihn heraus – ubi rem meam invenio, ibi eam vindico).55 Gleichzeitig wurde der materiellrechtliche Begriff der Vindikation als Forderung des Eigentümers an den ___________ 53
Boguslavskij (Fn. 6), S. 392 ff. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation, 2. Aufl. 2002, S. 652 ff. 55 Boguslawskij (Fn. 6), S. 97. 54
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Nichteigentümer verstanden, ihm den Gegenstand zurückzugeben (restituere rem). Als Kläger galt dabei der Eigentümer, der seinen Gegenstand zurückforderte. Als Beklagter wurde jeder Besitzer des Gegenstandes im Moment der Einleitung der Streitsache anerkannt. Das Verhältnis zwischen den Parteien wurde mit Hilfe des Magistrats, später des Richters festgestellt. Der Richter beschloß, bei welcher von den Parteien sich der bestreitete Gegenstand im Besitz befindet (unabhängig vom Besitzgrund) und wer dementsprechend Beklagter im Eigentumsverfahren sein wird. Nach der russischen bürgerlichen Gesetzgebung soll der Kläger beweisen, daß er Gegenstandseigentümer ist.56 Er soll auch das Recht auf Eigentum nicht an einem ähnlichen Gegenstand oder an einem Gegenstand solcher Art, sondern auf diesen konkreten Gegenstand haben. Je größer die Bedeutung eines Kulturwertes, je mehr er in der Kulturgeschichte bekannt ist, desto leichter ist es, das Eigentumsrecht an ihn zu beweisen. Es ist schwierig, die echten großen Kulturwerte geheim zu halten. Sie werden in den Katalogen von Museen und Versteigerungen widergegeben, in verschiedenen Riesters registriert und in der Literatur beschrieben. Aber es ist schwieriger, das Eigentumsrecht auf etwas zu beweisen, was wir als Kulturwerte der gewöhnlichen Lebensweise bezeichnen.57 Bei der Betrachtung der Vindikationsklage ist es notwendig, das Problem der Interessenkollision des Eigentümers und derjenigen Person zu lösen, die den Gegenstand nicht gestohlen, nicht auf einem Weg gefunden hat, sondern die diesen Gegenstand bei jemandem erworben hat und dabei nicht wußte, daß diejenige Person, bei der dieser Gegenstand gekauft oder von der er geerbt worden ist, kein Recht hatte, über diesen Gegenstand zu verfügen.58 Ansonsten soll der Käufer gutgläubiger Erwerber sein. Das Problem der Interessenkollision zwischen dem Eigentümer und dem gutgläubigen Erwerber existiert mindestens seit 2000 Jahren. Das römische Recht hatte dieses Problem im Interesse des Eigentümers gelöst. Obwohl der Käufer des Gegenstandes der ehrlichste und der gewissenhafteste sein konnte, sprach es „nein, vor allem muß man den Eigentümer verteidigen“. Er hat Recht und der Käufer hat in demselben Moment gar kein Recht. Den Gegenstand muß man zurückgeben. Aber die Gesetzgebung der europäischen Länder folgte schon im früheren Mittelalter einem anderen Weg, nämlich dem Weg des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers. Das geschah aus einem einfachen Grund. Beim Schutz nur des Eigentümers wird der Handel außerordentlich riskant, wenn unter dem Umsatzgegenstand die Kulturwerte verstanden werden. ___________ 56
Boguslawskij (Fn. 6), S. 97. Makovskij, A., Probleme der Restitution und gutgläubigen Erwerb der Kulturgüter, 2004, S. 319. 58 Makovskij (Fn. 57), S. 312. 57
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Hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbens innerhalb der verschiedenen Rechtssysteme gibt es unterschiedliche Standpunkte. Nach französischem Recht genießt der Käufer von Kulturgütern auch dann einen umfassenden Schutz in seiner Position als Erwerber, wenn der Gegenstand illegal gehandelt wurde. Im französischen Code Civile gilt gemäß Art. 2279 der Grundsatz, daß der Besitzer einer Sache auch ihr Eigentümer ist. Allein der Rechtsschein des Besitzes ist ausreichend und zwar derart umfassend, daß im Gegensatz zum deutschen Recht das Eigentum hier keine Rechtsposition ist, die gegenüber jedermann wirkt.59 In der russischen Gesetzgebung wird in vielen Fällen nicht der Eigentümer, sondern der gutgläubige Erwerber geschützt. Gutgläubiger Erwerber ist derjenige, der nicht wußte und nicht wissen konnte, daß er das Vermögen bei einer Person erwirbt, die kein Recht auf die Übergabe des Eigentums hatte. Der Eigentümer darf nur dann das Eigentum vom Besitzer verlangen, wenn das Eigentum ohne seinen Willen abhanden gekommen war (verloren, gestohlen) (Art. 302 ZGB RF). Laut dem Beschluß des Plenums des Höchsten Schiedsgerichts der Russischen Föderation „Über einige Fragen der Gerichtspraxis über die Streitigkeiten, die mit Schutz des Eigentumsrechtes und anderen dinglichen Rechten verbunden sind“, wird der Verkäufer nicht als gutgläubiger Erwerber anerkannt, wenn im Augenblick des gesetzmäßigen Vertragsschlusses rechtmäßige Ansprüche von Dritten vorhanden waren. Dabei muß der Käufer von dem Vorhandensein dieser Ansprüche wissen und diese Ansprüche müssen als rechtmäßig eingestuft sein. Laut Art. 43 des Gesetzes von 1993 „Über Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter“ sollen „im Fall des gutgläubigen Erwerbs diejenigen Kulturgüter dem legalen Eigentümer zurückgegeben werden, die illegal aus den Territorien der anderen Länder ausgeführt, gestohlen oder verloren sind“. Die Forderung zur Rückgabe der Kulturgüter muß der Staat stellen, der an dem gültigen Abkommen mit der Russischen Föderation teilnimmt. Das Abkommen setzt die „kompensatorischen Auszahlungen für den gutgläubigen Erwerber voraus“. Dabei muß man Art. 43 des Gesetzes berücksichtigen. Die juristische oder natürliche Person, die nicht Eigentümer ist, aber mehr als 20 Jahre offen und gutgläubig die Sache besitzt, erwirbt das Recht auf dieses Kulturgut. Die zentrale Frage dieses Problems ist der Begriff „gutgläubiger Erwerb“. Gutgläubig ist ein Erwerber dann, wenn er nicht wußte und nicht wissen konnte, daß er die Sache bei einer Person erwirbt, die keine Rechte auf Übereignung der Sache hatte. Diese Kriterien sind rein subjektiv. In jedem Fall sind die Kriterien von den Umständen abhängig, bei denen der Erwerb des Kulturgutes ___________ 59
Bila (Fn. 43), S. 90 ff.
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stattgefunden hatte. Auf jeden Fall ist eine sorgfältige Betrachtung und Interessenabwägung notwendig, um auf die Frage zu antworten, ob der Erwerber daran hätte denken können, daß er die Sache von einem Nichteigentümer bekommt.60
6. Kampf gegen Diebstahl der Kulturgüter und gegen deren illegale Ausfuhr a) Ausfuhr der Kulturgüter Der Diebstahl der Kulturgüter ist eng mit der illegalen Ausfuhr verbunden. Der Handel mit den Kulturgütern steigt nach wie vor. Die European Fine Art Foundation (TEFAF) beziffert den Umsatz des weltweiten legalen Kunstmarktes für das Jahr 2001 mit 26,7 Milliarden Euro, rund 45 davon werden in Europa erzielt.61 Neben dem großen legalen Kulturgütermarkt floriert – ausgelöst durch die stetige große Nachfrage und die erzielbaren Preise und erleichtert durch die Öffnungen der Grenzen, die Verbesserungen in den Transportsystemen und nicht zuletzt durch die politische Instabilität verschiedener Länder – auch der illegale Handel mit Kulturgütern. Eine Möglichkeit der Prävention solcher Straftaten liegt in der Schaffung strafbewehrter Ausfuhrverbote. In der Sowjetunion galt das Gesetz vom 29. Oktober 1976 „Von Schutz und Nutzung der Geschichts- und Kulturdenkmäler“.62 In Art. 28 sah das Gesetz ein Verbot des Exportes der Geschichts- und Kulturdenkmale aus der UdSSR vor. Eine Ausnahme wurde nur im Einzelfall zugelassen. Es galt auch die Verordnung des Ministerrates vom 12. November 1979 „Von den Maßnahmen der Vorbeugung widerrechtlicher Ausführung der Kulturwerte aus der UdSSR“ und die Vorschrift des Kulturministeriums Rußlands vom 23. März 1987 „Von der Kontrolle des Exports der Kulturwerte aus der UdSSR“.63 Die wichtigsten Bestimmungen, die zur Zeit in diesem Bereich gültig sind, enthalten das Gesetz der RF vom 15. April 1993 „Von Ausfuhr und Einfuhr der Kulturwerte“, der Zollkodex der RF vom 28. März 2003 (seit 1. Januar 2004 in Kraft getreten) und die Bestimmung der Regierung der RF vom 17. Juni 2004 „Vom Bundesaufsichtsdienst über Einhaltung der Gesetzgebung im Bereich von Massenmedien und zum Schutz des Kulturerbes“: ___________ 60
Boguslavskij (Fn. 6), S. 99. Spaun, S., Der Herausgabeanspruch bei Diebstahl oder illegalem Export von Kulturgütern, 2001, S. 26. 62 Vedomosti Verchovnogo Soveta USSR, 1976, Nr. 44, S. 628. 63 Bukreev, M., Die Gesetzgebung Rußlands über Kultur, 2003, S. 195-235. 61
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Auf der föderalen Ebene wurde damit ein spezieller Bundesaufsichtsdienst mit dem Ziel, die Kontrolle über Ausfuhr und Einfuhr der Kulturgüter zu organisieren, geschaffen. Der Bundesaufsichtsdienst beschäftigt sich mit der staatlichen Überwachung des Exports aus Rußland und des Imports der Kulturwerte: er –
erstellt eine Expertise über Kulturwerte für Export oder befristete Ausfuhr und über deren Einfuhr nach einer befristeten Ausfuhr;
–
trifft die Entscheidungen über die Möglichkeit, die Kulturwerte aus Rußland zu exportieren oder befristet auszuführen;
–
stellt den natürlichen und juristischen Personen die Urkunden aus, mit denen sie ein Recht auf entsprechende Ausfuhr haben;
–
schließt die Verträge zur Rückgabe der ausgeführten Kulturwerte mit den Personen ab, die die entsprechenden Anträge auf befristete Ausfuhren stellen;
–
fördert die Eigentümer bei der Wiedereinsetzung ihrer Rechte auf Kulturwerte, falls sie widerrechtlich aus- oder eingeführt oder Eigentumsrechte auf sie falsch übergeben worden sind, und bei der Rückgabe der Kulturwerte nach der RF, falls sie widerrechtlich ausgeführt wurden.
Eine sehr wichtige Funktion des Bundesaufsichtsdienstes ist die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen durch die RF hinsichtlich der Kulturwerte, die in der Sowjetunion während und nach dem Zweiten Weltkrieg von anderen Orten überbracht wurden und sich auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden, sowie die Überwachung von deren Unversehrtheit. Das Gesetz „Über Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter“ von 1993 fördert die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Kultur, gegenseitiges Kennenlernen der Völker der RF und anderer Staaten mit den Kulturwerten. Das Gesetz baut auf dem Prinzip des einheitlichen Zollraums auf und legt eine einheitliche Ordnung des Exports und Imports der Kulturwerte auf dem Territorium der Russischen Föderation fest. Diese Ordnung wird auf alle Kulturwerte ungeachtet ihrer Eigentumslage angewendet. Die Geltung des Gesetzes erstreckt sich auf alle Eigentümer von Kulturwerten. Im Gesetz ist vorgesehen, daß seine Grundsätze für alle natürlichen und juristischen Personen, die sich auf dem Territorium der RF befinden oder dort ihrer Tätigkeit nachgehen, obligatorisch sind. Zugleich beinhaltet das Gesetz die staatliche Regulierung des Exports und Imports der Kulturwerte und die Überwachung von Ausfuhr/Einfuhr. Im Gesetz werden auch der Begriff und die Liste der Kulturwerte und Gegenstandskategorien, die unter seinen Geltungsbereich fallen, aufgeführt und auch Kategorien der Kulturwerte bestimmt, die einer Ausfuhr aus der RF nicht zugänglich sind. Unter der Ausfuhr der Kulturwerte versteht das Gesetz die Verbringung der Kulturwerte, die sich auf dem Territorium der RF befinden,
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von beliebigen Personen für beliebige Ziele über die Zollgrenze der RF, ohne Verpflichtung, sie wieder einzuführen. Die Einfuhr der Kulturwerte meint hingegen die Verbringung der Kulturwerte, die sich auf dem Territorium eines ausländischen Staates befinden, von beliebigen Personen für beliebige Ziele über die Zollgrenze der RF, ohne Verpflichtung, sie wieder auszuführen. Die Besonderheit der in Rußland geltenden Rechtsakte ist, daß sie zwischen den Kulturwerten, für die eine Exporterlaubnis benötigt wird, und den Kulturgegenständen, für die eine solche Erlaubnis nicht möglich ist, unterscheiden. Im Gesetz sind also zwei Kategorien der Kulturwerte vorgesehen. Zur ersten gehören diejenigen, die der Ausfuhr überhaupt nicht unterliegen, d.h. hinsichtlich dieser Werte gilt ein absolutes Ausfuhrverbot. Hierzu gehören: –
bewegliche Gegenstände von geschichtlichem, künstlerischem, wissenschaftlichem und anderem Wert, die entsprechend der geltenden Gesetzgebung zu den besonders kostbaren Objekten des Kulturerbes der Völker der RF gehören, unabhängig von der Zeit ihrer Entstehung;
–
bewegliche Gegenstände, unabhängig von der Zeit ihrer Entstehung, die vom Staat geschützt werden und in die Schutzlisten und Register nach der Gesetzgebung der RF eingetragen sind;
–
Kulturwerte, die ständig in den staatlichen und städtischen Museen, Archiven, Bibliotheken und anderen Kulturaufbewahrungsorten der RF gelagert werden; aufgrund einer Entscheidung der zuständigen staatlichen Behörden kann auch der Bestand anderer Museen, Archive und Bibliotheken erfaßt sein;
–
Kulturwerte, die vor mehr als 100 Jahren entstanden, wenn anderes vom Gesetz 1993 nicht vorgesehen wurde. – Es sei daran erinnert, daß die 100-Jahre-Grenze sowohl in der Konvention der UNESCO von 1970, deren Mitglied unser Land ist, als auch in den Rechtsakten der EU verwendet wird, was eine bestehende internationale Praxis nachweist, die man nicht ignorieren darf.
Zur zweiten Kategorie gehören die Werte, die nach der Entscheidung über die Erlaubnis ihres Exports, die aufgrund einer Expertise getroffen wird, ausgeführt werden dürfen. Alle Kulturgüter, die man aus Rußland auszuführen plant, unterliegen obligatorisch der Expertise. Aufgrund dieses Gutachtens wird entschieden, ob die Ausfuhr möglich ist. Die Expertise wird von den zuständigen Spezialisten der Museen, Archive, Bibliotheken, Restaurationsorganisationen, wissenschaftlichen Forschungsorganisationen und anderen Spezialisten, die nebenamtliche Experten des Kulturministeriums der RF und (oder) Mitglieder der entsprechenden Expertenkommissionen des Kulturministeriums der RF oder seiner territorialen Organe sind, erstellt. Laut der „Vorschrift von der Durchführung einer Expertise und der Ausfuhrüberwachung der Kulturwerte“ wird der Expertenbeschluß (schrift-
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lich) aufgrund der umfassenden Analyse der Kulturwerte und einer weiteren Betrachtung der zur Verfügung gestellten Dokumente ausgesprochen, bei der ihre Echtheit, Autorenschaft, Maße (Gewicht), sonstigen Besonderheiten und ihr Unversehrtheitszustand bestimmt werden. Die schließlich erteilte rechtliche Urkunde, aufgrund der man die Kulturwerte ausführen darf, ist die Voraussetzung fürs Durchlassen der Kulturwerte über die Zoll- und Staatsgrenze der RF. Ohne diese Urkunde ist eine solche Ausfuhr verboten. Besondere Regelungen existieren für die Staatsbürger, die die RF mit dem Ziel des ständigen Aufenthalts in einem anderen Land verlassen. Es geht dabei um Kulturgüter von Bürgern, die Familienreliquien oder Kulturschätze darstellen. In diesem Fall kann ein „Zwischenbehördlicher Rat für die Fragen der Ausfuhr und Einfuhr von Kulturgütern“ die Ausfuhr von Kulturgütern, die gemäß Art. 9 dieses Gesetzes einem Ausfuhrverbot unterliegen, ausnahmsweise dann erlauben, wenn der Eigentümer des Kulturgutes ohne Entgelt einige Sachen aus seiner Kollektion, die besondere kulturelle Bedeutung haben, den staatlichen Museen, Bibliotheken oder Archiven übergibt. Diese Verträge werden zwischen dem Eigentümer des Kulturgutes und dem Ministerium für Kultur der Russischen Föderation oder dem Archivdienst der Russischen Föderation abgeschlossen. Eine andere Variante, die das Gesetz voraussieht, ist der Verkauf an den Staat. Der „Föderale Dienst für den Schutz der Kulturgüter“ kann aufgrund des Gutachtens einer Expertenkommission eine Entscheidung über den Erwerb der Kulturgüter durch den Staat treffen. Solche Kulturgüter werden für staatliche Museen, Bibliotheken oder Archive erworben. Folglich wird das Recht des Eigentümers, mit der Sache beliebig zu verfahren, durch den Staat aufgrund des genannten Gesetzes beschränkt. b) Einfuhr der Kulturgüter Das Föderale Gesetz von 15. April 1993 „Über die Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter“ legt auch die Bedingungen der Einfuhr von Kulturgütern nach Rußland fest. Die eingeführten Kulturgüter unterliegen der Zollkontrolle und werden speziell registriert. Die Einfuhr von Kulturgütern, die Gegenstand von Ermittlungsverfahren der Kriminalpolizei sind, ist verboten. Diese Kulturgüter werden von der Polizei einbehalten und unterliegen der Rückgabe an den Eigentümer. Das neue Zollgesetzbuch vom 1. Januar 2004 regelt die einzelnen Prozeduren der Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter. Zu den Aufgaben der Zollbehörde gehört laut Art. 403 des Zollgesetzbuches die Prävention des illegalen Verkehrs der Kulturgüter über die staatliche Grenze der Russischen Föderation. Weiterhin werden alle eingeführten Kulturgüter von der Bezahlung der Zollabgaben befreit (Art. 282 des Zollgesetzbuches RF).
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c) Strafrechtlicher Schutz gegen Diebstahl und Schmuggelei Illegale Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter werden im russischen Recht als Schmuggel betrachtet. Für die gesetzwidrige Einfuhr und Ausfuhr der Kulturgüter über die Zollgrenze bestimmt Art. 188 Abs. 2 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation eine strafrechtliche Verantwortung. Laut diesem Art. 188 Abs. 2 des StGB RF werden folgende Handlungen als Schmuggel qualifiziert: die Einfuhr oder Ausfuhr von Kulturgütern über die Zollgrenze der Russischen Föderation ohne Zollkontrolle, unter Umgehung der Zollkontrolle, durch Täuschung, ohne Zollerklärung oder mit einer falschen Zollerklärung. Unter Umgehung einer Zollkontrolle versteht man jeden möglichen Weg der Verdeckung, insbesondere mit Hilfe spezieller Behälter o.ä. Eine Täuschung bei der Zollidentifikation ist gegeben bei der Vorlage falscher Zollkontrolldokumente, bei der Verwendung von falschen Plomben oder Identifikationskennzeichnungen etc.64 Art. 164 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation führt die strafrechtliche Verantwortung für den Diebstahl von Sachen und Dokumenten ein, die einen besonderen historischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Wert aufweisen. Der Diebstahl von Kulturgütern ist im Bereich der Straftaten gegen Kulturgüter der gravierendste. Der objektive Straftatbestand wird durch die Wegnahme eines fremden beweglichen Kulturguts verwirklicht, unabhängig von der Art der Wegnahme (heimlich oder offen, mit Gewalt, Betrug oder Arglist). Das heißt, daß es sich beim Diebstahl von Kulturgütern sowohl um Diebstahl im engeren Sinne als auch um Raub, räuberischen Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung handeln kann. Eine spezielle Qualifikation verlangen die entsprechenden Normen nicht.65 * * *
Abstract Oxana Vitvitskaya: The Protection of Cultural Assets in Russia, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 187211. Cultural assets are the objects with an important meaning and therefore a particular legal regulation. Cultural assets are in some legal systems not circu___________ 64 Naumov, A., Kommentar zum StGB RF von 1996. Kommentar zum Art. 188 Abs. 2 StGB RF, Moskau 2004, S. 69. 65 Naumov (Fn. 64), S. 46.
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lating assets. The law of the Russian Federation defines cultural assets as special movable objects. They are property of the state. The terms of “cultural assets” and “monument of history and culture” are used as equivalents in the Russian constitution. The detailed definition of the cultural assets is included in the chapter “About export und import of the cultural treasures from April 15th 1993”. According to art. 6 of this statute „cultural assets are a material and movable property, found on the territory of the Russian Federation”. The Statute includes a list of cultural assets in accordance with the international practice. The legislator introduced a wide definition of the cultural assets and list of objects, which can be defined as such. The method gives the owner of a particular object an opportunity, to know if he needs an authorization for the export or import of the good. There are four levels of protection of cultural assets i.e. the International law level, the constitutional law level, the civil law level and criminal law level. Russia is party of more than 90 international agreements. International law is part of the legal system of Russia and can be directly used by the courts of law. Russia takes part in the work of the leading international organizations pursuing the defense of cultural treasures. We should distinguish such a sphere of international cooperation, which have had a progress lately, namely cooperation between Russian Federation and the European Union. On the 24 June 1994 there was signed an agreement “About the joint activities and partnership between European Union and Russia”. The agreement took into force in 1997. In this regard the cooperation between the Russian Federation and the European Union, signed in June 1994 and entered into force in 1997 is a very important document. The aim of this partnership is the creation of a united space for the development of the economic relations, and the creation of a united economic space between Russia and the European Union. In the frame of the joint activities according to the article 85 of the agreement parties are obliged to promote a joint cooperation in the sphere of culture. To the spheres of joint cooperation are reheard the exchange of specialists and information, promotion in the sphere of culture and defense the architectural heritage and monuments. Four road maps were signed in Russia in March 2005. One of the directions of the joint activities will be the creation of the united European space of culture and science. The next level of protection is the constitutional law of Russia. Article 44 of the Constitution of the Russian Federation guarantees each citizen the participation to cultural life, and access to cultural institutions. These rights are equal to the obligations of each citizen to defended and preserve the cultural
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to the obligations of each citizen to defended and preserve the cultural heritage and monuments of the history and culture of Russia. The constitutional principles are reflected in the state legislation. The measures of protection of the cultural treasures from illegal export and import are envisaged in the Draft of a law of the Russian Federation “About the export und import of cultural assets in the Russian federation”. The criminal legislation regulates the responsibility for the smuggling and theft of the cultural treasures. The rules regarding the acquisition and alienation of such assets are contained by the civil code of the Russian federation. The civil code of Russia envisages the initial way of acquisition of property on the cultural treasures. To it refers find, creation of the cultural treasure and nationalization. To the derivative way of the equitation refers acquisition on the contracts purchase, gift, inheritage.
Schutz von Kulturgütern durch Rumänien Von Monica Vlad In respektvollem Gedenken an Herrn Dr. Reinold Schleifenbaum Das Thema ist von großem Interesse. Es betrifft viele noch ungelöste Aspekte der aktuellen internationalen Beziehungen zwischen den Staaten, besonders Fragen der Kulturbeute des letzten Weltkrieges. In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne die Aussage des rumänischen Philosophen Constantin Noica: „Sein bedeutet kulturelles Sein“. Es ist ein Gedanke, der die Faszination dieses Themas insbesondere auch für Rumänien ausdrückt. Für mich ist diese Tagung eine Freude und damit Anlaß, ein paar Einleitungsideen von Ludwig Uhlich aus seiner „Bildungsgeschichte der Menschheit vorzutragen. Vierundzwanzig Winterabendvorträge, verständlich für jeden, der lesen kann“: „Was ist es denn, wenn die gebildeten Menschen ihren Mitmenschen von ihrem Reichtum etwas abgeben? Ich will aus froher Erfahrung sagen, was es ist: es ist Freude, eine Menge Menschen vor sich zu haben, welche einem, so zu sagen, das Wort vom Munde nehmen. Es ist Freude, in der Vorbereitung auf solchen Vortrag sich selbst noch einmal zu befestigen in dem, was man weiß.“ 1
Ähnliche Gefühle und Gedanken beherrschen mich jetzt, wenn ich vortrage. Es ist ein aktueller Vortrag, und das verdanke ich diesem Thema. Zuerst soll bemerkt werden, daß sich Rumänien heute in einem Prozeß der politischen und gesetzlichen Anpassung an die Herausforderungen der Europäischen Union befindet: Diese Umwandlung schließt auch die Harmonisierung der rumänischen Gesetzgebung mit der europäischen im Bereich des Schutzes von Kulturgütern ein. Eine besondere Rolle spielt der Schutz dieser Güter gegenüber den Gefahren, die von Umwelt, Handel und rechtswidriger Aneignung ausgehen. Daher findet die Arbeit der internationalen Organisationen, z.B. der UNESCO in Rumänien, besondere Beachtung. ___________ 1 Ludwig von Uhlich in Magdeburg, Bildungsgeschichte der Menschheit. Vierundzwanzig Winterabendvorträge, verständlich für jeden, der lesen kann, Gotha, 1867, S. 1.
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Drei Hauptthemen sollen in diesem Kontext angesprochen werden, und zwar: das Problem des rumänischen Tresors in Moskau, die Polemik um die Skulpturen von Constantin Brâncuúi und die Restauration der sächsischen Kirchenburgen in Siebenbürgen.
I. Das Problem des rumänischen Tresors in Moskau Im Jahre 1917 wurden massive Goldvorräte der Nationalbank Rumäniens, der kostbarste Besitz der rumänischen Staatsschatzkammer, kurz genannt der „rumänische Schatz“ oder der „nationale Schatz“ (tezaurul national) unter ungeklärten Umständen nachts nach Moskau verschleppt. Von seiten Rußlands wird heute behauptet, es ging damals um eine „Versorgung des Schatzes“, die von der rumänischen Regierung gefordert wurde. Diese Situation muß heute offen angesprochen werden, weil sie das Problem der internationalen Verantwortung für Kriegsbeute in die Diskussion bringt. Nach Verhandlungen, die elf Jahre dauerten, wurde am 4. Juli 2003 das Abkommen „über gute Zusammenarbeit, Nachbarschaft und Freundschaft zwischen Rumänien und der Russischen Föderation“ abgeschlossen. Der damalige rumänische Außenminister Mircea Geoana nannte dieses Abkommen einen „fundamentalen politischen Vertrag“. Seiner Überzeugung nach, ist die Wiedervereinigung Europas ohne eine konstruktive Beziehung zu Rußland nicht denkbar. Uns sei das Verhältnis des Westens zu Rußland nicht gleichgültig, und der Westen sei an unserem Verhältnis zu Rußland sehr interessiert. 2 Dieses Abkommen wurde dementsprechend als „nötiger politischer Kompromiß“ bezeichnet, um 125 Jahre diplomatische Beziehungen zu Rußland zu betonen, und das trotz der Unterbrechung der Diskussionen, die während dieser elf Jahren von den russischen Diplomaten immer wieder verlangt wurden. Manche Parteien – und besonders heftig die extrem nationalistischen – kritisierten dieses Verhalten des Außenministers. Sie fanden die Sprache des Abkommens „täuschend-pazifistisch“, sträubten sich aber hauptsächlich gegen das totale Schweigen des Textes in bezug auf die Nichtigkeit des RibbentroppMolotov Paktes und auf die Rückgabe des nationalen Schatzes in Moskau. 3 Rußland selbst hatte am 24. Januar 2004 die Nichtigkeit dieses Paktes vom 24. August 1939 erklärt, doch blieb es von russischer Seite bei dieser Erklärung. Gemäß der Haager Konvention werden nicht nur verlorene Kulturgüter ___________ 2 Siehe die parlamentarische Debatte zum Thema Ratifizierung des Abkommens mit Rußland, Juli 2003. 3 Die Partei Großrumänien, durch ihren Vertreter Nicolae Leonachescu, während derselben parlamentarischen Debatte.
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geschützt, sondern auch rechtswidrig angeeignete. In dieser Hinsicht muß betont werden, daß wissenschaftliche und künstlerische Werke Ausdruck und Symbol der Identität eines Volkes sind. Es gibt kein Recht des Siegers, welches vom Völkerrecht abgetrennt werden könnte und welches die Beschlagnahme von Kulturgütern erlaubt. Es ist wichtig, bei der angestrebten gerechten Verteilung der Folgen des letzten Krieges zwischen den Staaten diese wichtige Aussage zu berücksichtigen. Mit diesen und ähnlichen Argumenten behaupten politische Vertreter im rumänischen Parlament, aber auch die Presse, daß Rußland verpflichtet sei, die Rückgabe des Schatzes anzuordnen. Weshalb ist dieser Schatz für Rumänien und seien Kulturgüter so wichtig ? Der Schatz besteht aus 94 Tonnen Gold, Urkundensammlungen, Kirchenschmuck und Kultgegenständen, wertvollen Gemälden, die dem rumänischen Kulturerbe angehören, Kunstgegenständen aus der Antike, unter denen manche 3.500 Jahre alt sind, dem Schmuck des königlichen Hauses und den Goldreserven der Nationalbank. Gegen die Übergabe dieser Güter für den Transport nach Moskau 1917 leistete damals ein einziger Geistlicher Widerstand und zwar der Vikar des Bischofs des Klosters Neamt im Osten Rumäniens. Der Wert dieses Schatzes wird heute auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt. Abgesehen davon soll aber das Abkommen mit Rußland ein neues Verhältnis zwischen den beiden Ländern begründen, und zwar „ein pragmatisches, in dessen Rahmen ideologische Argumente ihre Bedeutung verlieren sollen“. Dementsprechend sieht Artikel 1 vor, daß Rumänien und Rußland ihre Beziehungen auf Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft aufbauen. Artikel 2 bestätigt, daß Gewaltdrohungen oder die Anwendung von Gewalt gegen die politische Unabhängigkeit der beiden Staaten nicht zulässig sind. Diese letzte Bestimmung ist wichtig, da Rußland dadurch das Recht Rumäniens, eigene, freigewählte politische und militärische Allianzen zu schließen, respektiert. Es ist eine neue Bestimmung und eine Bestätigung der neuen de facto internationalen Lage Rumäniens. Das Abkommen spricht von der Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Rußland und Rumänien, von der See- und Flußschiffahrt auf dem Schwarzen Meeres und der Donau, vom Schutz der Minderheiten und vom Kampf gegen den Terrorismus. Es enthält aber keine Bestimmungen über die Situation des Schatzes in Moskau. Erst im Anhang zu diesem Abkommen wird erwähnt, daß ein bilateraler Ausschuß das Problem untersuchen wird. Der Ausschuß besteht aus rumänischen und russischen Historikern. Nachdem das Abkommen in Kraft getreten war (durch das Gesetz Nr. 24 vom 3. März 2003) hatte dieser Ausschuß eine einzige Sitzung veranstaltet, die zwischen dem 19. und dem 24. Oktober 2004 stattfand. In dieser Sitzung wurde nur über den historischen Kontext der Lagerung des Schatzes diskutiert.
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Es läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß die Bemühungen um die Rückgabe des Schatzes im Moment gering sind, selbst wenn jede Generation rumänischer Politiker, von Bratianu zu Antonescu und von Gheorghiu-Dej zu Ceausescu darin eine Ehrenpflicht sahen, die Bedeutung der Verhandlungen zu dessen Rückgabe zu betonen. Die Direktoren der rumänischen Nationalbank sahen darin ebenfalls eine Ehrenpflicht. Trotz all dieser Anstrengungen wurde selbst während der Diskussionen zwischen Putin und Basescu am 16. Februar 2005 dieses wichtige Problem nicht erwähnt. Das ist die juristische Lage im Augenblick. Sie bestätigt, daß die Beziehungen zwischen den beiden Staaten noch immer von der politischen Abhängigkeit Rumäniens Rußland gegenüber dominiert werden. Leider beschreibe ich damit eine Situation zu einer Zeit, in der sich Rumänien verpflichtet hat, zahlreiche Reformen durchzuführen, um Mitgliedsstaat der EU werden zu können. Auf dieser Ebene sind die gesetzlichen Fortschritte nicht unbedeutend. Die neuen Gesetze zum Schutz von Kulturgütern sind, in ihren wichtigsten Vorschriften, folgende: Am 4. Dezember 2004 wurden die ersten Gesetze zum Schutz der beweglichen Kulturgüter unter der Voraussetzung ihrer Anpassung an die europäischen Standards in diesem Bereich verabschiedet. So wird z.B. bestimmt, daß diese Güter unter Beobachtung von ordnungsgemäß funktionierenden Behörden bewahrt werden müssen. Diese Behörden werden von dem Gesetz unter der allgemeinen Benennung von „Wirtschaftsagenten“ bestimmt. Insoweit ist eine Anordnung des Kulturministers nötig, um dieses Mobiliarvermögen an Kulturgütern verwalten zu dürfen. Falls bewegliche Kulturgüter, die für den Handel geeignet sind, verschwinden oder zerstört werden, sind die Wirtschaftsagenten verpflichtet, die Polizei und das Kulturministerium sofort zu benachrichtigen. Sie haben die Pflicht, diese Güter in ein Register einzutragen, das beziffert und gestempelt sein muß. Jedes Gut muß einzeln mit Autor und Titel des Werkes, Farbe, Dimensionen und andere Information, die für die Identifizierung des Gutes nötig sind, beschrieben werden. Diese Details sind vertraulich: Zugang zu ihnen ist nur den Angestellten gestattet, in deren Arbeitsvertrag diese Klausel vorgesehen ist. Der Schutz von Kulturgütern wir auch durch andere gesetzliche Vorschriften deutlich: den Wirtschaftsagenten kann die Genehmigung, Kulturgüter zu bewahren, entzogen werden, falls sie für folgende Straftaten verurteilt worden sind: Diebstahl von Kulturgütern, Vertrauensmißbrauch, Plünderung, Unterschlagung, Unterstützung von strafrechtlichen Verbrechen gegen das nationale Kulturerbe Rumäniens oder das Verschweigen von strafrechtlichen Verbrechen. Wenn Agenten von neuen Kulturgütern, die registriert werden müssen, erfahren, besteht deren Pflicht, in fünf Tagen die regionalen kulturellen Behörden
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von der Existenz dieser Güter zu benachrichtigen. Verkauft werden können diese Güter nur unter Respektierung des Vorverkaufrechts des Staates. In solchen Fällen wird der rumänische Staat durch das Kulturministerium vertreten. Ein Verkauf, der dieses Recht des Staates mißachtet, ist nichtig. Das Gesetz klärt auch, was der Begriff „nationales Kulturerbe Rumäniens“ oder „bewegliche Kulturgüter“ im juristischen Sinne der neuen Regelung bedeutet. Das nationale Kulturerbe umschließt Güter von außergewöhnlichem Wert, sei es archäologischer, historischer, künstlerischer, literarischer, kartographischer oder wissenschaftlicher Art. Diese Güter müssen Ausdruck des Beitrags Rumäniens zur universalen Zivilisation sein. Als solche gelten, z. B. archäologische Entdeckungen, Waffen, Schmuck, Siegel, alte Manuskripte und Bücher, Briefmarken, Fotos, Keramik, zoologische und botanische Sammlungen, Errungenschaften der Volkstechnik, Kultgegenstände, militärische Uniformen oder Teile von historischen Monumenten. Damit trägt das neue Gesetz dem besonderen kulturellen und wissenschaftlichen Schutzbedürfnis dieser Güter gebührend Rechnung und schützt in erster Linie den ursprünglichen Eigentümer. Wesentlich ist also die seltene Natur und die Eigenart dieser Güter, die ihren, besonderen Bedarf nach gesetzlichem Schutz rechtfertigt. Wie schon erwähnt ist man bemüht, die Gesetzgebung Rumäniens mit derjenigen der EU zu harmonisieren. Sie ist aber auch (leider post festum) von dem „Fall Brâncuúi“ motiviert.
II. Das Schicksal der Skulpturen von Brâncuúi Constantin Brâncuúi, der bedeutendste rumänische Bildhauer, errang weltweiten Ruhm. Er lebte in Paris und New York. Trotz seines weltweiten Erfolgs äußerte der rumänische Staat zwischen den Jahren 1928-1930 kein Interesse, seine Werke für die nationalen Museen im Lande zu kaufen. Das Werk von Brâncuúi wird als „Ausdruck der rumänischen Kultur“, bezeichnet, das „im höchsten Grad originale plastische Verkörperung des rumänischen Geistes“ widerspiegelt. 4 Seine wichtigsten Skulpturen befanden sich jahrelang in einer privaten Sammlung in Bukarest, geführt von der Künstlerfamilie Cecilia und Frederick Storck. Die Familie Storck hat 1948 die ganze Kollektion von Meisterwerken dem rumänischen Staat geschenkt. Selbst ihr eigenes Haus wurde 1951 zu einem Museum umgestaltet und bleibt eine der wertvollsten nationalen Kunstsammlungen in Bukarest. Unter ungeklärten Umständen sind die Skulpturen „Der Kuß“ und „Fräulein Pogany“ von Brâncuúi aus dieser Sammlung verschwunden. Es wird heute behauptet, daß sie unter dem Vorwand einer Ausstellung im Ausland gesetzwidrig aus dem Land ausgeführt worden seien. ___________ 4
Paul Tugui, Dosarul Brâncuúi, 2001, S. 80.
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Diese Werke sind und bleiben im Besitz des rumänischen Staates. Dementsprechend gehören sie zum kulturellen Erbe Rumäniens. Es gibt wenige Urkunden, die zu erkennen geben, wo sich diese kostbaren Werke im Moment befinden. Ein wichtiger Fortschritt wurde durch die neue Gesetzgebung erziehlt, und zwar im Dezember 2003: Die Gesetze vom 4. Dezember 2003 halten den Kunsthandel sowie Museen und Sammler zu einer erhöhten Sorgfalt beim Erwerb von Kulturgütern an. Sie bestimmen die Pflicht der zuständigen Behörden, sich um die Rückgabe von Kulturgütern zu bemühen, die gesetzwidrig ausgeführt wurden, ohne Grund aus Museen oder Sammlungen herausgeholt wurden oder sich ohne gesetzlichen Grund im Ausland befinden. Jeder Eigentümer von Kulturgütern, dem ein Kulturgut abhanden gekommen ist – seien es Sammler oder im Kunsthandel Tätige – wird durch diese Bestimmungen besser geschützt. Die oben erwähnte Pflicht der rumänischen Behörden gilt für Kulturgüter, die gesetzwidrig aus Rumänien ausgeführt worden sind, aber auch für Güter, die ab dem 1. Januar 1993 gesetzwidrig aus einem Mitgliedstaat der EU exportiert worden sind. Alle Güter, die gemäß der Gesetzgebung desjenigen Staates als nationales Kulturerbe gelten, werden durch dieses Gesetz geschützt, genauso die Sammlungen, die in dem Bestandverzeichnis der Museen, Archiven oder Bibliotheken eingetragen sind. Sollte im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung entdeckt werden, daß sich Kulturgüter in Rumänien befinden, die aus dem Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates gesetzwidrig ausgeführt worden sind, ist Rumänien verpflichtet, den Staat sofort darüber zu informieren, um ihm internationale Rechtshilfe zu leisten (Gesetz Nr. 704/2001). Diese Vorschriften gelten natürlich auch für die Anstrengungen, die Werke von Brancusi zu finden und deren Rückgabe an den rumänischen Staat zu veranlassen. Im Bereich der internationalen Verantwortung Rumäniens bestimmt die neue Gesetzgebung noch, daß jeder Mitgliedstaat der EU berechtigt ist, in Rumänien eine Untersuchung zum Zweck der Entdeckung von rechtswidrig ausgeführten Kulturgütern zu beantragen. Das Gesuch muß Einzelheiten zur Beschreibung dieser Kulturgüter enthalten und auch den Ort angeben, wo sich diese Güter möglicherweise befinden. Solche Pflichten beruhen auf Gegenseitigkeit: der rumänische Staat ist verpflichtet, von jedem Staat die Durchführung von Untersuchungen zu verlangen, um den Ort, an dem sich gesetzwidrig ausgeführte Kulturgüter befinden könnten, zu identifizieren. In jedem Fall muß der klagende Staat nachweisen, daß die Ausfuhr des Kulturguts eine wesentliche Beeinträchtigung bestimmter kultureller oder wissenschaftlicher Interessen darstellt bzw. daß das Kulturgut für ihn von wesentlicher kultureller Bedeutung ist (im Fall „Brâncuúi“ sind diese Argumente ganz offensichtlich deutlich).
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Kulturgüter, die dem Kulturerbe eines anderen Staates angehören und die gesetzwidrig exportiert wurden, dürfen nicht für Ausstellungen oder für Handelszwecke gebraucht werden. Solche Aktivitäten werden mit Gefängnisstrafen von drei bis zehn Jahren bestraft. Die Inhaber bzw. Besitzer von Kulturgütern sind verpflichtet, sie sorgfältig aufzubewahren. Die Liste dieser Güter wird jährlich durchgelesen und überprüft. Im Juni 2004 wurde ein neues Gesetz zum Schutz von Kulturgütern verabschiedet, welches den Austausch von Gütern ausnahmsweise zuläßt. Die Güter, die bei den kulturellen Behörden registriert sind, können nur dann exportiert werden, wenn sie gegen Güter ausgetauscht werden, die einen vergleichbaren kulturellen Wert besitzen. Das gilt aber nur in außergewöhnlichen Situationen, die durch ein nationales, historisches oder wissenschaftliches Interesse motiviert sind. Solche Austausche werden durch eine Regierungsverordnung genehmigt. Bezüglich der Rückgabe von Kulturgütern, die nach dem 31. Dezember 1947 rechtswidrig von ihren Inhabern beschlagnahmt wurden, bestimmt das rumänische Gesetz, daß diese den ehemaligen Inhabern zurückgegeben werden müssen, sollte diesbezüglich jene ein Gesuch zusammen mit einem Gutachten der Nationalen Kommission der Museen und Sammlungen stellen. Für den endgültigen oder vorübergehenden Export von Kulturgütern ist jedes Mal die Ausstellung eines Exportzertifikats notwendig. Für Kulturgüter, die sich im öffentlichen Besitz befinden, ist eine vorübergehende Ausfuhr möglich, aber nur für die Organisierung von Ausstellungen oder Restaurationsarbeiten, die zur Konservierung des kulturellen Wertes dieser Güter notwendig sind. Außerdem gelten Kulturgüter, die mit einer Genehmigung zu wissenschaftlichen oder kulturellen Zwecken vorübergehend ausgeführt worden sind, die aber innerhalb der gewährten Frist nicht zurückgeführt werden, als rechtswidrig ausgeführt.
III. Restaurationsarbeiten der Kirchenburgen der Sachsen in Siebenbürgen Das Thema der Restaurationsarbeiten der Kirchenburgen der Sachsen in Siebenbürgen spricht das schmerzhafteste Problem der deutschen Kultur in Siebenbürgen an. Die deutsche Kultur in Siebenbürgen ist über 850 Jahre alt. Die deutsche Minderheit – die sich „Siebenbürger Sachsen“ nennt – hat hier im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Festungen errichtet, Kirchen und Burgen zugleich. In einer Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde behauptet die Autorin Hanna Nogossek, daß ein Grund für das vermeintlich mangelnde
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kunsthistorische Interesse vor allem an siebenbürgischen Themen „in der äußerst schlechten Bilddokumentation dortiger Denkmäler liegt – hier wäre zunächst einmal Feldforschung zu leisten“. 5 Die geistige Bedeutung dieser Denkmäler muß in dem Kontext des massiven Exodus der Siebenbürger Sachsen beurteilt werden. Natürlich ist die Denkmalpflege nicht nur ein historischer, technischer und moralischer Anspruch, sondern auch ein großer Wirtschaftsfaktor. Aber die schwierigste Frage im Zusammenhang mit den Restaurationsbemühungen der Kirchenburgen lautet: Hat die Kirche der Deutschen in Rumänien eine Zukunft? Es ist schwierig, diesbezüglich ein rechtes Wort zu finden. 6 Die Kirche der Deutschen im Blick auf ihre Zukunft hat Formeln verwendet. Eine, die sich uns eingeprägt hat, ist diese: „Die Kirche wandert nicht aus“. 7 Trotzdem war mit dem Massenexodus der Sachsen nach Deutschland 1990-1991 die „elfte Stunde“ gekommen. Im Moment stehen diese Gedanken aber nackten Tatsachen gegenüber: Der Mangel an Finanzierung, an Personal, an Fachkenntnis und manchmal auch an Solidarität und gemeinsamen Willen hemmt den Erhalt des Kulturgutes. Der Wunsch, die Siebenbürgischen Kirchenburgen und Wehrkirchen in einer einmaligen Denkmal- und Kulturlandschaft zu erhalten ist aber nicht ausgestorben. Die Kirche allein schafft es allerdings nicht – sie ist auf Hilfe vom Staat, von den vielen Heimatgemeinden, Stiftungen, ausländischen Privatpersonen und Kirchen angewiesen. In seiner Studie zur Situation der Kirchenburgen der Sachsen behauptet Michael Kroner: „Es gibt zwar auch sonst Kirchenburgen, sie sind aber nirgends in der Welt so zahlreich und mit solcher Konsequenz zu einem geschlossenen System ausgebaut wie in Siebenbürgen (…). Die siebenbürgische Kirchenburglandschaft ist einzigartig (…) und die Ergriffenheit, die jenen erfaßt, der die Kirchenburgen kennen lernt, besteht zum großen Teil auf ihren ästhetischen Qualitäten.“ 8 Es ist unbestreitbar, daß diese Burgen zu den bekanntesten historischen Denkmälern der Siebenbürger Sachsen gehören. Zum Teil haben sie sich besser als in anderen Teilen Europas erhalten – so sind sie zugleich wertvolle Zeugnisse des allgemeinen Wehrkirchenbaus. An vielen Befestigungsanlagen lassen ___________ 5
Nogossek, Hanna/Popp, Dietmar (Hrsg.), Beiträge zur Kunstgeschichte Ostmitteleuropas, in: Zeitschrift für siebenbürgische Landeskunde, 2001, S. 141. 6 Klein, Christoph, Hat die Kirche der Deutschen in Rumänien eine Zukunft?, in: Zugänge, Forum des Evangelischen Freundeskreises Hermannstadt, Heft 26/27, Dezember 2001, S. 68. 7 Idem, S. 70. 8 Kroner, Michael, Siebenbürgisch-sächsischer Hauskalender, herausgegeben vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, Jahrbuch 1997, S. 92-100.
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sich die einstigen Verteidigungsvorrichtungen und -strategien nachvollziehen (manche waren vordringlich als Zufluchtsort ausgebaut). Heute ist die Situation dieser Denkmäler eher entmutigend, besonders in den Dörfern. Dörfer mit nur wenigen evangelischen Gläubigern haben keinen eigenen Pfarrer mehr, es werden bis zu elf Kirchengemeinden von einem Pfarrer betreut. Nach jüngsten Angaben werden in 134 Kirchen regelmäßig, in 22 Kirchen nur gelegentlich (Ostern und Weihnachten) und in 81 Kirchen keine Gottesdienste mehr gehalten. Mit dem Exodus der deutschen Minderheit aus Rumänien blieben die Kulturgüter der einzelnen Gemeinden zurück: wertvolle Altarbilder, Taufbecken, Kanzeln, Teppiche, Skulpturen, Orgeln, Abendmahlgeräte und Archivgut. Schon sehr bald wurden ungesicherte Kirchen Opfer von Einbrüchen und Diebstählen. Dabei ist festzustellen, daß sich die Diebstahlsqualität geändert hat: in den Jahren von 1990 bis 1992 sind bei etwa 36% der Einbrüche Kunstwerke gestohlen worden, in der Zeitspanne von 1999 bis 2000 sind bereits 80% als reine Kunstdiebstähle zu bezeichnen. Zunächst wurden Altarleuchter aus Messing, Zinn und Silber gestohlen, heute aber überwiegend Altarbilder und Skulpturen, sogar Fresken sind für die Räuber anziehend geworden. Solche mafiaähnliche Kunsträuber haben es einfach, die ungesicherten und nicht bewachten Kirchen zu bestehlen. Eine der häufigsten Ursachen dafür, daß die Kirchenbauten ungesichert bleiben, ist die fehlende Finanzierung. So steht die Kirchenburg in Henndorf mit ihren über 200 mittelalterlichen, bemalten Holztruhen nahezu frei zugänglich am Straßenrand. Die Kirche ist gezwungen, entgegen internationalen Denkmalbestimmungen, Altäre abzubauen, um sie woanders, in anderen Kirchen wieder als „Museumsaltäre“ aufzustellen. Diese Praxis ist berechtigterweise von den evangelischen Theologen nicht kritiklos hingenommen worden. Die dünne Personalversorgung hat auch zur Folge, daß Schäden spät oder gar nicht erkannt werden. Nicht jedem Kirchenvater oder Kurator kann man ein Erkennen von Bauschäden zumuten. Manche Kirchen bleiben monatelang geschlossen und sind leicht ihrer Kunstschätze zu berauben. So ist es auf schockierende Weise in Belleschdorf bei Schäßburg passiert, wo eine wertvolle Holzkassettendecke, ein Kunstwerk aus der Renaissance-Epoche von den Dorfbewohnern abgebaut und verfeuert wurde. Der Schaden wurde erst nach einem Jahr bemerkt. Aufgrund von fehlenden Mitteln im Staatshaushalt stocken angefangene Maßnahmen. So bleiben unschöne Baustellen und auch in ihrer Standfestigkeit gefährdete Denkmäler zurück. Ist das Kulturministerium Verwalter von ausländischen Geldern für entsprechende Sanierungsprojekte, so zeigt sich deren mangelnde Erfahrung im transparenten Umgang mit den Vergabeverfahren und
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auch eine schwerfällige Koordination mit allen Verantwortlichen – auch in fachlicher Hinsicht. Die Baufachleute sind für den Umgang mit denkmalgeschützter Substanz wenig ausgebildet: dementsprechend stellen sich Fehler und Mängel und manchmal auch unzufriedene Geldgeber ein. Einige Stiftungen kümmern sich um den Erhalt der Kirchenburgen oder um einzelne Aspekte des Bauerhalts. Davon sei der „Mihai Eminescu“-Trust genannt, der unter der Schirmherrschaft des Kronprinzen steht. Zur Zeit ist diese Stiftung im Gebiet um Reps tätig, wo sie sich bemüht, historische Kalkputztechnik wiederzubeleben und weiterzugeben. Trotz all diesen Anstrengungen kann fehlendes Verständnis für historische Bautechnik und mangelnde Qualitätskontrolle ein Nichterkennen und Zerstören von bauhistorischen Gegebenheiten nach sich ziehen. Rumänische Architekturstudierende zeigen immer weniger Interesse an der Denkmalpflege: es scheint spannender, Neubauten und Geschäftsfassaden zu entwerfen. Diese Entwicklung ist für das an Denkmälern reiche Siebenbürgen und für das gesamte Land Rumänien fatal! Der Erhalt der Kirchenburgen in Siebenbürgen leidet also an einer gewissen Orientierungslosigkeit: einige sind hervorragend konserviert, andere, die ebenso wertvoll und bauhistorisch interessant sind, fast zerfallen. Was immer sich in der Zukunft ereignen wird, die Existenz der Kirchenburgen besiegt unsere Vergänglichkeit, auch unser physisches Verschwinden aus Siebenbürgen, noch vor unserem biologischen Tod. Zu den Bemühungen um die Pflege und Erhaltung dieser Burgen zählt die neue Form des Zusammenlebens, für die sich die Kirche der Deutschen in Siebenbürgen entschieden hat: „Kirche der Liebe“, die Gott uns schenken kann, wenn wir wenige sind. Dieses Bekenntnis ist Resultat einer Kontinuität des Geistes, auch nach der Auswanderung der Deutschen aus Siebenbürgen. Zu ihm tragen auch die alten Mauern unserer Kirchenburgen bei. * * *
Abstract Monica Vlad: The Protection of Cultural Assets in Romania, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 213-223. This study deals with the still unsolved aspects of international protection of cultural assets, with special regard to Romania. While the Romanian legal
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framework is a solid and a perfectionable one, in view of Romania's accession to the European Union, reality often shocks with surprisingly violent disregard towards valuable cultural property. As such, the destiny of Brancusi' sculptures, who disappeared from Romania's national cultural patrimony, the Romanian treasure held, from 1917 until today, in Moscow against the rules of International Law and the restoration of the Saxon “Fortresses of Faith” in Transylvania call for solutions. Legal progress and the involvement of foreign foundations, hope of cultureloving people both at home and abroad are fragile hopes for a more efficient protection of cultural goods in Romania. But the main framework will be offered only with the support of the European Union's initiatives in the region. Also, respect for cultural property can be assured only by culture-loving people, as artistic emotion is conditioned by being discovered only by artists themselves. The new Romanian Constitution lists a new right in this regard, called “Access to culture” for every citizen.
Der Schutz fremder Kulturgüter durch Ungarn Von Elisabeth Sándor-Szalay
I. Konjunktur des Begriffs „Kulturgut“ Der Begriff des Kulturguts ist in den letzten drei Jahrzehnten sowohl in politischen als auch in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen ein hochkarätiger Gesprächstoff geworden. Im westlichen Teil Europas – überwiegend in Frankreich und Großbritannien – wurde dieser Begriff schon Anfang der 80er Jahre ein kulturpolitischer Schlüsselbegriff. Im ungarischen politischen Umfeld erlangte der Begriff des Kulturguts sehr spät eine ähnliche Rolle, nämlich mit Errichtung des Ministeriums zum Schutz des Nationalen Kulturellen Erbguts („Nemzeti Kulturális Örökség Minisztériuma“) im Jahre 1998. Die ungarische Wissenschaft ist aber nur langsam zur Besinnung gekommen, trotz immer intensiver werdender Kodifikationsbestrebungen der ungarischen Regierungen um die Jahrtausendwende1. Das Thema: Kulturgut, dessen Schutz gewiß ein „Schmelztiegel des Zivil-, Straf- und öffentlichen Rechts und des Internationalen Privat- und Völkerrechts“2 ist, ist hauptsächlich ein Untersuchungsfeld für Wissenschaftler aus anderen Bereichen wie Kunstgeschichte, (Kunst-) Denkmalschutz, Archäologie, Ethnographie und Geschichte. Wissenschaftliche Tagungen mit dem Zweck der Klärung der relevanten Terminologie sind erst seit dem Jahr 2000 in Ungarn organisiert worden3 – wobei ein ziemliches Durcheinander in dieser Hinsicht sichtbar wurde: man konnte den Inhalt verschiedener Begriffe wie kulturelles Erbgut, Kunstdenkmal, historisches Denkmal, Gedenkstätte nicht klar auseinanderhalten. Der Begriff des kulturellen Erbguts hat sich allmählich entwickelt. Wissenschaftliche Überlegungen zu diesem Aspekt halten an verschiedenen Zeitpunkten fest. Es kann aber – ohne im Detail darauf eingehen zu müssen – behauptet ___________ 1 Vgl. Sonkoly, Gábor: A kulturális örökség fogalmának értelmezési és alkalmazási szintjei, Kisebbségi Szemle, 2000/4, S. 45. 2 Jaeger, Andrea: Internationaler Kulturgüterschutz. Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsentwicklung. Internationales Wirtschaftsrecht, Bd. 11, Köln usw., Heymanns 1994, S. 7. 3 Z.B.: Conference on Humanities and the Concept of National Heritage, Januar 2000, Collegium Budapest und Central European University.
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werden, daß die Anfänge einer systematischen Katalogisierung und Kategorisierung historischer Erbgüter im Jahre 1860 in Frankreich zu entdecken sind.4 Die Sammlung und Kategorisierung dieser Güter war bis weit in das letzte Jahrhundert eine Frage des Alters: von Interesse waren überwiegend ‚historische Denkmäler‘. Eine Einführung des Begriffs in die Terminologie der nationalen und europäischen Gesetzgebungen kann erst Ende der 1960er Jahre beobachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt tauchte das Phänomen des ‚Baudenkmals‘ auf. Ein Jahrzehnt später – Ende der 70er Jahre – wurde immer wieder der Begriff des ‚kulturellen Erbguts‘ bzw. des ‚Kulturguts‘ verwendet. Dies ging Hand in Hand mit den kollektiven Erinnerungen bestimmter Gesellschaften. Der Europarat definierte auf der Konferenz in Granada im Jahr 1985 den Begriff des Kulturguts. Die Gründungsmitglieder des Europarats hielten schon in der Satzung von 1949 fest, daß ein Ziel dieser internationalen Organisation die Erhaltung und Pflege des „gemeinsamen (europäischen) Erbes“ sei. Wenn wir auf universeller Ebene auch das von der UNESCO betreute Programm des Weltkulturerbes einbeziehen, so haben wir ein fast vollständiges Bild über die möglichen Ebenen des Kulturgüterschutzes. Von den kleinsten Gemeinwesen bis hin zur Gesamtheit der Menschheit ist der Schutz der Kulturgüter ein Strukturprinzip, das geeignet ist, das Identitätsbewußtsein dieser Gemeinschaften zu verkörpern.5 Unabhängig von der Größe und Organisationsdichte der jeweiligen Gemeinschaften richtet sich die Handhabung und Bearbeitung der Kulturgüter ungefähr nach den gleichen Prinzipien. Kulturgüter sind für bestimmte Menschengruppen bzw. Gemeinschaften bedeutungsschwere Gegenstände sowie durch faßbare Objekte verkörperte Immaterialgüter. Diese Güter werden von entsprechenden Institutionen gesammelt, inventarisiert, untersucht, zur öffentlichen Schau gestellt, bewahrt, restauriert und nötigenfalls entschlüsselt. Im Laufe dieser Phasen wird der eigentliche Inhalt des Kulturguts mit etwas Neuem angereichert: das ist die hinzukommende Interpretation des jeweiligen Besitzers – ob Privatperson oder ein Akteur öffentlicher Hand. Kulturgut und Erinnerungen/Gedächtnis ergeben zusammen eine bestimmte Identität, die gefunden, ausgegraben, bewahrt oder neu entdeckt werden muß. Die Funktion des Kulturguts erschöpft sich in diesem Kontext nicht nur in der Bestandsaufnahme der Güter, sondern trägt zweifelsohne zur Identitätsbestimmung des Erblassers bei. Es darf aber nicht vergessen werden, daß Kulturgüter gerade durch den Tourismus, einer der dynamischsten Wirtschaftsektoren, sowie durch den internationalen Kunsthandel in den Vordergrund rückten. Einerseits liegt es im wirt___________ 4
Vgl. Sonkoly, Gábor (Fn. 1), S. 46. Sigmond, J.P.: Some Thoughts on the Importance of Cultural Heritage and the Protection of Cultural Goods, Art Antiquity and Law (edited by Institute of Art and Law, Leicester/UK) 2005/1., S. 63. 5
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schaftlichen Interesse der Staaten, immer mehr Sehenswürdigkeiten und erinnerungswürdige Objekte in die touristischen Angebote des Landes aufzunehmen. Die Bestimmung der Objekte des Kulturguts wird von fachmännischen Anstalten in Verbindung mit den örtlichen Gebietskörperschaften durchgeführt. Historiker und andere Wissenschaftler sowie Juristen haben die Aufgabe, authentische Dokumentationen zu erstellen und die schutzwürdige Position des Objektes festzustellen. Andererseits wurden Kunstgegenstände gerade durch erhebliche Wertsteigerungen in den letzten Jahrzehnten und die damit verbundenen rasant gestiegenen Veräußerungserlöse im internationalen Handel einschließlich der Auktionen zunehmend zu Anlage- und Spekulationsobjekten.6 In dieser Hinsicht ist auf internationaler und europäischer sowie nationaler Ebene eine effektive Zusammenarbeit der Rechtssetzungs- und Rechtschutzorgane mehr als notwendig. In der Sache Kulturgüterschutz haben aber einige Staaten Europas – darunter Ungarn – eine schwere Last zu schleppen: es geht um die Frage der kriegsbedingt verbrachten Kulturgüter, der sog. Beutekunst, sowie der Kulturgüter, die durch Bevölkerungsaustausch oder Vertreibung bzw. durch Verstaatlichung in den ehemaligen sozialistischen Ländern abhanden gekommen sind. Der ungarische Staat hat durch seine Rechtssetzung und Praxis versucht, die Schatten der Vergangenheit mit den Herausforderungen der Zukunft in Sachen Kulturgüterschutz in Einklang zu bringen. Eine klare, eindeutige Bereitschaft des Staates ist nicht zu verkennen: Identitätswahrende Kulturgüter sollen fachmännisch und juristisch korrekt gehandhabt und geschützt werden, unabhängig davon, ob die Eigentumsrechte des jeweiligen Objektes in privater oder öffentlicher Hand sind. Bis zur heute gültigen Rechtslage war aber ein langer Weg zu gehen.
II. Vorgeschichte des Kulturgüterschutzes in Ungarn: Phase der Zersplitterung der Rechtsinstrumente 1. Historisches Umfeld Die Palette der ungarischen Kulturgüter ist breit und vielfarbig – genauso breit und vielfarbig, wie die ungarische Geschichte und Traditionen selbst. Diese Vielfältigkeit ist den unterschiedlichen historischen Epochen, den sich überschneidenden Bau- und Geschmacksrichtungen, dem unterschiedlichen Lebensstil der ungarischen Aristokratie, des ungarischen Bürgertums und der ungarischen Bauern zu verdanken. ___________ 6 Schoen, Susanne: Kulturgüterschutz bei – illegaler – Rückkehr kriegsbedingt verbrachter Kulturgüter aus Rußland nach Deutschland, in: NJW 2001, S. 537 ff.
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Der allgemeine Schutz der Kulturgüter in Ungarn – nicht nur juristisch gemeint – geht über tausend Jahre in die Vergangenheit zurück. Schon im 11. Jahrhundert sind z. B. Gebäude wiederhergestellt worden, die durch kriegerische Tätigkeiten, durch Kämpfe beschädigt oder ruiniert wurden. In diesem Bestreben waren sich königliche Hoheiten und Kirche lange Zeit einig – höchstwahrscheinlich nicht unbedingt mit dem Ziel, die betroffenen Kulturgüter für die Zukunft aufzubewahren, sondern vielmehr um ihre eigene Macht entsprechend symbolisieren zu können. Im Endeffekt waren diese Bestrebungen allerdings sehr bedeutungsvoll: Die Gründungsurkunden der Abteien in Pannonhalma und in Tihany (am Plattensee) wären beispielsweise nicht mehr erhalten, wenn die Kirche sie nicht streng geschützt hätte. Die ungarische Krone, die das Hauptsymbol der ungarischen Nation ist, wurde stets besonders geschützt, weil sie schon immer die jeweilige königliche Macht verkörperte. Ein bewußter rechtlicher Schutz der Kunstdenkmäler sowie sonstiger Kunstgegenstände begann in Ungarn viel später: Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Thema von engagierten Wissenschaftlern aufgegriffen, führte aber in diesem Zeitraum nicht zur gewünschten Regelungsdichte des Schutzes. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in der Tatsache, daß der Kunstdenkmalschutz als ein Teilgebiet der Bauverwaltung gehandhabt wurde. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach dem Zweiten Weltkrieg war das Schicksal der ungarischen Kunstdenkmäler sowie sonstiger Kunstgegenstände in erster Linie durch machtpolitische Vorstellungen, durch sozialistische bzw. kommunistische Ideen, geprägt. Wertvolle Kulturgüter aus vergangenen Jahrhunderten wurden aus politischen Gründen als Erinnerungen an frühere gesellschaftliche Einrichtungen angesehen – und sind weder richtig gepflegt noch richtig oder überhaupt renoviert bzw. restauriert worden. Die Umstellung auf die Prinzipien der funktionierenden Markwirtschaft und der demokratischen Rechtsstaatlichkeit brachte in den letzten fünfzehn Jahren große Veränderungen im Kulturgüterschutz in Ungarn mit sich. Ab 1990 sind durch neue Eigentumsverhältnisse viele Kulturgüter in Privateigentum übergegangen. Die vor der Wende geltenden Rechtsvorschriften waren auf einmal inadäquat: Relevante Gesetze von früher waren keine geeigneten Instrumente in dem neuen Umfeld, diese konnten den andersgearteten Herausforderungen des Kulturgüterschutzes nicht mehr standhalten.7 Vorarbeiten zur Umgestaltung des rechtlichen Rahmens wurden Mitte der 90er Jahre unter Leitung des zuständigen Ministeriums für Bildungs- und Unterrichtswesen (MĦvelĘdési és Közoktatási Minisztérium) begonnen. Um unter den veränderten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Eigentumsverhältnissen realistisch und effektiv den ___________ 7 Wollák, Katalin/Zsidi, Paula: A régészeti örökség védelmének jogi háttere és fĘvárosi gyakorlata, Vándorutak – Múzeumi örökség, Archeolingua, Budapest 2003, S. 241 ff.
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Schutz der Kulturgüter herausarbeiten zu können, wurden Experten aller betroffenen wissenschaftlichen Bereiche miteinbezogen. Verschiedene Regelungsmethoden wurden in Betracht gezogen: Pro- und contra-Argumente wurden laut in der Debatte um die Frage, ob sämtliche Güter in einem einzigen Rahmengesetz geregelt werden sollen oder ob spezielle Bereiche der Kulturgüter in unterschiedlichen Einzelgesetzen erfaßt werden sollen. Im Jahr 1995 wurden zwei sektorielle Gesetze über die Archive sowie über den Umweltschutz verabschiedet. 1996 erging das Naturschutzgesetz und im Jahr 1997 die Gesetze über Kunstdenkmalschutz sowie über den Schutz der bebauten (architektonischen) Umwelt. Erst zehn Jahre nach dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemwechsel, d.h. um die Jahrtausendwende (im Jahr 2001), ist das Thema Kulturgüterschutz in Ungarn reif genug geworden, um über eine einheitliche Konzeption und einen geeigneten Rechtsrahmen zu verfügen. Dabei wurden völkerrechtliche Verpflichtungen sowie solche aus dem Gemeinschaftsrecht berücksichtigt.
2. Rechtshistorische Vorgaben Die ersten ungarischen Rechtsquellen in Sachen Kulturgüterschutz sind allerdings über hundert Jahre alt. Der erste Schritt wurde 1860 durch Gründung des Archäologieausschusses der Ungarischen Akademie der Wissenschaften getan, dessen Aufgabe darin bestand, alle möglichen Kunstwerte aufzuspüren und unter Schutz zu stellen – wobei zu dieser Zeit noch keine Rechtsschutzinstrumente zur Verfügung standen. Im Jahr 1872 hat der Ungarische Provisorische Kunstdenkmalausschuß unter Schirmherrschaft des damaligen Ministers für Religions- und Bildungswesen seine Tätigkeit aufgenommen. Diesem Ausschuß – sowie einiger zeitgenössischer Persönlichkeiten, wie z. B. Imre Henszlmann – war es zu verdanken, daß das ungarische Parlament im Jahre 1881 ein Gesetz über Erhalt und Schutz der Kunstdenkmäler verabschieden konnte.8 Es wurde der Begriff des „schutzwürdigen Denkmals“ eingeführt und die Hauptregel aufgestellt, wonach der Eigentümer die Verpflichtung trägt, für den Erhalt bzw. die Instandhaltung des Denkmals zu sorgen und die Kosten zu tragen, unabhängig davon, ob der Eigentümer eine Privatperson oder eventuell der Staat selbst ist. Als Zentralbehörde wurde ein Denkmalschutzausschuß ins Leben gerufen, der unter anderem berechtigt war, Geldbußen für den Fall zu verhängen, daß jemand seine Pflicht, gefundene Kunstgegenstände anzumelden, innerhalb von acht Tagen nicht nachgekommen war. Das Denkmalschutzgesetz von 1881 war ein erster Versuch, den Schutz des Kulturguts mit Hilfe des Rechts zu gewährleisten. Sein Scheitern – wie es ___________ 8
Ungarisches Denkmalschutzgesetz Nr. XXXIX. aus dem Jahre 1881.
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manche Experten behaupten9 – ist mit den knappen finanziellen Mitteln sowie mit den vielen Regelungslücken zu erklären, zu deren Aufhebung manche Versuche in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erfolgten. In der Zwischenkriegszeit wurde die Reform des Kulturgüterschutzes – immer noch nur in Form des Denkmalschutzes – das Hauptanliegen. Ausgangspunkt und Muster hierfür war das 1937 verabschiedete italienische Denkmalschutzgesetz. Der ungarische Reformentwurf wollte als Neuigkeit auch den Schutz der beweglichen Kunstgegenstände einführen. Dieser Entwurf wurde aber dem ungarischen Parlament nie vorgelegt. Nach 1945 ist der Schutz der Kulturgüter – mit vielen anderen wertvollen Errungenschaften früherer Zeiten – in den Hintergrund geraten. Man beseitigte zwar langsam die Zerstörungen des Krieges, es wurde sogar ein Rat für Gemeinnützige Arbeit in der Hauptstadt Budapest eingerichtet, aber seriöse Schritte zum allgemeinen Schutz der Kulturgüter blieben aus. Als lobenswert ist vielleicht nur die Entscheidung über den Wiederaufbau des Burgviertels bzw. des königlichen Palais in Budapest zu nennen. Die Verordnung (mit Gesetzeskraft) Nr. 13 von 1949 versucht den entscheidenden Schritt zu tun: Als grundlegende Zielsetzung wird der ausdrückliche Schutz solcher Objekte festgehalten, die im Lichte der ungarischen Geschichte, Wissenschaft und Kunst einen besonderen Wert haben. Zu diesem Zweck wurde die Staatszentrale der Museen und Kunstdenkmäler errichtet. Der Zugang zu diesen Gütern muß dem „gesamten Volk gewährleistet werden“ (Art. 1). Gegenstand der Verordnung – eine taxative Liste – waren folgende: öffentliche Sammlungen, Privatsammlungen von nationalem Interesse, museale Gegenstände von nationalem Interesse, Kunstdenkmäler sowie geschützte (geographische) Gebiete.10 Zur Klärung der unterschiedlichen Begriffe im Bereich des Kulturgüterschutzes sowie zum Ausbau eines mehrstufigen Behördensystems hat diese Verordnung zweifelsohne sehr viel beigetragen. Im Jahr 1955 ist eine Verordnung verabschiedet worden, die Enteignungen ermöglicht, wenn sich dies wegen des Erschließens und Freilegens von Denkmälern als notwendig erweist. Ein nächster Schritt bedeutet die Verabschiedung der Landesbauordnung 1961, deren I. Band die Städtebauplanung sowie den Denkmalschutz zusammen geregelt hat. Die Landesbauordnung wurde 1964 in Form eines neuen Denkmalschutzgesetzes neu formuliert. Dadurch wurden Denkmalschutz und Bauordnung für fast vierzig Jahre gemeinsam gehandhabt. ___________ 9 Barcza, Géza: A magyar mĦemlékvédelem fejlĘdése a jogszabályok tükrében (1847-1849), Magyar MĦemlékvédelem, Budapest 1969, S. 7 ff. 10 „közgyĦjtemények, nemzeti érdekĦ magángyĦjtemények, nemzeti érdekĦ muzeális értékĦ tárgyak, mĦemlékek valamint védett területek”.
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Dem Granada-Abkommen des Europarats von 1985 über den Schutz der europäischen Baudenkmäler trat Ungarn 1991 bei.11 Im neuen Denkmalschutzgesetz Nr. LIV von 1997 werden zwar die Landesbauordnung und der Denkmalschutz voneinander getrennt, die Vorschriften des Granada-Abkommens wurden aber nicht vollständig eingebaut. Mit einem Gesetz über die Ausgestaltung und den Schutz der bebauten Umwelt, ebenso von 1997 (Gesetz Nr. LXXVIII. = tv. az épített környezetrĘl), wurde ein weiterer Schritt in Richtung eines umfassenderen rechtlichen Rahmens getan. Kulturgüterschutz als Schutz des universellen und nationalen kulturellen Erbguts ist es wert, gesondert und seinem Wert entsprechend getrennt in einem Gesetz geregelt zu werden. Das Kulturgüterschutzgesetz von 2001 (Nr. LXIV.)12 wurde – anders oben erwähnte frühere Rechtsquellen – im Sinne der durch Ungarn eingegangenen internationalen Abkommen verabschiedet. Die verwendeten Begriffe und die Schutzmechanismen des Gesetzes entsprechen den völkerrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen, denen sich Ungarn ab 1990 unterworfen hat.
III. Völkerrechtliche bzw. gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen Ungarns im Bereich des Kulturgüterschutzes Ungarn hat die meisten dem Kulturgüterschutz direkt oder indirekt dienenden völkerrechtlichen Verträge unterschrieben und ratifiziert. Im folgenden sollen nur beispielhaft die wichtigsten dieser Abkommen aufgelistet werden, als Beweis des Bestrebens um eine auch im internationalen Kontext standhafte Handhabung des Kulturgüterschutzes durch den ungarischen Staat. Freilich, nicht immer waren die völkerrechtlich eingegangenen Verpflichtungen sofort in die innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt worden. Die UNO-Konvention von 1950 (Lake Success) über die Einfuhr von Gegenständen kultureller und wissenschaftlicher Art bzw. für Bildungszwecke wurde von Ungarn in 1979 ratifiziert.13 Dadurch ist die Möglichkeit eröffnet worden, Kunstgegenstände für öffentliche Zwecke (z. B. Ausstellungen) in das Land einfacher und schneller einzuführen. Die UNESCO-Konvention zur Verhinderung des illegalen Handels mit Kulturgut wurde 1970 in Paris verabschiedet. Die Konvention setzte sich die Vorbeugung gegen Diebstahl, die Unterbindung geheimer Ausgrabungen sowie die ___________ 11 Zu den völkerrechtlichen sowie gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen Ungarns siehe unten Ziffer III. 12 2001. évi LXIV. törvény a kulturális örökség védelmérĘl. 13 Die Konvention wurde in Ungarn durch die Verordnung Nr. 12 von 1979 verkündet.
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Unterbindung der illegalen Ausfuhr zum Ziel. Ungarn trat der Konvention 1979 bei.14 Da die UNESCO-Konvention zum illegalen Handel mit Kulturgut nur die zwischenstaatliche und nicht die privatrechtliche Ebene betrifft, also Rückgabeforderungen von Einzelpersonen ausschließt, beauftragte die UNESCO die in Rom sitzende UNIDROIT mit der Erarbeitung eines ergänzenden Übereinkommens. Dieses wurde 1995 in Rom unterschrieben und von Ungarn 2001 ratifiziert:15 Der illegale Handel mit Kulturgut auf privatrechtlicher Ebene ist demnach den völkerrechtlichen Standards entsprechend auch durch bzw. in Ungarn verfolgbar. Das gesamte UNIDROIT-Übereinkommen ist in vollem Umfang Teil der ungarischen Rechtsordnung. Das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, das die UNESCO 1972 beschlossen hatte, wurde von Ungarn viel später, nämlich 1985 ratifiziert.16 Auf der Liste stehen folgende ungarische Kulturgüter: Budapest auf beiden Seiten der Donau und das Burgviertel (1987), HollókĘ – ein traditionelles Dorf (1987), die Benediktinerabtei in Pannonhalma (1996), Nationalpark Hortobágy (1999), Pécs – altchristliche Grabstätte (2000), FertĘ-See (2001), Tokaj-Hegyalja Weingebiet (2002) sowie Budapest – Andrássy Straße mit Heldenplatz (2002). Im Rahmen des Europarates beschlossene Verträge zum Schutz verschiedener Kulturgüter wurden auch von Ungarn ratifiziert. Ungarn trat sowohl dem Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes (Granada) von 198517 als auch dem Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes (Valetta) von 199218 bei. Ungarns Beitritt zur Europäischen Union brachte selbstverständlich den gesamten aquis communitaire zum Thema Kulturgüterschutz mit sich, von primärrechtlichen Vorschriften bis hin zu den geltenden Verordnungen und Richtlinien. Eine ausführliche Darstellung erübrigt sich in unserem Fall, da diese Aufgabe die Grenzen des vorliegenden Vortrages sprengen würde. Außerdem gelten für und in Ungarn genau dieselben gemeinschaftsrechtlichen Regeln, die alle anderen EU-Mitgliedstaaten verpflichten.19 ___________ 14
Die Konvention wurde in Ungarn durch die Verordnung Nr. 2 von 1979 verkün-
det. 15
Das Übereinkommen wurde mit dem Gesetz Nr. XXVIII von 2001 verkündet. Das Übereinkommen wurde durch die Verordnung Nr. 21 von 1985 verkündet. 17 Dieses Übereinkommen wurde als völkerrechtlicher Vertrag unter der Nr. 1991/6. bekanntgegeben. 18 Das Übereinkommen wurde durch die Verordnung Nr. 149/2000 (VIII.31.) verkündet. 19 Buzinkay, Péter: MĦtárgyvédelem és az Európai Unió, MĦemlékvédelem 2003/1., S. 31 ff. 16
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IV. Geltendes ungarisches Recht zum Schutz der Kulturgüter 1. Rahmengesetz zum Schutz des kulturellen Erbes (KultSchGes - 200120) – Zielsetzung und grundlegende Bestimmungen Nach den oben geschilderten historischen wie rechtlichen Vorgaben war es 2001 soweit gekommen, ein Rahmengesetz zum Schutz des Kulturerbes zu verabschieden. Zielsetzung des Gesetzes ist es, rechtliche Voraussetzungen zum Erschließen, zur wissenschaftlichen Bearbeitung, zum Schutz, zur nachhaltigen Benutzung und zum öffentlichen Zugang des kulturellen Erbes der ungarischen und universellen Geschichte zu schaffen. Es wird in der Präambel festgehalten, daß Ungarns Kulturerbe unersetzlich, einmalig und nicht erneuerbare Quelle der Vergangenheit und der Gegenwart des Landes darstellt, gleichzeitig Bestandteil der nationalen und universellen Kultur ist. Beabsichtigt wird weiterhin eine klare Kompetenzabgrenzung der zuständigen Behörden, wobei das Verfahren vor diesen Behörden vereinfacht und effektiver gestaltet wird. In den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sämtliche Güter des Kulturerbes, ob bewegliche oder unbewegliche Sachen sowie archäologische Fundstellen und Kunstdenkmäler. Der Begriff Kulturgut bezeichnet die beweglichen Teile des Kulturerbes. Ausgenommen sind Naturobjekte (hier greift das Naturschutzgesetz) und Objekte des architektonischen Erbes (épített környezet) sowie Kulturgüter, die als Eigentum ausländischer Staatsangehöriger im diplomatischen Dienst nach Ungarn eingeführt werden. Private und öffentliche Archive werden in gesonderten Gesetzen geregelt. Traditionen, Gewohnheiten, Bräuche – als Teile des geistigen Kulturerbes – fallen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes wurde sehr weit gefaßt: Es erstreckt sich auf alle natürlichen und juristischen Personen, die in irgendeiner Form mit Kulturgütern zu tun haben, unabhängig davon, ob dies in Form eines privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisses stattfindet. Der Schutz des Kulturerbes steht im Allgemeininteresse, dazu ist die Zusammenarbeit aller Betroffenen erforderlich. Art. 5 Abs. (2) KultSchGes stellt die Verpflichtung fest, den Schutz der im Ausland befindlichen ungarischen Kulturgüter sowie den Schutz der in Ungarn befindlichen Kulturgüter anderer Nationen (d. h. fremden Kulturguts in Ungarn!) in internationaler Zusammenarbeit zu gewährleisten. In der Begründung zu Art. 4 des Gesetzes wird die Verpflichtung des Staates zur Erhaltung und zum Schutz des Kulturerbes der in Ungarn lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten festgehalten. ___________ 20
Gesetz Nr. LXIV von 2001 über den Schutz des kulturellen Erbes.
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2. Gesetz über die Rückgabe illegal ausgeführter Kulturgüter (2001) Im Jahr 2001 wurde ein weiteres Gesetz vom ungarischen Parlament verabschiedet: das Gesetz über die Rückgabe illegal ausgeführter Kulturgüter.21 Ungarn hat sich in dem Europa-Abkommen22 mit den Europäischen Gemeinschaften sowie ihrer Mitgliedstaaten 1991 (rechtskräftig ab 1. Februar 1994) verpflichtet, das ungarische Rechtssystem dem Gemeinschafts-aquis anzupassen. In diesem Sinne und im Zuge der Rechtsharmonisierung wurde auch jenes Gesetz verabschiedet. Als Voraussetzung des Beitritts zur Europäischen Union war Ungarn verpflichtet, die Richtlinie des Rates über die Rückgabe der illegal ausgeführten Kulturgüter (93/7/EWG) zu implementieren. Das Gesetz wurde zwar schon 2001 verabschiedet, ist aber erst ab dem Zeitpunkt des Beitritts Ungarns gültig, d. h. ab dem 1. Mai 2004. Der sachliche und persönliche Anwendungsbereich, die Begriffe, die Verfahren richten sich nach den Vorschriften der Richtlinie und wurden für den ungarischen Rechtsraum konkretisiert. Nach Art. 8 des Gesetzes werden die Vorschriften nur bei Rückgabe solcher Kulturgüter angewandt, die nach Inkrafttreten des Gesetzes illegal ausgeführt worden sind. Da Ungarn der UNIDROIT-Konvention über den illegalen Handel von Kulturgütern im Privatbereich beigetreten ist23, wurde die Kollision mit den aufgrund der EGRichtlinie eingeführten Vorschriften dadurch aufgehoben, daß der „Vorrang“ der der Richtlinie entstammenden Vorschriften im Verhältnis zu den EUMitgliedstaaten explizit erklärt wurde.
V. Exkurs: Kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter – ein ungarisches Inventar Als die Sowjetarmee 1945 in Budapest – auf der rechten Seite der Donau – ankam, sind in ihrem Schlepptau spezielle Einheiten des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes (in Deutschland waren es die sog. Trophäenbrigaden) erschienen, die in Museen, Banken, Archiven und Privatsammlungen der ungarischen Hauptstadt systematisch nach Kunstwerken suchten. Die Mitglieder dieser speziellen Einheiten waren keine Soldaten, in Wirklichkeit waren es Museologen, Kunsthistoriker, die aufgrund genauer Ziellisten auf Schatzsuche waren. Der Ursprung der Ziellisten läßt sich auf das Jahr 1943 zurückführen, als die sowjetischen Truppen gegnerische militärische Einheiten – darunter ungarische Truppen – aus ihrem Lande zurückdrängten. Auf Vorschlag eines russi___________ 21 22 23
Gesetz Nr. LXXX von 2001 über die Rückgabe illegal ausgeführter Kulturgüter. Gesetz Nr. I. von 1994 – Assoziierungsabkommen. Gesetz Nr. XXVIII von 2001 – UNIDROIT-Konvention.
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schen Malers und Kunsthistorikers, Igor Grabar, sollte sich die Sowjetunion für die Zerstörung und Verschleppung ihrer Kulturgüter während des Feldzugs der alliierten Truppen durch ebenso wertvolle Kunstgegenstände aus den befeindeten Ländern entschädigen. Igor Grabar hatte eine spezielle Verbindung zu Ungarn: Er wurde in Ungarn geboren, aber da sein Vater sich vehement für die Rechte der slawischen Minderheiten setzte, mußte die Familie – laut russischen Quellen – 1876 nach Russland aussiedeln. Zu diesem Zeitpunkt war Igor Grabar fünf Jahre alt.24 Auf jeden Fall standen auf der von Grabar 1943 erstellten Liste als „offizielle Beutestücke“ Kulturgüter aus Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien und Italien. Letztere sind von der Liste gestrichen worden, nachdem Italien Deutschland den Krieg erklärt hatte. So blieben auf dem Requirierungsplan über 1700 Kunstwerke im Wert von über 70 Millionen Dollar (Kurs: 1945) – laut Schätzungen von Grabar. Auf dieser Liste standen ca. 80 ungarische Kunstgegenstände im Wert von ca. 1,3 Millionen Dollar – die sogar mit Inventarnummern versehen wurden, darunter Gemälde von Goya, Rembrandt, Vermeer. Die Experten in Moskau hatten sich auch für die auf 400.000 Dollar geschätzte Krone des byzantinischen Kaisers Konstantinos Monomachos interessiert. Die Museen in Budapest waren aber praktisch leer, als die speziellen Einheiten des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes eintrafen, so fielen ihnen vor allem Banken und Archive bzw. öffentliche Lager zum Opfer. Aus den Tresoren verschleppte Beutestücke waren Kulturgüter, die teilweise im Eigentum jüdischer Familien standen. Ein Großteil der Privatsammlungen der Familie Hatvany und Herzog sind in die Sowjetunion verbracht worden. Nach Meinung ungarischer Kunsthistoriker25 kann die Verbringung von 30.000 bis 35.000 Kunstgegenständen bewiesen werden. Vermutlich lagert aber das dreifache – ca. 100.000 ungarische Kunststücke – in Rußland. Beweise wie z. B. Urkunden sind massenweise vernichtet worden, vorhandene sind immer noch nicht öffentlich zugänglich – d. h. dürfen zu Forschungszwecken nicht freigegeben werden. So bleibt diese Zahl wohl noch eine Zeit lang nur Vermutung und die Rückgabe dieser Gegenstände an ihre rechtmäßigen Eigentümer ein Traum. All das widerspricht dem geltenden Völkerrecht, da die Haager Landkriegsordnung von 1907, die auch für den Zweiten Weltkrieg anerkannt und als geltendes Recht zu Grunde gelegt wurde, den Kreis der Gegenstände, die das Besatzungsheer mit Beschlag belegen darf, auf das bare Geld und das bewegliche Eigentum des Staates, das geeignet ist, den Kriegsunternehmungen zu dienen ___________ 24
Vgl. Németh, András: Leltár elvétel – szovjet mĦkincsbegyĦjtés, 1945. HVG 2005. 02. 19. – Gespräch mit ungarischen Kunsthistorikern wie Mravik, László, Varga, Éva Mária. 25 Mravik, László: Hányszor megmentve? Új MĦvészet 1996/10-11. – eine Übersicht der kriegsbedingt aus Ungarn verbrachten Kulturgüter.
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(Art. 53), beschränkt. Kulturgüter in privater Hand werden also geschützt, aber auch Kulturgüter der öffentlichen Hand, wenn sie im Eigentum von Gemeinden und Anstalten stehen, dem Gottesdienst, der Wohltätigkeit, dem Unterricht, der Kunst oder der Wissenschaft gewidmet ist (Art. 56). Im Verhältnis zu Ungarn verstößt die Sowjetunion gegen diese völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollen Augenzeugen gesehen haben, wie Gold- und Silberstücke sowie Kunstwerke an drei unterschiedlichen Stätten in (Buda)Pest gelagert, bewacht und später in Holzkisten nach Moskau bzw. Leningrad (heute: Sankt Petersburg) abtransportiert wurden. Manche ungarische Kunsthistoriker (Eva Maria Varga26) halten es für möglich, daß denjenigen Offizieren, die den Auftrag hatten, „offizielle Beutestücke“ zusammenzutragen, wohl auch erlaubt worden war, für eigene Zwecke zu plündern. Es ist bewiesene Tatsache, daß hunderte von Gegenständen aus den Holzkisten im Laufe des Transports unzählige Male gestohlen wurden. In der ersten Phase, beim Zusammentragen der Beutestücke, waren verläßliche Zivilisten in Militäruniform gekleidet tätig. Später, beim Transport, sind Soldaten beauftragt worden, die die Aufgabe viel weniger ernst genommen haben, und unter anderem mit der Bevölkerung gehandelt bzw. Tauschgeschäfte abgewickelt haben. Ungarische Kunsthistoriker (Mravik, László27) können solche Geschehnisse beweisen, etwa 30 Fälle in Ungarn und genauso viele in der Slowakei; auf dem Territorium der Ukraine soll die Zahl ähnlicher Fälle bei etwa 100 liegen. Das Schicksal mancher Kulturgüter ist deshalb oft sehr schwer nachzuvollziehen. Ungarn kann heute praktisch und realistisch nur eine einzige Sammlung zurückfordern: Es sind die Bücher des Reformierten Kollegiums in Sárospatak – bei Rückführung kirchlichen Eigentums scheint Rußland ein wenig bereitwilliger zu sein. Bisher ist der Fundort nur sehr weniger kriegsbedingt verbrachter ungarischer Kulturgüter aufgespürt worden: 150 Gemälde und die Buchsammlung, bestehend aus vermutlich 170 Bücher des Reformierten Kollegiums aus Sárospatak werden in Nisni Novgorod sowie in Moskau aufbewahrt. Es fehlt aber das wertvollste Stück der Buchsammlung: eine polnische Bibel in Handschrift, die – laut Augenzeugenberichten – beim Verladen in Budapest noch existierte. Sämtliche in Novgorod befindlichen Kulturgüter stammen nach Aussagen ungarischer Kunsthistoriker aus Ungarn. Moskau will hingegen wissen, daß diese Gegenstände aus Deutschland stammen, und zwar aus der auf zweifelhafte Weise zusammengetragenen Privatsammlung des Gestapo-Chefs Adolf Eichmann. Ein ungarischer Kunsthistoriker (Mravik, László) behauptet aber das Gegenteil und meint, diese Gemälde – unter denen Bilder von Goya, Degas
___________ 26 27
Vgl. bei Németh, András: Leltár elvétel, HVG 2005. 02. 19., S. 72. Fn. 25.
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und Manet zu finden sind – seien nicht aus Deutschland zusammengetragen worden, sondern stammten aus Ungarn.28 Im Laufe der diplomatischen Verhandlungen zum Thema Kulturgüterschutz bzw. Rückgabe zwischen Rußland und Ungarn wird von russischer Seite immer wieder der Vorwurf laut, daß ungarische Soldaten im Zweiten Weltkrieg ihrerseits auch geplündert hätten. Als Beispiel wird die Aktion in der Stadt Ostrogozski (Kreis Vorones) erwähnt, bei der drei Lastwagen voller Kunstgegenstände des örtlichen Museums von ungarischen Soldaten weggebracht worden seien. Von ungarischer Seite sind aber keine Ziellisten aufgestellt oder Beutezüge organisiert worden. Die ungarische königliche Armee hat – nachweisbar – keine Trophäenbrigaden oder sonstige spezielle Einheiten zu diesem Zweck gehabt. Daß private Raubzüge vorgefallen sind, kann nicht ausgeschlossen werden, die sind aber unter Umständen von der Lagergendarmerie sowie dem Kriegsgericht der ungarischen Armee selbst verfolgt und bestraft worden.29 Zwischen Rußland und Ungarn wurde nach dem Systemwechsel im November 1992 ein Abkommen über die gegenseitige Rückgabe der Kulturgüter abgeschlossen, die im Zweiten Weltkrieg sowie in den Folgejahren in die beiden Staaten verbracht worden waren. Im Jahr 1993 wurde ein ungarisch-russischer Restitutionsausschuß errichtet.30 Die ungarische Seite hat dem Ausschuß Dokumente vom 1. Juni 1946 vorgelegt als Beweis dafür, daß Ungarn seiner Rückgabepflichten in vollem Umfang nachgekommen ist.31 Ungarn wurde einerseits durch Art. 30 des Friedensvertrags ein Rückgabeanspruch solcher ungarischer (!) Kulturgüter eingeräumt, die von der Roten Armee aus Deutschland in die Sowjetunion verbracht worden waren. Andererseits steht Ungarn aufgrund der Haager Landkriegsordnung das Recht zu, direkt aus Ungarn verbrachte Kulturgüter in natura zurückzufordern. Die russische Seite stellt gegenüber Ungarn aber weitere Forderungen, die nicht näher definiert sind. Damit ist die sog. gegenseitige Rückgabe eine Einbahnstraße geworden, auf der nur eine Partei herumstolzieren darf – allen Verkehrsregeln zum Trotz sogar in beiden Richtungen. Eine Ausnahme ist trotzdem zu erwähnen: Im Februar 2006 – nach 60 Jahren Aufenthalt in Nisni Novgorod – wurden die oben zitierten Bücher des Reformierten Kollegiums (Sárospatak) Ungarn zurückgegeben. Das in 1531 gegründete Kollegium und die Bibliothek waren seinerzeit die berühmteste und größte ungarische Buchsammlung. Wie oben erwähnt, waren ca. ___________ 28 29
Fn. 25. Vgl. ausführlicher bei Varga, Éva Mária: Restitúciós kutatások Moszkvában,
2000. 30
Protokoll vom 21. Mai 1993. Gehér, József: A Szovjetunió területére vitt magyar mĦkincsek jogi helyzete, Magyar Múzeumok 1998/4, S. 50. 31
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170 Bücher aus dieser Bibliothek im Laufe des Zweiten Weltkrieges in die Sowjetunion verschleppt worden. Davon wurden 136 Bücher von der russischen Seite identifiziert und 2006 an den ungarischen Staat zurückgeführt. Diese Buchsammlung besteht aus lateinischsprachigen (96), ungarischen (33) sowie deutschsprachigen (6) Büchern, überwiegend sind es Gebetbücher, aber auch medizinische, juristische, geschichtliche Themen und Reisebeschreibungen sind darunter zu finden. Die Rückführung wurde durch ein Gesetz der russischen Duma von 2000 ermöglicht.
VI. Fazit Kulturgüterschutz als Vortragsthema in einem Atemzug zu bearbeiten, ist ein fast unmögliches Unterfangen. Es ist auch dann schwierig, wenn das Thema nur auf ein bestimmtes Land, in meinem Fall auf Ungarn, gerichtet ist. Titel meines Vortrages war – nach Wunsch der Veranstalter der Tagung – der Schutz fremder (!) Kulturgüter durch Ungarn. Diese Frage und die Antwort ist ziemlich allgemein in all den Vorschriften, die ich Ihnen oben gezeigt habe, eingebettet: Eine generelle Absicht und Verpflichtung des ungarischen Staates zum Schutz fremder Kulturgüter ist ohne weiteres zu behaupten. Spezielle Vorschriften können aus völkerrechtlichen multilateralen wie bilateralen Verpflichtungen des Staates abgeleitet werden, ergänzt durch die ausdrückliche Absicht des Staates, sich für Verhandlungen in Angelegenheiten des Kulturgüterschutzes auch in solchen Fällen zur Verfügung zu stellen, in denen es nicht um ungarische, sondern um fremde Kulturgüter geht.32 * * *
Abstract Elisabeth Sándor-Szalay: The Protection of Foreign Cultural Assets in Hungary, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 225-239. General protection of cultural property has been a priority for the Hungarian state throughout its history. The demand for deliberate protection provided by legal norms appeared at the beginning of the 19th century; while tangible legislative results were produced only after WWII. Effectiveness of these latter was ___________ 32 Meinem jungen Kollegen Robert Garamvölgyi danke ich für seine Bereitschaft, an meiner Stelle das Manuskript des Beitrags vorgetragen zu haben.
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questionable in the beginning, their conceptual framework less than perfectly defined. In order to regain cultural objects unlawfully removed from Hungary and to be able to participate in the international trade in cultural goods, the Hungarian state became party to several international treaties, and strove to create an appropriate internal administrative structure. Despite these efforts, the establishment of a simpler, integrated legislative framework based on a unified dogmatic foundation instead of the former unsystematic and ambiguous one took place only in the new millennium. The Hungarian Republic gives legal and diplomatic protection to Hungarian and foreign cultural objects in its domain according to internationally accepted norms, with adherence to the general principles of protecting cultural property.
Der Schutz der gemeinsamen europäischen Kulturgüter in Danzig Von Andrzej Januszajtis
I. Einführung Die geschriebene Geschichte Danzigs umfaßt mehr als eintausend Jahre. 146 Jahre lang unterstand es dem Deutschen Orden, 125 Jahre lang war Danzig ein Teil Deutschlands, 25 Jahre hatte es den formellen Status einer Freien Stadt. Während mehr als 700 Jahren stand Danzig unter der Oberhoheit der Polnischen Herrscher, deren Privilegien der Stadt ihre Blüte sicherten. Vom Ende des 16. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war es die größte und die reichste Stadt in Polen und an der ganzen Ostsee. Teilungen Polens brachten das Ende des Reichtums. Gleichwohl wurden nach einem Verzeichnis von 1793 hier 200 Personen registriert, die ihr Vermögen in Millionen Taler rechneten, und 1700 Personen, die mehr als einhunderttausend Taler besaßen. In heutiges Geld umgerechnet bedeutet das, daß damals jeder zwanzigste Danziger ein Millionär war.
II. Vorkriegszustand Die Innenstadt von Danzig bildete einen der reichsten und schönsten historischen Baukomplexe Europas, vergleichbar mit Amsterdam und Brügge. Auf dem Gelände von fast 600 ha standen mehr als 5000 Bauten, von denen mindestens die Hälfte heute als Baudenkmäler anerkannt werden würden. Alles war ungewöhnlich: das auffallend einfache mittelalterliche Straßennetz, bunte Mannigfaltigkeit des Fassadenschmucks – bei Beibehaltung der Teilung in schmale Parzellen –, die einmaligen Beschläge, die zum Eingang in die Häuser einluden, und das überall vorhandene Wasser, das die malerischen Häuserreihen wiederspiegelte und unzählige Boote und Schiffe trug. Über den Dächern ragten riesige Kirchen empor, die in ihrem Innern reiche Schätze der alten Kultur bargen. Das Ensemble der mittelalterlichen und neuzeitlichen Umwallungen gehörte zu den besterhaltenen in Europa.
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III. Kriegszerstörung Der letzte Krieg verwandelte die Stadt in ein Ruinenfeld. Im März und April 1945 verschwand das alte Danzig praktisch von der Erdoberfläche. Von den 11399 kriegsbetroffenen Gebäuden waren 5894 zu mehr als 75%, 1300 zu 2575% zerstört worden. Die Trümmermenge wurde auf 3 Millionen Kubikmeter geschätzt. 57000 Wohnzimmer hörten auf zu bestehen. Es gab kein Trinkwasser, Licht, Gas und Verkehrsmittel. Von 36 größeren Brücken blieben 16 übrig. Das Straßennetz war zu 25%, der öffentliche Fahrzeugpark zu 50% zerstört. Die Industriebetriebe und der Hafen waren verwüstet. Die gesamten Verluste wurden auf mehr als 9 Milliarden heutiger Zlotys berechnet (2,5 Milliarden Euro). Diese Summe ist nur ein Teil des wahren Werts. Einer der prächtigsten historischen Baukomplexe ging in Schutt und Asche, herrliche Bauten stürzten ein, unzählige Kunstwerke erlitten Zerstörung und Raub. Die Innenstadt, voll von unschätzbaren Bau- und Kunstdenkmälern, wurde zu mehr als 90% zerstört. Von den wertvollsten alten Bürgerhäusern blieben nur drei fast unversehrt, von den Monumentalbauten nur das Altstädtische Rathaus, die Nikolaiund Heilige Leichnamskirche und drei Tore der Renaissanceumwallungen. Heute haben wir in der ganzen Stadt etwas mehr als 1000 Objekte, die unter Denkmalschutz stehen. Trockene Zahlen informieren jedoch nicht über das wahre Ausmaß der Wiederaufbauprobleme.
IV. Grundsätze des Wiederaufbaus Seit dem Anfang stritten drei Konzepte miteinander: 1) die Ruinen als Mahnmal der Kriegsgreuel stehen lassen, 2) die Trümmer planieren und darauf eine neue Stadt bauen, oder 3) die Stadt wiederaufbauen mit Beibehaltung des Straßennetzes und Lichtungen der Bebauung. Für die Entscheidung zugunsten der dritten Variante sprachen der unschätzbare stadtbauliche und historische Wert, die Ausnutzungsmöglichkeit der erhalten gebliebenen Grundmauern und die Geländeausrüstung. Um die Wohnverhältnisse zu verbessern, wurden die früheren Dreitrakthäuser als seichtere Zweitrakthäuser wiederaufgebaut und zu größeren Wohnblöcken verbunden. Die Fassaden wurden an den alten Stellen wiederhergestellt, unter Heranziehung der gesammelten Bruchstücke der Ausschmückungen. Anstelle der in der Regel nicht wiederaufgebauten Hinterhäuser entstanden grüne Anlagen und Spielplätze für Kinder. Das heutige Antlitz der Stadt entstand im Streit. Seit dem Jahr 1949, dem Anfang des Wiederaufbaus, stritten zwei Meinungsgruppen miteinander: die „Denkmalfreunde“ und die „Mauerniederreißer“. Das Prinzip der möglichst vollen Rekonstruktion hat man nur in der Rechtstadt durchgeführt. In anderen Stadtvierteln wie der Altstadt, der Vorstadt, dem Lang- und Neugarten und der verhältnismäßig weniger zerstörten Niederstadt hat man darauf zu Gunsten der
Der Schutz der gemeinsamen europäischen Kulturgüter in Danzig
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neuen Bebauung, in welcher wie noble Edelsteine die wiederaufgebauten oder erhaltenen historischen Bauten stecken, verzichtet. Die Effekte des Wiederaufbaus haben kühnste Erwartungen übertroffen. Millionen Touristen, die jedes Jahr unsere Stadt besuchen, überlegen nicht, was authentisch oder rekonstruiert ist und fahren nach Hause unter dem starken Eindruck des auferstandenen Zaubers von Danzig. Das ist die beste und erfolgreichste Werbung für die Stadt und ihre Kultur.
V. Leistungen Viele durchgeführte Arbeiten waren und sind konservatorische Errungenschaften von Weltformat. Zu ihnen gehören vor allem der Wiederaufbau der Marienkirche, des Rechtstädtischen Rathauses mit seiner herrlichen Turmspitze, des Großen Zeughauses, das für das schönste Bauwerk der nordeuropäischen Renaissance gehalten wird, des Artushofes, des Krantors, des Speimannschen (Steffens) Hauses u. v. a. Man hat natürlich auch konservatorische Fehler begangen. Der jüngste von ihnen war die Beseitigung der historischen Vergoldungen der Fassade dieses berühmten Hauses – in Folge irrtümlicher Interpretierung der fehlerhaften Untersuchung der Farbschichten und wider den fachmännischen Urteilen.
VI. „Ideologische“ Umstände Während des Wiederaufbaus hat man auf die Bauten aus dem 19. und 20. Jahrhundert unter dem Vorwand ihrer angeblich schwächeren Architektur verzichtet. Unser Urteil ist heute anders. Die besten sollten wiederaufgebaut werden, besonders wenn sie historische Bedeutung haben. So steht es mit dem Hotel „Danziger Hof“, das bis 1945 bei dem Hohen Tor gestanden hat – ein Werk des hervorragenden Berliner Architekten Karl Gause. Der Wiederaufbau ist unentbehrlich, um das stilistische und ästhetische Gleichgewicht an beiden Seiten des schönen Tores wiederherzustellen. Für uns Polen ist sein Wert ein hoher, da es ein Sitz der Britisch-Polnischen Handelsbank gewesen war, die die Entwicklung der polnischen Firmen in der damals nicht sehr freundlichen Freien Stadt Danzig förderte. Hier traten auch polnische Künstler und Schauspieler auf, patriotische Veranstaltungen wurden organisiert. Solche Gründe soll man nicht vernachlässigen. In einer historischen Stadt hat die Geschichte ihre Rechte, doch man muß dazu noch einige „moderne“ Architekten gewinnen.
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VII. Fotokopienstreit Altdanziger Bauten – Kirchen, Rathäuser, Artushof, Uphagenhaus und andere Bürgerhäuser – waren wahre Schatzkammern der Kunst und des Handwerks. Dank der Auslagerung wurden 80% der Inneneinrichtung des Artushofes – der alten Versammlungsstätte der Danziger Patrizier – gerettet und kamen an die alte Stelle zurück. Den herrlichen Saal, mit seinen auf vier schlanken Pfeilern gestützten Gewölben, umgeben, wie einst, eichene Bänke mit reich gezierten Rücklehnen. Auf den Simsen, im 16. Jahrhundert mit berühmten Köpfen geschmückt, stehen Figuren der Könige und Heiligen. Über den gemalten Friesen wird das Auge durch die halbrunden, prunkvoll eingerahmten Gemälde angezogen. Im Hintergrund des Saales steht unter der Musikempore ein ungewöhnlicher, zinnerner Schanktisch. Daneben in der Ecke ragt der größte Renaissance-Ofen der Welt empor, auf dessen Kacheln man polnische Wappen und Bildnisse der europäischen Herrscher sieht. Die Wandfelder werden mit Fotokopien der verschollenen großen Gemälde ausgefüllt. Und gerade um diese Kopien brach ein Streit unter den Kunsthistorikern aus. Die Dogmatiker hatten sie als Kitsch erklärt, die anderen betonten ihre große Bedeutung für die Erhaltung des historischen Aussehens und der sagenumwobenen Atmosphäre. Die Aufnahmen sind so scharf, daß sie zur Entdeckung vieler bisher unbekannter Details beigetragen haben. Sie sind aus den schwarzweißen konservatorischen Glasnegativen entstanden. Um die Farbenpracht wiederherzustellen, hat man ein Computerprogramm entwickelt, gestützt auf die Analyse anderer erhaltener Werke derselben Meister und auf Farbempfindlichkeitsuntersuchungen der Klischees. Unabhängig von uns wurde eine ähnliche Methode bei der Wiederherstellung der Gemälde im Rathaus zu Aachen angewendet.
VIII. Zerstreute Schätze Während des Krieges wurden die wertvollsten Objekte ausgelagert, meistens in die nächste Umgebung, einige nach Westdeutschland. Manche der zurückgelassenen Werke wurden zerstört, ein Teil geraubt. Von den ausgelagerten Objekten sind die meisten zurückgekehrt – besonders in weltliche Gebäude. Schlimmer war es mit den Kirchen. Laßt uns als Beispiel die Marienkirche nennen – die größte Backsteinkirche der Welt. In den Kapellen und an den Pfeilern standen hier einst 47 Altäre. Vor dem letzten Krieg besaß die Kirche noch 26, von denen 21 der Zerstörung entgingen – nicht alle komplett. Viele wurden nach dem Krieg in die Museen geschafft, aus welchen sie allmählich zurückkehren. In die wiederaufgebaute Kirche sind bis heute 13 zurückgeführt worden, zwei befinden sich noch im Nationalmuseum in Danzig, fünf in Warschau, eine Altartafel und eine Predella wurden vor ein paar Jahren in Berlin aufgefunden. Dank der Hilfe der deutschen Danziger konnte die spätgotische Figur der trauernden Muttergottes aus einer kleinen Dorfkirche in Vacha auf
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ihre alte Stelle zurückkommen. Man weiß nicht, wieviel Objekte nach Rußland verschleppt wurden, die Russen verweigern darüber jede Auskunft. Der weltberühmte Paramentenschatz lagert jetzt verstreut in den Museen in Danzig (181 Stück), Lübeck (78) und Nürnberg (23), was erheblich seinen Wert vermindert. Von acht Glocken aus dem 14. bis 17. Jahrhundert, deren wundervollen Klang wir aus den Vorkriegsaufnahmen kennen, sind zwei erhalten geblieben, gefunden bei einer Hütte, wo man sie nicht zu verschmelzen vermochte. Die älteste „Osanna“ befindet sich zur Zeit in Hildesheim, die andere „Dominicalis“ in Lübeck, nebst zwei Glocken aus unserer Johanniskirche. Die richtige Stelle für diese unschätzbaren Kulturdenkmäler des alten Danzig sind die alten Kirchen, von uns mühevoll wiederaufgebaut in ungünstiger Zeit des bitteren Kampfes mit den kommunistischen Behörden, die jede Manifestierung der Religion bekämpften. Letztlich kam eine Glocke aus Lübeck in die Kirche in Steegen zurück. Man fand eine für beide Seiten annehmbare Lösung: ewige Pacht. Bei der Wiederkehr der Glocke haben die deutschen Danziger und die beiden evangelischen Kirchen, polnische und deutsche, mitgewirkt. Die die Übergabe der Glocke begleitende Feier war tief bewegend: die polnischen Kinder aus Steegen deklamierten „Das Lied von der Glocke“ von Schiller, die meist gebrauchten Worte in beiden Sprachen waren „Friede“ und „Freundschaft“.
IX. Auferweckung der alten Traditionen Der Wiederaufbau der historischen Bausubstanz reicht nicht aus, wenn man nicht zugleich die alten Traditionen neubelebt. Diese Aufgabe ist besonders schwierig dort, wo in der Folge des Krieges die Mehrheit der Bevölkerung ausgetauscht wurde. Die berühmteste Veranstaltung des alten Danzig war der Dominiksmarkt, abgehalten jedes Jahr im August seit 1260. Als er 1972 erneut durchgeführt wurde, wurde er mit Kulturereignissen bereicht – Konzerten, Ausstellungen, Wettbewerben usw. Man organisiert jetzt auch die traditionellen Weihnachtsjahrmärkte. Seit 1982 lebt wieder die 1560 gegründete Ratskapelle (Cappella Gedanensis) – ein professionelles Ensemble, das sich auf die Aufführung der Altdanziger Musik spezialisiert, deren reiche Sammlung die 1596 gegründete Stadtbibliothek (zur Zeit unter dem Schild der Polnischen Akademie der Wissenschaften) besitzt. Auch die wiederhergestellten Glockenspiele auf den Türmen der St. Katharinenkirche und des Rechtstädtischen Rathauses spielen alte, für sie geschriebene Musik, die man mühevoll entziffert hat. Die neuen Glocken von St. Katharinen entstanden in liebevoller Zusammenarbeit polnischer und deutscher Danziger und wurden als Zeichen der Versöhnung durch den Papst gesegnet. Gepflegt und entwickelt werden auch die wissenschaftlichen Traditionen. Im Jahre 1945 nahm von neuem die Technische Hochschule (heute Technische Universität) ihre Tätigkeit auf, die im vorigen Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feierte. Neben ihr entstanden neue Lehranstalten, darunter die Danziger Uni-
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versität, die an die Tradition des Akademischen Gymnasiums anknüpft. In sechs staatlichen Hochschulen Danzigs studieren fast sechzigtausend Studenten. Von den alten und neuen Kulturinstitutionen sollen vorerst die Oper, die Philharmonie, die Museen, das Ostseekulturzentrum u. a. erwähnt werden. Ich sehe von der Wirtschaft ab, weil ihr Wiederaufbau offenbar war. Es ist jedoch wissenswert, daß der Hafen von Danzig heute wieder der größte in Polen und zugleich der tiefste an der ganzen Ostsee ist. Die größten Schiffe, die in unsere See einfahren, können nur in Danzig bedient werden. Zu den wertvollen Lokaltraditionen gehört auch die Erinnerung an die großen Persönlichkeiten, die hier geboren wurden, lebten und wirkten – solche wie der Dichter und Staatsmann Bischof Johannes Dantiscus, der Mathematiker Peter Krüger, dem wir den Kosinussatz verdanken, der Geograph Philipp Clüver, der zuerst die Grenzen Europas auf dem Ural festsetzte, der Astronom Johannes Hevelius – Stipendiat der beiden Könige Johann Sobieski von Polen und Louis XIV. von Frankreich, der Schöpfer der modernen Thermometrie Daniel Gabriel Fahrenheit, der Pionier der Elektrizitätsforschung Daniel Gralath, der Philosoph Arthur Schopenhauer u.a. Manche ihrer Geburtshäuser wurden wiederaufgebaut und Denkmäler wurden errichtet. Zu den berühmten Personen aus neuerer Zeit werden auch drei Danziger Nobelpreisträger gerechnet.
X. Bedrohungen Nicht selten werden Tendenzen der Schwächung der Wiederaufbauleistungen durch moderne oder postmoderne, auf dem Gelände oder nahe der Rechtstadt gebaute Gebäude sichtbar, die mit ihrem Maßstab und Stil die historische Umgebung sprengen. Ein krasses Beispiel ist die Umgebung des Großen Zeughauses auf dem Kohlenmarkt und das (zum Glück kleine) Hotel „Hansa“ beim Johannistor. Die Wolkenkratzer in der Altstadt sind ein Mißverständnis, auf der Speicherinsel würden sie ein tragischer Irrtum sein, empfindlich sichtbar aus den Gassen der Rechtstadt. Eine ernste Bedrohung ist die von einigen Architekten vorgeschlagene Gestalt der Bebauung des Kohlen- und Heumarktes. Für solche Bauten haben wir in Danzig Raum genug anderswo, nicht auf dem Gelände der zu einem Geschichtsdenkmal erklärten Innenstadt. Anstatt solcher Einfälle sollte man lieber die einst wegen ihres Zaubers bekannten Karpfen- und Hohe Seigen wiederherstellen und den Wiederaufbau der Speicherinsel und der Langgarten stilgerecht vollenden. Daß dies möglich ist, zeigen die neuerrichteten Häuser der Milchkannengasse. Rekonstruierte Fassaden stehen auf alten Stellen, geschmückt mit Wappen der alten Speicher. Im Innern, auf der Höhe des dritten Stockwerks, ist ein wahres Wunder entstanden – zwei stille Innenhöfe mit grünen Rasen und blühenden Rhododendrons, sogar mit einem kleinen Weiher, in dem sich Fische tummeln. Die Garagen für die Bewohner sind tief unter die Erde versenkt. Das ist die
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wahre Moderne, die die Geschichte ehrt. Es ist symptomatisch, daß einige Bekenner des Dogmas, „Rekonstruktion sei ein Verbrechen“, diese hervorragende Leistung fanatisch bekämpfen.
XI. Druck der Gegenwart Die Geschichte, mag sie die herrlichste sein, kommt nicht selten in Konflikt mit den Bedürfnissen des modernen Lebens. Einer der häufigsten Streitpunkte ist der Verkehr. Nach dem Sturz des Kommunismus erfolgte in unserem Land eine gigantische Explosion der Motorisierung. Jede Familie, ja, fast jeder Mensch muß unbedingt ein Auto haben. Wenn man die Wahl hat, das öffentliche Verkehrssystem oder sein eigenes Auto zu benutzen, wählt man in der Regel letzteres. Zur Arbeit, zum Einkaufszentrum, sogar um eine Zeitung zu kaufen, fährt man mit dem Auto. In den Zeiten des größten Verkehrsaufkommens sind unsere Straßen verstopft. Die Stadt wird erwürgt, die Fahrbahnen sind zu schmal, und ein echtes Problem bilden die fehlenden Parkplätze. Jeden Bebauungsplan beginnt man mit der Berechnung der Parkplätze. Ein typisches Beispiel ist der Nordzipfel der Speicherinsel. Der vor zwei Jahren beschlossene Bebauungsplan sieht die Beseitigung der historischen Turmgasse und den Bau eines mehrstöckigen Parkhauses für 600 Autos vor. Es bedeutet nichts, daß das Straßennetz aus dem 14/15. Jahrhundert stammt, und das im Durchblick zwischen den Ruinen der Speichermauern aus dem 17/18. Jahrhundert, gerade in der Gassenachse, das Rathaus sichtbar ist. Die Straße muß dennoch verschwinden. Wie der damalige Konservator sich ausdrückte: „Im Konflikt zwischen Geschichte und Motorisierung muß jene verlieren“(!). Wir kämpfen um einen anderen Bauplatz oder um eine Tiefgarage, aber der Kampf ist schwierig. Für die Speicherinsel haben wir einen anderen Plan vorgeschlagen, nach dem Vorbild solcher Städte wie Boston, Chicago, Liverpool, wo das große Einkünfte bringt. Die Traditionsinsel: Alles, was man hier wieder- oder neu aufbaut – Hotels, Restaurants, Museen, sogar Wohnhäuser – soll der Exponierung der Lokalgeschichte dienen, nicht nur durch entsprechende Ausstellungen, sondern auch mit Hilfe der Schauspieler in historischen Kostümen, die die bunte Atmosphäre des alten Hafens mit seinen Schiffern, Kaufleuten, polnischen Adelsleuten und Flößern (und Danziger Bowken) lebendig darstellen. Im Getreideelevator kann man zeigen, wie die alten Einrichtungen wirken, auf den Kaien, wie man die Schiffe umlädt. Die Kopien der alten Schiffe – Koggen, Karavellen, Pinken – können an den Kaien liegen und uns in die vergangene Zeit zurückversetzen. Die Wagen der touristischen Bahn können auf alten Gleisen fahren und ihre Fahrrichtung auf erhaltenen und rekonstruierten Drehscheiben ändern. Solch eine Traditionsinsel kann eine große Attraktion bilden und nicht unbedeutende Einkünfte bringen. Auf unserer Seite stehen einige Architekten, die die Speicherinsel in historischer Gestalt entwerfen – ein-
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malig und attraktiv nicht nur für die Touristen. Ob wir gewinnen, wissen wir nicht. Der Kampf läuft fort. Unser Problem ist, daß wir Kapital brauchen. Von Zeit zu Zeit erscheinen ausländische Investoren und wollen Baugelände kaufen – sehr oft zur Spekulation. Die Stadt benötigt Geld, um sich zu entwickeln, und nimmt zu oft alle Bedingungen an, auch solche, die mit unserem Recht über den Denkmalschutz im offenen Widerspruch stehen. So geschieht es jetzt mit dem Heumarkt, dem uralten Vorfeld der Rechtstadt, unentbehrlich für deren richtige Ansicht. Der Bebauungsplan, erarbeitet auf Wunsch der holländischen Unternehmer, sieht die Errichtung großer Gebäude auf dem Heumarkt vor, unmittelbar vor dem Hohen Tor. Der neue, unerfahrene Konservator hat die Höhe von 31 Meter zugelassen. Geplant ist auch ein Turm auf dem Krebsmarkt, der eine Konkurrenz zu dem St. Marien-Kirchturm bilden soll! Man will die Radaune bedecken und den Logengang, der als Schinkelgasse schon 1428 bestanden hat, liquidieren. Wir haben diese Pläne als rechtswidrig angeklagt und warten auf gerichtliche Entscheidung. Am wichtigsten für mich und meine Freunde aus dem Verein „Nasz GdaĔsk“ (Unser Danzig) ist die Beibehaltung der historischen Identität.
XII. Gute Idee – schlechte Verwirklichung Manchmal mag sogar eine richtige Idee in die Irre gehen und eine Gestalt annehmen, die dem Effekt des Wiederaufbaus Schaden bringt. So geschieht es jetzt mit dem sogenannten Elisabethentheater. Am Anfang ging es um die Rekonstruktion des einfachen Theatergebäudes aus dem 17. Jahrhundert, des ersten außerhalb Englands, in welchem seit 1616 Schauspielergruppen auftraten. Ausgebaut 1646 für den Besuch der Polenkönigin Louise Marie de Nevers diente es der Stadt bis zur Eröffnung des neuen Schauspielhauses auf dem Kohlenmarkt im Jahre 1801. Vor einigen Jahren wurde eine Stiftung gegründet, die die Finanzierung sichern soll. Alles ging gut bis zum Wettbewerb um die architektonische Gestalt. Der siegreiche Architekt entwarf ein großes Gebäude, dem Tempel in Karnak nicht unähnlich, mit riesigen Garagen, die vom Stadthof bis zum Ankerschmiedeturm reichen und sogenannte hängende Gärten auf den Dächern tragen. Die Ansicht der Rechtstadt von Süden wird dadurch aber weitgehend verdeckt. Die Bewohner der Vorstadt werden nur eine meilenlange, 6 Meter hohe Mauer mit Bäumen darüber sehen. Das Projekt löste Proteste aus, aber die Stadtbehörden und viele Architekten waren entzückt. Wir schlagen vor, den Bau nach Langgarten, an die Stelle des im Kriege zerstörten Wilhelm-Theaters, zu versetzen.
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XIII. Rechtsgrundlagen des Denkmalschutzes Als Polen im Ersten Weltkrieg seine Unabhängigkeit wieder errungen hatte, mußte man neue Grundlagen für den Denkmalschutz schaffen. 1926 wurde das entsprechende Gesetz erlassen, das noch nach dem letzten Krieg gegolten hat. Aufgrund dieses Gesetzes erklärte man schon am 11. Oktober 1947 die Innenstadt von Danzig in den Grenzen der neuzeitlichen Umwallungen zum Baudenkmal und stellte die Stadt unter Schutz. Zugleich wurde eine Liste erarbeitet, die in der ganzen Stadt mehr als 550 historische Bauten umfaßte. Später erweiterte man sie beträchtlich. Gesondert wurden die beweglichen Objekte verzeichnet. Nach der Wende, am 20. September 1994, erkannte der Staatspräsident von Polen das Gebiet als Geschichtsdenkmal an, womit noch die Schutzpflicht verstärkt wurde. Am 23. Juni 2003 wurde ein neues Kulturgüterschutzgesetz erlassen, das die alten Grundsätze beibehält. Dem Schutz unterliegen jetzt auch die Kulturlandschaften und historische urbane Komplexe – unabhängig von ihrem Erhaltungszustand. Der Eintrag in das Register hat den Zweck, die Bedrohungen, die dem Denkmal Schaden zufügen könnten, zu vermeiden.
XIV. Schlußbemerkungen Trotz aller widrigen Umstände wurde der Wiederaufbau von Danzig weltweit gepriesen und manchmal teilweise nachgeahmt. Wir haben gute Konservatoren ausgebildet, die auch in der Bundesrepublik – in München, Trier, Aachen usw. tätig waren. Beim Wiederaufbau mancher Objekte hat auch die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen geholfen. Im Namen des „Horologium“Vereins, der die Astronomische Uhr wiederherstellt, möchte ich unseren Dank ausdrücken. Aber der Wiederaufbau von Danzig ist noch nicht beendet. Man benötigt viel Geld und Eifer, um etwa das schöne Innere der Katharinenkirche wiederherzustellen, unter Ausnutzung der erhaltenen Kunstwerke. Dasselbe gilt für die Johannis- und Trinitatiskirche sowie die Petrikirche, in welcher jetzt viel geschieht. Ohne Europäische Fonds werden wir das alles nie vollenden können. Die Anerkennung der Innenstadt von Danzig als Weltkulturerbe könnte helfen, aber das geht sehr zäh. Die heutige Führung der UNESCO hat mehr Interesse an der Dritten Welt. Aber auch hier wäre ihre Unterstützung sehr behilflich. Ich hoffe, daß mein Vortrag gezeigt hat, mit welcher Mühe, Sorge und Liebe wir Polen das Kulturerbe in Danzig umsorgt, gepflegt und wiederaufgebaut haben. Für uns ist das allerdings kein „fremdes“ Kulturgut. In fast jeder Adelsresidenz in Polen standen Danziger Möbel, Uhren, Vasen, waren Teppiche und Goldschmiedewerke. Von den Kirchtürmen klingen bis heute manche Danziger Glocken, und alte Uhren geben die Zeit an. Wir haben eine gemeinsame Geschichte, die uns mehr verbindet als trennt. Die Danziger, gleichgültig ob deut-
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scher, polnischer, holländischer oder englischer Herkunft, hatten gemeinsame Herrscher, die Polenkönige, und nannten sie Väter des Vaterlandes. So war es zum Beispiel nach dem Tode von Sigismund III. In der von Nickel-Schmieden verfaßten „Continuation“ des „Historischen Kirchen-Registers der großen Pfarr-Kirchen St. Marien“ von Eduard Bötticher liest man am 30. April 1632 folgendes: „Dieses Jahres ist Unsere Königl. Mayt. von Pohlen und Schweden Sigismundus III. in Warschau Jahrs verblichen, seines Alters im 66. seiner Regierung im 45. Jahre.... Den 9. May war der Sonntag, ist in allen Kirchen alhier in der Stadt eine Leich- oder Trauer-Predigt gehalten worden aus dem 60. Psalm, und ward der Predigt-Stuhl in der Pfarr-Kirchen mit schwartzem Tuch bezogen, und that daselbst die Predigt Hr. M. Daniel Dilger, Pfarrherr selbiger Kirchen. Nach geendeter Predigt wurden die Glocken in allen Kirchen geläutet, folgends auch täglich zweenmahl, nemlich von 9. bis halb 10. und von 10. bis halb 11., und solches 4 Wochen lang bis zum 9. Junii. Am 25. May ward in Gymnasio eine Trauer-Oration gehalten vom Hr. Mochingero Rhetore desselben. Das Große Auditorium (war) gantz mit schwartzem Tuch beschlagen, woselbst E.E.Rath nebenst den Erb, Gerichten und großer Anzahl anderer Auditorum versammlet waren. Diesem Glorr. Könige sind unterschiedene schöne Epitaphia und Lobspruche zu Ehren aufgerichtet, deren eines hiemit (ich) beifügen will: Sigismundus Tertius, Poloniae, Svecorum, Gothorum, Vandalorumque Haeres, Rex Optimus Maximus...“ Nach der Zitierung der Verdienste des verstorbenen Königs folgt in lateinischer Sprache: „Frommer, Gerechter, Gnädiger, Wohltätiger Vater des Vaterlandes, der in seinen Königreichen seiner Zeit mit Klugheit regierte usw.“ Pater Patriae - Vater des Vaterlandes! Es ist kein Zufall, daß sich dieselbe Bezeichnung auf der Glocke „Osanna“ befindet, die gerade in jener Zeit einen Sprung bekam und die man von neuem gießen ließ. Die lateinische Inschrift besagt: „Ich wurde neugegossen im Jahre als der Vater des Vaterlandes aus dem Leben schied“. Die großen Buchstaben geben dasselbe Datum an: 1632 – Todesdatum Sigismunds III. Wann kehrt sie aus dem Exil in Hildesheim in ihre Heimat zurück? Warum fühle ich mich berechtigt, eine solche Frage zu stellen? Theoretisch hat Polen den Krieg gewonnen, und doch ist jetzt das „besiegte” Deutschland mindestens dreimal reicher als wir und hat mindestens 20 mal mehr der Baudenkmäler (das ist kein Vorwurf!). Polen hat durch den Krieg ein Sechstel der Bevölkerung und 42% des Nationalvermögens verloren. Wir waren die ersten Kriegsvertriebenen – ich persönlich und meine Familie schon 1939. Mein Vater war eines der ersten Opfer des KZ-Lagers Auschwitz. Ich werde seine Nummer nie vergessen: 19288. Meine Großeltern und eine Tante wurden auch von deutschen Händen ermordet. Aber ich habe nie gehaßt, ich will es nicht! Das ewige Zerkratzen der alten Wunden führt nur zur Selbstzerstörung. Ich habe viele Freunde in Deutschland, auch unter den Vertriebenen. Einer von ihnen hat eine von ihm gestiftete Glocke des neuen Glockenspiels
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der St. Katharinenkirche zu Danzig meinem Vater gewidmet. Welch schönes Zeichen der Versöhnung! Daß wir nicht nur unseres Leids gedenken, beweist das vor zwei Jahren enthüllte Epitaph in der St. Josephskirche für die 1945 nach der Einnahme durch die Sowjets zusammen mit der Kirche verbrannten deutschen Danziger, dessen dreisprachige Inschrift an das grausame Ereignis erinnert und zum Gebet anruft. Haß hat unsere Stadt zerstört, Liebe hat sie wiederaufgebaut. Wir fühlen uns jetzt wie ein Goldschmied, der eine wunderschöne Krone repariert hat, und es fehlen ihr nur einige Edelsteine, die sich jetzt anderswo befinden, um die ursprüngliche Schönheit vollkommen wiederherzustellen – für Polen, für Deutsche, für ganz Europa! Das ist nicht ein Problem des Rechts, das ist die Sache des guten Willens. Wenn dieser besteht, dann wird man auch den Rechtsweg finden. Anstatt darüber zu streiten und Rechtshürden aufzustellen, wäre es viel nützlicher, für die Zukunft zusammen zu wirken, um den Wiederaufbau unserer geliebten Städte und unseres gemeinsamen Kulturerbes zu vollenden und die zerstreuten Schätze an ihre altbewährten Stätten zurückzubringen. Dort werden sie am überzeugendsten über unsere gemeinsame Geschichte reden und das Lob der alten Generationen ausdrücken, wie die Groddecks, Schumanns, Hewelkes u. a., deren Nachfahren noch in Polen leben. Wir sollen dazu beitragen, daß alle Grenzen verschwinden, auch die dauerhaftesten – die in den Gemütern. In Danzig, das durch so viele Jahrhunderte eine Brücke zwischen unseren beiden Völkern bildete, hat man dazu sehr viel beigetragen. Ich appelliere an alle Menschen guten Willens, daß sie unserem Beispiel folgen! * * *
Abstract Januszajtis, Andrzej: The Protection of the Common European Cultural Assets in Gdansk, In: The Protection of Cultural Assets – International and National Aspects. Ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Dietrich Murswiek (Berlin 2007) pp. 241-251. The article describes the progress made in the process of reconstruction of the city of Gdansk and makes an appeal to the continuation of the efforts to protect and renew the cultural heritage of the city, especially as part of the German-Polish cooperation.
Die Autoren / The Authors Prof. Dr. Frank Fechner Persönliche Angaben / Personal Data: Frank Fechner (geb. 1958): Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und Lausanne, Referendariat, 1989 Promotion, 1996 Habilitation über „Geistiges Eigentum und Verfassung“, Vertretungsprofessuren an den Universitäten München, Halle und an der TU Ilmenau, seit 2000 Professor für Öffentliches Recht, insbesondere öffentlichrechtliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der TU Ilmenau. Frank Fechner (born 1958): Studied law in Tubing and Lausanne. Postgraduate civil service, 1989 - PhD, 1996 – habilitation on “Intellectual Property and the Constitution”, Professor at the Universities of Munich, Halle and at the Technical University of Ilmenau, since 2000 Professor or Public Law, especially public economic law and media law at the Technical University of Ilmenau.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Thomas Mann und die Demokratie. Wandel und Kontinuität der demokratierelevanten Äußerungen des Schriftstellers, Berlin 1990, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts. Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung, Berlin 1991, Geistiges Eigentum und Verfassung. Schöpferische Leistungen unter dem Schutz des Grundgesetzes, Tübingen 1999, Vergriffen, Nachdruck 2003, Medienrecht: Lehrbuch des gesamten Medienrechts unter besonderer Berücksichtigung von Presse, Rundfunk und Multimedia, 7. Auflage Tübingen 2006, Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen NVwZ 1999, S. 735-737, Beamtenrecht in Altägypten (zusammen mit Schafik Allam) ZBR 1999, S. 301-307, Zur Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften Jura 1999, S. 515-522, Auf dem Weg vom Kulturverwaltungsrecht zu einem europäischen Kulturrecht in: Claus Dieter Classen u.a. (Hrsg.): „In einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen...“. Liber amicorum Thomas Oppermann, Berlin 2001, S. 687-703, Medien zwischen Kultur und Kommerz – zur Rolle des Staates in der neuen Medienwelt JZ 2003, S. 224-231, „Öffentliche Ordnung“ – Renaissance eines Begriffs? JuS 2003, S. 734-739, Wohin gehören Kulturgüter?: rechtliche Ansätze eines Ausgleichsmodels in: Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag, 2005, Informationsinteresse der Allgemeinheit (zusammen mit Susanne Popp) AfP 2006, S. 213-216.
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Die Autoren / The Authors
Forschungsschwerpunkte / Research interests: Öffentliches Recht, öffentlich-rechtliches Wirtschaftsrecht, Medienrecht. Public law, public economic law, media law.
Kontaktadresse / Contact address: Prof. Dr. iur. Frank Fechner Technische Universität Ilmenau Institut für Rechtswissenschaften Fachgebiet Öffentliches Recht Postfach 10 05 65 98684 Ilmenau Telefon: +49 3677 69-4022 Fax: +49 3677 69-4230 E-Mail: [email protected]
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Prof. Dr. Dr. h. c. Gilbert H. Gornig Persönliche Angaben / Personal Data: Gilbert H. Gornig (geb. 1950): Studium der Rechtswissenschaften und Politischen Wissenschaften in Regensburg und Würzburg; 1984 Promotion zum doctor iuris utriusque in Würzburg; 1986 Habilitation; Lehrstuhlvertretungen in Mainz, Bayreuth und Göttingen; 1989 Direktor des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen und 1994-1995 Dekan; seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Marburg und Geschäftsführender Direktor des Instituts für öffentliches Recht; von 1996 bis 2004 zudem Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Gilbert Gornig, (born 1950): Studies in Law and Political Sciences in Regensburg and Wuerzburg; became a Doctor of Law (iuris utriusque) in Wuerzburg in 1984; habilitation 1986; lecturer in Mainz, Bayreuth and Goettingen; 1989 Director of the Institute of Public International Law at the University of Goettingen, Dean of the Faculty 1994/95; since 1995 Professor for public law, public international and European law at the Philipps University of Marburg, at the same time being the Executive Director of the Institute of Public Law; between 1996 and 2004 also Judge at the Higher Administrative Court of Hessen in Kassel.
Die Autoren / The Authors
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Forschungsschwerpunkte / Research interests: Völkerrecht, Europarecht aktuelle Fragen des Völkerrechts, Menschenrechte, Seerecht, Finanzdienstleistungsrecht. International and European Law, current problems of public international law, Human Rights, law of the Sea, law of financial services.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Hongkong. Von der britischen Kronkolonie zur chinesischen Sonderverwaltungszone. Eine historische und rechtliche Betrachtung unter Mitarbeit von Zhang Zhao-qun, 1998; Das rechtliche Schicksal der Danziger Kulturgüter seit 1939-45 am Beispiel der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Ein Rechtsgutachten, 1999; Territoriale Entwicklung und Untergangs Preußens. Eine historisch-völkerrechtliche Untersuchung, 2000; Seeabgrenzungsrecht in der Ostsee. Eine Darstellung des völkerrechtlichen Seeabgrenzungsrechts unter besonderer Berücksichtigung der Ostseestaaten, 2002; Völkerrecht und Völkermord. Definition - Nachweis - Konsequenzen am Beispiel der Sudetendeutschen, in: Schriftenreihe Geschichte, Gegenwart und Zukunft der altösterreichischen deutschen Minderheiten in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie, hrsg. vom Felix Ermacora Institut, 2002, (Nachdruck 2003); Der unabhängige AllfinanzVertrieb. Unter Berücksichtigung hierarchischer Vertriebssysteme, in: Schriftenreihe der Forschungsstelle für Finanzdienstleistungsrecht der Philipps-Universität Marburg, herausgegeben von Gilbert Gornig, 2004, (zusammen mit Frank Reinhardt/Dieter Meurer/Norbert Klatt); (Recht der Europäischen Union. Europäische Gemeinschaft. Rechtsschutz in der Gemeinschaft. Verantwortung der Mitgliedstaaten), 2005 (zusammen mit Oxana Vitvitskaya).
Kontaktadresse / Contact address: Prof. Dr. Dr. h.c. Gilbert H. Gornig Philipps-Universität Marburg Institut für Öffentliches Recht, Abteilung Völkerrecht Universitätsstraße 6 D-35037 Marburg / Deutschland Tel.: + 49. (0) 64 21. 28-2 31 27 / -2 31 33 Fax: + 49. (0) 64 21. 28-2 38 53 E-Mail: [email protected]
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Die Autoren / The Authors
Prof. Dr. Hans-Detlef Horn Persönliche Angaben / Personal Data: Hans-Detlef Horn (geb. 1960): 1980-1982 Ausbildung zum Bankkaufmann; 19821987 Studium der Rechtswissenschaften; 1987 Erste Juristische Staatsprüfung; 1989 Promotion (Dr. iur.); 1992 Zweite Juristische Staatsprüfung; 1992-1998 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bayreuth; 1998 Habilitation (Dr. iur. habil.), Lehrbefugnis für Öffentliches Recht; 1998/1999 Lehrstuhlvertretung an der LudwigMaximilians-Universität München; seit 1999 Professor für Öffentliches Recht an der Philipps-Universität Marburg/Lahn; seit 2003 Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Hans-Detlef Horn (born 1960): 1980-1982 training and qualification as a bank clerk; 1982-1987 studies in Jurisprudence; 1987 First State Examination in Law; 1989 Doctorate (Dr. iur.); 1992 Second State Examination in Law; 1992-1998 research assistant at University of Bayreuth; 1998 Habilitation in Public Law (Dr. iur. habil.); 1998/1999 Professor as a replacement at University of Munich; since 1999 Professor of Public Law at University of Marburg/Lahn; since 2003 judge at Superior administrative Court of Hessen.
Forschungsschwerpunkte / Research interests: Staats- und Verfassungsrecht; Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht, insbesondere Öffentliches Wirtschaftsrecht, Sicherheits- und Polizeirecht, Verwaltungsprozeßrecht; Europarecht. State and Constitutional law; General and Special Administrative Law, Public Law related to the Economy, Police Law, Law of Administrative Procedure; European Law.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Experimentelle Gesetzgebung unter dem Grundgesetz, 1989; Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung. Zur Dogmatik des Verhältnisses zwischen Gesetz, Verwaltung und Individuum unter dem Grundgesetz, 1999; Staat und Gesellschaft in der Verwaltung des Pluralismus (1993); „Grundrechtsschutz in Deutschland“ – Die Hoheitsgewalt der Europäischen Gemeinschaften und die Grundrechte des Grundgesetzes nach dem MaastrichtUrteil des Bundesverfassungsgerichts (1995); Mehrheit im Plebiszit (1999); Verwaltungsprozeßrecht (mit Schmitt Glaeser), 15. Aufl. 2000; Über den Grundsatz der Gewaltenteilung in Deutschland und Europa (2001); Kantischer Republikanismus und empirische Verfassung (2002); Gewaltenteilige Demokratie, Demokratische Gewaltenteilung – Überlegungen zu einer Organisationsmaxime des Verfassungsstaates (2002); Die horizontale Kompetenzverteilung in der Europäischen Union (2002); Sicherheit und Freiheit durch vorbeugende Verbrechensbekämpfung – Der Rechtsstaat auf der Suche nach dem
Die Autoren / The Authors
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rechten Maß (2003); Horn (Hrsg.), Recht im Pluralismus, 2003; Verbände, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III, 2005.
Kontaktadresse / Contact Address: Prof. Dr. Hans-Detlef Horn Philipps-Universität Marburg Institut für Öffentliches Recht Universitätsstraße 6 D-35037 Marburg / Deutschland Telefon: +49 (0)6421-28-23-810, -126 Fax: + 49 (0)6421-28-23-839 E-Mail: [email protected]
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Dr. Tobias H. Irmscher, LL.M. (LSE) Persönliche Angaben / Personal Data: Tobias H. Irmscher (geb. 1975): Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten zu Marburg und Würzburg, 1999 Erste juristische Staatsprüfung; 2001 Master of Laws (LL.M.) in Public International Law an der London School of Economics and Political Science (LSE); 2002 Promotion an der Bayerischen Ludwig-MaximiliansUniversität Würzburg; 2003 Assessorexamen; seit 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Völkerrecht, allgemeine Staatslehre, deutsches und bayerisches Staatsrecht und politische Wissenschaften der Würzburger Universität. Tobias H. Irmscher (born 1975): studied law at the universities of Marburg and Würzburg, 1999 First State Exam in Law, 2001 Master of Laws (LL.M.) in Public International Law at the London School of Economics and Political Science (LSE); 2002 doctorate at University of Würzburg, 2003 Second State Exam in Law. Since 2001 research and teaching assistant at the chair for public international law, doctrine of state, German and Bavarian constitutional law and political science at the University of Würzburg.
Forschungsschwerpunkte / Research interests: Staats- und Völkerrecht, insbesondere Schutz der Menschenrechte auf internationaler und regionaler Ebene, internationales Wirtschaftsrecht und Recht des diplomatischen Schutzes; Internationale Gerichts- und Schiedsgerichtsbarkeit. Constitutional and public international law, in particular the protection of Human Rights on the international and regional level; international economic law and the law of diplomatic protection; the law and policy of international courts and tribunals.
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Die Autoren / The Authors
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Verfassungsgebung und Verfassungsgebende Gewalt in Litauen 1989-1992, in: Lietuviǐ kultnjros institutas, Suvažiavimo darbai 1999 (2000), S. 153 ff.; The legal framework for the United Nations Administration in Kosovo, in: German Yearbook of International Law 44 (2001), S. 353 ff.; Die Behandlung privater Beschwerden über systematische und grobe Menschenrechtsverletzungen in der UN Menschenrechtskommission (2002); Die Liechtenstein-Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, in: Archiv des Völkerrechts 43 (2005), S. 375 ff..
Kontaktadresse / Contact address: Dr. Tobias H. Irmscher Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg Institut für Internationales Recht, Europarecht und Europäisches Privatrecht Domerschulstr. 16 D – 97070 Würzburg / Deutschland Tel.: +49. (0) 931. 312308 Fax: +49. (0) 931. 312793 E-Mail: [email protected]
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Prof. Dr. Andrzej Januszajtis Persönliche Angaben / Personal Data: Andrzej Januszajtis (geb. 1928): Professor, ehemaliger Mitarbeiter an der Technischen Universität in Danzig (Leiter des Instituts für Physik und Dekan am Fachbereich für Technische Physik und Angewandte Mathematik), Kenner und Liebhaber der Geschichte Danzigs. 1948 nach Gdingen gekommen, studierte an der Mechanischen Fakultät der TU. Viele Verdienste bei Rettung und Wiederaufbau der Kulturgüter Danzigs und Aufrechterhaltung seiner Tradition. Als eine anerkannte Autorität begutachtet Änderungen in der Architektur der Stadt. 1990-1994 Vorsitzender des Stadtrates. Seit 2002 Ehrenbürger der Stadt Danzig. Andrzej Januszajtis (born 1928): Professor. Former professor of the Technical University of Gdansk (Head of the Institute for Physics and Dean of the Department of Technical Physics and Applied Mathematics). Expert in the history of the city of Gdansk. Came to Gdingen in 1948 where he has studied at the Faculty for Mechanics of the Technical University. Many earnings in the saving and reconstruction of cultural assets of Gdansk and the preservation of the town’s tradition. As a recognized authority
Die Autoren / The Authors
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in this field, he supervises the changes in the architecture of the town. 1990 to 1994 – chairman of the town council. Since 2002 – honorary citizen of Gdansk.
Forschungsschwerpunkte / Research interests: Geschichte der Stadt Danzig, Physik. History of the city of Gdansk, Physics.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Z uĞmiechem przez GdaĔsk, 1968; Koroną herb twój ozdobiono... 1997; Wielka KsiĊga GdaĔska (wspóáautorstwo), GdaĔskie zegary, dzwony i karyliony 2003; DzieciĔstwo i máodoĞü Daniela Gabriela Fahrenheita 2002; Legendy dawnego GdaĔska 2005; Fizyka dla Politechnik 1977-91.
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Dr. Günter Rauer Persönliche Angaben / Personal Data: Günter Rauer (geb. 1957 in Bamberg): verheiratet, 6 Kinder. 1978 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg; Spezialstudium Internationales Privatrecht, Europarecht und Völkerrecht. 1985 Schlußprüfung (2. jur. Staatsexamen). 1986 Eintritt ins Auswärtige Amt nach Aufnahmeprüfung; seither Verwendungen im Auswärtigen Amt und an Auslandsvertretungen in Colombo/Sri Lanka, Brüssel (EU) und Quito/Ecuador (stellv. Botschafter). Seit 2002 Leiter der Arbeitseinheit für Kulturgüterrückführung und Internationalen Kulturgüterschutz im Auswärtigen Amt. Günter Rauer (born 1957 in Bamberg): married, 6 children. 1978 study of law at the University of Augsburg; specialisation in international private law, European Community law and international public law. 1985 2nd state exam. 1986 joined the Ministry for Foreign Affairs after a successful examination. Since then activity in the Ministry and in the diplomatic missions in Colombo/Sri Lanka, Brussels (EU) and Quito/Ecuador (Deputy Ambassador). Since 2002 – head of the department for the repatriation of cultural assets and international protection of cultural assets in the Ministry of Foreign Affairs.
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Die Autoren / The Authors
Ioana Eleonora Rusu Persönliche Angaben / Personal Data: Ioana Eleonora Rusu (geb. 1979 in Rumänien): 1998 – 2003 Studium der Rechtswissenschaften und der Angewandeten Fremdsprachen an der Lucian Blaga Universität von Sibiu, Rumänien. Seit 2004 – Promotion am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps Universität Marburg. Thema der Promotion: „Minderheitenschutz in Rumänien“. Seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für öffentliches Recht der Philipps Universität Marburg. Ioana Eleonora Rusu (born 1979 in Romania): 1998 to 2003 study of law and modern applied languages at the Lucian Blaga University of Sibiu, Romania. Since 2004 – completing a PhD at the Department of Law of the Philipps University of Marburg. Theme of the PhD thesis: “The Protection of Minorities in Romania”. Since 2004 scientific and research assistant at the Department of Law of the Philipps University of Marburg.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Dreptul Uniunii Europene (zusammen mit Gilbert Gornig), 2006.
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Prof. Dr. Elisabeth Sándor-Szalay Persönliche Angaben / Personal Data: Elisabeth Sándor Szalay (geb. 1961 in Hatzfeld, Rumänien): 1981-1986 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Pecs/Fünfkirchen und 1982 sowie 1990 an der Universität Bayreuth; 1986-1993 wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl f. Völkerrecht an der Universität Pecs, 1991 Promotion; 1993-1999 wiss. Oberasssistentin an der Universität Pecs;seit 1992 Gastprofessorin an den Universitäten Bayreuth, Budapest, Graz, Cluj-Napoca (Klausenburg); 1998 PhD; seit 1999 Univ.-Dozentin am Lehrstuhl f. Völker- und Europarecht der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Pecs/Fünfkirchen 1999-2002 Bolyai Jänos-Stipendiatin der Ungarischen Akademie der Wissenschaften; seit 2000 ständige Lehrbeauftragte (Europarecht) des Amtes für Richterausbildung in Budapest; seit Juli 2002 Pro-Dekanin und seit Dezember 2004 Dekanin der Juristischen Fakultät der Universität Pecs. Elisabeth Sändor Szalay (born 1961 in Hatzfeld, Romania): 1981-1986 studies in law at the University of Pecs/Fünfkirchen as well as 1982 and 1990 at the University of
Die Autoren / The Authors
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Bayreuth; 1986-1993 Graduate Assistant at the Chair o/International Law of the University of Pecs; 1991 Doctor Universitatis; 1993-1999 Senior Assistant at the University of Pecs; since 1992 Guest Professor at the Universities of Bayreuth, Budapest, and Graz. 1998 Doctor of Philosophy; since 1999 University Lecturer at the Chair of International and European Law of the Faculty of Law of the University of Pecs/Fünfkirchen, 1999-2002 recipient of the Bolyai Jänos scholarship awarded by the Hungarian Academy of Sciences; since July 2002 Vice Dean at the Faculty of Law of the University of Pecs, since December 2004 Dean at the Faculty of Law of the University of Pecs.
Forschungsschwerpunkte / Research interests: Minderheitenschutz; Status des Individuums im Völkerrecht sowie im Gemeinschaftsrecht; Institutionelles Recht der EU; Personenverkehrsfreiheiten im Gemeinschaftsrecht; EuGH: Verfahrensarten, Funktionsweise, Reform; Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch nationale Gerichte. Minority protection; Status of individuals in international and European Community law; institutional law of the European Union; free movement of persons in Community law; European Court of Justice: types of proceedings, functioning, reform; application of Community law by national courts.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Minderheitenschutz im Völkerrecht im 20. Jahrhundert. Budapest 2003, 247 S.; Rechtliche Grundlagen der Europäischen Union. I. Band, Budapest-Pécs 2003, 311 S. (Lehrbuch); Konvergenz der Grundrechte und Grundfreiheiten in der Europäischen Union. In: Festschrift f. Prof. Antal Ádám, Pécs 2005, S. 528-540; Rechtschutz des Einzelnen vor dem EuGH aufgrund des Vertrages über eine Verfassung für Europa: ein Schritt nach vorn. In: Europäisches Recht 2004/6, Budapest, S. 12-19; Das dualistische System des Rechtsschutzes in der Europäischen Union. In: Jura 2004/1, Pécs, S. 48-61; Metamorphose des Grundrechtssystems der Europäischen Union. In: Europäisches Recht 2003/2, Budapest, S. 9-16; Minderheit – ein permanentes Konfliktpotential? Ein Mythos aus mitteleuropäischer Sicht. In: Minderheitenschutz und Demokratie. Dunkker&Humblot, Berlin 2004, S. 167-184.
Kontaktadresse / Contact address: Prof. Dr. Elisabeth Sändor Szalay Universität Pecs, Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Völker- und Europarecht 48-as ter l H-7621 Pecs/Ungarn Tel.: 0036 72 501 599 / 3240 DW Fax.: 0036 72 215 148
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Die Autoren / The Authors
E-Mail: [email protected] oder [email protected] Internet: www.law.pte.hu
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Dr. Susanne Schoen Persönliche Angaben / Personal Data: Susanne Schoen (geb. 1957 in Düsseldorf): Studium der Rechtswissenschaften in Bonn und Mainz, erstes Staatsexamen an der Universität Mainz 1983, zweites Staatsexamen 1986 in Koblenz; seit 1986 in der Ministerialverwaltung des Bundes beschäftigt, insbesondere im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, 1989-1990 Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin; anschließend im Bundesministerium des Innern tätig, derzeit beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zuständig für die Rückführung von kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern; Dissertation 2003 mit dem Thema: Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter. Susanne Schoen (born 1957 in Düsseldorf): law studies at the universities of Bonn and Mainz; first state examination Coblenz 1986, since 1986 employed in the Federal Administration, in particular with the Federal Ministry for Intra-German Relations, 1989-1990 Permanent Mission of the Federal Republic of Germany in East Berlin; subsequently employed with the Federal Ministry the Interior, currently employed with the Federal Government Commissioner for Culture and the Media and responsible for mattes related to the return of cultural goods; doctor degree conferred in 2003, doctoral thesis on “The legal status of looted art – A study based on the example of German works of art which were removed to Russia in the wake of World WarII”.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Der rechtliche Status von Beutekunst – Eine Untersuchung am Beispiel der aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Russland verbrachten deutschen Kulturgüter, 2003, Kulturgüterschutz bei – illegaler – Rückkehr kriegsbedingt verbrachter Kulturgüter aus Russland nach Deutschland, NJW 2001, 537-543
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Die Autoren / The Authors
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Oxana Vitvitskaya Persönliche Angaben / Personal Data: Oxana Vitvitskaya, (geb. 1974 in Rostov am Don, Rußland): 1991- 1996 Studium der Rechtswissenschaften an der Rostower Staatlichen Universität, Schwerpunkt: Völkerrecht; 02.98 – 06.98 European Union EDRUS 9409 Projekt; 09.01 – 12.01: Rostower Staatliche Universität – Einkaufsmanagement für Erzeugnisse des Staatsbedarfs; 02.02 – 04.03 Sprachstudium: Schule für EDV und berufliche Bildung VHS Hanau, Karl Duisberg Center, Mannheim, Philipps Universität Marburg (DSH); ab 05.02 Doktorandin an der Philipps Universität Marburg, Schwerpunkte: Europarecht, Beziehungen EURußland; seit 06.1996 Beamtin – Administration des Rostower Gebiets, Außenwirtschaftsabteilung; Fachschwerpunkte: Vorbereitung der Seminaren mit den internationalen Organisationen auf dem Territorium des Rostover Gebiets, Vertragsrecht, Verfassungsrecht, Staatsrecht, Investitionsrecht, Ausarbeitung der Projekte der Gebietsgesetze; Rechtsberatung in Fragen des Völker- und Zivilrechts, Vertragsrechts. Rechtsbegutachtung der Gründungsdokumente der joint ventures. Begutachtung von den Export-Import Verträgen, Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten. Oxana Vitvitskaya, (born 1974 in Rostov am Don, Russia): 1991 – 1996 studies at the Rostov State University (law faculty); 02.98 – 06.98 European Union EDRUS Project Strengthening Public Administration, Southwest Russian Federation; 09.01 – 12.01 Rostov State University Project course on Management of the State Purchase; 02.02 – 04.03 studying of German: School for EDV and professional Education, VHS Hanau, Karl Duisberg Center, Mannheim, Philipps Universität Marburg (DSH);since 05.2002 studying for the doctor degree, Philipps Universität Marburg; professional specialization: European law, contacts EU – Russia; since 06.96 official - Rostov Regional Administration, Foreign Economic Department, professional specialization: preparation of the seminars with the international organizations in the Region Rostov, coordination of the activity of the international organizations, contract law, constitutional law, state law, law of investments, elaboration of the regional law on the economical, international and external economic relations; Expertise in the international and civil law, Contract law, expertise of the documents for joint ventures. Representation in the law questions.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Das Recht der Europäischen Union (zusammen mit G. Gornig) 2005, Rechtsregulierung der Werbungstätigkeit, 2001, Rechtsstatus des Kaliningrader Gebiets als Subjekt der Russischen Föderation. In der wissenschaftlichen Sammlung „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft“. 2005, Die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland. Geschichte und Gegenwart. In der wissenschaftlichen Sammelwerk: Izvestija Vusov Severo – Kavkasskogo Regiona. 2003, Errichtung der Verantwortung für die Verletzung der Werbungsgesetzgebung der Russischen Föderation: Probleme
264
Die Autoren / The Authors
und Lösungen. In der Sammlung der Wissenschaftsartikel „Handel, Marketing, Werbung“, Rostow am Don 2001, Aktuelle Fragen von der strafrechtlichen Verantwortung für die Verletzung der Werbungsgesetzgebung der Russischen Föderation. In der Sammlung der Wissenschaftsartikel: „Aktuelle Probleme der modernen Werbung“. Rostow am Don 2000, Rechtsfragen der Außenwirtschaftstätigkeit auf dem Territorium des Rostower Gebiets. Die Sammlung der Wissenschaftsartikel „Wissenschaftliche Schriften“. Rostow am Don 1999, Besonderheiten des Rechtsstatus von Städten der Föderationsbedeutung und der Verwirklichung der öffentlichen Selbstverwaltung in der Russischen Föderation. Die Sammlung „Jurist. Rechtsgelehrte“. Rostow am Don 1999.
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Dr. Monica Vlad Persönliche Angaben / Personal Data: Monica Vlad (geb. 1967): Studium der Rechtswissenschaft an der Universität „Babes-Bolyai“ in Cluj (Klausenburg)/Rumänien (1985-1989); 1991-2003 Assistentin für Strafrecht und Umweltschutzrecht an der Universität Sibiu (Hermannstadt)/Rumänien; seit 1995 Assistenzprofessorin für Völkerrecht; 1995-1998: verschiedene Forschungsaufenthalte am Institut für Föderalismus in Fribourg/Schweiz als Stipendiatin des Fürstentums Lichtenstein; 1998: Habilitation für Verfassungsrecht an der Universität Cluj (Klausenburg)/Rumänien; 1998-1999 Fulbright Scholar bei der American University, Washington, DC (LL.M. in International Legal Studies); 1999-2001: Senior Legal Spezialist für die Balkanländer bei der Library of Congress. Forschung in der Umsetzung von aquis communautaire in das rumänische Rechtssystem (2004), Gastprofessorin in Marburg (Sommerakademie): Rechte der ethnischen und sprachlichen Minderheiten in Mitgliedstaaten des Europarats, 2003. Monica Vlad (born 1967): studied law at the Babes-Bolyai University in Cluj/Klausenburg (1985-1989); 1991-2003 Assistant for Criminal and Environmental Law at the University of Sibiu/Hermannstadt; since 1995 Assistant Professor for International Law; 1995/1998 various research trips at the Institute of Federalism in Fribourg as recipient of a scholarship from the Grand Duchy Lichtenstein; 1998 postdoctoral qualification in Constitutional Law at the American University, Washington, D.C. (LL.M. in International Legal Studies); 1999/2001 Senior Legal Specialist for the Balkan states at the Library of Congress. Research activities on the Chapters of the Acquis Communautaire involving Romanian Legislation, The European Commission’s Delegation in Bucharest (2004); Visiting Professor, University of Marburg Summer School: Legal Rights of Ethnic and Linguistic Minorities in the Countries of the Council of Europe (July-August 2003).
Die Autoren / The Authors
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Forschungsschwerpunkte / Research interests: Minderheitenschutz in Europa, die Europäische Verfassung, Europarecht. Minority Law in Europe, The European Constitution, European Integration Law, Law of Indigenous Peoples.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Der Ombudsman im vergleichenden Verfassungsrecht (Dissertation 19998), 2000; Herausgabe des Sammelwerkes „Rumänien und das Völkerrecht“, 1999; Religious Freedom in Romania. A Geo-political Perspective, in: Menschenrechte und Bürgerrechte in einer vielgestaltigen Welt. Wissenschaftliche Begegnung einiger Freunde von Thomas Fleiner zur Ehren seines 60. Geburtstags, hrsg. Von P. Häberle und J.P. Müller, 2000; Verfassungsentwicklung und Stellung der Minderheiten in Rumänien (Reihe “Forschungsarbeiten“, Institut für Föderalismus, Fribourg/Schweiz, Nr. 27), 2002.
Kontaktadresse / Contact address: Dr. Monika Vlad Associate Professor for Public International Law, Constitutional Law The Romanian-German University of Sibiu, Romania Str. LUNGA BL: 101, SCARA B APT. 37 550701 Sibiu, Romania
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Personenregister / List of Names Antonowa, Irina 122
Goering 86
Assmann, Jan 128
Gorbatschow, Michail 194 Goya 160 f., 235 f.
Baldin 160
Grabar, Igor 235
Böckenförde, Ernst-Wolfgang 130, 133
Gralath, Daniel 246
Böttcher, Eduard 249 Brancusi, Constantin 214, 217 f., 223 Burckhardt, Jacob 132 f.
Henszlmann, Imre 229 Herzog von Anhalt-Dessau 163 Hevelius, Johannes, Astronom 246 Huntington, Samuel P. 126, 130
Cesare Vorgia 33 Clüver, Philipp, Geograph 246 Corot 160 Cranach der Ältere 122
Dantiscus, Johannes 246 Delacroix 161 D’Hondecoeter 161 Dürer 160 f., 178
Eichmann, Adolf 136
Kant, Immanuel 124 Kroner, Michael 220 Krüger, Peter, Mathematiker 246
Lübbe, Hermann 129 Lubomirski, Fürst 178 Luhmann Niklas 126, 128 Luther Martin 165
Manet 160 f., 237 Marquard, Odo 129
Fahrenheit, Daniel Gabriel 246
Monnet, Jean 142 Mravik, László 235 f.
Gause, Karl 243 Geoana, Mircea 214 Godaigo, Kaiser 33
Napoleon 33, 68, 111, 123
268
Personenregister / List of Names
Nevers, Louise Marie de 248
Schiller, Friedrich 137, 165, 245
Nogossek, Hanna 219 f.
Schopenhauer, Arthur 246
Noica, Constantin 213
Sobieski, Jan, König von Polen 246
Odendahl, Kerstin 123 f., 135 f., 138, 153 f.
Sommermann, Karl-Peter 138, 132, 134 Storck, Cecilia und Frederick 217
Pius II., Papst 33
Tizian 122
Prott Lyndel 128 f.
Toulouse-Lautrec 161
Putin 165, 216
Treue, Wilhelm 157
Raffael 122, 158
Uhlich, Ludwig 213
Rathenau, Walther 159 Rembrand 160
Van Dyck 122
Ritter, Joachim 129
Vattel, Emer de 70 f., 79
Roerich, Nicolaj Konstantinowitsch 23, 28, 34, 73, 75
Van Gogh 127 Varga, Eva Maria 235 ff.
Rollecke, Gerd 131 Rosenberg 86 Rousseau, Jean-Jaques 70 Rubens 161 f.
Wilson, Sir David 121
Sachregister / Index Abu Simbel 22, 53
Elgin Marbles 40, 121, 150, 154
Afghanistan 36, 87 f., 131
Enteignung 93 f. 98, 103, 105 ff., 120, 201, 230
Afrika 74, 131 Antike 32, 37, 55, 63, 69, 137, 154, 215 Archiv des Deutschen Ordens 176, 181
Enumerationsprinzip 18 Eremitage, St. Petersburger 160, 162 ff.
Baldin-Sammlung 160
Konvention zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 3.10.1985 (Europarat) 19
Berliner Museum 54
Europäische Gemeinschaft
Berliner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 5.12.1887 21
Ausfuhrverordung 147 ff.
Beuterecht 32 f., 69, 80, 107 Beutekunstgesetz, russisches 122, 159, 162 f., 165 Bremen 160 f. Breslau, Universitätsbibliothek 176 British Museum 121 Brüsseler Erklärung von 1874 71 Buddha-Statuen in Bamijan 88
Code of Professional Ethics 48 Common Heritage of Mankind – Prinzip 43, 64, 135
Kulturkompetenz 47, 141 ff. Fördermaßnahmen 144 f. Rückgaberichtlinie (Kulturgüterrichtlinie 1993 Nr. 93/7/EWG) 148 ff. Europäische Union 22, 46, 144, 196 Europäisches Übereinkommen über Straftaten hinsichtlich Kulturgut vom 13.6.1985 57 Europäisches Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturgutes vom 6.5.1969 57 Europäisches Kulturabkommen vom 19.12.1954 56 European Fine Art Foundation 205
Dom-Museum zu Riga 177
Friedensvertrag
Dresdner Gemäldegalerie 122, 158
St. Germain 114, 172, 180
Dubrovnik 36, 51, 86
Trianon 172, 180, 182
270
Sachregister / Index
Genfer Kriegsgefangenenkonvention, 1929 84
International Law Commission (ILC) 84, 86, 172 f., 179 ff.
Genfer Konventionen vom 12.8.1949 66, 68, 73
International Law Association (ILA) 49
Zusatzprotokolle vom 8.6.1977 66, 74 f.
Institut de Droit International 49, 71
Genfer Recht 73 f.
Interpol 49 Irak 36, 87, 89 f., 131
Gewohnheitsrecht, völkerrechtliches 33, 67 f., 75 ff., 80, 83, 85, 88 ff., 97f., 101, 107, 171 ff. Golfkrieg 1990/91 51, 74, 78, 81
Irakkrieg 36, 87 Islam 36, 69, 253 ius cogens 82, 90 f.
Gotha, Forschungsbibliothek 159 Grundgesetz: Schutz des kulturellen Erbes 132
Jewish Restitution Succesor Organisation 117, 178 Jugoslawien-Tribunal (ICTY) 86
Haager Konvention, 1899 123 Haager Abkommen (Haager Landkriegsordnung) 1907 23, 33 f., 50, 67, 72, 75, 80, 85, 96, 107, 237
Kambodscha 87 f.
Haager Kulturgutabkommen 26.3.1999 66, 74, 76 f., 88
Kategorisationsprinzip 18
vom
„Kampf der Kulturen“ 130
Klassifikationsprinzip 18
Haager Kulturgüterkonvention vom 14.05.1954 (Konvention zum Schutze der Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konflikts) 73, 84
Konstantinopel, Frieden von 94
Haager Recht 74, 79
Kriegsvölkerrecht 50, 65, 68, 70, 75, 79, 82, 84 ff., 107
Indonesien 106, 178
Kulturabkommen, deutsch-russisches, 1992 62, 159, 170
Konvention von San Salvador vom 16.6.1976 26
Internationale Charta von Venedig über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles, 1964 45
„Kultureller Internationalismus “ 113, 125
Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) 68
„Kulturfaschismus“ 121
„Kultureller Nationalismus“ 125
Internationaler Strafgerichtshof 61, 86
Kulturgüterrückführung 125, 134 ff., 159, 168
International Office of Museums 73
Kulturgutsicherungsgesetz 151 „Kulturnationalismus“ 121, 147
Sachregister / Index
271
Kunsthandel 1, 38, 43, 47, 55, 112, 146, 150 f., 202, 218, 226
Preußisches Allgemeines Landrecht, 1794 32
Lieber-Code von 1863 71, 79
Project of an International Declaration Concerning the Laws and Customs of War 71
Lausanner Vertrag 103 f.
Puschkin-Museum in Moskau 122, 164 Pyramiden 38
Machu Picchú 38 „Mephisto-Entscheidung “ 20
Recht auf die Heimat 98, 102 f.
Mittelalter 69, 163 f., 203, 221, 241
Repressalie 75 ff., 86f., 94, 99
Mostar 36
restitution in kind 81, 168, 174 f. Ribbentropp-Molotov Pakt 214
Nachbarschaftsvertrag deutsch-polnischer, 1991 169, 171, 179, 182 ff. deutsch-sowjetischer, 1990 159, 170
Richtlinie 93/7/EWG vom 15.3.1993 19, 59, 148, 234 Roerich-Pakt vom 15.4.1935 23, 28, 34, 73
Nationalsozialismus (NS-Regime) 121, 131, 163
Rote Armee 62, 160, 167, 237
Nofretete 40, 150
Rumänien – Rußland, Beziehungen 214 ff.
Nürnberger Militärgerichtshof, Statut 96
Oxford Manual, 1880 71
Rückgabepflicht 151, 157, 237
Russische 164
Staatsbibliothek
Moskau
Rußland – EU, Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit, 1994 (PKA) 195
Panamerikanische Union 34 Pariser Frieden, 1991 87
Sarajevo 36
Perestroika 158
Schloß Karnzow 160
Pergamonaltar 150, 158
Selbstbestimmungsrecht der Völker 102
Polen 6, 62, 99, 107, 167 ff., 184, 241 ff.
Siebenbürgen 214, 219 f., 222
Pommersches Provinzialmuseum Stettin 176
Sowjetunion 35, 62, 122, 157 ff., 176, 194, 205, 235
Potsdamer Abkommen 99, 107 f., 175 f.
Staatennachfolge (Staatensukzession) 42, 62, 109 ff., 167, 172, 179 f., 184
Preußisches Zentralarchiv 176
Staatsbibliothek, Preußische 167, 170, 173 f.
272
Sachregister / Index
Stiftung Preußischer Kulturbesitz 173
Versailler Vertrag, 1919 81, 174, 176
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg 161 f.
Vertrag von Maastricht 143
Tempel von Philae 22
Völkerbund 73, 103
Vertreibung 93 ff., 120, 154, 178, 184, 227
Tschetschenien 131 Warschauer Pakt 158 UNESCO Konvention vom 14.11.1970 (Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übertragung von Kulturgut) 18, 24, 27, 35, 42, 55, 89, 115, 152, 231 Konvention vom 23.11.1972 (Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes) 19, 24, 30, 35, 53, 90, 131, 232 UNO-Konvention 1950 (Lake Success) über die Einfuhr von Gegenständen kultureller und wissenschaftlicher Art bzw. Bildungszwecke 231
Washingtoner Abkommen 15.4.1935 34, 73
vom
Washingtoner 3.12.1998 35
vom
Erklärung
Weimarer Reichsverfassung 131 Westfälischer Friede, 1648 33 Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge 1978 109 in das Staatseigentum, Staatsarchive und Staatsschulden 1983 109 „Wiesbadener Manifest“ 166 World Heritage Committee 90
Ungarn 114, 174, 182, 225 ff. UNIDROIT-Konvention, 1995 45, 55, 124, 131, 232, 234,
Zivilgesetzbuch, russisches (ZGB RF) 161 f., 188, 200
Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Die Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht sind bis einschließlich Band 19 im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, erschienen. Mit dem Band 20 ist die Reihe in den Verlag Duncker & Humblot, Berlin, überführt worden.
Band 24: Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn und Dietrich Murswiek. 2007. Band 23: Das Recht auf die Heimat. Hrsg. von Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2006. Band 22: Die Europäische Union als Wertegemeinschaft. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2005. Band 21: Minderheitenschutz und Menschenrechte. Aktuelle Probleme insbesondere im deutsch-polnischen Verhältnis. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2005. Band 20: Minderheitenschutz und Demokratie. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2004. Band 19: Ein Jahrhundert Minderheiten- und Volksgruppenschutz. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2001. Band 18: Fortschritte im Beitrittsprozeß der Staaten Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas zur Europäischen Union. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 1999.
Band 17: Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit des europäischen Minderheitenschutzes. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 1998. Band 16: Der Beitritt der Staaten Ostmitteleuropas zur Europäischen Union und die Rechte der deutschen Volksgruppen und Minderheiten sowie der Vertriebenen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 1997. Band 15: Der Schutz von Minderheiten- und Volksgruppenrechten durch die Europäische Union. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gilbert H. Gornig. 1996. Band 14: Rechtliche und politische Perspektiven deutscher Minderheiten und Volksgruppen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gilbert H. Gornig. 1995. Band 13: Aktuelle rechtliche und praktische Fragen des Volksgruppen- und Minderheitenschutzrechts. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Dietrich Murswiek. 1994. Band 12: Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gilbert Gornig. 1993. Band 11: Fortentwicklung des Minderheitenschutzes und der Volksgruppenrechte in Europa. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Hans von Mangoldt. 1992. Band 10: Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Hans von Mangoldt. 1991. Band 9: Menschenrechtsverpflichtungen und ihre Verwirklichung im Alltag. Auswirkungen für die Deutschen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Hans von Mangoldt. 1990.
Band 8: 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Verantwortung für Deutschland. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1989. Band 7: Die deutsche Frage im Spiegel der Parteien. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1989. Band 6: Das deutsche Volk und seine staatliche Gestalt. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1988. Band 5: Menschenrechte und wirtschaftliche Gegenleistungen. Aspekte ihrer völkerrechtlichen Verknüpfungen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1987. Band 4: Die Überwindung der europäischen Teilung und die deutsche Frage. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Boris Meissner. 1986. Band 3: Staatliche und nationale Einheit Deutschlands – ihre Effektivität. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Boris Meissner. 1984. Band 2: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die deutsche Frage. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Boris Meissner. 1984. Band 1: Staatliche Kontinuität unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage Deutschlands. Hrsg. von Boris Meissner und Gottfried Zieger. 1983.
Forschungsergebnisse der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Die „Forschungsergebnisse der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht“ sind zuletzt im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, erschienen. Zuvor wurden sie vom Verlag Gebr. Mann, Berlin, aufgelegt. Band 32: Dieter Blumenwitz: Positionen der katholischen Kirche zum Schutz von Minderheiten und Volksgruppen in einer internationalen Friedensordnung. 2000. Band 31: Gilbert H. Gornig: Territoriale Entwicklung und Untergang Preußens. 2000. Band 30: Michael Silagi: Vertreibung und Staatsangehörigkeit. 1999. Band 29: Dietrich Murswiek: Das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes und die Grenzen der Verfassungsänderung. Zur Frage nach der Verfassungswidrigkeit der wiedervereinigungsbedingten Grundgesetzänderungen. 1999. Band 28: Wilfried Fiedler: Deportation, Vertreibung, „ethnische Säuberung“. 1999. Band 27: Dieter Blumenwitz: Interessenausgleich zwischen Deutschland und den östlichen Nachbarstaaten. 1998. Band 26: Otto Luchterhandt: Nationale Minderheiten und Loyalität. 1997. Band 25: Dietrich Murswiek: Peaceful change – ein Völkerrechtsprinzip? 1998. Band 24: Dieter Blumenwitz: Internationale Schutzmechanismen zur Durchsetzung von Minderheiten- und Volksgruppenrechten. 1997.
Band 23: Hans Victor Böttcher: Die Freie Stadt Danzig. 1995. Band 22: Gilbert-Hanno Gornig: Das nördliche Ostpreußen gestern und heute. 1995. Band 21: Boris Meissner: Die Sowjetunion und Deutschland von Jalta bis zur Wiedervereinigung. 1995. Band 20: Dieter Blumenwitz: Volksgruppen und Minderheiten. 1995. Band 19: Rainer Hofmann: Minderheitenschutz in Europa. 1995. Band 18: Wolfgang Seiffert: Die Verträge zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn. 1994. Band 17: Christian Hillgruber; Matthias Jestaedt: Die europäische Menschenrechtskonvention und der Schutz nationaler Minderheiten. 1993. Band 16: Siegrid Krülle: Die Konfiskation deutschen Vermögens durch Polen. – 1, 1993. Band 15: Dieter Blumenwitz: Minderheiten- und Volksgruppenrecht. 1992. Band 14: Mechthild Steffens; Alexander Uschakow: Die deutsche Frage in der juristischen und politikwissenschaftlichen Literatur des Auslandes seit 1980. 1993. Band 13: Dieter Blumenwitz: Das Offenhalten der Vermögensfrage in den deutschpolnischen Beziehungen. 1992. Band 12: Eckart Klein: Diplomatischer Schutz im Hinblick auf Konfiskationen deutschen Vermögens durch Polen. 1992.
Band 11: Gilbert-Hanno Gornig: Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands (Bd. 2). 1992. Band 10: Dieter Blumenwitz: Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands (Bd. 1). 1992. Band 9: Dietrich Murswiek: Die Vereinigung Deutschlands. 1992. Band 8: Otto Kimminich: Deutschland und Europa. 1992. Band 7: Wilfried Fiedler: Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage. 1991. Band 6: Otto Kimminich: Die Menschenrechte in der Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg. 1990. Band 5: Gottfried Zieger: Vier-Mächte-Verantwortung für Deutschland als Ganzes als Grundlage der staatlichen Einheit Deutschlands und Basis seiner Reorganisation. 1990. Band 4: Eckart Klein: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die deutsche Frage. 1990. Band 3: Dieter Blumenwitz: Die Überwindung der deutschen Teilung und die Vier Mächte. 1990. Band 2: Mechthild Steffens: Der Beitritt der DDR zu multilateralen Verträgen und seine Auswirkungen auf die innerdeutschen Beziehungen und den Status Gesamtdeutschlands. 1989. Band 1: Mechthild Steffens: Die deutsche Frage in der juristischen Literatur des Auslandes seit 1970. 1989.