Billigkeit und Zugewinnausgleich: Rechtsprechung und Literatur zu § 1381 BGB im Spiegel der juristischen Methodik [1 ed.] 9783428472673, 9783428072675


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German Pages 166 Year 1991

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Billigkeit und Zugewinnausgleich: Rechtsprechung und Literatur zu § 1381 BGB im Spiegel der juristischen Methodik [1 ed.]
 9783428472673, 9783428072675

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WOLRAD ROMMEL

Billigkeit und Zugewinn ausgleich

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 147

Billigkeit und Zugewinnausgleich Rechtsprechung und Literatur zu § 1381 BGB im Spiegel der juristischen Methodik

Von

Wolrad Rommel

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rommel, Wolrad: Billigkeit und Zugewinnausgleich : Rechtsprechung und Literatur zu § 1381 BGB im Spiegel der juristischen Methodik / von Wolrad Rommel. - Berlin : Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 147) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1990/91 ISBN 3-428-07267-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-'Ü7267-7

Für Franziska und Lenard

Vorwort Die Arbeit lag im Wintersemester 1990/91 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main als Dissertation vor. Herr Prof. Dr. Hans Erlch Troje hat die Arbeit betreut. Dun gilt insbesondere mein Dank. Ohne die anregenden Gespräche, die ich mit ihm geführt habe, wäre der methodische Teil der Arbeit niemals in dieser Form entstanden. Er hat mein philosophisches Interesse auf rechtsmethodische und familienrechtliche Fragestellungen gelenkt. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Helmut Kohl, der so freundlich war, die Zweitkorrektur der Dissertation zu übernehmen, und meiner Frau, die mit viel Geduld den Entstehungsprozeß der Arbeit begleitet hat. Bad Honnef, im Juli 1991

Wolrad Rommel

Inhaltsverzeichnis Einleitung

15

I. Methodendiskussion und Methodenkanon ..................................................

15

11. Die Auslegung des § 1381 BGB als methodisches Problem ......................

18

1. Der offene Wortlaut der Einrede der groben Unbilligkeit .....................

20

2. Der Streit über die Auslegung von § 1381 BGB in Rechtsprechung und Literatur ............ .................................... ............................................ ......

22

3. Die Ansätze in der Literatur zur methodischen Auslegung des § 1381 BGB ........................................................................................................

25

Der Fortgang der Untersuchung ..................................................................

27

m.

1. Kapitel Juristische Methodik und Wahrheit

28

I. Savigny und die Methodenlehre des Privatrechts im 19. Ialubundert ........

29

11. Die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches. Anspruch und Wirklichkeit ...............................................................................................................

31

1. Das Privatrecht als System subjektiver Rechte ......................................

32

2. Widersprüche im System des Bürgerlichen Gesetzbuches ....................

33

Der Wandel des Privatrechts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ..............................................................................................................

35

1. Gesetzgebung .. .......... ................................................ ................ .............

35

2. Die Rechtsprechung .......................... ......................................................

36

a) Normative Zurechnung als Grenze der Verrechtlichung ...................

36

b) Die teleologische Auslegung .............................................................

37

c) Teleologische Auslegung und Methodenpluralismus ........................

38

d) Der Methodenpluralismus im Familienrecht .....................................

39

m.

Inhaltsverzeichnis

10

IV. Die Methodendiskussion .............................................................................

40

1. Die auf dem analytischen Denken gründenden Methodenlehren ...........

42

a) Logik ..................................................................................................

43

b) Sprachanalytik, Begriffsrealismus und Rechtsrealismus ...................

44

2. Die Bewertung der vom Recht geregelten sozialen Welt als Ausgangspunkt juristischer Methodik ....................................................................

46

a) Materiale Methodenlehren .................................................................

47

b) Prozedurale Methodenlehren ........ .................. .............. .................. ...

48

2. Kapitel Das methodische Argument und die Auslegung der Einrede der groben Unbilligkeit nach § 1381 BGB

51

I. Die Strukturierung der Meinungsvielfalt ......... ...... ......................................

51

11. Folgerungen für die Analyse der Auslegung des § 1381 BOB in Rechtsprechung und Literatur ....................................... .................... ....................

53

3. Kapitel Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

55

I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ................ ............ ........ ........

55

1. Der Sinn der Norm nach dem Bundesgerichtshof ......... ........ .................

56

2. Die Methode der Auslegung ...................................................................

61

a) Das methodische Selbstverständnis des Bundesgerichtshofes ..........

61

b) Die angewandte Methode der Oesetzesauslegung ............ .................

63

ba) Erwägungen wirtschaftlicher Art ....... ................................ .......

64

bb) Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art ....................................

67

Unerhebliche Umstände ............................................................

69

3. Zur Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes .................

70

a) Die Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches .......................................

71

b) Der Geltungsbereich der Norm ..........................................................

74

c) Die nach den Umständen des Falles grobe Unbilligkeit ....................

74

bc)

Inhaltsverzeichnis

n.

11

Die Auslegung des § 1381 BGB in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ..............................•.............................................................................

75

1. Fehlvemalten ....... ............................................................................ ........

77

a) FehlveIhalten nichtwirtschaftlicher Art .............................................

77

Die analytische Richtung ................................................. .........

78

ab) Die Vennengung von analytischer und wertender Auslegung ..

79

Die wertende Auslegung ...........................................................

81

ad) Zusannnenfassung ...•.............................. ..................................

82

b) FehlveIhalten wirtschaftlicher Art .....................................................

86

2. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse .......................

88

3. Geltungsbereich der Norm und unerhebliche Umstände ........................

91

4. Einzelfallgerechtigkeit ..... ........................................................ ...............

93

aa)

ac)

4. Kapitel Der Streit in der Literatur über die richtige Methode der Auslegung des § 1381 BGB

I. Unbilligkeit als freie richterliche Wertung ..................................................

n. m.

95 100

Unbilligkeit als Resultat richterlicher Prinzipien ........................................

101

Unbilligkeit als Wertung des Gesetzes ........................................................

102

1. Das ökonomische Gleichgewicht als Grundlage des schematischen Ausgleichs ..............................................................................................

103

2. Gemeinschaftsvemältnis und Leistungsgleichgewicht als Grundlage des schematischen Ausgleiches ..............................................................

105

IV. Billigkeit als materiale Getechtigkeit ..........................................................

108

1. § 1381 BGB als spezielle Ausfonnung des Grundsatzes von TlCu und

Glauben ...................................................................................................

108

2. § 1381 BGB im Beziehungssystem der materialen Gerechtigkeit .........

111

a) 1uristische Methodik als kontrollierte Sachbezogenheit und Wert-

orientierung ........ .................................................................................

112

b) Typologie der IClevanten Umstände ..................................................

113

V. Kritisches Resümee .....................................................................................

115

12

Inhaltsverzeichnis

s. Kapitel Die Grenze des analytischen Denkens bei der Auslegung des § 1381 BGB

119

I. Sprache ........................................................................................................

119

ll. Logik ............................................................................................................

122

m.

Begriffs- und Rechtsrealismus ........................................ ............................

123

IV. Rekonstruktion der Gesetzgebungsgeschichte ............................................

124

V. Rekonstruktion der Systematik des Gesetzes ...........•..................................

126

6. Kapitel Billigkeit und Gesetzesbindung. Die § 1381 BGB zugrundeliegende Wertung

128

I. Wahrlteit und Methode der wertenden Auslegung ......................................

129

ll. Der Beobachterstandpunkt der wertenden Auslegung. Gesetzesbindung als Sinngrenze des § 1381 BGB ..................................................................

130

m.

Zur Methode der kleinsten sinnstiftenden Einheit .......................................

131

IV. Das Erfassen der Wertung des Gesetzgebers auf der ersten Stufe der Interpretation ......................... .......................................................................... ....

134

1. Der Gesetzestext .....................................................................................

134

2. Die Begründung des § 1381 BGB in den Gesetzesmaterialien ..............

135

V. Die zweite Stufe der Interpretation. Der Sinn des § 1381 BGB im Kontext des Gleichberechtigungsgesetzes ................................................................

136

1. Der explizite WertungszusllIJlJl1enhang ..................................................

137

2. Der implizite Wertungszusanunenhang .................................................

141

a) Einzelfallgerechtigkeit und Billigkeit bei Aristoteies .......................

141

b) Der Grundsatz der Gleichberechtigung und die grobe Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches ..................................................................

142

7. Kapitel Billigkeit und Gerechtigkeit. Die Anwendung des § 1381 BGB im Einzelfall I. Die Fälle der aufteilenden Gerechtigkeit .....................................................

147 147

Inhaltsveneichnis

13

1. Der Ausgangspunkt der Auslegung ........................................................

147

2. Der Geltungsbereich ...............................................................................

148

3. Der Anwendungsbereich ........................................................................

149

4. Die Auslegung in1 Einzelfall ..................................................................

151

11. Die Fälle der austeilenden Gerechtigkeit ...................... ........ ......................

152

ill. Zusannnenfassung .......................................................................................

154

Literaturverzeichnis

155

Eine schöne Gerechtigkeit, deren Grenze ein fluß ist! Was auf dieser Seite der Pyrenäen Wahrheit ist, ist auf der anderen Irrtum. (Blaise Pascal)

Einleitung I. Methodendiskussion und Methodenkanon Die Auslegung eines Gesetzes entwickelt sich niemals von sich aus auf der Grundlage von Regeln. Das Recht zwingt den über es urteilenden Menschen keine bestimmte Denkweise auf. Die Gesetzesauslegung entfaltet sich statt dessen spontan. Also muß diese Form des Denkens immer erst lernen. sich an Regeln auszurichten. Doch selbst wenn es solche erlernt hat, kann es deren Denkund Wertungsverbote wieder durchbrechen oder widerlegen. ÜbeIhaupt hängt die Entscheidung eines Rechtsfalles niemals vom Wissen einer Auslegungsregel ab. Vielmehr kann eine Norm auch rein voluntativ oder emotional ausgelegt werden. Die juristische Methodik ist die Antwort der Vernunft auf den Dezisionismus und das Rechtsgefühl. Sie unterwirft die Gesetzesauslegung bestimmten Regeln des Denkens. Sie sollen zum richtig verstandenen Sinn 1 der Norm hinführen. Jede juristische Methodik leitet ihre Auslegungsregeln aus einer Rechtsidee ab. Methodenlehren der Gesetzesauslegung sind der Spiegel eines bestimmten Normverständnisses. Sie reagieren auf ein der Rechtsprechung vorgegebenes geltendes Recht. Insofern nehmen sie das Recht in seiner Vollkommenheit oder Unvollkommenheit, so wie sie es vorfinden, beschreiben es oder entwerfen ein Ideal der Rechtswirklichkeit und versuchen, die Rechtserkenntnis anzuleiten. 1 Es wird mit Bedacht vom Sinn der Norm gesprochen. Mit dieser Wortwahl wird allein der Problemhorizont jeglicher Auslegung kenntlich gemacht und nicht ein bestimmter methodischer Ansatz favorisiert. Denn die Sinnfrage verbindet die Vielfalt der Auslegungsmethoden miteinander. Ganz unabhängig von der philosophischen Tradition, auf der eine bestimmte Methode gründet, meint man einhellig, daß die Suche nach dem Sinn des Gesetzes das Problem der Auslegung ist. Dies gilt insbesondere, seitdem im positivistischen Lager der Philosophie die Debatte über die richtige Wissenschaftstheorie die Theorieabhängigkeit empirischer Daten zum Allgemeinplatz werden ließ. Man fragt nun auch nach dem Sinn von Beobachtungen. Alle philosophischen Strömungen sprechen vom Sinn (zum Sprachgebrauch im modemen Positivismus vgl. den frühen an der Logik orientierten Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, 2.2-2.225 und den späten in der Sprachphilosophie stehenden, Philosophische Untersuchungen, Teil 2 ii; für die Henneneutik siehe Gadamer, Wahrheit und Methode, insbesondere S. 61, 275 ff.; vgl. für die Argumentationstheorien, Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, S. 158 ff.; in der Rechtssoziologie Luhmann, Soziale Systeme, S. 92 ff.).

16

Einleitung

sich innerhalb des von ihnen jeweils gesehenen Rechts zu bewegen, damit die Gerichte Recht sprechen, so wie es ist oder sein soll. Das ist das zumeist stillschweigend vorausgesetzte, teilweise aber auch bestrittene oder zuweilen, wie zum Beispiel von Savigny, ausdrücklich hervorgehobene Postulat jeder Auslegungsmethode. 2 Für ihn steht fest, daß "selbst das Urtheil über das einzelne Recht nur insofern wahr und überzeugend seyn kann, als es von der Gesammtanschauung des Rechtsverhältnisses ausgeht"3. Das nehmen alle Methodenlehren an. Sie gründen auf einer bestimmten Wahrheit über das geltende Recht. Thr ordnen sie den Sinn einer Norm zu. Er liegt im Recht. Dessen wahre Struktur, Ordnung, Unordnung oder sein wahres Ideal, was immer man darunter versteht, wird zur Grenze der Auslegung erklärt. Dieses jeweils wahre Recht begründet die Entscheidung, wann eine Norm einen bestimmten Sinn besitzt. Jenseits von ihm gibt es nur noch Irrationales. Wenn diese Sinngrenze überschritten wird, ist die Auslegung falsch, ungerecht oder nicht mehr vertretbar. Insofern sind Methodenfragen der Auslegung immer Wahrheitsfragen. Daß Urteile voluntativ oder emotional gefällt werden können, ist weder ein Grund, die juristische Methodik und deren Suche nach dem wahren Sinn eines Gesetzes aufzugeben, noch widerlegt es den Wert der methodischen Gesetzesauslegung. Insbesondere spricht auch nicht der Dezisionismus gegen sie, der unter der richterlichen Entscheidung einen reinen Willensakt versteht. Die Begründung dieser Entscheidungstheorie ist zweifelhaft. Carl Schmitt charakterisiert ganz zutreffend ihr Selbstverständnis, wenn er schreibt, daß für den Dezisionismus "das Beste in der Welt ein Befehl ist"4. Das Urteil wird zum nicht mehr hinterfragbaren Machtspruch erklärt. Wir teilen diesen menschenverachtenden Zynismus nicht. Er ist keine Alternative zur juristischen Methodik. Allerdings ist es verkürzt, ihm die Gleichheit vor dem Gesetz als Gebot der Ge-

2 Nach einer weit verbreiteten Ansicht gründen Regeln der Auslegung auf keiner bestinunten Wahrheit des Rechts. Larenz, Methodenlehre, S. 235 ff., verwischt den Zusanunenhang von Wahrheit und Methode. Für ihn "führt die Methodenlehre in die Philosophie". Es machen sich in der Methodendiskussion "durchweg rechtsphilosophische Grundannahmen" bemerkbar (S. 235). Gleichwohl ist die "Methodenlehre der Jurisprudenz Selbstreflexion im Lichte der Henneneutik" (S. 236). Für Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 197, gibt es sogar eine klare "Zustandsverteilung" zwischen juristischer und philosophischer Methodik. Dabei kann der Jurist sich nicht anmaßen, den philosophischen Hintergrund seiner Überlegungen mit seinen Denkmitteln aufzuhellen und zu festigen. Dagegen arbeitet Pawlowski, Methodenlehre, Rz. 158 f., zutreffend den Zusanunenhang zwischen Nonnverständnis und Auslegungsmethode her-

aus.

3 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, S. 7. 4 Schmitt, Legalität und Legitimität, S. 13.

I. Methodendiskussion und Methodenkanon

17

rechtigkeit entgegenzuhalten, wie es immer wieder geschieht. S Die Rechtssicherheit ist kein Argument gegen den Dezisionismus, weil sie dessen Notwendigkeit nicht widerlegt. Gegen ihn spricht vielmehr, daß er einen Gegensatz zwischen Entscheidung und &kenntnis suggeriert, den es nicht gibt. Die Erkenntnis kann nämlich jedes Urteil reflektieren. Insoweit ist es unerheblich, ob dieses überlegt, irrational oder willkürlich gefällt wurde. Darüber hinaus reiht sich jedes Urteil in die Gesamtheit des Rechts ein, selbst wenn der Urteilende diesen Zusammenhang willentlich übergeht oder sich dessen überhaupt nicht bewußt ist. Keine Entscheidung kann der methodischen Reflexion entrinnen, auch wenn sie es mit Macht will. 6 So sind Auslegungsmethoden ein Mittel der Selbstreflexion über das Urteil im Einzelfall in Bezug auf die es umgebende Rechtswirklichkeit. In ihnen drückt sich die Verantwortlichkeit für die Entscheidung aus, wie sie auch ausdrücklich Art. 20 Abs. 3 GG verlangt, der die Rechtsprechung nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht bindet. Außerdem sind sie ein Gebot der Klugheit. Sie bewahren der Rechtsprechung für künftige Urteile die Entscheidungsfreiheit, weil durch sie der Sinn eines Gesetzes differenzierter7 ausgelegt werden kann. Die Rechtspraxis reduziert die juristische Methodik auf einen Methodenkanon. Er beschreibt abschließend, was die Vernunft zur Gesetzesauslegung beizutragen vermag. Nach einhelliger Ansicht der Rechtsprechung ist der Ausgangspunkt der Auslegung der Wortlaut. Mit Hilfe der sprachlich-grammatikalischen, der systematischen, der historischen und der teleologischen Auslegung soll dann der Sinn des Gesetzes erforscht werden. 8 Der Methodenkanon ist in der Literatur mehr als umstritten. Welchen Inhalt die vier Auslegungsregeln besitzen sollen, wird ganz unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird dem Methodenkanon überhaupt die Tauglichkeit für die Auslegung abgesprochen. Andere wollen ihn ergänzen oder eine Reihenfolge der verschiedenen Auslegungsregeln festlegen. Methodenfragen der Auslegung sind in der die Gesetze des Privatrechts kommentierenden Literatur sowie in der Rechtsphilosophie als auch in der Rechtssoziologie eine einzige sich vollS Dieses Argument findet man grundlegend formuliert bei Radbruch, Rechtsphilos0phie, S. 170-179, insbesondere S. 176 f.; vgl. aus neuerer Zeit Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. IV, insbesondere S. 188-192. 6 Insofern ist die methodische Reflexion bei der Urteilsbegründung nicht nur eine "rechtspolitische Empfehlung zur Problematisierung" (so aber MÜDchener KommentarSäcker, Einl., Rz. 85-87). Es geht bei der juristischen Methodik um das eigene Denken und nicht um Fremdbeeinflußungen oder Manipulationen eines an sich autonomen Entscheidungswillens. 7 Grundlegend zu dieser Aufgabe der juristischen Methodik, Lulunann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 15 ff. 8 Vgl. aus der Rechtsprechung RGZ96, 326, 327; RGZ 139, 110, 112; BGHZ 2,176, 184; BOHZ 46, 74, 76; Palandt-Heinrichs, Einl. VI, 3b) und Soergel-Hefennehl, Anhang § 133 BOB, Rz. 5-11, jeweils m. w. N. 2 Rommel

18

Einleitung

kommen im Fluß befindliche Kontroverse. Auf der Grundlage unterschiedlichster naturrechtlicher oder rechtspositivistischer Rechtslehren ist eine Vielfalt voneinander abweichender Theorien der Gesetzesauslegung entstanden. Die Wertungsjurisprudenz, die Hermeneutik, die Topik, Gerechtigkeits- oder Argumentationstheorien, die Entscheidungstheorie, der Rechtsrealismus, die reine Rechtslehre, die Theorie der Institutionen, die Aussagenlogik, die Deontik oder zum Beispiel die Sprachphilosophie sollen jeweils der Schlüssel zu den Regeln der Auslegung sein, die zum richtigen Sinn des Gesetzes hinführen. 9 Aufgrund der Vielfalt der methodischen Ansätze in der Literatur ist der Stand der Methodendiskussion unübersichtlich geworden. Ein babylonisches Stimmengewirr ist eingetreten. Es fehlt an einer richtungsübergreifenden Reflexion der verschiedenen Methodenlehren. Man übt den Monolog im eigenen wissenschaftlichen Lager. 10 Die Folge dieses Zustandes ist die Wirkungslosigkeit der Methodendiskussion in der Rechtspraxis. Die in der Literatur geäußerte Kritik an dem tradierten juristischen Methodenverständnis sowie die durch die Diskussion in der Literatur gewonnenen methodischen Differenzierungen werden von der Rechtspraxis nicht aufgegriffen. Diese beharrt bei der Gesetzesauslegung auf dem tradierten Methodenkanon trotz dessen allzu bekannter Unzulänglichkeit. Er soll das Maß aller Dinge bei der Suche nach dem Sinn einer Norm sein. So hat er sich resistent gegen jeden rechtswissenschaftlichen Versuch seiner Überwindung oder Weiterentwicklung erwiesen. Auf diese Weise ist bei der juristischen Methodik eine empfindliche Lücke zwischen Auslegungstheorie und Praxis der Rechtsanwendung entstanden. 11. Die Auslegung des § 1381 BGB als methodisches Problem Das Anliegen der Arbeit ist es, diese bestehende Lücke zwischen Auslegungstheorie und Kasuistik der Rechtsprechung zu verkleinern. Es soll der Sinn des methodischen Arguments, so wie es in der Literatur diskutiert wird, 9 Instruktive Einführungen in den gegenwärtigen Stand der Methodendiskussion fmdet man bei Wiethölter, Begriffs- oder Interessenjurisprodenz, S. 228-239; Krawietz, Zur Korrelation von Rechtsfragen und Tatfragen, S. 517 ff.; Neumann, Argumentationstheorien, und Larenz, Methodenlehre, S. 30-173. Der Rundumschlag von Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 68-145, erschließt die bis Mitte der siebziger Jahre erschienene Literatur. 10 Allerdings bedarf es nicht einer neuen wissenschaftlichen Disziplin, zum Beispiel eine ''Rechtsprechungslehre'' (so Achterberg, Rechtsprechung und Staatsfunktion, S. 3 ff.) oder eine Rechtstheorie, um diesen Zustand zu beenden. Die Kenntnisnahme und der kritische Nachvollzug des Sinns anderer Positionen reicht dazu aus (vgl. zu dieser Debatte über die Abgrenzung von Rechtsphilosophie und Rechtstheorie Larenz, Methodenlehre, S. 73 ff.; Roellecke, Theorie und Philosophie des Rechtes, S. 1-24).

n. Die Auslegung des § 1381 BOB als methodisches Problem

19

mit der Art und Weise der Gesetzesauslegung konfrontiert werden, so wie diese von der Rechtsprechung praktiziert wird. Dieses Ziel kann nicht mit einem originären Beitrag zur Methodendiskussion erreicht werden. Denn das Deftzit dieser Debatte ist gegenwärtig das Fehlen einer allgemein akzeptierten Privatrechtsidee, wie sie das 19. Jahrhundert noch in der Vorstellung von der Willensmacht als subjektives Recht besaß. Jeder Beitrag zur Methodendiskussion im Privatrecht kann diesen grundsätzlichen Streit nicht übergehen. Es muß eine Rechtsidee entwickelt und gegenüber anderen Positionen abgegrenzt werden, weil auf keine andere Weise die Debatte vorangetrieben werden kann. Eine solche Auseinandersetzung mit den Grundlagen des methodischen Denkens muß von den Auslegungsproblemen einzelner Normen abstrahieren, bei denen das methodische Denken der Rechtspraxis seinen Ausgangspunkt nimmt. So vergrößert jeder originäre Beitrag zur Methodendiskussion aufgrund des augenblicklichen Zustandes der juristischen Methodik notgedrungen den Abstand zwischen Auslegungstheorie und Rechtspraxis, anstatt ihn zu verringern. Deshalb wird im folgenden ein anderer Weg eingeschlagen, der die Abstraktheit der Methodendiskussion durchbricht. Ausgehend vom Wortlaut einer einzelnen Norm des geltenden Rechts wird reflektiert, inwieweit methodische Argumente den Sinn eines Gesetzes erhellen können. Es werden der Wert, die Grenzen und die Möglichkeiten der gegenwärtigen juristischen Methodik für die Auslegung des positiven Rechts erprobt, so wie es sich in den Worten des Gesetzestextes der Rechtspraxis präsentiert. Auf diese Weise hat die methodische Reflexion ihre eindeutige Grenze. Sie beginnt mit der Analyse der Auslegung einer Norm durch die Rechtsprechung. Lediglich wenn es für die Erklärung des Sinnes der Wörter des Gesetzes förderlich ist, werden sodann die Konsequenzen der unterschiedlichen Methodenlehren für die Auslegung des Gesetzes überdacht. Dadurch wird die Auseinandersetzung mit der Vielfalt der Methodendiskussion auf das für die konkrete Gesetzesauslegung Erforderliche eingeschränkt. Auch werden ausschließlich die Auslegungsprobleme einer einzigen Norm methodisch reflektiert. Dadurch kann die methodische Reflexion bei der kleinsten sinnstiftenden Einheit des Gesetzestextes anfangen. Sie sucht zunächst nach dem Sinn der einzelnen im Gesetz vorhandenen Worte. So wird vermieden, daß diese unter der Hand in einen bestimmten Sinnzusammenhang gestellt werden. Wenn die einzelnen Wörter einer Norm Ausgangspunkt der methodischen Reflexion sind, kann nämlich kein bestimmter Sinn des Gesetzes vorausgesetzt werden. Sie sind dann allein Zeichen, also Träger von Sinn, so daß jeder die Worte des Gesetzes erklärende Sinnzusammenhang argumentativ eingeführt und verteidigt werden muß.

20

Einleitung

Für ein derartiges Vorhaben ist insbesondere die Einrede der groben Unbilligkeit gegen den Anspruch auf Zugewinnausgleich nach § 1381 BGB geeignet. Das wird im folgenden aufgezeigt. Aufgrund ihres Wortlautes sind Probleme bei der Auslegung dieser Vorschrift vorprogrammiert (1). Ganz folgerichtig wird die Auslegung von § 1381 BGB in Rechtsprechung und Literatur in jeder Hinsicht kontrovers diskutiert (2). Daß die Ursache dieser Auslegungsschwierigkeiten ein Defizit an methodischer Reflexion ist, hat man wiederholt vermutet. Gleichwohl herrscht allgemein Unklarheit darüber, ob methodische Argumente den Streit über die Auslegung dieser Norm klären können (3).

1. Der offene Wortlaut der Einrede der groben Unbilligkeit Die Einrede der groben Unbilligkeit nach § 1381 BOB ist Teil der Regeln über die Zugewinngemeinschaft (§§ 1363-1390 BGB), die mit dem am 1. Juli 1958 in Kraft getretenen Gleichberechtigungsgesetz als gesetzlicher Güterstand des ehelichen Güterrechts in das Familienrecht neu eingeführt wurden. Während der Dauer der Zugewinngemeinschaft bleiben das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau getrennt, sofern nicht eine abweichende Vereinbarung durch Ehevertrag getroffen wird. Bei der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes ist der von den Ehegatten in der Ehe erzielte Zugewinn auszugleichen. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu. Dieser schematische Ausgleich des Zugewinns hat seine Schranke in § 1381 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift "kann der Schuldner die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre". Von ihrer Normstruktur zählt die Einrede der groben Unbilligkeit zu den zahlreichen offenen Normen ll des Privatrechts, die man auch verstreut im gesamten Familienrecht antrifft. Ein Anspruch auf Unterhalt (§§ 1579, 1613 BGB) oder der Versorgungsausgleich (§§ 1587c, 1587h BGB) kann aus Gründen der Billigkeit beschränkt werden oder entfallen. Es werden zum Beispiel 11 Häufig werden derartige Nonnen im Anschluß an Hedemann als "Oeneralklausein" bezeichnet (Die Flucht in die GeneralklauseIn, S. 2; so auch in Bezug auf § 1381 BOB Strobel, Grobe Unbilligkeit, S. 2; Schwab, Handbuch, VII, Rz. 163). Auch spricht man von einem "unbestimmten Rechtsbegriff" (Staudinger-Thiele, § 1381 BOB, Rz. 4; vgl. zu diesem Sprachgebrauch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 108, Fn. 118b m. w. N.). Diese beiden Wörter sind jedoch irreführend. Sie unterstellen, daß ein logischer Schluß vom Subjekt zum Prädikat, beziehungsweise die Bestimmung des Unbestimmten, offene Normen auslegbar macht. Ob dies mit derartigen Methoden der Auslegung erreichbar ist, kann man jedoch dem Wortlaut einer Norm allein nicht entnehmen. Dun läßt sich nicht entlocken, wie man den ihm entsprechenden Sinn fmdet. Erst die Auslegung bringt ihn hervor.

11. Die Auslegung des § 1381 BOB als methodisches Problem

21

Rechtsfolgen an die "Erwartung einer angemessenen Erwerbstätigkeit" geknüpft oder eine "schwere Verfehlung". ein "einseitiges schweIWiegendes FehlveIhalten", ein "sittliches Verschulden", ein "Bedürfnis", ein "Bedarf', die "Lebensstellung", die "eIheblichen Ändenmg allgemeiner wirtschaftlicher Verhältnisse", die "persönlichen VeIhältnisse" oder das "Wohl des Kindes" lösen diese aus. Ferner gibt es Normen, bei denen die Rechtsfolgen offen sind. Die "erforderlichen Maßnahmen" sind zu treffen, oder es ist zum Beispiel ein "angemessener UnteIhalt" zu zahlen. Die Mehrzahl der Normen des Privatrechts besitzt nicht diese Offenheit. In der Regel bemüht sich der Gesetzgeber, die Vorschriften eines Gesetzes in präzise Rechtssätze zu fassen. Im Tatbestand einer Norm wird dann ein bestimmtes menschliches Verhalten, ein eingegrenztes Ereignis oder ein konkretes Objekt in der Welt als ein Geschehen in der Wirklichkeit beschrieben, das möglicherweise zutrifft. Entspricht diesen vorgestellten Tatumständen tatsächlich ein Geschehen in der Welt, sollen genau bezeichnete und vorher festgelegte Rechtsfolgen eintreten. Eine Verpflichtung entsteht. Eine Leistung hat zu erfolgen. Eine Handlung ist zu unterlassen. Eine Sache soll herausgegeben werden, oder eine Geldsumme ist zu zahlen. Von dieser Regel der Gesetzestechnik nimmt der Gesetzgeber bewußt Abstand, wenn er offene Normen in ein Gesetz aufninunt. Der Sinn der Worte. mit denen bei ihnen ein Tatbestand oder eine Rechtsfolge bezeichnet wird, ist dunkel, um eine gängige Metapher zu gebrauchen. Die in diesem Fall verwendeten Wörter sind in ihrem Sinn weder eindeutig noch begrenzt. Auf welchen Sachverhalt zum Beispiel der Begriff des sittlichen Verschuldens oder das Wohl des Kindes sich bezieht, ist dem Wortlaut nach unklar. Derartige Wörter sind alternativ deutbar. 12 Teilweise wird der derartig offene Sinn einer Norm durch die Einführung von Regelbeispielen (§§ 1381 Abs. 2. 1579 Nr. 1-6 BGB) oder durch die Angabe eines Wertmaßstabes beschränkt, wie es im UnteIhaltsrecht durch die wiederholte Einfügung des Begriffes der "Angemessenheit" der Fall ist. Dann soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch eine das Regelbeispiel auf einen ähnlich gelagerten Fall übertragende Analogie oder durch im Wertmaßstab vorgegebene Denkgebote oder -verbote die Auslegung der Tatumstände in eine be12 Der an dieser Stelle eingeführte und im folgenden immer wieder vorausgesetzte Unterschied zwischen dem offenen und dem begrenzten Sinn einer Nonn ist ein heuristischer Kunstgriff, der allein das zu lösende Auslegungsproblem verdeutlichen soll. Tatsächlich ist der Übergang zwischen einem eingegrenzten, einem weiten, einem mehrdeutigen oder einem offenen Gesetzeswortlaut in der Rechtspraxis immer fließend (Eine diese Übergänge analysierende Nonntypologie findet man bei Larenz, Methodenlehre, S. 271-285.). Die Analyse dieser verschiedenen gesetzlichen Regelungstechniken erübrigt sich jedoch, weil nur § 1381 BOB und keine von ihr sich unterscheidende andere Nonn ausgelegt werden soll.

22

Einleitung

stimmte Richtung gelenkt werden. Gleichwohl deuten derartig sinnstiftende methodische Vorgaben allenfalls vage an, an welchem Punkt eine Analogie abbricht und welche Werte bei der Auslegung zu beachten sind. § 1381 BGB zählt zu denjenigen Nonnen des Farnilienrechts, die in jederlei Hinsicht offen sind. In seinem Tatbestand verweist er auf die "Umstände des Falles". Die "grobe Unbilligkeit" soll als Wertmaßstab die Auslegung anleiten. Das Regelbeispiel in § 1381 Abs. 2 BGB soll zu analogen Fällen grober Unbilligkeit hinführen. Die Rechtsfolge ist nicht festgelegt. Die Ausgleichsforderung kann vollständig oder teilweise entfallen. 2. Der Streit über die Auslegung von § 1381 BGB in Rechtsprechung und Literatur

Die Rechtsprechung kann den offenen Sinn einer Nonn nicht auf sich beruhen lassen. Sie steht unter Entscheidungszwang, so daß sie den Sinn einer Nonn festzulegen hat, sobald diese anzuwenden ist. Dieser Entscheidungszwang im Einzelfall hat zumeist zur Folge, daß im Fortgang der Rechtsprechung der ursprünglich offene Sinn einer Nonn begrenzt wird. Kasuistik, höchstrichterliche Rechtsprechung und Meinungsstreit tragen dann das jeweils ihrige dazu bei, daß von Fall zu Fall, auf der Grundlage von autoritativ festgesetzten oder einhellig anerkannten Prinzipien, der Wortlaut eines Gesetzes ausgefüllt wird, so daß dieser seine Vagheit verliert. Doch nicht immer nimmt der Fortgang der Rechtspraxis diesen Verlauf. Zuweilen entsteht der gegenteilige Effekt. Es entwickeln sich grundsätzlich widersprechende Interpretationen einer Nonn, so daß ihr Sinn immer problematischer wird und keinesfalls klarer. Ein solcher Zustand ist bei der Auslegung des § 1381 BGB eingetreten. Obwohl sich die Rechtsprechung und Literatur bemüht haben, dem offenen Wortlaut der Einrede der groben Unbilligkeit einen eindeutigen Sinn zu geben, ist dieser undeutlich geblieben. Dies beginnt bei der Auslegung des vom Gesetz verwendeten Begriffs der groben Unbilligkeit. Die Meinungen darüber gehen auseinander, ob er eine übergreifende Idee beinhaltet, aus welcher der jeweilige Sinn des § 1381 BGB im Einzelfall ableitbar ist. Man streitet, was das Gesetz unter einer groben Unbilligkeit versteht. Zwar hat es sich eingebürgert, im Anschluß an die in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes enthaltene Fonnulierung als grob unbillig diejenigen Fälle zu bezeichnen, bei denen die volle Leistung der Ausgleichsforderung dem "Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde"13. Doch diese Leerfonnel ist nicht minder ausfüllungsbe13 BT-Drucksache II, 3409,12; so auch BGH FamRZ 1973, 254, 256; BGH FamRZ 1980, 768, 769; BGH FamRZ 1980, 877; Soergel-Lange, § 1381 BGB, Rz. 3; Palandt-

11. Die Auslegung des § 1381 BOB als methodisches Problem

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dürftig wie der Gesetzeswortlaut. Folglich wird sie auch auf unterschiedlichste Weise konkretisiert. Nach einer Ansicht ist mit Billigkeit die Gerechtigkeit im Einzelfall gemeint. Sie liegt in der Hand des Richters. 14 Er entscheidet nach den gesamten Umständen des Falles, worin die grobe Unbilligkeit besteht. 15 Nach einer zweiten Ansicht gilt dies nicht schlechthin. Vielmehr hat sich der Richter bei der Konkretisierung des Begriffs der groben Unbilligkeit an die von der Rechtsprechung zur Auslegung des § 242 BGB entwickelten Maximen von Treu und Glauben zu halten. 16 Nach einer dritten Ansicht ist die Einrede der groben Unbilligkeit nach § 1381 BGB keinesfalls eine spezielle Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Statt dessen soll die Wertung des Gesetzes den Begriff der groben Unbilligkeit festlegen. Maßstab für die Billigkeit der Umstände des Falles soll die "idealgerechte Durchführung der Zugewinngemeinschaft des positiven Rechts" sein. 17 Diese Meinungsverschiedenheit über den Sinn der groben Unbilligkeit setzt sich im Streit über die Bedeutung des § 1381 Abs. 2 BGB für die Auslegung fort. Dieser Absatz gibt als Beispiel für den Fall einer groben Unbilligkeit die schuldhafte Nichterfüllung von wirtschaftlichen Verpflichtungen während eines längeren Zeitraumes an, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben. Nach einer Ansicht folgt aus dieser beispielhaften Hervorhebung, daß lediglich dem angegebenen wirtschaftlichen FehlveIhalten ähnlich gelagerte VeIhaltensweisen des Ehepartners zur groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleichsanspruches führen können. Diese Analogie soll die Auslegung des § 1381 BGB sowohl anleiten als auch begrenzen. So nimmt man an, daß lediglich solche VeIhaltensweisen der Eheleute als grobe Unbilligkeit eingestuft werden können, die sich nachteilig auf die Vermögensbildung in der Ehe ausgewirkt haben.1 8 Nach anderer Meinung beschränkt das im Gesetz enthaltene Beispiel einer groben Unbilligkeit die Auslegung des § 1381 BGB keinesfalls ein. Man vertritt die Ansicht, daß auch die wirtschaftliche Versorgungslage der Eheleute

Diederichsen, § 1381 BOB, Anm. 2); Heckelmann, Leistungsverweigerung und Stundung, S. 294; Münchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BOB, Rz. 11; RORK.-Finke, § 1381 BGB, Rz. 6; Staudinger-Thiele, § 1381 BGB, Rz. 5; Tiedtke, JZ 1984, 1078, 1082. 14 Koeniger, DRiZ 1959,80. 15 Johannsen-Jäger, § 1381 BOB, Rz. 3. 16 Thiele, JZ 1960, 394, 395; Strobel, S. 38,48 ff.; Soergel-Lange, § 1381 BOB, Rz. 2; von Oodin, MDR 1966,722. 17 Oemhuber, Familiemecht, § 36 VII 6 und in Münchener Kommentar, § 1381 BGB,Rz.2. 18 LO Freiburg FamRZ 1963, 647; AK-Fieseler, § 1381 BGB, Rz. 2; Palandt-Heinrichs, § 1381 BOB, Anm. 2c); Münchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BOB, Rz. 30; Lenze, Hausfrauenarbeit, S. 158; Johannsen, WM 1978, 656, 665.

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Einleitung

nach Beendigung der Ehe,I9 ein Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art des ausgleichsberechtigten Ehepartners, das ins Gewicht fallt,20 dessen heimlicher Ehebruch21 oder sein grundloses Ausbrechen aus der Ehe22 die grobe Unbilligkeit des Ausgleichsanspruchs bewirken können. Auch ein schuldloses Verhalten des Ausgleichsgläubigers soll das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BOB auslösen,23 zum Beispiel das Getrenntleben24• Es wird aber nicht nur kontrovers diskutiert, welche Bedeutung das Regelbeispiel in § 1381 Abs. 2 BOB für die Bewertung des nicht auf die Vennögensbildung gerichteten Verhaltens der Ehegatten besitzt. Viehnehr streitet man auch darüber, welches vennögensbezogene Verhalten überhaupt analog dem im Gesetz aufgeführten wirtschaftlichen Fehlverhalten als grob unbillig zu bewerten ist. Allgemein bejaht wird lediglich, daß die Nichterfüllung der Unterhalts- oder der Haushaltsführungspflicht2S unter das in § 1381 Abs. 2 BOB enthaltene Beispiel fallt. Jedoch herrscht keinerlei Einigkeit, auf welche anderen wirtschaftlichen Verhaltensweisen der Ehegatten dieses Beispiel übertragen werden kann. Teilweise wird eine solche Analogie überhaupt abgelehnt. 26 Man argumentiert, daß die Ehe keinerlei Pflicht zur sorgfältigen Verwaltung des eigenen Vennögens beinhaltet. Nach anderer Ansicht kann auch ein vorwertbares ökonomisches Fehlverhalten des ausgleichsberechtigten Ehegatten grob unbillig sein. 27 Allerdings ist man sich nicht einig, wann ein solches Verhalten geg(,ben ist. Teilweise wird verlangt, daß eine "grobe Mißwirtschaft"28 vorliegt. Für andere reicht schon ein "leichtsinniges Geschäftsgebah19 BGH NJW 1973, 749 = FamRZ 1973, 254; OLG Frankfurt FamRZ 1983, 921; Staudinger-Thiele, § 1381 BGB, Rz. 29; Palandt-Diederichsen, § 1381 BGB, Anm. 2e); Dölle, Familienrecht I, S. 824; Johannsen-Jäger, § 1381 BGB, Rz. 10; Schwab, Handbuch, vn, Rz. 176; Beitzke, Familienrecht, § 14 m 4a; Schopp, Rpfleger 1964, 69,73; differenzierend Soergel-Lange, § 1381 BGB, Rz. 19; RGRK-Finke, § 1381 BGB, Rz. 13; a. A. MÜDchener Konunentar-Gemhuber, § 1381 BGB, Rz. 26-29; Kleinheyer, FamRZ 1957, 283, 284. 20 BGHZ 46, 363 = FamRZ 1966,560; Staudinger-Thiele, § 1381 BGB, Rz. 20-22; Soergel-Lange, § 1381 BGB, Rz. 12; Erman-Heckelmann, § 1381 BGB, Rz. 3; RGRKFinke, § 1381 BGB, Rz. 10. 21 Roth-Stielow, NJW 1981, 1595, 1595, I. Sp. 22 Mikosch, MDR 1978,886. 23 MÜDchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BGB, Rz. 176; Erman-Heckelmann, § 1381 BGB, Rz. 4; Dölle, Familienrecht I, S. 825. 24 Staudinger-Thiele, § 1381 BGB, Rz. 24 m. w. N. 2S Allgemeine Ansicht, vgl. Palandt-Diederichsen, § 1381 BGB, Anm,'2a); MÜDchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BGB, Rz. 13; Für Schwab, Handbuch, vn, Rz. 165, zählt allerdings die Haushaltsfiihrung nicht zu den wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus der Ehe ergeben, da es sich um keine wirtschaftliche, sondern um eine sorgende Tatigkeit handelt. 26 Johannsen-Iäger, § 1381 BGB, Rz. 9.

ll. Die Auslegung des § 1381 BOB als methodisches Problem

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ren",29 die Vornahme "riskanter Geschäfte"30 oder die "Verschwendung von Vennögen" durch den einen Ehegatten bei gleichzeitiger Sparsamkeit des anderen Ehegatten31 aus. Nach einhelliger Auffassung ist aber auf jeden Fall eine Schädigung des Vennögens des ausgleichspflichtigen Ehegatten durch den ausgleichsberechtigten Ehegatten ein dem gesetzlichen Beispiel analog zu bewertendes Verhalten. 32 Insoweit wird auch geäußert, daß eine solche Schädigung bereits vorhanden ist, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte durch eine schlechte Vennögensverwaltung den Lebensstandard der Familie beeinträchtigt33 oder die Vennögenslage zu Lasten des Ausgleichspflichtigen beeinflußt 34.

3. Die Ansätze in der Literatur zur methodischen Auslegung des § 1381 BGB Eine Lösung der zahlreichen bei der Auslegung des § 1381 BGB entstandenen Streitpunkte mit Hilfe der juristischen Methodik, wie sie im folgenden in Angriff genommen wird,35 ist nicht der erste Vorstoß in diese Richtung. Bereits im Jahre 1965 legte Strobel eine in seinen Augen abschließende Typologie relevanter Umstände und Wertmaßstäbe zur Auslegung dieser Einrede vor. 36

27 Münchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BOB, Rz. 16; Staudinger-Thiele, § 1381, Rz. 13 f. 28 So Soergel-Lange, § 1381 BOB, Rz. 8, 10. 29 So Palandt-Diederichsen, § 1381 BOB, Anm. 2b). 30 Staudinger-Thiele, § 1381 BOB, Rz. 13. 31 Münchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BOB, Rz. 24; Soergel-Lange, § 1381 BOB, Rz. 10; RORK-Finke, § 1381 BOB, Rz. 14; Palandt-Diederichsen, § 1381 BOB, Anm. 2t). Man spricht insoweit von einem überobligationsmäßigen Verhalten. 32 Münchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BOB Rz. 19; Staudinger-Thiele, § 1381 BOB, Rz. 7; Soergel-Lange, § 1381 BOB, Rz. 8, 11; Bosch, FamRZ 1958, 295; Kleinheyer, FamRZ 1957, 283; Für Iohannsen-Iäger, § 1381 BOB, Rz. 7, ist ein solches Verhalten ein Fall des § 1381 Ahs. 2 BOB, da es gegen das eheliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen kann. 33 RORK-Finke, § 1381 BOB, Rz. 8. 34 Palandt-Diederichsen, § 1381 BOB, Anm. 2b); Schwab, Handbuch, vn, Rz. 165, Fußnote 33, einschränkend auf den Fall einer nicht aufzuklärenden Vermögensverschwendung. 35 Den entgegengesetzten Weg geht Frischmann, Die grobe Unbilligkeit beim Zugewinnausgleich. Er hört an dem Punkt auf, an dem die folgende Untersuchung beginnt. Er legt § 1381 BOB auf der Grundlage des tradierten Methodenkanons aus (S. 17-144). Daß eine solche Vorgehensweise notgedrungen in einem willkürlichen Methodenpluralismus endet, wird unsere Kritik der Rechtsprechung zur Einrede der groben Unbilligkeit exemplarisch demonstrieren. 36 Strobel, S. 51 ff.

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Einleitung

Sein methodischer Ansatz hat aber keinen Anklang gefunden. Es wird geäußert, daß eine Typologie des grob Unbilligen lediglich die Auswahl und Wertung von relevanten Umständen des Falles erleichtert. 37 Insoweit wird Zurückhaltung empfohlen,38 Skepsis geäußert39 oder solchen Maximen die regelbildende Kraft abgesprochen. 4O Auch wird die Ansicht vertreten, daß gegenwärtig allenfalls Richtlinien oder Leitgedanken der Auslegung angegeben werden können. 41 Gleichwohl sieht man den Nutzen der juristischen Methodik für die Auslegung des § 1381 BGB noch nicht als widerlegt an. Man hält ihre Aufgabe noch keinesfalls für erledigt. Es wird darauf hingewiesen, daß die Dogmatik zu § 1381 BGB noch nicht ausgereift ist.42 Man vennißt eine überzeugende Standortbestimmung dieser Vorschrift43 oder beklagt, daß aufgrund der nicht gefestigten Rechtsprechung Momente der Unsicherheit und Instabilität bei der Anwendung der Nonn bestehen.44 Dieses Defizit greift die folgende Untersuchung auf. Sie dient der Klärung, ob dem offenen Wortlaut des § 1381 BOB durch die konsequente Anwendung von Auslegungsregeln ein fester oder zumindest eingrenzbarer Sinn gegeben werden kann oder ob der Sinn dieser Nonn lediglich für den Einzelfall festlegbar ist. Außerdem hat die Entwicklung der Rechtsprechung den Ansatz von Strobel veralten lassen. Seine Arbeit gründet fast ausnahmslos auf Literaturmeinungen zur Auslegung des § 1381 BOB, da sie zu einem Zeitpunkt verfaßt wurde, in dem die Rechtsprechung erst begann, in vereinzelten Urteilen, diese Vorschrift auszulegen. Das hat sich geändert. Die zwischenzeitlich entstandene Rechtsprechung zu § 1381 BOB ist zahlreich, und es fehlt nach wie vor eine diese Kasuistik systematisch aufarbeitende Analyse. Es ist unser Anliegen, auch diese Lücke zu schließen.

37 Johannsen-Jäger, § 1381 BGB, Rz. 4. 38 Münchener Komrnentar-Gemhuber, § 1381 BGB, Rz. 5. 39 Johannsen-Jäger, § 1381 BGB, Rz. 4; Soergel-Lange, § 1381 BGB, Rz. 3; Pa-

landt-Diederichsen, § 1381 BGB, Arun. 2). 40 Staudinger-Thiele, § 1381 BGB, Rz. 6. 41 Johannsen-Jäger, § 1381 BGB, Rz. 4; Soergel-Lange, § 1381 BGB, Rz. 3; Staudinger-Thiele, § 1381 BGB, Rz. 6. 42 Schwab, FamRZ 1984,525,530, r. Sp. 43 Bosch, Anm. zu BGH Urteil vom 22.4.1966, FamRZ 1966,566; Heckelmann, Grenzen der Leistungsverweigerung, S. 286. 44 MÜDchener Kommentar-Gemhuber, § 1381 BGB, Rz. 12.

ID. Der Fortgang der Untersuchung

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DI. Der Fortgang der Untersuchung Das Anliegen der Arbeit ist es, die Möglichkeiten und Grenzen methodischer Argumente bei der Auslegung einer Nonn des geltenden Rechts zu erproben. Diese Zielsetzung legt den Weg fest, den wir einschlagen, um den Streit über die Auslegung des § 1381 BOB und die Unsicherheit in der Literatur über den Nutzen der juristischen Methodik für die Lösung der Auslegungsprobleme dieser Nonn zu überwinden. Es wird weder der Methodenkanon der Rechtsprechung noch eine der von der Literatur entwickelten Methodenlehren favorisiert und für die richtige Fonn der Gesetzesauslegung gehalten, bevor die eigentliche Auslegung des Gesetzes beginnt. Die juristische Methodik wird nicht als ein fertiges Rezept genommen, dessen Anweisungen den Sinn der Nonn sicher erfassen. Der Streit über die richtige Methode der Auslegung wird nicht abstrakt gelöst. Er wird statt dessen an Hand der konkreten Auslegungsprobleme des § 1381 BOB entfaltet und entschieden. Die methodischen Argumente werden an den Auslegungsproblemen erprobt. Aber auch diese Vorgehensweise kommt ohne die Reflexion über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Methodenlehren nicht aus. Es bedarf einer übergreifenden Systematik, von der aus die voneinander abweichenden Wahrheitsansprüche der Methodenlehren kritisierbar und beschreibbar sind. Die Begründung dieses metatheoretischen Standpunktes, der ordnende Gesichtspunkte in die Vielfalt der Methodendiskussion einführt, bildet den Einstieg in die methodische Auslegung des § 1381 BOB. Auf diese Weise ergibt sich die folgende Unterteilung der Arbeit. Zunächst wird den erkenntnistheoretischen Grundlagen des Methodenkanons und der Methodendiskussion nachgegangen (1. Kapitel). Anschließend wird dargelegt, wie dieser metatheoretische Standpunkt die kritische Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur über die richtige Methode der Auslegung anzuleiten vennag (2. Kapitel). Es folgt die Analyse der Rechtsprechung (3. Kapitel) und Literatur (4. Kapitel) zu § 1381 BOB. Eine Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit schließt sich an (5. -7. Kapitel).

1. Kapitel

Juristische Methodik und Wahrheit Der metatheoretische Standpunkt betrachtet von außerhalb die Dinge. Er sucht in Ideen, Ereignissen oder Handlungen einen Sinn, der über die unmittelbare Wahrnehmung oder den reinen Nachvollzug von Gedanken hinausgeht. Die Dinge werden in einen neuen Zusammenhang gestellt. Darauf zielt auch die metatheoretische Reflexion über die Vielfalt der Methodendiskussion ab. Ihr Anliegen ist es, das bloße Nebeneinander der unterschiedlichen Methodenlehren zu beenden und auf der Grundlage einer übergreifenden Idee neu zusammenzuführen. Insoweit kann sich die Reflexion den Umstand zunutze machen, daß der Beschreibung einer Differenz zwischen Ereignissen, Gedanken oder Handlungen immer die Entdeckung einer Gemeinsamkeit vorausgeht. Auf dieses Gemeinsame beziehen sie sich unterschiedlich. Auch die verschiedenen Methodenlehren besitzen einen solchen gemeinsamen Nenner. Der von allen geteilte Ausgangspunkt der Methodendiskussion ist das Ringen um die Wahrheit des Rechts. An diesem Punkt kann also die Beschreibung der verschiedenen Methodenlehren erfolgreich einsetzen. Wenn sich die metatheoretische Reflexion der Frage zuwendet, wie in der Methodendiskussion das Problem der Wahrheit des Rechts behandelt wird und welche voneinander abweichenden erkenntnistheoretischen Wege zu dessen Lösung eingeschlagen werden, nimmt sie eine Perspektive ein, von der aus der Sinn der ansonsten unentwirrbaren Vielfalt der Methoden1ehren erfaßt werden kann. Allerdings verfehlt dieser erkenntnistheoretische Einstieg in die Methodendiskussion sein Ziel, wenn die geschichtlichen Voraussetzungen des Nachdenkens über die Rechtswirklichkeit und über die richtigen Formen der Gesetzesauslegung ignoriert werden. Methodenlehren sind keine zeitlosen Gedankengebilde. In ihnen spiegeln sich bestimmte Zustände der Gesellschaft, die Tradition, Wertvorstellungen über die richtigen Formen des Zusammenlebens, Utopien, Ängste, soziale Interessen, der Zeitgeist, philosophische Strömungen sowie die Individualität ihrer jeweiligen Verfechter wider. Die heutigen Methodenlehren sind ein Resultat der Geschichte, ebenso wie sie selbst Geschichte sind Diese bildet den Problemhorizont, von dem aus die Frage nach der Wahrheit des Rechts gestellt wird, und ihr entspringt die Tradition, die man versucht zu überschreiten, zu bewahren oder weiterzuentwickeln. Nimmt man diesen

I. Savigny und die Methodenlehre des 19. Jahrllunderts

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historischen Zusammenhang nicht zur Kenntnis, versteckt sich der Sinn der Methodendiskussion hinter der Geschichte. Die Geschichte der gegenwärtigen Methodendiskussion in Deutschland beginnt im 19. Jahrhundert. Sie ist eine Antwort auf den Methodenkanon, den die Rechtsprechung im vorigen Jahrhundert von der Privatrechtswissenschaft übernahm. Die Darstellung des Zusammenhanges zwischen Methodendiskussion und Wahrheit beginnt deshalb im 19. Jahrhundert mit der Methodenlehre Savignys. Mit ihm setzt die heute vorherrschende Methodik der Gesetzesauslegung ein (I). Ausgehend von der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches (II) wird sodann der Wandel des Privatrechts in unserem Jahrhundert knapp skizziert und die mit ihm einhergegangene Erweiterung des Methodenkanons der Rechtsprechung um die teleologische Auslegung (Ill). Danach werden die verschiedenen Strömungen der heutigen Methodendiskussion behandelt (IV).

I. Savigny und die Methodenlehre des Privatrechts im 19. Jahrhundert Die in den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts vorherrschende l Methodenlehre des Privatrechts wurde in ihrer reinsten Gestalt von Savigny klassisch formuliert. Für ihn, der am Anfang der Ideenwelt der historischen Rechtsschule und der sich aus dieser entwickelnden Begriffsjurisprudenz steht, ist das Recht eine vom menschlichen Bewußtsein hervorgebrachte und ausschließlich in diesem anzutreffende reine Rechtsidee, welche die dort entstehenden Ideen über die Welt reguliert, die nach der Vorstellung der Menschen Wirklichkeit werden sollen und auch können. 2 "Betrachten wir den Rechtszustand" , führt er aus, "so wie er uns im wirklichen Leben von allen Seiten umgiebt und durchdringt, so erscheint uns darin zunächst die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht, und mit unserer Einstimmung herrscht. Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person, gleichbedeutend mit BefugniS: Manche nennen es das Recht im subjectiven Sinn."3 Diese Herrschaft des Willens im subjektiven Recht über Handlungen, Personen und Sachen in der Wirklichkeit ist begrenzt durch das "Recht im objectiven Sinn". Das ist eine allgemeine Regel, von der die einzelnen Rechte beherrscht werden. "Sie erscheint in sichtbarer Gestalt besonders in dem Gesetz, welches ein Aus1 Larenz, Methodenlehre, S. 13, 15 f., 24 und 31 ff. 2 Zum Nonnverständnis der historischen Rechtsschule und der Begriffsjwisprudenz vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 348458; Larenz, Methodenlehre, S. 1-24; Wilhelm, Zur juristischen Methodenlehre, insbesondere S. 70 ff.; Herberger, Dogmatik, S. 345410; Bjöme, Deutsche Rechtssysteme, S. 154 ff.; Wesenberg-Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, S. 180 und S. 188,jeweils m. w. N.; Coing, Europäisches Privatrecht n, S. 41-53, 270-280. Zu Savigny: Rückert, Idealismus, Jwisprudenz, S. 303-375; Schäfer, Savigny, S. 215 ff. 3 Savigny, System des römischen Rechts, Bd. I, S. 7.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

spruch der höchsten Gewalt im Staate über die Rechtsregel ist", 4 und dieses ist Teil des alle Rechtsregeln zusammenfassenden und sie beherrschenden Systems des positiven Rechts. So begrenzt das Gesetz weder willkürlich oder zufällig noch im Rhythmus der sich verändernden sozialen Verhältnisse die Privatrechte des Einzelnen. Vielmehr ist es ein in der geschichtlichen Entwicklung sich herauskrista1lisierendes oder, wie es später von der Begriffsjurisprudenz verfochten wird, ein durch reines Denken deduzierbares wahres Rechtssystem, so daß die den menschlichen Willen begrenzenden Vorschriften unveränderlich feststehende Rechtsregeln sind. Sie sind ein Produkt des menschlichen Geistes, eine reine Idee über die Wirklichkeit. Die Erfahrung der Menschen in der Welt kann sie weder verändern noch ruft diese sie hervor. Allenfalls ist sie behilflich, daß man sich der wahren Rechtsregeln bewußt wird. Ein derartiges objektives Recht vermag die subjektiven Rechte des Menschen auch tatsächlich zu beherrschen. Denn das subjektive Recht ist eine reine Idee. Es ist als Wille ein reiner Bewußtseinszustand, der sich einem System der objektiven Rechte bedingungslos unterzuordnen hat. Dieses ist ein absolut unüberschreitbares Gedank.engebäude, dem sich auch die Idee des Willens zu beugen hat. Außerdem herrschen die den Willen bestimmenden Rechtsideen des objektiven Rechts auch vollends über die Wirklichkeit, da sie, sobald sie den Inhalt des Willens geregelt haben, dessen Macht besitzen, sich in der Welt zu verwirklichen. Diese von Savigny entworfene Rechtsidee garantiert, daß die GesetzesausIegung mit der Hilfe einer Methode betrieben werden kann, die niemals ins Leere führt. Deren Auslegungsregeln bringen mit Sicherheit den Sinn des Gesetzes hervor. Weil nämlich das Recht aus einer reinen über die Erfahrungen der Menschen herrschenden Idee besteht, ist es eine Wahrheit, die von jedermann auf identische Weise erkennbar ist. Und diese Wahrheit hat ihr wirkliches Dasein im positiven Recht,S das durch die Sprache im Gesetz verkörpert und mit absoluter Macht versehen ist6• Insofern sind alle an einem Zivilprozeß Beteiligten Institutionen und Personen an sie gebunden, der Gesetzgeber, das Gericht und die Parteien. Also sind die Rollen von Rechtsprechung und Gesetzgebung austauschbar. Die Gerichte rekonstruieren die Wahrheit des Gesetzes, so wie sie der Gesetzgeber wahrgenommen und sprachlich fixiert hat. "Die Auslegung versetzt sich im Gedanken auf den Standpunkt des Gesetzgebers. "7

4 Savigny, S. 9.

5 Ebenda, S. 39. 6 Ebenda, S. 213.

7 Ebenda, S. 207.

ll. Die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches

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Diese "freye Geistestätigkeit läßt sich dahin bestimmen, daß wir das Gesetz in seiner Wahrheit erkennen". Auch ist diese Wahrlteit "durch Anwendung eines regelmäßigen Verfahrens erkennbar"8. Denn das Recht ist ein Rechtssystem, dessen Widerspruchsfreiheit jeder Vorschrift ihren eindeutigen Sinn gibt. Es ist vernünftig, so daß die Auslegung im Blick auf das Rechtssystem jede Unkla.theit über die Wahrheit eines Gesetzes beseitigen kann. Dies leistet ein Kanon von vier Auslegungsregeln. Bei der Ennittlung des Sinnes eines Gesetzeswortlautes sind die Regeln der Grammatik, die Logik, der innere Zusammenhang, der alle Rechtsinstitute und Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft, sowie der Wille des historischen Gesetzgebers zu berücksichtigen. Auf diese Weise wird der dem Gesetz innewohnende Gedanke rekonstruiert. 9 So bewahrt die Auslegung die Herrschaft der sich selbst rein im Gedanken bewußt werdenden Rechtsidee über die soziale Wirklichkeit.

11. Die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches Anspruch und Wirklichkeit Die exemplarisch bei Savigny dargestellten Auslegungsregeln des Privatrechts in den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts gründen auf einer Rechtsidee, die spätestens durch die Entwicklung des Privatrechts in unserem Jahrhundert widerlegt worden ist. Diese hat ein Recht hervorgebracht, welches einem solchen Normverständnis nicht entspricht. Das gegenwärtige Privatrecht teilt nicht mehr mit der historischen Rechtsschule und der Begriffsjurisprudenz die Grundüberzeugung, daß das Recht eine rein dem Bewußtsein entsprungene Rechtsidee ist. Statt dessen ist eine Öffnung des Rechts gegenüber der sozialen Wirklichkeit eingetreten. Das Privatrecht reagiert auf sie und verändert sich mit ihr. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ab. Zwar ist dessen Grundkonzeption der Rechtsidee der historischen Rechtsschule und der Begriffsjurisprudenz entsprungen. 10 Es ist insoweit das "spätgeborene Kind der Pandektenwissenschaft"11. Doch tatsächlich wird diese aus dem Rechtsdenken der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts erwachsene Grundkonzeption im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht konsequent und widerspruchsfrei eingehalten. Diese ist kein Normprogramm, das vollständig von der sozialen Wirklichkeit abstrahiert, in die es regelnd eingreift.

8 Savigny, S. 214. 9 Ebenda, S. 213. 10 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 458 ff.; Dölemeyer, Deutschland, Kodifikation und Projekte, S. 1604 ff.; Wesenberg-Wesener, S. 210 f.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

1. Das Privatrecht als System subjektiver Rechte Der systematische Ausgangspunkt des Bürgerlichen Gesetzbuches ist der in der Rechtsgeschäftslehre des Allgemeinen Teil~ vorausgesetzte von der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts entwickelte Begriff des subjektiven Rechts. Darauf weisen die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch auch ausdrücklich hin. Nach ihnen "ist Rechtsgeschäft im Sinne des Entwurfes eine Privat-Willenserklärung, gerichtet auf Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist" 12. Danach schafft allein die Willensmacht der Individuen Rechtsbefugnisse, die andere verpflichten. Sie ist Grenze der Verrechtlichung, aus der Sichtweise des Berechtigten gesprochen, oder, aus der Sichtweise des Verpflichteten ausgedrückt, alleiniges Prinzip der Zurechnung. Nur ein Verstoß gegen den Willen des anderen ist Unrecht. Sodann folgen im Aufbau des Bürgerlichen Gesetzbuches die Willensmacht regelnde und begrenzende Rechtsinstitute: das Schuldrecht und das Sachenrecht. Diese Funktion besitzen nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers auch die personenrechtlichen Rechtsinstitute des Familienrechts und des Erbrechts. Endlich gibt es eine Anzahl stabilisierender Eckpfeiler des auf der Willensmacht gründenden Rechtssystems. Das sind insbesondere das Bereicherungsund das Deliktsrecht sowie im Sachenrecht der Herausgabeanspruch des Eigentümers, das Eigenmmer-Besitzer-Verhältnis und die Realakte der Verbindung, der Vermischung und der Verarbeitung. Diese Nonnen garantieren, daß dem Willen die Objekte seiner Willensbildung nicht durch Zerstörung oder Beschädigung (§§ 823 ff.), Entziehung oder Benutzung (§§ 985 ff.) oder durch Arbeit oder Zufall (§§ 946 ff.) entzogen werden und daß die rechtlich geregelte Willensbildung nicht aufgrund von sie durchkreuzenden Gründen (§§ 812 ff.) verhindert wird. Diese Nonnen sollen sicherstellen, daß sich die Macht des Willens in der Wirklichkeit unter Einhaltung der Regeln des objektiven Rechts zu entfalten vennag. Ein derartiges System des Privatrechts definiert die tatbestandlichen Voraussetzungen von Rechtsfolgen im Vemältnis zur sozialen Wirklichkeit abstrakt, sofern es konsequent bis hin zu den einzelnen subjektiven Rechten durchdacht ist. 13 Es interpunktiert 14 von sich aus die sozialen Kontexte, auf die es sich bezieht, das heißt es legt die einzelnen Ausschnitte aus ihnen fest, welche vom 11 Wieackcr, Industriegescllschaft und Privattechtsordnung, S. 15. 12 Motive I, S. 126. 13 Vgl. dazu Bocluncr, Grundlagen des Bürgerlichen Rechts und insbesondere Einführung in das Bürgerliche Recht, Bd. 2, S. 74 ff.

11. Die Systematik: des Bürgerlichen Gesetzbuches

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Richter wahrgenommen werden, und gibt ihre Struktur vor. Je präziser aber der Gesetzgeber diese Gesetzestechnik einhält, um so kleiner und überschaubarer wird der bei ihrer Anwendung im Prozeß der Urteilsfindung zu beobachtende Sachverhalt, auf den sie sich beziehen können. Jede Berücksichtigung des umfassenderen sozialen Kontextes, in dem das Beobachtete stattfindet, erübrigt sich. Jeder Gedanke, in welchem Ausmaß und aus welchen Gründen der Gesetzgeber soziale Sachvemalte verrechtlicht hat oder welchen Sinn die zu beobachtenden Ausschnitte der sozialen Wirklichkeit für die in ihnen agierenden Menschen oder den Gesetzgeber haben, ist übertlüssig. Es zählt nur die Überlegung, daß das Wahrgenommene Rechtsfolgen auslösen könnte, die Menschen zugerechnet werden. Das Privatrecht ist ein reines Konditionalprogramm.lS 2. Widersprüche im System des Bürgerlichen Gesetzbuches

Tatsächlich löst das Bürgerliche Gesetzbuch seinen alles übergreifenden systematischen Anspruch auf diese Weise nicht konsequent ein. Es reguliert nicht ausschließlich durch reine Begriffe den Willen der Menschen. Insofern ist es ein System des Bürgerlichen Rechts mit zahlreichen Ungereimtheiten und Brüchen. 16 Dies gilt insbesondere im Familienrecht. Es reiht sich nicht folgerichtig in das begriffliche System des Gesetzes ein. Die zu diesem Zweck erforderliche Abstraktion von den familiären Beziehungen in der Wirklichkeit wurde nicht durchgeführt. Das Familienrecht ist nicht konzipiert als Prinzip, das die gegeneinander wirkende Willensmacht der Familienmitglieder reguliert. Statt dessen wurden die in diesem Rechtsgebiet geltenden Rechte in Anlehnung an die tatsächlichen Lebensverhältnisse in der Familie gewonnen, so wie der Gesetzgeber sich diese Wirklichkeit vorstellte. 17 Seine Idee von der Wirklichkeit hat er dann umgeformt in die rechtlichen Ordnungen von Ehe, Verwandtschaft und Vormundschaft. Ereignisse in diesen Rechtsinstituten, wie zum Beispiel die Geburt, die Volljährigkeit, der Tod, die Heirat 18 oder eine gerichtliche Ent14 Wir bezeichnen im Anschluß an Watzlawick/Beavin/Jackson, Menschliche Kommunikation, S. 57-61, die Strukturierung von Ereignisfolgen in der sozialen Wirklichkeit als Interpunktion. IS Es hat sich mit Luhmann, Rechtssoziologie, S. 227-234, eingebürgert diese Form der Oesetzestechnik als Konditionalprogramm zu bezeichnen. Zur Ausblendung des sozialen Kontextes Familie im Familiemecht vgl. Troje-Meyer, Familiendynamik 1984, 304 ff. 16 Vgl. dazu Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 474-478 und S. 486488, jeweils m. w. N., zur älteren Kritik am System des BOB; zur neueren Kritik vgl. MÜDchener Kommentar-Säcker, Einleitung, Rz. 23 ff. 17 Vgl. zu dieser bereits von Zitelmann, Der Wert eines "allgemeinen Teils", S. 11, angesprochenen Kreuzeinteilung des BOB Oemhuber, Familienrecht, S. 8. 3 Rommel

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1. Kap.: Juristische Methodik und WahIheit

scheidung, haben Rechte oder Pflichten zur Folge. Dabei sind die Regeln des objektiven Rechts keine Bedingungen der rechtmäßigen Entfaltung des Willens der Familienmitglieder. Sie münden nicht in subjektiven Rechten.l 9 Die Verwandtschaft führt zu einem vom Willen des Unterhaltsverpflichteten losgelösten Anspruch auf Unterhalt. Die Heirat endet in vom Willen der Verheirateten unabhängigen persönlichen und vermögensbezogenen Pflichten, denen keinesfalls spiegelbildlich jeweils bestimmte Rechte zugeordnet sind. Ursprünglich war es der Vater und inzwischen, in der geltenden Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches, sind es die Eltern gemeinsam, welche die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes tragen. Sie leiten nicht nur dessen Willen an. Dasselbe gilt im Verhältnis von Vormund und Mündel. Also ist selbst aus der Perspektive des begrifflichen Systems das Familienrecht kein Ort, in dem sich der freie Wille gemäß seinen Vorstellungen über familiäre Beziehungen rechtmäßig entfalten soll. Hier strukturiert der Gesetzgeber keine Ideen der Menschen über die Welt auf der Grundlage einer wahren Rechtsidee. Vielmehr sind es die sozialen Beziehungen selbst, die ihm als regelungsbedürftig erscheinen und nicht nur das menschliche Bewußtsein, das sich auf diese richtet oder in diese integriert ist.

18 Nach vorherrschender Meinung ist die Eheschließung ein Vertrag. MÜßchener Kommentar-Gindullis, § 11 EheG, Rz. 5 m. w. N.; a. A. ist zu Recht Palandt-Diederichsen, Einf. vor § 11 EheG, Anm. 1. 19 So im Ergebnis auch Esser, Einführung in die Grundbegriffe des Rechts, S. 154; Raiser, JZ 1961,465,470 f.; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 227 ff., insbesondere S. 234 f. Ordnet man hingegen mit dem historischen Gesetzgeber und der früher vorherrschenden Meinung die Familienrechte den subjektiven Rechten zu (von Tuhr, Allgemeiner Teil, § 611; Enneccerus-Nipperdey, § 7811; Dölle, Familienrecht, Bd. I, § 1 V) wird die diesem Rechtsbegriff zugrundeliegende Idee bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Man muß dann mit dem historischen Gesetzgeber den Status von Ehe, Verwandtschaft und Vormundschaft in sittliche Ordnungen umdeuten, die auch rechtlich gewollt sind und somit nicht zur Disposition des freien Willens stehen (so Motive IV, S. 104: "Die Ehe ist als eine vom Willen des Gatten unabhängige sittliche und rechtliche Ordnung anzusehen." V gi. auch S. 301) oder die sogar zur Herrschaft über Personen berechtigen (Enneccerus-Nipperdey, §§ 73 12 und 77 I 2; Dölle, § 1 V 1; ablehnend Gemhuber, Familienrecht, § 2 11 4; Larenz, Allgemeiner Teil, § 13 11 1). Den Begriff des subjektiven Rechts kann man aber auch nicht mit Gemhuber, Familienrecht, § 2 11 6, retten, indem man dem Willen ein ihm immanentes Pflichtgehalt aufoktroyiert. Pflichten entspringen den Regeln des objektiven Rechts. Insofern sind Pflichtrechte "im Rahmen des begrifflichen Systems denkunmöglich (Larenz, Methodenlehre, S. 437, aber in Allgemeiner Teil, § 14 n 2, wie Gemhuber). Im übrigen wird in den neueren Kommentierungen zum Familienrecht die Frage nach der Einordnung der Familienrechte in das System der subjektiven Rechte umgangen. Man hebt allein die Besonderheiten derartiger Rechte hervor (vgl. Palandt-Diederichsen, Einf. vor § 1297 BGB, Anm. 1 f.; MÜßchener Kommentar-Rebmann, Einl. vor § 1297 BGB, Rz. 8-17; Soergel-Lange, Einf. vor § 1297 BGB, Rz. 4 ff.

ill. Der Wandel des Privatrechts

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III. Der Wandel des Privatrechts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches Die Gesetzgebung hat sich nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches immer weiter von der Idee der Herrschaft eines einzigen Systems von Privatrechtsnormen über die Wirklichkeit entfernt. Die Rechtsprechung hat sich dieser Entwicklung angeschlossen und sie teilweise sogar vorweggenommen.

1. Gesetzgebung Der Gesetzgeber hat in einzelnen Rechtsgebieten, insbesondere im Arbeitsrecht, die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches überschritten. Die unmittelbare Reaktion auf bestimmte soziale Verhältnisse oder Interessen ist für die Gesetzgebung zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Veränderung der Welt oder eine veränderte Einstellung zu ihr ist Antrieb zur Gesetzesänderung im Privatrecht. Es gibt keinerlei Bestrebungen, das Recht in Richtung auf ein vollkommenes Rechtssystem zu verbessern. 20 In diesen Auflösungsprozeß der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches reiht sich die im Privatrecht beobachtbare Tendenz in Richtung auf offene Normen ein. Bei ihnen gibt der Gesetzgeber der Rechtsprechung nicht eine bestimmte aus seiner Vorstellung über das richtige Recht abgeleitete Rechtsregel vor, die in der Wirklichkeit zu befolgen ist. Vielmehr gibt er nur vage einen Ausschnitt der Welt an, der verrechtlicht werden soll. Somit sind es Ereignisse in der Welt, von denen in diesem Fall der Impuls zur Entstehung, Fortbildung und Systematisierung von Recht ausgeht. Mit der Einführung des ZeITÜttungsprinzips im Scheidungsrecht, der Neuregelung des elterlichen Sorgerechts, der Einführung der Zugewinngemeinschaft oder der Regelung des Versorgungsausgleiches hat der Zeitgeist unseres Jahrhunderts das am Patriarchat und dem Modell von Befehl und Gehorsam ideologisch ausgerichtete Familienrecht des 19. Jahrhunderts abgelöst. Die Veränderung der Sozialstruktur, verwandelte Geschlechterrollen, andere Ideen von Kindheit und Erziehung, der sinkende Einfluß der Kirchen, die Entwicklung neuer Werthaltungen, eine veränderte Auffassung von ehelichen und verwandtschaftlichen Bindungen, der veränderte Umgang mit Gefühlen sowie die neuen

20 Zu diesem Wandel der Gesetzesherrschaft vgl. die grundlegende Studie von Neumann, Funktionswandel des Gesetzes im Recht der bürgerlichen Gesellschaft. Wiethölter, Entwicklung des Rechtsbegriffs, analysiert diese Entwicklung als Übergang von einer materialen und formalen Rationalität hin zu einem prozeduralen Progranun der Verrechtlichung, das nicht auf soziale Gewährleistung zielt, sondern auf Bedingungen der Möglichkeit solcher Gewährleistungen (S. 43) in einer sich verändernden Gesellschaft.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

Aufgaben und Belastungen der Familie im Sozialstaat haben das ihrige dazu beigetragen. Insgesamt ist jedoch kein übergreifendes Programm des Gesetzgebers vorhanden, das diese übeI3ll im Privatrecht aufzeigbare Tendenz des Rechts in Richtung auf die soziale Wirklichkeit plant, steuert, koordiniert oder korrigierend in sie eingreift. Es existiert innerhalb der politischen Institutionen keine Rechtsidee, keine Vision und keine kontinuierliche Diskussion, die das Problem der Verrechtlichung im Privatrecht grundsätzlich thematisiert und ihm klare Konturen gibt. Statt dessen zeichnen sich Gesetze zunehmend dadurch aus, daß sie Entscheidungen vermeiden und an Gerichte und Verfahrensbeteiligte delegieren, aus welchen Gründen auch immer. Verfassungsgerichtsbarkeit, richterliche Rechtsschöpfung und Partizipation am Verfahren können jedoch das Gesetzgebungsverfahren und die politische Debatte nicht ersetzen, weil sie lediglich punktuell im Einzelfall reagieren. Sie können nicht selbst initiativ gestaltend tätig werden. 2. Die Rechtsprechung

Die Rechtsprechung zum Privatrecht hat sich nach der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht an dessen Rechtsbegriff gehalten. Die Gerichte haben das Recht mit gestaltet. Unter der Gesetzesauslegung verstehen sie nicht mehr lediglich die Rekonstruktion der Vernunft des gesetzgeberischen Willens. a) Normative Zurechnung als Grenze der Verrechtlichung Die Gerichte haben rechtsschöpferisch das System des Bürgerlichen Gesetzbuches durchbrochen und die ihm zugrundeliegende Idee eines von den Erfahrungen der Menschen in der Welt sich verschließenden Rechts nicht übernommen. Zum einen haben sie das subjektive Recht von einer reinen Idee in ein soziales Verhältnis umgewandelt. Bei der positiven Forderungsverletzung oder bei einer culpa in contrahendo ist die Willensmacht nicht mehr die Grenze privatrechtlicher Verrechtlichung. An deren Stelle treten, je nach den besonderen Umständen in der sozialen Wirklichkeit, in der eine Norm gilt, Sorgfaltspflichten, die normativ zugerechnet werden. Diese lösen Rechtsfolgen aus. 21 Die Rechtswissenschaft hat diese Fntwicklung mit forciert. Für das

21 Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Altemativkommentar-Hart, vor § 116 BOB, Rz. 28 f. und Rz. 69-74, jeweils m. w. N.

m. Der Wandel des Privatrechts

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modeme Privatrecht ist die Geltung von Nonnen in sozialen Beziehungen der zentrale Begriff und nicht die dem Willen entspringende Befugnis. 22 b) Die teleologische Auslegung Die Rechtsprechung hat nicht nur im Wege der Rechtsschöpfung die Öffnung des Privatrechts gegenüber der sozialen Wirklichkeit mit vorangetrieben. Bei der Rechtsanwendung hat sie sogar diese erst nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches von Seiten des Gesetzgebers mitgetragene Tendenz darüber hinaus auch ihrerseits vorweggenommen. Mit der Begründung einer objektiven Auslegungstheorie durch Binding, Kohler und Wach23 in den achtziger Jallren des vorigen Jahrhunderts und dem Aufstieg der Interessenjurisprudenz begann der Siegeszug der teleologischen Auslegung. Sie erweiterte ab diesem Zeitpunkt als neue Regel den ursprünglichen Kanon der granunatikalischen, der logischen, der systematischen und der historischen Auslegung. In dieser neuen Auslegungsregel dokumentiert sich die von Jhering eingeleitete Abkehr von dem Nonnverständnis der historischen Rechtsschule und der Pandektistik. Für ihn ist "der Zweck der Schöpfer des gesamten Rechts"24. Es wird unterstellt, daß jeder Nonn ein Zweck immanent ist. Dieser gibt ihr ihren Sinn. Von dieser Wahrheit kann die Gesetzesauslegung immer ausgehen. Sie erforscht die ratio legis als Zweck des Gesetzes an sich, unabhängig davon ob der Gesetzgeber etwas mit ihm bezweckt hat. "Das Gesetz kann einsichtiger sein als der Gesetzgeber", legt Wach dar, "und wir werden letzterem den Gedanken unterlegen müssen, dass er das Gesetz so verstanden wissen will, wie es vernünftigerweise im VeIhältnis zu seinem Zweck und dem übrigen Recht verstanden werden will."25 Auf diese Weise aber ist die soziale Wirklichkeit auch Gegenstand der Auslegung. Denn der Zweck ist eine Idee über den Ausschnitt der Welt, den das Gesetz regeln soll. In ihm reflektiert sich

22 Vgl. dazu Latenz, Allgemeiner Teil, § 12 I (Über die Struktur des RechtsveIhältnisses) und § 13 I (Zur Diskussion über das subjektive Recht). Einen Überblick über die verschiedenen Modelle privatrechtlicher Verrechtlichung gibt AltemativkommentarHart, vor § 116 BGB, Rz. 107 ff. Umfangreiches Anschauungsmaterial zur Verschiebung der Grenze der Verrechtlichung im Privatrecht enthält Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 349 ff. Er stellt ausführlich die historische Entwicklung des Streites über den Inhalt des Rechtsbindungswillens dar. 23 Binding, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, S. 456; Kohler, Über die Interpretation des Gesetzes, S. 7 f.; Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts, Bd. I, S. 257. 24 Der Zweck im Recht, Bel. 2, IV. Nach Kohler, S. 34, ist das "Wort Träger von etwas Geistigem; es ist die Verkörperung eines bestimmten geistigen Zwecks". 25 Wach, S. 258.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

die Welt, wie sie sein soll, mit der Welt, wie sie ist. Der Zweck herrscht nicht über die Welt. Er beurteilt sie und stellt sich auf sie ein. 26 c) Teleologische Auslegung und Methodenpluralismus Das Problem der teleologischen Auslegung ist, daß die mit ihr angestrebte Einbeziehung der sozialen Wirklichkeit in das Recht auf die unterschiedlichste Art und Weise vollzogen werden kann. Denn was ist ein Gesetzeszweck? Man kann sich unter ihm eine das Gesetz verursachende Idee vorstellen, ebenso wie er davon losgelöst als die Idee angesehen werden kann, die jedermann besitzen muß, damit er das Gesetz versteht. Wie immer man sich auch entscheidet, es bleibt dann weiterhin noch zu klären, ob dieser Zweck sich irrational oder vernünftig auf die Welt bezieht, in welchem Umfang er dabei die sozialen Beziehungen reflektiert und ob er sich mit den Veränderungen in der Wirklichkeit auch verändert oder sich gegen sie stellt. Man kann aber auch von vornherein den Zweck aus dem Bewußtsein in die Wirklichkeit verlegen. Dann ist unklar, ob er den Bedürfnissen der Menschen entspricht, sich funktional auf die bestehenden sozialen Verhältnisse bezieht, das Interesse an einer gesetzlichen Regelung ist, als Natur der Sache innewohnt, sich verändert oder unveränderlich feststeht. Die Rechtsprechung löst dieses Problem, indem sie methodischen Anspruch und tatsächlich praktizierte Methode auseinanderfallen läßt. Wie dies funktioniert, hat Esser mit aller Schärfe aufgedeckt. Das Gesetz wird zunächst auf der Grundlage eines Vorverständnisses von der Sache ausgelegt. Den auf diese Weise gefundenen Sinn der Vorschrift gibt man anschließend als deren Zweck aus. 27 So wird der Methodenkanon der grammatikalischen, semantischen und 26 Daß mit der Anerkennung der teleologischen Auslegungsmethode zugleich ein neuer Rechtsbegriff eingeführt wird, welcher der dem Methodenkanon von Savigny zugrundeliegenden Rechtsidee widerspricht, wird zumeist übersehen. Der Wille stellt eine andere Grenze der Verrechtlichung dar als der Gesetzeszweck. Die von der herrschenden Meinung benutzte Fiktion des objektivierten Willens des Gesetzgebers (dazu Palandt-Heinrichs, Einl., VI 3a m. w. N.) kann diesen Bruch im Rechtsbegriff nicht überspielen. & sind systematisch nicht zu vereinheitlichende philosophische Konzepte, die sich in der Idee der praktischen Vernunft als Gesetzgeberin des freien Willens und in der Idee der Teleologie entfalten. Für Kant ist daher die Teleologie ein Teil seines Systems der Urteilskraft (Kritik der Urteilskraft, S. 305 ff.), während das Recht dem System der praktischen Vernunft entspringt, in dem die Zwecke zugleich Pflichten sind (vgl. Metaphysik der Sitten, S.45, 20-32). Insofern sind zwangsläufig alle Versuche, diesen Unterschied mit einer Geltungstheorie zu nivellieren, wenig überzeugend (einen Überblick über die verschiedenen Geltungstheorien gibt Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 53 ff.). Vollends verfehlt ist es, die Idee der praktischen Vernunft und diejenige des Gesetzeszweckes mit Gewalt nach dem Modell von Befehl und Gehorsam zusammenzuführen, wie es von der Imperativentheorie vorgeschlagen wird (vgl. dazu

m. Der Wandel des Privatrechts

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teleologischen Auslegung dem Anspruch nach eingehalten. Doch in Wirklichkeit hält man sich nicht an diese methodischen Grundsätze. Je nachdem, welcher Zweig der Rechtsprechung, welche Instanz, welches Gericht oder welcher Richter urteilt, welches Gesetz ausgelegt oder welche Fallgruppe entschieden wird, werden verschiedene Methoden der Auslegung und Alltagstheorien 28 angewandt. Es besteht ein Methodenpluralismus. 29 Infolgedessen ist der Fortgang der Rechtspraxis eine ausschließlich an den bei der Entscheidung des Einzelfalls zu lösenden Problemen orientierte ungeordnete Bewegung. d) Der Methodenpluralismus im Familienrecht Die familienrechtliche Rechtsprechung bildet keine Ausnahme. Eine übergreifende, einheitliche Methode bei der Auslegung der zahlreichen offenen Normen der verschiedenen familienrechtlichen Rechtsinstitute ist nicht erkennbar. Ausschließlich im Unterhaltsrecht ist man bemüht, durch die Verwendung von Tabellen zur Errechnung der Höhe des Unterhalts dem Methodenpluralismus entgegenzuwirken. 30 Abgesehen davon, daß eine derartige Form der Auslegung gegen alle Regeln des klassischen Methodenkanons verstößt, kann sie nicht auf die anderen Rechtsinstitute des Familienrechts übertragen werden und ist darüber hinaus nur in der Regel und nicht in AusnahmefaIlen anwendbar. Die Rechtswissenschaft setzt sich mit diesem Methodenpluralismus der Rechtspraxis im Familienrecht lediglich verzagt auseinander. Es fehlt eine umfassende rechtsdogmatische Untersuchung über die zahlreichen offenen Normen des Familienrechts. 31 Überhaupt sind die Mittel zu einer die Gesetzesauslegung methodisch anleitenden Rechtsdogmatik des Familienrechts gegenwärtig nicht vorhanden. Die hierzu benötigte übergreifende und von allen geteilte Erklärung der Beziehungen zwischen familiärer Wirklichkeit und Recht gibt es nicht. 32 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 22 ff.; eine vortreffliche Kritik an dieser Theorie findet man bei Hart, The Concept ofLaw, S. 45 ff.). 27 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsf'mdung, S. 7 und S. 125 f. 28 V gl. Bilikle, Richterliche Alltagstheorien im Bereich des Zivilrechts. 29 Dazu Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 125. 30 Zur Problematik derartiger Tabellen siehe Diedrich, Unterhaltsberechnung nach Quoten und Tabellen, insbesondere im zweiten Abschnitt der Untersuchung, S. 51 ff. 31 Ansätze in diese Richtung findet man bei Gemhuber, Neues Familienrecht, S. 79 ff. und Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 265-276. 32 Daß insoweit der Streit über den vertraglichen oder den institutionellen Charakter der Ehe nicht weiterführt, ist zum Allgemeingut .~eworden (zusammenfassend MÜDchener Kommentar-Wacke, § 1353, Rz. 1 f.; einen Uberblick über die Geschichte der juristisch vertretenen Ehekonzeptionen f'mdet man bei Hepting, Ehevereinbarungen). Es steht eine rechtstheoretische Umorientierung an (vgl. hierzu die grundlegende Studie

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

Insofern ist die methodische Unsicherheit bei der Auslegung der Einrede der groben Unbilligkeit nach § 1381 BGB nur ein Spiegelbild, das im Kleinen den Methodenpluralismus in der Rechtsprechung und die Unsicherheit in der Literatur über die richtige Methode der Rechtsfindung wiedergibt. Für uns ist sie ein Versuch, die grundlegenden methodischen Schwierigkeiten, die jedem offenen Gesetzestext entspringen, praktisch zu meistem.

IV. Die Methodendiskussion Daß innerhalb der Methodendiskussion der Literatur der Auslegungskanon der Rechtsprechung von unterschiedlichster Seite kritisiert und abgelehnt wird, ist gemessen am Anspruch der juristischen Methodik naheliegend. Die in ihm vorausgesetzte Herrschaft der reinen Rechtsidee über die soziale Wirklichkeit und die Immanenz der Zwecke im Recht ist angesichts der Entwicklung des gegenwärtigen Privatrechts eine zweifelhafte Wahrheit. Erstens steht die Rechtsidee der historischen Rechtsschule und der Begriffsjurisprudenz am Ende der Geschichte. In diesem Privatrechtssystem vollendet sich das Recht. Eine solche Wahrheit steht über der Zeit. Es wird negiert, daß die einem Rechtssystem zugrundeliegenden Prinzipien und die mit ihnen jeweils angestrebte Verrechtlichung sich mit der sozialen Wirklichkeit verändern. Walubeiten über das Recht sind zeitgebunden. Historische und systematische von Eekelaar, Familienrccht und Sozialpolitik, die den sozialen Wandel der Familie mit einbezieht). Doch in welche Richtung diese erfolgen soll, ist unklar. Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung, verlangt in Bezug auf die Verrechtlichung familiärer Beziehungen "die AneIkennung privatautonomer Gestaltung der persönlichen Lebell$verhältnisse und das Abstellen auf die konkret gelebte Beziehung im Einzelfall" (S. 274). Andere halten hingegen dem realen Wandel in der Familie eine nonnative Betrachtungsweise entgegen. Für Müller-Freienfels, Ehe und Recht, konunt es darauf an, unter Beachtung der ontologischen Grundgegebenheiten zwischen Falldenken und Nonndenken die richtige Mitte zu finden (S. 88). Für Diederichsen, "Richtiges" Familienrecht, führt die Konkretisierung des positiven Rechts durch rechtsethische Prinzipien im Familienrecht hin zum richtigen Recht (S. 129). Dagegen möchte Ranun, Familienrecht, sich am verfassungsrechtlichen Leitbild der Ehe orientieren (S. 152), während Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, die Konzipierung eines Allgemeinen Teils des Familienrechts (S. 5) durch Herausarbeiten des in ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften rechtlich Gewollten (S. 343 ff.) anvisiert. Schlüter, Familienrecht, stellt auf eine "subtile Analyse" der Nonnen von Verfassung, positivem Recht und der ihnen zugrundeliegenden Wertvorstellungen ab (~ 2 I). Hoffinann, Erfahrung der Familie, bestimmt die Begriffe Familie, Familienangehöriger und anderer Verwandter. Einen anderen Weg schlägt Troje, Gestohlene Liebe, ein. Für ihn ist die Ehe ein "Zentralwert abendländischer Hochkulturen" (S. 17), eine Idee, für welche die Menschen die ungeheuerlichsten Opfer erbringen (S. 18 ff.). Das Ehe- und Familienrecht tritt fordernd und wertend an diese Lebensfonn heran. Es ist die Swnme der Imperative über das Zusammenleben von Männem und Frauen, die heiraten und Kinder aufziehen (S. 25).

IV. Die Mcthodendiskussion

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Auslegung können einem Gesetz daher in vielen Fällen keinen Sinn geben, weil die Zeit gegen ihre Wahrheit spricht. Zweitens muß sich eine Wahrheit nicht nur in der Zeit behaupten können. Für sie gilt auch der Satz vom Widerspruch. Sie muß beharrlich mit sich selbst identisch sein. Gegen diesen Grundsatz verstößt aber die teleologische Auslegung, wenn die ihr zugrundeliegende Idee des Zwecks im Recht aufgrund ihrer Beliebigkeit widersprüchlich festgelegt werden kann. Vom Standpunkt der juristischen Methodik spiegelt die teleologische Auslegung eine Wahrheit über das Recht vor, die es nicht gibt. Drittens sind im Idealismus Savignys der rechtlich geregelte Wille und im teleologischen Rechtsdenken der Zweck des Gesetzes jeweils allgemeingültige Wahrheiten, die von allen an der Rechtspraxis beteiligten Personen, den staatlichen Institutionen, den Gerichten und den Rechtssuchenden im Zivilprozeß, erkennbar sind Die Identität der Wahrheit des Rechts setzt sich unter den Menschen fort. Sie alle nehmen das Recht als ein und dieselbe Rechtsordnung wahr. Es ist Naturrecht. Doch diese Allgemeingültigkeit des Wahren im Sozialen ist aus der Perspektive des Rechtsdenkens des 20. Jahrhunderts im gegenwärtigen Privatrecht aufgrund der Öffnung des Rechts gegenüber der sozialen Wirklichkeit auseinandergebrochen. Offensichtlich fügt sich das Privatrecht weder durch die Idee des freien Willens noch durch diejenige des Gesetzeszweckes zu einem sinnvollen Ganzen zusammen, das für alle es wahrnehmenden Menschen evident ist, über das Einigkeit besteht oder auf das sich zumindest mit Vernunft und Einsicht das Bewußtsein aller gleichermaßen richtet. Statt dessen erscheint das Recht als eine einzige kommunikative Störung. Der Sinn eines Gesetzes, den sich der Gesetzgeber bei dessen Entstehung gedacht hat, wird als eine andere Wahrheit von den Gerichten gedeutet, und die in der sozialen Wirklichkeit agierenden Menschen, für die das Gesetz gilt, geben ihm wiederum einen anderen Sinn. Insoweit aber kann die juristische Methodik dieses Problem der Allgemeingültigkeit der Rechtsidee nicht auf sich beruhen lassen. Denn sie legt das geltende Recht aus, so daß die einer Auslegungsregel zugrundeliegende Rechtsidee das Recht in seinem tatsächlichen Zustand zu erfassen hat. Insofern kann die im Methodenkanon der Rechtsprechung vorausgesetzte Identität der Wahrnehmungs- und Denkprozesse innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens, des Gerichtsprozesses und der Gesellschaft und die damit einhergehende Austauschbarkeit von Sinngebung, Sinnerfassung und Sinnverwirklichung des Rechts nicht ignoriert werden. Vielmehr gilt es hier, einen neuen Weg zu fmden, oder die juristische Methodik führt sich selbst ad absurdum. Die Methodendiskussion ist die Antwort der Rechtswissenschaft auf diese erkenntnistheoretische Sackgasse, in die der Methodenkanon der Rechtsprechung die juristische Methodik hineinmanövriert hat. Ihr Ziel ist ein Rechtsbegriff, der dem Wandel des Privatrechts gerecht wird und der den im Methodenpluralismus der Rechtspraxis bestehenden Widerspruch zwischen methodi-

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

schem Anspruch und den tatsächlich angewandten Argumentationen bei der Gesetzesauslegung beseitigt. Doch fehlt es an einer die verschiedenen wissenschaftlichen Lager übergreifenden Rechtsidee, aus der man sich gemeinsam bemüht, Auslegungsregeln abzuleiten. So hat die Methodendiskussion bislang noch kein einhellig akzeptiertes Resultat hervorgebracht. Statt dessen sind die jeweiligen Methodenlehren Verfechter unterschiedlichster philosophischer Weltbilder. Gleichwohl gibt es auch eine diese Vielfalt der Meinungen ordnende Struktur, die sich wie ein roter Faden durch die Diskussion zieht. Ein doppelter Riß geht quer durch die Debatte. Man ist grundlegend darüber entzweit, ob die Analyse oder die Bewertung der vom Recht geregelten sozialen Welt die Wahrheit des Rechts hervorbringt. Das ist der erste zentrale Streitpunkt. Ferner besteht keine Einigkeit darüber, ob eine juristische Methodik die Öffnung des Privatrechts gegenüber der sozialen Wirklichkeit unterstützen und steuern soll oder sie im Gegenteil einzudämmen und zu verhindern hat. Das ist der zweite zentrale Streitpunkt. Die Darstellung der Methodendiskussion folgt diesem Leitfaden. Es werden die beiden grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Methodenlehren skizziert. Zuerst wird die sich auf das analytische Denken berufende Strömung innerhalb der Methodendiskussion beschrieben (1). Danach wird die sich am wertenden Denken orientierende Strömung der Methodendiskussion erörtert (2). Innerhalb der Darstellung der beiden Strömungen der Methodendiskussion wird dann auch jeweils untersucht werden, wie die verschiedenen methodischen Ansätze des wertenden und des analytischen Denkens auf den Wandel des Privatrechts reagieren.

1. Die auf dem analytischen Denken gründenden Methodenlehren Für das analytische Lager der Methodendiskussion ist die Welt eine einzige zusammenhängende Einheit, deren Ordnung sich im menschlichen Bewußtsein abbildet. Das Denken kann diese Wirklichkeit nicht überschreiten. Vielmehr bespiegelt es die Welt in größeren oder kleineren Ausschnitten. Diese werden bis hin zu den einfachsten Daten analytisch zergliedert. Dabei stellt die Einheit des Wirklichen sicher, daß das Denken keine Pluralität von Ordnungen in der Welt antrifft. So macht es keinen Unterschied, zu welcher Zeit und in welchem sozialen Kontext ein Sachverhalt oder eine Tatsache wahrgenommen und be-

IV. Die Methodendiskussion

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schrieben wird. Sie sind immer ein und dieselbe Wahrheit. Das gilt auch beim Erfassen der Rechtswirklichkeit und den in dieser wirkenden Ideen. 33 Diesen Grundsatz macht sich die Gesetzesauslegung zunutze. Sie isoliert die auszulegenden tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm sowohl von dem sozialen Kontext, auf den sich diese beziehen, als auch von den Rechtsfolgen sowie von dem Gesetzgebungsverfahren, in dem die Norm entstand, und von dem rechtlichen Verfahren, in dem sie angewandt wird Der Tatbestand eines Gesetzes wird auf diese Weise als ein gedankliches Abbild der Wirklichkeit aufgefaßt. Dieses Abbild versteht der Richter, da er selbst in seinem Denken auf identische Weise die Wirklichkeit abbildet. Hat er dies getan, fördert die Sachverhaltsermittlung sodann das vom Gesetz Abgebildete zutage oder stellt fest, daß es in dem zu entscheidenden Fall nicht wahrnehmbar ist. Sofern aber unklar ist, welchen Ausschnitt der Welt das Gesetz abbildet, kommt die Gesetzesauslegung hinzu. Es werden analytische Zwischenschritte im Gedanken durchgeführt. Entweder wird das in der Norm dargelegte Abbild derartig zergliedert, daß das im Gesetz Abgebildete in der Wirklichkeit wahrnehmbar ist, oder es wird die Perspektive der Wahrnehmung erweitert und ein umfassenderer Ausschnitt der Wirklichkeit als die auszulegende Norm abgebildet, als dessen Teil dann die Norm eindeutig erscheint. Diese Auslegungsmethode gleicht der Einstellung eines Mikroskopes. Sie präzisiert das Denken, damit das vom Gesetz Abgebildete beobachtbar wird. Da kein Denken von sich aus spontan die Welt korrekt und vollständig abbildet oder Abbildungen anderer authentisch wiederholt, ist es allerdings umstritten, mit welcher Denkform die Welt richtig abgebildet werden kann. a) Logik Zum Teil nimmt man an, daß die traditionelle Logik das Denken zum richtigen Abbilden der Wirklichkeit zu zwingen vermag. 34 Mit ihr glaubt man jene unabhängig von Raum, Zeit und dem Sozialen geltende allgemeingültige Denkform zu besitzen, welche die Lücken der im Gesetz abgebildeten Welt zu vervollständigen vermag und zugleich die Fehler der Auslegung aufdecken kann, die diese Abbilder rekonstruiert. Nimmt man diese Sichtweise ein, dann ist der Tatbestand einer Norm ein unvollständiger Aussagesatz, der soweit definiert 33 Vordenk:er dieser erkenntnistheoretischen Grundhaltung ist der griechische Philosoph Pannenides. Für ihn sind Erkenntnis und Sein dasselbe (Fragment B3). In der Welt gibt es ferner nur Sein und Nichts (Fragment B6). Auf die Variation dieser positivistischen Idee bis hin zur analytischen Philosophie der Gegenwart können wir an dieser Stelle nicht eingehen. 34 Vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 68 ff. und Logische Studien, S. 4 ff.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

wird, bis im logischen Schluß ihm als Subjekt zwingend ein in der Wirklichkeit wahrnehmbares Prädikat zugeordnet werden kann. 3S Für andere ist diese mit der traditionellen Logik gewonnene Analytik der im Gedanken abgebildeten Welt unzureichend. Maßgeblich soll statt dessen der in der modemen Aussagenlogik erreichte Standard logischer Kalküle sein. 36 Diese konstruieren ohne jeglichen Bezug auf die Wirklichkeit mögliche gedankliche Abbildungen der Welt. Es wird zunächst überdacht, was überhaupt gedanklich als Wahrheit abbildbar ist, wenn Aussagen miteinander verknüpft werden. Auf diese Weise werden unmögliche Schlüsse aufgedeckt. Das Denken wird präzisiert, auf seine Stimmigkeit hin überprüft und in seinen Grenzen erkannt, bevor es als ein Abbild der Welt genommen wird, dessen Korrespondenz mit der Wirklichkeit feststellbar ist. b) Sprachanalytik, Begriffsrealismus und Rechtsrealismus Einen anderen Weg schlagen die sich am späten Wittgenstein orientierenden sprachanalytischen Methodenlehren ein)7 Für sie bildet sich die Wahrheit der Welt nicht als eine reine in sich abgeschlossene Idee jenseits der sozialen Wirklichkeit ab. Vielmehr ist die Umgangssprache die Denkform, in der sich die Welt widerspiegelt. Für diese Methodenlehre steht daher die Semantik im Mittelpunkt der juristischen Methodik. Allerdings verneinen alle auf der Logik oder der Sprache gründenden analytischen Methodenlehren übereinstimmend, daß durch verfeinerte Methoden des analytischen Denkens jedes Problem der Auslegung zu lösen ist. Man erkennt an, daß die gedankliche Abbildung der Welt im Gesetz und die Rekonstruktion solcher Abbildungen, die im Gesetzestext fixiert sind, im Wege der Auslegung ihre Grenzen besitzt. Man stuft die Logik deshalb lediglich als ein unentbehrliches Hilfsmittel38 ein und räumt ein, daß nicht alle juristischen Probleme mit logischen Mitteln lösbar sind. Oder es wird hervorgehoben, daß es offensicht3S Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 69 f. und Logische Studien, S. 13 ff., 23, 27 ff. 36 Vgl. zu dieser Richtung Klug, Juristische Logik, S. 12 ff. ; Tammelo-Schreiner, Grundzüge und Grundverfahren der Rechtslogik, Rödig, Schriften zur juristischen Logik, grundlegend S. 34 ff. 37 Vgl. dazu Koch-Rüßmann, Juristische Begriindungslehre, S. 124 ff.; Münchener Konunentar-Säcker, Einl., Rz. 105 ff. 38 In diesem Sinne Herberger/Simon, Wissenschaftstheorie, S. 17. Weitergehender argumentieren Koch/Rüßmann (S. 6 und S. 112-118). Nach ihnen garantiert das logische Subsumtionsmodell die Überpriifbarkeit von Schlußketten, die Gleichbehandlung vor dem Gesetz, die Gesetzesbindung und die RechtssicheIheit. Es macht Urteile begründbar und kritisierbar.

IV. Die Methodendiskussion

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lieh Aspekte des rechtlichen Denkens gibt, zu deren Bewältigung andere rationale Methoden als logische erforderlich sind. 39 Teilweise wird aber auch für eine noch weitergehende Verbindung von Denken und Wirklichkeit plädiert. Die begriffsrealistische Richtung geht davon aus, daß es eine Rechtsidee gibt, welche die Gesetzesauslegung zu den wahren Ausschnitten der von der Nonn gemeinten Wirklichkeit hinführt. Pawlowski nimmt an, daß der der Idee der Gerechtigkeit entspringende Gleichheitsgrundsatz die Gesetzesauslegung methodisch anzuleiten hat. 40 Dieser Grundsatz verlangt, unter dem Gesetzestext ein vom Richter rekonstruierbares Abbild der Wirklichkeit zu verstehen, weil nur unter dieser Voraussetzung alle Rechtsfalle gleich behandelt werden können, auf die das Gesetz angewandt wird. So ist das Verfahren der Rechtsdogmatik die Erkenntnis der Art und Weise, wie man richtig wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt. 41 Insoweit aber sollen alle Erkenntnisse benutzt werden, die zugänglich sind, um den dem Gesetz zugrundeliegenden Ideen gerecht zu werden. Dazu zählen auch neue Einsichten, Veränderungen in der sozialen Wirklichkeit und die Erfahrungen der Menschen. 42 Auch die Methode der Gesetzesauslegung von Bydlinski zielt auf die Sach- und Wertadäquatheit von Rechtsidee und Urteil. Er entwickelt einen Rechtsbegriff, der auf elementaren rechtlichen Maßstäben gründet, wie zum Beispiel der Gerechtigkeit. 43 Denn für ihn entscheidet die Richtigkeit einer solchen Rechtsidee darüber, wie weit die rationale Komponente der Rechtsgewinnung trägt.44 Der Rechtsprechung aber wird empfohlen, "alle Möglichkeiten rationaler, intersubjektiver und nachplÜfbarer Rechtskonkretisierung auszuschöpfen",45 damit die bei der Gesetzesauslegung geforderte Rekonstruktion der Wahrheit der Rechtsidee im Einzelfall gelingt. Der Rechtsrealismus geht den umgekehrten Weg wie der Begriffsrealismus. Für ihn findet sich ausschließlich die Wirklichkeit im Recht wieder und bildet sich in ihm ab. Nach Ross, einem der Begründer dieser rechtsphilosophischen Richtung, besteht das Recht ausnahmslos aus psychophysikalischen Tatsachen und Äußerungen, die entweder Ausdruck realer Verhaltensweisen sind oder solche Verhaltensweisen erst schaffen. 46

39 Tammelo/Schreiner, Rechtslogik, Bd. 2, S. 127. 40 Pawlowski, Methodenlehre, Rz. 327 ff. 41 Ebenda, Rz. 417. 42 Ebenda, Rz. 267-274. 43 Bydlinski, Methodenlehre, S.180 f., 290 ff., 317 ff. 44 Ebenda, S. 182. 45 Ebenda, S. 19. 46 Ross, Towards a Realistic Jurisprudence, S. 96.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

2. Die Bewertung der vom Recht geregelten sozialen Welt als Ausgangspunkt juristischer Methodik Für eine andere Richtung innerhalb der Methodendiskussion ist die Verfeinerung des analytischen Denk.ens keine taugliche Methode, um den Sinn einer Nonn zu erfassen. Zu diesem Ergebnis gelangt man, weil man das Weltbild nicht teilt, auf dem die analytisch verfahrenden Methodenlehren gründen. Daß eine unabhängig vom menschlichen Bewußtsein bestehende Ordnung des Daseins existiert, die sich im richtigen Denken widerspiegelt, wird explizit oder implizit für eine fehleIhafte Beschreibung der Welt gehalten. Eine solche Ontologie und Erkenntnistheorie verwirft man. Wie die Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, geht man statt dessen davon aus, daß die Welt, also auch das Recht, allein aufgrund von Wertungen erkennbar ist. Die Reflexion muß eine bestimmte Perspektive auswählen, um zu verstehen, was sich in der Rechtswirklichkeit ereignet und welche Gesetze in ihr gelten. Der über die Welt nachdenkende Mensch vermag deren Sinn nicht zu erfassen, wenn er einfach passiv Tatsachen auf sich einwirken läßt und dieses Wahrgenommene im Bewußtsein strukturiert. Vielmehr hat sich das Bewußtsein selbst aktiv mit seinen eigenen Ideen, Deutungen und Richtigkeitsvorstellungen auf die Welt zuzubewegen, wenn beschrieben werden soll, was in dieser wahr ist, welche Gedanken in ihr gedacht werden oder welche Handlungen sich in ihr ereignen. Es bedarf einer wertenden Idee, um den Sinn der Wirklichkeit zu erkennen, die vorab den Beobachterstandpunkt festlegt, von dem aus die Welt wahrgenommen wird. Doch im Gegensatz zu der von Savigny klassisch fonnulierten Methodenlehre der ersten beiden Drittel des 19. Jahrhunderts versteht man unter der das Recht konstituierenden Rechtsidee nicht mehr eine über Raum, Zeit und Gesellschaft schwebende Wahrheit des Bewußtseins. Diese dem Idealismus der deutschen Philosophie des 18. und 19. Jahrhunderts entnommene Version des naturrechtlichen Denkens hat man aufgegeben. Statt dessen verlegt man mit Jhering das Recht in die Wirklichkeit. Es ereignet sich in ihr und sie gibt ihm seinen wahren Sinn. Keine Beschreibung des Rechts kann sie daher übergehen. Das hat auch die Gesetzesauslegung zu berücksichtigen, und es bestimmt deren Methoden. Trotz dieses gemeinsamen Ausgangspunktes ist es jedoch völlig umstritten, wie sich Recht und Wirklichkeit aufeinander beziehen und ob sich dieses VeIhältnis als eine allgemeingültige Wahrheit beschreiben läßt. Daß die Lösung hier nicht in einer Rückkehr zum Naturrecht der Scholastik liegt, wird fast ausnahmslos angenommen. Man wendet sich gegen die Vorstellung, daß das Recht als "Natur der Sache" der Welt innewohnt. 47 Es hat sich durchgesetzt, statt dessen davon auszugehen, daß sich Nonnen, lediglich auf Teile der 47 So aber Kaufmann, Analogie und Natur der Sache, insbesondere S. 43 ff.

IV. Die Methodendiskussion

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Wirklichkeit beziehen. Das Recht ereignet sich in einem sozialen Kontext, der mitten durch die Welt geht. Es hat in ihr seine Grenzen. Doch einerseits weichen die Auffassungen voneinander ab, von welchen Teilen der Welt diese Rechtswirklichkeit gebildet wird. Andererseits wird darüber gestritten, ob das Recht in diesen jeweils ausgewählten Ausschnitten der Welt als Naturrecht existiert, das heißt als eine in jedem menschlichen Bewußtsein erkennbare absolute Rechtsordnung, oder ob der Mensch dort nur auf eine sich verändernde Wirklichkeit stößt, derer er sich in unterschiedlicher Weise bewußt werden kann und die in verschiedener Form verrechtlicht ist. a) Materiale Methodenlehren Um zu verstehen, wie sich Recht und Wirklichkeit aufeinander beziehen, stellt man teilweise auf den sozialen Kontext ab, für den ein Gesetz gilt, also den Lebenssachverhalt, den es regelt. Es wird aber unterschiedlich beantwortet, wie dann die Wahrnehmung organisiert werden muß, damit der Sinn dieser Wirklichkeit erfaßt werden kann. Nach den einflußreichen Methodenlehren von Larenz und Esser ist die dazu erforderliche Interpunktion der Wirklichkeit ein reiner Akt des Bewußtseins. Dessen Ideen über die Welt teilen die Wirklichkeit sicher auf. Die Einbeziehung der Wertungen, Regelungsabsichten, Gerechtigkeits- oder Zweckmäßigkeitserwägungen, die einer Norm zugrundeliegen, reichen aus, um sicher zu erkennen, welchen sozialen Kontext sie regelt. 48 Eine Rechtsnorm verstehen verlangt daher, die in ihr beschlossene Wertung und ihre Tragweite aufzudecken. Ihr "Wertungszusammenhang" gibt ihr ihren Sinn. 49 Ob diese hinter dem Gesetz stehenden Werte sich allerdings zu einem Naturrecht verdichten lassen, wird unterschiedlich beurteilt. Manche bejahen die Existenz überzeitlicher Wertinhalte50 oder einer Theorie der Gerechtigkeit als Fairneß.51 Man geht auch von eindeutig zu bevorzugend~n fundamentalen Interessen aus. 52 Andere verneinen das Vorhandensein derartig gedanklich nicht überschreitbarer Wertordnungen. Sie verlegen das Naturrecht als ein offenes System rechtsethischer Prinzipien in die Geschichte. 53 Für Esser findet hingegen die Bewertung der Welt keinen Abschluß. Die von Fall zu Fall zu behandelnden Sachverllalte verändern sich mit den Erfahrungen der Menschen in der Welt und das Vorverständnis des über die Welt Urteilenden verhindert dies. 48 Larenz, Methodenlehre, S. 205 ff. 49 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 33. 50 Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 195. 51 Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, vgl. S. 8 ff. 52 Knele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 179,215. 53 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 50 ff.; Larenz, Methodenlehre, S.

456470.

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1. Kap.: Juristische Methodik und Wahrheit

Daher können Wemmgsgesichtspunkte allenfalls vorübergehend begrifflich im System fixiert werden. 54 Eine andere Meinung hält die Interpunktion der Wirklichkeit nach der Maßgabe von Werten für unzureichend. Für sie ist der Sachverhalt, in welche die Norm regelnd eingreift, auch so, wie er tatsächlich existiert und nicht nur, wie man ihn sich denkt oder plant, Teil der Rechtswirklichkeit. Er soll daher bei der Erfassung des Sinns einer Norm nicht übergangen werden. Gleichwohl gehen die Auffassungen darüber auseinander, ob der dem Gesetz zugeordnete Sachverhalt in der Form einer allgemeingültigen Wahrheit beschreibbar ist. Die Deontik nimmt dies an. Für sie können die Handlungen, zu denen Normen in der Wirklichkeit anleiten, die Folge von Entscheidungen sein, deren Rationalität aus logischen Wahrheiten allgemeingültig oder zumindest von einem internen aus der Perspektive des Rechts gewählten Beobachterstandpunkt aus ableitbar ist.55 Dieser Auffassung steht die Methodenlehre Müllers entgegen. Für ihn ist es nicht die Logik, sondern das Normprogramm des Gesetzes, dem ein bestimmter Normbereich der sozialen Wirklichkeit zugeordnet ist. Die reale, sich verändemde Ordnung im Normbereich und die Umstände des Einzelfalles wirken auf den Sinn der Norm ein.56 Ähnlich argumentiert Luhmann. 57 Nach ihm konstruiert zwar das Recht normativ seine um seinen Selbsterhalt willen sich reproduzierenden Beschreibungen der Welt. Doch differenzieren sich diese von Fall zu Fall aus. Einen Schritt weiter geht Krawietz. Für ihn ergibt sich der Sinn der Norm aus einem Wechselspiel zwischen normativen Ideen über die Wirklichkeit und der Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse in der Welt. 58 c) Prozedurale Methodenlehren Es wird aber auch ein gänzlich anderer Weg vorgeschlagen, um die Beziehung zwischen Recht und Wirklichkeit einzugrenzen. Man bestreitet, daß es unabhängig von Raum und Zeit sowie unabhängig von den sozialen Kontexten, in denen die Menschen handeln, einen für jedermann einnehmbaren Beobachterstandpunkt gegenüber der sozialen Wirklichkeit gibt, von dem aus nach 54 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 98 ff., 169 ff. 55 Weinberger, Rechtslogik, insbesondere S. 218 ff.; einschränkend Lampe, Juristische Semantik, S. 15. Für ihn beschreibt die Deontik nur die Geltung von Feststellungen im Rechtsbereich. 56 Müller, Methodenlehre, S. 102-104, 124 ff., 147 ff. 57 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 357-360; einschränkend insoweit Seibert, Aktenanalysen. Für ihn stellt das Recht als Institution bestimmte Deutungsschemata zur Herstellung der sozialen Wirklichkeit bereit (S. 41 ff.). 58 Krawietz, S. 534.

IV. Die Methodendiskussion

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einer einzigen und für alle einsichtigen Idee die wahrgenommene Welt auf identische Weise selektiert und geordnet werden kann. Man verneint, daß es ein derartig die Wahrheit der Welt hervorbringendes Erkennen oder Verstehen gibt. Statt dessen hebt man den pragmatischen Aspekt der Reflexion über die Wirklichkeit hervor. Man ist der Auffassung, daß der soziale Kontext, in dem Recht gesprochen wird, den Beobachterstandpunkt festlegt, von dem aus der Sinn des Gesetzes in der Wirklichkeit erfaßt wird. Das Wahmehmungszentrum der Welt wird vom sich von der Welt isolierenden Bewußtsein in das rechtliche Verfahren verlegt. Allerdings ist man unterschiedlicher Ansicht, auf welche Art und Weise das rechtliche Verfahren in die Beobachtung des Gesetzes in der sozialen Wirklichkeit hereinwirkt. Für die Argumentationstheorien59 und die Rhetorik60 ist es die sich entwickelnde Kommunikation im Prozeß, die vorab eine Selektion und Ordnung der Wirklichkeit durchführt. Alexy gelangt insoweit zu der Auffassung, daß dieser Vorgang auf einer Metaebene auf der Grundlage fester Regeln und Argumentformen organisierbar ist. Auf diese Weise entstehe ein vernünftiger Konsens, der die Erkenntnis des richtigen, also wahren Rechts verbürge.6 1 Die juristische Auslegung wird als Sonderfall eines praktischen Diskurses eingestuft, in dem die Bedingungen für die Wahrheit von Aussagen die potentielle Zustimmung aller bedürfen. 62 Teilweise wird diese allumfassende Übereinstimmung jedoch auf den Konsens der Rechtsgemeinschaft eingeschränkt. 63 Oder man setzt darauf, daß die Überzeugung oder das rationale Argument einen Konsens als letztes Richtigkeitskriterium der juristischen Fallbearbeitung zu stiften vermag. 64 Es wird aber auch argumentiert, daß die Geschlossenheit der Sinnsuche aus der Perspektive des Verfahrens nicht durchhaltbar ist, sondern in "SprüDgen"65 von aus der Wirklichkeit stammenden Sichtweisen durchbrochen wird. Diese Transformation der Normen innerhalb des Rechts werde ergänzt durch eine Transformation in das Recht. 66 Für Wiethölter stehen die Juristen überhaupt zwischen Norm und Wirklichkeit. 67 Im Verfahren sei der veränderte Zustand 59 Einen Überblick über die neueren Argumentationstheorien f'mdet man bei Neumann, S. 70 ff. 60 Vgl. zu dieser Richtung Haft, Henneneutik und Rechtsmetorik, und Gast, Juristische Rhetorik, Rz. 244 m. w. N. 61 Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 239 ff. 62 Habermas, Wahrheitstheorien, S. 219. 63 Aarino/Alexy/peczenik, The Foundation of Legal Reasoning, S. 439 f. 64 Haft, S. 95. 65 Peczenik, Grundlagen der Argumentation, S. 6. 66 Aarino/Alexy/Peczenik, S. 142 ff. 67 Wiethölter, Ist unserem Recht der Prozeß zu machen? S. 808. 4 Rommel

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1. Kap.: Juristische Methodik: und Wahrheit

der Gesellschaft ernst zu nehmen. 68 Diese Einbeziehung der Wirklichkeit müsse in historisch-gesellschaftlicher Absicht, mit Blick auf die Rechtsevolution und in hoffender Erinnerung an die Rechtsverheißungen des Kulturerbes erfolgen.69 Insgesamt sei der Rechtsprozeß aber offen. 70 Im Gegensatz zu diesen prozeduralen Ansätzen bringt die Topik das rechtliche Verfahren ausgehend von den zu regelnden Situationen in der Welt und deren Probleme ins Spiel. 71 Sie "will Winke geben, wie man sich in einer ausweglosen Situation verhält, um nicht rettungslos steckenzubleiben"72. Hierzu werden argumentative Lösungen gesucht, die im Verfahren mit allgemeiner Zustimmung rechnen dürfen.

68 Wiethölter, Ist unserem Recht der Prozeß zu machen? S. 812. 69 Wiethölter, Ebenda, S. 798. 70 Ebenda, S. 812. 71 Viehweg, Topik und Jurisprudenz, S. 31 ff., 97 ff. 72 Ebenda, S. 31.

2. Kapitel

Das methodische Argument und die Auslegung der Einrede der groben Unbilligkeit nach § 1381 BGB Die Beschreibung des Zusammenhanges zwischen Waluheit und juristischer Methodik in den verschiedenen Strömungen der Methodendiskussion hat eine Struktur dieser Debatte zutage gefördert, welche die unübersichtliche Vielfalt der Methodenlehren ordnet. Dieser Gewinn an Struktur wird nun benutzt, um die in Rechtsprechung und Literatur entstandenen Auslegungsprobleme des § 1381 BOB zu analysieren und methodisch zu lösen, so wie es unser Vorhaben ist. Es sind die im Wege der metatheoretischen Reflexion gewonnenen Einsichten über die Methodendiskussion, mit deren Hilfe das bei § 1381 BOB bestehende methodische Problem lokalisiert wird. Sie enoöglichen, jeweils eingenommene methodische Orundhaltungen miteinander zu vergleichen und zu kritisieren (I). Diese Vorgehensweise bestimmt sodann den Punkt, an dem die Analyse der Auslegungsprobleme des § 1381 BOB beginnt und wie sie sich aufbaut (11).

I. Die Strukturierung der Meinungsvielfalt Wendet man den Methodenkanon der Rechtsprechung an, um die Auslegungsprobleme einer Nono methodisch zu lösen, hält sich die methodische Reflexion an ein einfaches gedankliches Schema. Führt die wörtliche Auslegung einer Nono nicht zum Ziel, kann auf die historische, die systematische oder die teleologische Auslegung zurückgegriffen werden. Eine Rangfolge zwischen diesen Auslegungsregeln ist nicht vorgeschrieben. Doch dieses Schema ist nicht geeignet, die Auslegung einer Nono aus der Sichtweise verschiedener Methodenlehren in Angriff zu nehmen, wie es beabsichtigt ist. Den vier Auslegungsregeln des Methodenkanons liegen einerseits die Idee von einer Herrschaft der Nono über die Wirklichkeit und andererseits die Vorstellung von der Immanenz der Zwecke im Recht zugrunde. Ausschließlich zu diesen Rechtsideen führt das gedankliche Schema des Methodenkanons die Reflexion hin, auch wenn man es verfeinert oder ausdifferenziert. Und diese Orenze der Reflexion besteht selbst noch dann, wenn dem Methodenkanon eine andere Methodenlehre entgegengehalten wird. Verfährt man auf

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2. Kap.: Methodisches Argument und Auslegung von § 1381 BOB

diese Weise, beschreibt man zwar eine MeinlDlgsvielfalt. Man besitzt aber noch nicht einen Maßstab der Kritik, mit dem entschieden werden kann, welche von beiden Methoden vorzuziehen ist.

Dm erltält man erst, wenn die Reflexion die im Methodenkanon vorgeschriebene Form des Denkens hinter sich läßt und sich statt dessen auf den methodenübergreifenden Ausgangspunkt der juristischen Methodik besinnt, welcher in der Annahme besteht, daß der Sinn eines Gesetzes aus der Wahrheit des Rechts ableitbar ist. Wie wir aufgezeigt haben, löst sich aus der Perspektive der metatheoretischen Reflexion der Wahrlteitsanspruch der juristischen Methodik in eine Pluralität von Wahrheiten auf. Es wurden grundlegende erkenntnistheoretische Unterschiede zwischen den Strömungen der Methodendiskussion aufgedeckt. Der Gegensatz zwischen analytischem und wertendem Denken und der mit diesen beiden Denkformen jeweils angestrebte Wirklichkeitsbezug des Rechtsdenkens haben voneinander abweichende Regeln der Auslegung zur Folge. So hat sich die metatheoretische Beschreibung des Wahrlteitsanspruches der juristischen Methodik als sicherer Ausgangspunkt für die DarstelllDlg der verschiedenen StrömlDlgen der Methodendiskussion erwiesen. Doch die metatheoretische Reflexion vermag noch mehr zu leisten. Sie muß sich keinesfalls mit der Beschreibung ihres Gegenstandes begnügen. Aus ihr erwächst auch ein übergreifender Standpunkt der Kritik, von dem aus die Methodenvielfalt bewertbar ist, ohne daß man sich unkritisch von vornherein einer bestimmten Sichtweise über die durch das Recht geregelten sozialen Wirklichkeit verschreibt. Denn sie kann ihre Einsichten auch bewerten. Der beobachteten Pluralität von Wahrheiten kann ein eigener Wahrlteitsbegriff kritisch entgegengesetzt werden. Ein derartig von außerltalb herangezogener Maßstab der Kritik ist übergreifend. Er stellt die einzelnen Wahrlteiten in einen umfassenderen gedanklichen Zusammenhang. Insofern verfängt er sich nicht im Wechselspiel der sich gegenseitig kritisierenden Wahrlteiten. Er ist statt dessen ein metatheoretisches Bewertungsschema, das die Unzulänglichkeit einzelner Wahrheitsanspriiche erfaßt. Allerdings liegt es nicht in lDlserer Absicht, einen derartig übergreifenden Bewertungsmaßstab zu entwickeln, der es gestattet, insgesamt zu den verschiedenen Strömungen der Methodendiskussion abschließend StelllDlg zu nehmen. Vielmehr sollen ausschließlich die Grenzen lDld Möglichkeiten des methodischen Arguments bei der AusleglDlg einer einzelnen Norm des geltenden Rechts bewertet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein verkürztes Verfahren der Kritik gewählt. Die Wahrlteit von methodischen Standpunkten wird lediglich problematisiert lDld nur soweit es für die Auslegung erforderlich ist lDld nicht vollständig

11. Folgerungen für die Analyse der Auslegung des § 1381 BOB

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gelöst. Ausgangspunkt der Bewertung sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Lagern der Methodendiskussion. Das zur Beschreibung der Methodendiskussion entwickelte gedankliche Schema wird zur Ordnung der bei der Auslegung einer einzelnen Norm entstandenen Meinungsvielfalt benutzt. Die voneinander abweichenden Ansichten werden zunächst dem analytischen oder dem wertenden Denken zugeordnet. Sodann wird untersucht, in welche Richtung dieser Denkansatz jeweils entfaltet wird. Zu diesem Zweck muß möglicherweise das entwickelte Ordnungsschema weiter ausdifferenziert werden. Es kann aber auch umgekehrt eintreten, daß nicht alle in der Methodendiskussion vorkommenden Differenzierungen vorhanden sind. Endlich folgt nach dieser Analyse die Kritik. Diese kann sich entweder auf den Nachweis beschränken, daß ein bestimmtes methodisches Argument den ihm zugrundeliegenden Denkansatz nicht einhält oder nicht in seinen Möglichkeiten ausschöpft. Oder die Kritik geht weiter und spricht sich grundsätzlich gegen den Wahrheitsanspruch einer bestimmten Methodenlehre aus. Da geltendes Recht ausgelegt wird, hat eine solche Form der Methodenkritik jedoch ihre Grenze, die nicht zur Disposition steht. Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Rechtsprechung nicht nur an das Recht, sondern auch an das Gesetz. Diese Gesetzesbindung gilt es zu entfalten, soweit es möglich ist. Es ist ein Gebot der Demokratie, daß die Rechtsprechung sich nicht einfach über das Primat der Politik bei der Verrechtlichung der Wirklichkeit hinwegsetzt. Insofern werden zunächst die Worte einer geltenden Norm als ein ausschließlich vom Gesetzgeber revidierbarer Text akzeptiert, der anzuwenden ist. Die Bewertung beginnt beim Gesetzestext und dessen einzelnen Wörtern. Sie sind die Zeichen, die gedeutet werden. Sodann werden alle Möglichkeiten der Interpretation zur Erforschung des Sinns ausgeschöpft, den der Gesetzgeber dieser Norm gegeben hat. Insoweit werden die vom Gesetzgeber im Gesetzestext ausgesprochenen oder rekonstruierbaren Denk- oder Wertungsverbote strikt übernommen. 11. Folgerungen für die Analyse der Auslegung des § 1381 BGB in Rechtsprechung und Literatur Nachdem feststeht, wie auf die juristische Methodik zurückgegriffen wird, um den Sinn des § 1381 BGB zu erfassen, ist der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Auslegungsprobleme dieser Vorschrift gelöst werden. Die Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinungen beginnt als Analyse und setzt sich fort als Kritik. Es wird der bisher nur grob in seinem Ergebnis skizzierte Meinungsstreit zur Auslegung des § 1381 BGB vom Standpunkt der juristischen Methodik aus untersucht. Es wird kritisch nachvollzogen, welche analytischen und welche wertenden Auslegungsregeln zur Begründung eines bestimmten Ergebnisses herangezogen werden und bis

54

2. Kap.: Methodisches Argument und Auslegung von § 1381 BOB

zu welchem Punkt man die unterschiedlichen methodischen Ansätze ausdifferenziert. Im einzelnen nimmt die Analyse und Kritik den folgenden Verlauf. Am Anfang steht die kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte (3. Kapitel). Es folgt die Darstellung des Meinungsstreites in der Literatur. Diese konzentriert sich auf die systematischen Versuche, mit Hilfe der methodischen Reflexion die Unklarheiten der Rechtsprechung zu überwinden (4. Kapitel). Die Arbeit schließt mit einer eigenen Stellungnahme zu den Auslegungsproblemen des § 1381 BOB. Der Ausgangspunkt ist die Idee der Billigkeit (5. Kapitel-7. Kapitel).

3. Kapitel

Die Auslegung des § 1381 BGB in der Rechtsprechung I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Vergleicht man die dem Bundesgerichtshof zur Auslegung des § 1381 BGB vorgelegten Sachverhalte miteinander, waren es höchst unterschiedliche Umstände, die im Einzelfall den zum Zugewinnausgleich Verpflichteten bewegten, die Einrede der groben Unbilligkeit zu erheben. Teilweise ist der Ehebruch ein zentrales Motiv. In einem Fall 1 warfen die Parteien ihn sich wechselseitig vor (Ehebruchfall). In einem zweiten Fall2 nahm die Frau "nähere Beziehungen" zu dem Neffen ihres Mannes auf. Aus dieser außerehelichen Beziehung gingen zwei Töchter hervor. Nachdem die Ehe der Parteien geschieden worden war, heiratete die Frau den Neffen ihres Mannes (Neffenfall). In einem dritten Fall3 trug der Beklagte vor, daß seine geschiedene Frau mehrfachen Ehebruch begangen habe und hielt dem sein eigenes Verhalten entgegen. Er habe seiner Frau immer wieder verziehen und sich um die Rettung der Ehe bemüht (Verzeihungsfall). In anderen Sachverhalten spielt der Ehebruch nicht diese entscheidende Rolle, obwohl er begangen wurde. Statt dessen wird die Einrede der groben Unbilligkeit insbesondere mit der Art und Weise und dem Zeitpunkt der Trennung sowie mit der Herkunft des Zugewinnerwerbes begründet. Diese Fallkonstellation steht im Mittelpunkt des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 13.7.1970. 4 Die Parteien stritten über die Mitarbeit am Autbau eines Hotelbetriebes und über das mit dem Ehebruch entstandene mangelnde Interesse des Klägers an der Familie (Hotelfall). Ähnlich gelagert ist der mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Juli 1980 entschiedene Sachverhalt. s Hier machte der Mann die 1 BOHZ 44, 163 =FamRZ 1965,554 =NJW 1965, 2199; vgl. auch die in dieser Sache ergangene EntscheidWlg des OLG Nümberg FamRZ 1964, 440. 2 BOHZ 46, 343 FamRZ 1966, 560 MDR 1966, 918 BB 1966, 161 LM § 1381 Nr. 6a; vgl. auch die in dieser Sache ergangene EntscheidWlgen des OLG Karlsruhe (FamRZ 1965, 148) Wld des LG Fxeiburg (FamRZ 1963, 647). 3 BOH FamRZ 1977,38 NJW 1977, 378 MDR 1977,296 LM § 1381 Nr. 8. 4 BOH FamRZ 1970,483 NJW 1970, 1600 MDR 1970, 829 BB 1970, 1028. S BOH FamRZ 1980,877.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

Frau für die TrennWlg Wld das Scheitern der Ehe verantwortlich Wld behauptete, daß der Zugewinn erst Jahre nach der TrennWlg erzielt worden sei (FuhrWltemehmerfall). Ein anderes Motiv ist die getrennte Lebensführung der Eheleute. In einem Fa116 führten die Parteien während der Ehe keinen gemeinsamen Haushalt und lebten nicht in ehelicher Gemeinschaft. Für den Mann stand insoweit fest, daß seine geschiedene Frau lediglich geheiratet habe, um Vermögensvorteile von ihm zu erlangen (Getrenntlebendenfall). In einem anderen Fall 7 lebte der Beklagte in Bigamie. Die erste Ehefrau wußte über neWlWldzwanzig Jahre nichts von dieser zweiten Ehe. Sie hielt den Beklagten während dieser Zeit für tot. Nachdem die zweite Ehe für nichtig erklärt Wld die erste Ehe geschieden worden war, klagte die erste Ehefrau auf Zugewinnausgleich. Gegen ihre Forderung wehrte sich der Beklagte mit dem Argument, daß mit diesem Anspruch lediglich eine formale Rechtsposition ausgenutzt werde (Bigamiefall). Daneben waren es auch in einem Sachverhalt (VersorgWlgsfall) die wirtschaftlichen Verhältnisse nach der ScheidWlg, die Anlaß zu einem Rechtsstreit gaben. 8 Hier hielt der Beklagte die Zahlung eines Zugewinnausgleiches für grob Wlbillig, weil er auf die Erträge seines Vermögens wegen seiner Arbeitsunfähigkeit Wld seiner Pflegebedürftigkeit dauernd angewiesen sei. Ferner wandte man sich gegen die im Gesetz vorgesehene BerechnWlg des Zugewinnausgleiches. Man sah es als grob unbillig an, eine durch den Geldwertschwund bedingte scheinbare Wertsteigerung von Grundvermögen (Grundvermögenfall)9 oder ein nach einem Unfall zugeflossenes Schmerzensgeld (Schmerzensgeldfall)lO bei der ErrechnWlg des Endvermögens zu berücksichtigen. 1. Der Sinn der Norm nach dem Bundesgerichtshof

Der BWldesgerichtshof hat lediglich in einem dieser ihm vorgelegten Fälle die VoraussetzWlgen der Einrede der groben Unbilligkeit als erfüllt angesehen. Im VersorgWlgsfall entschied er, daß der Beklagte aufgrund seiner ArbeitsWlfähigkeit und seiner Pflegebedürftigkeit nicht verpflichtet sei, an seine geschiedene Frau einen Zugewinnausgleich zu zahlen. In allen anderen Fällen gelangte er zu dem Urteil, daß das jeweilige tatsächliche Vorbringen der Ausgleichsver6 BGH NJW 1972,433. 7 BGH FamRZ 1980,768 NJW 1980, 1462 JR 1981, 115. 8 BGH FamRZ 1973,254 = NJW 1973,749 = MDR 1973,485. 9 BGHZ 61, 385 = FamRZ 1974, 83 = NJW 1974, 137 = MDR 1974, 214 = BB 1974,103 = LM § 1381 Nr. 7. 10 BGHZ 80,385 =FamRZ 1981,755 =JR 1981,506.

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I. Die RechtspIechung des Bundesgerichtshofes

57

pflichteten nicht geeignet sei, eine. grobe Unbilligkeit annehmen zu können, oder er verwies den Rechtsstreit wegen rechtlicher Bedenken zurück. Dieses überwiegend ablehnende Ergebnis gründet auf einer Auslegung des § 1381 BGB durch den Bundesgerichtshof, welche den offenen Sinn dieser Vorschrift in vier Richtungen eingrenzt. Erstens wird hervorgehoben, daß es bestimmte Sachverhalte gibt, die auf keinen Fall eine grobe Unbilligkeit darstellen. Einerseits ist es im allgemeinen ohne rechtliche Bedeutung, aus welchen Gründen ein Zugewinn erzielt wurde. 11 Insoweit kommt es auch nicht darauf an, wer welchen Anteil an ihm erwirtschaftet hat. 12 Femer ist für den Ausgleichsanspruch die Frage ohne rechtliche Bedeutung, warum es zur Beendigung des Güterstandes der Ehe gekommen ist. 13 Zweitens: Wirtschaftliche Erwägungen sind grundsätzlich für die Auslegung bedeutsam. 14 Eine Ausgleichsforderung kann deshalb über die Einrede der gr0ben Unbilligkeit korrigiert werden, wenn der Ausgleich für den Ausgleichsschuldner eine wirtschaftliche Härte zur Folge hat IS oder eine Opfergrenze überschreitet, die nicht mehr zumutbar ist,16 also unverhältnismäßig hart belastet l7. Hierzu zählt die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz. 18 Auch können die Konsequenzen der Scheidung für die Einkommens- und Erwerbsverhältnisse der Ehegatten oder die güterrechtlichen Folgen einer für nichtig erklärten Ehe berücksichtigt werden. 19 Insoweit kann eine Gefährdung der unterhaltsrechtlichen Versorgungslage für den Ausgleichsschuldner eine unzumutbare Härte beinhalten, wenn durch die Zahlung des Ausgleiches seine unterhaltsrechtliche Lage auf Dauer in Frage gestellt oder für ihn eine unsichere unterhaltsrechtliche Abhängigkeit entsteht. 20

11 BGH FamRZ 1966,560,562, r. Sp.; FamRZ 1970,483,484,1. Sp.; FamRZ 1973, 254,256, r. Sp.; JR 1981, 115, 116, r. Sp.; FamRZ 1980, 877, r. Sp. 12 BGH FamRZ 1966,560,562, r. Sp.; FamRZ 1970,483,484,1. Sp.; FamRZ 1973, 254,256, r. Sp.; JR 1981, 115, 116, r. Sp. 13 BGH FamRZ 1980, 877, r. Sp. 14 BGH FamRZ 1966,560,563 f.; FamRZ 1973, 254, 256, r. Sp. IS BGH FamRZ 1970,483,484,1. Sp. 16 BGH JR 1981, 115, 117,1. Sp. 17 BGH FamRZ 1970,483,484. 18 BGH FamRZ 1973, 254, 256. 19 BGH JR 1981, 115, 117. 20 BGH FamRZ 1973,254,256 f.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in def Rechtsprechung

Jedoch wird der Ausgleich niemals allein deshalb unzumutbar, weil er gesetzestreu errechnet worden ist, selbst wenn das Ergebnis auffällt. 21 Die nachträgliche Korrektur der vom Gesetz geregelten Schritte zur Bestimmung des Zugewinns ist nicht über die Einrede der groben Unbilligkeit möglich. Welches Vermögen den Zugewinn bildet und wie sein jeweiliger Wert zu bemessen ist entscheidet sich daher nach den §§ 1373, 1374 BGB und kann nicht mehr über die Einrede der groben Unbilligkeit wieder in Frage gestellt werden. Drittens kann eine Pflichtverletzung wirtschaftlicher Art des ausgleichsberechtigten Ehegatten die Einrede nach § 1381 BGB begrtinden. 22 Das Beispiel des Abs. 2 verdeutlicht näher, welche Art von Fehlverhalten auf wirtschaftlichem Gebiet bedeutsam ist. 23 Aber auch ein Fehlverhalten des Gläubigers während der Ehe, das keine Verletzung wirtschaftlicher Pflichten darstellt, ist geeignet, die Gewährung des Ausgleichsanspruches ganz oder teilweise als grob unbillig erscheinen zu lassen. 24 In Frage kommt zum Beispiel ein Ehebruch 2S oder die Nichtverwirklichung der Lebensgemeinschaft26 oder ein Verhalten, das zur Trennung der Ehegatten geführt hat, wenn der Zugewinn erst nach der Trennung erzielt worden ist. 27 Doch kann die Einrede, die ihren Grund in einer solchen Unbilligkeit hat, nur ausnahmsweise durchdringen. 28 Sie setzt in der Regel ein schuldhaftes Verhalten voraus. 29 Besteht die Pflichtverletzung in einem Ehebruch, kann für die Anwendung des § 1381 BGB nur das Verhalten eines Ehegatten einen ausreichenden Grund abgeben, das ganz besonders ins Gewicht fällt. 30 Das trifft lediglich bei einem Ehebruch zu, der sich im Vergleich mit der Gesamtdauer der Zugewinngemeinschaft über einen lang andauernden Zeitraum erstreckt hat, d. h. in der Regel mehrere Jahre. 31

21 BGH FarnRZ 1966,560,563. 22 BGH FarnRZ 1966,560,561; JR 1981, 115, 116, f. Sp.; FarnRZ 1980, 877, f. Sp. 23 BGH FarnRZ 1966,560,561.

24 Ebenda, S. 561. 2S BGH FarnRZ 1966,560,561; JR 1981, 115, 116, f. Sp.; FamRZ 1980, 877, f. Sp. 26 BGH FarnRZ 1966,560,563; FamRZ 1970,483,484, f. Sp. 27 BGH FamRZ 1980,877, f. Sp. 28 BGH FarnRZ 1970,483,484, f. Sp. 29 BGH JR 1981, 116, f. Sp. 30 BGH FarnRZ 1966,560,563,1. Sp. 31 BGH FarnRZ 1966,560,563, f. Sp.; FarnRZ 1970,483,484, f. Sp.

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Viertens ist ein wirtschaftliches oder persönliches Fehlverhalten oder ein Vennögensopfer ausschließlich dann eine grobe Unbilligkeit, wenn sich diese aus den gesamten Umständen des Falles ergibt. 32 So sollen zum Beispiel bei wirtschaftlichen Erwägungen auch insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien berücksichtigt werden. 33 Insoweit ist erheblich, in welcher Weise und in welchem Umfang ein Ehegatte die Vennögensbildung des einen oder anderen Teils begünstigt oder erschwert hat. 34 Etwaige Vorteile, die aus der Befreiung von jeglichem güterrechtlichen Anspruch entstehen, dürfen nicht übergangen werden. 35 Bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz ist auf die vennutliche künftige Entwicklung unter Berücksichtigung des Konjunkturverlaufes einzugehen. Eine Stundung der Forderung ist in Erwägung zu ziehen und die Tilgung von Schulden durch Rückzahlungen. 36 Ein wirtschaftliches Fehlverhalten kann deshalb nicht grob unbillig sein, weil die Würdigung der gesamten Umstände des Falles ergibt, daß es sich auf das wirtschaftliche Ergebnis der Ehe jedenfalls nicht nachhaltig ausgewirkt hat.37

hn Einzelfall kann selbst ein nicht besonders ins Gewicht fallender Ehebruch grob unbillig sein, wenn mit einem solchen Verhalten der andere Eheteil zur Erhebung der Scheidungsklage bestimmt werden soll.38 Ferner kann ein kurzer Ehebruch ausnahmsweise unbillig sein, wenn der an der Ehe festhaltende Ehegatte sich in besonderer Weise bemüht hat, die Ehe zu erhalten und seinen Partner vom Ehebruch abzubringen. 39 Andererseits muß bei einer Entscheidung über die Einrede des § 1381 BGB auch über ein mögliches Versagen beider Ehegatten befunden werden. 40 Da es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles ankommt, ist zu prüfen, ob die Ursachen für die Nichtverwirklichung der Lebensgemeinschaft im Bereich des ausgleichspflichtigen Ehegatten liegen. 41 Doch kommt es in ganz besonderen Ausnahmefällen gerade nicht auf die gesamten Umstände des Falles an. Denn es gibt Sachverhalte, bei denen nicht 32 BGH FamRZ 1965, 554, 555, r. Sp.; FamRZ 1974, 83, 84, r. Sp.; JR 1981, 115, 116,r. Sp. 33 BGH FamRZ 1966,560,564. 34 BGH FamRZ 1965, 554, 555. 35 BGH JR 1981, 115, 117,1. Sp. 36 BGH FamRZ 1970,483,484. 37 BGH FamRZ 1980,877,878,1. Sp. 38 BGH FamRZ 1966,560,563, r. Sp. 39 Ebenda, S. 560, 563, r. Sp. 40 Ebenda, S. 560, 563, r. Sp.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

zweifelhaft sein kann, daß dem Ausgleichsgläubiger eine Ausgleichsforderung zusteht42 oder ihm verweigert werden kann43. Wurde zum Beispiel ein Feststellungsurteil mit dem Inhalt erstritten, daß kein Zugewinnausgleich geschuldet wird, ist die Einrede nach § 1381 BGB rechtsmißbräuchlich. 44 Ebenfalls kann ein Kläger die Frage nach der Schuld an der Scheidung nicht erneut aufwerfen, um das Recht herzuleiten, die Erfüllung der Ausgleichsforderung nach § 1381 BGB zu verweigern, nachdem er im Einvernehmen mit der Klägerin im Ehescheidungsverfahren auf die Klärung der Schuldfrage verzichtet und die Regelung des Zugewinnausgleiches späteren Verhandlungen überlassen hat. Verfährt er auf diese Weise, setzt er sich in treuwidriger Weise in Widerspruch zu seinem Verhalten im Ehescheidungsrechtsstreit. 45 Neben dieser zweifellos grob unbilligen prozessualen Vorgehensweise gibt es für den Bundesgerichtshof darüber hinaus Fonnen des persönlichen Fehlverhaltens, die ausnahmsweise ohne jegliche Prüfung der gesamten Umstände des Einzelfalles zum Ausschluß des Zugewinnausgleiches führen können. Das ist der Fall, wenn die Parteien ihre Ehe nur der Fonn halber eingegangen sind und in der Absicht geschlossen haben, keine eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen.46 Zweifellos unbillig ist der Zugewinnausgleich auch, wenn durch strafgerichtliches Urteil festgestellt worden ist, daß der Ausgleichsgläubiger dem anderen Ehegatten nach dem Leben getrachtet hat. 47 Fassen wir zusammen: Nach dem Wortlaut des § 1381 BGB "kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigert werden, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen VeIhältnissen ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat." Der Bundesgerichtshof reduziert die Auslegung dieser Vorschrift zunächst auf die Frage, wie dem im Gesetzestext enthaltenen Begriff der groben Unbilligkeit ein eingegrenzter Sinn gegeben werden kann. Er löst es, indem er zwei Sinnzusammenhänge einführt, auf deren Grundlage das jeweils grob Unbillige erfaßt werden soll. Der erste besteht aus den "Erwägungen wirtschaftlicher Art". Der Ausgleichsschuldner kann aufgrund eines ihm unzumutbaren Vennögensopfers den Ausgleich verweigern. Der zweite Sinnzusammenhang knüpft 41 BGH JR 1981, 115, 117,1. Sp. 42 BGH FamRZ 1977, 38, 39, r. Sp. 43 BGH FamRZ 1965,554,555, r. Sp.; NJW 1972,433,434, r. Sp. 44 BGH FamRZ 1965,554,555, r. Sp. 45 BGH FamRZ 1977,38,39, r. Sp. 46 BGH FamRZ 1972,433,434, r. Sp. 47 BGH FamRZ 1965,554,555, r. Sp.

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an den Begriff des schuldhaften, pflichtwidrigen Fehlverhaltens an. Unter bestimmten Voraussetzungen kann insofern ein wirtschaftliches oder ein persönliches Fehlverhalten der Ehegatten während der Zeit der Zugewinngemeinschaft zum Ausschluß oder zur Minderung der Ausgleichsforderung führen. Dem übergeordnet stehen ein einschränkender und ein relativierender Begriff. Zum einen gibt es unerhebliche Umstände, die bei der Frage nach der groben Unbilligkeit des Ausgleiches rechtlich ohne Bedeutung sind. Zum anderen kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an, sofern sie rechtlich zu beachten sind. Es muß von Fall zu Fall entschieden werden, wann eine unzumutbare Härte oder ein schuldhaftes, pflichtwidriges Fehlverhalten grob unbillig ist. Das gilt aber nicht in Ausnahmefällen, bei denen zweifellos feststeht, daß dem AusgleichsgIäubiger kein Ausgleich zusteht

2. Die Methode der Auslegung a) Das methodische Selbstverständnis des Bundesgerichtshofes Der Bundesgerichtshof gibt die methodischen Regeln nicht an, die seiner Auslegung des § 1381 BOB zugrundeliegen. Diese ist weder das Ergebnis einer methodischen Reflexion, welche die einzelnen Urteilsgründe ordnet, noch der Versuch, einen bestimmten methodischen Standpunkt konsequent umzusetzen. Sofern überhaupt ein methodischer Anspruch geäußert wird, tritt er in Widerspruch zur tatsächlich angewandten Auslegungsmethode oder bleibt unklar. Grundsätzlich vermeidet der Bundesgerichtshof die Reflexion über die von ihm angewandten Auslegungsregeln. Lediglich im Neffenfall spielt das methodische Argument eine zentrale Rolle. Im Fbebruchfall und im Grundvermögenfall werden vereinzelt methodische Argumente eingesetzt.

Im Neffenfall wird die Auslegung mit den Regeln des klassischen Auslegungskanons begründet Der Bundesgerichtshof beschreibt seine Begründung des Urteils als eine Suche nach dem Sinn dieser Vorschrift, die ihren Ausgangspunkt vom Wortlaut der Nono nimmt,48 die Gesetzgebungsgeschichte mit einbezieht,49 die Systematik des Gesetzes überdenktso und auch den Sinn und Zweck des Gesetzes beriicksichtigtSl. Überprüft man diesen methodischen Anspruch mit der tatsächlich im Urteil angewandten Auslegungsmethode, so wird sichtbar, daß er nicht eingelöst wird. Ausgangspunkt der Auslegung ist keinesfalls der Wortlaut des § 1381 48 BOH FamRZ 1966,560,561. 49 Ebenda, S. 562. SO Ebenda, S. 563 f. SI Ebenda, S. 562, r. Sp.

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BGB. Viehnehr unterstellt der Bundesgerichtshof, daß der Ehebruch die Ausgleichsforderung grob unbillig erscheinen lassen kann. Das Auslegungsproblem besteht für ihn lediglich darin festzulegen, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist. 52 Sodann wird keinesfalls ausschließlich aus der Systematik und den Maßstäben der gesetzlichen Ordnung der Zugewinngemeinschaft hergeleitet, wann ein Ehebruch als grob unbillig anzusehen ist, wie es behauptet wird. Das trifft nur zu, soweit der Bundesgerichtshof verlangt, daß ein Ehebruch vorzuliegen hat, der ganz besonders ins Gewicht fällt, weil er sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Dieses Erfordernis wird tatsächlich mit der Systematik des Gesetzes begründet. Es ergibt sich für den Bundesgerichtshof zum einen aus dem Verhältnis von Zugewinnausgleich und Erbrecht. Aus dem Umstand, daß nach § 1371 Abs. 2 BGB der Anspruch auf Zugewinnausgleich auch besteht, wenn der überlebende Ehegatte vom Erbrecht und vom Anspruch auf den Pflichtteil ausgeschlossen ist, wird der Schluß gezogen, daß der alleinige Ausbruch aus der Ehe die grobe Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches nicht begründen kann. Es müsse viehnehr ein ganz besonders ins Gewicht fallendes Verhalten vorliegen. 53 Anschließend wird aus dem Verhältnis der §§ 1385, 1386 zu § 1381 BGB abgeleitet, daß für den Ausschluß des Zugewinnausgleiches lediglich ein Verhalten ins Gewicht fällt, das über einen längeren Zeitraum andauert. 54 Diese systematische Form der Gesetzesauslegung wird jedoch aufgegeben, wenn sodann Ausnahmefälle aufgezählt werden, bei denen es nicht auf die Dauer des Ehebruches ankommt. Diese werden keinesfalls mit der Systematik des Gesetzes begründet. Sie sind vielmehr das Resultat eigener Überlegungen des Gerichts, mit denen es auf den Vortrag der Parteien reagiert. Es erwägt zum Beispiel die mögliche ehewidrige Nachgiebigkeit des Beklagten und das Versagen beider Ehegatten. Einzelne Tatsachen des Sachverhalts und Wertungen der Parteien werden aufgegriffen und kommentiert. 55

Man findet aber nicht nur im Neffenfa1l Ansätze für eine methodische Reflexion der Auslegungsprobleme der Einrede der groben Unbilligkeit. Auch im Ehebruchfall und im Grundvermögenverfall deutet sie sich an. Allerdings verweist der Bundesgerichtshof in diesen beiden Urteilen nicht auf den klassischen Auslegungskanon. Viehnehr erklärt er eine andere Regel zur maßgeblichen Auslegungsmethode. Die Auslegung der Einrede der groben Unbilligkeit wird als ein Problem der Einzelfallgerechtigkeit behandelt,56 "dessen sachgemäße 52 BOH FamRZ 1966,561-563.

S3 Ebenda, S. 563, 1. Sp.

54 Ebenda, S. 563, 1. Sp. 55 BOH FamRZ 1966,560,563, r. Sp. S6 BOH FamRZ 1965,554,555; FamRZ 1974,83,84.

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Lösung dem Ennessen des Richters und seiner Würdigung der besonderen Umstände des ihm vorliegenden Falles anvertraut werden kan"57. Allerdings ist dieses methodische Programm, so wie es hier vom Bundesgerichtshof vertreten wird, eine mehrdeutige und deshalb unklare Auslegungsregel. Sie läßt offen, ob die Würdigung des Falles aus einer Bewertung oder aus einer Beschreibung des Sachverhalts besteht. Ein Blick auf die Fälle, in denen der Bundesgerichtshof die grobe Unbilligkeit im Hinblick auf die Einzelfallgerechtigkeit auslegt, verdeutlicht dies. So wird im Bigamiefall mit dem Argument der Einzelfallgerechtigkeit das Verhalten des Ausgleichsschuldners bewertet. In dieser Entscheidung wird dessen Schuld an der Trennung als erheblich angesehen. 58 Dagegen wird im Hotelfall unter der Einzelfallgerechtigkeit ein Problem der vollständigen Sachverhaltsermittlung verstanden. Die Entscheidung, ob die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Ausgleichsschuldners zur groben Unbilligkeit des Ausgleichs führt, wird von einer umfassenden Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse abhängig gemacht. 59 Es kommt hinzu, daß der Bundesgerichtshof nicht nur den Inhalt dieser von ihm aufgestellten Auslegungsregel unklar läßt, sondern sie auch nach Belieben im Einzelfall durchbricht, indem nach dem Prinzip von Regel und Ausnahme Fallkonstellationen konstruiert werden, bei denen die Auslegung "zweifellos" kein Problem der Einzelfallgerechtigkeit ist. 60 Außerdem ergeben eine solchermaßen verstandene Methode der Einzelfallgerechtigkeit und der klassische Methodenkanon kein einheitliches methodisches Programm. Diese beiden Methoden sind sich widersprechende Formen der Gesetzesauslegung. Der klassische Methodenkanon gründet auf dem analytischen Denken. Falls dieses nicht zum Ziel führt, sollen die Wertungen des Gesetzes erfaßt werden. Es wird davon ausgegangen, daß dem Gesetz ein objektiver Sinn innwohnt. Dagegen zielt das vom Bundesgerichtshof vertretene Programm der Einzelfallgerechtigkeit auf die subjektive FestIegung des Sinns der Norm durch den Richter. b) Die angewandte Methode der Gesetzesauslegung Sieht man von den vereinzelt geäußerten methodischen Anspruchen und wie diese eingelöst werden ab und analysiert statt dessen die tatsächlich vom Bundesgerichtshof angewandte Auslegungsmethode, ergibt sich, daß dieser bei der Lösung eines Auslegungsproblems willkürlich zwischen verschiedenen Formen der Gesetzesauslegung hin und her wechselt und verschiedene Auslegungsme57 BOH FamRZ 1974,83,84. 58 BOR JR 1981, 115, 117. 59 BOH FamRZ 1970,483,484. 60 BOH FamRZ 1965, 554, 555; NJW 1972,433,434; FamRZ 1977, 38, 39.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

thoden unbedacht miteinander vennengt. Alles in allem ist seine Methode ein Stückwerk von assoziativ zusammengestellten Einfällen. Von Fall zu Fall werden sich selbst auferlegte Regeln durchbrochen, übergangen, weiterentwickelt oder widersprüchlich behandelt. Dieser Methodenpluralismus vollzieht sich auf zwei Ebenen. Erstens entwickelt sich die Rechtsprechung insgesamt in dieser Fonn. Bei ein und demselben Auslegungsproblem verändert sich die methodische Herangehensweise von Fall zu Fall. Zweitens beherrscht der Methodenpluralismus jedes einzelne Urteil. Gedankliche Zusammenhänge und Argumentationsketten werden auf der Grundlage verschiedenster oder sich widersprechender Auslegungsmethoden hergestellt. Wie auf diesen beiden Ebenen der Methodenpluralismus die Suche nach dem Sinn der Norm beherrscht, wird zunächst für die vom Bundesgerichtshof für die Auslegung des § 1381 BGB emeblich gehaltenen Erwägungen wirtschaftlicher Art dargestellt (ba). Sodann wird erörtert, wie der Bundesgerichtshof zwischen analytischen und wertenden Denkformen hin und her wandert, wenn er die grobe Unbilligkeit als ein pflichtwidriges Verhalten des Ausgleichsberechtigten" auslegt (bb) und wenn er bestimmte Verhaltensweisen der Ehegatten von vornherein für die Frage der groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches für unerlleblich hält (bc). ba) Erwägungen wirtschaftlicher Art Daß die wirtschaftlichen Verllältnisse der Parteien zur groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches führen können, erwägt der Bundesgerichtshof zum ersten Mal im Neffenfall. Im Versorgungsfalllegt er diese Rechtsprechung erneut dar. Im Hotelfall und im Bigamiefall setzt er sie voraus. Der einmal gefundene Sinnzusammenhang wird ausdifferenziert. Untersucht man, wie sich von Fall zu Fall die dieser Rechtsprechung zugrundeliegende Methode entwickelt, wird ein grundlegender Wandel sichtbar. Im Neffenfall ist der Ausgangspunkt der Auslegung die analytische Methode. Der Bundesgerichtshof definiert die grobe Unbilligkeit als ein unzumutbares Opfer.6 1 Begründet wird dies nicht. "Daß hierbei die wirtschaftlichen Verllältnisse der Parteien zu würdigen sind", wird weiter ausgeführt, "mag am Rande bemerkt werden. "62

61 BGH FamRZ 1966, 560, 563, I. Sp., letzter Absatz.

62 Ebenda, S. 563 f.

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Im Versorgungsfall wird dann eine Begründung für diese Ansicht nachgeschoben.63 Es wird argumentiert, daß der Gesetzgeber die Regelung der Ausgleichsforderung in rein schematischer und pauschalierender Art und Weise gestaltet hat, die über § 1381 BOB korrigiert werden kann, wenn der Ausgleich nach den Umständen des einzelnen Falles grob unbillig ist. Aus dieser Systematik des Gesetzes wird der Schluß gezogen, daß das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BOB dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nur dann zustehen kann, wenn die Gewährung des Ausgleiches in der vom Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Weise dem Gerechtigkeitsempfmden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Diesem der Einrede der groben Unbilligkeit zugeschriebenen Gesetzeszweck wird wiederum entnommen, daß auch wirtschaftliche Erwägungen anderer Art als das in § 1381 Abs. 2 BOB angegebene Beispiel das Leistungsverweigerungsrecht als grob unbillig erscheinen lassen können. Hier ist also Ausgangspunkt für die Auslegung ein Gemenge aus analytischer und wertender Methode. Während im Neffenfall unterstellt wird, daß allein das analytische Denken in der Form einer nach den Kunstregeln der tIaditionellen Logik aufgestellten Definition zum Sinn der Norm hinführt, soll im Versorgungsfall der Sinn der Norm durch die Rekonstruktion der Vernunft des Gesetzes in Verbindung mit der dem Gesetz zugrundeliegenden Wertung erkennbar sein. So ermöglicht der Wechsel der Auslegungsmethode nachträglich zu begründen, was offensichtlich nicht das alleinige Resultat der Schärfe des analytischen Verstandes und seines Bemühens ist, den Wortlaut des Gesetzes zu erfassen, wie es zunächst behauptet wurde. Nun wird die Auslegung als Ausdruck des richterlichen Gerechtigkeitsempfindens erklärt und damit gerechtfertigt, daß das Gesetz den Richter beauftragt hat, auf diese Weise zu verfahren. Der Methodenpluralismus bei der Auslegung setzt sich innerhalb der einzelnen Urteile fort.

Im Versorgungsfall bestehen die wirtschaftlichen Erwägungen aus einer bunten Mischung verschiedenster Spielarten des wertenden und analytischen Denkens. Das Auslegungsproblem dieses Falles bestand in der Frage, ob zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, die möglicherweise den Ausgleich grob unbillig erscheinen lassen, auch die Versorgungslage des Beklagten nach der Auflösung der Ehe zählt und ob im konkreten Fall deren Nichtberücksichtigung die grobe Unbilligkeit des Ausgleichs zur Folge hat. 64 Der Bundesgerichtshof geht diese Aufgabe an, indem er zunächst von der Systematik des Gesetzes und dem im Gesetz objektivierten Zweck absieht, womit er die Berücksichtigung der Erwägungen wirtschaftlicher Art begründete, und auf die subjektiven Zwecke des historischen Gesetzgebers eingeht. Es wird hervorgehoben, daß dieser den Zugewinnausgleich auch zur Sicherstellung der 63 BGH FarnRZ 1973,254,256,1. Sp. 64 BGH FarnRZ 1973, 254, 255 f. 5 Rommel

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Ehegatten eingeführt hat. 65 Aus dieser gesetzgeberischen Zielsetzung wird 80-

dann der Schluß gezogen, daß die nacheheliche Versorgungslage der Ehegatten

in die wirtschaftlichen Erwägungen über die grobe Unbilligkeit des Ausgleiches mit einzubeziehen ist. Nach diesem Sprung von der Systematik und dem objektiven Zweck des Gesetzes zu den historischen Zielsetzungen des Gesetzgebers folgt die Rückkehr zur Vernunft des Gesetzes. Diese wird einerseits im Verhältnis der Vorschriften des Zugewinnausgleiches gesehen und andererseits der Eigenart familienrechtlicher Regelungen entnommen. 66 Da bei finanziellen Schwierigkeiten eine Stundung der Ausgleichsforderung nach § 1382 Abs. 1 BGB in Frage kommt, kann nach dem Bundesgerichtshof die nacheheliche Versorgungslage der Ehegatten nicht schlechthin berücksichtigt werden. Vielmehr müsse diese auf Dauer in Frage gestellt sein. Weil es sich aber bei der Ausgleichsforderung um einen familienrechtlichen Anspruch handele, dürfe zugleich die unterhaltsrechtliche Lage des Gläubigers der Ausgleichsforderung nicht gefährdet sein. Allerdings begrenzt insoweit nicht allein die Vernunft der gesetzlichen Regelung den Sinn der Norm. Daß eine solche Gefahrdung der unterhaltsrechtlichen Versorgungslage die Ausgleichsforderung grob unbillig erscheinen lassen kann, entspricht außerdem der richterlichen Richtigkeitsvorstellung. Der Ausgleich wird als ein Überschreiten einer nicht mehr zumutbaren Opfergrenze bewertet. 67 Nach diesem Hin und Her zwischen objektiven Sinn, historischen Kontext der Norm, verschiedenen Regelungskomplexen des Gesetzes und richterlicher Bewertung wendet sich der Bundesgerichtshof erneut dem ihm vorgelegten Sachverhalt zu, um zu überprüfen, ob weitere Tatsachen vorliegen, die für eine Gefahrdung der Versorgungslage des Ausgleichsschuldners sprechen. Nunmehr bedient er sich ausschließlich des analytischen Denkens, um den Sinn der Norm in diesem Punkt zu erfassen. Es wird eine Identität zwischen Gefahrdung und Abhängigkeit hergestellt. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, daß eine Gefahrdung der unterhaltsrechtlichen Versorgungslage vorliegt, wenn der Ausgleichsschuldner "durch die Erfüllung der Ausgleichsforderung und den dadurch bewirkten Entzug der eigenen erforderlichen Unterhaltsmittel in eine unterhaltsrechtliche Abhängigkeit geraten und auf unsichere Unterhaltsansprüche angewiesen"68 ist, während die unterhaltsrechtliche Versorgungslage des Gläubigers auch bei Nichterhalt des Zugewinnausgleiches ungefahrdet bleibt. Im Neffenfall vermischt der Bundesgerichtshof gleichermaßen verschiedene methodische Ansätze miteinander, soweit es um die Berücksichtigung der wirt65 BOH FamRZ 1973,254,256,1. Sp., letzter Satz. 66 Ebenda, S. 256, r. Sp., zweiter Absatz. 67 Ebenda, S. 256, r. Sp., zweiter Absatz. 68 Ebenda, S. 256, r. Sp., dritter Absatz.

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schaftlichen Verhältnisse der Eheleute geht Nachdem er die grobe Unbilligkeit mit einem "unzumutbaren Opfer" gleichgesetzt hat, wird diese Definition auf doppelte Weise mit voneinander abweichenden Methoden präzisiert. Zum einen kommt es auf die "Würdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse"69 an. Insoweit soll die Methode der Einzelfallgerechtigkeit angewandt werden, mit den bereits oben beschriebenen Konsequenzen. Es wird offengelassen, ob die Bewertung oder die Beschreibung der wirtschaftlichen Verhältnisse deren Unbilligkeit zutage fordert Zum anderen wird der Begriff des unzumutbaren Opfers mit Hilfe des analytischen Denkens eingeschränkt. Es wird argumentiert, daß aus der gesetzlichen Regelung des Zugewinnausgleiches für die Anwendung des § 1381 BGB Folgerungen zu ziehen sind. Denn "um den Grundgedanken der Zugewinngemeinschaft in anwendbare Gesetzesbestimmungen zu kleiden ... mußte das Gesetz für die Berechnung des Zugewinnausgleiches grob pauschalierende Vorschriften erlassen"70. Die Geltendmachung der auf diese Weise errechneten Ausgleichsforderung sei aber legitiIn, so daß sie unter dem Gesichtspunkt des § 1381 BGB nicht wieder abgeschwächt werden dürfe. Deshalb sei die Grenze, von der ab der Zugewinnausgleich als ein unzumutbares Opfer anzusehen ist, weit hinaus anzusetzen. bb) Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art Ein entsprechender Methodenpluralismus kennzeichnet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art des Gläubigers der Ausgleichsforderung. Es werden sowohl methodische Ansätze im Verlauf der Rechtsprechung zur Lösung ein und desselben Auslegungsproblems ausgewechselt, als auch in den Urteilsgründen der einzelnen Entscheidungen willkürlich verschiedene Auslegungsmethoden miteinander vermengt. Die Grundsatzentscheidung für diese Auslegung ist der Neffenfall. 71 Sie wird im Hotelfall72 noch einmal ausdrücklich bestätigt. Im Getrenntlebendenfall73 und im Verzeihungsfall74 wird eine weitere Form des Fehlverhaltens in Erwägung gezogen. Es wird darum gestritten, ob außer einem Ehebruch auch das Getrenntleben der Ehegatten zum Ausschluß oder zur Kürzung der Ausgleichsforderung wegen grober Unbilligkeit führen kann. Diese Fallvariante 69 BGH FamRZ 1966,560,563, r. Sp.

70 BGH FamRZ 1966,560,563, r. Sp.

71 BGH FamRZ 1966,560,561-563. 1970,483,484, r. Sp. 73 BGH NJW 1972,433,434, r. Sp. 74 BGH FarnRZ 1977, 38, 39. 72 BGH FamRZ

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

wird erneut im Bigamiefall75 aufgegriffen und diskutiert, allerdings auf der Grundlage einer abweichenden Auslegungsmethocie. Im Fuhrunternehrnenfall76 wird sich dann mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Fehlverhalten auch in einem schuldhaften Verhalten bestehen kann, das gerade zu dieser Trennung geführt hat, wenn der Zugewinnausgleich erst nach der Trennung enielt worden ist. Im Neffenfall wird ausdrücklich hervorgehoben, daß "nach dem Wortlaut des § 1381 BGB allein der Richter nicht sicher betimmen kann, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten des Gläubigers während der Ehe, das keine Verletzung wirtschaftlicher Pflichten darstellt, geeignet ist, die Gewährung des Ausgleichsanspruches ganz oder teilweise als grob unbillig erscheinen zu lassen"77. Zur Auslegung wird daher auf die Systematik des Gesetzes zuruckgegriffen. Im Bigamiefall und im Fuhrunternehrnenfall nimmt der Bundesgerichtshof von dieser Auslegungsmethode Abstand. Er geht vom Gesetzeswortlaut aus und definiert die grobe Unbilligkeit. "Ausnahmsweise", so führt er wörtlich übereinstimmend in beiden Fällen aus, "wird dem an sich ausgleichspflichtigen Ehegatten ein Verweigerungsrecht gemäß § 1381 BGB zuerkannt, wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruches nach den Umständen des Einzelfalles grob unbillig wäre, d. h. in der vom Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. "78 Es folgt eine weitere Definition. "Eine solche Unbilligkeit", wird hinzugefügt, "wird in der Regel ein schuldhaftes Verhalten auf Seiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten voraussetzen, wobei das Fehlverhalten im Gegensatz zu dem in § 1381 Abs. 2 BGB gegebenen Beispiel nicht notwendig wirtschaftlicher Natur, sondern auch anderer Art sein kann. "79 Aber der Bundesgerichtshof variiert seine Methoden nicht nur von Fall zu Fall. Vielmehr herrscht ein solcher Methodenpluralismus auch innerhalb der jeweiligen Urteilsgriinde einzelner Entscheidungen. Auf den Wechsel zwischen systematischer Auslegung und den Rückgriff auf richterliche Werte im Neffenfall wurde bereits hingewiesen. 80 Im Bigamiefall und im Fuhrunternehrnenfall werden auf entsprechende Weise Auslegungsmethoden mitten in der Argumentation ausgetauscht. Die in beiden Fällen auf dem analytischen Denken griindende begriffliche Deduktion bricht an entscheidender Stelle überraschend ab. Der jeweils letzte Schritt bei der Ausdifferenzierung des Begriffs wird nicht aus der dargelegten Definition der groben Unbil75 BGH JR 115, 116 f. 76 BGH FarnRZ 1980, 877 f. 77 BGH FarnRZ 1966,560,561, r. Sp. 78 BGH JR 1981, 115, 116, r. Sp.; FamRZ 1980,877, r. Sp. 79 BGH JR 1981, 115, 116, r. Sp.; FarnRZ 1980, 877, r. Sp.

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ligkeit abgeleitet, sondern mit Hilfe der Methode der Einzelfallgerechtigkeit begründet. Im Bigamiefall wird hervorgehoben, daß bei der Frage nach der Schuld an einem Fehlverhalten die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. 81 Und nach dem Fuhrunternehmenfall gilt dies auch, wenn zu prüfen ist, ob das zur Trennung führende Vernalten des ausgleichsberechtigten Gatten die grobe Unbilligkeit des Ausgleiches zur Folge hat. 82 bc) Unemebliche Umstände

Daß bestimmte von den Parteien dem Gericht vorgelegte Tatsachen für die Frage nach der groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches von vornherein ohne jegliche rechtliche Bedeutung sind, wird vom Bundesgerichtshof wiederholt erklärt. Die Auslegungsmethode, mit welcher diese Rechtsprechung begründet wird, weicht jedoch grundlegend ab. Im Neffenfall, im Versorgungsfall, im Bigamiefall sowie im Fuhruntemehmenfall wird insoweit auf den Sinn und Zweck des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft verwiesen. 83 Dieser soll "sicherstellen, daß beide Fhegatten an dem, was während der Ehe erworben wurde, gerecht beteiligt werden"84. Diese Beteiligung wird im Falle der Beendigung des Güterstandes durch die Gewährung des Ausgleiches erreicht. Das Gesetz "hält ihn also schon im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft und den Grundsatz der Gleichberechtigung für gerecht"8S. Deshalb sei es im allgemeinen ohne rechtliche Bedeutung, wer den Zugewinn erwirtschaftet hat. Auf die Mitwirkung und MitaIbeit des ausgleichsberechtigten Ehegatten komme es nicht an.

Im Grundvermögenfall und im Schmerzensgeldfall wird hingegen eine andere Auslegungsmethode angewandt, wenn es darum geht, die Unemeblichkeit einer Tatsache für die Frage nach der groben Unbilligkeit des Ausgleiches zu begründen. Es wird auf die Methode der Einzelfallgerechtigkeit verwiesen. Aus diesem Grunde sei eine nominelle Wertsteigerung durch den Kaufkraftschwund des Geldes kein über § 1381 BGB zu korrigierender Zugewinn. Denn es handele sich hier nicht um eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit, sondern um ein generelles Problem, welches schon bei der Ermittlung der Höhe der Zugewinnausgleichsforderung berücksichtigt werden müsse. 86 Auch ein Ausgleich eines Zugewinns, der aufgrund eines Schmenensgeldanspruches erworben wurde, 80 Vgl. oben S. 60 f. 81 BGH JR 1981, 115, 116, r. Sp., letzter Abschnitt. 82 BGH FamRZ 1980, 877, r. Sp., vierter Abschnitt, letzter Satz. 83 BGH FamRZ 1966,560,562, r. Sp.; FamRZ 1973,254,256, r. Sp.; JR 1981, 115, 116, r. Sp.; FamRZ 1980, 877, r. Sp. 84 BGH FamRZ 1966,560,562, r. Sp. 8S Ebenda, S. 562, r. Sp. 86 BGH FamRZ 1974,83,84, r. Sp.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

sei aus dem gleichen Grund nicht grob unbillig, sofern nicht besondere Umstände im Einzelfall hinzutreten. 87

3. Zur Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Der Wortlaut des § 1381 BGB beinhaltet drei Auslegungsprobleme. Erstens kann man dem Gesetzestext nicht entnehmen, wann eine grobe Unbilligkeit vorliegt. Insoweit enthält Abs. 2 lediglich ein Beispiel. Zweitens spricht das Gesetz von den Umständen des Falles, nach denen der Ausgleich des Zugewinns grob unbillig wäre. Es wird also eine Auslegungsregel angegeben, die bei der Interpretation des Begriffs der groben Unbilligkeit zu beachten ist. Die Einrede nach § 1381 BGB besitzt einen Geltungsbereich,88 Nur solche Umstände, die den Fall bilden, können das Leistungsverweigerungsrecht begründen. Diese Auslegungsregel ist aber unklar, denn das Gesetz gibt nicht an, welche Teile des von den Parteien dem Gericht vorgelegten Sachverhaltes zu den Umständen des Falles zählen, die zur groben Unbilligkeit der Ausgleichsforderung führen können. Drittens fügt das Gesetz noch eine weitere ebenso mehrdeutige Auslegungsregel hinzu. Die Umstände des Falles werden mit der groben Unbilligkeit verknüpft. Der Ausgleich muß nach den Umständen des Falles grob unbillig sen. Der Bundesgerichtshof greift folgerichtig alle drei Auslegungsprobleme auf. Er führt zwei Sinnzusammenhänge ein, um die Offenheit des Begriffs der gr0ben Unbilligkeit einzugrenzen. Ein Fehlverhalten des Gläubigers der Ausgleichsforderung und wirtschaftliche Erwägungen können den Ausgleich ausschließen oder mindern. Der Norm wird auch ein Geltungsbereich gegeben. Aufgrund der Idee der Einzelfallgerechtigkeit und dem Sinn und Zweck des Zugewinnausgleiches sind einzelne von den Parteien dargelegte Umstände für die Frage des Leistungsverweigerungsrechts nach § 1381 BGB ohne rechtliche Bedeutung. Ferner setzt sich der Bundesgerichtshof mit dem dritten Auslegungsproblem der Vorschrift auseinander. Die Auslegung der groben Unbilligkeit wird als ein Problem der Einzelfallgerechtigkeit angesehen. Wann sie vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Falles. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muß umfassend geführt werden, denn notgedrungen geht sie um Grundsätzliches, weil keine der höchstrichterlichen Lösungen der drei Auslegungsprobleme des § 1381 BGB überzeugt. 87 BGH FamRZ 1981,755,756. 88 Wir übemetunen diese Tenninologie von Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 13-15.

Müller spricht insoweit vom "Normbereich" des Gesetzes (Juristische Methodik, insbesondere S. 103 f. und 147 ff.).

I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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a) Die Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches Indem der Bundesgerichtshof die grobe Unbilligkeit als ein dem Gerechtigkeitsempfmden in unerträglicher Weise widersprechendes "unzumutbares Opfer" beziehungsweise als eine ihm widersprechende "unverhältnismäßige wirtschaftliche Härte" auslegt, bringt er drei Begriffe miteinander in Verbindung. Er interpretiert die Billigkeit als eine spezifische Form von Gerechtigkeit. Sie ist legitime Teilhabe am vorhandenen Vermögen des anderen Ehegatten bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes. Dieser Teilhabe am Vermögen wird der Begriff der Unbilligkeit entgegengesetzt. Er markiert den Punkt, von dem ab der Vermögensausgleich ungerecht wird. Er entscheidet, inwieweit die Gerechtigkeitsidee des Gesetzes außer Kraft gesetzt wird. Auf diese Weise wird nachträglich die nach den Vorschriften des Zugewinnausgleiches errechnete verteilbare Vermögensmasse verkleinert oder vollständig dem Zugriff des anderen Ehegatten entzogen. Das ist ein zweifelhafter Ausgangspunkt für die Auslegung. Er läßt offen, warum die Unbilligkeit empfunden werden muß und nicht einfach ein Frage der Gerechtigkeit ist. Die Grenze zum Ungerechten wird auf diese Weise verwischt. Das Rechtsgefühl ist kein zwingendes Anzeichen dafür, daß ein Ereignis in der Welt gerecht oder ungerecht ist. Sodann gelingt es auch nicht, mit der Hilfe dieses angreifbaren und unklaren Ausgangspunktes den solchermaßen eingeführten Sinn der groben Unbilligkeit zumindest im Fortgang der Auslegung zu präzisieren. Anstatt die Grenze genauer zu bestimmen, von der ab der Ausgleich in "unerträglicher Weise dem Gerechtigkeitsempfinden" widerspricht, startet der Bundesgerichtshof einen mehr verwirrenden als klärenden Versuch der Interpretation des Gerechtigkeitsempfmdens, wenn er die Grenze des grob Unbilligen mit einem "unzumutbaren Opfer" oder einer "wirtschaftlichen Härte" gleichsetzt. Zum einen fehlt die Begründung, warum gerade in diesen beiden Fällen das Gerechtigkeitsempfinden berührt wird - und überdies in unerträglicher Weise. Das liegt nicht auf der Hand. Zum anderen geben diese beiden Begriffe keinesfalls eindeutig an, in welchem Umfang oder ob überhaupt der Zugewinn zu verteilen ist. Sie sind relative Begriffe. Ein Opfer wird für etwas geleistet und eine Härte beinhaltet eine Entbehrung von etwas. Insofern bleibt unklar, welcher Sachverhalt gemeint ist, wenn der Bundesgerichtshof ausschließlich von einer "Opfergrenze" beziehungsweise von einer "Härte" spricht. Beides kann sich auf Verschiedenes beziehen. Der Ausgleich kann angesichts der gelebten Ehe, in Bezug auf die unterschiedliche Bedürftigkeit der Ehepartner, in Bezug auf ihre KonsumWÜDsche, aufgrund einer anderen Ungleichbehandlung, wegen der Nichtberücksichtigung der Vermögensverhältnisse oder weil seine Zahlung als ein zu hoher

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

Preis für die Trennung erscheint ein Opfer bedeuten oder zu einer Härte führen. So kann mit jedem dieser vielfältigen Sachverhalte etwas Neues als Härte oder als Opfer in die Waagschale geworfen werden, um die Masse des zu verteilenden Zugewinns zu verkleinern oder die Teilhabe an ihm vollständig auszuschließen. Und ganz unabhängig davon, worin die Härte oder das Opfer besteht, drücken sich beide niemals in einem festen Geldwert aus. Sie sind keine quantifizierbaren Sachverhalte, sondern werden von allen am Prozeß Beteiligten, den Parteien, ihren Bevollmächtigten und den Richtern, jeweils auf andere Art und Weise wahrgenommen. Maßstab sind hier die subjektiven Empfindungen der Menschen, ihre Bedürfnisse, ihre Ideale oder ihre Richtigkeitsvorstellungen. Ebenso verschwommen ist der zur näheren Eingrenzung der groben Unbilligkeit in Anlehnung an das alte Scheidungsrecht (§ 43 EheG) verwendete Begriff des Fehlverhaltens. Der Bundesgerichtshof läßt gerade offen, ob er mit dieser Wortwahl auf den von der Rechtsprechung zur Auslegung des § 43 EheG entwickelten Katalog von Ehepflichten hinweist. Insofern ergäbe der Begriff des Fehlverhaltens allenfalls einen bestimmbaren Sinn, wenn das Gesetz eindeutig identifizierbare Pflichten zwischen Ehegatten kennt, die beim Ausgleich des Zugewinns gelten. Daran mangelt es aber. Aus dem offenen Begriff der Billigkeit folgen solche Pflichten nicht zwangsläufig, selbst wenn man ihn als Sittlichkeit deutet. Auch in § 1381 Abs. 2 BGB sind sie nicht abschließend aufgezählt. Dieser Absatz enthält nur ein Beispiel einer grob unbilligen Pflichtverletzung. Überhaupt ist die Übertragung der in §§ 1353 ff. BGB normierten ehelichen Pflichten auf die Regelung der Ausgleichsforderung zweifelhaft, da der Zugewinn die Folge der Trennung der Ehegatten ist und nicht eine Regel des ehelichen Zusammenlebens. Fraglich ist weiterhin, wie sich der Übergang vom Verschuldens- zum ZeITÜttungsprinzip auf die Rechtsinstitute auswirkt, welche die Folgen der Scheidung regeln. Insofern suggeriert der Begriff des Fehlverhaltens eine Eindeutigkeit, die er überhaupt nicht leisten kann. Die Kritik richtet sich jedoch nicht ausschließlich gegen die Mehrdeutigkeit der Begriffe, welche der Bundesgerichtshof zur Auslegung der groben Unbilligkeit verwendet. Auch deren Ausdifferenzierung überzeugt nicht und läßt diese Begriffe noch fragwürdiger erscheinen. Aufgrund des ständigen Wechsels der Auslegungsmethoden bei der Anwendung der Begriffe im Einzelfall und innerhalb der Urteilsgründe der jeweiligen Entscheidungen werden die Ausschnitte der sozialen Wirklichkeit, die sie bezeichnen sollen, zunehmend undeutlicher. Die Auslegung grenzt diese Begriffe nicht ein oder führt zu einer differenzierteren Wahrnehmung von ihnen. Statt dessen verlieren sie jegliche Konturen. Das unzumutbare Opfer soll einerseits als objektiver Sinn des Gesetzes ein von jedermann gleichermaßen erkennbarer Sachverhalt sein. Andererseits bestimmt die richterliche Sichtweise von der

I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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Welt, unter welchen Voraussetzungen er vorliegt. Der Richter würdigt den Fall. Ferner soll das Fehlverhalten ein Sachverhalt sein, der wahrnehmbar wird, wenn man den Standpunkt der Vernunft des Gesetzes, seine Systematik. und seinen Zweck, einnimmt. Gleichwohl ist das Gesetz aber auch derartig unvernünftig, daß es die eheliche Nachgiebigkeit oder andere Ausnahmefälle übergeht. Insoweit kommt es wiederum auf die richterliche Sichtweise von der Wirklichkeit an. Außerdem hat der bei der Ausdifferenzierung zur Erfassung des Sinns der groben Unbilligkeit praktizierte Methodenpluralismus zur Folge, daß die Auslegung, die im Einzelfall der Norm gegeben wird, auf einer Entscheidung beruht, der jede Rationalität fehlt. Es gibt keine innere Logik, welche die einzelnen zur Auslegung der Norm geäußerten Bruchstücke von Gedanken zusammenführt. Der Gesamtzusammenhang der Rechtsprechung und derjenige zwischen den einzelnen Gründen im Urteil wird nicht überdacht. Deduktionen aus dem Wortlaut der Norm werden willkürlich abgebrochen. Die "Würdigung der Umstände des Falles" durch den Tatrichter entscheidet darüber, ob das sich aus dem Wortlaut der Norm ergebende Erfordernis eines "unzumutbaren Opfers" vorliegt.89 Auslegungsmethoden werden zur Begründung eines aus ihnen gerade nicht ableitbaren Sinns der Norm vorgeschoben. Das Erfordernis der "Zumutbarkeit" des Opfers und dasjenige des "besonders ins Gewicht fallenden" Fehlverhaltens ergeben sich keinesfalls zwingend aus der Systematik des Gesetzes, wie es vom Bundesgerichtshof unterstellt wird. 90 Außerdem werden Wertungen in ihren Konsequenzen nicht überdacht. Nach dem Sinn und dem Zweck der Norm kann auch ein Fehlverhalten zum Ausschluß des Zugewinnausgleiches führen. Die Zielsetzung des Gesetzes soll gleichwohl unbeachtlich für die Entscheidung der Frage sein, ob und unter welchen Voraussetzungen ein persönliches Fehlverhalten die Einrede nach § 1381 BGB begründen kann. Dieses Problem soll sich statt dessen ausschließlich aus dem Wortlaut der Norm ergeben. Aus dem beispielhaften Charakter des § 1381 Abs. 2 BGB wird geschlossen, daß auch ein Fehlverhalten anderer Art in Frage kommt. 91 So werden im ständigen Wechsel der methodischen Ansätze niemals die Möglichkeiten und Grenzen einer bestimmten Auslegungsmethode erprobt. Vielmehr werden laufend Bruchstücke verschiedener Rechtsideen miteinander vermengt. Diese widersprechen sich entweder in ihren jeweiligen Prämissen oder stehen beziehungslos nebeneinander. Auf diese Weise entstehen Wertungswidersprüche, nicht mehr nachvollziehbare Deduktionen oder eine Argumentation wird lückenhaft. Dann braucht die eigentliche Urteilsbegründung

89 Vgl. oben S. 66 f. 90 Vgl. oben S. 65 und S. 68. 91 Vgl. oben S. 68.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

auch nicht mehr im Urteil selbst ausgesprochen werden, weil mit der dargelegten Auslegungsmethode jedes Ergebnis begründbar wird. b) Der Geltungsbereich der Norm Der Bundesgerichtshof bestimmt den Geltungsbereich des § 1381 BGB normativ. Er beschreibt nicht abschließend, welchen Sachverhalt das Gesetz meint, wenn es von den Umständen des Falles spricht. Vielmehr wird der Einrede der groben Unbilligkeit ein Normprogramm zugrundegelegt, aus dessen Sinn sich die Bedeutung dieser Worte ergibt. Der Geltungsbereich der Norm wird durch die Idee der Einzelfallgerechtigkeit und das Ziel des Gesetzgebers abgesteckt, die Ehegatten im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft und den Grundsatz der Gleichberechtigung an dem gerecht zu beteiligen, was während der Ehe erworben wurde. 92 Allerdings überzeugt diese Lösung des Problems keinesfalls. Sie ergibt keine eindeutige Grenze der Verrechtlichung. Das eine Mal wird verlangt, daß nur besondere Umstände bei der Frage nach der groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches berücksichtigt werden können. Das andere Mal kommt es insoweit allein auf die Bewertung eines einzigen Umstandes an. Das ist nicht verwunderlich. Denn das Ziel der Einzelfallgerechtigkeit, so wie sie vom Bundesgerichtshof verstanden wird, und dasjenige einer gerechten Beteiligung ergeben kein einheitliches Normprogramm. Sie widersprechen sich. Geht man nämlich davon aus, daß die Einrede der groben Unbilligkeit garantieren soll, daß die gerechte Beteiligung am Zugewinn stattfindet, dient sie der Verwirklichung der Wertung des Gesetzes in den vom Gesetzgeber nicht vorhergesehenen Fällen. Sie ist Maßstab der Verteilung. Ist das Ziel der Einrede der groben Unbilligkeit dagegen die Einzelfallgerechtigkeit im Sinne des Bundesgerichtshofes, dann bezweckt sie einen Ausschluß oder eine Minderung der Beteiligung am Zugewinnausgleich, wenn besondere Umstände vorliegen, nach Maßstäben, die vom Richter bestimmt werden. Es zeigt sich hier in aller Schärfe der Mangel aller Teleologie. Diese Auslegungsmethode spiegelt die Existenz eines einzigen Gesetzeszweckes vor. Tatsächlich aber kann man mit ihr nach Belieben dem Gesetz eine bestimmte Zielsetzung zuschreiben. c) Die nach den Umständen des Falles grobe Unbilligkeit Diese widersprüchliche Interpretation des der Einrede der groben Unbilligkeit zugrundeliegenden Normprogrammes setzt sich bei der Lösung des dritten Auslegungsproblems fort. Nach dem Bundesgerichtshof entscheidet der Richter nach der Würdigung der Umstände des Falles, ob eine grobe Unbilligkeit gege92 Vgl. oben S. 69.

ll. Die Auslegung des § 1381 BGB durch die Oberlandesgerichte

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ben ist. Eine solche Auslegungsregel ist nicht nur mehrdeutig, weil sie offen läßt, ob eine umfassende Beschreibung des Falles oder dessen Bewertung zu diesem Zweck erforderlich ist. Vielmehr verschweigt sie auch, ob die vom Richter angelegten Maßstäbe oder seine Beschreibung des Falles aus dem Sinn des Gesetzes oder aus einem dem Wortlaut des Gesetzes entnommenen Begriff des Unbilligen abgeleitet werden müssen oder ob das Gesetz den Richter gemde umgekehrt auffordert, von einer solchen Bindung an das Gesetz Abstand zu nehmen und mit Hilfe eigener subjektiver Wertvorstellungen, den Fall zu würdigen.

11. Die Auslegung des § 1381 BGB in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Die Schwäche der Auslegung des § 1381 BGB durch den Bundesgerichtshof ist der unklare Ausgangspunkt. Es wird dem Verhältnis von Billigkeit, Gerechtigkeit und Gesetz eine Evidenz zugeschrieben, die gemde nicht vorhanden ist. Deshalb bleibt der Begriff der groben Unbilligkeit dunkel. Und über dieses Defizit an Reflexion können auch die angewandten Auslegungsregeln nicht hinweghelfen. Da sie willkürlich nach Bedarf eingesetzt werden, täuschen sie im Gegenteil eine Stimmigkeit der Urteilsbegründung vor, die nicht vorhanden ist. Im Ergebnis büßt die Auslegung ihre ÜbelZeugungskraft ein. Über diese fehlende Rationalität der Auslegung können die unteren Instanzen hinwegsehen. Sobald sie diese Rechtsprechung übernehmen, genügt als Begründung die höchstrichterliche Autorität. Drr zu folgen ist außerdem vernünftig. Eine Aufhebung des Urteils wird vermieden. Gleichwohl kann die Autorität die Vernunft nicht ersetzen. Eine höchstrichterliche Entscheidung, die auf unklaren und widersprüchlichen Argumenten gründet, ist eine schwache Autorität. Zum einen kann sie leicht umgangen werden. Die unteren Gerichte können sich die Mehrdeutigkeit zunutze machen, indem sie einen Sinn unterstellen, welcher der eigenen Ansicht über den Sinn der Norm entspricht. Zum anderen entsteht für diejenigen Gerichte, die das Ergebnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung übernehmen und es im Einzelfall, so wie es gemeint ist, auch anwenden wollen, das Dilemma, eine mehrdeutige Auslegung des Gesetzes in einen eindeutigen zusammenhängenden Gedankengang umzuformen. Es muß in die Willkür der höchstrichterlichen Entscheidungen eine nachvollziehbare und auf einen neuen Sachverhalt anwendbare Rationalität hineininterpretiert werden. Der mit dem Weg durch die Instanzen sich vollziehende Wechsel des richterlichen Auslegungszieles verändert auch die Bedingungen der methodischen Reflexion. Während die höchstrichterliche Rechtsprechung in Grundsatzentscheidungen bei der Wahl ihrer Methoden in der dieser jeweils zugrundeliegen-

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

den Vernunft frei ist, haben die unteren Instanzen diese Freiheit der Methodenwahl verloren. Folgen sie der höchstrichterlichen Rechtsprechung, übernehmen sie einen bestimmten methodischen Ansatz. Sie bauen dessen Rationalität im Detail aus. Sie erweitern einen Sinnzusammenhang oder differenzieren ihn aus. Allerdings geht diese Aufgabenverteilung nicht auf, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht auf eindeutig identifizierbaren Auslegungsregeln beruht, sondern statt dessen ständig Bruchstücke verschiedener Auslegungsmethoden miteinander vermengt. Die Befolgung von Grundsätzen wird dann zum Problem. Methodische Argumente müssen nachgeschoben und Widersprüche geglättet werden, damit ein vorgelegter Fall überhaupt sinnvoll auf die höchstrichterliche Rechtsprechung bezogen werden kann. Andererseits kann derjenige, dessen Ziel es ist, seine eigene Ansicht über den Sinn der Norm als Ergebnis höchstrichterlicher Auslegung darzustellen, sich diesen Umstand zunutze machen. Er kann den Methodenpluralismus in eine beliebige Richtung fortsetzen und die gewünschte Auslegung als Folge höchstrichterlicher Entscheidungen ausgeben. Die folgende Darstellung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu § 1381 BGB berücksichtigt, daß mit dem Wechsel der Instanzen sich die Bedingungen der vernünftigen UrteilsbegrüDdung und der methodischen Reflexion der Auslegung verändern. Im Mittelpunkt steht daher die Frage, inwieweit die Oberlandesgerichte der Autorität des Bundesgerichtshofes folgen und wie sich diese Übernahme der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die methodische Reflexion bei der Auslegung auswirkt. Diesen beiden Fragen wird bei allen der drei Auslegungsprobleme des § 1381 BGB nachgegangen. Zunächst wird erörtert, wie die beiden vom Bundesgerichtshof zur Auslegung der groben Unbilligkeit eingeführten Sinnzusammenhänge von den Oberlandesgerichten verstanden und weiterentwickelt werden (1). Danach wird dargestellt, inwieweit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehepartner zur groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches führen können (2). Anschließend rückt der Geltungsbereich der Norm in den Mittelpunkt. Es wird untersucht, welche Umstände als unerheblich für die Auslegung des § 1381 BGB angesehen werden (3). Es folgt die Darlegung der Methode der Einzelfallgerechtigkeit in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (4). Eine gesonderte Kritik schließt sich dieser Analyse nicht an. Vielmehr fallen Darstellung und Kritik in diesem Fall zusammen. Denn die Beschreibung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird demonstrieren, wie durch die Anwendung der höchstrichterlichen Grundsätze im Einzelfall der Sinn der Einrede der groben Unbilligkeit zunehmend undeutlicher wird So führt hier die Darstellung am Ende, gewollt oder ungewollt, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes endgültig ad absurdum.

ll. Die Auslegung des § 1381 BOB durch die Oberlandesgerichte

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1. Fehlverhalten Die Analyse der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Fehlverhalten teilt sich in zwei Teile auf. Sie beginnt mit dem Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art (a). Es schließt sich der Teil über die Auslegung des in § 1381 BOB Abs. 2 enthaltenen Beispiels einer wirtschaftlichen Pflichtverletzung an. a) Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art war Gegenstand einer Reihe von Berufungsverfahren. In einem dem Oberlandesgericht Celle93 vorgelegten Fall hatte die ausgleichsberechtigte Klägerin außereheliche Beziehungen zu anderen Männern unterhalten, aus denen insgesamt vier Kinder hervorgingen. Die nichteheliche Abstammung dieser Kinder verschwieg sie ihrem Mann. In einem vom Oberlandesgericht Düsseldorf94 entschiedenen Fall hatte die Klägerin ihren Ehebruch verheimlicht. Im Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm vom 1.12.1975 95 hatte die Klägerin ein außereheliches Verhältnis über einen Zeitraum von über drei Jahren. Die nichteheliche Abstammung ihrer aus dieser Beziehung hervorgegangenen Tochter hatte sie ihrem Ehemann gegenüber zunächst bestritten. Sie verklagte ihn auch auf Unterhalt für das Kind. In einem zweiten vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall (Urteil vom 16.2.1989) hatte die Klägerin zu vier verschiedenen Männem außereheliche Beziehungen aufgenommen. 96 Das Oberlandesgericht Karlsruhe97 hatte zu beurteilen, ob eine vorsätzlich begangene Tötung der Ehefrau durch ihren Mann den Ausschluß des Zugewinnausgleiches rechtfertigt. Im Urteil des Oberlandesgerichtes Bamberg98 erhob die Antragsgegnerin die Einrede der groben Unbilligkeit auch deshalb, weil ihr inzwischen geschiedener Mann über einen längeren Zeitraum keinen Kindesunterhalt zahlte und sie, wie sie behauptete, mit einer Geschlechtskrankheit ansteckte.

In allen diesen Urteilen berufen sich die Oberlandesgerichte auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art. Einhellig sieht man sich an sie gebunden, allerdings wird deren Sinn unterschiedlich verstanden. Das spiegelt sich schon allein in der voneinander abweichenden Terminologie wider, in der man den Bundesgerichtshof wiedergibt. Man übernimmt den Begriff des Fehlverhaltens nicht wörtlich. Statt dessen 930LG Celle FarnRZ 1979,431. 94 OLG DiisseldorfFamRZ 1981,262 = NJW 1981,829. 95 OLG Hamm FarnRZ 1976,633. 96 OLG Hamm FarnRZ 1989, 1188; vgl. zu diesem Urteil auch die kritische Arunerkung von Wiegmann, FarnRZ 1990,629. 97 OLG Karlsruhe FarnRZ 1987, 823. 98 OLG Bamberg FarnRZ 1990,408.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

spricht man vom "ehewidrigen Verhalten"99 oder von einer "schwerwiegenden Eheverfehlung" 100. Man bezeichnet das Fehlverhalten als "Verfehlungen des Ehegatten im persönlichen Bereich"101 oder als "Verstöße gegen eheliche Pflichten"I02. So schlägt sich schon allein im Sprachgebrauch der OberlandesgeriChte die dem Begriff des Fehlverhaltens innewohnende Unklarheit über die mit ihm gemeinten Pflichten mit aller Deutlichkeit nieder. Sodann wird mit unterschiedlicher Auslegungsmethode die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Fehlverhalten ausdifferenziert und jeweils auf den von den Parteien vorgelegten Sachverhalt bezogen. Insoweit gibt es kein allgemein anerkanntes Auslegungsproblem, das man gemeinsam versucht zu lösen. Voneinander abweichende Argumente werden nicht aufgegriffen. Vielmehr werden diametral entgegengesetzte Orundhaltungen eingenommen. Die eine Richtung setzt ausschließlich analytisch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fort (aa). Eine zweite Richtung vermengt analytische und wertende Auslegung zu diesem Zweck (ab), während eine dritte Richtung allein auf Wertungen baut (ac). aa) Die analytische Richtung

Die Oberlandesgerichte Celle und Ramm wenden die analytische Auslegungsmethode an. Das Oberlandesgericht Celle verweist zunächst auf den Bundesgerichtshof. Es legt dar, daß in der Regel ehewidriges Verhalten zur Anwendung des § 1381 BOB nicht ausreicht. "Die Annahme grober Unbilligkeit der Ausgleichsforderung des Ehegatten, der durch sein ehewidriges Verhalten die Ehe zerstört hat", so wird fortgefahren, "ist jedoch ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn dieses Verhalten besonders schwerwiegend war und lange Zeit angedauert hat."I03 Anschließend 104 wird das Verhalten der Klägerin mit einem derartig besonders schwerwiegenden und lange Zeit andauernden Verhalten gleichgesetzt. Der Umstand, daß die Klägerin außereheliche Beziehungen zu mehreren Männern unterhielt, aus denen vier Kinder hervorgingen, wird als eine "ehebrecherische Beziehung von außergewöhnlichem Umfang" bezeichnet. Es wird hervorgehoben, daß die Klägerin lediglich in fünf von insgesamt 22 Ehejahren ihren "Aufgaben und Pflichten als Ehefrau" gerecht wurde. In der übrigen Zeit sei die Ehe "nicht intakt" gewesen. Als schwerwiegend werden diese "Verstöße gegen ihre Pflichten als Ehefrau" angesehen, weil sie erst 99 OLG Celle FamRZ 1979,431,432; OLG Hamm FamRZ 1976,633. 100 OLG Hamm FamRZ 1989, 1188, 1190. 101 OLG Karlsruhe FamRZ 1987, 823, 824.

102 OLO DüsseldorfFamRZ 1981,262. 103 OLG Celle FamRZ 1979,431,432, r. Sp. 104 Ebenda, S. 432, r. Sp.

ll. Die Auslegung des § 1381 BOB durch die Oberlandesgerichte

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zwölf Jahre nach der Erzeugung des ersten nichtehelichen Kindes die nichteheliche Abstammung aller vier Kinder gestand Das Oberlandesgericht Hamm verfährt in dem mit Urteil vom 1.12.1975 entschiedenen Fall auf entsprechende Weise. Es legt dar,l05 daß die Leistung des Betrages des Ausgleichsanspruches gemäß § 1381 BGB verweigert werden kann, wenn die Zahlung grob unbillig wäre und dem Gerechtigkeitsempfmden in unerträglicher Weise widerspricht. Das sei bei "ehewidrigem Verhalten von Gewicht" in Ausnahmefällen gegeben. Ein solches Verhalten wird dann mit einer "ungewöhnlichen Schwere der Verfehlung" gleichgesetzt. Dem entspreche "das im hohen Maße verwerfliche Gesamtverhalten"l06 der ausgleichsberechtigten Klägerln. Ein solches liege aufgrund ihres über einen Zeitraum von über drei Jahren währenden ehebrecherischen Verhältnisses in Verbindung mit dem Bestreiten der nichtehelichen Abstammung des Kindes und der Erhebung der Unterhaltsklage vor. ab) Die Vermengung von analytischer und wertender Auslegung

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.2.1989 zählt zur zweiten Richtung der Auslegung. Zunächst greift das Gericht seine eigene Rechtsprechung auf und bestimmt das persönliche Fehlverhalten als eine "schwerwiegende Eheverfehlung". Diese wird per Definition als ein Verhalten beschrieben, das den "Charakter des einseitigen Ausbrechens aus einer intakten Ehe"l07 besitzt. Anschließend wird von dieser analytischen Form der Auslegung plötzlich Abstand genommen. Wertungen ersetzen sie. Mitten in der Urteilsbegründung wird die Deduktion des Begriffes mit der Feststellung abgebrochen, daß "ein Fehlverhalten eines Ehegatten im persönlichen Bereich nicht ohne weiteres zu einer vollständigen bzw. teilweisen Verwirkung des Zugewinnausgleichsanspruchs"l08 führt. Unter welchen Voraussetzungen das der Fall ist, wird statt dessen aus dem Zweck des Gesetzes hergeleitet. Das Oberlandesgericht stuft den § 1381 BGB als einen Verwirkungstatbestand ein. Diese Norm stelle eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im gesetzlichen Güterrecht dar. Sodann wird diesem Zweck des Gesetzes die Wertung entnommen, daß die Einrede der groben Unbilligkeit nur anwendbar ist, "wenn das Ausgleichsverlangen des einen Ehegatten in besonders krasser, dem Gerechtigkeitsempfmden grob widersprechender Weise gegen sein eigenens vorangegan105 OLO Ramm FamRZ 1976,633, r. Sp. 106 Ebenda, S.634, 1. Sp., zweiter Absatz.

107 OLG Ramm FamRZ 1989, 1188, 1190,1. Sp.

108 Ebenda, S. 1190, r. Sp.; Rervorhebung vom Verfasser.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

genes Verhalten in der Ehe verstößt, aus welcher er nunmehr Vorteile zu ziehen sucht" 109. Diese teleologische Auslegung ergänzt ein systematisches Argument. Es wird ausgeführt, daß "an eine solche Wertung regelmäßig strengere Anforderungen zu stellen sind als ... im unterhaltsrechtlichen Bereich, weil der Zugewinnausgleich sich auf die Ehezeit, also auf die Vergangenheit beschränkt, während der Unterhaltsanspruch über den Bestand der Ehe hinaus in die Zukunft reicht"110. Danach wird aus der gedeuteten Wertung und der auf diese Weise bestimmten Systematik des Gesetzes der Schluß gezogen, daß nur "ausnahmsweise besonders langandauernde oder schwere persönliche Verstöße gegen eheliche Pflichten" das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1381 BGB rechtfertigen können.

Am Ende der UrteilsbegrüDdung wird wieder zum analytischen Denken zurückgekehrt. Die außerehelichen Beziehungen der Antragstellerin zu vier verschiedenen Männem innerhalb von vier Jahren, der damit verbmdene einseitige Ausbruch aus einer zu diesem Zeitpunkt ungefähr 30 Jahre bestehenden Ehe und die dadurch hervorgerufene besondere Kränkung des Antragsgegner werden als ein schwerer persönlicher Verstoß gegen eheliche Pflichten aufgefaßt. Das Oberlandesgericht Bamberg setzt von vornherein auf die Methode der Einzelfallgerechtigkeit. Diese Vorgehensweise wird analytisch mit dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes begründet. lll Zunächst ergibt nach dem Oberlandesgericht die wörtliche Auslegung, daß eine grobe Unbilligkeit nur vorhanden ist, "wenn die Gewährung des Zugewinnausgleiches unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde"112. Also handele es sich bei § 1381 BGB um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand. Die richtige Form für diese vom Gesetz geforderte restriktive Auslegung sei aber die Einzelfallgerechtigkeit. Das allein entspreche der Systematik des Gesetzes. Denn das Recht des Zugewinnausgleichs, so legt das Oberlandesgericht dar, sei eine starre, schematische Regelung, die im Einzelfall auch zu unbillig erscheinenden Ergebnissen führen könne. Der Gesetzgeber habe auch durch den privilegierten Vermögenserwerb nach § 1374 n BGB über die Nichtberücksichtigung illoyaler Vermögensminderungen nach § 1375 n BGB, über die Begrenzung der Höhe der Ausgleichsforderung durch den Wert des Vermögens (§ 1378 n BOB) und über die Anrechnung von Vorausempfangen gemäß § 1380 BGB Unbilligkeiten weitgehend ausgeschlossen. Folgt man dieser Ansicht, fallen alle anderen Vermögensbewegungen in der Regel uneingeschränkt in die Berech109 OLG Hanun FamRZ 1989, 1188, 1190, r. Sp.

110 Ebenda, S. 1190, r. Sp. III OLO Bamberg FamRZ 1990,408,410 f.

ll. Die Auslegung des § 1381 BGB dweh die Oberlandesgerichte

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nung des Zugewinnausgleiches. Ausschließlich die Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles, die gegeneinander abzuwägen sind, kann nach der Meinung des Oberlandesgerichtes daher Anlaß geben, die Ausgleichsforderung ganz oder teilweise zu versagen. ac) Die wertende Auslegung In den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldotf und Karlsruhe wird bei der Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allein die wertende Fonn der Gesetzesauslegung benutzt. Für das Oberlandesgericht Düsseldotf hat die nähere Abgrenzung eines erheblichen Fehlverhaltens von einem güterrechtlich nicht relevanten Versagen im rein persönlichen Bereich vom Zweck der Vorschrift auszugehen. 113 Insoweit teilt das Gericht mit dem Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 16.2.1989 die Ansicht, daß § 1381 BGB eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt, also ein Verwirkungstatbestand ist, an den strengere Anforderungen zu stellen sind als im UnteIhaltsrecht, weil er allein die Vergangenheit betrifft. Jedoch leitet das Oberlandesgericht Düsseldotf aus diesem Gesetzeszweck eine andere für die Auslegung des § 1381 BGB maßgebliche Wertung ab als das Oberlandesgericht Hamm. Es möchte berücksichtigt wissen, daß der Zugewinnausgleich keine Leistungsvergütung für den wirtschaftlichen Einsatz eines Ehepartners, sondern Bestandteil der "Schicksalsgemeinschaft der Ehegatten" ist, der sich eine Ehegatte nicht in besonders grober, schwerwiegender Weise ohne vennögensmäßige Nachteile entziehen soll, d. h. er datf die eheliche Solidarität nicht derart verletzen, daß die Teilhabe am Vennögenszuwachs des anderen als unerträgliche Zumutung erscheint. 1 14 Es schließt sich eine weitere konkretisierende Stufe der Bewertung an. "Da sich der Zugewinn auf die gelebte eheliche Lebens- und Schicksalsgemeinschaft gründet, kann von Rechts wegen nur eine nachhaltige Störung gerade dieser Gemeinschaft durch die Verfehlung des Ehegatten ein hinreichender Grund sein, die Frage nach der Billigkeit der Teilhabe des Ehegatten am vollen Zugewinn des anderen zu stellen" ,llS wird argumentiert. Das aber sei bei einer Eheverfehlung, mag sie auch noch so schwer sein, nicht ohne weiteres der Fall. Vielmehr sei etforderlich, daß weitere Umstände hinzutreten, welche die eheliche Lebensgemeinschaft über lange Zeit hinweg nachhaltig oder bei nur kürze112 OLG Bamberg FamRZ 1990,410,1. Sp. 113 OLG DiisseldorfFamRZ 1981,262,263,1. Sp., zweiter Absatz. 114 OLG Diisseldorf FamRZ 1981, 263,1. Sp., letzter Absatz sowie S. 263, r. Sp., erster und zweiter Absatz. 115 Ebenda, S. 263, r. Sp., zweiter Absatz. 6 Rommel

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3. Kap.: Die Auslegung von § 13ln BOB in der Rechtsprechung

rer Dauer überaus schwerwiegend beeinträchtigt haben. Die bloße heimliche Untreue und innere Abkehr von der Ehe reiche hier nicht aus, wenn sie sich auf den Ehepartner nicht erkennbar auswirke. Aufgrund dessen ist es für das Oberlandesgericht für die Prüfung der Frage, ob der Zugewinnausgleich der Klägerin wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen werden kann, uneIheblich, daß die Klägerin über einen Zeitraum von über sechs Jahrenm ein außereheliches VeIhältnis hatte und dies dem Beklagten verschwieg. Es erfolgt ein erneuter Wechsel der Auslegungsmethode. Ob eine KÜlZung des Zugewinnausgleiches in Betracht kommt, entscheidet sich nach sämtlichen Umständen des Einzelfalles, die zusammenfassend zu würdigen sind. Grundlage dieser Einzelfallgerechtigkeit ist für das Oberlandesgericht die richterliche Bewertung des Einzelfalls. Insoweit wirkt sich positiv für die Antragstellerin aus, daß sie den Zugewinn mit erwirtschaftet hat, während beim Antragsgegner negativ bewertet wird, daß er aus freien Stücken Geld verspielte und ein aufwendiges Leben führte. 1l6 Eine andere Methode des Bewertens wird vom Oberlandesgericht Karlsruhe angewandt. 117 Es erweitert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Wege der Analogie. Dazu wird unmittelbar an den Neffenfall angeknüpft und zusammen mit dem Bundesgerichtshof davon ausgegangen, daß die Einrede nach § 1381 BGB, die ihren Grund in einem schuldhaften und pflichtwidrigen VeIhalten des anderen Ehegatten hat, nur dann durchdringen kann, wenn sich dieses über einen langandauernden Zeitraum erstreckt hat. Sodann wird diese Auslegung erweitert, indem die langandauernde Eheverfehlung mit einer vorsätzlich begangenen Tötung, die besonders verwerflich zu beurteilen ist, gleichgesetzt wird. Denn es handelt sich nach Ansicht des Oberlandesgerichtes in beiden Fällen um besonders schwere Eheverfehlungen. Gerechtfertigt wird diese analoge Bewertung mit dem Argument, daß bei einer besonders verwerflich zu beurteilenden Tötung der Unterschied nicht mehr ins Gewicht fallt, daß die Tötung im Gegensatz zu einem langandauernden Fehlverhalten sich nicht auf die Höhe des zu verteilenden Vermögens auswirken kann. ad) Zusammenfassung Fassen wir zusammen: Die Oberlandesgerichte legen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum "Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art" unterschiedlich aus. Teilweise wird die Dauer der Verfehlung in den Mittelpunkt gerückt. Für das Oberlandesgericht Karlsruhe kann allein eine langandauernde Eheverfehlung oder ein dieser analoges VeIhalten die grobe Unbilligkeit des 116 OLG DüsseldorfFamRZ 1981,264,1. Sp. 117 OLG Karlsruhe FamRZ 1987, 823, 824.

TI. Die Auslegung des § 1381 BOB dUICh die Oberlandesgerichte

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Ausgleiches zur Folge haben. Eine andere Meinung hat das Oberlandesgericht Celle. Es versteht unter einem Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art ein "ehezerstörendes ehewidriges Verhalten, welches schwerwiegend ist und lange Zeit andauert"118. Auch das Oberlandesgericht Hamrn stellt in seiner neueren Entscheidung vom 16.2.1989 auf die Dauer und die schwere der Verfehlung ab. Es subsumiert unter das Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art "langandauernde und schwere persönliche Verstöße"119. Viel entschiedener relativiert das Oberlandesgericht Düsseldorf den Zeitfaktor. Für das Gericht müssen zum Fehlverhalten "weitere Umstände hinzutreten, die bei längerer Dauer die eheliche Lebensgemeinschaft nachhaltig oder bei kürzerer Dauer schwerwiegend beeinträchtigen"120. Schließlich sieht das Oberlandesgericht Hamrn in seinem Urteil vom 1.12.1975 vollständig von der Dauer des FehlveIhaltens ab und setzt allein eine "ungewöhnliche Schwere der Verfehlung" voraus. 121 Und für das Oberlandesgericht Bamberg sind einzelne von den Parteien isoliert vorgetragene Umstände unerheblich. Es geht davon aus, daß von vornherein alle Umstände zu würdigen und gegeneinander abzuwägen sind. 122 Diese unterschiedliche Auslegung hat zur Folge, daß im Einzelfall Norm und Wirklichkeit widersprüchlich aufeinander bezogen werden. Für die Oberlandesgerichte Celle und Hamrn ist das VeIheimlichen einer außerehelichen Beziehung mit ausschlaggebend dafür, ein VeIhalten als grob unbillig anzusehen. Dagegen spricht für das Oberlandesgericht Düsseldorf gerade umgekehrt dieser Umstand gegen die grobe Unbilligkeit. "Zwar mag ein solches Doppelspiel unehrlich und unaufrichtig sein", legt es dar. "Diese moralische Verurteilung allein genügt aber für eine Beeinträchtigung des Zugewinnausgleichsanspruchs nicht. " 123 Es wird aber nicht nur widersprüchlich, sondern auch verwirrend argumentiert. Im Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf führt eine über sechs Jahre dauernde außereheliche Beziehung nicht zum Ausschluß des Zugewinnausgleiches, während in einem anderen Fall es als eIheblich angesehen wird, daß die Ausgleichsgläubigerin mehrere über einen kürzeren Zeitraum andauernde außereheliche Verhältnisse hatte. Oder es wird sogar eine einzige dreijährige außereheliche Beziehung als grob unbilliges FehlveIhalten eingestuft.

Außerdem ist vollkommen unklar, welche Tatsachen im Einzelfall mit darüber entscheiden, wann ein schwerwiegendes FehlveIhalten vorliegt, oder, weil es teilweise auch gefordert wird, dieses nach den gesamten Umständen des 118 OLG Celle FamRZ 1979,431,432, r. Sp.; vgl. oben S. 78. 119 OLO Hanun FamRZ 1989, 1188, 1190,1. Sp.; vgl. oben S. 80. 1200LO DüsseldorfFamRZ 1981,262,263, r. Sp.; vgl. oben S.81 f. 121 OLO Hanun FamRZ 1976,633,634, r. Sp.; vgl. oben 79. 122 OLG Bamberg FamRZ 1990,408,411, vgl. oben S. 80 f. 123 OLG DüsseldorfFamRZ 1981,262,263, r. Sp.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

Falls gegeben ist. Insoweit kann ein verwerfliches Gesamtverhalten 124, der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht im Prozeß, die verwerfliche Gesinnung, 125 ein einseitiges Ausbrechen aus der Ehe,l26 die mit dem Ehebruch einhergehende Kränkung des anderen,127 die Heimlichkeiten beim Ehebruch,128 die Verschwendung und das Verspielen von Vennögen 129 oder auch die Herkunft des Zugewinns 130 von Bedeutung sein. Auf diese Weise löst sich jedoch die Grenze des Begriffs in der Wirklichkeit auf. Das Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art kann alles oder nichts bedeuten. Doch nicht nur das Ergebnis trennt die Auslegung der Oberlandesgerichte voneinander, sondern auch die Auslegungsmethode, welche im Einzelfall angewandt wird, um die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auszudifferenzieren. Man reagiert entgegengesetzt auf die Schwäche der höchstrichterlichen Argumentation. Das Oberlandesgericht Celle 131 bezieht sich ausdrücklich auf den Bundesgerichtshof und zitiert ihn. Tatsächlich aber umgeht es dessen Rechtsprechung und deutet statt dessen seine eigene Auffassung von einem grob unbilligen Verhalten in die höchstrichterliche Worte hinein. Das Mittel, welches zu diesem Zweck verwendet wird, ist der manipulative Gebrauch der analytischen Methode der Auslegung. Das Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art wird zwar definiert, jedoch abweichend vom Bundesgerichtshof und von vornherein auf den zu entscheidenden Fall zurechtgebogen. Da die Klägerin außereheliche Beziehungen unterhielt und auf Scheidung klagte, wird aus dem Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art kurzerhand ein "ehewidriges Verhalten, das die Ehe zerstört hat". Und während der Bundesgerichtshof von einem "ins Gewicht fallenden Verhalten" spricht, das in der Regel über mehrere Jahre andauert, kommt es nach dem Oberlandesgericht Celle auf ein Verhalten an, das "besonders schwerwiegend war und lange Zeit gedauert" hat. Während also für den Bundesgerichtshof in der Regel die Zeit alleiniges Kriterium für die Schwere der Verfehlung ist, isoliert das Oberlandesgericht Celle die Dauer von der Schwere der Verfehlung und kann dadurch mit eigenen Kriterien beurteilen, wann eine Verfehlung langandauernd und schwerwiegend ist. Auch das Oberlandesgericht Hamm greift in seinem Urteil vom 1.12.1975 in entsprechender Weise auf eine 124 OLG Hamm FamRZ 1976, 633, 635. 125 OLG Karlsruhe FamRZ 1987, 823, 8254, r. Sp. 126 OLG Hamm FamRZ 1989, 1188, 1190,1. Sp. 127 OLG Celle FamRZ 1979,431,432; OLG Hamm FamRZ 1976,633, r. Sp.; OLG DüsseldorfFamRZ 1981,262,263, r. Sp. 128 OLG DüsseldorfFamRZ 1981,262,264,1. Sp. 129 Ebenda, S. 264,1. Sp. l300LG Celle FamRZ 1979,431,432, r. Sp. 131 OLG Celle FamRZ 1979,431,432, r. Sp.; vgl oben S. 78 f.

11. Die Auslegung des § 1381 BOB durch die Oberlandesgerichte

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solche manipulative Fonn der Gesetzesauslegung zurück, wenn es das Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art ausschließlich als eine "ungewöhnlich schwere Verfehlung bezeichnet" 132. Dagegen zielen die anderen oberlandesgerichtlichen Urteile auf die Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, allerdings mit unterschiedlicher Methode und insgesamt mit zweifelhaftem Erfolg. Das Oberlandesgericht Karlsruhe scheitert an der methodischen Sackgasse, in die der Bundesgerichtshof den Fortgang der Kasuistik durch die Gleichsetzung von der Schwere und der Dauer einer Verfehlung im Neffenfall hineinmanövrierthat. 133 Angesichts der Tötung eines Menschen, erweist sich eine solche Auslegung als unbedacht, denn die Dauer einer solchen Tat ist offensichtlich kein Maßstab, mit dem deren Unbilligkeit beurteilt werden kann. Das Gericht durchbricht diese methodische Sackgasse und rettet sich in eine absurde Analogie. Es setzt die Gesinnung beim Töten mit der Dauer eines Verhaltes gleich. Die Oberlandesgerichte Bamberg und Düsseldorf und das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 16.2.1989 versuchen, die Ungereimtheiten der höchstrichterlichen Auslegung zu glätten. Das Oberlandesgericht Bamberg lehnt sich an den Bigamiefall an, wenn es darlegt, daß das Urteil über die grobe Unbilligkeit eines Verhaltens auf der Würdigung der gesamten Umstände des Falles zu ruhen hat. Allerdings ergibt sich dies für das Gericht nicht schon allein aus dem Gesetzeswortlaut, wie es der Bundesgerichtshof behauptet. Es untennauert die Auslegung mit einem systematischen Argument, nach dem der Gesetzgeber mit der Regelung des Zugewinnausgleiches von vornherein einzelne Umstände als unbillig angesehen hat, so daß das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB nur mit der Würdigung der gesamten Umstände des Falles begriindbar ist. 134 Doch hebt eine solche Begriindung das eigentliche Defizit der Auslegung des Bundesgerichtshofes nicht auf. Es rechtfertigt nämlich nicht die Art und Weise, wie das Gericht im Einzelfall die Umstände des Falles würdigt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf und das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 16.2.1989 bemühen sich, die vom Bundesgerichtshof im Neffenfall dargelegten Grundsätze der Auslegung neu zu durchdenken. Dabei übergehen beide Gerichte den aus der Systematik des Gesetzes abgeleiteten Ausgangspunkt der Urteilsbegriindung. Dieser wird nicht weiterentwickelt. Statt dessen zielt die Auslegung auf die Wertung, die sich hinter der Rechtsprechung

132 OLO Hamm FamRZ 1976,633, r. Sp.; vgl. oben S. 79. 133 OLO Karlsruhe FamRZ 1987, 823, 824, r. Sp.; vgl. oben S. 82.

134 OLO Bamberg FamRZ 1990,408, 41Of.; vgl. oben S. 80.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

des Bundesgerichtshofes verbirgt. Mit Hilfe dieser aufgedeckten, eigentlichen Rationalität der höchstrichterlichen Grundsätze sollen dann die Auslegungsprobleme des Falls gelöst werden. Daß aber die mit dieser Methode unterstellte Übereinstimmung zwischen Gesetzeszweck und höchstrichterlicher Auslegung nicht aufgeht, zeigt sich spätestens an der unterschiedlichen Interpretation des Sinns der Einrede der groben Unbilligkeit durch die beiden Oberlandesgerichte und an den verschiedenen Folgerungen, die aus der jeweiligen Auslegung für den Einzelfall gezogen werden. Zwar wird übereinstimmend festgestellt, daß § 1381 BGB als Verwirkungstatbestand den ausgleichspflichtigen Ehegatten davor schützt, daß der andere in besonders krasser, dem Gerechtigkeitsempfmden grob widersprechender Weise gegen sein eigenes vorangegangenes Verhalten in der Fhe verstößt, aus welcher er nunmehr Vorteile zu ziehen sucht. Doch während nach dem Oberlandesgericht Düsseidorf13S dieses vorangegangene Verhalten die Intensität einer nachhaltigen Störung der ehelichen Solidargemeinschaft erreichen muß, stellt das Oberlandesgericht Harnm 136 auf einen langandauernden oder schweren persönlichen Verstoß gegen eheliche Pflichten ab. Der Sprung in die Teleologie hebt auf diese Weise die Schwächen des höchstrichterlichen systematischen Arguments nicht auf, sondern verdunkelt dessen Sinn. b) Fehlverhalten wirtschaftlicher Art In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird lediglich im Zusammenhang mit der Auslegung des Fehlverhaltens nichtwirtschaftlicher Art in Randbemerkungen auf das in § 1381 Abs. 2 BGB angegebene Beispiel Bezug genommen. 137 Im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21.1.1987 138 wird diese Lücke geschlossen. Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob das Verhalten des ausgleichsberechtigten Klägers die Verletzung einer wirtschaftlichen Pflicht darstellt, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergibt. Er hatte im letzten Vierteljahr der Trennung der Parteien und später nach der Scheidung keinen Unterhalt an seine beiden Kinder geleistet, obwohl er dazu verpflichtet gewesen war. Die Kinder wurden von der Beklagten versorgt. Das Gericht bewertete die Nichtzahlung des Kindesunterhaltes als eine Pflichtverletzung im Sinne des § 1381 BGB, so daß im Ergebnis die Beklagte den Zugewinnausgleich verweigern konnte.

135 OLO DüsseldorfFamRZ 1981,262,263, r. Sp.; vgl. oben S. 81 f. 136 OLO Hamm FamRZ 1989, 1188, 1190, r. Sp.; vgl. oben S. 79 f. 137 Zur Rechtsprechung des BGH vgl. oben S. 68. 138 OLG DüsseldorfFamRZ 1987,821.

11. Die Auslegung des § 1381 BGB durch die Oberlandesgerichte

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Auch im Urteil des Oberlandesgerichtes Celle vom 16.7.1981 139 geht es um eine sich auf das Vennögen des Ausgleichsschuldners auswirkende Verhaltensweise des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Die Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller nicht über den Wegfall ihrer Bedürftigkeit informiert, so daß der Antragsteller ihr Unterhalt überbezahlte. Ferner hatte sie entgegen der Vorstellung der Parteien nach Eintritt in das Erwerbsleben das Haus des Antragstellers kostenlos weiter mit den drei Kindern der Parteien bewohnt. Im Gegensatz zum Oberlandesgericht Düsseldorf löst das Gericht den Fall jedoch nicht über das Beispiel des § 1381 Abs. 2 BGB. Statt dessen prüft es allein, ob der Zugewinnausgleich gemäß § 1381 Abs. 1 BGB nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Das wird bejaht. Infolgedessen wurde die Ausgleichsfordenmg der Klägerin um die Summe des übergezahlten Unterhalts sowie um einen Betrag in Höhe einer fIktiv errechneten Nutzungsentschädigung für das kostenlose Wohnen gekürzt. Sowohl für das Oberlandesgericht Celle als auch für das Oberlandesgericht Düsseldorf ist das richtige Urteil eine Wertentscheidung. Jedoch führt der Weg zu ihr nicht über ein und dieselbe Auslegungsmethode. Für das Oberlandesgericht Düsseldorf ist sie ableitbar aus einem übergeordneten Prinzip der materialen Gerechtigkeit. Es zieht, wie es sich ausdrückt, aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben den Schluß, daß § 1381 Abs. 2 BGB auch Verhaltensweisen nach Trennung oder Scheidung meint und daß auch die Befreiung von der Unterhaltslast in dieser Zeit nicht nur im Verhältnis Eltern-Kind, sondern auch im ehelichen Verhältnis wurzelt, wie es in § 1381 Abs. 2 BGB vorausgesetzt ist. 140 Das Oberlandesgericht Celle begründet sein Urteil nicht mit einem Prinzip der materialen Gerechtigkeit. Es argumentiert zunächst auf der Grundlage einer prozeduralen Auslegungstheorie. Für es begründet ein Konsens in der Literatur über einen bestimmten Sinn einer Norm die Richtigkeit dieser Auslegung. "In diesem Zusammenhang ist nämlich anerkannt", führt es aus, "daß jegliche schuldhafte Beeinflußung der Vennögenslage zu Lasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten ebenso wie sonstige grobe Pflichtverletzungen gegenüber dem Ausgleichsschuldner, soweit sie einen Bezug zum Vennögen ausweisen, dazu führen, daß der Zugewinnausgleichsanspruch herabgesetzt werden kann. "141 Es folgt ein teleologisches Argument, mit dem die schuldhafte Beeinflußung der Vennögenslage durch die Antragsgegnerin beziehungsweise deren grobe Pflichtverletzung begründet wird (Das Gericht läßt insoweit offen, welche die1390LG Celle FamRZ 1981, 1066; Zum Sachverhalt siehe neben dem zusammengefaSten Tatbestand aufS. 1067,1. Sp., auch S. 1069.,1. Sp. 140 OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 821, 822,1. Sp., letzter Abschnitt bis S. 822, r. Sp., zweiter Abschnitt. 141 OLG Celle FamRZ 1981, 1066, 1069,1. Sp., letzter Abschnitt.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

ser beiden Varianten der Auslegung es als gegeben ansieht). Dem im Unterhaltsrecht herrschenden Gegenseitigkeitsprinzip wird entnommen, daß die Antragsgegnerin Veranlassung dazu hatte, den Antragsteller über ihren Eintritt in das Berufsleben zu informieren. An dieser Stelle bricht dann die Argumentation ab. Es wird eine eigene Bewertung des VeIhaltens der Antragsgegnerin nachgeschoben, die eigentlich das Urteil trägt. "Jedenfalls wäre es grob unbillig gewesen, ihr (der Antragsgegnerin) die auf diese illoyale Weise zugeflossenen Venoögensvorteile ungeschmälert zu belassen",142 fügt das Gericht abschließendhinzu. Beide Methoden der Urteilsbegriindung hinterlassen mehr Fragen als sie beantworten. Daß das Oberlandesgericht Düsseldorf die Teilung der UnteIhaltslast zwischen Eltern während der Zeit des GetrenntIebens und nach der Scheidung zum Maßstab der Billigkeit erklärt, ist im Ergebnis zwar ein übeIZeugendes Urteil. Dessen methodische Begründung aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ist 3ber zweifelhaft. Insoweit wird einfach unterstellt, daß sich aus diesem Prinzip evidente Pflichten für die Zeit des GetrenntIebens und für das nacheheliche Zusammenleben ergeben. Beim Oberlandesgericht Celle bleibt zwar der eigentliche Wertungsvorgang nicht im Dunkeln, er vollzieht sich aber in willkürlichen methodischen Sprüngen. Die Begründung wechselt zwischen einem unterstellten Konsens über den Sinn der Nono, dem angenommenen objektivierbaren Sinn des Gesetzes und der eigenen richterlichen Bewertung. Insoweit wird ausgerechnet die in § 1381 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers übergangen.

2. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse Die wirtschaftlichen VeIhältnisse der Parteien werden bei der Frage nach der groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches insbesondere in drei Urteilen berücksichtigt. Im vom Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 30.11.1971 143 entschiedenen Fall hatte der Beklagte während der Ehe den vorehelichen Sohn der Klägerin versorgt und ihm eine mit erheblichen Kosten verbundene Ausbildung gezahlt. Der Beklagte meinte, daß deshalb aus Billigkeitsgründen von seinem Zugewinn ein Abschlag gemacht werden müsse. Das Oberlandesgericht Hamm folgte dieser Ansicht nicht. In einem vom Oberlandesgericht Frankfurt l44 entschiedenen Fall hatte die ausgleichspflichtige Beklagte während der Ehe nach dem gemeinsamen Lebensplan der Parteien keine Beiträge zur Sozialversicherung geleistet. Zu ihrer 142 OLG Celle FamRZ 1981,1066,1069, r. Sp., zweiter Abschnitt. 143 OLG Hamm. FamRZ 1973,654. 144 OLO Frankfurt FamRZ 1983,921.

n. Die Auslegung des § 1381 BGB dUICh die Oberlandesgerichte

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Absicherung und der ihrer gemeinsamen Kinder hatte der Kläger ein Hausgrundstück auf sie übertragen. Die wesentliche Last für die Restfamilie trug die Beklagte. Der Kläger zahlte an sie keinen Unterhalt und kehrte an die Kinder lediglich den zu seiner Rente gezahlten KindeIZUschuß aus. Die Klägerin hatte ihrerseits ein geringes Arbeitseinkommen und mußte den nicht gedeckten Lebensbedarf für sich und die Kinder vom Sozialamt erbitten. Zur Befriedigung der Ausgleichsforderung hätte die Beklagte das ihr vom Kläger zu ihrer Altersabsicherung übertragene Hausgrundstück erheblich belasten oder sogar veräußern müssen. Das Gericht sah unter diesen Umständen den Zugewinnausgleich als grob unbillig an. In einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg 145 hatten die Parteien während des Scheidungsprozesses ein gemeinsames Grundstück zu einem Preis veräußert, der niedriger als der für die Zugewinnberechnung maßgebliche Wert war. Dies wirkte sich im Ergebnis zu Lasten der ausgleichsverptlichteten Antragsgegnerin aus. Diese Urteile der Oberlandesgerichte sind nur bedingt eine Fortsetzung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Das Oberlandesgericht Hamm übergeht die Überlegungen des Bundesgerichtshofes im Neffenfall über die Unzumutbarkeit eines Vermögensopfers im Falle des Zugewinnausgleiches, obwohl dieses höchstrichterliche Urteil zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits vorlag. Es verfährt auf andere Weise 146 und argumentiert zunächst mit dem Beklagten, daß ungleiche Aufwendungen für den Unterhalt der Familie während der Ehe grob unbillig sein können. Insoweit wird analytisch der Norm ein bestimmter Sinn gegeben. Anschließend wird die Auslegungsmethode gewechselt. Es wird auf die in § 1360 S. 2 BGB ausdrücklich festgestellte Gleichwertigkeit von Gelderwerb und Führung des Haushaltes hingewiesen. Aus dieser Wertung des Gesetzgebers ergibt sich für das Gericht, daß zwischen den Aufwendungen des Beklagten für die Berufsausbildung des vorehelichen Sohnes der Klägerin und der Arbeit der Klägerin im Haushalt kein Unterschied gemacht werden kann. Die Oberlandesgerichte Frankfurt und Hamburg teilen im Gegensatz zum Oberlandesgericht Hamm zumindest mit dem Bundesgerichtshof den Ausgangspunkt seiner Rechtsprechung. Sie stellen bei der Lösung des Falls jeweils auf die Versorgungslage der Parteien nach Beendigung des Güterstandes 147 beziehungsweise auf deren Vermögensverhältnisse nach der Stellung des Scheidungsantrages 148 ab. Die höchstrlchterliche Auslegung wird allerdings auf unterschiedliche Weise in die UrteilsbegrüDdung eingefügt. Das Oberlandesge145 OLG Hamburg FarnRZ 1988, 1166. 146 Dazu OLG Hanun FarnRZ 1973, 654, 656, 1. Sp., letzter Absatz. 147 OLG Frankfurt FarnRZ 1983,921, r. Sp., vierter Absatz.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BGB in der Rechtsprechung

richt Frankfurt beruft sich allein auf die Autorität des Bundesgerichtshofes. Es zitiert ihn. 149 Das Oberlandesgericht Hamburg führt hingegen die Meinung des Bundesgerichtshofes mittels einer prozeduralen Auslegungsregel ein. 150 Es geht davon aus, daß diejenige Auslegung einer Nono die richtige ist, welche von einer Anzahl von Stimmen in Literatur und Rechtsprechung übereinstimmend vertreten wird Die Quantität der gelehrten und autorisierten Äußerungen legt den Sinn der Nono fest. Einer inhaltlichen Begründung der Auslegung bedarf es nicht, allein die Mindenoeinung muß sich rechtfertigen. Insoweit beruft sich das Oberlandesgericht darauf, daß in Rechtsprechung und Literatur der Stichtag für die Berechnun~ des Zugewinnausgleiches, also das Datum der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (§ 1384 BGB), nicht als die zeitliche Grenze für die Berücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten angesehen wird. Ein Argument für die Richtigkeit dieser Meinung wird nicht angeführt. Allein die Gegenmeinung wird widerlegt. hn Fortgang der Urteilsbegründung verlassen sowohl das Oberlandesgericht Hamburg als auch das Oberlandesgericht Frankfurt die Auslegung des Bundesgerichtshofes, nach der die durch den Zugewinnausgleich ausgelöste Venoögensbewegung zwischen den Ehegatten grob unbillig ist, wenn sie eine unzumutbare Opfergrenze überschreitet. Diese Begriffsbestimmung wird übergangen. Statt dessen werden die Voraussetzungen einer grob unbilligen Venoögensverschiebung auf andere Weise festgelegt. Diese soll nach dem Oberlandesgericht Hamburg vorliegen, wenn einer der beiden Ehegatten durch die Auszahlung des Zugewinns einseitig benachteiligt wird. 151 Auch das Oberlandesgericht Frankfurt stellt nicht darauf ab, ob auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten eine Opfergrenze überschritten wird. Vielmehr hält es die mit der Übertragung oder mit der Belastung des Grundstückes einhergehende Nichtberücksichtigung der Versorgungslage der Beklagten für "ungerecht, unbillig, unzumutbar und gegen Treu und Glauben" 152 verstoßend, weil der Kläger auch "nach der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Beklagten noch eine angemessene Rücksichtnahme auf deren und der Kinder Belange schuldet"153. So erweist sich im Spiegel der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als nicht faßbar. Sie wird konsequen-

148 OLG Hamburg FamRZ 1988, 1166, 1167,1. Sp. 149 OLG Frankfurt FamRZ 1983,921, r. Sp. 150 OLG Hamburg FamRZ 1988, 1166, 1167, 1. Sp., zweiter und dritter Absatz. 151 Ebenda, S. 1167,1. Sp., erster Absatz. 152 OLG Frankfurt FamRZ 1983,921, r. Sp., dritter Absatz. 153 OLG Frankfurt FamRZ 1983,922,1. Sp., erster Absatz.

11. Die Auslegung des § 1381 BOB durch die Oberlandesgerichte

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terweise dmch eine eigene Wertung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien ersetzt. 3. Geltungsbereich der Norm und unerhebliche Umstände Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Geltungsbereich des § 1381 BOB wird teilweise von den Oberlandesgerichten zur Entscheidung im Einzelfall herangezogen. In seinem Urteil lS4 vom 17.10.1985 hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe den Fall zu entscheiden, ob es grob unbillig ist, daß ein Ehegatte wegen seines geringeren Zugewinns einen Zugewinnausgleich erhält, wenn sich bei der Berechnung seines Zugewinns Darlehnsverbindlichkeiten zugewinnmindernd ausgewirkt hatten, die er wegen Unterhaltsruckständen eingegangen war. Das Oberlandesgericht verneinte dies mit dem Argument des Bundesgerichtshofes, daß die gesetzestreue Berechnung des Zugewinnausgleiches an sich nicht grob unbillig sei. Zur Verdeutlichung seines Standpunktes fügte es hinzu, daß es nicht der Zweck des § 1381 BOB sei, "jene Unbilligkeiten zu beseitigen, die in der Methode der Ausgleichsberechnung und in der Ausgestaltung der einzelnen Berechnungsfaktoren liegen"155. Auf entsprechende Weise argumentiert das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil 1S6 vom 1.12.1986, wenn es sich gegen eine Vordatierung des Bewertungsstichtages zur Errechnung des Zugewinns im Hinblick auf eine teilweise Herabsetzung des Ausgleiches nach § 1381 BOB ausspricht, weil es sich bei § 1381 BOB um eine generalisierende, streng formal ausgestaltete Regelung handele, die um der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit willen die Einzelfallgerechtigkeit vernachlässige. Das Oberlandesgericht Düsseldorf geht einen Schritt weiter. Es fügt der höchstrichterlichen Grenze in Bezug auf den Ausschluß oder die Kürzung des Zugewinnausgleiches eine weitere hinzu. Es sieht für die zu treffende Entscheidung es als bedeutungslos an, ob die Antragstellerin die Ehescheidung aus überwiegend in ihrer eigenen Sphäre liegenden Gründen erstrebt und dmchgesetzt hat. Als Begründung für diese Beschränkung des Geltungsbereiches der Einrede der groben Unbilligkeit gibt es an, daß anderenfalls im Rahmen des § 1381 BOB das Scheidungsverschulden zu prüfen sei, auf das es seit dem Inkrafttreten des 1. Eherechtsgesetzes grundsätzlich in keiner Beziehung mehr ankommen sol1. 157

154 OLO Karlsruhe FarnRZ 1986, 161.

ISS OLG Karlsruhe FarnRZ 1986, 161.

156 OLG Hamm FamRZ 1987,701, r. Sp., letzter Absatz. 157 OLG DiisseldorfFamRZ 1981, 262, 263, r. Sp.,lctzter Absatz.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

In einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe vom 30.7.1964 158 findet man eine Debatte über eine noch weitergehende Begrenzung des Geltungsbereiches der Einrede der groben Unbilligkeit. Den Sachverhalt dieses Falles kennen wir bereits aus der Revision. Es ist der Neffenfall. 159 Das Oberlandesgericht hält das Verhalten der Klägerin, ihren Ehebruch, für grob unbillig. Insoweit distanziert es sich nachdrücklich von der in der ersten Instanz ergangenen UrteilsbegrüDdung, in der wie später in der Fntscheidung des Bundesgerichtshofes ein Leistungsverweigerungsrecht gegen die Ausgleichsforderung der Klägerin verneint wurde. Das Landgericht Freiburg 160 hatte die Ansicht vertreten, daß die Versagung des Zugewinnausgleiches auf diejenigen Fälle beschränkt sei, wo die Eheverfehlung des ausgleichsberechtigten Teiles nachweislich den Zugewinn beeinträchtigt hat. Denn würde schon allein ein besonders schwerer Verstoß gegen eheliche Treuepflichten zu einem Verweigerungsgrund führen, so käme man auf Umwegen doch dazu, dem schuldigen Ehegatten den Ausgleichsanspruch zu versagen, obwohl die Frage nach der Schuld an der Scheidung nichts mit der Frage zu tun hat, ob dem schuldigen Ehegatten ein Mitverdienst am Ehegewinn des anderen zukommt. Im Ergebnis habe dies eine unerträgliche Rechtsunsicherlteit zur Folge. 161 Demgegenüber hebt das Oberlandesgericht Karlsruhe hervor,162 daß es der erkennbare Wille des Gesetzgebers sei, daß bei der Versagung des Zugewinnausgleiches nicht nach einem vereinfachenden Schema und eigenen Interpretationsgrundsätzen verfahren werden soll. Vielmehr schreibe das Gesetz die Würdigung aller Tatumstände vor. Die vom Landgericht vorgeschlagene einseitige wirtschaftliche Betrachtungsweise komme daher nicht in Frage. Es seien statt dessen auch immer Gesichtspunkte der Gerechtigkeit und der Ethik mitbestimmend. Auch führe die Ansicht des Landgerichts im Verhältnis zu wirtschaftlichen Pflichtverletzungen zu einer "Privilegierung" des Ehebruchs, die mit dem Wesen und der Würde der Ehe unvereinbar wäre. "Im Ergebnis würde die Ehebrecherin nämlich dafür belohnt, daß sie die Ehe gerade durch den absoluten Scheidungsgrund des Ehebruchs zu Fall gebracht hat. Auch könnte in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, als hielten Gesetzgebung und Rechtsprechung für die vornehmste Pflicht der Ehegatten nicht die Treue sondern die pflegliche Behandlung des ehelichen Zugewinns." Daß im Einzelfall ein Ehegatte die Anwendung des § 1381 BGB als Strafe für seine Eheverfehlung em158 OLG Karlsruhe FamRZ 1964, 148. 159 BGH FamRZ 1966, 560; Zum Sachverhalt vgl. oben S.55. 160 LG Freiburg FamRZ 1963,647. 161 Ebenda, S. 648, letzter Absatz bis S. 649, r. Sp., erster Absatz. 162 Dazu OLO Karlsruhe FamRZ 1964, 148, 149,1. Sp.

11. Die Auslegung des § 1381 BGB durch die Oberlandesgerichte

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pfinde, sei rechtsethisch nicht fehlerhaft Wld nicht einmal rechtspolitisch unerWÜDScht. 163 Mit einer anderen BegrüDdWlg wendet sich das Oberlandesgericht Nümberg gegen das Landgericht Freiburg. Für es scheidet die Beschränkung auf rein wirtschaftliche Erwägwgen aus, da die grobe Unbilligkeit auch auf nichtvermögensrechtlichen Gründen beruhen könne, die so vielgestaltig seien, wie das menschliche Zusammenleben überhaupt Wld die auch keinesfalls notwendigerweise mit Schuld Wld Sühne zusammenhängen würden. 164 Als Fazit kann festgehalten werden, daß die Anwendung der RechtsprechWlg des BWldesgerichtshofes zum GeltWlgsbereich der Norm Wlproblematisch ist. Die über § 1381 BGB nicht korrigierbaren Umstände bestehen aus einer Anzahl formaler RegelWlgen, die leicht identifizierbar sind, weil sie direkt dem Gesetz entnommen werden können. Eine Schwierigkeit der höchstrichterlichen RechtsprechWlg liegt aber darin, daß sie ausschließlich das Wiederaufrollen der zum Zugewinnausgleich führenden Rechenschritte und VermögensbewertWlgen über § 1381 BGB nicht zuläßt und keine weiteren Umstände des Falles vom GeltWlgsbereich der Norm ausnimmt. Die Begründung ist zweifelhaft. Denn es ist naheliegend zu diesem Zweck die EinbeziehWlg der Systematik des Gesetzes nicht bei der Regelung des Zugewinns abzubrechen, sondern auch zu bedenken, welchen Sinn § 1381 BGB als Teilregelung der ScheidWlgsfolgen hat. Dieses Problem wird vom Landgericht Freiburg Wld dem Oberlandesgericht Düsseldorf angesprochen. Dun weicht der BWldesgerichtshof im Neffenfall aus. Er geht einfach davon aus, daß auch ein Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art zur groben Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches führen kann Wld daß es insoweit allein darauf ankommt, ob dieses Verhalten ins Gewicht fä1lt.l 65

4. EinzelJallgerechtigkeit Zur Frage der Methode der Einzelfallgerechtigkeit bringt die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte keine weitere Klärung der BedeutWlg und des inhalts dieser Auslegwgsregel. Soweit man sich zu ihr äußert, faß man sie allerdings als eine Form des Wertens auf. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Bamberg l66 sind stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Für das Oberlandesgericht Hamm 167 sind bei der Abwägwg, die im Hinblick auf einen Teilausschluß des Zugewinnausgleiches 163 OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 148, 189, r. Sp., zweiter Absatz. 164 OLG Nümberg FamRZ 1964,440,441, r. Sp., zweiter Absatz. 165 Vgl. dazu oben S. 67 ff. 166 OLG Bamberg FamRZ 1990,408,411,1. Sp., erster Absatz. 167 OLG Hanun FamRZ 1987, 701, 703,1. Sp., zweiter Absatz.

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3. Kap.: Die Auslegung von § 1381 BOB in der Rechtsprechung

erforderlich ist, alle konkreten Umstände des Einzelfalles zu beachten und alle Umstände sind umfassend zu bewerten. Nach dem Oberlandesgericht Karlsruhe "verlangt das Gesetz vom Gericht eine sorgfältige und erschöpfende Gesamtwürdigung des Einzelfalls, wobei grundsätzlich alle diejenigen Tatumstände zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sind, welche für die Bildung des Urteils über die gröbliche Unbilligkeit in Betracht kommen" 168.

168 OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 148, 149,1. Sp.• dritter Absatz.

4. Kapitel

Der Streit in der Literatur über die richtige Auslegung des § 1381 BGB Die Meinungsvielfaltl im Streit über den Sinn des § 1381 BGB in der Literatur hat drei Quellen. Zunächst einmal wird in einzelnen Punkten der Auslegung der Rechtsprechung widersprochen. Man folgt dieser nicht bei der Lösung eines bestimmten Auslegungsproblems. Sodann gibt es Versuche, umfassend den Sinn der Einrede der groben Unbilligkeit zu bestimmen. Die methodischen Ansätze dieser Bemühungen unterscheiden sich grundlegend von denjenigen in der Rechtsprechung. Das hat verschiedene Ursachen. Zum Teil fehlt der methodischen Auslegung in der Literatur jeglicher Bezug zur Rechtsprechung. Diese Bemühungen stammen aus einer Zeit kurz nach der Neuregelung des ehelichen Güterrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz, zu der es noch an einer Rechtsprechung zu § 1381 BGB fehlte. Diese hat sich dann diesen Literaturmeinungen nicht angeschlossen. Teilweise sind sie aber auch eine direkte Reaktion auf die Entwicklung der Rechtsprechung. Man rückt bewußt von deren Auslegung ab. Es wird deren methodischer Ansatz insgesamt für fragwürdig oder zumindest für nicht ausgereift gehalten. Im GegenentwuIf wird daher ein von der Rechtsprechung grundlegend abweichender oder sie harmonisierender methodischer Ansatz vorgeschlagen. Endlich bewegt man sich in der Literatur auch außerhalb der Kasuistik der Rechtsprechung oder der methodischen Reflexion. Man denkt sich Fälle grober Unbilligkeit aus. Diese letztere Quelle des Meinungsstreites findet man vornehmlich in älteren Kommentaren und Lehrbüchern, insbesondere bei Breetzke,2 Massfeller,3 Dölle4 und Finke5. Die Methode, mit der die grobe Unbilligkeit eines Falles jeweils begründet wird, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Mischung aus Analytik und Rhetorik. Man stellt apodiktisch fest. Der ohne Zweifel dargelegte Standpunkt verbürgt die Richtigkeit der Auslegung.6 Lediglich 1 Vgl. dazu oben S. 22 ff. 2 Kriiger/Breetzke/Nowack-Breetzke, § 1381, Rz. 1-5. 3 Massfeller/Reinicke-Massfeller, § 1381, Anm. 2-7. 4 Dölle, Familienrecht, Bd.l, S. 825. S RORK-Finke, § 1381, insbesondere Rz. 11 ff. 6 Zur Demonstration dieses Auslegungsstils sei eine kurze für sich selbst sprechende Passage aus der Kommentierung des § 1381 BOB im Lehrbuch von Dölle (Farnilien-

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4. Kap.: Der Streit in der Literatur

vereinzelt wird angegeben, aufgrund welcher Gerechtigkeitsvorstelhmgen ein Sachverhalt als grob unbillig angesehen wird. Gleichwohl gibt es auch Autoren, die ihre Schulbeispiele von vornherein als Wertung des Sachverhalts kenntlich machen. So versteht Schopp zum Beispiel unter der Ausgleichsschuld einen Kapitalaustausch. Daher sieht er es als grob unbillig an, wenn durch den Zugewinnausgleich der Geschäftsbetrieb, der zum Vennögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten gehört, eingestellt oder wesentlich eingeschränkt werden muß. 7 Die Auseinandersetzung innerhalb der Literatur mit einzelnen Fntscheidunsgriinden der Rechtsprechung konzentriert sich im wesentlichen auf folgende Meinungsverschiedenheiten. Es wird an der Auslegung zum Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art insbesondere die Bewertung des Ehebruchs und diejenige der Fälle des Getrenntlebens kritisiert. Außerdem streitet man, ob bei den Erwägungen wirtschaftlicher Art auch die nachehelichen Einkommensund Wirtschaftsverhältnisse einschließlich der Versorgungslage der Ehegatten einzubeziehen sind. Solche Kritik ist zugleich auch immer eine methodische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung. Man hält ihr eine abweichende Auslegungsregel entgegen oder wendet ein, daß die folgerichtigte Entfaltung einer angewandten Methode einen anderen Sinn der Nonn ergibt. Zum Beispiel argumentiert recht, Bd. 1, S. 825) zitiert, unter Auslassung der Fußnoten, in denen diese Auslegungsmethode unverändert fortgesetzt wird (Die Hervorhebungen sind hinzugefügt): "Als Umstände, die eine grobe Unbilligkeit begründen können", behauptet OO11e, "sind namentlich die folgenden anzusehen: Die Tatsache, daß der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat. Das ist ein Beispiel, welches das Gesetz im § 1381 Abs. 2 BGB besonders hervorgehoben hat. Naturgemäß hat man in erster Linie an die Fälle zu denken, in denen der Mann seiner Unterhaltspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist, § 1360 Satz 1 BGB, oder die Frau ihre Haushaltsobliegenheiten oder ihre Pflichten zur Mitarbeit (§§ 1356, 1360 Satz 2 BGB) nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Hier hat das Gesetz Verschulden des Ehegatten und längere Zeit der Pflichtverletzung gefordert." Nach diesem Verweis auf den Gesetzgeber folgt die· eigentliche Auslegung. "Im übrigen aber lassen sich Tatbestände denken, die ein Verschulden des Ehegatten nicht enthalten und dennoch zur Versagung des Zugewinnausgleiches aus Gründen der Billigkeit nötigen. So mag z. B. im Einzelfall die bedrohte Versorgungslage des Ausgleichspflichtigen eine Einrede begründen, wenn der Ausgleichsberechtigte selbst ausreichende Existenzmittel hat. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß ungenügende Solvenz dem Ausgleichsschuldner eine Einrede zu verschaffen vermag. Der Umstand, daß ein Ehegatte seine persönlichen Ehepflichten verletzt hat, ja sogar, daß die Ehe der Parteien aus dem Verschulden eines Ehegatten geschieden worden ist, läßt diesem gegenüber nicht ohne weiteres eine Einrede des anderen gegen die Ausgleichsforderung entstehen." 7 Schopp, Rpflger 1964,73.

4. Kap.: Der Streit in der Literatur

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Lenze8 mit der dem Gesetz zugnmdeliegenden Wertung gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm9 vom 1.12.1975, in dem das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten mit dem Ehebruch der Klägerin und ihrem in hohen Maße verwetfIichen Gesamtverhalten begründet wird. Dem wird entgegengehalten, daß das Gericht in dieser Entscheidung das Ziel des Zugewinnausgleiches, die während der Ehezeit erwirtschafteten Arbeitserträge auf beide Ehegatten gerecht zu verteilen, außer Acht gelassen habe. Während für Lenze das Oberlandesgericht Hamm den Ehebruch zuviel an Bedeutung beimißt, kritisiert Roth-Stielow 10 das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorfll vom 14.1.1980, weil das Gericht seiner Ansicht nach die wahre Bedeutung des Ehebruchs in diesem Fall übergeht. Es hatte einen heimlichen Ehebruch, der sich nicht nachhaltig auf die eheliche Lebensgemeinschaft auswirkte, als nicht grob unbillig eingestuft. Diese Lösung des Falls ist für RothStielow untragbar. Er bewertet sie aus verschiedenen Perspektiven, immer mit demselben Ergebnis. Sie widerspricht seiner persönlichen Auffassung über den Ehebruch, verstößt gegen das Normverständnis des "Common Sense" und entspricht nicht dem Zweck der Generalklauseln im Scheidungsfolgenrecht. Für ihn darf der "ohne verständlichen Anlaß vorgenommene Partnertausch nicht zugleich mit einer Summierung von Folgeansprüchen und nicht anrechenbaren Zuwendungen des Ehebruchspartners zu einem glänzenden Geschäft zu Lasten eines ehetreuen Gatten werden"12. Die Berücksichtigung eines schwerwiegenden und klar bei dem Anspruchsberechtigten liegenden evidenten ehelichen Fehlverhaltens sei außerdem eine sozial wirksame Norm, deren Nichtberücksichtigung weithin auf Unverständnis stoße. 13 Ferner könne man die verfassungskonforme Auslegung des Scheidungsfolgenrechts durch das Bundesverfassungsgericht nicht übergehen, nach welcher die Auflösung der Ehe nicht zu einer Prämierung des pflichtwidrigen Verhaltens führen dürfe. 14 Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Fehlverhalten nichtwirtschaftlicher Art tritt auch Mikosch 15 entgegen. Er beruft sich, ebenso wie Lenze und Roth-Stielow, auf die Zielsetzung des Gesetzes, die er jedoch abweichend deutet. Die Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofes im Neffen-

8 Lenze, S. 158. 9 OLG Hamm FamRZ 1976,633, vgl. dazu oben S. 75 f. 10 NJW 1981, 1594 ff. 11 OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 262 = NJW 1981, 829, vgl. oben S. 74 und 78 f.; siehe zu diesem Urteil auch die kritische Anmerkung von Bosch, FamRZ 1981,264 f.

12 Roth-Stielow, NJW 1981, 1594, 1596. 13 Ebenda, S. 1595, r. Sp., erster Absatz.

14 Ebenda, S. 1596,1. Sp. 15 MDR 1978,886 ff. 7 Rommel

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4. Kap.: Der Streit in der Literatur

fall 16 sieht er als verfehlt an, weil seiner Ansicht nach bei der Frage nach der groben Unbilligkeit eines Fehlverhaltens nicht die Zeit der entscheidende Maßstab zur Beurteilung dieses Verhaltens sei, sondern die in ihm sich zeigende "GrundeinsteIlung zud Grundhaltung"17 zur Ehe. Es ginge darum, "ob sich die Verfehlungen gegen das Wesen und den Bestand der Ehe selbst richten, gegen ihren Lebenskern, ihre Wurzel, aus der auch die Kraft zur Überwindung von Verletzungen und Verzeihung von Verfehlungen gezogen werden kann ... Der Unterschied ist ähnlich wie zwischen einer gewöhnlichen Vertragsverletzung und einem das Wesen des Vertrages treffenden Vertragsbruch oder wie im religiösen Bereich zwischen einer läßlichen Sünde und einer Todsünde" .18 Daß auf diese Weise das Schuldprinzip Maßstab der Unbilligkeit ist, ergibt sich für Mikosch aus dem Gesetzeszweck. 19 Das Gesetz halte den Zugewinn allein schon im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft und den Gleichberechtigungsgrundsatz für gerecht, wie man der erbrechtlichen Lösung des Ausgleichs gemäß § 1371 Abs. 2 BGB entnehmen könne. Insoweit aber stelle § 1381 Abs. 2 BGB auf die Schuld ab, so daß es bei der Frage nach der groben Unbilligkeit des Ausgleiches entscheidend auf die rechtliche Gesinnung des Ausgleichsberechtigten ankomme. Auch im neuen Scheidungsfolgenrecht spiele das Schuldprinzip weiterhin eine erhebliche Rolle. Insofern gehe es nicht an, die Zerstörung einer Lebensgemeinschaft durch Gewährung der materiellen Früchte aus ihr zu entlohnen. Die an die Auslegung der Rechtsprechung anknüpfende methodische Reflexion in der Literatur zielt auf die Überwindung der Wertungen ab, welche sich insgesamt in dieser widerspiegeln. Die Verursacher dieser dritten Quelle des Meinungsstreites sind ausnahmslos derjenigen Strömung innerhalb der Methodendiskussion zuzuordnen, die den Sinn einer Norm in der Bewertung von Ereignissen und Ideen zu erfassen sucht. Schwat>20 geht es um die Wertungen der Rechtsprechung selbst. Er denkt sie weiter. Koeniger21 und Jäger22 arbeiten die Methode der Einzelfallgerechtigkeit aus. Für Thiele23 und Strobel24 ist die Auslegung des § 1381 BGB ein Problem der materialen Gerechtigkeit. Eine 16 BOH FamRZ 1966,560; vgl. oben S. 59. 17 Mikosch, MDR 1978,886,888, r. Sp. 18 Ebenda, S. 887, r. Sp. 19 Zum folgenden vgl. ebenda, S. 888 f. 20 Schwab, Lehrbuch Familienrecht, Rz. 239 f.; Handbuch des Scheidungsrechts, VII, Rz. 162 ff.; Neue Rechtsprechung zum Zugewinnausgleich, FamRZ 1984,526, 528 ff. 21 DRiZ 1959, 80 ff. 22 Johannsen-Jäger, § 1381 BOB, Rz. 1 ff. 23 JZ 1960, 394 ff.; Staudinger-Thiele, § 1381 BOB, Rz. 1 ff. 24 Grobe Unbilligkeit des Zugewinnausgleichs.

4. Kap.: Der Stteit in der Literatur

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andere Methode ist für Kleinheyer,2S Gemhuber26 und Heckelmann 27 maßgeblich. Für sie ergibt sich der richtige Sinn der Einrede der groben Unbilligkeit, wenn man die in dieser Norm enthaltene Wertung des Gesetzes erkennt. Die folgende Darstellung des Meinungsstreites in der Literatur konzentriert sich auf diese Versuche, ausgehend von einer methodischen Reflexion der Gesetzesauslegung den Sinn des § 1381 BGB zu erfassen. Denn vom Standpunkt der juristischen Methodik setzt sich der Methodenpluralismus der Rechtsprechung sowohl in der kritischen Auseinandersetzung mit einzelnen Entscheidungsgründen der Rechtsprechung als auch beim Ausdenken einzelner Schulbeispiele grober Unbilligkeit unverändert fort. Die nähere Untersuchung dieser beiden Quellen des Meinungsstreites in der Literatur würde von daher keine neue Erkenntnis zur Folge haben, sondern nur das Ergebnis der Rechtsprechungsanalyse wiederholen. Überhaupt dürfte inzwischen verdeutlicht worden sein, daß eine begriffliche Deduktion die Kontroverse über den Sinn der groben Unbilligkeit nicht beendet, sondern ausschließlich zum Widerspruch herausfordert. Wenn überhaupt das analytische Denken zum Sinn des § 1381 BGB hinführen soll, muß tiefer in die Sprache, die reine Vernunft, die Ideenwelt des Gesetzgebers oder die Rationalität des Gesetzes eingedrungen werden. Das analytische Denken hat schärfere Abbilder der Wirklichkeit hervorzubringen. Ob eine derartige Vorgehensweise sinnvoll ist oder ob nicht statt dessen die Bewertung der Welt die richtige Alternative darstellt, wird noch zu fragen sein. Doch zunächst gilt es diejenigen Versuche in der Literatur darzustellen, die methodisch reflektiert den wertenden Weg der Gesetzesauslegung beschreiten. Demnach baut sich der Fortgang der Untersuchung wie folgt auf: Zuerst wird die Ansicht dargelegt, welche die Bewertung des Einzelfalles an den Richter und dessen Richtigkeitsvorstellungen delegiert (1). Danach wird behandelt, unter welchen Gesichtspunkten Schwab die Entscheidungen der RechtDanach richtet sich die Untersuchung auf die Besprechung systematisiert mühungen in der Literatur, die Wertung des Gesetzes für die Auslegung des § 1381 BGB fruchtbar zu machen Sodann rückt die Ansicht in den Mittelpunkt der Darlegung, die den Begriff der groben Unbilligkeit nach Maximen der materialen Gerechtigkeit bestimmt (IV).

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Ridder, Hebnut K. J.: Aequitas und equity, in: ARSP 39 (1950/1), 181-200 Rödig, Jürgen: Schriften zur juristischen Logik, hrsg. von E. Bul u. a., Berlin/Heidelberg/New York 1980 Roellecke, Gerd: Theorie und Philosophie des Rechtes, in: Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? Hrsg. von Gerd Roellecke, Dannstadt 1988, S. 1-24 Ross, Alf: Towards a realistic Jurisprudence, Kopenhagen 1946 Roth-Stielow, Klaus: Der "prämierte Ausbruch" aus der Ehe, in: NJW 1981, 1594-1596 Rückert, Joachim: Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, Ebelsbach 1984 Sauer, Wilhebn: Die Gerechtigkeit. Wesen und Bedeutung im Leben der Menschen und Völker, Berlin 1959 Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen römischen Rechts, Band 1, Berlin 1840 Schäfer, Horst: Friedrich Karl von Savigny. Geschichte und Rechtsdenken beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Deutschland, Frankfurt/M 1984 Schlüter, Wilfried: BOB. Familienrecht, 5. Auflage, Heidelberg 1991 Schmitt, Carl: Legalität und Legitimität, München und Leipzig 1932 Schopenhauer, Arthur: Preisschrift über die Grundlage der Moral. Nicht gekrönt von der Königlich Dänischen Societät der Wissenschaften in Kopenhagen, am 30. Januar 1840, in: Arthur Schopenhauers sämtliche Werke, hrsg. von Paul Deussen, Dritter Band, München 1912, S. 573-745 Schopp: Probleme der Zugewinngemeinschaft bei Ehescheidung, in: Rpflger 1964,69-74

Schott, Clausdieter: "Rechtsgrundsätze" und Gesetzeskorrektur. Ein Beitrag zur Geschichte gesetzlicher Rechtsfindungsregeln, Berlin 1975

Literaturvcrzeiclmis

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Familienrecht, 5. Auflage, München 1989

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Schwenzer, Ingeborg: Vom Status zur Realbeziehung. Familienrecht im Wandel, Baden Baden 1987

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Simon, Dieter: Die Unabhängigkeit des Richters, Dannstadt 1975 Sladeczek, K. H.: Billigkeit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, hrsg. von Joachim Ritter, Dannstadt 1971, Sp. 940-943

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Staudinger-Bearbeiter: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Viertes Buch. Familienrecht, 2. Halbband (§§ 1363-1563), erläutert von Ruland u. a, 12. Auflage, Berlin 1985

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Tammelo, Dmar/Schreiner, Helmut: Grundzüge und Grundverfahren der Rechtslogik, 2 Bde., München 1977

Thiele, Wolfgang: Die grobe Unbilligkeit des Zugewinnausgleiches. § 1381 BGB im Bereich der Anwendungsmaximen des § 242 BGB, in: JZ 1960, 394-396

Tiedtke, Klaus: Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum ehelichen Güterrecht seit dem 1. Januar 1978 - Teil 2, in: JZ 1984, 1078-1086

Troje, Hans Brich: Die Literatur des Gemeinen Rechts unter dem Einfluß des

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Literaturvcrzeichnis

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Begriffs- oder Interessenjurisprudenz - falsche Fronten im IPR und Wirtschaftsverfassungsrecht. Bemerkungen zur selbstgerechten Kollisionsnorm, in: Internationales Privatrecht und Rechtsvergleich im Ausgang des 20. Jahrhunderts. Bewahrung oder Werden? Festschrift für Gerhard Kegel, hrsg. von Alexander Lüderitz und Jochen Schröder, Frankfurt am Main 1977, S. 213-263

Uteraturverzeichnis

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Wilhelm, Walter: Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert. Die Herkunft der Methode Paul Labands aus der Privatrechtswissenschaft, Frankfurt am Main 1958

Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, in: Werkausgabe in 8 Bänden, Band 1, Frankfurt am Main 1984, S. 9-85 -

Philosophische Untersuchungen, in: Werkausgabe in 8 Bänden, Band 1, Frankfurt am Main 1984, S. 231-580

Zitelmann, Ernst: Der Wert eines "allgemeinen Teils" des bürgerlichen Rechts, in: Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 33 (1906), 1-32