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German Pages 342 [343] Year 2023
Schriften zum Steuerrecht Band 181
Der Zugewinnausgleich im System des Familienerbschaftsteuerrechts Nationale und internationale Besteuerungsgrundlagen
Von
Katharina Menger
Duncker & Humblot · Berlin
KATHARINA MENGER
Der Zugewinnausgleich im System des Familienerbschaftsteuerrechts
S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 181
Der Zugewinnausgleich im System des Familienerbschaftsteuerrechts Nationale und internationale Besteuerungsgrundlagen
Von
Katharina Menger
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18753-9 (Print) ISBN 978-3-428-58753-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021/2022 von der Juristischen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt a.M. als Dissertation angenommen. Sie berücksichtigt den Stand der Rechtsprechung und der Literatur bis einschließlich Januar 2022. Entstanden ist die Arbeit während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der Professur für Steuerrecht und Zivilrecht von Herrn Prof. Dr. Philipp Lamprecht, der diese Arbeit auch betreut hat. Ihm gilt mein besonderer Dank für jedwede Form der Unterstützung und des Zuspruchs. Frau Prof. Dr. Marina Wellenhofer danke ich für die rasche Erstattung des Zweitgutachtens. Mein größter Dank gilt meinen Eltern Angela und Udo, meinem Bruder Alexander sowie meinem Mann Robin, die mich stets in allen Belangen und mit viel Liebe unterstützt haben. Meinen Eltern danke ich von Herzen, dass sie mir diese Ausbildung ermöglicht und mich auf meinem bisherigen Lebensweg sowie bei allen Entscheidungen stets vorbehaltlos unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Einführung 17
A. Der Zugewinnausgleich – praktische Bedeutung und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . 17 B. Einführung in die Themenstellung anhand von Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Darlegung der wesentlichen Unterschiede der verschiedenen Güterrechtstypen . . . 27 I.
Systematische Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
II.
Der Sinn der vergleichenden Wahrnehmung dieser Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . 30
D. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 E. Zielsetzung der Arbeit und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Erstes Kapitel § 2 Grundlegung: Die Zugewinngemeinschaft und der Zugewinnausgleich aus Sicht des nationalen Verfassungs-, Zivil- und Erbschaftsteuerrechts 35
A. Teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. II.
Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Verhältnisbestimmung der Teilrechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Grundlagen und Autonomie des Erbschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Grenzen der Autonomie durch die zivilrechtliche Vorprägung des Erbschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Praktische Wechselwirkungen zwischen Zivil- und Erbschaftsteuerrecht . 40
B. Der Zugewinnausgleich im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I.
Grundsatz der Ehevertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
II.
Grundlagen hinsichtlich des Rechts der Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . 49 1. Strukturen und Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Gütertrennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Nacheheliches Teilhabeprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Halbteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
8
Inhaltsverzeichnis 3. Modifizierte Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 III. Der Zugewinnausgleich als Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Der Zugewinnausgleich als Grundlage für die Teilhabe am Vermögenszuwachs eines Ehepartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Ausgestaltung des Zugewinnausgleichs im einfachen (deutschen) Recht . 61 a) Teilungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Teilhabezeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Teilhabemaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Teilhabemodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Überblick über praxisrelevante Beendigungskonstellationen . . . . . . . . . . . 69 a) Beendigung durch Tod eines Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Erbrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Fall 1: Ehegatte wird Intestaterbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (2) Fall 2: Ehegatte wird Testamentserbe oder Vermächtnisnehmer . 72 bb) Güterrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (1) Fall 1: Ehegatte wird weder Erbe noch Vermächtnisnehmer . . 74 (2) Fall 2: Ehegatte schlägt das Erbe oder Vermächtnis aus . . . . . . 74 b) Beendigung durch Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 c) Güterstandswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Einfacher Güterstandswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Doppelter Güterstandswechsel („Güterstandschaukel“) . . . . . . . . . 79 cc) Zwischenzeitlicher („fliegender“) Zugewinnausgleich . . . . . . . . . . 80 IV. Zusammenfassung und weiteres Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Zweites Kapitel § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung in anderen Rechtsordnungen – rechtsvergleichende Umschau 86
A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 B. Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts im Familien- und Erbrecht . . . . . 88 I.
Abriss der Europäischen Güterrechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
II.
Abriss der Europäischen Erbrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
C. Rechtsvergleichender Überblick über die weltweit gebräuchlichen Güterstände . . . 95 I.
Gütergemeinschaftssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Allgemeine Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Inhaltsverzeichnis
9
2. Errungenschaftsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II.
Partizipationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. „Aufgeschobene Gütergemeinschaft“ im nordischen Rechtskreis . . . . . . . 98 2. Gütertrennung mit wertmäßiger Vermögensteilhabe (Zugewinn gemeinschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
III. Gütertrennungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Reine Gütertrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Gütertrennung mit richterlicher Vermögensverteilung in den common lawRechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I.
Erbrechtlicher Ausgangsbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
II.
Auswirkungen des Güterstands auf die gesetzliche Erbenstellung des überlebenden Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Vorrang des Güterrechts gegenüber dem Erbrecht als allgemeine Richtschnur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Einfluss des Güterstands auf den Nachlassumfang in Gemeinschafts- und Partizipationssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Fehlender güterrechtlicher Ausgleich in Rechtsordnungen mit Gütertrennungssystem (common law) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
III. Rechtsvergleichende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Drittes Kapitel
§ 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes 120
A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . 123 I.
Erbschaftsteuer und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Steigerung der Leistungsfähigkeit durch Erbschaften und Schenkungen . . 125 3. Umsetzung im Bereich des Familienerbschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . 127 a) Systemische Betrachtung der Zusammenhänge des Familienerbschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Familienprinzip als Grenze der steuerlichen Belastung . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Verfassungsrechtliche Gebotenheit eines Familienprinzips? . . . . . . 134 (1) Verweis auf das Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Freiheitsrechtliche Fundierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
10
Inhaltsverzeichnis (3) Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II.
Bereicherungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Bereicherung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Objektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Erbschaftsteuerliches Stichtagsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
III. Unentgeltlichkeit des Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Besteuerung in der Generationenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 C. (Rang-)Verhältnis der Erbschaftsteuerprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Viertes Kapitel
§ 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs 153
A. Vorbemerkung: Wirtschaftliche und praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Steuerliche Einordnung des Zugewinnausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I.
Gegenstand des Erwerbs durch Zugewinnausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
II.
Gründe für das Absehen von der Besteuerung des Zugewinns . . . . . . . . . . . . . 157 1. Fehlende Bereicherung trotz Liquiditäts- bzw. Mittelzuflusses . . . . . . . . . 157 2. Fehlende Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . 159 b) Umkehrschluss aus § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Mitverursachung des Zugewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Familienprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Ergebnisse und Folgerungen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . 164
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I.
Regelungserfordernis und -gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
II.
Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Erbschaftsteueränderungsgesetz vom 26. 3. 1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Erbschafsteuer- und Reformgesetz vom 17. 4. 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. 12. 1993 172 4. Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. 12. 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5. Jahressteuergesetz 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Die Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Fiktiver Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 1 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Übersicht über den Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Inhaltsverzeichnis
11
b) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Beendigungskonstellation eins: Intestaterbfolge mit erbrechtlichem Zugewinnausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Beendigungskonstellation zwei: Gewillkürte Erbfolge . . . . . . . . . . 180 cc) Beendigungskonstellation drei: Andere Erwerbsvorgänge im Sinne des § 3 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Ermittlung des nicht steuerbaren fiktiven Zugewinnausgleichs . . . . . . . 182 aa) Fiktionslösung (§ 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Wirkungsweise: Rücknahme der zivilrechtlichen Fiktion der Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und Zugewinnanteil . . . . 184 (3) Rechtsfolge: Rechnerische Ermittlung einer fiktiven Ausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Anordnung der generellen Unbeachtlichkeit ehevertraglicher Modifikationen zum Güterrecht (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG) . . . . . . . . . . . . 186 (1) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (3) Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Keine Null-Vermutung bei fehlendem Anfangsverzeichnis (§ 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 dd) Keine Rückwirkung von Eheverträgen (§ 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG) . . . 193 (1) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Kein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 ee) Begrenzung auf das Steuerwertniveau des Endvermögens (§ 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 ff) Minderung um den Wert von steuerbefreitem Vermögen (§ 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 d) Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse zum fiktiven Zugewinnausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Güterrechtlicher Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 2 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Übersicht über den Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Nichteheliche Lebensgemeinschaften und § 5 Abs. 2 ErbStG . . . . . . . . 203 c) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Beendigungskonstellation eins: Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Beendigungskonstellation zwei: einfacher Güterstandswechsel . . . 207 cc) Beendigungskonstellation drei: Güterstandschaukel (nicht: fliegender Zugewinnausgleich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 dd) Beendigungskonstellation vier: Enterbung des überlebenden Ehe gatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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Inhaltsverzeichnis ee) Beendigungskonstellation fünf: Erb- oder Vermächtnisausschlagung 210 d) Umfang der Nichtsteuerbarkeit bei dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 e) Erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung der modifizierten Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 aa) Grundsätzliche Beachtlichkeit ehevertraglicher Modifikationen . . . 214 bb) Erbschaftsteuerrechtliche Grenzen der Anerkennungsfähigkeit der Ehegestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
D. Zusammenfassende Betrachtung der Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs . . . . . . 219
Fünftes Kapitel
§ 6 Ausländische Güterstände im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG 222
A. Überblick und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I.
Anwendbarkeit eines ausländischen Güterrechtsstatuts im deutschen Erbschaft steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
II.
Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
III. Methodische Vorüberlegungen und Herleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Konkrete Auslegung des § 5 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Keine Anhaltspunkte dafür, dass Gesetzgeber ausländische Güterstände (bewusst) ausschließen wollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Weitere Normen des Erbschaftsteuergesetzes, mit denen § 5 ErbStG in einem sachlichen Zusammenhang steht, erfassen Erwerbe nach ausländischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Zweck des § 5 ErbStG spricht dafür, ausländische Güterstände in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Anwendung von § 5 ErbStG auf Auslandsgüterstände zudem verfassungsrechtlich geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten, die in einem ausländischen Güterstand leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Keine Besserstellung in deutscher Zugewinngemeinschaft verheirateter Ehegatten allein aufgrund Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG 239 5. Auch die Europäischen Grundfreiheiten gebieten die Anwendung von § 5 ErbStG auf Auslandsgüterstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Einengung des Anwendungsbereichs von § 5 ErbStG auf deutsche Zugewinngemeinschaften bewirkte nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Das Zugewinngemeinschaftskriterium könnte Ehegatten daran hindern, ihre Unionsbürgerfreizügigkeit bei der Auswahl ihres gewöhnlichen Aufenthalts wahrzunehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
Inhaltsverzeichnis
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6. Zusammenfassung, Stellungnahme und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . 245 V.
Kriterien für den anzustellenden Güterstandvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Vergleichbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Wesensbestimmende Strukturmerkmale der Zugewinngemeinschaft . . . . . 249 3. Sonstige Vergleichskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Zusammenfassung und rechtspraktisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
VI. Konsequenzen des Güterstandvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Erbschaftsteuerliche Behandlung des Güterstands entsprechend der Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Ermittlung des nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegenden Betrags . . 256 a) Fiktionslösung des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG gilt auch für vergleichbare ausländische Ausgleichskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Maßgeblichkeit ausländischen Güterrechts im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Ausnahme bei Nichtfeststellbarkeit ausländischen Güterrechts . . . 259 3. Keine anteilige Kürzung des Zugewinnausgleichsfreibetrags bei beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 C. Praktischer Güterstandvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. II.
Kriterien für die Auswahl der Güterstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Grundlagen im dänischen Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Praktischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
III. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Grundlagen im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Praktischer Fall 1: Scheidung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Besteuerung nach dem ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Praktischer Fall 2: Englische gesetzliche Erbfolge (ohne family provision) 275 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4. Praktischer Fall 3: family provision und deemed divorce-Test . . . . . . . . . . 278 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
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Inhaltsverzeichnis 5. Praktischer Fall 4: Englische testamentarische Erbfolge (ohne family provision) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 IV. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Grundlagen im französischen Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Praktischer Fall: Vertragliche Zugewinngemeinschaft (le régime de participation aux acquêts) und avantages matrimoniaux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 V.
Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Grundlagen im griechischen Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Praktischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Besteuerung nach dem ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
VI. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Grundlagen im japanischen Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Praktischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 VII. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Grundlagen im österreichischen Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Praktischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Besteuerung nach dem ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 VIII. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Grundlagen im schweizerischen Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Praktischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IX. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse aus dem Güterstandvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
§ 7 Zusammenfassung 304
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen richten sich nach Kirchner, Hildebert (Hrsg.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage 2018. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union BeckOKBGB Beck’scher Online-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch BeckOKErbStG Beck’scher Online-Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz BMF Bundesministerium der Finanzen BR-Drs. Drucksache des Bundesrats BStGB Bundessteuergesetzbuch BT-Drs. Drucksache des Bundestags DJT Deutscher Juristentag DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft ErbStR Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuerrechts (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 – ErbStR 2019) vom 16. 12. 2019, BStBl. I 2019, Sondernummer 1/2019, S. 2 EuErbVO Verordnung Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EU-Erbrechtsverordnung) EuGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (EU-Güterrechtsverordnung) EuPartVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften EUV Vertrag über die Europäische Union FD-ErbR Fachdienst Erbrecht F / F/P Fischer / Pahlke / Wachter (Kommentar) FS Festschrift FuR Familie und Recht (Zeitschrift) H / H /R Herrmann / Heuer / Raupach (Kommentar) HdB Handbuch HHSp Hübschmann / Hepp / Spitaler (Kommentar) IFSt Institut Finanzen und Steuern IWB Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) jurisPR-SteuerR juris PraxisReport Steuerrecht (Zeitschrift) MAH Münchener Anwaltshandbuch
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Abkürzungsverzeichnis
Matrimonial Causes Act 1973 MCA Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MüKoBGB Neub. Neubearbeitung OECD-Musterabkommen zur Doppelbesteuerung OECD-MA Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des SteuerStMBG rechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) StRO Steuerrechtsordnung Troll / Gebel / Jülicher / Gottschalk (Kommentar) T / G/J / G
§ 1 Einführung A. Der Zugewinnausgleich – praktische Bedeutung und offene Fragen Die erbschaftsteuerlich günstige Behandlung des Zugewinnausgleichs in § 5 ErbStG hat für die Gestaltungs- und Beratungspraxis eine große Bedeutung.1 Als umfassender Vermögensausgleich zwischen Ehegatten ist er steuerlich sehr interessant, weil er einen steuerneutralen Vermögensübergang zwischen Ehegatten ermöglichen kann und damit auch immer wieder Gegenstand von steuerlichen Gestaltungen war und ist (Stichwort „Güterstandschaukel“). Schwierigkeiten und Systembrüche entstehen bei der steuerlichen Beurteilung allerdings insoweit, als das Erbschaftsteuerrecht einerseits an das inländische Zivilrecht anknüpft, andererseits sich von diesem löst und die verschiedenen zivilen Konstellationen der Beendigung einer deutschen Zugewinngemeinschaft unterschiedlich behandelt. Dieses Nebeneinander von einer engen Anbindung an das inländische Zivilrecht (Zivilrechtsakzessorietät oder auch „Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Zugewinnausgleichsteuerrecht“2) und der Verwirklichung einer gleichmäßigen, leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung beim Zugewinnausgleich wirft nicht nur bei der Beendigung einer deutschen Zugewinngemeinschaft, sondern insbesondere auch bei Ehegattenerb- und Schenkungsfällen3 mit grenzüberschreitendem Bezug viele dogmatische Fragen auf. Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten lösen grundsätzlich eine Besteuerung nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz aus.4 Etwas anderes gilt allerdings, 1
In Deutschland leben schätzungsweise 86,2 % der Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der – nicht durch einen Ehevertrag modifizierten – Zugewinngemeinschaft, vgl. J. Baumgarten / H. Houben, StuW 2014, 116 (123). Einen Vertragsgüterstand (Gütergemeinschaft, Gütertrennung) haben insgesamt 12,1 % der Ehegatten vereinbart. (Weitere) Ehevertragliche Verein barungen haben lediglich 0,6 % der Ehegatten getroffen. Die übrigen 1,1 % entfallen auf andere Güterstände, zu denen bspw. ausländische Güterstände gehören. 2 Unter dem in dieser Arbeit verwendeten (Arbeits-)Begriff des „Zugewinnausgleichsteuerrechts“ bzw. der „Zugewinnausgleichsbesteuerung“ ist die steuerliche Behandlung des Zugewinnausgleichs zwischen Ehegatten zu verstehen. Den Schwerpunkt bildet hierbei die erbschaftsteuerrechtliche Regelung des § 5 ErbStG. 3 Soweit nicht anders gekennzeichnet, werden die Begriffe „Erbfall“ und „Schenkungsfall“, „Ehegatte“ und „Lebenspartner“ in dieser Arbeit synonym verwendet. 4 Dies gilt seit der Entscheidung des BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366 auch für sog. unbenannte (ehebedingte) Zuwendungen. Dass Zuwendungen zwischen Ehegatten zivilrechtlich ggfs. keinen Schenkungscharakter haben, ist erbschaftsteuerlich damit ohne Bedeutung.
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§ 1 Einführung
wenn und soweit Vermögensübergänge zu Zwecken des Zugewinnausgleichs erfolgen. Ein Betrag im Umfang des (fiktiven) Zugewinnausgleichs ist dann entweder erbschaftsteuerfrei (§ 5 Abs. 1 ErbStG) oder schon nicht erbschaftsteuerbar (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Dies hängt davon ab, auf welche Art und Weise die Zugewinngemeinschaft zivilrechtlich beendet und der Zugewinn ausgeglichen wird. Eine Besteuerung des Zugewinnausgleichs erfolgt damit im Grundsatz nicht, wobei über den Telos der Vorschrift bislang wenig Klarheit herrscht. Betrachtet man den Meinungsstand in einer Zusammenschau, so fällt auf, dass das Verständnis der Vorschrift des § 5 ErbStG bislang fast ausschließlich von der Zivilrechtslage abhängt. Dies überrascht insoweit nicht, als das Zugewinnausgleichsteuerrecht im „Baukastenprinzip“5 konzipiert ist, d. h. sich im Wesentlichen aus Instituten des nationalen Erb-6 und Güterrechts (deutsche Zugewinngemeinschaft, Zugewinnausgleich nach dem Verfahren der §§ 1371; 1373 ff. BGB) zusammensetzt. Die Vorschrift des § 5 ErbStG weist somit eine – rechtssystematisch und rechtspolitisch – nicht unumstrittene Verknüpfung von nationalem Güter-, Erb- und Erbschaftsteuerrecht auf, ohne dass die verschiedenen Teilrechtsgebiete widerspruchsfrei aufeinander abgestimmt wären. Die Unzulänglichkeiten der Norm zeigen sich in aller Deutlichkeit (auch) in grenzüberschreitenden Ehegattenerbfällen. Die Zersplitterung des Zugewinnausgleich(-steuer)rechts auf mehrere, voneinander getrennte Rechtsgebiete spiegelt sich zudem im wissenschaftlichen Schrifttum wider. Seit Einführung der Zugewinngemeinschaft im Jahr 1957 waren der Güterstand, die verschiedenen (denkbaren) Beendigungskonstellationen sowie die möglichen Modifikationen durch Abschluss eines Ehevertrags Gegenstand zahlreicher Monographien.7 Dabei ging es allerdings fast ausschließlich um zivilrechtliche Fragen des Güter- und Erbrechts. Im steuerrechtlichen Schrifttum 5
Für den Begriff vgl. C. von Oertzen / T. Schienke-Ohletz, ZEV 2015, 609 (611). Seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf v. 1. 3. 2018 – C-558/16, ABl. EU 2018, Nr. C 142, 9 = BeckEuRS 2018, 560947, die zur Auslegung der für Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 geltenden EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ergangen ist, qualifiziert das Erhöhungsviertel in § 1371 Abs. 1 BGB – abweichend von der bisherigen (nationalen) Rechtslage (siehe zuletzt BGH v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 290) – (rein) erbrechtlich. Die Entscheidung hat, worauf noch näher einzugehen sein wird, weitreichende Auswirkungen auf das Ehegattenerbrecht und die Nachfolgeplanung. 7 Z. B. W. Thiele, Die Zugewinngemeinschaft, Diss. 1957; F. K. Drove, Die Zugewinngemeinschaft als neuer gesetzlicher Güterstand, Diss. 1958; A. Knur, Probleme der Zugewinngemeinschaft, 1959; L. Gaa, Die Verfügungsbefugnis der Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, Diss. 1960; D. Kastrup, Die Verpflichtungs- und Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft, Diss. 1961; K. Tilkorn, Zugewinngemeinschaft und Gesellschaftsrecht, Diss. 1965; H.-J. Sauer, Die Zugewinngemeinschaft – ein Güterstand der Gütertrennung?, Diss. 1968; H. Blechschmidt, Zur Stellung des überlebenden Ehegatten und der gemeinsamen Abkömmlinge im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, Diss. 1969; E. von Olshausen, Die Konkurrenz von Güterrecht und Erbrecht bei Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten, Diss. 1969; H. Doehlert, Die steuerlichen Folgen der Auflösung der Gütergemeinschaft und der Zugewinngemeinschaft unter Lebenden, Diss. 1972; G. Petzold, Erbschaftsteuerbelastung bei Zugewinngemeinschaft, 1984; G. L angenfeld / L . Milzer, HdB Eheverträge, 8. Aufl. 2019; G. Berger, Die „modifizierte Zu 6
A. Der Zugewinnausgleich – praktische Bedeutung und offene Fragen
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konzentrieren sich die – vereinzelt gebliebenen – Darstellungen in der Regel auf Detailfragen der Berechnung des nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Betrags, ohne das Recht der Zugewinngemeinschaft als Ganzes in den Blick zu nehmen. Eine grundlegende Darstellung, bei der der Ausgleich des Zugewinns im Zivilund Erbschaftsteuerrecht ganzheitlich und teilrechtsordnungsübergreifend erörtert wird, existiert dagegen nicht. So kommt es auch, dass viele Fragen des Zugewinnausgleichsteuerrechts bis heute nicht abschließend geklärt. Aber auch neue Fragen kommen immer wieder dazu. Anlass dafür sind vor allem die jüngeren Bestrebungen zur Vereinheit lichung des Internationalen Privatrechts in der Europäischen Union, insbesondere in Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO)8 sowie des ehelichen Güterstands durch die Europäischen Güterrechtsverordnungen (EuGüVO und EuPartVO)9, in deren Schnittbereich sich die Vorschrift des § 5 ErbStG bewegt. Die Verordnungen führen durch eine Umstellung der Regelanknüpfungen jeweils auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts (Aufenthaltsprinzip) und neuartige – teilweise geänderte – Rechtswahlmöglichkeiten zu erheblichen Umstellungen für die deutsche Praxis und voraussichtlich häufiger als bisher zu einem Import ausländischen Güter- und Erbrechts (auch) in das zivilrechtlich angebundene Erbschaftsteuerrecht.10 Steuersachen sind von den Anwendungsbereichen der Verordnungen jeweils ausdrücklich ausgenommen.11 Auch eine Anpassung des deutschen Erbschaftsteuergesetzes an die Vorgaben der gewinngemeinschaft“ in zivil- und steuerrechtlicher Sicht, Diss. 1988; S. Urbach, Unzulänglichkeiten der Zugewinngemeinschaft, Diss. 1990; E.-M. Peters, Defizite des gesetzlichen Güterstands, Diss. 2005; S. Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, 2010; ders., Gesetzliches Güterrecht und sozialer Wandel, 2011; F. Maier, Vertragliche Modifikationen der Zugewinngemeinschaft, Diss. 2013; C. Kleffmann, Die Güterstandsschaukel, Diss. 2017; B. Kowalczyk, Zugewinngemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung des Zugewinnausgleichs nach § 1371 I–III BGB, Diss. 2018. 8 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4. 7. 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl. 2012 L 201, 107. 9 Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates v. 24. 6. 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, ABl. 2016 L 183, 1 („EuGüVO“) und Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates v. 24. 6. 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften, ABl. 2012 L 183, 30 („EuPartVO“) (EuGüVO und EuPartVO im Folgenden zusammen als „EuGüVO“). 10 Quantitativ lassen sich die durch Auslandsberührung mit anderen Staaten (innerhalb und außerhalb der Europäischen Union) entstehenden Probleme der Zugewinnausgleichsbesteuerung nicht genau abschätzen. Im Hinblick auf die zunehmende Mobilität von Ehepaaren sowie die Internationalisierung von Vermögen und Vermögensinhabern in Deutschland (und deren Nachfolgern) lässt sich jedoch erahnen, dass sich die Unzulänglichkeiten, die § 5 ErbStG schon bei reinen Inlandssachverhalten bereiten kann, potenzieren werden. 11 Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuErbVO und Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuGüVO.
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§ 1 Einführung
EuErbVO und EuGüVO ist bislang nicht erfolgt und – soweit ersichtlich – auch nicht gesetzgeberisch geplant.12 Die Geltung deutschen Güterrechts (und mittelbar deutschen Erbrechts)13 ist jedoch praktisch bedeutsam, da der steuerneutrale Zugewinnausgleich zwischen Ehegatten in § 5 ErbStG tatbestandlich unter anderem an den deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft anknüpft. Ob und inwieweit die Vorschrift auch bei Güterständen ausländischen Rechts zur Anwendung kommt, ist erstaunlicherweise bislang nicht (höchstrichterlich) geklärt.14 Der Bundesfinanzhof hat zwar im Jahr 1975 entschieden, dass der Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch15 in der früheren DDR der (bundesdeutschen) Zugewinngemeinschaft im Sinne von § 5 ErbStG (bzw. § 6 ErbStG 1959) strukturell gleichstehe und es daher gerechtfertigt sei, die Vorschrift auch auf jenen anzuwenden.16 Damit hat er im Prinzip einen Vergleich der Güterstände („Güterstandvergleich“) vorgenommen. Es ist allerdings offengeblieben, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien ein solcher Güterstandvergleich im Einzelfall erfolgen soll. In der Literatur wird teilweise (sogar) die Auffassung vertreten, dass die Aussagen des Bundesfinanzhofs nicht weiter verallgemeinerungsfähig seien, da sie durch das besondere (historische) Verhält 12 Das deutsche (zivile) Erb- und Güterrecht ist dagegen mit zwei Gesetzen (Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 29. 6. 2015, BGBl. I 2015, 1402 und Gesetz zum Internationalen Güterrecht und zur Änderung von Vorschriften des Internationalen Privatrechts v. 17. 12. 2018, BGBl. I 2018, 2573) im Hinblick auf die Vorgaben der EuErbVO und EuGüVO geändert worden. Siehe dazu z. B. C. Döbereiner, NJW 2015, 2449 (Erbrecht); C. Campbell, NJW-Spezial 2019, 708 (Güterrecht); P. Mankowski, NJW 2019, 465 (Güterrecht). 13 Die Geltung deutschen Erbrechts im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG ist in zweierlei Hinsicht von praktischer Bedeutung. Zum einen wird der Zugewinn im Erbfall regelmäßig pauschal ausgeglichen, indem der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel erhöht wird (§ 1371 Abs. 1 BGB). Seit der EuGH-Entscheidung in der Rs. Mahnkopf (a. a. O.) handelt es sich hierbei um eine erbrechtliche (und nicht um eine güterrechtliche) Regelung. Der pauschale Zugewinnausgleich im Todesfall setzt somit voraus, dass deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt. Zu damit eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten siehe vorläufig T. Wachter, ErbStB 2018, 206. Zum anderen verweist § 5 ErbStG auf §§ 3; 7 ErbStG, die ihrerseits auf Rechtsinstitute des nationalen Zivilrechts (weiter-)verweisen. Die Geltung deutschen Erbrechts stellt sich somit im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG als eine (zwingend zu beantwortende) Vorfrage dar. 14 Mit der Frage (zumindest am Rande) befasst haben sich: C. von Oertzen, ZEV 1994, 93; A. Schnitger, FR 2004, 185; C. Jeremias, ZEV 2005, 414; I. Brinkmann, Europarechtsverstöße im deutschen Erbschaftsteuerrecht, S. 190; T. Wachter in: FS Crezelius, 645 (669) sowie aus der Kommentarliteratur: P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 50 ff., 201 ff.; C. Griesel in: Daragan / Halaczinsky / R iedel, ErbStG (3. Aufl. 2017), § 5 Rn. 6; C. Meßbacher-Hönsch, in: Wilms / Jochum, ErbStG (Stand: 06/2021), § 5 Rn. 42 f.; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 5 ff. 15 Der Güterstand der „Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch“ galt in der DDR vom 7. 10. 1949 (Inkrafttreten der ersten Verfassung der DDR) bis zum Inkrafttreten des DDR- Familiengesetzbuchs vom 20. 12. 1965, mit dem die Errungenschaftsgemeinschaft gesetzlicher Güterstand wurde. 16 Vgl. BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447.
A. Der Zugewinnausgleich – praktische Bedeutung und offene Fragen
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nis zwischen den beiden deutschen Staaten beeinflusst worden seien.17 Dass das Urteil (zumindest auch) durch interlokale Besonderheiten im deutsch-deutschen Verhältnis geprägt ist, lässt sich mit Blick auf die – in Teilen doch sehr spezielle – Urteilsbegründung nicht von der Hand weisen, sodass der Ausgang entsprechender Fälle heute alles andere als vorhersehbar ist.18 Hinzu kommt, dass die Regelungen zum (gesetzlichen) Güterstand in den einzelnen internationalen Güterrechtsordnungen naturgemäß nicht identisch sind. Ausländische Güterstände lassen sich – insbesondere außerhalb des deutschen Rechtskreises –häufig nicht ohne weiteres miteinander vergleichen, da die ausländischen Güterrechte bspw. vielfach eine dingliche (Mit-)Berechtigung der Ehegatten bei Beendigung der Ehe und nicht nur einen Geldanspruch (wie im deutschen Recht) vorsehen. Das steht einer (rechtlichen) Vergleichbarkeit für erbschaftsteuerliche Zwecke aber nicht zwingend entgegen. Denn auch die Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht ist keineswegs immer gleich ausgeformt. Vielmehr kann diese – unter Nutzung der Ehevertragsfreiheit – inhaltlich durchaus unterschiedlich ausgestaltet werden (modifizierte Zugewinngemeinschaft). Für die (wirtschaftliche bzw. funktionale)19 Vergleichbarkeit sprechen vor allem aber auch die gemeinsamen Wurzeln der ehelichen Vermögensteilhabe in den internationalen Güterrechtsordnungen. Es ist ein international weit verbreiteter Grundgedanke der ehelichen Vermögensteilhabe, dass den Ehegatten aufgrund in der Ehezeit erbrachter (gleich 17 Vgl. T. Wachter, in: FS Crezelius, 645 (671); ebenfalls kritisch, im Ergebnis aber ablehnend C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (96). 18 Dem entschiedenen Fall lag die besondere Konstellation zugrunde, dass die Ehegatten nach dem Inkrafttreten der ersten DDR-Verfassung vom 7. 10. 1949 in deren Geltungsbereich lebten (d. h. im Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch), das Gebiet der DDR danach verließen und die Ehe durch Tod vor dem 1. 10. 1969 (Inkrafttreten des Gesetzes über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen vom 4. 8. 1969, BGBl. I 1969, 1067) aufgelöst wurde. Mit Inkrafttreten des Gesetzes über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen hat sich der Güterstand für Ehegatten, die Vertriebene oder Sowjetzonenflüchtlinge waren und in einem anderen gesetzlichen Güterstand lebten, in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft im Sinne des BGB gewandelt. Der BFH hat die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 S. 1 ErbStG 1959 (heute: § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG) unter anderem auch damit begründet, dass keine Gesichtspunkte dafür erkennbar seien, weshalb diejenigen, die zwischen dem 31. 3. 1953 und dem 1. 10. 1969 im Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch gelebt hätten, erbschaftsteuerlich anders behandelt werden sollten als diejenigen, für die der Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit Gesetz vom 1. 10. 1969 gesetzlicher Güterstand wurde, siehe a. a. O. Rn. 23. 19 Bei Erwerbsvorgängen, die ausländischem Erbrecht unterstehen, ist nach ständiger BFHRechtsprechung zu prüfen, ob die ausländischen privatrechtlichen Institute denen in § 3 ErbStG nach Maßgabe des deutschen Zivilrechts beschriebenen Erwerbsvorgängen entsprechen. Ist ein vergleichbares deutsches Rechtsinstitut nicht feststellbar, soll nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechts maßgebend sein, sondern die „wirtschaftliche Bedeutung“ der durch das ausländische Recht dem Erwerber eingeräumten Rechtsposition, siehe zuletzt BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 (zum Erwerb von Todes wegen aufgrund einer Anwachsungsklausel nach französischem Ehegüterrecht). Konsequenterweise müssen diese Grundsätze auch bei § 5 ErbStG gelten, der – wie noch zu zeigen sein wird – eine ergänzende Regelung über den Erbschaftsteuertatbestand ist.
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§ 1 Einführung
wertiger) Leistungen eine gewisse Beteiligung an dem Vermögen bzw. Vermögenszuwachs des jeweils anderen zustehen soll.20 Die inhaltliche Ausgestaltung der ehelichen Vermögensteilhabe (Geldanspruch, dingliche Teilung oder richterliche Vermögenszuweisung) mag in den internationalen Güterrechtsordnungen zwar unterschiedlich sein, ändert an dem (nicht besteuerungswürdigen) Erwerb aufgrund vermögensrechtlicher Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten jedoch nichts. Ausgehend von dem Befund, dass das deutsche Erbschaftsteuergesetz keine Vorgaben zur Behandlung ausländischer Güterstände macht und es daher Rechtsprechung und Wissenschaft obliegt, eine verfassungs- und europarechtskonforme Regelung zu entwickeln, beschreitet die vorliegende Arbeit neue Wege: Zum einen erschließt sie den bislang nicht gehobenen Schatz, den eine systematische und prinzipienbasierte Untersuchung eines bislang wenig erforschten Teilrechtsbereichs (Zugewinnausgleichsteuerrecht) liefert, wobei auch die zivil- bzw. güterrechtlichen Prinzipien der deutschen Zugewinngemeinschaft zu berücksichtigen sind. Die so gewonnenen Erkenntnisse über die spezifischen Ziele der steuerrechtlichen Regelung des Zugewinnausgleichs in § 5 ErbStG macht sich die Arbeit zum anderen zu Nutze, um die für den anzustellenden Güterstandvergleich maßgeblichen Kriterien herauszuarbeiten. Hierbei wird ein Rechtsvergleich zeigen, dass die internationalen Güterrechtsordnungen in Bezug auf die Vermögensteilhabe bei Eheauflösung doch mehr Gemeinschaftliches haben und ein common core21 durchaus festzustellen ist. Dies hat in die Debatte um die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung von Auslandsgüterständen bislang keinen Eingang gefunden. Seine Berücksichtigung weist die Diskussion in eine neue Richtung. Nicht behandelt wird dagegen der deutsch-französische Güterstand der WahlZugewinngemeinschaft (§ 1519 BGB), der in § 5 Abs. 3 ErbStG eine parallele Regelung zu der sogenannten güterrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft (§ 5 Abs. 2 ErbStG) erfahren hat.22 Ebenso geht es der vorliegenden Arbeit nicht darum, die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungsprozesse des geltenden Güter- und Erbrechts und deren Institute zu erklären; dies wurde aus rechtshistorischer und rechtssoziologischer Perspektive bereits andernorts übernommen. Vielmehr soll der Fokus der Arbeit auf erbschaftsteuerlichen Fragen des (grenzüberschreitenden) Zugewinnausgleichs liegen.
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Vgl. im Einzelnen § 3 der vorliegenden Untersuchung. Zu diesem Begriff vgl. schon R. B. Schlesinger, in: Zweigert / P uttfarken, Rechtsvergleichung (1978), S. 249. 22 Siehe hierzu T. Klippstein, FPR 2010, 510; R. Süß, ZErb 2010, 281; M. Jünemann, ZEV 2013, 353; V. Derichs, ErbR 2013, 306; A. Frank, Ausgewählte Rechtsprobleme der deutschfranzösischen Wahl-Zugewinngemeinschaft, Diss. 2016; J. Pannemann, Der deutsch-französische Güterstand der Wahlzugewinngemeinschaft – ein Modell für Europa?, Diss. 2016; M. Eßer, Die Beendigung ehelicher Güterstände mit Auslandsbezug in Deutschland und Frankreich, Diss. 2016. 21
B. Einführung in die Themenstellung anhand von Beispielen
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B. Einführung in die Themenstellung anhand von Beispielen Welche konkreten praktischen Probleme sich hinter dem Schlagwort des Zugewinnausgleichsteuerrechts beim grenzüberschreitenden Sachverhalt verbergen, sollen zunächst einige Beispiele23 verdeutlichen. Bei diesen sind auch immer die Grundlagen der – nicht selten isoliert nebeneinanderstehenden –24 ausländischen Güter- und Erbrechte mit zu berücksichtigen, da die deutsche Erbschaftsteuer konzeptionell grundsätzlich an Rechtsformen und formale Akte des Zivilrechts anknüpft, d. h. bürgerlich-rechtlich geprägt ist.25 – Beispiel 1 A und B, ein dänisches Ehepaar mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, lebten zunächst im gesetzlichen dänischen Güterstand der Gütergemeinschaft. Trotz dieser Bezeichnung kommt es nach diesem Güterstand mit Eheschließung zu keiner Vermögensvergemeinschaftung, sondern jeder Ehegatte verfügt weiterhin über sein Vermögen. Erst mit Ehebeendigung teilen die Ehegatten ihr Vermögen gleich, wobei in die Gleichteilung nach dänischem Recht auch die vorehelichen Vermögenswerte beider Ehegatten eingehen. Später wählen die Ehegatten vor einem deutschen Notar – mit Wirkung für die Zukunft – deutsches Güterrecht und vereinbaren gleichzeitig durch Ehevertrag deutsche Gütertrennung. Die gesetzliche dänische Gütergemeinschaft wickeln die Ehegatten nach dänischem Güterrecht ab. B erhält hiernach einen Betrag in Höhe von 1 Mio. €, wobei ein Betrag von 600.000 € auf den Ausgleich vorehelicher Vermögenswerte zurückgeht. Welche steuerlichen Konsequenzen löst die dänische Gleichteilung des Teilungsvermögens nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz aus? Wie wirkt sich hierbei der Ausgleich auch der vorehelichen Vermögenswerte aus? – Beispiel 2 A und B sind beide britische Staatsangehörige und hatten bei und nach ihrer Eheschließung ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in England. Aus 23 Bei den nachfolgenden Beispielsfällen ist davon auszugehen, dass die Freibeträge der §§ 16 Abs. 1 bzw. 2; 17 Abs. 1 ErbStG vollständig aufgebraucht sind und der Erbfall an / nach dem 17. 8. 2015, d. h. unter Geltung der EuErbVO, eintritt. 24 Im deutschen Recht verklammert demgegenüber die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB, wonach sich bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten zu Ausgleichszwecken um ein Viertel erhöht, Erb- und Güterrecht in einer international einzigartigen Weise, vgl. auch D. Lehmann, ZEV 2014, 232 (235 f.); K. Lechner, DNotZ-Sonderheft 2016, 102 (112); W. Litzenburger, FD-ErbR 2018, 405926. 25 Vgl. an dieser Stelle nur BFH v. 30. 6. 1960 – II 254/57 U, BFHE 71, 266 = BStBl. III 1960, 348 Rn. 4; v. 26. 11. 1986 – II R 190/81, BFHE 148, 324 = BStBl. II 1987, 175 Rn. 16; v. 15. 10. 1997 – II R 68/95, BFHE 183, 248 = BStBl. II 1997, 820 Rn. 15.
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§ 1 Einführung
deutscher Sicht gilt – sowohl nach altem EGBGB-Kollisionsrecht als auch unter der EuGüVO – englisches Recht als Güterrechtsstatut. Das englische Recht kennt jedoch keinen gesetzlichen Güterstand mit festen Anteilen, sondern (nur) im Scheidungsfall eine richterliche Vermögensaufteilung nach Fairnessgesichtspunkten. Nach einigen Jahren ziehen die Ehegatten mit ihren beiden Kindern nach Deutschland um und begründen hier ihren neuen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt. Nach dem Umzug wählt A testamentarisch englisches Recht für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen (Art. 22 Abs. 1 EuErbVO). Weitere Verfügungen trifft er nicht. A verstirbt. Der Nachlass besteht aus beweglichem Vermögen in Deutschland und England. Dieser geht – anders im deutschen Recht – nicht im Wege der Universalsukzession auf die (gesetzlichen oder testamentarischen) Erben über, sondern zunächst auf eine Art Nachlassverwalter (personal representative). Dieser nimmt den Nachlass in Besitz, begleicht etwaige Nachlassschulden, erfüllt verfügte Zuwendungen von Todes wegen und verteilt den verbleibenden Nachlass (residuary estate) an die Erben (Nachlassabwicklungsverfahren).26 Der um die vorstehenden Posten bereinigte Nachlasswert beträgt vorliegend 1,12 Millionen Pfund. Gesetzliche Erben nach englischem Recht sind B sowie die zwei gemeinsamen Kinder von A und B. Als überlebender Ehegatte erhält B nach englischem Recht zunächst einen festen Geldbetrag (statutory legacy) in Höhe von 270.000 Pfund und die gesamte persönliche Habe (personal chattels) von A (Verkehrswert: 10.000 Pfund). Von dem verbleibenden Restnachlass erhält B die Hälfte, d. h. 420.000 Pfund. Die andere Hälfte übernehmen die gemeinsamen Kinder von A und B. Eine Aufteilung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens (matrimonial property) durch den englischen Richter erfolgt im Erbfall dagegen nicht. Ist bei dem Erwerb von B nach englischem Recht ein Betrag im Umfang des (fiktiven) Zugewinnausgleichs steuerfrei (§ 5 Abs. 1 ErbStG)? Falls ja, wie ermittelt sich der Steuerfreibetrag rechnerisch (nach deutschem oder englischem Recht)? – Beispiel 3 Ein deutsch-finnisches Ehepaar hatte zu Beginn seiner Ehe seinen ersten ehelichen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Finnland und lebt damit im gesetzlichen Güterstand finnischen Rechts. Die Ehegatten ziehen später dauerhaft nach Deutschland um. Im finnischen Güterstand bleiben die Vermögen beider Ehegatten rechtlich getrennt. Jeder Ehegatte hat jedoch ein sog. Gattenanteilsrecht am gesamten (auch vorehelichen) Vermögen des jeweils anderen, 26
Zum englischen Erbrecht in deutscher Sprache vgl. an dieser Stelle nur E. Cornelius, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Großbritannien, Rn. 556, 590 f., D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderbericht England und Wales, Rn. 132 ff.
B. Einführung in die Themenstellung anhand von Beispielen
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das während der Ehe wiederum nur latent vorhanden ist. Aufgrund dieses Gattenanteilsrechts erhält jeder Ehegatte (bzw. dessen Erben) bei Ehe- bzw. Güterstandbeendigung eine Hälfte des Reinvermögens des anderen. Der Ehegatte, der Vermögenswerte abgeben muss, darf bei der Auseinandersetzung grundsätzlich frei bestimmen, was er herausgibt. Dieses Teilungsverfahren gilt gleichermaßen im Erb- und Scheidungsfall. Ist der Erwerb aufgrund eines sich bei Ehebeendigung aktualisierenden finnischen Gattenanteilsrechts in Deutschland (ganz oder teilweise) steuerbar (§ 5 Abs. 2 ErbStG)? – Beispiel 4 A und B, ein deutsch-französisches Ehepaar mit zwei Kindern und gewöhnlichem Aufenthalt bei und nach Eheschließung in Frankreich, beschließen nach Deutschland umzuziehen. Im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung hatten sie vor einem französischen Notar französisches Güterrecht gewählt und die französische vertragliche Zugewinngemeinschaft vereinbart. Ihre Rechtswahl behalten die Ehegatten auch nach ihrem Umzug nach Deutschland bei. Kann B im Fall des Vorversterbens von A, wenn dieser in der französischen vertraglichen Zugewinngemeinschaft den größeren Zugewinn erzielt hat und B den rechnerischen Ausgleich (nach französischem Recht) mit den übrigen Erben durchführt, einen nicht steuerbaren Betrag im Umfang des französischen vertraglichen Zugewinnausgleichs geltend machen (§ 5 Abs. 2 ErbStG)? – Beispiel 5 A und B, ein deutsch-griechisches Ehepaar mit vier Kindern, haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit Eheschließung in Griechenland. Sie leben im griechischen gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung. Das Paar zieht fünfzehn Jahre später nach Deutschland um, wo Grieche A verstirbt. Die gesetzliche Erbquote von B beträgt neben den vier Kindern – nach deutschem Recht – ein Viertel (§ 1931 Abs. 1 BGB). Trotz der Bezeichnung des Güterstands als Gütertrennung hat der überlebende Ehegatte nach griechischem Recht einen Anspruch auf Zugewinnausgleich, sofern sich das Vermögen des Verstorbenen seit der Eheschließung erhöht und der überlebende Ehegatte zu dieser Erhöhung auf irgendeine Weise beigetragen hat. Nach griechischem Recht wird (widerleglich) vermutet, dass sich dieser Beitrag auf ein Drittel der eingetretenen Erhöhung beläuft, wenn nicht ein größerer oder geringerer Beitrag nachgewiesen wird. Vor der (deutschen) Erbteilung führt B mit den übrigen Erben den griechischen Zugewinnausgleich durch. Da ihm der Nachweis, zu mehr als einem Drittel zu der seit Eheschließung eingetretenen Vermögensmehrung von A beigetragen zu haben, nicht gelingt, erhält er (nur) ein Drittel der Erhöhung.
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§ 1 Einführung
Im erbschaftsteuerlichen Veranlagungsverfahren macht B einen nicht der Besteuerung unterliegenden Betrag gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG geltend, und zwar im Umfang der Hälfte der bei Erblasser A seit Eheschließung eingetretenen Vermögensmehrung. Zu Recht? – Beispiel 6 Österreicher A hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Mit seinem Ehegatten B ist er im gesetzlichen Güterstand der österreichischen Gütertrennung verheiratet. Während der Ehe hat A eine in Deutschland belegene Immobilie zu Alleineigentum erworben. Trotz ihrer Bezeichnung sieht die österreichische Gütertrennung im Fall der Scheidung einen güterrechtlichen Vermögensausgleich nach Billigkeit vor, um den (Arbeits-)Leistungen beider Ehegatten in der Ehe hinreichend Rechnung zu tragen. Im Erbfall findet ein solcher Vermögensausgleich allerdings nicht statt. A verstirbt und wird von Ehegatten B alleine beerbt. Welche Folgen hat die Beendigung der österreichischen Gütertrennung für die Besteuerung des beschränkt steuerpflichtigen Erwerbs von B in Deutschland? Kann B in Ermangelung eines rechnerischen Vermögensaugleichs eine Steuerbefreiung im Umfang eines fiktiven Zugewinns nach § 5 Abs. 1 ErbStG in Anspruch nehmen? Welche Folgen hat die beschränkte Steuerpflicht von B für die Höhe der Steuerbefreiung? – Beispiel 7 Für ein deutsch-schweizerisches Ehepaar mit zwei Kindern und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland gilt aufgrund einer güterrechtlichen Rechtswahl schweizerisches gesetzliches Güterrecht. Die Ehegatten befinden sich demnach in der schweizerischen Errungenschaftsbeteiligung. Von seinem Errungenschaftsvermögen hat Ehegatte A (während der Ehe) eine in der Schweiz belegene Immobilie (alleine) erworben, was wegen der rechtlichen Trennung der Vermögen beider Ehegatten möglich ist. Erst mit Auflösung der Ehe (durch Scheidung oder Tod) steht dem anderen Ehegatten der positive Saldo der Errungenschaft als Zahlungsanspruch zur Hälfte zu (Vorschlag). A verstirbt und wird (mangels erbrechtlicher Rechtswahl) nach deutschem Erbrecht beerbt (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Die in der Schweiz belegene Immobilie ist gemäß Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit 10 Abs. 1 lit. a DBA-CH der deutschen Erbschaftsbesteuerung entzogen. Kann B von seinem Erwerb einen Betrag im Umfang des schweizerischen Errungenschaftsausgleichs gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG in Abzug bringen? Wie wirkt sich die DBA-Freistellung auf den Umfang des nicht steuerbaren Betrags aus? Eine Antwort auf die vorstehend aufgeworfenen Rechtsfragen soll im Rahmen des diese Arbeit abschließenden praktischen Güterstandvergleichs gegeben werden.27 27
Siehe unten Abschn. § 6 C., dort auch mit weiteren Nachweisen und Beispielen.
C. Darlegung der wesentlichen Unterschiede der Güterrechtstypen
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C. Darlegung der wesentlichen Unterschiede der verschiedenen Güterrechtstypen I. Systematische Ordnung Bereits aus den einführenden Beispielen wird ersichtlich, dass in den internationalen Güterrechtsordnungen – insbesondere aus historischen Gründen –28 eine große Vielfalt verschiedener Güterrechtssysteme mit unterschiedlichen Ausgleichsmechanismen herrscht, was den Zugang zu einem erbschaftsteuerlichen Güterstandvergleich mit übergreifenden Kriterien zunächst einmal erschwert. Diese Vielfalt potenziert sich, wenn ein ausländischer Güterstand durch Tod eines Ehegatten beendet wird und – aus deutscher Sicht – zusätzlich ein ausländisches Erbstatut gilt. Der Versuch einer systematischen Ordnung zu Erbschaftsteuerzwecken ist überblicksartig bereits an dieser Stelle angezeigt, um nichtsdestoweniger vorhandene Übereinstimmungen frühzeitig in den Vordergrund zu rücken und hieraus später Rückschlüsse für den Güterstandvergleich ziehen zu können.29 Die gesetzlichen Güterrechtssysteme werden in der international-familienrechtlichen Literatur heute im Wesentlichen drei Grundtypen zugeordnet.30 Der erste Grundtyp wird von jenen Ländern repräsentiert, deren Rechtsordnungen Formen einer (begrenzten) Gütergemeinschaft (community of goods) vorsehen, darunter unter anderem Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande sowie die community property-Staaten der USA. Bei den Gütergemeinschaftssystemen verschmelzen die Vermögen der Ehegatten mit Eheschließung zu einem gemeinschaftlichen Vermögen, häufig begrenzt auf die eheliche Errungenschaft (sog. Errungenschaftsgemeinschaft). Während des Bestehens der Ehe können die Ehegatten regelmäßig nur zusammen über das gemeinschaftliche Vermögen verfügen. Mit Beendigung der Ehe (oder des Güterstands)31 wird dieses in der Regel hälftig 28 Siehe hierzu A. Agell, The Division of Property upon Divorce, in: Pousson-Petit (Hrsg.), Liber Amoricum Meulders-Klein, 1998, S. 1, 7 ff.; R. Battes, Eherecht, S. 23 ff., 317 ff.; D. Henrich, FamRZ 2002, 1521 ff. 29 Siehe unten Abschn. § 6 C. 30 Vgl. K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 23 ff.; N. Dethloff, AcP 2004, 544 (547); W. Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 23 (24). 31 In vielen Rechtsordnungen ist auch die isolierte Beendigung des Güterstands bei Fort bestehen der Ehe im Übrigen rechtlich zulässig. So steht es den Ehegatten bspw. im deutschen Recht gemäß § 1408 Abs. 1 BGB frei, ihre güterrechtlichen Verhältnisse jederzeit durch einen Ehevertag zu regeln, d. h. insbesondere auch den Güterstand (ggfs. wiederholt) zu wechseln (Güterstandwechsel). Demgegenüber gibt es Rechtsordnungen (insbesondere die des common law), nach denen Eheverträge (marital agreements) rechtlich nicht bindend sind. Dies hat zur Folge, dass der Güterstand zwingend mit Beendigung der Ehe (durch Scheidung oder Tod) endet. Ein (isolierter) Wechsel des Güterstands ist damit nicht möglich. Zur Vereinfachung der Darstellung wird im Rahmen dieser Arbeit von der „Beendigung der Ehe“ gesprochen, auch wenn nach der jeweiligen Rechtsordnung eine isolierte Beendigung des Güterstands zulässig sein kann.
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§ 1 Einführung
geteilt. Dieser Mechanismus gilt regelmäßig gleichermaßen im Erbfall, wobei die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft der Nachlassverteilung (immer) vorgeht. Bei der Errungenschaftsgemeinschaft handelt es sich um den in den internationalen Güterrechtsordnungen (wohl) verbreitetsten gesetzlichen Güterstand.32 Auch in Deutschland wird immer wieder einmal für deren Einführung als gesetzlicher Güterstand plädiert.33 Die zweite Gruppe umfasst die Länder, die sich für ein sog. Partizipationssystem (participatory community) entschieden haben. Kennzeichnend für dieses ist, dass sich die Eheschließung zunächst nicht auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten auswirkt. Erst mit Beendigung der Ehe findet eine Vermögensteilhabe zwischen den Ehegatten statt. Diese Vermögensteilhabe kann sich nach den Rechtsordnungen auf unterschiedliche Weise vollziehen. Zum einen gibt es Rechtsordnungen, in denen die Ehegatten im Wege einer aufgeschobenen Gütergemeinschaft (deferred community of property) am Vermögen des anderen (dinglich) partizipieren, so insbesondere im nordischen Rechtskreis.34 Im Erbfall geht die güterrechtliche Auseinandersetzung der aufgeschobenen Gemeinschaft der Nachlassverteilung dann vor. Zum anderen sehen manche Rechtsordnungen (nur) schuldrechtliche Verrechnungen bzw. einen Geldanspruch (community of accrued gains / participation in acquisitions) bei Beendigung der Ehe vor. Ein Beispiel für diese Form ist die Zugewinngemeinschaft in Deutschland, Griechenland, der Schweiz und der Türkei. Im Erbfall führt der überlebende Ehegatte mit den übrigen Erben (oder dem Nachlass) hier regelmäßig einen rechnerischen Ausgleich durch. Eine pauschale Erbteilverstärkung zu güterrechtlichen Ausgleichszwecken (§ 1371 Abs. 1 BGB) sieht dagegen, soweit ersichtlich, nur das deutsche Recht vor.35 Die letzte Gruppe erfasst die Rechtsordnungen der Länder, die als gesetzlichen Güterstand entweder die reine Gütertrennung (separation of goods) vorsehen36 32
Siehe die Übersicht bei R. Süß in: Beck’sches Notar-Handbuch (7. Aufl. 2019), § 28 Rn. 168 sowie R. Hausmann, in: Reithmann / Martiny, Internationales Vertragsrecht (8. Aufl. 2015), 7. Teil Rn. 7.742. Zu den historischen Hintergründen der Errungenschaftsgemeinschaft siehe R. Battes, Eherecht, 2018, S. 323 ff. 33 Vgl. aus jüngerer Zeit z. B. A. Röthel, FPR 2009, 273; G. Lies-Benachib, NZFam 2016, 1071. 34 Vgl. D. Friedmann, RabelsZ 41 (1977), 112 f.; I. Dübeck, ZEuP 1995, 827 (829); P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rz. 250; ferner G. Schotten / C. Schmellenkamp (Hrsg.), IPR in der notariellen Praxis (2. Aufl. 2007), Anh. II Rz. 394 (Dänemark), Rz. 396 (Finnland), Rz. 413 (Norwegen) und Rz. 418 (Schweden) (systematische Länderübersicht in der Nachauflage entfallen). 35 Siehe im Einzelnen unten Abschn. § 3 D. 36 In Europa kennen lediglich drei autonome Gemeinschaften Spaniens (die Balearen, Katalonien und Valencia) die Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand. Teilweise wird aber dem Ehegatten, der den Haushalt geführt hat oder im Betrieb des anderen Ehegatten mitgearbeitet hat, ein Ausgleich zugesprochen, siehe W. Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 23 (31 f.). Demgegenüber stellt die reine Gütertrennung den gesetzlichen Regelfall in den islamischen Rechtsordnungen dar, vgl. R. Hausmann, in: Reithmann / Martiny, Internationales Vertragsrecht (8. Aufl. 2015), 7. Teil: Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis, Rn. 7.754.
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C. Darlegung der wesentlichen Unterschiede der Güterrechtstypen
oder die kein gesetzliches Güterrecht kennen, also insbesondere die Rechtsordnungen des common law, allen voran England. Allerdings besteht hier bei Beendigung der Ehe die Möglichkeit eines Vermögensausgleichs durch den englischen Richter (judicial separation by reference to a requirement for fairness). Dieser teilt im Rahmen eines ab Ehebeendigung eingreifenden Systems der Vermögensaufteilung mit gerichtlichem Ermessensspielraum das während der Ehe hinzu erworbene Vermögen (matrimonial property) der Ehegatten auf. Hierbei wird grundsätzlich vom Maßstab der Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit ausgegangen. Im Erbfall findet eine solche richterliche Vermögensaufteilung allerdings nicht statt. Der überlebende Ehegatte wird vielmehr durch eine großzügige(re) Nachlass beteiligung abgefunden. In den common law-Rechtsordnungen wird er nicht selten sogar der wirtschaftliche Alleinnachfolger des verstorbenen Teils. Die nachfolgende Übersicht, anhand derer sich insbesondere auch die im Rahmen dieser Arbeit anzustellenden Erwägungen zum erbschaftsteuerlichen Güterstandvergleich orientieren werden, zeigt die verschiedenen internationalen Güterrechtssysteme in den unterschiedlichen Abwicklungskonstellationen: Auswirkungen der Lebzeitige Beendigung Eheschließung / Verein(bspw. Scheidung, barung des Güterstands Güterstandwechsel) Gütergemeinschaftssystem
Partizipationssystem
Dingliche Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens
Wie links, wobei die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft der Erbteilung vorgeht
Aufge Keine Auswirkungen, schobene Gütertrennung Gütergemeinschaft
Entstehung eines aufgeschobenen gemeinschaftlichen Vermögens und (dingliche) Teilung desselben
Wie links, wobei die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft der Erbteilung vorgeht
Schuldrecht- Keine Auswirkungen, liche Verrech- Gütertrennung nungen
Schuldrechtlicher An- – Wie links, Anspruch des spruch des überlebenüberlebenden Ehegatten den Ehegatten mit dem gegen die (Mit-)Erben geringeren Zuerwerb bzw. den Nachlass gegen den anderen – deutscher Sonderweg über § 1371 Abs. 1 BGB
Gütertrennungssystem bzw. common law
Vermögens vergemeinschaftung
Erbfall
Keine Auswirkungen, Gütertrennung
Auf Antrag: richter liche Aufteilung des in der Ehe erworbenen Vermögens beider Ehegatten nach dem fairness principle
keine richterliche Vermögensteilung, sondern starke erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten
Abb. 1: Gesamtüberblick über die internationalen Güterrechtssysteme und die verschiedenen Abwicklungskonstellationen
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§ 1 Einführung
II. Der Sinn der vergleichenden Wahrnehmung dieser Vielfalt Allgemeine Regeln zu der Frage, ob Ehegatten, die in einem ausländischen Güterstand verheiratet sind, einen steuerfreien bzw. nicht steuerbaren Betrag bei Beendigung des Güterstands beanspruchen können, sind im Schrifttum bislang nur in Ansätzen entwickelt worden. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich die einschlägigen Fallgestaltungen aufgrund ihrer Vielschichtigkeit schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Henrich hat treffend formuliert, dass es so viele Güterrechtssysteme wie Staaten gibt.37 Es kann daher nicht verwundern, dass sich selbst bei denjenigen, die den Gesamtzusammenhang in den Blick nehmen, kaum konkrete Aussagen zur übergreifenden Bewältigung des Problemkreises finden lassen und Einzelanalysen im Vordergrund stehen. Soweit sich solcher Fallgestaltungen angenommen wird, beziehen sie sich in aller Regel auf ganz bestimmte – häufig praktisch wichtige – Einzelkonstellationen, ohne dass eine Einbettung in übergeordnete Zusammenhänge vorgenommen oder zumindest versucht wird. Angesichts der Vielzahl existierender Güterstände ist eine Einzelanalyse aller in Betracht kommenden Fallkonstellationen in der Tat nicht möglich und kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung daher auch nicht geleistet werden. Allerdings erscheint es lohnenswert, nach übereinstimmenden Strukturen und Wertungen Ausschau zu halten. Dies wird bereits anhand eines flüchtigen Blicks auf die Modalitäten der Vermögensteilhabe in den internationalen Güterrechtsordnungen offenbar, denn hier finden sich bemerkenswerte Entsprechungen. So ist (fast) allen Güterrechtstypen – trotz der teilweise sehr unterschiedlichen Ausgestaltung – gemein, dass nach der gesetzlichen Konzeption im Ergebnis eine (hälftige) Vermögensteilhabe, spätestens mit Ehebeendigung, zwischen den Ehegatten stattfinden soll. Rechtsvergleichende Untersuchungen der internationalen Güterrechte haben hierfür übereinstimmend nicht nur den generalisierenden Gedanken der Mitverursachung des ehelichen Vermögenserwerbs betont, sondern auch darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Güterrechtssysteme in der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und der damit verbundenen Einsicht in die prinzipielle Gleichwertigkeit (equality) ihrer Ehebeiträge gemeinsame Wurzeln haben.38 Die
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D. Henrich, FamRZ 2002, 1521. Vgl. an dieser Stelle nur S. Rotino, Der gesetzliche Güterstand im europäischen Vergleich; W. Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 23 (31 f.); A.-F. Bock, Dividing the Assets upon the Dissolution of a Marriage, in: Boele-Woelki / Sverdrup, European Challenges in Contemporary Family Law, S. 289; D. Henrich, Vermögensregelung bei Trennung und Scheidung im europäischen Vergleich, in: ders., Deutsches, ausländisches und internationales Familien- und Erbrecht, S. 293; I. Schwenzer, RabelsZ 71 (2007), 705 (718 f.); M. Antokolskaia, Harmonisation of Family Law in Europa, in: dies., Convergence and Divergence of Family Law in Europe, S. 9 (20). 38
D. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand
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auf der Hand liegenden Parallelen, die insoweit zwischen den verschiedenen Güterrechtstypen bestehen, sind erbschaftsteuerrechtlich bislang nicht wahrgenommen worden. Unterschiede ergeben sich hingegen namentlich wegen der Einbettung des Vermögensausgleichs in unterschiedliche Regelungssysteme. Gütergemeinschaftssysteme stehen neben (verschiedenen) Gütertrennungssystemen, die Errechnung und Teilung des Zugewinns nach gesetzlich vorgegebenen Quoten (fixed shares) neben der richterlichen Verteilung nach Billigkeitsgrundsätzen (equity).
D. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand Der Meinungsstand zum erbschaftsteuerrechtlichen Güterstandvergleich und dessen Kriterien lässt sich wie folgt allgemein skizzieren: Im Schrifttum wird die Anwendung von § 5 ErbStG dann befürwortet, wenn der ausländische Güterstand mit der deutschen Zugewinngemeinschaft vergleichbar ist, wobei eine Differenzierung zwischen den ersten beiden Absätzen der Vorschrift grundsätzlich nicht erfolgt.39 Die Vergleichbarkeit wird dabei allgemein bejaht für die nordischen Staaten (Finnland, Norwegen, Schweden), Griechenland, Österreich, die Schweiz sowie die Türkei.40 Die genauen Kriterien für die Vergleichbarkeit bleiben dabei oft unbestimmt und übergreifende Gesichtspunkte der ehebedingten Vermögensteilhabe spielen so gut wie keine Rolle.41 Die wenigen, diesen Problemkreis betreffenden Veröffentlichungen stellen unter Anknüpfung an die deutsche Zivilrechtslage zunächst auf die rechtliche Trennung der Vermögen beider Ehegatten während der Ehe ab. Wie gesehen, ist die Gütertrennung während bestehender Ehe auch für andere Güterrechtstypen bezeichnend. Zum anderen bildet die erst mit Ehebeendigung erfolgende güterrechtliche Vermögensteilhabe das zweite wesentliche Kriterium für den Güterstandvergleich, wobei die Modalitäten dieser Vermögensteilhabe unklar sind. Teilweise wird ein schuldrechtlicher Anspruch
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Aus der Kommentarliteratur: C. Griesel, in: Daragan / Halaczinsky / Riedel, ErbStG (3. Aufl. 2017), § 5 ErbStG Rn. 6 (allerdings differenzierend zwischen den Abs. 1 und 2: „Demgegenüber ist § 5 Abs. 1 ErbStG bereits nach seinem Wortlaut enger gefasst, so dass die Übertragung auf ausländische Güterstände zweifelhaft erscheint.“); P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 50 ff., 203, 255 (a. A. noch D. Gebel, in: T / G/J / G, ErbStG, § 5 Rn. 25 bis zur 48. Aufl.); H. Fischer / A . Richter, in: Viskorf / Schuck / Wälzholz, ErbStG (6. Aufl. 2020), § 5 Rn. 69; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 5 ff.; C. Meßbacher-Hönsch, in: Wilms / Jochum, ErbStG (Stand: 06/2021), § 5 Rn. 42 f.; J. Escher, in: Preißer / Rödl / Seltenreich, ErbStG (3. Aufl. 2018), § 5 Rn. 14. Siehe sonst C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (96); A. Schnitger, FR 2004, 185 (192); I. Brinkmann, Europarechtsverstöße, 2007, S. 187 ff.; C. Jeremias, ZEV 2005, 414 (415 ff); B. Noll, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Rn. 1326 f.; T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 645 (669 ff.); ders., FR 2020, 841 (851 f.). 40 Vgl. C. Jeremias, ZEV 2005, 414 (415); M. Jülicher, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 2 Rn. 112; T. Wachter, FR 2020, 841 (852). 41 Vgl. ebenso T. Wachter, FR 2020, 841 (852) sowie im Einzelnen unten Abschn. § 6 B. V.
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§ 1 Einführung
auf Vermögensteilhabe verlangt.42 An anderer Stelle klingt es hingegen eher so, als sei die nur schuldrechtliche oder auch (aufgeschobene) dingliche Wirkung der Vermögensteilhabe kein ausschlaggebendes Kriterium, da es letztlich nur um die Frage geht, ob und in welcher Form die Vermögensteilhabe nach Beendigung der Ehe noch vollzogen werden muss.43 Der Gesichtspunkt der nachträglichen Vermögensteilhabe spielt jedoch in jedem Fall eine entscheidende Rolle für den Güterstandvergleich. Je nachdem, welche Anforderungen man an diesen stellt, ergibt sich ein unterschiedlich großer Anwendungsbereich des § 5 ErbStG bei Auslandsgüterständen. Haftungs- und Verwaltungsfragen spielen als Kriterien bei dem Güterstandvergleich dahingegen kaum eine Rolle. Unklar ist in diesem Zusammenhang auch, ob bei der in den common law-Rechtsordnungen praktizierten richterlichen Umverteilung von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden kann. Namentlich von Oertzen lehnt dies unter Hinweis auf das gänzliche Fehlen eines gesetzlichen Güterrechts ab.44 Darüber hinaus sind die Rechtsfolgen bei Vorliegen eines erbschaftsteuerrechtlich vergleichbaren Güterstands bisher nicht befriedigend geklärt. Es entspricht der (wohl) überwiegenden Auffassung, dass der nicht steuerbare Betrag grundsätzlich gemäß den jeweiligen ausländischen Vorschriften über die güterrechtliche Vermögensteilhabe zu ermitteln ist. Nach von Oertzen soll sich die Rechtsfolge des § 5 ErbStG demgegenüber aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungsvereinfachung aus einer unmittelbaren Anwendung der Vorschrift ergeben, d. h. der nicht steuerbare Betrag soll insgesamt nach deutschem Güterrecht zu ermitteln sein.45 Dieser Ansatz klingt auch in der Entscheidung BFHE 115, 277 an, wenn die Rede davon ist, den Regelungen in den §§ 1373 f. BGB (Berechnung des Zugewinns) könnten auch die Grundsätze für die Berechnung des (ausländischen) Ausgleichsanspruchs bei dem DDR-Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichanspruch entnommen werden, weil die Ermittlungen der Höhe der Ausgleichsansprüche in beiden Fällen dazu dienten, die Ehegatten zu gleichen Teilen an dem gemeinsam erarbeiteten Vermögen zu beteiligen. Welche Konsequenzen hieraus für die einzelnen Güterstandkonstellationen ggfs. gezogen werden können, bei denen die Ermittlungen der Höhe der Ausgleichsforderung (wie die §§ 1373 ff. BGB) der gleichmäßigen Vermögensteilhabe der Ehepartner dienen, wird in Abschnitt § 6 C. (praktischer Güterstandvergleich) noch ausführlich untersucht. Jedenfalls ist eine 42
Vgl. BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 17: „Der Ausgleichsanspruch nach diesem Güterstand der „Gütertrennung“ wie auch der Ausgleichsanspruch nach dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft sind keine dinglichen, sondern obligatorische Ansprüche.“. 43 Vgl. C. Jeremias, ZEV 2005, 414 (415): „Diese beiden Merkmale und damit eine Vergleichbarkeit mit der deutschen Zugewinngemeinschaft finden sich etwa im finnischen, griechischen, israelischen, norwegischen, schwedischen, schweizerischen und taiwanesischen Recht. In Frankreich kann eine Art Zugewinngemeinschaft (‚participation aux acquêts‘, Art. 1569 ff. Code Civil) vereinbart werden.“. 44 Vgl. C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (97). 45 C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (97).
E. Zielsetzung der Arbeit und Gang der Darstellung
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Ermittlung des nicht steuerbaren Betrags nach den deutschen Regeln über die Berechnung des Zugewinns grundsätzlich möglich. Im neueren Schrifttum wird daher auch eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Absätzen des § 5 ErbStG angeregt und in Fällen des § 5 Abs. 1 ErbStG eine Ermittlung des steuerfreien Betrags nach deutschem Güterrecht befürwortet.46
E. Zielsetzung der Arbeit und Gang der Darstellung Die vorliegende Arbeit will die mit der Zugewinnausgleichsbesteuerung verbundenen dogmatischen und praktischen Fragen im Schnittbereich zwischen Güter-, Erb- und Erbschaftsteuerrecht beantworten. Zugleich will sie einen grundlegenden Beitrag zur steuersystematischen, verfassungsrechtlichen und insbesondere auch unionsrechtlichen Einordnung der Besteuerung des Zugewinnausgleichs und (vergleichbarer) ausländischer Ausgleichsformen erbringen. Diese Fragestellungen gehören zusammen, da nur auf der Grundlage einer ganzheitlichen Betrachtung ein umfassendes Verständnis des Zugewinnausgleichsteuerrechts möglich ist. Von diesem Standpunkt aus wird auch klar, wieso die bisherige Diskussion zu keinen einheitlichen Leitlinien in Bezug auf den Güterstandvergleich gelangen konnte. Denn quer über alle Probleme hinweg haben die bisherigen Beiträge die Besteuerung des Zugewinnausgleichs allein formal-zivilrechtlich verstanden und als Rechtsinstitut nicht weiter gewürdigt. Die Bedeutung des Zugewinnausgleichs wird steuerlich damit jedoch nicht hinreichend erfasst. Denn bei dem Zugewinnausgleich geht es wesentlich darum, eine faire Vermögensteilhabe zwischen Ehegatten herbeizuführen, die durch ihre wechselseitigen Arbeits- bzw. Beitragsleistungen zum Vermögenszuwachs des jeweils anderen beigetragen haben. Der entscheidende Einwand gegen die wenigen bisherigen Beiträge ist daher, dass sie diesen Zweck nicht berücksichtigt haben und folglich auch bei dem Güterstandvergleich zu wenig konsistenten Ergebnissen gelangen. Die vorliegende Arbeit zieht hieraus die Konsequenz und geht in ihrem ersten Teil zunächst auf die für das Zugewinnausgleichsteuerrecht maßgeblichen Grundlagen der Zugewinngemeinschaft, also insbesondere auf den Zugewinnausgleich als Rechtsinstitut, ein. Das Augenmerk soll hierbei weniger auf den technischen Vorschriften des Ausgleichsverfahrens und Einzelheiten der Berechnung der Ausgleichsforderung liegen als vielmehr auf einer systematisch-teleologischen Analyse der Gesamtregelung unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden materiellrechtlichen Wertungen und Prinzipien. Hierbei werden auch verfassungsrechtliche Erwägungen eine wesentliche Rolle spielen, da der Zugewinnausgleich einen aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG ableitbaren Teilhabeanspruch von Ehegatten einfachrechtlich ausgestaltet. Aufbauend auf diesem ersten Teil können 46 Vgl. C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (97); P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 203; T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 645 (671).
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§ 1 Einführung
dann die Grundlagen der ehebedingten Vermögensteilhabe in den verschiedenen internationalen Güterrechtsordnungen betrachtet werden, die in der bisherigen Diskussion allenfalls punktuell und in Bezug auf praktisch bedeutsame Einzelfälle Berücksichtigung gefunden haben. Ein Gesamtüberblick wird zeigen, dass in den verschiedenen Güterrechtsordnungen ähnliche materielle Wertungen und Prinzipien existieren, was erbschaftsteuerlich bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Im zweiten Teil dieser Untersuchung wird die – sehr facettenreiche – Frage der (Nicht-)Besteuerung des Zugewinnausgleichs vor dem Hintergrund der aus Art. 3 Abs. 1 GG (Leistungsfähigkeitsprinzip) und Art. 6 Abs. 1 in Verbindung 3 Abs. 2 GG folgenden verfassungsrechtlichen Wertungen sowie der einschlägigen familienrechtlichen Besonderheiten behandelt. Dies ist notwendig, da die Grundlagen des Zugewinnausgleichsteuerrechts schon im nationalen Erbschaftsteuerrecht bislang zu wenig berücksichtigt worden sind und diese – insbesondere im Hinblick auf den dritten Teil der Untersuchung – noch gelegt werden müssen. Die vorliegende Arbeit versteht sich daher auch als ein Grundlagenbeitrag zur Bewältigung teilrechtsordnungsübergreifender Fragestellungen. Im dritten (Haupt-)Teil erfolgt sodann eine Erprobung der im ersten und zweiten Teil herausgearbeiteten Zusammenhänge der Zugewinnausgleichbesteuerung bei grenzüberschreitenden Ehegattenerbfällen. Es wird aufgezeigt, dass die Anwendung von § 5 ErbStG bei grenzüberschreitenden Ehegattenerbfällen aus verfassungs- und unionsrechtlichen Erwägungen zwingend ist. Sodann werden erstmalig allgemeingültige Leitlinien und Kriterien für einen Güterstandvergleich zu Erbschaftsteuerzwecken herausgearbeitet und anhand praktisch wichtiger Güterstände erprobt. Die neuen internationalprivatrechtlichen Regeln im Güter- und Erbrecht werden hierbei bereits Berücksichtigung und Anwendung finden. Die Arbeit endet mit für die Praxis relevanten Hinweisen zum Güterstandvergleich sowie einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse zum neu entdeckten Rechtsbereich des Zugewinnausgleichsteuerrechts.
Erstes Kapitel
§ 2 Grundlegung: Die Zugewinngemeinschaft und der Zugewinnausgleich aus Sicht des nationalen Verfassungs-, Zivil- und Erbschaftsteuerrechts A. Teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung I. Ausgangspunkt Die erbschaftsteuerlichen Folgen des Zugewinnausgleichs sind im nationalen Recht eng mit den Rechtsgebieten des Verfassungs- und Zivilrechts verflochten. Das Zivilrecht schafft unter anderem die Institutionen der Zugewinngemeinschaft und des Zugewinnausgleichs, die wirtschaftliche Ergebnisse hervorbringen, an die das Erbschaftsteuerrecht dann anknüpft. Insbesondere über das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung 3 Abs. 2 GG, das die Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner schützt, und das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG), wirkt sich das Verfassungsrecht auf den Zugewinnausgleich aus, sodass für ein gesamthaftes Verständnis im Grundsatz eine übergreifende Betrachtung dreier Rechtsgebiete erforderlich ist. Allerdings wird das Verständnis im Erbschaftsteuerrecht bisher hauptsächlich vom nationalen Zivilrecht geprägt, wobei wiederum materielle Wertungen und Prinzipien der Zugewinngemeinschaft und des Zugewinnausgleichs kaum eine Rolle spielen. Ein über die (formale) zivilrechtliche Bedeutung hinausgehender Inhalt wird der Vorschrift des § 5 ErbStG häufig nicht beigemessen.1 Auch verfassungsrechtliche Wertungen spielen bei diesem zivilrechtsgeprägten Verständnis praktisch keine Rolle. Aus steuersystematischer Sicht kann dieses Verständnis zunächst insoweit nicht verwundern, als das Erbschaftsteuergesetz grundsätzlich zivilrechtlich geprägt ist und das deutsche Zivilrecht auch der Besteuerung des Zugewinnausgleichs durch die Beschreibung der Steuertatbestände nach zivilrechtlich typischen Formen vorgegeben ist. Mit Blick auf die allgemeine Diskussion über das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht2 dürfte (heute) jedoch Einigkeit darüber bestehen, dass (auch) das Erbschaftsteuerrecht eigenständige materielle Wertungen und Prinzipien kennt 1
So ausdrücklich BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 12 in Bezug auf § 5 Abs. 2 ErbStG. 2 Für einen Überblick über den Meinungsstand vgl. an dieser Stelle nur A. Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 23 ff.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
und somit auch die vorgebliche zivilrechtliche Prägung des § 5 ErbStG nicht im Sinne eines prinzipiellen Vorrangs des Zivilrechts unter Hintanstellung eigenständiger steuerrechtsdogmatischer Überlegungen zu verstehen ist.3 Ein gesamthaftes Verständnis des Zugewinnausgleichsteuerrechts macht vielmehr eine Suche nach (grundlegenden) Wertungen und Prinzipien des (Erbschaft-)Steuerrechts erforderlich, aus denen – unabhängig von der nationalen Zivilrechtslage – Vorgaben für die Besteuerung des Zugewinnausgleichs hergeleitet werden können. Vor dem Hintergrund der – noch darzulegenden – verfassungsgeleiteten Legitimationsgrundlage des Zugewinnausgleichs liegt es zunächst nahe zu prüfen, ob aus dieser Vorgaben für die Besteuerung abgeleitet werden können. In die Betrachtungen mit einzubeziehen ist hierbei die bislang nicht beachtete Frage, ob die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs verfassungsrechtlich geboten oder eine von mehreren Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers ist und damit als (rechtfertigungsbedürftige) Steuervergünstigung qualifiziert. Sollte die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung stehen – und damit keinen Rechtfertigungsbedarf auslösen –, wäre es gut möglich, dass aus dem Leistungsfähigkeits- bzw. (einfachrechtlichen) Bereicherungsprinzip selbst Aussagen für die Anwendung und Ausgestaltung des § 5 ErbStG (auch im internationalen Kontext) zu entnehmen sind. Ferner ist nicht ausgeschlossen, dass die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs sowohl vom Leistungsfähigkeitsprinzip als auch durch das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG legitimiert wird, sodass beiden verfassungsrechtlichen Grundlagen Aussagekraft für die Besteuerung zukommen könnten. In diesem Fall käme ein verfassungsorientiertes Normverständnis des einschlägigen § 5 ErbStG im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 in Verbindung 3 Abs. 2 GG in Betracht. Im Folgenden wird daher zunächst auf die verfassungsrechtlichen Dimensionen des Zugewinnausgleichs und deren einfachrechtlichen Verwirklichung im Zivilrecht eingegangen, um hieraus später mögliche übergreifende Folgerungen für die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs herauszuarbeiten.
II. Verhältnisbestimmung der Teilrechtsgebiete 1. Grundlagen und Autonomie des Erbschaftsteuerrechts Einzelne Rechtsgebiete haben Vorrang gegenüber anderen Rechtsgebieten.4 So steht das Verfassungsrecht im Rang über einfachen Gesetzen (Vorrang der Verfassung), wohingegen Rechtsnormen des Unionsrechts im Konfliktfall jeglichem nationalen Recht rangmäßig vorgehen, soweit sie innerstaatlich unmittelbar An 3
Vgl. hierzu S. 36 ff. Vgl. K.-D. Drüen, in: Tipke / K ruse, AO (Stand: 10/2020), § 4 Rn. 40 ff.; T. Kingreen, in: Isensee / K irchhof, HdB des Staatsrechts, Bd. XII (3. Aufl. 2014), § 263 Rn. 6 ff.; R. Wernsmann, in: HHSp, AO (Stand: 10/2020), § 4 Rn. 240 ff. 4
A. Teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung
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wendung finden.5 Rechtsgebiete gleichen Rangs stehen hingegen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Widersprüche zwischen ihnen sind letztlich im Wege einer Abwägung der zur Disposition stehenden Prinzipien und Wertungen aufzulösen.6 Ob Zivil- und Steuerrecht gleichrangig nebengeordnete Rechtsgebiete im vorstehenden Sinne sind oder aber in einem (Vor-)Rangverhältnis zueinanderstehen, war lange Zeit umstritten.7 Insbesondere wegen seiner engen Verzahnung mit dem Zivilrecht wurde immer wieder vertreten, dass das Steuerrecht bloßes Annex- oder Folgerecht des Zivilrechts ohne eine eigene Teleologie und Wertungen sei.8 In Bezug auf das Erbschaftsteuerrecht ist heute teilweise noch immer von einer „Maßgeblichkeit des Zivilrechts“ die Rede.9 Nach inzwischen fast einhellig vertretener Ansicht stehen beide Teilrechtsgebiete jedoch gleichrangig nebeneinander.10 Ein „Primat des bürgerlichen Rechts vor dem Steuerrecht“11 existiert nicht. Vielmehr hat das Steuerrecht seine prinzipiell eigenständige Teleologie, die beim steuerrechtlichen Normverständnis auch zu entfalten ist. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht grundlegend festgestellt, dass steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale – auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind – grundsätzlich nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der jeweiligen Einzelregelung auszulegen seien. Es bestehe weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch ein abweichendes Verständnis.12 5 Vgl. J. Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 5 Rn. 2; R. Wernsmann, in: HHSp, AO (Stand: 10/2020), § 4 Rn. 241, 255 ff. 6 Vgl. hierzu z. B. C.-W. Canaris, Systemdenken (2. Aufl. 1983), S. 112 ff.; K. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 63 f.; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 145 f.; K. Larenz / C.-W. Canaris, Methodenlehre (4. Aufl. 2020), S. 153 ff. Ein (Wertungs-)Widerspruch wäre im vorliegenden Zusammenhang gegeben, wenn das Erbschaftsteuerrecht die Besteuerung des Zugewinnausgleichs in Widerspruch zu Prinzipien des Güter- und Erbrechts regelt. 7 Zu den Ursprüngen und der Entwicklung des Streitstands siehe ausführlich W. Schön, StuW 2005, 247 (247 ff.); A. Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 17 ff. 8 Zuletzt hat sich allerdings nur noch G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 298 ff., 330 ff. für „die grundsätzliche Führungsrolle des Zivilrechts im Verhältnis zum Steuerrecht“ (S. 334) ausgesprochen. 9 Siehe z. B. G. Crezelius, FR 2007, 613 (619); K.-D. Drüen, in: FS Crezelius, S. 473 (474); R. Geck, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 08/2019), § 1 Rn. 6; M. Loose, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 3 Rn. 15. 10 Vgl. grundlegend BVerfG v. 27. 12. 1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 Rn. 9 sowie im selben Sinne z. B. K.-D. Drüen, StuW 2008, 154 (156); P. Kirchhof, StuW 1983, 173 (180 f.); T. Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 42 ff.; J. Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, (153); C. Seiler, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 10 f.; K. Tipke, StRO I, S. 46 ff.; ders., JuS 1970, 149; W. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 211, S. 251 ff.; H. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 194 ff.; ders., StuW 1993, 195 (203 f.). 11 Insbesondere in den sechziger Jahren hat das Primat des Zivilrechts die Rechtsprechung des BFH geprägt, wenn es um das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht ging, siehe z. B. BFH v. 12. 7. 1960 – I 96/59 S, BFHE 71, 368 = BStBl. III 1960, 387 Rn. 12; v. 5. 12. 1961 – I 106/60 U, BFHE 71, 138 = BStBl. III 1962, 52 Rn. 5; v. 12. 7. 1967 – I 204/64, BFHE 90, 122 = BStBl. III 1967, 781 Rn. 12. 12 Grundlegend BVerfG v. 27. 12. 1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 Rn. 9 f. (im Zusammenhang mit der Beurteilung des Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück im Rahmen eines Bauherrenmodells als grunderwerbsteuerpflichtigem Erwerbstatbestand).
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
Entsprechendes hat der Bundesfinanzhof wiederholt auch für das Erbschaftsteuerrecht festgestellt. Zwar knüpft das Erbschaftsteuerrecht (gerade auf der Tatbestandsebene) teilweise eng an das inländische Zivilrecht an und ist somit – in den Worten des Bundesfinanzhofs – „bürgerlich-rechtlich geprägt“13. Dennoch hat auch das Erbschaftsteuerrecht – wie jedes andere Rechtsgebiet – seine eigenen Tatbestände und Begrifflichkeiten (sog. Autonomie des Erbschaftsteuerrechts).14 Dies erklärt sich vor allem daraus, dass das Erbschaftsteuerrecht den zivilrechtlich (vor-)geprägten Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilt. Es zielt primär auf die Erfassung eines durch Erbschaft oder Schenkung vermittelten Vermögenszuwachses und die darin liegende Leistungsfähigkeitssteigerung ab.15 Soweit zivilrechtlich bspw. der Zugewinn im Todesfall durch die pauschale Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils um ein Viertel als abgegolten gilt, handelt es sich hierbei um eine für das Erbschaftsteuerrecht nicht verbindliche Fiktion, die der Wahrung des Familienfriedens und der Vereinfachung im Zivilrecht dienen soll.16 Es soll eine „Rechnerei am Sterbebett“ vermieden werden. Diese zivilrechtliche Beurteilung des erbrechtlichen Zugewinnausgleichs verfolgt damit einen spezifischen Zweck, dem für die Erbschaftsteuer keine Bedeutung zukommt und der für diese Steuer deswegen nicht übernommen werden muss.17 Jeder gesetzliche Tatbestand ist aus sich heraus, d. h. nach seiner eigenen spezifischen Teleologie, auszulegen. Dies gilt schon innerhalb des Normgefüges des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des übrigen Zivilrechts. Umso mehr gilt dies dann, wenn – wie hier – die Ausgestaltung von Tatbeständen in solchen Gesetzen in Betracht kommt, die ganz verschiedenen Teilrechtsordnungen mit unterschiedlichen Wertungsgesichtspunkten angehören. Ein zwingender 13 Vgl. BFH v. 26. 11. 1986 – II R 190/81, BFHE 148, 324 = BStBl. II 1987, 175 Rn. 16; v. 21. 12. 2000 – II B 18/00, BFH / N V 2001, 798 Rn. 12; v. 21. 5. 2001 – II R 10/99, BFH / N V 2001, 1404 Rn. 12; v. 6. 5. 2003 – II B 73/02, BFH / N V 2003, 1185 Rn. 5; v. 27. 1. 2006 – II B 13/05, BFH / N V 2006, 1299 Rn. 10; v. 6. 11. 2006 – II B 37/06, BFH / N V 2007, 242 Rn. 8. 14 Aus der Rechtsprechung vgl. BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366 (zur Schenkungsteuerbarkeit sog. unbenannter Zuwendungen zwischen Ehegatten); v. 2. 2. 2005 – II R 18/03, BFHE 208, 441 = BStBl. II 2005, 489 (zur erbschafsteuerrechtlichen Behandlung einer unangemessen hohen Testamentsvollstreckervergütung); v. 7. 11. 2007 – II R 28/06, BFHE 218, 414 = BStBl. II 2008, 258 (freigebige Zuwendung bei verdeckter Gewinnausschüttung an nahestehende Personen); v. 11. 9. 2013 – II R 37/12, BFHE 243, 1 = BStBl. II 2014, 114 (Steuerbefreiung für Pflege des Erblassers) und BVerfG v. 27. 12. 1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 (zur Auslegung des Grunderwerbsteuergesetzes). 15 Vgl. an dieser Stelle nur BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 Rn. 101: „Die Erbschaftsteuer ist eine Erbanfallsteuer; (…). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Ziel, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gemäß seinem Wert zu erfassen und die daraus resultierende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (die durch Erbfall oder Schenkung vermittelte Bereicherung) des Erwerbers – wenn auch in unterschiedlichen Steuersätzen nach Maßgabe des Verwandtschaftsgrades und dem Wert des Erwerbs – zu besteuern (§ 10 Abs. 1 ErbStG).“. 16 Zu dem Zweck von § 1371 Abs. 1 BGB vgl. hier nur E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1371 Rn. 2. 17 Im Einzelnen siehe unten unter Abschn. § 5 C. IV. 1. c) aa).
A. Teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung
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Gleichlauf zwischen den Wertungen des Zivil- und Erbschaftsteuerrechts besteht daher nicht. Vielmehr ist es keine Besonderheit, dass zivil- und steuerliche Gesetze insoweit divergieren, als sie ein anderes Ziel verfolgen. Damit ist zunächst festzuhalten, dass das Zivil- und Erbschaftsteuerrecht gleichrangig dem Verfassungsrecht untergeordnete Rechtsgebiete sind, die die Zugewinngemeinschaft und den Zugewinnausgleich aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen. Während es zivil- bzw. güterrechtlich um eine gerechte Ordnung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten zueinander (und im Verhältnis zu Dritten) geht, zielt das Erbschaftsteuerrecht auf die Erfassung eines etwaigen – unentgeltlichen – Leistungsfähigkeitszuwachses infolge der Beendigung einer Zugewinngemeinschaft ab. Ob ein solcher unentgeltlicher Leistungsfähigkeitszuwachs durch einen Ausgleich des ehelichen Zugewinns gegeben ist, beurteilt sich allein nach erbschaftsteuerlichen Wertungsgesichtspunkten. 2. Grenzen der Autonomie durch die zivilrechtliche Vorprägung des Erbschaftsteuerrechts Gesteht man dem Erbschaftsteuerrecht mit der einhelligen Auffassung den Charakter einer grundsätzlich autonomen Teilrechtsordnung zu, so gelangt man wiederum zu der Frage nach etwaigen Grenzen der Autonomie. Denn der Anspruch von Rechtsgebieten auf Selbständigkeit findet seine Grenzen im Allgemeinen dort, wo sie ihrem eigenen Zweck nach darauf angewiesen sind, auf den Wertungsresultaten anderer Rechtsgebiete aufzubauen.18 Das Erbschaftsteuerrecht knüpft in diesem Sinne seiner Natur nach an zivilrechtliche Begriffe und Institute an.19 Es ist notwendigerweise bürgerlich-rechtlich geprägt, da es Zweck des Erbschaftsteuergesetzes ist, den mit dem Erbe anfallenden Vermögenszuwachs und die darin liegende Leistungsfähigkeitssteigerung bei dem Erwerber zu erfassen.20 Diese Leistungsfähigkeitssteigerung bemisst sich unter anderem nach der Zusammensetzung des Nachlasses (bzw. der Verteilung von Gütern) zum maßgebenden Stichtag (§ 9 ErbStG), über die nicht das Erbschaftsteuer-, sondern gerade das Zivilrecht entscheidet.21 Zwar regelt das Erbschaft 18
Vgl. P. Lamprecht, in: FS Blaurock, S. 291 (295). Bei der Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an zivilrechtliche Begriffe und Wertungen kann zwischen drei Fallgruppen entschieden werden: (1) Das Erbschaftsteuergesetz enthält einen ausdrücklichen Verweis auf Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs; (2) das Erbschaftsteuergesetz verwendet Begriffe, die dem Zivilrecht entnommen sind und (3) das Erbschaftsteuer gesetz verwendet Begriffe, die keinem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, vgl. U. Lehmann, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 31 f. 20 Siehe hierzu unten unter Abschn. § 4 B. I. 21 Vgl. BFH v. 23. 1. 1991 – II B 46/90, BFHE 163, 233 = BStBl. II 1991, 310 Rn. 11; v. 7. 12. 2016 – II R 21/14, BFHE 256, 381 = BStBl. II 2018, 196 Rn. 10; v. 11. 7. 2019 – II R 4/17, BFHE 265, 447 = BStBl. II 2020, 319 Rn. 24. 19
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
steuergesetz die Bewertung des Nachlasses. Jedoch legt es dessen Umfang nicht fest, da sich dieser ausschließlich aus dem Zivilrecht ergibt.22 Soweit es um die Beurteilung einer Leistungsfähigkeitssteigerung geht, ist das Erbschaftsteuerrecht daher notwendigerweise durch Wertungsresultate des Zivilrechts vorgeprägt.23 Diese Vorprägung muss aber nicht streng akzessorischer Art sein. Vielmehr kann und muss sich das Erbschaftsteuerrecht in gewissem Umfang auch eigener Begrifflichkeiten und Wertungen bedienen, sodass selbständige steuerrechtsdogmatische Überlegungen möglich und erforderlich sind. Auch die Vorschrift des § 5 ErbStG knüpft in dieser Weise teils streng akzessorisch, teils in gelockerter Form an Begriffe und Institute des Güter- und Erbrechts an. Streng akzessorisch ist die Anknüpfung etwa ausgebildet, soweit es um den Begriff der Ehe und den Güterstand geht. Hier zählt grundsätzlich nur die zivilrechtliche Form.24 Streng ausgeprägt ist diese Abhängigkeit zudem in Fällen, in denen die Zugewinngemeinschaft in einer anderen Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet oder der Zugewinn im Todesfall tatsächlich rechnerisch ausgeglichen wird. § 5 Abs. 2 ErbStG nimmt die Zugewinnausgleichsforderung so, wie sie zivilrechtlich entstanden ist, von der Besteuerung aus. An anderer Stelle hat sich das Zugewinnausgleichsteuerrecht hingegen von der Zivilrechtslage weitgehend gelöst. Gemeint ist § 5 Abs. 1 ErbStG, der eine Abkehr von den zivilrechtlichen Vorgaben bewirkt, indem (nur) der rechnerische Zugewinnausgleich nicht zum steuerbaren Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG gezählt wird und güterrechtliche Vereinbarungen der Ehegatten bei der Berechnung dieses Betrags generell unberücksichtigt bleiben. Damit wird eine vom Erbschaftsteuerrecht selbst aufgegriffene Ordnungsstruktur des Güter- und Erbrechts an einer besonders empfindlichen Stelle gestört. Die qualifizierte Verbindung von Erbschaftsteuer- und Zivilrecht im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG schließt eine solche steuerrechtliche Abweichung von der zivilrechtlichen Gestaltung jedoch nicht schlechterdings aus. 3. Praktische Wechselwirkungen zwischen Zivil- und Erbschaftsteuerrecht Die Anknüpfung an die (Wertungs-)Resultate eines anderen Rechtsgebiets konstituiert regelmäßig eine nur einseitige Abhängigkeit von Rechtsgebieten. Faktisch haben die Verschränkungen von Zivil- und Erbschaftsteuerrecht im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG allerdings zu einer engen wechselseitigen Verbindung bei 22
Vgl. BFH v. 11. 7. 2019 – II R 4/17, BFHE 265, 447 = BStBl. II 2020, 319 Rn. 24; R. Geck in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 08/2020), § 3 Rn. 3. 23 Vgl. W. Schön, StuW 2005, 247 (249 ff.). 24 Vgl. auch BVerfG v. 27. 12. 1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 Rn. 10: „Verwendet eine steuerrechtliche Vorschrift eine im Zivilrecht geläufige Terminologie, so kann es den darin ausgedrückten Tatbestand aufnehmen, wie z. B. die Ehe, einen bestimmten ehelichen Güterstand (§§ 4 und 5 ErbStG) oder das Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG); (…).“.
B. Der Zugewinnausgleich im Verfassungsrecht
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der Rechtsgebiete geführt.25 Der Grund hierfür ist, dass insbesondere vermögende Ehegatten ihre Entscheidungen auf den Gebieten des Güter- und Erbrechts selten ohne Berücksichtigung etwaiger erbschaftsteuerlicher Folgen treffen werden.26 Auch der Bundesfinanzhof lässt im Kontext des Zugewinnausgleichsteuerrechts regelmäßig Belange des Güterrechts in seine Entscheidungen einfließen. So hat die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung der (unter Umständen rückwirkenden) Güterstandschaukel auch zu ihrem Durchbruch im Zivilrecht beigetragen. Die Güterstandschaukel als Gestaltungsinstrument für Ehegatten kann nur funktionieren, weil die ehevertragliche Beendigung und anschließende Neubegründung der Zugewinngemeinschaft auch im Erbschaftsteuerrecht anerkannt wird und die Ehegatten damit Vermögen zum Zweck des Zugewinnausgleichs ohne Erbschaftsteuerlast lebzeitig übertragen können (§ 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG). Die maßgebende Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur erbschaftsteuerrechtlichen Anerkennung der Güterstandschaukel vom 12. 7. 2005 beruft sich zur Begründung unter anderem auf die bürgerlich-rechtliche Gestaltungsfreiheit von Ehegatten, die auch steuerlich anzuerkennen sei.27 Auch die modifizierte Zugewinngemeinschaft hätte sich im Zivilrecht – insbesondere bei der sogenannten Unternehmerehe –28 nicht durchgesetzt, wären ehevertragliche Vereinbarungen nicht auch im Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich anzuerkennen. Bereits die vorstehenden Ausführungen zeigen, wie gestaltungsabhängig die Besteuerung des Zugewinnausgleichs – auch und gerade im Spannungsfeld der ersten beiden Absätze des § 5 ErbStG – ist.
B. Der Zugewinnausgleich im Verfassungsrecht Dem Zivil- und Erbschaftsteuerrecht gleichermaßen übergeordnet ist das Verfassungsrecht, das für den erbschaftsteuerlichen Zugriff bei Ehegatten verbind liche Leitlinien vorgibt, die mehr als nur bloße Auslegungsgrundsätze sind. Denn das Steuerrecht als Teil einer freiheitlich verfassten Rechtsordnung hat sich an den 25
Zu den Verschränkungen von Zivil- und Steuerrecht im Allgemeinen siehe H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1 (1980), S. 23, 695 ff.; B. Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, Köln 1986, passim. 26 Insbesondere in der jüngeren Zeit ist neben die spezifisch erbschaftsteuerlichen Aspekte des Güterstands die unter dem Schlagwort der „Asset Protection“ eröffnete Möglichkeit, Vermögen steuerfrei mittels der Zugewinngemeinschaft auf einen weniger haftungsgefährdeten Ehepartner zu übertragen, in das Visier der Gestaltungspraxis – und der Öffentlichkeit – geraten. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) v. 31. 7. 2018 hat die plakative Schlagzeile: „So funktioniert Winterkorns Steuersparmodell“. Der Untertitel lautet „Güterstandschaukel“. Dieser Artikel ist noch mit einem Lichtbild des früheren VW-Managers M. Winterkorns versehen, das die Unterzeile hat: „Schenkungsteuer gespart: der frühere VW-Chef Winterkorn.“ Diese SZ-Nachricht umschreibt plastisch eine wesentliche Funktion der Güterstandschaukel, nämlich den Schutz des Vermögens eines Ehegatten vor dem Zugriff von Gläubigern. 27 BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11. 28 Vgl. L. Bergschneider / A . Wolf, in: Münch, Familienrecht (3. Aufl. 2020), § 7 Rn. 184 ff.; G. Langenfeld / L . Milzer, Hdb Eheverträge (8. Aufl. 2019), Rn. 261 ff.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
gleichheits- und freiheitsrechtlichen Vorgaben der Verfassung zu orientieren. Auch der Erbschaftsteuergesetzgeber ist gemäß Art. 20 Abs. 3 und 1 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und muss die Schutzwirkungen der einzelnen Grundrechte beachten, nicht gerechtfertigte Eingriffe unterlassen sowie die in den Grundrechten enthaltenen objektiven Gewährleistungsgehalte sichern.29 Der Schutz der Ehe (und Familie) in Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es dem Gesetzgeber jedoch nicht grundlegend, an den Tatbestand der Ehe auch steuerliche Rechtsfolgen zu knüpfen.30 Die Erbschaftsbesteuerung mindert für den erwerbenden Ehegatten den Wert seines unentgeltlichen Erwerbs. Es ist anerkannt, dass die Ausgestaltung und Bemessung der Erbschaftsteuer – neben der Erbrechtsgarantie in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG – insbesondere den grundlegenden Gehalt des Schutzes von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG wahren muss. Dieser Verpflichtungsgehalt wird als (erbschaftsteuerliches) Familienprinzip bezeichnet.31 Er ist im Rahmen des Ehegattenerwerbs insbesondere für das Maß der Steuerbelastung von Relevanz. Dieses ist wegen Art. 6 Abs. 1 GG derart zu mäßigen, dass dem Ehegatten der auf ihn überkommene Nachlass – je nach dessen Größe – völlig oder zumindest zum deutlich überwiegenden Teil steuerfrei zugutekommt.32 Bei einem darüberhinausgehenden Vermögenszuwachs ist die steuerliche Belastung des (überlebenden) Ehegatten so zu beschränken, dass die Erbschaft bzw. der Erwerb für diesen noch das „Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“33 bleibt. Die Existenz einer – im Schrifttum nicht unumstrittenen – „Erwerbsgemeinschaft“ zwischen Ehegatten im Steuerrecht leitet das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus den Wertungen des gesetzlichen Güterstands im Zivilrecht ab.34 Welche Bedeutung diese für die Besteuerung des Zugewinnausgleichs haben, ist bislang jedoch weitgehend ungeklärt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt ist, dass Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG die Ehe – in der Tradition des Art. 119 Abs. 1 S. 2 WRV –35 die Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner 29 J. Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 1 Rn. 3; J. Englisch, StuW 2003, 237 (237). 30 Siehe grundlegend BVerfG v. 17. 1. 1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 = BStBl. I 1957, 193 Rn. 77; v. 27. 5. 1970 – 1 BvL 22/63, BVerfGE 28, 324 Rn. 62; v. 11. 10. 2005 – 1 BvR 1232/00 u. a., BVerfGE 114, 316 Rn. 83; v. 26. 11. 2018 – 1 BvR 1511/14, ZEV 2019, 79 Rn. 6. 31 Vgl. grundlegend BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 25 ff.; bestätigt durch BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 96 ff.; v. 30. 10. 2010 – 1 BvR 3196/09 u. a., BFH / PR 2011, 66 Rn. 20. 32 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 28. 33 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 29. 34 Der Aspekt der ehelichen Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft hat vor allem beim Ehegattensplitting erhebliche Relevanz, siehe z. B. BVerfG v. 3. 11. 1982 – 1 BvR 620/78 u. a., BVerfGE 61, 319 = BStBl. II 1982, 717 Rn. 80; v. 7. 5. 2013 – 2 BvR 909/06, BVerfGE 133, 377 Rn. 94. 35 Vgl. zur Verbindung von Art. 6 Abs. 1 mit 3 Abs. 2 GG grundlegend BVerfG v. 29. 7. 1959 – 1 BvR 205/58, BVerfGE 10, 59 Rn. 28, 30: „Doch erschöpft sich der institutionelle Gehalt des Art. 6 Abs. 1 GG hierin nicht. Es erschließen sich weitere wesentliche Elemente aus den be-
B. Der Zugewinnausgleich im Verfassungsrecht
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schützt, in der die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen.36 Daneben tritt die Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit, die aus Art. 3 Abs. 2 GG abgeleitet wird.37 Entscheiden sich die Ehegatten für ein arbeitsteiliges Wirtschaften, so sind ihre jeweiligen Beiträge gerade unabhängig von ihrem ökonomischen Wert als gleichwertig anzusehen. Aus diesem Befund hat das Bundesverfassungsgericht für den Zugewinnausgleich abgeleitet, dass beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsamen Erwirtschafteten haben (Teilhabeanspruch)38 und der einfachrechtliche Zugewinnausgleich dem berechtigten Ehegatten seinen Anteil hieran verschaffen soll.39 Das Schrifttum teilt ganz überwiegend dieses Verständnis von der gleichberechtigten Ehe und einem aus der Verfassung ableitbaren Teilhabeanspruch. Beides findet seinen Niederschlag in der Verbindung von Art. 6 Abs. 1 mit 3 Abs. 2 GG und leitet den einfachgesetzlichen Zugewinnausgleich an. Unklarheit herrscht indes darüber, ob es sich bei dem Zugewinnausgleich mit Blick auf die Art. 3 und 6 GG um eine verfassungsrechtlich gebotene oder eine sonderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes. Hier kommt vor allem das umfassende Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 (…) GG in Betracht. Der Grundgesetzgeber ist von der Vereinbarkeit des Art. 6 mit Art. 3 Abs. 2 GG ausgegangen; das Bundesverfassungsgericht hat dies für Art. 6 Abs. 1 GG bereits ausgesprochen; danach sind Mann und Frau auch in Ehe und Familie gleichberechtigt (…). Die Regelung des Art. 6 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 (…) GG geht zurück auf Art. 119 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung. (…) Als Ergebnis der Beratung wurde in den Art. 119 Abs. 1 die Bestimmung aufgenommen, daß die Ehe – als Grundlage des Familienlebens – auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter beruht.“. 36 Vgl. BVerfG v. 29. 7. 1959 – 1 BvR 205/58, BVerfGE 10, 59 Rn. 28; v. 24. 3. 1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64 Rn. 36; v. 21. 12. 1977 – 1 BvR 802/76 u. a., BVerfGE 47, 85 Rn. 49; v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 Rn. 159; v. 6. 6. 1989 – 1 BvR 803/86 u. a., BVerfGE 80, 170 Rn. 44; v. 5. 2. 2002 – 1 BvR 105/95 u. a., BVerfGE 105, 1 Rn. 31; v. 20. 5. 2003 – 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173 Rn. 17. 37 Vgl. BVerfG v. 11. 4. 1967 – 2 BvL 3/62, BVerfGE 21, 329 Rn. 27; v. 21. 5. 1974 – 1 BvL 22/71 u. a., BVerfGE 37, 217 Rn. 104; v. 9. 11. 1988 – 1 BvR 243/86 BVerfGE 79, 106 = BStBl. II 1989, 938 Rn. 81; v. 5. 2. 2002 – 1 BvR 105/95 u. a., BVerfGE 105, 1 Rn. 32 f.; v. 20. 5. 2003 – 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173 Rn. 17. 38 Vgl. BVerfG v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 Rn. 159; v. 5. 2. 2002 – 1 BvR 105/95 u. a., BVerfGE 105, 1 Rn. 34; v. 20. 5. 2003 – 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173 Rn. 17. 39 Vgl. BVerfG v. 16. 10. 1984 – 1 BvL 17/80, BVerfGE 67, 348 Rn. 29: „Der Zugewinnausgleich solle nach dem Willen des Gesetzgebers den Geboten der Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung der Ehegatten dadurch Rechnung tragen, daß an dem, was in der Ehe erworben werde, beide Ehegatten gleichmäßig zu beteiligen seien. Damit habe vor allem bestätigt werden sollen, daß die Tätigkeit der Ehefrau als Hausfrau und Mutter der des Ehemannes gleichzustellen sei“; v. 6. 6. 1989 – 1 BvR 806/86 u. a., BVerfGE 80, 170 Rn. 44: „Der Sinn des Zugewinnausgleichs besteht darin, dem berechtigten Ehegatten seinen Anteil an den in der Ehe erarbeiteten wirtschaftlichen Werten zukommen zu lassen“; v. 20. 5. 2003 – 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173 Rn. 17: „Der Versorgungsausgleich dient ebenso wie der Zugewinnausgleich der Aufteilung von gemeinsam erwirtschafteten Vermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Ehegatten rechtlich zugeordnet war (…).“.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
nur vertretbare Regelung eines gesetzlichen Güterstands handelt.40 Ebenfalls unklar ist, welche Bedeutung diese verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage für die Besteuerung des Zugewinnausgleichs hat. Dies gilt es im Rahmen dieser Arbeit noch auszuloten. Der historische Gesetzgeber des Gleichberechtigungsgesetzes 1957 hat in den Gesetzesmaterialien selbst den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau als tragenden Grund für die Einführung der Zugewinngemeinschaft angeführt.41 Ein gesetzlicher Güterstand müsse, um eine angemessene Regelung darzustellen, dafür Sorge tragen, dass beide Ehegatten am in der Ehe erworbenen Vermögen beteiligt würden, gleichgültig, welcher Ehegatte den Erwerb formal zivilrechtlich erzielt habe.42 Bei der rechtstechnischen Ausgestaltung einer solchen Beteiligung entschied man sich bewusst für einen pauschalierenden – und damit notwendigerweise vergröbernden – Ausgleichsanspruch und gegen eine (in anderen Rechtsordnungen verbreitete) für rechtsunsicher gehaltene Bemessung des Ausgleichsanspruchs im Einzelfall.43 Ein kurzer rechtsvergleichender Blick zeigt, dass dieser Ansatz der deutschen Zugewinngemeinschaft auch in vielen internationalen Güterrechtsordnungen tief verwurzelt ist. Der Gedanke des gemeinsam erwirtschafteten Vermögens und der Teilhabe hieran ist auch in anderen Rechtsordnungen weit verbreitet. Dies sind vor allem solche Rechtsordnungen, in denen die Gleichberechtigung der Geschlechter anerkannt ist. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle findet auch eine Halbteilung, regelmäßig unter Verweis auf die Gleichwertigkeit der von den Ehegatten erbrachten Beiträge, statt.44 Für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist, dass der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers über die (Halb-)Teilung von in der Ehezeit erworbenem Vermögen eine (zumindest mittelbare) verfassungsrechtliche Wirkung beigemessen wird, wenn und weil sie mit der Gleichberechtigung der Ehegatten nach Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG in Übereinstimmung steht.
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Diese Frage muss auch hier nicht entschieden werden. Einen Überblick über den spär lichen Streitstand im Zivilrecht gibt J. Burkhardt, Eheliche Vermögensausgestaltung, S. 197 ff. Für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung der Regelung in § 5 ErbStG ist vielmehr die Erkenntnis ausreichend, dass der Zugewinnausgleich zumindest verfassungsrechtlich legitimiert ist. Zu der Frage, wie sich die verfassungsrechtliche Legitimation des Zugewinnausgleichs auf die Besteuerung des Ausgleichsanspruchs auswirkt, siehe unten Abschn. § 5 B. II. 2. c). 41 Siehe BT-Drs. 2/224, S. 33. 42 BT-Drs. 2/224, S. 37. 43 BT-Drs. 2/224, S. 37. 44 Vgl. B. Dauner-Lieb / A . Sanders, FPR 2005, 141 (142) sowie im Einzelnen unter Abschn. § 3 C.
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht Um den Zugewinnausgleich aus erbschaftsteuerrechtlicher Perspektive – zum ersten Mal überhaupt – gesamthaft erfassen und um hieraus insbesondere Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich des § 5 ErbStG in internationalen Fallkonstellationen ziehen zu können, ist es unerlässlich, zunächst das gesetzliche Regelungsmodell der Zugewinngemeinschaft sowie die Funktion(en) des Zugewinnausgleichs im (nationalen) güterrechtlichen Gesamtgefüge zu erörtern. Denn der Erbschaftsteuergesetzgeber umschreibt – wie bereits angedeutet – die Tatbestände in § 5 ErbStG unter Rückgriff auf die typische Gestaltung der Zugewinngemeinschaft und des -ausgleichs in den §§ 1363 ff. BGB. Mithin kann von einer „Vorherigkeit“ des Zivilrechts gegenüber dem Erbschaftsteuerrecht gesprochen werden,45 die wiederum nicht mit einer Rangpriorität gleichgesetzt werden darf. Erst in einem zweiten Schritt kann hierauf aufbauend ein eigenständiges erbschaftsteuerrechtliches Normverständnis des § 5 ErbStG entwickelt werden, das sich gerade im internationalen Umfeld als weiterführend erweisen wird. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich hierbei in erster Linie auf die materiellen Prinzipien und Wertungen der Zugewinngemeinschaft und des Zugewinnausgleichs, und weniger auf formale Aspekte des Ausgleichsverfahrens.
I. Grundsatz der Ehevertragsfreiheit Zuvor sei aber noch auf den im vorliegenden Zusammenhang (ebenfalls) bedeutsamen, das gesamte Güterrecht umspannenden Grundsatz der Ehevertragsfreiheit eingegangen. Ehegatten steht es im deutschen Güterrecht grundsätzlich frei, die Zugewinngemeinschaft unter Nutzung der in § 1408 Abs. 1 BGB einfachgesetzlich geregelten Ehevertragsfreiheit individuell zu gestalten (sog. modifizierte Zugewinngemeinschaft)46 bzw. einen anderen (Vertrags-)Güterstand zu vereinbaren. Es gibt somit nicht nur eine mögliche Form der Zugewinngemeinschaft im deutschen Recht. Vielmehr können Ehegatten den Zugewinnausgleich jederzeit ganz oder teilweise ausschließen, eine andere Art der Teilung sowie zahlreiche sonstige Abweichungen von dem gesetzlichen Regelungsmodell vereinbaren.47 Zulässig – und 45
Vgl. K. Tipke, StRO I, S. 90 f.; P. Kirchhof, StuW 1983, 173 (181). Für einen Überblick über die verschiedenen (praxisrelevanten) Modifikationen der Zugewinngemeinschaft siehe G. Langenfeld / L . Miller, HdB Eheverträge (8. Aufl. 2019), § 12. 47 Umfassendes statistisches Material über die Anzahl geschlossener Eheverträge liegt nicht vor. In jüngerer Zeit haben einzig J. Baumgarten / H. Houben, in: StuW 2014, 116 (123), auf der Grundlage von Daten des German Panel on Household Finances aus den Jahren 2010/11 nachgewiesen, dass lediglich 0,6 % der Ehegatten ehevertragliche Vereinbarungen getroffen haben. Dies bestätigt (noch) ältere Feststellungen in diesem Bereich, wonach Eheverträge nur in einem im Verhältnis zur Zahl der Ehen geringem Umfang geschlossen wurden, siehe z. B. U. Michaelis, Die Güterstände in der Praxis, Diss. 1968; M. Schreiber, Gestaltungsfreiheit in Eheverträgen, Diss. 1983; L. Müller-Alten, Ehescheidung und Scheidungsverträge, Diss. 1984; S. Stach, Eheverträge – Gesetz und Rechtstatsachen, Diss. 1988. 46
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
in der Praxis verbreitet – ist insbesondere auch eine von § 1375 BGB abweichende Bestimmung des Endvermögens eines Ehegatten, bspw. durch die Herausnahme von Vermögenskomplexen oder einzelner Gegenstände und Erträge (zum Beispiel betrieblich gebundenes Vermögen), oder eine auf den Zeitpunkt der Eheschließung rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft. Die Möglichkeit zur individual-vertraglichen Gestaltung der Zugewinngemeinschaft ist (heute) nach allgemeiner Auffassung zwingend.48 Der Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgt das Recht der Ehegatten, ihre ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten mithilfe von Verträgen zu gestalten.49 Der Ehevertragsfreiheit sind im Bereich des Zugewinnausgleichs nur einige wenige Grenzen gesetzt.50 Diese zwingende Gestaltbarkeit der Zugewinngemeinschaft wird vor allem damit begründet, dass das Zivilrecht mit § 1408 BGB der gesellschaftlichen Entwicklung, die ein vielfältiges Spektrum ehelicher Lebensverhältnisse hervorgebracht hat, Rechnung trägt, indem der Güterstand der Gestaltungsfreiheit der Ehegatten anheimgestellt wird.51 Denn das gesetzliche Regelungsmodell der Zugewinn gemeinschaft orientiert sich zunächst und vor allem an dem (historischen) Leitbild der Ehe mit geteilten Aufgaben, in der ein Ehegatte nicht oder in eingeschränktem Maß beruflich tätig ist und dadurch dem anderen Teil die Teilhabe am Berufsleben ermöglicht (Alleinverdienerehe)52.53 Der mangels anderweitiger ehevertraglicher Regelungen – und damit qua Gesetz subsidiär – vorgesehene gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird vor diesem Hintergrund als sachrichtiger Güterstand für solche Ehen angesehen, in denen sich der Vermögenserwerb typi-
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Zur historischen Entwicklung der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht seit der Antike siehe A. Buschendorf, Die Grenzen der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht, S. 49 ff. 49 Grundlegend BVerfG v. 6. 2. 2001 – 1 BvR 12/92, BVerfG 103, 89 Rn. 34; hieran anschließend: BGH v. 11. 2. 2004 – XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 Rn. 23, 36. Der Grundsatz der Ehevertragsfreiheit wird teilweise auch aus Art. 2 Abs. 1 GG, so M.-M. Hahne, DNotZ 2004, 84 (84, 88), oder aus einer Verbindung von Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 6 GG abgeleitet, so A. Röthel, NJW 2001, 1334. 50 Zur sog. Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs bei der Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen und Kritik hieran vgl. grundlegend B. Dauner-Lieb, AcP 210 (2010), 580 (589); J. Burkhardt, Eheliche Vermögensausgestaltung, S. 19 ff., 178 ff. 51 Vgl. BGH v. 26. 3. 1997 – XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 Rn. 30. 52 Die sich in der sozialen Wirklichkeit wiederfindenden Ehetypen werden in der Praxis regelmäßig nach verschiedenen Unterscheidungskriterien zu Fallgruppen geordnet, vgl. G. Langenfeld / L . Milzer, HdB Eheverträge (8. Aufl. 2019), Rn. 48. Nach dem Kriterium der Berufstätigkeit werden bspw. die Einverdiener-, Zuverdiener- und Doppelverdienerehe unterschieden, nach dem Kriterium des Vermögens die Ehe mit beiderseits geringem Vermögen, die Ehe mit einseitigem Vermögen (insbesondere die Unternehmerehe oder Ehe des reichen Erben) und die Ehe beiderseits vermögender Ehegatten, ebd. 53 So die Begründung zum Gleichberechtigungsgesetz, mit dem die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand eingeführt wurde, vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 23. 10. 1952, BT-Drs. I/3802.
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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scherweise innerhalb der Dimensionen einer arbeitsteiligen Ehe vollzieht.54 Von diesem Ehetyp kann sich die Realität allerdings weit entfernen, wenn die Vermögensmehrung – wie bspw. bei Unternehmern oder Inhabern erheblichen vorehelichen Vermögens – in Bereichen erzielt wird, die das Leitbild der Zugewinngemeinschaft (weit) überschreiten. Hier erscheint fraglich, ob die Zugewinngemeinschaft in unveränderter Form geeignet ist, auch in diesen Fällen, auf die sie letztlich nicht zugeschnitten ist, einen sachgerechten Ausgleich zu gewährleisten. Ist bspw. einer der Ehegatten Unternehmer, wird ein künftig gegen ihn bestehender Zugewinnausgleichsanspruch typischerweise durch die Ertragskraft und Wertsteigerung seines Unternehmens (mit-)geprägt. Dieser Anspruch kann häufig nur aus der Substanz des Unternehmens befriedigt werden und gefährdet daher nicht selten dessen Liquidität und Fortbestand.55 Unternehmern wird daher, insbesondere wenn es ein Familienunternehmen zu erhalten gilt, nahegelegt, ehevertraglich eine modifizierte Zugewinngemeinschaft zu vereinbaren, bei der das Unternehmen oder die Beteiligung daran für die Berechnung des Zugewinns außer Betracht bleibt.56 Güterrechtliche Vereinbarungen solcher Art werden zivilrechtlich grundsätzlich für zulässig erachtet.57 Dies liegt daran, dass die Schranken der Ehevertragsfreiheit (§§ 138; 242 BGB) – über deren Existenz im Grundsatz Konsens herrscht –58 im Bereich des Zugewinnausgleichs keine oder nur sehr beschränkt Anwendung finden.59 So entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 54
Vgl. D. Schwab, in: Schwab / Ernst, HdB Scheidungsrecht (8. Aufl. 2019), Kap. VI Rn. 3 ff.; J. Gernhuber / D. Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 33 Rn. 5. 55 Zur Gefahr für Unternehmen durch den Zugewinnausgleich siehe G. Crezelius, in: P+P Pöllath + Partners (Hrsg.), Verdient – unverdient, S. 13 ff. Gesellschaftsverträge enthalten in der Praxis daher regelmäßig sog. Güterstandklauseln, mittels derer Gesellschafter verpflichtet werden, mit ihrem jeweiligen Ehepartner zum Schutz der unternehmerischen Beteiligung einen Ehevertrag (mit einem vorgegebenen Mindestinhalt) abzuschließen. Früher wurde regelmäßig der Nachweis eines Ehevertrags mit Gütertrennung verlangt. Heute wird (anstelle der Gütertrennung) häufig der Nachweis eines Ehevertrags mit gegenständlicher Herausnahme der unternehmerischen Beteiligung aus der Zugewinnausgleichsberechnung gefordert, da so die erbschaftsteuerlich günstigen Wirkungen des § 5 ErbStG erhalten bleiben, siehe grundlegend D. Gassen, RNotZ 2004, 423; G. Brambring, DNotZ 2008, 724; T. Wachter, GmbH-StB 2006, 234. 56 Vgl. G. Berger, Modifizierte Zugewinngemeinschaft, S. 125; N. Plate, MittRhNotK 1999, 257; C. Münch, HdB Familiensteuerrecht (2. Aufl. 2020), S. 138 ff.; G. Langenfeld / L . Milzer, HdB Eheverträge (8. Aufl. 2019), Rn. 283 ff.; F. Simon, in: Meyer-Götz, Familienrecht (4. Aufl. 2018), § 15 Rn. 32 (differenzierend zwischen Doppelverdienerehe, Diskrepanzehe und Unternehmerehe). 57 Vgl. BGH v. 15. 3. 2017 – XII ZB 109/16, NJW 2017, 408 (zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund einer Gesamtschau der zu den Scheidungsfolgen getroffenen Regelungen im Fall der sogenannten Unternehmerehe). 58 Siehe nur J. Heinemann in: Erman, BGB (16. Aufl. 2020), § 1408 Rn. 5. 59 Eine gesetzliche Begrenzung der Ehevertragsfreiheit enthält § 1409 BGB, wonach eine Bezugnahme auf (nicht mehr gültiges oder) ausländisches Recht in Eheverträgen generell unzulässig ist. Hiervon unberührt bleibt das Recht der Ehegatten, das auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendende Recht gemäß Art. 14 EGBGB a. F. bzw. Art. 22 EuGüVO (für Eheschließungen ab dem 29. 1. 2019) zu wählen. Dazu näher unter Abschn. § 3 B. I.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
dass das Eheverständnis keine bestimmte Zuordnung des Vermögenserwerbs in der Ehe erfordert, sodass sich der Zugewinnausgleich ehevertraglich in weitem Umfang modifizieren bzw. abbedingen lässt.60 Außerordentlich umstritten ist demgegenüber, inwieweit die Ehegestaltungsfreiheit ihre Grenzen an den immanenten Prinzipien der Zugewinngemeinschaft findet.61 Die Frage wird vor allem virulent, wenn es um die Zulässigkeit des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs nicht nur bei Scheidung der Ehe, sondern auch bei Tod eines Ehegatten geht.62 Das (Erbschaft-)Steuerrecht erkennt die Vertragsfreiheit im Familienrecht grundsätzlich an.63 Dies gilt im Ausgangspunkt auch für den Zugewinnausgleich modifizierende güterrechtliche Vereinbarungen zwischen Ehegatten.64 Allerdings liegt in der erbschaftsteuerrechtlichen Anerkennungsfähigkeit – und der Grenzen – von über das gesetzliche Maß hinausgehenden Ausgleichsforderungen ein wesentliches und praktisch gewichtiges Problem, das im Erbschaftsteuergesetz keine Regelung erfahren hat. Der Bundesfinanzhof hat für dieses die (ungeschriebene) erbschaftsteuerrechtliche Grenze der „überhöhten Ausgleichsforderung“ entwickelt,65 auf die noch näher einzugehen sein wird.66
60
BGH v. 11. 2. 2004 – XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 Rn. 43; OLG Hamm v. 12. 10. 2004 – 2 UF 35/04, FamRZ 2005, 1181 Rn. 15; v. 20. 12. 2012 – II-11 UF 180/12, 11 UF 180/12, FF 2013, 315 Rn. 69. 61 Vgl. M. Brix, FamRZ 1993, 12; P. Finger, FuR 1997, 68; J. Heinemann, in: Erman, BGB (16. Aufl. 2020), § 1408 Rn. 11; C. Münch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1408 Rn. 13; J. Scheller / M. Sprink, in: BeckOK BGB (Stand: 11/2021), § 1408 Rn. 12 f.; ausdrücklich offengelassen von BGH v. 26. 3. 1997 – XII ZR 250/95, NJW 1997, 2239 Rn. 29. 62 In derartigen Fällen kann man sich die Frage stellen, ob eine Denaturierung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft – die wegen des ehevertraglichen Ausschlusses über (gar) keinen Zugewinnausgleich mehr verfügt – eintritt. Dies lehnt die wohl herrschende Ansicht in der Literatur allerdings mit der Begründung ab, dass von der Zugewinngemeinschaft noch die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365; 1369 BGB bestehen bleiben, vgl. nur J. Heinemann, in: Erman, BGB (16. Aufl. 2020), § 1408 Rn. 11; C. Münch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1408 Rn. 14. 63 Art. 3 Abs. 1; 6 Abs. 1 GG gebieten es sogar, dass Verträge zwischen Ehegatten steuerlich anzuerkennen sind, vgl. nur BVerfG v. 24. 1. 1962 – 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (Ehegatten-Arbeitsverhältnis I); v. 8. 7. 1963 – 1 BvR 319/60, BVerfGE 16, 241; v. 22. 7. 1970 – 1 BvR 285/66, BVerfGE 29, 104. 64 Siehe BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897 Rn. 16; v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739 Rn. 16 f. 65 Vgl. an dieser Stelle nur BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897 Rn. 16; v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11. Diese Rechtsprechung hat auch Eingang in die Erbschaftsteuerrichtlinien der Finanzverwaltung gefunden, siehe R E 5.2 Abs. 2 S. 2 ff. ErbStR 2019. 66 Siehe unten ausführlich Abschn. § 5 C. IV. 2. e).
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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II. Grundlagen hinsichtlich des Rechts der Zugewinngemeinschaft 1. Strukturen und Prinzipien Nähert man sich einem teilrechtsordnungsübergreifenden Normverständnis des § 5 ErbStG von einer zivilrechtlichen Perspektive, so stechen – die zahlreichen Einzelfragen (insbesondere) der Berechnung beiseitegeschoben – zuvörderst die ideellen Grundlagen der Zugewinngemeinschaft sowie deren Prinzipiengeleitetheit ins Auge, was erbschaftsteuerlich bislang kaum Beachtung gefunden hat. Hält man hier nach übergreifenden Strukturen und Wertungen Ausschau, die geeignet sein können, Aufschluss über den Sinn und Zweck der Steuerneutralität im Erbschaftsteuerrecht zu geben, so gelangt man in erster Linie zum Gütertrennungs- und Teilhabeprinzip, und zwar im Wesentlichen aus folgendem Grund: Beide Prinzipien bestimmen den wesentlichen – materiellen und formellen – Kern der Zugewinngemeinschaft im deutschen Recht und sind Ausdruck von (verfassungsrechtlichen) Wertvorstellungen, sodass sich die Frage nach dem Normzweck des § 5 ErbStG nur dann sinnvoll beantworten lässt, wenn hierüber Klarheit herrscht. Daher wird sich die weitere Untersuchung zunächst mit den tragenden materiellen Prinzipien der Zugewinngemeinschaft beschäftigen, da hierin auch – wie sich erweisen wird – eine wesentliche Determinante für die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs im Erbschaftsteuergesetz zu erblicken ist. a) Gütertrennungsprinzip Kennzeichnend für die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts ist – entgegen dem Eindruck, der durch den Ausdruck „-gemeinschaft“ bisweilen erweckt wird –, dass das jeweilige voreheliche und während der Ehe hinzu erworbene Vermögen der Ehegatten mit Eintritt des Güterstands nicht deren gemeinschaftliches Vermögen wird, sondern vielmehr rechtlich getrennt bleibt (Gütertrennungsprinzip, § 1363 Abs. 2 S. 1 BGB). Auch mit Beendigung des Güterstands gelangt (wie bspw. bei der aufgeschobenen Gütergemeinschaft nach nordischem Vorbild) kein Gemeinschaftsvermögen der Ehegatten zur Entstehung. Der teilhabeberechtigte Ehegatte erhält im deutschen Recht vielmehr (nur) einen schuldrechtlichen (nachehelichen) Ausgleichsanspruch.67
67 Die Rechtsposition des teilhabeberechtigten Ehegatten im deutschen Güterrecht ist damit im internationalen Vergleich relativ schwach ausgeprägt. A. Röthel spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „dinglichen Gefälle“ zwischen den Ehegatten in Bezug auf die während der Ehe erzielten Vermögenszuwächse, vgl. dies., Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 57 (65 ff.).
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
Hinter diesem Gütertrennungsprinzip stehen nicht nur Praktikabilitätserwägungen, sondern insbesondere auch die materielle Wertvorstellung von der Gleich berechtigung von Ehegatten (auch) im vermögensrechtlichen Bereich, was sich heute nur noch historisch erklären lässt.68 So sah das eheliche Güterrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 als gesetzlichen Güterstand die Verwaltungs- und Nutznießungsgemeinschaft mit ausschließlichem Verwaltungs- und Nutzungsrecht des Ehemanns vor. Mit Eintritt dieses Güterstands verwaltete der Ehemann grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehefrau, die somit ihre Eigentümerfreiheit verlor.69 Er war berechtigt, die Sachen der Ehefrau in Besitz zu nehmen und zu nutznießen sowie über Geld und andere verbrauchbare Sachen (allein) zu verfügen. Die ehemännliche Verwaltungs- und Nutznießungsgemeinschaft trat mit Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes – und damit Art. 3 Abs. 2 GG – im Jahr 1949 bzw. mit Ablauf eines Übergangszeitraums am 31. 3. 1953 außer Kraft.70 Der Zivilrechtsgesetzgeber hat bei der Neufassung des gesetzlichen Güterrechts mit Wirkung ab 1. 7. 1958 durch das Gleichberechtigungsgesetz71 das vorrangige Recht des Ehemanns am Vermögen der Frau aufgegeben. Die Eheschließung sollte, so das Ziel der emanzipatorischen Reform, keinen Einfluss mehr auf die Vermögensverhältnisse von Mann und Frau haben, und das Erreichen dieses Ziels mithilfe des Gütertrennungsprinzips wurde als ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung von Mann und Frau angesehen.72 Darüber hinaus waren auch Praktikabilitätserwägungen relevant für die Einführung des Gütertrennungsprinzips im Jahr 1957. Eine dem Gleichberechtigungsgrundsatz angepasste (allgemeine) Güter- oder Errungenschaftsgemeinschaft, die zu gemeinschaftlichem Vermögen der Ehegatten führt, hielt der historische Zivilrechtsgesetzgeber schlicht für nicht geeignet, da bei diesen Güterständen Schwierigkeiten bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens, in Haftungs fragen sowie bei der Auseinandersetzung nicht vermeidbar seien.73
68
Vgl. BT-Drs. 2/224, S. 37: „Sie (Anm.: die Gütertrennung) verwirklicht (…) der Form nach den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter; jeder Ehegatte verwaltet und nutzt sein Vermögen selbständig, die Ehegatten haben also dieselben Rechte und Pflichten.“. 69 Vgl. § 1363 BGB a. F.: „Das Vermögen der Frau wird durch die Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen (eingebrachtes Gut). Zum eingebrachten Gute gehört auch das Vermögen, daß die Frau während der Ehe erwirbt.“. 70 Zum geschichtlichen Hintergrund und zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), Einl. zu §§ 1363 ff. Rn. 6 ff.; E. Koch, Teilungsmasse des Zugewinns, in: Schwab / Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, S. 139 (140 ff.); dies., in: FS Brudermüller, S. 409; J. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 64 ff. 71 Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts v. 18. 6. 1957, BGBl. I 1957, 609. 72 Eine ganz ähnliche Rechtsentwicklung konnte z. B. auch im englischen (Scheidungsfolgen-)Recht bzw. common law beobachtet werden, siehe hierzu J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (643 f.). 73 Vgl. BT-Drs. 2/224, S. 33 ff.
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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Zwar wird der Hinweis auf eine aus der Gütertrennung folgende Gleichberechtigung von Ehegatten – jedenfalls aus heutiger Sicht – zum Teil für nicht mehr tragfähig gehalten und umgekehrt eine stärkere (dingliche) Rechtsstellung des teilhabeberechtigten Ehegatten während der Ehe gefordert.74 Welche Ausgestaltung von Normen des gesetzlichen Güterrechts „eigentlich“ richtig bzw. gerecht wäre, ist für die Erbschaftsbesteuerung allerdings, isoliert betrachtet, ohne Bedeutung, sodass dem für Zwecke der vorliegenden Untersuchung auch nicht nachgegangen zu werden braucht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich im Fall einer Änderung der §§ 1363 ff. BGB konsequenterweise auch ein Anpassungsbedarf für § 5 ErbStG ergibt. b) Nacheheliches Teilhabeprinzip Das Gütertrennungsprinzip wird flankiert durch das Teilhabeprinzip (Prinzip der Vermögensteilung), das im einfachen Recht in § 1363 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ausdruck kommt. Nach dieser Vorschrift wird der „Zugewinn“, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, (gleich wie) ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich beruht unmittelbar auf dem Gesetz, ist also eine obligatio ex lege. Mit der Einfügung dieses Teilhabeprinzips in das Gesamtgefüge des gesetzlichen Güterstands ebenfalls im Jahr 1957 wollte der historische Zivilrechtsgesetzgeber vermeiden, dass die Erwerbseinkünfte in der damals klassischen Alleinverdienerehe in das alleinige Eigentum des – in der Regel voll erwerbstätigen – Ehemanns fielen und dort blieben, obwohl diese durch die gleichwertigen Arbeitsleistungen der Ehefrau bei der Haushaltsführung unmittelbar oder mittelbar mitverursacht wurden.75 Das materielle „Schwergewicht“ der Zugewinngemeinschaft soll nach der Gesetzesbegründung zum Gleichberechtigungsgesetz 1957 daher auch auf dem Ausgleich des Zugewinns, und nicht dem komplementären Gütertrennungselement, liegen.76 Das Teilhabeprinzip ist im 20. Jahrhundert als emanzipatorisches Prinzip zur Rechtfertigung einer vermögensmäßigen Beteiligung der Ehefrau, die typischerweise den Haushalt führte und somit nichts erwerben konnte, an den während der Ehe vom (allein) erwerbstätigen Ehemann erzielten Vermögenszuwächsen entwickelt worden. Wer dies zum Anlass nimmt, das Teilhabeprinzip heute abzuwerten,77 übersieht, dass sich das Teilhabeprinzip von einem gesellschaftspolitischen 74
Vgl. z. B. D. Schwab, in: FS Söllner, S. 1079 (1093); N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 112 f.; A. Röthel, Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 57 (64). 75 Vgl. BT-Drs. 2/224, S. 37. 76 BT-Drs. 2/224, S. 38. 77 Vgl. insbesondere aus steuerrechtlicher Sicht U. Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1900), dies., FR 2010, 119 (121); U. Spangenberg, Neuorientierung der Ehebesteuerung, Hans- Böckler-Arbeitspapier 106, 2005, S. 39; F. Vollmer, Ehegattensplitting, S. 92.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
zu einem Rechtsprinzip im Familienrecht entwickelt hat, das vornehmlich den grundrechtlichen Teilhabeanspruch beider Ehegatten am in der Ehe erworbenen Vermögen im einfachen Recht ausformt. Bei der zivilrechtlichen Konkretisierung des Teilhabeprinzips geht es mithin nicht um die wirtschaftliche Realität in der (intakten) Durschnittsehe bzw. einen bestimmten Ehetyp, sondern vielmehr um das vorgelagerte Leitbild der gleichen Berechtigung der Ehegatten am – wegen Art. 3 Abs. 2 GG – gemeinsam in der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen. Eine hiervon grundlegend zu trennende Frage ist, ob und gegebenenfalls inwieweit das Erbschaftsteuerrecht den Prinzipien und dahinterstehenden Wertvorstellungen der Zugewinngemeinschaft bei der Besteuerung des Zugewinnausgleichs Rechnung tragen muss.78 Das Teilhabeprinzip wird auch in der weit überwiegenden Zahl der internationalen Güterrechtsordnungen als wichtigstes systemtragendes Prinzip für einen gesetzlichen Güterstand bzw. eine eheliche Vermögensteilhabe verstanden.79 Interessanterweise erkennen diese Rechtsordnungen auch die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie die Gleichwertigkeit solcher Beiträge an, die die Ehepartner nach der ehelichen Arbeitsverteilung für die eheliche Gemeinschaft erbringen. Dagegen existieren nur vergleichsweise wenige Rechtsordnungen, die als gesetzlichen Güterstand die reine Gütertrennung vorsehen oder im Fall der Ehebeendigung keinen (gleich wie gearteten) Vermögensausgleich kennen.80 Das abstrakte Teilhabeprinzip selbst gibt jedoch keinen bestimmten Güterstand bzw. ein Güterstandsystem vor,81 sodass es der Konkretisierung bedarf. Dem (jeweiligen) Zivilrechtsgesetzgeber steht hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Bei der Ausgestaltung ist insbesondere danach zu fragen, wie das Teilungsvermögen rechnerisch zu bestimmen ist, ob bspw. auch an vorehelichem Vermögen eine Teilhabe stattfinden soll oder nur an während der Ehe erzielten (Arbeits-)Einkünften. Im Weiteren ist danach zu fragen, wie die Teilhabe rechtstechnisch umzusetzen ist. In Betracht kommt eine dingliche (Mit-)Berechtigung, ein schuldrechtlicher Anspruch (nach festen Quoten oder Billigkeit) oder eine Zuweisung von Vermögen bzw. –werten im Einzelfall. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass 78
Ein paralleler Streitstand existiert in Bezug auf die Rechtfertigung des Ehegattensplittings im Einkommensteuerrecht, dessen Sachrichtigkeit unter anderem auch mit den Wertungen der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft begründet wird. 79 Siehe hierzu näher unten unter Abschn. § 3 C. 80 Soweit ersichtlich, betrifft dies insbesondere die vom Islam geprägten Rechtsordnungen, vgl. R. Hausmann, in: Reithmann / Martiny, Internationales Vertragsrecht (8. Aufl. 2015), Rn. 7.754; W. Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp / Schumann / Veit (Hg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 23 (31 f.). Dahingegen sieht die weit überwiegende Zahl der common law-Rechtsordnungen ca. seit den siebziger Jahren nicht mehr die reine Trennung der Güter von Ehegatten vor, sondern eine Ermächtigung der Gerichte, das von den Ehegatten gemeinsam erwirtschaftete Vermögen im Scheidungsfall gerecht zu teilen, siehe hierzu unten unter Abschn. § 3 C. III. 2. 81 Vgl. D. Coester-Waltjen, in: Gernhuber / Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 33 Rn. 1.
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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sich in den internationalen Güterrechtsordnungen hierfür ganz unterschiedliche Regelungen finden. Der deutsche Zivilrechtsgesetzgeber hat sich demgegenüber in § 1373 BGB für eine Teilhabe grundsätzlich an dem gesamten während der Ehe bzw. des Güterstands hinzu erworbenem Vermögen entschieden und die Vermögensteilhabe nicht auf Erwerbseinkünfte der Ehegatten beschränkt. Voreheliches Vermögen unterliegt – als sog. Anfangsvermögen – damit nicht der wechselseitigen Vermögensteilhabe der Ehepartner. Die Vorschrift des § 1373 Abs. 2 BGB nimmt zudem bestimmte eheneutrale Vermögenszuwächse während der Ehe, zu denen die Ehegatten nichts beigetragen haben können (insbesondere Erbschaften, Schenkungen), von der Teilhabe aus. Zum anderen hat sich der deutsche Zivilrechtsgesetzgeber in § 1378 BGB für einen obligatorischen Zahlungsanspruch des teilhabeberechtigten Ehegatten entschieden, der eine Partizipation an dem Vermögensüberschuss des anderen Teils praktisch realisieren soll. Im Todesfall wandelt sich dieser aus Vereinfachungsgründen regelmäßig in ein um ein Viertel der Erbschaft verstärktes gesetzliches Erbrecht des überlebenden Ehegatten, wenn dieser die Erbschaft (oder das Vermächtnis) nicht ausschlägt.82 Der Entscheidung des einfachen Zivilrechtsgesetzgebers für den Güterstand der Zugewinngemeinschaft können damit – zumindest teilweise – mittelbar verfassungsrechtliche Wirkungen zugemessen werden, wenn und weil diese mit dem Schutzauftrag des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG in Übereinstimmung steht. Ein derartiges verfassungsorientiertes Verständnis des Zivilrechts wird auch im Rahmen der hier zu untersuchenden Fragestellung (Besteuerung der Vermögensteilhabe) Bedeutung erlangen, worauf in den folgenden Abschnitten näher einzugehen sein wird. c) Halbteilungsprinzip Mit dem Teilhabeprinzip in engem funktionalem Zusammenhang steht zudem noch das Halbteilungsprinzip, das insbesondere Aufschluss über den Umfang der Vermögensteilhabe zwischen den Ehegatten gibt.83 Im einfachen Recht unmittelbar zum Ausdruck gelangt es nur in § 1378 Abs. 1 BGB („Hälfte des Überschusses“), wobei der Halbteilungsgedanke von dem einfachen Zivilrechtsgesetzgeber selbst nicht konsequent umgesetzt wird, wie die (erbrechtliche) Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB zeigt.84 Zudem steht es den Ehegatten frei, unter Ausübung
82
Zu dem zivilrechtlichen Ausgleichsmechanismus siehe im Einzelnen Abschn. § 2 C. III. 2. d). Zum Halbteilungsprinzip im sog. Dreisäulensystem des deutschen Familienrechts siehe grundlegend G. Brudermüller, in: FS Coester-Waltjen, S. 17. 84 K. Muscheler spricht in Bezug auf die Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB auch von einem Pauschalierungsprinzip, siehe ders., Familienrecht (4. Aufl. 2017), § 21 Rn. 335. Gemeint ist hiermit, dass der Zugewinnausgleich im Fall des Todes eines Ehegatten regelmäßig pauschal über eine Erhöhung des Erbteils verwirklicht wird. 83
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
ihrer Ehevertragsfreiheit von der Halbteilungsquote in § 1378 Abs. 1 BGB abzuweichen. Das Halbteilungsprinzip gibt den Ehegatten bzw. dem Gericht jedoch einen praktikablen Maßstab an die Hand, um den Zugewinn (grundsätzlich gerecht) zu teilen. Das Halbteilungsprinzip mag zwar angesichts seiner Rigidität oder unter rechtspolitischen Gesichtspunkten zu kritisieren sein,85 jedoch führt es im Grundsatz zu einer materiell zutreffenden – bzw. zumindest gerechtfertigten –86 Verteilung des Zugewinns zwischen Ehegatten. Dies erweist ein erneuter Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses leitet aus dem Schutz der Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG zunächst das gleiche Recht und die gleiche Verantwortung der Ehegatten bei der Ausgestaltung ihres Ehelebens ab.87 Kommen den Ehegatten bei der Ausgestaltung des Ehelebens gleiche Rechte zu und tragen sie dieselbe Verantwortung, so folge hieraus auch die Gleichwertigkeit der Leistungen, die sie im Rahmen der in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen. Gleichwertigkeit soll nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hierbei ausdrücken, dass die von Ehegatten für die eheliche Gemeinschaft jeweils erbrachten Beiträge gerade unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung gleichgewichtig sind und wegen Art. 3 Abs. 2 GG kein Beitrag eines Ehegatten höher oder niedriger bewertet werden darf als der des anderen.88 Bei dem Halbteilungsprinzip handelt es sich mithin nicht um einen ökonomischen Aufteilungsmaßstab, sondern viel eher um einen rechtlichen – besonders verfassungsrechtlich gerechtfertigten – Wertmesser. Wie das Teilhabeprinzip ist auch der korrespondierende Halbteilungsgedanke international weit verbreitet und wird – mit einer ähnlichen Begründung, wie der vorstehenden – als Aufteilungsmaßstab von der Mehrzahl der Güterrechtsordnungen angewendet. Er ist jedoch nicht alternativlos, wie ein kurzer rechtsvergleichender Blick bereits an dieser Stelle zeigt.89 So ist zum einen eine andere pauschalierende Aufteilungsquote vorstellbar, wie sie (in Europa) allerdings nur Griechenland vorsieht. Die Ehegatten partizipieren hier grundsätzlich zu einem Drittel an dem während der Ehe eingetretenen Vermögenszuwachs des jeweils anderen, wobei die Aufteilungsquote als widerlegliche Vermutung (zugunsten oder zulasten des teilhabeberechtigten Ehegatten) ausgestaltet ist.90 Einen gänzlich anderen Ansatz 85 Zur Kritik am Halbteilungsprinzip siehe D. Coester-Waltjen, in: Gernhuber / CoesterWaltjen, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 33 Rn. 3 („Ausdruck idealisierender Tendenzen“); K. Muscheler, Familienrecht, 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 336 („rechtspolitisch nicht zu rechtfertigen“). Für die Erbschaftsbesteuerung ist dies allerdings ohne Relevanz. 86 Nach D. Balzer existiert lediglich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Halbteilung, ders., Zugewinnausgleich und Unterhalt, S. 35. 87 Siehe näher oben S. 51 ff. m. w. N. 88 So ausdrücklich BVerfG v. 5. 2. 2002 – 1 BvR 105/95 u. a., BVerfGE 105, 1 Rn. 33. 89 Siehe näher unten unter Abschn. § 3 C. 90 Vgl. an dieser Stelle nur Art. 1400 GR-ZGB.
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verfolgen hingegen die common law-Rechtsordnungen und auch Österreich. Diese Rechtsordnungen kennen keine pauschale Regelung der Vermögensaufteilung, sondern beruhen auf den Grundsätzen der Billigkeit (equity) und Einzelfallgerechtigkeit. Dies bedeutet, dass der Umfang der Vermögensteilhabe von den tatsächlichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen in der konkreten Ehe abhängt. In der Praxis führt auch dieser Billigkeitsmaßstab – worauf noch näher einzugehen sein wird – regelmäßig zu einer hälftigen Aufteilung des Vermögens bzw. -zuwachses zwischen den Ehegatten, da als gewichtiger (Ermessens-)Faktor regelmäßig die gleichwertigen Arbeitsleistungen beider Ehegatten zu berücksichtigen sind.91 2. Legitimation Die Prinzipien der Zugewinngemeinschaft sind bisher (lediglich) in idealisierter Form und ohne Berücksichtigung der vielfältig möglichen Formen ehelichen Zusammenlebens entfaltet worden. Wie bereits angedeutet, ist die Legitimität der Zugewinngemeinschaft auch auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG nicht unumstritten. Bisweilen wird eingewendet, dass die Regelungen des Zugewinnausgleichs in all solchen Fällen über die teleologischen Grundlagen des verfassungsrechtlichen Teilhabeanspruchs hinausgingen, in denen eine dem Ehetyp der Alleinverdienerehe entsprechende Aufgabenteilung zwischen den Ehegatten nicht stattgefunden habe.92 Die Auffassungen zur Legitimation der Zugewinngemeinschaft und geeignetsten Teilungsgröße haben sich vor diesem Hintergrund in der Geschichte des Güterrechts erheblich gewandelt und werden heute nicht selten kumulativ angeführt. So wurde in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Ausgleich ehezeitlicher Vermögenszuwächse mit der Gleichwertigkeit der Arbeitsleistungen des Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernehmenden Ehegatten gerechtfertigt, der dem anderen Partner die volle Teilhabe am Berufsleben ermögliche und damit mittelbar auch dessen Vermögenszuwachs mitverursache. In den siebziger Jahren setzte der Wandel der Geschlechterrollen und Paarbeziehungen den Gedanken des Nachteilsausgleichs an die erste Stelle der Legitimationskonzepte.93 Der Zugewinnausgleich wurde als eine Kompensationszahlung für ehebedingten Erwerbsverzicht bzw. ehebedingte Nachteile begriffen. Dahinter steht die Überlegung, dass der Ehegatte, der zugunsten der ehelichen Lebensgemeinschaft auf einen eigenen Erwerb (ganz oder teilweise) verzichtet und hierdurch Nachteile in seiner Erwerbsbiographie erlitten hat, durch die Teil-
91 Wie derartige Fälle im deutschen Erbschaftsteuerrecht, das den Halbteilungsgedanken grundsätzlich in seiner Reinform verwirklicht, zu behandeln sind, ist bislang weithin unklar. Siehe im Einzelnen unten Abschn. § 6 C. 92 Vgl. z. B. BGH v. 21. 11. 2012 – XII ZR 48/11, FamRZ 2013, 269 Rn. 23; K. Muscheler, Familienrecht (4. Aufl. 2017), Rn. 336. 93 Zu dem Wandel der Rollenbilder in der Geschichte des Güterrechts siehe ausführlich S. Meder, Grundprobleme und Geschichte, S. 11 ff.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
habe am Vermögenserwerb des anderen entschädigt werden soll.94 Die moderne Güterrechtstheorie hat seit Ende des 20. Jahrhunderts zunehmend den Gedanken des gemeinschaftlichen Konsums bzw. -verzichts aufgegriffen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Beobachtung von Battes, dass die eheliche Lebensgemeinschaft in ökonomischer Hinsicht überwiegend durch gemeinsamen Konsum (und nicht gemeinsamen Erwerb) gekennzeichnet sei (Konsumgemeinschaft).95 Der Zugewinnausgleich sei mithin als Ausgleich für die rechtlich ungleichmäßige Verteilung konsumierbaren Vermögens zu verstehen, das die Ehegatten aufgrund sparsamen Verhaltens in der Ehe nicht verbraucht haben.96 In heutigen Begründungsansätzen wird demgegenüber wieder mehrheitlich auf einen allgemeinen Gedanken der Mitverursachung von Vermögensvorteilen abgestellt, wobei verschiedene Arten und Formen der Mitverursachung vorstellbar sind.97 Mitverursachung wird hierbei zudem nicht im Sinne eines konkreten ökonomischen Kausalzusammenhangs verstanden, sondern viel eher normativ typisierend.98 Nicht selten werden die verschiedenen Ansätze heute auch miteinander kombiniert.99 Der theoretischen Überzeugung, dass es überhaupt ein einheitliches Konzept für die Legitimation ehezeitlicher Vermögensteilhabe gibt, entspricht die Idee, eine für alle Ehen sachgerechte Ordnung der vermögensrechtlichen Verhältnisse in einem gesetzlichen Güterstand treffen zu können. Wie bereits (kurz) angedeutet, ist dies jedoch keine Selbstverständlichkeit und das Konzept eines gesetzlichen Güterstands auch nicht in jeder Rechtsordnung vorhanden. So lehnen die common law-Rechtsordnungen einen gesetzlichen Güterstand sogar als unangemessen ab, da er keine Gerechtigkeit im Einzelfall herbeizuführen vermag.100 Das bedeutet allerdings nicht, dass im Fall der Ehebeendigung keine Vermögensteilhabe zwischen Ehegatten stattfände. Die Vorstellung gleichwertiger ehezeitlicher Arbeitsleistungen, die es mit Beendigung der Ehe zu vergüten gilt, ist vielmehr auch im common law existent. Für die hier interessierende Frage nach dem methodischen Fundament der (internationalen) Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs kann damit an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Mitverursachungsgedanke (im weitesten Sinne) ein wesentlicher Grund für die Teilhabe von Ehegatten am ehezeitlichen Vermögenszuwachs ist.
94
Vgl. M. Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 180 f.; D. Schwab, Vermögensausgleich bei Trennung und Scheidung, S. 33 (38). 95 Vgl. R. Battes, FuR 1990, 311 (314); ders., in: FS Beitzke, S. 49 (54 ff.). 96 Vgl. R. Battes, FuR 1990, 311 (314); ders., in: FS Beitzke, S. 49 (55). 97 Vgl. N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 88 f.; S. Meder / C .-E. Mecke, RW 2014, 1 (15 ff.). 98 Vgl. N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 88 f.; S. Meder / C .-E. Mecke, RW 2014, 1 (15 ff.). 99 So z. B. N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 90. 100 Vgl. J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (646).
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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3. Modifizierte Zugewinngemeinschaft Praktisch ebenso relevant sind Situationen, in denen Ehegatten die gesetzliche Zugewinngemeinschaft durch ehevertragliche Abreden an ihren gemeinsamen Lebenszuschnitt anpassen, indem sie bspw. den an sich bestehenden Zugewinnausgleichsanspruch erweitern, modifizieren, ausschließen oder durch eine andere Lösung ersetzen („modifizierte Zugewinngemeinschaft“).101 Die Wirkungen, die mit einer modifizierten Zugewinngemeinschaft hierbei erzeugt werden können, sind ganz unterschiedlich. Dementsprechend heterogen können die Gründe für ihre Vereinbarung sein. Denkbar ist auch, dass die (wirtschaftlichen oder privaten) Motive der Ehegatten für den Abschluss eines dahingehenden Ehevertrags im Verlauf der Ehe einen Wandel erfahren. So steht zu Beginn einer Ehe regelmäßig der Schutz von Vermögensinteressen im Vordergrund, die durch den Zugewinnausgleich bei Ehescheidung beeinträchtigt werden könnten (Asset Protection). Zur Absicherung des Scheidungsrisikos wird die Zugewinngemeinschaft in solchen Fällen häufig dergestalt modifiziert, dass der Zugewinnausgleich (nur) bei Ehescheidung ausgeschlossen oder auf einen Höchstbetrag begrenzt ist oder bestimmte Vermögensteile – speziell unternehmerisches Vermögen – bei der Berechnung des Zugewinns außer Ansatz bleiben.102 Die Vereinbarung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft ist dem Güterstand der Gütertrennung dabei in aller Regel wirtschaftlich vorteilhafter, da im Erbfall die steuerlichen Vorteile der Vorschrift des § 5 (Abs. 1) ErbStG erhalten bleiben können. Verwirklicht sich das Scheidungsrisiko mit zunehmender Ehedauer hingegen nicht, steht regelmäßig der Wille, die Voraussetzungen für eine steuergünstige Vermögensnachfolge (auch) mithilfe der modifizierten Zugewinngemeinschaft zu schaffen, im Fokus von ehevertraglichen Gestaltungen. Der Ehevertrag kann dann auch dazu dienen, im Vorgriff auf den Erbfall Regelungen zu erbrechtlichen Zwecken zu treffen, etwa indem Vereinbarungen über die Höhe des Anfangs- oder Endvermögens eines oder beider Ehegatten, die Teilungsquote, die Bewertung oder den Zeitraum für die Ermittlung des Zugewinns geschlossen werden. Ehegatten, die nicht bzw. nicht seit dem Beginn ihrer Ehe in dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, kann es (noch im hohen Alter) angeraten sein, die (modifizierte) Zugewinngemeinschaft mittels Ehevertrags rückwirkend zu begründen. Für die rückwirkende Begründung kann zivilrechtlich sogar ein Datum vor der Eheschließung einvernehmlich bestimmt und das Zugewinnausgleichsvolumen somit (zusätzlich) erhöht
101 Ehegatten machen von der Möglichkeit zur ehevertraglich abweichenden Gestaltung der Zugewinngemeinschaft in der Praxis nur selten Gebrauch. Nach der empirischen Studie von J. Baumgarten / H. Houben haben lediglich 0,6 % der Ehegatten in Deutschland ehevertragliche Regelungen getroffen, wobei in dieser Prozentzahl unter anderem auch Regelungen zu gemeinsamen Darlehen, Schenkungen und Erbverträgen mitenthalten sind, siehe dies., StuW 2014, 116 (123) sowie oben S. 45 Fn. 47. 102 Vgl. G. Langenfeld / L . Miller, in: Langenfeld / Miller, HdB Eheverträge (8. Aufl. 2019), § 12 II., III.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
werden.103 Ungeklärt ist, ob und inwieweit außenstehende Dritte (z. B. Finanzbehörden, Pflichtteilsberechtigte, sonstige Gläubiger) eine solche rückwirkende Vereinbarung gegen sich geltend lassen müssen.104 Die eigentlich bestehende Zivilrechtslage wird in Fällen der modifizierten Zugewinngemeinschaft ehevertraglich überlagert. Aus zivilrechtlicher Sicht sind Eheverträge wirksam und greifen in dem Verhältnis von Ehegatten zueinander somit durch, wenn sie sich in den weiten Grenzen der Ehevertragsautonomie halten. Eine andere Frage ist jedoch die nach den (erbschaft-)steuerrechtlichen Folgen ehevertraglichen Gestaltens. Grundsätzlich werden (Ehe-)Verträge zwischen Ehegatten auch der Besteuerung zugrunde gelegt, weil die Freiheitsgrundrechte beider Ehepartner gleichsam für deren steuerrechtliche Anerkennung streiten (Art. 3 Abs. 1; 6 Abs. 1 GG).105 Dies gilt grundsätzlich auch im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG.106 Jedoch reicht die ehevertragliche Gestaltungsfreiheit von Ehegatten in Bezug auf den Zugewinnausgleich besonders weit und der typischerweise zwischen Ehegatten fehlende natürliche Interessengegensatz birgt hier die Gefahr eines Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch Ehegatten (etwa durch die vertragliche Erhöhung des Zugewinnausgleichsvolumens nur zu Erbschaftsteuerzwecken) in besonderem Maße.107 Das Bundesverfassungsgericht hat – im Bereich der Ertragsteuern – daher wiederholt entschieden, dass an die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Ehegatten strenge Anforderungen gestellt werden dürfen.108 Im Jahr 1989 hat der Bundesfinanzhof der erbschaftsteuerlichen Anerkennungsfähigkeit von Ehevertragsgestaltungen so denn auch Grenzen dort gesetzt, wo einem Ehegatten durch den Ehevertrag eine „überhöhte
103
So die heute herrschende Meinung; siehe C. Budzikiewicz, in: Erman BGB (16. Aufl. 2020), § 1374 Rn. 1a; E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1374 Rn. 46; B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1374 Rn. 49; andere Ansicht D. Coester-Waltjen, in: Gernhuber / Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Auf. 2020), § 36 Rn. 32. 104 Im Erbschaftsteuerrecht kommt eine Rückwirkung in dem Sinn, dass durch die Rückdatierung des Anfangsvermögens auch der Zeitpunkt für die Ermittlung der nicht steuerbaren Ausgleichsforderung zurückverlegt wird, nur begrenzt in Betracht, siehe im Einzelnen unten unter Abschn. § 5 C. IV. 1. c) dd) und § 5 C. IV. 2. e) aa). 105 Vgl. BVerfG v. 24. 1. 1962 – 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290; v. 8. 7. 1963 – 1 BvR 319/60, BVerfGE 16, 241; v. 22. 7. 1960 – 1 BvR 285/66, BVerfGE 29, 104 = BStBl. II 1970, 652; v. 7. 11. 1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34; v. 19. 12. 1995 – 2 BvR 1791/92, NJW 1996, 834. 106 Vgl. BFH v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739 sowie im Einzelnen unten unter Abschn. § 5 C. IV. 2. e) aa). 107 Nach T. Koller ist in Bezug auf zivilrechtliche Institute eine umso größere steuergerechtigkeitsbezogene Skepsis geboten, umso weniger Bindewirkung dieses entfaltet und umso größer die zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit ist, vgl. ders., Privatrecht und Steuerrecht, S. 396, 402. Siehe zu diesem Gedanken auch unten Abschn. §5 C. IV. 2. e) aa). 108 BVerfG v. 14. 4. 1959 – 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57, BVerfGE 9, 237 Rn. 31; v. 24. 1. 1962 – 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 Rn. 45; v. 24. 1. 1962 – 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318 = BStBl. I 1962, 506 Rn. 28; v. 26. 11. 1964 – 1 BvL 14/62, BVerfGE 18, 257 Rn. 31; v. 7. 11. 1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 Rn. 21.
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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Ausgleichsforderung“ verschafft werden soll.109 Für Fälle des § 5 Abs. 2 ErbStG gilt dies nach wie vor (vgl. R E 5.2 Abs. 2 S. 2 ff. ErbStR 2019)110. Zusätzlich unterscheidet die Finanzverwaltung danach, ob mit der Vereinbarung in erster Linie erbrechtliche (und nicht güterrechtliche) Wirkungen herbeigeführt werden sollen. Im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG wurde die (ungeschriebene) Grenze der überhöhten Ausgleichsforderung demgegenüber durch die Einfügung der Sätze zwei und vier mit dem Steuermissbrauchsbekämpfungsgesetz111 im Jahr 1993 abgelöst. Danach bleiben ehevertragliche Abreden in Situationen, in denen die Zugewinngemeinschaft durch Tod beendet wird und zivilrechtlich kein rechnerischer Zugewinnausgleich erfolgt, generell unbeachtlich. Über die Hintergründe dieser gesetzgeberischen Differenzierung ist (bis heute) wenig bekannt.112 Damit kann an dieser Stelle zunächst festgehalten werden, dass Ehegatten die gesetzliche Zugewinngemeinschaft und deren Ausgleichsmodalitäten aufgrund der (weitreichenden) Ehevertragsautonomie auf unterschiedlichste Weise modifizieren können und dies auch erbschaftsteuerlich grundsätzlich beachtlich ist. Wird die Zugewinngemeinschaft allerdings durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn zugunsten des überlebenden Teils nicht rechnerisch ausgeglichen, ist de lege lata (nur) ein Betrag im gesetzlichen Regelungsumfang von der Erbschaftsteuer befreit. Insbesondere bei Unternehmereheverträgen, bei denen regelmäßig bestimmte (unternehmerische) Vermögensteile aus dem Endvermögen des Unternehmerehegatten ausgenommen sind, kann sich die erbschaftsteuerliche Unbeachtlichkeit der modifizierten Zugewinngemeinschaft damit sogar vorteilhaft auswirken. In allen anderen Fällen gilt dagegen die erbschaftsteuerliche Grenze der überhöhten Ausgleichsforderung, auf deren inhaltliche Reichweite noch einzugehen sein wird.113
III. Der Zugewinnausgleich als Rechtsinstitut 1. Der Zugewinnausgleich als Grundlage für die Teilhabe am Vermögenszuwachs eines Ehepartners Nach der Darstellung der Grundlagen hinsichtlich des Rechts der Zugewinngemeinschaft kann zunächst als gesicherte Erkenntnis gelten, dass der Zugewinnausgleich im einfach-güterrechtlichen Gesamtgefüge die Funktion hat, das (nacheheliche) Prinzip der Vermögensteilung zu verwirklichen, d. h. eine Teilhabe am Vermögen oder Vermögenszuwachs eines Ehepartners nach Beendigung der 109
BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897 Rn. 16. Teilweise ist in den Erbschaftsteuerrichtlinien auch von einer „erhöhten“ Ausgleichsforderung die Rede. 111 Steuermissbrauchsbekämpfungsgesetz v. 21. 12. 1993, BGBl. I 1993, 2310. 112 Siehe im Einzelnen unten unter Abschn. § 5 C. IV. 1. 113 Zu den Einzelheiten siehe unten unter Abschn. § 5 C. IV. 2. e) bb). 110
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
Zugewinngemeinschaft auch praktisch zu vermitteln. Der Zugewinnausgleich ist damit durch Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich legitimiert. Da ein bestimmter Inhalt des Teilhabeprinzips durch das Grundgesetz selbst nicht vorgegeben wird, ist es auf eine inhaltliche Ausgestaltung durch den einfachen Zivilrechtsgesetzgeber angewiesen. Diesem kommt bei der Ausgestaltungsentscheidung ein (weiter) Gestaltungsspielraum zu, der vor allem daraus resultiert, dass vielfältige Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit existieren, die den Schluss auf einen die Teilhabe rechtfertigenden Mitverursachungsbeitrag eines Ehegatten zulassen. Dies erklärt unter anderem auch die – insbesondere in den Einzelheiten enorme – Vielfalt in der internationalen Güterrechtslandschaft.114 Vor allem bei der Auswahl und Festlegung des teilhabepflichtigen Vermögens dürfte dem (jeweiligen) Zivilrechtsgesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zustehen. Entsprechende gesetzgeberische Freiheiten bestehen auch bei der Ausformung des Teilhabesystems im Einzelnen, da sich hier häufig ebenfalls mehrere rechtstechnische Anknüpfungspunkte für eine ehegerechte Teilhabe finden lassen. So verwirklicht ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch das Teilhabeprinzip im Grundsatz ebenso wie eine dingliche Mitberechtigung des teilhabeberechtigten Ehegatten, wobei Letzteres von der gesetzlichen Konstruktion her etwas qualitativ anderes als eine (nur) schuldrechtliche Rechtsteilhabe ist.115 Entschließt sich der Zivilrechtsgesetzgeber (wie im deutschen Recht) zulässigerweise für eine (prozentuale) Pauschalierung vermögensmäßiger Teilhabe,116 dürfte die Halbteilung wegen der Gleichwertigkeit der von den Ehegatten erbrachten Beitragsleistungen (Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG) demgegenüber verfassungsrechtlich verbindlich sein. Ganz generell sind die Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit in Bezug auf den gesetzlichen Güterstand vor allem mit dem Schutzauftrag der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der partnerschaftlichen und gleichberechtigten Ehe (Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG) gesetzt.117
114
Siehe hierzu bereits einleitend § 1 B. und C. sowie im Einzelnen § 3 C. Güterrechtssysteme, die auf einem schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch basieren, führen in den Worten von A. Röthel zu einem „dinglichen Gefälle“ zwischen den Ehegatten in Bezug auf den ehezeitlichen Vermögenszuwachs und stießen sich daher an der Vorstellung der Gleichwertigkeit der beiderseitigen (Arbeits-)Leistungen von Ehegatten, vgl. dies., Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, Göttingen, S. 57 (65 ff, 67). 116 Vorstellbar – und in verschiedenen internationalen Güterrechtsordnungen (insbesondere im common law sowie in Österreich) verbreitet – ist auch, dass die Vermögensteilung nicht nach einer festen (gesetzlichen) Quote erfolgt, sondern von Fall zu Fall. Maßstab ist in solchen Fällen die einzelfallgerechte Vermögensteilhabe nach Billigkeitsgesichtspunkten. Können sich die Ehegatten über die Vermögensteilung nicht einigen, entscheidet häufig ein Richter über den Umfang der Vermögensteilhabe. Hierbei handelt es sich regelmäßig um eine Ermessensentscheidung, in die verschiedene Faktoren einfließen können. Zu den Einzelheiten vgl. unten unter Abschnitt § 3 C. 117 Vgl. D. Leipold, NJW 2011, 1179 (1180). 115
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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Von dem ihm eröffneten Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 1371 ff. BGB Gebrauch gemacht. Zu seiner grundlegenden Ausgestaltungsentscheidung gehört ein zweispuriges (Ausgleich-)System, das hinsichtlich des technischen Teilungsmodus danach unterscheidet, ob die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten oder auf eine andere Weise beendet wird. Im Fall einer Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten soll eine pauschale Auseinandersetzung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens dadurch erfolgen, dass der sich aus der Beendigung der Zugewinngemeinschaft ergebende Nachteil durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten ausgeglichen wird (Erbteilerhöhung, § 1371 Abs. 1 BGB), ohne dass es einer exakten Feststellung über Bestand und Wert des ehezeitlichen Vermögenszuwachses bedarf. Wird die Zugewinngemeinschaft auf eine andere Weise beendet oder wird der überlebende Ehegatte im Todesfall nicht gesetzlicher oder testamentarischer Erbe bzw. Vermächtnisnehmer,118 erfolgt demgegenüber ein exakter rechnerischer Ausgleich des beiderseitigen ehezeitlichen Vermögenszuwachses nach den §§ 1373 bis 1390 BGB. Das Erbschaftsteuergesetz greift diese Unterscheidung des Zivilrechtsgesetzgebers auf und richtet hiernach die – unterschiedlichen – Besteuerungsfolgen. 2. Ausgestaltung des Zugewinnausgleichs im einfachen (deutschen) Recht a) Teilungsvermögen Die erste (wichtige) Ausgestaltungsentscheidung des einfachen Gesetzgebers betrifft die Frage nach dem Umfang des teilhabepflichtigen Vermögens. Denkbar ist zum einen, dass sich die Teilhabe im gesetzlichen Güterstand auf das gesamte, d. h. auch voreheliche, Vermögen beider Ehegatten bezieht.119 Dann bedarf sie (insoweit) einer anderweitigen Legitimation, denn die bisher vorgestellten Begründungsmodelle beziehen sich in erster Linie auf während des Güterstands geleistete Mitverursachungsbeiträge bzw. (Erwerbs-)Verzichte der Ehegatten. Denkbar ist zum anderen, dass das Teilungsvermögen (nur) während der Zugewinngemeinschaft eingetretene Vermögensmehrungen umfasst, da nur diese (pauschaliert) als mitverursacht gelten können. Für Letzteres hat sich der deutsche Gesetzgeber entschieden: Die Teilhabe erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Vermögensbzw. Wertzuwächse, die während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft in der Vermögensphäre eines Ehegatten eintreten. Technisch definiert wird das Tei 118
Zu den verschiedenen Beendigungskonstellationen und dem Zugewinnausgleich in diesen Fällen siehe Abschn. § 2 C. III. 4. 119 Insbesondere in den skandinavischen Rechtskreis bezieht sich die Teilhabe im gesetz lichen Güterstand regelmäßig auch auf das (gesamte) voreheliche Vermögen beider Ehegatten, sofern sie ehevertraglich nichts Abweichendes bestimmen.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
lungsvermögen daher als „der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt“ (Zugewinn, § 1373 BGB). Von der Vermögensteilhabe gesetzlich ausgenommen ist somit das Vermögen, das einem Ehegatten bei Eintritt des Güterstands gehört (§ 1374 Abs. 1 BGB) sowie zudem bestimmte Vermögensmehrungen während des Güterstands, zu denen der andere Ehegatte nichts beigetragen haben kann, d. h. die eheneutral sind. Hierunter fällt nach der Vorstellung des Gesetzgebers solches Vermögen, das ein Ehegatte von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt (§ 1374 Abs. 2 BGB).120 Hierin bis zur Güterstandbeendigung eintretende (Verkehrs-)Wertsteigerungen sind nach der gesetzlichen Konzeption allerdings wiederum Bestandteil des Teilungsvermögens. Die Ehegatten sollen damit grundsätzlich an allem, was sie während der Ehe hinzuerworben haben, bei Beendigung des Güterstands einen (wertmäßig gleichen) Anteil haben. Hingewiesen sei an dieser Stelle bereits darauf, dass der deutsche Gesetzgeber mit seiner Ausgestaltungsentscheidung über die Teilhabekonzepte einiger anderer Güterrechtsordnungen hinausgeht, die das teilhabepflichtige Vermögen zum Teil enger an einen Mitverursachungsbeitrag der Ehegatten anknüpfen.121 So gehören bspw. zu dem teilhabepflichtigen Vermögen (Errungenschaft) in der schweizerischen Errungenschaftsgemeinschaft vor allem der Arbeitserwerb, Erwerbsersatz sowie entgeltlich erworbene Vermögenswerte (Art. 197 CH-ZGB). In der griechischen Zugewinngemeinschaft haben die Ehegatten die Möglichkeit nachzuweisen, dass sie in einem bestimmten Umfang zu dem Vermögenszuwachs des anderen Teils (konkret) beigetragen haben. Mit Blick auf die übergeordnete Fragestellung nach der Steuerneutralität der internationalen Vermögensteilhabe zwischen Ehegatten wirft dies zwangsläufig die (Folge-)Frage auf, in welchem Umfang der (gleich wie geartete) Ausgleich ehezeitlicher Vermögenszuwächse keine deutsche Erbschaftsteuer auslöst.122 b) Teilhabezeitraum Mit der inhaltlichen Ausgestaltung des teilhabepflichtigen Vermögens in engem Zusammenhang steht die soeben bereits angerissene Frage nach dem Zeitraum, auf den sich die Vermögensteilhabe zwischen den Ehegatten beziehen soll. Der 120 Sog. privilegiertes Anfangsvermögen. Der gesetzliche Regelungsumfang des privilegierten Anfangsvermögens wird häufig als zu schematisch und dem Grundgedanken des Zugewinnausgleichs widersprechend kritisiert, da bspw. Lotteriegewinne oder Schmerzensgeldansprüche bzw. -zahlungen eines Ehegatten, zu denen der andere Teil ebenfalls nichts beigetragen haben kann, ausgleichspflichtig sind, siehe näher N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 92 ff. Der BGH steht einer ausdehnenden Anwendung der Vorschrift allerdings ablehnend gegenüber, vgl. BGH v. 27. 5. 1981 – IVb ZR 577/80, BGHZ 80, 384. 121 Vgl. A. Röthel, Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 57 (69 f.). 122 Siehe hierzu im Einzelnen unten unter Abschn. § 6 B. IV und VI.
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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Gesetzgeber hat sich in §§ 1363 Abs. 2 S. 2; 1373 BGB für die gesamte (recht liche) Dauer der Zugewinngemeinschaft entschieden, welche im Zweifel mit der Ehezeit übereinstimmt. Dies bedeutet, dass die Ehegatten grundsätzlich an allem, was der andere nach dem Eintritt der Zugewinngemeinschaft bis zu deren Beendigung hinzuerwirbt, teilhaben. Hatten die Ehegatten zunächst einen anderen (Vertrags-)Güterstand vereinbart und begründen sie die Zugewinngemeinschaft erst im Verlauf ihrer Ehe, so partizipieren die Ehegatten grundsätzlich (nur) an dem ab dem Tag des (notariellen) Vertragsabschlusses eintretenden Vermögenszuwachs. Die in § 1408 Abs. 1 BGB statuierte Ehevertragsautonomie lässt es jedoch zu, dass die Ehegatten den Beginn und beziehungsweise oder das Ende des Teilhabezeitraums (wie auch den Umfang des Teilhabevermögens) durch einen Ehevertrag disponibel gestalten. Den Ehegatten steht es nach der herrschenden Meinung insbesondere frei, für den Beginn des Teilhabezeitraums einen Stichtag noch vor der Eheschließung ehevertraglich zu bestimmen und somit auch voreheliche Vermögenswerte in das Teilungsvermögen miteinzubeziehen.123 Eine solche rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft (bspw. auf den Tag der Eheschließung) kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft erst im Verlauf ihrer Ehe vertraglich begründen. Darüber hinaus können die Ehegatten das Anfangsvermögen auch wertmäßig auf einen bestimmten Betrag fixieren. Tun sie dies nicht, und haben sie kein Verzeichnis über den Bestand und den Wert des einem Ehegatten gehörenden Anfangsvermögens im Sinne § 1377 Abs. 1 BGB aufgenommen, wird im Zivilrecht vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten auch den Zugewinn darstellt (§ 1377 Abs. 3 BGB). Diese widerlegliche „Null-Vermutung“124 hat eine Erleichterungsfunktion für das Zugewinnausgleichverfahren,125 da die Ermittlung des Bestands und Werts der Anfangsvermögen vor allem bei langer Ehedauer häufig mit praktischen (Beweis-) Schwierigkeiten verbunden ist. Das Endvermögen eines Ehegatten ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Beendigung der Zugewinngemeinschaft zu ermitteln, wobei wiederum eine vertragliche Stichtagsverschiebung oder ziffernmäßige Festlegung des einem Ehegatten bei Güterstandbeendigung gehörenden Vermögens möglich ist.
123
Vgl. C. Budzikiewicz, in: Erman BGB (16. Aufl. 2020), § 1374 Rn. 1a; E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1374 Rn. 46; B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1374 Rn. 49; andere Ansicht D. Coester-Waltjen, in: Gernhuber / Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 36 Rn. 32. 124 So E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1377 Rn. 22 ff. 125 Vgl. BT-Drs, 2/224, S. 45.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
c) Teilhabemaßstab Hat sich der deutsche Gesetzgeber demnach für eine Teilhabe am gesamten während der Zugewinngemeinschaft hinzuerworbenen Vermögen entschieden, so stellt sich im Weiteren die Frage nach dem Maßstab der Beteiligung. Bei dessen Ausgestaltung stehen dem (jeweiligen) Gesetzgeber wiederum mehrere Möglichkeiten offen. Zum einen kommt ein Teilhabemaßstab nach den persönlich-individuellen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der konkreten Ehe in Betracht. Ein solcher Maßstab hat (vor allem) den Vorteil, dass die mit einer Pauschalierung der Vermögensteilhabe zwangsweise verbundenen Defizite – insbesondere keine einzelfallbezogene Teilhabegerechtigkeit – vermieden werden können. Ein derartiger equity-Maßstab gilt in den meisten common law-Ländern, wo der erkennende Richter anhand verschiedener Kriterien über die Vermögensverteilung im Einzelfall entscheidet.126 Auch in Österreich findet eine Aufteilung des in der Ehe erworbenen Vermögens nach Billigkeit statt, wobei insbesondere das Gewicht und der Umfang der Beiträge jedes Ehegatten zu dem Hinzuerwerb des anderen zu berücksichtigen sind. Jedoch liegt es auf der Hand, dass ein derartiger Einzelfallmaßstab praktische Schwierigkeiten mit sich bringt und auch Spannungspotential birgt. Vorstellbar – und in den internationalen Güterrechtsordnungen verbreiteter – ist daher ein pauschalierender Teilhabemaßstab mit einer festen Quote (fixed shares). Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 1378 Abs. 1 BGB für eine solche schematische Teilhabe entschieden. Hiergegen bestehen aufgrund des weitreichenden gesetzgeberischen Gestaltungspielraums, der insbesondere das Recht zu Pauschalierungen umfasst, keine grundsätzlichen Bedenken. Jedoch dürfte die gewählte Halbteilungsquote wegen der verfassungsrechtlichen Gleichwertigkeit der von den Ehegatten erbrachten Beiträgen (Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG) hierbei die einzig zulässige gesetzliche Quotenregelung sein. Auch die weit überwiegende Zahl der internationalen Güterrechtsordnungen hat sich für einen Halbteilungsmaßstab entschieden. In Europa sieht lediglich das griechische Güterrecht eine (widerlegliche) Teilhabequote von nur einem Drittel vor, wobei jeder Ehegatte den Nachweis erbringen können, zu mehr oder weniger als einem Drittel zu dem Vermögenszuwachs des anderen Teils beigetragen zu haben. Der wesentliche Nachteil einer schematischen Teilhabe gegenüber den flexiblen Maßstabsformen besteht jedoch darin, dass der konkrete Umfang der Mitverursachung des Zugewinns durch die Leistungen der Ehegatten nicht berücksichtigt werden kann. Bei dem Halbteilungsmaßstab handelt sich vielmehr um einen bewusst pauschalierenden und normativen Maßstab, der den Ehegatten eine Teilhabe auch dann belässt, wenn sie zu dem Vermögenszuwachs des anderen Teils in der Lebenswirklichkeit nicht oder in geringerem Umfang beigetragen haben.
126
Zu Einzelheiten vgl. Abschn. § 3 C. III. 2.
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d) Teilhabemodus Die letzte von einem Zivilrechtsgesetzgeber zu beantwortende Frage geht dahin, ob das gesetzliche System zur Regelung des ehelichen Güterstands als dingliche Teilhabe am ehezeitlichen Vermögenszuwachs ausgestaltet sein soll oder ob der teilhabeberechtigte Ehegatte nur einen schuldrechtlichen Anspruch erlangt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch hat sich im Grundsatz für einen Geldanspruch entschieden. Ausweislich der Entstehungsgeschichte meinte man, dass sich die Abfindung bei Güterstandbeendigung in Geld leichter bewerkstelligen ließe als eine Naturalteilhabe und die Liquidierung des Güterstands aufgrund einer (aufgeschobenen) Gemeinschaft zwischen den Ehegatten.127 Die grundsätzlich in Geld zu erfüllende Ausgleichsforderung entsteht von Gesetzes wegen – d. h. ohne Zutun der Ehegatten – mit der Beendigung der Zugewinngemeinschaft (§ 1378 Abs. 3 S. 1 BGB) und bleibt auch dann bestehen, wenn der teilhabeberechtigte Ehegatte zeitlich hiernach verstirbt. Den Ehegatten steht es jedoch offen zu vereinbaren, dass die Ausgleichsforderung an Erfüllungs statt durch die Übertragung von Wirtschaftsgütern erfüllt werden soll. Damit ist die Zugewinngemeinschaft im deutschen Recht aber grundsätzlich nicht auf eine dingliche Teilhabe gerichtet, was sie von der insbesondere auch in Europa verbreiteten Errungenschaftsgemeinschaft unterscheidet. Die Mehrzahl der Güterrechtsordnungen hat sich für eine ding liche Mitberechtigung der Ehegatten bereits während des Güterstands, oder einen dinglichen Teilhabeanspruch bei Güterstandbeendigung, entschieden. An den nur schuldrechtlichen Wirkungen der deutschen Zugewinngemeinschaft ist gerade mit Blick auf die Vereinheitlichungsbestrebungen im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht in jüngerer Zeit Kritik geübt worden, die sich daran entzündet, dass weder während noch nach der Ehe eine dingliche Mitbeteiligung der Ehegatten entsteht, womit die Rechtsstellung des teilhabeberechtigten Ehegatten im deutschen Recht vergleichsweise schwach ausgestaltet ist.128 Der deutsche Zivilrechtsgesetzgeber weicht von diesem Grundsatz der nur schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten im gesetzlichen Güterstand allerdings ab, wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. Den Halbteilungsmaßstab und schuldrechtlichen Ausgleichsmodus ersetzt er für diesen Fall durch eine andere pauschalierende Regelung, das sogenannte (ding liche) Erhöhungsviertel. Hierunter ist die Verwirklichung des Zugewinnausgleichs durch eine pauschale Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft unabhängig davon zu verstehen, ob die Ehegatten im einzelnen Fall tatsächlich einen Zugewinn erzielt haben (§ 1371 Abs. 1 BGB). Hintergrund des Erhöhungsviertels ist zum einen die Annahme des Gesetzgebers, dass sich die Ausgleichsforderung im Erbfall nicht exakt ermitteln lässt, da der Eintritt der Zugewinngemeinschaft in solchen Fällen häufig eine längere Zeit 127
Vgl. BT-Drs. 2/224, S. 45. Vgl. A. Röthel, Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 57 (67 f.). 128
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zurückliegt.129 Vor allem den Erben eines verstorbenen Ehegatten wird es regelmäßig nicht möglich sein, Feststellungen über den Zugewinn (insbesondere das Anfangsvermögen) des Erblassers zu treffen. Zum anderen könnte eine Störung des Familienfriedens zu befürchten sein, wenn sich die (übrigen) Erben und der überlebende Ehegatte über die rechnerisch exakte Ausgleichsforderung auseinanderzusetzen haben. Diese mit einer rechnerischen Forderungsermittlung einhergehenden Probleme sollen durch das pauschale Erhöhungsviertel vermieden werden, von dem der Gesetzgeber annimmt, dass es tendenziell der güterrechtlichen Lage entspricht.130 Diese Einschätzung des Gesetzgebers wird in der Literatur gleich unter mehreren Gesichtspunkten als unzutreffend kritisiert und die Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB teils (sogar) als verfassungswidrig abgelehnt.131 Lediglich hingewiesen sei an dieser Stelle auf die – bereits aus sich heraus unstimmig anmutende – Regelung in § 1371 Abs. 1 Hs. 2 BGB,132 wonach die Erbteilerhöhung zu Zugewinnausgleichzwecken unabhängig davon erfolgt, ob der überlebende Ehegatte überhaupt den geringeren Zugewinn gemacht hat und den Erben des zuerst verstorbenen Ehegatten damit keinen Zugewinnausgleichsanspruch zubilligt.133 Hinzu kommt, dass der überlebende Ehegatte, dessen zu Zugewinnausgleichzwecken erhöhter (gesetzlicher) Erbteil neben Verwandten der ersten Ordnung ein Halb beträgt, genauso steht wie ein überlebender Ehegatte, der mit dem Erblasser in Gütertrennung verheiratet war und neben einem Kind des Erblassers als gesetzlicher Erbe berufen ist (§ 1931 Abs. 4 BGB). Auch in diesem Fall kann keine Rede von einer Verwirklichung des Zugewinnausgleichs durch § 1371 Abs. 1 BGB sein. Neben der Verwirklichung des Zugewinnausgleichs durch eine pauschale Erbteilerhöhung sind jedoch auch weiterhin Fälle denkbar, in denen der Zugewinn beim Tod eines Ehegatten durch die Gewährung einer schuldrechtlichen Ausgleichsforderung verwirklicht wird (§ 1371 Abs. 2 BGB).134 Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Zugewinnausgleichviertel bewusst ein (erbrechtliches) Instrumentarium gewählt, das zu einer Erweiterung der unmittelbaren dinglichen Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Vermögen des 129
Vgl. F. Massfeller / D. Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz, 1958, S. 141 f. Vgl. K. Muscheler, Erbrecht I, 2010, § 22 Rn. 1423. 131 Zur Kritik vgl. K. W. Lange, DNotZ 2010, 749; D. Leipold, NJW 2011, 1179. 132 Gelegentlich wird darauf hingewiesen, dass die Erhöhung des Anteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel, ohne dass ein tatsächlicher Zugewinn nachgewiesen werden muss, eine Art „Prämie“ für Ehen darstelle, die nicht zu Lebzeiten der Ehegatten beendet worden sind. Denn das Erhöhungsviertel steht dem überlebenden Ehegatten selbst dann zu, wenn überhaupt kein Zugewinn entstanden ist, da es sich um einen Bruchteil der Erbschaft (und nicht des Zugewinns) handelt. 133 Der Erbschaftsteuergesetzgeber folgt der Erbteilerhöhung in § 1371 Abs. 1 BGB seit einer Rechtsänderung des § 5 Abs. 1 ErbStG im Jahr 1974 nicht mehr, zur Historie siehe ausführlich unter Abschn. § 5 C. III. Nach dem hier entwickelten Verständnis des Zugewinnausgleichsteuerrechts weicht der Erbschaftsteuergesetzgeber in zulässiger Weise von dem zivilrechtlichen Regelungsgefüge ab, um spezifisch erbschaftsteuerrechtliche Prinzipien zu verwirklichen, siehe unter Abschn. § 5 C. IV. 1. c) aa). 134 Zu den verschiedenen Konstellationen vgl. Abschn. § 2 C. III. 4. 130
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Erblassers zu einem güterrechtlichen Zweck führt. Die Regelung in § 1371 Abs. 1 BGB nimmt unter den internationalen Erb- und Güterrechten damit jedoch eine gewisse Sonderstellung ein, was zu einer grundlegenden Diskussion über ihre internationalprivatrechtliche Verortung (Erb- oder Güterstatut) geführt hat.135 Die Frage kann seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Mahnkopf136 allerdings als geklärt angesehen werden: Für Erbfälle unter Geltung der EuErbVO (d. h. ab dem 17. 8. 2015) qualifiziert das Zugewinnausgleichviertel als erbrechtliche Regelung, d. h. es gelangt nur bei Geltung des deutschen Erbstatuts (Art. 22; 21 EuErbVO) zur Anwendung. In allen anderen (Alt-)Fällen bleibt es dagegen (wohl) bei der durch den Bundesgerichtshof137 im Jahr 2015 vorgenommenen güterrechtlichen Qualifikation,138 was zu einer insbesondere für die Praxis unerwünschten Zersplitterung der Normqualifikation geführt hat. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch zahlreiche andere Rechtsordnungen im Erbfall eine starke erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten vorsehen und einen güterrechtlichen Ausgleich im Gegenzug ausschließen.139 Fälle dieser Art werden unter spezifisch erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkten in dem abschließenden praktischen Güterstandvergleich behandelt.140 3. Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht In engem Zusammenhang mit der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Zugewinngemeinschaft steht die Frage nach der Unentgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs als Vermögensübertragungsvorgang im Zivilrecht. Diese ist vor allem unter zwei Aspekten von praktischer Bedeutung: Zum einen geht es um die Frage, ob pflichtteilsberechtigte Verwandte eines Erblassers, der innerhalb von zehn Jahren vor seinem Tod mithilfe des Zugewinnausgleichs Vermögen auf seinen Ehepartner übertragen hat, eine anteilige Ergänzung ihrer Pflichtteile nach der Regelung des § 2325 BGB verlangen können. Zum anderen geht es um die Frage, ob und über welchen Zeitraum Gläubiger eines haftungsgefährdeten bzw. insolventen Ehegatten die Übertragung potentiell haftenden Vermögens auf den anderen Teil zu Zugewinnausgleichszwecken anfechten können (§§ 2 ff. AnfG; §§ 129 ff. InsO).141 Aber auch 135
Einen umfangreichen Überblick über den Streitstand gibt BGH v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 Rn. 20 ff. 136 EuGH v. 1. 3. 2018 – Rs. C-558/16 – „Mahnkopf“, ABl. EU 2018, Nr. C 142, 9 = ZEV 2018, 205. 137 Grundlegend BGH v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289. 138 Nach OLG München v. 24. 9. 2019 – 31 Wx 326/18, ZEV 2019, 631 soll die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Mahnkopf“ für deutsche Nachlassgerichte nur in Verfahren bindend sein, in denen der Anwendungsbereich der EuErbVO eröffnet ist. 139 Siehe im Einzelnen unten unter Abschn. § 3 D. 140 Siehe Abschn. § 6 C. 141 BGH v. 17. 6. 1992 – XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 Rn. 11; v. 28. 5. 2009 – Xa ZR 9/08, WM 2009, 1760 Rn. 8; v. 13. 2. 2014 – IX ZR 133/13, NJW-RR 2014, 940 Rn. 14; v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 Rn. 17.
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unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten ist die Frage von (wenigstens mittelbarer) Relevanz, da ein entgeltlicher Vermögensübergang keine Erbschaftsteuer auslösen kann und der zivilrechtlichen Qualifikation aufgrund der Vorprägung der Erbschaftsteuer durch das Zivilrecht (zumindest) indizielle Wirkung zukommt.142 Im zivilrechtlichen (Rechts-)Sinne – wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch – wird eine Leistung als unentgeltlich angesehen, wenn ihr keine Gegenleistung gegenübersteht, d. h. dem Leistenden keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließt.143 Dabei steht der zivilrechtlichen Unentgeltlichkeit nicht nur eine synallagmatische oder kausale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung entgegen. Entgeltlich sind vielmehr auch solche Zuwendungen, die zur Erfüllung einer (rechtswirksamen) Verbindlichkeit erfolgen, da die dadurch bewirkte Befreiung von einer Verbindlichkeit einen Vermögensvorteil für den Leistenden darstellt. Gemessen hieran wird der Zugewinnausgleich von dem Bundesgerichtshof als ein entgeltlicher Vermögenszuwachs eingeordnet.144 Denn zum einen wird durch eine Zahlung auf die Zugewinnausgleichsschuld die Ausgleichsforderung des teilhabeberechtigten Ehegatten aus § 1378 Abs. 1 BGB erfüllt und der zum Ausgleich verpflichtete Ehegatte insoweit von einer Verbindlichkeit frei, d. h. seine Vermögensbilanz verkürzt. Zum anderen heißt es wörtlich: „Der Zugewinnausgleich [dient] nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen. Die jeweiligen Leistungen, die die Ehepartner im Rahmen ihrer innerfamiliären Arbeitsteilung erbringen, sind grundsätzlich als gleichwertig anzusehen.“145 Die Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht stützt der Bundesgerichtshof damit vor allem (auch) auf die teleologisch-verfassungsrechtlichen Grundlagen der Zugewinngemeinschaft. Aus der hierin zum Ausdruck kommenden Gleichwertigkeit der von den Ehegatten erbrachten (Arbeits-)Leistungen leitet er (umgekehrt) die Entgeltlichkeit des Vermögensübergangs ab. Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch bedeutet dies zunächst einmal, dass pflichtteilsberechtigte Verwandte wegen des Zugewinnausgleichs keine Ergänzung ihrer Pflichtteile um den Betrag verlangen können, um den sich der Pflichtteil erhöhen würde, wenn man das Zugewinnausgleichszwecken übertragene Vermögen dem Nachlass hinzurechnete. Gläubiger eines haftungsgefährdeten bzw. insolventen Ehegatten sind wegen der Entgeltseigenschaft berechtigt, den Vermögensübergang zu Ausgleichszwecken nur innerhalb der kürzeren Frist von zwei Jahren anzufechten (§ 3 Abs. 4 AnfG; § 133 Abs. 4 InsO).146 142 Zum (Un-)Entgeltlichkeitsbegriff im Erbschaftsteuergesetz und der Einordnung des Zugewinnausgleichs ins erbschaftsteuerliche Normgefüge, siehe Abschn. § 5 B. II. 2. 143 BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 Rn. 18 unter Verweis auf BGH v. 9. 10. 2013 – XII ZR 125/12, NJW 2013, 3642 Rn. 27; v. 16. 10. 2013 – XII ZB 277/12, NJW 2013, 3645 Rn. 19. 144 Vgl. BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 Rn. 17. 145 BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 Rn. 18. 146 Vgl. nur BGH v. 1. 7. 2010 – IX ZR 58/09, FamRZ 2010, 1548.
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Gänzlich unklar ist hingegen, ob und welche Folgewirkungen die zivilrechtliche Qualifikation des Zugewinnausgleichs als entgeltlicher Vermögenszuwachs für die Besteuerung ebendieser Teilhabe hat. Einigkeit dürfte darüber herrschen, dass der zivil- und erbschaftsteuerrechtliche (Un-)Entgeltlichkeitsbegriff nicht zwingend deckungsgleich sein müssen, sodass die Entgelteigenschaft im Zivilrecht keine notwendig Reflexwirkung auf die Steuerneutralität nach der Vorschrift des § 5 ErbStG zu haben braucht. Hierfür maßgebend ist vielmehr der (eigenständige) erbschaftsteuerrechtliche Unentgeltlichkeitsbegriff, auf den später – nämlich bei der Frage nach den Prinzipien der Zugewinnausgleichbesteuerung – zurückzukommen sein wird.147 4. Überblick über praxisrelevante Beendigungskonstellationen Aus den bisherigen Zusammenhängen folgt zugleich, dass die deutsche Zugewinngemeinschaft auf verschiedene Weisen – tatsächlich wie rechtlich – beendet werden kann. Eine Besonderheit im deutschen Recht besteht hierbei darin, dass sich die (unterschiedliche) technische Ausgestaltung der Teilhabe nach dem spezifischen Beendigungsgrund der Zugewinngemeinschaft richtet. Da das Zugewinnausgleichsteuerrecht vom Grundsatz her durch die Zivilrechtslage (vor-)geprägt wird, bedarf es –auch für Steuerzwecke – einer genaueren Analyse der möglichen Beendigungskonstellationen, um ermitteln zu können, wann und in welchem Umfang ein steuerneutraler Ausgleich des Zugewinns in Betracht kommt. Denn nicht immer ist ein Ausgleich ohne Steuerbelastung (vollständig) möglich. Es soll im Folgenden zwischen drei – besonders praxisrelevanten – Beendigungskonstellationen unterschieden werden:148 (1) Beendigung durch Tod eines Ehegatten, (2) Beendigung durch Ehescheidung, (3) Beendigung (nur) der Zugewinngemeinschaft durch Abschluss eines Ehevertrags (z. B. Vereinbarung von Gütertrennung). a) Beendigung durch Tod eines Ehegatten Nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes stellt die Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten – nach wie vor – den gesetzlichen Regelfall dar. Die Vermögensteilhabe (nur) für diesen Fall regelt § 1371 147
Näher unter Abschn. § 4 B. III. Neben den o.g. drei Beendigungskonstellationen endet die Zugewinngemeinschaft auch durch Eheaufhebung (§§ 1313 ff. BGB) oder vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft (§§ 1385 ff. BGB), für einen Überblick siehe z. B. G. Brudermüller, in: Palandt, BGB (80. Aufl. 2021), § 1363 Rn. 2; C. Budzikiewicz, in: Erman, BGB (15 Aufl. 2017), § 1363 Rn. 2. 148
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Abs. 1 bis 3 BGB. Der Zugewinnausgleich erfolgt demnach entweder über die sog. erb- oder güterrechtliche Lösung. Welcher Weg beschritten wird, hängt vor allem von der erbrechtlichen Stellung des überlebenden Ehegatten (Intestat- oder Testamentserbe bzw. Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigter) und auch von ökonomischen Erwägungen ab. Nicht selten besteht für den überlebenden Ehegatten auch eine (begrenzte) Wahlmöglichkeit zwischen:149 – dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bei Nichtvorliegen einer letztwilligen Verfügung (§§ 1931 Abs. 1; 1371 Abs. 1 BGB) bzw. der gewillkürten Erbfolge (kein Zugewinnausgleich) und – der Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses und der Geltendmachung des kleinen Pflichtteils – wenn kein (notarieller) Pflichtteilsverzicht erklärt wurde – und des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB. Möglich ist dieses Vorgehen wegen der Regelung in § 1371 Abs. 3 BGB, die zugunsten des überlebenden Ehegatten eine Ausnahme von dem allgemeinen pflichtteilsrechtlichen Prinzip enthält, dass bei Ausschlagung einer letztwilligen Zuwendung keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden können sollen.150 Hintergrund für die Ausnahmeregelung im Güterrecht ist, dass dem Ehegatten durch die gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge wirtschaftliche Vorteile abgeschnitten werden können, insbesondere wenn der Nachlass (überwiegend) aus zugewinnausgleichpflichtigem Vermögen besteht. Dem überlebenden Ehegatten soll mit § 1371 Abs. 3 BGB die Möglichkeit erhalten bleiben, seine güterrechtlichen Ansprüche isoliert geltend zu machen und im Rahmen der güterrechtlichen Lösung einen konkret berechneten Zugewinnausgleich zu erhalten. Bei dieser Entscheidung spielen häufig auch erbschaftsteuerrechtliche Erwägungen eine nicht unerhebliche Rolle. Haben die Ehegatten den Zugewinnausgleich bspw. ehevertraglich wirksam – gegenständlich oder betragsmäßig – begrenzt, so bleibt diese Beschränkung des Ausgleichsanspruchs (nur) in Fällen des § 5 Abs. 1 ErbStG erbschaftsteuerlich unberücksichtigt (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG). Ein etwaig über § 5 Abs. 1 ErbStG – gegenüber § 5 Abs. 2 ErbStG – zu erreichender Steuervorteil kann die Vorteile einer (taktischen) Erb- oder Vermächtnisausschlagung damit wieder aufwiegen. aa) Erbrechtliche Lösung Gemäß § 1371 Abs. 1 Hs. 1 BGB wird der Ausgleich des Zugewinns durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft verwirklicht, wenn die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines 149 Zur Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses als Gestaltungsinstrument für Ehegatten siehe ausführlich K. Dorn, DStR 2019, 2622. 150 Vgl. § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB sowie E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1371 Rn. 52.
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Ehegatten beendet wird (erbrechtliche Lösung). Für die Erbteilerhöhung ist es hierbei unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Fall einen Zugewinn erzielt haben (§ 1371 Abs. 1 Hs. 2 BGB). (1) Fall 1: Ehegatte wird Intestaterbe Dem überlebenden Ehegatten steht neben Verwandten des Erblassers ein gesetzlicher Erbteil nach § 1931 Abs. 1 BGB zu.151 Die Quote des Ehegatten eines intestat verstorbenen Erblassers wird durch den Güterstand (§ 1931 Abs. 3, 4 BGB) im Zeitpunkt des Erbfalls sowie die Ordnung bestimmt, der daneben erbberechtigte Verwandte angehören.152 Beispiel: A und B leben in Zugewinngemeinschaft. Ehevertragliche Vereinbarungen haben sie nicht getroffen. Bei Eheschließung verfügen beide Ehegatten über kein nennenswertes (Anfangs-)Vermögen. Die Ehegatten haben zwei gemeinschaftliche Kinder. 20 Jahre nach der Eheschließung verstirbt A ohne Testament. Zum Zeitpunkt seines Todes hat er ein Vermögen von 500.000 €. Der überlebende B verfügt über ein (End-)Vermögen in Höhe von 1 Mio. €. Lösung: B wird in Ermangelung einer Verfügung von Todes wegen kraft Gesetzes Erbe. Der daneben stattfindende Zugewinnausgleich wird hierbei nicht konkret berechnet, sondern wegen § 1371 Abs. 1 Hs. 1 BGB pauschal abgegolten (sog. erbrechtliche Lösung). Der gesetzliche Erbteil erhöht sich zu Zugewinnausgleichzwecken pauschal um ein Viertel der Erbschaft. Die Erhöhung erfolgt hierbei unabhängig davon, ob, in welcher Höhe und von wem tatsächlich ein Zugewinn erzielt worden ist (§ 1371 Abs. 1 H. 2 BGB). Die Erbquote von B wird im vorliegenden Fall somit erhöht, obwohl er keinen tatsächlichen Zugewinn beanspruchen könnte, sondern vielmehr umgekehrt den gemeinschaftlichen Kindern gegenüber ausgleichspflichtig wäre. Im Ergebnis erhält der überlebende Ehegatte somit die Hälfte der Erbschaft. Die Abkömmlinge teilen sich die andere Hälfte des Nachlasses. Die Erbteilerhöhung führt zu einer verstärkten dinglichen Nachlassbeteiligung des überlebenden Ehegatten und begründet nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung gegen die übrigen Erben. Der pauschale Ausgleich des Zu-
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Das gesetzliche Ehegattenerbrecht entspricht „deutscher Rechtstradition“ und findet seine Rechtfertigung nach allgemeiner Auffassung in der durch die eheliche Gemeinschaft begründeten engen Beziehung der Ehegatten zueinander sowie der Versorgung des überlebenden Ehegatten im Anschluss an den bisherigen Lebenszuschnitt innerhalb der Ehe, siehe D. Leipold, AcP 180 (1980), 160 (173); R. Zimmermann, RabelsZ 80 (2016), 39. 152 Im Einzelnen siehe R. Stürner, in: Jauernig, BGB (18. Aufl. 2021), § 1931 Rn. 2–4.
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gewinns im Erbfall soll der Wahrung des Familienfriedens („keine Rechnerei am Sterbebett“) und der Vereinfachung dienen. Etwaige Pflichtteilsansprüche des überlebenden Ehegatten – bspw. in den Fällen der §§ 2305; 2307 oder 2325 BGB –, von Kindern und anderen Pflichtteils berechtigten richten sich regelmäßig nach diesem um ein Viertel erhöhten Erbteil (großer Pflichtteil). § 1371 Abs. 1 BGB hat somit – zumindest mittelbar – auch zur Folge, dass Pflichtteilsansprüche des überlebenden Ehegatten steigen, während Pflichtteilsansprüche von Kindern (und anderer Pflichtteilsberechtigter) reduziert werden.153 (2) Fall 2: Ehegatte wird Testamentserbe oder Vermächtnisnehmer Die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB führt zu einer Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten, was impliziert, dass der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe sein muss.154 Im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist demgegenüber der Fall, dass ein Erblasser seinen überlebenden Ehegatten durch Verfügung von Todes wegen zum Erben einsetzt oder mit einem Vermächtnis bedenkt (sog. individual-erbrechtliche Lösung). Fortsetzung des Beispiels (Variante 1): Erblasser A setzt in einem Testament die beiden Kinder zu seinen Erben (zu gleichen Teilen) ein. Zugunsten von Ehegatten B ordnet er ein (Minimal-)Vermächtnis (Wert: 10.000 €) an. Lösung: Der Erblasser hat seinen überlebenden Ehegatten letztwillig bedacht. Dieser erhält somit (nur) das, was ihm als Erbe oder Vermächtnisnehmer zugedacht ist. Es kommt weder zu einer Erbteilerhöhung noch kann der rechnerische Zugewinnausgleich verlangt werden. Vielmehr gilt der Zugewinn durch die Teilhabe am Nachlass als ausgeglichen.155 Dem liegt die gesetzgeberische Vorstellung zugrunde, dass mit der letztwilligen Verfügung die Vermögensteilhabe zwischen den Ehegatten abschließend geregelt sein soll und damit auch etwaige Zugewinnausgleich 153 Dieser Mechanismus wird in der Gestaltungs- und Beratungspraxis daher häufig als (gestalterische) Möglichkeit zur Reduzierung des Pflichtteils anderer Pflichtteilsberechtigter genannt, siehe z. B. W. Burandt, FuR 2012, 301 (304); J. Heisel, in: Dauner-Lieb / Grziwotz, Pflichtteilsrecht (2. Aufl. 2016), § 2303 BGB Rn. 81 ff.; C.-H. Horn, NZFam 2016, 539 (539 f.); S. Kappler / T. Kappler, ZEV 2017, 601 (603). 154 H. M., siehe z. B. C. Budzikiewicz, in: Erman, BGB (16. Aufl. 2020), § 1371 Rn. 5; E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1371 Rn. 12; B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1371 Rn. 4; W. Siede / J. Cziupka, in: Bamberger / Roth / Hau / Poseck, BGB (4. Aufl. 2019), § 1371 Rn. 5. 155 Vgl. D. Coester-Waltjen, in: Gernhuber / Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 37 Rn. 8.
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ansprüche abgegolten sind. Für die Geltung der – jedweden Zugewinnausgleich ausschließenden – individual-erbrechtlichen Lösung ist der ökonomische Wert der Teilhabe am Nachlass aber unerheblich. Vor diesem Hintergrund kann es für den überlebenden Ehegatten wirtschaftlich günstiger sein, die Erbschaft oder das Vermächtnis auszuschlagen. Insofern steht ihm ein Wahlrecht zu.156 Im gebildeten Ausgangsfall hat der überlebende Ehegatte somit zwei Optionen: – (1) Annahme des Vermächtnisses und Geltendmachung des Pflichtteilsrestanspruchs aus § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Höhe des Pflichtteils richtet sich hier nach dem um ein Viertel erhöhten (gesetzlichen) Erbteil (großer Pflichtteil).157 Der große Pflichtteil von B beträgt vorliegend die Hälfte seines (gedachten) verstärkten Erbteils, d. h. ein Viertel. – (2) Vermächtnisausschlagung und Geltendmachung des kleinen Pflichtteils (ein Achtel) sowie des rechnerischen Zugewinnausgleichs (§§ 1371 Abs. 2; 2303 Abs. 2 S. 2 BGB). Der überlebende Ehegatte erhält den Pflichtteil trotz Ausschlagung des Vermächtnisses. § 1371 Abs. 3 BGB enthält insofern eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass dem Ausschlagenden an sich kein Pflichtteil zusteht. Dem überlebenden Ehegatten ist im Ausgangsfall die Annahme des (Minimal-) Vermächtnisses und zusätzlich die Ergänzung bis zum großen Pflichtteil durch den Pflichtteilsrestanspruch anzuraten. In diesem Fall kann er von den Erben die Zahlung von (weiteren) 115.000 € (500.000 € Nachlasswert × 0,25 große Pflichtteilsquote ./. 10.000 € Vermächtniswert) verlangen. Bei einer Vermächtnisausschlagung und Geltendmachung des kleinen Pflichtteils sowie des rechnerischen Zugewinnausgleichs könnte der überlebende Ehegatte lediglich Zahlung eines Betrags von 62.5000 € (500.000 € Nachlasswert × 0,125 kleine Pflichtteilsquote) verlangen, da sich der rechnerische Zugewinnausgleich auf 0 € beläuft und somit nicht auswirkt. bb) Güterrechtliche Lösung Die Vorschrift des § 1371 Abs. 2 BGB sieht für den Fall, dass der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer (gleich aus welchem Grund) wird, einen rechnerischen Ausgleich des Zugewinns nach den Regelungen in den §§ 1373 bis 1383 und 1390 BGB vor (sog. güterrechtliche Lösung). Der überlebende Ehegatte hat damit (wie im Scheidungsfall) einen Anspruch auf den tatsächlich erzielten und konkret zu ermittelnden Zugewinn. Neben dem Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns steht ihm regelmäßig noch ein Anspruch auf den kleinen Pflichtteil zu, da er von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
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H. M., vgl. z. B. C. Budzikiewicz, in: Erman, BGB (16. Aufl. 2020), § 1371 Rn. 13; B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1371 Rn. 21 ff.; C. Keim, MittBayNot 2014, 303 (304). 157 G. Otte, in: Staudinger BGB (Neub. 2015), § 2307 Rn. 15.
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(1) Fall 1: Ehegatte wird weder Erbe noch Vermächtnisnehmer Dem Erblasser steht das Recht zu, durch einseitige Verfügung von Todes wegen seine(n) Erben frei zu bestimmen. Hiervon umfasst ist auch das Recht, seinen Ehegatten von der Erbfolge auszuschließen (Enterbung). Beispiel: A und B sind in Zugewinngemeinschaft verheiratet. Bei Eheschließung haben beide Ehegatten kein nennenswertes Vermögen. Sie haben zwei gemeinschaft liche Kinder. A verstirbt mit Testament. Seine Kinder hat er zu gleichen Teilen zu seinen Erben eingesetzt. B soll nichts erhalten. Zum Zeitpunkt seines Todes hat A ein Vermögen von 1 Mio. € (= Nachlasswert). B verfügt über ein Endvermögen in Höhe von 500.000 €. Lösung: Es greift die gewillkürte Erbfolge (§ 1937 BGB). Die Kinder des Erblassers erben aufgrund des Testaments zu je ein Halb, während der überlebende Ehegatte nichts erhält. Von Gesetzes wegen steht ihm allerdings ein Anspruch auf den tatsächlich erzielten Zugewinn zu. Dieser beläuft sich im Ausgangsfall auf 250.000 € (1 Mio. € Zugewinn Ehegatte A ./. 500.000 € Zugewinn überlebender Ehegatte = 500.000 € Zugewinnüberschuss Ehegatte A × 0,5 Teilungsquote). Zusätzlich hat B aufgrund der Regelung in § 2303 Abs. 2 BGB einen (unentziehbaren) Pflichtteilsanspruch. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des nicht um ein Viertel verstärkten gesetzlichen Erbteils, da der Zugewinn daneben konkret berechnet wird. Der Pflichtteilsanspruch des überlebenden Ehegatten beläuft sich damit auf 93.750 € (1 Mio. € Nachlasswert ./. 250.000 € Zugewinnausgleichsforderung als vorrangig abzuziehende Erbfallschuld = 750.000 € × 0,125 kleine Pflichtteilsquote). Der überlebende Ehegatte kann von den Erben (Kindern) damit insgesamt 343.750 € im Wege des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs und als Pflichtteilsforderung verlangen. (2) Fall 2: Ehegatte schlägt das Erbe oder Vermächtnis aus Demgegenüber sind auch Fälle denkbar, in denen der Erblasser seinen Ehegatten mit einem nur geringen Erbteil oder (Minimal-)Vermächtnis testamentarisch bedacht hat und dieser die Erbschaft oder das ihm zugewandte Vermächtnis ausschlägt. Beispiel: A bestimmt in seinem Testament, dass seinem Ehegatten B ein minimaler Erbteil (im Ergebnis 1 %) zustehen soll, mit dem etwaige Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsansprüche abgegolten sein sollen. Hintergrund ist, dass der Nachlass fast vollständig aus (nicht veräußerlichem) illiquidem Vermögen besteht und die übrigen Erben voraussichtlich nicht in der Lage sein werden, die Ausgleichsfor-
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derungen des überlebenden Ehegatten zu erfüllen. A verstirbt. B schlägt die Erbschaft wirksam aus. Lösung: In dem Beispielsfall erbt B aufgrund der wirksamen Ausschlagung nichts. Sein Erbteil fällt den beiden Kindern als den Nächstberufenen zu (§ 1953 Abs. 2 BGB), die somit Miterben zu je ein Halb sind. Allerdings kann der überlebende Ehegatte einen Anspruch auf Ausgleich des tatsächlich erzielten Zugewinns sowie den kleinen Pflichtteil gemäß §§ 1371 Abs. 2, 3; 2303 Abs. 2 BGB geltend machen. Das (Wahl-)Recht des überlebenden Ehegatten, das Erbe oder Vermächtnis auszuschlagen und dann den tatsächlichen Zugewinnausgleich sowie den kleinen Pflichtteil zu verlangen, kann in der Praxis weitreichende Folgen für die Nachfolgeplanung haben. Aus der Sicht des überlebenden Ehegatten ist die Ausschlagung immer dann vorteilhaft, wenn der tatsächlich erzielte Zugewinn größer ist als das Zugewinnausgleichviertel. Zudem ist der tatsächliche (oder vertraglich modifizierte) Zugewinn grundsätzlich in voller Höhe steuerfrei (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Aus der Sicht des Erblassers und der übrigen Erben kann die Ausschlagung durch den überlebenden Ehegatten die Nachfolgeplanung – vor allem bei Unternehmen und Immobilien im Nachlass – allerdings gefährden. Da die Zugewinnausgleichsforderung grundsätzlich in Geld zu begleichen ist, kann es zu Bewertungsproblemen sowie Liquiditätsanspannungen für die Erben bzw. das Nachlassvermögen kommen. Daraus ergeben sich Fliehkräfte für den illiquiden Nachlass.158 Auf der anderen Seite stellt die tatsächliche Zugewinnausgleichsschuld eine Erblasserschuld dar, die als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in für die Erben günstiger Weise deren Erbschaftsteuerbelastung mindert.159 In der Gestaltungs- und Beratungspraxis ist daher stets genau zu prüfen, ob der Zugewinnausgleich (auch) im Erbfall ehevertraglich beschränkt werden sollte (z. B. betragsmäßige Beschränkung auf einen Höchstbetrag oder Stundung), um eine erfolgreiche Nachfolge nicht zu gefährden. b) Beendigung durch Ehescheidung Wird die Ehe geschieden – oder greift im Erbfall die güterrechtliche Lösung –, so hat grundsätzlich eine rechnerisch exakte Ermittlung des Zugewinnausgleichs nach dem Verfahren der §§ 1373 bis 1390 BGB zu erfolgen.160 Demnach ist der Zugewinn als Differenzbetrag zwischen dem End- und Anfangsvermögen zunächst 158
Vgl. G. Crezelius, in: FS Bengel / Reimann, S. 33 (34). Vgl. BFH v. 1. 7. 2008 – II R 71/06, BFHE 222, 63 = BStBl. II 2008, 874; D. Gebel, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/21), § 10 Rn. 121; F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 10 Rn. 43. 160 Zu den Einzelheiten der Berechnung des konkreten Zugewinnausgleichs siehe z. B. H. Boden / A . Cremer, in: Schnitzler, MAH FamR (5. Aufl. 2020), § 19, S. 1071 ff. 159
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für jeden Ehegatten getrennt auf der Grundlage einer Verkehrswertbetrachtung zu berechnen. Eine Teilhabe am vorehelichen Vermögen beider Ehegatten findet damit grundsätzlich nicht statt. Unberücksichtigt bleibt bei der Ermittlung, ob für das maßgebende Endvermögen, zu dem auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört, Steuerbefreiungen (z. B. §§ 13; 13a; 13d ErbStG) gewährt werden. Im Gegensatz dazu kann der erbschaftsteuerrechtlich maßgebende Wert des (Nachlass-)Vermögens wegen der Anwendung von Befreiungsvorschriften erheblich gemindert sein.161 Bei der Berechnung des Vermögenszuwachses sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zudem nur nominelle Wertsteigerungen des Anfangsvermögens, d. h. die infolge Geldentwertung eingetreten sind, durch Indexierung herauszurechnen (unechter Zugewinn).162 Übersteigt der so ermittelte Zugewinn eines Ehegatten den des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen als schuldrechtlicher Zahlungsanspruch zu. Haben die Ehegatten bereits während der Zugewinngemeinschaft Zuwendungen größeren Umfangs, die den Wert von nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblichen Gelegenheitsgeschenken übersteigen, getätigt, sind diese als Vorausempfang auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten anzurechnen (§ 1380 BGB).163 Die Anrechnung erfolgt durch einen (vollen) Abzug der Zuwendung von der Ausgleichsforderung des Ehegatten, der die Zuwendung erhalten hat. Eine erhebliche praktische Bedeutung kommt der Vorschrift des § 1380 BGB im Erbschaftsteuerrecht, namentlich bei § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, zu, wenn es um das Erlöschen der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit aufgrund zivilrechtlicher Anrechnung geht. Auf das Zusammenwirken der Vorschrift des § 1380 BGB mit § 29 ErbStG wird insbesondere bei dem sog. „fliegenden Zugewinnausgleich“ zurückzukommen sein.164 c) Güterstandswechsel Wie bereits herausgestellt, steht es Ehegatten aufgrund der Ehevertragsfreiheit offen, ihren Güterstand – durch einen notariellen Ehevertrag – auch während fortbestehender Ehe jederzeit zu wechseln und zwar sowohl – (1) von der Zugewinngemeinschaft in einen Vertragsgüterstand, – (2) von einem Vertragsgüterstand in die Zugewinngemeinschaft als auch – (3) von einem Vertragsgüterstand in einen anderen Vertragsgüterstand.165 161 Vgl. zu diesem Problem und den gesetzgeberischen jüngeren Bestrebungen zur Nachbesserung in diesem Bereich unten unter Abschn. § 5 C. IV. 1. c) ff). 162 Vgl. BGH v. 14. 11. 1973 – IV ZR 147/72, BGHZ 61, 385; v. 13. 10. 1983 – IX ZR 106/82, NJW 1984, 434; v. 20. 5. 1987 – IVb ZR 62/86, BGHZ 101, 65. 163 Zum Vorausempfang vgl. D. Büte, FamFR 2010, 196; M. Reich, ZEV 2011, 59. 164 Siehe hierzu unten unter § 2 C. III. 4. c) cc) sowie Abschn. § 5 C. IV. 2. c) cc). 165 Einen Überblick über die verschiedenen Wechselkonstellationen und deren erbschaftsteuerrechtliche Folgen gibt P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 277 ff.
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Der Güterstandswechsel wird in der Praxis vor allem als ein (legales) Gestaltungsmittel zur Erlangung des – gegebenenfalls rückwirkenden – Steuervorteils nach § 5 Abs. 2 ErbStG genutzt. Die größte praktische Bedeutung dürfte hierbei dem Wechsel aus der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung (und umgekehrt) zukommen. Denn ein Wechsel in die Gütergemeinschaft wird im Allgemeinen wegen ihrer komplizierten (gesetzlichen) Ausgestaltung sowie Haftungsrisiken für wenig praktikabel gehalten. Zudem erweist sich die Vereinbarung der Gütergemeinschaft in der Regel auch als steuerlich nachteilig, da als Schenkung die Bereicherung gilt, die der weniger vermögende Ehegatte bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft erfährt (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Zivilrechtlich kann ein Wechsel des Güterstands entweder mit Wirkung ab dem Tag des Vertragsschlusses oder aber auch rückwirkend auf ein vorheriges Datum vereinbart werden.166 Ein Güterstandswechsel ist in einer Ehe zudem auch mehrfach möglich, d. h. die Ehegatten sind an eine einmal getroffene Güterstandwahl zivilrechtlich nicht gebunden. Hinzu kommt, dass (aus deutscher Sicht) unter den weiteren Voraussetzungen der Art. 22; 23 EuGüVO auch ein Wechsel in einen ausländischen Güterstand – und gegebenenfalls umgekehrt aus einem ausländischen Güterstand zur Zugewinngemeinschaft – denkbar ist.167 aa) Einfacher Güterstandswechsel Es sind verschiedene Formen des Güterstandswechsels zu unterscheiden, etwa danach, ob ein oder zwei Güterstandswechsel zeitlich nacheinander erfolgen, und danach, ob die Zugewinngemeinschaft rechtlich beendet oder ein Zugewinnausgleich nur schuldrechtlich vereinbart wird („fliegender Zugewinnausgleich“). Für den sog. einfachen Güterstandswechsel ist zunächst charakteristisch, dass die Ehegatten aus der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung wechseln und ein Rückwechsel zur Zugewinngemeinschaft im Anschluss hieran (gleich aus welchen Gründen) unterbleibt. Die vielfältigen Effekte, die bereits mit einem einfachen Güterstandswechsel erzielt werden können, sollen anhand des folgenden Beispiels demonstriert werden: Beispiel: A und B sind in Zugewinngemeinschaft verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder. A hat darüber hinaus ein nichteheliches Kind K. Bei Eheschließung haben 166
Vgl. z. B. BGH v. 1. 4. 1998 – XII ZR 278/96, BGHZ 138, 239 Rn. 17. Die Möglichkeit eines (doppelten) Güterstandswechsels unter Beteiligung eines ausländischen Güterstands ist bisher kaum je thematisiert worden. Mit Blick auf die Vereinheitlichung der Rechtswahlmöglichkeiten in Europa durch die EuGüVO könnte sich diese Frage nunmehr aber häufiger stellen. Grundsätzlich dürfte es so sein, dass sich die Zulässigkeit eines (ehevertraglichen) Güterstandswechsels sowie die damit in Zusammenhang stehende Abwicklung des (aufgegebenen) Güterstands immer nach dem alten Güterstatut richtet, vgl. grundlegend J. Forschner, DNotZ 2020, 381. 167
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beide Ehegatten kein nennenswertes Anfangsvermögen. 20 Jahre später verfügt A über ein (Unternehmens-)Vermögen von 10 Mio. € und B weiterhin über kein eigenes Vermögen. Aus verschiedenen Gründen – unter anderem Nachfolgeplanung, Asset Protection, Pflichtteilsreduzierung – beabsichtigt A, Teile seines Vermögens auf B vorwegnehmend zu übertragen. Lösung: Zivilrechtlich bieten sich vom Grundsatz her zunächst zwei Übertragungswege an, um dem Anliegen von A zu entsprechen, Vermögensteile zu Lebzeiten auf Ehegatten B zu übertragen. Entweder kann eine Vermögensübertragung im Wege der Schenkung bzw. als unbenannte ehebedingte Zuwendung oder aber zu Zwecken des Zugewinnausgleichs nach vorheriger vertraglicher Beendigung der Zugewinngemeinschaft erfolgen. Betrachtet man den erstgenannten Lösungsansatz, erfolgt also die Vermögensübertragung im Grundsatz auf unentgeltlichem Weg, liegt ein Nachteil darin, dass die Zuwendung dem Pflichtteilsergänzungsanspruch von Kind K (sogar) zeitlich unbegrenzt unterläge, da die Zehnjahresfrist aus § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB bei Schenkungen (unbenannten Zuwendungen) an den Ehegatten erst mit der Auflösung der Ehe zu laufen beginnt.168 Hinzu kommt, dass etwaige Gläubiger von A die unentgeltliche Vermögensübertragung auf den Ehegatten nach den Grundsätzen der Gläubigeranfechtung (je nach Einzelfall auf die Dauer von bis zehn Jahren) anfechten könnten. Im Übrigen unterläge die Zuwendung – selbst wenn sie vertraglich als unbenannte ehebedingte Zuwendung gestaltet wäre – der Schenkungsteuer (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), da die den unbenannten Zuwendungen regelmäßig zugrunde liegenden besonderen ehebezogenen Motive für die Besteuerung ohne Belang sind.169 Die bessere Lösung ist daher die Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Abschluss eines Gütertrennungsvertrags und die Erfüllung der damit von Gesetzes wegen entstehenden Zugewinnausgleichsforderung. Denn die Erfüllung dieser Ausgleichsforderung ist unstreitig entgeltlich im zivilrechtlichen Sinne. Dies hat zur Folge, dass Pflichtteilsberechtigten kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht und für die Gläubigeranfechtung (jedenfalls) die kürzere Anfechtungsfrist von zwei Jahren gilt. Bereits an dieser Stelle sei ferner darauf hingewiesen, dass durch diesen Vorgang auch keine Schenkungsteuer ausgelöst wird, wie durch § 5 Abs. 2 ErbStG klarstellend geregelt ist.
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Unbenannte ehebedingte Zuwendungen werden (auch) im Erbrecht ebenso behandelt wie Schenkungen, um die berechtigten Interessen von Pflichtteilsberechtigten nicht zu unterlaufen, d. h. sie sind nicht ergänzungsfest, vgl. K. W. Lange, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), § 2325 Rn. 24 ff. 169 Vgl. BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366.
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bb) Doppelter Güterstandswechsel („Güterstandschaukel“) Der Verbleib in der Gütertrennung kann sich für die Ehegatten jedoch nachteilig auswirken, da kein Zugewinnausgleichspotential zur späteren steuerfreien Vermögensübertragung aufgebaut werden kann und auch Pflichtteilsansprüche – bei zwei und mehr Kindern – (ungewollt) erhöht werden.170 Insbesondere wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Ehegatte nach dem Wechsel in die Gütertrennung einseitig (erhebliches) Vermögen aufbauen wird, ist ein Rückwechsel zur Zugewinngemeinschaft anzuraten, damit im Fall seines Todes der überlebende Ehegatte (erneut) die Vorteile des § 5 ErbStG geltend machen kann. Zwar kann man letztlich nie wissen, welcher der beiden Ehegatten zuerst verstirbt. Wenn es nicht derjenige Ehegatte ist, der den größeren Zugewinn nach dem Güterstandswechsel gemacht hat, entstehen aber zumindest keine Nachteile bei der Erbschaftsbesteuerung.171 Fortsetzung des Beispiels: Bereits bei Abschluss des Gütertrennungsvertrags ist für die Ehegatten absehbar, dass das (Unternehmens-)Vermögen von A im Verlauf der Ehe weiter anwachsen wird. Um sich die (erbschaftsteuerlichen) Vorteile aus der Zugewinngemeinschaft für einen etwaigen künftigen Zugewinn (wieder) zu verschaffen, vereinbaren die Ehegatten sechs Monate später in einem zweiten Ehevertrag, dass der Güterstand der Gütertrennung aufgehoben ist und für die Zukunft wieder die Zugewinngemeinschaft gilt. Lösung: Es dürfte heute allgemein anerkannt sein, dass Ehegatten aufgrund der Ehevertragsfreiheit die Möglichkeit haben, die Zugewinngemeinschaft auch bei Fortbestand der Ehe im Übrigen zu beenden und anschließend neu zu begründen. Hierbei handelt es sich zunächst und vor allem um eine – im Hinblick auf § 5 ErbStG – steuerlich motivierte Vertragsgestaltung, die von der zivilrechtlichen Ordnungsstruktur aber akzeptiert wird. Insbesondere liegt kein nichtiges Scheingeschäft vor, da es den Ehegatten in der Regel nicht am erforderlichen Rechtsbindungswillen für den Ehevertrag fehlt, da auch die erbschaftsteuerliche Anerkennung einen gültigen, ernstlich gewollten Ehevertrag voraussetzt.172 Die bürgerlich-rechtliche Ehegestaltungsfreiheit muss wegen Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich auch das (Erbschaft-)Steuerrecht anerkennen.173 Allerdings macht der Bundesfinanzhof zu diesem Grundsatz insoweit eine Einschränkung, als es tatsächlich zu einer güterrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft kommen muss. Obwohl die Güterstandschaukel ein in der Praxis (häufig) praktiziertes Institut ist, herrscht Unsicherheit über ihre vertragliche Gestaltung. Diese rührt vor allem 170 Zu den Nachteilen der Gütertrennung (im Vergleich zur Zugewinngemeinschaft) siehe T. Wachter, FR 2006, 41 (43); M. Holtz, Steueranwaltsmagazin 2/2015, 44 (49). 171 Vgl. P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 277. 172 So FG Köln v. 4. 6. 2002 – 9 K 5053/98, EFG 2002, 1258 Rn. 73 ff. 173 Grundlegend BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843.
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von der steuerrechtlichen Seite her, da bei einer (zu) aggressiven Vertragsgestaltung das Verdikt des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) droht mit der Konsequenz, dass der Güterstandschaukel die – primär intendierte – erbschaftsteuerliche Anerkennung versagt würde. Daher wird in der Literatur überwiegend empfohlen, die Beendigung und Neubegründung der Zugewinngemeinschaft in zwei rechtlich voneinander getrennten Eheverträgen zu vereinbaren und zwischen dem Abschluss der beiden Verträge zudem eine „Schamfrist“ verstreichen zu lassen.174 Der empfohlene Zeitabstand reicht hierbei von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.175 Hierfür wird im Wesentlichen angeführt, dass bei zwei Ehevertragsurkunden die tatsächliche güterrechtliche Abwicklung der Zugewinngemeinschaft klarer dokumentiert werden könne und die Ehegatten zumindest für eine gewisse Zeit tatsächlich in Gütertrennung gelebt haben. Die verwaltungsseitige Annahme eines Missbrauchs der Güterstandschaukel zu steuerlichen Zwecken sei damit zumindest erschwert. cc) Zwischenzeitlicher („fliegender“) Zugewinnausgleich Die dritte Ausprägung des Güterstandswechsels zeichnet sich dadurch aus, dass die Ehegatten (nur) eine rechtsgeschäftliche Abrede über die Durchführung des Zugewinnausgleichs treffen, ohne die Zugewinngemeinschaft – sei es auch nur für eine juristische Sekunde – rechtlich zu beenden (zwischenzeitlicher oder „fliegender“ Zugewinnausgleich).176 Zivilrechtlich ist dieses Vorgehen der Durchführung eines zwischenzeitlichen Zugewinnausgleichs wegen § 1408 Abs. 1 BGB ohne Weiteres zulässig. Wirtschaftlich gesehen führt es zu demselben Ergebnis wie der doppelte Güterstandswechsel. Der wesentliche Unterschied im Zivilrecht besteht darin, dass der leistende Ehegatte den Zugewinnausgleich mangels Beendigung der Zugewinngemeinschaft nicht von Gesetzes wegen schuldet, sondern aufgrund des Ehevertrags. Beispiel:177 A verpflichtet sich gegenüber B ehevertraglich zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 500.000 €, um bisher entstandene Zugewinne abzugelten. Gleichzeitig 174 C. Münch, ZEV 2005, 491 (492); W. Burandt, FuR 2012, 301 (307); D. Weidlich, ZEV 2014, 345 (349); S. Kappler / T. Kappler, ZEV 2017, 601 (604); C. Kleffmann, FuR 2017, 532 (536); H.-F. Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis (5. Aufl. 2018), Rn. 86. 175 S. Kappler / T. Kappler, ZEV 2017, 601 (604) und H.-F. Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis (5. Aufl. 2018), Rn. 210, raten zu mindestens sechs Monaten; C. Kleffmann, Die Güterstandsschaukel, 2017, S. 98, empfiehlt zwei Jahre. 176 Siehe grundlegend R. Hüttemann, DB 1999, 248, u. a. unter Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte; H.-U. Viskorf, NWB Fach 10, 1243 (1256). 177 Zur zivilrechtlichen Gestaltung des „fliegenden“ Zugewinnausgleichs im Einzelnen siehe O. Bärenz, Der zwischenzeitliche Zugewinnausgleich, Diss. 2010, S. 132 ff.; L. Bergschneider, Verträge in Familiensachen (6. Aufl. 2018), S. 218; C. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte (5. Aufl. 2020), Rn. 606 ff.
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vereinbaren die Ehegatten, dass es bei der Zugewinngemeinschaft „auch weiterhin verbleiben“ soll. Den Stand ihres jeweiligen Vermögens nach dem (zwischenzeitlichen) Ausgleich des Zugewinns definieren sie zudem als das Anfangsvermögen für die weiterhin fortbestehende Zugewinngemeinschaft. Lösung: In der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, dass es auch weiterhin bei der Zugewinngemeinschaft verbleiben soll, spiegelt sich zugleich der wesentliche Unterschied zum doppelten Güterstandswechsel wider: Im Fall des doppelten Güterstandswechsels wird die Zugewinngemeinschaft zunächst rechtlich beendet mit der Folge, dass der Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB von Gesetzes wegen entsteht. Im Beispielsfall erfolgt die Zahlung von A aber auf schuldrechtlicher Basis während (fort-)bestehender Zugewinngemeinschaft. Zwar trifft A eine Leistungspflicht aus dem wirksam zustande gekommenen Ehevertrag. Diese ist er allerdings zuvor ohne eine rechtliche Verpflichtung eingegangen, da auf die vertragliche Einräumung einer als Zugewinnanspruch bezeichneten Forderung kein Rechtsanspruch besteht. Diesen Umstand hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil aus dem Jahr 2005 zum Anlass genommen, den zwischenzeitlichen Zugewinnausgleich als freigebige und unentgeltliche Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einzuordnen.178 Das hat zur Konsequenz hat, dass der doppelte Güterstandswechsel und zwischenzeitliche Zugewinnausgleich, obwohl sie zum wirtschaftlich selben Ergebnis führen, erbschaftsteuerlich unterschiedliche Besteuerungsfolgen auslösen. So stellt einerseits eine durch Beendigung der Zugewinngemeinschaft kraft Gesetzes entstandene Ausgleichsforderung, bzw. auf ihr beruhende Leistungen des Ausgleichsverpflichteten, keine freigebige Zuwendung dar und fällt damit nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Demgegenüber unterliegt andererseits ein rechtsgeschäftlich (ehevertraglich) vereinbarter Zugewinnausgleich der Schenkungsteuer, weil insoweit eine freigebige und unentgeltliche Zuwendung vorliegt. Dieses – je nach zivilvertraglicher Gestaltung unterschiedliche – Ergebnis überrascht zunächst und mutet befremdlich an, jedoch entspricht es bei Lichte betrachtet der durch die Anknüpfung an die zivilrechtlichen Rechtsformen und Institute begründeten Sachgesetzlichkeit des Erbschaftsteuergesetzes.179 Dieses zielt auf die Erfassung einer Bereicherung durch freigebige (unentgeltliche) Zuwendung ab. Daran fehlt es aber nur, wenn die Zuwendung zivilrechtlich zur Erfüllung einer gesetzlichen (nicht vertraglichen) Verpflichtung erfolgt, d. h. im Fall des Zugewinnausgleichs (nur) bei vorheriger zivilvertraglicher Beendigung des gesetzlichen Güterstands. Die Einordnung des zwischenzeitlichen (rechtsgeschäftlichen) Zugewinnausgleichs als schenkungsteuerbare Zuwendung mag zwar der vom Steuergesetzgeber selbst (durch Anknüpfung an das Zivilrecht) begründeten Sachgesetz 178 179
Vgl. BFH v. 24. 8. 2005 – II R. 28/02, BFH / N V 2006, 63. BFH v. 24. 8. 2005 – II R. 28/02, BFH / N V 2006, 63 Rn. 21.
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lichkeit der Erbschaftsteuer entsprechen. An dieser Stelle erscheint eine strikt zivilrechtliche Betrachtung allerdings als zu formalistisch, denn der zwischenzeitliche Zugewinnausgleich zielt – wie der einfache bzw. doppelte Güterstandswechsel – auf die Teilhabe am ehezeitlichen Vermögenszuwachs ab und entfaltet aufgrund der ehevertraglichen Gestaltung (wie im Beispielsfall) regelmäßig auch Abgeltungswirkung für die Vergangenheit.180 Die Ehegatten in diesem Fall auf die Rechtsgestaltung des doppelten Güterstandswechsels zu verweisen, erweist sich als eine bloße Förmelei. Der Erbschaftsteuergesetzgeber ist in der hier betrachteten Situation des zwischenzeitlichen Zugewinnausgleichs meines Erachtens unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten frei darin, von der Regelung in § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB abzuweichen und auch den rechtsgeschäftlichen Ausgleich des Zugewinns mit abgeltender Wirkung für die Vergangenheit unter § 5 Abs. 2 ErbStG zu fassen.181 Haben die Ehegatten den Zugewinn – in steuerungünstiger Weise – zunächst zwischenzeitlich (fliegend) ausgeglichen, ermöglicht die formale Anknüpfung an das Zivilrecht (umgekehrt) wiederum eine steuerliche „Reparatur“ der freigebigen und unentgeltlichen Zuwendung sogar mit Wirkung für die Vergangenheit.182 Denn sobald die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft dann doch ehevertraglich beenden, können sie die im Rahmen des zwischenzeitlichen Zugewinnausgleichs vorgenommenen Vermögensübertragungen zivilrechtlich auf die Ausgleichforderung als Vorausempfang anrechnen (§ 1380 Abs. 1 BGB) mit der Folge, dass die zuvor ausgelöste Schenkungsteuer gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit erlischt.183 Den Ehegatten verbleibt bei einer verunglückten Vermögensübertragung damit immer noch die Möglichkeit, diese über die Anrechnungsbestimmung im Rahmen von § 1380 Abs. 1 BGB nachträglich zu heilen.
IV. Zusammenfassung und weiteres Vorgehen Festzuhalten bleibt: Da der Gesetzgeber an eine Vielzahl möglicher Formen ehelichen Zusammenlebens anknüpfen kann, hat er einen (weiten) Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Güterstands. Dieser Spielraum ist aber in zweifacher Hinsicht durch den Gleichberechtigungsgrundsatz begrenzt. Erstens muss der Gesetzgeber den gesetzlichen Güterstand strukturell an der Gleichberechtigung der Geschlechter sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell 180
Die Ehegatten haben im Beispielsfall vereinbart, dass der Stand ihrer jeweiligen Vermögen nach dem zwischenzeitlichen Zugewinnausgleich ihr Anfangsvermögen für einen etwaigen künftigen Zugewinn markieren soll, womit sie die Gefahr eines doppelten (missbräuchlichen) Zugewinnausgleichs ausgeschlossen haben. 181 Zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Besteuerung des Zugewinnausgleichs siehe unten unter Abschn. § 5 B. II. 182 Siehe hierzu P. Blusz, ZEV 2016, 626. 183 Vgl. M. Esskandari, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 7 Rn. 192.
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wirtschaftlichen Bereich ausrichten. Zweitens darf er die Beitragsleistungen der Ehegatten zum gemeinsamen Lebensunterhalt nicht ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich gewichten, da diese wegen Art. 3 Abs. 2 GG gleichwertig sind. Die Grenzziehung kann in beiden Bereichen Schwierigkeiten bereiten. Was die zweite Grenze angeht, dürfte heute allgemein anerkannt sein, dass sämtliche Beitragsleistungen der Ehegatten (jedenfalls) unter Wertungsgesichtspunkten gleichgewichtig sind, sodass der Halbteilungsgrundsatz als pauschaler (ideeller) Teilhabemaßstab in einem gesetzlichen Güterstand zumindest gerechtfertigt erscheint. Insgesamt handelt es sich hierbei um Wertungsfragen, die durchaus unterschiedlich beantwortet werden können – und, wie noch zu zeigen ist, in den internationalen Güterrechtsordnungen auch unterschiedlich beantwortet werden –, zumal der Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG und die (international verbreitete) Gleichberechtigung von Mann und Frau Raum für verschiedene Bewertungen lassen. Die verfassungsrechtlichen Hintergründe des gesetzlichen Güterrechts lassen wichtige Rückschlüsse für das Verständnis der Zugewinngemeinschaft – auch im Erbschaftsteuerrecht – zu. Von zentraler Bedeutung ist zunächst die Erkenntnis, dass zu der Gleichberechtigung der Geschlechter auch die vermögensrechtliche Selbständigkeit beider Ehegatten – historisch bedingt vor allem der Ehefrau – gehört, sodass das geltende Gütertrennungsprinzip (noch immer) als Ausfluss von Art. 3 Abs. 2 GG angesehen werden kann. Das reine Gütertrennungsprinzip ließe aber unberücksichtigt, dass die Ehegatten nach den Wertungen von Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG mit ihren verschiedenen Leistungen zum Vermögensaufbau des jeweils anderen beigetragen haben und der (ehezeitliche) Hinzuerwerb damit wechselseitig als mitverdient gilt. Diesem Umstand trägt das – für die Zugewinngemeinschaft (wohl) bedeutsamste – Teilhabe- bzw. Mitverursachungsprinzip Rechnung, das durch das Institut des Zugewinnausgleichs einfachgesetzlich ausgestaltet wird. In historischer Perspektive hat es vor allem den klassischen Ehetyp der Alleinverdienerehe vor Augen, von dem sich die Lebenswirklichkeit allerdings weitestgehend entfernt hat. In solchen Ehen, in denen beide Ehegatten erwerbstätig sind oder nicht „aus einem Topf“ wirtschaften, sondern ihre Einkünfte und ihr Vermögen im Wesentlichen getrennt halten, könnte sich der Zugewinnausgleich damit gewissermaßen als eine – schwer zu rechtfertigende – Subvention an den weniger verdienenden Ehepartner erweisen. Gegen ein solches Verständnis spricht allerdings, dass die Ehegatten auf vielfältige Weise zur Vermögensmehrung des jeweils anderen beitragen können und das Teilhabeprinzip seine rechtliche Legitimationswirkung umfassend sowie typisierend entfaltet. Dies erklärt wiederum auch, warum der Zivilrechtsgesetzgeber das teilhabepflichtige Vermögen in § 1373 BGB umfassend definiert hat als der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das bei Eintritt der Zugewinngemeinschaft vorhandene Vermögen übersteigt. Das Gesetz sieht hiervon nur einige wenige Ausnahmen für bestimmte Fälle von eheneutralem Erwerb vor. Da der Zugewinnausgleich nach seinem Grundgedanken damit der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen dient, wird er von dem Bundesgerichtshof auch als entgeltlicher Vermögenszuwachs eingeordnet.
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1. Kap.: § 2 Grundlegung
Fragt man nach den zivilrechtlichen Mechanismen, über die eine Verwirk lichung des Teilhabeprinzips praktisch erreicht werden kann, so kommen wegen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wiederum ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte in Betracht. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für einen auf die (rechtliche) Beendigung der Zugewinngemeinschaft aufgeschobenen schuldrechtlichen Geldanspruch des weniger verdienenden Ehegatten entschieden. Dem teilhabeberechtigten Ehegatten steht bis dahin lediglich eine (vage) Erwerbsaussicht zu. Damit ist seine Rechtsstellung (im internationalen Vergleich) vergleichsweise schwach ausgestaltet. Der deutsche Gesetzgeber hat sich hiervon eine – im Gegensatz zur dinglichen Auseinandersetzung – einfache Abwicklung des Güterstands bei dessen Beendigung erhofft. Dieser Mechanismus erschien ihm allerdings in Fällen der Beendigung von Todes wegen unpraktikabel, da der überlebende Ehegatte den rechnerischen Zugewinnausgleich mit den (übrigen) Erben des Erblassers durchführen müsste und diese häufig kaum Angaben zu dem Anfangsvermögen des Verstorbenen machen können. Daher sieht § 1371 Abs. 1 BGB einen pauschalierten Ausgleich des Zugewinns im Wege der Erbteilerhöhung um ein Viertel der Erbschaft vor, was freilich voraussetzt, dass dem überlebenden Ehegatten ein gesetzlicher Erbteil zusteht. Hat der Erblasser seinen Ehepartner letztwillig bedacht bzw. ihm ein Vermächtnis zugewandt – und sei es auch noch so gering – scheidet ein pauschalierter (und auch rechnerischer) Zugewinnausgleich naturgemäß aus. Dies hat in der Praxis zu Gestaltungen rund um die Erbbzw. Vermächtnisausschlagung geführt. Ist der rechnerische Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB größer als das pauschale Zugewinnausgleichviertel bzw. die testamentarische Erbschaft oder das Vermächtnis, kann die Ausschlagung für den überlebenden Ehegatten wirtschaftlich günstiger sein, zumal ihm wegen § 1371 Abs. 3 BGB zusätzlich noch der kleine Pflichtteil zusteht. Aber auch erbschaftsteuerliche Gesichtspunkte können bei dieser Entscheidung eine nicht unerhebliche Rolle spielen, da im Fall der Erb- bzw. Vermächtnisausschlagung § 5 Abs. 2 ErbStG zur Anwendung gelangt. Gegenüber der Erbteilerhöhung, die in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG fällt, kann dies den Vorteil haben, dass ehevertragliche (ausgleichserweiternde) Abreden der Ehegatten auch bei der Erbschaftsbesteuerung – grundsätzlich – Berücksichtigung finden. Aber auch zu Lebzeiten kann der Zugewinnausgleich wegen der (grundsätzlichen) erbschaftsteuerlichen Anerkennungspflichtigkeit von Ehevertragsvereinbarungen als Gestaltungsmittel zur (vorweggenommenen) steuerneutralen Vermögensübertragung zwischen Ehegatten genutzt werden. Zu nennen ist hier die Güterstandschaukel, die weder ein nichtiges Scheingeschäft noch einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch darstellt. Wegen der zivilrechtlichen Anbindung der Erbschaftsteuer ist ein zwischenzeitlicher Zugewinnausgleich dagegen nicht ohne Schenkungsteuerlast möglich, wobei gute Gründe dafürsprechen, § 5 Abs. 2 ErbStG auch auf diesen anzuwenden. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen eine Präzisierung des Programms der weiteren Untersuchung. Sie soll zunächst Klarheit darüber verschaffen, ob und bejahendenfalls in welcher Form auch ausländische Zivilrechts-
C. Der Zugewinnausgleich im Zivilrecht
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rechtsgesetzgeber eine (güterrechtliche) Teilhabe zwischen Ehegatten vorsehen. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die weit überwiegende Zahl der (Güter-)Rechtsordnungen einen – gleich wie gearteten – Vermögensausgleich (jedenfalls) im Fall der Ehebeendigung kennt. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Mehrzahl der Rechtsordnungen auch die Gleichberechtigung der Geschlechter (verfassungsrechtlich) anerkennt. Die zivilrechtlichen Konsequenzen, die die verschiedenen internationalen Zivilgesetzgeber hieraus ziehen, sind allerdings ganz unterschiedlich. Bei genauerem Hinsehen lassen sich jedoch auch (überraschende) Übereinstimmungen in den teleologischen und systematischen Grundlagen ausmachen, die insbesondere für die Frage der Steuerneutralität des internationalen Vermögensausgleichs zwischen Ehegatten Bedeutung erlangen werden.
Zweites Kapitel
§ 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung in anderen Rechtsordnungen – rechtsvergleichende Umschau A. Vorbemerkung Die meisten Rechtsordnungen auf der Welt sehen heute Mechanismen zur Vermögensteilhabe zwischen Ehegatten vor.1 Diese Mechanismen sind aber nicht immer formal in einen gesetzlichen Güterstand gegossen, sondern existieren zum Teil güterstandsunabhängig (so bspw. in den common law-Rechtsordnungen).2 Nichtsdestoweniger ist den meisten Rechtsordnungen gemein, dass sie eine – nach den jeweiligen nationalen Anschauungen faire bzw. gerechte – rechtliche Ordnung der vermögensrechtlichen Verhältnisse bezwecken, die zwischen den Ehegatten (und in ihren Beziehungen gegenüber Dritten) direkt infolge der Ehe oder der Auflösung des Eheverhältnisses gelten. Traditionsgemäß bestimmen die verschiedenen Güterstände daher sowohl die vermögensrechtlichen Folgen, die sich aus der Auflösung der Ehe ergeben, als auch die während der Ehe entstehenden vermögensrechtlichen Wirkungen.3 Man kann insoweit von einer funktionalen Äquivalenz sprechen. Dass die Mehrzahl der Rechtsordnungen funktional äquivalente Mechanismen zur ehebedingten Vermögensteilhabe enthält, dürfte im Kern darauf zurückzuführen sein, dass die Ehe rechtsordnungsübergreifend als eine Solidargemeinschaft angesehen wird, die Gegenstand güterrechtlicher Anknüpfungen sein kann.4 Die Beziehung zwischen Ehegatten unterscheidet sich von anderen Verhältnissen zwischen Gesellschaftsmitgliedern im Allgemeinen dadurch, dass sie durch wechselseitige Beiträge füreinander einstehen. Bei der Ausgestaltung des Güterrechts knüpfen die Gesetzgeber daher regelmäßig an diese Nähebeziehung an und nehmen sie zum Anlass für eine Vermögensteilhabe. Der so beschriebene Solidari 1
Vgl. nur die umfangreiche Länderübersicht bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht (Stand: 12/2021). Namentlich in den islamischen Rechtsordnungen können abweichende Regelungen bestehen. 2 Aus Gründen darstellerischer Einfachheit wird im Folgenden nichtsdestotrotz einheitlich von „Güterständen“ gesprochen. 3 Vgl. Grünbuch zu den Kollisionsnormen im Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung der gerichtlichen Zuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung v. 17. 07. 2006, KOM (2006) 400 endg., S. 5; K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 21. 4 Vgl. R. Battes, Eherecht, S. 161 ff.; A. Röthel Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 57 (69 ff.).
A. Vorbemerkung
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tätsgedanke wird zudem in der Mehrzahl der Rechtsordnungen durch die Gleichberechtigung der Ehegatten und, damit in Zusammenhang stehend, die materielle Gleichwertigkeit ihrer Beiträge zum gemeinsamen Lebensunterhalt ergänzt. Hierbei handelt es sich um zwei international anerkannte Ordnungsprinzipien.5 Das ergibt sich im Umkehrschluss auch daraus, dass die Halbteilung des – von Staat zu Staat unterschiedlich definierten – teilhabepflichtigen Vermögens der auch international vorherrschende Teilhabemaßstab ist. So ist selbst in England, wo im Grundsatz keine feste Aufteilungsquote (fixed shares) existiert, sondern der englische Richter die Aufteilung des Vermögens im Einzelfall und nach Billigkeit (equity) vornimmt, die richterliche Gleichteilung wegen der als gleichwertig angesehenen Arbeitsleistungen beider Ehegatten gängig.6 Die Übereinstimmungen in den funktional-teleologischen Grundlagen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den verschiedenen Rechtsordnungen ganz unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf die zivilrechtliche Ausgestaltung dieser so beschriebenen Solidargemeinschaft zwischen Ehegatten herrschen, was vor allem auch in der Konsequenz – rechtskulturell – unterschiedlicher Eheverständnisse liegen dürfte. Wie eingangs dargelegt, lassen sich traditionell drei verschiedene Grundsysteme güterrechtlicher Teilhabe unterscheiden (Gütergemeinschafts-, Gütertrennungs- und Partizipationssysteme).7 Die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen System liegen dabei in dem Ausmaß güterrecht licher Teilhabe (Teilhabe auch am vorehelichen Vermögen oder nur am ehezeitlich erworbenen Vermögen) und der Art und Weise güterrechtlicher Teilhabe (dingliche oder schuldrechtliche Teilhabe, Teilhabe durch Richterspruch) begründet. Die so skizzierten Grundsysteme güterrechtlicher Teilhabe sollen im Folgenden – unter Hinzunahme erbrechtlicher Abwicklungsmethoden – in einer Gesamtschau beleuchtet werden. Hierbei stellt sich vor allem die Frage, wie die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten in den verschiedenen Rechtsordnungen materiell-rechtlich geregelt sind, falls die Ehegatten keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen haben.8 Der Schwerpunkt soll auf den 5
Vgl. insoweit auch die Prinzipien der Commission on European Family Law (CEFL) zum Europäischen Familienrecht betreffend die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten, insbesondere Prinzip 4:2 („Gleichheit der Ehegatten“) sowie Prinzip 4:4 („Beitrag zum Lebensbedarf der Familie“), http://ceflonline.net/wp-content/uploads/Principles-PRSGerman.pdf (Stand: 8. 1. 2022). 6 Siehe im Einzelnen S. 85 ff. 7 Siehe dazu oben Abschn. § 1 C. I. sowie R. Battes, Eherecht, S. 317 ff.; ders., in: FS Huber, S. 99 (100 ff.); W. Pintens, ZEuP 2009, 268; K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 23 ff. 8 Viele Rechtsordnungen erkennen – wie Deutschland – die Gestaltungsfreiheit der Ehegatten in Bezug auf ihre güterrechtlichen Verhältnisse an, siehe die Übersicht bei J. Rieck, Ehegüterrecht und Eheverträge in Europa, https://www.bva.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Aufgaben/ZMV/Auswandern/Publikationen/Downloaddatei_Ehegüterrecht_und_Eheverträge_ in_Europa.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Stand: 8. 1. 2022). Insbesondere die common law-Rechtsordnungen stehen der Anerkennung von Eheverträgen bislang jedoch eher ablehnend gegenüber, da sie als dem Wesen der Ehe widersprechend und somit als sittenwidrig angesehen werden, a. a. O., S. 18.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
vermögensrechtlichen Folgen, die sich aus der Auflösung der Ehe ergeben, sowie den während der Ehe existierenden vermögensrechtlichen Wirkungen liegen. Dies erscheint vielversprechend, um eine rechtsordnungsübergreifende Parallelität der materiell-rechtlichen Werturteile und Interessen sowie der damit verbundenen Wirkungen aufzudecken, wie z. B. die Gleichheit der Ehegatten oder die Betonung der Gleichwertigkeit ihrer Beitragsleistungen.
B. Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts im Familien- und Erbrecht Zuvor erscheint allerdings noch ein Seitenblick auf die Rechtslage speziell in der Europäischen Union lohnenswert. Zwar gibt es im materiellen Güter- und Erbrecht – und somit auch bei den Güterständen und deren (erbfallbedingten) Abwicklung – bislang keine gemeinschaftsrechtlichen Ansätze zur Rechtsvereinheitlichung. Dies dürfte insbesondere dem Umstand geschuldet sein, dass beide Rechtsbereiche in besonderem Maß als geschichtlich gewachsen sowie (rechts-) kulturell geprägt9 gelten und die Europäische Union für diese Bereiche nach herrschender Meinung keine Rechtsetzungskompetenz hat.10 Erst in jüngerer Zeit sind jedoch die Kollisionsrechte auf europäischer Ebene durch die Europäische Güterrechtsverordnung und die Europäische Partnerschaftsverordnung (zusammen „EuGüVO“) sowie die Europäische Erbrechtsverordnung („EuErbVO“) vereinheitlicht worden, um einen internationalen Entscheidungseinklang jedenfalls bei der Rechtsanwendung zu gewährleisten. Die neuen Verordnungen haben für die deutsche Erbschaftsteuerpraxis durch eine Umstellung der Regelanknüpfungen jeweils auf das Recht am – ersten gemeinsamen (EuGüVO) oder letzten (EuErbVO) – gewöhnlichen Aufenthalt und durch teilweise neuartige Rechtswahlmöglichkeiten erhebliche Umstellungen mit sich gebracht. Revolutionär und für den hier betrachteten Teilbereich des Ehegattenerbrechts besonders 9
Vgl. bereits im Allgemeinen J. Kohler, Das Recht als Kulturerscheinung: Einleitung in die vergleichende Rechtswissenschaft, 1885; R. Michaels, Rechtskultur, in: HWBEuP (2009), sowie zum Güter- und Erbrecht im Speziellen K. H. Neumayer, Eigenartiges und Altertümliches aus dem vergleichenden Erbrecht, in: Mélanges Paul Piotet, 1990, S. 485 (485); W. Pintens, FamRZ 2003, 329 (331); N. Dethloff, ZEuP 2007, 992 (994); S. Leible, in: Streinz, EUV / A EUV (3. Aufl. 2018), Art. 81 Rn. 46. Gegen diese „Rechtskulturthese“ sprechen sich insbesondere D. Leipold, JZ 2010, 802 (810 f.) und R. Zimmermann, JZ 2016, 321 ff. aus. 10 Vgl. E.-M. Bajons, in: FS Heldrich, 495 (499 f.); C. Stumpf, EuR 2007, 291; P. Kindler, IPRax 2010, 44 (48); D. Leipold, JZ 2010, 802 (810); S. Lorenz, ErbR 2012, 39 (39); K. Dorth, Das Verhältnis von Erbschein und Europäischem Nachlasszeugnis, Diss. 2019, S. 161 ff., 501 ff. Der europäische Gesetzgeber hat auf dem Gebiet des materiellen Privatrechts keine umfassende Gesetzgebungskompetenz (vgl. Art. 81 AEUV). Nach der BVerfG-Entscheidung zum Vertrag von Lissabon v. 30. 6. 2009 – 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267, bleibt zudem fraglich, ob das BVerfG die Übertragung von Hoheitsrechten insbesondere in den Bereichen des innerstaatlichen Familienrechts auf die Union nicht als von vornherein gesperrt ansehen wird, siehe a. a. O., Rn. 252, 260.
B. Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts
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relevant ist zudem die Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses.11 Dieses dient in allen EU-Mitgliedstaaten als Nachweis unter anderem der Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer, ohne dass zusätzlich die – häufig aufwendigen – Erbscheinverfahren zur Nachlassabwicklung in den jeweiligen betroffenen Mitgliedstaaten durchgeführt werden müssten. Das Europäische Nachlasszeugnis enthält unter anderem Angaben zu den Erbquoten und auch dem ehelichen Güterstand des Erblassers, da sich dieser unter Umständen auf die Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der Berechtigten auswirken kann.12 Erste zu der EuErbVO und dem Europäischen Nachlasszeugnis ergangene EuGH-Rechtsprechung hat (aus deutscher Sicht) bereits zu grundlegenden Veränderungen des internationalen Ehegattenerwerbs von Todes wegen geführt.13 Die neuen Kollisionsnormen sind als loi uniforme jeweils auch universell gegenüber Drittstatten anwendbar. Steuersachen sind von den Anwendungsbereichen der Verordnungen jeweils ausdrücklich ausgenommen.14 Das Erbschaftsteuerrecht wird daher weiterhin allein durch die nationalen Steuergesetze der einzelnen Mitgliedstaaten geregelt, wobei die weit überwiegende Zahl der europäischen Steuerrechtsordnungen überhaupt keine Erbschaftsteuer (mehr) erhebt oder zumindest den Erwerb des überlebenden Ehegatten nicht oder nur sehr gering besteuert.15
I. Abriss der Europäischen Güterrechtsverordnungen Die das nationale Kollisionsrecht vereinheitlichende EuGüVO bezweckt es im Voraus zu klären, welches nationale Recht auf einen ehelichen Güterstand mit grenzüberschreitendem Bezug anzuwenden ist.16 Für die Ehepaare mit einem internationalen Hintergrund soll dadurch die tägliche Verwaltung ihres Vermögens und im Trennungs- oder Todesfall insbesondere auch die Teilung des Vermögens erleichtert werden, indem die Anerkennung des jeweiligen Güterstands auch im Ausland kollisionsrechtlich sichergestellt ist.17 Zudem soll insbesondere verhindert 11
Art. 62 ff. EuErbVO. Vgl. Art. 68 lit. h EuErbVO; Erwägungsgrund 12 zur EuErbVO. 13 Vgl. z. B. die Übersicht bei R. Wagner, NJW 2017, 3755; ders., ZEV 2020, 204. 14 Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 EuGüVO; Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuErbVO. 15 Vgl. M. Holtz / A . Thimm, Steueranwaltsmagazin 1/2016, 10 (10). 16 Des Weiteren soll mit der EuGüVO (i) geklärt werden, welches nationale Gericht dafür zuständig ist, internationalen Ehepaaren zu helfen, ihr Vermögen zu verwalten oder im Fall von Scheidung, Trennung oder Tod aufzuteilen (Zuständigkeitsvorschriften, Art. 4 ff. EuGüVO) und (ii) die Anerkennung und Vollstreckung eines in einem Mitgliedstaat ergangenen Urteils in Fragen des Güterrechts in einem anderen Mitgliedstaat erleichtert werden (Art. 36 ff. EuGüVO). Für einen Gesamtüberblick über die Europäischen Güterrechtsverordnungen siehe A. Dutta, FamRZ 2016, 1973; ders., FamRZ 2019, 1390; C. Döbereiner, MittBayNot 2018, 405; ders., notar 2018, 244. 17 Allein in Europa leben schätzungsweise 16 Millionen internationale Ehepaare, die potentiell von der EuGüVO betroffen sind, siehe Clearer property rights für Europe’s 16 million international couples – frequently asked questions, Memo/11/175, https://ec.europa.eu/commission/ 12
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
werden, dass in verschiedenen (Mitglied-)Staaten parallele und möglicherweise konkurrierende Gerichtsverfahren – bspw. über Immobilien oder Bankkonten – geführt werden (z. B. aufgrund forum shopping).18 Zeitlich gelten die neuen Kollisionsregeln für solche Ehen oder güterrechtliche Rechtswahlen, die nach (an) dem 29. 1. 2019 eingegangen bzw. getroffen werden.19 Das hat zur Folge, dass die jeweiligen nationalen Kollisionsrechte – aus deutscher Sicht insbesondere Art. 15; 14 EGBGB a. F. –20 noch viele Jahre relevant sein werden.21 Zudem gilt die EuGüVO nicht europaeinheitlich, da die aufgrund ihres familienrechtlichen Charakters nach Art. 81 Abs. 3 AEUV erforderliche Einstimmigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten nicht erreicht werden konnte. Die EuGüVO gilt vielmehr nur in den Mitgliedstaaten, die sich im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit angeschlossen haben.22 Das nach der EuGüVO bezeichnete Güterrecht erfasst aus Gründen der Rechtssicherheit, und um eine unerwünschte Aufspaltung des ehelichen Güterstands auf verschiedene Rechtsordnungen (Güterrechtsspaltung) zu vermeiden, den ehelichen Güterstand insgesamt, d. h. das gesamte zum Güterstand gehörende Vermögen (Art. 21 EuGüVO).23 Diese sog. Einheitlichkeit des Güterrechtsstatuts gilt unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind. Die bisher nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB a. F. im deutschen Internationalen Privatrecht bestehende Möglichkeit, das Belegenheitsrecht als Güterrechtsstatut für das unpresscorner/detail/cs/MEMO_11_175 (Stand: 8. 1. 2022); siehe auch K. Dengel, Die europäische Vereinheitlichung des Internationalen Ehegüterrechts, Diss. 2014, S. 2 ff. Eine Verbindung zwischen Ehepartnern ist international, wenn sie entweder unterschiedliche Staats angehörigkeiten haben oder in einem anderen Land als dem ihrer Staatsangehörigkeit leben. 18 Vgl. M. Buschbaum, GPR 2014, 4 (4); D. Looschelders in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), Art. 6 EuGüVO Rn. 3. 19 Art. 69 Abs. 3 EuGüVO. 20 Gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F. unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen von Ehen, die nicht in den zeitlichen Geltungsbereich der EuGüVO fallen, vorrangig dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung angehören, sonst dem Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts. 21 Vgl. J. Weber, Einführung, in: Dutta / Weber, Die Europäischen Güterrechtsverordnungen, S. 1 (4 f.); C. Döbereiner, MittBayNot 2018, 405 (410). 22 Vgl. Art. 20 EUV; Art. 326 ff. AEUV. Nach derzeitigem Stand sind dies Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Zypern. Auf diese Mitgliedstaaten entfallen 67 % der EU-Bevölkerung und auch die Mehrheit der in der Europäischen Union lebenden internationalen Paare, vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 2. 3. 2016, IP/16/449, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/ detail/de/IP_16_449) (Stand: 8. 1. 2022). Alle übrigen (Mitglied-)Staaten gelten im Sinne der Verordnungen als Drittstaaten und wenden in grenzüberschreitenden Güterrechtssachen weiterhin ihr Internationales Privatrecht an, vgl. C. Döbereiner / S . Frank, Internationales Güterrecht für die Praxis, S. 2 Rn. 3 f. 23 Vgl. hierzu Erwägungsgrund 43 S. 4 EuGüVO sowie C. Döbereiner, MittBayNot 2018, 405 (412).
B. Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts
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bewegliche Vermögen zu wählen, ist somit unter der EuGüVO weggefallen. Das nach der EuGüVO bestimmte Güterrecht versteht sich zudem als loi uniforme, es findet mithin auch bei einer Verweisung auf das Recht eines Nicht-Mitgliedstaats Anwendung.24 Um internationalen Ehegatten die Verwaltung ihres bzw. ihrer Vermögen zu erleichtern, erlaubt die EuGüVO es ihnen, unter den Rechtsordnungen, zu denen sie aufgrund ihres gewöhnlichen Aufenthalts oder ihrer Staatsangehörigkeit eine enge Verbindung haben, das auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendende Recht unabhängig von der Art oder der Belegenheit des Vermögens zu wählen (Art. 22 Abs. 1 EuGüVO).25 Diese Rechtswahl kann jederzeit vor der Ehe, zum Zeitpunkt der Eheschließung oder während der Ehe erfolgen und muss den formalen Anforderungen des Art. 23 EuGüVO genügen. Im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs und um zu verhindern, dass sich das auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht wandelt, ohne dass die Ehegatten hiervon Kenntnis haben, ist ein Wechsel des auf den ehelichen Güterstand anzuwendenden Rechts nur nach einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung der Ehegatten möglich. Wie im bisherigen deutschen Internationalen Privatrecht ist das Güterrechtsstatut somit unwandelbar, sodass Änderungen der Anknüpfungsmomente – wie bspw. ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts – keine Auswirkungen auf den Güterstand haben.26 Wird von den Ehegatten keine (vorrangig zu beachtende) güterrechtliche Rechtswahl getroffen, sieht die EuGüVO harmonisierte Kollisionsnormen vor, die sich – ähnlich wie im bisherigen deutschen Internationalen Privatrecht – auf eine Rangfolge von Anknüpfungspunkten (Kegel’sche Leiter) stützen (Art. 26 EuGüVO).27 Nach Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO unterliegt der eheliche Güterstand (anders im bisherigen deutschen Internationalen Privatrecht) vorrangig dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten (kurz) nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben (Aufenthaltsprinzip). Erst auf zweiter Stufe (Art. 26 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 EuGüVO) wird an die Staatsangehörigkeit beider Ehegatten angeknüpft (Staatsangehörigkeitsprinzip). Ist keiner dieser beiden Anknüpfungsmomente gegeben oder liegen Fälle vor, in denen bei Fehlen eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung jeweils eine gemeinsame doppelte Staatsangehörigkeit haben, ist drittens an das Güterrecht des Staates anzuknüpfen, zu dem die Ehegatten die engste Verbindung haben (Art. 26 Abs. 1 lit. c EuGüVO). Das nach der EuGüVO zur Anwendung berufene Güterrecht regelt den ehelichen Güterstand von der Einteilung des Vermögens beider Ehegatten in verschiedene 24 Vgl. hierzu Erwägungsgrund 44 EuGüVO sowie H.-P. Mansel / K . Thorn / R . Wagner, IPRax 2017, 1 (6). 25 Vgl. hierzu Erwägungsgrund 45 EuGüVO sowie A. Dutta, FamRZ 2016, 1973 (1980 f.); R. Magnus, IPRax 2019, 8. 26 Vgl. hierzu Erwägungsgrund 45 EuGüVO. 27 Vgl. hierzu Erwägungsgrund 49 EuGüVO.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
Kategorien während der Ehe, und nach ihrer Auflösung, bis hin zur Vermögensauseinandersetzung (Art. 27 EuGüVO). Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen eines Ehegatten sind von dem Anwendungsbereich der EuGüVO wiederum ausdrücklich ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGüVO), da sie durch die EuErbVO geregelt werden (sollen).28 Die EuGüVO erfasst im Gegensatz dazu jedoch die „güterrechtliche Auseinandersetzung“ des ehelichen Vermögens, auch wenn diese beim Tod eines Ehegatten stattfindet.29 Dies kann unter Umständen zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den beiden Verordnungsanwendungsbereichen führen. Bei den in der EuGüVO enthaltenen Verweisungen auf das Recht eines Staates handelt es sich nach Art. 32 EuGüVO um sog. Sachnormverweisungen. Dies bedeutet, dass Rück- und Weiterverweisungen (renvoi) immer ausgeschlossen sind.30 Aus der Sicht der EuGüVO ist es damit unerheblich, ob die Kollisionsnormen des Staates, dessen Recht zur Anwendung berufen ist, den Verweis annehmen oder nicht, was wiederum zu einem – unerwünschten – sog. hinkenden Rechtsverhältnis führen kann.
II. Abriss der Europäischen Erbrechtsverordnung Welches nationale Erbrecht bei einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug maßgebend und welches nationale Gericht für dessen Abwicklung zuständig ist, bestimmt sich in der Europäischen Union31 (und im Verhältnis zu Drittstaaten) für Personen, die am 17. 8. 2015 oder danach verstorben sind, nach den Regelungen der EuErbVO. Zweck des vereinheitlichten Erbkollisionsrechts ist es, eine rechtlich zuverlässige (lebzeitige) Nachlassplanung zu sichern sowie für die Familien, die in der Europäischen Union mit einem internationalen Erbfall konfrontiert sind,32 die Abwicklung des Nachlasses zu erleichtern. Zudem sollen die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, unter anderem durch die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses effektiv gewahrt werden.
28 Zu dem Verhältnis von EuGüVO und EuErbVO vgl. P. Mankowski, ZEV 2016, 479; H. Dörner, ZEV 2019, 309. 29 Siehe hierzu Erwägungsgrund 18 S. 1 EuGüVO. 30 Vgl. D. Looschelders, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), Art. 32 EuGüVO Rn. 2. 31 Mit Ausnahme in Großbritannien, Irland und Dänemark. 32 In der Europäischen Union sind schätzungsweise 450.000 Familien im Jahr mit einem grenzüberschreitenden Erbfall konfrontiert. Die neuen Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung dürften allerdings für weit mehr Bürger bedeutsam sein, da über 12,3 Millionen EU-Bürger in einem anderen Mitgliedstaat leben, siehe Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 26. 7. 2012, IP/12/851, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ ip_12_851 (Stand: 8. 1. 2022).
B. Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts
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In Anbetracht der zunehmenden Mobilität von Erblassern – und Erblasservermögen – und zur Gewährleistung einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem (Mitglied-)Staat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, sieht die EuErbVO (abweichend von der bisherigen Rechtslage im deutschen Internationalen Privatrecht)33 den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes als allgemeinen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des anzuwendenden Erbrechts (und der Zuständigkeit) vor (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Diese Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt gilt unabhängig davon, wo der Erblasser verstorben ist, welche Staatsangehörigkeit er hatte und wo der Nachlass bzw. Nachlassteile belegen sind. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts soll die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Die EuErbVO ermöglicht es dem Erblasser aber auch, durch die Wahl des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Erbrechts seinen Nachlass vorab zu regeln (Art. 22 EuErbVO). Diese Wahl ist – im Gegensatz zu dem bisherigen deutschen Internationalen Privatrecht (Art. 25 Abs. 2 EGBGB a. F.) – jedoch auf das Recht des Staates beschränkt, dem der Erblasser angehört (Staatsangehörigkeitsprinzip). Damit soll sichergestellt werden, dass eine echte Verbindung zwischen dem Erblasser und dem gewählten Recht besteht. Insbesondere soll so vermieden werden, dass ein Recht mit der Absicht gewählt wird, die berechtigten Erwartungen von Pflichtteilsberechtigten zu vereiteln. Die erbrechtliche Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben (Art. 22 Abs. 2 EuErbVO). Das nach der EuErbVO zur Anwendung berufene Erbrecht regelt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen (Art. 23 EuErbVO) und zwar jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge. Die Verordnung gilt demgegenüber nicht für Fragen des ehelichen Güterstands (Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO). Die Behörde, die nach der EuErbVO mit einer bestimmten Erbsache befasst ist, hat allerdings nach den Umständen des Einzelfalls die Beendigung des ehelichen Güterstands des Erblassers bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der Berechtigten mit zu prüfen.34
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Nach der bis zum 17. 8. 2015 geltenden nationalen Rechtslage unterlag die Rechtsnachfolge von Todes wegen aus deutscher Sicht primär dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte (Art. 25 Abs. 1 EGBGB a. F.). 34 Vgl. Erwägungsgrund 12 S. 2 EuErbVO.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
Das nach der EuErbVO bezeichnete Erbrecht erfasst – wie die EuGüVO – aus Gründen der Rechtssicherheit, und um eine Nachlassspaltung zu vermeiden, das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Diese sog. Einheitlichkeit des Erbstatuts gilt unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind. Das nach der Europäischen Erbrechtsverordnung bestimmte Erbrecht versteht sich als loi uniforme (Art. 20 EuErbVO), es findet mithin auch bei einer Verweisung auf das Recht eines Nicht-Mitgliedstaats Anwendung.35 Das Erbkollisionsrecht der EuErbVO kann dazu führen, dass das Erbrecht eines Drittstaates zur Anwendung gelangt. Art. 34 Abs. 1 EuErbVO trägt nur in derartigen Fällen, und im Gegensatz zur EuGüVO, den Vorschriften des Internationalen Privatrechts dieses Drittstaates Rechnung (Beachtlichkeit eines drittstaatlichen renvoi). Bei den Verweisungen in der Verordnung handelt es sich sonst um Sachnormverweisungen.36 Soweit die Vorschriften des Internationalen Privatrechts eines Drittstaates eine Rück- oder Weiterverweisung entweder auf das Recht eines Mitgliedstaates oder aber auf das Recht eines Drittstaates, der sein eigenes Recht auf die Erbsache anwenden würde, vorsehen, folgt die EuErbVO dieser Rück- oder Weiterverweisung, um einen internationalen Entscheidungseinklang zu gewährleisten. Nach dem Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 EuErbVO („soweit“) ist auch ein sog. Teilrenvoi zu berücksichtigen. So kann das Erbstatut eines ausländischen Rechts nur für einzelne inhaltliche Aspekte des Erbstatuts zurück- oder weiterverweisen. Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger verstirbt mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt und domicile in England. Eine erbrechtliche Rechtswahl hat der Erblasser nicht getroffen. In den Nachlass fällt in Deutschland belegenes Immobilienvermögen. Nach dem englischen Kollisionsrecht wird Immobiliarvermögen nach dem Belegenheitsrecht vererbt (Prinzip der Nachlassspaltung)37. Das bewegliche Vermögen unterliegt demgegenüber dem Erbrecht am letzten ständigen Wohnort (domicile). England gilt – unabhängig von dem Brexit – als Drittstaat im Sinne der Europä ischen Erbrechtsverordnung. Lösung: Nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO gilt aus deutscher Sicht wegen des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in England grundsätzlich englisches Erbrecht. Das englische Internationale Privatrecht nimmt die Verweisung grundsätzlich an. Für unbewegliches Vermögen verweist es jedoch auf das Recht am Belegen 35
A. Dutta, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), Art. 20 EuErbVO Rn. 1. A. Dutta, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), Art. 34 EuErbVO Rn. 1. 37 Zu diesem Prinzip vgl. z. B. A. Dutta, Stichwort: Erbrecht, internationales, in: HWBEuP 2009. 36
C. Überblick über die weltweit gebräuchlichen Güterstände
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heitsort zurück, d. h. für das Immobilienvermögen auf deutsches Erbrecht. Nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO wird dieser (Teil-)renvoi bezüglich der Immobilien in Deutschland angenommen, sodass für diese deutsches Erbrecht gilt. Für das bewegliche Vermögen verbleibt es dagegen bei der Anwendbarkeit englischen Erbrechts, sodass es zu einer Nachlassspaltung kommt.
C. Rechtsvergleichender Überblick über die weltweit gebräuchlichen Güterstände I. Gütergemeinschaftssysteme Bezeichnend für die erste Gruppe der Gütergemeinschaftssysteme ist, dass sich die Ehe bereits im Zeitpunkt ihrer Schließung auf die Vermögensverhältnisse beider Ehegatten auswirkt, indem ihr jeweiliges (voreheliches) Vermögen zu gemeinschaftlichem Eigentum (Gesamtgut) wird. Die Vergemeinschaftung der Vermögen beider Ehegatten findet seine Legitimation in der allgemeinen Überlegung, dass ein gemeinschaftliches Vermögen Ausdruck des gemeinsamen Wirtschaftens und damit der Einheit der Ehegatten ist. Dieser Gemeinschaftsgedanke ist in den internationalen Güterrechtsordnungen naturgemäß unterschiedlich ausgestaltet, wobei wiederum auch Übereinstimmungen in den Grundstrukturen ausgemacht werden können. Bei der Systematisierung der Gemeinschaftssysteme kann grundlegend danach unterschieden werden, ob auch das voreheliche Vermögen der Ehegatten vergemeinschaftet wird (allgemeine Gütergemeinschaft) oder sich das Gesamtgut auf den ehezeitlichen Hinzuerwerb (Errungenschaftsgemeinschaft) beschränkt. 1. Allgemeine Gütergemeinschaft Als gesetzlicher Güterstand ist die allgemeine Gütergemeinschaft heute kaum noch verbreitet. Ipso iure gilt sie nur noch in einigen wenigen Ländern (z. B. auf den Philippinen und Südafrika).38 Die Niederlande haben als letztes europäisches Land die allgemeine Gütergemeinschaft (Universalgemeinschaft) als gesetzlichen Güterstand mit Wirkung zum 1. 1. 2018 abgeschafft und für Eheschließungen ab diesem Zeitpunkt durch eine Form der Errungenschaftsgemeinschaft ersetzt.39 Für (Alt-)Ehen, die vor dem 1. 1. 2018 geschlossen wurden, gilt allerdings weiterhin die
38 Im Mittelalter war die Gütergemeinschaft demgegenüber in der Mehrzahl der Rechtsordnungen als gesetzlicher Güterstand zu finden, siehe H. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1 (1985), § 41. II, S. 239. 39 Vgl. zu der im niederländischen Recht über viele Jahre geführten Reformdiskussion K. Boele-Woelki, FamRZ 2015, 1554 (1555 f.); und zur Gesetzesänderung W. Breemhaar, FamRZ 2017, 1464 (1465).
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
Universalgemeinschaft fort, sodass sie noch lange Zeit von praktischer Bedeutung sein wird. In einigen weiteren Güterrechtsordnungen ist die allgemeine Güter gemeinschaft als Wahlgüterstand erhalten geblieben (z. B. in Brasilien, Deutschland und Frankreich). Die allgemeine Gütergemeinschaft ist eine umfassende Eigentumsgemeinschaft, d. h. sie erfasst im Grundsatz das gesamte voreheliche sowie das ehezeitlich hinzuerworbene Vermögen beider Ehegatten. In das Gesamtgut fällt auch oftmals das Vermögen, das ein Ehegatte durch Erbschaft oder Schenkung, d. h. unentgeltlich, erwirbt. Vergemeinschaftet werden in der Regel auch die (vorehelichen) Schulden beider Ehegatten. Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse über die Vermögensgegenstände des Gesamtguts stehen jedem Ehegatten regelmäßig (nur) im Hinblick auf die Gegenstände zu, die er in die Gütergemeinschaft auch eingebracht hat. In Südafrika kann ein Ehegatte allerdings grundsätzlich frei über das Eigentum des anderen verfügen, ohne dass er dessen Zustimmung bedarf.40 Wird die Gütergemeinschaft bspw. durch Ehescheidung beendet, findet eine Auseinandersetzung über das Gesamtgut statt. Dabei erhält jeder Ehegatte grundsätzlich die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens.41 2. Errungenschaftsgemeinschaft Die verschiedenen Varianten der Errungenschaftsgemeinschaft bezwecken demgegenüber, jeden Ehegatten nur an dem während der Ehe eintretenden Vermögens zuwachs des jeweils anderen zu beteiligen.42 Daher beschränkt sich in vielen Güterrechtsordnungen das Gesamtgut auf das während der Dauer der Ehe hinzuerworbene Vermögen (Errungenschaft), während das voreheliche Vermögen in der Rechtszuständigkeit des jeweiligen Ehegatten verbleibt (Eigengut).43 Das teilhabepflichtige Vermögen ist somit enger an die Voraussetzung der Ehebedingtheit geknüpft. Dahinter steht (wohl) der Rechtsgedanke, dass nur das nach der Eheschließung erworbene Vermögen von dem anderen Ehegatten (hypothetisch) mitverursacht sein kann und eine Aufteilung somit gerechtfertigt ist. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist – in unterschiedlichen Erscheinungsformen – der häufigste Güterstand in Europa (insbesondere in den romanischen Rechtsordnungen und den osteuropäischen Rechtssystemen) und auch sonst weit verbreitet (z. B. in der Mehrzahl der südamerikanischen Staaten und in vielen Staaten Afrikas).44 Seit einigen 40
S. Bueb, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 01/2021), Südafrika, Rn. 10. Vgl. P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 244. 42 Zur geschichtlichen Entwicklung der Errungenschaftsgemeinschaft und ihrer Verbreitung siehe R. Battes, Eherecht, S. 323 ff. 43 Die Vereinbarung der Errungenschaftsgemeinschaft – sowie ihre Auseinandersetzung – ist aus deutscher Sicht damit erbschaftsteuerneutral sein, siehe dazu unten unter Abschn. § 6 B. V. 2. 44 Für einen Gesamtüberblick siehe P. Mankowski, Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 247 ff. 41
C. Überblick über die weltweit gebräuchlichen Güterstände
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Jahren wird zudem in Deutschland die Überlegung angestellt, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch die Errungenschaftsgemeinschaft gänzlich zu ersetzen oder zumindest als echten Wahlgüterstand einzuführen.45 Rechtstechnisch handelt es sich bei der Errungenschaftsgemeinschaft um eine Zwischenform zwischen der allgemeinen Gütergemeinschaft und der Gütertrennung.46 Das voreheliche Vermögen verbleibt in dem Alleineigentum jedes Ehegatten, wohingegen der nacheheliche Erwerb als Gesamtgut beiden Ehegatten gehört. Die konkrete Zusammensetzung der verschiedenen Vermögensmassen verläuft in den meisten Güterrechtssystemen, die diese Güterstandform implementiert haben, naturgemäß unterschiedlich, wobei allerdings auch ein erhebliches Maß an Übereinstimmung vorhanden ist.47 So gehört zu dem Eigengut eines Ehegatten regelmäßig das gesamte voreheliche Vermögen, die unentgeltlich nach Eheschließung erworbenen Vermögenswerte sowie höchstpersönliche Gegenstände und Rechte. Das Eigengut unterliegt in der Regel der Eigenverwaltung durch den jeweiligen Ehegatten, wobei viele Güterrechtsordnungen Ausnahmen für die Familienwohnung und den Hausrat vorsehen. In das Gesamtgut fallen demgegenüber die nach der Eheschließung erworbenen Vermögensgegenstände bzw. –werte (z. B. Arbeitseinkünfte). Zu den gemeinsamen Schulden zählen regelmäßig die gemeinschaftlich eingegangenen Verbindlichkeiten, Verbindlichkeiten im Interesse des Gesamtguts, Schulden für die Kindererziehung sowie Haushaltsschulden. Das Gesamtgut unterliegt häufig der Einzelverwaltung, d. h. nur für wichtige Rechtsgeschäfte ist die Zustimmung beider Ehegatten erforderlich. Endet die Ehe bspw. durch Scheidung oder vereinbaren die Ehegatten (sofern zulässig) einen anderen Güterstand, ist in allen Güterrechtsordnungen auch die Errungenschaftsgemeinschaft zu liquidieren und das Gesamtgut zwischen den Ehegatten aufzuteilen. Die Liquidation der Gemeinschaft beginnt regelmäßig dadurch, dass jeder Ehegatte sein Eigengut zurücknimmt. Einige Güterrechtsordnungen sehen sodann Ausgleichszahlungen (Vergütungen) zwischen dem Gemeinschafts- und jeweiligen Eigengut vor (z. B. Belgien, Frankreich).48 Damit ist gemeint, dass jeder Ehegatte einen Ausgleich aus seinem Eigengut in das Gesamtgut zu leisten hat, wenn er dem Gesamtgut Vermögen entnommen hat, um bspw. eigene Verbindlichkeiten zu bedienen, und (im Allgemeinen) jedes Mal, wenn er einen persönlichen Vorteil aus dem Gesamtgut gezogen hat. Bleibt – nach Begleichung der gemeinschaftlichen Schulden – ein Überschuss übrig, steht den Ehegatten ein Anspruch auf Auseinandersetzung dieses Gesamtgutsrests zu. Bei der Auseinandersetzung des Gesamtguts kommt es in der weit überwiegenden Zahl der Güterrechtsord-
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Vgl. B. Dauner-Lieb, djbz 2014, 10; G. Lies-Benachib, NZFam 2016, 1071. Vgl. K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 23. 47 W. Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp / Schumann / Veit (Hg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 23 (25); ders., ZEuP 2009, 268 (269 ff.). 48 Vgl. K. Dengel zu einzelnen Länderrechtsnachweisen, Europäische Vereinheitlichung, S. 39. 46
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
nungen wertmäßig zu einer Halbteilung.49 Zum Zweck der Durchführung der Auseinandersetzung verweisen einige Güterrechtsordnungen weiter auf ihr Recht bspw. zur Aufteilung von Miteigentum (z. B. Belgien, Italien) oder zur Teilung unter Miterben (z. B. Frankreich, Luxemburg)50. Hierbei handelt es sich (soweit ersichtlich) regelmäßig um eine Teilung in Natur. Können sich die Ehegatten über die Aufteilung in Natur nicht einigen, sehen einige Güterrechtsordnungen die Möglichkeit einer Verteilung des Gesamtguts durch das Gericht vor (z. B. Dänemark)51. Wiederum andere Rechtsordnungen beschränken sich auf den schlichten Hinweis, dass der Gesamtgutsrest zwischen den Ehegatten aufzuteilen sei.52
II. Partizipationssysteme Gegenüber den Gemeinschaftssystemen bilden die Güterrechtsordnungen, die während der Ehe eine rechtliche Trennung der Vermögen beider Ehegatten vorsehen und erst mit Ehebeendigung eine güterrechtliche Teilhabe verwirklichen, den Kontrapunkt. Innerhalb dieser Staaten kommen wiederum zwei Erscheinungsformen vor. Sie lassen sich gliedern in Rechtssysteme mit einer aufgeschobenen Gütergemeinschaft, d. h. einer grundsätzlich erst mit Ehebeendigung eintretenden Vermögensgemeinschaft, und Rechtsordnungen mit wertmäßiger Teilhabe. 1. „Aufgeschobene Gütergemeinschaft“ im nordischen Rechtskreis Die Güterstände des nordischen Rechtskreises werden heute allgemeinhin unter den Begriff der aufgeschobenen Gütergemeinschaft (deferred community) gefasst. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die nordischen Staaten (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden) in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Wesentlichen übereinstimmende Güterrechtsregelungen eingeführt hatten.53 Diese sahen überschlägig eine rechtliche Trennung der Vermögen beider Ehegatten während der Ehe vor. Im Zeitpunkt der Ehebeendigung wurden die – auch 49
A. Röthel, Die Zugewinngemeinschaft als europäisches Modell?, in: Lipp / Schumann / Veit (Hg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 58 (68); K. Dengel, Europä ische Vereinheitlichung, S. 40. 50 Art. 1477 frCC; Art. 1477 luxZGB. 51 Können sich die Ehegatten über die Aufteilung des Teilungsvermögens nicht einigen und stellt einer von ihnen beim Teilungsgericht einen Antrag auf Unterstützung bei der Auseinandersetzung des gemeinschaftlichen Vermögens, so gilt das Gesetz über die Güterteilung, vgl. R. Giesen, in: Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (Stand: 04/2019), S. 39, S. 74 ff. (Gesetz über die Güterteilung in deutscher Übersetzung). 52 Vgl. K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 42. 53 Vgl. F. Korkisch, Einführung in das Privatrecht der nordischen Länder, S. 6 ff.; R. Battes, Eherecht, S. 321.
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vorehelichen –54 Vermögenswerte dann aber vergemeinschaftet und zwischen den Ehegatten in Natur und hälftig geteilt, d. h. eine bis dahin aufgeschobene Gütergemeinschaft realisiert. Heute stellt der Begriff der aufgeschobenen Gütergemeinschaft eher eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Güterrechtsformen im nordischen Rechtskreis dar, da die nordischen Länder ihre Güterstände zwischenzeitlich so reformiert haben, dass sie doch merkliche Unterschiede aufweisen.55 Dabei lassen sich wiederum zwei Untergruppen (Dänemark und Norwegen einerseits und Finnland und Schweden andererseits) bilden. Diesen Güterständen ist jedoch – nach wie vor – gemein, dass sie auf dem Gleichteilungsprinzip basieren, d. h. eine grundsätzlich gleichmäßige Verteilung des teilhabepflichtigen Vermögens bei Ehebeendigung vorsehen.56 So verfügt nach dänischem und norwegischen Güterrecht jeder Ehegatte während der Ehe selbständig über sein Vermögen, unabhängig davon, ob es vor oder nach Eingehung der Ehe erworben wurde.57 Die Ehegatten sind in beiden Rechtsordnungen einander zum Unterhalt verpflichtet und können zu diesem durch Zuschuss von Geld, durch Tätigkeit im Haushalt oder auf andere Weise beitragen.58 Bei Trennung oder Scheidung teilen die Ehegatten ihr gesamtes Vermögen dann gleich.59 Das der Gleichteilung unterliegende Vermögen wird im dänischen Recht als Teilungsvermögen und im norwegischen Recht als Gemeinschaftsvermögen bezeichnet, ohne dass damit ein Unterschied im Umfang des teilhabepflichtigen Vermögens verbunden wäre. In beiden Rechtsordnungen gelangt zudem im Zeitpunkt der Ehebeendigung eine Gütergemeinschaft (dinglich) zur Entstehung.60 Vor der Gleichteilung sind die Schulden eines Ehegatten, die mit dessen Teilungsbzw. Gemeinschaftsvermögen in Zusammenhang stehen, in Abzug zu bringen. Das teilhabepflichtige Vermögen eines Ehegatten wird nicht in die Gleichteilung einbezogen, wenn die Schulden sein Teilungsvermögen übersteigen.61 Von dem so ermittelten Netto-Teilungsvermögen beider Ehegatten können sodann beide nach 54
Zur Bedeutung für die Erbschaftsbesteuerung siehe unten unter Absch. § 6 C. II. Vgl. R. Battes, Eherecht, S. 321. 56 Vgl. K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 45. Von diesem Gleichteilungsprinzip gibt es jedoch einige Ausnahmen. So ist bspw. in Norwegen – in bestimmten Fällen – auch eine sog. ungleiche Aufteilung möglich (§ 59 norwegisches Ehegesetz). Eine solche kommt unter anderem dann in Betracht, wenn das teilhabepflichtige (Gemeinschafts-)Vermögen eindeutig auf Mittel zurückgeführt werden kann, die einem Ehegatten bereits bei Eingehung der Ehe gehörten, oder die er später durch Erbschaft oder Schenkung von anderen als dem Ehegatten erhalten hat. 57 § 1 Abs. 1 Gesetz über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten – im Folgenden: „EheWiVG“ (Übersetzung bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (Stand: 04/2019), S. 60 ff.); § 31 norwegisches Ehegesetz (abgedruckt und übersetzt bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Norwegen (Stand: 01/2020), S. 49 ff.). 58 § 4 EheWiVG; § 38 norwegisches Ehegesetz. 59 § 5 Abs. 1 EheWiVG; § 38 Abs. 1 norwegisches Ehegesetz. 60 § 5 Abs. 2 S. 2 EheWiVG; § 58 Abs. 1 norwegisches Ehegesetz. 61 § 26 Abs. 3 EheWiVG. 55
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
Billigkeit – und bis zur Grenze der Gleichteilung – Vermögensgegenstände entnehmen, die der Gleichteilung unterliegen. Dies gilt auch für solche Vermögensgegenstände, die dem anderen Ehegatten gehören.62 Möchten beide Ehegatten denselben Vermögensgegenstand entnehmen, hat jedoch grundsätzlich derjenige Ehegatte das Vorrecht, dem dieser gehört, es sei denn, der Vermögensgegenstand hat für den anderen Ehegatten eine wesentliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Wohnung oder die Fortführung des Berufs.63 In Dänemark ist im Streitfall und auf Antrag eines Ehegatten für die Vermögensauseinandersetzung das dänische Teilungsgericht zuständig, das wesentliche Befugnisse wiederum auf einen Vermögensverwalter übertragen kann.64 Dieser kann einem oder beiden Ehegatten Vermögenswerte zuweisen oder solche veräußern. Im finnischen und schwedischen Güterrecht erwachsen den Ehegatten aufgrund der Ehe sog. Gattenanteilsrechte an dem gesamten Vermögen des jeweils anderen Ehegatten.65 Diese Anrechte berühren jedoch nicht die Eigentumsverhältnisse während der Ehe, sondern begründen lediglich eine Erwerbsaussicht. Jeder Ehegatte behält sein bei der Eheschließung vorhandenes und später hinzuerworbenes Vermögen. Erst mit der Ehebeendigung aktualisiert sich das Gattenanteilsrecht dergestalt, dass jeder Ehegatte eine Hälfte des Reinvermögens des anderen erhält.66 Zur Auseinandersetzung der Vermögen darf jeder Ehegatte zunächst die ihm gehörenden Kleider und anderen Gegenstände, die ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmt sind, an sich nehmen. Hat ein Ehegatte zur Verbesserung von solchem eigenen Vermögen, an dem ein Gattenanteilsrecht besteht, sein anderes Eigenvermögen aufgewendet, so steht ihm ein Ersatzanspruch zu. Sodann wird der Überschuss des Gutes eines jeden Ehegatten, an dem ein Gattenanteilsrecht besteht, abzüglich von Schulden festgestellt. Jeder Seite wird dann die Hälfte dieses restlichen Werts des Vermögens zugeteilt. Die Aufteilung erfolgt in Natur oder durch die Zahlung eines Geldbetrags. Der Ehegatte, der Vermögenswerte abgeben muss (d. h. das größere Vermögen hat), darf hierbei entscheiden, was er herausgibt.67 Anstelle des Vermögens, das er sich für sich behalten will, darf er dem anderen Geld in Höhe des bei der Auseinandersetzung bestimmen Werts zahlen. Damit besteht kein dinglicher Anspruch auf Übertragung bestimmter Gü 62
§ 48 Abs. 1 EheWiVG; § 57 norwegisches Ehegesetz. § 48 Abs. 3 EheWiVG; § 66 norwegisches Ehegesetz. 64 Das Verfahren bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung regelt in diesem Fall das Gesetz über die Güterteilung (abgedruckt und übersetzt bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (Stand: 04/2019), S. 74 ff.). 65 § 35 Abs. 1 finnisches Ehegesetz (abgedruckt und übersetzt bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Finnland (Stand: 11/2019), S. 37 ff.); R. Giesen in: Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden (Stand: 06/2019), S. 28. 66 § 35 Abs. 1 finnisches Ehegesetz; Kap. 9 § 1 schwedisches Ehegesetz (Übersetzung bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Schweden (Stand: 06/2019), S. 60 ff.). 67 § 103 finnisches Ehegesetz; Kap. 11 § 7 schwedisches Ehegesetz. 63
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ter, vielmehr handelt es sich um eine wertmäßige Teilhabe, die ihren Ausdruck in einem Ausgleichsanspruch findet.68 2. Gütertrennung mit wertmäßiger Vermögensteilhabe (Zugewinngemeinschaft) Den zweiten Grundtyp der Partizipationssysteme stellt die Gütertrennung mit wertmäßiger Vermögensteilhabe bei Ehebeendigung (Zugewinngemeinschaft) dar. Es handelt sich hierbei um solche gesetzlichen Güterstände, bei denen die Vermögen der Ehegatten zwar rechtlich getrennt bleiben, die sich aber in eine schuldrechtliche Vermögensbeteiligung im Fall der Ehebeendigung wandeln. Anders als bei den Gütergemeinschaftssystemen und der aufgeschobenen Gütergemeinschaft wird der Zuerwerb damit nicht durch die Verteilung bestimmter Vermögensgegenstände ausgeglichen, sondern durch einen von Gesetzes wegen entstehenden Wertausgleichsanspruch. Die Vermögensteilhabe vollzieht sich hierbei entweder nach festen Anteilen (wie in Deutschland oder der Schweiz)69 oder nach Billigkeit (wie in Österreich)70. Die schematische Aufteilung kann ihrerseits wieder in den Quoten differieren, wobei eine Halbteilung des Vermögens auch hier gängig ist (eine Ausnahme gilt im griechischen Güterrecht)71. Vor allem die Rechtssysteme des deutschen Rechtskreises kennen als gesetzlichen Güterstand Formen der Zugewinngemeinschaft. Entsprechendes gilt für Griechenland und die Türkei, in denen deutsches und schweizerisches Güterrecht rezipiert worden ist. Die Zugewinngemeinschaft kann in einigen weiteren Ländern zudem als Wahlgüterstand vereinbart werden (z. B. in Frankreich, den Niederlanden, Spanien). Das griechische Zivilgesetzbuch beruht auf dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch.72 Demzufolge überrascht es nicht, dass der griechische gesetzliche Güterstand der deutschen Zugewinngemeinschaft weitgehend ähnelt. So wird in der griechischen Zugewinngemeinschaft das individuelle Vermögen der Ehegatten durch die Eheschließung nicht berührt (Anfangsvermögen).73 Das Vermögen, das den Ehegatten jeweils vor der Eheschließung gehört und welches sie nach der Eheschließung erwerben, bleibt weiterhin ihr eigenes Vermögen. Auch haften die Ehegatten jeweils individuell nur mit ihrem eigenen Vermögen für ihre eigenen Verbindlichkeiten. Bei Scheidung (oder Aufhebung der Ehe wegen Nichtigkeit bzw. Anfechtung) haben jedoch beide Ehegatten Anspruch darauf, an der seit der Eheschließung eingetretenen Vermögensmehrung des jeweils anderen Ehegatten 68
Vgl. P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 250. Vgl. § 1378 Abs. 1 BGB; Art. 215 CH-ZGB. 70 § 83 Abs. 1 AU-Ehegesetz. 71 Art. 1400 GR-ZGB (abgedruckt und übersetzt bei Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Griechenland (Stand: 03/2020)). 72 Vgl. A. Georgiades, AcP 200 (2000), 493. 73 Art. 1397 GR-ZGB. 69
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zu partizipieren.74 Bezüglich der Berechnung der Vermögensmehrung ist (wie im deutschen Recht) eine Saldierung von End- und (indexiertem) Anfangsvermögen vorzunehmen. Anders als im deutschen Recht besteht ein Teilhabeanspruch nach griechischem Güterrecht allerdings nur, wenn und soweit ein Ehegatte zu der Vermögensmehrung des anderen konkret beigetragen hat.75 Sofern nichts anderes nachgewiesen wird, wird dieser Beitrag mit einem Drittel der eingetretenen Vermögensmehrung gesetzlich vermutet. Begehrt ein Ehegatte mehr als ein Drittel, ist er dafür beweispflichtig, in einem größeren Umfang zu der Vermögensmehrung des anderen beigetragen zu haben. Allerdings zeichnet sich bei Einverdienerehen in der griechischen Rechtsprechung die Tendenz ab, die Beitragsleistungen des nicht verdienenden Ehegatten grundsätzlich mit der Hälfte des Zugewinns zu bewerten.76 Der Anspruch ist im Grundsatz auf die Zahlung von Geld gerichtet. Auch in dem gesetzlichen Güterstand der schweizerischen Errungenschafts beteiligung sind die Vermögen der Ehegatten während der Ehe rechtlich getrennt. Begrifflich ist zwischen den dem Wertausgleich unterliegenden Errungenschaften und dem Eigengut jedes Ehegatten zu unterscheiden.77 Zu den Errungenschaften zählen die Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstands entgeltlich erwirbt (z. B. Arbeitserwerb, Erträge des Eigenguts). Das Eigengut umfasst von Gesetzes wegen demgegenüber die Vermögenswerte, die einem Ehegatten zu Beginn der Errungenschaftsbeteiligung gehören oder ihm später durch Erbgang oder sonst wie unentgeltlich zufallen, Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, Genugtuungsansprüche und Ersatzanschaffungen für das Eigengut. Jeder Ehegatte verwaltet und nutzt seine Errungenschaft und sein Eigengut grundsätzlich selbst und verfügt darüber. Endet die Errungenschaftsbeteiligung (durch Tod, Vereinbarung eines anderen Güterstands, Scheidung), nimmt jeder Ehegatte zunächst die Vermögenswerte zurück, die sich im Besitz des anderen Ehegatten befinden.78 Hat ein Ehegatte dem anderen dabei geholfen, einen Vermögenswert zu erwerben, zu verbessern oder zu erhalten, so erhält er den Nennwert seiner Beitragsleistung zurück und partizipiert überdies am (konjunkturellen) Mehrwert, sofern ein solcher im Zeitpunkt der Auseinandersetzung besteht (Mehrwertanteil).79 Sind Schulden der einen Vermögensmasse durch Mittel der anderen Vermögensmasse desselben Ehegatten beglichen worden, entsteht eine auf den Nominalbetrag beschränkte Ersatzforderung.80 Investitionen der einen Gütermasse in Vermögenswerte der 74
Art. 1400 GR-ZGB. Art. 1400 GR-ZGB: „Wird die Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt, und hat sich das Vermögen seit der Eheschließung erhöht, so ist der andere Ehegatte berechtigt, sofern er zu dieser Erhöhung auf irgendeine Weise beigetragen hat, die Herausgabe des Teiles der Erhöhung zu verlangen, der von seinem Beitrag herrührt.“. 76 A. Balomatis / A . Fifis, Griechisches Familienrecht, https://docplayer.org/17927220Griechisches-familienrecht.html (Stand: 8. 1. 2022), S. 40. 77 Art. 196 CH-ZGB. 78 Art. 205 CH-ZGB. 79 Art. 206 CH-ZGB. 80 Art. 209 Abs. 1 CH-ZGB. 75
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anderen Vermögensmasse desselben Ehegatten führen zu einer variablen Ersatzforderung, die eine Beteiligung an einem etwaigen Mehr-, aber auch einem Minderwert (Verlust) mit sich bringen kann.81 Etwaige Schulden werden derjenigen Masse zugeordnet, mit der sie den engsten sachlichen Zusammenhang aufweisen.82 Für die anschließende Bewertung wird der Bestand der Errungenschaft im Moment der Auflösung der Errungenschaftsbeteiligung gegenständlich fixiert. Bei Vermögensgegenständen ist der Verkehrswert maßgebend.83 Weist der Gesamtwert der Errungenschaft einen Aktivsaldo aus, wird dieser als Vorschlag bezeichnet.84 Ein Passivsaldo wird Rückschlag genannt und braucht nicht exakt berechnet zu werden. Jedem Ehegatten (oder seinen Erben) steht die Hälfte des Vorschlags des anderen zu;85 die wechselseitigen Forderungen werden miteinander verrechnet. Die Beteiligungs- und Ersatzforderungen sind samt Mehrwertanteil grundsätzlich in Geld zu erfüllen. Seit dem 1. 1. 2002 ist die Errungenschaftsbeteiligung nach Schweizer Vorbild auch der gesetzliche Güterstand in der Türkei. Der frühere gesetzliche Güterstand der Gütertrennung wurde durch einen sich an die Errungenschaftsbeteiligung des Schweizer Rechts anlehnenden Güterstand ersetzt.86 Demnach bestehen während des Güterstands getrennte Vermögen der Ehegatten. Jeder Ehegatte ist befugt, sowohl seine Eigengüter als auch die ihm gehörenden, in die Errungenschaft fallenden Gegenstände zu nutzen, zu verwalten und über sie zu verfügen. Die jeweiligen Vermögensmassen der Ehegatten bleiben getrennt. Wird die türkische Errungenschaftsbeteiligung (bspw. durch Tod, Vereinbarung eines anderen Güterstands oder Scheidung) beendet, ist – wie im Schweizer Recht – zunächst der Mehrwertanteil jedes Ehegatten zu ermitteln sowie Vergütungen vorzunehmen. Zudem steht jedem Ehegatten (oder seinen Erben) die Hälfte des Wertzuwachses des anderen zu. Die Forderungen werden miteinander verrechnet und grundsätzlich in Geld erfüllt. Wurde die Ehe wegen Ehebruchs oder Angriffs auf das Leben geschieden, kann jedoch das türkische Gericht nach Billigkeit über die Minderung oder Aufhebung des Anteils des „schuldigen“ Ehegatten am Wertzuwachs entscheiden. Auch der österreichische gesetzliche Güterstand wird regelmäßig der Gruppe der Partizipationssysteme zugeordnet, nimmt hierbei allerdings eine gewisse Sonderrolle ein. Denn der gesetzliche Güterstand ist gemäß § 1237 ABGB die Gütertrennung.87 Haben die Ehegatten keine vorrangig zu beachtenden (ehevertraglichen) Vereinbarungen getroffen, bleiben die Vermögenswerte, die die Ehegatten vor 81
Art. 209 Abs. 3 CH-ZGB. Dies ist im Zweifel die Errungenschaft eines Ehegatten, vgl. Art. 209 Abs. 2 CH-ZGB. 83 Art. 211 CH-ZGB. 84 Art. 210 Abs. 1 CH-ZGB. 85 Art. 215 Abs. 1 CH-ZGB. 86 Vgl. H. Naumann, RNotZ 2003, 343; H. Odendahl, FamRZ 2003, 648; H. Rausch, FF 2003, 165. 87 Vgl. C. Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch (5. Aufl. 2018), Teil 7 Kap. 4, Rn. 42; S. Ferrari / M. Koch-Hipp, in: Süß / R ing Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Österreich, Rn. 16. 82
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und während der Ehe erworben haben bzw. erwerben, demzufolge rechtlich getrennt. Auf das Vermögen des jeweils anderen hat ein Ehegatte, „solange die Ehe besteht“88, keinen Anspruch. Allerdings kann der Ehegatte, der im Betrieb des anderen mitarbeitet, bereits während der Ehe Ansprüche auf Gewinnteilhabe geltend machen.89 Wird die Ehe bspw. geschieden, sind zudem – entgegen der Bezeichnung des österreichischen Güterstands als Gütertrennung – das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse zwischen den Ehegatten aufzuteilen.90 Der Grundsatz der Gütertrennung bleibt folglich nur bis zur Ehebeendigung aufrecht. Zu dem ehelichen Gebrauchsvermögen zählen die beweglichen und unbeweglichen körperlichen Gegenstände, die während der Ehe dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben (z. B. Hausrat, Ehewohnung). Zusätzlich können auch (Eigentums-) Rechte Teil des Gebrauchsvermögens sein. Die ehelichen Ersparnisse sind demgegenüber Wertanlagen (gleich welcher Art), die die Ehegatten während der Ehe angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind.91 Ausgenommen von der Aufteilung sind bspw. Vermögensgegenstände, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder unentgeltlich (bspw. durch Erbschaft oder Schenkung) erworben hat92 Jedoch sind die Ehewohnung und der Hausrat, auch wenn ein Ehegatte sie in die Ehe eingebracht oder unentgeltlich erworben hat, in die Aufteilung miteinzubeziehen, wenn der andere Ehegatten auf die Weiterbenutzung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder wenn ein gemeinsames Kind an der Weiterbenutzung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat.93 Das der Aufteilung unterliegende Vermögen ist sodann (anders im deutschen Recht) nach Billigkeit, und nicht nach einer festen Quote, zu teilen.94 Zu berücksichtigen sind hierbei insbesondere die jeweiligen Beiträge der Ehegatten zur Vermehrung des Vermögens, das Kindswohl, die Führung des gemeinsamen Haushalts und die Beiträge zu der Erziehung der Kinder. Diese Vorgehensweise soll (insbesondere) der Einzelfallgerechtigkeit dienen. Im österreichischen Güterrecht kommt es folglich nicht automatisch zu einer hälftigen Teilung. In der Praxis ist die Halbteilung im Zweifel allerdings die generelle Quote, da Erwerbs- und Familienarbeit als gleichwertig angesehen werden.95 Können sich die Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse nicht einigen, hat hierüber auf Antrag das österreichische Gericht zu entscheiden.96 Dieses kann eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens durch Eigentumsübertragun-
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Vgl. § 1237 ABGB. § 98 AU-EheG. 90 § 81 AU-EheG. 91 § 81 Abs. 3 AU-EheG. 92 § 82 Abs. 1 AU-EheG. 93 § 82 Abs. 2 AU-EheG. 94 § 82 Abs. 1 AU-EheG. 95 Vgl. S. Ferrari / M. Koch-Hipp, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Österreich, Rn. 124. 96 § 85 AU-EheG. 89
C. Überblick über die weltweit gebräuchlichen Güterstände
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gen hinsichtlich beweglicher körperlicher Sachen oder durch die Einräumung von Anwartschaftsrechten an den beweglichen und unbeweglichen Sachen des anderen Ehegatten vornehmen. Auch bei der Aufteilung ehelicher Ersparnisse kann das Gericht die Übertragung von Vermögenswerten, gleich welcher Art, von einem auf den anderen Ehegatten anordnen.97 Soweit eine solche Naturaufteilung aber nicht erzielt werden kann, hat das österreichische Gericht einem Ehegatten eine billige Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen.98
III. Gütertrennungssysteme Als gesetzlicher Güterstand ist die reine Gütertrennung heute nur noch wenig verbreitet (insbesondere in Ländern des islamischen Rechtskreises).99 Für sie ist kennzeichnend, dass zwischen den Ehegatten zu keinem Zeitpunkt ihrer Ehe eine (aufgeschobene) Gütergemeinschaft zur Entstehung gelangt oder Verrechnungen gleich welcher Art stattfinden. Bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Gütertrennung als gesetzlicher Güterstand noch in einigen weiteren Rechtsordnungen verbreitet, so z. B. in England, Italien und der Türkei.100 Sie wurde (historisch bedingt) vor allem als Ausdruck der Gleichberechtigung von Mann und Frau angesehen. Aufgrund gewandelter Anschauungen und zum Schutz des finanziell schwächeren Ehepartners hat sich jedoch die Mehrzahl dieser Zivilrechtsordnungen von der gesetzlichen Gütertrennung abgewendet und Güterstände mit einer vermögensmäßigen Teilhabe eingeführt. So kam es bspw. in England durch den Matrimonial Proceedings and Property Act 1970101 zu einer grundlegenden Reform des bis dahin geltenden separate property-Konzepts,102 deren Grundstrukturen bis heute erhalten sind und die gegenüber dem kontinentaleuropäischen Güterrechtsverständnis einige Besonderheiten aufweist. Nichtsdesto-
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§ 89 AU-EheG. § 94 AU-EheG. 99 Vgl. P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 236. Zu dem islamischen Rechtskreis zählen insbesondere die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, d. h. alle arabischen Staaten zuzüglich Iran und Afghanistan. 100 Vgl. P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 236; R. Battes, Eherecht, S. 329. 101 Siehe hierzu Law Commission, Report on financial provision in matrimonial proceedings, No. 25, https://s3-eu-west-2.amazonaws.com/lawcom-prod-storage-11jsxou24uy7q/uploads/ 2016/08/LC.-025-FAMILY-LAW-REPORT-ON-FINANCIAL-PROVISION-IN-MATRIMO NIAL-PROCEEDINGS.pdf (Stand: 8. 1. 2022), S. 24 ff. 102 Bis in das Jahr 1882 galt in England die sog. unity theorie, nach der eine verheiratete Frau grundsätzlich kein Eigentum haben konnte. Vielmehr gingen durch die Eheschließung alle in ihrem Eigentum stehenden Güter auf den Ehemann über, vgl. A. Röthel, RabelsZ 76 (2012), 131 (134); J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (645). Durch den Married Women’s Property Act 1882 wurde diese unity theorie durch das separate property-Konzept abgelöst, nach dem die Eheschließung unter Gleichberechtigungsgesichtspunkten keinen Einfluss auf die Vermögensverhältnisse von Mann und Frau mehr haben sollte. 98
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
trotz wird der englische „Güterstand“103 – sowie die vom common law geprägten Rechtsordnungen –104 nach wie vor systematisch den Gütertrennungssystemen zugeordnet. 1. Reine Gütertrennung Neben den islamischen Rechtsordnungen kommt die Gütertrennung als gesetzlicher Güterstand – teilweise jedoch nur in bestimmten Fällen – noch in wenigen anderen Rechtsordnungen vor (z. B. Polen, Portugal und Valencia).105 So gilt die Gütertrennung als Zwangsgüterstand bspw. in Portugal, wenn einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung bereits das 60. Lebensjahr vollendet hat,106 um (wohl) sog. „Totenbett-Ehen“ vorzubeugen. Für die reine Gütertrennung ist kennzeichnend, dass jeder Ehegatte Eigentümer seines bei Eheschließung vorhandenen sowie ehezeitlich hinzuerworbenen Vermögens bleibt. Eine vermögensmäßige Teilhabe findet im Fall der Ehebeendigung grundsätzlich nicht statt. Der wesentliche Vorteil der reinen Gütertrennung wird im Allgemeinen in der Einfachheit ihrer Konstruktion gesehen. Zudem lassen sich für sie gewandelte gesellschaftliche Verhältnisse sowie der Umstand anführen, dass heutzutage häufig beide Ehegatten erwerbstätig sind und somit eigenes Vermögen aufbauen können, sodass sie auf eine Versorgung durch den anderen nicht mehr (zwingend) angewiesen sind.107 Dies ist allerdings nicht immer der Fall, sodass die gesetzliche reine Gütertrennung auch zu Härten führen kann. Der Grundsatz, dass eine vermögensmäßige Teilhabe im Fall der Gütertrennung unterbleibt, wird daher in manchen Rechtsordnungen wieder abgemildert (z. B. Katalonien, Valencia). So erkennt bspw. das katalanische Recht demjenigen Ehegatten, der für den ehelichen Haushalt oder den Betrieb des anderen Ehegatten ohne (angemessene) Gegenleistung gearbeitet hat, bei Ehebeendigung eine geldwerte Kompensation zu, wenn eine ökonomische Disparität zwischen den Vermögen beider Ehegatten existiert.108 Die Höhe des Ausgleichsanspruchs bemisst sich dabei nach der durch die Tätigkeit hervorgerufenen wirtschaftlichen
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Es wird immer wieder betont, dass dem englischen Recht bereits das Konzept eines Güterstands fremd sei, vgl. z. B. F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 16. Die relevanten Bestimmungen des Matrimonial Causes Act 1973 regeln lediglich die Scheidungsfolgen, sodass sich nur bedingt von einem „Güterstand“ sprechen lässt. 104 Zu dem common law-Rechtskreis zählen im Wesentlichen Australien, Großbritannien mit den rechtlich selbständigen Regionen England und Wales, Indien, Irland, Kanada, Neuseeland sowie die separate property-Staaten der USA, vgl. K. Zweigert / H. Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung (3. Aufl. 1996), S. 177 ff. 105 Vgl. K. Dengel, Europäische Vereinheitlichung, S. 55 f. 106 Vgl. E. Huzel, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Portugal, Rn. 25. 107 Für das katalanische Recht vgl. z. B. A. Lamarca i Marquès, ZEuP 2002, 557 (561); C. Riveros Ferrada, Nachehelicher Unterhalt, S. 91 ff. 108 Art. 41 CF.
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Änderung der Vermögenslage der Ehegatten im Zeitpunkt der Ehebeendigung. Eine vergleichbare Regelung existiert in Valencia.109 2. Gütertrennung mit richterlicher Vermögensverteilung in den common law-Rechtsordnungen Völlig anders als das kontinentale Güterrechtsverständnis (civil law) ist demgegenüber der Ausgangspunkt des englischen Rechts und der von diesem beeinflussten Rechtsordnungen. Denn es existiert kein kodifiziertes materielles Recht, das die Ansprüche von geschiedenen Ehegatten regelt. Stattdessen gibt es Vorschriften über richterliche Eingriffsbefugnisse, die es dem Richter erlauben, die Scheidungsfolgen mit einem sehr weiten Ermessensspielraum (auf Antrag) zu regeln. Die oberste Maxime bei der Ermessensausübung ist hierbei, eine für beide Ehegatten „faire“ Vermögenslage anhand ihres individuellen Lebenszuschnitts herzustellen (fairness).110 Einen Güterstand im kontinentaleuropäischen Sinne gibt es damit im englischen Recht jedoch nicht.111 Dieser gänzlich andersartige Ansatz ist darauf zurückzuführen, dass eine generalisierte Teilhabe, wie sie in den kontinentalen Güterrechtsordnungen üblich ist, als unangemessen angesehen wird, da sie aus englischer Sicht keine Einzelfallgerechtigkeit herbeizuführen vermag.112 Nichtsdestoweniger haben sich durch das case law der englischen Gerichte in der Vergangenheit übereinstimmende güterrechtliche Teilhabestrukturen entwickelt, die im Wesentlichen durch die Gleichberechtigung der Ehegatten sowie, damit in Zusammenhang stehend, die Gleichwertigkeit ihrer Beiträge zum gemeinsamen Lebensunterhalt geprägt sind (equal sharing).113 Die richterlichen Eingriffs- bzw. Umverteilungsbefugnisse werden im Fall der Ehescheidung114 (erst) durch den Antrag eines Ehegatten auf Regelung der Scheidungsfolgen aktiviert.115 Sie sind im Matrimonial Causes Act 1973 („MCA“) geregelt und betreffen Regelungsgegenstände, die nach deutschem Verständnis in Unterhalt, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich sowie (nach altem Recht) Hausrats- bzw. Wohnungszuweisung zu unterteilen wären. Nach der Art der Ein 109 Vgl. W. Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp / Schumann / Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 23 (24). 110 J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (646). 111 Vgl. F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 16. 112 J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (646). 113 Vgl. A. Röthel, RabelsZ 76 (2012), 131 (158). 114 Die nachfolgenden Ausführungen gelten auch für den Fall der Ungültigerklärung der Ehe oder bei Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (judicial separation), vgl. Sec. 23(1) MCA. Anderen Grundsätzen folgt demgegenüber die vermögensmäßige Teilhabe des (überlebenden) Ehegatten im Fall der Ehebeendigung durch Tod. Hierauf wird in dem nachfolgenden Abschnitt D.II.3 gesondert eingegangen. 115 Application for a financial order, vgl. Sec. 21 MCA.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
griffsbefugnisse (orders) ist im englischen Recht zwischen Anordnungen zur finanziellen Versorgung (financial provision orders)116 und zur Vermögenszuweisung (property adjustment orders)117 zu unterscheiden,118 die aber auch miteinander kombiniert werden können und aufgrund einer einheitlichen Gesamtwürdigung des Gerichts zugunsten eines Ehegatten ergehen. Charakteristisch für das englische Scheidungsfolgenrecht ist hierbei, dass sich aus der Kombination richterlicher Eingriffsbefugnisse teilweise nur schwer auflösbare Verschränkungen zwischen Elementen ergeben können, die nach deutschem Rechtsverständnis dem Unterhaltsrecht oder dem Güterrecht zugehörig wären.119 Der Zugewinnausgleich entspricht (aus deutscher Sicht) nach Sinn und Zweck am ehesten den Befugnissen des englischen Richters zur Vermögenszuweisung (property adjustment orders). Hierbei handelt es sich um richterliche Anordnungen, mit denen unmittelbar auf die Vermögensordnung zwischen den Ehegatten Einfluss genommen werden kann.120 Deren Ziel ist es, eine angemessene Vermögensteilhabe auf Seiten des wirtschaftlichen schwächeren Ehegatten herzustellen.121 Nach Sec. 24(1) MCA kann das Gericht mit der Scheidung bspw. einen Ehegatten verpflichten, dem anderen Teil Vermögensgegenstände zu übertragen oder ihm Nutzungsrechte daran einzuräumen oder Vermögensgegenstände zu veräußern und den Erlös sodann zu teilen (Sec. 24A MCA). In die Anordnung miteinbezogen werden können hierbei auch Vermögenswerte, die einem Ehegatte bereits vor der Eheschließung gehörten oder die er nach der Eheschließung unentgeltlich erworben hat. Bei der Auswahl und konkreten Ausgestaltung der Vermögenszuweisung steht dem englischen Richter ein weiter Ermessensspielraum zu, der durch verschiedene gesetzliche (Sec. 25 MCA)122 und richterrechtlich entwickelte Teilhabekriterien geprägt wird.123 Da das englische Recht traditionell der Rechtsfamilie des common law zugeordnet wird, hat das case law der Gerichte als Präjudizien (precedents) hierbei eine große Bedeutung, zudem sind die Entscheidungen ranghöherer Gerichte bindend. Die englische Rechtsprechungspraxis legt (seit dem Jahr 2000) den 116
Sec. 21(1); 23 MCA. Sec. 21(2); 24 MCA. 118 F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 151. 119 Vgl. OLG Celle v. 14. 10. 2008 – 17 WF 130/08, FamRZ 2009, 359 (360). 120 Vgl. F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa, (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 56. 121 Vgl. F. Odersky, FPR 2013, 72. 122 Nach Sec. 25(2) MCA sind insbesondere folgende Umstände des Einzelfalls in die richterliche Billigkeitserwägung einzubeziehen: Einkommens- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten; finanzielle Bedürfnisse und Verpflichtungen; gemeinsame Lebensstandard vor der Trennung; Alter der Ehegatten und Ehedauer; Beiträge jedes Ehegatten zum Familienwohl, wozu auch die Haushaltsführung und Kindererziehung zählen. 123 Vgl. F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 56. 117
C. Überblick über die weltweit gebräuchlichen Güterstände
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Schwerpunkt des Scheidungsfolgenrechts auf einen teilhabeorientierten Gleichheitsmaßstab (equal sharing):124 Jede richterliche (Umverteilungs-)Entscheidung hat von dem Maßstab der Gleichwertigkeit (yardstick of equality) auszugehen. Die Beiträge beider Ehegatten zum gemeinsamen Lebensunterhalt werden (wie im deutschen Recht) als gleichgewichtig angesehen, sodass sie auch zu prinzipiell gleichwertigen Vermögensanteilen berechtigen sollen (Halbteilungsgedanke).125 Eine ungleiche Aufteilung soll hierbei nur aus gutem Grund möglich sein, z. B. wenn ein Ehegatte Vermögen in nicht unerheblichem Umfang unentgeltlich erlangt hat. Matrimonial property ist demgegenüber grundsätzlich hälftig zu teilen. Zwar liegt dem englischen (Scheidungsfolgen-)Recht – bzw. der Mehrzahl der dem common law zugehörigen Rechtsordnungen – damit ein gänzlich abweichender Ansatz als den kontinentalen (generalisierenden) Güterrechtsordnungen zugrunde. Insbesondere existiert kein gesetzliches Teilhabemodell. Die im Gegenzug gegebenen richterlichen Eingriffsbefugnisse zur nachehelichen Vermögenszuordnung folgen jedoch ganz ähnlichen (richterrechtlichen) Verteilungskriterien, wie sie im deutschen gesetzlichen Güterrecht, bzw. der weit überwiegenden Zahl der kontinentalen Rechtsordnungen, kodifiziert sind. Der bedeutendste Bezugspunkt für die Vermögensteilhabe ist die Gleichberechtigung der Ehegatten und (daraus resultierend) die Gleichwertigkeit ihrer Arbeitsleistungen. Dieses so beschriebene equal sharing-Prinzip im common law führt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle zu gleichartigen Ergebnissen wie das kontinentale Halbteilungsprinzip.
IV. Zusammenfassung Trotz der zweifellos vorhandenen Konvergenzen lassen sich die rechtstechnischen Unterschiede bei den verschiedenen Systemen zur Regelung des ehelichen Güterstands nicht von der Hand weisen. Hier manifestieren sich die in den Rechtsordnungen unterschiedlichen – insbesondere (rechts-)kulturell geprägten – ehe lichen Solidaritätskonzepte. Während sich in Gütergemeinschaftssystemen bereits während des Güterstands ein gemeinschaftliches Vermögen materialisiert, wird in Partizipations- und (manchen) Gütertrennungssystemen eine Vermögensteilhabe zwischen Ehegatten primär nachehelich verwirklicht. Das führt vor allem dazu, dass die Ehegatten während der Ehe über eine größere Autonomie verfügen. Die Güterstände umfassen in der Mehrzahl der Rechtsordnungen das ehezeitlich hinzuerworbene Vermögen, das geteilt werden muss. Dagegen ist in den Ländern des nordischen Rechtskreises grundsätzlich das gesamte – d. h. auch voreheliche – 124 Den Startschuss für dieses equal sharing-Prinzip im englischen Scheidungsfolgenrecht hat die Entscheidung in der Sache White v. White [2001] 1 AC 596 gegeben. Die hierin entwickelten Leitkriterien wurde insbesondere durch die Entscheidung Miller v. Miller; McFarlane v. McFarlane aus dem Jahr 2006 ([2006] UKHL 24) und Stack v. Dowden aus dem Jahr 2007 ([2007] UKHL 17) weiter konkretisiert. 125 A. Röthel, RabelsZ 76 (2012), 131 (137).
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
Vermögen in die (Gleich-)Teilung miteinzubeziehen, was im Prinzip zu einer Universalgemeinschaft führt. Die Mehrzahl der (kontinentalen) Güterrechtsordnungen sieht zudem eine mathematische Grundlage für die Teilhabe vor und teilt das teilhabepflichtige Vermögen (dinglich oder schuldrechtlich) nach festen Anteilen (fixed shares) auf. Die damit zweifellos einhergehende Generalisierung güterrechtlicher Teilhabe wird von den common law-Rechtsordnungen dagegen wegen fehlender Einzelfallgerechtigkeit abgelehnt und durch ein System richterlicher Eingriffs- und Umverteilungsbefugnisse nach Billigkeit ersetzt. Ohne die vorhandenen Systemunterschiede negieren zu wollen, fällt bei genauerer Betrachtung auf, dass die verschiedenen Güterrechtssysteme aber auch viele Gemeinsamkeiten aufweisen. So knüpft die eheliche Teilhabe in der Mehrzahl der Fälle an typisierte Beiträge zum Vermögenserwerb des anderen Ehegatten an: Der Ehegatte wird an dem während des Güterstands erwirtschafteten Vermögen beteiligt, weil der Hinzuerwerb aufgrund der ehelichen Solidarität als auf den gleichwertigen Beiträgen der Ehegatten beruhend angesehen wird und damit den Ehegatten zu gleichen Teilen zustehen soll.126 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die internationale Verbreitung des Halbteilungsmaßstabs, von dem von den untersuchten Rechtsordnungen lediglich Griechenland abweicht. Aber auch die Rechtsordnungen, die eine Teilhabe nach Billigkeitserwägungen vornehmen (common law, Österreich), gelangen grundsätzlich zu einer hälftigen Verteilung des Vermögens der Ehegatten. So hat sich in England durch Richterrecht der Gedanke des equal sharing entwickelt und zu einem Grundprinzip bei der richterlichen Umverteilungsentscheidung entwickelt. Gemeinschaftlicher Grundgedanke des equal sharing- bzw. (kontinentalen) Halbteilungsprinzips ist es, dass jeder Ehegatte an dem während der Ehe von dem anderen Ehegatten erworbenem Vermögen teilhaben soll und zwar unabhängig von der konkreten Aufgabenverteilung in der Ehe, da dieser Erwerb auf den gleichwertigen Leistungen beider Ehegatten beruht.
D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten I. Erbrechtlicher Ausgangsbefund Nicht minder vielgestaltig als die verschiedenen Systeme zur Regelung des ehelichen Güterstands ist die Position des überlebenden Ehegatten in den internationalen Erbfolgeordnungen. Einigkeit besteht (heute)127 allerdings darüber, dass der überlebende Ehegatte bereits aufgrund seines Status erbrechtlich zu beteili-
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Vgl. A. Dutta, Warum Erbrecht?, S. 437. Für eine Übersicht über das Ehegattenerbrecht aus historisch-vergleichender Perspektive siehe z. B. E. D. Graue, The Rights of Surviving Spouse under Private International Law, American Journal of Comparative Law Vol. 15, No. 1/2 (1966–1967), 164; R. Zimmermann, RabelsZ 2016, 39. 127
D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten
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gen ist.128 In einigen Erbfolgeordnungen zeichnet sich seit geraumer Zeit sogar die Tendenz ab, die erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten auf Kosten der Abkömmlinge des Erblassers (und anderer erbberechtigter Verwandter) weiter zu stärken, d. h. die Intestaterbfolge zu horizontalisieren.129 So haben bspw. in jüngerer Zeit Dänemark, England, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz das Erbrecht des überlebenden Ehegatten zulasten der Kinder des Erblassers ausgebaut. Nicht selten hat der überlebende Ehegatte nunmehr sogar die Stellung eines wirtschaftlichen Alleinnachfolgers inne.130 Ein Grund für diese festzustellende Entwicklungstendenz dürfte sein, dass der überlebende Ehegatte zu seiner (künftigen) Versorgung häufig stärker auf die erbrechtliche Beteiligung angewiesen ist als andere Erbberechtigte. Die Kinder sind bei dem Tod eines Elternteils heutzutage (häufig) im mittleren Alter und wirtschaftlich abgesichert.131 Wichtig ist auch die zunehmend stärkere Betonung der Ehe als eine gleichberechtigte Paarbeziehung, in der erbrachten Beitrags leistungen – auch im Todesfall – anerkannt und belohnt werden sollen.132 Der Nachlass stellt vor dem Hintergrund dieses Verständnisses auch das Ergebnis einer gemeinsame Lebensleistung beider Ehegatten dar. In den Ländern, in denen eine (beschränkte) Gütergemeinschaft oder ein Partizipationsgüterstand als gesetz liches Güterregime gilt, werden die in der Ehe erbrachten Beiträge daher auch im Erbfall weitgehend über das vorrangige Güterrecht ausgeglichen.133 In der Regel werden die Ansprüche unter solchen Regimen zusätzlich zu den erbrechtlichen Ansprüchen gewährt. In den Ländern, die Formen der Gütertrennung befürworten (insbesondere: common law-Rechtsordnungen), werden die während der Ehezeit geleisteten Beiträge demgegenüber primär über das Erbrecht (mit-)berücksichtigt. Ein gesonderter güterrechtlicher Ausgleich findet regelmäßig nicht statt. Die erbrechtliche Teilhabe des überlebenden Ehegatten gestaltet sich in den verschiedenen Erbfolgeordnungen rechtstechnisch unterschiedlich. Die einst vorherrschende Form des Legalnießbrauchs zugunsten des überlebenden Ehegatten 128
Zahlreichen Rechtsordnungen reicht für ein Ehegattenerbrecht die reine Statusbeziehung zwischen Erblasser und überlebendem Ehegatten aus, vgl. K. Reid / M. de Waal / R . Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Comparative Perspective, in: Comparative Succession Law Vol. II: Intestate Succession, 2015, p. 442 (493). Lediglich ein geschiedener Ehegatte scheidet aus dem Kreis der gesetzlich Erbberechtigten damit regelmäßig aus. 129 Zur Horizontalisierung der Erbfolge aus deutscher Sicht vgl. I. Kroppenberg, Erbfolge, in: HWBEuP (2009), S. 409 (412 f.); dies., NJW 2010, 2609 (2611); A. Röthel, Gutachten A, 68. DJT, S. A50 f.; dies., JZ 2011, 222; A. Dutta, Warum Erbrecht?, S. 449 ff. 130 Vgl. A. Röthel, Gutachten A, 68. DJT, S. A51. 131 Vgl. K. Reid / M. de Waal / R . Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Com parative Perspective, in: Comparative Succession Law Vol. II: Intestate Succession, 2015, S. 442 (492). 132 Vgl. K. Reid / M. de Waal / R . Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Com parative Perspective, in: Comparative Succession Law Vol. II: Intestate Succession, 2015, S. 442 (492). 133 Siehe hierzu unten unter Abschn. § 3 D. II.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
(gesetzlicher Ehegattennießbrauch) findet sich heute nur noch in einigen wenigen Rechtsordnungen. Dazu gehören bspw. Belgien, Spanien, Frankreich und Luxemburg (wobei der überlebende Ehegatte in den letzten beiden Erbfolgeordnungen ein Wahlrecht zwischen einem Nießbrauchsrecht am Nachlassganzen oder einem eigenen Erbrecht an einem Nachlassteil hat).134 Dem überlebenden Ehegatten steht hier (nur) ein Nießbrauchsrecht, d. h. ein Recht auf Nutzung des Nachlasses bzw. der Nachlassgegenstände (Nutzungsprinzip), und kein Eigentumsrecht, zu. England ist eine der jüngsten Jurisdiktionen, in denen das gesetzliche Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten am Nachlass aufgegeben wurde. Traditionell wurde der Nachlassnießbrauch als ein Mittel zur Versorgung des Ehegatten zu seinen Lebzeiten angesehen, während gleichzeitig das Risiko verringert wurde, dass das Vermögen mit dem Tod des länger lebenden Ehegatten den Familienstamm verlässt.135 Heute erweist sich ein Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten am Nachlass als nicht (mehr) überzeugend begründbar. Insbesondere reicht dieses in Anbetracht der gestiegenen Bedeutung ehelicher Paarbeziehungen (gegenüber verwandtschaftlichen Beziehungen) nicht weit genug. Mit Ausnahme der Erbfolgeordnungen, die den Ehegatten noch heute mit einem Nachlassnießbrauch erbrechtlich bedenken, erhält der überlebende Ehegatte in den meisten Rechtsordnungen ein eigenes Erbrecht an dem gesamten Nachlass oder (häufiger) einem Nachlassteil. Hierbei handelt es sich regelmäßig um einen festen Bruchteil, bspw. ein Viertel (z. B. Frankreich)136, ein Drittel (z. B. Österreich und Quebec) oder ein Halb. Alternativ kann es auch der Erbteil eines Kindes sein, der sich aus einer Division des Nachlasses mit der Anzahl der vorhandenen Kinder des Erblassers ergibt (z. B. in den lateinamerikanischen Ländern, Ungarn, Polen). Nach dieser zweiten Methode variiert die Höhe des Ehegattenerbteils je nach der Anzahl der Kinder. So erhält der Ehegatte (und jedes Kind) ein Drittel des Nachlasses, wenn der Erblasser zwei Kinder hinterlässt, während der Ehegatte bei vier Kindern nur ein Fünftel erhält. Dieses scheinbare Hemmnis für die „Produktivität der Ehe“137 war der Grund dafür, dass in dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch eine feste Erbquote dem Kindesteil vorgezogen wurde.138 Diesem Problem wird in 134
Vgl. E. Cornelius, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Belgien, Rn. 429; S. Franke, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderberichte, Spanien, Rn. 24, 26 f.; F.-G. Lauck, Länderbericht Frankreich, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Rn. 30 ff.; S. Frank, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderberichte, Luxemburg, Rn. 65. 135 Vgl. S. Frank, RNotZ 2002, 270 (271); D. Henrich, DNotZ 2001, 441 (442 f.); K. Reid / M. de Waal / R . Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Comparative Perspective, in: Comparative Succession Law Vol. II: Intestate Succession, 2015, S. 442 (491). 136 Hinterlässt ein Erblasser seinen Ehegatten und gemeinsame Abkömmlinge und gilt die französische gesetzliche Erbfolge, so hat der überlebende Ehegatte ein Wahlrecht zwischen einem Viertel des Nachlasses als Eigentum oder dem Nießbrauch am gesamten Teil des Nachlasses, der nicht durch Vermächtnisse beschwert ist, siehe F.-G. Lauck, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderbericht Frankreich, Rn. 31. 137 Vgl. G. von Schmitt, in: Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Erbrecht, Teil I, S. 739. 138 Vgl. R. Zimmermann, RabelsZ 2016, 39 (52).
D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten
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manchen Rechtsordnungen (z. B. Luxemburg, Polen) dadurch begegnet, dass der überlebende Ehegatte eine bestimmte Mindesterbquote erhält. Der Ansatz in den common law-Rechtsordnungen ist demgegenüber komplexer und führt nicht selten – insbesondere bei kleinen und mittleren Nachlässen – dazu, dass der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlass übernimmt.139 Erbt der überlebende Ehegatte neben Abkömmlingen, steht ihm in England zunächst – quasi als Vorausvermächtnis – die gesamte persönliche Habe des Erblassers (personal chattels)140 zu. Sodann erhält der überlebende Ehegatte einen festen Geldbetrag (fixed net sum) in Höhe von derzeit 270.000 Pfund (statutory legacy). Ist der Nachlass hiernach erschöpft, erhalten die Abkömmlinge nichts. Verbleibt ein Restnachlass (residuary estate), ist dieser zwischen dem Ehegatten und den Abkömmlingen zu teilen. Seit dem Jahr 2014 erhält der überlebende Ehegatte die Hälfte des Restnachlasses zu vollem Recht (absolute interest), und nicht mehr nur zur Nutznießung (life interest).141 Die andere Hälfte des Restnachlasses erhalten die Abkömmlinge. In der Praxis wird der Nachlass allerdings regelmäßig durch den Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die gesamte persönliche Habe sowie den festen Geldbetrag erschöpft.142 Ein ganz anderes Konzept verfolgen demgegenüber Schweden und (seit dem Jahr 2003) auch die Niederlande. In den Niederlanden143 geht das gesamte Vermögen des Erblassers (mit den Verbindlichkeiten) im Zeitpunkt des Erbfalls ipso iure auf den überlebenden Ehegatten über. Die Abkömmlinge haben nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den überlebenden Ehegatten in Höhe des Werts ihrer Erbteile. Der Betrag ist aber grundsätzlich erst zur Zahlung fällig, wenn der überlebende Ehegatte seinerseits verstirbt. Nach schwedischem Erbrecht144 wird der überlebende Ehegatte gesetzlicher Vorerbe des Erblassers und die gemeinsamen Abkömmlinge zu gesetzlichen Nacherben herabgestuft. Eine Vermögensaufteilung erfolgt nicht, da der überlebende Ehegatte aufgrund des Güter- und Erbrechts das 139
Vgl. D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderbericht England und Wales, Rn. 33; A. Röthel, Gutachten A, 68. DJT, S. A51. 140 Art. 55(1)(x) Administration of Estates Act 1925, geändert durch Art. 3 des Civil Partnership Act 2014, definiert den Begriff personal chattels wie folgt: „Personal Chattels means tangible movable property, other than any such property which consists of money or securities for money, or was used at the death of the intestate solely or mainly for business purposes, or was held at the death of the intestate solely as an investment.“. 141 D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderbericht England und Wales, Rn. 35. 142 Schätzungsweise weniger als 10 % der Erblasser in England hinterlassen Vermögenswerte im Wert von mehr als 270.000 Pfund, vgl. R. Kerridge, Intestate Succession in England and Wales, in: Comparative Succession Law Vol. II: Intestate Succession, 2015, S. 331 (345). 143 Zum niederländischen Erbrecht in deutscher Sprache siehe A. van Maas de Bie / H. SlegtMoens, in: Süß, Erbrecht in Europa (4. Aufl. 2020), Niederlande; R. Süß, in: Kroiß / Ann / Mayer, BGB Erbrecht (5. Aufl. 2018), Niederlande. 144 Zum schwedischen Erbrecht in deutscher Sprache siehe K. Firsching, in: Süß, Erbrecht in Europa (4. Aufl. 2020), Schweden; B. Schütz-Gärdén, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderberichte, Schweden.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
gesamte Vermögen des Erblassers übernimmt. Die Abkömmlinge des (ersten) Erblassers erben erst mit dem Tod des länger lebenden Ehegatten. Dieser erhält den Nachlass bzw. die Nachlassgegenstände zu Eigentum. Erst wenn der länger lebende Ehegatte verstirbt, können die Abkömmlinge des zuerst verstorbenen Ehepartners ihre Anteile übernehmen. Dieser aufgeschobene Anspruch der Abkömmlinge ist als ein Erbrecht auf den Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten konzipiert, das aber erst durch den Tod des länger lebenden Ehegatten ausgelöst wird.
II. Auswirkungen des Güterstands auf die gesetzliche Erbenstellung des überlebenden Ehegatten 1. Vorrang des Güterrechts gegenüber dem Erbrecht als allgemeine Richtschnur In vielen Rechtsordnungen verbessert der eheliche Güterstand zudem die wirtschaftliche Position eines überlebenden Ehegatten, wobei die verschiedenen Intestaterbrechte dem Güterrecht weniger Rechnung tragen als zunächst zu erwarten gewesen wäre. Als eine generelle Richtschnur kann vorab festgehalten werden, dass güterrechtliche Ansprüche infolge der Beendigung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten regelmäßig zusätzlich zu den erbrechtlichen Ansprüchen bestehen und nicht durch diese ersetzt werden. Eine erbrechtliche Abgeltung des güterrecht lichen Teilhabeanspruchs – wie sie in § 1371 Abs. 1 BGB vorgesehen ist – erfolgt in der Mehrzahl der Rechtsordnungen nicht. Vielmehr bestehen güter- und erbrechtliche Ansprüche in der Regel isoliert nebeneinander. Etwas gänzlich anderes gilt jedoch in den Ländern, die Formen der Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand bevorzugen. Die während der Ehezeit erbrachten Beiträge scheinen hier primär über das Erbrecht (mit-)berücksichtigt zu werden.145 War der Erblasser verheiratet, hat in den meisten Zivilrechtsordnungen zeitlich vor der Erbteilung eine separate güterrechtliche Abwicklung der Ehe zu erfolgen. Es handelt sich um einen international anerkannten Grundsatz, dass bei dem Tod eines Ehegatten eine güterrechtliche Auseinandersetzung vorrangig zu erfolgen hat. Das hat zur Konsequenz, dass eine – sich anschließende – Erbteilung nur insoweit stattfinden kann, als das Güterrecht Vermögenswerte dem Erblasser zugewiesen hat („Güterrecht geht Erbrecht vor“).146 Dieser Vorrang wird damit
145
Siehe hierzu näher unten unter Abschn. § 3 D. II. 3. Vgl. hierzu in jüngerer Zeit D. Henrich, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 329; R. Süß, in: Erbrecht in Europa (4. Aufl. 2020), § 3 Rn. 83; S. Frank / C . Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 14 ff.; P. Mankowski, ZEV 2016, 479 (480 f.); J. P. Schmidt, in: Dutta / Weber, Internationales Erbrecht (2. Aufl. 2021), Art. 1 EuErbVO Rn. 37; J. Weber, DNotZ 2016, 424 (431); H. Dörner IPRax 2017, 81 (86); M. Andrae, IPRax 2018, 221 (224); H. Dörner, ZEV 2019, 309 (312). 146
D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten
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begründet, dass das Güterrecht als Sonderrechtsordnung der Vermögen der Ehegatten nach eigenen Wertmaßstäben – insbesondere: Gleichwertigkeit der ehezeitlichen Beitragsleistungen – bestimmt, welche Vermögenswerte im Todesfall in die Abwicklung des Güterstands (oder im Umkehrschluss: des Nachlasses) einzubeziehen sind. Erst dann werden die erbrechtlichen Beteiligungen an dem so ermittelten Nachlass relevant. Damit fällt nur das Vermögen in den Nachlass, das nicht aufgrund vorheriger güterrechtlicher Teilung dem überlebenden Ehegatten zugewiesen worden ist.147 Der Güterstand ist daher vor allem für die Bestimmung des Umfangs des Nachlasses bedeutsam. In der Vielzahl der Fälle wird der Güterstand auch bei Tod eines Ehegatten analog zu den für den Scheidungsfall geltenden Verteilungsregeln abgewickelt. Besondere Abwicklungsregeln für den Todesfall existieren zumeist nicht. Dies gründet vor allem auf der allgemeinen Überlegung, dass die Auseinandersetzung der Ehe im Fall des Todes eines Ehegatten nicht anders ausfallen soll als zu Lebzeiten.148 Die erbrechtliche Abwicklung der deutschen Zugewinngemeinschaft in § 1371 Abs. 1 BGB ist damit ein internationales Unikum. 2. Einfluss des Güterstands auf den Nachlassumfang in Gemeinschafts- und Partizipationssystemen Nicht selten sind die Vermögen beider Ehegatten derart eng miteinander verflochten, dass sich bei einem Erbfall die – zwingend zu beantwortende – Vorfrage stellt, welche Vermögensgegenstände dem Erblasser gehören und welche im Eigentum des überlebenden Ehegatten stehen. In der Vielzahl der Rechtsordnungen findet sich eine Antwort auf diese Frage in dem jeweiligen (gesetzlichen) Güterrechtsregime. Ihnen ist gemein, dass der Anteil des überlebenden Ehegatten an dem während der Ehezeit erworbenen Vermögen nicht der Erbteilung unterliegt, sondern ihm außerhalb des Erbrechts güterrechtlich zugewiesen wird.149 In Gütergemeinschafts- und Partizipationssystemen knüpft dieses Güterrecht von Todes wegen an die typisierten lebzeitigen Beiträge des überlebenden Ehegatten zu der Bildung und dem Erhalt des Erblasservermögens an. Die Teilhabegerechtigkeit in der Ehe erfordert deshalb, dass der überlebende Ehegatte durch den Tod des Erblassers rechtlich nicht der „wirtschaftlichen Früchte [seiner] Mitarbeit“150 beraubt wird. In den (beschränkten) Gütergemeinschaftssystemen und auch bei der aufgeschobenen Gütergemeinschaft wird dieser Forderung dinglich über einen (aufgeschobenen) hälftigen Anteil an dem teilhabepflichtigen Vermö-
147
P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 329. Vgl. P. Mankowski, in: Staudinger BGB (Neub. 2010), Art. 15 EGBGB Rn. 329. 149 A. Dutta, Warum Erbrecht?, S. 394. 150 Vgl. A. Dutta, Warum Erbrecht?, S. 245, 394, 437. 148
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
gen entsprochen, das regelmäßig vorrangig gegenüber der Erbteilung, und nach den güterrechtlichen Regeln, auseinanderzusetzen ist. Der überlebende Ehegatte erhält somit außerhalb Erbrechts zunächst die Hälfte des teilhabepflichtigen Vermögens (so z. B. in Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und den community property-Staaten der USA). Erst wenn die güterrechtliche Auseinandersetzung durchgeführt ist, steht fest, was in den Nachlass fällt. Dieser setzt sich in der Regel aus dem Anteil des Erblassers an dem gemeinschaftlichen Vermögen sowie etwaigem Eigengut zusammen. Der überlebende Ehegatte erhält an dem (Rest-)Nachlass häufig noch ein eigenes Erbrecht (in Schweden ein Vorerbrecht an dem gesamten Nachlass), das von dem Güterstand dann aber unabhängig ist. Etwas anderes gilt in einigen community property-Staaten der USA (siehe UPC §§ 2–102A)151, in denen eine weitere erbrechtliche Teilhabe wegen der hälftigen Beteiligung des überlebenden Ehegatten an dem Gesamtgut nicht stattfindet.152 Ein Ausgleich erfolgt hier allein über das Güterrecht. In Kanada, Idaho, Nevada, New Mexiko und Washington erhält der überlebende Ehegatte neben einem gesetzlich bestimmten Anteil an dem Eigengut allerdings das gesamte Gesamtgut, d. h. auch den Anteil des Erblassers.153 In Partizipationssystemen mit Errungenschaftsausgleich wird der güterrechtliche Anteil des überlebenden Ehegatten an dem in der Ehe Hinzuerworbenen demgegenüber über einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass (bzw. die (Mit-)Erben) verwirklicht. Im deutschen und griechischen Güterrecht gelangt für die Erben des verstorbenen Ehegatten ein Anspruch auf Zugewinnausgleich allerdings nicht zur Entstehung, selbst wenn der Erblasser den geringeren Zugewinn gemacht hat.154 Im schweizerischen und türkischen Güterrecht gilt etwas anderes.155 Der Vorschlag ist demnach auch dann zu teilen, wenn der überlebende Ehegatte die größere Errungenschaft erzielt hat. Es gibt keine erbrechtliche Lösung wie in § 1371 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Daher kann es auch dazu kommen, dass der überlebende Ehegatte seinen Zugewinn in die Nachlassmasse einschießen muss, d. h. einen güterrechtlichen Ausgleich an die Erben zu leisten hat.
151
Bei dem Uniform Probate Code (UPC) handelt es sich um ein Mustergesetz, auf dessen Grundlage 18 der 50 US-Bundesstaaten ihre Erbrechtsstatuten aufgebaut haben, vgl. R. Hausmann, in: Staudinger BGB (1. Aufl. 2019), Art. 3a EGBGB Rn. 10 und den Text in Ferid / Firsching / Dörner / Hausmann, Internationales Erbrecht (Stand: 11/2020), USA, Texte II.2. 152 S. Frank, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), Länderberichte, USA, Rn. 56. 153 C. Döbereiner / S . Frank, Internationales Güterrecht, S. 25. 154 Art. 1401 GR-ZGB. 155 Vgl. Art. 215 E CH-ZGB: „Jedem Ehegatten oder seinen Erben steht die Hälfte des Vorschlags des anderen zu.“.
D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten
117
3. Fehlender güterrechtlicher Ausgleich in Rechtsordnungen mit Gütertrennungssystem (common law) In den Ländern, die Formen der Gütertrennung befürworten, sind bei der Rechtsnachfolge von Todes wegen demgegenüber keine bzw. nur wenige güterrechtlichen Besonderheiten zu beachten. Im Fall des Todes eines verheirateten Erblassers ist es regelmäßig nur erforderlich, die Eigentumsverhältnisse an den Vermögensgegenständen zu prüfen, um dadurch die Vermögen der Ehegatten zu entflechten. Das so ermittelte Vermögen des Erblassers bildet den nach erbrechtlichen Regelungen zu verteilenden Nachlass, an dem der überlebende Ehegatte regelmäßig erbrechtlich beteiligt wird. Ein gesonderter güterrechtlicher Ausgleich findet daneben nicht statt. In den common law-Rechtsordnungen erhält der überlebende Ehegatte regelmäßig (vorrangig) die personal chattels des Erblassers sowie einen festen Geldbetrag (statutory legacy) und an dem verbleibenden Restnachlass ein hälftiges Erbrecht.156 Im österreichischen Erbrecht erhält der überlebende Ehegatte neben Abkömmlingen des Erblassers ein Drittel am Nachlass sowie ein gesetzliches Vorausvermächtnis hinsichtlich des Wohnrechts an der Ehewohnung und der zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen.157 Insoweit ähneln die Güterrechte in den common law-Rechtsordnungen und Österreich der (deutschen) Gütertrennung. Hierbei muss man zugleich aber auch berücksichtigen, dass die common law-Rechtsordnungen, und auch das gesetzliche Güterrecht in Österreich, der reinen Gütertrennung nicht (mehr) folgen, sondern von einer gleichberechtigten Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Vermögen ausgehen. Da dieses im Scheidungsfall geteilt wird, gehen das common law und österreichische Recht offenbar davon aus, dass diese Teilhabe im Erbfall durch das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten (mit-)verwirklicht wird.158 Insofern entsprechen das common law und österreichische Recht dem System der deutschen Zugewinngemeinschaft in §§ 1931 Abs. 1; 1371 Abs. 1 BGB. Hierfür spricht auch, dass im österreichischen Erbrecht auf den gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten alles anzurechnen ist, was er durch einen Ehepakt (Ehevertrag) aus dem Vermögen des Erblassers zusätzlich erhält bzw. erhalten hat.159 Dahinter steht der augenscheinliche Gedanke, eine Doppelkompensation der in der Ehezeit erbrachten Beiträge durch das (vertragliche) Güter- und Erbrecht auf Seiten des überlebenden Ehegatten zu verhindern.160 156
Etwas anderes gilt bspw. in Neuseeland, wo der überlebende Ehegatte ein Wahlrecht zwischen einem güterrechtlichen Anteil an dem Gesamtgut und einem Erbteil hat, vgl. sec. 61 ff. Property (Relationships) Act 1976. 157 §§ 744; 745 ABGB. 158 Vgl. K. Reid / M. de Waal / R . Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Comparative Perspective, in: Comparative Succession Law Vol. II: Intestate Succession, 2015, S. 442; DNotI-Redaktion, DNotI-Report 2018, 49 (51). 159 Siehe § 744 Abs. 1 ABGB. 160 Vgl. P. Apathy, in: Kozial / Bydlinski / Bollenberger, ABGB (6. Aufl. 2020), § 757 Rn. 4.
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2. Kap.: § 3 Ausländische eheliche Güterstände und deren Abwicklung
Dafür, dass in den common law-Rechtsordnungen die güterrechtliche Teilhabe durch das Erbrecht des überlebenden Ehegatten quasi mitabgegolten wird, spricht neben seiner starken Erbrechtsstellung vor allem auch das Institut der family provision, das (am ehesten) dem deutschen Pflichtteil vergleichbar ist.161 Mit dem Institut der family provision kann das Gericht eine angemessene vermögensbezogene Versorgung der Familienmitglieder aus dem Nachlass anordnen, wenn und soweit die gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge ein Familienmitglied (den Ehegatten) nicht ausreichend absichert.162 Bei der Anordnung und Ausgestaltung von family provision hat der englische Richter (wie im Scheidungsfolgenrecht) einen weiten Ermessensspielraum. Er muss sämtliche Umstände das Einzelfalls berücksichtigen, in England vor allem die Bedürftigkeit (needs) und die Leistungsfähigkeit des Antragstellers und der Erben, die Art und den Umfang des Nachlasses sowie den Gesundheitszustand der Beteiligten.163 Bei einem antragstellenden Ehegatten muss das Gericht darüber hinaus berücksichtigen, wie der überlebende Ehegatte gestanden hätte, wenn die Ehe nicht durch den Tod, sondern durch Scheidung beendet worden wäre.164 Dieser deemed divorce-Test165 hat – jedenfalls im Ausgangspunkt – die family provision in die Nähe eines Ehegattenquotenpflichtteils gerückt, was ein Blick auf die Entwicklung des englischen Scheidungsfolgenrechts in den vergangenen Jahren zeigt. Hier hat sich das equal sharing-Prinzip durchgesetzt, nach dem das eheliche Vermögen im Grundsatz zu gleichen Teilen zwischen den Ehegatten zu verteilen ist. Es ist deshalb auch bei der family provision eine Beteiligung des überlebenden Ehegatten bis zur Hälfte des Nachlasses vorstellbar.166 Damit ist dem englischen Erbrecht eine güterrechtliche Teilhabe im Erbfall jedenfalls nicht fremd. Mit Blick auf die starke Stellung des überlebenden Ehegatten im Intestaterbrecht, der regelmäßig den gesamten Nachlass übernimmt, kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass die güterrechtliche Teilhabe über das Erbrecht mitverwirklicht wird.
161
Vgl. A. Dutta, Warum Erbrecht?, Diss. 2010, S. 439. Das Institut der family provision dürfte für den überlebenden Ehegatten wegen seiner starken gesetzlichen Erbrechtsstellung folglich nur dann von Bedeutung sein, wenn der Erblasser (zu seinem Nachteil) testiert hat. 163 Sec. 3(1) Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975. 164 Sec. 3(2) Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975. 165 Vgl. The Law Commission, Intestaty and Family Provision Claims on Death, Law COM No 221, S. 55 Rn. 2.141, http://www.lawcom.gov.uk/app/uploads/2015/03/lc331_intestacy_ report.pdf (Stand: 8. 1. 2022). Deutsche Übersetzung: fiktive Scheidung. 166 Siehe A. Dutta, Warum Erbrecht?, S. 451 Fn. 1672 (m. w. N.); A. Röthel, in: FS Hoffmann, S. 349 (355); M. Sonnentag, JZ 2019, 657 (664, 666). 162
D. Abwicklung des Güterstands bei Tod eines Ehegatten
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III. Rechtsvergleichende Bewertung Bei einem Vergleich der verschiedenen Erbfolgeordnungen wird deutlich, dass im Hinblick auf die Erbrechtsstellung des überlebenden Ehegatten große Übereinstimmungen bestehen. Der überlebende Ehegatte wird allein wegen seines Status in allen Rechtsordnungen erbrechtlich berücksichtigt. Traditionell erhält er einen (eigenen) Erbteil am Nachlass, dessen Umfang je nach der Art und der Anzahl der weiteren Erbberechtigten divergiert (neben Abkömmlingen ein Viertel, ein Drittel, ein Halb). Zudem lassen sich in den verschiedenen Erbfolgeordnungen gemeinsame Entwicklungstendenzen ausmachen, die dahingehen, den überlebenden Ehegatten zum (wirtschaftlichen) Alleinnachfolger zu bestimmen. Dahinter steht das Ziel der Stärkung ehelicher Paarbeziehungen. Einige Rechtsordnungen räumen dem überlebenden Ehegatten ein Wahlrecht zwischen einem Nießbrauchsrecht am Nachlassganzen oder -teil und einem (quotalen) Erbrecht ein. England hat demgegenüber in jüngerer Zeit die Umwandlung von einem gesetzlichen Ehegattennießbrauchsrecht in ein eigenes Erbrecht vollzogen. Der Güterstand wirkt sich in den Erbfolgeordnungen in unterschiedlicher Weise auf die Rechtsstellung eines überlebenden Ehegatten aus. So nutzen manche Gesetzgeber rein erbrechtstypische Elemente, indem sie den überlebenden Ehegatten gegenüber anderen Erbberechtigten in teils erheblichem Umfang über das Erbrecht privilegieren (insbesondere: common law-Rechtsordnungen). Eine güterrechtliche Teilhabe findet im Gegenzug nicht mehr statt. Dahinter steht der augenscheinliche Gedanke, durch eine verhältnismäßig gute Ausstattung des überlebenden Ehegatten den güterrechtlichen Ausgleich pauschal mit zu verwirklichen. Andere stützen sich auf Lösungen, die an den ehelichen Güterstand anknüpfen, wobei der Ehegatte teilweise im Gegenzug von der Erbschaft ausgeschlossen oder in seinen Nachlassansprüche beschränkt wird (so manche community property-Staaten der USA, Neuseeland). Des Öftern kommen gemischte Modelle zur Anwendung, bei denen den vermögensrechtlichen Interessen des überlebenden Ehegatten durch eine Reihe von miteinander verbundenen Lösungsansätzen Rechnung getragen wird, die sowohl dem Güterrecht als auch dem Erbrecht entstammen. In der Vielzahl der Rechtsordnungen ist vor der Erbteilung die Ehe güterrechtlich auseinanderzusetzen, da das Güterrecht insoweit vorrangig ist. Die Auseinandersetzung folgt hierbei den Regeln, die auch für die Ehescheidung gelten. Heute kann ein überlebender Ehegatte, insbesondere wenn das Erbrecht zu güterrechtlichen Teilhaberechten hinzukommt – wie dies in der Regel der Fall ist –, damit rechnen, einen wesentlichen Teil des Nachlasses des Erblassers zu erhalten. In immer mehr Ländern kann der Ehegatte, je nach der Größe des Nachlasses, den gesamten Nachlass übernehmen.
Drittes Kapitel
§ 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise Im güterrechtlichen Gesamtgefüge bezweckt der Zugewinnausgleich nach den bisherigen Feststellungen die Verwirklichung eines verfassungsrechtlich abgesicherten Teilhabeanspruchs von Ehegatten auf der Grundlage einer überindividuell-generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise. Die Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist hierbei zwangsläufig mit dem Übergang von Vermögen – sei es durch Geldzahlung oder die Übertragung von Vermögensgegenständen (§ 364 Abs. 1 BGB) – von einem Ehegatten auf den anderen verknüpft. Da in Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatten rechtlich über getrennte Vermögenssphären verfügen und sich wegen des Grundsatzes der Individualbesteuerung1 auch im Steuerrecht „wie Fremde“2 gegenüberstehen, ergibt sich notwendigerweise die Folgefrage, wie ein solcher Vermögenstransfer anlässlich des Zugewinnausgleichs steuerlich zu behandeln ist. Diese Frage stellt sich gleichermaßen aus der Perspektive des erwerbenden (ausgleichsberechtigten) Ehegatten oder aber des Vermögen abgebenden Ehegatten bzw. – in Fällen des § 1371 Abs. 2 BGB – seiner Erben. Im System der Steuerarten ist es die Erbschaftsteuer, die als Bereicherungssteuer mit Verkehrsteuercharakter3 auf die für den Erwerber (den Bereicherten) unentgeltliche Bereicherung gelegt ist, die infolge eines Vermögenstransfers (Verkehrsakt) eintritt.4 Die eine Steuerpflicht auslösenden Vermögensübergänge sind dabei primär nach zivilrechtlichen Kategorien geordnet, die aus Sicht des Steuergesetzgebers eine besteuerungswürdige Leistungsfähigkeitssteigerung vermitteln 1 Der Grundsatz der Individualbesteuerung gilt vor allem im Einkommensteuerrecht und besagt, dass Bemessungsgrundlage und Steuertarif auf den Einzelnen zu beziehen sind, vgl. J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 8 Rn. 22. Er gilt auch für zusammen veranlagte Ehegatten, die jeweils einzeln Steuerpflichtige und Steuerschuldner sind, so C. Seiler, in: Kirchhof / Seer, EStG (20. Aufl. 2021), § 26 Rn. 3. 2 Vgl. BFH v. 23. 08. 1999 – GrS 1/97, BFHE 189, 151 = BStBl. II 1999, 778 Rn. 57; v. 17. 11. 2004 – X R 62/01, BFHE 208, 522 = BStBl. II 2005, 336 Rn. 36. 3 Die Erbschaftsteuer knüpft – im Gegensatz zur Einkommensteuer – nicht an das erwirtschaftete Markteinkommen an, sondern einen Vermögenstransfer zwischen zwei Steuersubjekten. Hieraus leitet der Bundesfinanzhof ihren Verkehrsteuercharakter ab, siehe z. B. BFH v. 09. 12. 2009 – II R 22/08, BFHE 228, 165 = BStBl. II 2010, 363 Rn. 13; v. 25. 01. 2017 – II R 26/16, BFHE 257, 341 = BStBl. II 2018, 199 Rn. 12. 4 Vgl. BFH v. 18. 12. 1972 – II R 87/70 u. a., BFHE 108, 393 = BStBl. II 1973, 329 Rn. 46.
A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise
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oder gerade nicht. Das sind typischerweise Erwerbe von Todes wegen (§ 3 ErbStG) und Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG), d. h. nicht am Markt erwirtschaftete Einkünfte.5 Ein wichtiges systemtragendes Prinzip („Fundamentalprinzip“) bildet hierbei der Grundsatz, dass nur die unentgeltliche Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt (Unentgeltlichkeitsprinzip), wenngleich dieser in den verschiedenen erbschaftsteuergesetzlichen Regelungen nicht immer ausdrücklich hervorgehoben wird.6 Von dieser so umschriebenen Belastungsentscheidung weicht das Erbschaftsteuerrecht selbst jedoch vielfach ab: So sind die Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes zum Schutz von Ehe und Familie bzw. (konkreter) der Weitergabe von Familienvermögen in der Generationenfolge – sowie des hier nicht gegenständlichen Bestands kleiner und mittelständischer Unternehmen (§§ 13a ff. ErbStG) –7 in einem „Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Verhältnis“8 zueinander aufgebaut, das in den letzten Jahren allerdings nicht unumstritten gewesen ist.9 Anlässlich des Zugewinnausgleichs erfolgende Vermögensübergänge unterliegen im Grundsatz nicht der Erbschaftsteuer, wie es § 5 ErbStG (befindlich in Abschnitt eins über die „Steuerpflicht“) ausdrücklich regelt. Da der Zugewinnausgleich auf Seiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten eine (aperiodische) Vermögensmehrung bewirkt, die er nicht durch eigenes Erwerbshandeln am Markt, sondern im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft erlangt hat, fügt sich die Regelung zum Zugewinnausgleich augenscheinlich in den Gesamtkontext des Erbschaftsteuerrechts ein. Zudem dürfte der Zugewinnausgleich (noch immer) in der Mehrzahl der Fälle durch den Tod eines der beiden Ehepartner ausgelöst wer-
5 Zu den Grundtatbeständen der Erbschaftsteuer gehören daneben Zweckzuwendungen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 3; 8 ErbStG) sowie die alle 30 Jahre wiederkehrende Ersatzbesteuerung von bestimmten Stiftungen und Vereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). 6 Vgl. BFH v. 18. 12. 1972 – II R 87/70 u. a., BFHE 108, 393 = BStBl. II 1973, 329 Rn. 46 f. Zum erbschaftsteuerrechtlichen Unentgeltlichkeitsprinzip siehe unten Abschn. § 4 B. III. 7 Die Diskussionen im Erbschaftsteuergesetz werden hauptsächlich in Bezug auf die betrieblichen Verschonungsregelungen der §§ 13a ff. ErbStG geführt, vgl. M. Jülicher, in: FS Crezelius, S. 577. Diese sollen hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden (siehe dazu z. B. G. Crezelius, ZEV 2016, 541; R. Geck, ZEV 2016, 546; F. Hannes, ZEV 2016, 554; L. Korezkij, DStR 2017, 189; C. von Oertzen / M. Reich, Ubg 2017, 1; A. Pahlke, ZEV 2015, 377; M. Reich, BB 2016, 2647; M. Söffing, ErbStB 2016, 235). 8 Vgl. D. J. Piltz, DStR 2010, 1913 (1914); G. Erkis in: FS Crezelius, S. 505 (517). 9 Vgl. z. B. BVerfG v. 17. 12. 2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 = BStBl. II 2015, 50. Mit diesem Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz bereits zum dritten Mal für (teilweise) verfassungswidrig erklärt und dies u. a. damit begründet, dass die weitreichenden Regelungen zur Verschonung des Übergangs betrieblichen Vermögens (§§ 13a; 13b ErbStG) die vom Gesetzgeber getroffene Be- und Entlastungsentscheidung in ihrem Regel-Ausnahme-Verhältnis in das Gegenteil verkehrten (a. a. O., Rn. 227), d. h. dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei (so auch die Ansicht des BFH in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG v. 27. 09. 2012 – II R 9/11, BFHE 238, 241 = BStBl. II 2012, 899 Rn. 149 ff.). Diese Umkehr führe zu einer verfassungswidrigen Fehlbesteuerung.
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
den.10 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass man wegen der Entgelteigenschaft des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht an der zutreffenden Verortung im Erbschaftsteuergesetz durchaus auch zweifeln kann.11 Jedenfalls ergeben sich (auch) aus dieser wichtige Rückschlüsse für die im Weiteren zu untersuchende Frage nach dem Rechtsgrund für die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs und der Normqualifikation des § 5 ErbStG (Tatbestands- oder Vergünstigungsregelung). Über beides herrscht bislang Uneinigkeit bzw. Unklarheit: So wird teilweise von einer (weiteren) Vergünstigung des Ehegattenerwerbs ausgegangen,12 teilweise eine gebotene (und zivilrechtlich ableitbare) Reduzierung des Erbschaftsteuertatbestands angenommen.13 Eine (verfassungs-)rechtlich fundierte Einordnung in den Gesamtkontext des Erbschaftsteuerrechts ist für die vorliegende Untersuchung aber unerlässlich, um ein Gesamtverständnis für das Zugewinnausgleichsteuerrecht sowie etwaige Rechtfertigungsanforderungen entwickeln und daraus einen gesicherten Maßstab für den späteren Güterstandvergleich herleiten zu können. Da beides nur gelingen kann, wenn auch über die Wertungen und Prinzipien der kontextualen Erbschaftsteuer Klarheit herrscht, sollen diese im Folgenden herausgearbeitet werden. Der Schwerpunkt wird dabei weniger auf dem Bereich der Unternehmenserbschaftsteuer liegen, als den wesentlichen Prinzipien des Familienerbschaftsteuerrechts. Dieses hat bislang eher weniger Beachtung gefunden und wenn, dann vor allem im Zusammenhang mit dem – zunehmend streitigeren – Familienheim des § 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG.14
10
Zwar existiert zu diesem Punkt kein statistisches Zahlenmaterial. Eine derartige Schlussfolgerung lässt sich jedoch daraus herleiten, dass die weit überwiegende Zahl der Eheleute in Deutschland in Zugewinngemeinschaft leben (siehe oben Fußnote 1) und fast drei Viertel aller Ehe noch immer durch den Tod eines Ehepartners beendet werden, vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), Eheauflösungen in Deutschland (1950–2018), https://www.bib. bund.de/DE/Fakten/Fakt/L126-Eheloesungen-ab-1950.html;jsessionid=A653A4CCC036E0 8CE0F2CFFD6A1B4A47.1_cid380?nn=10197508 (Stand: 8. 1. 2022). 11 Zur (zivilrechtlichen) Entgelteigenschaft siehe oben schon oben Abschn. § 2 C. III. 3. Denkbar wäre nämlich auch eine Regelung im Einkommensteuergesetz, wie sie die dem Scheidungsfolgenrecht zugehörigen Unterhaltsbezüge erfahren haben (Realsplitting, §§ 10 Abs. 1a Nr. 1; 22 Nr. 1a EStG). 12 So z. B. R. Geck, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 74.4; T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 645 (670). 13 Z. B. C. Meßbacher-Hönsch, in: Wilms / Jochum, ErbStG (Stand: 06/2021), § 5 Rn. 4 und 80. 14 Vgl. M. Jülicher, in: FS Crezelius, S. 577. In der jüngeren Vergangenheit lag vor allem der von Todes wegen erfolgende Erwerb des Familienheims durch den überlebenden Ehegatten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) im Zentrum der Aufmerksamkeit von Rechtsprechung und Literatur (siehe z. B. C. Meßbacher-Hönsch, ZEV 2015, 382; H.-U. Viskorf, ZEV 2018, 563; T. Wachter, ZEV 2014, 191). Der Bundesfinanzhof hat in verschiedenen Urteilen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift geäußert, da der Gesetzgeber bei der Steuerfreistellung des zur individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Individualbedarf steuerlich gleich zu behandeln habe, vgl. BFH v. 3. 6. 2014 – II R 45/12, BFHE 245, 374 = BStBl. II 2014, 806 Rn. 26; v. 29. 11. 2017 – II R 14/16, BFHE 260, 372 = BStBl. II 2018, 362 Rn. 27.
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts Dem Erbschaftsteuergesetz liegen (heute unstreitig)15 verschiedene Prinzipien und Wertungszusammenhänge zugrunde, die sich wie ein „roter Faden“ durch alle Regelungsbereiche ziehen und für das Verständnis einer Erbschaftsteuernorm erhebliche Bedeutung haben können.
I. Erbschaftsteuer und Leistungsfähigkeitsprinzip 1. Ausgangspunkt Wie die meisten Steuerregelungen verfolgt auch die Erbschaftsteuer gleichzeitig mehrere Zwecke, die auf der Grundlage ihrer Wirkungen bestimmt werden können und eng miteinander verbunden sind, ohne dass ein Zweck im Verhältnis zu den anderen nachrangig ist. Wie einleitend bereits angesprochen, handelt es sich hierbei zum einen um das Leistungsfähigkeitsprinzip, das inzwischen fast einhellig als das Fundamentalprinzip des geltenden Steuerrechts anerkannt ist.16 Im allgemeinen Kontext besagt es, dass „jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben“17 herangezogen werden soll. Dabei seien Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet sein müsse (vertikale Steuergerechtigkeit).18 Zum anderen wird die Erbschaftsteuer zugleich als ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit (Art. 20 Abs. 1 GG) begriffen, was sich vor allem daraus erklärt, dass sie Vermögenssubstanz beim Erwerber abschöpft, die dieser zuvor unentgeltlich („mühelos“)19 im Wege der Erbschaft oder Schenkung erlangt
15
Zur Prinzipiengeleitetheit des (Erbschaft-)Steuerrechts siehe oben unter Abschn. § 2 A. II. 1. Das Erbschaftsteuerrecht wird nahezu einhellig nicht als Folgerecht des Zivilrechts ohne eigenständige, vom Zivilrecht losgelöste Systematik und Teleologie begriffen. 16 Zum Fundamentalprinzip-Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe näher J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 40 ff.; J. Lang, in: DStJG 24 (2001), S. 49 (55 ff.); ders., Bemessungsgrundlage, S. 97 ff.; K. Tipke, in: FS Lang, S. 21 (32 ff.). 17 So die gängige Definition des Bundesverfassungsgerichts, siehe z. B. BVerfG v. 22. 5. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655 Rn. 45; v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 Rn. 96; v. 15. 1. 2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 Rn. 113. 18 Vgl. BVerfG v. 29. 5. 1990 – 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60 = BStBl. II 1990, 653 Rn. 112. 19 Insbesondere im älteren Schrifttum findet sich die mit der Umverteilungsfunktion der Erbschaftsteuer auf einer Linie liegende Ansicht, dass jedem Erbanfall der „Charakter des Unverdienten, Mühelosen und Zufälligen“ anhafte, was einen Steuerzugriff rechtfertigen soll, so z. B. R. Büchner, in: Gerloff / Meisel, HdB Finanzwissenschaft (1927), 311.
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
hat.20 In einem Sondervotum zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtlichen Betriebsvermögensverschonung vom 17. 12. 2014 haben die Richterin Baer und die Richter Gaier und Masing betont, dass die Erbschaftsteuer nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen diene, sondern zugleich ein Instrument des Sozialstaats sei, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen einiger weniger Personen kumuliere und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwachse.21 Als Inhalts- und Schrankenbestimmung des in Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Erbrechts wirke sie der Gefahr ungleicher Lebenschancen durch die Schaffung eines Ausgleichs entgegen und erfülle damit vor allem auch eine Umverteilungsfunktion. Die folgende Darstellung nimmt die Ausrichtung der Erbschaftsteuer auf das Leistungsfähigkeitsprinzip in den Blick. Denn dieses liegt nach zutreffender allgemeiner Ansicht in unterschiedlichen Schattierungen auch dem geltenden Erbschaftsteuergesetz zugrunde.22 Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass teilweise umstritten ist, ob sich die Leistungsfähigkeit von Ehegatten – bzw. Erwerbern im engen Familienverband (Ehegatten, Kinder) – im Erbfall überhaupt oder in nur vergleichsweise geringerem Umfang wie die Leistungsfähigkeit fernstehender Personen erhöht.23 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich offen gelassen.24 Hierauf wird noch zurückzukommen sein. Jedenfalls steht das Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Besteuerung des Erwerbs unter Ehegatten (sowie durch Kinder) in einem Spannungsverhältnis zu dem verfassungskräftigen Grundsatz, dass kleine und mittlere Vermögen in der familialen Generationenfolge möglichst ungeschmälert erhalten bleiben sollen und die Erbschaft für den überlebenden Ehegatten noch das „Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“ bleiben soll (sog. Familienprinzip)25. Schon im Ausgangspunkt – und für den Fortgang der weiteren Untersuchung – kann festgehalten werden, dass der Erwerb unter Ehegatten nach geltendem Erbschaftsteuerrecht verhältnismäßig am geringsten belastet wird. 20
Zum Substanzsteuercharakter der Erbschaftsteuer siehe BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 Rn. 104 f.; R. Seer, GmbHR 2007, 281 (282); H. Schaumburg / A . von Freeden, in: Schaumburg, Internationales Steuerrecht (4. Aufl. 2017), Kap. 8 Rn. 8.1. 21 Abweichende Meinung zu BVerfG v. 17. 12. 2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 = BStBl. II 2015, 50 Rn. 2. 22 Vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 1995, 671 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 20; v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 Rn. 101 ff.; v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 92 ff.; R. Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 15 Rn. 1. 23 So z. B. E. Breitenbach, Erbschaftsteuer, 1969, S. 31; S. Oberhauser, in: Neumark, HdB Finanzwissenschaft, Band II (3. Auflage 1980), S. 493; K. Oechsle, in: FS für Bayer, S. 242. 24 Siehe BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 93 ff. sowie – in Bezug auf die hier interessierende Frage nach der Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs – unten Abschn. § 4 B. I. 2. 25 Zum Familienprinzip siehe ausführlich unten Abschn. § 4 B. I. 3.
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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2. Steigerung der Leistungsfähigkeit durch Erbschaften und Schenkungen Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert sich die Leistungsfähigkeit in den verschiedenen Besteuerungsgegenständen auf unterschiedliche Weise.26 In dem Beschluss vom 7. 11. 2006 hat sich das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal grundlegend mit dem Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips in Bezug auf Erbschaften und Schenkungen auseinandergesetzt und sich zugleich wegweisend zu der Bewertung des anfallenden Vermögens geäußert.27 Das Gericht erklärte die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen für verfassungswidrig, weil die Ermittlung des Werts wesentlicher Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftliche Betriebe) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genügte.28 Eine gleichmäßige Belastung von Steuerpflichtigen im Rahmen der Erbschaftsteuer hänge nämlich davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildeten. Einen diesen Anforderungen genügenden Bewertungsmaßstab leitete das Bundesverfassungsgericht unter grundlegender Entfaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips wie folgt her: Die Erbschaftsteuer besteuere als Erbanfallsteuer die beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall eintretende Bereicherung.29 Der Gesetzgeber verfolge das Ziel, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gemäß seinem Wert zu erfassen und die „daraus resultierende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (die durch Erbfall oder Schenkung vermittelte Bereicherung)“ des Erwerbers – wenn auch in unterschiedlichen Steuersätzen nach Maßgabe des Verwandtschaftsgrades und dem Wert des Erwerbs – zu besteuern. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit sei darin zu erblicken, dass der Erwerber „aufgrund des Vermögenstransfers über Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. Letzterer kann durch den Verkauf des Wirtschaftsguts realisiert werden.“30 Die durch den Erwerb eines nicht in Geld bestehenden Wirtschaftsguts vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit werde daher durch den bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, d. h. durch den gemeinen Wert (§ 9 Abs. 2 BewG), bemessen. Nur dieser bilde den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermögliche somit eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der erbschaftsteuerlichen Belastungsentscheidung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber gehalten ist, diese Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzuset 26
A. Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 107. BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007. 28 M. Loose, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 1 Rn. 11. 29 BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007 Rn. 103. 30 BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007 Rn. 104. 27
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
zen (Folgerichtigkeitsprinzip),31 d. h. er darf sich jedenfalls nicht in Widerspruch zu ihr setzen. Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip getroffenen Belastungsgrundentscheidung bedürfen eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung mithin auf eine bereichsspezifische Ausprägung des Gleichheitssatzes in Gestalt des Gebots der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit gestützt. Die Kernaussage ist darin zu erblicken, dass Erbschaften und Schenkungen zu einer Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Erwerbers führen, weil dieser nunmehr über mehr Geld oder veräußerliche Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt, was den gemeinen Wert wiederum als den geeignetsten Bewertungsmaßstab der Erbschaftsteuer erscheinen lässt. Daraus lässt sich umgekehrt ableiten, dass es für die Beurteilung eines Leistungsfähigkeitszuwachses im Wesentlichen auf einen objektiven Wechsel in der (zivilrechtlichen) Vermögensträgerschaft (ohne Gegenleistung) ankommt, und nicht darauf, ob der Empfänger den Vermögenserwerb subjektiv auch als Bereicherung empfindet. Letzteres wird vereinzelt gegen einen Leistungsfähigkeitszuwachs im engen Familienverband angeführt, da Ehegatten und Kinder vor allem den Erwerb im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers wohl selten als bereichernd empfinden dürften.32 Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, was auch mit der (sehr) formalen Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an zivilrechtliche Vorgänge übereinstimmt. Hiermit nicht zu verwechseln ist die Frage, ob Privatausgaben, die für den Erwerber zur Erlangung der Erbschaft oder Schenkung unvermeidbar sind, bei der Erbschaftsbesteuerung steuermindernd berücksichtigt werden müssen (subjektive Leistungsfähigkeit). Dies kann mit Blick auf die Regelung in § 10 Abs. 5 ErbStG bejaht werden, wonach Nachlassverbindlichkeiten in Gestalt von Erblasserschulden (Nr. 1) – worunter auch der rechnerische Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 2 BGB fällt –, Erbfallschulden (Nr. 2) und sonstigen Nachlassverbindlichkeiten (Nr. 3) von dem steuerpflichtigen Erwerb des Erwerbers abzugsfähig sind.33 Für den vorliegend zu untersuchenden Zusammenhang ist entscheidend, dass das Bundesverfassungsgericht von einer Rechtfertigung der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen aufgrund eines Vermögenstransfers ausgeht, der bewirkt, dass ein Erwerber über mehr Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. Diese Belastungsentscheidung ist grundsätzlich folgerichtig umzusetzen, wobei Ausnahmen mit Blick auf den Grundsatz der Belastungsgleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Ein – auch höchstrichter-
31 BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007 Rn. 97. Zum Folgerichtigkeitsgebot siehe im Allgemeinen C. Thiemann, Verluste im Steuerrecht, S. 192 ff. 32 Vgl. zu diesem Argument auch D. Piltz, ZEV 2018, 170 (171). 33 Besteuert wird damit der Nettovermögenszuwachs, vgl. H.-D. Fumi, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 10 Rn. 14.
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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lich – anerkannter Rechtfertigungsgrund ist hierbei das Art. 6 Abs. 1 GG innewohnende Schutz- und Förderungsgebot der Ehe bzw. Familie.34 Da die Erbschaftsteuer im Gegensatz zur Einkommensteuer nicht das Markteinkommen, sondern im Wege der Erbschaft oder Schenkung erlangte Vermögenszuwächse erfasst, kann es jedoch notwendigerweise immer nur um unentgeltliche (mühelose, gegenleistungslose) Leistungsfähigkeitssteigerungen gehen. 3. Umsetzung im Bereich des Familienerbschaftsteuerrechts a) Systemische Betrachtung der Zusammenhänge des Familienerbschaftsteuerrechts Wie eingangs bereits angesprochen, wird der Erwerb zwischen Ehegatten (und von Kindern) im Gesamtgefüge des Erbschaftsteuergesetzes verhältnismäßig am geringsten belastet, was darauf zurückzuführen ist, dass von der soeben beschriebenen Belastungsentscheidung zugunsten dieser Erwerbergruppe(n) zahlreiche Ausnahmen gemacht werden. Die Zusammenhänge – und die Einordnung des steuerneutralen Zugewinnausgleichs in diesen Kontext – erklären sich am besten durch eine systemische Betrachtung der für Ehe und Familie bedeutsamsten Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes (Familienerbschaftsteuerrecht).35 Diese bilden, neben den Regelungen zur Unternehmenserbschaftsteuer, den zweiten wesentlichen Teilbereich der Erbschaftsteuer. Auch das Familienerbschaftsteuerrecht weist eine mitunter komplizierte Tatbestandsstufung mit Regel-, Ausnahme- und Rückausnahmebestimmungen auf und behandelt den Ehegattenerwerb in vielerlei Hinsicht günstiger als den Erwerb durch einen Nicht- bzw. fernen Verwandten.36 Gerade in jüngerer Zeit wird den die Ehe betreffenden Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes denn auch der Vorwurf der (verfassungswidrigen) Überbegünstigung ge 34
Siehe unten Abschn. § 4 B. I. 3. Nach dem hier entwickelten Verständnis handelt es sich dabei um die Regelungen der §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4a-c; 15–17; 19; 27 ErbStG. Soweit ersichtlich, hat zuletzt A. Hensel in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine zusammenhängende Betrachtung der die Ehe und Familie betreffenden Vorschriften des (damaligen) Erbschaftsteuergesetzes von 1919 vorgenommen, siehe ders., System des Familiensteuerrechts, S. 190 ff. 36 Dieses drei- bzw. mehrgliedrige Stufensystem der Familienerbschaftsteuer lässt sich am eindrücklichsten anhand der Regelungen zur Familienheimverschonung (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 4b und c ErbStG) aufzeigen: (1) Der unentgeltliche Erwerb des Familienheims ist ein (grundsätzlich) steuerbaren Erwerbsvorgang gem. § 3 ErbStG. (2) Der Erwerb durch den überlebenden Ehegatten oder durch Kinder ist aber von der Erbschaftsteuer befreit, soweit (a) der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und (b) vom Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt wird. (3) Diese Steuerbefreiung fällt jedoch wiederum mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn (a) der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, (b) es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu Wohnzwecken gehindert. 35
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
macht,37 was eine Einordnung des § 5 ErbStG in den Gesamtkontext der (Familien-) Erbschaftsbesteuerung nunmehr umso dringlicher erscheinen lässt. Das System des Familienerbschaftsteuerrechts – sofern man von einem solchen sprechen kann – geht von dem Grundansatz aus, dass ein Erbfall oder eine Schenkung auch im engen Familienverband (Ehegatten, Kinder) zu einer Bereicherung (Leistungsfähigkeitssteigerung) führt, die allerdings nicht in demselben Maße besteuerungswürdig ist wie der Erwerb durch Nicht- bzw. ferne Verwandte.38 Ein kulturelles Eigentumsverständnis, das Eigentum nicht als Individualeigentum begreift, sondern als dem übergeordneten Familienverband gehörend39 – mit der Konsequenz, dass ein Rechtsträgerwechsel zwischen Mitgliedern dieses Familienverbandes im Erbfall schon gar nicht stattfinden kann – liegt dem geltenden Erbschaftsteuerrecht damit nicht zugrunde. Die Grundtatbestände des deutschen Erbschaftsteuergesetzes beziehen den Ehegattenerwerb – anders als viele andere Steuerrechtsordnungen –40 vielmehr in die Besteuerung grundsätzlich mit ein. Anderes schlägt P. Kirchhof in dem von ihm im Jahr 2011 vorgelegten Bundessteuergesetzbuch (BStGB) vor: § 77 Nr. 1 BStGB sieht eine vollständige Steuer befreiung von Erwerben unter Ehegatten vor.41 Zur Begründung führt P. Kirchhof die Existenz einer besonderen Erwerbsgemeinschaft zwischen Ehegatten an, in der beide Seiten durch wechselseitige Leistungen ihr Vermögen mehren.42 Mangels Besteuerung des Ehegattenerwerbs dem Grunde nach ist eine § 5 ErbStG entsprechende Regelung im Kirchhof’schen Bundessteuergesetzbuch naturgemäß entbehrlich, wovon P. Kirchhof sich die Vermeidung der „oft sehr schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen Steuerrecht und ehelichem Güterrecht, vor allem bei der Behandlung des Zugewinnausgleichs“43, erhofft. Das geltende Erbschaftsteuerrecht entspricht dem indes nicht.44 Jedoch gelangt das Erbschaftsteuergesetz über verschiedene andere Mechanismen dazu, jedenfalls den Übergang kleiner und mittlerer Vermögen im engen Familienverband von der Besteuerung auszunehmen. A. Hensel hat bereits in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in diesem Zusammenhang von 37
Vgl. BFH v. 18. 7. 2013 – II R 35/11, BFHE 242, 153 = BStBl. II 2013, 1051. Diesem Grundansatz steht auch nicht die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entgegen, vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 20. Eine vollständige Steuerbefreiung des von Todes wegen erfolgenden Erwerbs vom verstorbenen Ehegatten ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. 39 Zum kulturellen Eigentumsverständnis siehe näher J. Beckert (auch mit weiteren Nachweisen), in: P+P Pöllath + Partners (Hrsg.), Verdient – unverdient, S. 4 (7 f.). 40 Nach der Analyse von M. Holtz / A. Thimm erheben 13 EU-Mitgliedstaaten überhaupt keine Erbschaftsteuer mehr und 17 weitere Staaten besteuern den Erwerb des Ehepartners überhaupt nicht oder nur sehr gering, vgl. dies., Steueranwaltsmagazin 1/2016, S. 9. 41 P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 62. 42 P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 27 Rn. 100. 43 P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 27 Rn. 100. 44 Interessanterweise beließ das (Reichs-)Erbschaftsteuergesetz bis zu einer Rechtsänderung im Jahr 1919 den Erbgang auf Ehegatten (und Abkömmlinge) vollständig steuerfrei, vgl. § 14 Nr. 4a-d ErbStG 1906. 38
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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„Familienprivilegien“ bzw. „Familiensteuerprivilegien“ gesprochen.45 So sind zum einen die (doppelt) progressiven Steuersätze, welche für die Erbfolge der dem Erblasser ferner stehenden Personen gelten (15–50 % des steuerpflichtigen Erwerbs), für die Erbfolge der nächsten Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG) deutlich verringert (7–30 %). Zum anderen genießen Ehegatten vor den übrigen Verwandten und Nichtverwandten die Vergünstigung eines erhöhten persönlichen Freibetrags (500.000 € anstatt 20.000 €, vgl. § 16 ErbStG). Hinzu kommt der besondere Versorgungsfreibetrag des § 17 ErbStG, der Ehegatten im Fall des Todes des anderen in Höhe von 256.000 € zugute kommt. Dieser dient in erster Linie dazu, die unterschiedliche erbschaftsteuerrechtliche Behandlung gesetzlicher und vertraglicher Versorgungsbezüge auszugleichen46 und soll insofern eine nicht ausreichende Versorgung des überlebenden Ehegatten mit steuerfreien Versorgungsbezügen kompensieren.47 Durch die Sondervorschrift des § 27 ErbStG versucht das Erbschaftsteuergesetz zudem eine Überlastung der Kernfamilie mit Erbschaftsteuer bei zeitlich rasch aufeinanderfolgenden Erbfällen zu vermeiden. Nach ihr ermäßigt sich der Steuerbetrag um bis zu 50 %, wenn Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen anfällt, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist.48 So wird bspw. die im Fall des Todes eines Ehegatten von dem überlebenden Ehegatten für seinen Erwerb gezahlte Erbschaftsteuer nach seinem Tod auf die von den (gemeinschaftlichen) Kindern zu entrichtende Erbschaftsteuer zeitanteilig angerechnet, wenn der erste Erbfall nicht mehr als zehn Jahre zurückliegt. Neben diesen bei jedem Erwerb zu berücksichtigenden allgemeinen „Familienprivilegien“ findet sich eine Reihe von weiteren Vorschriften, die einzelne Erwerbsgegenstände betreffen. Dazu rechnen: – Vorschriften, die für den Erwerb von Hausrat und anderen beweglichen körperlichen Gegenständen durch Personen der Steuerklasse I zusätzliche Freibeträge in Höhe von insgesamt 53.000 € gewähren (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a und b ErbStG), – das Dreißigsten-Privileg (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG),49 – Vorschriften, die den Erwerb des sog. Familienheims von Todes wegen oder unter Lebenden durch den (überlebenden) Ehegatten oder Kinder – ohne Anrechnung auf den persönlichen Freibetrag des § 16 ErbStG – unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei stellen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a–c ErbStG). 45
Vgl. A. Hensel, System des Familiensteuerrecht, S. 191. Siehe R E 3.5 ErbStR 2019. 47 BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 108. 48 M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 27 Rn. 1. 49 Gem. § 1969 BGB ist der Erbe verpflichtet, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit seines Todes zu dessen Hausstand gehörten und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls in demselben Umfang wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und von Haushaltsgegenständen zu gestatten („Dreißigster“). § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG stellt diese Unterhaltsbezüge und die unentgeltliche Wohnraum- bzw. Nutzungsüberlassung von Hausrat in den ersten 30 Tagen steuerfrei. 46
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
All diese Vorschriften haben gemein, dass sie im Wesentlichen den Schutz des engen Familienverbands bezwecken, indem sie die Weitergabe von Familienvermögen – d. h. des vom Erblasser typischerweise für seine Familie (mit-)gebildeten Vermögens – möglichst weitgehend von der Erbschaftsteuer verschonen und somit die Versorgung in der familialen Generationenfolge sicherstellen. Insbesondere der persönliche Freibetrag des § 16 ErbStG stellt anhand des Prinzips der Familienund Verwandtschaftsnähe sicher, dass die Erbschaft in einem bestimmten (Mindest-)Umfang steuerfrei bleibt.50 Das Bundesverfassungsgericht hat hierfür den Begriff des „persönlichen (Familien-)Gebrauchsvermögens“ geprägt.51 Ein ganz ähnliches Ziel verfolgen die gegenstandsbezogenen Freibeträge des § 13 Abs. 1 Nr. 4a-b ErbStG, die den Übergang des Familienheims als typischen Kernbestand „der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft“ aus der Besteuerung, und zwar ohne Anrechnung auf den persönlichen Freibetrag, ausnehmen. Dies ist auch der Grund, warum die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierin eine Überbegünstigung des Ehegattenerwerbs erblickt.52 Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a–b ErbStG führe bei Eheleuten zu einer Begünstigung von Immobilienvermögen, für die ein hinreichender sachlicher Grund fehle.53 Denn der Anspruch auf steuerliche Freistellung des obigen Gebrauchsvermögens der Ehe bzw. Familie werde in typisierender Weise bereits durch die Freibeträge des § 16 ErbStG verwirklicht.54 Auf Basis seiner aktuellen Rechtsprechung begegnet der Bundesfinanzhof diesen Bedenken mithilfe einer restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Familienheim“. Gänzlich unklar ist hingegen, wie sich die Regelung zum steuerneutralen Zugewinnausgleich in diesen Gesamtkontext des Familienerbschaftsteuerrechts einfügt. Bei der vorstehenden Darstellung der systemischen Zusammenhänge wurde § 5 ErbStG bewusst außer Acht gelassen, da den genannten Vorschriften gemein ist, dass sie eine gegenüber anderen Erwerbergruppen begünstigende Abgabenbelastung der Ehe bzw. Familie bezwecken – und damit als solche prinzipiell rechtfertigungsbedürftig sind. Hiervon zu trennen sind diejenigen Bestimmungen des Erbschaftsteuergesetzes, die zwar auch gewisse ehe- bzw. familienrechtliche Verhältnisse zu regeln bestimmt sind, die jedoch nur zu einer gerechten – und nicht
50
Vgl. BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 88. Vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655 Rn. 74 (Vermögensteuer); v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 28. Zum persönlichen Gebrauchsvermögen siehe unten Abschn. § 4 B. I. 3. b). 52 Siehe BFH v. 18. 7. 2013 – II R 35/11, BFHE 242, 153 = BStBl. II 2013, 1051; v. 3. 6. 2014 – II R 45/12, BFHE 245, 374 = BStBl. II 2014, 806; v. 23. 6. 2015 – II R 13/13, BFHE 250, 203 = BStBl. II 2016, 223; v. 23. 6. 2015 – II R 39/13, BFHE 250, 207 = BStBl. II 2016, 225; v. 5. 10. 2016 – II R 32/15, BFHE 256, 359 = BStBl. II 2017, 130; v. 27. 6. 2017 – IX R 37/16, BFHE 258, 490 = BStBl. II 2017, 1192; v. 29. 11. 2017 – II R 14/16, BFHE 260, 372 = BStBl. II 2018, 362; v. 28. 5. 2019 – II R 37/16, BFHE 264, 512 = BStBl. II 2019, 678. 53 BFH v. 18. 7. 2013 – II R 35/11, BFHE 242, 153 = BStBl. II 2013, 1051 Rn. 11. 54 BFH v. 18. 7. 2013 – II R 35/11, BFHE 242, 153 = BStBl. II 2013, 1051 Rn. 11. 51
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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auch begünstigenden – Besteuerung führen sollen.55 Gemeint sind hiermit Vorschriften, die eine folgerichtige und widerspruchsfreie Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips bezwecken. b) Familienprinzip als Grenze der steuerlichen Belastung Die (steuermindernde) Berücksichtigung der Verbundenheit des Erblassers mit dem engen Familienverband stellt ein historisch überkommenes Grundprinzip (auch) im Erbschaftsteuerrecht dar, das heute allgemein anerkannt ist.56 Insofern ist von einer „Rechtstradition“57 die Rede. Unter dem Vorzeichen des allgemeinen Gleichheitssatzes ergeben sich daraus aber auch verfassungsrechtliche Wirkungen: Behandelt das Erbschaftsteuergesetz den Erwerb unter Ehegatten (und durch Kinder) insbesondere durch die Gewährung von persönlichen und sachlichen Freibeträgen sowie einem verminderten Steuersatz besser, als den Erwerb durch Nichtoder ferne Verwandte, bedarf dies als Ungleichbehandlung einer Rechtfertigung. Die Grundlage der Rechtfertigung liegt in dem Familienprinzip, das – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung erstmals von dem Bundesverfassungsgericht in dem Jahr 1995 (ausdrücklich) verwendet worden ist.58 Damit ist der Gedanke bezeichnet, dass die familiäre Verbundenheit der nächsten Angehörigen zum Erblasser erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen ist, indem ein bestimmter Mindestbetrag des Erwerbs – das Familiengebrauchsvermögen – steuerfrei erhalten bleibt und der erbschaftsteuerliche Zugriff in Bezug auf einen darüber hinausgehenden Vermögenszuwachs zudem zu mäßigen ist.59 Dieser Gedanke kann – wie gezeigt – an einen konkreten einfachrechtlichen Normenbestand anknüpfen, in dem die Geltung eines Familienprinzips für den Bereich der Erbschaftsteuer eindeutig zum Ausdruck kommt. Dennoch stellt sich insofern auch die Frage, inwiefern das Prinzip einer Berücksichtigung der Verbundenheit des Erblassers mit dem engen Familienverband davon unabhängig verfassungsrechtlich vorgegeben ist. 55
So schon A. Hensel, System des Familiensteuerrechts, S. 193 f. Dazu gehören z. B. §§ 1 Abs. 1 Nr. 4; 4; 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. 56 Nach einer (zutreffenden) verbreiteten Auffassung hat das Familienprinzip seinen historischen Ursprung im Zivilrecht, vgl. K. Tipke, StRO II (2. Aufl. 2012), S. 895; C. Moes, JZ 2017, 858 (867, dort Fn. 93). So entspricht ein Verwandtenerbrecht unter angemessener Beteiligung insbesondere des Ehegatten einer deutschen Rechtstradition, indem diesem seit Beginn ein gesetzlicher Erbteil sowie Pflichtteilsanspruch von Gesetzes wegen zuerkannt wird (vgl. auch BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 96 f.). Hierauf hat das erste reichseinheitliche Erbschaftsteuergesetz aus dem Jahr 1906 systemisch aufgebaut. 57 BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 97. 58 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 25. 59 So die ständige Rechtsprechung: BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 28; v. 28. 10. 1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1 Rn. 27; v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 98 sowie z. B. BFH v. 14. 7. 2011 – II B 27/11, BFH / N V 2011, 1881 Rn. 7; v. 3. 6. 2014 – II R 45/12, BFHE 245, 374 = BStBl. II 2014, 806 Rn. 23; v. 22. 8. 2017 – II B 93/16, BFH / N V 2018, 40 Rn. 7.
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
aa) Schutzzweck Das Familienprinzip bezweckt, den zur persönlichen Lebensführung des Erblassers und seines Ehegatten (Familie) erforderlichen Vermögensstamm (Gebrauchsvermögen)60 zu schützen, indem es diesen durch verschiedene Freibeträge und einen gegenüber anderen Erwerbergruppen verminderten Steuersatz in einem bestimmten (Mindest-)Umfang von der Erbschaftsteuer befreit. Dahinter steht der Gedanke, dass dieses Vermögen eines besonderen Schutzes bedarf, da es einen Freiheitsraum für eine eigenverantwortliche Gestaltung der ehelichen Lebensführung sichert und daher in der Erbfolge belastungsfrei erhalten bleiben soll. Die das Familienerbschaftsteuerrecht betreffenden Regelungen schirmen zu diesem Zweck die wirtschaftliche Grundlage der Ehe gegen die Erbschaftsteuer ab. Aus der Vielgestaltigkeit ehelicher Lebensführung folgt zwangsläufig, dass die so umschriebene (schutzwürdige) wirtschaftliche Grundlage der Ehe je nach dem individuellen Lebenszuschnitt der Ehegatten unterschiedlich ausfällt. Angesichts der Schwierigkeiten, das Gebrauchsvermögen jedes Ehepaars annähernd realitätsgerecht – ohne unzumutbares Eindringen in deren persönliche Verhältnisse – zu ermitteln, ist der Gesetzgeber (auch) in diesem Bereich zur Typisierung befugt.61 Das bedeutet, dass nicht im Einzelfall zu ermitteln ist, inwieweit die Ehegatten das Vermögen eines der beiden zur Gestaltung ihrer ehelichen Lebensführung benötigen, sondern dieser Bedarf typisierend angenommen werden kann. Die Vorteile der Typisierung müssen dabei jedoch in einem angemessenen Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichbehandlung stehen.62 Insbesondere muss der Gesetzgeber eine sach- und realitätsgerechte Typisierungsgrundlage wählen, indem er den Durchschnittsfall als Maßstab zugrunde legt.63 Übertragen auf den Bereich des Familienerbschaftsteuerrechts bedeutet dies, dass die Typisierung des steuerfreien Gebrauchsvermögens grundsätzlich so zu bemessen ist, dass sie in der Mehrzahl der Fälle die wirtschaftliche Grundlage der ehelichen (familiären) Lebensführung von der Erbschaftsbesteuerung ausnimmt. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem zur Erbschaftsteuer ergangenen Beschluss vom 22. 6. 1995 grundlegend ausgeführt, dass Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I der Nachlass – je nach dessen Größe – zum deutlich überwiegen 60
Vgl. BFH v. 12. 10. 2005 – II B 36/05, BFH / N V 2006, 369 Rn. 3. Vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 28; BFH v. 21. 9. 2005 – II R 56/03, BFHE 210, 522 = BStBl. II 2005, 875 Rn. 21; v. 27. 9. 2012 – II R 9/11, BFHE 238, 241 = BStBl. II 2012, 899 Rn. 124 ff. 62 Vgl. BVerfG v. 20. 4. 2004 – 1 BvR 905/00 u. a., BVerfGE 110, 274 Rn. 58; v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 Rn. 96; v. 15. 1. 2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 Rn. 83; v. 4. 2. 2009 – 1 BvL 8/05. BVerfGE 123, 1 = BStBl. II 2009, 1035 Rn. 55; v. 7. 5. 2013 – 2 BvR 909/06 u. a., BVerfGE 133, 377 Rn. 88. 63 Zum Gebot der realitätsgerechten Orientierung des Gesetzgebers am Durchschnittsfall vgl. BVerfG v. 9. 12. 2008 – 2 BvL 1/07 u. a., BVerfGE 122, 210 Rn. 60; v. 29. 3. 2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = BStBl. II 2017, 1082 Rn. 107; J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 148. 61
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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den oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommen müsse und dass es bei einer Anhebung des Wertniveaus der steuerlichen Grundbesitzwerte notwendig sei, den Betrag des Nachlasswertes, der Erben der Steuerklasse I ungeschmälert verbleiben müsse, entsprechend anzuheben.64 Für diesen von der Besteuerung auszunehmenden Nachlasswert hat das Bundesverfassungsgericht auf die Ausführungen in seinem zur Vermögensteuer ergangenen Beschluss vom gleichen Tag verwiesen.65 Darin wird unter anderem ausgeführt, dass es nahe liege, sich an den Werten „durchschnittlicher Einfamilienhäuser“ zu orientieren.66 Vor diesem Hintergrund werden die die Erbschaftsteuer betreffenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts heute vielfach so verstanden, dass die wirtschaftliche Grundlage ehelicher (familiärer) Lebensführung typisierend mit dem Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses zu bemessen sei. Auch der Gesetz geber hat die Freistellung des Gebrauchsvermögens bei der letzten Neuregelung des § 16 Abs. 1 ErbStG im Jahr 2008 ausdrücklich an dem Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses bemessen und hierfür einen Betrag von 500.000 € als angemessen erachtet.67 Ist nach dem Schutzzweck des Familienprinzips das eheliche (familiäre) Gebrauchsvermögen in Höhe des Werts eines durchschnittlichen Einfamilienhauses von der Erbschaftsteuer insgesamt zu befreien, so stellt sich zugleich die Frage nach den Grenzen in Bezug auf einen darüberhinausgehenden Vermögenszuwachs.68 Auch diesbezüglich können dem Schutzgehalt des Familienprinzips Vorgaben entnommen werden. Dieses verbietet nicht nur eine Besteuerung des zur ehelichen Lebensführung erforderlichen Vermögensstamms, sondern generell einen unbegrenzten Erbschaftsteuerzugriff des Staates auf den Erwerb im engen Familienverband. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts ist der erbschaftsteuerliche Zugriff so zu beschränken, dass „die Erbschaft für den Ehegatten noch Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft bleibt und auch eine im Erbrecht angelegte Mitberechtigung der Kinder am Familiengut nicht verlorengeht.“69 Wann dies der Fall ist, ist angesichts der Unbestimmtheit der verfassungsgerichtlichen Vorgabe schwierig zu bestimmen und letztlich der Entscheidung des (einfachen) Gesetzgebers überlassen. Diesem steht wiederum ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der daraus resultiert, dass das Familienprinzip die einzelne Besteuerungsentscheidung 64
Vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1993, 671 Rn. 28. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1993, 671 Rn. 28 unter Verweis auf 2 BvL 37/91 (dort unter C.II.5). 66 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655 Rn. 61. 67 BT-Drs. 16/7918, S. 37. 68 Nach einer jüngeren Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge wird pro Erbfall durchschnittlich ein Betrag von 363.000 € vermacht, sodass sich die Frage nach den Besteuerungsgrundsätzen eines über das Gebrauchsvermögen hinausgehenden Vermögenszuwachses in der Mehrzahl der Fälle gar nicht stellt, vgl. Deutsches Institut für Altersvorsorge, Erben in Deutschland 2015–24: Volumen, Verteilung und Verwendung, https://www.dia-vorsorge.de/ shop/files/DIA_Studie_Erben_in_Deutschland_HighRes.pdf, S. 6 (Stand: 8. 1. 2022). 69 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 29. 65
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
nicht vorgibt, sondern – nach dem hier entwickelten Verständnis – lediglich begrenzend wirkt.70 Er darf jedoch keine sachunangemessene Regelung71 treffen und muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umsetzen, d. h. er darf sich (jedenfalls) nicht in Widerspruch zu ihr setzen. Im geltenden Recht ist der Gesetzgeber den obigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vor allem mit der Tarifnorm des § 19 ErbStG nachgekommen, welche die Steuersätze, die für die Erbfolge der dem Erblasser ferner stehenden Erwerber gelten, für die Erbfolge der nächsten Familienangehörigen deutlich verringert.72 So sieht § 19 Abs. 1 ErbStG für Erwerber der Steuerklasse I progressive Steuersätze von 7 bis 30 % vor, wogegen andere Erwerbergruppen bereits mit Eingangssteuersätzen von 15 % (Steuerklasse II) bzw. 30 % (Steuerklasse III) belastet sind. Dies ist insoweit nicht zu beanstanden, als das Familienprinzip auch einen konkreten Tarifverlauf nicht vorgibt, sondern der gesetzgeberischen Entscheidung einen äußeren Rahmen setzt, der nicht überschritten werden darf. Wählt der Gesetzgeber – wie bei der Erbschaftsteuer – einen progressiven Tarifverlauf, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, einen über das steuerfrei zu erhaltende Gebrauchsvermögen hinausgehenden Vermögenszuwachs entsprechend zu belasten, soweit beim Ehegatten (und den Kindern) nach Abzug der Erbschaftsteuerbelastung ein – absolut und im Vergleich zu anderen Erwerbergruppen – hoher Erwerb bleibt, der das Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft sichtbar macht. Ist Letzteres gewährleistet, liegt es weitgehend im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, den Tarifverlauf in den Grenzen des Familienprinzips selbst zu bestimmen. bb) Verfassungsrechtliche Gebotenheit eines Familienprinzips? Zwar lässt sich die Geltung eines Familienprinzips für den Bereich der Erbschaftsteuer zweifelsfrei aus dem einfachrechtlichen Normenbestand herleiten. Die Frage nach dessen verfassungsrechtlicher Verankerung ist bislang jedoch kaum je ausdrücklich thematisiert worden.73 So ist denkbar, dass die gegenüber anderen Erwerbergruppen verringerte Besteuerung des engen Familienverbandes entweder verfassungsrechtlich geboten ist oder nur eine von Verfassungs wegen (gut) vertretbare Privilegierung der Steuerklasse I zugehörigen Erwerbergruppe. Dass das Familienprinzip verfassungsrechtlich nicht haltbar ist, kann dagegen nicht angenommen werden und wird – soweit ersichtlich – auch nicht vertreten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in drei Entscheidungen – jedenfalls am Rande – mit der Aussagekraft des Familienprinzips für die Erbschaftsbesteuerung
70
Vgl. BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 111. Vgl. K. Tipke, StRO I (2. Aufl. 2000), S. 273 ff. (Sachgerechtigkeit als auf die Sache bezogene, sachangemessene Gerechtigkeit). 72 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 29. 73 Zu Recht kritisch C. Moes, JZ 2017, 858 (867). 71
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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befasst.74 Diese lassen allerdings keinen eindeutigen Schluss auf eine gefestigte Position des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen des Familienprinzips zu. Während das Gericht in dem bereits erwähnten Beschluss zur Erbschaftsteuer vom 22. 6. 1995 davon ausgeht, dass das Familienprinzip eine „nach Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Abstufung in der Steuerbelastung“ sei,75 klingt die (durchgängige) Verwendung der Begriffe „Begünstigung“ und „Privilegierung“ in den beiden anderen relevanten Entscheidungen vom 28. 10. 1997 und 21. 7. 2010 eher danach,76 als würde es sich um eine punktuelle Abweichung von dem Leistungsfähigkeitsprinzip handeln, die erst aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG ermöglicht wird. Auch im Schrifttum variieren die hierzu vertretenen Ansätze teils erheblich, wobei jedoch insoweit Einigkeit besteht, als das Familienprinzip seine innere Berechtigung jedenfalls in der Verfassung findet. Ob es gleichheitsrechtlich oder freiheitsrechtlich fundiert ist, ist indes weithin unklar. (1) Verweis auf das Leistungsfähigkeitsprinzip Insbesondere im älteren Schrifttum findet sich die Ansicht, dass sich das Familienprinzip unmittelbar aus dem Gedanken einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ableiten lasse.77 Soweit ersichtlich, wird sie heute im Wesentlichen nur noch von F. Hannes und M. Holtz vertreten.78 Dahinter steht die allgemeine Überlegung, dass sich die Leistungsfähigkeit von Mitgliedern der Kernfamilie durch einen Erwerb nicht in demselben Umfang erhöht, wie es für fernerstehende Personen gilt. Dafür werden verschiedene Gründe angeführt, die letztlich allesamt auf eine kompensatorische Wirkung des Erbfalls abstellen. So wird unter anderem argumentiert, dass Kernfamilienangehörige schon vor ihrem Erwerb den Zugang zu den übertragenen Vermögenswerten gehabt hätten, sodass sie von der zivilrechtlichen Überführung des Erwerbs in die eigene Verfügungsmacht nicht in derselben Weise wie ein Fernstehender profitierten. Jeder würde es als merkwürdig empfinden, im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers von einer Bereicherung seines überlebenden Ehegatten zu sprechen.79 Dieser erleide vielmehr eine Entreicherung beim Unterhalt, da er mit dem Tod des Erblassers in der Regel auch Einnahmequellen und Versorgungsleistungen verliere. 74 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671; v. 28. 10. 1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1; v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400. 75 BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 29 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 76 Vgl. BVerfG v. 28. 10. 1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1 Rn. 26; v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 88, 97, 101, 105 f. 77 Siehe E. Breitenbach, Erbschaftsteuer, 1969; Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, 1971, Band III, Abschnitt VII; K. Oechsle, in: Wirtschafts- und Steuerordnung auf dem Prüfstand, FS für Bayer, S. 242. 78 F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 16 Rn. 1. 79 F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 16 Rn. 1.
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. 7. 2010, die die Verfassungswidrigkeit der (damaligen) Erbschaftsteuer wegen der Benachteiligung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten betrifft, die obigen Ansätze zwar aufgegriffen, deren Tragfähigkeit für die hier interessierende Frage nach der verfassungsrechtlichen Fundierung des Familienprinzips aber ausdrücklich offengelassen.80 Allerdings hat es Zweifel hinsichtlich der Geltung des Leistungsfähigkeitsgedankens für das Familienprinzip angedeutet, indem es ausführt, die Erwägungen zur geringeren Leistungsfähigkeitserhöhung beim Erwerb im engen Familienverband gälten – „selbst wenn [sie] zuträfen“ –81 gleichermaßen für Lebenspartner.82 Derartige Zweifel dürften auch begründet sein, wenn man sich den Leistungsfähigkeitsbegriff und dessen notwendige Bestandteile einmal vor Augen führt. Den Bezugspunkt der Erbschaftsbesteuerung bildet – wie gezeigt –83 die hinzu erworbene (zivilrechtliche) Verfügungsmacht über Güter in Geld oder Geldeswert, sodass es um einen Vermögenszuwachs geht, der beim Erwerber generiert wurde. Hierin gelangt als ein notwendiges – von den obigen Ansätzen bisher nicht berücksichtigtes – Element des Leistungsfähigkeitsbegriffs die Fähigkeit des Erwerbers zum Ausdruck, Erbschaftsteuern zu zahlen. Die Erbschaftsteuer knüpft – wie die anderen Steuerarten auch – an die wirtschaftliche Fähigkeit des Einzelnen an, Steuerleistungen (tatsächlich) zu erbringen (sog. Steuerzahlungsfähigkeit)84. Die Geldmittel für die Erfüllung der Erbschaftsteuerschuld stammen hierbei aus dem durch Erbschaft oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs. Im Umkehrschluss folgt daraus aber, dass nicht monetäre Erwerbsschmälerungen – bzw. subjektiv als solche empfundenen Belastungen –, die sich auf die Höhe des anfallenden Vermögenszuwachses nicht auswirken, die Leistungsfähigkeitserhöhung durch den Erbfall nicht mindern können. Mit dem Tod des Erblassers ist kein (genereller) Liquiditätsverlust und damit keine per se verringerte Steuerzahlungs fähigkeit von Kernfamilienangehörigen verbunden. Die Annahme einer geringeren Leistungserhöhung wegen des – nicht monetarisierbaren – Näheverhältnisses zum Erblasser läge somit außerhalb des Erbschaftsteuertatbestands und würde zu einem vollkommen neuartigen (ideellen) Leistungsfähigkeitsbegriff führen. Soweit sich die Vertreter eines auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützten (gleichheitsrechtlichen) Ansatzes zur Legitimation des Familienprinzips auf eine spezifisch ehe- bzw. familienrechtliche Nähe zum Erblasservermögen berufen, die den Vermögenszuwachs im Vergleich zu dem nicht verwandten Erben als verringert erscheinen lassen soll, scheint dem zudem eine Art Gesamtbetrachtung bzw. Zusammenfassung des Vermögens im Familienverbund zugrunde zu liegen. Anders lässt nicht erklären, wie bereits der Tod eines Kernfamilienangehörigen zu einer steuerrelevanten Vermögenseinbuße seiner übrigen Mitglieder führen soll. Mit dem geltenden Erbschaft 80
Vgl. BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 92 ff. BVerfG v. 21. 7. 2010 - 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 94. 82 So auch J. P. Meincke, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 16 Rn. 1. 83 Siehe oben Abschn. § 4 B. I. 2. 84 Zur (Steuer-)Zahlungsfähigkeit im Allgemeinen: J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 64. 81
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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steuerrecht ist eine solche Gesamtbetrachtung der Familie aber nicht vereinbar.85 Nach dem Bereicherungs- und Subjektsteuerprinzip kommt es vielmehr allein darauf an, was der einzelne Erbe von Todes wegen tatsächlich erworben hat (§ 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Erwerbsschmälerungen bzw. Belastungen sind dabei nur im Rahmen des § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigungsfähig, d. h. setzen in der Regel deren zivilrechtlich wirksame Begründung voraus. Die Berücksichtigung einer etwaigen Erwerbsschmälerung allein wegen des Todes des Erblassers ist im Gesetz nicht vorgesehen. (2) Freiheitsrechtliche Fundierung Ein anderer Ansatz geht dahin, das erbschaftsteuerliche Familienprinzip freiheitsrechtlich abzuleiten. Namentlich das Bundesverfassungsgericht siedelt das Gebot der Berücksichtigung der Verbundenheit des Erblassers mit dem engen Familienverband in der Verbindung von Art. 6 Abs. 1 mit Art. 14 Abs. 1 GG an.86 Diese Ableitung ist jedoch nicht selbstverständlich, da der Erbrechtsgarantie als solcher keine Belastungskriterien zu entnehmen sind und auch die Bedeutung der – äußerst vielschichtigen –87 Schutzwirkung des Art. 6 Abs. 1 GG in diesem Kontext jedenfalls erklärungsbedürftig erscheint. Wie die beiden genannten Elemente zusammenhängen, zeigt wiederum folgende Überlegung:88 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG beinhaltet kein unbedingtes Recht, seinen Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf einen anderen zu übertragen. Vielmehr ist es dem Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG überlassen, Inhalt und Schranken des Erbrechts zu bestimmen, wobei ihm eine weitreichende Gestaltungsbefugnis zusteht. Sieht er eine Erbschaftsteuer vor, ist er jedoch an die Begrenzungen gebunden, die sich aus den Grundrechten ergeben. So darf die Besteuerung des Erbanfalls – von der Warte des Art. 14 Abs. 1 GG aus – den Sinn und die Funktion des privaten Erbrechts als Rechtseinrichtung und Individualgrundrecht nicht zunichte oder wertlos machen. Das wäre der – bislang noch nicht praktisch gewordene – Fall, wenn die Erbschaftsteuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und seinen Erwerb somit grundlegend beeinträchtigt (Konfiskationsverbot). Eine weitere Begrenzung des Erbschaftsteuerzugriffs jenseits des Konfiskationsverbots erwächst aus einer Zusammenschau mit den Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG. Danach verbietet sich nicht nur eine an Ehe und Familie anknüpfende steuerrechtliche Benachteiligung.89 85
Siehe in einem anderen Zusammenhang auch T. Wachter, GmbHR 2020, 921 (926 f.). BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655 Rn. 25 ff.; v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 104; v. 30. 10. 2010 – 1 BvR 3196/09, DStR 2010, 2508 Rn. 20 („Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG“). Dagegen hat das BVerfG in der Entscheidung v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 allein auf Art. 6 Abs 1 GG abgestellt (a. a. O., Rn. 29). 87 Vgl. U. Di Fabio, NJW 2003, 993 (994). 88 Vgl. auch BVerfG v. 28. 10. 1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1 Rn. 19. 89 Art. 6 Abs. 1 GG enthält damit einen besonderen Gleichheitssatz. 86
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
Nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sind vielmehr die familiären Bezüge der nächsten Familienangehörigen (Ehegatten, Kinder) zum Nachlass erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen, indem – wie oben bereits herausgestellt –90 der steuerliche Zugriff auf den Erbanfall entsprechend zu mäßigen ist (Begrenzungsfunktion). In Bezug auf die Besteuerung des Erwerbs unter Ehegatten ergibt sich dies vor allem unter zwei Gesichtspunkten. Der erste Aspekt betrifft die Erkenntnis, dass in dem Vermögensanfall von Todes wegen in der Regel auch solche Vermögenswerte enthalten sind, die vor dem Tod des Erblassers als (schutzwürdige) wirtschaftliche Grundlage für die eheliche Lebensführung gedient haben.91 In der Lebenswirklichkeit schaffen Ehegatten diese typischerweise gemeinschaftlich und in der Erwartung, dass sie nach dem Tod eines von ihnen dem Überlebenden ungeschmälert zugutekommt. Soweit daher Ehegatten sich innerhalb ihrer Ehe auf eine gemeinsame – erhöhte – ökonomische Grundlage individueller Lebensgestaltung einrichten durften, gebietet es die Schutzfunktion des Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Erbschaftsteuergesetzgeber die Kontinuität dieses Eheguts auch und gerade in der erbrechtlichen Generationenfolge wahrt.92 Der zweite relevante Gesichtspunkt folgt aus dem Gedanken der ehelichen Erwerbsgemeinschaft, der von dem Bundesverfassungsgericht folgerichtig auch für den Bereich der Erbschaftsteuer fruchtbar gemacht wurde.93 Hinter der Forderung, dass die Erbschaft für den überlebenden Ehegatten noch das „Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“ bleiben soll, steht der Gedanke, dass der Nachlass selten nur das Ergebnis der Lebensleistung des Erblassers ist, sondern regelmäßig auf den gleichwertigen Arbeits- und Beitragsleistungen beider Ehegatten (mit-)beruht. Dass in dem Nachlass auch Beitragsleistungen des überlebenden Ehegatten enthalten sind, stimmt im Übrigen überein mit dem Rechtsgrund des § 1931 Abs. 1 BGB, wonach die gesetzliche Nachlassteilhabe des überlebenden Ehegatten auch zum Ausgleich von während der Ehe gemeinsam erzielten Vermögenszuwächsen beitragen soll.94 Dies lässt es geboten erscheinen, bei dem Verständnis erbschaftsteuergesetzlicher Regelungen im Lichte namentlich von Art. 6 Abs. 1 GG in Rechnung zu stellen, dass der Nachlass (auch) das Ergebnis gemeinsamen Wirtschaftens der Ehegatten ist. (3) Zusammenfassende Würdigung Festzuhalten bleibt: Die verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts lässt es unstreitig zu, dass der Steuergesetzgeber eine Erbschaftsteuer vorsieht, die den durch den Erbfall anfallenden Vermögenszuwachs und die dadurch vermittelte 90
Siehe oben Abschn. § 4 B. I. 3. Vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655 Rn. 63. 92 Vgl. in etwas anderem Zusammenhang (Vermögensteuer) die Argumentation in BVerfGE 93, 121 Rn. 63. 93 Vgl. BVerfG v. 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 Rn. 29 („Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“). 94 Vgl. O. Werner, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1931 Rn. 2. 91
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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Steigerung der Leistungsfähigkeit belastet. Die in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG enthaltene Befugnis, Inhalt und Schranken des Erbrechts gesetzlich zu bestimmen, eröffnet ihm dabei einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung ist der Steuergesetzgeber jedoch an die Begrenzungen gebunden, die sich namentlich aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG ergeben. Im Hinblick auf den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Leistungsfähigkeitsgedanken muss der Steuergesetzgeber die Besteuerung insbesondere an solchen Vorgängen bzw. Zuständen in der Lebenswirklichkeit ausrichten, die Ausdruck einer entsprechenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind. Sofern in der Literatur bisweilen die Auffassung vertreten wird, dass Kernfamilienangehörige durch einen Erwerb von Todes wegen eine geringere Leistungsfähigkeitssteigerung erführen, weil sie eine besondere Nähe zum Erblasservermögen aufweisen, dürfte dies zwar dem subjektiven Empfinden vieler Erwerber entsprechen.95 Diese Prämisse ist jedoch nicht richtig, was eine genaue Analyse des Leistungsfähigkeitsbegriffs belegt. Die erbschaftsteuerlich erfasste Leistungsfähigkeit meint auch immer die Fähigkeit des einzelnen Erwerbers, Erbschaftsteuern zu zahlen, d. h. ist Steuerzahlungsfähigkeit. Mit dem Tod des Erblassers ist jedoch kein Liquiditätsverlust beim verwandtschaftlich nahestehenden Erwerber und damit kein per se verringerter Leistungsfähigkeitszuwachs dieser Erwerbergruppe verbunden. Ein anderes Verständnis liefe auf einen andersartigen Leistungsfähigkeitsbegriff hinaus, der auch ideelle Verluste im familiären Bereich erfasst. Hierfür besteht indes keine Notwendigkeit. Vorzugswürdig erscheint es nämlich, die Grenzen legislativer Gestaltung beim Erwerb unter Ehegatten (und durch Kinder) aus der positiven Schutzfunktion des Art. 6 Abs. 1 GG abzuleiten. So hat das Bundesverfassungsgericht den Gedanken der ehelichen Erwerbsgemeinschaft (gesetzesübergreifend) auch für den Bereich der Erbschaftsteuer fruchtbar gemacht und damit – jedenfalls mittelbar – zum Ausdruck gebracht, dass der Nachlass auch als das (typisierte) Endergebnis gemeinsamen Wirtschaftens der Ehegatten anzusehen ist. Deren gleichwertige Arbeitsund Beitragsleistungen sind auch durch das Erbschaftsteuerrecht anzuerkennen und entsprechend zu honorieren. Hinzu kommt, dass in dem Vermögensanfall von Todes wegen regelmäßig auch solche Vermögenswerte enthalten sind, die als ökonomische Grundlage der ehelichen Lebensführung gedient haben und daher in der erbrechtlichen Generationenfolge eines besonderen (Bestands-)Schutzes bedürfen. Damit ist zugleich auch die Frage danach beantwortet, ob die verringerte Erbschaftsbesteuerung des Erwerbs von Kernfamilienangehörigen im Vergleich zu Nicht- oder fernen Verwandten verfassungsrechtlich verpflichtend ist. Dies ist zu bejahen, denn aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG steht die Ehe, d. h. die Gemeinschaft der Ehegatten, unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. In Bezug auf das Stadium des Bestehens der Ehe leitet das Bundesverfassungsgericht hieraus ab, dass die in Vollzug dieser Gemeinschaft erwirtschafteten Mittel beiden Ehepartnern grundsätzlich zu gleichen Teilen zuzuordnen sind, zumal die Beiträge, die sie innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft erbringen, als gleich 95
Vgl. auch D. Piltz, ZEV 2018, 170 (171).
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
wertig anzusehen sind.96 Dieser Gemeinschaftsvorstellung – die nicht schon mit dem Tod eines der beiden Ehegatten endet, sondern wegen Art. 6 Abs. 1 GG auch darüber hinaus Wirkung entfaltet –97 trägt der Steuergesetzgeber wiederum auch erbschaftsteuerlich Rechnung, wenn er sie in Gestalt von höheren persönlichen und sachlichen Freibeträgen sowie einem geringeren Steuersatz nachvollzieht.98
II. Bereicherungsprinzip Teleologischer Ausgangspunkt des Erbschaftsteuerrechts ist das prinzipielle Gebot, den Erbfall oder die Schenkung nach dem Grundprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei dem (zivilrechtlichen) Übergang auf den Erwerber zu besteuern. Durch das Familienprinzip ist es jedoch gerechtfertigt, das Leistungsfähigkeitsprinzip bei Erbübergängen auf den überlebenden Ehegatten partiell zu durchbrechen, um insbesondere der in Art. 6 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Gemeinschaftsvorstellung Rechnung zu tragen. Damit sind bislang zwei Grundprinzipien des (Erbschaft-)Steuerrechts angesprochen worden, die – im Sinne der Systemlehre Tipkes – zu ihrer weiteren Verwirklichung der Konkretisierung durch Unter- bzw. Subprinzipien bedürfen.99 Im (pyramidenhaft aufgebauten) „inneren System“ des Steuerrechts sind hierunter solche Prinzipien und Wertungen zu verstehen, die den im jeweiligen Grundprinzip verkörperten Wert bereichsspezifisch konkretisieren und seine richtungsweisende Funktion in Bezug auf einzelne Steuerarten verdeutlichen.100 Auch sie können wiederum – ebenfalls nur bereichsspezifisch anwendbare – Unterprinzipien („Sub-Subprinzipien“)101 aufweisen.102 1. Bereicherung und Bewertung Zentrale Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Erbschaftsteuerrecht ist die Forderung, dass nur die individuelle Bereicherung besteuert wird. Im Normengefüge des Erbschaftsteuergesetzes gelangt dieses Bereicherungsprinzip auf 96
Siehe oben Abschn. § 2 B. m. w. N. Vgl. G. Leibholz / H.-J. Rinck / D. Hesselberger, in: Leibholz / R inck, GG (Stand: 04/2021), Art. 6 Rn. 44. 98 Hiervon strikt zu trennen ist die Frage, ob die einfachrechtliche Ausgestaltung des Familienprinzips im System des Familienerbschaftsteuerrechts verfassungsrechtlich zwingend ist, oder lediglich eine von mehreren, dem Steuergesetzgeber zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Schutz der Ehe. Letzteres dürfte der Fall sein. 99 Siehe K. Tipke, StRO I (2. Aufl. 2000), S. 5 ff.; ders., StuW 1971, 2 (2 ff.). 100 Vgl. J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 51; J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 14. 101 Vgl. K. Tipke, BB 2007, 1525 (1528). 102 J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 50. 97
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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unterschiedliche Weise zum Ausdruck.103 Seine wichtigste Bedeutung dürfte in der Bestimmung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage liegen. So gilt nach der Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, sofern sie nicht steuerfrei ist. Als Bereicherung gilt bei dem Erwerb von Todes wegen wiederum gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden. Für Schenkungen unter Lebenden gilt dies gemäß § 1 Abs. 2 ErbStG entsprechend.104 Hieraus folgt, dass eine erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage nur dann (und in dem Umfang) existiert, wenn und soweit dem Erwerber infolge des Vermögensanfalls etwas zugutekommt, was – im Vergleich zum Vorerwerbszeitpunkt – eine objektive Steigerung seines Vermögens bewirkt.105 Um mittels des Tarifs in § 19 ErbStG zu einem in Geld zu entrichtenden Steuerbetrag zu gelangen, muss die Bereicherung in einem Geldbetrag ausgewiesen werden. Sind in dem Gesamtvermögensanfall nicht als Geldsumme vorliegende Wirtschaftsgüter enthalten, ist auf einer ersten Stufe deren Umrechnung in einen Geldbetrag mithilfe einer Bewertungsmethode notwendig. Als deren maßgeb liches Bewertungsziel hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 7. 11. 2006106 den gemeinen Wert (Verkehrswert) bestimmt.107 Dies hat es zuvörderst damit begründet, dass bei nicht als Geldsumme vorliegenden Wirtschaftsgütern die bei einem Erwerber entstandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch deren Verkauf (unter objektivierten Bedingungen) realisiert werden kann.108 Damit könne nur der gemeine Wert den durch den Substanzerwerb vermittelten Leistungsfähigkeitszuwachs zutreffend abbilden und so eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der erbschaftsteuerlichen Belastungsgrundentscheidung ermöglichen. Angesichts der Vielzahl existierender Vermögensarten (z. B. Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, land- und forstwirtschaftliches Vermögen) ist der Gesetzgeber jedoch als grundsätzlich frei 103
Der Begriff der Bereicherung wird sowohl in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zur Beschreibung des Grundtatbestands der Schenkung unter Lebenden als auch in § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG zur Beschreibung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage verwendet. Dies ist auch der Grund dafür, dass über den Stellenwert des Bereicherungsprinzips im Gesetzeszusammenhang des Erbschaftsteuergesetzes eine gewisse Uneinigkeit besteht, vgl. G. Crezelius, Erbschaftund Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 27 f.; H.-D. Fumi, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 10 Rn. 29 ff. 104 Vgl. BFH v. 8. 10. 2003 – II R 46/01, BFHE 204, 299 = BStBl. II 2004, 234 Rn. 23; v. 11. 5. 2005 – II R 12/02, BFH / N V 2005, 2011 Rn. 11; v. 27. 9. 2012 – II R 9/11, BFHE 238, 24 = BStBl. II 2012, 899 Rn. 19. 105 Vgl. H.-D. Fumi, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 10 Rn. 1. 106 BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1. 107 BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 Rn. 104. 108 BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 Rn. 104.
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
darin anzusehen, welcher Wertermittlungsmethode er sich zur Bestimmung des gemeinen Werts von Vermögensgegenständen bedient (vgl. § 12 ErbStG).109 2. Objektives Nettoprinzip Dem Regelungsinhalt des § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 ErbStG lässt sich des Weiteren entnehmen, dass nur die als Nettobetrag ermittelte Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt.110 Verbindlichkeiten, die den Wert des Gesamtvermögensanfalls bei dem Erwerber mindern, kann dieser danach bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer als mit dem Erwerb in Verbindung stehenden entreichernden Posten zum Abzug bringen (objektives Nettoprinzip)111. Das erklärt sich daraus, dass die Erbschaftsteuer erhoben wird, weil und soweit der aus dem steuerpflichtigen Vorgang stammende Vermögensanfall dem Erwerber einen Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vermittelt. Lasten, die aus der Sphäre des Erblassers stammen – und gemäß § 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 45 AO auf den Erben übergehen – oder in einem (unmittelbaren) Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehen, mindern die Bereicherung, sodass der Erwerb in diesem Umfang auch nicht zur Erbschaftsteuerzahlung zur Verfügung steht. Als Nachlassverbindlichkeiten sind die in § 10 Abs. 5 ErbStG aufgeführten Schulden und Lasten abzugsfähig, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt. Die von dem Erblasser herrührenden Schulden sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Gemeint sind die unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten bestehenden Erblasserschulden (§ 1967 Abs. 1 BGB), sofern sie auf Seiten des Erben (zusätzlich) eine wirtschaftliche Belastung darstellen.112 Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind ferner Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen von dem Erwerb als Nachlassverbindlich 109
BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 Rn. 109. Vgl. BFH v. 13. 7. 1983 – II R 105/82, BFHE 139, 294 = BStBl. II 1984, 37 Rn. 14; v. 17. 3. 2004 – II R 3/01, BFHE 204, 311 = BStBl. II 2004, 429 Rn. 18; v. 1. 7. 2008 – II R 38/07, BFHE 220, 531 = BStBl. II 2008, 876 Rn. 13; v. 11. 7. 2019 – II R 4/17, BFHE 265, 447 = BStBl. II 2020, 319 Rn. 29. 111 Das objektive Nettoprinzip ist als tragendes Strukturelement bislang vor allem aus dem Bereich der Einkommensteuer bekannt, wo dessen verfassungsrechtliche Hintergründe ausführlich diskutiert wurden (und werden). In der Entscheidung vom 11. 7. 2019 – II R 4/17, BFHE 265, 447 = BStBl. II 2020, 319 Rn. 29 hat der Bundesfinanzhof dessen Geltung ausdrücklich auch für die Erbschaftsteuer betont. 112 Siehe BFH v. 4. 7. 2012 – II R 15/11, BFHE 238, 233 = BStBl. II 2012, 790 Rn. 17: „Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG – abweichend vom Zivilrecht – zusätzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt (…).“. 110
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keiten abzugsfähig (Erbfallschulden). Mit Urteil vom 1. 7. 2008113 hat der Bundesfinanzhof insofern klargestellt, dass auch die Zugewinnausgleichsforderung, die einem überlebenden Ehegatten, der weder (gesetzlicher oder gewillkürter) Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, infolge des Todes des anderen Ehegatten zusteht (§ 1371 Abs. 2 BGB, § 5 Abs. 2 ErbStG), bei dem Erben einer Nachlassverbindlichkeit in der Form einer Erblasserschuld entspricht. Dies hat er zutreffend damit begründet, dass die Zugewinnausgleichsforderung – auch wenn sie den Erblasser selbst nie getroffen hat – aus einem Dauerrechtsverhältnis herrührt, in dem er zu Lebzeiten stand und das sich im Zeitpunkt seines Todes zu einer Ausgleichsforderung verengt.114 Diese ist zudem auch zivilrechtlich von dem Erben zu erfüllen. 3. Erbschaftsteuerliches Stichtagsprinzip Drittens lässt sich zu dem hier umschriebenen Grundsatz der Besteuerung nur in dem Umfang der Bereicherung auch das (Unter-)Prinzip zählen, dass die Bereicherung des Erwerbers zu einem bestimmten Bewertungsstichtag zu bemessen ist (Stichtagsprinzip)115. Dies kommt insbesondere in § 11 ErbStG zum Ausdruck. Danach ist der Wert der Bereicherung grundsätzlich nach den Verhältnissen in einem bestimmten Zeitpunkt – dem der Steuerentstehung – zu ermitteln. Die Erbschaftsteuer ist damit auch Stichtagsteuer.116 Der Zeitpunkt der Steuerentstehung, im Falle des Erwerbs von Todes wegen typischerweise der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), ist der umfassende zeitliche Bezugspunkt für die Erbschaftsteuer.117 Damit stellt die Wertermittlung im Erbschaftsteuerrecht vor allem eine Momentaufnahme dar und ist nicht das Ergebnis einer dynamischen Betrachtung, mit der sich auch die weitere wertmäßige Entwicklung des Erwerbs erfassen ließe. Ermittelt wird die Bereicherung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zwar schließt das Stichtagsprinzip nicht grundsätzlich jeden Blick auf vorhergehende oder nachfolgende Ereignisse aus, insbesondere können später eingetretene Umstände für die Beurteilung der am Stichtag gegebenen Verhältnisse unterstüt-
113
BFH v. 1. 7. 2008 – II R 71/06, BFHE 222, 63 = BStBl. II 2008, 874. BFH v. 1. 7. 2008 – II R 71/06, BFHE 222, 63 = BStBl. II 2008, 874 Rn. 11. In der zivilrechtlichen Kommentarliteratur wird die Frage, ob es sich bei der güterrechtlichen Zugewinnausgleichsforderung nach § 1371 Abs. 2 BGB um eine Erblasserschuld (so W. Küpper, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), § 1967 Rn. 7; D. Weidlich, in: Palandt (80. Aufl. 2021), § 1967 Rn. 5) oder Erbfallschuld (so C.-H. Horn, in: Erman BGB (16. Aufl. 2020), § 1967 Rn. 6) handelt, dagegen uneinheitlich beantwortet. Für das Erbschaftsteuerrecht ist dies ohne Bedeutung. 115 Vgl. hierzu aus der Rechtsprechung z. B. BFH v. 13. 5. 1998 – II R 98/97, BFH / N V 1998, 1376; v. 2. 3. 2006 – II R 57/04, BFH / N V 2006, 1480; v. 19. 2. 2009 – II B 132/08, BFH / N V 2009, 966; v. 17. 2. 2010 – II R 23/09, BFHE 229, 363 = BStBl. II 2010, 641. 116 Vgl. BVerfG v. 8. 3. 1983 – 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312 = BStBl. II 1983, 779 Rn. 54 (Erbersatzsteuer); BFH v. 24. 7. 1963 – II 207/61 U, BFHE 77, 335 = BStBl. III 1963, 442 Rn. 16. 117 BFH v. 28. 10. 2015 – II R 46/13, BFHE 252, 448 = BStBl. II 2016, 477 Rn. 15. 114
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
zend im Sinne einer retrospektiven Betrachtung herangezogen werden.118 Eine Rückprojizierung nachträglich eingetretener Ereignisse ist dagegen nicht möglich. Diese starre Durchführung des Stichtagsprinzips kann zu Härten führen, z. B. wenn sich die Wertverhältnisse nach dem Stichtag zum Nachteil des Erwerbers verändern, wie dies etwa bei Kursverlusten von Aktien in einem Wertpapierdepot der Fall sein kann.119 Der Bundesfinanzhof sieht dies jedoch als gerechtfertigt an, da die Bereicherung stichtagsbezogen zu ermitteln ist. Das Stichtagsprinzip schränke das Bereicherungsprinzip insofern ein (Prinzipienkollision).120 Aus dem Stichtagsprinzip folgt zugleich, dass eine zivilrechtlich rückwirkende Sachverhaltsgestaltung – obwohl in weitem Umfang zulässig – erbschaftsteuerrechtlich grundsätzlich nicht anzuerkennen ist.121 Das Stichtagsprinzip kann damit der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Erbschaftsteuer zuwiderlaufen. Im Übrigen geht es jedoch überein mit dem ganz grundsätzlichen – prinzipiell vorrangigen – Verbot im Steuerrecht, einen Sachverhalt mit steuerrechtlicher Wirkung auch für die Vergangenheit zu gestalten.122 Dieses wird damit begründet, dass Steuerpflichtige andernfalls durch vertragliche Gestaltungen auf einen bereits entstandenen Steueranspruch in unzulässiger Weise Einfluss nehmen könnten. Allerdings gilt die stichtagsbezogene Bewertung der Bereicherung nicht uneingeschränkt, wie sich ausdrücklich auch aus § 11 ErbStG ergibt. Der Steuerentstehungszeitpunkt des § 9 ErbStG ist für die Wertermittlung nur dann maßgebend, soweit in dem Erbschaftsteuergesetz „nichts anderes bestimmt“ ist. Etwas anderes gilt aber (jedenfalls partiell) in dem Anwendungsbereich von § 5 ErbStG, was sich aus einer gesamthaften Betrachtung der Vorschrift ergibt. So bestimmt § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG, dass (güterrechtlich) rückwirkende Eheverträge für die Ermittlung des nicht erbschaftsteuerbaren Betrags in Fällen, in denen die Ehe durch den Tod beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird, steuerlich ohne Bedeutung sind. Eine entsprechende Regelung fehlt aber in § 5 Abs. 2 ErbStG, woraus in einem Umkehrschluss gefolgert wird, dass rückwirkende Eheverträge in bestimmten Fällen auch mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung grundsätzlich möglich und zulässig sind. Dies sieht auch die Finanzverwaltung so.123 Der dogmatische Grund für diese Rückausnahme von dem Stichtagsprinzip liegt – wie noch weiter auszuführen sein wird –124 in der hohen Wertigkeit der grundrechtlich verbürgten Ehevertragsfreiheit begründet, die auch durch den Steuergesetzgeber prinzipiell anzuerkennen ist. Allerdings sei bereits an dieser Stelle betont, dass der von dem 118
Vgl. BFH v. 13. 5. 1998 – II R 98/97, BFH / N V 1998, 1376 Rn. 11; v. 2. 3. 2006 – II R 57/04, BFH / N V 2006, 1480 Rn. 22. 119 H.-D. Fumi, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 11 Rn. 22. 120 BFH v. 19. 2. 2009 – II B 132/08, BFH / N V 2009, 966 Rn. 14. 121 Vgl. H.-D. Fumi, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 11 Rn. 9. 122 Vgl. z. B. BFH v. 18. 9. 1984 – VIII R 119/81, BFHE 142, 130 = BStBl. II 1985, 55 Rn. 12; v. 17. 5. 2006 – X R 2/05, BFH / N V 2006, 1824 Rn. 20; v. 14. 6. 2006 – VIII B 196/05, BFH / N V 2006, 1829 Rn. 4. 123 Vgl. R E 5.2 Abs. 2 ErbStR 2019. 124 Siehe unten Abschn. § 5 C. IV. 2. d), e).
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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Steuergesetzgeber damit gefundene Kompromiss zwischen dem erbschaftsteuerlichen Stichtagsprinzip und der güterrechtlichen Gestaltungsfreiheit von Ehegatten gleich unter verschiedenen Gesichtspunkten nur wenig gelungen ist. So kann er den überlebenden Ehegatten bspw. vor die schwierige Wahl stellen, die ihm angefallene – und über Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte – Erbschaft oder das Vermächtnis (allein) aus erbschaftsteuerlichen Gründen auszuschlagen, um in den unter Umständen günstigeren Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG zu gelangen.125 Damit hat der Steuergesetzgeber letztlich eine wertungsinkonsistente Asymmetrie zwischen den verschiedenen Absätzen des § 5 ErbStG geschaffen, die normprägend und nur schwerlich aufzulösen ist. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Bereicherung des Erwerbers stichtagsbezogen ermittelt wird, was die Anerkennung zivilrechtlich rückwirkender Sachverhaltsgestaltungen grundsätzlich ausschließt. Dies gilt im Ausgangspunkt auch für rückwirkende Eheverträge: Zwar kann zivilrechtlich vereinbart werden, dass die Zugewinngemeinschaft zu einem früheren Zeitpunkt als dem des Ehevertragsabschlusses entstanden gelten soll. Diese Rückwirkung hat jedoch grundsätzlich nur güterrechtliche Bedeutung. Für die Erbschaftsteuer als Stichtagsteuer sind ausschließlich die Verhältnisse in dem Zeitpunkt des (Ehe-) Vertragsabschlusses maßgebend. Eine Ausnahme hiervon findet jedoch in Anwendungsfällen des § 5 Abs. 2 ErbStG statt mit der Folge, dass Ehegatten den Güterstand der Zugewinngemeinschaft im Anwendungsbereich der Norm auch mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung rückwirkend vereinbaren können. Dahinter steht die grundrechtlich garantierte Ehevertragsfreiheit, die das Stichtagsprinzip insoweit durchbricht.
III. Unentgeltlichkeit des Erwerbs Ein weiteres wesentliches Strukturelement der Erbschaftsteuer ist, dass nur die unentgeltliche Bereicherung des Erwerbers der Besteuerung unterliegt.126 Dieses hier so genannte Unentgeltlichkeitsprinzip ist für das Erbschaftsteuergesetz derart fundamental, dass es in den verschiedenen Vorschriften des Erbschaftsteuerrechts nicht immer ausdrücklich hervorgehoben wird.127 Es ist der erbschaftsteuerlichen Belastungsgrundentscheidung jedoch immanent. Fehlt die Unentgeltlichkeit, kann insoweit ein steuerbarer Vermögenstransfer im Sinne von § 1 ErbStG grundsätzlich nicht vorliegen.128 Damit ist aber noch nicht geklärt, was unter dem Begriff 125
Siehe zu diesem Aspekt unten Abschn. § 5 C. IV. 2. c) ee). Vgl. bereits BFH v. 24. 2. 1971 – II B 48/70, BFHE 101, 405 = BStBl. II 1971, 394 Rn. 11; v. 18. 12. 1972 – II R 87/70 u. a., BFHE 108, 393 = BStBl. II 1973, 329 Rn. 46; v. 12. 4. 1989 – II R 37/87, BFHE 156, 244 = BStBl. II 1989, 524 Rn. 14. 127 Vgl. BFH v. 18. 12. 1972 – II R 87/70 u. a., BFHE 108, 393 = BStBl. II 1973, 329 Rn. 47. 128 Eine Ausnahme gilt z. B. für die Erbersatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), wonach das Vermögen einer Familienstiftung oder -vereins – unabhängig von einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung – in Zeitabständen von je 30 Jahren der Erbschaftsteuer unterliegt. 126
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
der Unentgeltlichkeit zu verstehen ist. Mit Blick auf den Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Erbschaftsteuer bilden die im Zivilrecht hierzu entwickelten Kriterien (jedenfalls) den Ausgangspunkt der Überlegungen.129 Was unter „Unentgeltlichkeit“ zu verstehen ist, lässt sich demnach in Anlehnung an das Bürgerliche Recht beschreiben, das den Begriff „unentgeltlich“ unter anderem in § 516 Abs. 1 BGB verwendet. Danach erfolgt die Zuwendung unentgeltlich, wenn sie nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Dabei kommen als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und Entgeltlichkeit begründet, Verknüpfungen sowohl nach der Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch die Setzung einer Bedingung oder eines anderen entsprechenden Rechtszwecks in Betracht.130 Steht dem Erwerber demnach ein Rechtsanspruch auf die Leistung zu oder ist sie „synallagmatisch, konditional oder kausal“131 mit einer Gegenleistung des Erwerbers verknüpft, scheidet eine Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz grundsätzlich aus. Da das Erbschaftsteuerrecht – wie gezeigt – allerdings auch eigenständige Prinzipien und Wertungen kennt, sind bei der Einordnung als (un)entgeltlicher Vermögensübergang auch immer die einschlägigen erbschaftsteuerrechtlichen Wertgrundsätze angemessen mit zu berücksichtigen. Damit besteht zwischen dem zivilrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriff und erbschaftsteuerrechtlichen Unentgeltlichkeitsprinzip nicht zwingend Kongruenz. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit bei der Besteuerung von sog. unbenannten (ehebedingten) Zuwendungen. Während im Zivilrecht (Ehegüterrecht) solche Leistungen zwischen Ehegatten, denen die Vorstellung oder Erwartung zugrunde liegt, dass die Ehe Bestand haben wird oder wenn die Zuwendung (sonst) um der Ehe willen oder als Beitrag zur Verwirk lichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebens gemeinschaft erbracht wird, nicht als Schenkungen im Sinne von § 516 Abs. 1 BGB qualifiziert werden,132 hat der Bundesfinanzhof in seinem grundlegenden Urteil vom 2. 3. 1994133 anders entschieden. Die im Ehegüterrecht angestellten Erwägun 129
Vgl. BFH v. 12. 9. 2011 – VIII B 70/09, BFH / N V 2012, 229 Rn. 16: „Ob eine Kapital überlassung aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht unentgeltlich erfolgt, beurteilt sich allein nach zivilrechtlichen Kriterien.“ Einen entsprechenden Ansatz vertritt auch G. Crezelius, siehe ders., Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 29. 130 BGH v. 27. 11. 1991 – IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167 Rn. 15; v. 14. 3. 2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, 1475 (1477); v. 3. 6. 2020 – IV ZR 16/19, NJW 2020, 2396. 131 Vgl. BFH z. B. v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366 Rn. 31; v. 2. 3. 1994 – II R 47/92, BFH / N V 1994, 907; v. 30. 3. 1994 – II R 105/93, BFH / N V 1995, 70 Rn. 50; v. 17. 10. 2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 = BStBl. II 2008, 256 Rn. 19. 132 Vgl. für den Bereich des Ehegüterrechts grundlegend BGH v. 7. 1. 1972 – IV ZR 231/69, NJW 1972, 580 (unter Rückgriff auf M. Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 124); v. 26. 11. 1981 – IX ZR 91/80, BGHZ 82, 227; v. 27. 1. 1988 – IVb 82/86, NJW-RR 1988, 962. Demgegenüber werden unbenannte Zuwendungen im Erbrecht (insbesondere: Pflichtteilsrecht) grundsätzlich wie Schenkungen behandelt, siehe BGH v. 27. 11. 1991 – IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167. 133 BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl II 1994, 366 unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung (siehe BFH v. 28. 11. 1984 – II R 133/83, BFHE 142, 511 = BStBl. II 1985, 159).
B. Prinzipien und Wertungen des (Familien-)Erbschaftsteuerrechts
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gen, die zu der Annahme geführt haben, unbenannte Zuwendungen seien nicht als unentgeltliche anzusehen, entfalten – so der Bundesfinanzhof – für den Bereich der Erbschaftsteuer keine Wirkkraft, da es um einen sachgerechten Interessenausgleich im Verhältnis der (geschiedenen) Ehegatten zueinander ginge.134 Für diesen sei es sinnvoll, Zuwendungen unter Ehegatten während der intakten Ehe im Regelfall nicht als unentgeltliche Verfügungen zu qualifizieren, um sie insbesondere dem engen und starren System der Schenkungsrückforderung bzw. des -widerrufs zu entziehen und damit in den (umfassenden) güterrechtlichen Ausgleich einbeziehen oder dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unterstellen zu können.135 Das Erbschaftsteuergesetz verfolgt jedoch eine andere Zwecksetzung als die des sachgerechten Interessenausgleichs in einem ehegatten-internen Konfliktbereich, sodass ein anderes Begriffsverständnis geboten ist. Daher fordert auch der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1994 – selbst bei zwischen Zivil- und Erbschaftsteuerrecht identischen Tatbestandsmerkmalen – eigenständige, steuerteleologische Wertungen.136 Im Ergebnis weicht deshalb das erbschaftsteuerteleologisch unter Bereicherungsaspekten zu ermittelnde Unentgeltlichkeitsprinzip von dem von privatrechtlichen Wertungsgesichtspunkten geleiteten Begriff der Unentgeltlichkeit ab. Ganz generell lässt sich jedoch festhalten, dass die zivilrechtliche Unentgeltlichkeit des Erwerbs regelmäßig ein Indiz für die Annahme eines im Grundsatz erbschaftsteuerbaren (unentgeltlichen) Vorgangs sein dürfte (und umgekehrt).
IV. Besteuerung in der Generationenfolge Namentlich P. Kirchhof betont in seinem Entwurf eines Bundessteuergesetzbuchs aus dem Jahr 2011, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Bereicherung bei einem Generationenwechsel besteuere.137 In der Konsequenz dessen liegt es auch, dass Zuwendungen unter Ehegatten (von Todes wegen oder unter Lebenden) in dem Reformentwurf von der Besteuerung ausgenommen sind,138 da es insofern an einem Generationenwechsel gerade fehlt. Auch Viskorf erkennt die Zielrichtung des Erbschaftsteuergesetzes darin, Chancengleichheit „im Generationentakt“ her 134
Vgl. BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366 Rn. 28: „Diese auf die besondere eherechtliche Konfliktlage für den Bereich der §§ 516 ff. BGB abstellende Interpretation des Begriffs der (Un-)Entgeltlichkeit ist für die steuerrechtliche Auslegung des objektiven Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (…) nicht maßgebend.“. 135 BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl II 1994, 366 Rn. 27. 136 Siehe BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl II 1994, 366 Rn. 28: „(…) jeder gesetzliche Tatbestand [ist] aus sich selbst heraus – nach seiner eigenen, spezifischen Teleologie – auszulegen.“. 137 P. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 27 Rn. 100. Siehe auch BT-Drs. 7/1333, S. 3: „Das Erbschaftsteuergesetz geht davon aus, daß Vermögen im Generationswechsel einmal der Erbschaftsteuer unterworfen werden.“. 138 Siehe § 77 Nr. 1 BStGB: „Steuerfrei sind Erwerbe unter Ehegatten (…).“.
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
zustellen.139 Zu deren Herstellung sei es ausreichend, den Vermögensübergang von dem überlebenden Ehegatten auf die nächste Generation (Kinder) steuerlich zu erfassen. Das geltende deutsche Erbschaftsteuergesetz entspricht dem bekannter maßen nicht, was zu der Frage führt, welchen Stellenwert der Generationengedanken in dem Gesamtgefüge des Erbschaftsteuerrechts einnimmt. Zum Ausdruck gelangt er am ehesten in dem Ersatzerbschaftsteuertatbestand für Familienstiftungen und -vereine in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG: Demnach unterliegt das Vermögen einer Familienstiftung oder eines -vereins in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die genannten Rechtsträger turnusmäßig der Erbschaftsteuer. Verhindert werden soll damit, dass Vermögen, welches in Familienstiftungen und -vereine eingebracht und gebunden wird, mangels Anteilsinhaberschaft dauerhaft der Erbschaftsbesteuerung entzogen ist.140 Dabei hat sich der Steuergesetzgeber bei der Abfassung des 30-Jahreszeitraums (ausweislich der Gesetzesbegründung) bewusst an der üblichen Zeitenfolge eines Generationenwechsels orientiert.141 Aber auch das Bundesverfassungsgericht bemüht bisweilen den Generationengedanken, wenn es ausführt, dass das Erbschaftsteuerrecht im Rahmen des abgestuften Steuerklassensystems – neben dem Ehegatten als dem nächsten Angehörigen des Erblassers – die „Weitergabe von Familienvermögen von einer Generation auf die nachfolgende“ begünstige.142 In eine ganz ähnliche Richtung zielt auch der Zweck der Regelung des § 27 ErbStG, die auf dem Gedanken beruht, dass Vermögen unter nahen Verwandten typischerweise im Generationenwechsel übertragen wird, sodass eine erneute Besteuerung desselben Vermögens, wenn dieses bereits in der jüngeren Vergangenheit – außerhalb einer typischen Generationenfolge – besteuert worden ist, in gewissem Umfang unangemessen ist.143 Die Vorschrift soll daher eine Doppelbesteuerung desselben Vermögens innerhalb kurzer Zeit zumindest teilweise verhindern. Der Generationengedanken ist folglich weder der Gesetzeslage noch der Rechtsprechung fremd. Allerdings ist er im geltenden Erbschaftsteuergesetz in sich nicht konsequent umgesetzt worden, da andernfalls – im Sinne P. Kirchhof’s – der Erwerb unter Ehegatten von der Besteuerung folgerichtigerweise auszunehmen wäre. Dies lässt den Rückschluss darauf zu, dass die Besteuerung des Erwerbs (nur) in der Generationenfolge jedenfalls kein systemtragender Gedanke der Erbschaftsteuer ist. Vielmehr handelt es sich um eine typisierte Planvorstellung des Steuergesetzgebers, dass das (gesamte) Vermögen eines Erblassers einmal im Generationswechsel der Erbschaftsteuer unterworfen werden soll.
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H.-U. Viskorf, in: BStGB in der Diskussion, S. 76. C. von Oertzen, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 1 Rn. 28. 141 Vgl. BT-Drs. 7/1333, S. 4. 142 BVerfG v. 28. 10. 1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1 Rn. 26. 143 Vgl. EuGH v. 30. 6. 2016 – Rs. C-123/15 – „Feilen“, ABl. EU 2016, Nr. C 335,15 = ZEV 2016, 524. 140
C. (Rang-)Verhältnis der Erbschaftsteuerprinzipien
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C. (Rang-)Verhältnis der Erbschaftsteuerprinzipien Das Erbschaftsteuergesetz wird nach alledem von verschiedenen Prinzipien und Wertungen geprägt, was die Frage nach einem Rangverhältnis aufwirft. Dass Prinzipien und Wertungen eine unterschiedliche Rangstufe haben können und dementsprechend unterschiedliche Wirkkraft entfalten, dürfte heute allgemein anerkannt sein.144 Denkbar ist insbesondere auch, dass (gleichrangige) Prinzipien und Wertungen zueinander in Widerspruch treten, wobei ein solcher durch Abwägung der konfligierenden Wertungsgesichtspunkte aufzulösen ist. Das Ergebnis dieses Abwägungsvorgangs sollte es sein, kein Prinzip über Gebühr zu beeinträchtigen und auf Kosten des anderen zu realisieren (praktische Konkordanz).145 Ein derartiges methodisches Vorgehen hat sich bereits bei der höchstrichterlichen Bestimmung des Verhältnisses einer strengen stichtagsbezogenen Wertermittlung zu dem Bereicherungsprinzip gezeigt.146 Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs schränkt das Stichtagsprinzip das Bereicherungsprinzip aufgrund der (praktischen) Notwendigkeit ein, die Bereicherung des Erwerbers zu einem bestimmten Stichtag zu ermitteln.147 Hierbei handelt es sich um nichts anderes als eine Abwägung der beiden widerstreitenden Prinzipien, wobei der Bundesfinanzhof der (formalen) Stichtagsermittlung in dem konkreten Fall ein größeres Gewicht beigemessen hat. Entsprechend ist auch zu verfahren, wenn es um die Bestimmung des Verhältnisses des Familienprinzips zu dem Bereicherungsprinzip geht. Wie bereits herausgestellt, basiert das Familienprinzip auf der Schutzwirkung von Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG und gebietet die steuermindernde Berücksichtigung der familiären Verbundenheit des Erblassers zu seinen Kernfamilienangehörigen. Das darauf beruhende Steuerklassensystem und die Freibetragsregelungen bewirken, dass Erwerber bei gleicher Leistungsfähigkeit (Bereicherung) unterschiedlich hoch besteuert werden, je nachdem, in welchem Nähe- bzw. Verwandtschafts verhältnis sie zu dem Erblasser standen. Damit tritt es jedoch in Konflikt zu dem Leistungs- bzw. einfachgesetzlichen Bereicherungsprinzip, den es wiederum im Wege der Abwägung zu lösen gilt. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass sich das Familienprinzip nicht realisieren ließe, wenn das Leistungs- bzw. Bereicherungsprinzip uneingeschränkt Geltung beanspruchen würde. Soll die familiäre Verbundenheit des Erblassers zu seinen Kernfamilienangehörigen erbschaftsteuerlich Berücksichtigung finden, so ist dies also zwangsläufig mit einer Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips verbunden. Da sich beide Prinzipien nicht in Reinform verwirklichen lassen, müssen sie in einen Ausgleich miteinander gebracht werden. Wie gezeigt, steht dem Steuergesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu, von dem er – nach der hier vertretenen Auffassung – in zutreffender Weise 144
Vgl. J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 13. Vgl. (allgemein) K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (20. Aufl. 1995), Rn. 72; R. Alexy, Theorie der Grundrechte (2. Aufl. 1994), S. 143 ff., 152; K.-D. Drüen, Perioden gewinn und Totalgewinn, S. 96 f.; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 62 (mit S. 36 ff.). 146 Siehe oben Abschn. § 4 B. II. 3. 147 Vgl. BFH v. 19. 2. 2009 – II B 132/08, BFH / N V 2009, 966 Rn. 14. 145
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
Gebrauch gemacht hat.148 Namentlich das Steuerklassensystem und die (persönlichen wie sachlichen) Freibetragsregelungen verwirklichen das Familienprinzip, ohne im Gegenzug das Leistungsfähigkeitsprinzip preiszugeben. Vielmehr findet bei Kernfamilienangehörigen in Bezug auf einen über das (wegen Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG) steuerfrei zu erhaltende Gebrauchsvermögen hinausgehenden Vermögenszuwachs eine Besteuerung nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit statt. Demgegenüber ist das erbschaftsteuerliche objektive Nettoprinzip Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips, und tritt damit nicht in Widerspruch zu diesem, sondern ergänzt es. Auch Kollisionen mit dem Unentgeltlichkeitsprinzip als Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Belastungsgrundentscheidung sind schwer vorstellbar. Damit verbleibt die Frage, in welchem Verhältnis das unter § 2 A. II. 2. beschriebene Prinzip der Maßgeblichkeit des Zivilrechts insbesondere zu dem Bereicherungsprinzip steht.149 Dass jenes Spannungspotential birgt, hat bereits der Blick auf die erbschaftsteuerliche Behandlung unbenannter Zuwendungen erwiesen, die von der zivil- bzw. güterrechtlichen Einordnung als entgeltlicher Erwerb gerade abweicht.150 Namentlich E. Becker hat bereits in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Auffassung des Vorrangs des Bereicherungsprinzips vertreten und die Vorrangstellung zuvörderst aus den verschiedenen Zwecken von Erbrecht einerseits und Erbschaftsteuerrecht andererseits hergeleitet.151 Während das Erbrecht die Rechtsnachfolge von Todes wegen im (privatrechtlichen) Verhältnis der Erben zueinander ordnen wolle, treffe das Erbschaftsteuerrecht die Bereicherung, die durch einen Erbanfall eintritt. Dem ist vor allem Crezelius entgegengetreten, der in seiner Dissertation eine prinzipielle Vorrangstellung des einen oder anderen Prinzips ablehnt.152 Die Prinzipien der Bereicherung und der Maßgeblichkeit des Zivilrechts seien bei der Auslegung des Erbschafsteuergesetzes vielmehr kumulativ zu berücksichtigen, da erst die Erfüllung eines zivilrechtlichen Tatbestands zu einer Bereicherung führe könne (und müsse). Letztere Ansicht dürfte zutreffend sein, zumal die Annahme eines pauschalen Vorrangs des Bereicherungsprinzips der Herstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen den beiden Prinzipien im Sinne praktischer Konkordanz entgegenstünde. Die von Crezelius angestellten Erwägungen sollen hier noch um einen weiteren Punkt ergänzt werden: Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen eine kumulative Verwirklichung beider Prinzipien nicht möglich ist und ein Prinzip zugunsten des anderen zurücktreten muss. Dies zeigt der von dem Bundesfinanzhof mit Urteil vom 1. 9. 2011153 entschiedene Fall, in dem es um den isolierten Erwerb eines Zuwendungsnießbrauchs an 148
Siehe oben Abschn. § 4 B. I. 3. Vgl. hierzu bereits G. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 38. 150 Siehe oben der Abschn. § 4 B. III. 151 E. Becker, StuW 1932, 481 (512 ff.). 152 G. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 38. 153 BFH v. 1. 9. 2011 – II R 67/09, BFHE 239, 137 = BStBl. II 2013, 210. 149
C. (Rang-)Verhältnis der Erbschaftsteuerprinzipien
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einem Mitunternehmeranteil und die Frage ging, ob die Steuervergünstigung nach § 13a ErbStG (a. F.) auch dann zu gewähren ist, wenn der Erwerber zivilrechtlich zwar nicht Gesellschafter, aber Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ErbStG geworden ist. Der II. Senat hat diese Frage bejaht und damit begründet, dass der in § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG verwendete Gesellschaftsbegriff nicht zivilrechtlich, sondern ertragsteuerlich zu verstehen sei.154 Dies ergebe sich zum einen aus der in § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG enthaltenen Verweisung auf die dort genannten einkommensteuerlichen Vorschriften und zum anderen aus dem Sinn und Zweck der Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG, qualifiziertes unternehmerisches Vermögen weitgehend von der Erbschaftsbesteuerung auszunehmen. An anderer Stelle hingegen räumt der Bundesfinanzhof einer (strengen) zivilrecht lichen Betrachtungsweise Vorrang gegenüber dem Bereicherungs- bzw. Erbschaftsteuerprinzipien ein. So setzt namentlich die Befreiung des Familienheims von der Erbschaftsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG nach dessen Judikatur voraus, dass der verstorbene Ehegatte zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt.155 Die Begriffe „Eigentum“ und „Miteigentum“ sind im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen, wobei die Inhaberschaft und der Übergang eines Anwartschaftsrechts an dem Familienheim für die Steuerbefreiung nicht ausreichen sollen.156 Hintergrund dieses Verständnisses ist die Bestrebung des Bundesfinanzhofs, die Steuerbefreiungen für Familienheime eng (zivilrechtlich) auszulegen, um die erheblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der für zu weitreichend erachteten Steuerbefreiungen zu mitigieren.157 Aus der Gegenüberstellung der beiden Entscheidungen wird deutlich, dass sich ein prinzipieller Vorrang des Bereicherungsprinzips gegenüber dem Prinzip der Maßgeblichkeit des Zivilrechts (oder umgekehrt) gerade nicht ausmachen lässt. Beide Prinzipien stehen vielmehr nebeneinander und sind bestmöglich zu realisieren. Im (denkbaren) Kollisionsfall ist auf der Grundlage praktischer Konkordanz eine – tatbestandsspezifische – Abwägung zwischen ihnen vorzunehmen, die insbesondere dem spezifischen Zweck der betroffenen erbschaftsteuergesetz lichen Regelung Rechnung zu tragen hat. Je nach gefundenem Abwägungsergebnis kommt es dann zu einem Vorrang des einen oder anderen Prinzips.
154
BFH v. 1. 9. 2011 – II R 67/09, BFHE 239, 137 = BStBl. II 2013, 210 Rn. 51. BFH v. 29. 11. 2017 – II R 14/16, BFHE 260, 372 = BStBl. II 2018, 362 Rn. 14. 156 Vgl. BFH v. 29. 11. 2017 – II R 14/16, BFHE 260, 372 = BStBl. II 2018; kritisch dazu etwa B. Paus, FR 2018, 593 („Die Befreiung wird damit ggf. auch von Fragen der Überlastung des Grundbuchamts abhängig gemacht“). 157 Vgl. C. Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 26/2018 Anm. 5. 155
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3. Kap.: § 4 Grundprinzipien des Erbschaftsteuergesetzes
D. Zusammenfassung Der allgemeine Gleichheitssatz wird im Steuerrecht durch den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit konkretisiert. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage wird das Leistungsfähigkeitsprinzip wiederum durch das Bereicherungs- und Unentgeltlichkeitsprinzip sowie das objektive Nettoprinzip konkretisiert. Betrachtet man diese drei Prinzipien in einer Zusammenschau, so besagen sie, dass als Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer nur die unentgeltliche Bereicherung des Erwerbers im Sinne eines positiven Saldos zwischen dem (Verkehrs-)Wert seines gesamten Vermögensanfalls und den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten dienen darf. Dabei liegt ein unentgeltlicher Erwerb vor, wenn der Erwerber weder einen Rechtsanspruch auf die Leistung hat noch diese synallagmatisch, konditional oder kausal mit einer Gegenleistung des Erwerbers verknüpft ist. Der Erwerbsgegenstand und die Frage der Unentgeltlichkeit sind dabei grundsätzlich zivilrechtlich zu beurteilen. Die Belastung mit Erbschaftsteuer stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Bei deren Ausgestaltung ist der Steuergesetzgeber an die Begrenzungen gebunden, die sich namentlich aus den übrigen Grundrechten ergeben. Neben der Erbrechtsgarantie hat er insbesondere die Schutzwirkung von Art. 6 Abs. 1 GG zu beachten. Aus der Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich hieraus das Familienprinzip, welches die steuermindernde Berücksichtigung der familiären Verbundenheit des Erblassers zu seinen Kernfamilienangehörigen (Ehegatten, Kinder) verlangt. In Bezug auf den Vermögensübergang zwischen Ehegatten bedeutet dies, dass der erbschaftsteuerliche Zugriff derart zu mäßigen ist, dass der auf den überlebenden Ehegatten überkommene Nachlass (je nach dessen Größe) völlig oder zumindest zum deutlich überwiegenden Teil steuerfrei erhalten bleibt. In Bezug auf einen darüberhinausgehenden Vermögenszuwachs ist der erbschaftsteuerrechtliche Zugriff zudem so zu beschränken, dass die Erbschaft für den überlebenden Ehegatten noch das „Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“ bleibt. Diese vor allem aus dem Einkommensteuerrecht (Ehegattensplitting) bekannte Argumentationsfigur hat der Bundesfinanzhof auch in das Erbschaftsteuerrecht transportiert. In diesem Zusammenhang bringt sie zum Ausdruck, dass der Nachlass selten nur das Ergebnis der Lebensleistung des Erblassers ist, sondern regelmäßig auf den gleichwertigen Arbeits- und Beitragsleistungen beider Ehegatten beruht – was auch erbschaftsteuerlich anzuerkennen ist.
Viertes Kapitel
§ 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs A. Vorbemerkung: Wirtschaftliche und praktische Bedeutung Kennzeichnend für die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts ist, dass mit ihrer rechtlichen Beendigung ein (verfassungsrechtlicher) Teilhabeanspruch an dem Zugewinnüberschuss eines Ehegatten von Gesetzes wegen entsteht. Um diesen zu verwirklichen, setzen Ehegatten sich typischerweise über ihre Vermögen auseinander und übertragen Vermögenswerte zu Ausgleichszwecken. Dieser Vermögenswechsel kann Anknüpfungspunkt der Besteuerung sein, und zwar systematisch der Erbschaftsteuer, die – wie gezeigt – als Verkehrsteuer nicht an eine am Markt gebildete Wertschöpfung, sondern den (unentgeltlichen) Vermögenstransfer zwischen zwei Rechtsträgern anknüpft.1 § 5 ErbStG regelt den grundsätzlichen Normbefehl, dass die (fiktive) Zugewinnausgleichsforderung eines Ehegatten erbschaftsteuerfrei zu belassen ist.2 Die wirtschaftliche und praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist enorm. Dies zeigt sich bereits an der großen Anzahl von Ehen, in denen die Ehegatten in dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. So befinden sich allein in Deutschland schätzungsweise 87 % der Ehegatten im gesetzlichen Güterstand,3 sodass die Vorschrift des § 5 ErbStG bei einer Vielzahl von (großen)4 Erbfällen unter Beteiligung von Ehegatten Bedeutung erlangt. Das gilt umso mehr, als sie keine betragsmäßige Obergrenze enthält und auch eine Anrechnung auf den persönlichen Ehegattenfreibetrag oder den besonderen Versorgungsfreibetrag nicht erfolgt.5 Insbesondere wenn der gesamte Nachlass aus Zugewinn besteht, kann somit ein mitunter nennenswerter Betrag zusätzlich erbschaftsteuerfrei übergehen. Aber auch außerhalb von Erbgängen ist die Vorschrift des § 5 ErbStG von erheblicher praktischer Relevanz. Wie gezeigt, braucht der Zugewinnausgleich keineswegs ein nur einmaliges Ereignis in einer Ehe zu sein. Vielmehr steht es Ehegatten frei, durch einen Ehever 1
Siehe oben Abschn. § 4 B. I. Ausweislich der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2021 des Statistischen Bundesamts minderte die Vorschrift des § 5 ErbStG die steuerpflichtigen Erwerbe im Jahr 2021 um rund 2,15 Mrd. €. Dies entspricht in etwa 3,3 % des gesamten erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs. 3 Siehe bereits oben bei S. 17, Fn. 1. 4 Gemeint sind Erbfälle mit einem Nachlassvolumen von über 500.000 €. 5 Vgl. M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 2. 2
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
trag jederzeit aus und in die Zugewinngemeinschaft zu wechseln, und damit die Zugewinnausgleichspflicht nach eigener Entscheidung auszulösen. Dieses Vorgehen kann grundsätzlich beliebig oft wiederholt werden (Güterstandschaukel), sodass im Verlauf einer Ehe erhebliche Vermögenswerte unter Ehegatten zu Ausgleichszwecken übertragen werden können. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs zur Güterstandschaukel vom 12. 07. 20056 ist dies grundsätzlich auch ohne (Schenkung-)Steuerbelastung möglich.7 Hinzu kommt, dass jedenfalls seit dem Jahr 1994, in dem der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung zu der Nichtsteuerbarkeit unbenannter Zuwendungen aufgegeben hat mit der Folge, dass Vermögensübertragungen unter Ehegatten fortan grundsätzlich dem Erbschaftsteuergesetz unterfallen,8 die praktische Bedeutung von § 5 ErbStG noch weiter gestiegen sein dürfte. Das erklärt sich daraus, dass Ehegatten – nach wie vor – häufig keine Kenntnis von der Schenkungsteuerpflicht von (unbenannten) Zuwendungen unter ihnen haben. Dementsprechend hoch dürfte auch die Dunkelziffer in diesem Bereich sein.9 Werden solche Zuwendungen nachträglich entdeckt, stellt sich die Frage, ob Mechanismen existieren, um die bereits ausgelöste Schenkungsteuer auch mit Wirkung für die Vergangenheit zu korrigieren.10 Das ist im Grundsatz zu bejahen.11 So ordnet die Korrekturvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (unter Bezugnahme auf § 5 ErbStG) das rückwirkende Erlöschen von Schenkungsteuer für frühere unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten an, soweit diese als Vorausempfang auf den Zugewinnausgleichsanspruch angerechnet werden.12 Hintergrund dieser Regelung ist die Überlegung, dass der Fall, in dem sich ein Ehegatte eine zur Schenkungsteuer herangezogene Schenkung später auf seine Zugewinnausgleichsforderung anrechnen lassen muss, der Rückgabe einer Schenkung gleichkommt.13 Dies lässt es nach der Vorstellung des (historischen) Steuergesetzgebers als gerechtfertigt erscheinen, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatten auch die gezahlte Schenkungsteuer zurückerhält (bzw. diese rückwirkend nicht mehr erhoben wird).14 Auch die (nachteilige) Regelung des § 29 Abs. 2 ErbStG, wonach ein Erwerber für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln ist – und damit etwaige Nutzungsvorteile zu versteuern hat –, findet in diesen Fällen keine Anwendung (R E 5.1
6
BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843. Siehe näher unten unter Abschn. § 5 C. IV. 2. c) cc). 8 Siehe nur BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366. 9 Auswertungen und Statistiken hierzu existieren nicht. Siehe aber J. P. Meincke, in: DStJG 22 (1999), S. 39 (49 f.); E. Wälzholz, FR 2007, 638 (640). 10 Vgl. P. Blusz, ZEV 2016, 626. 11 Zu berücksichtigen ist, dass der im Nachfolgenden skizzierte rückwirkende Wegfall des Schenkungsteueranspruchs nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 oder 2 ErbStG nicht auch zum Entfallen des Straftatbestands der Steuerhinterziehung führt, siehe FG Hessen v. 7. 5. 2018 – 10 K 477/17, EFG 2018, 1253. 12 Vgl. A. Pahlke, in: F / P/W, ErbStG (7. Aufl. 2020), § 29 Rn. 50. 13 Vgl. BT-Drs. VI/3418, S. 75. 14 Vgl. BT-Drs. VI/3418, S. 75. 7
B. Steuerliche Einordnung des Zugewinnausgleichs
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Abs. 6 ErbStR 2019). Die Zugewinngemeinschaft stellt im Erbschaftsteuerrecht damit auch ein wichtiges Mittel zur schenkungsteuerrechtlichen Korrektur unentgeltlicher (unbenannter) Zuwendungen unter Ehegatten dar.
B. Steuerliche Einordnung des Zugewinnausgleichs Dass der Zugewinnausgleich unbesteuert zu belassen ist, kann als unbestritten angesehen werden. Soweit ersichtlich, vertritt niemand die Meinung, dass die Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs oder Vermögensübertragungen zum Zweck seiner Erfüllung der (Erbschafts-)Besteuerung unterliegen sollten.15 Das führt zwangsläufig zu der Frage, woraus sich die mangelnde Steuerbarkeit ergibt und ob sie für den Steuergesetzgeber verpflichtend ist. Ihr soll im Folgenden als erstes nachgegangen werden. Den Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen bildet die abstrakte Frage, ob überhaupt ein Steuertatbestand existiert, der mit dem Zugewinnausgleich verwirklicht werden könnte. Mit Blick auf die oben beschriebene Zwecksetzung der Erbschaftsteuer, den unentgeltlichen Vermögenserwerb und die daraus resultierende Leistungsfähigkeitssteigerung bei einem Erwerber zu belasten, ergibt sich, dass dies – bei einer übergeordneten Betrachtung – der Fall ist, wenn (und soweit) durch den Zugewinnausgleich eine unentgeltliche Bereicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten bewirkt wird. Um dies beurteilen zu können, muss der Zugewinnausgleich unter einem erbschaftsteuerrechtlichen Blickwinkel betrachtet werden. Hierbei ist die zivilrechtliche Ausgangslage im Grundsatz beachtlich, da auch die Vorschrift des § 5 ErbStG eng an das Zivilrecht geknüpft ist. Die anerkannte Eigenständigkeit des Erbschaftsteuerrechts verbietet es jedoch auch hier, die Zugewinngemeinschaft und den Zugewinnausgleich ausschließlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Beides ist vielmehr unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten erbschaftsteuerrechtlichen Prinzipien und Wertungen zu verstehen und entsprechend eigenständig (anhand erbschaftsteuerlicher Kategorien) zu würdigen.
15 Sofern im Folgenden von dem „Erwerb durch Zugewinnausgleich“ oder (nur) dem „Zugewinnausgleich“ die Rede ist, so sind damit gleichsam die – vorgelagerte – Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs als auch Vermögensübertragungen zum Zweck von dessen Erfüllung gemeint. Dass Letzteres kein erbschaftsteuerbarer Vorgang ist, kann auch gar keinem Zweifel unterliegen, da die Erfüllung eines gesetzlich entstandenen Anspruchs (vgl. § 1378 Abs. 1 BGB) mangels Freigebigkeit (unstreitig) niemals der Erbschaftsteuer unterliegt.
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
I. Gegenstand des Erwerbs durch Zugewinnausgleich Erwerb durch Zugewinnausgleich ist jeder vermögensrechtliche Vorgang, der aus Anlass der Beendigung der Zugewinngemeinschaft und zu Ausgleichszwecken entsteht. Der Ehegatte, der in der Ehezeit den größeren Zugewinn erwirtschaftet hat, schuldet dem Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn die Hälfte des Überschusses als Ausgleich. Bezugspunkt des Zugewinnausgleichs sind mithin die Vermögensverhältnisse beider Ehegatten. Der Erwerb bezieht sich dabei – unter einem erbschaftsteuerrechtlichen Blickwinkel – typischerweise auf das in der Ehezeit erzielte (bereits versteuerte) Einkommen und die erlangten Vermögenswerte (einschließlich von Wertzuwächsen). Bemerkenswert ist, dass die Teilhabe im Rahmen der (unmodifizierten) Zugewinngemeinschaft nicht prospektiv oder periodisch16, sondern erst retrospektiv und zusammengeballt nach deren Ende erfolgt. Erst mit der Beendigung der Zugewinngemeinschaft verengt sich diese zur Ausgleichs forderung. Das Ziel ist die Herstellung einer ausgeglichenen Vermögens(abschluss) bilanz zwischen den Ehegatten. Ohne die materiellen Grundwertungen der Zugewinngemeinschaft ist kein Grund dafür ersichtlich, einen Ehegatten an dem ehezeitlichen Vermögenserwerb des anderen partizipieren zu lassen. Erst aus den Wertungsvorstellungen der Zugewinngemeinschaft ergibt sich, dass dieser Vermögenserwerb als auf der Mitwirkung beider Ehepartner beruhend gilt (Gedanke der Mitverursachung des Vermögenserwerbs)17, und nur wegen des zivilrechtlichen Gütertrennungsprinzips dinglich einem Ehegatten zugeordnet wird. Dahinter steht – wie gezeigt – die verfassungsrechtliche Vorstellung, dass Ehegatten eine Lebensgemeinschaft von gleichberechtigten Partnern bilden, in der sie auch die ökonomische Grundlage ihrer Lebensführung zusammen erwirtschaften.18 Die wechselseitig erbrachten Beiträge sind dabei ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Erwerbstätigkeit oder nicht monetäre Beitragsleistungen handelt, als gleichwertig einzustufen (Art. 3 Abs. 2 GG). Vor diesem Hintergrund muss das in der Ehezeit erwirtschaftete Vermögen als das Ergebnis einer gemeinsamen Wertschöpfung auch beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zugutekommen. Im güterrechtlichen Regelungsgefüge übernimmt der einfachrechtliche Zugewinnausgleich die Funktion, dem Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn seinen Anteil praktisch zu verschaffen. Gemessen hieran ist die Zahlung des Zugewinnausgleichs nach der allgemeinen Ansicht im Zivilrecht auch kein unentgeltlicher Vermögenserwerb.19
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Demgegenüber ist für die Errungenschaftsgemeinschaft ausländischen Rechts kennzeichnend, dass die Ehegatten bereits ab dem Zeitpunkt der Eheschließung kontinuierlich an dem Vermögenserwerb des jeweils anderen partizipieren. 17 N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 88. 18 Zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen der Zugewinngemeinschaft siehe oben Abschn. § 2 B. 19 Vgl. BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 sowie oben Abschn. § 2 C. III. 3.
B. Steuerliche Einordnung des Zugewinnausgleichs
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Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass die vorstehend beschriebenen Wertungsvorstellungen der Zugewinngemeinschaft auch bei dem Verständnis von § 5 ErbStG Berücksichtigung finden müssen. Das folgt bereits daraus, dass Art. 6 Abs. 1 GG eine (auch) für den gesamten Bereich des öffentlichen (Steuer-)Rechts verbind liche Wertentscheidung enthält,20 sodass mithin auch das Erbschaftsteuerrecht dem verfassungsrechtlichen Gemeinschaftscharakter der Ehe Rechnung tragen muss.21 Folglich lautet die Kernfrage, ob insbesondere aus der – übereinstimmenden verfassungs- und zivilrechtlichen – Vorstellung, dass der Zugewinn in der Ehe als gemeinschaftlich erwirtschaftet gilt, abgeleitet werden kann, dass zu Ausgleichszwecken erfolgende Vermögensübergänge zwingend erbschaftsteuerfrei zu belassen sind. Mit Blick auf die beschriebenen erbschaftsteuerrechtlichen Prinzipien und Wertungen (insbesondere Bereicherungs-, Unentgeltlichkeits- und Familienprinzip) gibt es hierfür verschiedene Anknüpfungspunkte.
II. Gründe für das Absehen von der Besteuerung des Zugewinns 1. Fehlende Bereicherung trotz Liquiditäts- bzw. Mittelzuflusses Zunächst ist denkbar, dass trotz des mit der Zugewinnausgleichszahlung regelmäßig verbundenen Liquiditäts- bzw. Mittelzuflusses ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht einhergeht, sodass der Zugewinnausgleich bereits mangels Bereicherung erbschaftsteuerfrei zu belassen ist. Namentlich in der älteren Literatur wird bisweilen die Auffassung vertreten, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten im Zuge des Ausgleichsvorgangs juristisch etwas zuwachse, was ihm wirtschaftlich (nach der Lebensanschauung) bereits zuvor gestanden habe, und das er daher als eigenes betrachten könne.22 Dafür spreche auch, dass Ehegatten im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig schon vor dem Zugewinnausgleich den Zugang zu den Vermögenswerten des jeweils anderen gehabt hätten, sodass sie von der Überführung des Erwerbs in die eigene rechtliche Verfügungsmacht nicht profitierten.23 Dieser Ansicht ist zuzugeben, dass schätzungsweise 89 %24 der Ehegatten in Deutschland tatsächlich von der – laienhaften, eher von einer faktischen und wirt 20
Siehe z. B. BVerfG v. 17. 1. 1957 – 1 BvL 4/54, BVerfG 6, 55 = BStBl. I 1957, 193 Rn. 53. Siehe bereits oben die Ausführungen zum Familienprinzip in Abschn. § 4 B. I. 3. 22 Ausdrücklich auf den Zugewinnausgleich bezogen: E. Breitenbach, Erbschaftsteuer, 1969, S. 31; ähnlich (und allgemeiner) W. Mönter, Zur Steuerreform: Die Erbschaftsteuer, S. 89, 95; aus jüngerer Zeit F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 16 Rn. 1. 23 Ca. 81 % der Ehegatten führen laut F. A.Z. v. 22. 10. 2017 eine gemeinsame Kasse, https:// www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/was-tun-wenn-die-frau-zu-vielgeld-ausgibt-15257500.html (Stand: 8. 1. 2022). 24 Siehe die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführte Studie der Sinus Sociovision GmbH aus dem Jahr 2014 und dort insbesondere S. 49 f., https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94440/671bcfbbfe9ee1104122fc759de71b0b/ partnerschaft-und-ehe-data.pdf (Stand: 8. 1. 2022). 21
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
schaftlichen Betrachtung geprägten – Vorstellung ausgehen, dass ein gemeinsames Ehevermögen zwischen ihnen existiert, das alles umfasst, was während der Ehe erworben wird.25 Insofern dürfte es durchaus dem subjektiven Empfinden vieler Ehegatten entsprechen, durch den Zugewinnausgleich keine Bereicherung zu erfahren, sondern nur etwas zu erhalten, was ihnen schon zuvor (gemeinsam) zugestanden hat. Das ist jedoch objektiv falsch, was sich zum einen daraus ergibt, dass Ehegatten bis zur Beendigung der Zugewinngemeinschaft zivilrechtlich lediglich auf eine (nicht in Geld veranschlagbare) Zugewinn-Erwerbschance26 beschränkt sind, die eine rechtlich gesicherte Position gerade nicht vermittelt. Eine Art von „Vermögensanwartschaft“ auf den Zugewinn des jeweils anderen existiert gerade nicht. Die angeführte vermögensmäßige Nähebeziehung zwischen den Ehegatten erscheint dabei ebenfalls nicht geeignet, um über diesen Umstand erbschaftsteuerrechtlich hinweg zu helfen. Vielmehr ist es so, dass es nach den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung für die Beurteilung einer erbschaftsteuerrelevanten Leistungserhöhung allein darauf ankommt, dass der Erwerber aufgrund eines (unentgeltlichen) Vermögensübergangs über mehr Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt.27 Sein Vermögen muss wirtschaftlich objektiv vermehrt worden sein. Das folgt aus dem der Erbschaftsbesteuerung zugrunde liegenden Prinzip, dass die Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden soll. Eine Bereicherung kann somit auch dann vorliegen, wenn der Erwerber sie nicht als solche empfindet. Objektive Bereicherung bedeutet mithin, dass nach der allgemeinen Verkehrsanschauung zu beurteilen ist, ob der erwerbende ausgleichsberechtigte Ehepartner bereichert ist. Bezogen auf die Situation des Zugewinnausgleichs folgt hieraus, dass aufgrund der mit dem Gütertrennungsprinzip28 einhergehenden Trennung der Vermögen der Ehegatten der Ausgleichsberechtigte mit dem Zugewinnausgleich etwas erhält, was er nach dem materiellen Güterrecht zuvor (formal) nicht hatte. Der Zugewinnausgleich führt folglich unabhängig von den subjektiven Vorstellungen der Ehegatten zu einer objektiven Mehrung des Vermögens des ausgleichsberechtigten Teils, d. h. einer Bereicherung.
25
Vgl. bereits M. Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 123 sowie BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366 Rn. 22. 26 Vgl. auch BFH v. 28. 6. 2007 – II R 12/06, BFHE 217, 260 = BStBl. II 2007, 785 Rn. 16 (Schenkungsteuer bei rechtsgeschäftlich begründetem Zugewinnausgleichsanspruch und Verzicht auf zukünftige Ausgleichsforderung) und die Bedeutung für § 7 Abs. 3 ErbStG, wonach mit einer Schenkung unter Lebenden zusammenhängende Gegenleistungen bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt werden, wenn sie nicht in Geld veranschlagt werden können. 27 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip im erbschaftsteuergesetzlichen Gefüge siehe oben Abschn. § 4 B. I. 28 Zum Inhalt und der Bedeutung des Gütertrennungsprinzips siehe oben Abschn. § 2 C. II. 1. a).
B. Steuerliche Einordnung des Zugewinnausgleichs
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2. Fehlende Unentgeltlichkeit Dass der Zugewinnausgleich steuerfrei bleiben muss, lässt sich aber möglicherweise mit dem beschriebenen erbschaftsteuerrechtlichen Unentgeltlichkeitsprinzip29 begründen.30 Nach diesem zentralen Grundsatz des Erbschaftsteuerrechts darf nur die unentgeltliche Bereicherung der Besteuerung unterliegen, wobei hierunter (grob) die Gegenleistungslosigkeit des Erwerbs zu verstehen ist. Dabei hat die (Un-)Entgeltlichkeit eines Erwerbsvorgangs im Zivilrecht nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls indizielle Bedeutung für dessen erbschaftsteuerrechtliche Behandlung als entgeltlich oder unentgeltlich. Bereits an dieser Stelle kann vorweggenommen werden, dass die Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs und dessen Erfüllung auch unter einem erbschaftsteuerrechtlichen Blickwinkel als entgeltlicher Vorgang zu beurteilen ist – mit der Folge, dass er zwingend steuerfrei zu belassen ist. Eine Besteuerung des Zugewinnausgleichs darf nicht erfolgen, da es insoweit an der Unentgeltlichkeit fehlt. Das gilt unabhängig von der konkreten zivilrechtlichen Ausgleichsform (erbrechtlicher oder güterrechtlicher Zugewinnausgleich). Dies lässt sich wie folgt erklären: a) Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht Für die Entgeltlichkeit im Erbschaftsteuerrecht spricht zunächst, dass der Zugewinnausgleich im (gesamten)31 Zivilrecht als ein entgeltlicher Vorgang eingeordnet wird. So sind zu Ausgleichszwecken erfolgende Vermögensübergänge zwischen Ehegatten weder als ergänzungspflichtige Schenkungen im Sinne des § 2325 BGB anzusehen,32 noch unterliegen sie der Schenkungsanfechtung in den letzten vier Jahren vor dem Antrag eines Ehegatten auf Eröffnung des Insolvenz 29
Siehe oben Abschn. § 4 B. III. So schon B. Knobbe-Keuk, in: FS Bosch, S. 503: „Die Erbschaftsteuerfreiheit der Zugewinnausgleichsforderung bedarf keiner besonderen Begründung. Denn der überlebende Ehegatte erfährt auf diese Weise keine unentgeltliche Bereicherung. Er erhält vielmehr nur das, was ihm ohnehin zusteht, nämlich aufgrund des der Zugewinngemeinschaft zugrundeliegenden Gedankens, daß der beiderseitige Erwerb während der Ehe auf der vielgestaltigen Zusammenarbeit der Ehegatten beruht und daß deshalb beide Ehegatten auch daran teilhaben wollen“. Siehe auch G. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 169. 31 In diesem Punkt unterscheidet sich der Zugewinnausgleich zentral von den unbenannten (ehebedingten) Zuwendungen, die im Zivilrecht nur aus schenkungsrechtlicher Sicht als entgeltlich eingeordnet werden (siehe oben Abschn. § 2 C. III. 4. c) aa). Insbesondere aus erb- und insolvenzrechtlicher Sicht stellen sie dagegen unentgeltliche Zuwendungen dar, sodass sie u. a. der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB sowie der vierjährigen Schenkungsanfechtung (§ 4 AnfG, § 134 InsO) unterliegen. 32 Vgl. BGH v. 14. 3. 2018 – IV ZR 170/16, NJW 2018, 1475 Rn. 14: „Dabei ist die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten einer Schenkung in diesem Sinne auch unabhängig von einer Einigung über ihre Unentgeltlichkeit gleichgestellt.“. 30
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
verfahrens (§ 4 AnfG, § 134 InsO)33. Wie bereits angesprochen, kommt diesem Aspekt wegen der Maßgeblichkeit des Zivilrechts auch für die Erbschaftsteuer eine wichtige Bedeutung zu. Denn die zivilrechtliche Einordnung eines Vermögensübergangs als entgeltlich oder unentgeltlich besitzt für das Erbschaftsteuerrecht nach der hier entwickelten Ansicht jedenfalls indizielle Wirkung, die es dann auf der Grundlage der spezifisch erbschaftsteuerrechtlichen Prinzipien und Wertungen zu verifizieren gilt.34 Die Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 21. 10. 201435 hauptsächlich an zwei Aspekten festgemacht. Zum einen hat er sich darauf gestützt, dass durch die Zahlung des Zugewinnausgleichs die Ausgleichsforderung des ausgleichsberechtigten Ehegatten aus § 1378 Abs. 1 BGB erfüllt werde.36 Hintergrund dieses Arguments ist, dass eine Verfügung im Allgemeinen dann als zivilrechtlich entgeltlich angesehen wird, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhält, was objektiv als ein Ausgleich für die Leistung zu betrachten ist. Das ausgleichende Entgelt muss dabei nicht eine Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff. BGB sein. Vielmehr schließt die Erfüllung einer eigenen entgeltlichen rechtsbeständigen Schuld als Gegenleistung die dadurch bewirkte Schuldbefreiung mit ein.37 Darum ist auch die Erfüllung des gesetzlichen Zugewinnausgleichsanspruchs entgeltlich. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof die Entgeltlichkeit darauf gestützt, dass der Zugewinnausgleich nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen diene.38 Insbesondere das erste Argument (Erfüllungswirkung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs) wird auch im Erbschaftsteuerrecht – und hier in Bezug auf § 5 Abs. 2 ErbStG – herangezogen, um die Entgeltlichkeit (Nichtsteuerbarkeit) des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs zu begründen. Es versagt jedoch, wenn es um das Verständnis der Steuerneutralität des erbrechtlichen Zugewinnausgleichs geht, der bekanntlich über eine Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils (dinglich) verwirklicht wird (§ 1371 Abs. 1 BGB). Zudem kann es – wegen des starken Bezugs auf das nationale Zivilrecht – keinen weiterführenden Ansatz für die Frage liefern, wie ausländische güterrechtliche Teilhabeformen erbschaftsteuerrechtlich zu behandeln sind. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung viel interessanter ist daher das zweite Argument des Bundesgerichtshofs, der Zugewinnausgleich 33 Vgl. C. Borries / H. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO (15. Aufl. 2019), § 134 Rn. 144. Nach dem Urteil des BGH v. 1. 7. 2010 – IX ZR 58/09, FamRZ 2010, 1548 kommt allerdings eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 2 InsO a. F. (heute: § 133 Abs. 4 InsO) innerhalb des geschützten Zeitraums von zwei Jahren vor dem Insolvenzeröffnungsantrag in Betracht. 34 Siehe hierzu die nachfolgenden Erörterungen unter b) und c). 35 BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47. 36 BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 Rn. 18. 37 Vgl. BGH v. 29. 10. 2015 – IX ZR 123/13, NJW-RR 2016, 689 Rn. 8. 38 BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, FamRZ 2015, 47 Rn. 18.
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sei wegen des Mitverursachungsgedankens als entgeltlich einzustufen. Dieser ist – wie gezeigt – auch anderen Güterrechtsordnungen nicht fremd.39 An ihn wird im Folgenden weiter anknüpft. b) Umkehrschluss aus § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Bevor die erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung dieses Mitverursachungsgedankens erörtert wird, soll für die Frage der Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs zuvor noch einmal der Rechtsgedanke des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG bemüht werden.40 Wie bereits angesprochen, steht in Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten mit § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Möglichkeit offen, frühere schenkungsteuerpflichtige Zuwendungen als Vorausempfang auf die Zugewinnausgleichsforderung anzurechnen und damit eine bereits entstandene Schenkungsteuer rückwirkend zum Erlöschen zu bringen. Hintergrund dieser Regelung ist die gesetzgeberische Vorstellung, dass die Anrechnung einer Schenkung auf die Zugewinnausgleichsforderung der erzwungenen „Rückgabe einer Schenkung“41 gleichkommt, sodass auch die bereits gezahlte Schenkungsteuer zurück zu erstatten sein soll. Damit kommt zum Ausdruck, dass die Besteuerung in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn die ursprünglich unentgeltliche Bereicherung dem Beschenkten gegen seinen Willen wieder entzogen wird.42 Dieser Zweck der besonderen Korrekturvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG belegt, dass es sich bei der Zahlung des Zugewinnausgleichs – auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers – um das genaue Gegenteil zu einer unentgeltlichen Zuwendung handelt. Dies gilt wegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG auch ausdrücklich in Fällen des späteren erbrechtlichen Zugewinnausgleichs. Mit der Anrechnung von früheren unentgeltlichen Zuwendungen auf den (erb- oder güterrechtlichen) Zugewinnausgleich entfällt damit auch die erbschaftsteuerrechtliche causa. Eine Besteuerung darf wegen dem mit der Anrechnung rückwirkenden Entfall der Unentgeltlichkeit nicht erfolgen. c) Mitverursachung des Zugewinns Des Weiteren lassen die verfassungsrechtlichen Hintergründe der Zugewinn gemeinschaft wichtige Rückschlüsse auf die Besteuerung des Zugewinnausgleichs zu.43 Von zentraler Bedeutung ist die bisher gewonnene Erkenntnis, dass mit dem 39
Vgl. oben Abschn. § 3 C. Siehe bereits oben Abschn. § 5 A. 41 So ausdrücklich BT-Drs. VI/3418, S. 75. 42 Vgl. G. Bruschke, ErbStB 2017, 85. 43 Ähnlich P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 7: „Der zivilrechtlich begründete Ausgleich eines während der Ehe erworbenen Vermögenszuwachses, ohne dass der begünstigte Ehepartner hieran zuvor über den ehelichen Güterstand (…) fortlaufend beteiligt wurde, ist daher insbesondere im Hinblick auf Art. 6 GG nicht erbschaftsteuerwürdig.“. 40
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Institut des Zugewinnausgleichs die gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den während der Ehe „gemeinsam erwirtschafteten“ Vermögenswerten gewährleistet werden soll, die nur wegen der – ursprünglich Gleichberechtigungszwecken dienenden –44 Trennung der Vermögenssphären der Ehegatten dinglich einem der beiden zugeordnet wurden (Mitverursachungsgedanke). Dabei finden in dem Halbteilungsgrundsatz die verfassungsrechtlich bestätigte Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und nicht monetären Beiträgen sowie die Vorstellung von einer gleichberechtigten Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten ihren Ausdruck. Auch der Bundesgerichtshof hat diesen Mitverursachungsgedanken in dem bereits zuvor erwähnten Urteil aus dem Jahr 2014 herangezogen, um zu begründen, dass der Zugewinnausgleich ein entgeltlicher Vorgang im Zivilrecht ist.45 Der Mitverursachungsgedanke führt auch unter einem erbschaftsteuerrechtlichen Blickwinkel dazu, dass die Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs und Vermögensübergänge zum Zweck seiner Erfüllung – und zwar unabhängig von der zivilrechtlichen Form – als nicht unentgeltlich zu beurteilen sind.46 Das ergibt sich unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen erschiene es wertungswidersprüchlich und daher nicht folgerichtig, den Zugewinn auf der Grundlage der Verbindung von Art. 6 Abs. 1 mit 3 Abs. 2 GG als gemeinschaftlichen Erwerb der Ehegatten zu betrachten mit der (folgerichtigen) weiteren Konsequenz, dass der Zugewinnausgleich im gesamten Zivilrecht als ein entgeltlicher Vermögenvorgang eingeordnet wird, bei der Erbschaftsbesteuerung hingegen profiskalisch von der Unentgeltlichkeit entsprechender Übertragungen (mit den entsprechenden Besteuerungsfolgen) auszugehen. Die Rechtsordnung wäre widersprüchlich, wenn sie einerseits die Ausgleichspflichtigkeit des Zugewinns wegen des gemeinschaftlichen Erwerbs statuierte, und diesem Mitverursachungsgedanken andererseits die steuerrechtliche Beachtlichkeit versagte. Was der Ehegatte mit dem größeren Zugewinn an den Ausgleichsberechtigten wegen dessen vorheriger (langen) „Mitarbeit“ in der ehelichen Lebensgemeinschaft leisten muss, kann er nicht an den Staat abführen. Vermögensübergänge zum Zweck der Zugewinnerfüllung dürfen daher nicht auf eine Ebene mit Fällen des unentgeltlichen (mühelosen) Erwerbs (Erwerb von Todes wegen, Schenkung unter Lebenden) gestellt werden. Hierfür spricht zum anderen auch der Inhalt des erbschaftsteuerrechtlichen Unentgeltlichkeitsprinzips.47 Denn der Zahlung des Zugewinnausgleichs steht durchaus eine „Gegenleistung“ des ausgleichsberechtigten Ehegatten in der Form von gleichwertigen – unter Umständen langjährigen – Beiträgen zur Ausgestaltung und Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber (Art. 6 Abs. 1; 3 Abs. 2 GG). Diese sind zugegebenermaßen nicht synallagmatisch mit der späteren Leistung des Zugewinnausgleichs verknüpft, sondern erfolgten zeitlich vorgelagert. 44
Zur Bedeutung und dem Zweck des Gütertrennungsprinzips siehe oben Abschn. § 2 C. II. 1. a). Siehe zuvor Abschn. § 5 B. II. 2. a). 46 So auch G. Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, S. 169. 47 Siehe hierzu oben Abschn. § 4 B. III. 45
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Die fehlende (unmittelbare) Konnexität ist jedoch allein der gesetzgeberischen Entscheidung für das Gütertrennungsprinzip geschuldet, was dem ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht zum Nachteil gereichen darf. Das gilt umso mehr, als die Idee der Zugewinngemeinschaft der Frage, wann der Zugewinnausgleich zeitlich erfolgen soll, an sich offen gegenübersteht. So ist eine einzige Ausgleichsrechnung am Ende der Zugewinngemeinschaft ebenso denkbar (und zulässig) wie periodische Abrechnungen, d. h. eine periodische Teilhabe.48 Was den Bereich des Einkommensteuerrechts angeht, sei nur auf die Diskussion um das Ehegattensplitting hingewiesen, das mitunter sogar als eine periodisierte Vorwegnahme des Zugewinnausgleichs begriffen wird.49 In diesem Fall käme die Wechselbezüglichkeit zwischen den verschiedenen Beiträgen zur Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und der (kontinuierlichen) Verwirklichung des Zugewinnausgleichs noch deutlicher zum Ausdruck. Der Ausgleich des Zugewinns in einer Gesamtvermögensauseinandersetzung am Ende der Zugewinngemeinschaft, die zudem ein Dauerrechtsverhältnis ist,50 kann diesen Zusammenhang nicht zum Nachteil des steuerpflichtigen Ehegatten entfallen lassen. Die Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Erbschaftsteuerrecht wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Zugewinn im Fall des Todes eines Ehegatten typischerweise über eine pauschale Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils verwirklicht wird. Die Erbteilerhöhung findet im Zivilrecht zwar unabhängig davon statt, ob der überlebende Ehegatte den geringeren Zugewinn gemacht hat (vgl. § 1371 Abs. 1 Hs. 2 BGB). Diese gesetzgeberische Entscheidung wird jedoch im Erbschaftsteuerrecht (seit einer Gesetzesänderung im Jahr 1974)51 durch § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG, und die darin enthaltene Anordnung zur rechnerisch exakten Ermittlung einer „fiktiven“ Ausgleichsforderung in Erbfällen, wieder rückgängig gemacht. Auf den Sinn und Zweck dieser Regelung wird sogleich ausführlich eingegangen. 3. Familienprinzip Damit verbleibt die Frage, ob auch das Familienprinzip für die Besteuerung des Zugewinnausgleichs Aussagekraft besitzt. Das ist meines Erachtens nicht der Fall, was zum einen daraus folgt, dass das Familienprinzip von seinem prinzipiellen Gehalt her an einen erbschaftsteuerbaren und -pflichtigen Vorgang anknüpft – d. h. 48 So ausdrücklich J. Gernhuber / D. Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 33 Rn. 13. 49 So J. Lang, StuW 1983, 103 (114); ders., Bemessungsgrundlage, S. 629 f.; M. v. Proff zu Irnich, Die eheähnliche Gemeinschaft im Einkommensteuerrecht, S. 119 f. Kritisch hingegen A. Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 314; J. Englisch / J. Becker, ifst-Schrift 510 (2016), S. 46. 50 Vgl. BFH v. 1. 7. 2008 – II R 71/06, BFHE 222, 63 = BStBl. II 2008, 874 Rn. 11. 51 Zur Gesetzeshistorie siehe unten Abschn. § 5 C. III.
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
einen solchen voraussetzt (erste Stufe) –, und erst auf einer zweiten Stufe einen bestimmten Mindestbetrag (Gebrauchsvermögen) von der Besteuerung ausnimmt bzw. diese mäßigt. Wegen der bereits fehlenden Unentgeltlichkeit (Nichtsteuerbarkeit) des Zugewinnausgleichs auf erster Stufe bleibt für das Familienprinzip damit kein Raum. Hinzu kommt zum anderen, dass namentlich der Bundesfinanzhof das Familienprinzip „durch die Gewährung der Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG und die Abstufung des Steuertarifs nach dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehungen gemäß §§ 15, 19 ErbStG“ als verwirklicht ansieht.52 Einer Erstreckung seines Grundgedankens auf andere Erbschaftsteuernormen mit Familienbezug53 steht er bislang kritisch gegenüber. Dies zeigt wiederum ein Blick auf die Rechtsprechung zum Familienheim: Hier lehnt der Bundesfinanzhof es ausdrücklich ab, die zusätzliche Steuerbefreiung des Erwerbs eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten auf der Grundlage des Familienprinzips als verfassungsrechtlich geboten anzusehen.54 Dies begründet er vor allem damit, dass bereits der dem überlebenden Ehegatten zustehende Freibetrag von derzeit 500.000 € es typischerweise ermögliche, ein „durchschnittliches Einfamilienhaus“ – als Richtwert für das steuerfrei zu belassende Gebrauchsvermögen – von dem Erblasser von Todes wegen steuerfrei zu erwerben. Ob sich auch die neben §§ 15; 16 Abs. 1; 19 ErbStG (ungemindert) zur Anwendung gelangende Steuerbefreiung des Zugewinnausgleichs auf das Familienprinzip stützen ließe, erschiene damit mehr als nur fragwürdig. Nach der hier vertretenen Ansicht besteht dafür indes auch keine Notwendigkeit. 4. Ergebnisse und Folgerungen für die weitere Untersuchung Die Entstehung und Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist in der Regel mit einem Rechtsträgerwechsel zwischen dem ausgleichsverpflichteten und dem ausgleichsberechtigten Ehegatten verbunden, der Anknüpfungspunkt der Besteuerung sein kann. Die rechtliche Trennung der Vermögen der Ehegatten in der Zugewinngemeinschaft hat zur Folge, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte durch den Zugewinnausgleich etwas erhält, was ihm zuvor rechtlich nicht gehört hat. Aus dem Umstand, dass der Eintritt einer Leistungsfähigkeitserhöhung im Erbschaftsteuerrecht objektiv nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist, ergibt sich, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte durch den Zugewinnausgleich eine Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfährt. Infolge des Zugewinnausgleichs verfügt er über mehr Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert. Dass er dies wegen der Nähebeziehung zu dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten möglicherweise nicht so empfindet, ändert hieran im Ergebnis nichts.
52
BFH v. 3. 6. 2014 – II R 45/12, BFHE 245, 374 = BStBl. II 2014, 806 Rn. 24. Für eine Übersicht siehe oben Abschn. § 4. B. I. 3. a). 54 Vgl. z. B. BFH v. 3. 6. 2014 – II R 45/12, BFHE 245, 374 = BStBl. II 2014, 806 Rn. 23 f. 53
B. Steuerliche Einordnung des Zugewinnausgleichs
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Die Erbschaftsteuer erfasst – in Abgrenzung zu der Einkommensteuer – jedoch nur die unentgeltliche Bereicherung (Unentgeltlichkeitsprinzip). Hierunter ist die Gegenleistungslosigkeit des Erwerbs (im weiteren Sinne) zu verstehen, wobei der zivilrechtlichen Einordnung eines Vermögensvorgangs als entgeltlich oder unentgeltlich jedenfalls indizielle Bedeutung für die Erbschaftsteuer beizumessen ist. Im Zivilrecht ordnet der Bundesgerichtshof den Zugewinnausgleich als einen entgeltlichen Vorgang ein und begründet dies zum einen damit, dass der ausgleichsverpflichtete Ehegatte mit der Zahlung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs von der Schuld des § 1378 Abs. 1 BGB befreit werde (Schuldbefreiung als Gegenleistung). Zum anderen stützt er sich auf den verfassungsfundierten Mitverursachungsgedanken des Zugewinns. Insbesondere dieser zweite Ansatz ist für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse, da er allgemein verbindlich und unabhängig von der nationalen Zivilrechtslage ist. Die Vorstellung, dass das während der Ehe Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet ist, wobei das Institut des Zugewinnausgleichs eine gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten auch praktisch verwirklichen soll, entfaltet für die Erbschaftsteuer gleichsam Wirkkraft. Der Mitverursachungsgedanke führt demnach (auch) unter einem erbschaftsteuerrechtlichen Blickwinkel zu der Annahme eines nicht unentgeltlichen Erwerbs. Denn dem Vermögenübergang zum Zweck der Zugewinnerfüllung stehen die (vorherigen) gleichwertigen Beitragsleistungen des ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Ausgestaltung oder Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber; dies folgt aus der Verbindung von Art. 6 Abs. 1 mit 3 Abs. 2 GG. Dass diese rechtlich in keiner synallagmatischen Verbindung mit dem zeitlich späteren Zugewinnausgleich stehen, lässt die Wechselbezüglichkeit hierbei nicht entfallen. Der fehlende unmittelbare Zusammenhang zwischen den Beiträgen zur ehelichen Lebensgemeinschaft und der Zahlung des Zugewinnausgleichs ist vielmehr allein der gesetzgeberischen Entscheidung für das Gütertrennungsprinzip geschuldet. Dies kann dem ausgleichsberechtigten Ehegatten jedoch nicht zum Nachteil gereichen, zumal die Zugewinngemeinschaft der Frage, wann der Zugewinnausgleich zeitlich erfolgen soll, offen gegenübersteht. Eine periodische (wechselbezügliche) Teilhabe ist ebenso denkbar und zulässig wie eine Gesamtvermögensabrechnung am Ende der Zugewinngemeinschaft. Dass die Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs infolge Beendigung der Zugewinngemeinschaft nicht der Erbschaftsteuer unterliegt, ist auch folgerichtig, wenn man die übrigen güterstandbezogenen Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes mit in die Betrachtung einbezieht.55 So führt namentlich auch die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft – anders als ihre Begründung (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) – zu keiner erbschaftsteuerbaren Bereicherung der Ehegatten, da die Wertsteigerungen der Gesamtgutsanteile einen güterrechtlichen Rechtsgrund (den Ehevertrag) haben und somit unzweifelhaft entgeltlicher Natur sind.56 55 56
Siehe §§ 4; 5; 7 Abs. 1 Nr. 4; 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 4 Rn. 106, 26.
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
Handelt es sich bei dem Zugewinnausgleich nach der hier entwickelten Ansicht um einen nicht unentgeltlichen Vermögensvorgang (auch) im erbschaftsteuerrechtlichen Sinn, so ergibt sich hieraus, dass die Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs und zum Zweck seiner Erfüllung stattfindende Vermögensübertragungen bereits nicht erbschaftsteuerbar sind. Eine Besteuerung kann mangels Tatbestandsverwirklichung mithin nicht erfolgen. Dies muss unabhängig davon gelten, auf welche Art und Weise der Ausgleich des Zugewinns zivilrechtlich stattfindet. Diese bisherigen Erkenntnisse lassen wichtige Rückschlüsse für das Normverständnis des § 5 ErbStG zu. Zudem bilden sie die wesentliche Grundlage für die praktisch wichtige Frage der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung ausländischer güterrechtlicher Teilhabeformen. Denn wie gezeigt, ist der Gedanke der Mitverursachung des in der Ehe Erworbenen auch anderen Güterrechtsordnungen nicht fremd. Er bildet – wie zu zeigen sein wird – den gemeinsamen Ansatz und die Grundlage für ein übergreifendes Verständnis des § 5 ErbStG im internationalen Umfeld.
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG I. Regelungserfordernis und -gegenstand Da die Entstehung und Verwirklichung des Zugewinnausgleichsanspruchs bereits im Grundsatz keinen Erbschaftsteuertatbestand erfüllt, stellt sich die Frage nach dem Erfordernis einer Regelung. Auch ohne die Sonderregelung des § 5 ErbStG löste der Zugewinnausgleich mangels Unentgeltlichkeit keine Erbschaftsteuer aus, was sich aus einem Umkehrschluss zu den erbschaftsteuerlichen Grundtatbeständen der §§ 3 und 7 ErbStG herleiten ließe. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt für den güterrechtlichen Zugewinnausgleich (§§ 1371 Abs. 2; 1372 BGB). Ein (gesondertes) Regelungserfordernis ergibt sich jedoch daraus, dass der Ausgleich des Zugewinns im Fall des Todes eines Ehegatten zivilrechtlich typischerweise durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein weiteres Viertel verwirklicht wird, wobei der Erbteil und Zusatzerbteil zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs einen einheitlichen Anteil bilden.57 Aufgrund der zivilrechtlichen Regelungstechnik (Erbteilerhöhung) würde der erbrechtliche Zugewinnausgleich damit an sich zur Verwirklichung des Grundtatbestands des Erwerbs von Todes wegen durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; § 1922 Abs. 1 BGB) führen. Hiervon macht § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG aus den genannten Gründen eine echte, konstitutive Ausnahme. Die Zielrichtung des § 5 ErbStG ist bei einer gesamthaften Normbetrachtung die Nichtbesteuerung von Zugewinnausgleichsleistungen unabhängig von der zivil 57
Zum einheitlichen Erbteil vgl. nur B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1371 Rn. 9.
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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rechtlichen Technik. Eine (weitere)58 Privilegierung des Erwerbs vom Ehegatten ist hierin jedoch nicht zu erblicken, da Vermögensübergänge zum Zweck der Zugewinnerfüllung schon mangels Unentgeltlichkeit nicht besteuert werden dürfen.59 Damit soll die Regelung des § 5 ErbStG nur zu einer gerechten – und nicht einer gegenüber anderem Erwerb begünstigenden – Abgabenbelastung führen, auch wenn sie zur Regelung von ehe- bzw. güterrechtlichen Verhältnissen bestimmt ist.60 Sie steht somit außerhalb des Systems des Familienerbschaftsteuerrechts, sodass auch die Frage der Überprivilegierung keine Rolle spielt. Gesetzessystematisch zutreffend findet sich § 5 ErbStG in dem ersten Abschnitt des Erbschaftsteuergesetzes über die „Steuerpflicht“, der (entgegen seiner Überschrift) auch die Steuerbarkeit61 von Vermögensübergängen regelt. Sie ist als (negative) Ergänzung zu den Tatbestandsregelungen der §§ 1; 3 und 7 ErbStG zu sehen. Kernelement sind die beiden Eingangsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme der Wirkungen des § 5 ErbStG, nämlich die Bestimmung des dem Grunde nach nicht erbschaftsteuerbaren Vermögenstransfers zum Zweck der Zugewinnerfüllung sowie die Berechnung des Werts des steuerneutral ausgleichbaren Zugewinnüberschusses. Für die Berechnung des Werts des steuerneutral ausgleichbaren Zugewinnüberschusses folgt die Gesetzesreihenfolge allerdings keinem stringenten Aufbau, sondern es finden sich Rechenschritte über § 5 Abs. 1 S. 2 bis 6 und Abs. 2 ErbStG verstreut, die je nach zivilrechtlicher Beendigungskonstellation sogar zu einer unterschiedlich hohen Steuerbelastung bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten führen können.
II. Aufbau der Vorschrift § 5 ErbStG gliedert sich in drei verschiedene Absätze, wobei für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung nur die ersten beiden Absätze betrachtet werden sollen.62 Dabei wird zunächst in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG geregelt, dass in dem Fall, in dem die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB rechnerisch ausgeglichen wird, bei dem überlebenden Ehegatten der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte (sog. fiktiver Zugewinnausgleich), 58 Für eine Übersicht über das „System des Familienerbschaftsteuerrechts“ und das in diesem Zusammenhang auftretende Problem der Überprivilegierung (insbesondere) des Erwerbs vom Ehegatten, siehe Abschn. § 4 B. I. 3. 59 Sofern im Folgenden von einer „begünstigenden Wirkung“ des § 5 ErbStG die Rede ist, ist dies im Weiteren (untechnischen) Sinne zu verstehen. 60 Zu dieser Differenzierung im Grundansatz vgl. A. Hensel, System eines Familiensteuerrechts, S. 193. 61 Vgl. M. Loose, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 1 Rn. 1. 62 § 5 Abs. 3 ErbStG betrifft den Güterstand der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft i. S. v. § 1519 BGB i. V. m. GüterstWahlAbkFR. Vgl. hierzu die Nachweise auf S. 22, Fn. 22.
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
nicht als Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG gilt. Hauptanwendungsfall der Norm ist der erbrechtliche Zugewinnausgleich im Sinne des § 1371 Abs. 1 BGB. Jedoch ist § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG ausweislich seines Wortlauts auf diesen nicht beschränkt, sondern umfasst sämtliche Konstellationen, in denen die Zugewinngemeinschaft durch den Tod beendet und der Zugewinn nicht rechnerisch verwirklicht wird. Erfasst sind damit vor allem auch Fälle der gewillkürten Erbfolge (gewillkürte Erb- oder Vermächtniseinsetzung).63 Auffallend ist, dass § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG – entgegen der Regelung in § 1371 Abs. 1 BGB – nicht das Erhöhungsviertel von der Besteuerung ausnimmt, sondern die rechnerische Ermittlung einer (nur) fiktiven Ausgleichsforderung für Erbschaftsteuerzwecke (losgelöst vom Zivilrecht) anordnet. Dies gilt seit einer Gesetzesänderung in dem Jahr 1974.64 Hinzu kommt, dass die Sätze 2 bis 6 weitere Rechenschritte zur betragsmäßigen Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs festlegen, die allesamt – in mehr oder weniger starker Ausprägung – Abweichungen von der güterrechtlichen Berechnung enthalten. Der Gesetzeswortlaut lautet diesbezüglich wie folgt: „2Bei der Berechnung dieses Betrags bleiben von den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383 und 1390 BGB abweichende güterrechtliche Vereinbarungen unberücksichtigt. 3Die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB findet keine Anwendung. 4Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag oder Lebenspartnerschaftsvertrag vereinbart, gilt als Zeitpunkt des Eintritts des Güterstandes (§ 1374 Abs. 1 BGB) der Tag des Vertragsabschlusses. 5Soweit das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags mit einem höheren Wert als dem nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen maßgebenden Wert angesetzt worden ist, gilt höchstens der dem Steuerwert des Endvermögens entsprechende Betrag nicht als Erwerb im Sinne des § 3. 6Sind bei der Ermittlung der Bereicherung des überlebenden Ehegatten oder des überlebenden Lebenspartners Steuerbefreiungen berücksichtigt worden, gilt die Ausgleichsforderung im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens des Erblassers nicht als Erwerb im Sinne des § 3.“
Besonderes Augenmerk verdient schon jetzt die Regelung in Satz 2, wonach güterrechtliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten (insbesondere: Eheverträge) bei der Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichs unberücksichtigt zu bleiben haben. Das wirft die ganz grundlegende Frage auf, welche Verbindlichkeit und rechtliche Bindungswirkung ehevertragliche Abreden für die (Erbschafts-) Besteuerung haben.65 Auf die Bedeutung und den Zweck dieser (und der weiteren) Regelung(en) wird im Rahmen der weiteren Ausführungen näher eingegangen. Bereits an dieser Stelle kann jedoch – auf abstrakterer Ebene – vorweggenommen werden, dass sie der Verwirklichung spezifisch erbschaftsteuerlicher Prinzipien dienen, die sich gegenüber einer strikten Zivilrechtsanbindung durchgesetzt haben. 63
Für eine Übersicht über die von § 5 Abs. 1 ErbStG erfassten Fälle siehe unten § 5 C. IV. 1. a), b). Zur Gesetzeshistorie des § 5 ErbStG siehe nachfolgend Abschn. § 5 C. III. 65 Dass die (Ehe-)Gestaltungsfreiheit im Grundsatz auch durch das Erbschaftsteuerrecht anzuerkennen ist, dürfte unstreitig sein. Vgl. an dieser Stelle nur BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11. 64
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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§ 5 Abs. 2 ErbStG stellt in einem Satz klar, dass die güterrechtliche Ausgleichsforderung gem. § 1378 BGB nicht zum Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7 ErbStG gehört, wenn (1) die Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet wird oder (2) der Zugewinn im Fall des Todes nach § 1371 Abs. 2 BGB (rechnerisch) ausgeglichen wird. Bereits anhand des Gesetzeswortlauts wird deutlich, dass der Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG – anders als Absatz 1 – lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt.66 Auch ohne sie würde der güterrechtliche (rechnerische) Zugewinnausgleich zu keiner Erbschaftsteuerpflicht führen. Erfasst werden vor allem Ehescheidungsfälle, die ehevertragliche Beendigung der Zugewinngemeinschaft (bei Fortbestand der Ehe) sowie deren güterrechtliche Abwicklung im Fall des Todes nach § 1371 Abs. 2 BGB.67 Auffällig ist bereits bei einem ersten Blick auf den inneren Normzusammenhang, dass § 5 Abs. 2 ErbStG im Unterschied zum ersten Absatz keinerlei (erbschaftsteuerbedingten) Einschränkungen bei der betragsmäßigen Ermittlung der nicht steuerbaren Ausgleichsforderung enthält. Diese bleibt vielmehr in dem Umfang von der Erbschaftsteuer frei, wie sie nach dem (modifizierten) Güterrecht entstanden ist. Die in § 5 Abs. 1 S. 2–6 ErbStG enthaltenen Beschränkungen sind hier nicht anwendbar. Das bedeutet insbesondere, dass die Nichtsteuerbarkeit auch hinsichtlich einer durch Ehevertrag modifizierten Ausgleichsforderung gilt.68 Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift des § 5 ErbStG damit ein normprägendes „Ungleichgewicht“ aufweist, indem ehe- bzw. güterrechtliche Vereinbarungen nur in den Beendigungsfällen des § 5 Abs. 2 ErbStG Anerkennung erhalten. Diese (wertungsinkonsistente) Asymmetrie kann sogar dazu führen, dass die Erbschaftsteuerbelastung eines überlebenden Ehegatten unterschiedlich hoch ausfällt, je nachdem, ob er die Erbschaft (oder ein ihm zugewandtes Vermächtnis) annimmt (§ 5 Abs. 1 ErbStG) oder ausschlägt (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Dies kann wesentlichen Einfluss auf die – höchstpersönliche und von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte – Annahme- oder Ausschlagungsentscheidung haben.
III. Rechtsentwicklung Die Vorschrift des § 5 ErbStG gelangte in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand in dem Jahr 1959 in das Erbschaftsteuergesetz. Der Zugewinn konnte mithin schon immer ohne Erbschaftsteuerlast ausgeglichen werden. Rechtshistorisch interessant ist die Tatsache, dass seitdem nur § 5 Abs. 1 ErbStG einige wesentliche Rechts 66
So auch die allgemeine Ansicht, vgl. BFH v. 24. 8. 2005 – II R 28/02, BFH / N V 2006, 63 Rn. 29; N. Weinmann, in: Moench / Weinmann, ErbStG, § 5 Rn. 54; J.-P. Meincke, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 5 Rn. 38; C. Meßbacher-Hönsch, in: Goertz / Meßbacher-Hönsch, ErbStG, § 5 Rn. 170. 67 Für eine Übersicht über die von § 5 Abs. 2 ErbStG erfassten Fälle siehe unten D.III.1. 68 Vgl. auch R E 5.2 Abs. 2 S. 1 ErbStR 2019.
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
änderungen erfahren hat, teilweise als gesetzgeberische Gegenreaktion auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs. So hat vor allem das unter dem Leitziel eines gerechteren und einfacheren Steuerrechts verabschiedete Steuerreformgesetz 1974 zu einer grundlegenden Systemumstellung geführt, die durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz 199369 noch weiter ausgebaut wurde. Namentlich in jüngerer Zeit ist zudem mit dem Jahressteuergesetz 202070 und der Einfügung des neuen Satzes 6 in § 5 Abs. 1 ErbStG erneut Bewegung in die Vorschrift gekommen. § 5 Abs. 2 ErbStG befindet sich dahingegen seit seiner Einführung im Jahr 1959 im Wesentlichen unverändert im Erbschaftsteuergesetz. 1. Erbschaftsteueränderungsgesetz vom 26. 3. 1959 § 5 ErbStG in seiner heutigen Fassung geht auf die Bestimmung des § 6 ErbStG 1959 zurück, mit der das Erbschaftsteuerrecht entsprechend einer Entschließung des Bundestags bei der Verabschiedung des Gleichberechtigungsgesetzes an den 1957 neu eingeführten gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft angepasst worden war.71 Die Bestimmung ist durch das Erbschaftsteueränderungsgesetz vom 26. 3. 195972 Gesetz worden. Bei der Verfassung des § 6 ErbStG 1959 orientierte sich der Erbschaftsteuergesetzgeber bewusst eng an den damals neuen güterrechtlichen Bestimmungen über den Zugewinnausgleich. So entsprach auch der Aufbau der Norm bewusst der Reihenfolge des Gleichberechtigungsgesetzes 1957.73 Entstehungsgeschichtlich bemerkenswert ist, dass die ursprüngliche Regelung in § 6 Abs. 1 ErbStG – in enger Anlehnung an die noch heute gültige Regelung in § 1371 Abs. 1 BGB – die pauschale Nichtsteuerbarkeit eines Nachlassviertels vorsah, was eine in der Praxis einfach zu handhabende Regelung war. § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 bestimmte vor diesem Hintergrund, dass bei dem überlebenden Ehegatten der „vierte Teil des Betrages, der ihm, wenn er Alleinerbe wäre, ohne Berücksichtigung von Vermächtnissen, Auflagen und Pflichtteilsansprüchen als steuerpflichtiger Erbanfall
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BGBl. I 1993, 2310. BGBl. I 2020, 3096. 71 Siehe Anlage 16 zum stenographischen Bericht über die 206. Sitzung des Zweiten Deutschen Bundestages vom 3. 5. 1957: „Der Deutsche Bundestag ersucht die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der klarstellt, daß die Ansprüche, die einem Ehegatten auf Grund der Neuregelung des ehelichen Güterrechts bei Auflösung der Ehe durch Tod, Scheidung oder aus sonstigen Gründen zustehen, von der Erbschaft- und Schenkungsteuer freigestellt sind.“. 72 BGBl. I 1959, 157. 73 § 1371 Abs. 1 BGB: Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten; § 1372 BGB: Beendigung der Zugewinngemeinschaft in anderer Weise. 70
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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zufallen würde, nicht als Erwerb im Sinne des § 2 [ErbStG 1959] gilt“74. Die Vorschrift, wonach der steuerfreie Betrag ein Viertel der Erbschaft vor dem Abzug von Vermächtnissen, Auflagen und Pflichtteilsverbindlichkeiten betrug, ging somit typisiert davon aus, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten bei der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod um ein Viertel erhöhte. Obwohl der konkrete Wert der Erhöhung des Erbteils um ein Viertel im Einzelfall davon abhing, ob der Erblasser den Nachlass mindernde Vermächtnisse und Auflagen angeordnet hatte, unterstellte § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 die für den überlebenden Ehegatten günstigste Lage, dass derartige Belastungen des Nachlasses nicht vorhanden waren mit der Folge, dass auch der steuerfreie Betrag entsprechend höher war.75 Der überlebende Ehegatte erhielt somit pauschal und abstrakt – d. h. losgelöst von den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls – einen steuerfreien Betrag in Höhe eines Viertels des Reinwerts des ungeschmälerten Nachlasses. Die güterrechtliche Zugewinnausgleichsforderung im Sinne des § 1378 BGB war dahingegen nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG 1959 nicht erbschaftsteuerbar. § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG 1959 hatte dabei denselben Wortlaut wie der heutige § 5 Abs. 2 ErbStG. Der (damalige) nachfolgende Satz 2 bestimmte, dass die für vorherige unentgeltliche Zuwendungen entrichtete Schenkungsteuer insoweit zu erstatten war, als diese als Vorausempfang auf die Ausgleichsforderung angerechnet wurden. 2. Erbschafsteuer- und Reformgesetz vom 17. 4. 1974 Eine grundlegende Systemumstellung erfuhr die Zugewinnausgleichsbesteuerung durch das Erbschafsteuer- und Reformgesetz vom 17. 4. 197476. Der Gesetzgeber des Erbschaftsteuergesetzes 1974 änderte § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 – nunmehr in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG 1974 geregelt – dahingehend, dass der steuerfreie Betrag bei der todesfallbedingten Beendigung der Zugewinngemeinschaft und unterbliebenem rechnerischen Ausgleich nicht mehr das (ungeschmälerte) Nachlassviertel sein sollte, sondern der güterrechtlichen Ausgleichsforderung im Sinne des § 1371 Abs. 2 BGB entsprechen sollte. Darüber hinaus wurde in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG 1974 die verhältnismäßige Begrenzung des steuerfreien Betrags auf den „dem Steuerwert des Nachlasses entsprechenden Betrag“ eingeführt. Der Begriff des „Steuerwerts des Nachlasses“ war dem Erbschaftsteuergesetz, soweit ersichtlich, bis dahin unbekannt.77
74 BT-Drs. 3/598, S. 6. Die damalige Regelung des § 2 ErbStG 1959 findet sich heute in § 3 ErbStG. 75 BFH v. 23. 7. 1980 – II R 62/77, BFHE 131, 394 = BStBl. II 1980, 748 Rn. 25. 76 BT-Drs. 6/3418, 1. 77 Vgl. B. Knobbe-Keuk, in: FS Bosch, S. 503 (504).
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
Nach der Gesetzesbegründung sollte die Neuregelung dem „Leitziel der Steuerreform nach größerer Steuergerechtigkeit“78 entsprechen. Die bisherige Regelung in § 6 Abs. 1 ErbStG 1959 wurde nämlich aus zwei Gründen für steuerlich unzureichend erachtet: Zum einen wirkte sich die Regelung in allen Fällen, in denen das Nachlassviertel größer war als die Ausgleichsforderung, die dem überlebenden Ehegatten bei güterrechtlicher Abwicklung der Zugewinngemeinschaft zugestanden hätte, wie ein „echter Freibetrag“ aus, der bei großen Nachlässen um ein Vielfaches höher sein konnte als der (normale) Ehegattenfreibetrag. Zum anderen sei durch die vormalige Regelung dem Gedanken, dass bei dem überlebenden Ehegatten der Zugewinnausgleich insgesamt unbesteuert bleiben soll, in den Fällen nicht ausreichend Rechnung getragen worden, in denen dem überlebenden Ehegatten im Falle einer güterrechtlichen Abwicklung eine über das Nachlassviertel hinausgehende Ausgleichsforderung zugestanden hätte. Deshalb sei auch die – zivilrechtlich zulässige – Entscheidung des überlebenden Ehegatten zwischen der erbrechtlichen Verwirklichung des Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 1 BGB und der güterrechtlichen Abwicklung (durch Ausschlagung) nicht selten (nur) durch erbschaftsteuerrechtliche Überlegungen beeinflusst worden. Dem sollte Abhilfe geschaffen werden. Nach der gesetzgeberischen Vorstellung sollte damit zudem „das Ausmaß der Vergünstigung nach Absatz 1 (…) jetzt dem nach Absatz 2“79 entsprechen, d. h. ein Gleichlauf zwischen den beiden Absätzen der Vorschrift erreicht werden. Ausführungen im Hinblick auf die neu eingeführte (Begrenzungs-)Regelung in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG 1974 finden sich in der Begründung dahingegen nicht. Zudem wurde § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG 1959 (Erlöschen der Schenkungsteuer bei Anrechnung als Vorausempfang) in § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG umgestellt. 3. Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. 12. 1993 Zum Jahresende 1993 ist es sodann durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz80 zu einer weiteren bedeutsamen (formell ordnungsgemä ßen)81 Änderung des Absatzes 1 gekommen. Es wurden – neben einer geringfügigen Änderung des Satzes 1 – die (heutigen) Sätze 2 bis 4 in den Gesetzeszusammenhang
78
BR-Drs. 140/72, S. 63. BR-Drs. 140/72, S. 63. Hervorhebung nur hier. 80 StMBG v. 21. 12. 1993, BGBl. I 1993, 2310. 81 Zweifel an dem formell ordnungsgemäßen Zustandekommen der Änderungen in § 5 Abs. 1 ErbStG im Jahr 1993 bestanden deshalb, weil diese (auf der Grundlage eines entsprechenden Vorschlags des Bundesrates) durch den in das Gesetzgebungsverfahren eingeschalteten Vermittlungsausschuss (Art. 77 Abs. 2 GG) beschlossen worden waren. Der Bundesfinanzhof hat die dem Vermittlungsausschuss im Gesetzgebungsverfahren gezogenen Grenzen hierdurch jedoch nicht als überschritten angesehen, siehe hierzu (und dem Gesetzgebungsgang im Einzelnen) BFH v. 8. 11. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 14 ff. 79
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
173
neu eingefügt. Die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG 1974 wurde in diesem Zusammenhang zu Satz 5 umgestellt. Die Neuregelungen besagen in einer Gesamtschau, dass güterrechtliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten, die von der Berechnungsfolge des Güterrechts abweichen oder zivilrechtlich zurückwirken, für die betragsmäßigen Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs unbeachtlich sind (Sätze 2 und 4). Auch die Vermutungswirkung des § 1377 Abs. 3 BGB, wonach das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt, findet fortan im Erbschaftsteuerrecht keine Anwendung mehr (Satz 3). Entstehungsgeschichtlich interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Bundesrat in seiner damaligen Stellungnahme zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes – in dem eine Änderung des § 5 ErbStG nicht vorgesehen war – eine Ergänzung des (gesamten) § 5 ErbStG um einen Absatz 3 mit folgendem Wortlaut vorgeschlagen hatte: „Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart, wird bei der Anwendung der Absätze 1 und 2 nur die Ausgleichsforderung berücksichtigt, die auf die Zeit ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des auf den Güterstand der Zugewinngemeinschaft gerichteten Ehevertrages entfällt.“82 Die von dem Bundesrat in § 5 Abs. 3 ErbStG-E vorgeschlagene Ergänzung des Regierungsentwurfs hatte den (Sonder-)Fall vor Augen, dass Ehegatten nach vorangegangener Gütertrennung diese mittels eines Ehevertrags rückwirkend beseitigen und stattdessen Zugewinngemeinschaft vereinbaren. Obwohl zivilrechtlich zulässig, erkannte der Bundesrat hierin gleichwohl eine „missbräuchliche Gestaltung“ mittels Ehevertrags, die er mit § 5 Abs. 3 ErbStG-E generell zu verhindern wissen wollte.83 Der seinerzeitige (dringende) Reformbedarf ergab sich aus zwei Bundesfinanzhof-Urteilen, die aus der Sicht des Bundesrats entsprechende Gestaltungen ermöglicht bzw. befördert hatten. Gemeint waren die beiden Urteile vom 28. 6. 198984 und vom 12. 5. 199385, in denen das Gericht entschieden hatte, dass in Gütertrennung lebende Ehegatten auch mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung rückwirkend auf den Tag der Eheschließung die Zugewinngemeinschaft vereinbaren konnten. Zur Begründung führte der Bundesfinanzhof aus, dass die Ehegestaltungsfreiheit auch durch das Erbschaftsteuerrecht anerkannt werden müsse. Erbschaftsteuerrechtliche Grenzen seien der Anerkennung der Gestaltungsfreiheit erst dort gezogen, wo sie einem Ehegatten eine „überhöhte Ausgleichsforderung“ verschaffen soll. Der Bundesrat sah es vor dem Hintergrund dessen als steuerpolitisch nicht gerechtfertigt an, auch den Teil der Ausgleichsforderung zu „begünstigen“, der für einen Zeitraum entstehe, für den die Zugewinngemeinschaft nur durch eine rückwirkende Vereinbarung entstanden sei. Der neue Absatz 3 sollte 82
BT-Drs. 12/5940, S. 16 f. Hervorhebung nur hier. Vgl. BT-Drs. 12/5940, S. 17. 84 BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897. 85 BFH v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739. 83
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
daher das „allgemeine steuerrechtliche Prinzip des Verbots der steuerlichen Anerkennung rückwirkender zivilrechtlicher Vereinbarungen“86 sichern. Der Vorschlag des Bundesrats ist schließlich – nach vorheriger Einschaltung des Vermittlungsausschusses und neben § 5 Abs. 1 S. 2 und 3 ErbStG 1993 – in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG 1993 Gesetz geworden. Ausweislich der Gesetzessystematik ist er damit auf solche Fälle beschränkt, in denen bei todesfallbedingter Beendigung der Zugewinngemeinschaft kein tatsächlicher Zugewinnausgleich stattfindet. Damit ist man (ohne nähere Begründung) hinter dem ursprünglichen Bundesratsvorschlag zurückgeblieben. Dass die – der Ehegestaltungsfreiheit die erbschaftsteuerliche Anerkennung versagende – Regelung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Ehe darstellt, hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 18. 1. 200687 entschieden.88 Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die im Zuge des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vorgenommenen Änderungen des § 5 Abs. 1 ErbStG deutliche Kritik im Schrifttum erfahren haben.89 Durch diese sei eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Fälle der Beendigung einer Zugewinngemeinschaft eingetreten, für die ein sachlich einleuchtender Grund fehle. Tatsächlich ist mit den vorgenommenen Änderungen die bereits angesprochene „Asymmetrie“ zwischen den beiden Absätzen des § 5 ErbStG entstanden, mit der auch die von dem Erbschaftsteuergesetzgeber des Jahres 1974 angesprochene und erwünschte Angleichung zwischen den verschiedenen Fällen der Beendigung einer Zugewinngemeinschaft verloren gegangen ist. Auf die Bedeutung und den Telos der einzelnen Sätze des § 5 Abs. 1 ErbStG wird im folgenden Abschnitt näher eingegangen. 4. Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. 12. 2008 Im Zuge des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. 12. 200890 ist die Regelung des § 5 ErbStG auf eingetragene Lebenspartner erweitert worden. Zudem hat § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG eine nur geringfügige Änderung erfahren. Seit dem 1. 1. 2009 kommt es für die Begrenzung des fiktiven Zugewinnausgleichs nicht mehr auf das Verhältnis des „Steuerwerts des Nachlasses“ zu dessen Verkehrswert an, sondern auf den „Steuerwert des Endvermögens“. Da der Zugewinn zivilrechtlich als Unterschiedsbetrag zwischen dem End- und Anfangsvermögen eines Ehegatten ermittelt
86
BT-Drs. 12/5940, S. 17. Az.: II R 64/04, BFH / N V 2006, 948. 88 BFH v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 22. 89 Zur Kritik siehe z. B. J. Ebeling, BB 1994, 1185 (1187); C. Hoebbel, NJW 1994, 2135 (2136); B. Knobbe-Keuk, in: FS Bosch, S. 503, 505; N. Weinmann, DStR 1994, 381 (382 f.); S. Sasse, BB 1994, 1187 (1188). 90 BGBl. I 2008, 3018. 87
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wird, sei es – so die Gesetzesbegründung – folgerichtig, bei der betragsmäßigen Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung gleichsam auf das Endvermögen (und nicht wie zuvor auf den Nachlass) abzustellen.91 5. Jahressteuergesetz 2020 Erst in jüngerer Zeit erfolgte im Zuge des Jahressteuergesetzes 202092 eine weitere Änderung des § 5 Abs. 1 ErbStG durch Anfügung eines neuen Satzes 6, die schon einmal im Jahr 2014 auf der gesetzgeberischen Agenda stand93. Demnach gilt in Fällen, wo bei der Ermittlung der Bereicherung des überlebenden Ehegatten Steuerbefreiungen (bspw. für denkmalgeschützte Erwerbsgegenstände, für Familienheime oder steuerentlastetes Unternehmensvermögen)94 berücksichtigt worden sind, die fiktive Ausgleichsforderung „im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens“ nicht als Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG. Wie die vorherigen Sätze auch, bezweckt und bewirkt die Neuregelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG damit eine weitere Reduzierung des fiktiven Zugewinnausgleichs, indem dieser verhältnismäßig begrenzt wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit dieser Begrenzung eine bislang vorhandene „nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten“ 95 ausgeschlossen werden. Die „Doppelbegünstigung“ soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:96 Beispiel: In dem Nachlass (= Zugewinn) des Erblassers (3 Mio. €) befindet sich ein nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerbefreites Familienheim im Wert von 1 Mio. €. Die Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten, der Alleinerbe ist, beträgt bei gedachtem güterrechtlichem Ausgleich 1,5 Mio. €. Nach der Rechtslage bis zum Jahressteuergesetz 2020 ergab sich demnach folgende Erbschaftsteuerlast des überlebenden Ehegatten:
91
BT-Drucks. 16/11107, S. 7. BGBl. I 2020, 3096. 93 Im Rahmen der damaligen Reform der Unternehmenserbschaftsteuer, die durch das Urteil des BVerfG v. 17. 12. 2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 = BStBl. II 2015, 50 notwendig geworden war, hatte der Finanz- und Wirtschaftsausschuss des Bundesrats eine mit § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG n. F. inhaltsgleiche Änderung innerhalb des § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG empfohlen, vgl. BR-Drs. 353/1/15, S. 5 f. Dieser Vorschlag ist im weiteren Gesetzgebungsverlauf allerdings – ohne nähere Begründung – nicht mehr aufgegriffen worden, sodass § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG schließlich unverändert geblieben ist. 94 So die beispielhafte Aufzählung der in Betracht kommenden Steuervergünstigung in BTDrs. 19/22850, S. 172. 95 BGBl. I 2020, 3096, S. 172. 96 Vgl. R. Geck / M. Messer, ZEV 2021, 88 (89) sowie (in Bezug auf § 13a Abs. 1 ErbStG) BR-Drs. 353/1/15, S. 5 f. 92
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
Gesamterwerb 3.000.000,00 € Steuerbefreiung des Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) −1.000.000,00 € 2.000.000,00 € Fiktiver Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 1 ErbStG) −1.500.000,00 € Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 ErbStG) −500.000,00 € Steuerpflichtiger Erwerb 0,00 €
Die „Doppelbegünstigung“ war nunmehr darin zu erblicken, dass zivilrechtlich zwar ein Zugewinn des Erblassers von 3 Mio. € gegeben ist, der zu einer (fiktiven) Ausgleichsforderung in Höhe von 1,5 Mio. € führt. Demgegenüber beträgt der erbschaftsteuerlich maßgebliche Erwerbswert – der potenziell mit Erbschaftsteuer belastet werden kann – gerade nicht 3 Mio. €, sondern wegen der Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG von vornherein nur 2 Mio. €. Der fiktive Zugewinnausgleich von 1,5 Mio. €, der sich auf den Zugewinn des Erblassers in Höhe von 3 Mio. € als Berechnungsbasis bezieht, wird nunmehr mit der Neuregelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG auf den „erbschaftsteuerlich maßgeblichen Basiswert“97 von 2 Mio. € (Endvermögen abzüglich § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) umgerechnet. Die Rechenformel hierfür lautet: Fiktive Ausgleichsforderung ×
Steuerwert des Endvermögens abzgl. Wert des steuerbefreiten Vermögens Endvermögen zu Verkehrswerten
Hiernach ergibt sich in dem gebildeten Beispielsfall ein nach § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG begrenzter fiktiver Zugewinnausgleich von 1 Mio. € (1,5 Mio. € güterrechtliche Ausgleichsforderung × (2 Mio. € Steuerwert des Endvermögens abzüglich des Werts des steuerbefreiten Familienheims/3 Mio. € unvermindertes Endvermögen)). Im Gesamtbild heißt das für den oben genannten Beispielsfall: Gesamterwerb 3.000.000,00 € −1.000.000,00 € Steuerbefreiung des Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) 2.000.000,00 € −1.000.000,00 € Fiktiver Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 1 ErbStG) Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 ErbStG) −500.000,00 € Steuerpflichtiger Erwerb 500.000,00 €
§ 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG findet erstmals auf solche Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 28. 12. 2020 entsteht (§ 37 Abs. 18 ErbStG).
IV. Die Vorschrift im Einzelnen Der Tatbestand und die Rechtsfolge der Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs müssen so bestimmt werden, dass sie die verschiedenen Besteuerungsprinzipien (insbesondere: Unentgeltlichkeitsprinzip) sachgerecht widerspiegeln 97 So die Formulierung in der Stellungnahme des Finanz- und Wirtschaftsausschusses des Bundesrats zu der damaligen Gesetzesvorlage aus dem Jahr 2014 (BR-Drs. 353/1/15, S. 6).
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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sowie im Einklang mit den Grundwertungen der Zugewinngemeinschaft und des -ausgleichs stehen. Wie sich bereits aus der Entstehungsgeschichte ergibt, treten jedoch namentlich bei dem fiktiven Zugewinnausgleich verschiedene (teils teilrechtsordnungsfremde) Prinzipien und Wertungen zueinander in Konflikt, welchen der Steuergesetzgeber versucht hat mit den verschiedenen Sätzen des § 5 Abs. 1 ErbStG zu regeln. Gemeint sind im Besonderen das Prinzip der Maßgeblichkeit des Zivil- bzw. Güterrechts und das Prinzip einer gleichmäßigen Besteuerung nach der unentgeltlichen Leistungsfähigkeit einerseits sowie das (grundrechtlich verbürgte) Recht von Ehegatten, ihre güterrechtlichen Verhältnisse – auch mit Rückwirkung – zu regeln, und dessen erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung andererseits. Demgegenüber folgt die Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG uneingeschränkt der Maßgeblichkeit des Güterrechts. Beide Absätze sind nichtsdestotrotz zusammen zu sehen, ihre Interpretation und Wirkungsbereiche sind aufeinander abzustimmen. 1. Fiktiver Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 1 ErbStG) a) Übersicht über den Anwendungsbereich Wie bereits angeklungen, regelt § 5 Abs. 1 ErbStG den Fall, dass eine Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet wird und der Zugewinn „nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen“ wird. Damit ist die Regelung zunächst auf Fälle beschränkt, in denen die Ehe – und somit auch die Zugewinngemeinschaft – durch Tod endet. Unklar und streitig ist hingegen, ob in der negativen Formulierung des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG eine umgekehrte Bezugnahme auf die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB zu erkennen ist mit der Folge, dass diesem die maßgebenden Aussagen über den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG zu entnehmen sind.98 Das würde bedeuten, dass der fiktive Zugewinnausgleich (nur) solche Fälle erfassen würde, in denen der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe oder Testamentserbe bzw. Vermächtnisnehmer wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2 ErbStG), d. h. der Zugewinn erbrechtlich verwirklicht wird. Nicht erfasst wären dagegen sämtliche andere Erwerbsvorgänge im Sinne des § 3 ErbStG, in denen ein tatsächlicher Zugewinnausgleich gleichsam unterbleibt. Zu denken ist etwa an den Fall, dass dem überlebenden Ehegatten ein (Minimal-)Erbteil hinterlassen ist, der geringer ist als die Hälfte seines verstärkten Erbteils, und er von den übrigen Miterben als Zusatzpflichtteil (Pflichtteilsrest) den Wert des an der Hälfte
98 So insbesondere C. Griesel, in: Daragan / Halaczinsky / R iedel, ErbStG (3. Aufl. 2017), § 5 Rn. 8, 10 f.; F Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 5 Rn. 12; K. Tiedtke / M. Szczesny, FPR 2012, 107 (108); N. Weinmann, in: Moench / Weinmann, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 14; a. A. T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 45 f.; P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 21; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 42 ff.
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fehlenden Teils verlangt (§ 2305 BGB).99 Entsprechendes gälte für Fälle, in denen der überlebende Ehegatte Vermögensvorteile von einem Dritten aufgrund eines von dem Erblasser zuvor geschlossenen Vertrags (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) erhält (bspw. Erwerb eines Anspruchs gegen eine Kommanditgesellschaft auf Zahlung einer Witwenrente)100. Zwar ist zuzugeben, dass die gesetzliche Erbfolge mit erbrechtlichem Zugewinnausgleich und die gewillkürte Erbfolge die beiden Hauptanwendungsfälle des fiktiven Zugewinnausgleichs in der Praxis sein dürften. Gegen eine Überstimmung der Anwendungsbereiche des § 5 Abs. 1 ErbStG und des § 1371 Abs. 1 BGB sprechen jedoch folgende Überlegungen: Zum einen ergäbe die in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG ausgesprochene Verweisung auf den gesamten § 3 ErbStG keinen Sinn, wenn von vornherein nur Erwerbe durch Erbanfall oder Vermächtnis erfasst wären. Dann hätte sich eine Bezugnahme nur auf bestimmte Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG aufgedrängt.101 Der teilweise angestellte Umkehrschluss aus der negativen Formulierung des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG auf § 1371 Abs. 1 BGB erscheint bereits aus diesem Grund nicht zwingend. Hätte der Steuergesetzgeber in § 5 Abs. 1 ErbStG lediglich die Ausgleichskonstellationen des § 1371 Abs. 1 BGB erfassen wollen, hätte er dies zudem – wie in § 5 Abs. 2 ErbStG – entsprechend positiv formuliert („(…) durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nach § 1371 Abs. 1 BGB ausgeglichen (…)“). Für eine derart unterschiedliche Formulierungstechnik zwischen den beiden Absätzen des § 5 ErbStG ist kein anderer Grund als der ersichtlich, dass die beiden Anwendungsbereiche des § 5 Abs. 1 ErbStG und des § 1371 Abs. 1 BGB gerade nicht übereinstimmen. Unter Wertungsgesichtspunkten kommt entscheidend hinzu, dass kein Grund dafür ersichtlich ist, dem überlebenden Ehegatten den Abzug eines nach § 5 Abs. 1 ErbStG nicht steuerbaren Betrags für seinen der Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 oder Abs. 2 ErbStG unterliegenden Erwerb zu versagen.102 Denn der Erwerb entstammt in diesen Fällen in dem gleichen Maß an Wahrscheinlichkeit dem ehelichen Zugewinn des Erblassers wie in den Fällen des § 1371 Abs. 1 BGB.
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Der Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB fällt (unstreitig) unter den Erwerbstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG, vgl. H.-U. Viskorf, in: FS Crezelius, S. 617 (618). 100 Vgl. BFH v. 22. 12. 1976 – II R 58/67, BFHE 121, 487 = BStBl. II 1977, 420. 101 So auch die ähnliche Argumentation des Bundesfinanzhofs bei § 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 ErbStG: Von einem Erblasser herrührende Schulden können auch bei Erwerbern, die keine Erben sind, Nachlassverbindlichkeiten i. S. v. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein, da § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nicht auf bestimmte Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG beschränkt, vgl. BFH v. 15. 6. 2016 – II R 51/14, BFHE 255, 85 = BStBl. II 2018, 194 Rn. 19. 102 Vgl. BFH v. 22. 12. 1976 – II R 58/67, BFHE 121, 487 = BStBl. II 1977, 420 Rn. 39.
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b) Anwendungsfälle aa) Beendigungskonstellation eins: Intestaterbfolge mit erbrechtlichem Zugewinnausgleich Der Hauptanwendungsfall des § 5 Abs. 1 ErbStG dürfte der erbrechtliche Zugewinnausgleich gem. §§ 1931 Abs. 3; 1371 Abs. 1 BGB sein. Beispiel: Erblasser E verstirbt mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und wird von seinem überlebenden Ehegatten sowie den beiden gemeinsamen Kindern gesetzlich beerbt. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von 1,5 Mio. €, das zugleich seinen Zugewinn darstellt. Dem überlebenden Ehegatten steht bei gedachter güterrechtlicher Lösung ein Betrag von 500.000 € als Ausgleichsforderung zu. Lösung: Der überlebende Ehegatte übernimmt aufgrund der gesetzlichen Erbfolge ein Viertel des Nachlasses, wobei sich sein gesetzlicher Erbteil aus § 1931 Abs. 1 BGB zur Verwirklichung des Zugewinnausgleichs um ein weiteres Viertel erhöht (§ 1371 Abs. 1 BGB). Damit ist der Zugewinnausgleich pauschal und unabhängig davon, ob die Ehegatten im einzelnen Fall überhaupt einen Zugewinn erzielt haben, abgegolten. Aus erbschaftsteuerlicher Sicht unterliegen der gesetzliche Erbteil sowie der Zusatzerbteil zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs als Erwerb durch Erbanfall gleichsam der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG). Wegen § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG gilt jedoch der Betrag, den der überlebende Ehegatte nach § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb in diesem Sinne. Damit ist nur für steuerliche Zwecke fiktiv eine steuerfrei zu stellende Ausgleichsforderung zu errechnen und von dem Erwerb des überlebenden Ehegatten abzuziehen.103 Die von § 1371 Abs. 1 BGB primär bezweckte Vereinfachung wird durch das Erbschaftsteuerrecht damit praktisch aufgehoben.104 In dem obigen Beispielsfall steht dem überlebenden Ehegatten bei gedachter güterrechtlicher Lösung eine Ausgleichsforderung von rechnerisch 500.000 € zu. Sein steuerpflichtiger Erwerb beläuft sich demnach (§ 16 ErbStG unberücksichtigt gelassen) auf 250.000 €. Demgegenüber hätte sich bei Zugrundelegung der Rechtslage von 1959 (Nichtsteuerbarkeit eines Viertels des Nachlasses des verstorbenen Ehegatten) ein nicht steuerbarer Betrag von nur 375.000 € (1,5 Mio. € × ¼) ergeben. Bereits an dieser sei betont, dass § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG damit – wie von dem 103
R E 5.1 Abs. 1 S. 1 ErbStR 2019. Zum Zweck der pauschalierenden erbrechtlichen Lösung in § 1371 Abs. 1 BGB siehe oben Abschn. § 2 C. III. 2. d). 104
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Erbschaftsteuergesetzgeber 1974 intendiert – im Grundsatz zur Verwirklichung größerer Steuergerechtigkeit beiträgt. bb) Beendigungskonstellation zwei: Gewillkürte Erbfolge Wird der überlebende Ehegatte dagegen durch gewillkürte Erbfolge als Erbe eingesetzt oder wird er mit einem Vermächtnis bedacht, gilt der Zugewinnausgleich aus zivilrechtlicher Sicht hiermit als abgegolten.105 Ein erb- oder güterrechtlicher Zugewinnausgleich findet in diesem Fall nicht statt. Dies gilt sogar unabhängig von der Höhe des zugewandten Erbteils oder Vermächtnisses. Beispiel: E hat im Rahmen seines Testaments seinen Ehegatten – neben den beiden Abkömmlingen – mit einem Erbteil von einem Drittel bedacht. Nach dem Tod des E nimmt der überlebende Ehegatte die Erbschaft an bzw. schlägt sie nicht innerhalb der Frist des § 1944 BGB aus. Lösung: Der überlebende Ehegatte unterliegt mit dem ihm zugewandten Erbteil von einem Drittel des Nachlasses der Erbschaftsbesteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG. Obwohl in diesem Fall ein erbrechtlicher Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB gerade nicht stattfindet, da der Zugewinn mit der individuellen erbrechtlichen Teilhabe als abschließend geregelt und damit abgegolten gilt, gelangt die Vorschrift des § 5 Abs. 1 ErbStG auch hier (unstreitig) zur Anwendung.106 Dies lässt sich unter materiellen Gesichtspunkten damit erklären, dass der Zugewinn im Fall der gewillkürten Erbfolge durch die individuelle erbrechtliche Lösung als pauschal verwirklicht gilt. Da der Erwerb auch in diesem Fall – wie bei § 1371 Abs. 1 BGB – aus dem (miterwirtschafteten) Zugewinn des Erblassers entstammt, ist es geboten, von dem Erwerb des überlebenden Ehegatten einen Betrag in Höhe einer fiktiven Ausgleichsforderung zum Abzug zu bringen. Das gilt umso mehr, als das Erbschaftsteuergesetz die gesetzliche und gewillkürte Rechtsnachfolge gleichbehandelt.107 Unter rechtstechnischen Gesichtspunkten kommt hinzu, dass § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG – wie gezeigt – gerade keine Erbteilerhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB tatbestandlich voraussetzt, sondern lediglich auf das Unterbleiben eines rechnerischen Ausgleichs abstellt. Dies ist bei der individuell-erbrechtlichen Teilhabe jedoch gerade der Fall. In dem oben genannten Beispielsfall hat der über 105
Siehe z. B. E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1371 Rn. 23 sowie oben Abschn. § 2 C. III. 4. a) aa) (2). 106 Siehe bereits H. Megow, in: Megow, ErbStG (5. Aufl. 1969), § 6 (S. 172 f.) sowie C. Griesel, in: Daragan / Halaczinsky / R iedel, ErbStG (3. Aufl. 2017), § 5 Rn. 10; P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 191; F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 5 Rn. 13. 107 P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 25.
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lebende Ehegatte unter Zugrundelegung eines fiktiven Zugewinnausgleichs von 500.000 € demnach keine Erbschaftsteuer zu zahlen. Nur am Rande sei erwähnt, dass der überlebende Ehegatte in dem obigen Beispielsfall wirtschaftlich besser stünde, wenn er den ihm zugewandten Erbteil ausschlagen und von den beiden Erben den „kleinen“ Pflichtteil (ein Achtel) sowie den güterrechtlichen Zugewinnausgleich gem. § 1372 Abs. 2 BGB verlangen würde. In diesem Fall käme die Regelung des § 5 Abs. 2 ErbStG zur Anwendung.108 cc) Beendigungskonstellation drei: Andere Erwerbsvorgänge im Sinne des § 3 ErbStG Wie bereits herausgestellt, gelangt § 5 Abs. 1 ErbStG bei sämtlichen Erwerbsvorgängen des § 3 ErbStG zur Anwendung, wenn der Zugewinn daneben nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird. Beispiel: E hat seinen Ehegatten testamentarisch mit einem Geldvermächtnis von 10.000 € bedacht, und den Nachlass im Übrigen den beiden Kindern (zu gleichen Teilen) zugewandt. Der überlebende Ehegatte entscheidet sich gegen eine Ausschlagung des Vermächtnisses, und verlangt von den Erben des E die Zahlung eines zusätzlichen Betrags von 365.000 €. Hierbei handelt es sich um den Pflichtteilsrestanspruch aus § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB, dessen Höhe sich nach dem „großen“ Pflichtteil (ein Viertel) bemisst. Lösung: Der überlebende Ehegatte unterliegt mit dem Vermächtniserwerb sowie dem geltend gemachten Pflichtteilsrestanspruch der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und 3 ErbStG. Beide Erwerbsvorgänge unterliegen jedoch nur in den Grenzen des § 5 Abs. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Das gilt – neben den bereits oben genannten Gründen –109 zum einen schon deshalb, weil auch das Erbschaftsteuerrecht dem Erben und Vermächtnisnehmer die freie Entscheidung darüber belässt, ob er die Erbschaft oder das Vermächtnis annehmen oder ausschlagen will.110 Entscheidet sich der Erbe oder Vermächtnisnehmer, der nur mit einem Minimalerbteil oder -vermächtnis bedacht ist, gegen die Ausschlagung und für die zusätzliche Geltendmachung von Pflichtteilsrest- oder -ergänzungsansprüchen, darf sich dies nicht zu seinem Nachteil auswirken. Würde etwas anderes gelten, wäre zudem der Zweck der Vorschrift des § 1371 Abs. 3 BGB konterkariert, die dem Ehegatten gerade die freie Wahl zwischen der Erbschaft (dem Vermächtnis) – ohne rechnerischen Ausgleich des Zugewinns – einerseits und der tatsächlichen Aus 108
Siehe nachfolgend unter Abschn. § 5 C. IV. 2. c). Siehe oben unter Abschn. § 5 C. IV. 1. a). 110 Vgl. BFH v. 22. 12. 1976 – II R 58/67, BFHE 121, 487 = BStBl. II 1977, 420 Rn. 37. 109
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gleichsforderung nebst dem kleinen Pflichtteil andererseits belassen will.111 Die höhere Besteuerung einer der beiden Möglichkeiten durch Versagung des fiktiven Zugewinnausgleichs würde dem entgegenstehen. Die Annahme des Vermächtnisses und die Beanspruchung des Pflichtteilsrestanspruchs, dessen Höhe sich nach dem zu Zugewinnausgleichszwecken um ein Viertel erhöhten gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten richtet (großer Pflichtteil), bewirken darüber hinaus genau jene erbrechtliche Lage, welche § 5 Abs. 1 ErbStG schützen will. Denn mit dem großen Pflichtteil wird auch der Zugewinn – zumindest in Teilen – mitverwirklicht, indem sich die Pflichtteilsquote auch nach § 1371 Abs. 1 BGB richtet. Dieselben rechtlichen Erwägungen haben für sämtliche anderen Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG zu gelten. c) Ermittlung des nicht steuerbaren fiktiven Zugewinnausgleichs Seit dem Jahr 1974 bleibt nicht mehr ein Viertel des Nachlasses des Erblassers pauschal unbesteuert, sondern § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG macht die Ermittlung einer fiktiven Ausgleichsforderung gegen den verstorbenen (ausgleichspflichtigen) Ehegatten nur für Erbschaftsteuerzwecke erforderlich (Fiktionslösung).112 Damit weicht der Erbschaftsteuergesetzgeber bewusst von der Zivilrechtslage ab. In Umsetzung dieser erbschaftsteuerlichen Fiktion wird zudem auch die Höhe der nur gedachten güterrechtlichen Ausgleichsforderung abweichend von dem Güterrecht fingiert. Einzelheiten regeln die Sätze 1 bis 6, deren Sinn und Zweck im Folgenden näher herausgearbeitet werden. aa) Fiktionslösung (§ 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG) (1) Sinn und Zweck Für den Übergang zu der Fiktionslösung im Jahr 1974 war die Überlegung entscheidend, dass die Steuerfreiheit des pauschalierten erbrechtlichen Zugewinnausgleichs in mehrfacher Hinsicht erbschaftsteuerlich unzureichend war.113 So genügte die Steuerfreiheit eines Nachlassviertels zum einen in den Fällen nicht den Anforderungen einer gleichmäßigen Besteuerung nach der unentgeltlichen Leistungsfähigkeit, in denen dem überlebenden Ehegatten bei gedachter güter-
111 Vgl. zum Zweck von § 1371 Abs. 3 BGB z. B. B. Thiele in: Staudinger BGB (Neub. 2010), § 1373 Rn. 82. 112 Zur Gesetzesfiktion im Allgemeinen z. B. G. Demelius, Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung; J. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen (2. Aufl. 1969), S. 37 ff.; C. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 245 ff.; zum Erbschaftsteuerrecht im Besonderen G. Crezelius, in: FS Meincke, S. 65 ff. 113 Siehe bereits oben Abschn. § 5 C. III. 2.
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rechtlicher Abwicklung der Zugewinngemeinschaft eine über ein Viertel des reinen Nachlasswerts hinausgehende Ausgleichsforderung zustand. Entsprechendes galt zum anderen, wenn die gedachte Ausgleichsforderung hinter dem Nachlassviertel betragsmäßig zurückblieb. In beiden Fällen bestand keine ausreichende Legitimation für die Erbschaftsbesteuerung bzw. deren Unterbleiben. Da nach dem bisher Gesagten der Zugewinnausgleich mangels Unentgeltlichkeit in vollem Umfang unbesteuert zu bleiben hat, ist es nur folgerichtig, wenn er – unabhängig von der zivilrechtlichen Rechtstechnik – in seiner tatsächlichen rechnerischen Höhe von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ausgenommen wird. Dies bezweckt die Fiktionslösung in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG. Aus ihr ergibt sich zudem in einem Umkehrschluss, dass der den fiktiven Zugewinnausgleich übersteigende Anteil des Erwerbs von Todes wegen den normalen Besteuerungsregelungen unterliegt. Ein weiterer Zweck der Fiktionslösung ist die – auch von dem historischen Steuergesetzgeber intendierte –114 erbschaftsteuerliche Gleichbehandlung der verschiedenen Konstellationen der Beendigung einer Zugewinngemeinschaft.115 Indem ein Betrag im Umfang einer (fiktiven) güterrechtlichen Ausgleichsforderung unabhängig von dem zivilrechtlichen Ausgleichsweg unbesteuert bleibt, soll sich der überlebende Ehegatte nicht mehr vor die Entscheidung gestellt sehen, die Erbschaft oder ein ihm zugewandtes Vermächtnis nur aus erbschaftsteuerlichen Vorteilserwägungen auszuschlagen und stattdessen – neben dem kleinen Pflichtteil – den güterrechtlichen Ausgleich zu verlangen.116 Darauf, dass dieser Zweck im weiteren Verlauf der Entstehungsgeschichte der Vorschrift mitigiert worden ist, wird noch zurückzukommen sein. Die Fiktionslösung in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG verschafft dem überlebenden Ehegatten einen selbständigen steuerfreien Betrag. Systematisch ist er damit als eigener Abzugsposten bei der Bereicherung des Erwerbers – auf der sogenannten „zweiten Stufe“ der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs im Sinne des § 10 ErbStG – zu berücksichtigen, und nicht schon bei der Ermittlung des steuerbaren Vermögensanfalls.117
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Siehe oben Abschn. § 5 C. III. 2. sowie BR-Drs. 140/72, S. 63. Vgl. auch BFH v. 29. 6. 2005 – II R 7/01, BFHE 210, 455 = BStBl. II 2005, 873 Rn. 10. „Damit [Anm.: Mit § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG] wird eine Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tode eines Ehegatten erreicht.“ 116 So auch BR-Drs. 140/72, S. 63. 117 Vgl. G. Jochum, in: Götz / Meßbacher-Hönsch, ErbStG (Stand: 12/2020), § 10 Rn. 18 f. sowie R E 10.1 Abs. 1 ErbStR 2019. 115
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(2) Wirkungsweise: Rücknahme der zivilrechtlichen Fiktion der Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und Zugewinnanteil Insbesondere im älteren Schrifttum wurde die Fiktionslösung aufgrund der ihr inhärenten Abweichung von § 1371 Abs. 1 BGB kritisiert.118 Indem sie die rechnerische Ermittlung einer fiktiven Ausgleichsforderung erforderlich macht, werde der Zweck des pauschalen Erhöhungsviertels konterkariert, das eine Störung des Familienfriedens durch Streitigkeiten über die konkrete Höhe des Zugewinns eines jeden Ehegatten gerade vermeiden soll.119 Auch werde durch die Fiktionslösung dem Gedanken, mithilfe des Erhöhungsviertels zu einem vereinfachten Ausgleich des Zugewinns im Fall des Todes eines Ehegatten zu gelangen (Gedanke des vereinfachten Ausgleichs), entgegengewirkt. Die an der Fiktionslösung geübte Kritik scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar: Während das Zivilrecht auf eine konkrete Ermittlung der Zugewinne aus den genannten Gründen verzichtet, macht das Erbschaftsteuerrecht eine tatsächliche Zugewinnberechnung erforderlich. Bei Lichte betrachtet greift sie jedoch nicht durch, was sich aus mehreren Gründen ergibt. Zunächst muss man sich die Wirkungsweise der erbschaftsteuerlichen Fiktionslösung in ihrem Verhältnis zu dem pauschalen Erhöhungsviertel vor Augen führen. Hier ergibt sich eine rechtsdogmatisch interessante Konstellation: Das Erhöhungsviertel – von dem das Erbschaftsteuerrecht aus Gründen größerer Steuergerechtigkeit abweicht – ist nämlich seinerseits eine gesetzliche Fiktion, indem es zur Wahrung des Familienfriedens und Vereinfachung die Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und tatsächlichem Zugewinnanteil fingiert (erste Fiktion).120 Dies geht sogar so weit, dass es unbeachtlich ist, ob und welcher Ehegatte einen Zugewinn erzielt hat. § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG nimmt diese Fiktionswirkung des § 1371 Abs. 1 BGB nunmehr im Wege einer weiteren zweiten Fiktion zurück. Man kann dies auch so formulieren, dass § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG die Fiktion der Wertgleichheit in dem Sinne zurücknimmt, dass auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt abgestellt wird. Hierbei handelt es sich um eine zulässige „Fiktion“, die zu der Besteuerung des tatsächlichen (und nicht nur fingierten) Zugewinnausgleichs führt und damit insoweit auch keinen Rechtfertigungsbedarf auslöst.121 Dies gilt auch mit Blick darauf, dass den mit dem pauschalen Erhöhungsviertel verfolgten spezifischen Zwecken keine
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Vgl. B. Knobbe-Keuk, in: FS Bosch, S. 503. Zu den Zwecken von § 1371 Abs. 1 BGB siehe bereits oben Abschn. § 2 C. III. 2. d). 120 Zum Fiktionscharakter des Erhöhungsviertels vgl. BGH v. 13. 5. 2015 – IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 Rn. 29. 121 Demgegenüber bedürfen (nur) Vereinfachungszwecknormen (z. B. Pauschalierungen, Typisierungen) der Rechtfertigung, da sie durch die Fixierung einer „Durchschnittsnormalität“ Ungleichbehandlungen im Einzelfall bewirken können, siehe J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 23, 147. Bei der bis in das Jahr 1974 geltenden Rechtslage (Steuerfreiheit des Nachlassviertels) dürfte es sich um eine rechtfertigungsbedürftige Pauschalierung in diesem Sinne gehandelt haben. 119
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unmittelbare Bedeutung für die Erbschaftsteuer zukommt, sodass sie für diese Steuer auch nicht übernommen werden müssen.122 Wie gezeigt, liegen der Erbschaftsteuer eigenständige Prinzipien und Wertungen zugrunde, sodass auch die Tatbestände entsprechend eigenständig und aus sich heraus zu konzipieren und auszulegen sind.123 Die Wahrung des Familienfriedens und das Ziel eines vereinfachten Ausgleichs zwischen den Erben eines Erblassers stellen jedoch keine für die Erbschaftsteuer bedeutsamen Wertungen dar, zumal auch die Wirkungen des Erhöhungsviertels allein in dem (Privatrechts-)Verhältnis zwischen dem überlebenden Ehegatten und den übrigen Erben eintreten bzw. hierzu bestimmt sind. Sie besitzen keine Bedeutung für das Steuerschuldverhältnis zwischen dem überlebenden Ehegatten als Schuldner der Erbschaftsteuer und dem Steuergläubiger. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, wie aus einer gegenüber dem zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt erforderlichen Zugewinnberechnung Störungen des Familienfriedens hervorgehen könnten. Entsprechendes gilt für den mit dem Erhöhungsviertel verfolgten Vereinfachungszweck, der in dem Privatrechtsverhältnis nach wie vor realisiert wird. Zudem sei noch darauf hingewiesen, dass die rechnerische Ermittlung einer fiktiven Ausgleichsforderung nach R E 5.1 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2019 nur dann erforderlich ist, wenn abzusehen ist, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten (einschließlich etwaiger Vorschenkungen) die persönlichen Freibeträge aus §§ 16 und 17 ErbStG überschreiten wird. In allen anderen Fällen kann eine Berechnung unterbleiben. In der Mehrzahl der Fälle dürfte die Ermittlung eines fiktiven Zugewinnausgleichs somit gar nicht erforderlich werden. (3) Rechtsfolge: Rechnerische Ermittlung einer fiktiven Ausgleichsforderung Die Rechtsfolge des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG besteht darin, dass trotz erbrecht licher Abwicklung der Zugewinngemeinschaft eine – steuerfrei zu stellende – Ausgleichsforderung für Erbschaftsteuerzwecke fiktiv zu ermitteln ist. Der überlebende Ehegatte wird demnach erbschaftsteuerlich so behandelt, als hätte neben dem eigentlichen Erbanfall ein güterrechtlicher Zugewinnausgleich stattgefunden. Im Ergebnis liegt damit eine doppelte Fiktion vor: Die Zugewinngemeinschaft gilt unabhängig von dem zivilrechtlichen Ausgleichsweg als güterrechtlich abgewickelt und der Zugewinn als tatsächlich rechnerisch abgegolten. Die fiktive Ausgleichsforderung ist wegen des in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG enthaltenen Verweises auf § 1371 Abs. 2 BGB dabei grundsätzlich nach zivilrechtlichen Maßstäben zu ermitteln.124 Nach dieser Vorschrift kann der überlebende Ehegatte, wenn er nicht Erbe wird und 122 Eine ganz ähnliche Überlegung findet sich für den Bereich der Testamentsvollstreckervergütung in BFH v. 2. 2. 2005 – II R 18/03, BFHE 208, 441 = BStBl. II 2005, 489 Rn. 11. 123 Zur Eigenständigkeit des Erbschaftsteuerrechts siehe oben Abschn. § 2 A. II. 1. 124 BFH v. 5. 5. 2010 – II R 16/05, BFHE 230, 188 = BStBl. II 2010, 923 Rn. 58. Zu den einzelnen Ausnahmen siehe im Folgenden.
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ihm auch kein Vermächtnis zusteht, Ausgleich des Zugewinns nach den §§ 1373 bis 1383; 1390 BGB verlangen. Bei diesen über § 1371 Abs. 2 BGB (mittelbar) in Bezug genommenen Vorschriften handelt es sich um im weiten Umfang dispositives Recht, von dem die Ehegatten im Rahmen eines Ehevertrags abweichen können.125 Wie zu zeigen sein wird, muss diese bürgerlich-rechtliche Gestaltungsfreiheit grundsätzlich auch das Erbschaftsteuerrecht anerkennen. Die nachfolgenden Sätze 2 bis 6 des § 5 Abs. 1 ErbStG enthalten verschiedene Abweichungen von dem Grundsatz, dass die gedachte güterrechtliche Ausgleichsforderung nach zivilrechtlichen (ehevertraglich modifizierten) Maßstäben zu ermitteln ist. Somit wird auch die Höhe des fiktiven Zugewinnausgleichs abweichend von der Zivilrechtslage fingiert. Deren Kerninhalt besteht in der Anordnung der erbschaftsteuerlichen Unbeachtlichkeit abweichender ehevertraglicher Vereinbarungen sowie der verhältnismäßigen Begrenzung des steuerfreien Betrags. Dafür existieren verschiedene Gründe, auf die im Folgenden näher einzugehen sein wird. bb) Anordnung der generellen Unbeachtlichkeit ehevertraglicher Modifikationen zum Güterrecht (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG) (1) Sinn und Zweck Wie bereits dargelegt, wurde die Regelung des § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG im Zuge des Steuermissbrauchs- und Bekämpfungsgesetzes 1993 in das Erbschaftsteuergesetz aufgenommen, um „missbräuchliche Gestaltungen“ mit Eheverträgen einzudämmen, die der historische Steuergesetzgeber infolge von zwei Bundesfinanzhofurteilen126 befürchtete.127 So entschied der Bundesfinanzhof in den Jahren 1989 und 1993 übereinstimmend, dass auch das Erbschaftsteuerrecht die Gestaltungsfreiheit von Ehegatten anerkennen müsse und begründete dies systematisch damit, dass § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG mit der Verweisung auf § 1371 Abs. 2 BGB an die Ermittlung der Ausgleichsforderung nach bürgerlichem – modifizierbarem – Recht anknüpfe.128 Da weder der Tatbestands- noch Rechtsfolgenteil der Norm in der damaligen Fassung irgendeine Einschränkung enthielt, lehnte er eine Begrenzung des steuerfreien Betrags auf den durch keinerlei Vereinbarungen beeinflussten fiktiven Ausgleichsanspruch ab.129 Vor diesem Hintergrund ordnet § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG nunmehr konstitutiv an, dass bei der betragsmäßigen Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs von den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383; 1390 BGB abwei 125
Vgl. hierzu oben Abschn. § 2 C. I. Siehe BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897; v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739. 127 Vgl. BT-Drs. 12/5940, S. 17 sowie oben Abschn. § 5 C. III. 3. 128 BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897 Rn. 16; v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739 Rn. 11. 129 Vgl. BFH v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739 Rn. 11. 126
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chende güterrechtliche Vereinbarungen generell unberücksichtigt zu bleiben haben (Unbeachtlichkeitsregel). Das gilt unabhängig davon, ob sich diese freibetragserhöhend auswirken würden oder nicht. Damit bestimmt sich der fiktive Zugewinnausgleich grundsätzlich nach dem nicht modifizierten gesetzlichen Güterrecht.130 Mit Blick auf das (primäre) gesetzgeberische Ziel der Missbrauchsvermeidung stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Unbeachtlichkeitsregel des § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG auch eine spezialgesetzliche Missbrauchsnorm im technischen Sinne darstellt. Hierunter sind gemäß § 42 Abs. 1 S. 2 AO solche einzelsteuergesetzlichen Regelungen zu verstehen, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dienen. Die Frage ist deshalb bedeutsam, weil man Ehegatten bejahendenfalls eine Missbrauchsabsicht durch Abschluss eines (zivilrechtlich wirksamen) Ehevertrags typisiert und unwiderleglich unterstellen würde. Dies erschiene jedoch verfassungsrechtlich bedenklich, zumal Verträgen zwischen Ehegatten die steuerrechtliche Anerkennung nicht generell versagt werden darf.131 Vertragsbeziehungen zwischen Ehegatten dürfen – trotz des häufig fehlenden Interessengegensatzes – wegen der ehelichen Nähebeziehung nicht gegenüber fremden Dritten diskriminiert werden.132 Dies hat erst Recht für Eheverträge zu gelten, deren Abschluss und freie inhaltliche Ausgestaltung mit Art. 6 Abs. 1 GG zusätzlich grundrechtlich verbürgt ist. Sie müssen daher auch (erbschaft-)steuerlich grundsätzlich Anerkennung finden. An die Annahme missbräuchlicher Gestaltung durch Abschluss eines Ehevertrags sind vor diesem Hintergrund besonders hohe Anforderungen zu stellen. Für die Einordnung einer Norm als spezialgesetzliche Missbrauchsvorschrift nicht entscheidend ist zunächst die subjektive Vorstellung des historischen Gesetzgebers.133 Auf den in der Gesetzesbegründung zum Steuermissbrauchs- und Bekämpfungsgesetz 1993 zu findenden pauschalen Hinweis, § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG diene der Missbrauchsvermeidung, kommt es demnach nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass der Missbrauchsverhinderungszweck in der Norm zum Ausdruck kommt.134 Ist ein potentieller Missbrauch dagegen lediglich Anlass für eine generelle Regelung, so handelt es sich – ungeachtet des Umstands, dass die Vorschrift auch Missbrauchsfälle mit umfasst – nicht um eine spezielle Missbrauchsnorm.135 Die Unbeachtlichkeitsregel des § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG kann demnach meines Erachtens nicht der speziellen Missbrauchsgesetzgebung zugeordnet werden. Die zum Anknüpfungspunkt genommenen güterrechtlichen Vereinbarungen indizieren auch bei typisierender Betrachtung keine unangemessene Gestaltung, sondern 130
Eine Ausnahme hiervon gilt in Bezug auf die gesetzliche „Null-Vermutung“ in § 1377 Abs. 3 BGB, die nach der ausdrücklichen Regelung in § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG bei der Erbschaftsteuer keine Anwendung findet. Siehe hierzu nachfolgend unter cc). 131 Vgl. BFH v. 10. 10. 1997 – X B 59/97, BFH / N V 1998, 448; v. 12. 10. 1998 – X R 2/86, BFHE 155, 307 = BStBl. II 1989, 354. 132 J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 8 Rn. 163. 133 Ausdrücklich J. Hey, in: DStJG 33 (2010), S. 139 (143). 134 J. Hey, in: DStJG 33 (2010), S. 139 (144). 135 J. Hey, in: DStJG 33 (2010), S. 139 (144).
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(wohl) nur dann, wenn einem Ehegatten eine „überhöhte Ausgleichsforderung“ verschafft werden soll und dabei der Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung überschritten wird (bspw. durch Vereinbarung eines noch vor dem Zeitpunkt der Eheschließung liegenden Anfangsvermögens).136 Eben jener Aspekt findet jedoch in der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG keinen Niederschlag. Die Unbeachtlichkeitsregel erfasst nicht lediglich solche Fälle, in denen zur Vermeidung von Erbschaftsteuer die Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag dergestalt modifiziert wird, dass man zu einer gegenüber dem gesetzlichen Modell (missbräuchlich) überhöhten Ausgleichsforderung gelangt. Vielmehr wurde eine ergänzende Regelung geschaffen, nach der sich güterrechtliche Vereinbarungen generell nicht auf die Höhe des fiktiven Zugewinnausgleichs auswirken sollen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG kann demnach auch zu Gunsten des überlebenden Ehegatten wirken, wie im Folgenden noch zu zeigen ist. Die Unbeachtlichkeitsregel in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG ist demnach nicht auf die Erfassung von Umgehungsgestaltungen durch Eheverträge gerichtet, sondern dient im Zusammenhang mit der Grundregel des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG der Umschreibung des fiktiven Zugewinnausgleichs. Zu diesem Zweck setzt sie sich über die gewählte individuell-rechtliche Einkleidung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft hinweg. Den erbschaftsteuerrechtlichen Maßstab bildet in typisierender Weise die güterrechtliche Ausgestaltung der Ehe in den §§ 1373 ff. BGB. Diese hat der Erbschaftsteuergesetzgeber zur Grundlage für die Ermittlung des steuerfreien Betrags bestimmt.137 (2) Wirkungsweise Die Wirkung der Unbeachtlichkeitsregel besteht darin, dass sich der fiktive Zugewinnausgleich ungeachtet etwaiger güterrechtlicher Vereinbarungen nur nach den gesetzlichen Bestimmungen errechnet. Dies kann sich für den überlebenden Ehegatten erbschaftsteuerlich ungünstig auswirken, wenn die ehevertragliche Modifikation in einer Ausweitung der güterrechtlichen Teilhabe gegenüber dem gesetzlichen Modell bestand: Beispiel: Das Ehepaar A und B vereinbart in einem notariellen Ehevertrag, dass A bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft einen prozentualen Anteil von 70 % an dem Zugewinnüberschuss erhalten soll. B verstirbt ohne Testament und wird von A sowie dem gemeinsamen Kind gesetzlich beerbt. Der Zugewinn (= Nachlass) von B beträgt 1 Mio. €, wohingegen A einen Zugewinn von 200.000 € erwirtschaftet hat. 136
Zu der Grenze der „überhöhten Ausgleichsforderung“ siehe unten unter Abschn. § 5 C. IV. 2. e) bb). 137 P. Kirchhof spricht in allgemeinerem Kontext von einer „normbestimmenden Normalität“, vgl. ders. in: DStJG 33 (2010), S. 9 (19).
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Lösung: Nimmt A die Erbschaft an bzw. schlägt sie nicht aus,138 wirkt sich die güterrechtliche Vereinbarung über die erhöhte Ausgleichsquote (auch) zivilrechtlich nicht aus. Denn der Zugewinn wird in diesem Fall gemäß § 1371 Abs. 1 BGB durch das Erhöhungsviertel pauschal verwirklicht; auf die Ausgleichsquote kommt es somit nicht an. Aber auch erbschaftsteuerlich ist die Vereinbarung wegen § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG ohne Relevanz: Hiernach ist der Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG die gesetzliche Halbteilungsquote aus § 1378 Abs. 1 BGB zwingend zugrunde zu legen. Der steuerpflichtige Erwerb von A beträgt nach Abzug des fiktiven hälftigen Zugewinnausgleichs noch 100.000 €. Die Unbeachtlichkeitsregel des § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG gilt nach ihrem objektiven Wortlaut jedoch auch für solche güterrechtlichen Vereinbarungen, die im Fall ihrer Anwendbarkeit zu einem gegenüber dem gesetzlichen Modell geringeren fiktiven Zugewinnausgleich – und damit höheren steuerpflichtigen Erwerb – führen würden. Hierunter fallen vor allem solche praxisrelevanten Fälle, in denen Ehegatten bestimmte (illiquide) Vermögensgegenstände aus dem Zugewinnausgleich ehevertraglich ausgenommen haben (bspw. unternehmerisch gebundenes Vermögen, Grundvermögen).139 Denkbar ist auch, dass die Ehegatten das pauschale Erhöhungsviertel unter den Betrag von einem Viertel der Erbschaft mindern.140 Hier wirkt sich die Unbeachtlichkeitsregel für den überlebenden Ehegatten steuergünstig aus: Beispiel: B ist selbständiger Unternehmer. Im Verlauf der Ehe mit A entwickelt sich sein Unternehmen von einem kleinen mittelständischen Betrieb zu einem Großunternehmen. Um den Bestand des betrieblichen Vermögens zu schützen, vereinbaren die Ehegatten in einem notariellen Ehevertrag, dass „für jeden Fall der Beendigung des Güterstands das gesamte betrieblich gebundene Vermögen“ von B nicht dem Zugewinnausgleich unterfällt. B verstirbt ohne Testament und wird von A alleine beerbt. Der Wert des gesamten Nachlasses beträgt 10 Mio. €, wovon ein Betrag 8 Mio. € auf das betriebliche Vermögen entfällt. Der gedachte Zugewinnausgleichsanspruch beträgt auf der Grundlage des Ehevertrags 1 Mio. €. Ohne die ehevertragliche Vereinbarung betrüge der fiktive Zugewinnausgleich 5 Mio. €. 138
Wirtschaftlich günstiger stünde A, wenn er in dem Beispielsfall die Erbschaft ausschlagen und neben dem kleinen Pflichtteil in Höhe von einem Achtel des Nachlasses den güterrecht lichen Zugewinnausgleich geltend machen würde. In diesem Fall käme auch die güterrechtliche Vereinbarung und damit die vereinbarte Ausgleichsquote von 70 % des Zugewinnüberschusses zur Anwendung. Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob sich auch die dann zur Anwendung gelangende Regelung des § 5 Abs. 2 ErbStG auf die vertraglich erhöhte Ausgleichsquote bezieht. Siehe hierzu unten Abschn. § 5 C. IV. 2. e). 139 Zur modifizierten Zugewinngemeinschaft siehe oben Abschn. § 2 C. II. 3. 140 Vgl. J. Gernhuber / D. Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 31 Rn. 24–26, 28 und § 36 Rn. 21; a. A. dagegen B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2018), § 1371 Rn. 133.
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Lösung: Bis zu der Gesetzesänderung im Jahr 1993 betrug der fiktive Zugewinnausgleich in dem gebildeten Beispielsfall gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG 1 Mio. €. Aufgrund des uneingeschränkten Verweises auf § 1371 Abs. 2 BGB war die gedachte Ausgleichsforderung ausschließlich nach zivilrechtlichen Maßstäben zu ermitteln, welche die Ehegatten im Rahmen der Ehevertragsfreiheit weitgehend modifizieren konnten (und können). Die vertragliche Herausnahme des unternehmerischen Vermögens mit der Folge eines reduzierten Zugewinnausgleichs war demnach auch für die Erbschaftsteuer verbindlich. Dies wirkte sich steuerlich ungünstig für den überlebenden Ehegatten aus. Aufgrund der Unbeachtlichkeitsregel errechnet sich der fiktive Zugewinnausgleich nunmehr ausschließlich nach den gesetzlichen Ausgleichsregeln der §§ 1373 ff. BGB. Somit gilt auch ein unmodifizierter Endvermögensbegriff. Zu dem Endvermögen eines Ehegatten im Sinne von § 1375 BGB gehört demnach sämtliches Vermögen, das ihm nach Abzug von Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstands gehört. Hierunter fällt auch das unternehmerische Vermögen. Dieses ist wegen der Unbeachtlichkeitsregel in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG in die betragsmäßige Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs für Erbschaftsteuerzwecke einzubeziehen, sodass der steuerfreie Betrag 5 Mio. € beträgt. Bereits an dieser Stelle sei kurz darauf hingewiesen, dass in dem obigen Beispielsfall auch eine Steuerbefreiung für Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG in Betracht kommt. Für entsprechende Erbfälle, für die die Steuer nach dem 28. 12. 2020 entsteht, ist die neue Begrenzungsregelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG zusätzlich zu beachten, die den fiktiven Zugewinnausgleich im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens des Erblassers begrenzt. Hierauf wird zurückzukommen sein.
(3) Zusammenfassung und Stellungnahme Die Unbeachtlichkeitsregel bezweckt die Konkretisierung und Ausdifferenzierung des fiktiven Zugewinnausgleichs aus § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG, indem die gesetzliche Zugewinngemeinschaft als Güterstand ökonomisch gleichwertiger Beitragsleistungen zum typisierenden Maßstab für die betragsmäßige Ermittlung bestimmt wird. Bei der Unbeachtlichkeitsregel handelt es sich trotz des entstehungsgeschichtlichen Hintergrunds nicht um eine spezialgesetzliche Missbrauchsnorm. Auch wenn § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG einen Verstoß gegen den Grundsatz der Ehevertragsfreiheit nicht erkennen lässt, kann die Unbeachtlichkeitsregel nicht ohne Kritik bleiben. Wie gezeigt, hat sich der Gesetzgeber bei der Einführung der Vorschrift von der Vorstellung leiten lassen, dass Eheverträge erbschaftsteuerliches Missbrauchspotential bergen, dem er mit der Unbeachtlichkeitsregel begegnen wollte. Dies mag in bestimmten Fällen zutreffend sein. In der sozialen Wirklichkeit
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finden sich demgegenüber heute verschiedene „Ehetypen“141 (bspw. Doppelverdiener-Ehe, Unternehmerehe) wieder, die eine Anpassung der auf die sogenannte Alleinverdienerehe142 zugeschnittenen gesetzlichen Zugewinngemeinschaft erforderlich machen. Eheverträge dienen damit im Wesentlichen dazu, etwaige Disparitäten zwischen dem gesetzlichen Güterstand und der gelebten Ehe zu beseitigen. Die Ehevertragsfreiheit ist damit notwendiges Korrektiv zwischen dem Anspruch der Zugewinngemeinschaft auf typisierte Sachgerechtigkeit und der ökonomischen Realität in der konkreten Ehe. Dabei befindet sich der Zugewinnausgleich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außerhalb des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts, sodass er umfangreich modifiziert werden kann. Diese Rechtsprechung ist grundsätzlich auch für die Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG maßgebend.143 Diese Entwicklung hat das Erbschaftsteuerrecht bislang nicht zur Kenntnis genommen.144 Mit der Unbeachtlichkeitsregel zementiert es vielmehr die Zugewinngemeinschaft in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und hat damit weiterhin die Alleinverdienerehe als Regelmodell vor Augen. Sie trifft damit all die Ehen nicht, deren ökonomische Realität sich von diesem Maßstab entfernt hat. Dies ist rechtspolitisch wenig überzeugend. Die Unbeachtlichkeitsregel ist meines Erachtens jedoch (noch) von der Typisierungsbefugnis des Steuergesetzgebers gedeckt. Denn mit der in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG verankerten Vorstellung von der Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner mit ökonomisch gleichwertigen Beitragsleistungen existiert jedenfalls ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Typisierung. cc) Keine Null-Vermutung bei fehlendem Anfangsverzeichnis (§ 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG) Eine punktuelle Abweichung von dem zuvor dargestellten Grundsatz, dass sich der fiktive Zugewinnausgleich nach dem nicht modifizierten gesetzlichen Güterrecht errechnet, enthält die Sonderregelung des § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG. Hiernach bleibt die gesetzliche Null-Vermutung aus § 1377 Abs. 3 BGB bei der betragsmäßigen Ermittlung der gedachten güterrechtlichen Ausgleichsforderung unberücksichtigt. Nach dieser Vorschrift wird widerleglich vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten auch seinen Zugewinn darstellt, soweit die Ehegatten kein 141
Siehe oben Abschn. § 2 C. I. und S. 46, Fn. 52. Zur Alleinverdienerehe als gesetzgeberisches Leitbild der Zugewinngemeinschaft siehe oben Abschn. § 2 C. I. 143 Vgl. BFH v. 27. 6. 2007 – II R 39/05, BFHE 217, 248 = BStBl. II 2007, 783 Rn. 14 zur erbschaftsteuerrechtlichen Beachtlichkeit der Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des Zugewinnanspruchs. 144 Zu einer etwaigen Pflicht des Steuergesetzgebers, (Rechtsprechungs-)Entwicklungen im Bereich des Zivilrechts zur Kenntnis zu nehmen siehe G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 327 ff. 142
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Verzeichnis über das Anfangsvermögen gemeinsam aufgenommen haben. Hierbei handelt es sich um den „absoluten Regelfall“145. Die Null-Vermutung kann in einem Zivilprozess durch den (beweispflichtigen) Ehegatten oder seine Erben mit allen gesetzlichen Beweismitteln widerlegt werden.146 In Betracht kommt insbesondere auch eine Vernehmung des Ehegatten, der eine Ausgleichsforderung geltend macht (vgl. §§ 292 S. 2; 445 ZPO).147 Die Nichtgeltung der güterrechtlichen Null-Vermutung im Erbschaftsteuerrecht erklärt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung in § 5 Abs. 1 ErbStG, die den Zugewinnausgleich unbesteuert belässt, weil der überlebende Ehegatte mit dazu beigetragen hat, dass der Erblasser überhaupt einen Zugewinn erwirtschaftet hat. Zu diesem Zweck will § 5 Abs. 1 ErbStG den Zugewinn in der zutreffenden Höhe freilassen. Das wird – wie bereits herausgestellt – besonders dadurch deutlich, dass entgegen dem Erbschaftsteuergesetz von 1959 nicht mehr ein pauschaler Betrag in Höhe des Nachlassviertels steuerfrei bleibt, sondern die nach § 1371 Abs. 2 BGB zu berechnende fiktive Ausgleichsforderung. Wenn es aber auf die rechnerisch zutreffende Ausgleichsforderung ankommt, dann muss es dem Erbschaftsteuerfinanzamt auch möglich sein, die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB zu widerlegen.148 Dies regelt § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG seit dem Jahr 1993 ausdrücklich. Das gilt zudem umso mehr, als im Besteuerungsverfahren (und finanzgerichtlichen Verfahren) der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) – und nicht der Beibringungsgrundsatz – gilt, wonach es Sache des Finanzamts bzw. des Finanzgerichts ist, den fiktiven Zugewinnausgleich zu berechnen.149 Der Steuerpflichtige ist dabei zur Mitwirkung verpflichtet (§ 90 AO, § 76 FGO). Dem entspricht es im Zivilprozess, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte als Partei nach § 445 ZPO vernommen werden kann.150 Das Finanzamt (Finanzgericht) hat demnach das Recht und – mit Blick auf einen gleichmäßigen Gesetzesvollzug – sogar die Pflicht, das richtige Anfangsvermögen zu ermitteln und in diesem Zusammenhang die Null-Vermutung zu widerlegen.151 Dass das Anfangsvermögen für Besteuerungszwecke im Zweifel nicht mit Null angesetzt werden darf, heißt nicht, dass dieses – nach vorheriger Ermittlung durch das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt – nicht mit Null angesetzt werden kann. Ein Wertansatz mit 0 € kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der erwerbende Ehegatte hierzu (glaubhaft) vorträgt und dieser Vortrag aufgrund des Alters der Ehegatten an dem maßgeblichen Stichtag des Eintritts der Zugewinngemeinschaft auch realistisch erscheint. Zur Plausibilität des Wertansatzes mit 0 € kann
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So E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), § 1377 Rn. 22. E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), § 1377 Rn. 23. 147 So ausdrücklich BFH v. 8. 2. 1984 – II R 164/83, BFHE 140, 472 = BStBl. II 1984, 438 Rn. 10. 148 FG Münster v. 1. 7. 1980 – III 4414/79 Erb-A, EFG 1981, 97 Rn. 15. 149 BFH v. 8. 2. 1984 – II R 164/83, BFHE 140, 472 = BStBl. II 1984, 438 Rn. 11. 150 BFH v. 8. 2. 1984 – II R 164/83, BFHE 140, 472 = BStBl. II 1984, 438 Rn. 11. 151 BFH v. 8. 2. 1984 – II R 164/83, BFHE 140, 472 = BStBl. II 1984, 438 Rn. 12. 146
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dabei auch das Verhältnis des Endvermögens zu dem Anfangsvermögen im Hinblick auf die Ehedauer und die währenddessen erzielten Einkünfte herangezogen werden. dd) Keine Rückwirkung von Eheverträgen (§ 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG) (1) Sinn und Zweck Ehegatten steht es im Rahmen der Ehevertragsfreiheit bekanntlich152 frei, die Zugewinngemeinschaft rückwirkend – z. B. auf den Zeitpunkt ihrer Eheschließung – zu vereinbaren (rückwirkende Zugewinngemeinschaft), sodass die Zugewinnberechnung auch den Zeitraum umfasst, für den die Zugewinngemeinschaft nur durch die vertragliche Rückdatierung entstanden ist. Dies hat in der Regel ein größeres Ausgleichsvolumen zur Folge. Wegen der dadurch drohenden „Missbrauchsgefahr“ sowie aus steuerpolitischen Gründen hat der Gesetzgeber für diese Fälle eine Sonderregelung (ebenfalls im Zuge des Steuermissbrauch- und Bekämpfungsgesetzes 1993) geschaffen: Nach § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG gilt bei der betragsmäßigen Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs als Zeitpunkt des Eintritts der Zugewinngemeinschaft (§ 1374 BGB) zwingend der Tag des Vertragsabschlusses. Dies hat wiederum zur Folge, dass die gedachte Ausgleichsforderung nur für die tatsäch liche Dauer der Zugewinngemeinschaft zu ermitteln ist.153 In einem Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass derjenige Teil der (fiktiven) Zugewinnausgleichsforderung, der auf einer von dem dispositiven Güterrecht abweichenden ehevertraglichen Vereinbarung der Ehegatten beruht, den normalen Besteuerungsregeln unterliegt. Durch diese Regelung soll somit verhindert werden, dass die Wirkungen einer ehevertraglichen Vereinbarung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft auch erbschaftsteuerrechtlich auf Zeiträume vor dem Vertragsabschluss zurückbezogen werden können.154 Damit sichert sie das im Steuerrecht in zahlreichen Einzelausprägungen – wenn auch nicht ganz lückenlos – verwirklichte Prinzip, wonach zivilrechtliche Vereinbarungen, die in die Vergangenheit rückwirken, der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden sollen.155 Bei Erwerben von einem Ehegatten soll demnach nicht danach differenziert werden, ob die Ehegatten vor der Verwirklichung des Steuertatbestands eine Vereinbarung getroffen haben, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eine steuerrechtliche Neubewertung von Vorgängen der Vergangenheit bewirken kann.156 Dieses Prinzip gilt jedoch selbst innerhalb 152 Siehe oben zur Ehevertragsfreiheit im Allgemeinen und der rückwirkenden Begründung der Zugewinngemeinschaft aus zivilrechtlicher Sicht oben Abschn. § 2 C. I. und II. 3. 153 R E 5.1 Abs. 2 S. 1 ErbStR 2019. 154 BFH v. 13. 4. 2005 – II R 46/03, BFH / N V 2005, 1814 Rn. 26. 155 Siehe schon BT-Drs. 12/5940, S. 17 sowie BFH v. 13. 4. 2005 – II R 46/03, BFH / N V 2005, 1814 Rn. 27. 156 BFH v. 13. 4. 2005 – II R 46/03, BFH / N V 2005, 1814 Rn. 26.
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des Anwendungsbereichs des § 5 ErbStG nicht uneingeschränkt: Ausweislich der systematischen Stellung des Satzes 4 nur in Absatz 1 des § 5 ErbStG betrifft die Anordnung der Nichtberücksichtigung rückwirkender Eheverträge nicht die Fälle der güterrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft. Vielmehr ist es so, dass rückwirkende Eheverträge erbschaftsteuerrechtlich Berücksichtigung finden, wenn die Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet oder der Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 2 ErbStG).157 Der Grund dafür dürfte in den Eigenarten des fiktiven Zugewinnausgleichs begründet liegen. Denn wie gezeigt, spielt bei den von § 5 Abs. 1 ErbStG erfassten Fällen die Zugewinnausgleichsforderung zivilrechtlich keine Rolle, sodass sich auch die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft zivilrechtlich gar nicht auswirkt.158 Die einzige Wirkung der Rückdatierung bestünde vor diesem Hintergrund darin, ohne Veränderung der zivilrechtlichen Lage lediglich auf die betragsmäßige Ermittlung des steuerfreien Betrags einzuwirken.159 Die Ehegatten sollen jedoch nicht losgelöst von dem Zivilrecht über den Umfang des steuerfreien Betrags disponieren können.160 Etwas anderes hat demgegenüber für solche Vereinbarungen zu gelten, die für den Fall der güterrecht lichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft getroffen werden. Denn diese modifizieren die (güterrechtliche) Ausgleichsforderung auch aus zivilrechtlicher Sicht. Dies ergibt sich zudem aus dem Grundsatz der Ehevertragsfreiheit, der auch durch das Erbschaftsteuerrecht anzuerkennen ist. Bei rückwirkenden Eheverträgen tritt dieser mit dem obigen Prinzip, wonach zivilrechtlich rückwirkende Vereinbarungen steuerrechtlich grundsätzlich keine Rückwirkung entfalten sollen, allerdings in Konflikt. Auf die durch den Gesetzgeber getroffene (Konkordanz-) Entscheidung wird zurückzukommen sein. (2) Wirkungsweise Die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG ist – in Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –161 ebenfalls eine Fiktion („gilt“), weil es zu einer Abweichung von dem ehevertraglich verbindlich festgelegten Anfangsvermögen kommt. An die Stelle der rückdatierten Zugewinngemeinschaft setzt sie den Tag des Vertragsabschlusses als Zeitpunkt für deren Eintritt. Der Tag des Vertragsabschlusses markiert damit den erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Stichtag für die Ermittlung des Anfangsvermögens im Sinne von § 1374 BGB. Dies bedeutet im Weiteren, dass ein Ausgleich des zwischen dem Zeitpunkt, auf den der von den Ehegatten
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Siehe dazu unten Abschn. § 5 C. IV. 2. Vgl. BFH v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 23. 159 FG Düsseldorf v. 18. 1. 1989 – 4 K 412//83 Erb, EFG 1989, 581 Rn. 23. 160 FG Düsseldorf v. 18. 1. 1989 – 4 K 412//83 Erb, EFG 1989, 581 Rn. 23. 161 Vgl. zu dem Anlass für die Einführung des § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG oben Abschn. § 5 C. III. 3. 158
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vertraglich bestimmte Eintritt der Zugewinngemeinschaft erfolgt, und dem Tag des Vertragsabschlusses eingetretenen Zugewinns nicht steuerneutral möglich ist. Beispiel: A war seit dem Jahr 1961 mit Erblasser E verheiratet. Beide verfügten zu diesem Zeitpunkt über kein nennenswertes Vermögen. Die Ehegatten vereinbarten durch notariellen Ehevertrag aus demselben Jahr, dass unter Ausschluss des gesetzlichen Güterstands für ihre Ehe vollständige Gütertrennung gelten soll. Durch notariellen Vertrag hoben sie in dem Jahr 1981 diesen Güterstand wieder auf und stellten die Zugewinngemeinschaft her, und zwar „bereits von dem Tag der Eheschließung an, spätestens jedoch mit sofortiger Wirkung“. Zum Zeitpunkt dieses Vertragsabschlusses verfügte E über ein Vermögen von 5 Mio. €, während A kein Vermögen hatte. E verstirbt in dem Jahr 2021 und wird von A alleine beerbt. Der Nachlass (= Endvermögen) beläuft sich auf insgesamt 15 Mio. €. Das Endvermögen von A beträgt 0 €. Lösung: Bis zu der Gesetzesänderung in dem Jahr 1993 war von dem Erwerb des A durch Erbanfall eine fiktive Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG in einem Umfang von 7,5 Mio. € abzugsfähig. Denn A hätte, worauf § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG – nach wie vor – abstellt, einen entsprechenden Betrag als Ausgleichsforderung gemäß § 1371 Abs. 2 BGB geltend machen können, weil er und E durch den Ehevertrag 1981 in zivilrechtlich zulässiger Weise mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Eheschließung den Güterstand der Gütertrennung aufgehoben und den der Zugewinngemeinschaft mit der Folge vereinbart haben, dass sich der jeweilige Zugewinn der Ehegatten nach ihren Anfangsvermögen zu diesem Zeitpunkt gerichtet hätte. Da sich die Rückdatierung in dem gebildeten Beispielsfall wegen der erbrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft zivilrechtlich jedoch gar nicht auswirkt, ordnet die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG deren erbschaftsteuerrechtliche Unbeachtlichkeit an. Das Anfangsvermögen für die betragsmäßige Ermittlung des fiktiven Zugewinnausgleichs bildet demnach das Vermögen, das den Ehegatten in dem Moment des Vertragsabschlusses gehörte. Die fiktive Ausgleichsforderung von A beläuft sich demnach (nur) auf einen Betrag von 5 Mio. €. Der zwischen dem Zeitpunkt der Eheschließung (1961) und dem Vertragsabschluss (1981) eingetretene Zugewinn des E in Höhe von 5 Mio. € wird nicht in die Berechnung miteinbezogen und kann somit auch nicht steuerneutral ausgeglichen werden. Er unterliegt vielmehr den normalen Besteuerungsregeln.
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(3) Kein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Ehe Im Hinblick darauf, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG der Rückwirkung von Eheverträgen die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung versagt, stellt sich die Frage, ob hierin ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Ehegestaltungsfreiheit liegt. Diese Rechtsfrage dürfte aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als geklärt gelten. So hat der II. Senat in zwei Urteilen aus den Jahren 2005162 und 2006163 einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG abgelehnt, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum einen lässt § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG die rechtliche Wirksamkeit von den §§ 1374 ff. BGB abweichenden Vereinbarungen an sich unberührt, sodass entsprechende Gestaltungen weiterhin möglich bleiben.164 Zum anderen werden rückwirkende Eheverträge erbschaftsteuerrechtlich berücksichtigt, wenn die Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet oder der Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 2 ErbStG).165 Ehegatten hätten vor diesem Hintergrund verschiedene Möglichkeiten, den güterrechtlichen Zugewinnausgleich auch im Erbfall durchzuführen und so die Steuerfreiheit auch für die von den Regelungen der §§ 1374 ff. BGB abweichenden Vereinbarungen – einschließlich der abweichenden (rückwirkenden) Bestimmung des Anfangsvermögens – zu erreichen (Ausweichoption).166 Gemeint ist damit vor allem das Instrument der Erb- oder Vermächtnisausschlagung. Die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs ist meines Erachtens zutreffend. § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG trifft eine ergänzende Regelung zu der in Satz 1 enthaltenen gesetzgeberischen Grundentscheidung, wonach der fiktive Zugewinnausgleich generell unabhängig von dem Inhalt der im Einzelfall zwischen den Ehegatten getroffenen Vereinbarungen typisierend und in Anwendung der allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Familienrechts berechnet werden soll. Die Nichtberücksichtigung rückwirkender Eheverträge bei dem fiktiven Zugewinnausgleich dürfte dabei noch von der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis gedeckt sein. Dies gilt im Wesentlichen auch wegen der von dem Bundesfinanzhof in den Blick genommenen „Ausweichoption“ gegenüber § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG.167 Auf den ersten Blick mutet es zwar befremdlich an, wenn der Bundesfinanzhof die potentielle Verfassungswidrigkeit der Vorschrift mit der Begründung ablehnt, der überlebende Ehegatten könne deren Anwendung durch entsprechende erbrechtliche Gestaltungen vermei-
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BFH v. 13. 4. 2005 – II R 46/03, BFH / N V 2005, 1814. BFH v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948. 164 BFH v. 13. 4. 2005 – II R 46/03, BFH / N V 2005, 1814 Rn. 25; v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 22. 165 BFH v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 26. 166 BFH v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 26. 167 Bei der „Ausweichoption“ handelt es sich um ein Argumentationsmuster, das der Bundesfinanzhof häufiger in seiner Rechtsprechung heranzieht, insbesondere zur Einbeziehung gesellschaftsrechtlicher (Ausweich-)Gestaltungsmöglichkeiten in die verfassungsrechtliche 163
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den. Denn die Verfassungswidrigkeit einer Norm kann nicht davon abhängen, ob der Steuerpflichtige ihr in irgendeiner Weise ausweichen kann. Allerdings dürfte bereits das Bestehen der Ausweichmöglichkeit als solche wesentlich dazu beitragen, dass die in Frage stehende Regelung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG schon nicht verfassungswidrig ist, weil sie – eben wegen der Ausweichmöglichkeit – keine übermäßige Belastung für den betroffenen überlebenden Ehegatten entfaltet.168 ee) Begrenzung auf das Steuerwertniveau des Endvermögens (§ 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG) Aus der in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG enthaltenen Verweisung auf § 1371 Abs. 2 BGB folgt des Weiteren, dass auch der Wert der fiktiven Ausgleichsforderung in einer ersten Stufe nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln ist. Dabei ist anerkannt, dass für die Bewertung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB der objektive Verkehrswert (gemeiner Wert) maßgebend ist. Ziel der zivilrecht lichen Wertermittlung ist es deshalb, die Vermögensgegenstände mit ihrem „vollen wirklichen Wert“169 anzusetzen. Die Auswahl und Anwendung der Bewertungsmethode erfolgt hierbei sachverhaltsspezifisch und ist im einzelnen Fall dem Tatrichter überlassen. Die Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG basiert damit zunächst einmal auf anderen Bewertungsregeln, als sie für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach dem Erbschaftsteuergesetz vorgeschrieben sind. Denn die Bereicherung eines Erwerbers ist nach den in § 12 ErbStG enthaltenen allgemeinen und besonderen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes zu ermitteln.170 Die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung kann dabei zu Steuerwerten führen, die niedriger (oder höher)171 sind als die in die Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung eingehenden zivilrechtlichen Werte des Beurteilung von Steuervorschriften, siehe z. B. BFH v. 10. 11. 1983 – IV R 86/80, BFHE 140, 44 = BStBl. II 1984, 152 Rn. 20; v. 10. 8. 1994 – I R 133/93, BFHE 175, 357 = BStBl. II 1995, 171 Rn. 13; v. 13. 11. 1997 – IV R 67/96, BFHE 184, 512 = BStBl. II 1998, 254 Rn. 23 f.; v. 19. 2. 1992 – IV R 11/97, BFHE 186, 37 = BStBl. II 1998, 603 Rn. 17; v. 29. 11. 2001 – IV R 91/99, BFHE 197, 400 = BStBl. II 2002, 221 Rn. 35. 168 Vgl. die ähnliche Argumentation in Bezug auf die Gewerbesteuer in BVerfG v. 15. 1. 2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 Rn. 132 ff. 169 Vgl. BGH v. 6. 11. 2013 – XII ZB 434/12, NJW 2014, 294 Rn. 34; v. 8. 11. 2017 – XII ZR 108/16, NJW 2018, 93 Rn. 15; E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), § 1376 Rn. 10; B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1376 Rn. 10. 170 R E 12. S. 1 ErbStR 2019. 171 Für den umgekehrten Fall, dass der Steuerwert des Endvermögens des Erblassers höher ist als dessen zivilrechtlicher Wert, trifft § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG ausweislich seines Wortlauts („(…) mit einem höheren Wert (…) angesetzt“) keine Regelung. Sie ist vielmehr als reine Kürzungsvorschrift bei steuerlicher Unterbewertung des Endvermögens zu verstehen, vgl. P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 246; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 59.
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Endvermögens. Das ist seit einer Rechtsänderung in dem Jahr 2008172 allerdings nicht mehr der Regelfall, da der gemeine Wert – entsprechend einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts –173 zum maßgeblichen Bewertungsziel auch der Erbschaftsteuer erklärt wurde.174 In den Fällen, in denen es dennoch zu Abweichungen kommt, ordnet § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG die verhältnismäßige Umrechnung der fiktiven Ausgleichsforderung auf das Steuerwertniveau des Endvermögens an.175 Hiernach gilt, soweit das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags mit einem höheren Wert als dem nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen maßgebenden Wert angesetzt worden ist, höchstens der dem Steuerwert des Endvermögens entsprechende Betrag nicht als Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG. Ziel dieser Begrenzung ist es, von der Wertermittlung her vergleichbare Rechen- bzw. Wertgrößen miteinander in Beziehung zu setzen.176 Zu diesem Zweck werden der Steuerwert des Endvermögens und der diesem nach außersteuerlichen Bewertungsmaßstäben zuzumessende (Verkehrs-) Wert zueinander ins Verhältnis gesetzt, um diesem Verhältnis entsprechend dann den fiktiven Zugewinnausgleich zu bestimmen und zu kürzen.177 ff) Minderung um den Wert von steuerbefreitem Vermögen (§ 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG) Bei solchen Erwerben, für die die Erbschaftsteuer nach dem 28. 12. 2020 entsteht,178 ist schließlich die in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG neu getroffene Regelung bei der betragsmäßigen Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung zusätzlich zu beachten.179 Sie betrifft den Fall, dass bei der Ermittlung der Bereicherung des 172
Erbschaftsteuerreformgesetz v. 24. 12. 2008, BGBl. I 2008, 3018. Das BVerfG erklärte mit Beschluss v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen für verfassungswidrig, weil die Ermittlung des Werts wesentlicher Gruppe von Vermögensgegenständen den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht genügte. Wegen der dem Erbschaftsteuerrecht zugrunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern, müsse die Bewertung des anfallenden Vermögens einheitlich am gemeinen Wert ausgerichtet sein. Die Bewertungsmethoden müssten daher gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. 174 Vgl. P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 246; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 58 sowie BFH v. 5. 7. 2018 – II B 122/17, BFHE 262, 163 = BStBl. II 2018, 660 Rn. 19. 175 Zu den Einzelheiten siehe P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 243 ff.; F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 5 Rn. 32 ff.; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 57 ff. 176 Vgl. BFH v. 10. 3. 1993 – II R 87/91, BFHE 171, 321 = BStBl. II 1993, 510 Rn. 10. 177 BFH v. 10. 3. 1993 – II R 87/91, BFHE 171, 321 = BStBl. II 1993, 510 Rn. 12. 178 Zum zeitlichen Anwendungsbereich siehe § 37 Abs. 18 ErbStG. 179 Zur Gesetzgebungsgeschichte und auch der (rechnerischen) Wirkungsweise des § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG siehe oben Abschn. § 5 C. III. 5. 173
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überlebenden Ehegatten bereits Steuerbefreiungen berücksichtigt worden sind, weil sich in dem Endvermögen des Erblassers von der Erbschaftsteuer befreites Vermögen befindet. Obwohl § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG eine Auflistung der in Betracht kommenden Steuerbefreiungstatbestände nicht enthält, dürften nur sachliche Befreiungsvorschriften180 die besondere Folge des § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG auslösen. Denn eine Minderung des Werts des Endvermögens um den „Wert des steuerbefreiten Vermögens“ kommt nur bei Vorhandensein begünstigungsfähiger Vermögensgegenstände in Betracht. Praktische Bedeutung dürfte § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG damit vor allem bei dem Erwerb von Hausrat (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG), dem Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG), von steuerentlastetem Unternehmensvermögen (§§ 13a–13c ErbStG) sowie von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken (§ 13d ErbStG) erhalten. Persönliche Steuerbefreiungen – namentlich §§ 16; 17 ErbStG – sind dagegen ohne Bedeutung. Hintergrund für die Einführung der Regelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG war der Endvermögensbegriff, der aufgrund der in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG mittelbar enthaltenen Verweisung auf § 1375 BGB ebenfalls im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen ist. Da die zivilrechtliche Feststellung des Endvermögens naturgemäß ohne Rücksicht darauf erfolgt, ob für zum Endvermögen gehörende Vermögensgegenstände – zu dem typischerweise auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört – Steuerbefreiungen gewährt werden, kann es zu Divergenzen zu dem erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Wert des erworbenen Nachlassvermögens (Erwerbswert) kommen.181 Dieser kann wegen der Anwendung von Befreiungsvorschriften erheblich geringer sein. Die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG mindert vor diesem Hintergrund auch den fiktiven Zugewinnausgleich durch Angleichung des nach güterrechtlichen Vorschriften ermittelten ungeminderten Werts des Endvermögens an den geringeren erbschaftsteuerlichen Erwerbswert. Dies geschieht im Wege einer Verhältnisrechnung. Nach dieser gilt die fiktive Ausgleichsforderung im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens des Erblassers nicht als Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG. Hierdurch soll eine – durch den Steuergesetzgeber als solche erkannte – „Doppelbegünstigung“182 beseitigt werden, die daraus resultierte, dass sich das bereits steuerbefreite Vermögen bei der Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichs über das Endvermögen noch einmal (mittelbar) freibetragserhöhend auswirkte.183 Bei Vorhandensein sachlich steuerbefreiter Vermögensgegenstände im Endvermögen des ausgleichspflichtigen Erblassers führt § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG damit regelmäßig zu einer wesentlich ge 180
Einen umfassenden Überblick über die sachlichen Steuerbefreiungen des Erbschaftsteuergesetzes gibt R. Seer, in: Tipke / Lang (24. Aufl. 2021), § 15 Rn. 106–123. 181 Vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 172. 182 Vgl. bereits BR-Drs. 353/1/15, S. 5 sowie BT-Drs. 19/22850, S. 172. 183 Vgl. T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 52.1: „Vor Einführung des § 5 Abs. 1 Satz 6 ErbStG kam es zu einer Kumulierung von steuerfreier Zugewinnausgleichsforderung gem. § 5 ErbStG und sachlicher Steuerbefreiung gem. §§ 13 ff. ErbStG (…)“.
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ringeren Freistellung des Erwerbs beim überlebenden Ehegatten, als es vor dem Inkrafttreten der Regelung der Fall war.184 Ausweislich der Stellung im Gesetz handelt es sich bei der Regelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG um eine eigenständige Korrekturvorschrift, die bei der betragsmäßigen Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung neben § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG anzuwenden ist.185 Weil beide Vorschriften inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt sind – § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG spricht unspezifisch von dem „Wert des Endvermögens“ und dem „Wert des steuerbefreiten Vermögens“ – besteht in der Literatur Unklarheit darüber, in welchem Verhältnis sie zueinanderstehen.186 Man könnte entweder auf den Verkehrswert des Endvermögens und des steuerbefreiten Vermögens oder deren jeweiligen Steuerwerte im Sinne des Satzes 5 abstellen. Letzteres dürfte zutreffend sein.187 Dies ergibt sich zum einen aus der systematischen Stellung des Satzes 6 nach § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG. Unter historischen Gesichtspunkten hinzu kommt, dass der Steuergesetzgeber die nunmehr in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG getroffene Regelung bei dem Gesetzesvorhaben in dem Jahr 2014188 ursprünglich in den Satz 5 mit integrieren wollte („(…) höchstens der dem um Befreiungen geminderten Steuerwert des Endvermögens (…)“).189 Die Bezugnahme auf den Steuerwert war hier eindeutig. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum er nunmehr auf die Verkehrswerte abstellen wollen sollte, zumal sich die Gesetzesbegründung des Jahressteuergesetzes 2020 mit dem Gesetzesvorhaben aus dem Jahr 2014 im Wesentlichen deckt. Das gilt umso mehr, als es auch mathematisch nicht möglich ist, dieselbe fiktive Ausgleichsforderung zweimal in unterschiedlichen Verhältnisberechnungen anzupassen.190 Bei der Begrenzung des fiktiven Zugewinnausgleichs um den Wert von steuerbefreitem Vermögen ist somit auf Steuerwerte im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG (§ 12 ErbStG) abzustellen. d) Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse zum fiktiven Zugewinnausgleich Abweichend von der Zivilrechtslage fingiert § 5 Abs. 1 ErbStG die Durchführung eines Zugewinnausgleichs in Fällen, in denen die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nicht güterrechtlich ver 184
Vgl. Z.-A. Schneider / C . Teuber, UVR 2021, 54 (57). T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 52.1. 186 Vgl. T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 52.1; Z.-A. Schneider / C. Teuber, UVR 2021, 54 (57 f.). 187 So im Ergebnis auch T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 52.1; a. A. H. Götz, ZEV 2021, 304 (307); C. Meßbacher-Hönsch, in: Götz / Meßbacher-Hönsch, ErbStG (Stand: 12/2020), § 5 Rn. 130.3. 188 Wie oben schon dargelegt worden ist, stand eine § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG inhaltlich entsprechende Ergänzung des § 5 ErbStG bereits in dem Jahr 2014 auf der gesetzgeberischen Agenda. 189 Siehe BR-Drs. 353/1/15, S. 5. 190 T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 52.1. Hervorhebung nur hier. 185
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wirklicht wird. Die Hauptanwendungsfälle der Vorschrift bilden in der Praxis der erbrechtliche Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB sowie die gewillkürte Erbfolge (Erb- oder Vermächtniseinsetzung). Hierauf ist der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG ausweislich seines Wortlauts aber nicht beschränkt. Erfasst werden vielmehr sämtliche Konstellationen, in denen die Zugewinngemeinschaft durch den Tod beendet und der Zugewinn nicht güterrechtlich ausgeglichen wird (z. B. bei Geltendmachung des Pflichtteilsrest- oder ergänzungsanspruchs). Sie sind allesamt dadurch gekennzeichnet, dass der Zugewinn im Zivilrecht durch das pauschale Erhöhungsviertel des § 1371 Abs. 1 BGB (oder die gewillkürte Erbfolge oder den großen Pflichtteil) als verwirklicht gilt, unabhängig davon, ob und welcher Ehegatte im einzelnen Fall einen Zugewinn erzielt hat. Bei dem Erhöhungsviertel handelt es sich damit seinerseits um eine Fiktion, die der Wahrung des Familienfriedens sowie der Vereinfachung dient. Beide Aspekte sind für die Erbschaftsteuer jedoch nicht von Bedeutung, die auf die Besteuerung eines Leistungsfähigkeitszuwachses infolge einer unentgeltlichen Bereicherung gelegt ist und dabei eigenständige Prinzipien und Wertungen verfolgt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Fiktionslösung in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG zu erblicken, welche die Rückgängigmachung der Fiktionswirkung des Erhöhungsviertels im Zivilrecht bezweckt. Der Sinn ist es, den Zugewinnausgleich mangels Unentgeltlichkeit in der zutreffenden Höhe freizulassen, da der überlebende Ehegatte (nur) in diesem Umfang mit dazu beigetragen hat, dass der Erblasser einen Zugewinn erwirtschaftet hat. Ziel ist daher die Besteuerung des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts. Die Regelung in § 5 Abs. 1 ErbStG fingiert mit den Sätzen 2–6 auch die Höhe des Zugewinnausgleichs abweichend von dem Zivilrecht. Die in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG getroffene Grundaussage, dass die fiktive Ausgleichsforderung nach zivilrechtlichen (modifizierten) Maßstäben zu ermitteln ist, wird zunächst dahingehend eingeschränkt, dass güterrechtliche Vereinbarungen der Ehegatten bei der betragsmäßigen Ermittlung erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlich sind (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG, modifizierte Zugewinngemeinschaft). Die fiktive Ausgleichsforderung wird damit unabhängig von dem Inhalt etwaig getroffener Vereinbarungen typisierend und in Anwendung der allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Familienrechts berechnet. Dahinter steht die gesetzgeberische Erwägung, dass Eheverträge auch Missbrauchspotential eröffnen, indem Ehegatten durch entsprechende Abreden auf die Höhe der Ausgleichsforderung Einfluss nehmen könnten. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG nicht um eine Missbrauchsnorm im technischen Sinn (§ 42 Abs. 1 S. 2 AO), da sie auch den (umgekehrten) Fall erfasst, dass sich güterrechtliche Abreden freibetragsmindernd auswirken würden. In engem Zusammenhang hierzu steht auch die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG, die den Fall vor Augen hat, dass Ehegatte nach vorangegangener Gütertrennung in die Zugewinngemeinschaft wechseln und diese rückwirkend (z. B. auf das Datum der Eheschließung) vereinbaren (rückwirkende Zugewinngemeinschaft). Diese Rückdatierung des Eintritts der Zugewinngemeinschaft ist erbschaftsteuerrechtlich ebenso unbeachtlich. § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG sichert damit im Wesentlichen das im Steuerrecht in zahlreichen Einzelausprägungen (wenn auch nicht lückenlos) ver-
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wirklichte Prinzip, dass zivilrechtliche Vereinbarungen, die in die Vergangenheit rückwirken, der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden sollen. Demgegenüber ordnet § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG konstitutiv an, dass die Null-Vermutung des Anfangsvermögens aus § 1377 Abs. 3 BGB für Erbschaftsteuerzwecke unbeachtlich ist. Auch dahinter steht letztlich der Gedanke, dass der Zugewinn in der zutreffenden (miterwirtschafteten) Höhe unbesteuert bleiben soll. Wegen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist es zudem die Aufgabe der Finanzverwaltung, das Anfangsvermögen der Ehegatten zutreffend und selbständig zu ermitteln. Die beiden Korrekturvorschriften in § 5 Abs. 1 S. 5–6 ErbStG bewirken demgegenüber eine verhältnismäßige Begrenzung der fiktiven Ausgleichsforderung auf den um sachliche Steuerbefreiungen geminderten Steuerwert des Endvermögens. Bei beiden Vorschriften handelt es sich um rein steuerrechtliche Regelungen. 2. Güterrechtlicher Zugewinnausgleich (§ 5 Abs. 2 ErbStG) a) Übersicht über den Anwendungsbereich § 5 Abs. 2 ErbStG behandelt dagegen – entsprechend der zivilrechtlichen Systematik – die verschiedenen Fälle der güterrechtlichen Abwicklung einer Zugewinngemeinschaft. Wird die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und wird der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer, so kann er nach der güterrechtlichen Lösung des § 1371 Abs. 2 BGB den rechnerischen Zugewinnausgleich gemäß den Regeln in §§ 1373 ff. BGB verlangen. Diese Vorschriften für den Ausgleich des Zugewinns gelten gemäß § 1372 BGB auch dann, wenn die Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet wird.191 In beiden Fällen unterliegt die güterrechtliche Ausgleichsforderung des (überlebenden) Ehegatten sowie deren Erfüllung nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, wie § 5 Abs. 2 ErbStG klarstellend regelt.192 Als Anwendungsfälle des § 5 Abs. 2 ErbStG kommen insbesondere folgende praktische Fälle in Betracht: – vorzeitige Beendigung der Ehe durch Scheidung, – vorzeitige Beendigung nur der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag, – Enterbung durch den Erblasser, – Erb- oder Vermächtnisausschlagung durch den überlebenden Ehegatten. Wie bereits angedeutet, haben Ehegatten es durch Ausübung der zivilrechtlichen Privatautonomie vielfach selbst in der Hand, den güterrechtlichen Zugewinnaus 191
BFH v. 27. 6. 2007 – II R 39/05, BFHE 217, 248 = BStBl II 2007, 783 Rn. 8. Vgl. BFH v. 10. 3. 1993 – II R 87/91, BFHE 171, 321 = BStBl. II 1993, 510 Rn. 9; v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 9; v. 27. 6. 2007 – II R 39/05, BFHE 217, 248 = BStBl II 2007, 783 Rn. 8.
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gleich zu verwirklichen und somit auch die Rechtsfolge des § 5 Abs. 2 ErbStG – sogar mehrfach in derselben Ehe – eintreten zu lassen.193 Als namhaftes Beispiel sei an dieser Stelle nur das Gestaltungsinstrument der Güterstandschaukel genannt.194 Zudem kann der überlebende Ehegatte, der Erbe oder Vermächtnisnehmer ist, durch Erb- oder Vermächtnisausschlagung zur güterrechtlichen Lösung (und somit auch § 5 Abs. 2 ErbStG) einseitig optieren.195 Die vielgestaltigen zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Verwirklichung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs werden – soviel sei vorweggenommen – auch erbschaftsteuerlich grundsätzlich196 anerkannt. Die Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG wird zudem ergänzt durch § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, wonach die von einem Erblasser herrührenden Schulden – wozu auch der güterrechtliche Zugewinnausgleich gehört –197 von dem Erwerb der Erben als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind. Das bedeutet, dass auch die Verpflichtung der Erben zur Zahlung des geltend gemachten güterrechtlichen Zugewinnausgleichs an den überlebenden Ehegatten von deren Erwerb bereicherungsmindernd in Abzug gebracht werden kann. b) Nichteheliche Lebensgemeinschaften und § 5 Abs. 2 ErbStG Eine bislang nicht beleuchtete Frage ist, ob Partner einer nichtehelichen (eheähnlichen) Lebensgemeinschaft198 von der Vorschrift des § 5 Abs. 2 ErbStG profitieren können. Anders als Ehegatten steht diesen, selbst wenn sie eheähnlich leben, ein zivilgesetzlich geregelter Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten zwar nicht zu.199 Innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gilt 193 Zu den verschiedenen Fällen der Verwirklichung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs zu Lebzeiten und im Todesfall siehe bereits oben Abschn. § 2 C. III. 4. 194 Siehe hierzu unten Beendigungskonstellation drei. 195 Siehe hierzu unten Beendigungskonstellation fünf. 196 Eine Ausnahme gilt nur für den sog. „fliegenden“ Zugewinnausgleich, siehe hierzu schon oben unter Abschn. § 2 C. III. 4. c) cc) sowie unten Beendigungskonstellation drei. 197 Vgl. BFH v. 1. 7. 2008 – II R 71/06, BFHE 222, 63 = BStBl. II 2008, 874 Rn. 11. 198 Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft handelt es sich nach der grundlegenden Definition des BVerfG in dem Urteil v. 17. 11. 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 Rn. 92 um eine „Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.“. 199 Insbesondere kommt auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Zugewinngemeinschaft nicht in Betracht, vgl. OLG Frankfurt v. 23. 10. 1981 – 17 W 29/81, FamRZ 1982, 265 Rn. 5. Dies kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls jedoch grob unbillig sein, etwa wenn ein Ehegatte – ohne eine dahingehende Verpflichtung und ohne Gegenleistung – dem anderen Vermögen zugewendet hat (z. B. einen Miteigentumsanteil an einer Immobilie oder Geld zu deren Erwerb) oder durch eigenen Arbeits- bzw. Vermögenseinsatz zum Aufbau von dessen Betrieb bzw. Unternehmen beigetragen hat. Nach der Rechtsprechung des BGH können
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vielmehr das sogenannte Verrechnungsverbot, wonach während deren Bestehens erbrachte (wechselseitige) Leistungen nach einer Trennung grundsätzlich nicht rückabzuwickeln sind, da die nichteheliche Lebensgemeinschaft vorrangig durch die persönliche und jederzeit aufkündbare Beziehung der Partner zueinander geprägt wird, die regelmäßig auch das vermögensrechtliche Handeln der Partner bestimmt.200 Indes steht es auch Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anerkanntermaßen frei, einen Partnerschaftsvertrag (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) abzuschließen, in dem sie ihr Zusammenleben rechtlich regeln können.201 Möglich und zulässig dürften nach der wohl herrschenden Meinung in der Literatur sogar Vereinbarungen sein, wonach alle Vermögensgegenstände in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam erworben werden oder dass der wohlhabendere Partner bei der Trennung einen Ausgleich in Höhe der Hälfte des gemeinsam erwirtschafteten Überschusses an den anderen Teil zahlt (im Folgenden „partnerschaftlicher Zugewinnausgleich“).202 Die zivil- und erbschaftsteuerrechtliche Behandlung solcher Vereinbarungen ist gänzlich unklar. Setzt man im Zivilrecht an, so dürfte die Annahme eines entgeltlichen Vorgangs naheliegen. Denn zum einen befreit sich der wohlhabendere Partner mit der Leistung des partnerschaftlichen Zugewinnausgleichs von der – vertraglich (freiwillig) eingegangenen – Verbindlichkeit aus dem Partnerschaftsvertrag. Zum anderen liegt dem partnerschaftlichen Zugewinnausgleich in seiner beschriebenen Form der Mitverursachungsgedanke zugrunde. Dieser ergibt sich zwar nicht aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG, sondern vielmehr der faktisch gelebten Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft. Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof bei den der nichtehelichen Lebensgemeinschaft dienenden Leistungen nichtehelicher Partner – in entsprechender Anwendung seiner Rechtsprechungsgrundsätze zu den ehebedingten (unbenannten) Zuwendungen – den Schenkungscharakter ablehnt.203 Der Annahme einer freigebigen Zuwendung im daher nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, dessen Alleineigentümer der andere Partner ist, gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB) sowie nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht kommen, vgl. grundlegend BGH v. 9. 7. 2008 – XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193. 200 Vgl. BGH v. 8. 7. 1996 – II ZR 340/95, NJW 1996, 1141 sowie E. Caspary, in: Krenzler / Borth, Anwalts-HdB Familienrecht (2. Aufl. 2012), Kap. 13 Rn. 105. 201 Zur Privatautonomie in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft siehe grundlegend A. Georgiades, in: FS Coester-Waltjen, S. 73 (75 f.). Auf den denkbaren Inhalt solcher Partnerschaftsverträge geht G. Weinreich, in: Weinreich / Waruschewski, Familienrechtliches Mandat (1. Aufl. 2017), § 1 Rn. 62 ff. ausführlich ein. 202 So ausdrücklich J. Gernhuber / D. Coester-Waltjen, Familienrecht (7. Aufl. 2020), § 43 Rn. 1; M. Löhnig, in: Staudinger BGB (Neub. 2018), Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 39; G. Oberto, FamRZ 1993, 1 (8). Demgegenüber raten T. Müller / J. Güde, in: ErbStB 2008, 318 (322) wegen des erwähnten Verrechnungsverbots in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft dazu, auf eine dem Zugewinnausgleich entsprechende Regelung zu verzichten. 203 BGH v. 9. 7. 2008 – XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193 Rn. 15 f.
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Sinne des Erbschaftsteuerrechts steht dies indes nicht entgegen.204 Vielmehr ist es so, dass die – jedenfalls partielle zivilrechtliche – Gleichstellung nichtehelicher (eheähnlicher) Lebensgemeinschaften mit Ehen in dem Bereich des Steuerrechts nicht nachvollzogen wird. Dies gilt sowohl im Einkommensteuerrecht (Stichwort: Ehegattensplitting)205 als auch im Erbschaftsteuerrecht, wo der überlebende Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sogar der erbschaftsteuerlich ungünstigsten Steuerklasse III angehört und somit auch nicht von den Freibeträgen nach §§ 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4b; 16 Abs. 1 Nr. 1; 17 Abs. 1 ErbStG profitiert. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass dies mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.206 Gestützt wird dies im Wesentlichen darauf, dass (nur) die Ehe mit rechtlicher Verbindlichkeit und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten ausgestattet sei und sich so als dauerhafte Paarbeziehung darstelle. Insoweit unterscheidet sie sich von anderen ungebundenen oder weniger verbindlichen Paarbeziehungen, wie es die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist. Fraglich ist, was dies für die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 ErbStG auf den partnerschaftlichen Zugewinnausgleich bedeutet. Es ließe sich argumentieren, dass wegen der faktischen Mitverursachung des gegenseitigen Vermögenserwerbs in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein nicht steuerbarer Vorgang vorliegt. Hiergegen sprechen jedoch verschiedene Gesichtspunkte: Eine erbschaftsteuerrechtliche Gleichsetzung ließe erstens unberücksichtigt, dass (nur) die Zugewinngemeinschaft als gesetzlich verfasste und institutionalisierte Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs angesehen werden kann, was nach dem hier entwickelten Verständnis auch der Grund für die mangelnde Steuerbarkeit des Zugewinnausgleichs ist. Bei diesem handelt es sich um einen gesetzlichen, aus dem Rechtsinstitut der Ehe entspringenden Anspruch. Wollte man diesen (rechtlichen) Zusammenhang auflösen, so ergäben sich zweitens Abgrenzungsschwierigkeiten zu anderen Formen nichtehelichen Zusammenlebens (z. B. in Haushalts-, Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft lebende Geschwister). Hinzu kommt im Weiteren, dass sich kaum auflösbare Widersprüche zu den übrigen Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes 204
Siehe grundlegend BFH v. 2. 3. 1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 = BStBl. II 1994, 366 sowie v. 27. 11. 2013 – II R 25/12, BFH / N V 2014, 537 (Schenkungsteuerpflicht von Zuwendungen innerhalb einer eheähnlichen Gemeinschaft). 205 Durch die ständige Rechtsprechung ist anerkannt, dass es keinen Verfassungsverstoß darstellt, dass der Splittingtarif auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Anwendung findet, vgl. etwa BFH v. 21. 3. 2012 – III B 52/11, BFH / N V 2012, 1125; v. 26. 4. 2017 – III B 100/16, BFHE 257, 424 = BStBl. II 2017, 903. Dies gilt nach BFH v. 26. 6. 2014 – III R 14/05, BFHE 246, 178 = BStBl. 2014, 829 Rn. 16 auch für den – oben geschilderten – Fall, dass nichteheliche Lebenspartner einen Partnerschaftsvertrag mit weitreichenden Unterhalts- und Beistandsverpflichtungen abschließen. 206 Vgl. z. B. BVerfG v. 1. 6. 1983 – 1 BvR 107/83, BStBl. II 1984, 172; v. 15. 11. 1989 – 1 BvR 171/89, BStBl. II 1990, 103; v. 15. 5. 1990 – 2 BvR 592/90, BStBl. II 1990, 764. Ihm folgend auch der BFH, siehe z. B. aus jüngerer Zeit BFH v. 30. 8. 2016 – II B 100/15, BFH / N V 2017, 39.
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ergäben, nach denen nichteheliche Lebenspartner als „übrige Personen der Steuerklasse III“ zu behandeln sind. Ließe man einen nicht steuerbaren partnerschaft lichen Zugewinnausgleich zu, könnten diese in missbräuchlicher (systemwidriger) Weise umgangen werden. In dem partnerschaftlichen Zugewinnausgleich dürfte vor diesem Hintergrund vielmehr eine sogenannte belohnende Schenkung (und kein entgeltliches Geschäft) zu erkennen sein, was dessen Steuerpflichtigkeit als freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG indes nicht ausschließt (§ 7 Abs. 4 ErbStG). Dies ergibt sich zudem auch daraus, dass die Rechtspflicht zum partnerschaftlichen Zugewinnausgleich – anders beim ehelichen Zugewinnausgleich – freiwillig eingegangen wurde. Aus dem Vorgesagten ergibt sich in einem Umkehrschluss, dass Anwendungsvoraussetzung für § 5 ErbStG jedenfalls das Vorliegen einer Ehe ist.207 Dies ist mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG auch insofern unproblematisch, als die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht. Wenngleich der Schutz der Ehe die durch das Erbschaftsteuergesetz getroffene Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht gebietet, so lässt er sie doch zu, ohne dass dem Gesetzgeber eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch eine willkürliche Differenzierung vorgeworfen werden könnte.208 Aus § 5 Abs. 2 ErbStG ist somit auch heraus zu lesen, dass die Entstehung von Zugewinnausgleichsansprüchen (im weitesten Sinne) außerhalb einer ehelichen Lebensgemeinschaft mittelbar dem erbschaftsteuerbaren Bereich zugewiesen ist. c) Anwendungsfälle aa) Beendigungskonstellation eins: Ehescheidung Auch wenn die Scheidungsrate in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat,209 dürfte es sich bei der Ehescheidung nach wie vor um einen der Hauptanwendungsfälle des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG handeln. Sofern die Ehegatten für diesen Fall den Zugewinnausgleich nicht ehevertraglich ausgeschlossen haben, kommt es mit der Ehescheidung auch zu einer güterrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft, die typischerweise zu einer Ausgleichsforderung eines Ehegatten gegen den anderen führt. Diese entsteht als auf Geld gerichtete Forderung gemäß § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB kraft Gesetzes und wird damit nicht rechtsgeschäftlich (freiwillig) zugewendet.210 Mangels Freigebigkeit (und 207
Dies gilt auch in Auslandssachverhalten, siehe dazu unten Abschn. § 6 C. Vgl. BFH v. 27. 10. 1982 – II B 77/81, BFHE 137, 76 = BStBl. II 1983, 114 Rn. 15. 209 Zur Scheidungsrate in Deutschland von 1960 bis 2019 siehe: https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/76211/umfrage/scheidungsquote-von-1960-bis-2008/ (Stand: 8. 1. 2022). 210 Vgl. BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 9; FG Hessen v. 15. 2. 2016 – 1 K 199/15, EFG 2017, 871 Rn. 44. 208
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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Unentgeltlichkeit)211 unterliegt die Ausgleichsforderung nicht der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, was § 5 Abs. 2 ErbStG nur klarstellend regelt. bb) Beendigungskonstellation zwei: einfacher Güterstandswechsel Die Zugewinngemeinschaft kann – bei Fortbestand der Ehe im Übrigen – auch durch einen notariellen Ehevertrag beendet werden (Güterstandswechsel). Insbesondere bei Ehen mit ungleich verteiltem Einkommen kann ein derartiger Güterstandswechsel dazu beitragen, ohne Ehescheidung vorzeitig zu einer ausgeglichenen Vermögensbilanz zwischen den Ehegatten zu gelangen. Hierbei ist der Güterstandswechsel – wie gezeigt – auch einer schlichten Schenkung unter schenkungsteuerrechtlichen, haftungs- und pflichtteilsrechtlichen Gesichtspunkten vorzugswürdig.212 Beispiel: Die Ehegatten A und B, die seit dem Jahr 1991 miteinander verheiratet sind, erklären mit notariellem Ehevertrag vom 28. 1. 2021, dass mit Ablauf dieses Tages die Zugewinngemeinschaft beendet sein soll und sie fortan in Gütertrennung leben. Der bislang während der Dauer der Zugewinngemeinschaft bis zu dem Abschluss des Ehevertrags entstandene Zugewinn soll ausgeglichen werden. Eine Zugewinnberechnung auf der Grundlage der §§ 1373 ff. BGB ergibt eine güterrechtliche Ausgleichsforderung zugunsten von A im Umfang von 2 Mio. €. B zahlt an A einen Geldbetrag in entsprechender Höhe. Lösung: In dem Beispielsfall ist der Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mangels Vorliegens einer freigebigen Zuwendung nicht erfüllt. Denn die im notariellen Ehevertrag vom 28. 1. 2021 berechnete Forderung von A ist als güterrechtliche Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 2 ErbStG nicht schenkungsteuerbar. Den Ehegatten ist es wegen des im Güterrecht geltenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit unbenommen, die Zugewinngemeinschaft jederzeit aufzuheben oder zu ändern. Tun sie dies, entsteht nach § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB die Zugewinnausgleichsforderung als gesetzlicher Reflex. A und B haben in der notariellen Vertragsurkunde vorliegend ausdrücklich und unmissverständlich bestimmt, dass die Zugewinngemeinschaft mit Ablauf des 28. 1. 2021 beendet sein soll. Dies ist auch erbschaftsteuerlich anzuerkennen. Der Umfang des nicht steuerbaren Betrags bemisst sich hierbei allein nach güterrechtlichen Maßstäben. Die Höhe der güterrechtlichen Ausgleichsfor 211 Auch der güterrechtliche Zugewinnausgleich muss – unabhängig von seiner zivilrechtlichen Ausgestaltung – mangels Unentgeltlichkeit unbesteuert bleiben, siehe ausführlichen oben Abschn. § 5 B. II. 212 Zum Güterstandswechsel aus zivilrechtlicher Sicht und den damit verbundenen Vorteilen siehe ausführlich oben Abschn. § 2 C. III 4. c).
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
derung wird – im Unterschied zu § 5 Abs. 1 ErbStG – auch nicht abweichend von der Zivilrechtslage fingiert, sodass in dem Beispielsfall der Betrag von 2 Mio. € insgesamt unbesteuert bleibt.213 cc) Beendigungskonstellation drei: Güterstandschaukel (nicht: fliegender Zugewinnausgleich) Wie bereits dargelegt, können sich aus einem vertraglichen Wechsel in die Gütertrennung jedoch pflichtteilsrechtliche sowie Steuernachteile ergeben, da mangels Zugewinngemeinschaft kein weiteres Ausgleichspotential für Zwecke des § 5 ErbStG aufgebaut werden kann.214 Vor diesem Hintergrund hat sich in der Beratungspraxis die „Güterstandschaukel“ als Gestaltungsmittel herausgebildet, die nach der Beendigung der Zugewinngemeinschaft und dem Wechsel in die Gütertrennung eine (sofortige oder spätere) Rückkehr in die Zugewinngemeinschaft vorsieht. Fortführung des Beispiels: Nach etwa sechs Monaten vereinbaren die Ehegatten A und B in einem zweiten notariellen Ehevertrag, dass für die Zukunft wieder die Zugewinngemeinschaft gelten soll. Die jeweiligen neuen Anfangsvermögen sollen sich aus den zuvor berechneten Endvermögen unter Berücksichtigung des bereits durchgeführten Zugewinnausgleichs ergeben. Lösung: Die Güterstandschaukel ist als steuerlich zulässiges Gestaltungsinstrument heute allgemein anerkannt.215 Das hat auch der Bundesfinanzhof mit dem Grundsatzurteil vom 12. 7. 2005216 ausdrücklich bestätigt. Zur Begründung hat sich der II. Senat im Wesentlichen auf die Vertragsfreiheit im Zivilrecht berufen, die entsprechende Gestaltungen mit dem Güterstand zulässt und auch erbschaftsteuerrechtlich anerkannt werden muss.217 Da auch der Rückwechsel z. B. von der Gütertrennung in die Zugewinngemeinschaft zivilrechtlich jederzeit möglich ist, hat der Bundesfinanzhof eine – von der Finanzverwaltung geforderte – Einschränkung des § 5 Abs. 2 ErbStG dahingehend, dass die zivilrechtliche Beendigung des gesetzlichen Güterstandes „endgültig“ sein müsse, abgelehnt.218 Ebenso wenig erkannte er in entsprechenden Gestaltungen einen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 42 AO. Die einzige (ungeschriebene) Grenze zog der II. Senat dort, dass einem Ehegatten keine „überhöhte Ausgleichsforderung“ dergestalt verschafft wird, dass „der Rahmen 213
Im Einzelnen siehe unten unter IV.2.c). Siehe umfassend oben Abschn. § 2 C. III. 4. c) bb). 215 Vgl. auch H E 5.2 ErbStR 2019. 216 BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843. 217 Vgl. BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11. 218 Vgl. BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11. 214
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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einer güterrechtlichen Vereinbarung überschritten wird“.219 Auf den Inhalt dieser spezifisch erbschaftsteuerlichen Grenze wird zurückzukommen sein.220 Wie bereits dargestellt, ist es Ehegatten aufgrund der im Güterrecht herrschenden Vertragsfreiheit ebenso möglich, einen „fliegenden“ Zugewinnausgleich – d. h. einen Ausgleich bei rechtlichem Fortbestand der Zugewinngemeinschaft – vorzunehmen.221 Auch hier ist durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung wiederum anerkannt, dass derartige rechtsgeschäftliche Ausgleichsforderungen nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG fallen.222 Der Bundesfinanzhof hat dies in dem grundlegenden Urteil vom 24. 8. 2005223 zentral damit begründet, dass nur bei der rechtlichen Beendigung der Zugewinngemeinschaft die Ausgleichsforderung kraft Gesetzes und somit ohne gewillkürten, den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausfüllenden Zuwendungsakt entsteht.224 Dies ist im Grundsatz zutreffend. Wie schon auf Seite 60 f. betont, erscheint diese Auffassung des Bundesfinanzhofs insbesondere in Fällen wie dem Beispielsfall, in denen die Ehegatten die Abgeltungswirkung des rechtsgeschäftlichen Zugewinnausgleichs für die Vergangenheit ausdrücklich vereinbaren, jedoch als zu formalistisch.225 Denn zum einen bewirkt der fliegende Zugewinnausgleich – wie der ehevertragliche Güterstandswechsel – eine gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an dem bis zur vertraglichen Vereinbarung erwirtschafteten Zugewinn. Bei diesem handelt es sich unabhängig von der rechtlichen Beendigung der Zugewinngemeinschaft um einen nicht unentgeltlichen Vermögenserwerb im zivil- und erbschaftsteuerrechtlichen Sinn. Zum anderen tritt auch keine Gefährdung des Erbschaftsteueraufkommens ein, wenn die durch den fliegenden Zugewinnausgleich bewirkte Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten die Ausgangsbasis für einen späteren (echten) Zugewinnausgleich darstellt.226 Ein doppelter Zugewinnausgleich für denselben Zeitraum ist damit ausgeschlossen. Der fliegende Zugewinnausgleich sollte demnach in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG fallen.227 dd) Beendigungskonstellation vier: Enterbung des überlebenden Ehegatten Daneben ist es einem Erblasser aufgrund der mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Testierfreiheit unbenommen, zu Lebzeiten einen von der gesetzlichen 219
BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11. Siehe unten Abschn. § 5 C. IV. 2. e) bb). 221 Siehe ausführlich oben § 2 C. III. 4. c) cc). 222 Siehe BFH v. 24. 8. 2005 – II R 28/02, BFH / N V 2006, 63 sowie R E 5.2 Abs. 3 ErbStR 2019. 223 BFH v. 24. 8. 2005 – II R 28/02, BFH / N V 2006, 63. 224 BFH v. 24. 8. 2005 – II R 28/02, BFH / N V 2006, 63 Rn. 29. 225 Zur Kritik siehe bereits oben Abschn. § 2 C. III. 4. c) cc). 226 H.-U. Viskorf, in: Viskorf / Schuck / Wälzholz., ErbStG (6. Aufl. 2020), § 5 Rn. 47. 227 So auch H.-U. Viskorf, in: Viskorf / Schuck / Wälzholz., ErbStG (6. Aufl. 2020), § 5 Rn. 47. 220
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
Erbfolge abweichenden Übergang seines Vermögens nach seinem Tod an einen oder mehrere Rechtsnachfolger anzuordnen, insbesondere einen gesetzlichen Erben von der Nachlassbeteiligung auszuschließen und wertmäßig auf den gesetzlichen (zwingenden) Pflichtteil zu beschränken.228 Schließt der Erblasser demnach seinen Ehepartner zulässigerweise von der Erbfolge aus (Enterbung), so kann dieser nach dem – ehevertraglich unmodifizierten – Regelungsinhalt des § 1371 Abs. 2 und 3 BGB den güterrechtlichen Zugewinnausgleich sowie den kleinen Pflichtteil nach § 2303 Abs. 2 BGB von den Erben verlangen. § 5 Abs. 2 Var. 2 ErbStG stellt auch in diesem Fall klar, dass die tatsächliche güterrechtliche Ausgleichsforderung nicht zu dem Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG gehört, wohingegen der geltend gemachte Pflichtteil voll erbschaftsteuerbar und -pflichtig ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 ErbStG). ee) Beendigungskonstellation fünf: Erb- oder Vermächtnisausschlagung Dem überlebenden Ehegatten ist es gemäß §§ 1942 Abs. 1; 2176 BGB ebenso unbenommen, den gesetzlichen bzw. gewillkürten Erbteil oder das Vermächtnis auszuschlagen, was zur Folge hat, dass der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt (§§ 1953 Abs. 1; 2180 Abs. 3 BGB). Die in Betracht kommenden Gründe für eine solche Erb- oder Vermächtnisausschlagung sind vielfältig. In Bezug auf den Zugewinnausgleich können vor allem Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen, wenn das Erhöhungsviertel aus § 1371 Abs. 1 BGB oder die zugewandte Erbschaft bzw. das Vermächtnis deutlich hinter dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB zurückbleibt. In derartigen Fällen kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, dass der überlebende Ehegatte die Erbschaft oder das Vermächtnis ausschlägt und Zahlungsansprüche gegen den oder die Erben geltend macht. Beispiel: Die Ehegatten A und B sind im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. In seinem Testament setzt A die gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen als seine Erben ein. Zugunsten von B ordnet er ein Vermächtnis im Umfang von 10.000 € an. A verstirbt. Sein Nachlass (= Endvermögen) beläuft sich auf 2 Mio. €. Die tatsächliche güterrechtliche Ausgleichsforderung von B beträgt 1 Mio. €. Lösung: Nimmt B in dem Beispielsfall das ihm zugewandte Vermächtnis an, so findet ein Zugewinnausgleich zivilrechtlich weder nach § 1371 Abs. 1 BGB noch nach § 1371 228
Siehe BVerfG v. 19. 1. 1999 – 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341 Rn. 41; v. 21. 2. 2000 – 1 BvR 1937/97, NJW 2000, 2495 Rn. 9.
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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Abs. 2 BGB statt. Der Zugewinn gilt vielmehr durch das minimale Vermächtnis als mitabgegolten. Auch ist B in diesem Fall auf das ihm zugewandte Vermächtnis beschränkt (vgl. § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB). In Betracht kommt lediglich die zusätzliche Geltendmachung des Pflichtteilsrestanspruchs aus § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB, dessen Quote sich nach dem großen Pflichtteil richten würde. In diesem Fall käme nach der hier entwickelten Ansicht § 5 Abs. 1 ErbStG zur Anwendung, da sich der große Pflichtteil auf der Grundlage des um das Erhöhungsviertel verstärkten gesetzlichen Erbteils errechnet.229 Mit dem Pflichtteilsrestanspruch könnte B einen Betrag von weiteren 490.000 € geltend machen. Auf diesen Betrag fiele wegen des fiktiven Zugewinnausgleichs im Umfang von 1 Mio. € keine Erbschaftsteuer an. Da das Vermächtnis in dem obigen Beispielsfall weit hinter dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich von 1 Mio. € und dem kleinen Pflichtteil zurückbleibt, bietet es sich an, dass B das Vermächtnis ausschlägt und den güterrechtliche Zugewinnausgleich (sowie den kleinen Pflichtteil) geltend macht, § 1371 Abs. 2, 3 BGB.230 Die Erb- oder Vermächtnisausschlagung ist aus Sicht des überlebenden Ehegatten grundsätzlich immer dann vorzugswürdig, wenn der tatsächliche Zugewinn höher ist als das Erhöhungsviertel, oder der gewillkürte Erbteil bzw. das Vermächtnis betragsmäßig hinter dem rechnerischen Zugewinnausgleich (und kleinen Pflichtteil) zurückbleibt. Zudem kann die Erb- oder Vermächtnisausschlagung unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten vorteilhafter sein, da die in § 5 Abs. 1 S. 2–6 ErbStG enthaltenen Begrenzungen für den fiktiven Zugewinnausglich keine Anwendung finden. Hierauf wird zurückzukommen sein. d) Umfang der Nichtsteuerbarkeit bei dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich Der Normzweck des § 5 Abs. 2 ErbStG besteht darin, klarzustellen, dass der Zugewinnausgleich in Fällen, in denen es zu einer güterrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft kommt, nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegt. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs wiederholt die Vorschrift zu diesem Zweck lediglich den zivilrechtlichen Gesetzestext aus § 1372 BGB, ohne dass ihr ein über die zivilrechtliche Bedeutung hinausgehender Inhalt zukäme.231 Dies 229
Siehe ausführlich Abschn. § 5 C. IV. 1. a). An dem gebildeten Beispielsfall wird deutlich, dass die Möglichkeit des überlebenden Ehegatten, das Erbe oder Vermächtnis auszuschlagen und dann den rechnerischen Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil zu verlangen, weitreichende Folgen für die Nachfolgeplanung haben kann. Die Erb- oder Vermächtnisausschlagung kann die Nachfolgeplanung – vor allem bei illiquidem Vermögen im Nachlass – gefährden, da der Zugewinnausgleich auf Geld gerichtet ist (Liquiditäts- und Bewertungsprobleme). Daher sollte bei der Nachfolgeplanung stets geprüft werden, ob der Zugewinnausgleich auch im Erbfall beschränkt werden sollte (bspw. Beschränkung auf einen Höchstbetrag, Stundung), um eine (erfolgreiche) Nachfolge nicht zu gefährden. 231 So BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 12. 230
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
trifft den Kern der Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG allerdings nicht bzw. nur sehr eingeschränkt. Denn insbesondere aus einer systematischen Gegenüberstellung zu § 5 Abs. 1 ErbStG lassen sich verschiedene eigenständige Bedeutungsgehalte des Abs. 2 herleiten. Die beiden zentralen Aussagen sind demnach darin zu erblicken, dass (1) die güterrechtliche Ausgleichsforderung nur nach zivilrechtlichen Maßstäben zu ermitteln ist und (2) ehevertragliche Modifikationen zum Güterrecht hierbei auch erbschaftsteuerlich beachtlich sind. Denn die Einschränkungen aus § 5 Abs. 1 S. 2–6 ErbStG sind ausweislich der Gesetzessystematik bei dem tatsächlichen güterrechtlichen Zugewinnausgleich nicht (auch nicht analog) anwendbar. Die Gründe hierfür sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch drei Gründe dafür ausmachen, warum die betragsmäßige Ermittlung des güterrechtlichen Ausgleichsanspruchs anderen Regeln folgt als bei dem fiktiven Zugewinnausgleich. Erstens dürfte der Steuergesetzgeber bei der Schaffung des § 5 Abs. 2 ErbStG vor allem die Konstellation vor Augen gehabt haben, dass Ehegatten sich scheiden lassen. Für diesen Fall hielt er etwaige Sonderregelungen (wohl) für entbehrlich, da die „kontradiktorische Natur“ der Durchführung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs typischerweise ein Garant gegen – von dem Gesetzgeber befürchtete – Steuerumgehungen ist.232 Die Ehegatten dürften bei der Ehescheidung in den seltensten Fällen darauf bedacht sein, einem von ihnen eine gegenüber den §§ 1372 ff. BGB erhöhte Ausgleichsforderung zu verschaffen. Da die Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG in ihrer zweiten Alternative – wie gesehen – jedoch auch Fälle umfasst, in denen die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, greift dieser Erklärungsversuch zu kurz bzw. deckt lediglich einen Anwendungsfall des § 5 Abs. 2 ErbStG ab. Der zweite relevante Gesichtspunkt dürfte vor diesem Hintergrund in der bereits angesprochenen „Ausweichoption“ begründet liegen, die § 5 Abs. 2 ErbStG bspw. im Wege der Erb- oder Vermächtnisausschlagung gegenüber § 5 Abs. 1 ErbStG bietet. Wie gezeigt, lehnt der Bundesfinanzhof einen verfassungswidrigen Eingriff namentlich von § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG in das Grundrecht auf Schutz der Ehe mit der zentralen Begründung ab, dass der überlebende Ehegatte auch im Erbfall verschiedene Möglichkeiten habe, den güterrechtlichen Zugewinnausgleich nach § 5 Abs. 2 ErbStG durchzuführen und so die Erbschaftsteuerfreiheit auch für die von dem Güterrecht abweichenden Vereinbarungen – einschließlich der rückwirkenden Datierung der Zugewinngemeinschaft – zu erreichen.233 Dass die Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG keinerlei Einschränkungen der Ehevertragsfreiheit enthält, dürfte nach der hier entwickelten Ansicht damit wesentlich dazu beitragen, dass die entsprechenden Beschränkungsregeln in Abs. 1 bei einer gesamthaften Betrachtung nicht gegen Verfassungsrecht verstoßen. Deren Absenz in Abs. 2 ist somit erforderlich, um zur verfassungsrechtlichen Haltbarkeit von § 5 Abs. 1 S. 2 und 4 ErbStG beizutragen. Drittens besteht der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Absätzen 232
Vgl. C. Kesseler, in: FS Spiegelberger, S. 258 (259). BFH v. 18. 1. 2006 – II R 64/04, BFH / N V 2006, 948 Rn. 948 und oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) dd) (3).
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C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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des § 5 ErbStG darin, dass bei den von Abs. 1 erfassten Fällen die Durchführung eines güterrechtlichen Zugewinnausgleichs lediglich für Erbschaftsteuerzwecke fingiert wird, was wiederum bedeutet, dass sich güterrechtliche Vereinbarungen der Ehegatten zivilrechtlich gar nicht auswirken.234 Demgegenüber findet in dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG ein güterrechtlicher Zugewinnausgleich tatsächlich statt, sodass ehevertragliche Vereinbarungen auch zu einer zivilrechtlichen Abänderung des Ausgleichsanspruchs führen. Dies wiederum macht es erforderlich, vertragliche Modifikationen zum Güterrecht in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG auch erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen. Der güterrechtliche Zugewinnausgleich ist wegen des Verweises auf § 1378 BGB und mangels anderer Regelungen nur nach zivilrechtlichen Maßstäben zu ermitteln. Liest man § 5 Abs. 2 ErbStG in Gegenüberstellung zu § 5 Abs. 1 ErbStG, so bedeutet dies zunächst, dass auch die in § 1377 Abs. 3 BGB enthaltene NullVermutung des Anfangsvermögens für Erbschaftsteuerzwecke gilt.235 Hieraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass diese Vermutung durch das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt nicht widerlegt werden kann.236 Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 ErbStG ist insofern zwar unergiebig. Dass die Null-Vermutung auch im Besteuerungsverfahren widerlegbar sein muss, folgt jedoch einerseits daraus, dass bei einem anderen Verständnis die im Zivilrecht widerlegbare Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB für das Besteuerungsverfahren zu einer unwiderlegbaren Vermutung erstarken würde.237 Hierfür sind jedoch keine Gründe ersichtlich. Hinzu kommt andererseits, dass die Erbschaftsteuerfinanzämter wegen des im Besteuerungsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes die Pflicht haben, für die Berechnung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs das richtige Anfangsvermögen zu ermitteln.238 Für die Null-Vermutung aus § 1377 Abs. 3 BGB ist somit auch bei dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich kein Raum, wenn der tatsächliche Zugewinn feststeht. Darüber hinaus ist der tatsächliche güterrechtliche Zugewinnausgleich, anders als im Fall des § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG, auch nicht nach dem Verhältnis des Steuerwerts zu dem Verkehrswert des Endvermögens des Erblassers zu begrenzen.239 Der Grund hierfür liegt darin begründet, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte in den von § 5 Abs. 2 ErbStG erfassten Fällen eine – isoliert stehende – Ausgleichsforderung erlangt, die es nicht mehr aus einem erbrechtlichen (Gesamt-)Erwerb 234
Zu dieser Argumentation siehe bereits oben S. 194 f. Vgl. hierzu ausführlich oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) cc). 236 So auch M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 72. 237 Vgl. auch die ähnliche Argumentation des Bundesfinanzhofs in Bezug auf § 5 Abs. 1 ErbStG vor der Einfügung des Satzes 3 in BFH v. 8. 2. 1984 – II R 164/83, BFHE 140, 472 = BStBl. II 1984, 438 Rn. 12 sowie oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) cc). 238 Vgl. in Bezug auf § 5 Abs. 1 ErbStG a. F. BFH v. 8. 2. 1984 – II R 164/83, BFHE 140, 472 = BStBl. II 1984, 438 Rn. 11 sowie oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) cc). 239 Vgl. auch C. Meßbacher-Hönsch, in: Götz / Meßbacher-Hönsch, ErbStG (Stand: 12/2020), § 5 Rn. 172; M. Reich, in: von Oertzen / Loose (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 73. 235
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
herauszulösen gilt. Demgegenüber wird der Zugewinnausgleich in den Fällen des § 5 Abs. 1 ErbStG typischerweise über eine Beteiligung am Nachlass pauschal mitverwirklicht, was es wiederum erforderlich macht, die fiktive Ausgleichsforderung von diesem zu trennen. Um hierbei keine unterschiedlichen Wertmaßstäbe anzulegen, ordnet § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG die Umrechnung der fiktiven Ausgleichsforderung auf das Steuerwertniveau des Endvermögens (des Nachlasses) an. Dieses Erfordernis entfällt bei § 5 Abs. 2 ErbStG jedoch aus den genannten Gründen. Aus denselben Gründen findet sich die mit dem Jahressteuergesetz 2020 neu eingeführte Kürzungsvorschrift des § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG um den Wert des steuerbefreiten Vermögens ebenfalls nur in Abs. 1, und nicht auch in Abs. 2. Da der (überlebende) Ehegatte hier nur die Ausgleichsforderung erlangt, gibt es keinen erbschaftsteuerlich verringerten Erwerbswert, auf den diese umgerechnet werden müsste. e) Erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung der modifizierten Zugewinngemeinschaft aa) Grundsätzliche Beachtlichkeit ehevertraglicher Modifikationen Der zentrale Aussagegehalt der Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG besteht darin, dass die Nichtsteuerbarkeit auch hinsichtlich einer durch Ehevertrag modifizierten Ausgleichsforderung als Ausfluss der bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsfreiheit (Ehegestaltungsfreiheit) gilt.240 Da der Zugewinnausgleich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außerhalb des Kernbereichs der gesetzlichen Scheidungsfolgen steht,241 ist er einer ehevertraglichen Disposition vergleichsweise sogar am weitesten zugänglich. Der Dispositionsbefugnis der Ehegatten sind in diesem Bereich somit nur wenige Grenze gesetzt. Diese Rechtsprechung gilt zunächst auch für die Auslegung und Anwendung des § 5 ErbStG.242 Das führt wiederum zwangsläufig zu der Frage nach dem Umgang des Erbschaftsteuerrechts mit ehevertraglichen Gestaltungen im kernbereichsfernen Bereich und nach der Existenz spezifisch erbschaftsteuerrechtlicher Grenzen. Damit ist zugleich der Bogen geschlagen zu der bereits einleitend angesprochenen Grundlagendiskussion über das Verhältnis von Steuerund Zivilrecht.243 Für den vorliegenden Zusammenhang interessant ist vor diesem 240
Vgl. R E 5.2 Abs. 2 S. 1 ErbStR 2019. So insbesondere die ständige Rechtsprechung: BGH v. 11. 2. 2004 – XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81; v. 17. 10. 2007 – XII ZR 96/05, FamRZ 2008, 386; v. 21. 11. 2012 – XII ZR 48/11, FamRZ 2013, 269. 242 Vgl. BFH v. 27. 6. 2007 – II R 39/05, BFHE 217, 248 = BStBl. II 2007, 783 Rn. 14 in Bezug auf die erbschaftsteuerliche Beachtlichkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Indexierung des Anfangsvermögens bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs. 243 Siehe oben Abschn. § 2 A. II. 241
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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Hintergrund ein Ansatz von G. Crezelius, der sich Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts für eine grundsätzliche Maßgeblichkeit auch der Privatautonomie für das Steuerrecht ausgesprochen hat.244 Der Grundsatz der Privatautonomie – so G. Crezelius – sei nicht unbeschränkbar, sondern beinhalte seinerseits eine Selbstregulierungsfunktion, die gewährleiste, dass Zivilrechtsgesetzgebung und -rechtsprechung in Fällen gestörter Privatautonomie korrigierend eingriffen.245 Eine den Stellenwert des Steuerrechts in der Rechtsordnung erkennende Rechtsanwendung müsse daher die gewählte Gestaltung anerkennen und hinnehmen, solange sich die Beteiligten in dem Rahmen der durch das Zivilrecht gewährten Privatautonomie hielten.246 Solange kein Fall gestörter Privatautonomie vorliege, komme dem Zivilrecht in dem Verhältnis zum Steuerrecht somit die Führungsrolle zu.247 Dem ist zunächst zuzugeben, dass auch für den hier interessierenden Bereich des modifizierten Zugewinnausgleichs mit der Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen eine derartige Selbstregulierungsfunktion existiert. Diese bewegt sich wegen der Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs allerdings auf einem sehr niedrigschwelligen Kontrollniveau, was – auf der Grundlage der Anschauung von G. Crezelius – wiederum dazu führen würde, dass Modifizierungen des Zugewinnausgleichs auch in weitest möglichen Umfang erbschaftsteuerlich anzuerkennen wären. Das Argument mit der Selbstregulierungsfunktion, auf deren Effektivität G. Crezelius maßgeblich abstellt, verfängt wegen der Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs allerdings nicht in dem Maße, wie möglicherweise in anderen Rechtsbereichen. Hinzu kommt, dass der Selbstregulierungsgedanke primär den Interessenausgleich zwischen den beteiligten Privaten betrifft, nicht aber die hiervon strikt zu trennende Frage nach den Rechtsfolgen zivilrechtlicher Gestaltungen in dem Verhältnis zu dem Steuerstaat.248 Für den vorliegenden Zusammenhang interessanter ist daher ein Ansatz von T. Koller, der in Bezug auf den Umgang des Steuerrechts mit zivilrechtlichen Gestaltungen mehr „steuergerechtigkeitsbezogene Skepsis“ verlangt, je weniger Bindewirkung ein zivilrechtliches Institut entfalte und je größer die Gestaltungsfreiheit sei.249 Gleiches gelte, wenn ein Interessengegensatz zwischen den beteiligten Privaten fehle.250 Aus dem zunehmenden Ausbau der Sozialbindungen im Zivilrecht durch Gesetzgebung und Rechtsprechung leitet aber auch T. Koller die allgemeine Tendenz ab, dass das Steuerrecht dem Privatrecht gegenüber nicht mehr grundsätzlich so skeptisch zu sein braucht.251
244
G. Crezelius, Steuerrechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 330 ff. G. Crezelius, Steuerrechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 328 ff. 246 G. Crezelius, Steuerrechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 331. 247 G. Crezelius, Steuerrechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 334. 248 A. Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 51. 249 T. Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 396, 402. 250 T. Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 396, 403. 251 T. Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 396, 406. 245
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4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
Die Forderung nach mehr „steuergerechtigkeitsbezogener Skepsis“ ist zunächst zwar wenig greifbar, in Bezug auf das Institut des Zugewinnausgleichs lassen sich hieraus jedoch die folgenden Grundsätze herleiten: Der Zugewinnausgleich wird nach der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung von dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst und ist damit – im Vergleich zu den übrigen Scheidungsfolgen (bspw. Betreuungsunterhalt, Unterhaltsansprüche wegen Alters und Krankheit, Versorgungsausgleich) – mit der geringsten Bindungswirkung ausgestattet. Damit ist er der Dispositionsbefugnis von Ehegatten am weitesten zugänglich. Dies ist auch erbschaftsteuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen. Die geringe zivilrechtliche Bindungswirkung des Instituts des Zugewinnausgleichs kann jedoch auch zu – gleichberechtigt ausgehandelten – Eheverträgen führen, die nach dem übereinstimmenden Willen der Ehegatten dem primären Ziel der Steuerersparnis dienen, indem das steuerfreie Zugewinnausgleichsvolumen gegenüber den §§ 1372 ff. BGB erhöht wird (erhöhende Modifikation, bspw. durch Erhöhung der Teilhabequote auf über 50 %)252. Zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit nach den Grundsätzen der Ehevertragskontrolle dürfte man hier in den wenigsten Fällen kommen. Um in derartigen Fällen dennoch eine gleichmäßige Besteuerung nach der unentgeltlichen Leistungsfähigkeit sicherzustellen – und den nicht steuerbaren Erwerb aufgrund Zugewinnausgleichs von sonstigen unentgeltlichen (verdeckten) Erwerbsvorgängen abzugrenzen – bedarf es einer Grenzziehung für Erbschaftsteuerzwecke, die die widerstreitenden Prinzipien (Ehegestaltungsfreiheit vs. Leistungsfähigkeitsprinzip) bestmöglich zum Ausgleich bringt. bb) Erbschaftsteuerrechtliche Grenzen der Anerkennungsfähigkeit der Ehegestaltungsfreiheit Eine gesetzlich festgeschriebene Grenze für die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennungsfähigkeit von über das gesetzliche Maß hinausgehenden modifizierten Ausgleichsforderungen existiert nicht. Ihre Einführung war auch niemals vorgesehen. Über das „Ob“ einer solcher Grenze besteht jedoch aus den zuvor genannten Gründen (Missbrauchsgefahr) weitgehend Einigkeit. Der Bundesfinanzhof hat der Ehegestaltungsfreiheit so denn auch in zwei älteren Judikaten dort erbschaftsteuerrechtliche Grenzen gezogen, wo sie einem Ehepartner eine „überhöhte 252 Derartige güterrechtliche Vereinbarungen sind nach der allgemeinen Ansicht aufgrund der Ehegestaltungsfreiheit grundsätzlich zulässig, siehe nur B. Thiele in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1378 Rn. 36; J. Scheller / M. Sprink, in: BeckOK BGB (Stand: 11/2021), § 1378 Rn. 55. Auch steht § 311b Abs. 2 BGB einer Erhöhung der Teilhabequote aus § 1378 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehen, da die Vorschrift auf güterrechtliche Vereinbarungen (unstreitig) nicht anwendbar ist, vgl. B. Thiele, in: Staudinger BGB (Neub. 2017), § 1378 Rn. 36; C. Münch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1408 Rn. 10. Allerdings ist bei einer starken einseitigen Benachteiligung eines Ehegatten auf § 138 BGB zu achten, vgl. C. Budzikiewicz, in: Erman BGB (16. Aufl. 2020), § 1378 Rn. 22; J. Scheller / M. Sprink, in: BeckOK BGB (Stand: 11/2021), § 1378 Rn. 55.
C. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs nach § 5 ErbStG
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Ausgleichsforderung“ verschafft.253 In dem zeitlich jüngeren Urteil hat er dies weiter dahingehend konkretisiert, dass der „Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung“ nicht überschritten werden dürfe.254 Bis heute ist weitgehend unklar, bis zu welcher Grenze erhöhende Modifikationen erbschaftsteuerrechtlich noch anzuerkennen sind bzw. wann der Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung überschritten ist. Es besteht einzig Klarheit darüber, dass eine (steuerbare) überhöhte Ausgleichsforderung jedenfalls dann vorliegt, wenn ein Anfangsvermögen – obwohl zivilrechtlich zulässig – zu einem noch vor der Eheschließung liegenden Zeitpunkt zugrunde gelegt wird.255, 256 Das ist plausibel, wenn man bedenkt, dass nach den Grundgedanken der Zugewinngemeinschaft (nur) der ehezeitliche Vermögenserwerb als mitverursacht gilt und dies nach dem hier entwickelten Verständnis auch der Grund für die Steuerneutralität ist.257 Für einen Ausgleich vorehelich erworbenen Vermögens sind sachliche (güterrechtliche) Gründe dagegen nicht ersichtlich.258 Bestätigt wird dies auch durch die Wertung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wonach als Schenkung die Bereicherung gilt, die ein Ehegatte, der kein Vermögen oder das geringere Vermögen besitzt, durch die hälftige Beteiligung an dem neuen Gesamtgut der Gütergemeinschaft erfährt.259 Dieses umfasst in der Regel das gesamte – vorehelich erworbene – Vermögen beider Ehegatten. Vorehelich erworbenes Vermögen kann demnach niemals erbschaftsteuerneutral güterrechtlich ausgeglichen werden.260 Ein (eindeutiger) Fall der überhöhten Ausgleichsforderung dürfte vor diesem Hintergrund auch dann anzunehmen sein, wenn die 253
BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157, 229 = BStBl. II 1989, 897; v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843. 254 BFH v. 12. 7. 2005 – II R 29/02, BFHE 210, 470 = BStBl. II 2005, 843 Rn. 11: „Grenzen sind dieser Gestaltungsfreiheit erst dort gezogen, wo sie einem Ehepartner eine überhöhte Ausgleichsforderung dergestalt verschafft, dass der Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung überschritten wird.“. 255 So ausdrücklich BFH v. 28. 6. 1989 – II R 82/86, BFHE 157,229 = BStBl. II 1989, 897 Rn. 16. 256 Umgekehrt herrscht ebenso Einigkeit darüber, dass allein die rückwirkende Begründung der Zugewinngemeinschaft auf einen Tag vor dem Ehevertragsabschluss (und nach der Eheschließung) keine überhöhte Ausgleichsforderung begründet, vgl. ausdrücklich BFH v. 12. 5. 1993 – II R 37/89, BFHE 171, 330 = BStBl. II 1993, 739; FG Düsseldorf v. 14. 6. 2006 – 4 K 7107/02 Erb, EFG 2006, 1447. Sofern die Finanzverwaltung in R E 5.2 Abs. 2 S. 3 ErbStR 2019 dagegen schon die Vereinbarung eines Zeitpunkts vor „Vertragsabschluss“ als kritisch erachtet, ist dies vor dem Hintergrund des soeben Gesagten abzulehnen, siehe ebenso T. Wachter, FR 2020, 816 (824). 257 Siehe ausführlich oben Abschn. § 5 B. II. 258 Vgl. auch T. Wachter, FR 2020, 816 (823 f.). 259 So in der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, BT-Drs. VI/3418, S. 64. Die Begründung der Gütergemeinschaft stellt aus zivilrechtlicher Sicht demgegenüber keine Schenkung im Sinne von § 516 BGB dar, vgl. nur BGH v. 27. 11. 1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 Rn. 7 ff. 260 Wie gezeigt, sehen namentlich die Güterstände des nordischen Rechtskreises von Gesetzes wegen auch eine Partizipation an dem vorehelichen Vermögen beider Ehegatten vor, siehe oben Abschn. § 3 C. II. 1. Zur erbschaftsteuerlichen Behandlung aus deutscher Sicht siehe ausführlich unten Abschn. § 6 C. II.
218
4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
Ehegatten die gesetzliche Vorschrift zu den eheneutralen Erwerbstatbeständen (§ 1374 Abs. 2 BGB) – in ehevertraglich zulässiger Weise –261 abbedingen, da die dem Anfangsvermögen zuzuschlagenden Erwerbe (Erbfolge, Vermächtnis, Schenkung, Ausstattung) ebenfalls nicht auf die wechselseitigen Beiträge der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft zurückgeführt werden können und zudem die persönlichen Beziehungen des erwerbenden Ehegatten zu dem Zuwendenden im Vordergrund stehen.262 Im Zivilrecht ist vor diesem Hintergrund anerkannt, dass § 1374 Abs. 2 BGB eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift mit einer abschließenden Aufzählung der dem Anfangsvermögen zuzuschlagenden Fälle ist.263 Dies ist wiederum auch erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennen, sodass die – im Zivilrecht vielfach diskutierten – Fälle des Lottogewinns in der Zugewinngemeinschaft oder erhaltener Schmerzensgeldzahlungen im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG gleichsam zu berücksichtigen sind. Nimmt man diese eindeutigen (unstreitigen) Fälle einer überhöhten Ausgleichsforderung zum Anlass, sich weiterführende Gedanken zu der Frage zu machen, in welchen Fällen die erbschaftsteuerrechtlichen Grenzen der Ehegestaltungsfreiheit noch überschritten sind, so ergibt sich das Folgende: Die erbschaftsteuerrechtliche Grenze einer überhöhten Ausgleichsforderung ist überschritten, wenn sich erhöhende Modifikationen nicht mehr als Ausgleich für die wechselseitig erbrachten Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft darstellen, sondern primär andere (Bereicherungs-)Zwecke verfolgt werden.264 In derartigen Fällen, in denen die Bereicherung eines Ehegatten (verdeckter) Hauptzweck der Vereinbarung ist (Bereicherungswille), wird typischerweise auch deren güterrechtliche causa verdrängt, sodass – im Sinne der obigen Bundesfinanzhofrechtsprechung – auch eine Über-
261
Vgl. nur E. Koch, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2019), § 1374 Rn. 46. Vgl. z. B. BGH v. 16. 10. 2013 – XII ZB 277/12, NJW 2013, 3645 Rn. 14; K.-H. Muscheler, FamRZ 1998, 265 (266). 263 Siehe z. B. BGH v. 16. 10. 2013 – XII ZB 277/12, NJW 2013, 3645 Rn. 14 und C. Budzikiewicz, in: Erman BGB (16. Aufl. 2020), § 1374 Rn. 19 m. w. N. 264 Die vorgenommene Abgrenzung – Verfolgung von güterrechtlichen oder anderen (Bereicherungs-)Zwecken – ist auch aus anderen (Rechts-)Bereichen bekannt. Zum einen wird im Pflichtteilsrecht ein – zur Pflichtteilsergänzungspflicht führender – Umgehungscharakter von Eheverträgen angenommen, wenn sog. „ehefremde Zwecke“ verfolgt werden und die Vereinbarung nicht auf eine Ordnung der beiderseitigen Vermögen zum Zweck der Verwirklichung der Ehe gerichtet ist, vgl. nur W. Olshausen, in: Staudinger BGB (Neub. 2015), § 2325 Rn. 23. Zum anderen hat der BFH – vor der Einführung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – in der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft (nur) dann eine steuerbare Schenkung erkannt, wenn die Ehegatten den (Gütergemeinschafts-)Vertrag deshalb geschlossen haben, um den einen Ehegatten zu bereichern, „um also schon erbrechtliche Wirkungen herbeizuführen“, vgl. BFH v. 29. 1. 1964 – II 78/60 U, BFHE 78, 532 = BStBl. III 1964, 202 Rn. 9; v. 25. 5. 1966 – II 159/63, BFHE 86, 314 = BStBl. III 1966, 521 Rn. 6 f.). Diese Rechtsprechung könnte auch Anlass für die entsprechende Formulierung in R E 5.2 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019 gewesen sein, wonach eine überhöhte Ausgleichsforderung vorliegen soll, wenn mit den Ehevertragsvereinbarungen in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern „erbrechtliche Wirkungen“ herbei geführt werden sollen. 262
D. Zusammenfassende Betrachtung der Steuerfreiheit
219
schreitung des „Rahmens einer güterrechtlichen Vereinbarung“ anzunehmen ist.265 Soll mit der erhöhenden Modifikation dagegen nach den übereinstimmenden Wertvorstellungen der Ehegatten ein sachgerechter güterrechtlicher Ausgleich erreicht werden, scheidet die Annahme einer überhöhten Ausgleichsforderung als Folge der Ehegestaltungsfreiheit aus. Bei der Frage, ob sich eine erhöhende Modifikation noch als Ausgleich für die geleisteten Beiträge darstellt, muss den Ehegatten eine Art (subjektiver) Bewertungsspielraum zukommen, der seitens des zuständigen Finanzamts (nur) dahingehend zu überprüfen ist, ob güterrechtliche Gründe Hauptanlass für die erhöhende Modifikation waren und die Ehegatten ihren Bewertungsspielraum nicht überschritten haben. Dass güterrechtliche Gründe Hauptanlass für eine erhöhende Modifikation sind, kann etwa zweifelhaft sein, wenn diese nur für den Todesfall gelten soll. Allein der (rückwirkende) Zeitpunkt, zu dem ein Ehevertrag geschlossen wird, das Lebensalter oder die Lebenserwartung der Ehegatten lassen demgegenüber indes keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Ehevertrag vor allem um anderer als güterrechtlicher Gründe willen geschlossen wird.266 Denn Ehegatten steht es aufgrund der Ehegestaltungsfreiheit ebenso frei, zu jeder Zeit ihres ehelichen Zusammenlebens güterrechtliche Vereinbarungen zu treffen.
D. Zusammenfassende Betrachtung der Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs Der Ausgleich des Zugewinns bleibt unabhängig davon, auf welche Weise er zivilrechtlich-technisch verwirklicht wird, unbesteuert. Dass der Zugewinnausgleich stets unbesteuert zu belassen ist, folgt hierbei aus dem verfassungskräftigen Mitverursachungsgedanken, wonach der Vermögenserwerb in der Ehe auf den ökonomisch gleichwertigen Beiträgen beider Ehegatten beruht (Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG). Der Zugewinnausgleich dient vor dem Hintergrund dessen der Verwirklichung einer gleichmäßigen Aufteilung des gemeinschaftlich erwirtschafteten Vermögens. Dies führt zur Entgeltlichkeit der Entstehung des Zugewinnausgleichsanspruchs sowie der in dessen Erfüllung erfolgenden Vermögensübergänge auch aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht. Dies zu regeln, ist Aufgabe des § 5 ErbStG. Wegen der unterschiedlichen Zugewinnausgleichsmechanismen – erbrechtlicher und güterrechtlicher Zugewinnausgleich – besteht für das Erbschaftsteuerrecht dabei ein erhöhter Regelungsbedarf, denn der erbrechtliche Zugewinnausgleich ist in Gestalt des Erhöhungsviertels aus § 1371 Abs. 1 BGB Bestandteil des Erwerbs von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG). Diese Differenzierung liegt auch § 5 ErbStG zugrunde. Das Erhöhungsviertel bezweckt 265
Güterrechtliche Vereinbarungen sind im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass eine Ordnung der güterrechtlichen Beziehung in einer bestimmten Art und Weise bezweckt wird (güterrechtliche causa), vgl. BFH v. 25. 5. 1966 – II 159/63, BFHE 86, 314 = BStBl. III 1966, 521 Rn. 6. 266 Vgl. BFH v. 25. 5. 1966 – II 159/63, BFHE 86, 314 = BStBl. III 1966, 521 Rn. 9.
220
4. Kap.: § 5 Die Besteuerung des deutschen Zugewinnausgleichs
aus zivilrechtlicher Sicht eine Vereinfachung der Nachlassabwicklung sowie die Sicherung des Familienfriedens, indem eine rechnerische Ermittlung der Zugewinne im Erbfall unterbleibt. Zu diesem Zweck fingiert § 1371 Abs. 1 BGB die Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und Zugewinnanteil. Die benannten Zwecke des Erhöhungsviertels sind für die Erbschaftsbesteuerung jedoch nicht (unmittelbar) bedeutsam oder gar verbindlich. Vielmehr verfolgt die Erbschaftsteuer – heute anerkanntermaßen – eigenständige Prinzipien und Wertungen, namentlich die gleichmäßige Besteuerung eines unentgeltlichen Leistungsfähigkeitszuwachses. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses ist auch die in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG enthaltene und hier so bezeichnete Fiktionslösung zu verstehen, die die Existenz des Erhöhungsviertels aus § 1371 Abs. 1 BGB – im Wege einer weiteren (zweiten) Fiktion – quasi negiert. Steuerfrei ist nicht das Nachlassviertel, sondern die nur für Erbschaftsteuerzwecke zu fingierende Ausgleichsforderung. Ziel der Fiktionslösung ist es damit, den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, d. h. den tatsächlichen Zugewinn, unbesteuert zu belassen. Die mit dem Erhöhungsviertel verfolgten Zwecke werden hierdurch auch nicht aufgehoben, denn die Vereinfachungseffekte treten in dem Privatrechtsverhältnis des überlebenden Ehegatten zu den (Mit-)Erben nach wie vor ein. Aus dem Charakter eines nur fiktiven Zugewinnausgleichs ergeben sich jedoch auch einige Besonderheiten hinsichtlich der Höhe des steuerfreien Betrags: So ordnen die Sätze 2–6 in § 5 Abs. 1 ErbStG verschiedene Abweichungen von dem Güterrecht an. Die bedeutsamste Abweichung dürfte dabei in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG enthalten sein, wonach güterrechtliche Vereinbarungen der Ehegatten bei der betragsmäßigen Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung unbeachtlich bleiben. Dies gilt auch für die rückwirkende Datierung der Zugewinngemeinschaft (Satz 4). Der Grund hierfür liegt maßgebend darin begründet, dass in den von § 5 Abs. 1 ErbStG erfassten Fällen tatsächlich keine güterrechtliche Ausgleichsforderung existiert, die Gegenstand ehevertraglicher Modifikationen sein könnte. Diese würden sich somit nur erbschaftsteuerlich auswirken. Um dies zu verhindern, hat der Steuergesetzgeber in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG deren Unbeachtlichkeit konstitutiv angeordnet. Darin ist nach der Ansicht des Bundesfinanzhofs auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz der Ehe zu sehen, obwohl die Ehegestaltungsfreiheit auch erbschaftsteuerlich grundsätzlich anzuerkennen ist. Zur Begründung führt der Bundesfinanzhof die hier so bezeichnete „Ausweichoption“ an, die § 5 Abs. 2 ErbStG gegenüber § 5 Abs. 1 ErbStG bietet: Ehegatten haben sowohl zu Lebzeiten als auch im Erbfall verschiedene Möglichkeiten, den güterrechtlichen Zugewinnausgleich durchzuführen und so die Steuerfreiheit auch für abweichende güterrechtliche Vereinbarungen – einschließlich der rückwirkenden Datierung der Zugewinngemeinschaft – zu erreichen. Das Bestehen dieser Ausweichoption als solche trägt nach der hier entwickelten Ansicht somit wesentlich dazu bei, dass die Regelungen in § 5 Abs. 1 S. 2 und 4 ErbStG nicht verfassungswidrig sind, weil sie – eben wegen der Ausweichmöglichkeit – keine übermäßige Belastung für den betroffenen (überlebenden) Ehegatten entfalten.
D. Zusammenfassende Betrachtung der Steuerfreiheit
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Der wesentliche Bedeutungsgehalt der Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG besteht – bei einer gesamthaften Normbetrachtung – vor diesem Hintergrund somit darin, dass in Fällen der güterrechtlichen Abwicklung einer Zugewinngemeinschaft die Nichtsteuerbarkeit auch hinsichtlich des ehevertraglich modifizierten Teils der tatsächlichen Ausgleichsforderung gilt. Dies liegt darin begründet, dass auch das Erbschaftsteuerrecht die bürgerlich-rechtliche Gestaltungsfreiheit von Ehegatten anerkennen muss. Geschriebene Einschränkungen sind in § 5 Abs. 2 ErbStG daher nicht enthalten. Der Bundesfinanzhof setzt der erbschaftsteuerrechtlichen Anerkennungsfähigkeit der Gestaltungsfreiheit von Ehegatten jedoch dort Grenzen, wo sie einem von ihnen eine „überhöhte Ausgleichsforderung“ dergestalt verschafft, dass der „Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung“ überschritten wird. Wann dies konkret der Fall ist, ist bis heute weitgehend unklar. Nach der hier entwickelten Ansicht kommt es für das Vorliegen einer überhöhten Ausgleichsforderung wesentlich darauf an, dass sich die erhöhende Modifizierung nicht mehr als ein Ausgleich für die wechselseitig erbrachten Beiträge der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft darstellt.
Fünftes Kapitel
§ 6 Ausländische Güterstände im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG A. Überblick und Problemaufriss Entsprechend dem eingangs formulierten Prüfungsprogramm verfolgt die Untersuchung in diesem letzten Abschnitt das primäre Ziel herauszuarbeiten, ob und inwieweit auch ausländische Güterstände von dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG erfasst werden, welche Kriterien für eine Vergleichbarkeit mit der deutschen Zugewinngemeinschaft erbschaftsteuerlich maßgebend sind und ob eine Erstreckung des Anwendungsbereichs auf ebendiese ausländischen Güterstände sogar zur richtigen Abbildung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Ehegatten sowie durch die europäischen Grundfreiheiten (Kapitalverkehrsfreiheit, Diskriminierungsverbot) geboten ist. § 5 ErbStG ist – wie auch sonst das Erbschaftsteuergesetz in weiten Teilen – auf das deutsche Güter- und Erbrecht zugeschnitten, benutzt dessen Terminologien und verweist vielfach auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.1 Damit stellt sich das bisher kaum thematisierte Problem, wie im Bereich internationaler Ehegattenerbfälle2 erbschaftsteuerlich zu verfahren ist, für die aufgrund des Internationalen Privatrechts bzw. einer güterrechtlichen Rechtswahl ein ausländisches Güterrechtsstatut gilt (Art. 15 Abs. 1; 14 EGBGB a. F. bzw. Art. 22; 26 EuGüVO für Eheschließungen ab dem 29. 1. 2019). Die zivilrechtliche Planung und Abwicklung entsprechender Erbfälle ist in jüngerer Zeit durch die EuGüVO und EuErbVO vereinfacht worden,3 wohingegen das deutsche Erbschaftsteuerrecht unverändert geblieben ist.4 Eine EU-weite Gesetzgebung im Bereich der Erbschaftsbesteue 1
Zum Verständnis dieser Zivilrechtsanbindung im rein nationalen Kontext siehe oben Abschn. § 2 A. II. 1. und 2. 2 Ein „internationaler Ehegattenerbfall“ ist für Zwecke der vorliegenden Untersuchung dadurch gekennzeichnet, dass ein Bezug zu mehreren Ländern vorliegt, etwa dergestalt, dass (1) die Ehegatten in einem anderen als ihrem (gemeinsamen) Herkunftsland leben, (2) das Güterechts- und Erbstatut unterschiedlichen Rechtsordnungen unterfallen oder (3) der verstorbene Ehegatte Vermögenswerte in mehreren Ländern besaß, siehe Europäische Kommission, Grenzüberschreitende Erbfälle, https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/61afb4c0a71b-11e7-837e-01aa75ed71a1 (Stand: 8. 1. 2022). Konservativen Schätzungen zufolge sind etwa 500.000 Familien pro Jahr von einem derartigen grenzüberschreitenden Erbfall betroffen. 3 Siehe hierzu aus zivilrechtlicher Sicht bereits oben Abschn. § 3 B. 4 Nach einer Mitteilung der Europäischen Kommission v. 15. 12. 2011 an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zählt die Besteuerung grenzüberschreitender (Ehegatten-)Erbfälle allerdings zu den 20 wichtigsten Problemen,
A. Überblick und Problemaufriss
223
rung gibt es nicht und ist auch nicht geplant. Auch hat Deutschland mit nur sechs Staaten Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern geschlossen.5 Aus dem reinen Gesetzeswortlaut des § 5 ErbStG könnte man schlussfolgern, dass nicht in deutscher Zugewinngemeinschaft lebende – unbeschränkt oder beschränkt erbschaftsteuerpflichtige – Ehegatten, deren ausländischer Güterstand durch den Tod oder auf eine andere Weise beendet wird, von ihrem in Deutschland steuerpflichtigen Erwerb keinen Betrag nach § 5 ErbStG in Abzug bringen können. Obwohl dieser Schluss nicht ganz fernliegt, gibt es niemanden, der annimmt, dass der Wortlaut des § 5 ErbStG die Berücksichtigung ausländischer Güterstände schlechterdings ausschließt. Auch wenn sich die Finanzverwaltung hierzu noch nicht expressis verbis geäußert hat, hat sie laut M. Reich mittels verbindlicher Auskunft in einem wichtigen Einzelfall die Vergleichbarkeit namentlich der Errungenschaftsbeteiligung nach Schweizer Recht mit der deutschen Zugewinngemeinschaft im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG bejaht.6 Dies könnte im Umkehrschlussschluss darauf hindeuten, dass auch nach Finanzverwaltungsauffassung ausländische vergleichbare Güterstände von der Befreiungsregelung grundsätzlich erfasst sein sollen.7 Für diese Sichtweise wird – neben unionsrechtlichen Aspekten – regelmäßig ein älteres Bundesfinanzhof-Urteil aus dem Jahr 19758 angeführt.9 Dieses ist noch zu der bis 1974 geltenden Rechtslage ergangen, als sich § 5 ErbStG im Wesentlichen inhaltsgleich in § 6 ErbStG 1959 fand. In dem Urteilsmit denen sich Bürger (und kleinere Unternehmen) bei der Entfaltung grenzüberschreitender Aktivitäten konfrontiert sehen, vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Abbau grenzüberschreitender Erbschaftsteuerhindernisse in der EU, KOM(2011) 864 endg., Mitteilung der Europäischen Kommission v. 15. 12. 2011 an das Europäische Parlament, https://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011DC0864&from=EN (Stand: 8. 1. 2022). 5 Dies sind: Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden, Schweiz und die Vereinigten Staaten, vgl. BMF v. 18. 2. 2021, BStBl. I 2021, 265, Anlage 1 Ziff. 2. 6 Vgl. M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 6. 7 J. Kotzenberg weist in Scherer, MAH Erbrecht (5. Aufl. 2018), § 34 Rn. 38, dagegen darauf hin, dass die überwiegende Finanzverwaltung die Auffassung vertrete, dass der besondere Ehegattenfreibetrag des § 5 Abs. 1 ErbStG nur bei der deutschen Zugewinngemeinschaft gewährt werden könne, nicht jedoch bei Zugewinngemeinschaften ausländischen Rechts. Die Schweizer Errungenschaftsbeteiligung soll wegen ihrer großen Ähnlichkeit zur deutschen Zugewinngemeinschaft allerdings von § 5 ErbStG erfasst sein. 8 BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447. 9 Zum Literaturstand insgesamt: C. von Oertzen, ZEV 1994, 93; J. P. Meincke, ZEV 2004, 353 (357, 358); A. Schnitger, FR 2004, 185 (191); C. Jeremias, ZEV 2005, 414; I. Brinkmann, Europarechtsverstöße im deutschen Erbschaftsteuerrecht, S. 187 ff.; H. Flick / D. J. Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Rn. 1324 ff.; T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 645 (669); M. Reich in: Loose / von Oertzen, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 6; P. R. Gottschalk, in: T / G/J / J, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 203; C. Meßbacher-Hönsch, in: Götz / MeßbacherHönsch, ErbStG (Stand: 12/2020), § 5 Rn. 42 f.; T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 98; C. Griesel, in: Daragan / Halaczinsky / Roedel, ErbStG (3. Aufl. 2017), § 5 Rn. 6, 42; H.-U. Viskorf, in: Viskorf / Schuck / Wälzholz, ErbStG (6. Aufl. 2020), § 5 Rn. 12; S. Thonemann-Micker, in: BeckOK ErbStG (Stand: 6. Edition, 1. 1. 2020), § 5 Rn. 15, 226 ff.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
fall waren die Ehegatten in dem gesetzlichen Güterstand der damaligen DDR – der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch – verheiratet, der nach Ansicht des Bundesfinanzhofs der (bundes-)deutschen Zugewinngemeinschaft gleichzustellen war. Dabei galt allerdings die historische Besonderheit, dass die Ehegatten zuvor aus der sowjetischen Besatzungszone in die Bundesrepublik hinzugezogen waren und die Ehe vor dem 1. 10. 1969 durch den Tod eines von ihnen beendet wurde. Dieses Datum ist deshalb bedeutsam, weil mit Wirkung zum 1. 10. 1969 die von aus der sowjetischen Besatzungszone hinzugezogener Ehegatten mitgebrachten gesetzlichen Güterstände in die (bundes-)deutsche Zugewinngemeinschaft ipso iure übergeleitet wurden.10 Von der gesetzlichen Regelung in § 6 ErbStG 1959 waren damit nur solche überlebenden Ehegatten nicht betroffen, deren Ehe durch den Tod des anderen vor dem 1. 10. 1969 aufgelöst wurde. Für eine unterschiedliche Behandlung derjenigen, für die der Güterstand der Zugewinngemeinschaft am 1. 10. 1969 gesetzlicher Güterstand wurde, und derjenigen, deren Ehe zuvor beendet wurde, erkannte der Bundesfinanzhof aber keine hinreichenden Gesichtspunkte.11 Diese Eigenheiten des Sachverhalts machen hinreichend belastbare Aussagen zur Anwendung des § 5 ErbStG auf Auslandsgüterstände jedoch schwierig.12 Vor allem ist auch im Unklaren geblieben, welche einheitlichen und allgemeingültigen Kriterien an die Vergleichbarkeit zu stellen sind. Methodisch war jedoch die entsprechende Vorgehensweise in BFHE 115, 277 – worauf noch näher einzugehen sein wird – auch auf Grundlage der heutigen Rechtsprechung zur erbschaftsteuerlichen Tatbestandwirkung von Auslandserwerben nur konsequent. Die Frage, auf welcher Grundlage und in welchen Fällen eine Vergleichbarkeit ausländischer Güterstände mit der deutschen Zugewinngemeinschaft gegeben ist, hat bisher kaum Eingang in die übergreifende Diskussion über die erbschaftsteuerliche Tatbestandswirkung von Auslandserwerben gefunden, obwohl sie – insbesondere nach Inkrafttreten der EuGüVO – für die Erbschaftsteuerpraxis von überragender Bedeutung ist. Im Vordergrund der wenig vorhandenen Betrachtungen stehen Einzelanalysen, während es an Ansätzen fehlt, die die problem- und rechtsordnungsübergreifende Dimension der Fragestellung in den Blick nehmen und verallgemeinerungsfähige Lösungswege herauszubilden suchen. Das dürfte auch auf die Vielschichtigkeit der vorhandenen internationalen Güterrechte zurückzuführen sein, die sich bei überschlägiger Betrachtung kaum auf einen Nenner bringen lassen. Wie gezeigt, ist jedoch nicht nur eine Grobeinteilung möglich.13 Mit der häufig auch verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung von Ehegatten und der hieraus folgenden Gleichwertigkeit ihrer in der Ehe erbrachten Beiträge, die in einer Vielzahl der internationalen Güterrechtsordnungen eine ehebedingte Teilhabe rechtfertigt, existieren überraschende Übereinstimmungen 10 Mit dem Gesetz über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen v. 4. 8. 1969, BGBl I 1969, 1067. 11 BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 23. 12 Vgl. auch T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 645 (671). 13 Siehe hierzu ausführlich § 3 der vorliegenden Untersuchung.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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in den teleologischen Grundlagen der verschiedenen Güterrechte.14 Die nachfolgenden Erwägungen werden erweisen, dass sich speziell auch für die Frage des erbschaftsteuerlichen Güterstandvergleichs übergreifende Kriterien finden lassen, wobei hierbei auch dem immerwährenden Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung hinreichend Rechnung zu tragen ist. Diese sollen in dem letzten Teil der Untersuchung anhand eines praktischen Güterstandvergleichs erprobt werden, in dessen Rahmen eine erbschaftsteuerliche Vergleichbarkeit nach den dort gefundenen Ergebnissen nahe liegt (oder nicht).
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände I. Anwendbarkeit eines ausländischen Güterrechtsstatuts im deutschen Erbschaftsteuerrecht Mitunter gelangt bei einem internationalen Ehegattenerbfall nicht deutsches Güterrecht zur Anwendung, sondern das auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Zivilrecht richtet sich vielmehr nach einem ausländischen Güterrechtsstatut. Dies kann internationalprivatrechtlich z. B. dann der Fall sein, wenn die Ehegatten ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland haben (vgl. Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO). Das Erbschaftsteuerrecht vollzieht diesen durch das Internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) vorgegebenen Normanwendungsbefehl betreffend die Anwendbarkeit in- oder ausländischen Güterrechts steuerlich nach.15 Auch für Besteuerungszwecke ist fortan bei der Ermittlung des Güterrechtsstatuts und des einschlägigen Güterstands damit maßgeblich auf das Heiratsdatum abzustellen. Liegt dieses nach (ab) dem 28. 1. 2019, gelten uneingeschränkt die neuen Kollisionsregeln der EuGüVO. Liegt das Heiratsdatum davor, so ist danach zu fragen, ob die Ehegatten eine Güterrechtswahl getroffen haben. Liegt eine Rechtswahl vor und wurde diese nach dem 28. 1. 2019 wirksam getroffen, so ist ebenfalls (unabhängig von dem Heiratsdatum) die EuGüVO anwendbar.16 Liegt das Heiratsdatum dagegen vor dem 29. 1. 2019 bzw. wurde eine güterrechtliche Rechtswahl zuvor errichtet, so gelten aus deutscher Sicht weiterhin die alten Kollisionsregeln des EGBGB fort. Die nachfolgende Übersicht zeigt anhand von Kurzbeispielen, in welchen praxisrelevanten Konstellationen ein ausländisches Güterrechtsstatut auf den internationalen Ehegattenerbfall zur Anwendung gelangt:17 14
Siehe schon oben Abschn. § 3 C. Vgl. z. B. BFH v. 12. 5. 2970 – II 52/64, BFHE 105, 44 = BStBl. II 1972, 462 Rn. 8 (zur deutschen Erbschaftsteuer bei Erbrechtsnachfolge nach dem (Erb-)Recht des Staates New York); v. 4. 7. 2002 – III R 8/01, BFHE 199, 407 = BStBl. II 2002, 760 Rn. 17 (zur Verbindlichkeit einer Unterhaltspflicht nach ausländischem (türkischen) bürgerlichen Recht nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 18 Abs. 1, 3 und 6 EGBGB a. F.). 16 C. Döbereiner / S . Frank, Internationales Güterrecht für die Praxis, S. 3. 17 Die sich aus Art. 220 Abs. 3 EGBGB ergebenden Besonderheiten für solche Ehen, die nach dem 31. 3. 1953 und vor dem 9. 4. 1983, sowie solche die vor dem 1. 4. 1953 geschlossen 15
226
5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände Ehe wurde vor dem 29.1.2019 geschlossen (Art. 15; 14 EGBGB a.F.)
1) Ehegatten haben eine vorrangige güterrechtliche Rechtswahl getroffen
Ehe wurde nach dem 29.1.2019 geschlossen (EuGüVO)
Var. 1: Die Ehegatten haben unter- Var. 1: wie links, siehe Art. 22 Abs. 1 schiedliche Staatsangehörigkeiten (z.B. lit. b EuGüVO. deutsch / schweizerisch). Sie wählen das Güterrecht der Schweiz (Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB a.F.). Var. 2: Einer der beiden Ehegatten hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sondern z.B. in der Türkei. Die Ehegatten wählen das Güterrecht der Türkei (Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB a. F.).
Var. 2: wie links, siehe Art. 22 Abs. 1 lit. a EuGüVO. Die Ehegatten begründen sodann einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Luxemburg. Per güterrechtlicher Rechtswahl erklären sie luxemburgisches Güterrecht für anwendbar.
Var. 3: Die Ehegatten haben Grundbesitz Var. 3: Die Rechtswahlmöglichkeit der in Frankreich. Betreffend diesen wäh- lex rei sitae ist unter der EuGüVO entlen sie französisches Güterrecht (Art. 15 fallen. Abs. 2 Nr. 3 EGBGB a. F.) (Folge: Güterrechtsspaltung). 2) Ehegatten haben keine güterrechtliche Rechtswahl getroffen (Regelanknüpfung nach der Kegel’schen Leiter)
Var. 1: Die Ehegatten sind beide britische Staatsangehörige mit (erstem) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Aus deutscher Sicht gelangt wegen der gemeinsamen Staatsangehörigkeit gem. Art. 15 Abs. 1; 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F. britisches (ungeschriebe nes) „Güterrecht“ zur Anwendung.
Var. 1: Die Ehegatten sind beide deutsche Staatsangehörige mit (erstem) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien. Aus deutscher Sicht gelangt wegen des Aufenthaltsprinzips gem. Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO nunmehr vorrangig britisches (ungeschriebenes) „Güterrecht“ zur Anwendung.
Var. 2: Die Ehegatten haben unterschiedliche Staatsangehörigkeiten. Zum Zeitpunkt der Eheschließung haben sie ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich. Später verlegen sie diesen nach Deutschland. Aus deutscher Sicht gelangt wegen der Unwandelbarkeit des Güterstatus französisches Güterrecht zur Anwendung (Art. 15 Abs. 1; 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB a. F.).
Var. 2: Die Ehegatten sind beide österreichische Staatsangehörige. Einen ersten gemeinsamen Aufenthalt haben sie nach der Eheschließung nicht. Aus deutscher Sicht gelangt gem. Art. 26 Abs. 1 lit. b EuGüVO wegen der (nun) auf zweiter Stufe maßgeblichen gemeinsamen Staatsangehörigkeit österreichisches Güterrecht (das dem englischen Recht ähnelt) zur Anwendung.
Abb. 2: Überblick über das anwendbare Güterrecht
Namentlich der Kreis der wählbaren Güterrechte im Geltungsbereich der EuGüVO entspricht damit weitestgehend dem im bisherigen Art. 15 Abs. 2 EGBGB a. F. Es gilt allerdings die wichtige Einschränkung, dass die EUGüVO die Wahl des Rechts am Lageort für unbewegliches Vermögen (lex rei sitae) nicht mehr zulässt, wurden, bleiben in der abgebildeten Übersicht unberücksichtigt. Entsprechendes gilt mit Blick auf die Gebiete der ehemaligen DDR, für die Art. 236 § 3 EGBGB zu beachten sind. Die Ausführungen gelten zudem entsprechend für eine vor oder nach dem 29. 1. 2019 getroffene güterrechtliche Rechtswahl.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
227
um Fälle einer – als unerwünscht angesehenen – Güterrechtsspaltung künftig zu vermeiden.18 Treffen die Ehegatten dagegen keine Güterrechtswahl, enthält Art. 26 EuGüVO eine Anknüpfungsleiter ähnlich zu Art. 15 Abs. 1; 14 Abs. 1 EGBGB a. F. Hierbei besteht allerdings der fundamentale Unterschied, dass die Reihenfolge der ersten beiden Stufen dieser Anknüpfungsleiter nunmehr umgedreht ist.19 Der eheliche Güterstand unterliegt damit nicht mehr primär dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten (Staatsangehörigkeitsprinzip), sondern vielmehr dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben (Aufenthaltsprinzip). Das so ermittelte Güterrechtsstatut ist auch im Geltungsbereich der EuGüVO grundsätzlich unwandelbar, sodass sich eine spätere Verlegung des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts oder ein Wechsel der Staatsangehörigkeit der Ehegatten auf den einschlägigen Güterstand nicht auswirken. Den Ehegatten bleibt es allerdings unbenommen, das auf ihren ehelichen Güterstand anwendbare Recht jederzeit durch eine Güterrechtswahl neu zu bestimmen. Im Hinblick auf die nach § 5 ErbStG geforderte Beendigung einer Zugewinngemeinschaft im Sinne von § 1363 BGB sind Fälle problematisch, in denen eine (erweitert) unbeschränkte oder (erweitert) beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz besteht, sich das auf den ehelichen Güterstand anwendbare Recht internationalprivatrechtlich aber nach einem ausländischen Güterrechtsstatut richtet. Diese Fälle dürften sich im Hinblick auf die Anpassungen durch die EuGüVO weiter häufen, sofern die Ehegatten keine güterrechtliche Rechtswahl zugunsten des deutschen (Heimat-)Güterrechts treffen bzw. getroffen haben. Zu denken ist etwa an den Fall, dass ein deutscher Staatsangehöriger nach seinem Studium in Boston lieber in den USA bleiben möchte, hier nach der Eheschließung den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt mit seinem Ehepartner begründet und erst nach einigen Jahren wieder nach Deutschland zurückkehrt.20 Betroffen sind gemeinhin all die Fälle, in denen Ehegatten, oder auch nur ein verheirateter Erblasser, ihren bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach der Eheschließung vom Ausland nach Deutschland verlegen („Zuzügler“).21 Umgekehrt bleiben auch weiterhin solche Fälle von Relevanz, in denen Ehegatten mit einem gemeinsamen ausländischen Heimatrecht die Ehe vor dem 29. 1. 2019 geschlossen haben oder gemäß Art. 15 Abs. 2 EGBGB a. F. bzw. Art. 22 EuGüVO eine güterrechtliche Rechtswahl zugunsten eines ausländischen Güterrechtsstatuts getroffen haben bzw. treffen. Dies zeigt wiederum, dass die alten Kollisionsregeln des EGBGB sowie das neue EuGüVO-Kollisionsrecht noch viele Jahre nebeneinanderstehen werden und dem Rechtsanwender sowie dem Erbschaftsteuerfinanzamt damit ein hohes Maß an Differenzierung abverlangen. 18
C. Döbereiner, MittBayNot 2018, 405 (413). C. Döbereiner / S . Frank, Internationales Güterrecht für die Praxis, Rn. 117; R. Sieghörtner, in: Hüßtege / Mansel, BGB (3. Aufl. 2019), Art. 26 EuGüVO Rn. 1. 20 Vgl. C. von Oertzen, ZEV 2018, 557 (561). 21 Vgl. T. Wachter, ErbStB 2018, 206 (206, 212). 19
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
II. Problemstellung Verdeutlicht werden soll die erbschaftsteuerrechtliche Problematik zunächst an dem Beispiel der Errungenschaftsbeteiligung nach Schweizer Recht: Beispiel: Ein Schweizer Staatsangehöriger (E) verstirbt nach dem Inkrafttreten der uErbVO am 17. 8. 2015 mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt (Wohnsitz) in E Deutschland. E hinterlässt kein Testament und wird mangels erbrechtlicher Rechtswahl nach deutschem Erbrecht beerbt (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO).22 Alleiniger Erbe ist der ebenfalls in Deutschland wohnhafte überlebende Ehegatte B. Der Nachlass besteht aus Barmitteln in Höhe von 1 Mio. € (= Wert der Bereicherung), die der Erblasser während der Ehe erwirtschaftet hat. Der Nachlass stellt somit in vollem Umfang ausgleichspflichtiges Vermögen (Zugewinn, Errungenschaft) dar. B hat während der Ehe kein nennenswertes Vermögen gemacht. Alternative a) deutsche Zugewinngemeinschaft: Die Ehegatten waren in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet. Ehevertragliche Vereinbarungen haben sie nicht getroffen. Der wegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unbeschränkt steuerpflichtige B kann von dem Wert seines Erwerbs (1 Mio. €) zunächst gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG den Betrag in Abzug bringen, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung fiktiv geltend machen könnte, d. h. vorliegend 500.000 €. Von der verbleibenden Bereicherung ist sodann noch der persönliche Ehegattenfreibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG abzuziehen, sodass B im Ergebnis keine Erbschaftsteuer zu entrichten hat. Alternative b) Errungenschaftsbeteiligung nach Schweizer Recht: Die Ehegatten haben – bei ansonsten gleichem Sachverhalt – zulässigerweise Schweizer Recht als das auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendende Güterrecht bestimmt (Art. 26 Abs. 1 lit. b EuGüVO). Andere Vereinbarungen haben sie nicht getroffen, sodass sie im gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung23 leben. Die Errungenschaftsbeteiligung nach Schweizer Recht beruht – wie die deutsche Zugewinngemeinschaft – auf dem Prinzip der Gütertrennung während der Ehe und sieht bei deren Beendigung eine hälftige Teilung des sogenannten Vorschlags24 vor (Vorschlagsanspruch). Bei dem Vorschlagsanspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch. Da B Alleinerbe nach seinem 22
Der Fall verkompliziert sich weiter, wenn (i) der Erblasser vor dem Inkrafttreten der uErbVO verstorben wäre, da sich in diesem Fall das anwendbare Erbrecht aus deutscher E Sicht gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates richtet, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte (hier: Schweiz), oder (ii) der Erblasser nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO eine Erbrechtswahl zugunsten seines schweizerischen Heimatrechts getroffen hätte. In diesen Fällen stellt sich zusätzlich die Frage, wie ein Erwerb nach ausländischem Erbrecht im Anwendungsbereich des ebenfalls zivilrechtlich angebundenen § 3 ErbStG erbschaftsteuerlich zu behandeln ist. 23 Siehe ausführlich oben Abschn. § 3 C. II. 2. sowie unten unter C. VIII. 24 Vgl. Art. 210 Abs. 1 CH-ZGB sowie schon oben in Abschn. § 3 C. II. 2.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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Ehegatten ist, findet eine tatsächliche güterrechtliche Auseinandersetzung der Errungenschaftsbeteiligung nicht statt.25 In seiner Erbschaftsteuererklärung macht B nicht nur den persönlichen Freibetrag aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geltend, sondern verweist auf die Nichtsteuerbarkeit eines Betrags im Umfang des Zugewinnausgleichs- bzw. Vorschlagsanspruchs nach § 5 ErbStG.26 Das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt verweigert jedoch den Abzug eines Betrags im Umfang des Vorschlagsanspruchs unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift. Es setzt bei der Verbescheidung der Erbschaftsteuererklärung einen erbschaftsteuerbaren und -pflichtigen Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) im Umfang von 500.000 € fest, sodass B – bei wirtschaftlicher Betrachtung – auf den Vorschlagsanspruch deutsche Erbschaftsteuer zu entrichten hat. Die Rechtsauffassung des Erbschaftsteuerfinanzamts führt in der Alternative b) im Prinzip dazu, dass die in der Errungenschaftsbeteiligung erbrachten gleichwertigen Beitragsleistungen beider Ehegatten aus deutscher erbschaftsteuerrechtlicher Sicht nicht anerkannt bzw. honoriert werden, obwohl nach den parallelen Wertungen des schweizerischen Güterrechts ein Ausgleich für Miterwerb gegeben ist. Hieran wird deutlich, dass bei einem wortlautgetreuen Verständnis der in § 5 ErbStG enthaltenen Verweisungen die steuerliche Belastung des überlebenden Ehegatten trotz wertungsmäßig gleichliegender Tatbestände – je nach einschlägigem Güterrechtsstatut – dennoch unterschiedlich ausfällt:27 Erbschaftsteuerbelastung deutsche Zugewinngemeinschaft 1. Erwerb von Todes wegen §§ 1 Abs. 1 Nr. 2; 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2. abzgl. abzugsfähiger Nachlassverbindlichkeiten = Wert der Bereicherung des überlebenden Ehegatten 3. abzgl. steuerfreier Zugewinnausgleich § 5 Abs. 1 ErbStG abzgl. persönlicher Freibetrag § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 4. steuerpflichtiger Erwerb 5. Erbschaftsteuer Erbschaftsteuerbelastung schweizerische Errungenschaftsbeteiligung 1. Erwerb von Todes wegen §§ 1 Abs. 1 Nr. 2; 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2. abzgl. abzugsfähiger Nachlassverbindlichkeiten = Wert der Bereicherung des überlebenden Ehegatten 3. kein steuerfreier Zugewinnausgleich § 5 Abs. 1 ErbStG (da nicht begünstigter Vorschlagsanspruch) abzgl. persönlicher Freibetrag § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 4. steuerpflichtiger Erwerb 5. Erbschaftsteuer (Steuersatz: 15 %)
1.000.000,00 € – € 1.000.000,00 € −500.000,00 € −500.000,00 € – € – € 1.000.000,00 € – € 1.000.000,00 € – € −500.000,00 € 500.000,00 € 75.000,00 €
Belastungsvergleich Zugewinngemeinschaft / Errungenschaftsbeteiligung 25 Damit dürfte in dem gebildeten Beispielsfall mangels tatsächlicher güterrechtlicher Auseinandersetzung ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 ErbStG gegeben sein, siehe auch unten Abschn. § 6 B. VI. 2. a). 26 Siehe ausführlich unten Abschn. § 6 C. VIII. 27 Der in § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG enthaltene Pauschbetrag von 10.300 € bleibt außer Betracht.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
III. Methodische Vorüberlegungen und Herleitungen Die unterschiedliche Behandlung wertungsmäßig gleichliegender Tatbestände begründet nach der allgemeinen juristischen Methodenlehre allerdings einen Wertungswiderspruch, dessen Vermeidung eine Forderung an den Gesetzgeber wie auch an den Interpreten eines Gesetzes ist.28 Eine geeignete Methode zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist für den Gesetzesinterpreten dabei die objektiv-teleologische Auslegung.29 Sie arbeitet mit dem inneren System der Steuerrechtsordnung oder zumindest innerhalb ein und derselben Steuerart, indem verallgemeinerungsfähige gesetzgeberische Wertungen und Prinzipien (insbesondere: Leistungsfähigkeitsprinzip) bei dem Normverständnis herangezogen werden.30 Bei einem zu engen Gesetzeswortlaut gewährleistet die objektiv-teleologische Auslegung namentlich durch Extension und andere verwandte Schlussverfahren31, dass die nicht von einer Regelung erfassten Fälle gleich behandelt werden, sofern und soweit sie im Licht der maßgeblichen gesetzgeberischen Wertung (ratio legis) mit dem geregelten Fall vergleichbar sind und eine Regelungslücke vorliegt. Die auszulegende Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d. h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer von dem Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung möglicherweise als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig anzusehen ist („rechtspolitischer Fehler“), reicht hierbei nicht aus.32 Die Unvollständigkeit muss sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck ergeben und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen. Zu der Kategorie der objektiv-teleologischen Auslegung zählt darüber hinaus die systemati 28
F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 455; K. L arenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 334. 29 Zur objektiv-teleologischen Auslegung vgl. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (2. Aufl. 1991), S. 449 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (3. Aufl. 1975), S. 319 ff.; J. Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 5 Rn. 50. Daneben existiert die subjektiv-teleologische Auslegung, die auf die Regelungsabsicht und die Normvorstellung des (historischen) Gesetzgebers abstellt, die zur Verabschiedung der auszulegenden Norm geführt haben. Diese ist in dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG und im Hinblick auf die Erfassung von Auslandssachverhalten allerdings wenig ergiebig. 30 Sog. wertungsjuristischer Methodenansatz, vgl. J. Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 5 Rn. 49. 31 Insbesondere: Analogie, Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze. Als (Einzel-)Analogie bezeichnet man gemeinhin die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer Norm auf einen ähnlichen, gesetzlich jedoch nicht geregelten Fall. Als Voraussetzungen werden eine planwidrige Regelungslücke und die (im Wege einer wertenden Betrachtung festzustellende) Gleichheit der Sachlagen genannt, siehe F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (2. Aufl. 1991), S. 474 f., 477; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (3. Aufl. 1975), S. 370 ff., 381 ff. 32 Vgl. z. B. BFH v. 14. 9. 1994 – I R 136/93, BFHE 175, 406 = BStBl. II 1995, 382 Rn. 21; v. 12. 10. 1999 – VIII R 21/97, BFHE 190, 343 = BStBl. II 2000, 220 Rn. 16; v. 26. 2. 2002 – IV R 39/01, BFHE 199, 374 = BStBl. II 2002, 697 Rn. 22; v. 29. 3. 2006 – X R 55/04, BFH / N V 2006, 1641 Rn. 22; v. 11. 2. 2010 – V R 38/08, BFHE 229, 385 = BStBl. II 2010, 873 Rn. 21.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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sche Interpretation, bei der aus einer normlogischen Zusammenschau mit anderen Einzelvorschriften heraus die betroffene Norm verstanden wird.33 Hinzu kommt im Weiteren das Erfordernis, innerstaatliche Vorschriften unionsrechtskonform auszulegen (für die Erbschaftsteuer insbesondere: Kapitalverkehrsfreiheit), d. h. in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu verstehen und auch entsprechend anzuwenden.34 Eine durch die Teleologie des Erbschaftsteuergesetzes gerechtfertigte Gesetzeskorrektur im vorstehenden Sinn stellt auch die weithin anerkannte Gleichstellung eines Erwerbs von Todes wegen nach ausländischem Erbrecht mit den Erwerben dar, die auf den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausdrücklich genannten Vorschriften des deutschen Zivilrechts beruhen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Begriffe und Rechtsinstitute des nationalen Zivilrechts nicht so auszulegen, dass die Vorschrift nur solche Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, die auf den in ihr genannten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs beruhen.35 Vielmehr kann auch ein nach ausländischem Recht stattfindender Erwerb von Todes wegen der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen, da es dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht, wenn die mit dem Tod einer natürlichen Person eintretende Rechtsnachfolge unabhängig davon der deutschen Erbschaftsbesteuerung unterliegt, ob sie auf einem Erwerb nach in- oder ausländischem Recht beruht. Darüber hinaus argumentiert der Bundesfinanzhof aus dem normlogischen Zusammenhang des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit den Vorschriften über die unbeschränkte und beschränkte Erbschaftsteuerpflicht in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ErbStG heraus (kontextbezogene normlogische Auslegung).36 Denn eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung der Verweisungen hätte zur Folge, dass in zahlreichen Fällen, in denen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 ErbStG die unbeschränkte oder beschränkte Erbschaftsteuerpflicht gegeben ist, die Besteuerung wegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen wäre. So ordnet bspw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die unbeschränkte Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall an, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes ein Inländer war. Als Inländer gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ohne dass es auf die Staatsangehörigkeit ankommt. Bei Erbfällen vor dem Inkrafttreten der EuErbVO am 17. 8. 2015 unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen bei ausländischen Staatsangehörigen nach dem alten Kollisionsrecht hingegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte (Staatsangehörigkeitsprinzip). Würde man die 33
Vgl. J. Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 5 Rn. 65. Vgl. W. Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, S. 35 ff.; J. Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 4 Rn. 31. 35 Vgl. z. B. BFH v. 19. 10. 1956 – III 128/55 U, BFHE 63, 431 = BStBl. III 1956, 363; v. 12. 5. 1970 – II 52/64, BFHE 105, 44 = BStBl. II 1972, 462; v. 7. 5. 1986 – II R 137/79, BFHE 147, 70 = BStBl. II 1986, 615; v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782. 36 Siehe z. B. BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 Rn. 25 ff. 34
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Erwerbe von Todes wegen beschränken, die auf den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs beruhen, könnte demnach in allen Fällen, in denen die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem ausländischen Staatsangehörigen dem Recht des Staates unterliegt, dem dieser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, die Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht darauf gestützt werden, dass der Erblasser einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.37 Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Erbschaftsteuer soll durch die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aber nicht bezweckt sein. Der Bundesfinanzhof hat diese Regelungslücke dadurch geschlossen, dass er bei Erwerben von Todes wegen die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG über die Erwerbstatbestände nach nationalem Zivilrecht hinaus – praktisch auf sämtliche Erbrechtsordnungen – ausgedehnt hat. Er hat dem zu eng gefassten Gesetzestext den Satz beigefügt: „Ein auf ausländischem Recht (…) beruhender Erwerb von Todes wegen kann der inländischen Erbschaftsteuer unterliegen.“38 Um eine Analogie handelt es sich hierbei nach der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs nicht, sondern um eine Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG „im Lichte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ErbStG“.39 Dass es sich bei diesem Verständnis der Verweisungen nicht um eine steuerverschärfende Analogie, sondern methodisch eher um einen Fall systematisch-teleologischer Extension handeln soll, lässt sich wohl damit erklären,40 dass der von dem Erbschaftsteuergesetz nicht geregelte Fall – Steuerbarkeit eines Erwerbs von Todes wegen nach einer ausländischen Erbrechtsordnung – dem geregelten nicht „ähnlich“ ist, ihm in allen für die Wertung wesentlichen Hinsichten nicht „gleicht“. Vielmehr handelt es sich um einen von dem geregelten durchaus verschiedenen Tatbestand, der aber in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hätte einbezogen werden müssen, um dessen Zweck auch in solchen Fällen zu erreichen. Trotz der Ungleichheit der Tatbestände ist hier die gleiche Wertung angezeigt, um einen unentgeltlichen Leistungsfähigkeitszuwachs bei dem Erwerber erbschaftsteuerlich zu erfassen. Allerdings verlangt es die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung auch hier, dass bei einem Erwerb nach ausländischem Erbrecht sowohl die zivilrechtlichen Rechtsfolgen als auch das wirtschaftliche Ergebnis einem der in § 3 ErbStG ausdrücklich genannten inländischen Tatbeständen entsprechen.41 Dem Wortlaut des § 3 ErbStG bzw. den hierin enthaltenen Verweisungen kommt mithin auch bei Auslandserwerben im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zumindest eine gewisse Orientierungsfunktion zu. 37
BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 782 Rn. 27. So der Leitsatz in der Entscheidung des BFH zur Erbschaftsteuerbarkeit eines Erwerbs aufgrund einer Anwachsungsklausel nach französischem Ehegüterrecht v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782. 39 Siehe BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 Rn. 31. 40 Zu der nicht immer ganz einfachen und zweifelsfreien Abgrenzung von Analogie und teleologischer Extension siehe K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (3. Aufl. 1975), S. 381 ff. 41 Vgl. BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 Rn. 28. Zu der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung im Allgemeinen siehe J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 233 ff. 38
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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Eine Ausdehnung der im Erbschaftsteuergesetz enthaltenen Zivilrechtsverweisungen auf ausländische Sachverhalte im Wege der objektiv-teleologischen Auslegung ist dem Erbschaftsteuerrecht nach alledem nicht fremd. Für die hier zentrale Frage, wie die Begriffe der Zugewinngemeinschaft und des -ausgleichs in § 5 ErbStG bei internationalen Ehegattenerbfällen zu verstehen sind, lässt sich hieraus Folgendes ableiten: Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann so gedeutet werden, dass die im Erbschaftsteuergesetz enthaltenen Verweisungen auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch bei Erwerben mit Auslandsbezügen nach allgemeinen methodischen Grundsätzen an dem Maßstab des auch für die Erbschaftsteuer verbindlichen Leistungsfähigkeitsprinzips erweiternd ausgelegt und in einem systematisch-teleologischen Zusammenhang auch mit anderen Einzelvorschriften interpretiert werden müssen, denen durch die Auslegung der Verweisungen ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleiben muss. Da es sich hierbei um die Anwendung eines allgemeinen methodischen Standards handelt, ist es geboten, die Auslegung der Verweisungen in § 5 ErbStG ebenfalls im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem systematischen Gesamtzusammenhang des Erbschaftsteuergesetzes vorzunehmen und hierbei im Besonderen in Rechnung zu stellen, dass der Zugewinnausgleich im deutschen Güterrecht – wie auch in vielen anderen Güterrechtsordnungen –42 der Verwirklichung eines häufig verfassungsrechtlich garantierten Teilhaberechts dient, dessen Steuerfreistellung § 5 ErbStG nach seiner ratio legis gerade bezweckt. Dies gilt besonders, wenn man zusätzlich die methodische Vorgehensweise in den Blick nimmt, die der Bundesfinanzhof bereits in der Entscheidung BFHE 115, 277 (DDR-Güterstand) vorgezeichnet hat. Die Besonderheiten des Sachverhalts unberücksichtigt gelassen, hat der Bundesfinanzhof auch hier einer erweiternden Auslegung des damaligen § 6 Abs. 1 S. 1 ErbStG 1959 nach dem Zweck den Vorrang gegenüber einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung eingeräumt.43
IV. Konkrete Auslegung des § 5 ErbStG Zielführend erscheint es vor diesem Hintergrund, auch bei dem Verständnis des § 5 ErbStG im Wege einer objektiv-teleologischen extensiven Auslegung anzusetzen, die etwaige Unvollständigkeiten des Wortlauts verfassungskonform zu beseitigen und auch eine methodisch freischwebende Ergänzung des Gesetzestextes zu vermeiden sucht.44 Nur am Rande sei erwähnt, dass eine Rechtsfortbildung (insbesondere Extension) anerkanntermaßen auch bei Ausnahme- und Steuervergünstigungsvorschriften in Betracht kommt.45 Eine teleologische Extension soll 42
Siehe hierzu oben Abschn. § 3 C. BFH v. 5. 3. 1975 – II R 126/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 26: „(…) rechtfertigt es, der Auslegung nach dem Zweck des § 6 ErbStG vor der nach dem Wortlaut den Vorrang einzuräumen.“. 44 Vgl. J. Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 5 Rn. 93. 45 Einzelheiten bei K.-D. Drüen, in: Tipke / K ruse, AO (Stand: 10/2020), § 4 Rn. 363 ff. 43
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
dabei sogar umso unbedenklicher sein, wenn es nicht um die Schaffung neuer oder die Ausweitung bestehender Steuertatbestände geht, sondern – wie hier – um die rechtsfortbildende Interpretation einer Steuernorm zugunsten des Steuerpflichtigen.46 Hierbei sind vor allem der jeweilige Gesetzeszweck, die Entstehungsgeschichte und die Gesetzessystematik in Bedacht zu nehmen. 1. Keine Anhaltspunkte dafür, dass Gesetzgeber ausländische Güterstände (bewusst) ausschließen wollte Aus der Entstehungsgeschichte47 ergeben sich zunächst keine eindeutigen Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf die Zugewinngemeinschaft im Sinne des § 1363 BGB bewusst ausländische Güterstände von dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG ausschließen wollte. Es trifft zwar zu, dass der historische Erbschaftsteuergesetzgeber bei der Einfügung der Vorschrift in dem Jahr 1958 die frische Kodifikation des gesetzlichen Ehegüterrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz 1957 vor Augen hatte und sich diese auch bewusst zum Vorbild genommen hat.48 Zuverlässige Rückschlüsse auf einen verobjektivierten Willen des Gesetzgebers zum Ausschluss anderer ausländischer Güterstände können aus den Gesetzesmaterialien aber nicht gezogen werden. 2. Weitere Normen des Erbschaftsteuergesetzes, mit denen § 5 ErbStG in einem sachlichen Zusammenhang steht, erfassen Erwerbe nach ausländischem Recht Allerdings spricht die Systematik des § 5 ErbStG in dem Gesamtzusammenhang des Erbschaftsteuergesetzes dafür, die Vorschrift auch auf ausländische Güterstände anzuwenden. So erfassen weitere Normen des Erbschaftsteuertatbestands, die ebenfalls unmittelbar Bezug auf Begriffe und Rechtsinstitute des nationalen Zivilrechts nehmen und mit denen § 5 ErbStG in einem sachlich-logischen Zusammenhang steht, Erwerbsvorgänge nach ausländischem (Erb-)Recht. So gilt bspw. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen der „Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB)“, sodass bei einem wortlautgetreuen Verständnis der Vorschrift ausländische Erwerbsvorgänge nicht der deutschen Erbschaftsbesteuerung unterliegen würden. Eine solche dem Wortlaut verhaftete Interpretation des
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So ausdrücklich BFH v. 17. 5. 2006 – X R 43/03, BFHE 213, 494 = BStBl. II 2006, 868 Rn. 17. 47 Siehe ausführlichen oben Abschn. § 5 C. III. 48 Siehe BT-Drs. III/598, 6: „Entsprechend der Reihenfolge des Gleichberechtigungsgesetzes (…) wird auch in § 5a [Anmerkung der Verfasserin: heutiger § 5 ErbStG] zunächst die erbrechtliche Abwicklung behandelt. Die Vorschrift des § 5a Abs. 1 schließt sich eng an den Wortlaut des § 1371 Abs. 1 BGB.“.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liefe jedoch – wie gezeigt – dem Zweck des Erbschaftsteuergesetzes zuwider, einen unentgeltlichen Leistungsfähigkeitszuwachs bei einem Erwerber steuerlich zu erfassen. Denn für den Leistungsfähigkeitszuwachs ist es grundsätzlich unerheblich, ob sich der unentgeltliche Erwerb nach einer inoder ausländischen Zivilrechtsordnung vollzieht. Der Erbschaftsteuergesetzgeber hat § 5 ErbStG durch die hierin enthaltenen Verweisungen in einen sachlichen Zusammenhang mit den Vorschriften der §§ 3 und 7 ErbStG gebracht, sodass diese grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie logisch miteinander vereinbar sind.49 Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sachliche Zusammenhänge so geregelt hat, dass die gesamte Regelung einen durchgehenden und verständlichen Sinn ergibt.50 Für eine sachliche Zusammengehörigkeit der Vorschriften spricht darüber hinaus auch deren gemeinsame Stellung in dem äußeren System des Erbschaftsteuergesetzes, d. h. in dem ersten Abschnitt über die Steuerpflicht.51 Verstirbt bspw. ein im Ausland ansässiger (letzter gewöhnlicher Aufenthalt) und nach ausländischem Güterrecht verheirateter Erblasser mit Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG, so liefe die tatbestandsreduzierende Wirkung des § 5 ErbStG ins Leere, während umgekehrt eine Besteuerung des ausländischen Erwerbs von Todes wegen aufgrund einer erweiternden Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unstrittig in Betracht käme. Das wäre jedoch wertungswidersprüchlich und liefe auf ein „Rosinen herauspicken“ zulasten der Steuerpflichtigen hinaus. Entsprechendes gilt in Fällen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht bei Einschlägigkeit eines ausländischen Güterrechtsstatuts. § 5 ErbStG kann in solchen Fällen nur dann eine Regelungswirkung entfalten, wenn die Verweisungen auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch gemäß dem sachlich-logischen Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften der §§ 3 und 7 ErbStG teleologisch erweiternd ausgelegt werden. Die Vorschriften, die im Erbschaftsteuergesetz unter dem Abschnitt „Steuerpflicht“ zusammengefasst sind, ergeben nur dann eine einheitliche, in sich logische Regelung, wenn den Verweisungen auf das Bürgerliche Gesetzbuch dasselbe Auslegungsverständnis zugrunde gelegt wird, d. h. sie konsequenterweise identisch interpretiert werden.
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Vgl. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (3. Aufl. 1975), S. 324 ff. sowie die ständige Rechtsprechung des BFH v. 5. 5. 1982 – VII R 96/78, BFHE 136, 319 Rn. 28; v. 21. 10. 2010 – IV R 23/08, BFHE 231, 544 = BStBl. II 2011, 277 Rn. 23; v. 18. 12. 2014 – IV R 22/12, BFHE 248, 354 = BStBl. II 2015, 606 Rn. 24; v. 21. 7. 2016 – IV R 26/14, BFHE 254, 271 = BStBl. II 2017, 202 Rn. 36. 50 Vgl. BVerfG v. 9. 5. 1978 – 2 BvR 952/75, BVerfGE 48, 246 Rn. 32; BFH v. 5. 5. 1982 – VII R 96/78, BFHE 136, 319 Rn. 28. 51 Zum „äußeren System“ des Steuerrechts siehe J. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht (24. Aufl. 2021), § 3 Rn. 5 ff.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
3. Zweck des § 5 ErbStG spricht dafür, ausländische Güterstände in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen § 5 ErbStG bezweckt, Ansprüche, die einem Ehegatten bei dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft zustehen und anlässlich dessen Beendigung verwirklicht werden, von der Erbschaftsbesteuerung freizustellen.52 Dies beruht, wie gesehen, auf der Überlegung, dass das Erbschaftsteuergesetz nur den unentgeltlichen Leistungsfähigkeitszuwachs besteuern soll. Die deutsche Zugewinngemeinschaft geht – wie viele andere internationale Systeme zur Regelung des ehelichen Güterstands – dabei zurück auf den Gedanken, dass der Erwerb des einzelnen Ehegatten auf der vielgestaltigen Zusammenarbeit beider Ehepartner basiert. Deshalb sollen die Ehepartner an dem, was sie während der Ehe erarbeiten, auch gemeinsam teilhaben. Im Fall der Beendigung der Ehe bewirkt der Zugewinnausgleich, dass das während der Ehe gemeinsam erwirtschaftete Vermögen gleichmäßig zwischen den Ehegatten aufgeteilt wird. Da der Zugewinnausgleich zivilrechtlich somit als entgeltlicher Vermögenserwerb eingeordnet wird,53 wird dies auch erbschaftsteuerlich nachvollzogen. Die Erbschaftsteuer zielt nach ihrer Belastungsgrundentscheidung darauf ab, eine unentgeltliche Leistungsfähigkeitssteigerung (Bereicherung) bei dem Erwerber steuerlich zu erfassen. Eine Bereicherung ist unentgeltlich, wenn von dem Erwerber keine Gegenleistung gewährt wird. Da der Zugewinnausgleich aber in den güterrechtlichen Gegenleistungen des ausgleichsberechtigten Ehegatten seine Grundlage hat, bedeutet er keine unentgeltliche Bereicherung im erbschaftsteuerlichen Sinne. Dies wird bestätigt durch die Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG, die eine unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zu erblickende Abweichung von der zivilrechtlichen Fiktionswirkung des § 1371 Abs. 1 BGB beinhaltet, um der erbschaftsteuerlichen Belastungsgrundentscheidung gegenüber der prinzipiell weniger gewichtigen (nur formalen) Maßgeblichkeit des Zivilrechts zum Durchbruch zu verhelfen.54 Die zivilrechtliche Pauschalierung des Zugewinnausgleichs von Todes wegen in Höhe von einem Viertel der Erbschaft unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte den geringeren Zugewinn gemacht ist, ist demnach im Bereich der Erbschaftsteuer bedeutungslos, da es hier entscheidend darauf ankommt, ob und in welchem Umfang der überlebende Ehegatte zu dem Endvermögen des Erblassers beigetragen hat. Der Zugewinnausgleich als Ausdruck ehelichen Miterwerbs muss daher unbesteuert bleiben. Eine Begünstigung der deutschen Zugewinngemeinschaft wird vor diesem Hintergrund gerade nicht bezweckt, zumal ein die Besserstellung gegenüber anderen Güterrechtsformen rechtfertigender Grund nicht ersichtlich ist.55
52 Vgl. BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 10 sowie ausführlich oben Abschn. § 5 B. und C. I. 53 Vgl z. B. BGH v. 21. 10. 2014 – XI ZR 210/13, DNotZ 2015, 56 und oben Abschn. § 2 C. III. 3. 54 Vgl. BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 10 und oben Abschn. § 4 C. 55 Vgl. auch unten Abschn. § 6 B. IV. 4. b).
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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Dem aufgezeigten Gesetzeszweck, den Ausgleich für in der Ehe erbrachte Leistungen von der Erbschaftsbesteuerung mangels Unentgeltlichkeit auszunehmen, würde es widersprechen, die Regelungswirkung des § 5 ErbStG auf die Zugewinngemeinschaft im Sinne von § 1363 BGB zu beschränken. Denn wie gezeigt, beruht die Mehrzahl der internationalen Güterrechte auf der Vorstellung einer von Gleichberechtigung geprägten partnerschaftlichen Gemeinschaft, in der die Ehegatten ihre Fähigkeiten gemeinsam einsetzen und damit das während der Ehe erworbene Vermögen grundsätzlich gemeinsam erwirtschaften. Dem Ausgleich steht in all diesen Fällen aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht eine die Unentgeltlichkeit des Leistungsfähigkeitszuwachses ausschließende güterrechtliche Gegenleistung des ausgleichberechtigten Ehegatten gegenüber. Die Verweisungen auf das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch stehen dem nicht per se entgegen. Sie sind bei einem Vermögensausgleich mit Auslandsberührung nicht abschließend zu verstehen, sondern vielmehr beispielhaft, indem sie den zivilrechtlichen Ordnungsrahmen vorgeben, in dem sich der Erwerb vollziehen muss. Der – gemessen an dem dargelegten Sinn und Zweck der Steuerfreistellung des § 5 ErbStG – damit offenkundig zu eng geratene Wortlaut ist im Wege der teleologischen (und verfassungskonformen)56 Extension in der Weise auszuweiten, dass er dann, wenn ein ausländischer Güterstand beendet wird und ein Ausgleich für einen ehelichen Miterwerb erfolgt, Anwendung findet. 4. Anwendung von § 5 ErbStG auf Auslandsgüterstände zudem verfassungsrechtlich geboten Eine generelle Ungleichbehandlung deutscher und ausländischer Zugewinnbzw. Errungenschaftsgemeinschaften bei der Erbschaftsteuer ist auch unter der Geltung des Grundgesetzes nicht sachgerecht.57 Vielmehr erscheint es aus Gleichbehandlungsgründen geboten, in einem ausländischen Güterstand lebenden Ehegatten den Zugewinnausgleichsfreibetrag grundsätzlich zu gewähren. Diese Wirkungserstreckung ist gerechtfertigt, weil Art. 3 Abs. 1 GG und auch der durch Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG bewirkte Schutz der Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner keine Inländergrundrechte sind,58 sondern auch bei Ausländern Anwendung finden, bzw. auch die (gleichberechtigte) ausländische Ehe schützen, und somit eine Besserstellung der deutschen Zugewinngemeinschaft im Erbschaftsteuergesetz nicht rechtfertigen können.
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Siehe hierzu nachfolgenden unter Punkt 5. Vgl. auch T. Wachter, in: FS Crezelius, 645 (661), der diese Erkenntnis im Anwendungsbereich des ebenfalls auf die deutsche fortgesetzte Gütergemeinschaft beschränkten § 4 ErbStG gezogen hat. 58 Vgl. nur P. Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG (Stand: 01/2021), Art. 3 Abs. 1 Rn. 76 ff., 274 ff.; C. Langenfeld, in: Maunz / Dürig, GG (Stand: 01/2021), Art. 3 Abs. 2 Rn. 64 ff.; P. Badura, in: Maunz / Dürig, GG (Stand: 02/2020), Art. 6 Rn. 63 ff. 57
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
a) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten, die in einem ausländischen Güterstand leben In einem ausländischen Güterstand lebende Ehegatten werden bei einer strengen Wortlautinterpretation des § 5 ErbStG erbschaftsteuerlich in erheblichem Umfang höher belastet als unbeschränkt oder beschränkt erbschaftsteuerpflichtige Ehegatten, die in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet sind und somit von ihrem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb einen Betrag in Höhe ihrer güterrechtlichen Ausgleichsforderung in Abzug bringen können. Soweit die Erbschaftsteuer bei dem Zugewinnausgleichsfreibetrag nach Personengruppen typischerweise in Abhängigkeit von der Staatsangehörigkeit (vor dem Inkrafttreten der EuGüVO) bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt (nach dem Inkrafttreten der EuGüVO) unterscheidet und daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft,59 müssen diese ihre Rechtfertigung in einem hinreichend gewichtigen Differenzierungsgrund finden, der die unterschiedliche Besteuerung zu rechtfertigen vermag.60 Der steuerliche Zugriff auf die Ausgleichsforderung erfasst den überlebenden Ehegatten in seinem durch Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG grundrechtlich geschützten Teilhaberecht, ohne dass er durch eigenes Verhalten auf die Differenzierung in der Besteuerung hinreichend Einfluss nehmen kann. Zwar steht es den Ehegatten gem. Art. 15 Abs. 2 EGBGB a. F. bzw. Art. 22 Abs. 1 EuGüVO frei, das auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendende Recht durch Vereinbarung (Rechtswahl) zu bestimmen, sodass sie sich grundsätzlich auf die Regelung des § 5 ErbStG einstellen und steuerlich nachteilige Auswirkungen durch eigenes Verhalten vermeiden könnten.61 Allerdings sehen die internationalprivatrechtlichen Vorschriften eine nur begrenzte Anzahl wählbarer Güterrechte vor und führen damit nicht dazu, dass die Gestaltungsfreiheit des Erbschaftsteuergesetzgebers in dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG besonders weit ginge. Bspw. können Ehegatten, von denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und die zudem im Ausland ansässig sind, die deutsche Zugewinngemeinschaft – seit dem Inkrafttreten der EuGüVO selbst bei Vorhandensein inländischen Grundbesitzes – nicht für sich wählen. Für die Schlechterstellung von nach ausländischem Güterrecht verheirateten Ehepartnern gegenüber in deutscher Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten bestehen indessen keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie diese erhebliche Benachteiligung rechtfertigen könnten. Die Vorschrift des § 5 ErbStG stellt – wie gezeigt – sicher, dass die Erbschaft in dem Umfang steuerfrei bleibt, in dem sie sich für den überlebenden Ehegatten als Ausgleich für in der Ehe erbrachte Leistungen darstellt. Diese Zwecksetzung der Vorschrift lässt keinen Raum für eine 59 Zumeist wird eine nach ausländischem Recht geschlossene Zugewinn- bzw. Errungenschaftsgemeinschaft auch von Staatsangehörigen eines anderen Staates oder von Ehegatten geschlossen, die in einem anderen Staat ihren (ersten) gewöhnlichen Aufenthalt haben. Vgl. zu diesem Punkt auch unten Abschn. § 6 B. IV. 5. 60 Vgl. z. B. BVerfG v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 84. 61 Vgl. hierzu BVerfG v. 7. 10. 1980 – 1 BvL 50/79, BVerfGE 55, 72 Rn. 48 f.; v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., BVerfGE 126, 400 Rn. 83.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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Differenzierung zwischen deutscher Zugewinngemeinschaft und Zugewinn- bzw. Errungenschaftsgemeinschaften nach ausländischem Recht, bei denen der Vermögensausgleich eine vergleichbare Funktion erfüllt. Das gesetzgeberische Ziel, den Vermögenserwerb in der Ehe, zu dem beide Ehegatten gleichberechtigt beigetragen haben, von der Erbschaftsbesteuerung freizustellen, besitzt in gleicher Weise Gültigkeit für die deutsche Zugewinngemeinschaft wie auch für ausländische Zugewinn- bzw. Errungenschaftsgemeinschaften. b) Keine Besserstellung in deutscher Zugewinngemeinschaft verheirateter Ehegatten allein aufgrund Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG Die Schlechterstellung ausländischer Güterstände gegenüber der deutschen Zugewinngemeinschaft im Recht des Zugewinnausgleichsfreibetrags vermag auch das Teilhabeprinzip aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG nicht zu rechtfertigen. Die Verfassungsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG den Schutz der Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner und leitet mit dem auch für die Erbschaftsteuer maßgebenden Halbteilungsgrundsatz den einfachrechtlichen Zugewinnausgleich zwar an. Sofern die innere Rechtfertigung für die Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs und demzufolge dem Schutz bei der Erbschaftsbesteuerung auch aus der durch die eheliche Lebens- und Erwerbsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Beziehung des überlebenden Ehegatten zu dem Erblasser folgt, kann dies eine Besserstellung gegenüber in einem ausländischen Güterstand lebenden Ehegatten jedoch nicht rechtfertigen. Denn zum einen unterscheiden sich in diesem Punkt ausländische Zugewinn- bzw. Errungenschaftsgemeinschaften und die deutsche Zugewinngemeinschaft häufig nicht. Den verschiedenen Systemen zur Regelung des ehelichen Güterstands liegt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle das Leitbild der ehelichen Erwerbsgemeinschaft zugrunde, in der beide Ehegatten ihre Fähigkeiten gemeinsam einsetzen und somit das während der Ehe erworbene Vermögen grundsätzlich gemeinsam erarbeiten. Dies wird durch den in den internationalen Güterrechtsordnungen weit verbreiteten Halbteilungsgrundsatz entsprechend belegt. Zum anderen handelt es sich bei Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG nicht um Inländergrundrechte, sodass sich auch ausländische Ehegatten auf den Schutz der Ehe in Form einer gleichberechtigten Lebensgemeinschaft berufen können. Der Erbschaftsteuergesetzgeber hat demnach auch die gleichberechtigte Ehe ausländischer Ehegatten anzuerkennen und die hierin erbrachten gleichwertigen Beitragsleistungen entsprechend zu honorieren. Soweit sich zur Rechtfertigung der unter anderem auf Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG gestützten Steuerfreiheit der Zugewinnausgleichsforderung darauf verweisen lässt, dass die Zugewinngemeinschaft von dem gemeinsamen Erwerb der wirtschaftlichen Grundlagen durch die Ehegatten gekennzeichnet ist, so gilt dies in gleicher Weise auch für in einem ausländischen Güterstand lebende Ehegatten.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
5. Auch die Europäischen Grundfreiheiten gebieten die Anwendung von § 5 ErbStG auf Auslandsgüterstände Lediglich für in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratete Ehegatten eine Steuerbefreiung für die erbrachten güterrechtlichen Beiträge vorzusehen, wirft zudem die Frage eines Verstoßes von § 5 ErbStG gegen die Grundfreiheiten des Unionsrechts und EU-Recht auf.62 Die Europarechtskonformität des § 5 ErbStG ist primär an dem Maßstab der für die Erbschaftsteuer bedeutsamsten Kapitalverkehrsfreiheit sowie subsidiär dem Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV63 und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV zu prüfen. Welche Grundfreiheit(en) tangiert wird, ist grundsätzlich einzelfallabhängig. Im Folgenden soll daher eine nur abstrakte Betrachtung angestellt werden, die sich auf typische Fallkonstellationen bezieht und unter einem entsprechenden Vorbehalt zu würdigen ist. Zunächst ist festzustellen, dass die Vorschrift des § 5 ErbStG zwar keine förmliche Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit oder der Ansässigkeit von Ehegatten trifft und auch im Fall der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht – sogar der Höhe nach unbegrenzt –64 Anwendung findet.65 Jedoch errichtet sie im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs66 zumindest eine mittelbare Benachteiligung, da in einem ausländischen Güterstand lebende Ehegatten mit Blick auf die Kollisionsvorschriften des Internationalen Privatrechts – (1) bei Eheschließung vor dem 29. 1. 2019 typischerweise ausländische Staatsangehörige (vgl. Art. 15 Abs. 1; 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F.) und – (2) bei Eheschließung ab dem 29. 1. 2019 mehrheitlich nicht Gebietsansässige (vgl. Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO) 62
Die Erbschaftsteuer fällt als direkte Steuer zwar nicht unter die Bestimmungen der Union, sondern in die Zuständigkeit der einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Diese müssen ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Unionsrechts ausüben, d. h. insbesondere die Grundfreiheiten achten, vgl. z. B. EuGH v. 11. 8. 1995 – C-80/94, Wielockx, Celex-Nr. 61994CJ0080 Rn. 16= BeckRS 2004, 77812; v. 10. 3. 2005 – C-39/04, Laboratoires Fournier SA, ABl. EU 2005, Nr. C 115, 7 Rn. 14 = BeckRS 2005, 70193. 63 Der EuGH hat bereits in der Rechtssache Barbier ausdrücklich betont, dass das europä ische Freizügigkeitsrecht durch das nationale Erbschaftsteuerrecht betroffen sein kann, da die erbschaftsteuerlichen Auswirkungen regelmäßig zu den Überlegungen gehören, die ein Angehöriger eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung, ob er von der im EUV-Vertrag verankerten Freizügigkeit Gebrauch machen soll oder nicht, anstellen dürfte, vgl. EuGH v. 11. 12. 2003 – C-364/01, Barbier, ABl. EU 2004, Nr. C 47, 6 Rn. 75. 64 Siehe hierzu unten Abschn. § 6 B. VI. 3. 65 Höhere Steuersätze oder geringere Freibeträge für gebietsfremde Steuerpflichtige sind unionsrechtlich auch generell unzulässig, siehe J. Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (1. Aufl. 2018), § 7 Rn. 24 m. w. N. aus der Rechtsprechung des EuGH. 66 Zur mittelbaren bzw. faktischen Benachteiligung vgl. z. B. EuGH v. 12. 2. 1974 – Rs. 152/73; Sotgiu, ABl. EG 1974, Nr. 74 C, 60, 28 Rn. 11; v. 23. 5. 1996 – Rs. C-237/94; O’Flynn, ABl. EG 1996, Nr. C 197, 7 Rn. 18; v. 8. 5. 1990 – C-175/88; Biehl, ABl. EG 1990, Nr. C 135, 6 Rn. 14; v. 13. 7. 1993 – C-330/91; Commerzbank, ABl. EG 1993, Nr. C 211, 17 Rn. 14 ff.; v. 5. 2. 2014 – C-385/12; Hervis Sport, ABl. EU 2014, Nr. C 93, 10 Rn. 32 ff.; v. 9. 10. 2014 – C-326/12; van Caster, ABl. EU 2014, Nr. C 439, 3 Rn. 16.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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sind.67 Das Kriterium der Zugewinngemeinschaft birgt damit, obwohl die Vorschrift des § 5 ErbStG unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder der Ansässigkeit des überlebenden Ehegatten angewandt wird, die Gefahr, dass es sich besonders zum Nachteil solcher überlebender Ehegatten auswirkt, die Angehörige eines anderen (Mitglied-)Staats oder nicht gebietsansässig sind. Oft sind sie es nämlich, die in einem ausländischen Güterstand leben. a) Einengung des Anwendungsbereichs von § 5 ErbStG auf deutsche Zugewinngemeinschaften bewirkte nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63 AEUV verbietet ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen EU-Mitgliedstaaten und in dem Verhältnis zu Drittstaaten (Art. 63 Abs. 2 AEUV).68 Eine allgemeine Definition von Kapitalverkehr enthält der EU-Arbeitsweisevertrag dabei nicht. Unstrittig erfasst werden der lebzeitige und der todesfallbedingte Übergang von beweglichem oder unbeweglichem Vermögen von einer Person auf eine andere.69 Herkömmlicherweise orientiert sich der Europäische Gerichtshof bei der Auslegung des Kapitalverkehrsbegriffs an der nicht abschließenden Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie zur Durchführung der Kapitalverkehrsfreiheit unter dem EWG-Vertrag.70 Diese führt Schenkungen und Stiftungen, Erbschaften und Vermächtnisse ausdrücklich unter dem „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“ auf.71 Unter „sonstigem Kapitalverkehr“ werden sogar Erbschaftsteuern erfasst.72 Vermögensübergänge infolge von Erbfällen und Schenkungen sind also fraglos von Art. 63 Abs. 1 AEUV erfasst. Aber auch der durch den Tod eines Ehegatten oder durch Ehescheidung ausgelöste Zugewinnbzw. (allgemeiner) Vermögensausgleich zwischen Ehegatten erfüllt als ein auf den einseitigen Transfer von Geld- oder Sachmitteln gerichteter Rechtsvorgang die Eigenschaften von Kapitalverkehr, zumal der Begriff aufgrund von Ziel und Zwecksetzung der Kapitalverkehrsfreiheit möglichst weit zu verstehen ist.73 67
Vgl. auch A. Schnitger, FR 2004, 185 (192). Ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. EuGH v. 28. 9. 2006 – C-282/04 u. a., Kommission / Niederlande, ABl. EU 2006, Nr. C 294, 6 Rn. 28; v. 23. 10. 2007 – C-112/05, Kommission / Deutschland, ABl. EU 2007, Nr. C 315, 5 Rn. 17; v. 6. 12. 2007 – C-463/04 u. a., Federconsumatori u. a., ABl. EU 2008, Nr. C 22, 2 Rn. 19; v. 17. 10. 2013 – C-181/12, Welte, ABl. EU 2013, Nr. C 367, 11 Rn. 39. 69 J. Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (1. Aufl. 2018), § 3 Rn. 261. 70 Vgl. z. B. EuGH v. 12. 2. 2009 – C-67/08; Block, ABl. EU 2009, Nr. 82, 6 Rn. 19; v. 22. 4. 2010 – C-510/08; Mattner, ABl. EU 2010, Nr. C 161, 10 Rn. 20; v. 10. 2. 2011 – C-25/10; Missionswerk Werner Heukelbach, ABl. EU 2011, Nr. C 103, 8 Rn. 15. 71 Richtlinie 88/361/EWG des Rates v. 24. 6. 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrags, Anhang I Rubrik XI-B und D. 72 Richtlinie 88/361/EWG des Rates v. 24. 6. 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrags, Anhang I Rubrik XIII-A. Kritisch dazu J. Wrede, Europarecht und Erbschaftsteuer, 2014, S. 154. 73 Vgl. M. Sedlaczek / M. Züger, in: Streinz, EUV / AEUV (3. Aufl. 2018), Art. 63 AEUV Rn. 20. 68
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Ein Sachverhalt, in dem ein überlebender Ehegatte, der mit dem Erblasser in einem ausländischen Güterstand verheiratet war und infolge dessen Beendigung (Inlands-)Vermögen erwirbt, ist zudem kein rein innerstaatlicher Sachverhalt. Zu den grundsätzlich verbotenen Beschränkungen des Kapitalverkehrs gehören Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem (Mitglied-)Staat abzuhalten oder eine Wertminderung des Nachlasses für den Erben dadurch bewirken, dass die Erbschaftsteuer deshalb höher ist, weil er nicht gebietsansässig oder Angehöriger eines anderen Staates ist.74 Da § 5 ErbStG die Steuerbefreiung für die Ausgleichsforderung bei einer wortlautgetreuen Interpretation nur dann gewährt, wenn die Ehegatten in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet waren, und somit darauf hinausläuft, dass der Erwerb ausländischer Staatsangehöriger bzw. Gebietsfremder, die nach den einschlägigen Vorschriften des Internationalen Privatrechts typischerweise in einem ausländischem Güterstand leben, höher besteuert wird, bewirkt sie eine Beschränkung des Kapitalverkehrs, weil die Versagung der Steuerbefreiung zu einer Wertminderung des Nachlasses für den überlebenden Ehegatten führt. Zudem könnte die Versagung der Steuerbefreiung Ehegatten, die in einem ausländischen Güterstand verheiratet und in einem anderen Staat ansässig sind, davon abhalten, ihren Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen oder ihr Kapital in Vermögenswerte in Deutschland zu investieren. Dies macht grenzüberschreitende Erbfälle weniger attraktiv. Hieran ändert auch die nach dem Internationalen Privatrecht grundsätzlich bestehende Möglichkeit für Ehegatten nichts, das auf ihren ehelichen Güterstand anwendbare Recht durch Rechtswahl zu bestimmen und sich damit auf die Vorschrift des § 5 ErbStG einzustellen. Denn zum einen existiert eine nur begrenzte Anzahl wählbarer Rechte.75 Die Existenz eines Wahlrechts an sich kann zudem auch deshalb keine rechtfertigende Wirkung entfalten, weil in dem anderen (Mitglied-)Staat spiegelbildliche Regelungen existieren können, sodass dem Steuerpflichtigen nur die Wahl bliebe, welche der beiden Rechtsordnungen in seine Grundfreiheiten eingreift. Zum anderen kann eine die Verkehrsfreiheiten beschränkende nationale Regelung anerkanntermaßen auch dann mit dem Unionsrecht unvereinbar sein, wenn ihre Anwendung fakultativ ist.76 Das Bestehen einer Wahlmöglichkeit, die unter Umständen zur Vereinbarkeit einer Situation mit dem Unionsrecht führen könnte, kann für sich allein nicht die Rechtswidrigkeit der Regelung heilen, die nach wie vor einen mit dem Unionsrecht unvereinbaren Besteuerungsmechanismus enthält.77 Dies gilt auch in Bezug auf § 5 ErbStG. 74
Vgl. EuGH v. 11. 12. 2003 – C-364/01; Barbier, ABl. EU 2004, Nr. C 47, 6 Rn. 62; v. 23. 2. 2006 – C-513/03, van Hilten – van der Heijden, ABl. EU 2006, Nr. C 131, 6 Rn. 44; v. 17. 1. 2008 – C-256/06; Jäger, ABl. EU 2008, Nr. C 64, 8 Rn. 30 f.; v. 17. 10. 2013 – C-181/12; Welte, ABl. EU 2013, Nr. C 367, 11 Rn. 23; v. 26. 5. 2016 – C-244/15; Kommission / Griechenland, ABl. EU 2016, Nr. C 260, 9 Rn. 28 f.; v. 30. 6. 2016 – C-123/15, Feilen, ABl. EU 2016, Nr. C 335, 15 Rn. 19. 75 Siehe hierzu oben Abschn. § 3 B. I. 76 Vgl. EuGH v. 8. 6. 2016 – C-479/14, Hünnebeck, ABl. EU 2016, Nr. C 296, 8. 77 Vgl. in Bezug auf § 2 Abs. 3 ErbStG a. F. EuGH v. 8. 6. 2016 – C-479/14, Hünnebeck, ABl. EU 2016, Nr. C 296, 8 Rn. 42.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung des freien Kapitalverkehrs existiert nicht.78 Die unterschiedliche Behandlung von in einem ausländischen Güterstand lebenden Ehegatten lässt sich erstens nicht damit rechtfertigen, dass sie sich auf unterschiedliche Situationen beziehe. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit einer grenzüberschreitenden Situation mit einer mitgliedstaatsinternen Situation ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das mit der fraglichen nationalen Bestimmung verfolgte Ziel zu berücksichtigen.79 Mit der Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs wird nach der hier entwickelten Ansicht bezweckt, den im Rahmen der güterrechtlichen Erwerbsgemeinschaft (in Deutschland: Zugewinngemeinschaft) erbrachten Beitrag des überlebenden Ehegatten zu dem Endvermögen des Erblassers bzw. dem Nachlass von der Erbschaftsbesteuerung mangels Unentgeltlichkeit auszunehmen. Dieses Kriterium ist nicht abhängig von dem Wohnort oder der Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Vielmehr sind die Situation eines überlebenden Ehegatten, der mit dem Erblasser in einem ausländischen Güterstand verheiratet war und zu dem Vermögensaufbau des Erblassers aufgrund des ausländischen Güterrechts Beiträge erbracht hat, und die Situation eines überlebenden Ehegatten, der den Nachlass (Endvermögen) im Rahmen der deutschen Zugewinngemeinschaft miterwirtschaftet hat, im Hinblick auf das Ziel von § 5 ErbStG objektiv vergleichbar, da sich der Erwerb sowohl für den einen als auch den anderen Ehegatten als ein nicht unentgeltlicher darstellt. Zweitens sind auch keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ersichtlich, die die beschriebene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen könnten. Insbesondere kann sich Deutschland zur Rechtfertigung nicht darauf berufen, dass der todesfallbedingte Erwerb des überlebenden Ehegatten in der Mehrzahl der Mitgliedstaat überhaupt nicht oder nur sehr gering besteuert wird80, sodass die Benachteiligung ganz oder teilweise ausgeglichen würde. Denn eine derartige in einem anderen Mitgliedstaat geltende „Steuerbegünstigung“ kann ohne Mitwirkung des Mitgliedstaats, der eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfrei-
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Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs können im Lichte von Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV gerechtfertigt sein. Die Vorschrift ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen und kann eine Ungleichbehandlung nach ständiger EuGH-Rechtsprechung nur dann rechtfertigen, wenn die in Rede stehenden Situationen (1) objektiv nicht miteinander vergleichbar sind oder (2) zwingende Gründe des Allgemeininteresses für die Ungleichbehandlung existieren, vgl. z. B. EuGH v. 17. 1. 2008 – C-256/06, Jäger, ABl. EU 2008, Nr. C 64, 8 Rn. 40 ff.; v. 11. 9. 2008 – C-11/07, Eckelkamp, ABl. EU 2008, Nr. C 285, 6 Rn. 57 ff.; v. 11. 9. 2008 – C-43/07, Arens- Sikken, ABl. EU 2008, Nr. C 285, 7 Rn. 51 ff.; v. 10. 2. 2011 – C-25/10, Missionswerk Heukelbach, ABl. EU 2011, Nr. C 103, 8 Rn. 29. 79 Vgl. EuGH v. 18. 7. 2007 – C-231/05; Oy AA, ABl. EU 2007, Nr. C 235, 3 Rn. 38; v. 1. 4. 2014 – C-80/12; Felixstowe Dock and Railway Company u. a., ABl. EU 2014, Nr. C 159, 2 Rn. 25; v. 12. 6. 2018 – C-650/16; Bevola und Jens W. Trock, ABl. EU 2018, Nr. C 276, 3 Rn. 32; v. 26. 2. 2019 – C-135/17, X, ABl. EU 2019, Nr. C 139, 10 Rn. 64. 80 Vgl. M. Holtz / A . Thimm, Steueranwaltsmagazin 1/2016, 9.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
heit vornimmt, wieder aufgehoben werden.81 Auch die als Rechtfertigungsgrund anerkannte Notwendigkeit, die Kohärenz einer steuerlichen Regelung zu wahren, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn dieser Rechtfertigungsgrund setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargetan ist.82 Der steuerliche Vorteil, der sich hier daraus ergibt, dass in Höhe des Zugewinnausgleichs ein Freibetrag gewährt wird, wenn die Ehegatten in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet waren, wird aber durch keine bestimmte steuerliche Belastung solcher Ehegatten im Rahmen der Erbschaftsteuer ausgeglichen. b) Das Zugewinngemeinschaftskriterium könnte Ehegatten daran hindern, ihre Unionsbürgerfreizügigkeit bei der Auswahl ihres gewöhnlichen Aufenthalts wahrzunehmen Darüber hinaus kommt eine Unvereinbarkeit der Vorschrift des § 5 ErbStG mit der unionsrechtlichen Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV in Betracht. Auf diesen Aspekt soll im Nachfolgenden nur kurz eingegangen werden, da die im Bereich der Erbschaftsteuer regelmäßig betroffene Kapitalverkehrsfreiheit dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht als die speziellere Regelung vorgeht.83 Gemäß Art. 21 AEUV haben die Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. In Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 AEUV wird sichergestellt, dass die Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, hierbei nicht aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden, d. h. im Verhältnis zu den Staatsbürgern des jeweiligen Mitgliedstaats schlechter gestellt werden.84 Das Zugewinngemeinschaftskriterium in § 5 ErbStG kann jedoch – (1) Ehegatten kurz nach der Eheschließung daran hindern, ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zu begründen. Dies gilt besonders dann, wenn eine Rückkehrabsicht besteht oder einer der beiden Ehegatten über Inlandsvermögen im Sinne von § 121 BewG verfügt. Denn der Wegzug oder die Begründung des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat bewirken, dass auf den ehelichen Güterstand ein ausländisches Güterrecht Anwendung findet. Die steuerliche Belastung bei 81
Vgl. EuGH v. 11. 9. 2008 – C-11/07; Eckelkamp, EU ABl. 2008, Nr. C 285, 6 Rn. 68 f.; v. 11. 9. 2008 – C-43/07; Arens-Sikken, ABl. EU 2008, Nr. C 285, 7 Rn. 65 f.; v. 22. 4. 2010 – C-510/08; Mattner, EU ABl. 2010, Nr. C Rn. 41 ff. 82 EuGH v. 22. 4. 2010 – C-510/08; Mattner, ABl. EU 2010, Nr. C 161, 10 Rn. 53; v. 8. 6. 2016 – C-476/14; Hünebeck, ABl. EU 2016, Nr. C 296, 8 Rn. 62. 83 J. Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (1. Aufl. 2018), § 3 Rn. 261 f. 84 Vgl. W. Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV (5. Aufl. 2016), Art. 21 AEUV Rn. 6.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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dem Tod eines solchen Ehegatten ist damit höher, als wenn die Ehegatten weiter in Deutschland gewohnt hätten. – (2) In einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Ehegatten daran hindern, ihren Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) nach Deutschland zu verlegen („Zuzügler“). Denn wegen der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts befinden sich die Ehegatten weiterhin in einem ausländischen Güterstand, sodass die erbschaftsteuerliche Belastung bei dem Tod eines Ehegatten ebenfalls höher ausfällt. – (3) In einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Ehegatten daran hindern, ihr Kapital in Deutschland zu investieren (Inbound-Sachverhalte). Die etwaigen erbrechtlichen und insbesondere erbschaftsteuerlichen Wirkungen der Ausübung eines im EU-Arbeitsweisevertrag festgeschriebenen Freizügigkeitsrechts gehören regelmäßig zu den Erwägungen, die ein Angehöriger eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung, ob er von dieser Freizügigkeit Gebrauch macht oder nicht, anstellen dürfte.85 6. Zusammenfassung, Stellungnahme und Schlussfolgerungen Das Zugewinngemeinschaftskriterium in § 5 ErbStG ist nach dem hier gefundenen Auslegungsergebnis einer teleologisch-extensiven Interpretation zugänglich, welche auch ausländische Güterstände umfasst. Wie zu zeigen sein wird, muss man dafür nicht einmal die Anknüpfung an das zivilrechtliche Begriffsverständnis aufgeben. Art. 3 Abs. 1 GG zwingt in Gestalt des allgemeinen Gleichheitssatzes sowie in seiner spezifisch steuerrechtlichen Ausprägung als Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zur Nutzung dieses Interpretationsspielraums und damit zu einer verfassungskonformen Auslegung der Norm, die auch den güterrechtlichen Ausgleich des (überlebenden) Ehegatten eines ausländischen Güterstands von der Erbschaftsbesteuerung ausnimmt.86 Denn zum einen bestehen für die Schlechterstellung von nach ausländischem Güterrecht verheirateten Ehepaaren gegenüber in deutscher Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie die erhebliche Benachteiligung jener rechtfertigen könnten. Zum anderen widerspräche es dem auf die Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips gerichteten Zweck des § 5 ErbStG, die wegen des Mitverursachungsgedankens als nicht unentgeltlicher Erwerb einordbare Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten mit Erbschaftsteuer zu belasten. Dies gilt umso mehr, als der Mehrzahl der internationalen Güterrechtssysteme dieselben teleologischen Grundlagen wie der deutschen Zugewinngemeinschaft zugrunde liegen. Hinzu kommt die Verpflichtung, die Bestimmung des § 5 ErbStG unionsrechtskonform auszulegen.87 Der Zugewinn- bzw. (allgemeiner) Vermögensausgleich zwischen 85
Vgl. EuGH v. 11. 12. 2003 – C-364/01; Barbier, ABl. EU 2004, Nr. 47, 6 Rn. 53, 75. Siehe hierzu oben unter Punkt IV.4. 87 Siehe hierzu oben unter Punkt IV.5. 86
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Ehegatten unterfällt als ein auf die Übertragung von Geld- oder Sachmitteln gerichteter Rechtsvorgang dem freien Kapitalverkehr, dessen nicht gerechtfertigte Beschränkung durch Art. 63 Abs. 1 AEUV untersagt wird. Da mit Blick auf die Kollisionsvorschriften des Internationalen Privatrechts mehrheitlich ausländische Staatsangehörige und Gebietsfremde in einem ausländischen Güterstand leben dürften, liegt mit dem Zugewinngemeinschaftskriterium eine verdeckte Diskriminierung vor. Dieses Kriterium bewirkt eine Wertminderung des Nachlasses für den überlebenden Ehegatten, der mit dem Erblasser nicht in deutscher Zugewinngemeinschaft gelebt hat, indem ihm die Steuerbefreiung für den güterrechtlichen Ausgleich verwehrt wird und so dazu führt, dass er einer höheren Besteuerung unterliegt als ein Erbe, der mit dem Erblasser in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet war. Rechtfertigungsgründe für diese Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sind nicht ersichtlich. Insbesondere existiert kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil, der sich daraus ergibt, dass in Höhe des Zugewinnausgleichs ein Freibetrag gewährt wird, wenn die Ehegatten in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet waren, und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung (Kohärenz). Hiermit soll wiederum nicht zugleich gesagt sein, dass dem überlebenden Ehegatten jedes ausländischen Güterstands ein Steuerfreibetrag in Höhe des güterrechtlichen Ausgleichs zu gewähren wäre. Vielmehr knüpft das Erbschaftsteuerrecht nach wie vor an das Zivilrecht an und kann daher im Wesentlichen nur ähnliche Formen der Zugewinngemeinschaft erfassen, ohne als Billigkeitsordnung zu fungieren, die die vorhandenen Unterschiede in den einzelnen Güterrechten nivelliert. Dem würde auch das Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung entgegenstehen. Wie weit die hier herausgestellte teleologisch-extensive Interpretation des § 5 ErbStG vor diesem Hintergrund reicht, bestimmt sich daher im Kern nach der zivilrechtlichen Ausgestaltung der deutschen Zugewinngemeinschaft, insbesondere nach dem mit dem Zugewinnausgleich verfolgten Zweck. Erforderlich ist also die Feststellung der für die deutsche Zugewinngemeinschaft maßgebenden Vergleichskriterien sowie eine sich anschließende zivilrechtliche Analyse des jeweiligen ausländischen Güterstands (hier sogenannter „Güterstandvergleich“). Eine derartige Analyse sämtlicher ausländischer Güterstände kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht annähernd geleistet werden – und ist für ihre Zwecke auch nicht erforderlich, denn die nachfolgenden Überlegungen werden erweisen, dass sich für die Frage speziell des Güterstandvergleichs zum einen übergreifende und auch in den internationalen Güterrechtsordnungen wiederkehrende Kriterien finden lassen. Zum anderen wird der – auf besonders praxisrelevante Güterstände beschränkte – Güterstandvergleich im zweiten Teil verallgemeinerungsfähige Leitlinien in Bezug auf Einschlägigkeit und Reichweite von § 5 ErbStG bei Auslandsgüterständen liefern. Der möglicherweise gegen das gefundene Auslegungsergebnis zu erhebende methodische Einwand, der Wortlaut des § 5 ErbStG sei insbesondere mit Blick auf die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Erbschaftsteuer zwingend, und
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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über diesen – eindeutigen – Wortlaut dürfe man sich nicht hinwegsetzen, vermag nicht zu überzeugen. Er verkennt die heute fast einhellig befürwortete Befugnis und Verpflichtung zur ergänzenden Rechtsfortbildung.88 Führt die wortlautgetreue Auslegung des Gesetzes ausnahmsweise – wie für den hier zu beurteilenden Fall – zu einem sinnwidrigen (und überdies verfassungs- sowie unionsrechtswidrigen) Ergebnis, d. h. besteht eine Divergenz zwischen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck, sind die Gerichte sogar zu einer (gesetzeswortlaut-)abändernden Rechtsfortbildung berufen.89 Dies ist vorliegend umso unbedenklicher, als es hier nicht etwa um die Schaffung neuer oder die Ausweitung bestehender Steuertatbestände geht (wie etwa die Ausweitung des § 3 ErbStG auf Erwerbe nach ausländischem Erbrecht), sondern um die rechtsfortbildende Interpretation einer zugunsten des Steuerpflichtigen wirkenden Norm.
V. Kriterien für den anzustellenden Güterstandvergleich 1. Vergleichbarkeitsprüfung Der Zugewinngemeinschaftsbegriff in § 5 ErbStG ist im Hinblick auf den Normzweck der Vorschrift teleologisch-extensiv zu interpretieren und auf andere ausländische Güterstände auszuweiten. Dies gilt jedoch nicht grenzenlos. In den internationalen Zivilrechtsordnungen bestehen – wie gezeigt – vielfach Systeme zur Regelung des ehelichen Güterstands, die von der deutschen Zugewinngemeinschaft rechtstechnisch abweichen und von deren Begriffsbestimmungen zwangsläufig nicht getroffen werden, oder die sich – zumindest auf den ersten Blick – nur schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen (so insbesondere das „Güterrecht“ in den common law-Rechtsordnungen). Wegen der Anbindung des Erbschaftsteuergesetzes an das deutsche bürgerliche Recht und dem Gebot einer tatbestandsmäßigen Besteuerung können diese Unterschiede auch bei der Zugewinnausgleichsbesteuerung nicht ignoriert werden, sodass sich die Frage nach einem allgemeingültigen Vergleichsmaßstab stellt, der zudem auch zu einer größeren Rechtssicherheit für die Praxis beiträgt. Beide Funktionen soll der hier so bezeichnete Güterstandvergleich erfüllen. Bei dem Güterstandvergleich ist – wie auch sonst bei der Prüfung der erbschaftsteuerlichen Tatbestandswirkung von Auslandserwerben –90 von den Wertungen 88
Vgl. z. B. die Nachweise bei K.-D. Drüen, in: Tipke / K ruse, AO (Stand: 10/2020) § 4 AO Rn. 355 ff. 89 Vgl. z. B. die Nachweise bei K.-D. Drüen, in: Tipke / K ruse, AO (Stand: 10/2020), § 4 AO Rn. 380. 90 Vgl. BFH v. 20. 7. 1960 – II 262/57 U, BFHE 71, 360 = BStBl. III 1960, 385 Rn. 3; v. 8. 6. 1988 – II R 243/82, BFHE 153, 422 = BStBl. II 1988, 808 Rn. 11; FG Saarland v. 10. 6. 2010 – 1 K 1209/07, EFG 2010, 1711 Rn. 27; FG Münster v. 12. 4. 2018 – 3 K 2050/16 Erb, EFG 2018, 1571 Rn. 45; FG Hessen v. 19. 9. 2018 – 1 K 1905/15, EFG 2018, 2063 Rn. 27.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
der lex fori auszugehen, d. h. es ist zu prüfen, ob in dem ausländischen Sachverhalt die Voraussetzungen erfüllt sind, wie sie das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vorschreibt.91 Die Rechtsstellung nach ausländischem Recht ist folglich an die Strukturen des deutschen bürgerlichen Rechts anzupassen. Dies gelingt erbschaftsteuerlich immer dann, „wenn sowohl die Rechtsfolgen als auch das wirtschaftliche Ergebnis einem der im Erbschaftsteuergesetz ausdrücklich genannten inländischen Tatbeständen entsprechen“92. Übertragen auf § 5 ErbStG bedeutet dies, dass der ausländische Güterstand mit der deutschen Zugewinngemeinschaft vergleichbar oder ihr zumindest ähnlich sein muss.93 Bislang unklar ist, nach welchen Kriterien ein solcher Vergleich zu erfolgen hat.94 Einigkeit dürfte zunächst darüber herrschen, dass es nicht auf die formale Bezeichnung von Rechtsinstituten oder deren Einordnung im ausländischen Recht ankommen kann,95 sodass auch Güterstände, die übersetzt als „Gütergemeinschaft“ oder „Gütertrennung“ benannt bzw. eingeordnet werden oder die – wie im common law – überhaupt keine Bezeichnung erfahren haben, als Zugewinngemeinschaften im Sinne von § 5 ErbStG in Betracht kommen können.
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So im Ergebnis auch der BFH in seinem Urteil v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 16: „Zutreffend hat das Finanzgericht auch erkannt, daß das Güterrecht, das für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehegatten galt, trotz der Benennung als Güterstand der Gütertrennung dem Recht der Zugewinngemeinschaft ähnlich war.“ 92 BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 Rn. 28. 93 Das früher von dem RFH und dem – bis 1960 zuständigen – III. Senat des BFH vertretene Rechtsvergleichungsverbot gilt heute nicht mehr, siehe bereits BFH v. 19. 10. 1956 – III 128/55 U, BFHE 63, 431 = BStBl. III 1956, 363 Rn. 3: „Der Reichsfinanzhof hat schon in seinem Bescheid bzw. Urteil VI A 199/22 vom 25. Oktober 1922/10. Januar 1923 (…) ausgeführt, daß das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) nicht nur solche Rechtsvorgänge treffen wollte, die sich genau in den Rechtsformen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abspielen, und daß für die Frage, welchem im BGB geregelten Rechtsverhältnis ein nach ausländischem Gesetz bestehendes Rechtsverhältnis gleichzustellen ist, nicht die formale Regelung, sondern die wirtschaftliche Bedeutung dieses letzteren Rechtsverhältnisses entscheidend ist. (…) Dabei hätten Vergleiche zwischen deutschem bürgerlichen Recht und ausländischem bürgerlichen Recht zu unterbleiben, insbesondere die Versuche die ausländische Rechtsgestaltung unter die Begriffe des deutschen bürgerlichen Rechts zu bringen. Der erkennende Senat tritt dieser auch im Schrifttum (…) gebilligten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs mit der einen Einschränkung bei, daß er einen Vergleich zwischen deutschem und ausländischem bürgerlichen Recht nicht für schlechthin ausgeschlossen hält; (…).“. 94 Nach der h. M. in der Literatur ist die deutsche Zugewinngemeinschaft gem. § 1363 Abs. 1 BGB dadurch gekennzeichnet, dass (1) die Vermögensmassen der Ehegatten während der Ehe getrennt sind und (2) am Ende der Ehe der Zugewinn güterrechtlich ausgeglichen wird, siehe v. Oertzen, ZEV 1994, 93 (97); M. Schindhelm, Erbfälle mit Auslandsberührung im deutschen Erbschafsteuerrecht, S. 29; C. Jeremias, ZEV 2004, 414 (415). Der BFH hat in seinem Urteil v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 16 f. darauf abgestellt, dass auch im DDR-Güterstand verheiratete Ehegatten „bei Beendigung der Ehe (…) einen familienrechtlichen Anspruch auf Ausgleich des während der Ehe erworbenen Vermögens“ haben sowie dass dieser Ausgleichsanspruch kein dinglicher, sondern ein obligatorischer Anspruch sei. Wie zu zeigen sein wird, ist insbesondere das zweite Kriterium, dass es sich um einen obligatorischen Ausgleich handeln muss, als zu eng abzulehnen. 95 Vgl. BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 Rn. 40.
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Es bedarf zudem keiner vollständigen Deckungsgleichheit zwischen dem ausländischen Güterstand und der Zugewinngemeinschaft im Sinne von § 5 ErbStG und § 1363 BGB. Es genügt ein „Ähnlichkeitsvergleich“96. Denn die Regelungen zum ehelichen Güterstand und den verschiedenen Ausgleichsmechanismen sind in den einzelnen Zivilgesetzbüchern naturgemäß nicht identisch. Auch geht es bei der Vergleichbarkeitsprüfung regelmäßig nicht so sehr um die zivilrechtliche Rechtsbzw. Regelungstechnik, sondern in erster Linie um das (wirtschaftliche) Ergebnis, das mit einer Regelung erreicht werden soll. Ein gutes Beispiel hierfür ist aus jüngerer Zeit das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 22. 8. 201997 zu dem maßgebenden Besteuerungszeitpunkt im Sinne des § 9 ErbStG, wenn für den Erbanfall nach ausländischem Recht (in dem entschiedenen Fall: Italien) ein konstitutives Annahmeerfordernis besteht. Auch wenn die rechtstechnischen Systeme über Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft in Deutschland (Vonselbsterwerb) und Italien (Antrittserwerb) von ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten ausgehen,98 hat das Hessische Finanzgericht eine Vergleichbarkeit der beiden Erbrechtsinstitute als selbstverständlich angenommen. Auch bei dem Güterstandvergleich kann es nur darauf ankommen, dass die wesensbestimmenden materiell-rechtlichen Kriterien der deutschen Zugewinngemeinschaft erfüllt sind. Dies gilt umso mehr, als es um einen Vergleich für erbschaftsteuerliche Zwecke geht, der letztlich die Frage nach einem Leistungsfähigkeitszuwachs bei dem überlebenden Ehegatten beantworten soll. 2. Wesensbestimmende Strukturmerkmale der Zugewinngemeinschaft Zentrales Element des Güterstandvergleichs ist der Abgleich des ausländischen Güterstands mit den Strukturmerkmalen der deutschen Zugewinngemeinschaft. Der nach ausländischem Recht erfolgende Vermögensausgleich zwischen Ehegatten muss vor allem hinsichtlich seiner Rechtsfolgen bzw. seinem Ergebnis den deutschen Vorschriften über den Zugewinnausgleich entsprechen. Dabei müssen die Strukturmerkmale nicht in ihrer Gesamtheit erfüllt sein, vielmehr reicht es aus, wenn die wesensbestimmenden materiell-rechtlichen Kriterien der Zugewinngemeinschaft erfüllt sind. Die Vorschriften zum technischen Verfahren des Zugewinnausgleichs spielen hierbei folglich so gut wie keine Rolle. Wesentliche Strukturmerkmale der deutschen Zugewinngemeinschaft sind nach der hier entwickelten Ansicht: 96
Vgl. M. Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, S. 213 Rn. 400. 97 FG Hessen v. 22. 8. 2019 – 10 K 1539/17, EFG 2019, 1848, bestätigt durch BFH v. 17. 11. 2021 – II R 39/19, BFHE 275, 261 = BStBl. II 2022, 478. 98 Siehe auch die Übersicht bei M. Wenckstern, Erbschaftsannahme/-ausschlagung, in: HWBEuP (2009).
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
– (1) Rechtliche Trennung der Vermögen der Ehegatten während des Bestehens des Güterstands (Gütertrennung), – (2) Gleich wie gearteter Ausgleich des Vermögenszuerwerbs in der Ehe zwischen den Ehegatten, wenn der Güterstand endet (nachträglicher Vermögensausgleich). Zunächst ist bei der Vergleichbarkeitsprüfung meines Erachtens nicht abstrakt auf das anwendbare ausländische Güterrecht als solches abzustellen, sondern auf den jeweiligen Güterstand in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung. Räumt die ausländische Güterrechtsordnung den Ehegatten demnach Gestaltungsfreiheit bei der Ordnung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse ein und machen die Ehegatten von dieser Gebrauch, so kommt es auf die konkrete ehevertragliche Ausgestaltung des ausländischen Güterstands an. Andernfalls wäre den Ehegatten die Möglichkeit genommen, durch die konkrete Gestaltung ihres ehelichen Güterstands den Vorgaben des § 5 ErbStG zu entsprechen. Damit kann es für die Vergleichbarkeit auch nicht von Bedeutung sein, ob es sich um einen gesetzlichen oder vertraglichen Güterstand handelt. Ein vergleichbarer ausländischer Güterstand setzt meines Erachtens zunächst voraus, dass die Vermögen beider Ehegatten rechtlich getrennt bleiben, d. h. es darf mit wirksamer Eheschließung – bzw. der Vereinbarung des Güterstands – zu keiner Vermögensvergemeinschaftung kommen. Dafür spricht schon die im nationalen Güterrecht in den §§ 1363; 1414; 1415 BGB angelegte grundlegende Differenzierung zwischen solchen Güterständen, die auf Gütertrennung beruhen oder ein gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten begründen. Diese Differenzierung wird auch erbschaftsteuerlich umfänglich nachvollzogen.99 Führt schon die Eheschließung nach ausländischem Recht demnach zu einer Vergemeinschaftung der Vermögen beider Ehegatten, so liegt im Grundsatz kein vergleichbarer Vorgang im Sinne des § 5 ErbStG vor. Damit scheiden all jene ausländischen Güterstände aus dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG aus, die auf einem Gütergemeinschaftssystem basieren.100 Dies gilt auch für die – insbesondere in Europa – weit verbreitete Errungenschaftsgemeinschaft, die mit wirksamer Eheschließung ein gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (nur) in Bezug auf das während der Ehe erworbene Vermögen schafft.101 Aus dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG fallen somit z. B. die gesetzlichen Güterstände in Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und Portugal heraus.102 Sind die internationalen Errungenschaftssysteme in einem Umkehrschluss damit aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht am ehesten der deutschen Gütergemeinschaft vergleichbar, so könnte man bei deren Vereinba 99
Vgl. §§ 4; 5; 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Für eine Übersicht siehe oben Abschn. § 3 C. I. (Gütergemeinschaftssysteme). 101 Für eine Übersicht siehe oben Abschn. § 3 C. I. 2. 102 Den Ehegatten bleibt es unbenommen, einen der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnlichen Vertragsgüterstand zu vereinbaren, sofern das einschlägige ausländische Güterrecht die Möglichkeit ehevertraglicher Regelungen zulässt. Bspw. sieht das französische Güterrecht die participation aux aquêts als Vertragsgüterstand vor, die der deutschen Zugewinngemeinschaft 100
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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rung wiederum eine Steuerpflicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Betracht ziehen. Hiernach gilt als Schenkung unter Lebenden die Bereicherung, die ein Ehegatte bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft erfährt. Bei genauerem Hinsehen erweist sich dies aber als Trugschluss: Der eine Schenkungsbesteuerung rechtfertigende Grund des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG besteht nämlich in der Teilhabe des ärmeren Ehegatten an dem neu gebildeten Gesamtgut, das im deutschen Güterrecht ipso iure auch das voreheliche (gesamte) Vermögen beider Ehepartner umfasst.103 Eine solche umfassende Teilhabe sehen die verschiedenen Errungenschaftssysteme jedoch nicht vor. Das Gesamtgut in der Errungenschaftsgemeinschaft umfasst vielmehr nur das Vermögen, das die Ehegatten ab deren Eintritt erwerben. Mangels Teilhabe an dem gesamten Vermögen findet mit der Vereinbarung einer Errungenschaftsgemeinschaft damit auch keine Bereicherung des ärmeren Ehegatten statt, die Gegenstand einer Schenkungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sein könnte. Aus der Vereinbarung einer Errungenschaftsgemeinschaft ausländischen Rechts ergeben sich damit im Regelfall keine erbschaftsteuerlichen Folgen. Kennt das ausländische Güterrecht demgegenüber überhaupt kein gesetzliches Güterrecht – wie insbesondere die common law-Rechtsordnungen –, resultiert die Eheschließung in einem Ergebnis, das dem Gütertrennungskriterium letztlich rechtlich und wirtschaftlich gleichkommt. Denn auch hier bleiben die Vermögen der Ehegatten rechtlich getrennt. Das Nichtvorhandensein eines gesetzlichen Güterstands führt damit nicht dazu, dass die Vergleichbarkeit mit der deutschen Zugewinngemeinschaft per se abzulehnen wäre. Außerdem muss nach dem gesetzlichen Leitbild des § 1363 Abs. 2 S. 2 BGB bei der Beendigung der Ehe bzw. der Zugewinngemeinschaft der Vermögenszuwachs, den die Ehegatten in der Ehe gemacht haben, ausgeglichen werden. § 1363 Abs. 2 S. 2 BGB legt hierbei nicht fest, auf welche Art und Weise der Ausgleich rechtstechnisch zu erfolgen hat. Wie gezeigt, steht die Idee der Zugewinngemeinschaft der Frage, in welcher Form die Teilhabe erfolgen soll, letztlich gänzlich offen gegenüber. Dies spricht dafür, dass die Rechtstechnik des Ausgleichs – rechnerischer Zahlungsausgleich, aufgeschobene Gütergemeinschaft, Richterspruch – auch erbschaftsteuerlich keine Voraussetzung der Vergleichbarkeit ist. Allerdings ist fraglich, welchen Inhalt das Kriterium des erst mit Beendigung des Güterstands erfolgenden nachträglichen Zugewinnausgleichs dann hat. Angesichts der Formulierung in Randnummer 17 des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 5. 3. 1975 (DDR-Güterstand), dass der Ausgleichsanspruch in dem DDR-Güterstand und in rechtlich ähnlich ist, vgl. C. Döbereiner in: Süß / R ing (4. Aufl. 2020), Eherecht in Europa, Frankreich, S. 569 ff. Auch die Güterrechte in Belgien, Italien, Luxemburg und Portugal erkennen die Möglichkeit ehevertraglicher Vereinbarungen zwischen den Ehegatten an. Für einen Überblick vgl. J. Rieck, Ehegüterrecht und Eheverträge in Europa, https://www.bva.bund.de/Shared Docs/Downloads/DE/Aufgaben/ZMV/Auswandern/Publikationen/Downloaddatei_Ehegüter recht_und_Eheverträge_in_Europa.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Stand: 8. 1. 2022). 103 Vgl. M. Esskandari, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 7 Rn. 271; D. Gebel, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 7 Rn. 307.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
der Zugewinngemeinschaft „keine dinglichen, sondern obligatorischen Ansprüche“104 sind, könnte sich dieses Erfordernis auf den Ausgleich des Zugewinns im Wege einer schuldrechtlichen Ausgleichsforderung gegen den Ehegatten mit dem größeren Zugewinn beziehen. Dies ist jedoch als zu eng abzulehnen, da das Institut des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs international kaum verbreitet ist.105 Im anglo-amerikanischen Rechtskreis haben die Güterstände zum Teil überhaupt keine gesetzliche Regelung erfahren. Der Ausgleich erfolgt hier vielmehr durch richterliche Billigkeitsentscheidung bzw. im Todesfall regelmäßig über eine starke erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten. Diese rechtstechnischen Unterschiede betreffen im Ergebnis allerdings mehr die Modalitäten des Ausgleichs als den Rechtsgrund für den Erwerb des überlebenden Ehegatten. Den verschiedenen Ausgleichsmechanismen ist gemein, dass sie die gleichberechtigte Teilhabe des Ehegatten mit dem geringeren Zuerwerb an dem Vermögenszuwachs des anderen bezwecken, um die in der Ehe erbrachten wechselseitigen Beiträge auszugleichen. Damit erfährt der überlebende Ehegatte in keinem der Fälle eine unentgeltliche Bereicherung im erbschaftsteuerlichen Sinne. Vor diesem Hintergrund könnte sogar eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen, wenn die Vergleichbarkeit allein aufgrund anderer Rechtstechniken im ausländischen Recht verneint würde, obwohl im Übrigen vergleichbare Rechtsfolgen eintreten. Ausreichend sollte es meines Erachtens daher sein, dass der Vermögenszuwachs mit Beendigung der Ehe gleich wie auszugleichen ist. Von dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG erfasst werden somit bspw. die gesetzlichen Güterstände in Dänemark106, Finnland, Griechenland, Island, Norwegen, Österreich, der Schweiz, Schweden und der Türkei. Aber auch der Ausgleich, den ein Ehegatte z. B. bei der Beendigung einer nach englischem „Güterrecht“ geführten Ehe erhält, unterfällt den Wirkungen des § 5 ErbStG, wie es anhand eines praktischen Güterstandvergleichs weiter zu zeigen gilt.107 Hiermit ist selbstverständlich nicht zugleich gesagt, dass die zweifelslos vorhandenen Unterschiede in den verschiedenen Systemen zur Regelung des ehelichen Güterstands erbschaftsteuerlich zu nivellieren wären. Dies gilt im Besonderen für die teils erheblichen Abweichungen in Bezug auf den betragsmäßigen Umfang der güterrechtlichen Teilhabe: Wie bereits herausgestellt, sehen bspw. die gesetzlichen Güterstände der nordischen Rechtsfamilie eine gesetzliche Teilhabe auch an dem vorehelichen Vermögensbestand vor, wogegen die common law-Rechtsordnun-
104
BFH v. 5. 3. 1975 – II R 159/73, BFHE 115, 302 = BStBl. II 1975, 516 Rn. 17. Für eine Übersicht siehe oben Abschn. § 3 C. II. 2. 106 Hinsichtlich der Güterstände des nordischen Rechtskreises besteht – wie gezeigt – die Besonderheit, dass auch eine Teilhabe an dem vorehelichen Vermögensbestand beider Ehegatten von Gesetzes wegen stattfindet, siehe oben Abschn. § 3 C. II. 1. Dies wirft zwangsläufig die Frage nach dem Umfang der Steuerfreiheit im Sinne des § 5 ErbStG auf und ob eine Beschränkung auf den ehezeitlichen Hinzuerwerb erforderlich ist. Auf diese wird ausführlich unter Punkt C.II. eingegangen. 107 Siehe im Einzelnen unten Abschn. § 6 C. III. 105
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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gen (im Fall der Ehescheidung) mit sogenannten package solutions operieren, die eine vermögensmäßige Teilhabe sowie Unterhaltsleistung ineinanderfließen lassen.108 Beides ist dem deutschen Güterrecht fremd. Wie zu zeigen sein wird, ist diesen Unterschieden primär auf Ebene der Ermittlung der Höhe des anzusetzenden Zugewinnausgleichsfreibetrags Rechnung zu tragen. 3. Sonstige Vergleichskriterien Sonstige Vergleichskriterien spielen meines Erachtens bei dem Güterstandvergleich keine bzw. kaum eine Rolle. Dies folgt schon daraus, dass aufgrund der Ehevertragsfreiheit auch im deutschen Recht nicht alle Zugewinngemeinschaften vollständig übereinstimmen. Die einzelnen Vorschriften der §§ 1363 ff. BGB sind vielmehr in weitem Umfang ehevertraglich disponibel. Dies gilt insbesondere auch für die Halbteilungsquote aus § 1378 Abs. 1 BGB, von der die Ehegatten individuell-vertraglich abweichen können. Hieraus folgt, dass es auch bei der Vergleichbarkeitsprüfung nicht darauf ankommen kann, dass der eheliche Zuerwerb hälftig bzw. nach einer festen gesetzlichen Quote ( fixed shares) – im Gegensatz zur richterlichen Billigkeitsentscheidung – geteilt wird. Die im common law praktizierte richterliche Umverteilung nach Fairnessgesichtspunkten (needs) bildet die in der Ehe erbrachten Beiträge beider Ehegatten im Übrigen sogar besser ab als eine pauschale (Halb-)Teilungsquote, sodass sich auch der Umfang des nicht unentgeltlichen Erwerbs im Sinne von § 5 ErbStG genauer ermitteln lässt. Auch verfahrensrechtliche Fragen stellen kein sonstiges Vergleichskriterium dar. Das Ausgleichsverfahren muss nicht den für den deutschen Zugewinnausgleich typischen Berechnungsmodus aufweisen, insbesondere müssen sich die verschiedenen Vermögensmassen (z. B. Anfangs- und Endvermögen, Eigengut und Errungenschaft, Vorbehalts- und Gemeinschaftsgut) nicht auf eine identische Weise zusammensetzen. 4. Zusammenfassung und rechtspraktisches Vorgehen Die Steuerneutralität des Zugewinnausgleichs in § 5 ErbStG gilt nach alledem im Wege der teleologisch-extensiven Auslegung auch für ausländische güterrechtliche Teilhabeformen. Für deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 5 ErbStG kommt es entscheidend darauf an, dass sie dem Recht der Zugewinngemeinschaft ähnlich sind. Im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung ist keine rechtliche Identität der Güterrechte zu fordern. Vielmehr kommt es auf eine Vergleichbarkeit mit den wesensbestimmenden Strukturmerkmalen der deutschen 108 Vgl. zu Letzterem W. Pintens, Ehegüterrecht, in: HWBEuP (2009) sowie oben Abschn. § 3 C. III. 2.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Zugewinngemeinschaft an. Diese sind nach der hier entwickelten Ansicht darin zu erblicken, dass (1) während des Bestehens des Güterstands Gütertrennung herrscht und (2) eine Vermögensteilhabe erst nachträglich, d. h. mit der Beendigung des Güterstands, verwirklicht wird. Bei Letzterem ist wiederum unerheblich, ob technisch gesehen eine schuldrechtliche oder dingliche Vermögensteilhabe stattfindet oder diese durch Richterspruch verwirklicht wird. Denn die verschiedenen Teilhabeformen bezwecken unabhängig von der konkreten zivilrechtlichen Rechtstechnik eine gleichmäßige Teilhabe aus dem Gedanken der Mitverursachung des Vermögenserwerbs heraus. Damit kommt es auch auf die Einzelheiten der jeweiligen Ausgleichsvorschriften des ausländischen Güterrechts nicht an. Im Übrigen kann von dem zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt und dem inländischen Rechtsanwender auch nicht erwartet werden, die güterrechtlichen Bestimmungen sämtlicher Staaten im Detail zu lesen, zu verstehen und entsprechend erbschaftsteuerlich zu würdigen. Damit ist allerdings noch nichts dazu gesagt, wie eine solche Vergleichbarkeitsprüfung rechtspraktisch durchzuführen ist. Schaut man sich in anderen Rechtsbereichen um, denen eine Vergleichbarkeit ausländischer Vorgänge nicht so fremd ist wie bislang dem Erbschaftsteuerrecht, so stößt man in erster Linie auf den allgemein anerkannten und praktizierten Gesellschaftstypenvergleich.109 Hiernach ist eine ausländische Gesellschaft dann als Körperschaft im Sinne des § 1 KStG einzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung der relevanten ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des Privatrechts gleicht.110 Es muss demnach im Einzelfall geprüft werden, ob die ausländische Gesellschaft dem „Typ“ nach einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person entspricht. Damit kommt es aber nicht entscheidend darauf an, wie der ausländische Staat die Gesellschaft rechtlich (oder steuerlich) einordnet. Der Typenvergleich ist vielmehr nach den leitenden Gedanken des inländischen Steuerrechts durchzuführen.111 Überträgt man diese Grundidee auf den hier interessierenden Güterstandvergleich, so ergibt sich hieraus das folgende praktische Vorgehen: Zunächst ist die Rechtslage in dem Staat zu begutachten, die auf den ehelichen Güterstand der Ehegatten nach den internationalen Kollisionsregeln Anwendung findet. Die Typusmerkmale des ausländischen Güterstands sind anhand der dortigen Rechtslage zu ermitteln. Sodann sind die so ermittelten Merkmale des ausländischen Güterstands mit den wesensbestimmenden Strukturmerkmalen der deutschen Zugewinngemeinschaft zu vergleichen. Ergibt sich hiernach, dass der
109
Vgl. grundlegend RFH v. 12. 2. 1930 – VI A 899/27, RFE 27, 78 = RStBl. 1930, 444; zur US-LLC siehe BMF v. 19. 3. 2004 – IV B 4 – S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (sog. „LLC-Schreiben“) und BFH v. 20. 8. 2008 – I R 34/08, BFHE 222, 521 = BStBl. II 2009, 263. 110 BFH v. 20. 8. 2008 – I R 34/04, BFHE 222, 521 = BStBl. II 2009, 263 Rn. 19; M. Klein, in: H / H /R, KStG (Stand: 08/2021), § 1 Rn. 27. 111 M. Klein, in: H / H /R, KStG (Stand: 08/2021), § 1 Rn. 27.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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ausländische Güterstand rechtlich und wirtschaftlich einer deutschen Zugewinngemeinschaft gleicht, ist er als Zugewinngemeinschaft im Sinne des § 5 ErbStG einzuordnen.
VI. Konsequenzen des Güterstandvergleichs 1. Erbschaftsteuerliche Behandlung des Güterstands entsprechend der Einordnung Ergibt sich nach dem Güterstandvergleich eine weitgehende Übereinstimmung mit den wesensbestimmenden Strukturmerkmalen der deutschen Zugewinngemeinschaft und der wirtschaftlichen Bedeutung des Zugewinnausgleichs, so ist für das Erbschaftsteuerrecht der ausländische Güterstand entsprechend zu behandeln. Der überlebende Ehegatte eines ausländischen vergleichbaren Güterstands unterliegt demnach nur mit dem um § 5 Abs. 1 oder 2 ErbStG gekürzten steuerpflichtigen Erwerb im Sinne des § 10 Abs. 1 ErbStG der deutschen Erbschaftsbesteuerung. Ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 ErbStG ist hierbei gegeben, wenn der zugewinngemeinschaftsähnliche Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet wird und der „Zugewinn“ nach ausländischem Recht nicht güterrechtlich (tatsächlich) verwirklicht wird.112 Obwohl das Regelungskonzept des Erhöhungsviertels in § 1371 Abs. 1 BGB international an sich einzigartig ist, gibt es – wie dargelegt – dennoch verschiedene Rechtsordnungen, die im Erbfall keinen güterrechtlichen Ausgleich vorsehen, sondern diesen über eine starke erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten mitregulieren (so insbesondere in den common law-Rechtsordnungen).113 Wird der ausländische vergleichbare Güterstand dagegen in einer anderen Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet, gehört der zu Ausgleichszwecken bewirkte Vermögensübergang nicht zu dem Erwerb im Sinne des § 7 ErbStG (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Zudem hat der mit einer ausländischen vergleichbaren Ausgleichsforderung belastete Erbe nur den Wert seines Erwerbs abzüglich der ausländischen Ausgleichsschuld zu versteuern, da diese korrespondierend nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG bereicherungsmindernd von dem Erbfall abgezogen werden kann.
112
So auch P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 203; C. Meßbacher- Hönsch, in: Götz / Meßbacher-Hönsch, ErbStG (Stand: 12/2020), § 5 Rn. 43. 113 Siehe oben Abschn. § 3 D. II. 3. Zu deren erbschaftsteuerlichen Behandlung siehe im Einzelnen unten § 6 C. (praktischer Güterstandvergleich).
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
2. Ermittlung des nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegenden Betrags Damit ist allerdings noch nichts dazu gesagt, wie sich der nicht steuerbare Betrag des § 5 ErbStG bei Vorliegen eines vergleichbaren ausländischen Güterstands praktisch ermittelt. Klar dürfte sein, dass die Berechnung den Rechtsanwender sowie die Erbschaftsteuerfinanzämter regelmäßig vor äußerst schwierige Herausforderungen stellt bzw. stellen kann.114 Eine Anwendung der inländischen Vorschriften zum Zugewinnausgleichsverfahren auf vergleichbare ausländische Güterstände erscheint hierbei allerdings nicht als von Vornherein ausgeschlossen,115 weil sowohl die Ermittlung des Zugewinnausgleichs in Deutschland als auch die Ermittlungen der Höhe der Ausgleichsbeträge in anderen Güterrechtsordnungen regelmäßig dazu dienen, die Ehegatten zu gleichen Teilen an dem gemeinsam erarbeiteten Vermögen zu beteiligen.116 In Anbetracht der Rechtsfolgenanordnung des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG, die in einer Fiktion besteht und sich dadurch von der in § 5 Abs. 2 ErbStG elementar unterscheidet, erscheint allerdings eine Differenzierung geboten. a) Fiktionslösung des § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG gilt auch für vergleichbare ausländische Ausgleichskonstellationen Das Erbschaftsteuergesetz arbeitet in § 5 Abs. 1 ErbStG mit einer nur fiktiven Ausgleichsforderung, d. h. einer zivilrechtlich nicht existenten.117 Diese Gesetzesfiktion beinhaltet – wie gezeigt – einen eigenen materiellen Regelungsgehalt, indem sie den formalen Grundsatz der Maßgeblichkeit des (nationalen) Zivilrechts für Erbschaftsteuerzwecke durchbricht. Für den Fall, dass das Zivilrecht im Todesfall keine rechnerische Ermittlung des Ausgleichsbetrags vorsieht oder der überlebende Ehegatte durch Testament oder Vermächtnis letztwillig bedacht wird und zivilrechtlich ein güterrechtlicher Zugewinnausgleich somit nicht ent 114 Dies gilt unabhängig davon, dass aufgrund eines Auslandssachverhalts regelmäßig § 90 Abs. 2 AO anwendbar ist, d. h. eine erhöhte Mitwirkungspflicht des überlebenden Ehegatten besteht. Dieser ist insbesondere dazu verpflichtet, die für die Berechnung des Ausgleichsbetrags notwendigen (Berechnungs-)Parameter hinreichend nachzuweisen, vgl. hierzu unten Abschn. § 6 B. VI. 2. b). 115 So auch C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (97); P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 203. 116 Vgl. auch BFH v. 5. 3. 1975 – II R 125/68, BFHE 115, 277 = BStBl. II 1975, 447 Rn. 18: „Ob ein vor den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland ausgetragener Rechtsstreit über die Höhe des Ausgleichsanspruchs zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde gegenüber einem Rechtsstreit, der bei ansonsten gleichen tatsächlichen Verhältnissen über die Berechnung des Zugewinns geführt würde, kann dahinstehen. Die Ermittlungen der Höhe der Ausgleichsansprüche dienen jedenfalls in beiden Fällen dazu, die Ehegatten zu gleichen Teilen an dem gemeinsam erarbeiteten Vermögen zu beteiligen.“. 117 Siehe ausführlich oben Abschn. § 5 C. IV. 1.
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steht, hält das Erbschaftsteuergesetz in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG eine unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten gebotene, behelfsmäßige Lösung zur Ermittlung des von dem überlebenden Ehegatten erbrachten Beitrags zum Vermögensaufbau des Erblassers vor. Hierbei handelt es sich im Prinzip um einen spezifisch erbschaftsteuerrechtlichen Zugewinnausgleich.118 Daher erscheint es geboten, in solchen Fällen, in denen (1) das ausländische Recht im Todesfall keine güterrechtliche Vermögensteilhabe vorsieht (so z. B. die common law-Rechtsordnungen) bzw. (2) auf einen an der tatsächlichen Errungenschaft orientierten Ausgleich verzichtet (z. B. Österreich), (3) die Ehegatten den güterrechtlichen Vermögensausgleich für den Todesfall ehevertraglich abbedungen haben oder (4) der überlebende Ehegatte gesetzlicher oder testamentarischer (Allein-)Erbe wird und den güterrechtlichen Ausgleich daher nicht geltend macht bzw. machen kann, den nicht steuerbaren Betrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 1371 Abs. 2 BGB zu ermitteln.119 Der nicht steuerbare Betrag ist folglich in solchen Fällen, in denen ein effektiver Ausgleich der Errungenschaften im ausländischen Recht nicht stattfindet, nach deutschem Güterrecht zu ermitteln. Hierfür spricht insbesondere auch, dass die Anwendung ausländischen Rechts in den genannten Fällen für den Rechtsanwender bzw. das Erbschaftsteuerfinanzamt vielfach praktisch unmöglich sein wird, wie das Beispiel englischen Rechts zeigt. Verstirbt bspw. ein Ehegatte und gilt englisches Recht als Güterrechtsstatut, findet grundsätzlich kein (gesonderter) güterrechtlicher Ausgleich statt. Der überlebende Ehegatte nimmt – bei korrespondierender Geltung englischen Erbrechts – vielmehr eine generelle starke Stellung als Intestaterbe ein. Nur wenn das Erbe zur Versorgung des überlebenden Ehegatten nicht ausreichend (z. B. bei entsprechender testamentarischer Verfügung des Erblassers), ist der sogenannte deemed divorceTest durchzuführen, bei dem das Gericht auf Antrag des überlebenden Ehegatten (family provision) zu berücksichtigen hat, wie der überlebende Ehegatte gestanden hätte, wenn die Ehe nicht durch Tod, sondern Scheidung beendet worden wäre.120 Die Anwendung englischen „Güterrechts“ für deutsche Besteuerungszwecke liefe hier im Ergebnis darauf hinaus, dass der deutsche Rechtsanwender bzw. das Erbschaftsteuerfinanzamt das family provision-Verfahren unter Berücksichtigung des deemed divorce-Tests in einem Fall anzuwenden hätte, in dem das englische Recht ein solches selbst gar nicht durchführen würde. Damit sprechen für die Anwendung von § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG in Verbindung mit § 1371 Abs. 2 BGB insbesondere auch Praktikabilitäts- und Vereinfachungsgesichtspunkte.
118
Vgl. J. E. Milatz, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), § 5 ErbStG Rn. 2. So im Ergebnis auch C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (97); P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 203; T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 645 (671). 120 Sec. 1(1); 3(2) Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975 (UK), siehe hierzu auch oben Abschn. § 3 C. III. 2. 119
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b) Maßgeblichkeit ausländischen Güterrechts im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG aa) Grundsatz Demgegenüber deckt sich die Rechtsfolgenanordnung des § 5 Abs. 2 ErbStG nicht mit der von § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG. Hiermit ist auch ein materieller Unterschied verbunden, denn § 5 Abs. 2 ErbStG ist strikt zivilrechtsakzessorisch und stellt auf die rechtlich tatsächlich entstandene – gegebenenfalls ehevertraglich modifizierte – Ausgleichsforderung ab.121 Daher muss bei vergleichbaren ausländischen Güterständen, die in einer anderen Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet werden oder einen effektiven güterrechtlichen Ausgleich des in der Ehe gemachten Zuerwerbs im Todesfall vorsehen, der Ausgleichsbetrag entsprechend nach ausländischem Güterrecht ermittelt werden.122 Hierbei können in der Praxis einschlägige Veröffentlichungen, wie bspw. die Quellensammlung von Bergmann / Ferid / Henrich in dem Bereich des Internationalen Familienrechts oder von Ferid / Firsching / Hausmann in dem Bereich des Internationalen Erbrechts, wichtige Anhaltspunkte liefern.123 Hinzu kommt, dass der erwerbende (überlebende) Ehegatte bei im Ausland verwirklichten Sachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO einer erhöhten Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht unterliegt. In Bezug auf § 5 Abs. 2 ErbStG bedeutet dies zunächst und vor allem, dass er geeignete Nachweise über die tatsächlichen Berechnungsparameter für den ausländischen Ausgleichsbetrag zu erbringen hat. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die erweiterte Mitwirkungspflicht aus § 90 Abs. 2 AO auf Tatsachen beschränkt bleibt.124 Vor diesem Hintergrund dürfte es auch der herrschenden Meinung entsprechen, den erwerbenden Ehegatten nicht auch als dazu verpflichtet anzusehen, die Regelungen über das anwendbare Güter-
121
Siehe oben Abschn. § 5 C. IV. 2. d). Entgegen der Auffassung von P. R. Gottschalk spielt die Frage, ob sich der nicht steuerbare Betrag im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG nach in- oder ausländischen Grundsätzen ermittelt, damit praktisch doch eine Rolle, siehe ders., in: T / G/J / G, ErbStG, (Stand: 01/2021), § 5 Rn. 204. 123 Vgl. auch C. Jeremias, ZEV 2005, 414 (416). Soweit es um die Ermittlung des Güter- oder Erbrechts eines EU-Mitgliedstaats geht, ist ferner für das Güterrecht auf die Länderübersicht auf der Internetseite des Rates der Notariate der EU (CNUE) (http://www.coupleseurope.eu/de/ home) sowie für das Erbrecht auf das von der Europäischen Kommission betriebene Europäische justizielle Netz in Zivil- Handelssachen (https://e-justice.europa.eu/content_succession538-de.do) hinzuweisen. Informationen zu den Güterrechten von Nicht-EU-Mitgliedstaaten finden sich zudem auf der Internetseite der Internationalen Vereinigung der Notariate (UINL) (https://www.uinl.org/parejas-en-europa?p_p_id=56_INSTANCE_EbWKDaPOatud&p_p_life cycle=0&p_p_state=normal&p_p_mode=view&p_p_col_id=column-4&p_p_col_count=1# p_73_INSTANCE_g4QgRSEIbf0Q (Stand: 8. 1. 2022). 124 BFH v. 13. 6. 2013 – III R 10/11, BFHE 241, 562 = BStBl. II 2014, 706 Rn. 31; H. Söhn, in: HHSp, AO (Stand: 04/2020), § 90 Rn. 153. 122
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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recht im Einzelnen darzulegen, da es sich hierbei um Rechtsfragen handelt.125 Das maßgebende ausländische Güterrecht ist vielmehr von Amts wegen zu ermitteln. Selbstverständlich ist es dem erwerbenden Ehegatten im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs jedoch unbenommen, entsprechende rechtliche Ausführungen hierzu zu machen.126 bb) Ausnahme bei Nichtfeststellbarkeit ausländischen Güterrechts Ist trotz aller gebotenen Anstrengung und unter Ausschöpfung aller zugäng lichen Erkenntnisquellen das ausländische Güterrecht nicht ermittelbar, so stellt sich die interessante Folgefrage, wie in entsprechenden Fällen zu verfahren ist. Eine solche Situation kann vor allem dann vorliegen, wenn eine endgültige Klärung des ausländischen Güterrechts allenfalls mit unverhältnismäßig hohem Aufwand oder einer außerordentlichen Verfahrensverzögerung möglich ist oder ein sicheres Ergebnis mangels Rechtskodifikation nicht erzielbar ist.127 Die Gewährung des Zugewinnausgleichsfreibetrags kann wegen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes und unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten in derartigen Fällen nicht einfach unter Hinweis auf die schwierige ausländische Rechtslage unterbleiben. Soweit ersichtlich, hat sich bislang nur R. Dauven mit dieser Frage in einem allgemeineren steuerlichen Kontext befasst.128 Er verweist hierbei auf die parallele Thematik im Zivilrecht, wo durch den Bundesgerichtshof geklärt ist, dass deutsches Recht quasi als „Ersatzrecht“ anzuwenden sei, wenn über das eigentlich anzuwendende ausländische Recht keine sicheren Feststellungen getroffen werden könnten.129 Von der Anwendung deutschen Rechts als Ersatzrecht sei nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn dies äußerst unbefriedigend wäre. In diesen Fällen soll das nächstverwandte (also z. B. bei türkischen Güterrechtsfragen das schweizerische Recht)130 oder das wahrscheinlich geltende Recht angewendet werden. Die Anwendung der Sachnormen des eigenen Rechts erscheint insbesondere auch für das Erbschaftsteuerrecht als ein gangbarer Weg. Insbesondere wenn die 125
So BFH v. 13. 6. 2013 – III R 10/11, BFHE 241, 562 = BStBl. II 2014, 706; v. 13. 6. 2013 – III R 63/11, BFHE 242, 34 = BStBl. II 2014, 711 Rn. 26 f.; R. Seer in: Tipke / K ruse, AO (Stand: 10/2017), § 90 AO Rn. 22; a. A. FG Münster v. 14. 12. 2010 – 1 K 4131/07 Kg, EFG 2011, 718 (ausländisches Recht als „Tatsachenfrage“); R. Dauven, IStR 2014, 196 (199). 126 R. Dauven, IStR 2014, 196 (199). 127 Vgl. für das Zivilrecht K. Sommerlad / J. Schrey, NJW 1991, 1377 (1382). 128 Siehe R. Dauven, IStR 2014, 196 (203). 129 Vgl. insbesondere BGH v. 26. 10. 1977 – IV ZB 7/77, BGHZ 69, 387 Rn. 20; v. 23. 12. 1981 – IVb ZR 643/80, NJW 1982, 1215 Rn. 21: „Die im Schrifttum umstrittene Frage, wie zu verfahren ist, wenn sich über den Inhalt des durch eine deutsche Kollisionsnorm berufenen ausländischen Rechts keine sicheren Feststellungen treffen lassen, ist vom Bundesgerichtshof in BGHZ 69, 387, 393 ff. dahin entschieden worden, daß in diesem Fall grundsätzlich die Sachnormen des deutschen Rechts anzuwenden sind.“. 130 Die türkische Errungenschaftsgemeinschaft wurde nach schweizerischem Vorbild konzipiert, siehe oben in Abschn. § 3 C. II. 2.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Bemühungen um die Feststellungen des ausländischen Güterrechts zu keinem Ergebnis geführt haben oder sich zum Beispiel aus wissenschaftlichen Veröffent lichungen die Ungeklärtheit der in Rede stehenden Rechtsfrage ergibt, ist die Anwendung der deutschen Sachnormen die praktikabelste Lösung. Dies gilt umso mehr, als die internationalen Systeme zur Regelung des ehelichen Güterstands heute auf ähnlichen teleologischen Grundlagen beruhen und somit häufig zu einer gleichgerichteten güterrechtlichen Teilhabe führen. 3. Keine anteilige Kürzung des Zugewinnausgleichsfreibetrags bei beschränkter Steuerpflicht Namentlich in Fällen der nur beschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG)131 stellt sich die weitere Frage, ob die Höhe des Zugewinnausgleichsfreibetrags anteilig zu kürzen ist, etwa nach dem Verhältnis des Steuerwerts des zum Inlandsvermögen im Sinne von § 121 BewG gehörenden Nachlassvermögens zu dem Verkehrswert des gesamten Nachlassvermögens des Erblassers. Ein derartiges Vorgehen schlägt namentlich N. Weinmann vor und bezieht sich hierbei auf den Rechtsgedanken des § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG.132 Die Regelung in § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG sieht (bislang) vor, dass in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht, in denen sich die Besteuerung auf einzelne Vermögensgegenstände beschränkt, nur die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig sind.133 Vor dem Hintergrund dieses Grundgedankens hält N. Weinmann auch eine anteilige Kürzung des Zugewinnausgleichsfreibetrags für gerechtfertigt, da die steuerfreie Ausgleichsforderung sonst nach dem gesamten weltweiten Vermögen des Erblassers und nicht nur nach dem mit deutscher Erbschaftsteuer belastbaren Inlandsvermögen zu ermitteln wäre. Eine ähnliche (unionsrechtskonforme) Kürzungsregelung enthält seit einer Rechtsänderung in dem Jahr 2017134 auch § 16 Abs. 2 ErbStG.135 Für eine entsprechende Vorgehensweise auch in dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG ließe sich anführen, dass eine 131 Die Frage nach einer anteiligen Kürzung des Zugewinnausgleichsfreibetrags bei beschränkter Steuerpflicht stellt sich sowohl bei Geltung der deutschen Zugewinngemeinschaft als auch bei Einschlägigkeit eines ausländischen Güterrechtsstatuts. 132 N. Weinmann, in: Moench / Weinmann, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 15. 133 Der EuGH hat jedoch mit Urteil v. 21. 12. 2021 – C-394/20, ABl. EU 2022, Nr. C 84, 15 in dem beschränkten Abzug von Nachlassverbindlichkeiten (im entschiedenen Fall: Pflichtteilsansprüche) gem. § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit erkannt. Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber darauf reagieren wird. 134 Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 23. 6. 2017, BGBl. I 2017, 1682. 135 In dem Urteil v. 21. 12. 2021 – C-394/20, ABl. EU 2022, Nr. C 84, 15 hat der EuGH auf Vorlage des FG Düsseldorf (FG Düsseldorf v. 20. 7. 2020 – 4 K 1095/20 Erb, EFG 2020, 1522) auch entschieden, dass der geminderte persönliche Freibetrag für beschränkt Steuerpflichtige in § 16 Abs. 2 ErbStG nicht (mehr) gegen die EU-Grundfreiheiten verstößt.
B. Erstreckung des § 5 ErbStG auf ausländische Güterstände
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verhältnismäßige Begrenzung dem Recht des Zugewinnausgleichsfreibetrags an sich nicht fremd ist. Namentlich die Regelungen in § 5 Abs. 1 S. 5 und 6 ErbStG begrenzen den fiktiven Zugewinnausgleich verhältnisweise nach dem Steuerwert und dem Wert von steuerbefreitem Nachlassvermögen, um den steuerfreien Betrag dem unter Umständen niedrigeren erbschaftsteuerlichen Erwerbswert anzugleichen. Allerdings ist eine Beschränkung des Zugewinnausgleichsfreibetrags nach dem Verhältnis von Inlands- und Auslandsvermögen ausdrücklich nicht vorgesehen. Mithin spricht schon der eindeutige Wortlaut des § 5 ErbStG gegen ein entsprechendes Vorgehen.136 Aber auch eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Regelung in § 16 Abs. 2 ErbStG kommt aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 20 Abs. 3 GG) an dieser Stelle nicht in Betracht.137 Denn es würde sich um eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung zu Lasten des Steuerpflichtigen handeln, die wegen des Rechtsstaatsprinzips nur unter größter Zurückhaltung vorgenommen werden darf.138 Nicht zuletzt aufgrund der ungeklärten Folgefragen dürften die Grenzen einer zulässigen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung überschritten sein. In Bezug auf die Regelung in § 5 ErbStG folgt hieraus, dass somit nur der Steuergesetzgeber regeln kann, ob und nach welchem Maßstab der Zugewinnausgleichsfreibetrag in Fällen beschränkter Steuerpflicht aufzuteilen ist. 4. Ergebnis Liegt eine Vergleichbarkeit des ausländischen Güterstands mit der deutschen Zugewinngemeinschaft nach den Maßstäben des hier entwickelten Güterstandvergleichs vor, so ist jener im deutschen Erbschaftsteuerrecht entsprechend zu behandeln. Praktisch bedeutet dies, dass der überlebende Ehegatte eines ausländischen vergleichbaren Güterstands nur mit dem um § 5 ErbStG gekürzten steuerpflichtigen Erwerb der deutschen Erbschaftsbesteuerung unterliegt. Sieht die nach internationalprivatrechtlichen Grundsätzen zur Anwendung berufene, ausländische Rechtsordnung einen effektiven Ausgleich des in der Ehe gemachten Zuerwerbs im Todesfall nicht vor, liegt regelmäßig ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 ErbStG vor. Da § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG auf eine nur fiktive Ausgleichsforderung abstellt und einige Rechtsordnungen im Fall der Beendigung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten zudem keine güterrechtliche Teilhabe des überlebenden Ehegatten ken-
136
So auch die h. M. in der Literatur, siehe C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (94 f.); P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 215; T. Curdt, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 05/2021), § 5 Rn. 96–98; F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 5 Rn. 38; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 8. 137 Vgl. auch BFH v. 10. 5. 2017 – II R 53/14, BFHE 258, 74 = BStBl. II 2017, 1200 Rn. 32 (in Bezug auf den Ehegattenfreibetrag aus § 16 Abs. 2 ErbStG a. F. für beschränkt Steuerpflichtige). 138 Vgl. P. R. Gottschalk, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 5 Rn. 215; K.-D. Drüen, in: Tipke / K ruse, AO (Stand: 08/2021), § 4 Rn. 361 f. m. w. N.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
nen,139 erscheint es vertretbar und unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geboten, in solchen Fällen den nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegenden Betrag unter entsprechender Anwendung von § 1371 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ErbStG, d. h. nach deutschem Güter- und Erbschaftsteuerrecht, zu ermitteln. Demgegenüber stellt § 5 Abs. 2 ErbStG auf die zivilrechtlich tatsächlich entstandene Ausgleichsforderung ab, sodass sich der nicht steuerbare Betrag in vergleichbaren Fällen mit Auslandsbezug grundsätzlich nach ausländischem Güterrecht ermittelt. Hierbei obliegt dem erwerbenden Ehegatten gemäß § 90 Abs. 2 AO eine gesteigerte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht. Diese erstreckt sich allerdings nicht auf die Ermittlung des ausländischen Güterrechts, da es sich hierbei um Rechtsfragen handelt. Das maßgebende ausländische Güterrecht ist vielmehr von Amts wegen zu ermitteln. Ist eine Ermittlung des ausländischen Güterrechts trotz aller gebotenen Anstrengung und unter Ausschöpfung aller zugänglichen Erkenntnisquellen jedoch nicht möglich, kommt ein Rückgriff auf die deutschen güterrechtlichen Sachnormen als Ersatzrecht in Betracht. Ein derartiges Vorgehen ist notwendig, um auch für das Besteuerungsverfahren zu einem praktikablen Ergebnis zu gelangen. Zudem entspricht es dem Vorgehen des Bundesgerichtshofs im Zivilrecht.
C. Praktischer Güterstandvergleich I. Kriterien für die Auswahl der Güterstände Die zuvor entwickelten Kriterien für den erbschaftsteuerlichen Güterstandvergleich sollen nunmehr anhand verschiedener Auslandsgüterstände praktisch erprobt werden. Deren Auswahl erfolgt zunächst im Hinblick auf die statistische Häufigkeit, mit der Eheschließungen zwischen deutsch-ausländischen Ehepaaren und solchen Ehepartnern, bei denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, in Deutschland auftreten.140 In die Betrachtung miteinbezogen werden zudem solche Länder, die von Deutschen regelmäßig das Ziel von Auswanderungen sind.141 Von Beginn an außer Betracht bleiben hierbei aber solche Güterstände bzw. Rechtsordnungen, die von Gesetzes wegen auf einem Gemeinschaftssystem (allgemeine Gütergemeinschaft, Errungenschaftsgemeinschaft) basieren. Denn wie 139
Siehe schon oben Abschn. § 3 D. II. 3. Die Partner in binationalen Ehen in Deutschland stammen am häufigsten aus der Türkei, Italien oder Österreich, siehe FAZ v. 4. 9. 2018, Deutlich mehr binationale Paare in Deutschland, https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/deutlich-mehr-binationale-paare-indeutschland-15771035.html (Stand: 8. 1. 2022). 141 Die meisten Deutschen (außerhalb Deutschlands) leben in der Schweiz, Österreich, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Frankreich, Niederlande, Belgien, Italien, Schweden und Dänemark, siehe die Statistik von Eurostat, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ MIGR_POP1CTZ__custom_74787/bookmark/table?lang=de&bookmarkId=6950d1f0-1e8346a7-aea5-77d1fa0c9494 (Stand: 8. 1. 2022). 140
C. Praktischer Güterstandvergleich
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gezeigt, erfüllen diese schon nicht das den Güterstandvergleich mitbestimmende Gütertrennungskriterium.142 In der Praxis nicht unberücksichtigt bleiben darf allerdings, dass die Ehegatten gegebenenfalls einen der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnlichen Vertragsgüterstand vereinbaren können, sofern die ausländische Rechtsordnung solche Vereinbarungen zulässt. Dies ist dann auch erbschaftsteuerlich im Rahmen des § 5 ErbStG anzuerkennen und entsprechend zu würdigen. Der Güterstandvergleich konzentriert sich daher vor allem auf den deutschen Rechtskreis, die nordische Rechtsfamilie sowie die Rechtsordnungen des common law (insbesondere England sowie die separate property-Staaten der USA). Sofern nicht anders angegeben, erfolgen die Erbfälle in den nachfolgenden Beispielsfällen jeweils nach dem 17. 8. 2015 – d. h. unter Geltung der EuErbVO – und unter Außerachtlassung der Freibeträge in §§ 16 Abs. 1 Nr. 1; 17 Abs. 1 ErbStG und des Pauschbetrags in § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG.
II. Dänemark 1. Grundlagen im dänischen Güterrecht Gesetzlicher Güterstand in Dänemark ist – wie bereits dargelegt –143 die „aufgeschobene Gütergemeinschaft“,144 für die zum einen kennzeichnend ist, dass jeder Ehegatte während der Ehe über sein eigenes Vermögen verfügt, unabhängig davon, ob es vor oder nach Eingehung der Ehe erworben wurde (§ 1 Abs. 1 EheWiVG).145 Gemäß § 3 EheWiVG haftet jeder Ehegatte während der Ehe mit seinem Vermögen nur für seine Verbindlichkeiten, unabhängig davon, ob die Verpflichtungen vor oder während der Ehe entstanden sind. Erst bei Tod eines Ehegatten, Trennung 142
Siehe oben S. 249 f. Siehe Abschn. § 3 C. II. 1. 144 Die nachfolgenden Ausführungen zur Erbschaftsbesteuerung der dänischen Gleichteilung des Teilungsvermögens gelten entsprechend für sämtliche gesetzlichen Güterstände des nordischen Rechtskreises – d. h. Norwegen, Finnland, Island und Schweden –, die sich insgesamt sehr ähnlich sind und nur in Einzelheiten unterscheiden. 145 Es sei darauf hingewiesen, dass das nachfolgend beschriebene dänische „Gesetz über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Ehegatten“ (im Folgenden abgekürzt: EheWiVG) zum 1. 1. 2018 in Kraft getreten ist und somit das frühere Gesetz über die Wirkungen der Ehe von 1925 ersetzt hat, vgl. R. Giesen, in: Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (Stand: 04/2019), S. 36. Im Zuge des Reformprozesses wurde unter anderem auch darüber diskutiert, das voreheliche Vermögen, das ein Ehegatte in die Ehe miteingebracht hat, von der Gleichteilung auszunehmen, und somit die dänische „Gütergemeinschaft“ noch weiter der (deutschen) Zugewinngemeinschaft anzunähern, vgl. G. Ring / L . Olsen-Ring, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Dänemark, Rn. 32. Gesetz geworden ist diese Beschränkung allerdings nicht (vgl. § 5 Abs. 1 EheWiVG). Allerdings sollen die missverständlichen Bezeichnungen „Gütergemeinschaft“ und „Gemeinschaftsgut“ in dem benannten Gesetz nicht mehr verwendet werden, vgl. R. Giesen, in: Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (Stand: 04/2019), S. 39. 143
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
oder Scheidung wirkt sich der Güterstand aus, indem – zum anderen – eine Gütergemeinschaft zwischen den Ehegatten an dem sogenannten Teilungsvermögen zur Entstehung gelangt (§ 5 Abs. 2 EheWiVG). Das Teilungsvermögen umfasst hierbei das gesamte – auch voreheliche – Vermögen beider Ehegatten, mit Ausnahme von angemessenen Anwartschaften auf Altersversorgung und solchen Ansprüchen, die auf einem erlittenen Personenschaden beruhen oder sonst persönlicher Art sind (§§ 34–37 EheWiVG). Daneben steht es Ehegatten frei, einzelne Vermögensgegenstände durch Ehevertrag dem sogenannten Vorbehaltsgut zuzuweisen, das nicht in die Gleichteilung des Teilungsvermögens einbezogen wird (§§ 12; 26 Abs. 1 Nr. 1 EheWiVG). Bei Trennung und Scheidung sieht das Gesetz über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten eine Gleichteilung des Teilungsvermögens dergestalt vor, dass jeder Ehegatte Vermögensgegenstände entnehmen kann, die der Gleichteilung nach § 5 Abs. 2 EheWiVG unterliegen (§ 48 Abs. 1 S. 1 EheWiVG). Dies gilt auch für Vermögensgegenstände, die formal dem anderen Ehegatten gehören. Möchten beide Ehegatten denselben Vermögensgegenstand entnehmen, erhält ihn aber grundsätzlich der Ehegatte, dem er gehört (§ 48 Abs. 2 EheWiVG).146 Eine Abweichung von der Halbteilung ist daneben möglich, wenn der weit überwiegende Teil des Teilungsvermögens bei Eingehung der Ehe einem Ehegatten bereits gehörte oder ein Ehegatte während der Ehe den weit überwiegenden Teil des Teilungsvermögens durch Erbschaft oder Schenkung erworben hat. Entsprechendes gilt, wenn die Ehe von kurzer Dauer und „ohne bedeutende wirtschaftliche Gemeinschaft“ war (§ 33 EheWiVG). In diesen Fällen kann bestimmt werden, dass dieser Ehegatte ganz oder teilweise den Wert des eigenen Vermögens behalten kann. Herrscht zwischen den Ehegatten über die Vermögensteilung Streit, ist das Teilungsgericht auf Antrag zur Entscheidung berufen. Dessen Befugnisse sind in dem Gesetz über die Güterteilung geregelt.147 Die Regelungen über die Gleichteilung des Teilungsvermögens gelten nach § 51 EheWiVG auch bei Tod eines Ehegatten. Das Vermögen der Ehegatten wird in diesem Fall zwischen dem länger lebenden Ehegatten (oder seinem Nachlass) und dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten gleich geteilt, sofern es sich nicht um Vorbehaltsgut, persönliche Schadensersatzansprüche usw. (vgl. § 51 Nr. 1–7 EheWiVG) handelt (§ 5 Abs. 1 S. 2 EheWiVG). Diese Regelung erklärt sich daraus, dass der Nachlass in Dänemark als eigene juristische Person behandelt wird.148 Der Anteil des Erblassers an dem Teilungsvermögen bildet – zusammen mit etwaigem Vorbehaltsgut und sonstigem, nicht der Gleichteilung unterliegendem Vermögen – den Nachlass. Der überlebende Ehegatte erhält, vorrangig gegenüber der Erbteilung (Vorrang der güterrechtlichen Auseinandersetzung), zunächst seinen Anteil an dem 146 Eine Ausnahme hierzu gilt, wenn der betroffene Vermögensgegenstand für den anderen eine wesentliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Wohnung oder die Fortführung des Berufs hat (§ 48 Abs. 3 EheWiVG). 147 Siehe schon oben Abschn. § 3 C. II. 1. 148 Vgl. R. Giesen, in: Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (Stand: 04/2019), S. 61 (dort Fn. 2).
C. Praktischer Güterstandvergleich
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Teilungsvermögen. An dem danach verbleibenden Nachlass erbt er nach dänischem Erbrecht die Hälfte, sofern neben ihm nur Erben in erster Linie vorhanden sind.149 § 41 EheWiVG sieht daneben einen Ausgleichsanspruch in besonderen Situationen vor. Hiernach kann einem Ehegatten, der zum Erhalt oder zur Vermehrung des Vermögens des anderen Ehegatten, das nicht der Vermögensteilung unterliegt, durch „die Führung des Haushalts, die Wahrnehmung der Betreuung der Kinder, die Verwaltung der Ausgaben der Familie oder andere ähnliche Weise beigetragen“ hat, ein Ausgleich zuerkannt werden. 2. Praktischer Fall a) Beispielsfall A und B sind nach dänischem Recht verheiratet. Ihren gemeinsamen Wohnsitz haben sie in Deutschland. B verfügt schon bei Eingehung der Ehe über ein Vermögen von 2 Mio. €, während A kein nennenswertes Vermögen hat. Während der Ehe erwirbt B weiteres Vermögen im Umfang von 2 Mio. € hinzu. Die Ehegatten haben ein gemeinsames Kind. B verstirbt ohne Testament und mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt (Domizil) in Deutschland. Der Nachlasswert (Steuerwert) beläuft sich auf 4 Mio. €. Auf die Rechtsnachfolge findet – aus dänischer und deutscher internationalprivatrecht licher Sicht – übereinstimmend deutsches Erbrecht Anwendung. Zwar gilt die EuErbVO räumlich nicht für Dänemark.150 Das dänische (nicht kodifizierte) Erbkollisionsrecht folgt gewohnheitsrechtlich jedoch dem Domizilprinzip.151 b) Erbschaftsbesteuerung In dem Beispielsfall trifft deutsches Erbrecht mit dem dänischen Güterrechtsstatut zusammen. Eine erste Weichenstellung für die Frage, wie der Erwerb des überlebenden A nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zu besteuern ist, bildet die Erkenntnis, dass die Gleichteilung nach dänischem Recht gemäß der international anerkannten Grundregel, dass das Güter- dem Erbrecht vorgeht,152 gegenüber der deutschen Erbauseinandersetzung vorrangig erfolgt. Das 149
R. Herrmann / L . Eriksen, IWB 2015, 145 (146). M Stürner, in: Erman BGB (16. Aufl. 2020), Art. 1 EuErbVO Rn. 1a. 151 Vgl. D. Piltz, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Dänemark, Rn. 504. 152 Vgl. hierzu in jüngerer Zeit D. Henrich, in: Staudinger BGB (Neub. 2011), Art. 15 EGBGB Rn. 329; R. Süß, in: Süß, Erbrecht in Europa (3. Aufl. 2015), § 3 Rn. 83; S. Frank / C . Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 14 ff.; P. Mankowski, ZEV 2016, 479 (480 f.); J. P. Schmidt, in Dutta / Weber, Internationales Erbrecht, Art. 1 EuErbVO Rn. 37; J. Weber, DNotZ 2016, 424 (431); H. Dörner, IPRax 2017, 81 (86); M. Andrae, IPRax 2018, 221 (224); H. Dörner, ZEV 2019, 309 (312) sowie oben Abschn. § 3 D. II. 1. 150
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
bedeutet, dass als Erstes die dänische aufgeschobene Gütergemeinschaft güterrechtlich auseinanderzusetzen ist (§ 5 Abs. 1 S. 2 EheWiVG)153. Der Erbgang nach deutschem Recht erstreckt sich dann nur noch auf den Anteil des Erblassers an dem Teilungsvermögen sowie das Vermögen, das nicht der dänischen Gleichteilung unterlag.154 Das Teilungsvermögen umfasst im dänischen Güterrecht – wie dargelegt – das gesamte Vermögen der Ehegatten. In Bezug auf den Erblasser B bedeutet dies, dass nicht nur der ehezeitliche Zuerwerb in Höhe von 2 Mio. € der Gleichteilung unterliegt, sondern auch das gesamte voreheliche Vermögen von weiteren 2 Mio. €. Da A kein Vermögen hat, kann er somit Gleichteilung in einem Umfang von 2 Mio. € verlangen. Entnimmt A nunmehr dem Teilungsvermögen nach § 48 Abs. 1 EheWiVG Vermögensgegenstände in einem Umfang von 2 Mio. €, stellt sich aus deutscher erbschaftsteuerrechtlicher Sicht die Frage, ob – und in welchem Umfang – hierin ein (nicht) erbschaftsteuerbarer Vorgang zu erkennen ist. Die Antwort auf diese Frage gibt der die Tatbestandsregelungen ergänzende § 5 Abs. 2 ErbStG, wonach die „Ausgleichsforderung“ nicht zum Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7 ErbStG gehört. Fraglich ist, was dies bezogen auf die dänische Gleichteilung des Teilungsvermögens konkret bedeutet. Maßgebend ist wiederum eine Gesamtwürdigung der relevanten dänischen Bestimmungen über den gesetzlichen Güterstand und die Durchführung der Vermögensteilung bei Tod eines Ehegatten. Für einen zugewinngemeinschaftsähnlichen Charakter155 lässt sich hierbei in eindeutiger Weise zunächst das Kriterium der Gütertrennung während der Ehe anführen.156 Die Gütergemeinschaft nach dänischem Recht entfaltet nämlich – ungeachtet ihrer missverständlichen (übersetzten) Bezeichnung – erst dann sichtbare Konsequenzen, wenn sie beendet wird. Erst zu diesem Zeitpunkt wirken sich die gesetzlichen Regelungen über die Gleichteilung des Teilungsvermögens aus, indem § 5 Abs. 1 EheWiVG anordnet, dass jedem Ehegatten ein Anrecht auf die Hälfte des dann vorhandenen Teilungsvermögens zusteht.157 Bis zu diesem Zeitpunkt existiert auch kein gesamthänderisch gebundenes Vermögen (im Sinne von Gesamtgut), da jeder Ehegatte gemäß § 1 Abs. 1 EheWiVG über sein Vermögen selbstständig verfügen 153 Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EheWiVG (dänisches Gesetz über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Ehegatten) wird beim Tod eines Ehegatten und bei der Auseinandersetzung eines noch ungeteilten Nachlasses das Vermögen der Ehegatten zwischen dem länger lebenden Ehegatten (oder seinem Nachlass) und dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten gleich geteilt. 154 Vgl. D. Piltz, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Dänemark, Rn. 491. 155 Den zugewinngemeinschaftsähnlichen Charakter der dänischen aufgeschobenen Gütergemeinschaft hat in jüngerer Zeit namentlich auch das OLG München in einer Grundbuchsache bejaht, in der es um die Amtslöschung einer Zwangssicherungshypothek an einem in Gütergemeinschaft nach dänischem Recht eingetragenen Eigentumsanteil eines Ehegatten ging, siehe OLG München v. 27. 10. 2020 – 34 Wx 568/19, NJOZ 2021, 860. 156 Vgl. C. Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch (5. Aufl. 2018), Rn. 1121, 1141; C. Münch, Familienrecht (3. Aufl. 2020), § 20 Rn. 207. 157 R. Giesen, in Bergmann / Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark (04/2019), S. 36, 38 f.
C. Praktischer Güterstandvergleich
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kann, unabhängig davon, ob es vor oder nach Eingehung der Ehe erworben wurde.158 Darüber hinaus haftet jeder Ehegatte gemäß § 3 EheWiVG für seine Verpflichtungen mit seinem eigenen Vermögen, unabhängig davon, ob die Verpflichtungen vor oder während der Ehe entstanden sind. Dass jeder Ehegatte nach § 48 Abs. 1 EheWiVG zum Zweck der Vermögensauseinandersetzung Gegenstände des Teilungsvermögens nach Billigkeit in natura entnehmen kann, steht dem zugewinngemeinschaftsähnlichen Charakter des dänischen gesetzlichen Güterstands hierbei nicht entgegen. Auf die nur schuldrechtliche oder auch dingliche Wirkung des güterrechtlichen Vermögensausgleichs unter Ehegatten kommt es nach dem hier entwickelten Verständnis nämlich nicht an.159 Letztlich geht es dabei nur um die formale Frage, ob und in welcher Form ein güterrechtlicher Vermögensausgleich nach Ehebeendigung noch vollzogen werden muss. Bedeutsamer ist vor diesem Hintergrund vielmehr, dass zwischen der dänischen Gleichteilung des Teilungsvermögens und dem deutschen Zugewinnausgleich eine Art- und Funktionsgleichheit existiert. In beiden Fällen soll der überlebende Ehegatte einen hälftigen Anteil an dem Vermögen erhalten, das er und der Erblasser gemeinschaftlich erwirtschaftet haben. Dieser Mitverursachungsgedanke gelangt zum einem in dem auch für das dänische Güterrecht verbindlichen Halbteilungsmaßstab (Gleichteilung) zum Ausdruck, von dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann (vgl. § 33 EheWiVG). Zum anderen ergibt er sich in einem besonders eindeutigen Maße auch aus der Regelung in § 41 EheWiVG, die einen besonderen Ausgleichsanspruch sogar in Bezug auf solches Vermögen gewährt, das nicht der originären Gleichteilung unterliegt (z. B. Vorbehaltsgut). Gerechtfertigt wird dies durch die verschiedenen Beiträge eines Ehegatten zum Erhalt oder zur Vermehrung dieses Vermögens, indem er bspw. den Haushalt geführt, die Betreuung der Kinder übernommen oder die Ausgaben der Familie verwaltet hat.160 Hierbei handelt es sich auch um die Art von „Familienarbeit“, die in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Anlass für die Einführung der Zugewinngemeinschaft in Deutschland war. Geht man im Ergebnis von einem zugewinngemeinschaftsähnlichen Charakter des dänischen gesetzlichen Güterstands aus, so stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach dem Umfang des nicht steuerbaren Betrags. Da der dänische Güterstand auch bei dem Tod eines Ehegatten gemäß § 51 Hs. 1 EheWiVG tatsächlich güterrechtlich abgewickelt wird, liegt aus deutscher erbschaftsteuerrechtlicher Sicht ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 2 ErbStG vor,161 sodass sich der nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegende Betrag grundsätzlich nach dem anwendbaren ausländischen Güterrecht ermittelt. Wie dargelegt, kann in dem gebildeten Beispielsfall der überlebende Ehegatte Vermögensgegenstände in einem Umfang von 2 Mio. € dem Teilungsvermögen entnehmen, wobei hierbei ein Teilbetrag von 1 Mio. € auf das voreheliche Vermögen des Erblassers entfällt. Denn wegen § 5 158
OLG München v. 27. 10. 2010 – 34 Wx 568/19, NJOZ 860 (861). Siehe ausführlich oben Abschn. § 6 B. V. 160 So der – ins Deutsche übersetzte – Wortlaut des § 41 EheWiVG. 161 Siehe im Allgemeinen oben Abschn. § 6 B. VI. 1. 159
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Abs. 1 EheWiVG teilen die Ehegatten ihr gesamtes Vermögen gleich. In dieser Hinsicht liegt dem dänischen Güterrecht damit ein umfassenderes Gemeinschaftsverständnis als der deutschen Zugewinngemeinschaft zugrunde, in der die gesetzliche Teilhabe auf den ehezeitlichen Zugewinn begrenzt ist.162 Dies führt wiederum zu der Frage, ob in den Fällen, in denen das ausländische Güterrecht eine gesetzliche Teilhabe auch an dem vorehelichen Vermögen vorsieht,163 der nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegende Betrag auf den ehezeitlichen Vermögenszuwachs für deutsche Erbschaftsteuerzwecke zu begrenzen ist. Das ist zu bejahen. Zwar ergibt sich dies nicht bereits unter dem Gesichtspunkt einer (potentiellen) Inländerdiskriminierung, die an sich zulässig ist.164 Es wäre jedoch in sich inkonsequent, da in vergleichbaren (Inlands-)Fällen, in denen in Zugewinngemeinschaft verheiratete Ehegatten den Zugewinnausgleich durch Abschluss eines entsprechenden Ehevertrags auf das voreheliche Vermögen erstrecken, eine überhöhte erbschaftsteuerpflichtige Ausgleichsforderung vorläge.165 Nach dem deutschen Güterstandverständnis und unter teleologischen Gesichtspunkten ist kein Grund dafür ersichtlich, eine steuerfreie Teilhabe auch an solchem Vermögen zu ermöglichen, zu dem die Ehegatten – mangels Bestehen der Ehe – denklogisch gar nicht typisiert beigetragen haben können. Gestützt wird dies durch Überlegungen zur Gestaltungsanfälligkeit: Würde man die Teilung auch des vorehelichen Vermögens beider Ehegatten nach dänischem Güterrecht als Bestandteil des nicht steuerbaren Betrags nach § 5 Abs. 2 ErbStG berücksichtigen, ließen sich im Vergleich zur – modifizierten – deutschen Zugewinngemeinschaft erhebliche Steuervorteile generieren, da das nicht steuerbare Teilungsvolumen unter Umständen deutlich höher wäre. Ehegatten (gleich welcher Staatsangehörigkeit) könnten – aus deutscher IPR-Sicht – durch die Begründung ihres ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in Dänemark bzw. die Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts (bzw. sogar des gewöhnlichen Aufenthalts nur eines Ehegatten) nach Dänemark mit anschließender entsprechender (rückwirkender)166 Rechtswahl (Art. 22 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 EuGüVO) dänisches Güterrecht als das auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendende Recht bestimmen. Im Hinblick auf die – nicht hohen – Anforderungen an die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der EuGüVO erschiene dies unter Umständen sogar als ein gangbarer Weg, um die deutsche Erbschaftsteuer zu reduzieren oder sogar zu vermeiden. In Bezug auf den gebildeten Beispielsfall ergibt sich hieraus, dass die Gleichteilung nach 162 Bei den jüngsten Reformüberlegungen des dänischen Güterrechts wurde unter anderem erwogen, das voreheliche Vermögen, das ein Ehegatte in die Ehe miteingebracht hat, von der Gleichteilung auszunehmen, und somit die dänische „Gütergemeinschaft“ noch weiter der (deutschen) Zugewinngemeinschaft anzunähern, vgl. auch die Nachweise in S. 263, Fn. 145. 163 So insbesondere im nordischen Rechtskreis, siehe ausführlich oben Abschn. § 3 C. II. 1. 164 Vgl. z. B. A. Musil, in: HHSp, AO (Stand: 06/2021), § 2 Rn. 232; D. Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (4. Aufl. 2014), § 7 Rn. 23 f. 165 Zur überhöhten Ausgleichsforderung siehe ausführlich oben Abschn. § 5 C. IV. 2. e) bb). 166 Zur rückwirkenden (nachträglichen) Rechtswahl unter Geltung der EuGüVO siehe z. B. D. Looschelders, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 22 EuGüVO Rn. 17 ff.
C. Praktischer Güterstandvergleich
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dänischem Recht im Umfang des vorehelichen Vermögens (d. h. hier: 1 Mio. €) der deutschen Erbschaftsbesteuerung unterliegen muss. Betrachtet man vor diesem Hintergrund den Erwerbskatalog des deutschen Erbschaftsteuergesetzes, so ist auf den ersten Blick kein einschlägiger Tatbestand ersichtlich. Sucht man nach einer vergleichbaren Regelung, so dürfte jedoch am ehesten eine Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG (bzw. bei lebzeitiger Gleichteilung des vorehelichen Teilungsvermögens: § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) anzunehmen sein. Denn auch im vergleichbaren Inlandssachverhalt einer „überhöhten Ausgleichsforderung“ läge im Umfang der überhöhten güterrechtlichen Ausgleichsforderung eine steuerpflichtige Schenkung auf den Todesfall vor.167 Im Übrigen vollzieht sich die Erbfolge in dem obigen Beispielsfall nach deutschem Erbrecht und unterliegt damit den normalen Besteuerungsregeln.
III. England 1. Grundlagen im englischen Recht Das englische Recht kennt kein eheliches Güterrecht und deshalb auch keinen gesetzlichen Güterstand im kontinentaleuropäischen Sinne.168 Vielmehr gelten zwischen den Ehegatten während des Bestehens der Ehe die allgemeinen eigentumsrechtlichen Grundsätze, wonach jeder Ehegatte sein Vermögen behält, unabhängig davon, ob es vor oder nach Eingehung der Ehe erworben wurde.169 Lassen sich die Ehegatten scheiden, sieht das englische Scheidungsfolgenrecht in den Secs. 21–26 des Matrimonial Causes Act 1973 (MCA) jedoch verschiedene richterliche Eingriffsbefugnisse vor, die sich nach deutschem Verständnis auf Unterhalt, güterrechtliche Ansprüche, Versorgungsausgleich sowie Hausratsteilung und Wohnungszuweisung erstrecken.170 Dabei wird nach der Art der Entscheidung zwischen Anordnungen zur finanziellen Versorgung (financial provision orders, Secs. 21 (1), 23 MCA) und Anordnungen zur Vermögenszuweisung (property adjustment orders, Secs. 21 (2), 24, 24 A MCA) unterschieden, die auch miteinander kombiniert werden können und auf der Grundlage einer einheitlichen Gesamtwürdigung ausgesprochen werden. Das Gericht entscheidet hierüber nach Billigkeit unter Berücksichtigung gesetzlicher Ermessensfaktoren (Sec. 25 MCA) und gerichtlicher Leitlinien. An erster Stelle der gesetzlichen Ermessenskriterien steht das Wohl minderjähriger Kinder der Familie (Sec. 25(1) MCA). Daneben sind insbesondere die 167
Vgl. R E 5.2 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019. W. Pintens, Ehegüterrecht, in: HWBEuP 2009; I. Rein- Lescastereyres / T. Amos QC / N. Bennett, NZFam 2015, 898 ff. sowie bereits oben Abschn. § 3 C. III. 2. 169 Vgl. F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 16; J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (645). 170 BGH v. 12. 8. 2009 – XII ZB 12/05, NJW-RR 2010, 1 Rn. 14; F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 51. 168
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, aber auch die finanziellen Bedürfnisse, Alter und Gesundheit der Ehegatten, die Dauer ihrer Ehe und die Beiträge jedes Ehegatten zum Familienwohl – wozu ausdrücklich auch die Haushaltsführung und Kindererziehung zählen –, zu berücksichtigen (Sec. 25 (2) MCA). Schließlich soll das Gericht auch prüfen, ob eine endgültige Regelung der finanziellen Angelegenheiten (clean break approach) möglich ist.171 Bei der Verteilung des ehelichen Vermögens sind nach der englischen Rechtsprechung zudem drei Zwecke vorrangig zu berücksichtigen, und zwar die Befriedigung finanzieller Bedürfnisse (needs), der Ausgleich ehebedingter Nachteile (compensation) und die auf der Gleichwertigkeit beruhende Vermögensteilhabe (sharing).172 Als Verteilungsmaßstab gilt deshalb grundsätzlich der Maßstab der gleichen Teilhabe beider Ehegatten (yardstick of equal division oder equal sharing principle).173 Nach Sec. 25(2)(a) MCA bezieht sich dieser ganz allgemein auf das Vermögen und die finanziellen Mittel, die jeder Ehegatte besitzt. In der englischen Rechtsprechung wird jedoch zwischen solchem Vermögen differenziert, das während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet wurde (matrimonial property) und dem sonstigen Vermögen (non-matrimonial property).174 Nur ersteres soll grundsätzlich gleich zu teilen sein.175 Zur Verwirklichung der Vermögenszuweisung kann das zuständige Gericht z. B. die Zahlung von regelmäßigen oder pauschalen Beträgen sowie die Übertragung von Eigentum von einem Ehegatten auf den anderen anordnen. Wird die englische Ehe dagegen durch den Tod eines Ehegatten beendet, findet ein finanzieller Ausgleich nach dem Matrimonial Causes Act 1973 nicht statt.176 Der Ausgleich vollzieht sich vielmehr in vollem Umfang auf der Ebene des Erbrechts, indem Sec. 46 (1)(i) Administration of Estates Act 1925 (AEA) dem überlebenden Ehegatten eine sehr starke erbrechtliche Stellung einräumt.177 So hat der überlebende Ehegatte bei Vorhandensein von Abkömmlingen einen vorrangigen Anspruch auf das gesamte bewegliche Vermögen des Erblassers (personal chattels), einen Anspruch auf eine feste Summe von derzeit 270.000 Pfund (statutory legacy) sowie ein Vollrecht (absolute interest) an der Hälfte des restlichen Nachlasses.178 In den meisten Fällen führt dies bereits zu einer Alleinerben 171
Siehe hierzu ausführlicher F. Odersky, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 63. 172 House of Lords v. 24. 5. 2006 – [2006] UKHL 24, Miller v. Miller; McFarlane v. McFarlane, veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk. 173 House of Lords v. 26. 10. 2000 – 2 FLR 981, White v. White, veröffentlicht unter: www. publications.parliament.uk. 174 House of Lords v. 24. 5. 2006 – [2006] UKHL 24, Miller v. Miller; McFarlane v. McFarlane, veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk. 175 J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (651). 176 Vgl. E. Cornelius, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Großbritannien, Rn. 581. 177 Vgl. D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), England und Wales, Rn. 30. 178 D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), England und Wales, Rn. 33–35.
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stellung des überlebenden Ehegatten nach englischem Recht.179 Hat der Erblasser jedoch z. B. abweichend testiert und erlangt der überlebende Ehegatte hierdurch keine angemessene finanzielle Versorgung (reasonable financial provision), steht ihm gegebenenfalls ein Unterhaltsanspruch gegen den Nachlass zu (family provision).180 Hierfür ist ein Antrag des überlebenden Ehegatten erforderlich, über den das Gericht zu entscheiden hat. Dieses hat bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs nach Sec. 1(2)(a) Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975 (IA) auf die finanzielle Versorgung abzustellen, die angesichts aller Umstände für einen Ehegatten als angemessen erscheint. Nach Sec. 3(2) IA soll das Gericht dabei auch berücksichtigen, welche Versorgung der Ehegatte im Falle der Scheidung erlangt hätte (deemed divorce-Test oder divorce cross-check factor).181 2. Praktischer Fall 1: Scheidung nach englischem Recht a) Beispielsfall Die Ehe von A (deutscher Staatsangehöriger) und B (britischer Staatsangehöriger) wird in England durch Urteil des zuständigen County Court unter Anwendung des englischen Sachrechts (wirksam) geschieden. Die Ehescheidung wird auch in Deutschland anerkannt. A beantragt in England die Anordnung finanzieller Versorgung und Vermögensauseinandersetzung nach Secs. 23 und 24 MCA. Da A eine vollständige finanzielle Trennung (clean break) von B wünscht, spricht der zuständige County Court ihm einen Pauschalbetrag (lump sum) zu, um regelmäßige (Unterhalts-)Zahlungen überflüssig zu machen und damit einen abschließenden Vermögensausgleich zu erreichen. Den Gesamtbetrag, der A unter Berücksichtigung seines Unterhaltsbedarfs und der in Sec. 25 MCA niedergelegten Ermessenskriterien sowie der richterrechtlichen Zusatzkriterien (needs, compensation, sharing) zustehen soll, setzt der County Court mit umgerechnet 875.000 € an. Bei der Bemessung des Pauschalbetrags ist der County Court von einem Unterhaltsbedarf des A in Höhe von 150.000 € ausgegangen. B zahlt an A die lump sum. A hat seinen Wohnsitz in Deutschland.
179
R. Zimmermann, RabelsZ 80 (2016), 39 (76); M. Sonnentag, JZ 2019, 657 (665). Siehe ausführlich oben Abschn. § 3 D. II. 3. 181 D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), England und Wales, Rn. 33–35 sowie oben Abschn. § 3 D. II. 3. 180
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
b) Besteuerung nach dem ErbStG Property adjustment orders182 (Vermögenszuweisungen) können ein Anwendungsfall von § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG sein. Dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschen, existiert doch in England ein gesetzlicher (oder vertraglicher) Güterstand schon an sich nicht. Vor diesem Hintergrund lehnt denn auch namentlich C. von Oertzen die Anwendbarkeit des § 5 ErbStG in common law-Sachverhalten ganz generell ab.183 Dies wäre jedoch zu kurz gedacht: Zum einen ist bis zur Ehescheidung durchaus (auch) eine rechtliche Vergleichbarkeit der Situation von nach deutschem und englischem „Güterrecht“ verheirateten Ehepaaren gegeben, deren Vermögen in beiden Fällen formal rechtlich getrennt bleiben. Der teleologische Grund für die Trennung der Güter von Ehegatten ist in beiden Rechtsordnungen sogar derselbe. England löste sich Ende des 19. Jahrhunderts von der bis dahin geltenden „doctrine of unity“, nach der eine verheiratete Frau grundsätzlich kein Eigentum haben konnte.184 Nach dem Women’s Property Act 1882 sollte die Eheschließung jedoch keinen Einfluss mehr auf die Vermögensverhältnisse von Mann und Frau haben, was als ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung der Geschlechter angesehen wurde.185 Entsprechend verhielt es sich – zeitlich etwas später – auch in Deutschland, wo man sich aus Gleichberechtigungsgründen von der Verwaltungsund Nutznießungsgemeinschaft im Jahr 1953 löste, die an dem Vermögen der Ehefrau ein ausschließliches Verwaltungs- und Nutzungsrecht des Ehemanns vorsah.186 Da der englische Gesetzgeber eine pauschale Vermögensaufteilung, wie sie in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen weit verbreitet ist, jedoch als unangemessen empfand, da sie keine Einzelfallgerechtigkeit herbeizuführen vermag, stellte er die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung in das Ermessen englischer Gerichte. Diese entscheiden im Einzelfall und unter Berücksichtigung des individuellen Zuschnitts der konkreten Ehe. Dabei liegen der konkreten Ausgestaltung von property adjustment orders – und das ist das zweite ganz wesentliche Argument für deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG – wesensgleiche gesetzliche und richterrechtliche Teilhabekriterien wie dem deutschen Zugewinnausgleich in seiner typisierten Form zugrunde. In beiden Fällen wird eine gerechte bzw. faire Vermögensteilhabe der Ehegatten 182 Die nachfolgenden Ausführungen zur Erbschaftsbesteuerung von property adjustment orders gelten im Grundsatz auch für die Rechtsordnungen, die sich auf das englische Recht zurückführen lassen. Dazu gehören etwa Australien, Irland, Kanada, Neuseeland, die separate property-Staaten der USA (d. h. nicht Alaska, Arizona, Kalifornien, Idaho, Louisiana, Nevada, New Mexiko, Texas, Washington und Wisconsin) und weitere (ehemalige) asiatische (z. B. Hongkong) Kolonien. 183 Siehe C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (97 f.). 184 Vgl. J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (643 f.) auch m. w. N. 185 J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (643). 186 Siehe bereits oben Abschn. § 2 C. II. 1. a).
C. Praktischer Güterstandvergleich
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an dem Zugewinn bzw. dem matrimonial property angestrebt, das auch in England grundsätzlich hälftig (equal sharing) geteilt wird. Dahinter steht – wie bei der deutschen Zugewinngemeinschaft – die Vorstellung, dass die Ehegatten das Vermögen in der Ehe gemeinschaftlich erwirtschaftet haben. Insofern ist in der englischen Rechtsprechung auch von „fruits of the marriage“ die Rede.187 Um nichts anderes handelt es sich bei dem deutschen Zugewinn. Das richterrechtliche Zusatzkriterium „sharing“ soll darüber hinaus sicherstellen, dass die Arbeitsleistungen der Ehegatten – sei es im Beruf oder in der Familie – als gleichwertig angesehen werden.188 Damit verfolgen der deutsche Zugewinnausgleich und property adjustment orders denselben (verfassungskräftigen) Zweck, was es gerechtfertigt und geboten erscheinen lässt, beide Teilhabeformen aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht gleich zu behandeln und unbesteuert zu belassen. Auch property adjustment orders liegt kein unentgeltlicher Erwerb des den Vermögensausgleich empfangenden Ehegatten zugrunde. Dem steht insbesondere auch nicht entgegen, dass es sich um eine Teilhabe durch Richterspruch unter Billigkeitserwägungen ohne feste Ausgleichsquote (fixed shares) handelt. Mit Blick auf das übereinstimmende Gütertrennungskriterium und die identischen teleologischen Zwecken der Teilhabe dürfte vielmehr umgekehrt sogar eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegen, wenn man vorliegend die Vergleichbarkeit allein aufgrund der unterschiedlichen Rechtstechniken ablehnen würde. Eine interessante Folgefrage ergibt sich daraus, dass das englische Recht – anders als im deutschen Recht („Drei-Säulen-System“)189 – keine trennbaren „Säulen“ der Scheidungsfolgen („Einsäulensystem“)190 kennt, sondern vielmehr mit sogenannten „package solutions“ (Scheidungsfolgenpaketen) arbeitet.191 Das bedeutet, dass das englische Gericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens in derselben Entscheidung sowohl die Vermögensverhältnisse als auch die Unterhaltspflichten regeln kann. Aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht muss daher für Zwecke des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG zwischen diesen verschiedenen Aspekten der Entscheidung unterschieden werden. Denn nur Vermögenszuweisungen zur Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse können nach § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG unbesteuert bleiben. Bei der Abgrenzung der Scheidungsfolgen ist vorrangig auf den Zweck der Entscheidung abzustellen, der aus ihrer Begründung herzuleiten ist.192 Wenn sich daraus ergibt, dass eine Leistung dazu bestimmt ist, den Unterhalt eines 187 Siehe House of Lords v. 24. 5. 2006 – [2006] UKHL 24, Miller v. Miller; McFarlane v. McFarlane, Rn. 17, 19, 20, 21 veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk. 188 J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (650); K. Frank, NZFam 2016, 1079 (1082). 189 Einen grundlegenden (rechtsvergleichenden) Überblick über Drei- bzw. Mehrsäulen systeme gibt N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 28 ff. 190 Vgl. ausführlich N. Dethloff, Gutachten A, 67. DJT, S. A 33 ff. 191 Vgl. J. M. Scherpe, in: FS Brudermüller, S. 643 (646); K. Frank, NZFam 2016, 1079 (1080). 192 Vgl. BGH v. 12. 8. 2009 – XII ZB 12/05, FamRZ 2008, 1659 zur Vollstreckbarerklärung einer britischen Entscheidung zur nachehelichen finanziellen Versorgung und Vermögensauseinandersetzung.
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bedürftigen Ehegatten zu sichern – oder wenn die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten bei der Festsetzung berücksichtigt werden – hat die Entscheidung (auch) eine Unterhaltsleistung zum Gegenstand.193 Bezweckt die Leistung hingegen die Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten, liegt ein zugewinnausgleichsähnlicher Vorgang im Sinne des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG vor. In Bezug auf den Beispielsfall ergibt sich hieraus, dass das englische Gericht bei der Zuerkennung des Pauschalbetrags eindeutig zwischen dem Unterhaltsbedarf von A und einem fairen Ausgleich in Bezug auf das matrimonial property unterschieden hat. Es sollte mit dem clean break-Prinzip ein umfassender und abschließender Vermögensausgleich hergestellt werden. Für die Unterhaltsbedürftigkeit ist das englische Gericht von einem Betrag von 150.000 € ausgegangen, der nach den vorstehenden Grundsätzen damit nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG fällt. Der restliche Betrag von 725.000 € bleibt hingegen gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG unbesteuert. Lehnte man dagegen die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG auf Fälle der vorliegenden Art ab – was meines Erachtens kaum vertretbar ist –, so stellt sich zudem die Frage, ob überhaupt eine Vorschrift im Erwerbskatalog des Erbschaftsteuergesetzes existiert, die einen erbschaftsteuerrechtlichen Zugriff auf property adjustment orders ermöglicht. Die Antwort hierauf ist keine leichte, da ein Erwerb durch hoheitlichen Richterspruch dem deutschen Recht naturgemäß fremd ist. Allein dieser Umstand könnte zu der Annahme verleiten, dass der Erwerb nicht auf dem Willen des ausgleichspflichtigen Ehegatten, sondern der richterlichen Anordnung beruht, und damit nicht freigebig ist. Insoweit könnte jedoch eine Parallele zu – der im deutschen Recht entlegenen Vorschrift –194 § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gezogen werden, wonach als Schenkung gilt, „was jemand dadurch erlangt, daß bei Genehmigung einer Schenkung Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden“. Die Vorschrift soll eine Besteuerungslücke schließen, wenn eine Schenkung einer staatlichen Genehmigung bedarf, da in derartigen Fällen der Erwerb nicht auf dem (unmittelbaren) Willen des Schenkers beruht, sondern der staatlichen Anordnung.195 Dem deutschen Erbschaftsteuerrecht sind mithin Fälle, in denen der unentgeltliche Erwerb von einem staatlichen Hoheitsakt bzw. der staatlichen Mitwirkung abhängt, nicht fremd. Es behilft sich in derartigen Fällen mit einer Fiktion („gilt“), indem
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So auch die Abgrenzung in EuGH v. 27. 2. 1997 – C-220/95, ABl. EG 1997, Nr. C 108, 8 und BGH v. 12. 8. 2009 – XII ZB 12/05, FamRZ 2008, 1659 (zur Abgrenzung von ehelichem Güterrecht und Unterhaltsrecht im EuGVÜ). 194 M. Esskandari, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 7 Rn. 262, spricht von einer praktischen Bedeutungslosigkeit der Vorschriften §§ 3 Abs. 2 Nr. 3; 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. W. Hartmann, in: Stenger / Loose, Bewertungsrecht (Stand: 11/2021), § 7 ErbStG Rn. 247, weist demgegenüber darauf hin, dass in den Kommentierungen zu § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG (bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) die Fokussierung auf ausländische Erwerbe fehle. 195 M. Fischer, in: F / P/W, ErbStG (7. Aufl. 2020), § 7 Rn. 400; F. Hannes / M. Holtz, in: Meincke / Hannes / Holtz, ErbStG (18. Aufl. 2021), § 7 Rn. 107.
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es eine Schenkung unter Lebenden für Erbschaftsteuerzwecke (nur) fingiert. Einen vergleichbaren Fall könnte man in der richterlichen Anordnung von property adjustment orders erblicken. Die besseren Argumente sprechen meines Erachtens indes dafür, dass property adjustment orders nicht zum Erwerb im Sinne des § 7 ErbStG gehören und damit nicht steuerbar sind (§ 5 Abs. 2 ErbStG). 3. Praktischer Fall 2: Englische gesetzliche Erbfolge (ohne family provision) a) Beispielsfall A und B, beide britische Staatsangehörige, sind nach englischem Recht verheiratet. Während A mit den beiden gemeinsamen Kindern in Deutschland wohnt, hat B seinen Wohnsitz (Domizil) berufsbedingt in England. B verstirbt nach dem 17. 8. 2015. In einem wirksam errichteten Testament hat er pauschal die Anwendung englischen Erbrechts gewählt. Demnach erfolgt zunächst eine gesonderte Nachlassabwicklung.196 Nach dem Ausgleich von Nachlassverbindlichkeiten durch den personal representative erhält A aus dem Nachlass des B – neben dem statutory legacy –197 einen Betrag von umgerechnet 300.000 € zu seiner freien Verfügung (absolute interest)198. Die gesetzliche Erbfolge führt vorliegend zu einer angemessenen finanziellen Versorgung von A.199 Ein gesonderter güterrechtlicher Ausgleich findet nicht statt.
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Das englische Erbrecht sieht für den Erbfall ein Nachlassabwicklungssystem vor. Dies bedeutet, dass der Nachlass mit dem Tod des Erblassers nicht direkt auf die Begünstigten (beneficiaries) übergeht, sondern zunächst auf einen personal representative des Erblassers, der den Nachlass zunächst sammelt, verwaltet und die Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der Nachlasssteuer) begleicht und sodann (in der Regel erst nach einem Jahr, dem sog. executor’s year) an die beneficiaries entsprechend der gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge verteilt. Die beneficiaries sind damit als solche nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, sondern haben nur einen schuldrechtlichen Anspruch unter Lebenden gegen den personal representative, siehe im Einzelnen E. Cornelius, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (2. Aufl. 2008), Großbritannien, Rn. 556 f.; F. Odersky, in: Süß, Erbrecht in Europa (4. Aufl. 2020), Großbritannien: England und Wales, Rn. 21 ff. 197 Neben dem festen Geldbetrag und einer Hälfte des Restnachlasses (residuary estate) steht dem überlebenden Ehegatten zudem die gesamte persönliche Habe des Erblassers (personal chattels) zu. Diese ist in dem gebildeten Beispielsfall bewusst außer Betracht geblieben. 198 Bei Erbfällen vor dem 1. 10. 2014 erhielt der überlebende Ehegatte (nur) ein lebenslanges Nutzungsrecht (life interest) an der Hälfte des Restnachlasses, vgl. D. Solomon, in: Burandt / Rojahn, Erbrecht (3. Aufl. 2019), England und Wales, Rn. 35. 199 Führt die gesetzliche oder testamentarische Erbfolge zu keiner angemessenen finanziellen Versorgung des überlebenden Ehegatten, kann dieser bei einem englischen Gericht einen Antrag auf Anordnung von family provision nach dem Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975 (IA) stellen. Vgl. hierzu Beispielsfall III.4.
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b) Erbschaftsbesteuerung Aufgrund der wirksamen Rechtswahl des Erblassers gilt in dem Beispielsfall – aus deutscher (EuErbVO) und englischer Sicht – das englische Erbstatut, das mit dem englischen „Güterrecht“ korreliert. Die Frage nach einer international privatrechtlichen Substitution oder Normanpassung stellt sich somit nicht. Da A als Erwerber zur maßgeblichen Zeit des Todes von B seinen Wohnsitz (§ 8 AO) in Deutschland hatte, liegt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht vor. Im Kern besteht zunächst Einigkeit darüber, dass der Erwerb von Todes wegen nach englischem Erbrecht – trotz der zahlreichen zivilrechtlichen Unterschiede (keine Universalsukzession, Zwischenerwerb durch einen personal representative) – mit der deutschen Abwicklungstestamentsvollstreckung vergleichbar ist, oder als vermächtnisähnlicher Erwerb aufgefasst und die Begünstigten somit unmittelbar unter § 3 Abs. 1 Nr. 1 (Alt. 1 oder 2) ErbStG erfasst und besteuert werden können.200 Eine Besteuerung in Höhe des unentgeltlichen Leistungsfähigkeitszuwachses erscheint aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht auch sachlich gerechtfertigt. Von dem Erwerb des überlebenden A ist zudem nach § 5 Abs. 1 ErbStG ein steuerfreier Betrag im Umfang einer fiktiven Ausgleichsforderung in Abzug zu bringen. Denn die rechtliche Stellung eines überlebenden Ehegatten nach dem englischen Erbrecht ist mit der eines (deutschen) Ehegatten vergleichbar, der mit dem Erblasser in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet war und kraft deutscher gesetzlicher Erbfolge Erbe wird. Wie gezeigt, kennt das englische Recht trotz des Nichtvorhandenseins eines gesetzlichen Güterstands im Fall der Scheidung einen güterrechtlichen Ausgleich, der dem Zugewinnausgleich nach deutschem Recht ähnlich ist. Im Todesfall existiert zwar – anders als im deutschen Recht – keine ausdrückliche Lösung, nach der die Erbquote je nach Güterstand unterschiedlich ausfällt.201 Von der Erhöhung des Erbteils des Ehegatten aufgrund eines bestimmten Güterstands sollte man die Entscheidung für eine Freibetragsgewährung nach § 5 Abs. 1 ErbStG aber nicht abhängig machen. Denn dies ließe zum einen unberücksichtigt, dass der güterrechtliche Ausgleich im englischen Recht ganz allgemein durch eine höhere Erbquote mitverwirklicht werden soll. Der überlebende Ehegatte wird neben Abkömmlingen des Erblassers mit einer verhältnismäßig hohen Erbquote – nämlich der Hälfte am residuary estate – ausgestattet, nachdem er zuvor bereits die gesamte persönliche Habe des Erblassers (personal chat-
200
Vgl. BFH v. 8. 6. 1988 – II R 243/82, BFHE 153, 442 = BStBl. II 1988, 808; C. von Oertzen / M. Lemmer, IStR 2015, 952 (955 f.). Die vorstehenden Nachweise beziehen sich auf die Erbeinsetzung unter Zwischenschaltung eines executors nach amerikanischem Recht. Dieses beruht – wie das englische Recht – auf einem Nachlassabwicklungssystem, sodass im Hinblick auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von einer ähnlichen Besteuerungssituation ausgegangen werden kann. 201 Vgl. M. Sonnentag, JZ 2019, 657 (664).
C. Praktischer Güterstandvergleich
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tels) und einen festen Geldbetrag von aktuell 270.000 Pfund erhalten hat. Damit hat er regelmäßig eine Alleinerbenstellung inne. Ziel dahinter ist die wirtschaftliche Weiterführung der Paarbeziehung auch nach dem Tod eines Ehepartners.202 Die deutlich herausgehobene erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten entspricht damit viel eher der deutschen Zugewinngemeinschaft, als der Gütertrennung. Zum anderen bezieht sich die Regelung in § 5 Abs. 1 ErbStG seit einer Rechtsänderung in dem Jahr 1974 seinerseits nicht mehr auf das Erhöhungsviertel aus § 1371 Abs. 1 BGB. Sie setzt lediglich voraus, dass im Fall des Todes eines Ehegatten keine tatsächliche güterrechtliche Abwicklung des Güterstands stattfindet.203 Dies ist in dem obigen Beispielsfall der Fall. Hinzu kommt – drittens –, dass in Fällen, in denen deutsches Erbrecht, aber englisches „Güterrecht“ zur Anwendung gelangt, auch nach der wohl herrschenden Meinung im Zivilrecht in Bezug auf § 1371 Abs. 1 BGB eine internationalprivatrechtliche Substitution des englischen Rechts zur deutschen Zugewinngemeinschaft in Betracht kommt, weil die Güterrechte insofern funktional miteinander vergleichbar sind.204 Wegen der Maßgeblichkeit des Zivilrechts sind diese Wertungen auch bei der Auslegung und Anwendung von § 5 ErbStG entsprechend zu berücksichtigen. Viertens wäre es – auch mit Blick auf den normlogischen Zusammenhang –205 (wertungs-)widersprüchlich, den Erwerb von A trotz der zahlreichen Unterschiede zwischen dem deutschen und englischen Erbrecht zu besteuern, ihm umgekehrt jedoch den Freibetrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG zu versagen. Auf der zweiten Stufe ist noch eine fiktive Berechnung durchzuführen, um so den steuerfreien Betrag auch rechnerisch bestimmen zu können. Wie dargelegt, kommt es in dem Anwendungsbereich von § 5 Abs. 1 ErbStG nicht auf das ausländische (hier: englische) Recht an.206 Maßgebend sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG vielmehr die §§ 1372 ff. BGB, was sich zum einen aus dem nur fiktiven Charakter der steuerfrei zu stellenden Ausgleichsforderung ergibt. § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG löst sich in Fällen des Todes eines Ehegatten, bei denen eine güterrechtliche Abwicklung des Güterstands unterbleibt, bewusst von dem (nationalen) Zivilrecht, um (nur) den tatsächlichen güterrechtlichen Beitrag eines Ehegatten zu dem Endvermögen des Erblassers von der Erbschaftsteuer zu befreien. Dies ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten erforderlich. Zu diesem Zweck erklärt § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG die Berechnungsfolge in den §§ 1372 ff. BGB zum anderen typisiert für anwendbar. Die Anwendung deutschen Güterrechts zur Freibetragsberechnung führt in Fällen wie dem Beispielsfall zudem zu einer praxisnahen und sachgerechten Lösung, da 202
Vgl. A. Röthel, in: RabelsZ 2012, S. 131 (148). Siehe hierzu ausführlich oben Abschn. § 5 C. IV. 1. a). 204 Siehe M. Sonnentag, JZ 2019, 657 (665); R. Süß, DNotZ 2018, 742 (748); offen gelassen von DNotI-Redaktion, DNotI-Report 2018, 54 (55); a. A. wohl A. Dutta, in: MüKo BGB (8. Aufl. 2020), Vorb. Art. 20 EuErbVO Rn. 63 und Fn. 98; J. Weber, NJW 2018, 1356 (1357 f.). 205 Zu dem normlogischen Zusammenhang des § 5 ErbStG mit den §§ 3 und 7 ErbStG und dem Erfordernis einer in sich logischen Gesetzesauslegung siehe oben Abschn. § 6 B. IV. 2. 206 Siehe oben Abschn. § 6 B. VI. 2. a). 203
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
andernfalls über die Zuerkennung von property adjustment orders nur für deutsche Erbschaftsteuerzwecke zu befinden wäre. 4. Praktischer Fall 3: family provision und deemed divorce-Test a) Beispielsfall In dem vorherigen Beispielsfall hat Erblasser B seinen Ehegatten A enterbt.207 A stellt bei dem zuständigen englischen Gericht einen Antrag auf Familienversorgung (family provision) nach Sec. 1(1) IA. Dieses trifft unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der in Sec. 3(2) IA niedergelegten Kriterien (insbesondere: deemed divorce-Test) eine ermessensfehlerfreie Entscheidung und weist A aus dem Nachlass einen einmaligen Geldbetrag in Höhe von umgerechnet 450.000 € zu. Hiervon entfällt (nachweislich) ein Betrag im Umfang von umgerechnet 300.000 € auf den deemed divorce-Test, den das englische Gericht durchgeführt hat. b) Erbschaftsbesteuerung Unterstellt man, dass es sich bei der Zuerkennung von family provision aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht um einen pflichtteilsähnlichen Erwerb im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG handelt,208 so ist von diesem gemäß § 5 Abs. 2 Var. 2 ErbStG folgerichtigerweise der Betrag in Abzug zu bringen, der auf den sogenannten deemed divorce-Test aus Sec. 3(2) IA entfällt. Dieser besagt, dass das englische Gericht bei dem Antrag eines überlebenden Ehegatten auf Familienversorgung berücksichtigen muss, wie dieser finanziell gestanden hätte, 207 Dass eine testamentarische Enterbung stattgefunden hat, ist keine Voraussetzung der family provision. Es kann auch um eine (nachteilige) Abänderung der gesetzlichen (oder testamentarischen) Erbfolge gehen. 208 Zur erbschaftsteuerlichen Einordnung von family provision existiert keine gesicherte Rechtslage. Es fehlt sowohl an zivil- als auch steuerrechtlicher Rechtsprechung sowie an steuerrechtlicher Literatur zu dieser Frage. Sucht man nach einer zivilrechtlichen Kategorie, so kommt am ehesten die des – geltend gemachten – Pflichtteilsanspruchs in Betracht. Dafür spricht, dass es sich bei beiden Instituten um verschiedene Ausprägungen des Pflichtteilsgedankens handelt, vgl. E. Cornelius, in: Flick / Piltz, Der Internationale Erbfall (3. Aufl. 2008), Großbritannien, Rn. 579. Allerdings unterscheiden sie sich erheblich in der zivilrechtlichen Ausgestaltung: Beim (Geld-)Pflichtteil deutschen Rechts erwirbt der Pflichtteilsberechtigte kraft Gesetzes einen obligatorischen Anspruch auf Kompensation seiner frustrierten Erberwartung. Es handelt es sich um eine bedarfsunabhängige und zwingende Mindestteilhabe. Demgegenüber knüpft das englische Erbrecht nicht an eine abstrakte Pflichtteilberechtigung an, sondern an die tatsächliche Bedürftigkeit einer dem Erblasser nahestehenden Person nach dessen Tod, vgl. Sec. 1(1) IA. Das englische Gericht prüft, ob der Antragsteller durch die testamentarische oder gesetzliche Erbfolge nicht angemessen versorgt ist. Es ordnet eine (der Höhe nach bedarfsabhängige) Versorgung aus dem Nachlass nur dann an, wenn sich herausstellt, dass eine solche angezeigt wäre.
C. Praktischer Güterstandvergleich
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wenn die Ehe am Tag des Todes des Erblassers nicht durch dessen Tod, sondern im Wege der Scheidung beendet worden wäre (fiktive Scheidung).209 Das Regelungsanliegen des deemed divorce-Tests ist es vor diesem Hintergrund, den Ehegatten wegen des Todes des Erblassers nicht schlechter zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Ehe geschieden worden wäre.210 Nicht selten entspricht der Anspruch eines überlebenden Ehegatten, der family provision beantragt, daher dem eines geschiedenen Ehegatten, und die richterliche Ermessensausübung ist darauf ausgerichtet, eine scheidungsähnliche Vermögensteilhabe nach dem equal sharingPrinzip zu verwirklichen.211 Dies entspricht ungefähr dem Zusammenspiel des kleinen Pflichtteils und dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich im deutschen Recht. Neben der Hälfte des Werts seines (nicht erhöhten) gesetzlichen Erbteils erhält der überlebende Ehegatte, wenn er enterbt und ihm auch kein Vermächtnis zugewandt ist (bzw. er die Erbschaft oder ein ihm zugewandtes Vermächtnis ausgeschlagen hat), den güterrechtlichen Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB. Der deemed divorce-Test in Sec. 3(2) IA bezweckt – wie der güterrechtliche Zugewinnausgleich – eine im Hinblick auf die wechselseitigen Leistungen angemessene Beteiligung an dem Vermögen des anderen Teils auch im Todesfall. Dies hat in England dazu geführt, dass in vielen family provision-Verfahren Teilhabequoten von einem Drittel bis zu der Hälfte des Nachlasses (zusätzlich zur Zuweisung von beachtlichen Vermögenswerten) gewährt werden.212 Wie bereits ausgeführt, ist es für die Nichtsteuerbarkeit hierbei auch ohne Bedeutung, ob die güterrechtliche Teilhabe von Gesetzes wegen auf Geldzahlung oder die gerichtliche Zuweisung von Nachlasswerten zu Ausgleichszwecken gerichtet ist. 5. Praktischer Fall 4: Englische testamentarische Erbfolge (ohne family provision) a) Beispielsfall Anders als in dem vorherigen Beispielsfall enterbt Erblasser B seinen Ehegatten nicht, sondern weist ihm testamentarisch einen Erbteil zu, der zu einer angemessenen finanziellen Versorgung führt und auch die Ehedauer sowie die Leistungen während der Ehe hinreichend berücksichtigt. A stellt daher keinen Antrag auf family provision. Ein solcher wäre auch nicht begründet. 209
Vgl. Sec. 3(2) IA: „The court shall (…) have regard to (a) the age of the applicant and the duration of the marriage, (b) the contribution made by the applicant to the welfare of the family of the deceased, including any contribution made by looking after the home or caring for the family.“. 210 The Law Commission, Intestaty and Family Provision Claims on Death, Law COM No 221, S. 55 Rn. 2.141, http://www.lawcom.gov.uk/app/uploads/2015/03/lc331_intestacy_ report.pdf (Stand: 8. 1. 2022). 211 Vgl. A. Röthel, in: RabelsZ 2012, S. 131 (149). 212 Vgl. A. Dutta, Warum Erbrecht?, S. 451; A. Röthel, RabelsZ 2012, 131 (149).
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
b) Erbschaftsbesteuerung In dieser Fallabwandlung wurde Ehegatte A durch Verfügung von Todes wegen zum Erben eingesetzt. Das Testament führt nicht nur zu einer angemessenen finanziellen Versorgung, sondern darüber hinaus zu einer im Hinblick auf den deemed divorce-Test angemessenen Beteiligung an dem matrimonial property. A steht damit kein Anspruch auf eine zusätzliche Zuweisung von Nachlasswerten durch den englischen Richter zu. Der überlebende Ehegatte wird in diesem Fall mit einem Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG) in Deutschland steuerpflichtig. Zu klären bleibt, ob A von der Regelung des § 5 ErbStG profitiert, obwohl er nach englischem Recht gerade keinen güterrechtlichen Ausgleich für Leistungen während der Ehe verlangen kann. In Betracht kommt (nur) die Steuerfreiheit eines fiktiven Zugewinns im Sinne von § 5 Abs. 1 ErbStG, weil gerade kein rechnerischer Ausgleich stattfindet. Dies ist im Ergebnis zu bejahen, weil auch in der vergleichbaren Inlandskonstellation § 5 Abs. 1 ErbStG zur Anwendung gelangt und ein rechtfertigender Grund für eine Schlechterstellung des englischen gewillkürten Rechtsnachfolgers gegenüber dem deutschen gewillkürten Rechtsnachfolger nicht ersichtlich ist: Setzt ein deutscher Erblasser seinen überlebenden Ehegatten durch Verfügung von Todes wegen zum Erben sein (oder bedenkt ihn mit einem Vermächtnis), kann er zivilrechtlich zwar keinen Zugewinnausgleich beanspruchen. Dennoch ist in diesem Fall ein Betrag im Umfang des fiktiven Ausgleichsanspruch von der Erbschaftsteuer befreit, weil § 5 Abs. 1 ErbStG nur darauf abstellt, dass gerade kein güterrechtlicher Ausgleich stattfindet.213 Dieser Konstellation entspricht auch die Fallabwandlung, sodass A von seinem Erwerb einen Freibetrag im Umfang eines fiktiven (deutschen) Zugewinnausgleichs in Abzug bringen kann.
IV. Frankreich 1. Grundlagen im französischen Güterrecht Haben die Ehegatten keinen Ehevertrag geschlossen, so unterliegen sie in Frankreich dem gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft (communauté reduite aux acquêts, Art. 1400–1491 französischer Code Civil (CC)). Deren wichtigstes Merkmal ist die Schaffung eines gemeinschaftlichen Gesamtguts in dem Zeitpunkt der Eheschließung, welches das während der Ehe entgeltlich erworbene Vermögen umfasst (Art. 1401 CC). Hierunter fallen typischerweise die Verdienste und Löhne beider Ehegatten.214 Dem steht das Eigengut jedes Ehegatten gegenüber, welches das voreheliche Vermögen, das während der Ehe unentgeltlich durch 213
Siehe hierzu oben Abschn. § 5 C. IV. 1. a) und § 6 B. VI. 1. Vgl. S. Katzenmaier, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 07/2018), Frankreich, Abschn. 4.b). 214
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Erbfolge, Verfügung von Todes wegen oder Schenkung unter Lebende erlangte Vermögen und die höchstpersönlichen Vermögensgegenstände eines Ehegatten (z. B. Kleidung, Schmuckstücke) umfasst. Wird die französische Errungenschaftsgemeinschaft bspw. durch den Tod eines Ehegatten, Scheidung oder vertragliche Änderung des Güterstands beendet, so nimmt im Zuge der güterrechtlichen Auseinandersetzung zunächst jeder Ehegatte sein Eigengut an sich. Anschließend wird ermittelt, ob Ausgleichsansprüche zwischen den verschiedenen Vermögensmassen existieren.215 Ergibt sich hiernach ein zu verteilendes Gesamtgutsvermögen, so ist dieses in zwei gleiche Hälften aufzuteilen (Art. 1475 Abs. 1 CC).216 Nach Art. 1387 CC steht es den Ehegatten im französischen Güterrecht jedoch auch frei, ihre ehelichen Beziehungen durch einen Ehevertrag individuell zu regeln.217 Insbesondere können sie einen von dem französischen Code Civil ausdrücklich geregelten Vertragsgüterstand vereinbaren. Art. 1569 CC nennt exemplarisch die Möglichkeit der Vereinbarung einer sog. participation aux acquêts (Güterstand der Teilhabe am Erworbenen) gemäß Art. 1596–1581 CC, die der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnlich ist.218 Hiernach herrscht während des Bestehens des Güterstands Gütertrennung (Art. 1569 Abs. 1 S. 2 CC). Jeder Ehegatte behält die Verwaltung, den Nutzen und die freie Verfügung über sein Vermögen ohne Unterscheidung danach, wann und wie er es erworben hat. Bei Auflösung der Ehe hat jeder Ehegatte dann einen Anspruch auf die Hälfte der vorhandenen Netto-Errungenschaftsmasse, welche durch einen Vergleich der Anfangs- und Endvermögen beider Ehegatten und Saldierung zu errechnen ist (Art. 1569 S. 3 CC). Zu dem Anfangsvermögen jedes Ehegatten gehören hierbei die im Zeitpunkt der Eheschließung bzw. Vereinbarung vorhandenen Vermögenswerte sowie das durch Erbschaft oder Schenkung hinzu erlangte Vermögen (Art. 1570 Abs. 1 S. 1 CC). Der Nachweis des Anfangsvermögens erfolgt gemäß Art. 1570 Abs. 2 CC durch eine von beiden Ehepartnern zu unterschreibende Vermögensaufstellung. Ist eine solche nicht vorhanden, so wird das Anfangsvermögen mit Null vermutet.219 Demgegenüber umfasst das Endvermögen das bei Beendigung des Güterstands vorhandene (Netto-)Vermögen, dessen Umfang ebenfalls durch ein – innerhalb von neun Monaten aufzustellendes – Vermögensverzeichnis zu beweisen ist (Art. 1572 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 CC).220 Die durch Saldierung zu errechnende Ausgleichsforderung ist nach Art. 1576 Abs. 1 S. 1 CC grundsätzlich in Geld zu erfüllen, wobei die Ehegatten auch Abweichendes vereinbaren können (z. B. Abwicklung in natura). Gemäß Art. 1569 S. 4 CC ist die Netto-Errungenschaftsmasse zudem 215
C. Döbereiner, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 81. C. Döbereiner, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 82. 217 Zur Vertragsfreiheit im französischen Güterrecht und deren Einschränkungen siehe C. Döbereiner, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 103. 218 Vgl. C. Döbereiner, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 114. 219 C. Döbereiner, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 118. 220 Vgl. S. Katzenmaier, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 07/2018), Frankreich, Abschn. 4.f); C. Döbereiner, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 121. 216
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
auch im Fall des Todes eines Ehegatten tatsächlich güterrechtlich auszugleichen, wobei die Erben eines verstorbenen Ehegatten genauso Anspruch auf die Hälfte des Nettoerwerbs haben, wie der Erblasser selbst. Eine erwähnenswerte französische Besonderheit ist in diesem Kontext das Institut der avantages matrimoniaux221 (vgl. Art. 1527, 1581 CC). Hierbei handelt es sich um zwischen Ehegatten geschlossene Verträge, welche die güterrechtliche Teilhabe ausschließlich für den Todesfall modifizieren.222 Angeführt wird in Bezug auf den Güterstand der participation aux acquêts vor allem eine Modifizierung der sich aus Art. 1575 Abs. 2 CC ergebenden gesetzlichen Halbteilungsquote, etwa dergestalt, dass der überlebende Ehegatte drei Viertel, die Erben des Verstorbenen jedoch nur ein Viertel der Netto-Errungenschaftsmasse erhalten sollen (clause de participation inégale)223.224 Die französische herrschende Zivilrechtslehre sieht in der Vereinbarung einer participation aux acquêts mit clause de participation inégale – trotz des Erbfallbezugs – eine nicht unentgeltliche, güterrechtliche Vereinbarung.225 Diese zivilrechtliche Einordnung vollzog auch durch das französische Steuergesetzbuch (Code général des impôts)226 bzw. die Finanzrechtsprechung in Frankreich, bis der Erwerb unter Ehegatten in dem Jahr 2007 generell von der französischen Erbschaftsteuerpflicht ausgenommen wurde.227 Demgegenüber ist seit dem Inkrafttreten der EuErbVO und EuGüVO aus deutscher internationalprivatrechtlicher Sicht unklar und umstritten, ob die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung von avantages matrimoniaux wegen des offenkundigen Erbfallbezugs nach dem anwendbaren Güterrechts- oder Erbstatut zu beurteilen ist.228
221
Übersetzt: eheliche Vorteile. Zu avantages matrimoniaux aus deutscher (zivilrechtlicher) Sicht siehe z. B.: C. Döbereiner, Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, S. 78 ff., 273 ff.; ders., ZEuP 2010, 588 (612 ff.); ders., ZEV 2016, 490 (494); ders., MittBayNot 2018, 405 (420); ders. / S . Frank, Internationales Güterrecht für die Praxis, Rn. 76 ff., 327 ff.; ders., in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Frankreich, Rn. 123; S. Frank / C . Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 30, 445 ff.; P. Mankowski, ZEV 2016, 479 (484); J. Weber, DNotZ 2016, 424 (434 f.). 223 Übersetzt: ungleiche Teilungsklausel. 224 C. Döbereiner, Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, S. 104 f.; ders., ZEuP 2010, 588 (617). 225 Vgl. C. Döbereiner, Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, S. 105 f. m. w. N.; ders., ZEuP 2010, 588 (616 f.). 226 Abschnitt zur Erbschaft- und Schenkungsteuer: Art. 750–808 Code général des impôts. 227 Vgl. C. Döbereiner, Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, S. 106; P. R. Gottschalk, ZEV 2010, 537 (543); T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 648 (663). 228 Für eine erbrechtliche Einordnung: C. Döbereiner, MittBayNot 2018, 405 (420); C. Döbereiner / S . Frank, Internationales Güterrecht für die Praxis, S. 97 ff.; P. Mankowski, ZEV 2016, 479 (484). Für eine güterrechtliche Einordnung: R. Süß, in: Dutta / Weber, Die Europäischen Güterrechtsverordnungen, S. 85 (101); J. Weber, DNotZ 2016, 424 (434 f.). 222
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2. Praktischer Fall: Vertragliche Zugewinngemeinschaft (le régime de participation aux acquêts) und avantages matrimoniaux a) Beispielsfall A und B, beide französische Staatsangehörige mit gemeinsamem Wohnsitz (gewöhnlicher Aufenthalt) in Deutschland, sind nach französischem Güterrecht verheiratet. In einem wirksamen französischen Ehevertrag haben sie den Güterstand der Teilhabe am Erworbenen (participation aux acquêts) vereinbart. Zusätzlich haben sie vereinbart, dass im Fall der Beendigung des Güterstands durch den Tod eines von ihnen – und nur in diesem Fall – der Überlebende drei Viertel der Netto-Errungenschaftsmasse erhalten soll (clause de participation inégale). Dem überlebenden Ehegatten soll hierdurch eine zusätzliche ehegüterrechtliche Begünstigung verschafft werden. b) Erbschaftsbesteuerung Für den Fall, dass der Ehegatte mit dem größeren Zuerwerb verstirbt, hat die clause de participation inégale in dem Beispielsfall zur Folge, dass der überlebende Ehegatte – abweichend von Art. 1575 Abs. 2 CC – drei Viertel des Unterschiedsbetrags zwischen den im Übrigen nach den allgemeinen Regeln zu errechnenden Zuerwerben der Ehegatten erhält, wogegen den Erben des Erblassers nur ein Anteil im Umfang von einem Viertel zusteht. Aus der Sicht des französischen Rechts handelt es sich dabei grundsätzlich nicht um eine unentgeltliche Vereinbarung. Bevor die Erbschaftsteuerpflicht des überlebenden Ehegatten in Frankreich in dem Jahr 2007 abgeschafft wurde,229 wurde diese zivilrechtliche Sichtweise auch durch die französische Finanzrechtsprechung nachvollzogen, die den güterrechtlich begründeten Erwerb eines überlebenden Ehegatten aufgrund von avantages matrimoniaux damit als nicht erbschaftsteuerbar einordnete.230 Diese Wertung des französischen Rechts ist auch bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Erbschaftssteuerrechts, namentlich bei § 5 Abs. 2 ErbStG, mit zu berücksichtigen. Einigkeit dürfte zunächst darüber bestehen, dass der französische vertragliche Güterstand der Teilhabe am Erworbenen mit der deutschen Zugewinngemeinschaft dem Grunde nach vergleichbar ist (Gütertrennungskriterium, nachehelicher schuldrechtlicher Vermögensausgleich). Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es sich um einen Vertragsgüterstand handelt. Die Eigenschaft als gesetzlicher oder vertraglicher Güterstand ist für die Vergleichbarkeit vielmehr ohne Bedeu 229
Vgl. T. Wachter, in: FS Crezelius, S. 648 (663). Vgl. P. R. Gottschalk, ZEV 2010, 537 (543) m. w. N. aus der französischen Finanzrechtsprechung.
230
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
tung. Dies ergibt sich bereits unter europarechtlichen Gesichtspunkten.231 Denn andernfalls wäre ausländischen Ehegatten die Möglichkeit genommen, durch die konkrete vertragliche Ausgestaltung ihres (Heimat-)Güterstands den Vorgaben des § 5 ErbStG zu entsprechen. Zudem umfasst § 5 Abs. 2 ErbStG im rein nationalen Kontext gerade auch die ehevertraglich modifizierte Zugewinngemeinschaft, bei der es sich um nichts anderes als einen Vertragsgüterstand (§ 1408 Abs. 1 BGB) handelt. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich auch, dass die Vereinbarung einer participation aux acquêts mit clause de participation inégale, bzw. ein auf dieser Grundlage erfolgender güterrechtlicher Ausgleich, (auch) aus deutscher erbschaftsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich ein nicht erbschaftsteuerbarer Vorgang ist (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Denn auch in deutscher Zugewinngemeinschaft verheirateten Ehegatten steht es aufgrund der – auch erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennenden – güterrechtlichen Vertragsautonomie im Zivilrecht frei, die sich aus § 1378 Abs. 1 BGB ergebende Halbteilungsqote zu modifizieren, insbesondere sie zu erhöhen. Spezifisch erbschaftsteuerrechtliche Grenzen sind dieser Gestaltungsfreiheit jedoch dort gezogen, wo sie – wie gezeigt – einem Ehepartner eine überhöhte Ausgleichsforderung dergestalt verschafft, dass der Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung überschritten wird.232 Diese Grenze muss auch bei ausländischen güterrechtlichen Vereinbarungen Beachtung finden. Die zentrale Frage lautet mithin, ob in der Vereinbarung von erhöhend wirkenden avantages matrimoniaux (hier in Gestalt einer clause de participation inégale) eine erbschaftsteuerbare überhöhte Ausgleichsforderung zu erblicken ist. Dies könnte man mit der Argumentation ablehnen, dass avantages matrimoniaux in Frankreich als güterrechtliche, nicht unentgeltliche Vereinbarungen eingeordnet werden und – bis zur Abschaffung der Ehegattenerbschaftsteuerpflicht in dem Jahr 2007 – auch nicht der französischen Erbschaftsteuer unterlagen.233 Indes weisen avantages matrimoniaux einen klaren Erbfallbezug auf, da sie naturgemäß nur Regelungswirkung für den Fall des Todes eines Ehegatten entfalten und den Überlebenden somit zusätzlich güterrechtlich begünstigen sollen (Begünstigungswirkung). Aufgrund dieser Doppelwirkung ist auch deren internationalprivatrechtliche Verortung heute mehr als nur unklar. Führt man sich indes den Rechtsgrund für die mangelnde Steuerbarkeit des Zugewinnausgleichs vor Augen, so kann es für die Frage einer überhöhten Ausgleichsforderung nur darauf ankommen, ob sich avantages matrimoniaux, bzw. hier die clause de participation inégale, noch als ein Ausgleich für die ehezeitlich erbrachten Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft darstellen. Ist dies nicht der Fall und werden – wie in dem obigen Beispielsfall – primär (güterrechtliche) Bereicherungszwecke verfolgt, liegt aus deutscher erbschaftsteuerrechtlicher Sicht insoweit eine überhöhte Ausgleichsforderung vor. Verstirbt in dem obigen
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Siehe bereits oben Abschn. § 6 B. IV. 5. und S. 250. Zur Grenze der überhöhten Ausgleichsforderung siehe ausführlich oben Abschn. § 5 C. IV. 2. e) bb). 233 Siehe dazu im vorherigen Abschn. § 6 C. IV. 1. 232
C. Praktischer Güterstandvergleich
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Beispielsfall demnach der Ehegatte mit dem größeren Zugewinn und findet wegen der clause de participation inégale ein güterrechtlicher Ausgleich im Umfang von drei Viertel statt, liegt im Umfang von einem Viertel eine erbschaftsteuerbare und -pflichtige überhöhte Ausgleichsforderung vor. Diese fällt unter § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Schenkung auf den Todesfall).234
V. Griechenland 1. Grundlagen im griechischen Güterrecht Der gesetzliche Güterstand in Griechenland ist die Gütertrennung mit einem Anspruch auf Teilnahme am Zugewinn (Art. 1397–1402 griechisches Zivilgesetzbuch (grZGB)).235 Die Eheschließung lässt die vermögensrechtliche Selbstständigkeit beider Ehegatten nach Art. 1397 grZGB zunächst unverändert. Es entsteht kein gemeinschaftliches Vermögen. Zudem haftet jeder Ehegatte für seine vor und während der Ehe entstandenen Verbindlichkeiten selbst und mit seinem eigenen Vermögen.236 Wird die Ehe aufgelöst oder ist sie nichtig und hat sich das Vermögen eines der beiden Ehegatten seit der Eheschließung vermehrt, so kann der andere Ehegatte gemäß Art. 1400 grZGB, wenn er zu diesem Vermögenszuwachs in irgendeiner Weise beigetragen hat, die Herausgabe des Teils des Zuwachses, der von seiner Mitwirkung herrührt, verlangen.237 Hierbei wird gesetzlich widerleglich vermutet, dass dieser Beitrag ein Drittel der eingetretenen Vermögensmehrung beträgt, es sei denn, es wird ein größerer oder kleinerer Beitrag nachgewiesen. Wurden nachweislich keinerlei Beiträge geleistet, findet eine Teilhabe nicht statt.238 Als relevante Beitragsleistungen im Sinne des Art. 1400 grZGB sind nicht nur materielle Sach- und Geldzuwendungen und Dienstleistungen (z. B. die Mitarbeit im Geschäft des anderen Ehegatten) anerkannt, sondern auch die Haushaltsführung, Kindererziehung und sogar die Schaffung einer häuslichen Atmosphäre.239 Bei „Hausfrauenehen“ tendieren die griechischen Gerichte vor diesem Hintergrund dazu, den Beitrag des Familienarbeit leistenden Ehegatten, abweichend von der gesetzlichen Vermutung, mit der Hälfte des Zugewinns zu bewerten.240 Damit beruht die Vermögensteilhabe im griechischen Güterrecht –
234
Vgl. näher oben Abschn. § 6 C. II. 2. b). Vgl. D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 64. 236 Vgl. L. Kyritsis, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 01/2021), Griechenland, Rn. 10. 237 D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 64. 238 I. Vlassopoulou, FF 2002, 123 (126): „Das Prinzip lautet: ohne Beitrag kein Ausgleich.“ 239 Vgl. I. Vlassopoulou, FF 2002, 123 (126); D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 67. 240 Vgl. I. Vlassopoulou, FF 2002, 123 (126). 235
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
noch stärker als das deutsche Güterrecht (Mitverursachungsgedanke) – auf dem Grundsatz des gegenseitigen Beitrags der Ehegatten während der Ehe.241 Anders als im deutschen Recht, existiert für die nacheheliche Teilhabe dabei keine feste (Halbteilungs-)Quote, sondern es kommt auf den Zuschnitt der konkreten Ehe an. Ziel ist die Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit. Rechtstechnisch gesehen steht dem Ehegatten, der zu der Vermögensmehrung des anderen Beiträge erbracht hat, eine auf Geld gerichtete (schuldrechtliche) Ausgleichsforderung zu, die durch einen Vergleich der Anfangs- und Endvermögen beider Ehegatten sowie Verrechnung zu ermitteln ist.242 Nach dem griechischen güterrechtlichen Verständnis handelt es sich hierbei um eine persönliche Forderung, die im Todesfall für die Erben des verstorbenen Ehegatten nicht zur Entstehung gelangt und weder vererblich noch sonst übertragbar ist.243 Der überlebende Ehegatte kann hingegen einen Zugewinnausgleich nach den vorstehenden Grundsätzen beanspruchen, sofern ihm ein solcher rechnerisch zusteht.244 Zudem erhält der überlebende Ehegatte im griechischen Erbrecht (neben Abkömmlingen des Erblassers) ein Viertel des Nachlasses als gesetzlichen Erbteil (Art. 1820 grZGB), was im internationalen Kontext vergleichsweise gering ist. 2. Praktischer Fall a) Beispielsfall A und B, ein griechisches Ehepaar, haben ihren gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland. Ihre Ehe haben sie noch vor dem 29. 1. 2019 (Inkrafttreten der EuGüVO) geschlossen und hierbei einvernehmlich bestimmt, dass sie für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe mit sofortiger Wirkung den „gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft des griechischen Rechts“ wählen.245 Während der Ehe führt A im Wesentlichen den Haushalt und kümmert sich um das gemeinsame Kind, wogegen B erwerbstätig ist. Als die Ehegatten sich scheiden lassen, verfügt B über einen Zugewinn von 600.000 €; A hat keinen nennenswerten Zugewinn gemacht. Nach dem griechischen gesetzlichen Güterrecht verlangt er die Hälfte des Zugewinns von B, weil er durch die Führung des Haushalts und die 241
D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 65. D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 65. 243 D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 65; L. Kyritsis, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 01/2021), Griechenland, Rn. 18. 244 Vgl. L. Kyritsis, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 01/2021), Griechenland, Rn. 18. Missverstanden von OLG Frankfurt v. 12. 11. 2013 – 21 W 17/13, FamRZ 2015, 144 Rn. 20. 245 Rechtswahl zulässig nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB a. F. für Eheschließungen vor dem 29. 1. 2019. Auch aus griechischer international-privatrechtlicher Sicht (vor Inkrafttreten der EuGüVO) ist die Rechtswahl zugunsten griechischen Güterrechts zulässig, vgl. D. Stamatiadis, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Griechenland, Rn. 16. 242
C. Praktischer Güterstandvergleich
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Kindererziehung nachweislich zu mehr als einem Drittel des Zugewinns von B beigetragen habe. B zahlt an A 300.000 €. b) Besteuerung nach dem ErbStG Dass die Zahlung des griechischen Zugewinnausgleichs in dem obigen Beispielsfall nach § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG nicht zu einem Erwerb im Sinne des § 7 ErbStG führt, ergibt sich bereits daraus, dass das griechische Zivilgesetzbuch auf dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch beruht (deutscher Rechtskreis), womit in beiden Rechtsordnungen rechtsähnliche Regelungen existieren.246 Bei der Schaffung des modernen Zivilgesetzbuchs hat der griechische Gesetzgeber bewusst weitgehend Anlehnung an dem deutschen Zivilrecht genommen. Dies zeigt sich im Besonderen in dem Bereich des Güterrechts. In beiden Rechtsordnungen gilt die Zugewinngemeinschaft als Typus, sodass eine weitgehende rechtliche Vergleichbarkeit herrscht: Während des Bestehens des griechischen gesetzlichen Güterstands herrscht Gütertrennung. Jeder Ehegatte verwaltet und verfügt über sein Vermögen selbst. Wird die Ehe aufgelöst, bestehen grundsätzlich gegenseitige Geldansprüche in Höhe von einem Drittel des jeweiligen Zugewinns des anderen. Letzteres gilt allerdings nur, wenn nicht ein höherer oder geringerer Beitrag des ausgleichsberechtigten Ehegatten nachgewiesen wird (Art. 1400 Abs. 1 ZGB). Dass der Zugewinn nicht pauschal hälftig geteilt wird, ist hierbei wohl der größte rechtliche Unterschied zwischen dem deutschen und griechischen Recht. Dieser allein führt allerdings nicht dazu, eine Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbStG mangels Vergleichbarkeit auszuschließen. Vielmehr ist die konkrete Höhe der Ausgleichsquote für die Frage nach der Vergleichbarkeit ebenso unbeachtlich wie der Umstand, ob es sich um eine feste oder – wie im common law – variable Quote handelt, die im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln ist. Denn der Halbteilungsmaßstab aus § 1378 Abs. 1 BGB ist auch im deutschen Recht weitgehend disponibel. Dies gilt jedenfalls so lange, wie aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht keine überhöhte Ausgleichsforderung vorliegt. Zudem dürfte es sogar so sein, dass die griechische Lösung (gesetzliche widerlegliche Vermutung), wie auch das common law, zu einer gerechteren ehelichen Teilhabe führt, indem die Beiträge beider Ehegatten nicht unwiderlegbar typisiert werden, sondern beiden die Möglichkeit verbleibt, einen höheren oder geringeren Beitrag nachzuweisen. Die wechselseitigen Beiträge in der Ehe werden damit realitätsgerecht(er) abgebildet und der konkrete Lebenszuschnitt der Ehegatten berücksichtigt. Dies ist vor allem auch unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten zu begrüßen, da mit der Typisierung zwangsläufig auch
246
A. Baetge, Griechisches Zivilgesetzbuch, in: HWBEuP (2009); J. Rieck, Ehegüterrecht und Eheverträge in Europa, https://www.bva.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufgaben/ ZMV/Auswandern/Publikationen/Downloaddatei_Ehegüterrecht_und_Eheverträge_in_ Europa.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Stand: 8. 1. 2022).
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
Unschärfen verbunden sind, die sich im Fall des § 5 ErbStG zu Gunsten oder zu Ungunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten auswirken können. In Bezug auf die Besteuerung des griechischen Zugewinnausgleichs folgt hieraus, dass in Fällen, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte darlegt und nachweist, zu mehr als einem Drittel zu dem Vermögenszuwachs des anderen beigetragen zu haben, die Teilhabe im Umfang der tatsächlichen Beitragsleistung nach § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG mangels Unentgeltlichkeit unbesteuert zu bleiben habt. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall, dass der Beitrag geringer als ein Drittel ist. Weist kein Ehegatte einen höheren oder geringeren Beitrag nach, bleibt der griechische Zugewinnausgleich jedenfalls im Umfang der gesetzlichen Vermutung von einem Drittel unbesteuert.
VI. Japan 1. Grundlagen im japanischen Güterrecht Nach dem japanischen Zivilgesetzbuch (ZG)247 leben Ehegatten grundsätzlich in Gütertrennung, da jeder Ehegatte hinsichtlich seines Vermögens geschützt und die freie Verfügungsbefugnis behalten soll.248 Dies folgt aus Art. 762 Abs. 1 ZG, wonach das voreheliche Vermögen eines Ehegatten sowie das nach dem Zeitpunkt der Eheschließung in eigenem Namen hinzu erworbene Vermögen ihm gehört. Während der Ehe in eigenem Namen erworbenes Vermögen ist vor allem solches, das durch Arbeit, durch eine materielle Gegenleistung oder auf andere Weise erworben wurde.249 Wird die Ehe geschieden, kann jedoch jeder Ehegatte die Vermögensaufteilung verlangen (Art. 768 Abs. 1 ZG). Können sie hierbei keine Einigung erzielen, so muss eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden.250 Das japanische Gericht hat dann unter Berücksichtigung der Höhe des durch die Zusammenarbeit der Ehegatten erworbenen Vermögens sowie aller sonstigen Umstände zu bestimmen, ob eine Vermögensauseinandersetzung stattfinden soll, sowie den Betrag und die Art und Weise der Auseinandersetzung.251 Eine feste Teilhabequote existiert mithin nicht. Vielmehr haben die japanischen Gerichte einen weiten Ermessensspielraum bei der Regelung der Vermögensaufteilung. Berücksichtigung findet hier insbesondere, dass das Vermögen der Ehegatten typischerweise durch die materiellen und immateriellen Beiträge beider Ehepartner
247 Ins Deutsche übersetzt von A. Kaiser, Das japanische Zivilgesetzbuch in deutscher Sprache. 248 Vgl. M. Nagata, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 01/2021), Japan, Rn. 10. 249 G. Koziol / A . Kamura, in: Bermann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Japan (Stand: 06/2011), S. 33. 250 H. Baum / O. Kliesow, ZJapanR 1998, 82 (95). 251 H. Baum / O. Kliesow, ZJapanR 1998, 82 (95); T. Hayashi / K . Sahin, ZJapanR 2011, 181 (183).
C. Praktischer Güterstandvergleich
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gemeinsam erworben wurde und deshalb ein Ausgleich der Vermögen zu erfolgen hat, unabhängig davon, in wessen Eigentum das Vermögen formal steht.252 Heutzutage wird bei der Berechnung, wie gewichtig diese Beiträge gewesen sind, von einem Beitrag des (ausschließlich) Familienarbeit leistenden Ehegatten im Umfang von 50 % ausgegangen.253 Die richterliche Vermögensaufteilung kann in Form einer Geldzahlung (Einmal- oder Ratenzahlung) oder durch Sachleistungen erfolgen. Wird die Ehe dagegen durch den Tod eines Ehegatten beendet, findet eine Vermögensaufteilung nach den vorstehenden Grundsätzen nicht statt. Vielmehr ist der überlebende Ehegatte immer gesetzlicher Erbe (Art. 890 ZG). Diese Regelung war eine der wichtigsten Neuerungen zur Stärkung der Rechte der Frau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (Reform 1947).254 Neben Abkömmlingen des Erblassers erhält der überlebende Ehegatte demnach die Hälfte des Nachlasses. Diese starke erbrechtliche Beteiligung soll mit der Aufteilung des Vermögens im Fall der Ehescheidung korrespondieren und somit auch eine (typisierte) Abrechnung des durch die Zusammenarbeit der Ehegatten erworbenen Vermögens bezwecken.255 2. Praktischer Fall a) Beispielsfall A (deutscher Staatsangehöriger) und B (japanischer Staatsangehöriger) leben im japanischen gesetzlichen Güterstand. Ihren gemeinsamen Wohnsitz (gewöhnlicher Aufenthalt) haben sie in Deutschland. Ihre Ehe haben sie arbeitsteilig dergestalt organisiert, dass B (allein) berufstätig ist, wogegen A Familienarbeit leistet. Während der gesamten Ehezeit hat B ein Vermögen von 2,5 Mio. € aufgebaut. Die Ehegatten haben zwei gemeinsame Kinder. B verstirbt nach dem 17. 8. 2015. In seinem wirksamen Testament hat er eine erbrechtliche Rechtswahl zugunsten seines japanischen Heimatrechts getroffen (Art. 22 EuErbVO). Der Nachlasswert beträgt 2,5 Mio. €. Aufgrund der japanischen gesetzlichen Erbfolge übernimmt A die Hälfte des Nachlasses. Ein gesonderter güterrechtlicher Ausgleich erfolgt daneben nicht.
252 Vgl. H. Baum / O. Kliesow, ZJapanR 1998, 82 (95); G. Koziol / A . Kamura, in: Bergmann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Japan (Stand: 06/2011), S. 37. Zur Rezeption europäischen Rechts im japanischen Recht siehe im Allgemeinen H. Baum, Ausstrahlung des europäischen Privatrechts ins japanische Recht, in: HWBEuP (2009). 253 Vgl. M. Nagata, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht (Stand: 01/2021), Japan, Rn. 20. 254 C. Danwerth, ZJapanR 2012, 100 (102). 255 Vgl. P. Schmidt, Die Entwicklung des japanischen Erbrechts nach dem Zweiten Weltkrieg, S. 43; C. Danwerth, ZJapanR 2012, 100 (102).
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
b) Erbschaftsbesteuerung Zwar ist A mit seinem Erwerb von Todes wegen nach japanischem Erbrecht in Deutschland aufgrund seines Wohnsitzes und des Erblassers unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig. Denn ähnlich wie bei § 1922 Abs. 1 BGB treten die Erben im japanischen Erbrecht mit dem Tod des Erblassers von Gesetzes wegen in dessen Rechte und Pflichten ein, unabhängig davon, ob sie von dessen Tod Kenntnis haben (Universalsukzession mit Vonselbsterwerb).256 Zur Annahme der Erbschaft sind demnach keine besonderen Erklärungen oder (richterlichen) Akte erforderlich (Antrittserwerb). Der – auf den ersten Blick überraschende – hohe Übereinstimmungsgrad zwischen den beiden Erbrechtsordnungen ist darauf zurückzuführen, dass Japan in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem deutsche Rechtsvorstellungen rezipiert und in sein Rechtssystem übernommen hat.257 Da der Tod des Erblassers nach dem hier maßgebenden japanischen Recht damit unmittelbar kraft Gesetzes zu einer Gesamtrechtsnachfolge in das Erblasservermögen führt, ist ein vergleichbarer Erbanfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben.258 Der hohe Übereinstimmungsgrad zwischen den Rechtsordnungen setzt sich auch in dem Bereich des Güterrechts fort, sodass der überlebende Ehegatte hier die Steuerbefreiung im Umfang des fiktiven Zugewinnausgleichs gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG in Anspruch nehmen kann. Auch das japanische gesetzliche Güterrecht wird von dem Mitverursachungsgedanken und der Gleichheit der Geschlechter maßgebend geprägt. Dies gelangt im Besonderen darin zum Ausdruck, dass nach der japanischen Rechtsprechung das Vermögen der Ehegatten durch die gleichwertigen materiellen und immateriellen Beiträge beider erworben wird, was einen nachehelichen güterrechtlichen Vermögensausgleich im Umfang der Hälfte des Hinzuerworbenen rechtfertigen soll.259 Bis dahin herrscht aus Gleichberechtigungsgründen Gütertrennung. Dieselben materiellrechtlichen Erwägungen liegen auch dem deutschen Zugewinnausgleich zugrunde. Hinzu kommt, dass in beiden Fällen beim Tod eines Ehepartners die güterrechtliche Vermögensteilhabe durch eine starke erbrechtliche Stellung des Überlebenden pauschal mitverwirklicht wird.260 Sowohl nach dem deutschen als auch japanischen gesetzlichen Erbrecht erhält der überlebende (in Zugewinngemeinschaft verheiratete) Ehegatte die Hälfte des Nachlasses. Dass im japanischen Recht (anders im deutschen Recht) keine erbrecht-
256
Vgl. C. Danwerth, ZJapanR 2012, 100 (104). Vgl. hierzu ausführlich H. Baum, Ausstrahlung des europäischen Privatrechts ins japanische Recht, in: HWBEuP (2009); N. Matsumoto, Transfer europäischer Rechtsnormen nach Japan, http://ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/herrschaft/transfer-europaeischer-rechts normen/naoko-matsumoto-transfer-europaeischer-rechtsnormen-nach-japan (Stand: 8. 1. 2022). 258 Vgl. BFH v. 4. 7. 2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216 = BStBl. II 2012, 782 Rn. 29. 259 Vgl. G. Koziol / A . Kamura, in: Bermann / Ferid / Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Japan (Stand: 06/2011), S. 33 sowie vorstehend unter VI.1. 260 Siehe schon oben unter VI.1. m. w. N. 257
C. Praktischer Güterstandvergleich
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liche Lösung existiert, wonach die Erbquote je nach Güterstand unterschiedlich ausfällt, steht dem – wie schon in Bezug auf das englische Erbrecht dargelegt –261 nicht entgegen.262 Entscheidend ist vielmehr, dass der überlebende Ehegatte nach japanischem Erbrecht neben Abkömmlingen des Erblassers mit einer verhältnismäßig hohen Erbquote ausgestattet ist, um auf diese Weise den güterrechtlichen Ausgleich im Todesfall mit zu verwirklichen.263 Dessen Rechtsstellung entspricht damit der eines in deutscher Zugewinngemeinschaft verheirateten Ehegatten, der gesetzlicher oder gewillkürter Erbe (Vermächtnisnehmer) wird. Damit liegt ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 ErbStG vor.
VII. Österreich 1. Grundlagen im österreichischen Güterrecht Nach der Grundregel des § 1233 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) begründet die eheliche Verbindung in Österreich allein noch keine Gemeinschaft der Güter zwischen den Ehegatten. Vielmehr gilt der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung, wenn die Ehegatten keine besondere Übereinkunft getroffen haben (§ 1237 ABGB). Jeder Ehegatte haftet demnach allein für seine Schulden.264 Wird die Ehe jedoch zu Lebzeiten beider Ehegatten aufgelöst (durch Scheidung, Aufhebung, Nichtigerklärung), hat jeder – entgegen der missverständlichen Bezeichnung als „Gütertrennung“ – einen Anspruch auf Aufteilung des sogenannten ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§ 81 Abs. 1 S. 1 EheG). Bei der Aufteilung sind auch die Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Abzug zu bringen (§ 81 Abs. 1 S. 2 EheG). Unter dem ehelichen Gebrauchsvermögen sind gemäß § 81 Abs. 2 EheG die beweglichen und unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben (insbesondere Hausrat, Ehewohnung), zu verstehen. Demgegenüber umfassen die ehelichen Ersparnisse Wertanlagen gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind (§ 81 Abs. 2 EheG). Der Aufteilung unterliegen allerdings nicht solche Sachen, 261
Siehe oben S. 275 ff. Im Zuge der in jüngeren Zeit erfolgten Reform des japanischen Erbrechts wurde eine pauschale Erhöhung des gesetzlichen Ehegattenerbteils bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen jedoch diskutiert, um auch bei der Erbfolge einen zusätzlichen Ausgleich des in der Ehe gemeinschaftlich erworbenen Vermögens vorzunehmen, vgl. hierzu M. Aotake, ZJapanR 2018, 53 (54 ff.). Gesetz geworden ist eine solche Regelung nicht. 263 Vgl. P. Schmidt, Die Entwicklung des japanischen Erbrechts nach dem Zweiten Weltkrieg, S. 43. 264 S. Ferrari / M. Koch-Hipp, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Österreich, Rn. 16. 262
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder ihm ein Dritter geschenkt hat (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 EheG).265 Können sich die Ehegatten über die Aufteilung der Aufteilungsmasse nicht einigen, so findet auf Antrag ein gerichtliches Aufteilungsverfahren statt (§ 85 EheG).266 Die richterliche Entscheidung im Aufteilungsverfahren ist entsprechend der Regelung in § 83 Abs. 1 S. 1 EheG an der Billigkeit auszurichten. Ziel dieser Entscheidung soll es sein, Gerechtigkeit im Einzelfall zu schaffen.267 Welche Beurteilungsfaktoren das Gesetz in diesem Zusammenhang für maßgeblich erachtet, zählt § 83 Abs. 1 S. 2 EheG nur exemplarisch auf. Entscheidend ist demnach insbesondere, in welchem Umfang jeder der Ehegatten zur Ansammlung der in die Verteilungsmasse fallenden Güter beigetragen hat.268 Als Beitrag im Sinne des § 83 Abs. 1 EheG werden nicht nur die Gewährung von Unterhalt und die Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten verstanden, sondern auch die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Sorge für die gemeinsamen Kinder, sowie jeder sonstige eheliche Beistand. Auch wenn es damit nach dem österreichischen gesetzlichen Güterrecht nicht automatisch zu einer Halbteilung – sondern einer Aufteilung nach den Grundsätzen der Billigkeit, Gewicht und Umfang des Beitrages zur ehelichen Errungenschaft, Wohl der Kinder – kommt, wird in der Praxis häufig eine hälftige Teilung vorgenommen.269 Das zur Entscheidung über die gerichtliche Aufteilung angerufene österreichische Gericht kann dabei gemäß der §§ 86 ff. EheG verschiedene Anordnungen treffen, wobei sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren sollen (§ 84 EheG). Unter anderem kann es bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens die Übertragung von Eigentum an beweglichen körperlichen Sachen (oder eines Anwartschaftsrechts darauf) und die Übertragung von Eigentum und sonstigen Rechten an unbeweglichen körperlichen Sachen von einem auf den anderen Ehegatten sowie die Begründung von dinglichen Rechten oder schuldrechtlichen Rechtsver-
265
Von der Aufteilung sind nach § 82 Abs. 1 EheG zudem solche Sachen ausgenommen, die dem persönlichen Gebrauch eines Ehegatten allein oder der Ausübung seines Berufs dienen (Nr. 2), zu einem Unternehmen gehören (Nr. 3) oder Anteile an einem Unternehmen sind, außer es handelt sich um bloße Wertanlagen (Nr. 4). Eine Sonderregelung für die Aufteilung der Ehewohnung (und den Hausrat) enthält § 82 Abs. 2 EheG. Die Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder von Todes wegen oder die ihm ein Dritter geschenkt hat, ist in die Aufteilung dann einzubeziehen, wenn dies vereinbart wurde, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenutzung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenutzung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat. 266 S. Ferrari / M. Koch-Hipp, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Österreich, Rn. 193. 267 OGH v. 29. 5. 2000 – 7 Ob 47/99h, EFSlg 93.911, veröffentlicht unter https://www.ris.bka. gv.at/jus/. 268 Zudem ist auf das Wohl der Kinder und auf jene mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängenden Schulden Bedacht zu nehmen, die nicht schon nach § 81 Abs. 1 EheG berücksichtigt werden müssen. 269 B. A. Koch, in: Koziol / Bydlinski / Bollenberger, ABGB (6. Aufl. 2020), § 83 EheG Rn. 2.
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hältnissen zugunsten des einen Ehegatten an unbeweglichen körperlichen Sachen des anderen anordnen (§ 86 Abs. 1 EheG). Entsprechendes gilt nach § 89 EheG für die ehelichen Ersparnisse. Wenn eine Wohnung nicht Ehewohnung im Sinne des § 81 Abs. 2 EheG, sondern unter die Ersparnisse einzuordnen ist, kann nach dem Wortlaut von § 89 EheG nur ein „schuldrechtliches Benützungsrecht“ (Mietrecht) neu begründet werden.270 Eine Übertragung des Eigentums daran ist allerdings in den Grenzen des § 90 EheG möglich (Bewahrungsgrundsatz). Generell bildet der Spruch im Aufteilungsverfahren aber nur den Titel für eine nachfolgende Änderung dinglicher Rechte, zur eigentlichen Verfügung ist nach allgemeinen Regeln noch ein passender Modus (Übertragungsakt) nötig.271 Wird die Ehe dagegen durch den Tod eines Ehegatten beendet, erfolgt eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den vorstehenden Grundsätzen nicht. Neben Abkömmlingen des Erblassers erhält der überlebende Ehegatte vielmehr als gesetzlicher Erbe ein Drittel des Nachlasses. 2. Praktischer Fall a) Beispielsfall A und B, ein österreichisches Ehepaar mit Wohnsitz in Österreich, leben im österreichischen Güterstand der Gütertrennung. Zu den ehelichen Ersparnissen von B gehört eine während der Ehe hinzuerworbene Immobilie in Deutschland (Wert: 1,5 Mio. €). In Österreich lassen sich die Ehegatten auch scheiden. Da sie keine einvernehmliche Regelung über die Teilung der Aufteilungsmasse erzielen können, stellt A – der während der Ehe vor allem Familienarbeit geleistet hat – bei dem zuständigen österreichischen Gericht einen Antrag auf gerichtliche Aufteilung (§ 85 EheG). Da eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann (§ 90 Abs. 1 EheG), ordnet das österreichische Gericht zugunsten von A nach § 89 EheG die Übertragung des Eigentums an der in Deutschland belegenen Immobilie an. Die Eigentumsumschreibung auf A im deutschen Grundbuch wird vorgenommen. A erhält somit im Ergebnis wirtschaftlich die Hälfte der ehelichen Aufteilungsmasse. Dies macht er gegenüber dem deutschen Erbschaftsteuerfinanzamt auch geltend.
270
B. A. Koch, in: Koziol / Bydlinski / Bollenberger, ABGB (6. Aufl. 2020), § 90 Rn. 2. So B. A. Koch, in: Koziol / Bydlinski / Bollenberger, ABGB (6. Aufl. 2020), § 87 EheG Rn. 1. Eine „Aufsandungserklärung“, d. h. eine notarielle (oder gerichtlich beglaubigte) ausdrückliche Erklärung einer Person, dass sie in die grundbuchrechtliche Eintragung einer Änderung ihrer Rechte einwilligt, soll in diesem Fall allerdings nicht erforderlich sein. 271
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b) Besteuerung nach dem ErbStG Da es sich bei dem gegenständlichen Grundstück um Inlandsvermögen im Sinne des § 121 Nr. 2 BewG handelt, könnte ein Fall der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) vorliegen. Dafür müsste es sich bei der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf A um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit 7 Abs. 1 ErbStG handeln. Dies ist indes nicht der Fall. Denn die Eigentumsumschreibung erfolgt aufgrund bzw. aus Anlass einer Anordnung des österreichischen Gerichts nach § 89 EheG, um eine billige güterrechtliche Aufteilung der ehelichen Aufteilungsmasse zwischen den Ehegatten zu erreichen. Damit liegt aus deutscher erbschaftsteuerrecht licher Sicht weder eine unentgeltliche noch freigebige Zuwendung vor, wie § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG klarstellend regelt. Zum einen fehlt es an der Freigebigkeit, denn die Vermögensübertragung durch B erfolgt zur Erfüllung der ihn belastenden, gerichtlichen Anordnung. Dies – bzw. die österreichische Scheidung mit gerichtlicher Aufteilung der Aufteilungsmasse – ist auch aus deutscher Sicht anzuerkennen.272 Zum anderen ist die österreichische Gütertrennung, entgegen ihrer missverständlichen Bezeichnung, mit der deutschen Zugewinngemeinschaft vergleichbar, sodass entsprechend des Rechtsgedankens in § 5 Abs. 2 ErbStG die österreichische gerichtliche Aufteilung nicht zu dem Erwerb im Sinne des § 7 ErbStG gehört.273 Denn entgegen der Bezeichnung als „Gütertrennung“ sehen die §§ 81 ff. EheG seit einer grundlegenden Reform des österreichischen Eherechts in dem Jahr 1978 bei der Beendigung der Ehe bspw. durch Scheidung eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse vor, sodass der österreichische gesetzliche Güterstand effektiv in eine Zugewinngemeinschaft im Sinne des deutschen Rechts umgewandelt worden ist.274 Aus dem gesetzlichen Regelungszusammenhang und vor allem den Aufteilungsgrundsätzen in § 83 Abs. 1 EheG geht eindrücklich hierbei hervor, dass die nacheheliche Teilung der ehezeitlich erworbenen Aufteilungsmasse – ähnlich wie der deutsche Zugewinnausgleich – auf dem Gedanken der „(aufrechten) ehelichen Lebensgemeinschaft“ beruht, in der beide Ehegatten gleichwertige Beiträge zu der Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ansammlung der ehelichen Ersparnisse erbringen. Dass nach § 83 Abs. 1 S. 1 EheG eine Aufteilung nach Billigkeit, und nicht einer festen Quote, erfolgt, steht der Vergleichbarkeit – wie schon in Bezug auf das common law dargelegt –275
272
Vgl. Art. 36 Abs. 1 EuGüVO, Art. 36 Abs. 1 EuPartVO. Vgl. für den Bereich des Zivil- bzw. internationalen Privatrechts: J. von Hein, in: MüKo BGB, Internationales Privatrecht I, Teil 1., Einleitung zum Internationalen Privatrecht, Rn. 257; C. Hertel in: Würzburger Notarhandbuch (5. Aufl. 2018), Teil 7 Kap. 4, Rn. 42, DNotIRedaktion, DNotI-Report 2018, 49 (51). Siehe auch in Bezug auf das Steuerrecht: T. Stein, DStR 2020, 368 (370). 274 C. Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch (5. Aufl. 2018), Teil 7 Kap. 4, Rn. 42; DNotIRedaktion, DNotI-Report 2018, 49 (51). 275 Siehe oben Abschn. § 6 C. III. 2. 273
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dabei nicht entgegen. Hierauf kommt es bei der Freibetragsgewährung nämlich nicht entscheidend an. Bedeutsamer ist vielmehr, dass sowohl der deutsche Zugewinnausgleich als auch die österreichische richterliche Aufteilung des Aufteilungsvermögens eine gleichberechtigte Teilhabe an dem gemeinschaftlich erwirtschafteten Vermögen in der Ehe bezwecken. Das gilt umso mehr, als beide Institute – trotz des Billigkeitsmaßstabs – regelmäßig zu einer hälftigen (gleichen) Teilhabe führen, d. h. einer wirtschaftlich vergleichbaren Lage der Ehegatten. Denn auch bei dem Billigkeitsmaßstab aus § 83 Abs. 1 S. 1 EheG sind quantitativ vorrangig Gewicht und Umfang der Beiträge jedes Ehegatten zu dem ehelichen Aufteilungsvermögen zu berücksichtigen.276 Damit liegt jedoch weder in dem einen noch in dem anderen Fall ein unentgeltlicher Erwerb im erbschaftsteuerrechtlichen Sinn vor. Eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 86 ff. EheG löst in Deutschland folglich keine Erbschaftbzw. Schenkungsteuerpflicht aus. Entsprechendes muss für Fälle gelten, in denen die Ehegatten keinen Antrag nach § 85 EheG auf gerichtliche Aufteilung stellen, sondern eine solche einvernehmlich vornehmen. Aus dem Vorgesagten ergibt sich auch, dass die Anordnung von property adjustment orders nach englischem Recht und die Ehescheidung nach österreichischem Recht hinsichtlich der Nichtsteuerbarkeit eines güterrechtlichen Ausgleichs im deutschen Erbschaftsteuerrecht identisch zu behandeln sind.
VIII. Schweiz 1. Grundlagen im schweizerischen Güterrecht Sofern die Ehegatten nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren, leben sie in der Schweiz in dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (Art. 181 ZGB).277 Dieser unterscheidet begrifflich zwischen der Errungenschaft und dem Eigengut jedes Ehegatten (Art. 196 ZGB). Errungenschaft sind dabei die Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer der Ehe entgeltlich erwirbt (insbesondere Arbeitserwerb, Erträge des Eigenguts, Ersatzanschaffungen für Errungenschaft). Demgegenüber sind Eigengut von Gesetzes wegen namentlich die Gegenstände, die einem Ehegatten ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauch dienen oder die ihm bereits zu Beginn des Güterstands gehören oder
276
B. A. Koch, in: Koziol / Bydlinski / Bollenberger, ABGB (6. Aufl. 2020), § 83 EheG Rn. 2. Die nachfolgenden Ausführungen zu der schweizerischen Errungenschaftsbeteiligung gelten für den gesetzlichen Güterstand in der Türkei entsprechend. Der frühere gesetzliche Güterstand der Gütertrennung wurde hier durch das zum 1. 1. 2002 in Kraft getretene neue türkische Zivilgesetzbuch durch einen sich an die schweizerische Errungenschaftsbeteiligung anlehnenden Güterstand ersetzt, vgl. H. Naumann, RNotZ 2003, 343; H. Odendahl, FamRZ 2003, 648. 277
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ihm später durch Erbgang oder sonst unentgeltlich zufallen (Art. 198 Nr. 1 und 2 ZGB). Nach Art. 201 Abs. 1 ZGB verwaltet und nutzt (innerhalb der gesetzlichen Schranken) jeder Ehegatte zudem seine Errungenschaft und sein Eigengut und verfügt darüber, d. h. es besteht Gütertrennung. Wird die Errungenschaftsbeteiligung jedoch bspw. durch den Tod, Scheidung oder Vereinbarung eines anderen Güterstands aufgelöst, findet ein Errungenschaftsausgleich nach den Art. 205 ff. ZGB statt. Demnach nimmt zunächst jeder Ehegatte seine Vermögenswerte, die sich in dem Besitz des anderen befinden, zurück (Art. 205 Abs. 1 ZGB). Hat ein Ehegatte zu dem Erwerb, der Verbesserung oder Erhaltung von Vermögensgegenständen des anderen ohne eine entsprechende Gegenleistung beitragen, und besteht in dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung ein sogenannter Mehrwert, so hat er eine zusätzliche Forderung in der Höhe seines Beitrags, die nach dem gegenwärtigen Wert der Vermögensgegenstände berechnet wird (Art. 206 ZGB, „Mehrwertbeteiligung“).278 Sodann werden nach Art. 207 Abs. 1 ZGB Errungenschaft und Eigengut jedes Ehegatten nach ihrem Bestand in dem Zeitpunkt der Auflösung des Güterstands ausgeschieden. Sind Schulden der Errungenschaft aus dem Eigengut oder Schulden des Eigengutes aus der Errungenschaft eines Ehegatten bezahlt worden, so besteht bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung eine Ersatzforderung (Art. 209 Abs. 1 ZGB). Was von dem Gesamtwert der Errungenschaft (einschließlich der Ersatzforderung), nach Abzug der auf ihr lastenden Schulden verbleibt, bildet dann den sogenannten Vorschlag (Art. 210 Abs. 1 ZGB). Gemäß Art. 215 Abs. 1 ZGB steht jedem Ehegatten, oder seinen Erben, die Hälfte des Vorschlags des anderen zu (Vorschlagsanspruch), wobei die Forderungen miteinander verrechnet werden (Art. 215 Abs. 2 BGB). Bringt die Bezahlung der sich daraus ergebenden und mit Abschluss der güterrechtlichen Auseinandersetzung fällig werdenden Beteiligungsforderung den verpflichteten Ehegatten in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so kann er verlangen, dass ihm Zahlungsfristen eingeräumt werden (Art. 218 Abs. 1 ZGB). Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Abwicklung der schweize rischen Errungenschaftsbeteiligung bei Tod eines Ehegatten, d. h. es findet (immer) ein tatsächlicher güterrechtlicher Ausgleich statt. 2. Praktischer Fall a) Beispielsfall A und B, ein deutsch-schweizerisches Ehepaar, haben ihren gemeinsamen Wohnsitz (gewöhnlicher Aufenthalt) in Deutschland. Sie leben in dem ordentlichen Güterstand der schweizerischen Errungenschaftsbeteiligung. B hat während der 278 Siehe im Einzelnen S. Wolf / N. Brefin, in: Süß / R ing, Eherecht in Europa (4. Aufl. 2020), Schweiz, Rn. 106.
C. Praktischer Güterstandvergleich
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Ehe von seinem Errungenschaftsvermögen eine Immobilie in der Schweiz (Wert: umgerechnet 1,5 Mio. €) entgeltlich und zu Alleineigentum erworben. B verstirbt – nach dem 17. 8. 2015 – intestat und wird von A sowie den beiden gemeinsamen Abkömmlingen nach deutschem Erbrecht gesetzlich beerbt.279 Zu seinem Vermögen gehört, neben der Immobilie in der Schweiz, noch bewegliches (Bar-)Vermögen. Der Gesamtwert des Nachlasses beträgt 5 Mio. €. A führt mit den Miterben zunächst den Errungenschaftsausgleich unter Einbeziehung der schweizerischen Immobilie durch. Hiernach besteht ein Vorschlagsanspruch zu seinen Gunsten in einem Umfang von 2,5 Mio. €, den die (Mit-)Erben durch die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an der schweizerischen Immobilie (750.000 €) und Zahlung eines Betrags von 1,75 Mio. € auch erfüllen. An dem restlichen Vermögen von B, das den der deutschen Erbfolge unterliegenden Nachlass bildet (Vorrang des Güterrechts vor dem Erbrecht)280, steht A ein Erbrecht in Höhe von einem Viertel zu (§ 1931 Abs. 1 BGB). b) Erbschaftsbesteuerung Für die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung des Erwerbs von A sind zunächst zwei Rahmenbedingungen entscheidend: Zum einen liegt wegen des Erblasserwohnsitzes in Deutschland ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) vor, sodass grundsätzlich auch der erbfallbedingte Übergang des Eigentums an der schweizerischen Immobilie der deutschen Erbschaftsbesteuerung unterliegt (Weltvermögensprinzip)281. Weil der Erblasser B Schweizer Staatsbürger und im Zeitpunkt seines Todes in Deutschland wohnhaft war (Auslandschweizer), wird der innerstaatliche Besteuerungsanspruch Deutschlands jedoch durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlaß- und Erbschaftsteuern vom 30. 11. 1978 (DBA-Schweiz) 279
Die Geltung deutschen Erbrechts folgt – aus deutscher Sicht – aus Art. 1 Abs. 1; 21 Abs. 1 EuErbVO (Aufenthaltsprinzip) und für die Schweiz aus Art. 86 Abs. 1; 90 Abs. 1; 20 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) (Wohnsitzprinzip). Das deutsche Erbstatut gilt hierbei einheitlich, d. h. der gesamte Nachlass des B wird nach deutschem Erbrecht vererbt. Eine Nachlassspaltung etwa dergestalt, dass die in der Schweiz belegene Immobilie nach schweizerischem Erbrecht vererbt würde, tritt damit nicht ein. Seit dem Inkrafttreten der EuErbVO ist es Erblassern aus deutscher international-privatrechtlicher Sicht zudem auch nicht mehr möglich, das Erbrecht am Lageort (lex rei sitae) zu wählen (vgl. Art. 22 EuErbVO, Grundsatz der Nachlasseinheit). Dieser Grundsatz der Nachlasseinheit gilt wegen Art. 88 Abs. 2 IPRG auch in der Schweiz. Ausnahmen sind jedoch in Art. 86 Abs. 2 (entgegenstehendes ausländisches Recht); 87 Abs. 1 (bei Untätigkeit der ausländischen Behörde betreffend Nachlassgegenstände eines Auslandschweizers in der Schweiz) und 87 Abs. 2 (bei explizit letztwilliger Anordnung eines Auslandschweizers) IPRG enthalten, siehe im Einzelnen U. Haas, in: Bengel / Reimann, HdB Testamentsvollstreckung (7. Aufl. 2020), § 9 Rn. 394–396. 280 Siehe bereits oben Abschn. § 3 D. II. 1. m. w. N. 281 Siehe hierzu D. Eisele, in: Kapp / Ebeling, ErbStG (Stand: 06/2020), § 2 Rn. 2 ff.
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
eingeschränkt (Art. 1; 4 Abs. 1 lit. a DBA-Schweiz). Die Zuweisung der Besteuerungsrechte ist in den Art. 5 bis 9 DBA-Schweiz geregelt. Vermögenswerte, für die Art. 5 bis 7 DBA-Schweiz keine Regelung enthält, können nach Art. 8 Abs. 1 DBASchweiz nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen Wohnsitz hatte. Dies ist in dem obigen Beispielsfall Deutschland. Nach Art. 5 Abs. 1; 10 Abs. 1 lit. a DBA-Schweiz ist jedoch die in der Schweiz belegene Immobilie (Belegenheitsprinzip) der deutschen Erbschaftsteuer entzogen (Freistellungsmethode)282.283 Der in Deutschland erbschaftsteuerpflichtige Erwerb beträgt vor diesem Hintergrund (und unter Berücksichtigung der vorherigen Auseinandersetzung der schweizerischen Errungenschaftsbeteiligung) von vornherein (nur) 1,75 Mio. € (2,5 Mio. € Nachlasswert nach Errungenschaftsausgleich ./. 750.000 € hälftiger Miteigentumsanteil an der schweizerischen Immobilie wegen Art. 5 Abs. 1; 10 Abs. 1 lit. a DBA-Schweiz). Zum anderen beträgt die Erbquote des überlebenden Ehegatten nach deutschem Erbrecht vorliegend gemäß § 1931 Abs. 1 BGB (nur) ein Viertel. Eine international-privatrechtliche Substitution – d. h. eine Gleichsetzung der schweizerischen Errungenschaftsbeteiligung mit der deutschen Zugewinngemeinschaft für Zwecke des § 1371 Abs. 1 BGB – kommt von Beginn an nicht in Betracht, weil das schweizerische Güterrecht auch für den Fall der Beendigung der Errungenschaftsbeteiligung im Todesfall einen tatsächlichen Ausgleich des Vorschlags vorsieht (Art. 204 ZGB).284 In Bezug auf den der (deutschen) Nachlassteilung vorgelagerten Errungenschaftsausgleich nach Schweizer Recht ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Var. 2 ErbStG klarstellend, dass dieser keinen erbschaftsteuerbaren Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG begründet.285 Denn die Errungenschaftsbeteiligung, die – anders als die weit verbreitete Errungenschaftsgemeinschaft – keine beschränkte Gütergemeinschaft dar 282
Allerdings darf Deutschland als Wohnsitzstaat gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. a S. 2 DBASchweiz bei der Erbschaftsteuerfestsetzung für das sonstige Vermögen, für das es das Besteuerungsrecht behält, denjenigen Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn das unbewegliche Vermögen nicht freigestellt wäre (Progressionsvorbehalt). § 19 Abs. 2 ErbStG regelt die innerstaatliche Umsetzung dieses Progressionsvorbehalts, vgl. T. Stein, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 19 Rn. 24. Relevanz entfaltet diese Vorschrift derzeit allerdings nur für das DBA-Schweiz, weil in den anderen fünf Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern (Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden und den Vereinigten Staaten) ausschließlich die Anrechnungsmethode verwendet wird, vgl. M. Jülicher, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 19 Rn. 17. 283 Zum DBA-Schweiz siehe im Einzelnen J. Baßler, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), DBA-Schweiz; M. Jülicher, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), ErbStG, Anhang III zu § 2, Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz; Flick / Wassermeyer / Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz (Stand: 09/2017), Erb-DBA-Schweiz. 284 Vgl. J. Weber, NJW 2018, 1356 (1358); M. Sonnentag, JZ 2019, 657 (663 f.). Bejahte man in diesem Fall eine Substitution in Bezug auf § 1371 Abs. 1 BGB, so erführe der überlebende Ehegatte eine doppelte güterrechtliche Befriedigung (einmal über § 1371 Abs. 1 BGB und einmal über den schweizerischen Errungenschaftsausgleich). 285 So auch die (wohl) h. M. in der Literatur, siehe z. B. M. Jülicher, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 2 Rn. 112 ff.; M. Reich, in: von Oertzen / Loose, ErbStG (2. Aufl. 2020), § 5 Rn. 6; C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (96 f.); T. Wachter, FR 2020, 841 (852).
C. Praktischer Güterstandvergleich
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stellt, ist eine Form der Zugewinngemeinschaft.286 Die Vermögen beider Ehegatten bleiben während des Bestehens des Güterstands rechtlich getrennt. Der Vorschlag, verstanden als positiver Saldo der Errungenschaften, steht dem Ehegatten mit der geringeren Errungenschaft im Fall der Auflösung des Güterstands aber als schuldrechtlicher Zahlungsanspruch zur Hälfte zu. Dem liegen zwei Grundgedanken zugrunde: Zum einen soll mit dem Gütertrennungsaspekt die völlige vermögensrechtliche Unabhängigkeit beider Ehegatten voneinander auch während des Bestehens der Ehe gewahrt bleiben. Zum anderen soll nach der Auflösung des Güterstands ein Interessenausgleich zwischen diesen stattfinden, der auf dem Gedanken der Verbundenheit der Ehegatten als „Interessen- bzw. Schicksalsgemeinschaft“ beruht.287 Damit liegt dem schweizerischen Errungenschaftsausgleich ein ähnlicher, wenn nicht sogar identischer, Zweck wie dem deutschen Zugewinnausgleich zugrunde. Auf die geringfügigen Unterschiede bei der Ermittlung dieses Anspruchs (z. B. bei der Schuldenzuordnung) kommt es für die Freibetragsgewährung vor diesem Hintergrund nicht an. Es liegt vielmehr in beiden Fällen kein unentgeltlicher Erwerb vor. Für den obigen Beispielsfall ergibt sich die weitere Besonderheit, dass der schweizerische Errungenschaftsausgleich auch die in der Schweiz belegene Immobilien, die zu dem Errungenschaftsvermögen des Erblassers gehört, mitumfasst. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die DBA-Freistellung dieses Grundstücks von der deutschen Erbschaftsteuerpflicht bei der Berechnung des nicht steuerbaren Betrags nach § 5 Abs. 2 ErbStG mindernd zu berücksichtigen ist.288 Dies könnte angezeigt sein, denn der erbschaftsteuerlich maßgebliche Basiswert ist wegen der DBA-Freistellung geringer als der schweizerische Errungenschaftsausgleich, der das gesamte Errungenschaftsvermögen umfasst. Eine derartige Begrenzung ist allerdings abzulehnen. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 ErbStG, der – im Unterschied zu § 5 Abs. 1 (S. 6) ErbStG – keinerlei Einschränkungen des nicht steuerbaren Betrags enthält. Nur der Gesetzgeber kann regeln, ob und nach welchen Maßstäben der nicht steuerbare Betrag nach § 5 Abs. 2 ErbStG in Fällen von DBA-freigestelltem Vermögen aufzuteilen ist. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Zugewinnausgleich nur mit dem Anteil nicht steuerbar ist, der dem Verhältnis der in Deutschland steuerpflichtigen Vermögensgegenstände zu dem Gesamterwerb entspricht, hätte er dies – wie in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG – anordnen müssen. Ob dagegen die neue Regelung in § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG auch in Fällen greift, in denen Vermögensgegenstände aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Freistellungsmethode 286
So M. Sonnentag, JZ 2019, 657 (664). Vgl. H. Naumann, RNotZ 2003, 344 (348). 288 Vgl. auch C. von Oertzen, ZEV 1994, 93 (94), der diese Frage in Bezug auf das damals noch in Kraft gewesene Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern zwischen Deutschland und Österreich (DBA-Österreich) gestellt hat. Dieses ist nach Abschaffung der Erbschaftsteuer in Österreich ab dem 1. 8. 2008 von Deutschland gekündigt werden, M. Jülicher, in: T / G/J / G, ErbStG (Stand: 07/2021), § 2 Rn. 211. 287
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
der deutschen Erbschaftsteuer entzogen sind,289 ist ungeklärt. Der Wortlaut und die Gesetzgebungsgeschichte enthalten hierzu keine Hinweise. Für das Eingreifen der Vorschrift in solchen Fällen spricht allerdings, dass Art. 10 Abs. 1 lit. a S. 1 DBASchweiz eine sachliche Steuerbefreiung begründet, die neben die Befreiungen in § 13 ErbStG tritt,290 auf die § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG unstreitig Anwendung findet. Das in der Schweiz gelegene unbewegliche Vermögen eines Auslandschweizers ist zwar Teil des Vermögensanfalls bei den Erben, aber nicht der steuerpflichtigen Bereicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG.291 Da § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG nur allgemein von „Steuerbefreiungen“ spricht, dürfte Art. 10 Abs. 1 lit. a S. 1 DBA-Schweiz in den Anwendungsbereich der neuen Begrenzungsregelung fallen. Bei einer gesamthaften Betrachtung des obigen Beispielsfalls hat der überlebende Ehegatte A demnach keine (deutsche) Erbschaftsteuer zu entrichten: Der schweizerische Errungenschaftsausgleich im Umfang von 2,5 Mio. € gehört nicht zum Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG, wie § 5 Abs. 2 ErbStG klarstellend regelt. Der Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 1922 Abs. 1 BGB) im Umfang von 437.500 € (ein Viertel von 1,75 Mio. €) liegt unterhalb des Freibetrags des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
IX. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse aus dem Güterstandvergleich 1. Der Güterstandvergleich hat in Bezug auf alle untersuchten Güterrechtsord nungen – namentlich des common law sowie des deutschen und nordischen Rechtskreises – ergeben, dass die Freibetragsgewährung (§ 5 Abs. 1 ErbStG) bzw. die Anerkennung eines nicht steuerbaren Betrags (§ 5 Abs. 2 ErbStG) überall dort zu einem mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip besser zu vereinbarenden Gesamtzustand führt, wo ausländische Ehegatten bzw. in einem ausländischen Güterstand verheiratete Ehepaare sich in einer vergleichbaren Lage wie in deutscher Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatten befinden. Die maßgebenden Kriterien dafür sind in Abschnitt § 6 B. V. herausgearbeitet und im Zuge des praktischen Güterstandvergleichs erprobt und weiter konkretisiert worden: Entscheidend ist, ob mit der Ehe- bzw. Güterstandsbeendigung ein fairer und nachehelicher Vermögensausgleich zwischen den Ehegatten stattfindet. Auf die rechtstechnischen Einzelheiten kommt es hierbei nicht entscheidend an. Insbesondere ist nicht von Bedeutung, ob es sich um einen rechnerischen Zahlungsausgleich (z. B. Griechenland, Schweiz, 289 Praktische Relevanz entfaltet diese Frage nur in Bezug auf das DBA-Schweiz, siehe bereits oben S. 298, Fn. 282. 290 M. Jülicher, in: Wassermeyer, DBA (Stand: 01/2010), Art. 9A / B OECD-MA, Rn. 21; J. Baßler, in: Flick / Wassermeyer / Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz (Stand: 09/2017), Art. 10 Erb-DBA-Schweiz Rn. 14. 291 J. Baßler, in: Flick / Wassermeyer / Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz (Stand: 09/2017), Art. 10 Erb-DBA-Schweiz Rn. 14.
C. Praktischer Güterstandvergleich
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Türkei), eine aufgeschobene dingliche Gemeinschaft (z. B. Dänemark) oder eine Teilhabe mittels Richterspruchs (insbesondere common law) handelt. Insoweit handelt es sich nur um Modalitäten, ohne die grundsätzlichen Übereinstimmungen insbesondere in den teleologischen Grundlagen der Güterrechte einzuebnen. Der dem deutschen Zugewinnausgleich konstitutiv zugrunde liegende Mitverursachungsgedanke ist auch in der Mehrzahl der internationalen Rechtsordnungen verbreitet und rechtfertigt eine ehebedingte Teilhabe. Dieser Gedanke ist es auch, der im Wesentlichen zur erbschaftsteuerlichen Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Sinne des § 5 ErbStG führt. 2. Vor allem in Bezug auf die Freibetragsgewährung nach § 5 Abs. 1 ErbStG hat sich gezeigt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift bei Auslandssachverhalten größer ist als bisher angenommen. Viele ausländische Rechtsordnungen sehen im Todesfall keinen güterrechtlichen Ausgleich vor, sondern eine verhältnismäßig hohe – güterstandunabhängige – Erbquote des überlebenden Ehegatten, um dadurch den güterrechtlichen Ausgleich mit zu verwirklichen. Dies gilt bspw. für England (bzw. für Rechtsordnungen des common law-Rechtskreises), Japan sowie Österreich. Die Entscheidung für eine Freibetragsgewährung sollte man hier nicht von der Erhöhung des Erbteils des Ehegatten aufgrund eines bestimmten Güterstands abhängig machen. Denn eine (güterstandabhängige) Erbteilerhöhung ist auch in dem vergleichbaren Inlandssachverhalt keine Voraussetzung für die Freibetragsgewährung. Ebenso unbeachtlich ist die Bezeichnung des ausländischen Güterstands im ausländischen Recht oder in der deutschen Übersetzung. Ohne eine Freibetragsgewährung bliebe es in vielen Fällen bei einer gleichheits- und europarechtswidrigen Schlechterstellung ausländischer Ehegatten, die in einem ausländischen Güterstand verheiratet sind. Sieht die ausländische (Güter-)Rechtsordnung demnach im Erbfall keinen güterrechtlichen Ausgleich vor, sondern eine verhältnismäßig hohe gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten, ist nach § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG eine Steuerbefreiung in dem Umfang eines fiktiven Zugewinnausgleichs zu gewähren. Die Berechnung des nicht der Erbschaftsbesteuerung unterliegenden Betrags hat meines Erachtens nach deutschem Güterrecht zu erfolgen, denn die Vorschrift des § 5 Abs. 1 ErbStG nimmt eine nur fiktive, d. h. rechtlich nicht existente, Ausgleichsforderung von der Besteuerung aus und knüpft zu diesem Zweck typisierend an die §§ 1372 ff. BGB an. So lässt sich auch das Problem der Freibetragsermittlung in Fällen lösen, in denen die ausländische Güterrechtsordnung keine feste Teilhabequote (fixed shares) vorsieht, sondern eine Aufteilung nach Billigkeits- bzw. Fairnessgesichtspunkten und das auch nur im Scheidungsfall (wie z. B. im common law und Österreich). 3. Wird der ausländische Güterstand, bei dem es sich nach den hier getroffenen Aussagen nicht um einen gesetzlichen Güterstand handeln muss, lebzeitig beendet oder findet im Erbfall ein tatsächlicher güterrechtlicher Ausgleich (wie bspw. in Dänemark oder der Schweiz) statt, gehört ein Betrag im Umfang des ausländischen
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5. Kap.: § 6 Ausländische Güterstände
güterrechtlichen Ausgleichs nicht zum Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7 ErbStG (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Dabei ist es nicht von Belang, auf welche Art und Weise – dinglich oder schuldrechtlich – der Ausgleich zustande kommt. Der ausländische Ausgleich ist hierbei meines Erachtens in seiner konkreten Form erbschaftsteuerlich grundsätzlich anzuerkennen, was unter Umständen dazu führt, dass der nicht steuerbare Betrag größer (oder kleiner) ausfällt als bei einer Ermittlung nach den Regeln der §§ 1372 ff. BGB. Hieraus können sich aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Die Grenze ist aber auch hier in der „überhöhten Ausgleichsforderung“ zu erblicken. Bedeutung erlangt diese vor allem in Bezug auf das dänische Güterrecht bzw. die nordischen Rechtsordnungen, die von Gesetzes wegen auch eine Teilhabe an dem vorehelichen Vermögen der Ehegatten vorsehen. Nach der hier entwickelten Ansicht ist im vergleichbaren Inlandssachverhalt, in dem Ehegatten im Rahmen einer modifizierten Zugewinngemeinschaft einen Ausgleich auch des vorehelichen Vermögens vereinbaren, eine überhöhte Ausgleichsforderung gegeben, die insoweit zu einer Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerpflicht des ausgleichsberechtigten Ehegatten führt. Dies muss auch für einen ausländischen güterrechtlichen Ausgleich gelten, denn nach dem deutschen Güterrechtsverständnis ist kein Grund dafür ersichtlich, auch das voreheliche Vermögen der Ehegatten gleich zu teilen. Der güterrechtliche Mitverursachungsgedanke greift für diesen Zeitraum nicht. Entsprechendes folgt (für die Gütergemeinschaft) auch aus dem Rechtsgedanken des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Demgegenüber führt der Erwerb eines überlebenden Ehegatten aufgrund von avantages matrimoniaux (eheliche Vorteile) trotz des klaren Erbfallbezugs nicht per se zu einer überhöhten Ausgleichsforderung. Aus dem Vorgesagten ergeben sich namentlich in Bezug auf das englische Recht, das einen „Güterstand“ oder ein „Güterrecht“ im kontinentaleuropäischen Sinne nicht kennt, einige Besonderheiten. Die erste Besonderheit folgt daraus, dass das englische Recht (anders im deutschen Recht) keine trennbaren „Säulen“ der Scheidungsfolgen kennt, sondern mit Scheidungsfolgenpaketen – package solutions – arbeitet, d. h. in derselben Entscheidung sowohl die Vermögensverhältnisse als auch die Unterhaltspflichten zwischen den Ehegatten regelt. Aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht muss daher für Zwecke des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG zwischen diesen beiden Aspekten der Entscheidung differenziert werden. Denn nur Vermögenszuweisungen zur Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse können nach § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG unbesteuert bleiben. Abgrenzungskriterien hierfür wurden in Abschnitt C.III.2.b. entwickelt. Zum anderen sind Fälle denkbar, in denen der überlebende Ehegatte bei dem Tod des anderen keine ausreichende finanzielle Versorgung durch die gesetzliche oder testamentarische Erbfolge erhält, und daher einen Antrag auf Gewährung von family provision – d. h. eine angemessene Leistung aus dem Nachlass – stellt. Dieses Institut kommt bei vergleichender Betrachtung am ehesten dem deutschen Pflichtteil nahe. Bei der Gewährung von family provision hat das englische Gericht unter anderem den deemed divorce-Test durchzuführen. Nach diesem hat es zu berücksichtigen, welche Versorgung der überlebende Ehegatte im hypothetischen Scheidungsfall erlangt hätte. Das Rege-
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lungsanliegen des deemed divorce-Tests ist es, den Ehegatten wegen des Todes des Erblassers nicht schlechter zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Ehe geschieden worden wäre. Nicht selten entspricht der Anspruch eines überlebenden Ehegatten, der family provision beantragt, daher dem eines geschiedenen Ehegatten. Dessen Rechtsstellung ist damit mit der eines überlebenden Ehegatten vergleichbar, der mit dem Erblasser in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet war und im Erbfall den kleinen Pflichtteil sowie den rechnerischen Zugewinnausgleich verlangt. Damit liegt ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 2 Var. 2 ErbStG vor. 4. Liegt ein Fall beschränkter Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vor, findet zudem eine verhältnismäßige Begrenzung des Freibetrags bzw. des nicht steuerbaren Betrags nicht statt. Denn eine entsprechende Regelung sieht § 5 ErbStG, anders als z. B. § 16 Abs. 2 ErbStG n. F., nicht vor. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Auch der Umstand, dass der inoder ausländische Vermögensausgleich von der deutschen Erbschaftsteuer befreites Vermögen umfasst, führt jedenfalls in dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG zu keiner Beschränkung des nicht steuerbaren Betrags. Anders sieht es seit der Einführung von § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG mit dem Jahressteuergesetz 2020 für Fälle des § 5 Abs. 1 ErbStG aus. Hiernach gilt die Ausgleichsforderung im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens des Erblassers nicht als Erwerb im Sinne des § 3 ErbStG, wenn bei der Ermittlung der Bereicherung des überlebenden Ehegatten „Steuerbefreiungen“ berücksichtigt worden sind. Unstreitig erfasst werden hiervon die sachlichen Steuerbefreiungen in § 13 ErbStG. Da auch Art. 10 Abs. 1 lit. a S. 1 DBA-Schweiz (Art. 9A OECD-MA Erbschaftsteuer) eine sachliche Steuerbefreiung begründet, dürfte gleichsam ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG gegeben sein.
§ 7 Zusammenfassung 1. Vermögensübergänge zwischen Ehegatten lösen, soweit sie unentgeltlich erfolgen, unter den Voraussetzungen der §§ 1; 3 und 7 ErbStG grundsätzlich eine Steuerpflicht nach dem (deutschen) Erbschaftsteuergesetz aus. Dies gilt seit einer Rechtsprechungsänderung im Jahr 1994 (BFH-Az. II R 59/92) auch für das im Zivilrecht entwickelte Rechtsinstitut der „unbenannten ehebedingten Zuwendung“, wonach Zuwendungen unter Ehegatten regelmäßig keine Schenkungen im Sinne der §§ 516 ff. BGB – mithin nicht unentgeltlich – sind, weil sie zumindest der Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen. Etwas anderes gilt nach § 5 ErbStG allerdings, wenn und soweit Vermögensübergänge zu Zwecken des Zugewinnausgleichs erfolgen. In diesen Fällen unterliegt ein Betrag im Umfang des (fiktiven oder tatsächlichen) Zugewinnausgleichs nicht der Erbschaftsteuer. Da die Regelung in § 5 ErbStG keine betragsmäßige Obergrenze enthält und sogar in ein und derselben Ehe mehrfach zur Anwendung gelangen kann, d. h. kein „Freibetragsverbrauch“ eintritt, hat sie eine kaum zu unterschätzende Bedeutung für die Praxis. Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die rund um die Zugewinngemeinschaft entwickelten praktischen Gestaltungen. Solche sind aufgrund der grundrechtlich abgesicherten Ehegestaltungsfreiheit, sowie der von dem Bundesgerichtshof festgestellten „Kernbereichsferne“ des Zugewinnausgleichs im gesetzlichen Scheidungsfolgenrecht, in denkbar weitem Umfang möglich. Eine besonders prominente (Steuer-)Gestaltung ist die „Güterstandschaukel“, worunter der Wechsel aus der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütertrennung zum Zweck einer nicht steuerbaren Vermögensübertragung auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten bei anschließendem Rückwechsel verstanden wird.1 Der Bundesfinanzhof hat mit Grundsatzurteil vom 12. 7. 2005 entschieden, dass die Güterstandschaukel auch für Schenkungsteuerzwecke anzuerkennen ist und dies mit der in § 1408 Abs. 1 BGB statuierten Vertragsfreiheit von Ehegatten begründet, die auch das Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrecht anerkennen muss.2 2. Über den Grund für die mangelnde Steuerbarkeit des Zugewinnausgleichs herrscht noch heute – 63 Jahre nach Einfügung des § 5 ErbStG im Jahr 1958 – wenig Klarheit. Das dürfte vor allem auf die Vielschichtigkeit des Zugewinnausgleichs als Rechtsinstitut zurückzuführen sein. Denn die Frage nach dessen Besteuerung bewegt sich stets im Schnittbereich von Verfassungs-, Zivil- und Steuerrecht.3
1
Vgl. oben Abschn. § 2 C. III. 4. c). Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 2. c) bb) und cc). 3 Vgl. oben Abschn. § 2 A. 2
§ 7 Zusammenfassung
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Ein umfassendes Verständnis des Zugewinnausgleichsteuerrechts erfordert daher eine möglichst widerspruchsfreie Abstimmung der verschiedenen betroffenen Teilrechtsordnungen mit ihren verschiedenen Prinzipien und Wertungen (Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung). Den Ausgangspunkt bildet hierbei das vorrangige Verfassungsrecht, das die Ehe in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG – in der Tradition des Art. 119 Abs. 1 S. 2 WRV – als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner schützt, in der die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung frei bestimmen. Daneben tritt die Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit, die aus Art. 3 Abs. 2 GG abgeleitet wird. Entscheiden sich die Ehegatten demnach für ein arbeitsteiliges Wirtschaften, so sind ihre jeweiligen Beiträge (unabhängig von dem ökonomischen Wert) auch als gleichwertig anzusehen. Hieraus hat das Bundesverfassungsgericht die Existenz eines „Teilhabeanspruchs“ abgeleitet, der beiden Ehegatten einen Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten vermittelt.4 Im einfachen Recht wird dieser Teilhabeanspruch durch das Institut des Zugewinnausgleichs ausgestaltet.5 Dies ist auch bei der Erbschaftsbesteuerung entsprechend zu berücksichtigen. 3. Die einfach-zivilrechtliche Ausgestaltung des Zugewinnausgleichs und der Zugewinngemeinschaft, an deren zeitlichen Ende Ersterer steht (nacheheliche Teilhabe), ist auch für das Erbschaftsteuerrecht von besonderer Bedeutung. Dies folgt daraus, dass dieses zivilrechtlich „angebunden“ bzw. „zivilrechtsakzessorisch“ ist. So weist das Erbschaftsteuergesetz seit seiner Schaffung im Jahr 1906 einen besonders starken Bezug zu dem Zivilrecht auf. Dieser gelangt insbesondere darin zum Ausdruck, dass zivilrechtliche Begriffe und Institute überwiegend wörtlich übernommen und mittels Klammerzusätzen direkt in Bezug genommen werden. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist vor diesem Hintergrund ein grundlegender Streit darüber entstanden, in welchem Verhältnis (Erbschaft-)Steuer- und Zivilrecht zueinanderstehen, und ob das Steuerrecht lediglich „Folgerecht“ des Zivilrechts ist. Heute besteht allerdings im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass auch das Erbschaftsteuerrecht eigenständige Prinzipien und Wertungen enthält und somit autonom neben dem Zivilrecht steht.6 Grenzen erfährt diese Autonomie des Erbschaftsteuerrechts allerdings dadurch, als es – soweit es um die Beurteilung einer Leistungsfähigkeitssteigerung geht – durch Resultate des Zivilrechts vorgeprägt wird (Vorherigkeit des Zivilrechts). Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 5 ErbStG, der – teils streng akzessorisch, teils in gelockerter Form – an Begriffe und Institute des Güter- und Erbrechts anknüpft. Im Zentrum stehen die „Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB)“ und die „Ausgleichsforderung (§ 1378 Abs. 1 BGB)“. Besondere Probleme bereitet diese Zivilrechtsanbindung des Erbschaftsteuerrechts (noch immer) in internationalen Ehegattenerb- und Schenkungsfällen.
4
Vgl. oben Abschn. § 2 B. Vgl. oben Abschn. § 2 C. 6 Vgl. oben Abschn. § 2 A. II. 5
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§ 7 Zusammenfassung
4. Die Zugewinngemeinschaft wird im Zivilrecht im Wesentlichen durch drei Grundprinzipien strukturell geprägt: das Gütertrennungs-, nacheheliche Teilhabeund Halbteilungsprinzip.7 Hinter dem Gütertrennungsprinzip steht die materielle Wertvorstellung von der Gleichberechtigung der Ehegatten auch im vermögensrechtlichen Bereich, was sich heute nur noch historisch erklären lässt. Erst an zweiter Stelle stehen Praktikabilitätserwägungen. Es gelangt darin zum Ausdruck, dass die Vermögen beider Ehegatten bis zur Beendigung der Zugewinngemeinschaft rechtlich getrennt bleiben und jeder Ehegatte über sein eigenes Vermögen rechtlich frei verfügen kann.8 Ergänzt wird dieses Prinzip durch das (nacheheliche) Teilhabeprinzip, nach dem bei Auflösung des Güterstands ein Zugewinnausgleich durchzuführen ist. Das Teilhabeprinzip ist im 20. Jahrhundert als emanzipatorisches Prinzip zur Rechtfertigung einer vermögensmäßigen Beteiligung der Ehefrau, die typischerweise den Haushalt führte und somit nichts erwerben konnte, an den während der Ehe vom (allein) erwerbstätigen Ehemann erzielten Vermögenszuwächsen entwickelt worden („Hausfrauen-Ehe“). Heute handelt es sich um ein Rechtsprinzip des Familienrechts, das den grundrechtlichen Teilhabeanspruch beider Ehegatten am in der Ehe erworbenen Vermögen einfachrechtlich ausformt und auch international weit verbreitet ist.9 Der Umfang dieser Teilhabe wird quantitativ durch den Halbteilungsmaßstab ausgeformt, wonach der Zugewinnüberschuss hälftig zu teilen ist. Dahinter steht Art. 3 Abs. 2 GG, der es dem Gesetzgeber verbietet, den Beitrag eines Ehegatten höher oder niedriger zu gewichten als den des anderen. Bei dem Halbteilungsmaßstab handelt es sich mithin nicht um einen ökonomischen Maßstab, sondern vielmehr um einen rechtlichen „Wertmesser“.10 Den Ehegatten steht es aufgrund der Vertragsautonomie im Güterrecht jedoch ebenso frei, den Halbteilungsmaßstab – wie auch sämtliche andere Vorschriften über den Zugewinnausgleich – zu modifizieren und somit ihrem individuellen Lebenszuschnitt anzupassen (modifizierte Zugewinngemeinschaft).11 5. Da das Teilhabeprinzip einen bestimmten Inhalt ehelicher Teilhabe nicht vorgibt, ist es auf eine inhaltliche Ausgestaltung durch den einfachen Zivilrechtsgesetzgeber angewiesen. Diesem kommt bei der Ausgestaltungsentscheidung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Bei der Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand durch das Gleichberechtigungsgesetz 1957 hat sich der Gesetzgeber für ein – international einzigartiges – zweispuriges Teilhabesystem entschieden, das hinsichtlich des technischen Teilungsmodus danach unterscheidet, ob die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten oder auf eine andere Weise beendet wird. Diese Unterscheidung greift auch das Erbschaftsteuergesetz auf und richtet hiernach unterschiedliche Besteuerungsfolgen. 7
Vgl. oben Abschn. § 2 C. II. 1. Vgl. oben Abschn. § 2 C. II. 1. a). 9 Vgl. oben Abschn. § 2 C. II. 1. b). 10 Vgl. oben Abschn. § 2 C. II. 1. c). 11 Vgl. oben Abschn. § 2 C. II. 3. 8
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Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet, findet zu Zwecken des Zugewinnausgleichs eine pauschale Erbteilerhöhung um ein Viertel der Erbschaft zugunsten des überlebenden Ehegatten unabhängig davon statt, ob im einzelnen Fall ein Zugewinn erzielt wurde (Erhöhungsviertel). Dass § 1371 Abs. 1 BGB damit tatsächlich keinen Zugewinn bei dem Erblasser voraussetzt, ist das Ergebnis einer gesetzlichen Fiktion der Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und Zugewinnanteil. Zweck dieser Fiktion ist es, den Familienfrieden im Erbfall zwischen den Hinterbliebenen eines Erblassers zu wahren, indem eine „Rechnerei am Sterbebett“ vermieden wird. Zudem soll sie eine Vereinfachung der Abwicklung der Zugewinngemeinschaft herbeiführen. Seit einer Rechtsänderung im Jahr 1974 folgt das Erbschaftsteuergesetz dieser Regelung allerdings nicht mehr, sondern führt – nur für Erbschaftsteuerzwecke – einen fiktiven Zugewinnausgleich durch.12 Wird die Zugewinngemeinschaft auf andere Weise als durch den Tod beendet oder wird der überlebende Ehegatte im Todesfall nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, erfolgt demgegenüber ein exakter rechnerischer Ausgleich des beiderseitigen ehezeitlichen Vermögenszuwachses.13 Rechtstechnisch handelt es sich um einen schuldrechtlichen, auf Geld gerichteten Ausgleichsanspruch. Ausweislich der Entstehungsgeschichte meinte man, dass sich eine Abfindung bei Güterstandbeendigung in Geld leichter bewerkstelligen ließe als eine Naturalteilhabe und die Liquidierung des Güterstands aufgrund einer (aufgeschobenen) dinglichen Gemeinschaft zwischen den Ehegatten. An den nur schuldrechtlichen Wirkungen der deutschen Zugewinngemeinschaft ist gerade mit Blick auf die jüngeren Vereinheitlichungsbestrebungen im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht des Güterrechts (EuGüVO)14 in jüngerer Zeit Kritik geübt worden, die sich daran entzündet, dass weder während noch nach der Ehe eine dingliche Mitberechtigung der Ehegatten entsteht, womit die Rechtsstellung des teilhabeberechtigten Ehegatten im deutschen Recht vergleichsweise schwach ausgestaltet ist. 6. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die verschiedenen internationalen Güterrechte, so fällt auf, dass – trotz der zahlreichen technischen Unterschiede – die weit überwiegende Mehrzahl der Rechtsordnungen funktional äquivalente Mechanismen für eine ehebedingte Vermögensteilhabe kennt. Dies ist im Kern darauf zurückzuführen, dass die Ehe rechtsordnungsübergreifend als eine Solidargemeinschaft angesehen wird. Der Solidaritätsgedanke zwischen Ehegatten wird regelmäßig durch die Gleichberechtigung der Ehegatten und, damit in Zusammenhang stehend, die materielle Gleichwertigkeit ihrer Beiträge zum gemeinsamen Lebensunterhalt zum Ausdruck gebracht. Hierbei handelt es sich um zwei international anerkannte Ordnungsprinzipien. So erklärt sich denn auch, dass in den verschiedenen internationalen Güterrechten auch übereinstimmende Ordnungsmuster und Grundstrukturen erkennbar sind. Die gesetzlichen Güterstände lassen 12
Vgl. oben Abschn. § 2 C. III. 2. d). Vgl. oben Abschn. § 2 C. III. 4. a) bb), b). 14 Vgl. oben Abschn. § 3 B. I. 13
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sich in drei Grundsysteme unterteilen: Gütergemeinschafts-, Partizipations- und Gütertrennungssysteme. Ein einheitliches europäisches Güterrecht existiert, trotz Vereinheitlichungstendenzen in diesem Bereich, dagegen nicht. Allerdings ist in der jüngeren Zeit zumindest im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen des ehe lichen Güterstands eine (Teil-)Vereinheitlichung durch die EuGüVO eingetreten. Der international am häufigsten vorkommende Güterstand ist die Errungenschafts gemeinschaft, die eine beschränkte Gütergemeinschaft ist.15 Der vorstehende Befund, dass in den verschiedenen Rechtsordnungen funktional äquivalente Mechanismen für eine güterrechtliche Vermögensteilhabe existieren, gilt auch für das common law, das ein Güterrecht im kontinentaleuropäischen Sinne zwar nicht kennt. Stattdessen gibt es Vorschriften über richterliche Eingriffsbefugnisse, die es dem englischen Richter erlauben, die Scheidungsfolgen mit einem sehr weiten Ermessensspielraum von Fall zu Fall zu regeln. Die oberste Maxime bei der Ermessensausübung ist hierbei, eine für beide Ehegatten faire Vermögenslage nach ihrem individuellen Lebenszuschnitt herzustellen (fairness). Dieser gänzlich andersartige Ansatz ist darauf zurückzuführen, dass eine generalisierende Teilhabe, wie sie in den kontinentalen Güterrechtsordnungen üblich ist, als unangemessen angesehen wird, da sie keine Einzelfallgerechtigkeit herbeizuführen vermag. Nichtsdestoweniger haben sich durch das case law der englischen Gerichte in der Vergangenheit übereinstimmende güterrechtliche Teilhabestrukturen entwickelt, die im Wesentlichen durch die Gleichberechtigung der Ehegatten sowie, damit in Zusammenhang stehend, die Gleichwertigkeit ihrer Beiträge zum gemeinsamen Lebensunterhalt geprägt sind (equal sharing principle). In der Regel kommt es im Scheidungsfall damit zu einer hälftigen Teilhabe.16 7. Im Todesfall sehen viele internationale Rechtsordnungen eine tatsächliche güterrechtliche Abwicklung des Güterstands vor, die dem Erbrecht bzw. der Nachlassteilung prinzipiell vorgeht (Vorrang des Güterrechts vor dem Erbrecht). Die Auseinandersetzung folgt hierbei typischerweise den Regeln, die auch für die Ehescheidung gelten. Nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung erhält der überlebende Ehegatte regelmäßig noch ein eigenes Erbrecht am Nachlass. Demgegenüber existieren auch Rechtsordnungen, die den überlebenden Ehegatten gegenüber anderen Erbberechtigten teils in erheblichem Umfang privilegieren (insbesondere common law-Rechtsordnungen). Eine güterrechtliche Teilhabe findet dann im Gegenzug nicht mehr statt. Dahinter steht der augenscheinliche Gedanke, durch eine verhältnismäßig gute Ausstattung des überlebenden Ehegatten den güterrechtlichen Ausgleich pauschal mit zu verwirklichen. Eine güterstandabhängige Erbteilerhöhung kennt dagegen nur das deutsche Recht.17
15
Vgl. oben Abschn. § 3 C. Vgl. oben Abschn. § 3 C. III. 2. 17 Vgl. oben Abschn. § 3 D. 16
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8. Die Frage nach der (Nicht-)Besteuerung des Zugewinnausgleichs berührt die Grundprinzipien der Erbschaftsteuer.18 Diese ist als Erbanfallsteuer konzipiert und somit darauf gelegt, die unentgeltliche Bereicherung eines Erwerbers zu besteuern. Die Bereicherung (Leistungsfähigkeitssteigerung) ist darin zu erblicken, dass der Erwerber aufgrund eines Vermögenstransfers über mehr Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. Sie erfolgt unentgeltlich, wenn und soweit dem Erwerb eine ausgleichende Gegenleistung des Erwerbers nicht gegenübersteht (Unentgeltlichkeitsprinzip). Maßgeblich für die Bewertung ist der Verkehrswert. Die Bereicherung ist zudem (streng) stichtagsbezogen zu ermitteln. Aus diesem Stichtagsprinzip folgt auch, dass zivilrechtlich rückwirkende Gestaltungen erbschaftsteuerrechtlich grundsätzlich unbeachtlich sind. Von der Bereicherung müssen zudem die mit dem Erbanfall bzw. der Schenkung in Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig sein (objektives Nettoprinzip). Die Belastung mit Erbschaftsteuer stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Bei deren Ausgestaltung ist der Steuergesetzgeber an die Begrenzungen gebunden, die sich aus den übrigen Grundrechten ergeben. Neben der Erbrechtsgarantie sind insbesondere die Schutzwirkungen von Art. 6 Abs. 1 GG zu beachten (Familienerbschaftsteuerrecht). Aus der Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich hieraus das sogenannte Familienprinzip, welches die steuermindernde Berücksichtigung der familiären Verbundenheit des Erblassers zu seinen Kernfamilienangehörigen (Ehegatten, Kinder) verlangt.19 In Bezug auf den Vermögensübergang zwischen Ehegatten bedeutet dies, dass der erbschaftsteuerliche Zugriff so zu beschränken ist, dass der auf einen überlebenden Ehegatten überkommene Nachlass (je nach dessen Größe) völlig, oder zumindest zum deutlich überwiegenden Teil, steuerfrei erhalten bleiben muss. In Bezug auf einen darüber hinausgehenden Vermögenszuwachs ist der erbschaftsteuerliche Zugriff zudem so zu beschränken, dass die Erbschaft für den überlebenden Ehegatten noch das „Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft“ bleibt. Das Familienprinzip erfährt seine einfachrechtliche Umsetzung in dem persönlichen Freibetrag (§ 16 ErbStG), der Einteilung der Steuerklassen (§ 15 ErbStG) und den gestaffelten Steuersätzen (§ 19 ErbStG). 9. Betrachtet man vor diesem Hintergrund den Zugewinnausgleich aus einer erbschaftsteuerrechtlichen Perspektive, so wird deutlich, dass eine Besteuerung mangels Unentgeltlichkeit unterbleiben muss.20 Zwar erfährt der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der Verwirklichung des Zugewinnausgleichs objektiv eine Bereicherung (Leistungsfähigkeitssteigerung), da er aufgrund der mit dem Gütertrennungsprinzip einhergehenden Trennung der Vermögen der Ehegatten mit dem Zugewinnausgleich etwas erhält, was er nach dem materiellen Güterrecht zuvor formal nicht hatte. Die Idee einer „Gesamtleistungsfähigkeit des engen Familien 18
Vgl. oben Abschn. § 4. Vgl. oben Abschn. § 4 B. I. 3. 20 Vgl. oben Abschn. § 5 B. 19
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verbands“ ist mit Blick auf das – auch für das Erbschaftsteuerrecht verbindliche – Subjektsteuerprinzip abzulehnen. Allerdings ist der Zugewinnausgleich (auch) unter einem erbschaftsteuerrechtlichen Blickwinkel als ein entgeltlicher Vorgang zu bewerten – mit der Folge, dass er zwingend unbesteuert zu belassen ist. Eine Besteuerung des Zugewinnausgleichs darf nicht erfolgen, da es insoweit an der Unentgeltlichkeit fehlt. Dies ergibt sich unter drei Gesichtspunkten: Der Zugewinnausgleich wird erstens im gesamten Zivilrecht als ein entgeltlicher Vorgang eingeordnet.21 Dies hat der Bundesgerichtshof unter anderem damit begründet, dass der Zugewinnausgleich nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen dient (Mitverursachungsgedanke). Der Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs im Zivilrecht kommt wegen dessen Maßgeblichkeit auch für die Erbschaftsteuer eine wichtige Bedeutung zu. Zweitens ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, der ein rückwirkendes Erlöschen von Schenkungsteuer bei der Anrechnung von Vorschenkungen an Ehegatten auf die Zugewinnausgleichsforderung anordnet, dass es sich bei der Zahlung des Zugewinnausgleichs um das genaue Gegenteil zu einer unentgelt lichen Zuwendung handelt.22 Die Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung kommt vielmehr der Rückgabe einer Schenkung gleich. Drittens ergibt sich zentral aus dem verfassungskräftigen Mitverursachungsgedanken, dass der auszugleichende Zugewinn als zwischen den Ehegatten gemeinschaftlich erworben gilt. Es erschiene wertungswidersprüchlich und daher nicht folgerichtig, den Zugewinn auf der Grundlage der Verbindung von Art. 6 Abs. 1 mit 3 Abs. 2 GG als gemeinschaftlichen Erwerb der Ehegatten zu betrachten mit der folgerichtigen weiteren Konsequenz, dass der Zugewinnausgleich im gesamten Zivilrecht als ein entgelt licher Vermögenvorgang eingeordnet wird, bei der Erbschaftsbesteuerung hingegen von der Unentgeltlichkeit entsprechender Übertragungen mit den entsprechenden Besteuerungsfolgen auszugehen. Dies folgt bei genauerer Betrachtung auch aus dem Inhalt des erbschaftsteuerrechtlichen Unentgeltlichkeitsprinzips. Denn der Zahlung des Zugewinnausgleichs steht eine zu berücksichtigende „Gegenleistung“ des ausgleichsberechtigten Ehegatten in der Form von gleichwertigen – unter Umständen langjährigen – Beiträgen zur Ausgestaltung und Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber (Art. 6 Abs. 1; 3 Abs. 2 GG).23 Aus der „Entgeltlichkeit“ des Zugewinnausgleichs im Erbschaftsteuerrecht lässt sich im Umkehrschluss jedoch nicht herleiten, dass es sich um einen entgeltlichen einkommensteuerbaren Erwerb handelt. Bei dem Zugewinnausgleich handelt es sich nicht um (Markt-)Einkommen im Sinne § 2 Abs. 1 EStG. Dem Familienprinzip kommt nach den Erkenntnissen der vorliegenden Untersuchung für die Besteuerung des Zugewinnausgleichs dagegen keine wesentliche Bedeutung zu. Denn das Familienprinzip erfordert nach seinem prinzipiellen Ge 21
Vgl. oben Abschn. § 2 C. III. 3. und § 5 B. II. 2. a). Vgl. oben Abschn. § 5 B. II. 2. b). 23 Vgl. oben Abschn. § 5 B. II. 2. c). 22
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halt einen erbschaftsteuerbaren und -pflichtigen Vermögensübergang im engen Familienverbund, den es auf einer zweiten Stufe von der Besteuerung auszunehmen bzw. zu verschonen gilt. Diese Voraussetzung ist nach den hier getroffenen Feststellungen in Bezug auf den Zugewinnausgleich nicht erfüllt. Damit stellt sich auch die Frage nach einer (weiteren) „Überprivilegierung“ des Erwerbs unter Ehegatten nicht, die der Bundesfinanzhof namentlich in Bezug auf die Verschonung des Familienheims in § 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4b ErbStG befürchtet, und vor diesem Hintergrund zu einer restriktiven Auslegung der Vorschrift tendiert.24 10. Der Tatbestand und die Rechtsfolge des § 5 ErbStG müssen im Schnittbereich der Teilrechtsordnungen so ausgestaltet sein, dass die verschiedenen Besteuerungsprinzipien sachgerecht widergespiegelt und auch die materiellen Grundwertungen der Zugewinngemeinschaft und des -ausgleichs hinreichend gewahrt werden. Dies ist im geltenden Erbschaftsteuerrecht allerdings nur bedingt der Fall. Spannungen zwischen Zivil- und Erbschaftsteuerrecht treten namentlich in Bezug auf das Erhöhungsviertel aus § 1371 Abs. 1 BGB auf, das eine Wertgleichheit mit dem tatsächlichen (güterrechtlichen) Zugewinnanteil zur Wahrung des Familienfriedens und Vereinfachung nur fingiert. Bis in das Jahr 1974 hat das Erbschaftsteuerrecht diese Fiktion der Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und Zugewinnanteil noch uneingeschränkt nachvollzogen. Mit dem Erbschaftsteuer- und Reformgesetz vom 17. 4. 1974 kam es in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG jedoch zu einer grundlegenden Systemumstellung: Steuerfrei ist nicht das Erhöhungs- bzw. Nachlassviertel, sondern ein Betrag im Umfang eines nur für Erbschaftsteuerzwecke zu fingierenden güterrechtlichen Zugewinnausgleichs (fiktiver Zugewinnausgleich). Diese hier so bezeichnete Fiktionslösung in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG bezweckt die Rücknahme der (ersten) zivilrechtlichen Fiktion der Wertgleichheit, um den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt zu besteuern.25 Den Maßstab für die Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichs bildet hierbei in typisierender Weise die güterrechtliche Ausgestaltung der Ehe in den §§ 1373 ff. BGB, wobei abweichende ehevertragliche Vereinbarungen der Ehegatten erbschaftsteuerlich generell unberücksichtigt bleiben (§ 5 Abs. 1 S. 2 und 4 ErbStG).26 Dies gilt auch für die zivilgesetzliche Null-Vermutung des Anfangsvermögen (§ 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG).27 Dahinter stehen spezifisch erbschaftsteuerrechtliche Prinzipien, wie das – allgemeine steuerrechtliche – Verbot der rückwirkenden Gestaltung durch (Ehe-)Verträge und der Amtsermittlungsgrundsatz. Die Nichtanerkennung güterrechtlicher Vereinbarungen im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG begründet dabei anerkanntermaßen keinen Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz der Ehe.28 Dies ergibt sich aus einer gesamthaften 24
Vgl. oben Abschn. § 5 B. II. 3. Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) aa). 26 Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) bb). 27 Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) cc). 28 Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) dd). 25
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Betrachtung der beiden ersten Absätze in § 5 ErbStG. Denn rückwirkende Eheverträge finden auch erbschaftsteuerrechtlich grundsätzlich Beachtung, wenn die Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod beendet oder Zugewinn im Todesfall nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Der Bundesfinanzhof hat diese Disparität zwischen den beiden Absätzen aufgegriffen und hierin eine „Ausweichoption“ für Ehegatten erkannt: Der überlebende Ehegatte könne bspw. durch Erb- oder Vermächtnisausschlagung der Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG entgehen. Die Argumentation mit einer Ausweichoption gegenüber einem belastenden Steuergesetz ist auch aus anderen Steuerrechtsbereichen bekannt. Das Bestehen einer solchen führt bereits dazu, dass die in Frage stehende Regelung keine übermäßige Belastung für den Steuerpflichtigen begründet.29 11. Der zentrale Aussagegehalt der Regelung in § 5 Abs. 2 ErbStG besteht vor dem Hintergrund dieser vergleichenden Betrachtung darin, dass ehevertragliche Modifikationen des Güterrechts auch erbschaftsteuerrechtlich verbindlich sind und sich somit auf die Höhe des nicht steuerbaren Betrags auswirken.30 Dass die Ehegatten damit mittels Ehevertragsgestaltungen auch auf die Höhe der Nichtsteuerbarkeit Einfluss nehmen können, liegt darin begründet, dass die Ehevertragsfreiheit durch das Erbschaftsteuerrecht anerkannt werden muss. Geschriebene Einschränkungen zu diesem Grundsatz der Anerkennung der Ehevertragsautonomie enthält § 5 Abs. 2 ErbStG nicht. Allerdings setzt der Bundesfinanzhof der erbschaftsteuerrechtlichen Anerkennungsfähigkeit ehevertraglicher Gestaltungen dort Grenzen, wo sie einem von ihnen eine „überhöhte Ausgleichsforderung“ dergestalt verschaffen soll, dass der „Rahmen einer güterrechtlichen Vereinbarung“ überschritten wird. Nach dem hier entwickelten Verständnis, das sich vor allem am Rechtsgrund für die mangelnde Steuerbarkeit des Zugewinnausgleichs orientiert, ist dies der Fall, wenn sich erhöhende Modifikationen nicht mehr als ein Ausgleich für die wechselseitig erbrachten Beiträge zur ehelichen Lebensgemeinschaft darstellen, sondern primär andere (Bereicherungs-)Zwecke verfolgt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die ehevertragliche Vereinbarung zu einer Partizipation auch an dem vorehelichen Vermögen eines oder beider Ehegatten führt. Für eine Teilhabe an solchem Vermögen ist mit Blick auf das (deutsche) Güterrechtsverständnis kein Grund ersichtlich.31 12. Die starke Fixierung der Regelung in § 5 ErbStG auf die „Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB)“ und die „Ausgleichsforderung (§ 1378 BGB)“ führt insbesondere bei internationalen Ehegattenerb- und Schenkungsfällen zu verschiedenen Anwendungsfragen und bislang ungelösten Problemen. Diese weisen aufgrund der jüngst in Kraft getretenen EuGüVO eine besondere Aktualität auf. Denn für Eheschließung ab dem 29. 1. 2019 gilt ein neues (teilvereinheitlichtes) Kollisionsrecht, das im deutschen Internationalen Privatrecht einen Wechsel vom Staatsangehörig 29
Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 1. c) dd) (3). Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 2. d). 31 Vgl. oben Abschn. § 5 C. IV. 2. e). 30
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keits- zum Aufenthaltsprinzip (Art. 21 Abs. 1 EuGüVO) bewirkt hat. Damit dürfte es auch im deutschen Erbschaftsteuerrecht voraussichtlich häufiger als bisher zu einem Import ausländischen Güterrechts kommen. Entsprechendes gilt für den Bereich des Erbrechts, das mit der – analog aufgebauten – EuErbVO für Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 ebenfalls eine europaweite Kollisionsrechtsvereinheitlichung erfahren hat. Das alte Kollisionsrecht und die neuen Verordnungen werden jedoch voraussichtlich noch viele Jahre nebeneinanderstehen, was dem Rechtsanwender und auch den Erbschaftsteuerfinanzämtern ein hohes Maß an Differenzierung abverlangt.32 Die in § 5 ErbStG enthaltenen nationalen Zivilrechtsbegriffe sind nach allgemeinen methodischen Standards und auf der Grundlage einer objektiv-teleologischen Auslegung erweiternd in dem Sinne zu verstehen, dass auch ausländische vergleichbare Güterstände erfasst sind.33 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass unter rechtshistorischen Gesichtspunkten keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erbschaftsteuergesetzgeber mit der Inbezugnahme der §§ 1363 ff. BGB bewusst ausländische Güterstände vom Anwendungsbereich ausschließen wollte.34 Vielmehr sprechen die Stellung des § 5 ErbStG im ersten Abschnitt des Erbschaftsteuergesetzes und dessen systematisch-sachlicher Zusammenhang mit den §§ 3 und 7 ErbStG dafür, auch ausländische vergleichbare Güterstände zu erfassen.35 Denn in Bezug auf den Erbschaftsteuertatbestand des § 3 ErbStG entspricht es der ständigen Bundesfinanzhofrechtsprechung, dass ein Erwerb nach ausländischem Recht im Inland dann der Erbschaftsteuer unterliegt, wenn sowohl die Rechtsfolgen als auch das wirtschaftliche Ergebnis des Auslandserwerbs einem der in § 3 ErbStG ausdrücklich genannten inländischen Tatbeständen entsprechen. Dasselbe muss aus Gründen einer systematisch folgerichtigen Rechtsanwendung auch für § 5 ErbStG gelten. Gestützt wird dies unter teleologischen Gesichtspunkten, denn die weit überwiegende Mehrzahl der internationalen Güterrechtsrechtsordnungen sieht einen Vermögensausgleich zwischen Ehegatten vor, weil diese eine Lebensgemeinschaft von gleichberechtigten Partnern bilden, in der sie die ökonomische Grundlage ihrer Ehe gemeinschaftlich erwirtschaften (Mitverursachungsgedanke). Damit liegt jedoch auch in Bezug auf ausländische güterrechtliche Teilhabeformen gleichsam kein unentgeltlicher Erwerb bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten vor.36 Gründe für eine Besserstellung speziell in deutscher Zugewinngemeinschaft verheirateter Ehegatten sind nicht ersichtlich.37 Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit 3 Abs. 2 GG schützt vielmehr auch die (gleichberechtigte) Ehe ausländischer Ehepartner, sodass die hierin geleisteten Beiträge auch im deutschen Erbschaftsteuerrecht entsprechend zu honorieren sind. Hinzu kommt, dass ein Ausschluss 32
Vgl. oben Abschn. § 6 B. I. Vgl. oben Abschn. § 6 B. III. und IV. 34 Vgl. oben Abschn. § 6 B. IV. 1. 35 Vgl. oben Abschn. § 6 B. IV. 2. 36 Vgl. oben Abschn. § 6 B. IV. 3. 37 Vgl. oben Abschn. § 6 B. IV. 4. 33
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ausländischer Güterstände aus dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG einen Verstoß gegen die Europäischen Grundfreiheiten darstellen würde.38 Es läge zum einen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vor. Denn § 5 ErbStG gewährt die Steuerbefreiung für die Ausgleichsforderung bei einer wortlautgetreuen Interpretation nur dann, wenn die Ehegatten in deutscher Zugewinngemeinschaft verheiratet waren. Dies liefe darauf hinaus, dass der Erwerb ausländischer Staatsangehöriger bzw. Gebietsfremder, die nach den einschlägigen Vorschriften des Internationalen Privatrechts typischerweise in einem ausländischen Güterstand leben, höher besteuert würde, weil die Versagung der Steuerbefreiung zu einer Wertminderung des Nachlasses für den überlebenden Ehegatten führt. Rechtfertigungsgründe hierfür sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist denkbar, dass das Zugewinngemeinschaftskriterium in § 5 ErbStG die in Art. 21 AEUV garantierte unionsrechtliche Freizügigkeit beschränkt. Denn die etwaigen erbrechtlichen, und insbesondere erbschaftsteuerlichen, Wirkungen der Ausübung eines im EU-Arbeitsweisevertrag festgeschriebenen Freizügigkeitsrechts gehören regelmäßig zu den Erwägungen, die ein Angehöriger eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung, ob er von dieser Freizügigkeit Gebrauch macht oder nicht, anstellen dürfte.39 13. Ist die Regelung in § 5 ErbStG demnach auf ausländische Güterstände zu erstrecken, bedarf es Kriterien, um eine uferlose Rechtsanwendung zu vermeiden. Denn nur soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung einem Erwerb durch Zugewinnausgleich gleichkommt, können die Voraussetzungen für einen nicht unentgeltlichen Vermögensübergang im Sinne des § 5 ErbStG erfüllt sein. Ziel des letzten Abschnitts dieser Arbeit war es daher, einen allgemeinen Vergleichsmaßstab zu entwickeln, der zu mehr Rechtssicherheit für die Praxis beiträgt. Dieser Maßstab wurde hier als „Güterstandvergleich“ bezeichnet.40 Er hat seinen Ausgangspunkt in den Wertungen der lex fori, d. h. es ist zu ermitteln, ob das anwendbare ausländische Güterrecht die Voraussetzungen erfüllt, wie sie das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch in Bezug auf die Zugewinngemeinschaft vorschreibt. Hierbei ist keine rechtliche Identität der Güterrechte zu fordern. Maßgeblich ist vielmehr eine Ähnlichkeit in den wesensbestimmenden Strukturmerkmalen. Diese sind nach der hier entwickelten Ansicht in Bezug auf die Zugewinngemeinschaft in dem materiellen Gütertrennungs- und nachehelichen Teilhabeprinzip zu erkennen. Dabei ist wiederum unerheblich, ob sich die nacheheliche Teilhabe an dem Vermögen der Ehegatten durch Richterspruch oder im Wege einer schuldrechtlichen oder dinglichen Beteiligung vollzieht. Denn die verschiedenen internationalen Teilhabeformen bezwecken unabhängig von der konkreten zivilrechtlichen Rechtstechnik eine gleichmäßige Teilhabe aus dem Gedanken der Mitverursachung des Vermögenserwerbs heraus.41 38
Vgl. oben Abschn. § 6 B. IV. 5. Vgl. oben Abschn. § 6 B. IV. 5. b). 40 Vgl. oben Abschn. § 6 B. V. 41 Vgl. oben Abschn. § 6 B. V. 39
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14. Ergibt sich nach einem Güterstandvergleich die Vergleichbarkeit des einschlägigen ausländischen Güterstands mit der deutschen Zugewinngemeinschaft, so ist der ausländische Vermögensausgleich im deutschen Erbschaftsteuerrecht entsprechend zu behandeln.42 Der überlebende Ehegatte eines ausländischen vergleichbaren Güterstands unterliegt demnach nur mit dem um § 5 Abs. 1 oder 2 ErbStG gekürzten steuerpflichtigen Erwerb der deutschen Erbschaftsteuer. Ein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 ErbStG ist hierbei gegeben, wenn der zugewinngemeinschaftsähnliche Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet wird und der Zuerwerb nach ausländischem Recht nicht tatsächlich ausgeglichen wird. Obwohl das Regelungskonzept des Erhöhungsviertels in § 1371 Abs. 1 BGB international einzigartig ist, existieren dennoch einige Rechtsordnungen, die im Erbfall keinen güterrechtlichen Ausgleich vorsehen, sondern diesen über eine starke erbrechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten mitregulieren (insbesondere common law-Rechtsordnungen).43 Wird der ausländische vergleichbare Güterstand dagegen in einer anderen Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet oder der Zuerwerb im Todesfall tatsächlich ausgeglichen, gehört der zu Ausgleichszwecken bewirkte Vermögensübergang nicht zu dem Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7 ErbStG (§ 5 Abs. 2 ErbStG).44 In Anwendungsfällen des § 5 Abs. 1 ErbStG ist der steuerfreie Betrag nach der hier entwickelten Ansicht nach dem deutschen Güterrecht rechnerisch zu ermitteln. Dies ergibt sich aus der Natur des nur fiktiven Zugewinnausgleichs. Steuerfrei ist nicht der tatsächliche güterrechtliche Vermögensausgleich, sondern ein Betrag, der sich in typisierender Anwendung der §§ 1373 ff. BGB ermittelt.45 Demgegenüber bemisst sich in Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG der nicht steuerbare Betrag nach dem ausländischen Güterrecht. Dies folgt daraus, dass die Regelung auf die zivilrechtlich tatsächlich entstandene Ausgleichsforderung abstellt. Hierbei obliegt dem erwerbenden Ehegatten gemäß § 90 Abs. 2 AO eine gesteigerte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht. Diese erstreckt sich allerdings nicht auf die Ermittlung des ausländischen Güterrechts, da es sich hierbei um Rechtsfragen handelt. Das maßgebende ausländische Güterrecht ist vielmehr von Amts wegen zu ermitteln. Ist eine Ermittlung des ausländischen Güterrechts trotz aller gebotenen Anstrengung und unter Ausschöpfung aller zugänglichen Erkenntnisquellen jedoch nicht möglich, kommt ein Rückgriff auf die deutschen güterrechtlichen Sachnormen als „Ersatzrecht“ in Betracht. Ein derartiges Vorgehen ist notwendig, um auch für das Besteuerungsverfahren zu einem praktikablen Ergebnis zu gelangen.46
42
Vgl. oben Abschn. § 6 B. VI. Vgl. oben Abschn. § 6 B. VI. 2. a). 44 Vgl. oben Abschn. § 6 B. VI. 2. b). 45 Vgl. oben Abschn. § 6 B. VI. 2. a). 46 Vgl. oben Abschn. § 6 B. VI. 2. b) bb). 43
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15. Der abschließende praktische Güterstandvergleich, der eine vergleichende Betrachtung von sieben verschiedenen Güterrechtsordnungen enthält, hat zu Tage gefördert, dass eine Vergleichbarkeit mit der deutschen Zugewinngemeinschaft in mehr Fällen gegeben ist, als bisher angenommen wurde.47 Die Vergleichbarkeit kann zunächst typischerweise immer dann bejaht werden, wenn die einschlägige ausländische (Güter-)Rechtsordnung zu dem deutschen Rechtskreis zählt. Hier sind bereits aus historischen Gründen zahlreiche rechtliche und wirtschaftliche Übereinstimmungen in den güterrechtlichen Grundlagen zu erkennen. Dies gilt mit Blick auf den durchgeführten Güterstandvergleich namentlich in Bezug auf Griechenland, Österreich und die Schweiz.48 Das türkische Güterrecht basiert demgegenüber auf dem schweizerischen Güterrecht. Auffallend war, dass allerdings weder das griechische noch österreichische gesetzliche Güterrecht feste Teilhabequoten kennen, sondern eine Teilhabe nach dem Billigkeitsprinzip vorsehen. Mit diesem soll eine einzelfallgerechte Teilhabe erreicht werden. Bei der Entscheidung über eine billige oder gerechte Teilhabe sind jedoch wiederum die Beiträge beider Ehegatten zur Familien- und Erwerbsarbeit zu berücksichtigen, die in allen Rechtsordnungen als gleichwertig angesehen werden. Daher findet auch nach griechischem und österreichischem Recht regelmäßig eine hälftige Teilhabe statt. Dies ist auch erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennen. In den zum nordischen Rechtskreis gehörigen Rechtsordnungen (Dänemark, Norwegen, Finnland, Island und Schweden) findet demgegenüber mit der Beendigung des Güterstands eine Teilung des Teilungsvermögens in natura steht. Dies steht der Vergleichbarkeit mit der Zugewinngemeinschaft allerdings nicht entgegen. Denn letztlich geht es dabei nur um die rein formale Frage, ob und in welcher Form ein güterrechtlicher Vermögensausgleich noch vollzogen werden muss. Allerdings ist aus deutscher erbschaftsteuerlicher Sicht zu beachten, dass die nordischen Güterrechtsordnungen auch eine Teilhabe an dem vorehelichen Vermögen der Ehegatten von Gesetzes wegen vorsehen. Da nach dem hier entwickelten Verständnis in dem vergleichbaren Inlandssachverhalt eine überhöhte Ausgleichsforderung vorläge, ist der Betrag, der auf die Teilung des vorehelichen Vermögens entfällt, aus der Rechnung des § 5 Abs. 2 ErbStG auszuscheiden.49 Zuletzt hat sich bei genauerem Hinsehen erwiesen, dass auch im Hinblick auf common law-Rechtssysteme eine Vergleichbarkeit mit der Zugewinngemeinschaft für Erbschaftsteuerzwecke angenommen werden kann. Dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschen, ist dem common law ein gesetzliches Güterrecht im kontinentaleuropäischen Sinne doch fremd. Für die Vergleichbarkeit kann es jedoch zunächst keine Rolle, ob und welche Bezeichnung die güterrechtliche Ordnung der vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten im ausländischen Recht erfahren hat. Entscheidend ist vielmehr die materielle Rechtslage. Und diese sieht 47
Vgl. oben Abschn. § 6 C. Vgl. oben Abschn. § 6 C. V., VII. und VIII. 49 Vgl. oben Abschn. § 6 C. II. 48
§ 7 Zusammenfassung
317
namentlich im englischen Recht verschiedene richterliche Eingriffsbefugnisse zur Regelung der Scheidungsfolgen vor. Der englische Richter kann zum Zweck der Vermögensumverteilung verschiedene Anordnungen treffen, die allesamt unter dem Maßstab der Billigkeit und nach freiem Ermessen ergehen. Bei der Ermessensausübung hat der englische Richter unter anderem die gleichwertigen Beitragsleistungen beider Ehegatten während bestehender Ehe zu berücksichtigen. Als Verteilungsmaßstab hat sich daher auch im englischen Recht die grundsätzlich gleiche Teilhabe beider Ehegatten herausgebildet (yardstick of equal division oder equal sharing principle), sodass ein wirtschaftlich vergleichbares Ergebnis eintritt.50 Bei der deutschen Erbschaftsbesteuerung zu beachten ist allerdings, dass der englische Richter mit sogenannten package solutions, d. h. Scheidungsfolgenpaketen, arbeitet. Das bedeutet, dass im Rahmen eines Scheidungsverfahrens in derselben Entscheidung sowohl die Vermögensverhältnisse als auch die Unterhaltspflichten geregelt werden können. Aus deutscher erbschaftsteuerrechtlicher Sicht muss daher für Zwecke des § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG zwischen diesen beiden Aspekten der Entscheidung – Regelung der Vermögenszuordnung und der Unterhaltspflichten – unterschieden werden. Denn nur Vermögenszuweisungen zur Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse können nach § 5 Abs. 2 Var. 1 ErbStG unbesteuert bleiben. Kriterien für eine Abgrenzung und Aufteilung wurden oben unter Abschnitt § 6 C. III. 2. entwickelt.
50
Vgl. oben Abschn. § 6 C. III. 2.
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Sachwortverzeichnis Akzessorietät der Erbschaftsteuer 39 f. Auslegung des § 5 ErbStG im internatio nalen Umfeld 233–247 Autonomie des Erbschaftsteuerrechts 36–39 Beendigungskonstellationen der Zugewinngemeinschaft – Im Zivilrecht 69–82 – Steuerliche Behandlung 179–182, 206–211 Bereicherungsprinzip 140–145 Common Law – Deutsche erbschaftsteuerliche Behandlung 269–280 – Güterrechtliche Lage 107–109 Ehevertragsfreiheit 45–48 Erbrechtliche Lösung im Zivilrecht 70–73 Erlöschen der Erbschaftsteuer, § 29 ErbStG 154 f., 161 Errungenschaftsgemeinschaft 96–98, 250 f. Europäische Erbrechtsverordnung, EuErbVO 92–95 Europäische Güterrechtsverordnungen, EuGüVO 89–92 Familienerbschaftsteuerrecht 127 Familienprinzip 131–140, 163–164 Fliegender Zugewinnausgleich 80–82, 208 f. Fiktiver Zugewinnausgleich, § 5 Abs. 1 ErbStG 177–202 – § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG 186–191 – § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG 191–193 – § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG 193–197 – § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG 197 f. – § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG 197–200 – Fiktionslösung, § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG 182–186
Generationenprinzip 147 f. Gütergemeinschaft 95–98 Güterrechtliche Lösung im Zivilrecht 73–75 Güterrechtlicher Zugewinnausgleich, § 5 Abs. 2 ErbStG 202–219 Güterrechtsstatut, Bestimmung 225–227 Güterrechtstypen 27–30, 95–109 – Erbrechtliche Abwicklung 110–119 – Güterrechtliche Abwicklung 95–109 Güterstandschaukel 79 f., 208 f. Güterstandvergleich – Konsequenzen 255–261 – Kriterien 247–255 – Praktischer Güterstandvergleich 262–300 Güterstandswechsel – Im (Erbschaft-)Steuerrecht 208 f. – Im Zivilrecht 76–82 Gütertrennung 105–109 Halbteilungsmaßstab 53–55 Legitimation der Zugewinngemeinschaft 55 f. Leistungsfähigkeitsprinzip 123–127 Mitverursachung des Zugewinns 67–69, 161–163 Modifizierte Zugewinngemeinschaft – Im (Erbschaft-)Steuerrecht 214–219 – Im Zivilrecht 57–59 Nettoprinzip, objektives 142 f. Nichtsteuerbarkeit des Zugewinnausgleichs 157–166 Partizipationssysteme 98–105 Prinzipien der Erbschaftsteuer 120–148 Prinzipien der Zugewinngemeinschaft 49–55
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Sachwortverzeichnis
Unentgeltlichkeit des Zugewinnausgleichs 161–163 Unentgeltlichkeitsprinzip 145–147
Teilhabeanspruch, verfassungsrechtlicher 41–44, 161–163 Teilrechtsordnungen 35–40
Rangverhältnis der Erbschaftsteuer prinzipien 149–151 Rechtsentwicklung des § 5 ErbStG 169–176 Rechtsvergleich – Erbrechtlich 110–119 – Güterrechtlich 95–110
Überhöhte Ausgleichsforderung 216–219
Stichtagsprinzip 143–145
Vorrang des Güterrechts gegenüber dem Erbrecht 114 f. Zugewinnausgleich im Zivilrecht 59–67