Die Reichstheorie in Pufendorfs »Severinus de Monzambano«: Monstrositätsthese und Reichsdebatte im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute [1 ed.] 9783428523153, 9783428123155

Julia Haas untersucht die Frage nach dem Rechtscharakter des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation am Beispiel von

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German Pages 172 [174] Year 2006

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Die Reichstheorie in Pufendorfs »Severinus de Monzambano«: Monstrositätsthese und Reichsdebatte im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute [1 ed.]
 9783428523153, 9783428123155

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JULIA HAAS

Die Reichstheorie in Pufendorfs „Severinus de Monzambano"

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 76

Die Reichstheorie in Pufendorfs Severinus de Monzambano" Monstrositätsthese und Reichsdebatte im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute

Von

Julia Haas

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 3-428-12315-8 978-3-428-12315-5 Gedruckt auf alteningsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Studie untersucht die Frage nach dem Rechtscharakter des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation am Beispiel von Samuel von Pufendorfs Reichsverfassungsschrift De statu Imperii Germanici. In dieser im Jahre 1667 unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano publizierten Schrift bezeichnete Pufendorf das Heilige Römische Reich als monströses Gebilde und gab damit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die juristische Erfassung des rechtlich vielschichtigen und komplizierten Reichsgebildes entscheidende Anstöße. Die Frage nach dem Rechtscharakter des Alten Reiches ist bis heute nicht abschließend geklärt, was auf die Aktualität der Pufendorfschen Reichstheorie auch für die neuere verfassungsgeschichtliche Forschung hindeutet. Die Studie will vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur Aufarbeitung der staatsrechtlichen Situation des Alten Reiches leisten, indem sie den Versuch unternimmt, neben einer quellenexegetischen und staatstheoretischen Analyse der Pufendorfschen Monstrositätsthese und Reichstheorie einen Überblick über die Rezensionen des De statu Imperii Germanici und über die damit verbundene Reichsdebatte von 1667 bis in die heutige Zeit zu geben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hermann Butzer, der nicht nur die Aufarbeitung der Reichstheorie Samuel von Pufendorfs in monographischer Form angeregt, sondern auch den Entstehungsprozess intensiv begleitet und sich für die Publikation der Studie eingesetzt hat. Herr Prof. Dr. Jörg-Detlef Kühne hat ebenfalls die Veröffentlichung der Arbeit engagiert gefördert. Hierfür sowie für eine Reihe von Hinweisen zur Abrundung der Arbeit sei ihm gedankt. Dank schulde ich sodann dem Freundeskreis der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover sowie Frau Dipl.-Sozialwiss. Helga Gotzmann, Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Leibniz Universität Hannover, für die Gewährung von großzügigen Druckkostenzuschüssen zu dieser Veröffentlichung. Herrn Prof. Dr. h. c. Norbert Simon und Herrn Dr. Florian R. Simon, LL.M. danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die „Schriften zur Verfassungsgeschichte" im Verlag Duncker & Humblot.

Hannover, im August 2006

Julia Haas

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

11

A. Gegenstand der Untersuchung

12

B. Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk

13

I.

Samuel von Pufendorf: Ein Gelehrtenleben im 17. Jahrhundert

II. Zur Entstehungsgeschichte des „De statu Imperii Germanici"

15

1. Charakter und Form der Reichs Verfassungsschrift

15

2. Die Motive Pufendorfs zur Analyse des Reichsverfassungsrechts

17

ΙΠ. Pufendorfs Reichstheorie im historisch-politischen Kontext C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667 I.

13

Begriff und Rechtsquellen des „Reichsverfassungsrechts"

19 21 21

II. Die Weiterentwicklung des Reichsverfassungsrechts durch den Westfälischen Frieden von 1648 III. Die Verfassungsorganisation des Reiches seit 1648

24 29

1. Reichsorgane, Reichsinstitutionen und Reichsgesetzgebung

31

2. Das Verhältnis zwischen Reich und Territorien

36

§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung - Eine quellenexegetische Analyse

39

A. Die Monstrositätsthese im Gesamtkontext der Reichsverfassungsschrift

39

B. „De statu Imperii Germanici", Sechstes Kapitel

41

I.

Problematik der Einordnung des Reiches in die Staatsformenlehre

II. Die Staatsformen der Reichsstände

41 41

III. Ablehnung der demokratischen Staatsform des Reiches

42

IV. Argumente für und gegen die aristokratische Staatsform des Reiches ....

42

V. Argumente gegen die monarchische Staatsform des Reiches

44

VI. Das deutsche Reich als monströses, irreguläres Staatsgebilde

45

8

Inhaltsverzeichnis C. „De statu Imperii Germanici", Siebtes Kapitel I.

Siebtes Kapitel § 7: Deutschlands innere Schwäche

46 47

1. Fehlender Zusammenhalt der staatlichen Ordnung

47

2. Die „gut eingerichtete Monarchie"

48

3. Die Schwäche von Aristokratien

48

4. Das Wesen von Staatenbünden

49

II. Siebtes Kapitel § 8: Deutschlands Schwäche als Folge seiner Verfassung 49 1. Schwäche des monarchischen Elements im Reich

49

2. Das Reich als ungeordneter Staatenbund

50

3. Pufendorfs Schlussfolgerung: Das Reich als „Monstrum"

50

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese anhand staatstheoretischer, rechtsphilosophischer und rechtsgeschichtlicher Bezüge

52

A. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

52

I.

Zum Begriff der Staatsformenlehre

53

Π. Die klassische Staatstypologie des Aristoteles

53

III. Modifikation durch Machiavelli

55

IV. Wandel der Staatsformenlehre durch die Souveränitätslehre Bodins

55

1. Bodins Souveränitätsbegriff

55

2. Bodins Wirkungen auf die Staatsformenlehre

57

3. Konsequenzen für die Staatsform des Reiches

58

V. Die Reichsdebatte in der Publizistik vor „Severinus de Monzambano"...

59

1. Das Reich als Monarchie - Vorherrschaft des Kaisers

60

2. Das Reich als Aristokratie - Primat der Reichsstände

63

3. Die Lehre von der Misch Verfassung (Res publica mixta)

66

4. Die Lehre vom Reich als „Civitas composita" VI. Neue Ansätze in der Reichstheorie Pufendorfs 1. Die theoretischen Grundlagen der Staatsformenlehre Pufendorfs

71 72 72

2. Abkehr von den aristotelischen Kategorien bei der Staatsform des Reiches 3. Die Monstrositätsthese als Folge fehlender Zuordnungsmöglichkeiten B. Rechtsphilosophische Bezüge in der Argumentation Pufendorfs I.

Pufendorf als Begründer des weltlichen Naturrechts

76 77 80 80

II. Die rationale Konstruktion von Gesellschafts- und Unterwerfungsvertrag 81 III. Konsequenzen für die Reichstheorie

82

Inhaltsverzeichnis C. Die verfassungsgeschichtliche Perspektive Pufendorfs I.

Historische Ursachen für den Verfassungszustand des Reiches

83 84

II. Die Entwicklung des Lehnswesens

84

III. Herausbildung der reichsständischen Libertät

85

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute

86

A. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

87

I.

Reaktionen auf Pufendorf in der Publizistik des 17. Jahrhunderts

88

1. Frühe Rezipienten der Pufendorfschen Reichstheorie

89

2. Die Reichstheorie des G.W. Leibniz als Reaktion auf Pufendorf

90

3. Reaktion Pufendorfs auf seine frühen Kritiker

92

4. Befürworter der Reichstheorie Pufendorfs

93

5. Erneute Auseinandersetzung um die Frage der Reichseinheit

94

6. Negation der Staatlichkeit des Reiches? - Pufendorfs „Addenda Dissertationi de Republica Irregulari" 7. Fazit zur unmittelbaren reichspublizistischen Reaktion II. Der Rechtscharakter des Reiches in der Publizistik des 18. Jahrhunderts

95 97 99

1. Begründung der These vom Reich als Völkerrechtsordnung durch Krause 2. Die herrschende Lehre hinsichtlich des Staatscharakters des Reiches

100 100

a) Schmauß: Das Reich als „Monarchia limitata"

101

b) Pütter: Die Lehre vom „zusammengesetzten Staat"

101

c) Moser: Kapitulation vor der Verfassungswirklichkeit?

103

d) Der Rechtscharakter des Reiches bei Biener, Kreittmayr und Rieffei

104

e) Pacassi: Negation der Singularität der Reichsverfassungsordnung 105 3. Fazit zur publizistischen Debatte bis zum Ende des Reiches 1806.... 106 B. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung I.

108

Reichsauffassungen 1806-1945: Zwischen Desinteresse und politischideologischer Instrumentalisierung

108

1. Die alte Reichsidee im politischen Widerstreit 1815-1848

109

2. Das Verständnis des Alten Reiches in der Reichsgründungszeit

110

3. Der Reichsbegriff in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

112

Π. Die Reichsverfassung im Spiegel der historischen Forschung nach 1945 113 1. Das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen a) Vertreter eines Primats der Reichsstände gegenüber dem Kaiser.

115 116

10

Inhaltsverzeichnis b) Vertreter eines rechtlichen Primats des Kaisers

119

c) Vermittelnde Ansicht: Gleichordnung von Kaiser und Ständen..

121

2. Das Verhältnis zwischen Reich und Territorien a) Das Reich als atypischer Staatenbund und Völkerrechtsordnung b) Das Reich als Staat bis zu seinem Untergang 1806 aa) Ablehnung der These vom Reich als Völkerrechtsordnung..

122 124 128 128

bb) Atypische Staatlichkeit und Rückständigkeit des Reiches... 134 § 5 Monstrositätsthese, Reichstheorie, Reichsdebatte: Ein Resümee

137

A. Pufendorf als Erneuerer der Reichstheorie seiner Zeit

137

B. Moderne Analysen im Lichte der Pufendorfschen Reichstheorie

141

C. Pufendorf als Wegbereiter bundesstaatlicher Theorien

144

Abstract: The Theory of the Holy Roman Empire in Pufendorf s "Severinus de Monzambano". The Thesis of Monstrosity and the Debate on the Constitution of the Empire in the Political and Legal Literature from 1667 to the Present

147

Literaturverzeichnis

152

A.Quellen

152

B.Literatur

152

I.

Erster Teil (bis 1806)

152

II. Zweiter Teil (ab 1806)

156

Personenverzeichnis

165

Sachwortverzeichnis

168 * *

*

Abbildungen Abbildung 1 : Samuel von Pufendorf. Porträt in der Ausgabe De Jure naturae et gentium libri octo, Francofurti ad Moenum 1706. Kupferstich von Joseph de Montalegre. Mit freundlicher Genehmigung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Rp 18). Abbildung 2: Titelblatt der Erstausgabe De statu Imperii Germanici , Genf 1667. Mit freundlicher Genehmigung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (148.5 Pol.). Abkürzungen Abkürzungen verwendet nach: Kirchner, Hildebert / Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin / New York 2003.

SAMUEL LIBER BARO DE PUFENDORÏ VSESEKLS ET BOTEN Τ ÊLECTORLS BRAN IJENBURG1CI C O N , S I I J A R I I S

INTIMUS

Abbildung 1: Samuel von Pufendorf. Porträt in der Ausgabe De Jure naturae et gentium libri octo, Francofurti ad Moenum 1706. Kupferstich von Joseph de Montalegre (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Rp 18)

S E V E R I N I D E MONZAMBANO VERONENSIS,

DE IMPERII

STATU GERMANICI AD

L JE L I U M

Fratrcm,

Dominum TREZOLANI, UBER UNUS.

1

GENEVA, _ ApudPETRVM C O L V M E S I V M M» DC, LXVII.

Abbildung 2: Titelblatt der Erstausgabe De statu Imperii Germanici, (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 148.5 Pol.)

Genf 1667

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht Im Jahre 1667 erschien im niederländischen Den Haag unter dem Pseudonym „Severinus de Monzambano" eine staatsrechtliche Schrift 1, in der die „Verfassung" des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation als ein irreguläres und einem Monstrum ähnliches Gebilde bezeichnet wurde: „ ...quam ut dicamus, Germaniam esse irreguläre aliquod corpus et monstro simile ..." 2 . (...) „Quam monstrosum igitur vel hoc solum, quod caput adversus membra velut in partes descendent!"3.

Es handelt sich hierbei um die vielleicht bedeutendste, sicherlich aber um die umstrittenste Aussage, die in der deutschen Reichspublizistik über den Verfassungszustand des Alten Reiches nach 1648 getroffen wurde. Der Urheber dieser ebenso brillanten wie polemischen Kritik an Zustand und Verfassung des Reiches, der Reichspublizist und Naturrechtslehrer Samuel von Pufendorf, sollte dadurch in ganz Europa schlagartig zu großer Berühmtheit gelangen. Angesichts der politischen und wissenschaftlichen Brisanz der in seiner Schrift „De statu Imperii Germanici" getroffenen Aussagen hatte Pufendorf seine reichstheoretischen Thesen in die Form des Berichts eines das Reich bereisenden italienischen Kavaliers an seinen Bruder gekleidet und auch weitere zur Geheimhaltung seiner Identität erforderliche Bezüge auf Italien eingestreut. 4 Unter der Verwendung des Pseudonyms und unter der Maske eines Fremden konnte er auf jedwede Rücksichtnahme verzichten und somit eine ebenso schonungslose wie provokante Zustandsbeschreibung des Reiches und seiner Verfassung liefern: „...weil ich hoffte, die Deutschen würden die Wahrheit eher annehmen, wenn sie von einem Fremden vorgetragen wird, der gegen den Verdacht der Parteilichkeit, der Schmeichelei oder der Rachsucht gefeit ist." 5

In Deutschland fand sich aufgrund der Gefährlichkeit der von „Severinus de Monzambano" geäußerten politischen Ansichten kein Verleger, sodass die 1 „Severini de Monzambano Veronensis, De statu Imperii Germanici ad Laelium Fratrem, Dominum Trezobeni, Liber unus". 2 Pufendorf\ De statu Imperii Germanici, Cap. 6, § 9. 3 Pufendorf\ De statu Imperii Germanici, Cap. 7, § 8. 4 Vgl. etwa die Passage über die Republik Venedig im siebten Kapitel, § 7. 5 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Widmungsbrief an Laelius de Monzambano, S. 8. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Übersetzung von Denzer (Stuttgart, 1976).

12

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

Schrift in Den Haag publiziert wurde, auch wenn zur Irreführung als Druckort Genf angegeben war. 6 Pufendorf wurde zwar aufgrund der Tatsache, dass er seine unter dem Namen „Reichsverfassungsschrift" bekannt gewordene Studie gegen Angriffe verteidigte, der Urheberschaft verdächtigt; dennoch blieb seine Autorenschaft Zeit seines Lebens im Ungewissen. Neben dem Rätselraten über den Verfasser löste das Werk eine wahre Flut an kontroversen Stellungnahmen in der zeitgenössischen Staatsrechtswissenschaft aus. Nicht umsonst wird das Werk deshalb neben der „Dissertatio de ratione status in imperio nostro Germanico" des Hippolithus a Lapide und den Reichsreformschriften von Leibniz 7 als Höhepunkt der Reichspublizistik nach dem Dreißigjährigen Krieg angesehen.8

A. Gegenstand der Untersuchung Abgesehen vielleicht von Hegels vielzitiertem Diktum, mit dem dieser dem Reich 1803 die Staatlichkeit absprach 9, hat - wie bereits erwähnt - wohl kaum eine Aussage in der deutschen Reichspublizistik so viel Aufmerksamkeit erregt, so viele zeitgenössische Reaktionen und Gegenreaktionen provoziert und auch soviel Nachhall in der neueren historischen Forschung bewirkt wie Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung, welche die zentrale Frage nach der Staatsform bzw. dem Rechtscharakter des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation aufgeworfen hatte. Doch obwohl die Pufendorfsche Reichstheorie sowohl in der heutigen verfassungsgeschichtlichen Literatur als auch in wissenschaftsgeschichtlichen Abhandlungen einen herausragenden Stellenwert einnimmt, wenn es um die Versuche einer juristischen Erfassung des rechtlich vielschichtigen und komplizierten Reichsgebildes oder um die Darstellung der entscheidenden reichstheoretischen Standpunkte in der deutschen Reichspublizistik geht, wurde bislang noch keine geschlossene Darstellung der Monstrositätsthese und auch noch keine umfassende Rezeptionsgeschichte vorgelegt. 10 Diese Lücke will die vorliegende 6 Vgl. die Erstausgabe von 1667 (Severini de Monzambano Veronensis, De statu imperii Germanici ad Laelium fratrem, dominum Trezolani, liber unus, Genevae: Columesius, 1667) sowie Denzer, in: Maier/Rausch/Denzer, S. 32 (Anm. 19); Kleinheyer/

Schröder, S. 225; Schweden JuS 1995, S. 959 (962). 7 Vgl. zu Hippolithus a Lapide § 3 A.V.2. und zu Leibniz § 4 A.I.2. 8 Döring, Der Staat 33 (1994), S. 185; Döring, in: Geyer/Goerlich, S. 28; Schroeder, JuS 1995, S. 959 (963); Stern, Staatsrecht V, § 124 I I I 4, S. 47. 9 Vgl. dazu § 4 A.II.3. 10 Vgl. für Darstellungen der Pufendorf-Rezensionen im 17. Jahrhundert: Palladini, Discussioni seicentesche su Samuel Pufendorf, 1978; sowie Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, 1984.

Β. Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk

13

Studie schließen, indem sie den Versuch unternimmt, neben einer quellenexegetischen und staatstheoretischen Analyse der Pufendorfschen Reichstheorie einen Überblick über die Rezensionen des „Monzambano" und über die damit verbundene Reichsdebatte von 1667 bis in die heutige Zeit zu geben. Der Untersuchungsgang ist dabei wie folgt: Nach einem Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk, zur Entstehungsgeschichte seines „De statu Imperii Germanici" (§ 1 Β.) sowie zur Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667 (§ 1 C.) wird zunächst eine quellenexegetische Aufarbeitung der für die Analyse der Monstrositätsthese entscheidenden Stellen in Pufendorfs Reichsverfassungsschrift vorgenommen (§ 2). Sodann soll anhand von staatstheoretischen, rechtsphilosophischen und rechtsgeschichtlichen Aspekten nachgezeichnet werden, wie Pufendorf zur These von der Monstrosität der Reichsverfassung gelangen konnte (§ 3). Im Anschluss wird die Rezeptionsgeschichte der Pufendorfschen Reichstheorie im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute dargestellt (§ 4). Zuletzt folgt ein kurzes Resümee (§ 5).

B. Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk Einführend sei die Pufendorfsche Monstrositätsthese (und überhaupt die Schrift „De statu Imperii Germanici") in den Kontext von Pufendorfs Leben und Gesamtwerk 11 eingeordnet. Außerdem seien kurz die allgemeinen historischen Zusammenhänge und Verläufe des 17. Jahrhunderts in Deutschland in Erinnerung gerufen.

I. Samuel von Pufendorf: Ein Gelehrtenleben im 17. Jahrhundert Samuel Freiherr von Pufendorf wurde am 8. Januar 1632 in der Mitte des Dreißigjährigen Krieges als Sohn eines Pfarrers in Dorfchemnitz, Sachsen, geboren und wuchs in Flöha, im sächsischen Erzgebirge, auf. Dabei haben von den frühen biographischen Aspekten vermutlich insbesondere Pufendorfs Kindheitserlebnisse während des Dreißigjährigen Krieges auf sein naturrechtliches und staatstheoretisches Denken Einfluss genommen. Darin wurzeln vermutlich die Betonung des Souveränitätsgedankens, der den inneren Frieden sichern soll, sein ausgeprägtes Misstrauen gegen die habsburgischen Österreicher auf dem Kaiserthron, die er als Hauptverantwortliche für den Ausbruch des Krieges ge11

Vgl. zu diesem Gesamtwerk etwa Denzer, Nachwort, S. 162; Döring, in: Geyer/Görlich, S. 23 ff.; Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 196 f.; Kleinheyerl Schröder, Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, S. 223 ff.; Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, S. 317 ff.; für weitere biographische Hinweise

vgl. Schroeder, JuS 1995, S. 959 (962, Fn. 35); Landsberg III/l, S. 11 ff.

14

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

sehen haben mag, sowie seine allzeit präsente Sorge, dass die Katholiken die schwerste Bedrohung des Protestantismus ausmachten.12 Zwischen 1645 und 1650 besuchte er als Stipendiat die Fürstenschule in Grimma, auf der er sich hauptsächlich mit klassischer Philologie beschäftigte und die er als Klassenprimus abschloss. 1650 begann Pufendorf auf Wunsch des Vaters zunächst ein Theologiestudium in Leipzig. Jedoch distanzierte er sich zunehmend von der lutherischen Orthodoxie, welche die Allmacht der Theologie in der Wissenschaft propagierte, und von einem „verkrusteten Aristotelismus" 13 und studierte daraufhin „Weltweisheit" und Jurisprudenz. 1656 wechselte er nach Jena, wurde unter anderem Schüler des Cartesianers Erhard Weigel und widmete sich dem Studium der Politik, Ethik und des Naturrechts, was sowohl Beschäftigung mit Descartes, Galilei, Grotius und Hobbes beinhaltete als auch den Beginn seiner Auseinandersetzung mit dem Naturrecht markierte. Nach diesen ausgiebigen Studien verließ Pufendorf 1658 die Universität Jena und nahm nach Vermittlung seines Bruders Esaias von Pufendorf eine Hauslehrerstelle beim schwedischen Gesandten Coyet in Kopenhagen an. Während einer achtmonatigen Gefangenschaft im Zuge des schwedisch-dänischen Krieges schrieb er seine Erstlingsschrift „Elementorum jurisprudentiae universalis libri duo" nieder, die 1660 in Den Haag veröffentlicht wurde. Nach einem weiteren Studium der klassischen Philologie im niederländischen Leiden (1661) erhielt Pufendorf aufgrund guter Beziehungen zum Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, den er publizistisch im „Wildfangstreit" (Gutachten über die Rechtsstellung von Fremden ohne Schutzrecht) 14 unterstützt hatte, ein Angebot, als Professor der Institutionen nach Heidelberg zu gehen. Pufendorf lehnte zwar das konkrete Angebot ab, erwirkte aber stattdessen die Berufung an den eigens für ihn geschaffenen, ersten Lehrstuhl in Deutschland für Natur- und Völkerrecht 15 an der Philosophischen (Artistischen) Fakultät der Universität Heidelberg. Nach dem Misslingen eines Wechsels an die prestigeträchtigere Juristische Fakultät 1664, worin ein Beweggrund für die polemische Abrechnung mit der damaligen Reichspublizistik in seinem „Monzambano" gelegen haben soll 16 , begann Pufendorf 1665 mit der Niederschrift seiner Reichs Verfassungsschrift „De statu Imperii Germanici", die er 1667 unter dem Pseudonym „Severinus de Monzambano" in Den Haag publizierte. 1670 kehrte er Deutschland für Jahre den Rücken, indem er ein Angebot des schwedischen Königs Karl XI. zur

12 13 14 15

16

Döring, in: Geyer/Goerlich, S. 25. Denzer, in: Fetscher/Münkler, S. 250. Vgl. dazu Döring, Der Staat 33 (1994), S. 185 (198 ff.). Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 414.

Denzer, Nachwort, S. 171.

Β. Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk

15

Übernahme des Lehrstuhls für Natur- und Völkerrecht an der Universität Lund, welche die Schweden zur Festigung ihrer Herrschaft im ehemals dänischen Schonen (Skâne) neu gegründet hatten, annahm. Im Rahmen seiner dortigen erfolgreichen Lehrtätigkeit erschienen seine (naturrechtlichen) Hauptwerke „De Jure Naturae et Gentium, Libri octo" (1672) und „De Officio Hominis et Ci vis juxta Legem Naturalem, Libri duo" (1673), mit denen ihm als Erstem eine Systematisierung des Naturrechts und dessen Darstellung als eigenständige Grundlagenwissenschaft gelungen ist. 17 Durch den kriegsbedingten Niedergang der Universität Lund vollzog Pufendorf eine neuerliche Umorientierung, die sein akademisches Wirken beenden und ihn von 1677 bis zu seinem Tod als Hofhistoriograph in Fürstendiensten tätig sein lassen sollte. Als schwedischer Hofhistoriograph, 1684 in den Adelsstand erhoben, verfasste er eine schwedische Reichsgeschichte und eine Geschichte der Regierung Karl Gustavs, 1688 ging er nach Berlin und schrieb 1692 eine Geschichte der Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Der plötzliche Tod Pufendorfs nach kurzer Krankheit 1694 ließen seine Vorhaben, die Geschichte der Regierungszeit Friedrichs III. und eine Geschichte des Türkenkrieges zu schreiben, unvollendet bleiben.

I I . Zur Entstehungsgeschichte des „De statu Imperii Germanici" 1. Charakter und Form der Reichsverfassungsschrift In seiner hier maßgeblichen Schrift „De statu Imperii Germanici" zieht Samuel Pufendorf auf etwas mehr als 200 Seiten18 die „staatsrechtliche Summe" der Reichsverfassungsentwicklung nach dem Westfälischen Frieden 19 . Dabei war das Neuartige an der Schrift durch die Charakterisierung des Reiches als irreguläre Staatsform zwar auch inhaltlicher Art (wobei derartige Kritik an der Reichsverfassung aber zumindest seit der Streitschrift des Hippolithus a Lapide 20 kein völliges Novum mehr darstellte). Doch haben vor allem die Form und der polemische Charakter der Streitschrift großes Aufsehen erregt und die Schrift in der Reichspublizistik schlagartig bekannt gemacht. 1670, also drei Jahre nach der lateinischen Erstveröffentlichung, erschien eine erste deutsche Übersetzung, wenig später wurde die Schrift in ganz Europa in französischer, englischer und holländischer Sprache vertrieben; bis 1710 sol17

Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 414. Die Seitenanzahl der einzelnen Ausgaben variiert. 19 Schweden JuS 1995, S. 959 (963); Schulze, Staat und Nation, S. 144. 20 Hippolithus a Lapide , Dissertatio de ratione status in imperio nostro RomanoGermanico, 1640. 18

16

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

len allein in Deutschland 300.000 Exemplare gedruckt worden sein 21 . Auch wenn man diese Zahl anzweifeln mag 22 , so steht jedenfalls fest, dass die Studie sowohl wegen des Pamphlet-Charakters als auch nach Inhalt und Methode 23 großes Aufsehen erregte. Die Streitschrift ist geprägt durch eine knappe und präzise Diktion sowie durch einen eleganten, mitunter ironisch-satirischen Stil, womit sie sich deutlich von den sonstigen weitschweifigen und teilweise eher langatmigen staatsrechtlichen Abhandlungen anderer zeitgenössischer Vertreter der deutschen Reichspublizistik abhebt.24 Denn Pufendorf wollte im Gegensatz zu seinen um größtmögliche Textfülle bemühten Zeitgenossen lediglich eine knappe, pointierte Verfassungsanalyse erstellen und kein umfangreiches Lehrbuch. 25 Allerdings ist die Schrift Pufendorfs nicht als rein destruktiver Angriff auf die überkommenen Strukturen des Alten Reiches zu sehen. Pufendorf vertrat vielmehr den Anspruch auf eine „vernünftige Kritik" der Reichsverfassung 26. Diese Schlussfolgerung ergibt sich erst recht unter Heranziehung der 1706 in Berlin posthum erschienenen „geglätteten" Fassung der Reichsverfassungsschrift, die Pufendorf noch selbst vorbereitet hat. In dieser Editio Posthuma, in der er nicht nur die italienischen Bezüge des Berichts aufgegeben, sondern auch das Pseudonym gelüftet und den Bericht mit eigenem Namen gezeichnet hat, wurde das polemische und oftmals missverstandene Wort „monströs" durch den Begriff „irregulär" ersetzt: „ ...quam ut dicamus, Germaniam esse irreguläre aliquod corpus, si ad régulas scientiae civilis , . . " 2 7 . (...) „Quam irreguläre igitur vel hoc solum est, quod per ipsam formae indolem rationes capitis a rationibus membrorum in alia omnia discedant?" 28

Damit wurde die provokante Wirkung dieser für die Bedeutung der Schrift entscheidenden Passage allerdings erheblich abgeschwächt.29 Pufendorf wollte so dem Missverständnis vorbeugen, er habe die Schrift verfasst, um dem Reich die Existenz von Staatlichkeit abzusprechen, denn es ging ihm als Reichspatriot, 21 22

23

Breßlau, Einleitung, S. 11; Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 418. Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 418.

Schroeder, JuS 1995, S. 959 (963).

24

Schroeder, JuS 1995, S. 959 (963); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 233. 25 Stolleis, in: Schnur, Staatsräson, S. 442. 26 27

Schroeder, JuS 1995, S. 959 (963).

Pufendorf, De statu Imperii Germanici, Editio Posthuma, Kap. 6, § 9, S. 195 f. 28 Pufendorf, De statu Imperii Germanici, Editio Posthuma, Kap. 7, § 8, S. 225. Ebenso verwendet Pufendorf in seinen naturrechtlichen Schriften hinsichtlich des Reichskörpers nur noch den Begriff „irregularitas" (vgl. beispielsweise Pufendorf, De Jure Naturae et Gentium Libri Octo (= JNG) V I I 5, § 15). 29 Vgl. von Aretin, Das Alte Reich I, S. 346; Denzer, Anmerkungen, S. 158, Nr. 97; Doerr, Semper Apertus I, S. 418.

Β. Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk

17

als der er verstanden werden wollte, vielmehr um eine empirisch-historische Analyse 30 . Pufendorf selbst mag seine Hauptleistung in der Systematisierung und Säkularisierung des Naturrechts gesehen haben31 - doch kann dies den Stellenwert seiner reichspublizistischen Leistungen durch Begründung des neuartigen Diktums vom Reich als „res publica irregularis" nicht schmälern. Denn im Kontext von Pufendorfs Gesamtwerk ist „De statu Imperii Germanici" als das Werk zu sehen, das Pufendorf im Reich und im europäischen Ausland schlagartig bekannt machte. Seine ebenfalls bedeutenden naturrechtlichen Publikationen „De Jure Naturae et Gentium" und „De Officio Hominis" folgten der reichstheoretischen Abhandlung erst nach.

2. Die Motive Pufendorfs

zur Analyse des Reichsverfassungsrechts

Bei der Entstehung der Reichsverfassungsschrift dürften sowohl persönliche als auch wissenschaftliche Motive eine Rolle gespielt haben32. Pufendorf bemerkt insoweit im Vorwort zu der 1706 posthum erschienenen Auflage des „Monzambano", er habe das Werk auch aus Verärgerung darüber geschrieben, dass ihm 1664 bei seiner Bewerbung um den Lehrstuhl für deutsches Verfassungsrecht an der Universität Heidelberg der Jurist Johann Friedrich Böckelmann aus standespolitischen und allgemeinpolitischen Erwägungen vorgezogen worden war. 33 Der Begründung seiner Ablehnung als Bewerber, er sei nicht genügend für die Lehre des deutschen Verfassungsrechts qualifiziert gewesen, wollte Pufendorf durch eine eigene Abhandlung über die Reichsverfassung seine sehr wohl vorhandene wissenschaftliche Qualifikation in diesem Gebiet entgegensetzen und sie einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich machen. Jedoch gibt es auch Stimmen in der neueren historischen Forschung 34, die eine derartige Motivation Pufendorfs als Legende ansehen und seine Beweggründe allein in der konkreten politisch-staatsrechtlichen Situation des Reiches und speziell der Pfalz in der Mitte der sechziger Jahre des 17. Jahrhunderts sehen wollen. Dabei wird gemutmaßt, dass es eine Verbindung zwischen der Schrift und Versuchen des Kurfürsten Johann Philipp von Mainz und seines Kanzlers Johann Christian von Boineburg, die Macht des Kaisers zugunsten der Reichsstände weiter zu beschneiden, gegeben haben könnte.

30

Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 193.

31

Denzer, Moralphilosophie, S. 266; Schroeder, JuS 1995, S. 959 (962). Denzen Nachwort, S. 171.

32

33 Pufendorf, De statu Imperii Germanici, Editio posthuma, Praefatio; Denzer, Nachwort, S. 171; Denzer, in: Maier/Rausch/Denzer, S. 32. 34 Döring, in: Geyer/Görlich, S. 28 f.; Döring, Der Staat 33 (1994), S. 185 (202 f.).

18

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

Allerdings deuten zum einen die Tatsache, dass Pufendorf eine derartige Motivation in der posthum erschienenen und in mancherlei Hinsicht revidierten Fassung des ,Monzambano" eingeräumt hat, und zum anderen das Faktum, dass in seiner Streitschrift zahlreiche Seitenhiebe gegen die Staatsrechtslehrer und Juristen seiner Zeit eingearbeitet sind, darauf hin, dass er auch aus persönlicher Indignation seine Reichsverfassungsschrift dazu genutzt hat, Vorwürfe gegen die Jurisprudenz seiner Zeit zu formulieren. 35 Dabei lassen sich die wissenschaftlichen Kritikpunkte Pufendorfs, die im „Monzambano" eingestreut sind, wie folgt zusammenfassen: Die Jurisprudenz seiner Zeit sei in einem konservativen Positivismus erstarrt und vernachlässige interdisziplinäre Zusammenarbeit. Insbesondere bei der Lehre von der Reichsverfassung negiere sie durch ein Festhalten an überkommenen Theorien die Verfassungsrealität und habe damit jeden Praxisbezug eingebüßt. Durch die Erhebung des römischen Rechts zur Grundlage der Jurisprudenz berufe sich die Rechtswissenschaft nur noch auf Gesetze und Autoritäten, was keinen Fortschritt bringe und insbesondere im Hinblick auf die Reichsverfassung für eine Stärkung des Reiches abträglich sei. 36 Die Rechtswissenschaft seiner Zeit ergehe sich in voluminösen Kommentierungen und Auslegungen des positiven Rechts („Schreibwut" 37 ) und vernachlässige es darüber, Begründungen zu geben, warum etwas Recht geworden sei, ob Gesetze und Lehrmeinungen dem allgemeinen Prinzip der Gerechtigkeit entsprächen und schließlich, ob in das Recht politische Überlegungen der Staatsräson eingegangen seien.38 Pufendorf betont demgegenüber in seinem der eigentlichen Analyse der Reichs Verfassung voranstehenden Widmungsbrief an den fiktiven Bruder Laelius von Monzambano die Wichtigkeit einer Zusammenschau von verfassungsgeschichtlichen und politikwissenschaftlichen Aspekten: „...wer dagegen ohne die Kenntnis der deutschen Geschichte und der Wissenschaft von der Politik die Struktur eines so irregulären Staates öffentlich erläutern will, stellt sich an wie ein Esel beim Saitenspiel."39

Die Analyse der Reichsverfassung musste also theoretisch eingebunden werden in den Kontext der allgemeinen Naturrechtslehre, in die Staatsformenlehre und in die Lehre von der Staatsräson. 40 Trotz dieser notwendigen theoretischen Einbindung ist gerade das Neue am Pufendorfschen Ansatz, dass er trotzdem 35

So auch Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 418. Denzer, Nachwort, S. 172. 37 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Widmungsbrief an Laelius von Monzambano, S. 5. 38 Denzer, Nachwort, S. 172. 39 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Widmungsbrief an Laelius von Monzambano, S. 6. 40 Denzer, Nachwort, S. 173. 36

Β. Überblick zu Pufendorfs Leben und Werk

19

den Blick vor der Realität der Reichsverfassung, die er nach Betrachtung der genannten Theorien nur als „res publica irregularis" bzw. als „monstrum" bezeichnen kann, nicht verschließen will, wie er es seinen Vorgängern, nämlich den Vertretern der Misch Verfassungslehre (vgl. § 3 A.V.3.), vorwirft. 41 Eine weitere wissenschaftliche Motivation Pufendorfs zur Abfassung seiner Reichsverfassungsschrift dürfte sich aus der Publikation der Reichsverfassungsanalyse von Bogislaw Philipp von Chemnitz (1605-1678) ergeben haben. Unter dem Pseudonym Hippolithus a Lapide veröffentlichte Chemnitz die „Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico", in der das Reich als Aristokratie bezeichnet wird und in der Chemnitz vehement für die ständische Libertät eintritt (vgl. § 3 A.V.2.). Eine Antwort auf Chemnitz im Rahmen einer eigenen reichstheoretischen Abhandlung zu verfassen, mag für Pufendorf ein weiterer Anreiz gewesen zu sein, seinen „Monzambano" zu publizieren, denn zum einen stimmte er mit Chemnitz bezüglich der Ablehnung jeder Art von Mischverfassung überein; zum anderen hielt er die von Chemnitz hochgehaltene ständische Libertät für realitätsfern und für das fragile Gleichgewicht der Reichsverfassung für abträglich. 42 Dies veranlasst Denzer sogar zu der Vermutung, dass die Reichsverfassungsschrift Pufendorfs ohne die Thesen des Hippolithus a Lapide als „Reibungsfläche", an der Pufendorf seine eigenen Ideen entfalten konnte, nicht in dieser Form oder wahrscheinlich überhaupt nicht entstanden wäre. 43

I I I . Pufendorfs Reichstheorie im historisch-politischen Kontext Den historischen Hintergrund, vor dem die Pufendorfsche Monstrositätsthese und Reichstheorie stets betrachtet werden muss, bilden die politischen Umwälzungen des Dreißigjährigen Krieges und die mit Recht als „gewaltige Epochenzäsur" 44 der deutschen Geschichte bezeichneten Friedensverträge von Münster und Osnabrück. Neben dem für die Entstehungsphase der Reichsverfassungsschrift maßgebenden Ereignis des Dreißigjährigen Krieges tauchen - wenngleich eher am Rande - auch noch zwei andere historisch-politische Aspekte in Pufendorfs Schrift auf: Zum einen bedrohte die beginnende Reunions- und Religionspolitik Frankreichs unter Ludwig X I V . 4 5 das europäische Gleichgewicht und damit 41

Denzer, Nachwort, S. 173. Denzer, Nachwort, S. 174. 43 Denzer, Nachwort, S. 174. 44 Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 9; Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 456; Schroeder, JuS 1995, S. 959. 42

45

Vgl. dazu Duchhardu Altes Reich, S. 53 ff.

20

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

auch die Sicherheit des Reiches, wobei diese Gefährdung durch das eigensüchtige Handeln deutscher Fürsten noch verstärkt wurde. Zum anderen war auch die dauernde Bedrohung des Reiches durch die Türken ein wichtiger historischer Aspekt, auf den Pufendorf in seiner Schrift ebenfalls einging. 46 Kennzeichnend für den Dreißigjährigen Krieg, der nicht nur verheerende und zerstörende Wirkungen für die Bevölkerung entfaltet, sondern der auch durch die Friedensverträge von Osnabrück und Münster gewaltige Umwälzungen hinsichtlich der Reichsverfassung und der Struktur des Reiches nach sich gezogen hatte, war ein Konglomerat von Kriegsursachen, das einen für Deutschland besonderen historischen, politischen und gesellschaftlichen Einschnitt nach sich zog. Äußerer Anlass war der sog. Prager Fenstersturz, ein lokaler Konflikt in Böhmen zwischen den Ständen und dem habsburgischen Kaiser, der sich im Laufe der Zeit zum gesamteuropäischen Machtkampf ausweitete. Die in diesem Krieg verfolgten Interessen waren vielfältig. Er war zunächst als Konfessionskrieg vor allem geprägt von dem Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten (Katholische Liga und Schmalkaldischer Bund), dann allerdings auch von Rivalitäten zwischen geistlichen und weltlichen Fürsten, zwischen Kaiser und Reichsständen, die sich zu einer Auseinandersetzung um die Neuordnung der verfassungsmäßigen Zustände im Reich auswuchsen.47 Gerade die Ausweitung zum gesamteuropäischen Machtkampf unter Verbindung der vielfältigen innerdeutschen Interessen der Reichsfürsten mit denen anderer europäischer Mächte 4 8 beschwor Gefahr für den Reichsgedanken und den Bestand des Reiches herauf. Einige Stimmen in der heutigen historischen Forschung sehen die Krise der Reichsverfassung, die im Hinblick auf die konfessionellen Konflikte vor allem durch die unterschiedliche Auslegung der oft mehrdeutigen Vorschriften des Augsburger Religionsfriedens von 1555 bedingt war, als eine der Hauptursachen für den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges an. 49 Auch Pufendorf hat in seiner Schrift mehrfach gezeigt, dass er die Bedrohung für das labile Gepräge der Reichsverfassung durch ständische, konfessionelle und machtpolitische Interessen erkannt hat, wie beispielsweise in seinen Appellen an Einigkeit zum Ausdruck kommt: „Je fester und geordneter diese Einigung ist, desto stärker ist die Gesellschaft." 50 (...) „Die größte Anstrengung ist auf die Erhaltung der inneren Eintracht zu richten."51

46

Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kapitel, § 4, S. 112 f.; vgl. dazu auch von Aretin, Das Alte Reich I, S. 358; Duchhardt, Altes Reich, S. 67 ff. 47 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kap., § 8, S. 120; vgl. dazu auch Denzer, Nachwort, S. 175; von Aretin, Das Alte Reich I, S. 19. 48 Denzer, Nachwort, S. 176. 49 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 13. 50 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kap., § 8, S. 118.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

21

Ansonsten geht Pufendorf immer wieder auf die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges ein, um zu zeigen, welche Folgen er für die Entwicklung der Reichsverfassungsstruktur und für die Lösung der Konfessionsfrage hatte. 52 Sehr wichtig für die reichstheoretische Argumentation Pufendorfs war zum Beispiel die Festschreibung der Libertät der Stände durch den Friedensschluss von Münster und Osnabrück, wobei Pufendorf eine besondere Gefahr für die innere Einheit des Reiches im Bündnisrecht der Reichsstände mit auswärtigen Mächten (lus foederis) gesehen haben mag.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667 Pufendorfs Reichstheorie und ihre Zuspitzung in seiner Monstrositätsthese sind das Ergebnis von Pufendorfs Wahrnehmung und Analyse der Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667 gewesen. Der genauen Analyse der Pufendorfschen Monstrositätsthese sei deshalb auch noch ein Überblick zur Verfassungswirklichkeit des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, wie sie sich um 1667 darstellte, vorangestellt. Für diese Verfassungswirklichkeit sind dabei nicht nur Begriff, Rechtsquellen und wesentliche Strukturelemente des „Reichsverfassungsrechts" entscheidend, sondern auch die tatsächlichen politischen Macht- und Kräfteverhältnisse nach den Umwälzungen durch die Westfälischen Friedens Verträge von 1648. Freilich lassen die Eigenarten des staatlichen Gebildes des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation kaum die Möglichkeit, das Reich und seine „Verfassung" mit heutigen juristischen Kategorien zu fassen, sodass sich die Analyse sowohl auf den zeitgenössischen Sprachgebrauch als auch auf die zeitgenössische Theorie stützt. 53 Auch dem Verfassungsbild bzw. den Verfassungsvorstellungen der Reichspublizisten muss dabei Rechnung getragen werden.

I. Begriff und Rechtsquellen des „Reichsverfassungsrechts" Um sich dem Verfassungsbegriff des Reiches zu nähern, aber nicht um willkürlich moderne Maßstäbe diesbezüglich anzusetzen, seien die Anforderungen, welche die moderne Staatslehre 54 an eine Verfassung stellt, in Kürze wiederge51

Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 8. Kap., § 4, S. 128. Denzer, Nachwort, S. 176. 53 Roeck, Reichssystem, S. VIII. 54 Loewenstein, Verfassungslehre, S. 131; für ausführliche Darstellungen zum Verfassungsbegriff und zu den Verfassungsfunktionen vgl. Isensee, in: Β adura/ Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II, § 15, Rn. 166 ff.; Stern, Staatsrecht I, § 3, I I und III, S. 69 ff., S. 78 ff. 52

22

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

geben: Notwendige Kennzeichen einer Verfassung sind eine Differenzierung der verschiedenen Staatsaufgaben und ihre Zuweisung an verschiedene Staatsorgane oder Machtträger, ein planvoller Mechanismus für das Zusammenspiel der Machtträger im Sinne einer Aufteilung und damit Begrenzung ihrer Herrschaftsausübung, ein Mechanismus zur Vermeidung gegenseitiger Blockaden der Machtträger, eine im Voraus festgelegte Methode zur friedlichen Anpassung der Grundordnung an veränderte soziale und politische Verhältnisse (rationale Methode der Verfassungsänderung) sowie die ausdrückliche Anerkennung der Individualrechte und Grundfreiheiten. Davon abgesehen, dass allein schon diese moderne Definition die Unmöglichkeit der Übertragung auf das frühneuzeitliche Reichsgebilde anschaulich vorführt, soll im Folgenden gezeigt werden, dass sich bei einem Vergleich der aufgezählten Merkmale mit der Rechtsordnung der Reiches fast nur Unterschiede und kaum Gemeinsamkeiten55 ergeben, wobei sicherlich ein besonders augenfälliger Unterschied zur modernen Verfassung im Fehlen einer förmlichen Kodifizierung der Verfassungsgrundsätze liegt. 56 Der Begriff der „Verfassung" sollte somit bei der Reflexion der Pufendorfschen Lehre von der Irregularität der Reichsverfassung eher als „Gesamtzustand der politischen Ordnung" 57 aufgefasst werden, sodass eine Analyse unter Zugrundelegung des modernen Verfassungsbegriffs nicht in Betracht kommen kann. Doch auch bei einer Ablehnung moderner Maßstäbe beruht die Schwierigkeit einer systematischen Darstellung der Verfassungsrechtslage des Reiches vor allem darauf, dass es keine anerkannte Rechtsquellenlehre mit Normenhierarchie und Präferenzregeln gab, welche die „Rechtsschichten" vieler Jahrhunderte hätte aufeinander abstimmen können. 58 Was in der (rechts-)historischen Forschung allgemein als „Reichsverfassung" (im Unterschied zur zeitgenössischen Wortbedeutung der „Reichsverfassung" als „ReichskriegsVerfassung" im 17. und 18. Jahrhundert 59) bezeichnet wird, war ein „amorphes Konglomerat" 60 von Gesetzen, angefangen mit der Goldenen Bulle von 1356, die als endgültige Regelung der Königswahl entscheidend zur Organisierung der Reichsgewalt beitrug 61 , Verträgen (z.B. den Westfälischen Friedensschlüssen), Gesetzen, Privilegien, Ordnungen und ungeschriebenem

55

Vgl. dazu die Analyse bei Roeck, Reichssystem, S. 3. Roeck, Reichssystem, S. 2 57 Roeck, Reichssystem, S. 10. 58 Feine, Zur Verfassungsentwicklung des Heiligen Römischen Reiches, in: ders., Territorium und Gericht, S. 245; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 94. 59 Roeck, Reichssystem, S. 6. 56

60

Roeck, Reichssystem , S. 2.

61

Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 251.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

23

Reichsrecht, das am besten mit den Begriffen „Herkommen", „Observanz" oder „Gewohnheit" 62 umschrieben werden kann. Eine hervorgehobene Stellung im System des Reichsrechts als Gesamtordnung des staatlichen Lebens nahmen die Reichsgrundgesetze (leges fundamentales) ein. Bei formaler Betrachtung entsprechen sie am ehesten einem Verfassungsbegriff, der eine Reihe von bestimmt gearteten Gesetzen meint, „welche die Grundlage des Staates festlegen" 63. Moser bestimmt die leges fundamentales, die wohl nach einer Übersetzung des französischen loi fondamentale benannt worden sind 64 , als „diejenigen Verträge und Gesetze, welche bishero zwischen des Reichs-Oberhaupt und deßen gesamten ohnmittelbaren Ständen, oder deren Repraesentanten, auf Reichs- oder Wahl-Tägen, verglichen, errichtet und zu Papier gebracht worden seynd, und etwas, die heutige Staats-Verfassung des Teutschen Reiches betreffendes, für beständig feste setzen .

Etwas enger definiert Häberlin den Begriff der Grund- oder Fundamentalgesetze als „diejenigen Gesetze, welche vertragsweise zwischen den Regenten und der Nation oder deren Repräsentanten über die Verfassung des Staats selbst, oder dessen Regierungsform errichtet werden"

und grenzt diese von bloßen Reichsgesetzen ab. 66 Die leges fundamentales besaßen einen eindeutigen und ausschließlich rechtlichen Gehalt bezüglich des von dem Monarchen und den Ständen bestimmten Staatswesens und konnten rechtliche Regelungsformen auf Reichs-, Territorial- und Kreisebene abdecken (Wahlkapitulationen, Reichsabschiede, Landesordnungen, Kreisabschiede und Privilegien). 67 Im Hinblick auf ihre Dauerhaftigkeit und Bestandskraft besaßen sie einen höheren Rang als andere Rechtsquellen, was eine Parallele zum modernen Verständnis, das die Verfassung als einen den anderen Rechtsnormen übergeordneten Rechtssatz ansieht, ermöglicht. 68 Die dogmatische Kernfrage war dabei ihre Β indungsWirkung gegenüber dem Souverän, denn die leges fundamentales unterwarfen im Gegensatz zu den leges civiles auch den Herrscher

62

Stern, Staatsrecht V, S. 61 ff. Roeck, Reichssystem, S. 2; vgl. dazu auch Krause, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 23 f. 64 Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 9; Krause, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 23. 65 Moser, Teutsches Staatsrecht I, 4. Kap., § 1, S. 46; vgl. zur weiteren Diskussion Roeck, Reichssystem, S. 19 ff. 66 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 172; vgl. dazu auch Kremer, Der Westfälische Friede, S. 43; Link, JZ 1998, S. 1 (6); Mohnhaupt, in: Mohnhaupt/Grimm, Verfassung, S. 63; Schweden JuS 1995, S. 959 (961). 67 Mohnhaupt, in: Mohnhaupt/Grimm, Verfassung, S. 63. 68 Mohnhaupt, in: Mohnhaupt/Grimm, Verfassung, S. 63. 63

24

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

einer ihm übergeordneten Norm. 69 Zu den wichtigsten positi vierten fundamentalen Rechtsregeln des Reiches gehörten die Goldene Bulle von 1356 als erstes Grundgesetz des Reiches 70 , der Ewige Landfrieden und die Reichskammergerichtsordnung von 1495, der Augsburger Religionsfrieden und die Exekutionsordnung von 1555 sowie der Westfälische Frieden von 1648, die zusammen mit den kaiserlichen Wahlkapitulationen (förmliche Zusagen anlässlich einer Königswahl zwischen den Kurfürsten und dem zu Wählenden 71 ) und der Reichshofratsordnung von 1654 den Kern dessen ausmachen, was als Reichsstaatsrecht bezeichnet werden kann. 72 Das letzte Reichsgrundgesetz bildete der Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation (Reichsdeputationshauptschluss) von 1803, der vor allem die territoriale Struktur des Reiches grundlegend änderte. Alle zentralen Institutionen des Reiches waren, wenn auch mit graduellen Unterschieden, auf ein reichsgrundgesetzliches Fundament gestellt, womit eine chronologische Erfassung und schriftliche Niederlegung der wichtigen Bereiche der Reichs Verfassung erfolgte. Der komplexe Charakter des Reichsverfassungsrechts äußert sich auch darin, dass erst im Jahre 1722 eine erste umfassende Sammlung der Reichsgrundgesetze von Johann Jacob Schmauß unter dem Titel „Corpus iuris publici Germanici academicum" herausgebracht und damit ein unbearbeitetes Feld in der deutschen Reichspublizistik erschlossen wurde 73 , denn bisher hatte sich noch niemand die Mühe gemacht, die vielen verschiedenen Gesetzestexte in einem Werk zu sammeln. Im Ergebnis kann die Reichverfassung zwar nicht wie eine Verfassung im modernen Sinne behandelt werden. Nichtsdestotrotz soll aber hier - wie in der heutigen Forschung üblich - weiter in den Termini Reichsverfassung und Reichsverfassungsrecht gesprochen werden, worunter als konkrete Rechtsmaterie eine Ansammlung von Reichsgrundgesetzen, Wahlkapitulationen und Gewohnheitsrecht zu fassen ist.

I I . Die Weiterentwicklung des Reichsverfassungsrechts durch den Westfälischen Frieden von 1648 Schon die Vorgänge der Reformation hatten seit 1521 die mittelalterliche, auf Einheit von Glaube und Recht gegründete politische Ordnung des Reiches 69 70 71 72

Mohnhaupt, in: Mohnhaupt/Grimm, Verfassung, S. 63. Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 251. Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 30. Vgl. zu den Reichsgrundgesetzen auch Mohnhaupt, in: Mohnhaupt/Grimm, Ver-

fassung, S. 64 ff.; Schweden JuS 1995, S. 959 (961). 73

Vgl. dazu Friedrich,

Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 78.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

25

und seine Verfassung zutiefst erschüttert. Die Stellung des Kaisers als weltlicher Garant für die Einheit der Christenheit und die Einheit von geistlicher und weltlicher Bestimmung des Reiches wurden nämlich durch die Glaubensspaltung in Frage gestellt. 74 Hier stellte der Augsburger Religionsfriede von 1555 einen ersten provisorischen 75 Ansatz dar, die konfessionellen Brüche zu kitten und damit auch die aus den Fugen geratene rechtliche Ordnung des Reiches wiederherzustellen. 76 Wegen der teilweise doppeldeutigen Vertragsbestimmungen und der glaubensgeleiteten unterschiedlichen Interpretation der Normen 77 konnte jedoch die Krise der Reichsverfassung nicht abgewendet werden, da beide Konfessionsparteien rigoros versuchten, ihren Standpunkt durchzusetzen. Diese den Ruin des Reiches78 in Kauf nehmende konfessionelle Auseinandersetzung spitzte sich dermaßen zu, dass schließlich seit 1618 die ursprünglich juristische Auseinandersetzung mit militärischen Mitteln fortgesetzt wurde. 79 Eine Verfassungskrise, deren Ursachen unter anderem in der konfessionellen Spaltung Deutschlands lagen, war also der Auslöser des verheerenden Dreißigjährigen Krieges 80 , an dessen Ende ein Friedensschluss stand, der den (wiederum provisorischen 81) Versuch unternehmen sollte, Deutschland aus dem „rechtlichen Chaos, in das die Verfassungsordnung des Reiches durch die Reformation gestürzt worden war" 8 2 , zu befreien. Der Westfälische Friede wurde am 24. Oktober 1648 unterzeichnet und stellte sich in mehrfacher Hinsicht als historischer Einschnitt 83 sowohl für die europäische Staatenordnung als auch für die verfassungsrechtliche Ordnung des Reiches dar; rückblickend sollte mit ihm das konfessionelle Zeitalter überwunden und der Beginn der Neuzeit eingeläutet werden. 84 Das Vertragswerk erfüllte drei maßgebliche Funktionen, die parallel mit den bereits aufgezeigten Konfliktlinien des Dreißigjährigen Krieges liefen: Der Westfälische Frieden war zunächst ein völkerrechtlicher Vertrag zur Befriedung der verfeindeten europäischen Mächte. Außerdem stellte er sowohl eine Einigung zwischen den Religi-

74

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 9. Vgl. §§ 9, 15, 20, 25 des Augsburger Reichsabschieds von 25. September 1555. 76 Vgl. dazu Kremer, Der Westfälische Friede, S. 9 ff. 77 Hechel, ZRG (Kan. Abt.) 76 (1959), S. 141 (167); Kremer, Der Westfälische Friede, S. 13. 78 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 14. 79 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 14. 80 Hechel, Deutschland im konfessionellen Zeitalter, S. 67 ff. 81 Vgl. dazu Art. V §§ 14, 25, 29 IPO sowie Kremer, Der Westfälische Friede, S. 9. 82 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 8. 83 G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 45; Stern, Staatsrecht V, § 124 III 4, S. 49. 84 Link, JZ 1998, S. 1 (6). 75

26

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

onsparteien zur Ausräumung der konfessionellen Konflikte 85 als auch einen Verfassungsvertrag zwischen Kaiser und Reichsständen dar. 86 Auf europäischer Ebene wurde durch den Westfälischen Frieden die traditionelle Anschauung von der christlichen Universalmonarchie als Friedensinstrument endgültig überwunden und durch die Idee des Gleichgewichts der neuen säkularen Mächte Europas abgelöst.87 Der Charakter des Friedenswerkes als politisch-säkularer Friedensschluss 88 wird besonders deutlich, wenn man die Reaktion der friedenschließenden Mächte auf die Protestbulle Papst Innozenz X., welche die in der Friedensregelung erfolgenden Eingriffe der weltlichen Mächte in die geistliche Gewalt verwarf, betrachtet. 89 Die Vertragsparteien hatten vorsorglich eine Klausel in Art. X V I I § 3 IPO 9 0 aufgenommen, die einen eventuell eingelegten päpstlichen Protest für unwirksam erklärte, und auch in der Reichspublizistik schälte sich im Laufe der historischen Entwicklung eine weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der vollen Rechtmäßigkeit des Westfälischen Friedens 91 und eine Abqualifizierung der Protestbulle als „Unfug des Pabsts" [sic!,7.//.] 9 2 heraus. Das sich aus dem Friedensvertrag von Münster (IPM 9 3 ) und dem von Osnabrück (IPO) zusammensetzende Friedenswerk stellte als das letzte bedeutende Reichsfundamentalgesetz vor dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 die Reichsverfassung auf eine neue rechtliche Grundlage. Jedoch bewirkte es aufgrund der Schonung der bisherigen Traditionen keine Behebung der Schwächen der Reichsverfassung, sondern verfestigte lediglich bestimmte, bereits vor 1648 bestehende Verfassungszustände. 94 Wie andere leges fundamentales sollte der Westfälische Friede dem nächsten Reichsabschied einverleibt werden (Art. X V I I § 2 Abs. 1 IPO). Damit war dem fünf Jahre später in Regensburg zusammentretenden Reichstag aufgetragen, die Verfassungsaufträge von 1648 auf-

85

Vgl. dazu Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 226 f.

86

Heckel, JuS 1988, S. 336 (337); Link, JZ 1998, S. 1 (6).

87

Heckel, JuS 1988, S. 336 (338).

88

Link, JZ 1998, S. 1 (7).

89

Vgl. dazu Kremer, Der Westfälische Friede, S. 18 ff. 90 Instrumentum Pacis Osnabrugense (Vertrag zwischen dem Reich und Schweden mit dem Schwerpunkt auf den deutschen Reichsverfassungs- und Religionsfragen). 91 Vgl. dazu Kremen Der Westfälische Friede, S. 24 ff., S. 34. 92 Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung überhaupt, S. 400. 93 Instrumentum Pacis Monasteriense (Vertrag zwischen dem Reich und Frankreich mit Schwergewicht auf internationalen Fragen). 94 Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 65; Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 9; Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rn. 285; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 225.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

27

zugreifen und umzusetzen95, was dann mit den konsensfähigen Punkten durch den Jüngsten Reichsabschied von 1654 (§§ 4-6) geschah.96 Das Vertragswerk von 1648 enthielt auf der einen Seite zwar einige entscheidende verfassungsrechtliche Neuerungen, indem ein allgemeines Friedensgebot (Art. I I P O ) und der Stand der konfessionellen Problematik festgeschrieben (Art. V IPO), eine allgemeine Amnestie gewährt (Art. I I IPO) und die territorialen Veränderungen sanktioniert (Art. I I I und IV IPO) wurden. 97 Auf der anderen Seite war der Westfälische Friede aber keine neue Ordnung im Sinne einer Wendemarke, sondern es wurden lediglich Erfahrungen und Entwicklungen der vorangegangenen Jahrhunderte festgeschrieben 98, was allerdings den Fortbestand des Reiches unter dem „Siegel des status quo" garantierte. 99 Zu den entscheidenden Vorschriften gehörte Art. V I I I IPO 1 0 0 , der wesentliche Bestimmungen über die Verfassungsstruktur des Reichs festlegte. Eine besonders hervorstechende und bedeutende Festschreibung war sicherlich die bereits in der Reichspublizistik begründete Territorialhoheit (.lus territorii et superioritatis), mit der die Reichsstände ein nur durch Rücksicht auf Kaiser und Reich, den Landfrieden und das Lehnsband beschränktes Bündnis- und Kriegsführungsrecht nach außen erhielten (Art. VIII, §§ 1, 2 IPO). Ein weiterer Machtzuwachs der Reichsstände gegenüber dem Kaiser ergab sich daraus, dass zentrale Majestätsrechte (Gesetzgebung, Erklärung von Krieg und Frieden, Bündnisrecht, Festungsbau, Oberste Gerichtsbarkeit) unwiderruflich an die Zustimmung des Reichstages gebunden wurden (Komitalrechte), was die kaiserlichen Reservatrechte empfindlich reduzierte. Auf diese Festschreibung einer vorangegangenen Entwicklung wird im Folgenden noch näher einzugehen sein. Der Umgang mit dem durch die Friedensverträge festgeschriebenen Reichsverfassungsrecht wurde zum einen durch eine gewisse Starrheit und Unveränderlichkeit der Friedensverträge aufgrund ihres Doppelcharakters als innerstaatliches Gesetz und völkerrechtlicher Vertrag 101 erschwert. Eine elastische Verfassungsanpassung in der durch den Westfälischen Frieden begründeten Ord-

95

Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 170. Sog. Jüngster Reichsabschied (Recessus Imperii novissimus) vom 17. Mai 1654, abgedruckt bei Buschmann, Kaiser und Reich, Nr. 14, S. 454 ff. sowie bei Walder, Der Jüngste Reichsabschied. 97 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 225. 98 G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 51. 99 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 225. 100 Art. VIII IPO entsprechen die §§ 62-65 IPM, vgl. Schmauß, Corpus Iuris Publici, S. 776 f., S. 825 f. 101 Kremen Der Westfälische Friede, S. 5. 96

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§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

nung des Heiligen Römischen Reiches war somit kaum möglich 102 . Zum anderen stellten die teilweise mehrdeutigen Vorschriften der Friedensverträge ein weiteres problematisches Charakteristikum dar, denn aufgrund der vielfältigen Kompromissfronten (Reich - Ausland, Kaiser - Stände, Große Stände - Kleine Stände, Katholiken - Protestanten) konnte kein widerspruchsfreies Gesetzeswerk geschaffen werden 103 . Aber das „Dissimulieren" (Martin Heckel) 104 der Vorschriften, also ein Verbergen von Konflikten hinter mehrdeutigen und verschiedenen Interpretationen zugänglichen Gesetzesformulierungen, war wie schon bei den Regelungen des Augsburger Religionsfriedens geradezu beabsichtigt, da diese Technik oft der einzige Weg zu einer nach außen hin vertretbaren Lösung in vorläufig scheinbar unlösbaren Gegensätzen zwischen den konfessionellen Parteien war. 1 0 5 Im zusammenfassenden Urteil der neueren historischen Forschung ist der Westfälische Friede nicht als Besiegelung des politischen Niedergangs des Reiches zu sehen, wie dies in der nationalstaatlich orientierten Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts gesehen wurde, sondern als Instrument der Überwindung der Gegensätze und Krisen des Konfessionellen Zeitalters. Dabei kann die Konzeption einer Gestaltung der religiös-politischen Ordnung nach der Maßgabe dauerhafter friedlicher Koexistenz als neuartig gesehen und ihr Modellcharakter zugesprochen werden. 106 Mit dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 zum Reichsfundamentalgesetz erhoben, bildete der Westfälische Frieden den Abschluss des „neuzeitlichen Verrechtlichungsprozesses" der Reichsverfassung, deren statischer Charakter bisher kaum von europäischen Modernisierungsprozessen berührt worden war. 1 0 7 Neben seiner Eigenschaft als europäische Friedensordnung erfüllte der Westfälische Frieden die wichtige Funktion einer „Klammer der Reichseinheit" 108 . Das Friedenswerk führte zu einer Reorganisation des an sich nicht mehr erneuerungsfähigen Reiches als „Friedens- und Rechtsschutzverband" 109, auch wenn es aufgrund der Tatsache, dass das Jahr 1648 „kein Jahr Null" (von Aretin) 1 1 0 war, keine neue verfassungsmäßige Organisation für Deutschland mit sich brachte, sondern lediglich die alte, hergebrachte Ordnung wiederherstellte und verbesserte, indem es eine Überbrückung

102

Kremer,

Der Westfälische Friede, S. 5; Stolleis, Geschichte des öffentlichen

Rechts I, S. 227. 103 104 105

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 3. Heckel, ZRG (Kan. Abt.) 76 (1959), S. 141 (185). Kremer, Der Westfälische Friede, S. 3.

106

Friedrich,

107

Schweden JuS 1995, S. 959 (961). Schweden JuS 1995, S. 959 (961).

108 109

110

Friedrich,

Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 66.

Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 67.

von Aretin, Das Alte Reich I, S. 361.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

29

der widerstreitenden Interessen durch Gleichbehandlungs- und Besitzstandswahrungsregeln ermöglichte, wie ζ. B. in konfessionellen Fragen durch die Institute der Parität (aequalitas exacta mutuaque) 111 sowie des Verbots von Mehrheitsentscheidungen in Religionssachen (amicabilis compositio) 111. Mit dem Westfälischen Frieden als integrierendem Faktor der Reichsverfassung wurde somit endgültig die Säkularisierung des Reichsverfassungssystems eingeleitet, die einen „pragmatisch-historischen Reichsrechtspositivismus" 113 mit sich brachte. Das Friedenswerk blieb - abgesehen von der Einverleibung in die jeweiligen Wahlkapitulationen - bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches in Geltung. Sogar noch in dem letzten, allerdings in seiner Geltung umstrittenen Reichsgrundgesetz, nämlich dem Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, wurde der Westfälische Frieden sowohl von reichsständischer als auch von kaiserlicher Seite neben anderen Friedensschlüssen und Reichsgrundgesetzen ausdrücklich in seiner Gültigkeit bestätigt. 114 Ebenfalls wurde in sämtlichen Friedensschlüssen nach 1648 auf den Westfälischen Frieden als Grundlage Bezug genommen. 115 Selbst die Erklärung Kaiser Franz II. vom 6. August 1806, mit der dieser die Kaiserkrone niederlegte, erfolgte unter anderem mit der Begründung, dass er sich nicht im Stande sehe, die von der kaiserlichen Wahlkapitulation aufgegebenen Pflichten zu erfüllen, wozu auch die Bewahrung und Erfüllung der Vorschriften des Westfälischen Friedens zählten. 116

I I I . Die Verfassungsorganisation des Reiches seit 1648 In seiner Reichsverfassungsschrift setzt sich Pufendorf dezidiert mit der ,Verfassungsfrage" des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation 1 1 7 ausein111

Art. V , § 1IPO. Art. V, §52 IPO. 113 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 68. 114 Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25. Februar 1803, abgedruckt bei Buschmann, Kaiser und Reich, Nr. 16, S. 691 ff. sowie bei Huber, Dokumente I, Nr.l, S. 1 ff.; Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 52. 115 Vgl. dazu Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 53 ff. 116 Erklärung Kaiser Franz II. über die Niederlegung der deutschen Kaiserkrone vom 6. August 1806, abgedruckt bei Buschmann, Kaiser und Reich, Nr. 18, S. 653 ff. sowie bei Huber, Dokumente I, Nr. 5, S. 37 ff.; vgl. dazu auch Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 53. 117 Das römisch-deutsche Kaiserreich hatte sich in einem mit dem Reichsteilungsvertrag von Verdun 843 begonnenen Prozess bis zur Jahrtausendwende aus dem ostfränkischen Reich herausgebildet und umfasste in seiner größten territorialen Ausdehnung unter den Stauferkaisern weite Teile Mitteleuropas sowie Italien bis zur Höhe Roms; zeitweilig gehörte auch das Königreich Sizilien zu seinem Machtbereich. Aufgrund dieser geographischen, politischen und kulturellen Bezüge zur Stadt Rom und zu Italien sowie aufgrund der Lehre von der translatio imperii des antiken Römischen Weltreichs auf die 112

30

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

ander, sodass eine vertiefte Auseinandersetzung mit seiner Reichstheorie einen Überblick über wesentliche Aspekte des Reichsstaatsrechts nach 1648 erfordert. Die Verfassungslage des Reiches muss dabei stets von der seiner Territorien unterschieden werden. In den homogeneren Territorialstaaten arbeiteten Landesherr und Landstände teilweise miteinander, teilweise aber auch gegeneinander am Ausbau moderner „Staatlichkeit" und suchten juristische Möglichkeiten für eine vermittelnde Lösung zwischen Ständestaat und Absolutismus. 118 Die Verfassungslage des Reiches nach 1648 wurde dahingegen von der konfessionellen Spaltung, der Funktionsfähigkeit der Reichsorgane und von außenpolitischen Verwerfungen dominiert. Dabei stellte sich beispielsweise die Frage nach der Reichweite der rechtlichen Mittel des katholischen Kaisers gegen die protestantischen Reichsstände, nach einer möglichen Aufteilung der Souveränitätsrechte zwischen Kaiser und Reichsständen, nach einer Bindung des Kaisers an die leges fundamentales, nach der Reichweite der Beteiligung der Territorialfürsten an den Reichsorganen und nach den rechtlichen Bindungen der Reichsstände gegenüber dem Reich. 119 Aufgrund dieser komplizierten realen verfassungsrechtlichen Verhältnisse gestaltete und gestaltet sich die Beschreibung des verfassungsrechtlichen Status und des politischen Charakters des Reiches nach wie vor als schwierig. Trotzdem lassen sich aus der Beschreibung von Aufbau, Zusammensetzung und Kompetenzen der Reichsorgane und Reichsinstitutionen Rückschlüsse auf die Verfassungswirklichkeit des Reiches nach den Neuerungen des Westfälischen Friedens ziehen. Bei der Betrachtung der frühneuzeitlichen Verfassungsorganisation des Reiches und einer Nachzeichnung der Entwicklungslinien des Reichs Verfassungsrechts von 1648 bis 1806 sind die Fragen, durch welche wesentlichen Strukturprinzipien sie bestimmt wurde (Parallele zu den heutigen Staatsstrukturprinzipien), wer ihre wesentlichen Akteure waren (Parallele zu den heutigen Verfassungsorganen) und in welchem Kräfteverhältnis diese Akteure zueinander standen, von entscheidender Bedeutung.

Deutschen hieß das Reich ab etwa 1040 „Imperium Romanum". Mit Friedrich I. (Barbarossa) kam 1157 noch das Attribut „Heilig" hinzu, das auf die christlichen Wurzeln des Reichs hindeutete, dessen Kaiser seit den Fränkischen Kaisern im 10. Jahrhundert vom Papst gekrönt wurden, worauf allerdings seit Ende des 15. Jahrhunderts verzichtet wurde. Der Genitivzusatz „Deutscher Nation" wurde erstmals von Kaiser Friedrich III. auf dem Reichstag zu Frankfurt 1442 verwendet, wobei umstritten ist, ob durch das Attribut die deutschen Reichsgebiete von Italien und Burgund abgehoben werden sollten, oder ob es darum ging zu unterstreichen, dass die Deutschen Hauptträger dieses Reiches waren (vgl. dazu auch Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (606 f.) m. w. N.; Bussi , Der Staat 16 (1977), S. 521 (527); Hattenhauer, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich,

S. 125 ff.; Thieme, JuS 1981, S. 549 ff.). 1,8

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 171; vgl. zur Verfassung und Verwaltung der Territorialstaaten und Reichsstädte z.B. Eisenhardt, Deutsche Rechtsge-

schichte, Rn. 220 ff.; Frotscher/Pieroth,

Verfassungsgeschichte, Rn. 103 ff.; Zippelius,

Verfassungsgeschichte, S. 56 ff. 119 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 171.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

1. Reichsorgane, Reichsinstitutionen

31

und Reichsgesetzgebung

Wesentliche Strukturprinzipien der Reichsverfassung waren die Verankerung eines Wahlkaisertums, das seit 1438 von Vertretern des österreichischen Hauses Habsburg dominiert wurde und ein starkes ständisches Element, das sich im Wege einer zunehmenden Fürstenopposition gegen den Kaiser in Gestalt der Reichsstände entwickelt hatte. Nach den Reichsreformbemühungen am Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert und den wichtigen Festschreibungen des Reichsverfassungsrechts in den Westfälischen Friedensverträgen stellte sich die Verfassungsstruktur des Reiches, die bis auf kleinere Modifikationen nach 1648 bis zum Ende des Alten Reichs 1806 nicht mehr prinzipiell in Frage gestellt oder verändert wurde 120 , wie folgt dar: a) Der Kaiser gehörte als Oberhaupt und Repräsentant der Staatlichkeit des Reiches im Verein mit den Reichständen zu den wichtigsten Reichsorganen. 121 Seine Wahl erfolgte nach den Regeln der Goldenen Bulle von 1356 durch die Kurfürsten nach dem Mehrheitsprinzip. Ursprünglich gab es sieben Kurfürsten, zwischenzeitlich nach der Übertragung der Pfälzer Kurwürde auf Bayern im Dreißigjährigen Krieg und der Zulassung einer zusätzlichen Pfälzer Kurwürde im Westfälischen Frieden acht, seit 1692 durch Errichtung einer hannoverschen Kurwürde neun, nach dem Ausfall der Pfälzer und Bayerischen Kur 1778 wieder acht und am Ende des Reiches durch die territoriale Neugliederung zehn Kurfürsten. Die Wahl und seit 1526 auch die Krönung des Kaisers fanden in Frankfurt am Main statt. Regelungen zur Beendigung der kaiserlichen Herrschaft (Abdankung und Absetzung) existierten nicht, allerdings gab es Regelungen zum Reichsvikariat bei Thronerledigung, das dem pfälzischen und dem sächsischen Kurfürsten zustand. 122 Von entscheidender Bedeutung für den Rechtscharakter des Reiches nach 1648 waren die vielfältigen Bindungen, denen die kaiserliche Herrschaftsgewalt unterlag: Der Kaiser war in rechtlicher Hinsicht zunächst an die Reichsfundamentalgesetze und das Reichsherkommen (Gewohnheitsrecht) gebunden. Weiterhin ergab sich die rechtliche Bindung an die Zustimmung der Reichsstände, also an ständische Mitspracherechte. 123 Die Beschränkung der kaiserlichen Rechte geschah zum einen durch die Wahlkapitulationen, derer sich die Stände zum ersten Mal bei der Wahl Karls V. (1519) bedienten und die als Teil des

120

von Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 9.

121

Scheyhing, Verfassungsgeschichte, Kap. 6, Rn. 2, S. 49. Vgl. zur Kaiserwahl: Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 262; Kimminich, Deut-

122

sche Verfassungsgeschichte, S. 123; Willow eit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 11 I.-II., S. 94 ff. 123

Vgl. Willoweit,

Deutsche Verfassungsgeschichte, § 22 Π.3., S. 199 f.; Zippelius,

Verfassungsgeschichte, S. 35.

32

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

Reichsverfassungsrechts vertragliche Zusagen des gewählten Kaisers an die Kurfürsten enthielten, die dieser beschwören musste. Ihre Eigenschaft als Reichsgrundgesetz leitete sich aus der vertragsmäßigen Errichtung zwischen Kaiser und Ständen, ferner aus der verfassungsrechtlichen Materie und der Beständigkeit ihres Geltungszwecks ab. 1 2 4 Die Entwicklung der Wahlkapitulationen verdeutlicht das Ringen um die Macht im Reich unter fortschreitender Einschränkung der kaiserlichen Gewalt zugunsten der reichsständischen Libertät. 125 Diese Freiheit der Reichsstände als einer der tragenden Verfassungsgrundsätze umfasste aus zeitgenössischer Sicht das Verbot einer allumfassenden kaiserlichen Monarchie, das Lebensrecht der drei großen Konfessionen, die Mitsprache in Reichsangelegenheiten und den Schutz der kleinen Herrschaftsträger vor den machtpolitischen Ambitionen der größeren Territorien. 126 Die Vorlage für eine ständige Wahlkapitulation, deren Errichtung durch Art. VIII, § 3 IPO vorgesehen wurde, entstand erst 1711 und diente als Modell für die Abfassung der folgenden Wahlkapitulationen. 127 Dem Kaiser verblieben daher in der neueren Zeit nur einige Rechte, die er ohne Zustimmung der Reichsstände ausüben konnte (Reservatrechte), die aber wegen der damit verbundenen Abgabenerhebung von finanziellem Gewicht waren. Diese Reservatrechte enthielten eine Ansammlung verschiedener Titel aus dem Reichslehnsrecht und den Reichsregalien. Dazu zählten insbesondere das Recht, Standeserhöhungen vorzunehmen und bestimmte Titel zu verleihen, Aufsichts-, Präsentations- und Besetzungsrechte bei Reichskammergericht und Reichshofrat, Überwachung der Wahlen von geistlichen Fürsten sowie verschiedene ungeschriebene Zuständigkeiten kraft Reichsherkommen und politische Vermittlungsmöglichkeiten, die vor allem den schwächeren Ständen im Reich zugute kamen. 128 Für die Ausübung der meisten anderen Rechte, wie beispielsweise das Eingehen von Bündnissen mit anderen Staaten oder die Wiederverleihung bedeutender heimgefallener Reichslehen benötigte der Kaiser die Zustimmung der Kurfürsten bzw. der Reichsstände.129

124

Vgl. zu den Wahlkapitulationen: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 174; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 229; Kleinheyer, Wahlkapitulationen, S. 101 ff.; Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 33. 125 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 229. 126 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 241.2., S. 220 f. 127 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 229. 128 Vgl. zu den Rechten des Kaisers: Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 264; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 176 ff.; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 96; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24IV. 1., S. 226 f. 129 Vgl. dazu Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 176; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 IV.2., S. 227 f.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

33

b) Die Institution Reichstag 130 geht auf die bereits in der fränkischen Zeit übliche kaiserliche Gewohnheit zurück, wichtige Reichsangelegenheiten mit den bedeutendsten weltlichen und geistlichen Fürsten auf Hoftagen zu beraten. Seinen neuzeitlichen Charakter als Repräsentation der Reichsstände nahm der Reichstag nach den auf dem Wormser Reichstag beschlossenen Reichsreformen von 1495 an, wobei sich die Praxis durchgesetzt hatte, in drei Kollegien zu beraten und zu beschließen, nämlich im Kurfürstenrat, im Fürstenrat und im Städterat, wobei im Fürstenrat die Stimmen unterschiedlich gewichtet wurden. Die kleineren Territorialherren führten zusammen eine sog. Kuriatstimme, während den größeren Fürsten eine volle sog. Virilstimme zustand. Außerdem war die Stimmverteilung so geregelt, dass Kurfürstenkollegium und Fürstenkollegium ein deutliches Übergewicht gegenüber dem Städterat besaßen. Innerhalb der Kollegien war eine Stimmenmehrheit zur Beschlussfassung erforderlich, wovon es nur in Religionssachen aus Gründen der Friedenswahrung eine Ausnahme gab: In dieser seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 geübten und im Westfälischen Frieden 1648 in Art. V § 52 IPO festgeschriebenen Praxis teilten sich die Reichsstände in ein Corpus Evangelicorum und ein Corpus Catholicorum (itio in partes), die dann zu einem gütlichen Ausgleich kommen sollten (iamicabilis compositio). Der Reichstag kann schwerlich als „Parlament" im modernen, demokratischen Sinne bezeichnet werden, allerdings wird er vielfach als Repräsentativversammlung der Reichsstände mit Legislativbefugnissen gesehen.131 Zunächst war eine jährliche Einberufung des Reichstags durch den Kaiser vorgesehen. Seit 1663 tagte der Reichstag ständig als Immerwährender Reichstag zu Regensburg, was bewirkte, dass die als Repräsentation der Reichsstände gedachte Reichsversammlung im Laufe der Zeit den Charakter eines Gesandtenkongresses annahm. 132 Die früher in den Wahlkapitulationen festgeschriebenen Zuständigkeiten des Reichstags wurden seit 1648 durch die Generalklausel des Art. V I I I § 2 IPO festgelegt, nach der der Reichstag bei allen Fragen der Gesetzgebung, Gesetzesauslegung, bei Steuererhebungen, beim Eingehen von Bündnissen und bei Entscheidungen über Krieg und Frieden konsultiert werden sollte. Die Reichsgesetze, die meist unter der Bezeichnung „Reichsschluss" (conclusum imperii) firmierten, wurden lange Zeit als Reichsabschied (recessus imperii), später dann als kaiserliches Patent veröffentlicht. Das Gesetzgebungsver130 Vgl. zur Institution „Reichstag": Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 61; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 230 ff.; A. Müller, Der Regensburger Reichstag von 1653/54, S. 256 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 II., S. 227 f.; Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 46 ff. 131 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 182; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 229. 132 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 II.l., S. 222; Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 48.

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§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

fahren selbst wird vielfach als schwerfällig und langwierig beschrieben. 133 Für das Zustandekommen der Reichsgesetze mussten nach Einbringen des kaiserlichen Vorschlags (sog. Proposition) alle drei Reichstagskollegien im Reichsgutachten (consultum imperii) übereinstimmen (vgl. Art. V I I I § § 2 und 4 IPO), woraufhin es dann von der Zustimmung des Kaisers (sanctio) abhing, ob das Gesetz zustande kam. Die Meinungen über die Gesetzgebungsarbeit des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg sind geteilt. Während eine Ansicht dem Gremium vorwirft, kaum einen Beitrag zur Verfassungsentwicklung geleistet zu haben 134 , werden von anderen Kodifikationen wie die Reichs Verteidigungsordnung (1681), Reichshandwerksordnung (1731), Reichsmünzordnung (1737) als „große Gesetzgebungswerke" 135 angesehen. Unabhängig von diesen Bewertungen erfüllte der Reichstag - schon zu Pufendorfs Lebzeiten - als „Forum für diplomatische Verhandlungen" 136 und als „maßgebliche Kontakt- und Kommunikationsstelle" 137 im Reich eine wichtige Funktion. c) Die höchste Reichsgerichtsbarkeit gliederte sich in zwei verschiedene Institutionen, nämlich in Reichshofrat und Reichskammergericht, die bis 1806 eine nicht unerhebliche Rolle im Gefüge des Reichsstaatsrechts gespielt haben und auch von den Ständen als Friedenswahrer respektiert wurden. Der Reichshofrat mit Sitz am kaiserlichen Hof in Wien 1 3 8 war ursprünglich als kaiserliches Hofgericht konzipiert, entwickelte sich aber seit seiner Neuorganisation in der Mitte des 16. Jahrhunderts als oberste kaiserliche Regierungs-, Verwaltungs- und Justizbehörde zu einem wesentlichen Instrument zur Wahrnehmung und Durchsetzung kaiserlicher Rechte. Seine Gerichtsbarkeit bot eine Möglichkeit der Rechtsverteidigung für die Stände, für geistliche und weltliche Korporationen, aber auch für Bürger und Bauern. Unter kaiserlicher Kontrolle, die sich in der Ernennung und bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in der Entlassung der Hofräte durch den Kaiser sowie in einem kaiserlichen Entscheidungsvorbehalt in wichtigen Fragen ausdrückte, arbeitete der Reichshofrat mit einer gewissen Effizienz bei der rechtlichen Schlichtung, Entscheidung und Vollstreckung. Das durch den Wormser Reichstag von 1495 ins Leben gerufene Reichskammergericht sollte die Regelungen des Ewigen Landfriedens ergänzen und 133

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 229. Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 159. 135 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 Π.4., S. 224; ähnlich Press, Kriege und Krisen, S. 382. 136 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 98. 137 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 185. 138 Vgl. zum Reichshofrat: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 189; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 100; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 235; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 IV.3., S. 228 f. 134

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

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zur gerichtsförmigen Austragung von Streitigkeiten beitragen, weshalb seine Einrichtung als „erster wichtiger Schritt zum Ausbau des Rechtsfriedens im Reich" angesehen wird. 1 3 9 Seinen Sitz hatte es auf Betreiben der Stände weit entfernt vom kaiserlichen Hof, nämlich zunächst in Frankfurt, dann seit 1526 in Speyer und seit 1693 in Wetzlar. Am Reichskammergericht konnte von den Gerichten der Landesherrn sowie der Reichsstädte und von anderen kaiserlichen Gerichten Berufung eingelegt werden (2. Teil, Titel X X V I I I der Reichskammergerichtsordnung von 1555 140 ), falls nicht ein Privilegium de non appellando 141 den Rechtszug versperrte. Im Gegensatz zum Reichshofrat hatten die Stände an der Gerichtsbarkeit beispielsweise durch Einfluss auf die Wahl der Richter wesentlichen Anteil. Neben der Zuständigkeit zur Durchsetzung des Landfriedens wurden vor dem Reichskammergericht Verfahren um staatshoheitliche Rechte, wie Steuerhoheit und Regalien, sowie in Religionssachen geführt. Auch wenn die Verfahren wegen zu geringer Besetzung des Gerichts nur schleppend vorangingen, hat das Reichskammergericht als Landfriedens- und Appellationsinstanz erhebliche Dienste für die innere Stabilität des Reiches, vor allem im Interesse der vielen kleineren Stände geleistet, also „auch Angehörigen niederer Volksschichten gegen die territorialherrliche Macht zu ihrem Recht verholfen und manchen Inhaber der Landeshoheit zu unparteiischer und guter Justiz angehalten" 142 . d) Hinsichtlich der Verwaltungsorganisation des Reiches wurde im Zusammenhang mit den gescheiterten Versuchen zur Einrichtung einer Reichsregimentsordnung gegen Ende des 15. Jahrhunderts zumindest eine Einteilung in Reichskreise bewirkt. Die Reichskreise dienten der regionalen Zusammenarbeit vor allem der kleineren Stände und waren das Ergebnis von Bestrebungen, größere Gebietseinheiten zur Friedenssicherung zu schaffen. 143 Sie können als „Zwischenschichten" zwischen Territorial- und Reichs Verwaltung 144 bezeichnet werden, welche die Reichsexekution übernehmen sowie die Reichsverteidigung finanzieren und organisieren sollten. 145 Trotz der Einteilung des Reiches in

139 Becker, NJW 1995, 2077 (2081); vgl. zum Reichskammergericht auch Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 192 ff.; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 238 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 V., S. 229 f.; Zip-

pelius, Verfassungsgeschichte, S. 45 ff. 140

Abgedruckt bei Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 204 ff. Vgl. z.B. Kapitel XI. der Goldenen Bulle von 1356, abgedruckt bei Buschmann, Kaiser und Reich, Nr. 5, S. 105 ff. 142 Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 4. 141

143

Vgl. dazu Frotscher/Pieroth,

Verfassungsgeschichte, Rn. 99; Thieme, JuS 1981,

S. 549 (553); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 15 II.3., S. 138 f. und § 24 III.2., S. 225 f. 144 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 229. 145 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 230.

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§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

Reichskreise ergab sich die Schwierigkeit seiner Regierbarkeit unter anderem daraus, dass die Reichsgewalt keinen eigenen Verwaltungsunterbau besaß und die Exekution ihrer Beschlüsse daher bei den Reichsständen lag, deren Interessen unterschiedlich und wenig am Wohle des Reichsganzen orientiert waren. 146 Diese Abhängigkeit vom Vollzug seiner Befehle durch andere ließ Kaiser und Reich teilweise wie einen „Überbau", dem die „Basis" fehlte 147 , wirken und die herrscherliche Handlungsfähigkeit im Sinne der Staatsräson des Reiches zum Spielball politischer Zufälle werden. 148 Auch im Bereich des Reichskriegswesens offenbarte sich die Abhängigkeit der Reichsgewalt von den Territorialherren. Eine Reichsarmee wurde nur im Kriegsfalle aufgestellt und bestand aus Kontingenten, die von den einzelnen Reichsständen aufzubringen waren, sodass die Zentralgewalt selbst mangels eines stehenden Reichsheeres in ihren militärischen Möglichkeiten eingeschränkt 149

war. Noch deutlicher wird die Schwäche der zentralen Reichsgewalt in der Frage der Reichsfinanzen. Es gab ebenso wenig eine eigene zentrale Finanzverwaltung des Reiches wie allgemeine und regelhafte Reichssteuern. Versuche zur Einführung einer ordentlichen Reichssteuer („Gemeiner Pfennig") scheiterten. Der kaiserliche Hof musste aus den Erträgen des Reichsguts, aus kaiserlichem Privatvermögen, aus Einkünften aus Kriegsbeute, Lehnstaxen, Tributen und Bußen unterhalten werden. Die Unterhaltung des Reichsstaatswesens war finanziell von der Bewilligung der Fürsten und Städte sowie von Abgaben für besondere Zwecke („Türkenbeihilfe", „Kammerzieler") angewiesen.150

2. Das Verhältnis zwischen Reich und Territorien Die verfassungsrechtliche Entwicklung des Reiches und seiner Verfassung wurde schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts in hohem Maße von dem Miteinander und Gegeneinander von Reich und Territorialstaaten bestimmt. 151 Die „Emanzipation" der Territorien aus der Reichsgewalt (Zippelius) 152 war das Ergebnis einer jahrhundertealten Verfassungsgewohnheit, die Lehen der kronun-

146

Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 257; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 356. 147 Thieme, JuS 1981, S. 549 (554). 148 Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). 149 Vgl. dazu Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 51. 150 Vgl. zu den Reichsfinanzen Thieme, JuS 1981, S. 549 (556); Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 52 f. 151 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 162. 152 Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 56.

C. Die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung um 1667

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mittelbaren Vasallen zu erneuern. Diese Form des Lehnswesens führte zum festen Verbleib der Territorialherrschaft in einer Dynastie und gab der Amtsgewalt der Fürsten einen territorialen Bezug. Die Landesherrschaft festigte sich im Laufe der Jahrhunderte unter den Schwächen des Königtums nach dem Tode Heinrichs VI. und während des italienischen und sizilianischen Engagements Friedrichs II. Der weitere Ausbau der Territorialherrschaft erfolgte durch die Regelungen der Goldenen Bulle von 1356, die bereits zuvor erworbene wichtige Rechte der Kurfürsten, wie das Bergrecht (Kapitel IX), Münzrecht (Kapitel X), Zollrecht und die Gerichtsprivilegien de non evocando et de non appellando (Kapitel XI) endgültig festschrieb, mit der Folge, dass nun auch andere Landesherren nach der den Kurfürsten gewährten Unabhängigkeit strebten. Die Verknüpfung von Grundbesitz und Herrschaftsrechten sowie die fürstliche Jurisdiktionsgewalt gehörten somit zur Definition der Territorialgewalt. 153 Die sich im 16. Jahrhundert auftuende konfessionelle Spaltung Deutschlands forcierte abermals die bereits durch die Umwandlung des Lehnswesens begünstigten partikularen Entwicklungen. Jedoch bildete bei vielen Fürsten die Wahrung der ständischen Libertät auf Kosten der kaiserlichen Herrschaftsansprüche meist ein den konfessionellen Streitpunkten übergeordnetes Interesse. 154 Hinsichtlich der föderalen Elemente auf Reichsebene war die Repräsentation der Reichsstände im Reichstag von zentraler Bedeutung. Doch ging diese aufgrund der Tatsache, dass die ständischen Vertreter im Reichstag über Territorien herrschten, die selbst staatlich organisiert waren, eher zu Lasten der Reichsinteressen. 155 Weiterhin existierte keine klare Zuständigkeitsverteilung zwischen Reich und Territorien. Selbst eine so zentrale Problematik wie die nach dem Vorrang von reichsrechtlichen vor landesrechtlichen Regelungen blieb bis zum Ende des Reiches 1806 ungeklärt 156 , sodass von einer ausbalancierten Aufteilung der Herrschaftsrechte zwischen dem Reich und den Territorien nicht gesprochen werden kann. Die Regelungen des Westfälischen Friedens zur verfassungsmäßigen Stellung der Stände in Art. V I I I IPO bewirkten eine weitere Stärkung der Macht der Territorialfürsten und der freien Städte auf Kosten der kaiserlichen und der Reichsgewalt. Zum einen wurde das Mitspracherecht der Territorialfürsten in Reichsangelegenheiten durch die Regelung in Art. VIII, § 2 Abs. 1 IPO erheblich ausgeweitet, indem den Reichsständen bei allen Beratungen über Reichsgeschäfte ein uneingeschränktes Stimmrecht eingeräumt wurde. Art. V I I I § 1 IPO bestätigte außerdem die volle Territorialhoheit (lus territoriale) der Reichsstände gegenüber dem Reich sowohl in weltlichen als auch in geistlichen Angele153 154 155 156

Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 164. Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 57. Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 265. Lm£, JZ 1998, S. 1 (8).

§ 1 Einführung: Biographie, Werkgeschichte, Reichsrecht

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genheiten 157 , was eine erweiterte Festschreibung der reichsständischen Libertät und Stärkung des ständischen Elements der Reichs Verfassung bedeutete.158 Eine weitere entscheidende Regelung des Westfälischen Friedens für die Reichsverfassung und das Verhältnis zwischen Reich und Territorialstaaten garantierte in Art. V I I I § 1 IPO den Reichsständen das Recht, selbstständig Bündnisse sowohl untereinander als auch mit auswärtigen Mächten zu schließen (lus foederis). Das Bündnisrecht unterlag keiner Anzeigepflicht und keinem kaiserlichen oder reichstäglichen Genehmigungsvorbehalt und war auch nicht auf Waffenbündnisse beschränkt. 159 Jedoch standen die Bündnisse unter dem vom Kaiser bei den Friedensverhandlungen durchgesetzten Vorbehalt, dass sie sich weder gegen Kaiser und Reich noch gegen den Reichslandfrieden oder die Westfälischen Friedens Verträge selbst richten durften. 160 Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die größeren Territorien seit dem Hochmittelalter zusätzlich noch unter den begünstigenden Regelungen des Westfälischen Friedens zu eigenständigen Einheiten entwickeln konnten. Die Territorien machten einen Modernisierungsschub, den das Reich nur rudimentär mit vollzog. Denn meist wurden nur auf landesherrschaftlicher Ebene im Zuge der Durchsetzung einer frühneuzeitlichen Herrschaftsorganisation eigene Justizapparate und Verwaltungen, Rechtsordnungen und Beamtenschaften aufgebaut, sowie ein landesherrliches Kirchenregiment, Finanz- und Militärverwaltungen und eine funktionierende Diplomatie im Laufe des 17. Jahrhunderts instailiert. 1 6 1

157 158

Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 30. von Aretin, Das Alte Reich I, S. 158 ff.; Link, JZ 1998, S. 1 (7).

159

Böckenförde,

160

Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (473 f.).

161

Der Staat 8 (1969), S. 449 (471).

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 170; vgl. zum Umfang der Landeshoheit auch Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 138 ff.

§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung - Eine quellenexegetische Analyse Sein Aufsehen erregendes Diktum aus „Severinus de Monzambano Veronensis. De statu Imperii Germanici ad Laelium Fratrem" von 1667 „ ...quam ut dicamus, Germaniam esse irreguläre aliquod corpus et monstro simile ..." (.··) „Quam monstrosum igitur vel hoc solum, quod caput adversus membra velut in partes descendent!" ,

mit dem Pufendorf die Verfassung des deutschen Reiches als monströses Gebilde bezeichnet, findet sich an zwei Stellen seiner Reichsverfassungsschrift, nämlich im sechsten Kapitel in § 9 sowie im siebten Kapitel in § 8. Bevor daher eine Auslegung und Zusammenfassung dieser beiden hinsichtlich des Rechtscharakters des Reiches entscheidenden Textstellen erfolgt, soll zunächst kurz ihre Einbindung in den größeren Textzusammenhang der Reichsverfassungsschrift verdeutlicht werden.

A. Die Monstrositätsthese im Gesamtkontext der Reichsverfassungsschrift Pufendorf hat seine Reichsverfassungsschrift als Gesamtüberblick über den verfassungsrechtlichen Zustand des Reiches konzipiert, wobei die Beschreibung der Verfassungsrechtslage meist nur als Vehikel zu einer umfassenden Kritik der Reichsverfassung benutzt wird. Diese Kritik lässt Pufendorf gleich zu Beginn seiner Abhandlung im Widmungsbrief seinen reisenden italienischen Kavalier Severinus de Monzambano bei einem Besuch Regensburgs, des Tagungsortes des Reichstages, in komprimierter Form äußern: „Hier konnte ich leicht mit einem Blick das Wesen der deutschen Verhältnisse erfassen und feststellen, welch loses Band das Reich zusammenhält."1

Während sich Pufendorf im ersten der in acht Kapitel unterteilten Schrift der rechtsgeschichtlichen Aufarbeitung der Anfänge des deutschen Reiches widmet, wobei er sich vor allem auf die Forschungen Comings stützt2, beschreibt er im zweiten Kapitel die ständische Gliederung des Reiches. Das dritte und vierte 1

Pufendorf\ Widmungsbrief an Laelius von Monzambano, S. 7. Franklin, Das deutsche Reich nach Severinus von Monzambano, S. 6; Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 190; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 82. 2

40

§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung

Kapitel sind den möglichen Trägern von Herrschaftsmacht im Reich gewidmet, nämlich den Reichsständen, ihrer Entstehung und Machtentwicklung sowie dem Kaiser als Haupt des deutschen Reiches und seiner Wahl durch die Kurfürsten. Im fünften Kapitel werden die Beschränkungen der kaiserlichen Macht durch Kapitulationen, Gesetze, Bräuche (Gewohnheitsrecht) und Rechte der Stände dargelegt. Im sechsten Kapitel über die Staatsform des deutschen Reiches wird sodann zum ersten Mal die These von der Monstrosität der Reichsverfassung geäußert 3, nachdem zuvor umfassend anhand der bis dahin gängigen Staatsformenlehre dargestellt wurde, dass keine der typisierten Staatsformen auf das deutsche Reich passt. Das siebte Kapitel, das von Deutschlands Stärken und Schwächen handelt, fasst wesentliche Aussagen des sechsten Kapitels zusammen und präzisiert ihre Bedeutung für den aus Pufendorfs Sicht labilen Zustand des Reiches und seiner Verfassung, wobei neben der Krise der Reichsverfassung auch die religiösen bzw. konfessionellen Auseinandersetzungen als maßgeblich für die Schwäche des Reiches angesehen werden (insbesondere §§ 8, 9). Das achte und letzte Kapitel beschreibt die Ratio der Verfassung des deutschen Reiches, also die Frage nach dessen Staatsräson bzw. Staatsinteressen; an dieser Stelle unterbreitet Pufendorf auch seine Lösungsvorschläge (vgl. § 4). Dabei nehmen sich seine „Heilmittel", wie ζ. B. sein Appell an die „Erhaltung der inneren Eintracht" 4 , im Vergleich zur Vehemenz der zuvor geübten Kritik an den Schwächen der Reichsverfassung, welche unter anderem die Punkte „Fehlen einer einheitlichen staatlichen Willensbildung", „Misstrauen der Reichsstände untereinander", „mangelnde Effizienz der Justiz, der Steuerverwaltung und der Reichstagsverfassung" 5 umfasst, eher bescheiden („Allgemeinplätze und fromme Wünsche" 6 ) aus. Dabei schloss Pufendorfs „kontemplative Ansicht" auf diesem Gebiet zwar eine effizientere Gestaltung des Reichsgebildes nicht aus, jedoch lehnte er radikale Heilmittel ab, da sie den Interessen des Reiches (ratio status imperii) zuwiderlaufen würden. 7 Den bedeutendsten Stellenwert mag wohl seine Empfehlung, eine staatenbündische Ordnung mit der Bildung eines ständigen Rates als Vertretung der Stände einzurichten, eingenommen haben, da Pufendorf eingesehen hatte, dass sich ein Einheitsstaat gegen den Widerstand der Stände nicht einführen ließ. 8

3 4

5 6 7 8

Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 106. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 8. Kap., § 4, S. 128.

Schroeder, JuS 1995, S. 959 (964). Schweden JuS 1995, S. 959 (964). Schweden JuS 1995, S. 959 (964).

Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 8. Kap., § 4, S. 128; vgl. dazu auch Kleinhey er/Schröder, Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, S. 225.

Β. „De statu Imperii Germanici", Sechstes Kapitel

41

Β. „De statu Imperii Germanici", Sechstes Kapitel Dem Fazit des § 9, in dem Pufendorf das deutsche Reich einen „irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper" nennt, geht im sechsten Kapitel eine umfassende Analyse der Staatsform des deutschen Reiches voraus, die an dieser Stelle zunächst in ihren wesentlichen Punkten zusammengefasst werden soll. 9

I. Problematik der Einordnung des Reiches in die Staatsformenlehre Zu Beginn des sechsten Kapitels zeigt Pufendorf die Problematik der Einordnung des Reichskörpers in die Kategorien der klassischen aristotelischen Staatsformenlehre (vgl. dazu § 3 A.II.) auf, indem er - wohl auch in Anknüpfung an seine Analyse der Stellung des Kaisers im vierten Kapitel und der Kompetenzverteilung im Reich im fünften Kapitel - vorwegnehmend klarstellt, dass „im deutschen Reich etwas steckt, was seine Zuordnung zu den einfachen Staatsformen, wie sie allgemein von den Lehrern der Politik beschrieben werden, verbietet" 10 . Dabei geht es Pufendorf bei der nachfolgenden Analyse neben der Anwendung seiner reichstheoretischen Grundsätze auf die Reichsverfassung auch darum, seine Vorgänger bei der Beurteilung der Staatsform des Reiches (vgl. dazu § 3 A.V.) theoretisch zu widerlegen, wenn er konstatiert: „Bei der Untersuchung der eigentlichen Staatsform des Reiches müssen wir besonders sorgfältig vorgehen, weil die meisten deutschen Schriftsteller aus Unkenntnis der Lehre von der Politik darüber die schlimmsten Irrlehren verbreitet (...) haben." 11

II. Die Staatsformen der Reichsstände Nach diesem ersten Aufriss der Probleme, die sich hinsichtlich der Einordnung des Gesamtreiches in die gängigen Staatsformen ergeben, stellt Pufendorf bezüglich der Staatsformen der deutschen Territorien, also der Reichsstände, fest, dass es diesbezüglich wenig Schwierigkeiten gebe, da alle weltlichen und geistlichen Fürstentümer und auch die Grafschaften als Monarchien zu qualifizieren seien.12 Dagegen klassifiziert er die freien Städte teilweise als Aristokratien mit einem souveränen Senat, wenn dieser „weder von der Bürgerschaft

9

Vgl. § 3 für nähere Erläuterungen zur allgemeinen und zur Pufendorfschen Staatsformenlehre. 10 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 1, S. 96. 11 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 1, S. 96. 12 Pufendorf,\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 2, S. 96 f.

42

§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung

kontrolliert wird, noch ihr Rechenschaft über die Regierungsmaßnahmen schuldig ist" 1 3 . Der andere Teil der freien Städte könne als Demokratie bezeichnet werden, wenn „der Senat von den Zünften gewählt und kontrolliert" 14 werde.

I I I . Ablehnung der demokratischen Staatsform des Reiches Im Folgenden widmet sich Pufendorf dem eigentlichen Problem der Bestimmung der Staatsform des Reiches, indem er zunächst feststellt, dass sich die deutschen Schriftsteller in dieser Frage nicht einig seien. Diese Uneinigkeit wertet er als einen „sicheren Beweis" für seine Theorie von der irregulären Staatsform des Reiches und gleichzeitig als einen Beweis für die „Unwissenheit der Autoren, die sich ohne oder nur mit geringer Kenntnis der Wissenschaft von der Politik an die Auslegung des Staatsrechts machen" 15 . Pufendorf stellt fest, dass die Autoren in der Reichspublizistik weitgehend darin übereinstimmten, dass das Reich nicht als Demokratie bezeichnet werden könnte. Zwar wollten manche demokratische Züge in der Reichsverfassung entdecken und nur die als Bürger bezeichnen, die auf den Reichstagen Stimmrecht hätten, und damit der aristotelischen Definition des Bürgers, der Beratungs- und Stimmrecht in Staatsangelegenheiten haben muss, folgen. Pufendorf aber lehnt eine derartige Ansicht, dass nur die an der Regierung beteiligten Personen, also im Reich nur König und Reichsstände, als Bürger zu bezeichnen seien, ab, da es absurd sei, in der Monarchie nur dem König allein oder in der Aristokratie nur den Senatoren den Status eines Bürgers zuzuordnen. 16 Eine Qualifikation des Reiches als Demokratie, deren Bürger nur die Stände seien, müsse also ausscheiden, da sich die aristotelische Definition für die in den griechischen Demokratien lebenden Bürger 17 nicht auf die Reichsstände ausdehnen lasse.18

I V . Argumente für und gegen die aristokratische Staatsform des Reiches In einem weiteren Abschnitt behandelt Pufendorf die Argumente, die für die aristokratische Staatsform des Reiches sprechen. Dabei geht er auf die in der Reichspublizistik vor „Severinus de Monzambano" verbreitete Lehre ein, die das Reich als reine Aristokratie eingestuft und somit ein verfassungsrechtliches

13 14 15 16 17 18

Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 2, S. 97. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 2, S. 97. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 3, S. 97. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 3, S. 97. Aristoteles, Politik, 3. Buch, 1. Kapitel, S. 126 ff. Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 3, S. 97.

Β. „De statu Imperii Germanici", Sechstes Kapitel

43

Primat der Reichsstände zu begründen versucht hat (vgl. dazu § 3 A.V.2.). Pufendorf wiederholt die wesentlichen Argumente für die aristokratische Staatsform des Reiches, wie beispielsweise die These, dass man sich nicht von „stolzen Titeln und Formeln" verleiten lassen solle, das Reich als Monarchie zu qualifizieren, sondern das Hauptaugenmerk bei der Bestimmung des Souveräns auf das Recht, über die wichtigsten Staatsangelegenheiten nach eigenem Ermessen zu beschließen, richten müsse.19 Außerdem werde von den Vertretern einer ständisch orientierten Reichstheorie vorgebracht, dass es dem Charakter einer Aristokratie nicht widerspreche, dass sie ein Oberhaupt habe und dass'außerdem zwischen der Staatsform und der Regierungsweise unterschieden werden 20

musse. Diese Argumente können Pufendorf nicht überzeugen: „Diese Erwägungen mögen vielleicht für spitzfindige scholastische Disputationen genügen, sie können jedoch niemanden von der aristokratischen Staatsform des Reiches überzeugen, der eine gründlichere Kenntnis der Politik hat." 21

Er führt zwei wesentliche Gründe gegen die aristokratische Staatsform des Reiches an: Erstens gebe es keinen ständigen und immerwährenden Senat, bei dem die souveräne Gewalt liege, der also über Staatsangelegenheiten berate und beschließe. Weder die Gerichtsbarkeit des Reichskammergerichts und Reichshofrats, die nur über die Berufungen entscheiden, noch der Reichstag, der immer gesondert einberufen werden müsse, kämen der Institution eines solchen ständigen Senats gleich. 22 Diejenigen, die für die aristokratische Form plädierten, legten somit einen anderen Souveränitätsbegriff zugrunde und unterschieden zwischen Staatsform und Regierungsweise. Pufendorf stellt aber klar, dass verschiedene Staatsformen daraus entstehen, dass der Träger der Souveränität entweder eine einzige Person oder eine Versammlung aller oder weniger ist. Dabei spiele es aber keine Rolle, welcher untergeordneten und ausführenden Organe sich der Souverän bediene.23 Zweitens müssten die einzelnen Mitglieder eines ständigen Senats den Beschlüssen dieser Versammlung ebenso gehorchen wie die anderen Bürger auch, was durch die Libertät der deutschen Stände so nicht durchführbar sei. 24 Speziell gegen die aristokratische Reichsauffassung des Hippolithus a Lapide, mit der sich Pufendorf dezidiert auseinandersetzt, wird angeführt, dass die Befug-

19 20 21 22 23 24

Pufendorf\ Pufendorf\ Pufendorf Pufendorf Pufendorf Pufendorf

Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 4, S. 98. Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 4, S. 98. \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 5, S. 99. \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 5, S. 99 f. \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 4, S. 99. \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., §§4 und 5, S. 100.

44

§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung

nisse der Stände gegen den Kaiser der allgemeinen Natur der Verträge, nicht aber ihrer Herrschaftsgewalt entsprängen. 25

V. Argumente gegen die monarchische Staatsform des Reiches Bei der Frage, ob das Reich zu den Monarchien gerechnet werden könne, unterscheidet Pufendorf zunächst zwischen der absoluten Monarchie, also einer Herrschaftsform, in welcher der Monarch die Befugnis hat, nach eigenem Ermessen über die wichtigsten Staatsangelegenheiten zu entscheiden, und der beschränkten Monarchie, in welcher der Monarch bei der Ausübung souveräner Handlungen an bestimmte Gesetze gebunden sei. 26 Pufendorf erweist sich als strikter Gegner einer Betrachtung des Reiches als absolute Monarchie und spart bei der Begründung nicht an Polemik gegen die monarchische Lehre Reinkingks (vgl. dazu § 3 A.V.I.): „Wer aber dem Kaiser die absolute Herrschaft zuerkennt, muss als Hammel in seinem Vaterland geboren sein. Die Argumente dafür verdienen eher ausgezischt als ernsthaft widerlegt zu werden." 27

Dabei weist er sowohl auf die Absurdität einer eschatologischen Begründung absoluter monarchischer Herrschaft mit Hilfe der Vier-Reiche-Lehre als auch auf die bloß leeren Titel des Kaisers hin, die lediglich dem „Zeitgeist und dem Kurialstil" 2 8 entsprächen. Mit der Feststellung, das Reich sei auch nicht als beschränkte Monarchie zu klassifizieren, wendet sich Pufendorf gegen die Lehre von der Mischverfassung (vgl. dazu § 3 A.V.3.), die dem Kaiser die monarchische Gewalt und den Ständen die Freiheit zuerkennen wolle, aber das Reich ebenfalls nur unzureichend beschreibe. 29 Abgesehen davon, dass seiner Ansicht nach eine Mischung von Staatsformen ohnehin nur ein „Monstrum von einem Staat" hervorbringen könne, passe auch keine der gemischten Staatsformen auf das deutsche Reich, da weder mehrere ungeteilt die Souveränität besäßen noch ihre Bestandteile auf verschiedene Personen oder Kollegien verteilt seien.30 Die Annahme einer beschränkten Monarchie scheitere auf der einen Seite schon daran, dass die Stände in ihrer Libertät bezüglich ihrer Territorien der

25

Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6, Kap., § 7, S. 104. Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 6, S. 101. 27 Pufendorf Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 6, S. 101. 28 Pufendorf,\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 6, S. 101 f. Weiterhin äußert Pufendorf Kritik am Translatio-imperii-Standpunkt im 1. Kap., § 14. 29 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 105. 30 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 105. 26

Β. „De statu Imperii Germanici", Sechstes Kapitel

45

kaiserlichen Gewalt mindestens gleichgestellt seien (vor allem durch das Bündnisrecht mit auswärtigen Mächten) und auch die in einer beschränkten Monarchie erforderliche Überordnung des Monarchen so nicht gewährleistet sei. 31 Beispiele für diese Sichtweise liefert Pufendorfs Beurteilung der landesherrlichen Rechtsstellung, in der er die Unabhängigkeit und absolute Gewalt der Reichsstände für ihre Territorien bejaht, indem die Territorialgewalt als „summum imperium" bezeichnet und in ihren umfassenden Befugnissen den eng umgrenzten Reservatrechten des Kaisers gegenübergestellt wird. 32 Zum anderen sei dem Kaiser auch nicht die für die Qualifizierung des Reiches als beschränkte Monarchie erforderliche letzte Leitung und Verwendung aller Kräfte des ganzen Reiches vorbehalten: „Wer das aber in Deutschland feststellen könnte, müsste Luchsaugen haben. Hier erhält der Kaiser als Haupt des Staates vom Reich keine Einkünfte, sondern er muss von seinem eigenen Vermögen leben; hier gibt es keinen Reichsschatz, kein Reichsheer, sondern jeder Stand verfährt mit seinen Untertanen und den Erträgen seiner Länder nach eigenem Gutdünken und bringt dem Reich nur verschwindend geringe Opfer, und auch die nur nach langem und inständigem Bitten." 33

V I . Das deutsche Reich als monströses, irreguläres Staatsgebilde Pufendorf gelangt mithin zu dem Ergebnis, dass eine abstrahierende Einordnung des Reiches in die herkömmlichen aristotelischen Kategorien sich als unmöglich erwiesen hat, da die Souveränität im Reich in keinem Träger so vereint sei, dass man das Reich als Demokratie, Aristokratie, gemäßigte oder unbeschränkte Monarchie bezeichnen könnte: „Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als das deutsche Reich, wenn man es nach den Regeln der Wissenschaft von der Politik klassifizieren will, einen irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper zu nennen, der sich im Laufe der Zeit durch die fahrlässige Gefälligkeit der Kaiser, durch den Ehrgeiz der Fürsten und durch die Machenschaften der Geistlichen aus einer regulären Monarchie zu einer so disharmonischen Staatsform entwickelt hat, dass es nicht mehr eine beschränkte Monarchie, wenngleich der äußere Schein dafür spricht, aber noch nicht eine Föderation mehrerer Staaten ist, vielmehr ein Mittelding zwischen beiden." 34

Die aus seiner Sicht fehlende Möglichkeit einer Typisierung im Sinne der traditionellen Kategorienbildung bewegt ihn dazu, das Reich und seine Verfassung mit einem Monstrum zu vergleichen. Ein Monstrum (zu Deutsch: Missge-

31

Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 106. Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 5. Kap., §§ 27 und 28, S. 94 f.; vgl. dazu auch Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 153. 33 Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 106. 34 Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 106 f. 32

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§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung

burt oder Wundergeburt) ist nach dem Verständnis eines Lexikons des 18. Jahrhunderts „eigentlich eine natürliche Geburt, die auf einige Weise von der Ordnung und Gestalt ihrer Gattung abweichet" 35 . Diese Definition lässt sich folgendermaßen auf die Pufendorfsche Staatslehre anwenden: Pufendorf meint mit dem Begriff der Monstrosität ein Staatsgebilde, das in keine der gängigen Staatsformen der Staatsformenlehre einzuordnen ist und das vielmehr aufgrund seiner auffallenden und ungewöhnlichen Unregelmäßigkeit („res publica irregularis" 36 ) eine derartige Abweichung von normalen Kategorien darstellt, dass es im Wege einer abstrahierenden Herangehensweise nicht mehr zu erklären ist. Die Staatsform des Reiches ist nach dieser Lehre in die herkömmlichen „Gattungen" (also die aristotelischen Staatsformen) nicht mehr einzuordnen, sodass es nur als ein außerhalb jeder Ordnungsvorstellung stehendes, irreguläres Gebilde begriffen werden kann.

C. „De statu Imperii Germanici", Siebtes Kapitel Wie zum Schluss des sechsten Kapitels angekündigt, beschäftigt sich Pufendorf im siebten Kapitel seiner Reichsverfassungsschrift, das die Überschrift „Stärke und Schwäche des deutschen Reiches" trägt, „mit den schweren Krankheiten", von denen das Reich heimgesucht werde. 37 Auch im siebten Kapitel wird der Begriff „monströs" verwendet, um die Verfassung des deutschen Reiches zu beschreiben. Dabei wurde dieser Textstelle in der rechtshistorischen Forschung eine geringere Aufmerksamkeit als der Darstellung der Monstrositätsthese im sechsten Kapitel zuteil, was zum einen aus der chronologischen Abfolge der Textstellen, zum anderen aber auch aus der dezidierten Auseinandersetzung Pufendorfs mit der aristotelischen Staatsformenlehre im sechsten Kapitel herrühren mag. Allerdings gewährt auch das siebte Kapitel der Reichsverfassungsschrift einige tiefere Einblicke in die Systematik der Pufendorfschen Reichstheorie. Daher soll sich hier nicht auf die Analyse der allgemein bekannten Textstelle im sechsten Kapitel beschränkt werden, sondern es sollen auch die entscheidenden Passagen des siebten Kapitels aufgearbeitet werden. Im siebten Kapitel des „De statu Imperii Germanici" interessieren in Bezug auf das Reichsverfassungsrecht vor allem die §§ 7 und 8, in denen Pufendorf zunächst Deutschlands innere Schwäche (§ 7) beschreibt und die Gründe für diese innere Schwäche als Folge der Struktur der Reichsverfassung (§ 8) sieht. Pufendorf kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Reichsverfassung als monströses Gebilde Hauptursache für die äußere und innere Schwäche Deutsch35 36 37

Zedier, Lexicon, Band 21, S. 486. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 106. Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 107.

. „De statu Imperii Germanici", S e t e s Kapitel

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lands sei. Bevor Pufendorf das Fazit seiner Beurteilung der Reichs Verfassung als monströses Gebilde ziehen kann, legt er die aus seiner Sicht vorhandenen Schwächen schonungslos und in für die damalige Zeit provokanter Art und Weise dar. Der gesamte Text ist geprägt von bildhafter, teilweise ironischsarkastischer, auch polemischer Sprache („monströs") und gewinnt an Plastizität vor allem dadurch, dass Pufendorf das Reich mit dem menschlichen Körper vergleicht („Seele" / „Schwäche und Krankheiten"/ „gebrechlicher"/ „Haupt und Glieder"/ „Reichskörper") und so dessen „Gebrechen" in anschaulicher Weise darzulegen vermag, wobei er sich einer für die damaligen Beschreibungen des Reiches typischen Körper-Metaphorik („mittelalterliche CorpusMetapher" 38 ) bedient, um das Abstrakte, nämlich Staat und Verfassung, durch Übersetzung in eine konkrete Bildersprache anschaulicher erklären zu können. 39

I. Siebtes Kapitel § 7: Deutschlands innere Schwäche Zunächst behandelt Pufendorf die innere Schwäche des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation unter Bezugnahme auf verschiedene Staatsformen.

7. Fehlender Zusammenhalt der staatlichen Ordnung Pufendorf moniert die fehlende staatliche Ordnung, den unharmonischen und ungeordneten Zusammenhang des Staates bzw. den fehlenden Zusammenhang der staatlichen Ordnung als Hauptursache für die Schwäche des Reiches. Dabei bemüht er eine bildliche Verdeutlichung durch Darstellung einer Menschenmenge, die ohne Verbindungen zueinander steht, und der er als ideales Gegenbild die Macht der Vereinigung entgegenhält. Gerade die Beschwörung der Macht der Vereinigung, die Pufendorf auf den Staat überträgt, lässt auf Zusammenhänge zu seiner Naturrechtslehre und dem von ihm geprägten Begriff der Sozialität (socialitas) schließen.40 Sowohl die anhaltenden konfessionellen Streitigkeiten als auch die Zerstrittenheit zwischen dem Kaiser als Reichsrepräsentant und den aufstrebenden Territorialfürsten dürften Pufendorf veranlasst haben, die Vorzüge einheitlicher Beschlussfassung und die Macht der Vereinigung hervorzuheben. Dabei müssten sich die einzelnen Entscheidungsträger „wie von einer Seele" lenken lassen, um aus einer losen Verbindung ein festes Staatsganzes werden zu lassen, denn nur eine starke Staatsform mit festen und

38 39

Mohnhaupt, in: Mohnhaupt/Grimm, Verfassung, S. 69. Roeck., Reichssystem, S. 33 f.; von zur Mühlen, ZRG (Germ. Abt.) 89 (1972),

S. 118(127). 40

Vgl. dazu: Pufendorf,

JNG II, Kap. 3; Denzer, Moralphilosophie, S. 93 ff.

48

§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung

geordneten Verfahren der Einigung könne auch eine starke Gesellschaft hervorbringen. 41

2. Die „gut eingerichtete Monarchie" Pufendorf sieht für die Überwindung von „Schwäche und Krankheiten", die sich aus dem ungeordneten Zusammenhang einer Gesellschaft und eines Staatswesens ergeben können, in einer gut eingerichteten Monarchie die beste Garantie für eine auf Dauer angelegte Einigung. 42 Die Frage, was Pufendorf unter einer „gut eingerichteten Monarchie" versteht, ist aufs engste verknüpft mit der Frage nach der aus seiner Sicht idealen Staatsform überhaupt. Wie sich aus den Zusammenhängen der Reichsverfassungsschrift ergibt, bildet die zumindest nach wie vor monarchische Elemente beinhaltende Verfassung des Reiches für ihn ein negatives Exempel, an dem er die Vorzüge einer „gut eingerichteten" Monarchie darstellt. Eine solche ist für Pufendorf als Anhänger des aufgeklärten Absolutismus in einem absoluten Königtum gegeben, worauf noch näher im Zusammenhang mit der Staatsformenlehre einzugehen sein wird.

3. Die Schwäche von Aristokratien Als staatspolitisches Gegenbild zur „gut eingerichteten Monarchie" geht Pufendorf auf die Staatsform der Aristokratie und ihre Eigenschaften ein. Dabei stellt er fest, dass Aristokratien grundsätzlich gegenüber Monarchien die weniger stabilere Staatsform darstellten („von Natur aus gebrechlicher als Monarchien"), wobei er der Staatsform der Aristokratie Überlebensfähigkeit ohnehin nur in Stadtstaaten zubilligt. 43 Als Ausnahme von der grundsätzlichen Schwäche der Staatsform Aristokratie sieht Pufendorf die Stadtrepublik Venedig („Wunder"), die auch noch in der neueren historischen Forschung als „MusterRepublik" 44 bezeichnet wird. Es dürfte sich bei dieser Aussage Pufendorfs allerdings weniger um eine allgemeine Feststellung als um einen Tribut an die zwingend erforderliche Bezugnahme auf italienische Verhältnisse (um den Anschein der durch die Wahl eines Pseudonyms bedingten Korrespondenz mit ei-

41

Vgl. dazu: Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, S. 58 ff. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 7, § 7, S.l 18. 43 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 7, § 7, S. 118. 44 Barudio, Der Teutsche Krieg, S. 75; siehe auch: Hellmann, Geschichte Venedigs, S. 199 ff. 42

. „De statu Imperii Germanici", S e t e s Kapitel

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nem fiktiven italienischen Bruder aufrechtzuerhalten) handeln, zumal die Bezugnahme auf Venedig in der posthumen Ausgabe des „Monzambano" fehlt. 45

4. Das Wesen von Staatenbünden Nach diesen Ausführungen zur Aristokratie folgen Bemerkungen über Staatenbünde, die als Bündnisse von mehreren Staaten ohne innere Stabilität charakterisiert werden und die aufgrund ihres nur losen Zusammenschlusses als anfällig für die Gefahr von inneren Unruhen und für sonstige Auflösungserscheinungen angesehen werden. 46 Um derartigen Schwächen von Staatenbünden vorbeugen zu können, nennt Pufendorf einige Voraussetzungen für stabilere Staatenbünde: Die einzelnen Mitglieder müssten dieselbe Staatsform und ähnliche Machtverhältnisse aufweisen, zudem müsste die Staatenverbindung den Herrschern der einzelnen Staaten denselben Nutzen bringen. 47 Neben dieser gleichgerichteten Interessenlage stellt er auch noch die Anforderung eines gut ausgearbeiteten Grundgesetzes auf, womit er wohl eine Staatsverfassung meint und hinsichtlich der Terminologie sich vermutlich an dem Terminus „leges fundamentales" (Reichsgrundgesetze als wesentliche Bestandteile des Reichsstaatsrechts) orientiert haben mag.

II. Siebtes Kapitel § 8: Deutschlands Schwäche als Folge seiner Verfassung Bei den allgemeinen Grundsätzen, die Pufendorf in § 7 aufführt, hatte er vermutlich stets den tatsächlichen Rechtszustand des Reiches vor Augen. So überträgt er auch bei seiner weiteren Analyse der Gründe für Deutschlands Schwäche seine eher abstrakten Ausführungen in § 7 auf die Reichsverfassung. Er erklärt die Schwäche des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation damit, dass zwei Missstände („Übel") aufeinander träfen.

7. Schwäche des monarchischen Elements im Reich Zunächst bezieht sich Pufendorf auf den bereits oben abstrakt genannten Missstand einer „schlecht eingerichteten Monarchie" 48 . Dabei stand Pufendorf unter dem Eindruck der Entwicklung des deutschen Kaisertums von einer früh45

Dazu: Pufendorf\ De statu Imperii Germanici, Editio S. 222. 46 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 47 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 48 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap.

Posthuma, Cap. VII, § 7, 7, § 7, S. 118. 7, § 7, S. 118. 7, § 8, S. 119.

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§ 2 Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung

mittelalterlichen Erbmonarchie zu einem Wahlkaisertum zu Beginn der Neuzeit. Bereits seine Vorgänger Bodin, Chemnitz (Hippolithus a Lapide) und Limnaeus hatten nach einer Analyse der kaiserlichen Befugnisse und Aufgaben festgestellt, dass der Kaiser kaum noch einen umfassenden Herrschaftsanspruch geltend machen konnte und lediglich als administrator imperii fungierte. 49 Damit läuft der Zustand des Reiches der vom Souveränitätsgedanken geprägten Idealvorstellung Pufendorfs von einer absoluten Monarchie zuwider.

2. Das Reich als ungeordneter Staatenbund Der zweite Missstand ist durch den Charakter des Reiches als „ungeordneter Staatenbund" bedingt: Hier schwebt Pufendorf die tatsächliche innere Struktur des Reiches vor, die von der aufstrebenden Macht und zunehmenden Selbstständigkeit der einzelnen Territorialstaaten nach den Veränderungen durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens gekennzeichnet ist. Die Möglichkeit einer forcierten Durchsetzung territorialstaatlicher Interessen auf Kosten des Reiches wird von Pufendorf kritisiert und bedauert, wenn er von einem ungeordneten Staatenbund spricht, der kein einheitliches Auftreten des Reiches nach außen ermöglichte und der den einst unter dem Dach einer eschatologischen Reichsidee vereinten Staatskörper zu einem kaum zusammenhängenden Gebilde nach Unabhängigkeit strebender Staaten degenerieren ließ. 50

3. Pufendorfs

Schlussfolgerung:

Das Reich als „Monstrum "

Für Pufendorf steht folglich auch aus dieser Sichtweise fest, dass auf Deutschland aufgrund der Kulmination der beiden oben genannten Missstände, nämlich des Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen und der mangelhaften staatenbündischen Ordnung, keine Staatsform richtig passt, was er als „Hauptübel" bezeichnet.51 Deutschland hat nach Ansicht Pufendorfs - in Anknüpfung an seine Aussagen im sechsten Kapitel - nicht den Charakter einer der typisierten Staatsformen im Sinne der aristotelischen Staatsformenlehre, sondern muss der Staatsform nach als unregelmäßiger, irregulärer Staat begriffen werden: Nach dem äußeren Schein stelle das Reich eine Monarchie dar, denn in der frühen Zeit des

49

Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars I, Cap. XVI, S. 229 ff.; Limnaeus, Juris

publici, Liber I, Cap. 10, Nr. 36; von zur Mühlen, ZRG (Germ. Abt.) 89 (1972), S. 118

(121). 50 51

Pufendorf, Pufendorf,

Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 7, § 8, S. 119. Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 7, § 8, S. 119.

. „De statu Imperii Germanici", S e t e s Kapitel

51

Reiches habe der König eine einem Monarchen nach der Staatsformenlehre angemessene Stellung gehabt, erst mit dem Aufstieg von Macht und Freiheit der Stände sei die königliche Macht auf ein Minimum gesunken. Da im Reich hinsichtlich der Staatsform keine klaren Verhältnisse durch ein starkes Königtum herrschten, sondern Interessenkonflikte und Machtkämpfe zwischen Kaiser und Reichsständen maßgeblich die faktische Ausprägung der Staatsverfassung bestimmten, fühlt sich Pufendorf veranlasst, dem Reich von der Staatsform her allenfalls die Stellung eines „Zwitters" oder „Mitteldings" zwischen einer echten Monarchie und einem echten Staatenbund (Konföderation selbständiger, souveräner Staaten) zuzubilligen. 52 Unter Rückgriff auf die Körper-Metapher ergibt sich der Vergleich mit einem Monstrum aus der für den Zustand des damaligen Reiches spezifischen Gegebenheit, dass sich „Haupt" und „Glieder", also Kaiser bzw. Monarch und Reichsstände, unversöhnlich in ihren Interessengegensätzen gegenüberstünden und dass vor allem das „Haupt", also der Monarch, nicht mehr den „Gliedern" übergeordnet sei.53

52

Pufendorf, §4, S. 128. 53 Pufendorf,

Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 107; 8. Kap., Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kap., § 8, S. 119.

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese anhand staatstheoretischer, rechtsphilosophischer und rechtsgeschichtlicher Bezüge Die Einordnung der hinter einer historischen staatsrechtlichen Aussage stehenden Argumentation erfordert die Herstellung staatstheoretischer, rechtsphilosophischer und rechtsgeschichtlicher Bezüge, um nachvollziehen zu können, auf welchen theoretischen Ebenen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Untersuchungsschritte Pufendorf zu seinem zusammenfassenden Urteil über den damaligen Zustand des Reiches und seine (vermeintliche) Monstrosität gelangen konnte. Um den Begründungsgang und Aussagegehalt seines Urteils vollständig erfassen zu können, erscheint vor allem ein staatstheoretischer Blickwinkel unter Bezugnahme auf die verschiedenen Aspekte und Erscheinungsformen der Staatsformenlehre, aber auch ein Überblick über bestimmte rechtsphilosophische Aspekte des Pufendorfschen Denkens unerlässlich. Zudem ist die Charakterisierung der Reichsverfassung als monströses Gebilde nur zutreffend zu erfassen, wenn auch auf die Vorgänger Pufendorfs bei der Analyse der Staatsform und des Rechtscharakters des Reiches eingegangen wird, auf deren Aussagen er sich in seiner Schrift auf der einen Seite stützt oder die er auf der anderen Seite zu widerlegen sucht. In diesem Zusammenhang soll auch dargestellt werden, ob und wie Pufendorfs reichstheoretische Analyse sich von denen der zeitgenössischen Reichspublizistik unterscheidet und für welche Staatsauffassung bzw. staatstheoretische Idealvorstellung sie repräsentativ ist.

A. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich Die zentrale Frage bei der Analyse der Argumentation Pufendorfs bezüglich seiner These von der Monstrosität der Reichsverfassung ist die Frage nach der Staatsform und dem Rechtscharakter des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. In dem Versuch, die Staatsform des Reiches anhand einer theoretisch-systematischen Einordnung in die Souveränitäts- und Staatsformenlehre zu charakterisieren, liegt der Schlüssel für die Beantwortung der Frage, aufgrund welcher wissenschaftlichen Erkenntnisse Pufendorf zu seiner Beurteilung der Reichsverfassung als monströses Gebilde gelangen konnte. Für die Beurteilung der (Verfassungs-)Rechtslage des Heiligen Römischen Reiches in der Gestalt,

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

53

die es durch den Westfälischen Frieden erhalten hatte, ist daher eine nähere Beleuchtung von Pufendorfs Argumenten vor dem staatstheoretischen Hintergrund der Staatsformenlehre erforderlich.

I. Zum Begriff der Staatsformenlehre Im Laufe der historischen Entwicklung hat sich eine unübersehbare Zahl an Ausprägungen dessen, was man als Staat bezeichnet, gebildet1; schon im Altertum (Piaton, Aristoteles, Cicero) hat es Versuche klassifikatorischer Typenbildung gegeben, die man unter dem Begriff der Staatsformenlehre zusammenfasst. 2 Dabei hat die Staatsformenlehre meist sog. Schulformen, also theoretisch begründete, meist in der Wirklichkeit nicht existierende Staatstypen gebildet.3 Die Konsequenz der Anwendung derartiger strenger Kategorien auf ein konkretes Staatswesen war in vielen Fällen entweder eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit oder der Versuch, Erklärungsansätze zur Staatsform über Misch- und Zwischenformen anzubringen. Bei den Staatsformen handelt es sich um die Verfassungsarten, die darlegen, wer grundlegend im Staat herrscht, und wie diese Herrschaft sich gestaltet.4 Entscheidend für die Bestimmung einer Staatsform kann die Frage nach dem personalen Anknüpfungspunkt der Macht bzw. die Frage sein, „wie viele an der Kompetenzhoheit und damit an den rechtlichen und politischen Grundentscheidungen unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind" 5 .

I I . Die klassische Staatstypologie des Aristoteles Die ersten Versuche klassifikatorischer Typenbildung in Bezug auf Staaten gehen auf Aristoteles und sein grundlegendes, der Disziplin der praktischen Philosophie zugehöriges Werk „Politika" (Politik) zurück. Aristoteles entwickelte darin erstmals verschiedene Kategorien von Staatsformen 6, die mit kleinen Variationen bis zum Ende des Mittelalters Geltung beanspruchen konnten.7 Er teilte eine bestimmte Staatsverfassung {politela ) einer bestimmten Kategorie haupt1

Vgl. dazu: Ermacora, Allgemeine Staatslehre, § 73, S. 418 ff. Aschl, Staats- und verfassungsrechtliches Lexikon, S. 277. 3 Aschl, Staats- und verfassungsrechtliches Lexikon, S. 276. 4 Brinkmann, Verfassungslehre, S. 179. 5 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 168. 6 Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 7. Kapitel, S. 141; vgl. dazu auch: FleinerGerster,, Allgemeine Staatslehre, S. 215; Pernthaler, Allgemeine Staats- und Verfassungslehre, S. 189 ff. 7 Denzen Nachwort, S. 186. 2

54

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

sächlich nach der Maßgabe zu, ob sie das Telos des Staates verwirklichte oder nicht.8 Dem Katalog der „richtigen Verfassungen", die den Zweck des Staates, nämlich die Verwirklichung des allgemeinen Wohls bei der Regierung, erfüllten, gehörten die Monarchie bzw. das Königtum (basileia), die Aristokratie und die Politie an.9 Während das Königtum als alleinige Herrschaft eines Einzelnen gekennzeichnet wird, gehört es zum Wesen der Aristokratie, dass einige wenige, aber doch immer mehr als einer zum Wohle aller herrschen. Wenn schließlich die Mehrzahl des Volkes den Staat unter Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl verwaltet, benennt Aristoteles dies mit dem gemeinsamen Namen aller Verfassungen, nämlich Politie. 10 Den richtigen Verfassungen stellt Aristoteles die „entarteten" Verfassungstypen, nämlich Tyrannis, Oligarchie und Demokratie, gegenüber, wobei sich ihre Entartung daraus ergibt, dass sie das Beste des Staates und der Gemeinschaft als das Telos des Staates nicht beachten.11 Die Tyrannis ist folglich eine Abart des Königtums, welche lediglich dem persönlichen Nutzen des Monarchen dient, die Oligarchie als Entartung der Aristokratie beinhaltet eine Herrschaft weniger ausschließlich zum Vorteil der Reichen und die Demokratie als entartete Form der Politie bedeutet eine Herrschaft vieler zum Wohle der Armen. 12 Bei Aristoteles ist nicht die Art der Regierungsform für die Güte des Staates ausschlaggebend, sondern die Art, wie regiert wird. Von Bedeutung ist also, ob ein Staat gerecht, also im Gesamtinteresse regiert wird. Erst in zweiter Linie wird danach unterschieden, wer die Herrschaft innehat.13 Aufgrund der Tatsache, dass alle Verfassungen die Gefahr der Entartung in sich trügen, entwickelt Aristoteles in seiner klassischen politischen Theorie das Dogma des besten Staates (für die Mehrzahl der Staaten möglichst beste Verfassung - politela ), der eine aus den Staatsformen gemischte Verfassung darstellt. 14

* Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 7. Kapitel, S. 142. Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 7. Kapitel, S. 141 f. 10 Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 7. Kapitel, S. 142. 11 Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 7. Kapitel, S. 142. 12 Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 7. Kap., S. 142 und 8. Kap., S. 142.

9

13 14

Denzer, Nachwort, S. 186.

Aristoteles, Politik, Drittes Buch, 18. Kap., S. 174 ; Viertes Buch, 1. Kap., S. 176; Viertes Buch, 9. Kap., S. 195; Viertes Buch, 11. Kap., S. 198; Denzer, Nachwort, S. 186.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

55

I I I . Modifikation durch Machiavelli Eine gewisse Modifikation erfuhr die aristotelische Staatsformenlehre 1513 durch Niccolo Machiavellis Werk „II Principe" (Der Fürst), das durch die Unterscheidung der Staatsform zwischen „Republiken" und „Fürstentümern" 15 zusammen mit seinem Terminus „stato" die herrschende Terminologie moderner Staatlichkeit prägte. Die Einteilung Machiavellis bezog sich noch auf den Träger der obersten Regierungsgewalt, sodass - wie in der klassischen Staatsformenlehre - Republik ein Sammelbegriff für Demokratie und Aristokratie war. Machiavellis zweigliedrige Typisierung der Staatsformen brachte somit lediglich eine Änderung der staatstheoretischen Terminologie, aber noch keine Modifikation der Kriterien für die Unterscheidung der möglichen Staatsformen mit sich.

I V . Wandel der Staatsformenlehre durch die Souveränitätslehre Bodins Ein grundlegender Wandel der klassischen aristotelischen Staatsformenlehre wurde dann aber durch das Aufkommen der Souveränitätslehre, mit der vor allem der Name und die Lehren Jean Bodins (1529 oder 1530-1596) verknüpft sind, begründet. Die Diskussion um die Staatsform und den Staatscharakter des Reiches kann somit nicht ohne eine Rezeption der wesentlichen Aussagen der Bodinschen Staatstheorie zutreffend dargestellt werden.

7. Bodins Souveränitätsbegriff Bodin kann als der erste Staatsdenker bezeichnet werden, der mit dem Begriff der Souveränität selbst („suverenitas", „souveraineté") eine umfassende staatstheoretische Konzeption verband und dessen Werk den Souveränitätsbegriff zum maßgeblichen Kriterium in Staatsdenken und Staatspraxis machen, wenn nicht sogar den modernen Staat erstmals theoretisch begründen sollte. 16 In Abkehr vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat mit seinem personal gebundenen und auf traditioneller Ordnung gegründeten Herrschaftssystem (wie etwa dem lehnsrechtlichen) und als Wegbereiter des barocken, absoluten Fürstenstaates17 erhob Bodin in seinem Hauptwerk „Les six livres de la République" (1576), das sowohl als Versuch einer umfassend angelegten Theorie der Politik als auch als Anleitung zum politischen Handeln in der Tradition der Fürsten-

15 16 17

Machiavelli , Der Fürst, 1. Kap., S. 35. QuaritscK Staat und Souveränität, S. 39. Stern, Staatsrecht V, § 124 III 3, S. 46.

56

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

spiegel konzipiert war 1 8 , die Souveränität zur wesentlichen Eigenschaft des (modernen) Staates (république ). Zwar war der Begriff der Souveränität (auch maiestas 19) in der zeitgenössischen politischen Theorie durchaus schon gebräuchlich, stellte aber „lediglich eine Sammelbezeichnung für konkrete Befugnisse, nicht die Umschreibung einer ausschließlichen und einzigen Herrschaftsgewalt im Königreich" 20 dar und gewann erst bei Bodin den „Rang einer herrschaftslegitimierenden Kategorie" 21 . So formuliert er, dass unter der Souveränität die absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt des Staates zu verstehen ist: „La souveraineté est la puissance absolue & perpétuelle d'une République." 22

Damit vollzieht Bodin den entscheidenden Bruch mit den Herrschaftskategorien des mittelalterlichen Personenverbandsstaats und der damit verbundenen Staatsvorstellung von wechselseitigen Rechten und Pflichten der auf den verschiedenen Ebenen der Hierarchie Herrschenden und Beherrschten. 23 An deren Stelle tritt eine moderne Staatstheorie, bei der das jeweilige Recht nicht mehr direkt mit der Pflicht korrespondiert, sondern Gesetz ist und wo sich nur noch die allein rechtsetzende Gewalt des Souveräns und die zum Gehorsam verpflichteten Untertanen gegenüberstehen. 24 Allerdings ist die Bindung an göttliches Recht und Naturrecht, an die vom Herrscher geschlossenen Verträge und an die Fundamentalgesetze mit dieser absoluten Gewalt vereinbar. 25 Souveränität bedeutet also nach den Lehren Bodins die Existenz einer nicht nur höchsten und rechtlich unabhängigen, sondern einer zugleich einzigen, juristisch nicht weiter ableitbaren und schlechterdings weltlichen „Gewalt" innerhalb eines begrenzten Raumes, die durch ihr Dasein den Staat konstituiert, und deren Substanz hauptsächlich durch die Befugnis ausgemacht wird, Gesetze an die Allgemeinheit und an jeden Einzelnen zu richten ohne durch Rechtsregeln irdischer Instanzen daran gehindert zu sein 26 : „...la première marque du Prince souverain, c'est la puissance de donner loy à tous en general, & à chacun en particulier." 27

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen ΙΠ, S. 136. Bodin , Les six livres de la République, Livre premier, Chap. VIII, S. 122. Quariîsch , Staat und Souveränität, S. 250. Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 137. Bodin , Les six livres de la République, Livre Premier, Chap. VIII, S. 122. Denzer , Nachwort, S. 180. Denzer , Nachwort, S. 180. StolleiSy Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 173. Quaritsch , Staat und Souveränität, S. 41. Bodin , Les six livres de la République, Livre Premier, Chap. X, S. 221.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

57

Souveränität beinhaltet die Frage der Letztverantwortlichkeit der jeweils höchsten politischen Gewalt 28 , die den Souverän zur Quelle aller innerstaatlichen Gesetzgebung macht und die eine äußerste Konzentration von Herrschaftsbefugnissen in juristischer Hinsicht erreicht, von der Bodin alle sonstigen Rechte der Staatsrechtssubjekte ableitet. 29 Als konkrete Beispiele für die Bestimmung der Kompetenzen des Souveräns nennt Bodin Handlungsfreiheit nach innen und nach außen, das Recht über Krieg und Frieden, die letzte Entscheidung über die Urteile der Magistrate, das Recht zur Ernennung und Absetzung von höchsten Beamten, das Recht, den Untertanen Steuern und Abgaben auferlegen oder erlassen zu können, das Recht zur Begnadigung, zur Bestimmung des Geldwertes und die Forderung nach Treueid von jedermann. 30 Entscheidend für die Bestimmung von Bodins Souveränitätsbegriff ist ferner das Dogma von der unteilbaren Souveränität. 31 Dieses leitet sich schon daraus ab, dass die Souveränität als absolute und zeitlich unbegrenzte Gewalt den logischen Ausgangspunkt einer sich nach unten ableitenden und differenzierenden Rechtsordnung darstellt. 32 Durch das Kriterium der immer schon vorausgesetzten, im Gesetzgebungsmonopol konkretisierten, unteilbaren Souveränität wird erstmals die Begründung einer einheitlichen Staatsgewalt ermöglicht. 33

2. Bodins Wirkungen

auf die Staatsformenlehre

Das Dogma von der unteilbaren Souveränität als dem höchsten Ort politischer Entscheidungskompetenz, also der Konzentration der Hoheitsrechte auf einen Punkt 34 , hatte grundlegende Auswirkungen auf die Staatsformenlehre. Zwar folgte Bodin der klassischen Einteilung der Staatsformen in Monarchie, Aristokratie und Demokratie. 35 Doch vollzog er, indem er die Frage, wer in einem Staat die Souveränität innehat, zum entscheidenden Unterscheidungsmerkmal für die verschiedenen Staatsformen bestimmte, zwangsläufig einen Bruch mit der bis dahin in der Staatstheorie herrschenden klassischen Staatsformenlehre des Aristoteles, die, wie oben gezeigt, die Staatsverfassungen primär danach unterschied, inwieweit sie den Staatszweck am besten verwirklichen

28

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 170. Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen ΠΙ, S. 137. 30 Bodin , Les six livres de la République, Livre Premier, Chap. X, S. 224. 31 Vgl. dazu: Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 137 f.; Stintzing/Landsberg II, S. 34. 32 Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen, S. 137 f. 33 Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen, S. 138. 34 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 173. 35 Bodin , Les six livres de la République, Livre Second, Chap. I, S. 251 ff. 29

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

58

konnte. Aufgrund der durch die Rigorosität der ungeteilten Souveränitätslehre vorgenommenen formalen Unterscheidung konnte die bei Aristoteles aufgeworfene Frage nach der gemischten oder gar besten Staatsform nicht mehr gestellt werden. 36

3. Konsequenzen für die Staatsform des Reiches Bodin, der als Erster die Souveränitätslehre formulierte und zum alleinigen Kriterium bei der Bestimmung der Staatsform machte, war somit auch als Erster vor die Problematik ihrer Anwendung bei der Bestimmung der Staatsform des Heiligen Römischen Reiches und bei der Beurteilung der Reichs Verfassung gestellt. Bodin entschied sich, wie nach ihm fast alle Anhänger der Lehre von der unteilbaren Souveränität, für eine eindeutige Zuordnung der Reichsverfassung auf Kosten einer Orientierung an der Verfassungsrealität. 37 Er klassifizierte das Reich als reine Aristokratie und als Einheitsstaat.38 Der Kaiser könne lediglich als administrator imperii 39, also als Repräsentativfigur und ausführendes Organ 40 , gelten, dem vor allem die einflussreichen Kurfürsten immer mehr Souveränitätsrechte „abgejagt" hätten: „...iusques à ce que les sept Electeurs ont peu a peu retranché la souveraineté, ne laissant rien à l'Empereur que les marques en apparence, demeurant en effect la souveraineté aux estais des sept Electeurs..." 41 .

Allerdings hat der Kaiser bei Bodin insofern noch eine wesentliche Funktion, als seine These vom Reich als Einheitsstaat und von der Bedeutungslosigkeit der landesterritorialen Selbstständigkeit von der Institution des Kaisertums abhängig war. 42 Bodin setzt sich damit über die VerfassungsWirklichkeit im Reich und die Problematik einer faktisch geteilten dualistischen Herrschaft zwischen Kaiser und Reichsständen hinweg. Diese zweigeteilte Herrschaft drückte sich aber darin aus, dass der Kaiser in der Verfassungswirklichkeit unterschiedliche Möglichkeiten hatte, auf den Gang der Reichstagsverhandlungen einzuwirken, vom Reichstag unabhängige Reservatrechte besaß und ein den Ständen gleichberechtigter Verhandlungspartner war, da nur im Einvernehmen zwischen Kai-

36 Bermbach, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 141; Denzer, Nachwort, S. 186. 37 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 265. 38 Bodin, Les six livres de la République, Livre Second, Chap.VI, S. 320 f. 39 Bodin , Les six livres de la République, Livre Second, Chap. I, S. 254. 40 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 265; Denzer, Nachwort, S. 191. 41 Bodin, Les six livres de la République, Livre Second, Chap. VI, S. 321.

42

Denzer, Nachwort, S. 192.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

59

ser und Ständen ein Reichstagsbeschluss zustande kommen konnte 43 . Dennoch sollte Bodins Grundsatz von der ungeteilten Souveränität die reichstheoretischen Ansätze im 17. Jahrhundert und vor allem die Staatsformenlehre und Reichstheorie Samuel Pufendorfs maßgeblich bestimmen.

V. Die Reichsdebatte in der Publizistik vor „Severinus de Monzambano" Zur Einordnung von Pufendorfs Reichstheorie ist es von Relevanz, gegen welche der bisherigen Erklärungsmodelle zur Staatsform des Reiches er sich wandte, wer also seine geistigen Vorgänger und Gegenspieler in der Reichspublizistik vor 1667 waren. Die Frage nach der Staatsform des Reiches diente in der reichspublizistischen und politikwissenschaftlichen Diskussion des 17. Jahrhunderts als Einkleidung für die zentrale Problematik der Verteilung der staatlichen Macht zwischen Kaiser und Reichsständen44, an deren Lösung sich jede einer Dogmatik des Reichsstaatsrechts dienende Staatstheorie ausrichten musste 45 . Spätestens seit der Publikation des Bodinschen Dogmas von der ungeteilten Souveränität ergaben sich auch Erklärungsprobleme der Reichspublizisten hinsichtlich der Staatsform des Reiches. Nach einer sukzessiven Anerkennung der Souveränitätslehre Bodins, die schon aufgrund ihrer tiefen Verwurzelung in der legistischen und kanonistischen Tradition nur schwerlich außer Acht zu lassen war 46 , waren die Erklärungsansätze in der Reichspublizistik geprägt von dem Versuch, die strenge Theorie der Souveränitäts- und Staatsformenlehre mit der Realität und verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der Reichsverfassung in Einklang zu bringen. Denzer verdeutlicht diesen Zusammenhang mit einem Bild aus der griechischen Mythologie: „Zwischen der Skylla, die Realität und Verfassungsgeschichte anzuerkennen und dafür die strenge Souveränitätsdoktrin aufzugeben, und der Charybdis, die Staatsform des Reiches im Einklang mit der Souveränitätsdoktrin zu formulieren und dafür eine Änderung der Realität der Reichsverfassung zu fordern oder Realität und Verfassungsgeschichte verfälschend umzudeuten, durchzusegeln, hat sich jeder schwergetan; keines der Schiffe ist ohne schwere Havarie an dem einen oder anderen Felsen vorbeigekommen, wenn es nicht gar total zerschellt ist." 47

Ebenso wie es auch Pufendorf in seiner Analyse der Schwächen des deutschen Reiches dargestellt hat, entzündete sich der theoretische Streit um die 43 44

Denzer, Nachwort, S. 191.

Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 111. 45 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 104. 46 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 185. 47 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen ΙΠ, S. 265; Denzer, Nachwort, S. 191; Denzen Samuel Pufendorf und die Verfassungsgeschichte, S. 307.

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

60

Staatsform des Reiches zwar primär an der Frage des Trägers der Souveränität im Reich, also an der Zuweisung bzw. Aufteilung der Souveränitätsrechte ( maiestas) an Kaiser und Reichsstände, aber er bezog sich auch auf das Verhältnis zwischen dem Reich und den aufstrebenden Territorialstaaten. Unter diesen beiden Gesichtspunkten sind daher die drei verschiedenen dogmatischen Hauptrichtungen in der Reichspublizistik zu beobachten, die sich noch an dem aristotelischen Dreiklang der Staatsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie orientierten, nämlich eine kaisertreue, die das Reich als Monarchie charakterisierte, eine reichsständische, die dem aristokratischen Staatsformenmodell für die Beschreibung des Reichs anhing, sowie die Lehre von der Misch Verfassung (Mischung zwischen Monarchie und Aristokratie). 48 Als Demokratie ist das Reich wohl nie klassifiziert worden, auch wenn einige demokratische Züge an ihm entdeckt werden konnten. 49 Erst Pufendorf sollte mit seiner These von der Monstrosität der Reichs Verfassung zu Beginn des letzten Drittels des 17. Jahrhunderts die Einordnung des Reiches in das geläufige Staatstypenschema in Frage stellen.

1. Das Reich als Monarchie - Vorherrschaft

des Kaisers

Die kaiserliche Richtung in der Reichspublizistik bemühte sich unter Festhalten an den klassischen aristotelischen Kategorien und unter Beachtung des Bodinschen Dogmas der ungeteilten Souveränität 50 darum, den Kaiser unter Negation der Verfassungswirklichkeit als alleinigen Träger der Souveränitätsrechte und damit das Reich als Monarchie zu klassifizieren. Man versuchte allerdings, das neue Dogma von der ungeteilten Souveränität mit der althergebrachten Begründung, das Reich könne wegen der Weissagung Daniels von den vier Weltmonarchien 51 und der translatio imperii vom Römischen auf das Deutsche Reich nur eine Monarchie sein, in Einklang zu bringen. 52 Als ein wichtiger früher Vertreter der monarchischen Richtung postulierte Henning Arnisaeus (gestorben 1636) mit seinem Werk „De jure majestatis libri très" (1610) die vollständige Souveränität des Kaisers, die durch den Wahlakt auf ihn übergehe, wobei die Reichsstände nichts anderes seien als vom Kaiser

48

Bei der Betrachtung der einzelnen dogmatischen Richtungen sollen nur die Autoren dargestellt werden, die aufgrund ihrer Bedeutung für eine bestimmte Strömung als repräsentativ angesehen werden können. 49 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 47. 50 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 265. 51 Dan. 2, 37 ff.; 7, 17 ff. 52 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 265.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

61

abhängige Magistrate ohne Teilhabe an der Souveränität. 53 Ähnlich argumentierten auch Konrad von Einsiedel (gestorben 1668) in seiner Schrift „Tractatibus de juribus ad imperatoris Romano-Teutonici majestatem pertinentibus sive regalibus" (1619) und Matthias Stephani (1576-1646) in seinem „Tractatus de jurisdictione" (1610/11), in der mit gewissen Schattierungen bezüglich der Reichsstände dem Kaiser jedoch die summa et absoluta potestas eingeräumt wird. 5 4 Zu Beginn der Kontroverse in der Reichspublizistik des 17. Jahrhunderts wurde die entschieden monarchische Reichsauffassung auch von Gottfried Antonius (1571-1618) und Hermann Vultejus (1555-1634) vertreten. 55 Als Hauptvertreter einer „kaisertreu"-lutherischen Reichspublizistik 56 , die zumindest in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts häufiger vertreten wurde als die aristokratische Richtung 57 , ist jedoch Dietrich Reinkingk (1590-1664) anzusehen, der in seiner Schrift „Tractatus de regimine saeculari et ecclesiastico" (1619), die von der kaiserlichen Partei „in den Rang eines symbolischen Buchs" 58 erhoben wurde, eine „kompromisslos verfochtene cäsaristische Ausdeutung der Reichsverfassung" 59 vertreten hat, die „deutlich von mittelalterlichen Sakralisierungstendenzen geprägt" 60 war. Als typisches Merkmal der Argumentation Reinkingks ist zu beobachten, dass er die weit verbreitete sakrale Reichs- und Geschichtsmetaphysik bedenkenlos zur Stütze seiner juristischen Argumentation heranzog und somit die Ausübung der höchsten Staatsgewalt durch den Kaiser mit der translatio des Imperium Romanum und mit der Fortgeltung der lex regia, also der Übertragung der gesamten hoheitlichen Gewalt durch das römische Volk auf den Vorgänger der neueren Kaiser, begründete. 61 Reinkingk ließ sich demnach bei seiner Beurteilung der Staatsform des Reiches und seiner Verfassung maßgeblich von dem Grundgedanken leiten, das Heilige Römische Reich deutscher Nation sei die letzte der vier Universalmonarchien der Weltgeschichte, nämlich das auf die Deutschen ohne Mittlerstellung des Papstes übertragene Römische Reich (translatio imperii f 2. Aufgrund dieser Anknüpfung an die überkommene escha53 Arnisaeus, De jure majestatis libri très, Lib. I, Cap. Π, S. 10 ff.; Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen ΠΙ, S. 266. 54 Stephani, Tractatus, Lib. II, Part. I, Cap. I, Memb. Π, S. 36 ff.; Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 266. 55 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 49. 56 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 151. 57 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen ΠΙ, S. 265. 58 Link, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 81 \ Stintzing/Landsberg II, S. 199. 59 Link, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 82. 60 Link, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 82. 61 Reinkingk,, Tractatus, Lib. I Class. II, Cap. I (S. 42 ff.), Cap. Π (S. 94 ff.). 62 Reinkingk , Tractatus Lib. I, Class. II, Cap. I, Nr. 7-9, Cap. IV; vgl. dazu Hammerstein,, in: Kunisch (u. a.), S. 187 ff.; Lübbe-Wolf, in: Der Staat 23 (1984), S. 369 ff.

62

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

tologische Reichsidee musste die Staatsform des Reiches für Reinkingk notwendig eine monarchische sein. Aus dieser Deduktion ergab sich in Verbindung mit seiner Akzeptanz der Bodinschen Lehre von der ungeteilten Souveränität für Reinkingk der zwingend logische Schluss, dass dem Kaiser die volle Souveränität im Reich (summa et legibus soluta potestas) zufallen müsse.63 Auch wenn das Reich trotz des gewaltigen Säkularisierungsschubs in Europa wenigstens einen Restbestand seines sakralen Charakters behielt 64 und sich für die Souveränität des Kaisers Argumente aus den rechtlichen Konstrukten der Jurisdiktion, der Regalia maiora und den kaiserlichen Reservatrechten ableiten ließen 65 , verschloss ein derartiges kompromissloses Festhalten an der mittelalterlichen Kaiser- und Reichsidee die Augen vor der Rechtswirklichkeit im Reich und beinhaltete eine „Bagatellisierung" 66 der nicht zu bezweifelnden Teilhabe der Reichsstände an der Reichsgewalt. Allerdings ist Reinkingk zugute zu halten, dass er sich bei der Herleitung der kaiserlichen Majestätsrechte auch auf positivrechtliche Argumente stützte: Zu diesen gehörte beispielsweise die Betonung, dass die Reichsstände dem Kaiser durch ihre lehnsrechtlichen Verpflichtungen zu Untertänigkeit, Gehorsam und Heerfolge verpflichtet seien 67 , dass die Reichsstände an der höchsten Gerichtsbarkeit mangels reichsgesetzlicher Normierung nicht beteiligt seien68 und dass ihnen aufgrund des Einberufungsrechts des Reichstages durch den Kaiser ein über bloße Beratung hinausgehendes Gesetzgebungsrecht nicht zustände69. Auch wurden die aristokratischen Elemente der Reichsverfassung nicht völlig übergangen, sondern auf der Ebene der Regierungsweise (gubernatio) eingeordnet. 70 Somit verteidigte Reinkingk seine Auffassung gegen die aristokratische Richtung mit dem positivistischen Argument der konkreten Majestätsrechte des Kaisers in der Reichs Verfassung, wohingegen er gegen die Lehre von der Mischverfassung das staatstheoretische Argument der unteilbaren Souveränität anführte. 71 Trotz der theoretischen Vereinigung aller Herrschaftsgewalt in der Person des Kaisers ist Reinkingk aufgrund seiner Betonung der der kaiserlichen Souveränität gesetzten Grenzen des ius divinum et naturale, des ius gentium und der

63

Reinkingk, Tractatus, Lib. I, Class. Π, Cap. II, Nr. 26-28 (S. 57). Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 170. 65 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 170. 66 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 48. 67 Reinkingk, Tractatus, Liber I, Class. II, Cap. II, Nr. 86-91 (S. 68). 68 Reinkingk, Tractatus, Liber I, Class. Π, Cap. II, Nr. 154-169 (S. 70 f.). 69 Reinkingk, Tractatus, Liber I, Class. II, Cap. II, Nr. 128-142 (S. 67 f.). 70 Reinkingk, Tractatus, Liber I, Class. II, Cap. II, Nr. 203 (S. 79); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 223. 71 Reinkingk, Tractatus, Liber I, Class. II, Cap. II, Nr. 231 (S. 79). 64

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

63

leges fundamentales nicht als Befürworter eines absolutistischen Kaisertums, sondern als Vertreter einer gemäßigten Monarchie einzustufen. 72 An den Ansatz Reinkingks angelehnt, wurde die These von der unteilbaren kaiserlichen Souveränität in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch von Jakob Bornitz („Cynosura juris publici in Romano-Germanico imperio", 1625), Wilhelm Ferdinand von Efferen („Manuale politicum", 1630), Theodor Grasswinkel („De jure majestatis", 1642), Franz Wilka von Bodenhausen („Disputatio de lege regia", 1642), Balthasar Cellarius („Politica succincta", 1658), Johann Paul Felwinger („Dissertatio de majestate", 1661), Johann Christoph Beckmann („Meditationes politicae", 1672) und Veit Ludwig von Seckendorff („Jus publicum Romano-Germanicum", 1686) vertreten. 73

2. Das Reich als Aristokratie

- Primat der Reichsstände

Bodin war aufgrund seiner Qualifizierung des Reiches als aristokratisches Gebilde 74 von der monarchisch gesinnten Strömung der Reichspublizistik scharf kritisiert worden, da er durch derartige Thesen die Lehre vom Reich als der vierten Universalmonarchie und damit das gesamte Weltbild eines letzten bis zur Gegenwart reichenden Römischen Reiches75 ins Wanken bringen musste. Gleichzeit diente Bodin als Vorbild einer Minderheitsmeinung in der Reichspublizistik, die sich in dem in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgetragenen Verfassungskonflikt zwischen Kaiser und Reichsständen herauskristallisierte und die das Reich seiner Staatsform nach als reine Aristokratie charakterisierte, was einer Anerkennung der Herrschaftsgewalt der Reichsstände über das Reich gleichkam. Als berühmtester Vertreter dieser reichsständischen Richtung dürfte Bogislaw Philipp von Chemnitz (1606-1678) anzusehen sein, der in seiner in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges publizierten und aus anti-habsburgerischen 76 Ressentiments motivierten „Dissertatio de ratione status in Imperio nostro Romano-Germanico" (1640 oder 1647 77 ) die Reichstheorie Bodins um-

72

Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 267; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 52; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 220. 73 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 267. 74 Bodin , Les six livres de la République, Livre Second, Chap.VI, S. 320 f. 75 76

Duchhardt , Verfassungsgeschichte, S. 176.

Vgl. dazu Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 7, S. 102. 77 Zu den Unklarheiten über das Erscheinungsjahr vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 137 f.; Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 119 (Anm. 5); Stintzing/Landsberg II, S. 46 f.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 204.

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§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

fassend rezipierte und insofern weiter zuspitzte, als das Reich als eine seit jeher „souveräne Fürstenaristokratie" gekennzeichnet wurde. 78 Auch Chemnitz kann als Vertreter der strengen Souveränitätslehre gekennzeichnet werden, der jede Form von Mischverfassung oder Teilung der Souveränität zwischen Kaiser und Reichsständen ablehnte, dabei aber in schärfster Opposition zu Reinkingk die entgegengesetzte Schlussfolgerung zog, indem er das Reich als Aristokratie der im Reichstag versammelten Stände verstand und die Unterordnung des Kaisers unter den Willen der Reichsstände forderte. Die Leitung des Reiches, die Hoheitsrechte (iure maiestatis 79) und damit die Souveränität standen nur der Gesamtheit der Reichsstände zu, während die Rechte des Kaisers zu Ehren-Vorrechten und unselbstständigen administrativen und repräsentativen Leitungsrechten herabgesetzt wurden 80 , die dieser nunmehr als eine Art „Geschäftsführer" („Sacri Imperii minister" 81 ) bzw. „Direktor des Reichstages" („Comitiorum legitimus director" 82 ) wahrnehmen sollte. Diese These vom Status des Reiches als „aristocraticum", also „ex diversis Aristocratiis mixtum: Administrationem vero aristocratico monarchicam" 83 , versuchte Chemnitz im ersten Teil seiner Abhandlung ebenso wie Reinkingk aus einer Analyse der Reichsgesetze und des Reichsgewohnheitsrechts zu begründen, indem er den kaiserlichen Anteil an den Hoheitsrechten entweder als verfassungswidrige Anmaßung oder als unerheblich hinstellte. 84 Der Kaiser sei an die Reichsgesetze gebunden und könne von einem namens aller Reichsstände von den Kurfürsten gehaltenen Gericht zur Verantwortung gezogen werden 85 , wohingegen der Reichstag dem positiven Recht übergeordnet und auch alleiniger Reichsgesetzgeber sei. 86 Zudem wurde der unter anderem von Reinkingk vorgebrachte historischeschatologische translatio-imperii-Standpunkt mit dem schon von Calvin in der Kommentierung des Propheten Daniel verwendeten Argument entkräftet, dass das alte Römische Reich in der Völkerwanderung untergegangen sei, unabhängig davon, ob es als „Viertes Reich" gezählt wurde oder nicht. 87 Die Kontinui78

Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Conclusio primae partis, S. 256 ; vgl. dazu Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 177. 79 Bodin , Les six livres de la République, Livre Premier, Chap. 10, S. 211 ff. 80 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Conclusio Primae Partis, S. 256 ff. 81 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars I, Cap. IV, Sec. I, S. 45; vgl. dazu auch Duchhardt , Verfassungsgeschichte, S. 177. 82 Hippolithus a Lapide , Dissertatio Pars I, Cap. IV, Sec. I, S. 45; vgl. dazu auch Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 122. 83 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Conclusio Primae Partis, S. 256 f. 84 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 120. 85 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars I, Cap. 5, S. 71 ff. (74). 86 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars I, Cap. 6, S. 90 ff. 87 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 151.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

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tat des Imperium Romanum zum „römischen" Reich der Deutschen erwies sich nach dieser Argumentation entweder als Anmaßung der Deutschen (Bodin 88 ) oder als historisches Relikt, an dessen machtpolitische Verwirklichung niemand mehr glauben konnte. 89 Chemnitz kann als Ausnahmeerscheinung unter den Reichspublizisten angesehen werden, da er der Einzige war, der es nicht nur bei der polemischen Kritik an der Reichsverfassung beließ. Im dritten Teil seiner Abhandlung wurden Konsequenzen aus der Diskrepanz zwischen seiner Staatstheorie (Bagatellisierung der Rechte des Kaisers bzw. Überbetonung des aristokratischen Elements in der Reichsverfassung 90) und der Verfassungswirklichkeit des Reiches gezogen, indem Chemnitz unter Berufung auf die „existentiellen Interessen" 91 des Reichs (ratio status) eine Ersetzung der kaiserlichen durch die ständische Zentralgewalt forderte, was durch die Austreibung des Hauses Habsburg aus dem Reich („Domus Austriacae exstirpatio" 92 ), die Stärkung des Reichstages und die Schaffung eines Reichsregiments und eines stehenden Reichsheeres zu bewirken sein sollte. 93 Durch diesen Aufruf zur „Sanierung der verletzten aristokratischen Reichsverfassung" 94 konnte Chemnitz die Zentrierung der Reichsgewalt beim Reichstag und die Einheit der Reichsstände propagieren, was teilweise sogar als Parallele zu den Parlamentarisierungsbestrebungen und Vorgängen der Glorious Revolution in England gesehen wird. 95 Die Bedeutung und Wirkung der Schrift des Hippolithus a Lapide, des „enfant terrible" 96 der Reichspublizistik, dessen schonungsloser Abhandlungsstil und dessen Motivation als „Realpolitiker der Macht" Parallelen zu Machiavelli aufkommen lassen97, wurde auch von nachfolgenden Reichspublizisten als sehr hoch eingeschätzt: So war sie nach der Aussage Häberlins 1794 „bald der Katechismus der Fürsten und ihrer Räthe und hat dem kaiserlichen Hofe unendlich geschadet"98, und Pütter bemerkte, dass das Pamphlet dem kaiserlichen Hof vielleicht größeren Schaden zugefügt habe als manche verlorene Schlacht 99 .

88

Zitiert bei Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 151. Für Nachweise vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 151. 90 Hohe, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 119. 91 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars Π, Cap. 1 ff., S. 1 ff.; Hoke , in: Stolleis, Staatsdenker, S. 122. 92 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars III Cap. 2, S. 5 ff. 93 Hippolithus a Lapide , Dissertatio, Pars III Cap. 5 und 6, S. 48 ff. 94 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 124. 95 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 206. 96 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 206. 97 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 205. 98 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 17. 99 Pütter, Litteratur des Teutschen Staatsrechts I, S. 207. 89

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

66

Auch Pufendorf, für den die hippolithische Schrift auch einen Anstoß zur Abfassung seiner eigenen Abhandlung über die Reichsverfassung gegeben haben mag (s. o.), wird dessen Bedeutung erkannt haben, wenn in „De statu Imperii Germanici" Hippolithus a Lapide als einziger Vertreter der zeitgenössischen Reichspublizistik auftaucht, mit dem sich Pufendorf ernsthaft auseinander setzt. 100 Auch wenn die von Hippolithus a Lapide formulierten Reform Vorschläge politisch aussichtslos gewesen sein mögen, so hat er aufgrund von Form und Charakter seines Pamphlets einen neuen Stil in die noch junge Reichspublizistik eingeführt, nämlich den der „offen interessengeleiteten Verfassungsanalyse" 1 0 1 , den sich auch Pufendorf bei der Abfassung seiner Reichsverfassungsschrift zu eigen machen sollte.

3. Die Lehre von der Mischverfassung

(Res publica mixta)

Diesen beiden monistischen Extrempositionen wurde die differenziertere Lehre von der Mischverfassung entgegengehalten, welche die Reichsverfassung als eine Mischung aus monarchischen und aristokratischen Elementen begriff, und als deren wesentliche Vertreter Dominicus Arumaeus (1579-1637), Jakob Lampadius ( 1593-1649) 102 , Johannes Limnaeus (1592-1663) und Hermann Conring 103 (1606-1681) anzusehen sind, unter denen aber der „Spitzenplatz" 104 Limnaeus als Verfasser der umfassendsten Reichsverfassungslehre in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 105 und als Verfechter einer Existenzberechtigung des Staatsrechts als eigenständiger Wissenschaft 106 einzuräumen ist. Seiner Bestimmung des Rechtscharakters der Reichsverfassung gebührt daher vornehmliche Aufmerksamkeit. Die maßgeblich von Limnaeus in seinem Werk „Juris Publici Imperii Romano-Germanici" (1629-1634) geprägte Lehre von der Mischverfassung (status 1 /Y7 1 Hfi mixtus ) stellt sich unter Benutzung ausschließlich deutscher Quellen der 100

Vgl. Pufendorf.Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 7, S. 102 ff. und 8. Kap. §§ 2 f., S. 124 f. 101 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 58. 102 Vgl. zu Arumaeus und Lampadius: Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 268 f.; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 54. 103 Vgl. bspw. Conring , Dissertatio de ducibus et comitibus, Nr. XXIII, Opera Vol. II, S. 761; Willoweit, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 144 f. 104 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 54. 105 Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 269; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 55. 106 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 101. 107 Vgl. dazu: Hoke, Reichsstaatslehre, S. 158 ff., S. 169 ff.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

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Problematik, dass das Reich bei genauer Beachtung der Verfassungswirklichkeit keiner der reinen aristotelischen Kategorien zugeordnet werden kann, sondern als halb monarchisches und halb aristokratisches Staatsgebilde zu klassifizieren ist (res publica mixta )109, in dem zwar das kaiserliche Reichshaupt das „Primarorgan" des in monarchischer Form organisierten Reiches darstellt 110 , aber die oberste Staatsgewalt im Reich zwischen Kaiser und Ständen, Kurfürsten, weltlichen und geistlichen Fürsten, Grafen, Prälaten und Reichsstädten geteilt ist. Die Mischverfassungslehre unternahm damit den Versuch, den faktischen Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen auch in der Staatstheorie und im System des Reichsstaatsrechts abzubilden. Komplex gestaltete sich allerdings die dogmatische Begründung dieser Mischverfassungslehre, was vor allem gleichsam als Vorfrage die Lösung der Souveränitätsproblematik beinhaltete. Die Lehre vom status mixtus, die eine Aufteilung der Souveränität zwischen dem Kaiser und der Gesamtheit der Reichsstände beinhaltete, erwies sich als unvereinbar mit dem personalen Souveränitätsbegriff Β odins. In logischer Konsequenz dazu lehnte Limnaeus den Souveränitätsbegriff Bodins ab und entwickelte zur Beurteilung des Reichsrechts eine staatstheoretische Doktrin seiner Zeit 1 1 1 , nämlich die sog. doppelte Majestätslehre, weiter. Es wurde durch die „eigenartige Verbindung" 112 zweier an sich konträrer Souveränitätslehren, nämlich der Herrschersouveränität Bodins und der von Johannes Althusius als Staatssouveränitätslehre erneuerten Lehre von der Volkssouveränität 113 eine Differenzierung zwischen der gemeinwesenimmanenten maiestas realis und der durch jene übertragenen maiestas personalis vorgenommen 114 und damit eine Trennung zwischen der Souveränität und ihrer Ausübung 115 . Dies besagt aber nicht, dass das Gemeinwesen zwei verschiedene Herrschaftssubjekte hat, sondern die einzig wahre unteilbare maiestas (Souveränität) ist die „reale", auf der alle im Gemeinwesen legitim gebietende Gewalt be-

108 Vgl. dazu Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 55; Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 102 f., S. 108; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 221. 109 Limnaeus , Juris publici, Liber I, Cap. 10 Nr. 12. 110 Limnaeus, Juris publici, Liber II, Cap. 2 ; Hoke , Reichsstaatslehre, S. 107. 111 Vgl. zu den Vorläufern des Limnaeus: Hoke, Reichsstaatslehre, S. 77 ff. 112 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 104. 1,3 Althusius, Politica methodice digesta, Cap. IX Nr. 13, Cap. XVIII Nr. 9; vgl. dazu auch Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 131 f. 114 Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Rudolphi II., Annotamenta ad articulum XXXII, Nr. 48 f. (S. 532), Nr. 73 (S. 539); vgl. dazu Stolleis, in: Entstehen und Wandel, S. 80. 115 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 185.

68

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

ruht. 1 1 6 Subjekt bzw. Inhaber der höchsten Gewalt (maiestas realis) ist die Gesamtheit des staatlich organisierten Volkes, die res publica selbst einschließlich ihres Oberhaupts, wohingegen der Herrscher nur als „oberster Funktionär" im Auftrag des eigentlichen Souveräns die diesem zustehende Hoheitsgewalt ausübt (maiestas personalis)} 11 Die hoheitliche Gewalt leitet sich somit nicht aus der autonomen Gewalt einer Einzelperson oder eines Kollektivs ab, sondern nur aus einer übertragenen Gewalt. Zusammenfassend ergibt sich der Unterschied zu Bodin daraus, dass die Souveränität nicht im herrscherlichen Subjekt, sondern in der über handlungsfähige Repräsentanten verfügenden Gesamtheit angesiedelt wurde. 118 In modernen Termini der späteren Staatslehre gesprochen, wurde unter Ablehnung der Herrschersouveränität Bodins stattdessen eine Staatssouveränität angenommen und die oberste Herrschaftsgewalt im Reich als Organgewalt interpretiert. 119 Als Konsequenz für die status mixtus-Lehie, die an die in der Antike geführte Diskussion von den Vorzügen einer gemischten Verfassung anschloss120, bedeutete diese Lösung der Souveränitätsproblematik, dass die in der Verfassungswirklichkeit auftretende „Mischung" von monarchischen und aristokratischen Elementen nicht auf der Ebene der Regierungsweise, sondern als Erscheinungsform der maiestas personalis gewertet wurde. 121 Die oberste Organgewalt (maiestas personalis ) konnte daher hinsichtlich bestimmter Staatsaufgaben in monarchischer Form von einer einzelnen und hinsichtlich anderer in aristokratischer Form von mehreren führenden Personen im Staate wahrgenommen werden. In Übertragung auf das Gefüge des Reichsstaatsrechts bedeutet dies, dass nur das staatlich organisierte Reichsvolk Subjekt der maiestas realis sein kann, was bei Limnaeus allerdings nicht mit einer unorganisierten Volksmasse, sondern mit der Gesamtheit der Reichsstände gleichzusetzen ist, die dem Kaiser die personale Majestät überträgt. 122 Der Kaiser ist trotz seiner Stellung als Oberhaupt

116

Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 56. Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Rudolphi II., Annotamenta ad articulum X X X I I , Nr. 13 und 16 (S. 527), Nr. 48 und 49 (S. 532), Nr. 73 (S. 539); Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 104; Hoke, Reichsstaatslehre, S. 65 ff. 118 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 49. 119 Hoke, Reichsstaatslehre, S. 77 ff., S. 94 ff.; Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 105, S. 119 f. 120 Limnaeus, Juris Publici Liber I, 10, Nr. 12: „Imperium mixtum ex Monarchia et Aristocratia arbitramur: ita tarnen ut aristocratiae lumen clarius apparere statuamus."; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 224. 121 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 224. 122 Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Rudolphi II., Annotamenta ad articulum X X X I I , Nr. 55 und 56 (S. 535). 117

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

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des Reiches durch die Wahlkapitulationen 123 und die übrigen Reichsgrundgesetze gebunden, kann ohne die Mitwirkung anderer Reichsrepräsentanten, namentlich der Reichsstände, hinsichtlich bestimmter Teile der Reichsangelegenheiten nicht allein rechtsverbindlich handeln 124 und ist somit in der Terminologie des Limnaeus zwar nicht „supremus Dominus Imperii", wohl aber „supre125 mus Dominus in Imperio" . Innerhalb der Mischverfassung hat das aristokratische Element das Übergewicht 1 2 6 , was Limnaeus anhand der Kompetenzverteilung im Reich erläutert: Alle wesentlichen Kompetenzen, wie die Reichsgesetzgebung127, die Erhebung der Reichssteuern 128, die Entscheidung über Krieg, Frieden und Bündnisse 129 , die oberste Gerichtsbarkeit im Reichskammergericht 130, die Verhängung der Reichsacht, die oberste Lehnsgerichtsbarkeit, die Wiederverleihung einer vakanten Kurwürde, die Schaffung neuer Reichsstände131 und die Verfügung über das Reichsgut 132 , würden vom Kaiser und den Reichsständen bzw. den Kurfürsten gemeinschaftlich ausgeübt.133 Dagegen ständen dem Kaiser allein nur Kompetenzen vergleichsweise geringerer Bedeutung zu, wie z.B. die Gesetzesinitiative, die Sanktionierung und Verkündung der Reichsgesetze, die Rechtsprechung im Reichshofrat, das Recht der Ersten Bitten, die Verleihung von Standeswürden, die Vergabe unmittelbarer Reichslehen, die Privilegierung der Uni-

123 Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Ferdinandi IV., Annotamenta ad articulumXIX, Nr. 11 (S. 839). 124 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 56. 125 Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Ferdinandi IV., Annotamenta ad articulum XLVII, Nr. 24 (S. 865). 126 Limnaeus, Juris publici Liber I, Cap. 10, Nr. 28 ff.; Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 269; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 56; Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 111. 127 Limnaeus, Juris publici Liber I, Cap. 10, Nr. 32; vgl. dazu Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 112. 128 Vgl. dazu: Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Caroli V., Annotamenta ad articulum XII, Nr. 3-8 (S. 197); Hoke, Reichsstaatslehre, S. 183 ff. 129 Vgl. dazu: Limnaeus, Juris publici Liber I, Cap. 10 Nr. 28; Hoke, Reichsstaatslehre, S. 186 ff. 130 Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Matthiae, Annotamenta ad articulum XXIII, S. 565. 131 Limnaeus, Juris publici Liber I, Cap. 7, Nr. 65 f., Nr. 79. 132 Limnaeus, Capitulationes, Capitulationis Caroli V., Annotamenta articulum VIII.IX., S. 162 ff. 133 Limnaeus, Juris publici Liber I, Cap. 10, Nr. 7 und Nr. 12; Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen ΠΙ, S. 270; Hoke, Reichsstaatslehre, S. 171 ff.

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§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

versitäten, die Verleihung von Stadtrechten, das Postregal, die Legitimation unehelicher Kinder und das Recht zur Erklärung der Volljährigkeit. 134 Limnaeus kann mit seiner ständisch-demokratischen Lehre 135 als Vertreter einer protestantischen und reichsständischen Position gesehen werden, die eine realistische Beurteilung des Kaisers einschloss und primär historisch fundiert war. 1 3 6 Seine status mixtus-Lehie in Verbindung mit der doppelten Majestätslehre fand unter den Reichspublizisten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wohl den meisten Anklang 1 3 7 , was vor allem an dem ihr innewohnenden Kompromisscharakter zwischen der Anerkennung der monarchischen Staatsform des Reiches und der Anerkennung reichsständischer Majestätsrechte gelegen haben könnte. M i t dieser Lehre wurde die Teilung der Hoheitsrechte zwischen Kaiser und Reichsständen als signifikantes Kennzeichen der deutschen Reichsverfassung akzeptiert und somit ein „pragmatischer Ausweg" aus den staatstheoretischen Zuordnungsschwierigkeiten ermöglicht 138 . Auch die Tatsache, dass beispielsweise in England 139 eine parallele Diskussion der Mischverfassung stattfand und die deutsche Vorstellung der doppelten Majestät und der gemischten Herrschaftsform sich auch nach Schweden verbreitete und von der dortigen Staatslehre aufgenommen wurde 140 , unterstreicht die Bedeutung der status mixtus-Lehie in der reichstheoretischen Debatte. Nicht zuletzt trug sicherlich die durch das Pamphlet des Hippolithus a Lapide geschaffene Polarisierung der beiden monistischen Lösungsansätze dazu bei, dass sich in der Reichsstaatsrechtswissenschaft eine herrschende Meinung herausbildete, für die der einzig mögliche Kompromiss bei der Gestaltung der Reichsverfassung in der Mitte zwischen dem monarchischen und aristokratischen Erklärungsmodell lag und deren Vorstellungen im positiven Reichsverfassungsrecht realisiert wurden. 141 Durch dieses die faktischen Gegebenheiten realistisch einschätzende theoretische Fundament wurde der faktische Dualismus von Kaiser und Reichsständen in den Friedensverträgen von Münster und Osnabrück für die Restdauer des Reiches verfassungsrechtlich verankert. 142 Hoke geht dabei sogar so weit, es der von Limnaeus repräsentierten Richtung in der deutschen Reichspublizistik zuzuschreiben, dass die Verfassung des Reiches

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Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 115. Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 56. 136 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 57; Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 104; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 152. 137 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 48, S. 56. 138 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 224. 139 Vgl. dazu: Nippel, Mischverfassungstheorie, S. 159 ff. 140 Runeby, Monarchia mixta, S. 21. 141 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 119. 142 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 112 und S. 120. 135

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

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von dem mittelalterlichen Nebeneinander von Kaiser und Reichsständen nicht befreit und weder im monarchischen noch im aristokratischen Sinne zu der eines modernen Staates umgestaltet werden konnte. 143

4. Die Lehre vom Reich als „ Civitas composita " Eine sich mit dem Verhältnis zwischen Reichsganzem und Territorien auseinander setzende Auffassung, als deren maßgebliche Vertreter Christoph Besold (1577-1638) und Ludolf Hugo (1632-1704) zu nennen sind, sah das Reich als einen „aus Staaten sich zusammensetzenden Staat" (civitas composita) an. Besold gilt als einer der frühesten Vertreter der Staatenstaatslehre, der zugleich für die status mixtus-Lthre und die doppelte Majestätslehre eintrat, indem er den Status des Reiches als „ex Aristocratia et Regio Imperio, commixtum" 144 und die Majestät als gemeinwesenkonstituierende, die leges fundamentales äußernde Gewalt 145 beschrieb. Durch die neuartige Unterscheidung der beiden Typen des absoluten und subordinierten Staates in Verbindung mit der doppelten Majestätslehre konnte er auch die deutsche Territorialherrschaft als eine Form der Majestät auffassen; diese sei aber der kaiserlichen Majestät untergeordnet. 146 Das Reich sei als Oberstaat anzusehen, dem allein die Majestät zustehe. Der Oberstaat setze sich aus mehreren „republicae subalternae" zusammen, die zwar nicht souverän und damit keine eigentlichen Staaten, aber ansonsten dem Oberstaat analog seien (Modell der civitas composita ).147 Allerdings kann die Lehre Besolds nicht als erste Ausprägung einer Bundesstaatslehre verstanden werden, da seine „republicae subalternae" mangels eigener Souveränität keine Staaten darstellen und Besold daher nicht zur Entwicklung des Bundesstaatsbegriffs kommen konnte. 148 Die Lehre vom Reich als civitas composita als Bezeichnung für den aus verschiedenen Staaten mit eigenen Obrigkeiten sich zusammensetzenden Staat wurde von Hugo in seiner Dissertation „De statu regionum Germaniae" (1661) 149 aufgegriffen und erstmals ausgearbeitet. Auch wenn Hugo wohl aufgrund der Leistungen Pütters bezüglich des Staatenstaatsbegriffs nicht, wie teilweise geschehen, als alleiniger Urheber des modernen Bundesstaatsbegriffs 143

Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 112; Hoke, Reichsstaatslehre, S. 158, S. 206 ff. Besold , Politicorum libri duo, Lib. I, Cap. VIII, Nr. 5 (S. 281). 145 Besold , Politicorum libri duo, Lib. I, Cap. II, Nr. 2-4 (S. 54 ff.). 146 Besold , Politicorum libri duo, Lib. I, Cap. IX, Nr. 5 ff. (S. 306 ff.). 147 Besold , Politicorum libri duo, Lib. I, Cap. IX (S. 300 ff.). 148 Randelzhofer , Völkerrechtliche Aspekte, S. 78. 149 Vgl. auch die erst kürzlich erschienene deutsche Übersetzung der Dissertation Hugos: Ludolf Hugo, Zur Rechtsstellung der Gebietsherrschaften in Deutschland, Übersetzung von Yvonne Pfannenschmidt, Münster 2005. 144

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§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

angesehen werden kann 1 5 0 , so ist er zusammen mit Besold als einer der ersten Theoretiker föderalistischer Ansätze in der Reichspublizistik zu bezeichnen.151 Hugo entwickelte die Theorie einer prinzipiellen Teilung der Staatsgewalt zwischen dem souveränen Oberstaat und den abhängigen Gliedstaaten: „ ...quando diviso quodammodo inter summam & inferiores Resp. civili impe· Λ «152 no...

Die superioritas territorialis ist bei ihm eine im Rahmen der Reichsverfassung aus eigenem Recht ausgeübte höchste Gewalt, jedoch ist dieser in bestimmten Angelegenheiten die Reichsgewalt übergeordnet, sodass die deutschen Territorien als „selbständige", wenn auch dem Gesamtstaate untergeordnete Staaten153 zu qualifizieren sind.

V I . Neue Ansätze in der Reichstheorie Pufendorfs Pufendorfs Staatsformenlehre und ihre Übertragung auf das Reich im 6. Kapitel des „De statu Imperii" sind als klare Absage an alle bisher in der Reichspublizistik vertretenen Erklärungsansätze zur Beantwortung der Kardinalfrage der Verteilung der Hoheitsgewalt im Reich zu werten. 154 Sein Urteil über die Staatsform des Reiches ist in der Aussage über die Monstrosität der Reichsverfassung niedergelegt. Pufendorf ging als Grundlage seiner Reichstheorie vom Erfordernis eines geschlossenen Staatswillens und von der Unteilbarkeit der Souveränität aus und bezeichnete das Imperium nach den Kategorien der aristotelischen Staatsformenlehre als „res publica irregularis", die sich „monstro simile" zwischen einer beschränkten Monarchie und einem Staatenbund hin und her bewege. 155

1. Die theoretischen Grundlagen der Staatsformenlehre

Pufendorfs

Pufendorfs Staatsformenlehre knüpft an das Staatsverständnis und die Souveränitätslehren seiner Vorbilder Bodin und Hobbes an 1 5 6 , wobei er meist anstelle

150

Nachweise bei Landsberg ΙΠ/1, Noten, S. 20 f. Vgl. zu Hugos früher Bundesstaatstheorie: Pfannenschmidt, Ludolf Hugo, insbesondere S. 117 ff. 152 Hugo, De Statu Regionum Germaniae, Cap. II, § VIII. 153 Hugo, De Statu Regionum Germaniae, Cap. II, § IV; vgl. dazu auch Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 78 f. 154 Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 206. 155 Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 206. 151

156

Denzer, Moralphilosophie, S. 176, S. 191; Denzen Nachwort, S. 181.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

73

des Wortes „Souveränität" die gleichbedeutenden Begriffe „summa potestas", „summum imperium" oder „majestas" verwendet. 157 Noch vor dem Erscheinen seiner naturrechtlichen Hauptwerke hat Pufendorf bereits seine Heidelberger Dissertation „De rebus gestis Philippi Amyntae filii" (1666) 1 5 8 und die Reichsverfassungsschrift dazu genutzt, um seine Souveränitätslehre zu entwickeln, wobei er in „De statu Imperii Germanici" an einzelnen Stellen auf den Souveränitätsbegriff anhand von konkreten Beispielen, wie der möglichen Beschränkung der kaiserlichen Souveränität durch die Wahlkapitulationen (Kap. V § 4) oder der fehlenden Möglichkeit zur Wahrnehmung von einzelnen Souveränitätsrechten durch den Kaiser (Kap. V §§ 5-27), eingeht. Abstrahiert davon beruht die souveräne Gewalt nach Pufendorf darauf, dass die Bürger eines Staates im Zuge eines freien Entschlusses ihren Willen über ein geordnetes Zusammenleben auf den Willen des Herrschenden übertragen haben, sodass die souveräne Staatsgewalt über den menschlichen Gesetzen steht (legibus humanis solutus). 159 Die Staatsgewalt muss ungeteilt beim jeweiligen Herrscher bzw. Herrschaftsorgan liegen, da sie sonst nicht mehr höchste Gewalt wäre mit der Folge, dass eine Differenzierung nach Trägerschaft und Ausübung, wie etwa in der Lehre von der realen (der Gesamtheit zustehenden) und der personalen, dem Herrscher zukommenden Souveränität abgelehnt wird 1 6 0 , wobei gewisse rechtliche Bindungen des Herrschers durch die leges fundamentales die Einheit seiner Hoheitsgewalt nicht beeinträchtigen. Wie bei Bodin und Hobbes wird auch bei Pufendorf die Staatsform danach bestimmt, wer Subjekt bzw. Träger der Souveränität im Staat ist, wobei entscheidendes und alleiniges Kriterium die Einheit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt unter Aufgabe des Kriteriums der Rechtmäßigkeit der Regierung i s t . 1 6 1 Das strenge Dogma der unteilbaren Souveränität, das auch im Zusammenhang mit Pufendorfs naturrechtlichen Ideen zu sehen ist 1 6 2 , bildet damit die logische Voraussetzung für Pufendorfs rigide Staatsformenlehre, die sich an der neuaristotelischen Orthodoxie orientierte und Mischformen grundsätzlich ausschloss. Seinem Vorbild Hobbes fast wörtlich folgend 163 , unterscheidet Pufendorf nach

157

Vgl. Pufendorf, De Officio Hominis, Libri II, Cap. V I I § 1; Libri II, Cap. IX, § 1. Pufendorf\ De rebus gestis Philippi Amyntae, in: Dissertationes Academicae, S. 86 ff. 159 Pufendorf, JNG VII, 6, § 3; ders., Über die Pflicht des Menschen, II, 7 § 2, II, 9 § 2; vgl. dazu auch Denzer, Moralphilosophie, S. 176. 160 Pufendorf, JNG VII, 4, § 1 sowie 6, § 4; vgl. dazu Wyduckel, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 59; Wyduckel, in: Palladini/Hartung, Samuel Pufendorf, S. 162 ff. 161 Pufendorf, JNG VII, 5, § 3; ders., Über die Pflicht des Menschen, Buch II, 8, § 1. 162 So z.B. Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 190. 163 Hobbes, Leviathan, Part II, Chap. XXII; Roeck, Reichssystem, S. 46. 158

74

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

der Einheit oder Aufteilung der Souveränität zwischen regulären und irregulären Staatsformen sowie Zusammenschlüssen von regulären Staatsformen. 164 Reguläre Staatsformen sind solche, bei denen die souveräne Staatsgewalt „ungeteilt und unzerrissen von einem Willen für alle Teile und Geschäfte des Staates ausgeübt wird": „Regularitatem autem civitatis in hoc consistere arbitramur, ut omnes & singuli ab una velut anima videantur regi, seu ut summum imperium indivisum, & inconvulsum ab una voluntate per omnes civitatis partes, atque negotia exerceatur." 165

Abhängig vom Inhaber der souveränen Staatsgewalt gliedern sich die regulären Staatsformen nach der von Pufendorf akzeptierten politischen Terminologie des Aristoteles 166 in Monarchie, Aristokratie und Demokratie 167 , wobei er keinen Hehl daraus macht, dass er die monarchische Staatsform bevorzugt, da sich darin die Einheit und Unteilbarkeit des souveränen Willens am klarsten festmachen ließen 168 . Die Begrifflichkeit Pufendorfs unterscheidet sich von der antiken griechischen Staatsformenlehre dadurch, dass bei letzterer Monarchie, Aristokratie und Demokratie nur die Staatsformen sind, in denen rechtmäßig die Herrschaft beim Monarchen, beim Rat oder bei der Volksversammlung liegt. Bei Pufendorf gibt den Namen für die (reguläre) Staatsform die Stelle, wo die ungeteilte Souveränität zu verorten ist. 1 6 9 Daraus ergibt sich auch, dass bei Pufendorf im Falle einer ungerechten Herrschaft die Staatsformen nicht wie in der antiken Theorie entarten können. Zwar erkennt auch Pufendorf an, dass sich bei regulären Staaten Defizite, z.B. aus einer Ungeeignetheit der Herrschenden oder aus einer Unzulänglichkeit der Gesetze, ergeben können, jedoch entsteht bei Pufendorf durch eine solche Degeneration noch keine neue Staatsform, da die Natur der souveränen Gewalt nicht verändert worden ist. 1 7 0 Denn die durch den Gesellschaftsvertrag geeinten Personen haben sich einem Monarchen unterworfen und ihm die Herrschaftsgewalt übertragen, sodass der Monarch auch dann Souverän bleibt, wenn er zum Tyrannen degeneriert ist. 1 7 1 Zwar unterscheidet Pufendorf auch zwischen rechtmäßiger und unrechtmäßiger Herrschaft, wie sie den Ver-

164

Pufendorf,

JNG VII, 5, §§ 2, 3, 14, 16; ders., Über die Pflicht des Menschen, II,

Pufendorf,

JNG VII, 5, § 2; ähnlich auch ders., Über die Pflicht des Menschen, II,

8, §2. 165

8, §2. 166

Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 190. Pufendorf, JNG, VII, 5, § 3; ders., Über die Pflicht des Menschen, II, 8, § 3. 168 Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen, II, 8, § 4; Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 188. 167

169

Pufendorf,

170

Pufendorf, Pufendorf,

171

JNG VII, 5, § 3. JNG VII, 5, § 11 ; ders., Über die Pflicht des Menschen, II, 8, § 5. JNG VII, 5, § 10; ders., Über die Pflicht des Menschen, II, 8, §§ 5, 6.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

75

pflichtungen des Naturgesetzes entspricht. Diese Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Herrschaft äußert sich aber nicht in der Staatsform. Aus diesem Grund gibt es bei Pufendorf nicht die Frage nach der besten Staatsform, sondern nur das instrumentale Kriterium der gut oder schlecht eingerichteten Staatsformen. 172 Schlecht eingerichtete Staatsformen, also irreguläre Staaten, sind solche, bei denen nicht alles Handeln von einem Willen herrührt und nicht alle Untertanen von der gemeinsamen Regierung beherrscht werden. 173 Die nicht eindeutige Ermittlung des Trägers der Souveränität kennzeichnet daher die irreguläre Staatsform, bei der eine klare Bestimmung der Staatsräson (ratio status) nicht möglich ist. Das Kriterium der Einheit der Staatsgewalt für die Einteilung in reguläre und irreguläre Staatsformen ist nicht nur auf den Einheitsstaat (res publica simplex ), sondern auch auf den zusammengesetzten Staat (res publica composita ) anwendbar, wobei bei den zusammengesetzten Staaten bzw. Staatenverbindungen weiter zwischen Personalunionen und Staatenbünden (systema civitatum) unterschieden wird. 1 7 4 Der Begriff systema civitatum, der oftmals mit „Föderativstaat" übersetzt wurde 175 , könnte darauf hindeuten, dass Pufendorf damit schon an eine bundesstaatliche Ordnung gedacht haben könnte. Allerdings muss bei einer solchen Interpretation Pufendorfs ablehnende Haltung gegen jede Form einer Aufteilung der Souveränität in Rechnung gestellt werden, dies mit der logischen Konsequenz, dass die Möglichkeit eines Staates über Staaten in Pufendorfs Staatslehre ausgeschlossen ist und bei den systema civitatum nur der Staatenbund, bei dem die Souveränität voll bei den Einzelstaaten bleibt, als regulär anerkannt wird. 1 7 6 Die Abkehr von den Mischformen unter gleichzeitiger Schöpfung des Begriffs der irregulären Staatsformen markierte somit die Neuartigkeit von Pufendorfs Staatsformenlehre, welche die klassische aristotelische Lehre ersetzen sollte. 177 Ob Pufendorf allerdings mit seiner Lehre von den irregulären Staatsformen tatsächlich mit der traditionellen Staatsformenlehre gebrochen hat, bezweifelt zumindest Jastrow, wenn er in diesem Zusammenhang feststellt, dass die Pufendorfsche Benennung der irregulären Staatsformen als monströse die

172 173 174

Denzer, Moralphilosophie, S. 193. Pufendorf,, JNG VII, 5, § 14. Pufendorf,, JNG VII, 5, § 17; ders., Über die Pflicht des Menschen, II, 8, § 13;

vgl. dazu auch Dufour, in: Palladini/Hartung, Samuel Pufendorf, S. 111. 175 176 177

Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 83. Pufendorf,, JNG VII, 5, § 16. Dufour, in: Palladini/Hartung, Samuel Pufendorf, S. 111.

76

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

Geltung der herkömmlichen Staatsformenlehre beweise, denn das Monströse passe eben nicht ins Schema. 178

2. Abkehr von den aristotelischen

Kategorien bei der Staatsform des Reiches

Auch Pufendorf nimmt im Rahmen seiner juristischen Untersuchung der höchsten Instanzen im Reich in „De statu Imperii Germanici" zunächst eine Einordnung der Reichsstaatsform in die herkömmlichen aristotelischen Kategorien vor. Eine quellenexegetische Zusammenschau der unterschiedlichen Textstellen in „De statu Imperii Germanici", in denen sich Pufendorf mit der Staatsform und dem Rechtscharakter des deutschen Reiches auseinander setzt, ergibt, dass Pufendorf die Kategorien der aristotelischen Staatsformenlehre für die Beschreibung des Reiches für unzureichend erachtet. Während er die demokratische Staatsform des Reiches mangels Ausdehnbarkeit der aristotelischen Definition für die in den griechischen Demokratien lebenden Bürger auf die Reichsstände ohne weitere Umschweife ablehnt 179 , setzt er sich mit einer möglichen aristokratischen Staatsform des Reiches eingehender auseinander. Dabei bringt er verfassungsrechtliche Argumente gegen ein Primat der Stände vor, indem er auf das Fehlen eines ständigen Senats verweist und die Befugnisse der Stände gegen den Kaiser als Resultat von Verträgen, nicht aber als Ergebnis eigenständiger Herrschaftsgewalt qualifiziert. Weiterhin nimmt Pufendorf Bezug auf die Verfassungswirklichkeit, wenn er die Staatsform der absoluten Monarchie für das deutsche Reich ablehnt und eine vornehmlich auf die Reservatrechte, die Titel und die eschatologisch begründete Stellung des Kaisers gegründete kaiserliche Vorherrschaft als den realen Machtverhältnissen zuwiderlaufend ansieht. 180 Von besonderem staatstheoretischen Interesse dürfte Pufendorfs Auseinandersetzung mit der Staatsform der beschränkten Monarchie und der Anwendung der von Limnaeus entwickelten Lehre von der Mischverfassung auf den Reichsstaatskörper sein. 181 In strikter Anwendung seiner staatstheoretischen Lehrmeinung lehnt Pufendorf die Lehre vom status mixtus schon wegen der sog. doppelten Majestätslehre ab, da der Begriff der Souveränität bei ihm als etwas Einheitliches konzipiert ist. Die Lehre von der Teilung der Souveränität in zwei Majestäten, die auf der einen Seite beide Majestäten als höchste charakterisiert, die

178 Jastrow, Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 19 (1882), S. 333 (338 f.). 179 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 3, S. 97. 180 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 6, S. 101 f. 181 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 105.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

77

aber auf der anderen Seite eine Majestät der anderen unterordnet, ist für ihn logisch unbefriedigend. 182 Doch selbst bei einer Anwendung der Mischverfassungslehre passe keine der gemischten Staatsformen auf das deutsche Reich, da weder mehrere Personen ungeteilt die Souveränität besäßen noch die Bestandteile der Souveränität auf verschiedene Personen oder Kollegien verteilt seien. 183 Außerdem sei dem Kaiser aufgrund der Libertät der Stände bezüglich ihrer Territorien auch nicht die letzte Leitung des Reichsganzen vorbehalten, sodass die in einer beschränkten Monarchie erforderliche Überordnung des Monarchen nicht gewährleistet sei. 1 8 4 Auch diese letzten an der Verfassungswirklichkeit des Reiches orientierten Einwände hängen eng mit Pufendorfs staatstheoretischen Konzepten zusammen. Letztlich wird das Reich nicht als status mixtus qualifiziert, da dann die unabdingbare Voraussetzung der Zuordnung des Souveränitätsträgers nicht vorgenommen und damit nicht bestimmt werden kann, wer in diesem Gemeinwesen 185

die Herrschaft ausübt. Auch was das Verhältnis zwischen Reich und Territorialstaaten betrifft, spricht sich Pufendorf gegen die Annahme eines geordneten Staatenbundes aus, denn keine der beiden in seinem staatstheoretischen System existierenden Möglichkeiten einer staatenbündischen Ordnung könne greifen: Für die Form der Personalunion hätte das Reich eine reine Monarchie sein müssen, sodass dies nicht in Betracht kommen kann. Die zweite Möglichkeit, die einer Staatenföderation, muss für Pufendorf ausscheiden, da die Territorien der Reichsstände unterschiedliche, schwer miteinander vereinbare Staatsformen und gegenläufige Interessen hätten, wobei auch die große Ungleichheit der Macht zur Spaltung unter den Ständen beitrage. 186 Außerdem hätte die Qualifizierung des Reiches als Staatenbund einen Widerspruch zu dem konventionellen Geschichtsbild vom Reich als politischer Einheit, an dem auch Pufendorf weiterhin festhält, bedeutet. 187

3. Die Monstrositätsthese

als Folge fehlender Zuordnungsmöglichkeiten

Pufendorf wollte in seiner Reichsverfassungsschrift seinen theoretischen „Gegnern", deren Interpretationsversuche hinsichtlich der Reichsverfassung ihm entweder wegen ihrer fehlerhaften Voraussetzungen, ihres fehlenden politischen 182 183 184

Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 270. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 105. Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 8, S. 106.

185

Pufendorf,\

186

Pufendorf,, Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kap., § 8, S. 120 f. von zur Mühlen, ZRG (Germ. Abt.) 89 (1972), S. 118 (123).

187

JNG VII, 5, §§ 2, 14, 15.

78

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

Verständnisses, ihres Beharrens auf unpassenden römisch-rechtlichen Vorstellungen (Reinkingk, Limnaeus) oder wegen ihrer polemischen, einseitigen und daher eher unwissenschaftlichen Tendenz (Hippolithus a Lapide) als unzureichend erschienen, eine bessere Analyse der inneren Widersprüche im Verfassungsgebäude des Reiches mit klaren Begriffen gegenüberstellen. 188 Für Pufendorf war das Verdikt der Irregularität bzw. Monstrosität der Reichsverfassung bei Zugrundelegung der Souveränitätslehre Bodins, nach der jeder Staat über einen Träger der höchsten und unumschränkten Gewalt zu verfügen hatte, unausweichlich, da das Reich diesem Erfordernis evident in keiner Weise entsprach. 189 Dass das Heilige Römische Reich in keine der Kategorien der traditionellen Lehre passte, veranschaulichte aus seiner Sicht den „Entartungsprozess" 190, der den irregulären Staatsformen zugrunde liegt und der die Charakterisierung des Reiches als ,Monstrum" nach sich ziehen musste. Die Monstrositätsthese reflektiert den allgemeinen staatstheoretischen Ansatz Pufendorfs, dass nämlich irreguläre Staaten dadurch entstehen, dass sich eine ursprünglich reguläre Staatsform im Laufe der Verfassungsentwicklung durch Auseinanderentwicklung der einzelnen Glieder und Funktionsträger von der eindeutigen Zuordnung der Souveränität entfernt hat. Das Reich habe sich also im Laufe eines Jahrhunderte währenden Degenerationsprozesses von einer ursprünglich regulären Monarchie zu einem „Zwitter" zwischen beschränkter Monarchie und einer Föderation mehrerer Staaten („schlecht eingerichtete Monarchie und ungeordneter Staatenbund" 191 ) entwickelt, bei dem es auf die entscheidende Frage für die Bestimmung der forma imperii und der ratio status , nämlich die Frage nach dem Träger der Souveränität im Reich, keine klare Antwort mehr geben könne. Pufendorfs empirische Betrachtung des Reichsverfassungslebens beschrieb mit der These von der Monstrosität das „Reich als ein Phänomen, das mit der vom Souveränitätsbegriff ausgehenden Herrschaftsordnung im Sinne Bodins nicht mehr zu vereinbaren war" 1 9 2 . Bei der Verortung der Reichsverfassung als Mittelding zwischen einer „monarchia limitata" und einer Staatenverbindung näherte sich das Reich nach Pufendorf mehr der letzteren Möglichkeit an. Die Irregularität des Reiches als Staatenverbindung (systema civitatum) resultiere daraus, dass weder die einzelnen Teilstaaten noch der Gesamtkörper eine vollständige Souveränität besitzen. 193

188 189 190

191

192 193

Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 190. Boldu Verfassungsgeschichte I, S. 272. Dufour, in: Palladini/Hartung, Samuel Pufendorf, S. 114. Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kap., § 8, S. 119.

Schroeder, JuS 1995, S. 959 (964). Roeck,, Reichssystem, S. 27.

Α. Die Staatsformenlehre und ihre Anwendung auf das Reich

79

Die Charakterisierung des Reiches als „monströs" bzw. irregulär ist das Ergebnis der theoretischen Analyse anhand der für die damalige Zeit neuartigen Staatsformenlehre Pufendorfs und ist damit als ein Versuch zu werten, bei der Bestimmung der Staatsform und des Trägers der Souveränität im Reich die Souveränitätslehre von Bodin und Hobbes mit der Verfassungswirklichkeit des Reiches in Einklang zu bringen. Jedenfalls war Pufendorf derjenige, der in seiner Reichsverfassungsschrift die Negation der realen politisch-praktischen Gegebenheiten des Reiches durch die Reichspublizistik geißelte. Neben der vorangegangen Analyse des Ist-Zustands des Reiches dürfte jedoch auch die Erkenntnis mangelnder Reformierbarkeit für die Bezeichnung der Reichsverfassung als monströses Gebilde mit ursächlich gewesen sein: „Meiner Meinung nach muß man als Grundlage setzen, dass die Unregelmäßigkeit der Verfassung Deutschlands sich so verhärtet hat, dass sie ohne Umwälzung des ganzen Staates nicht mehr zu den Prinzipien einer echten Monarchie zurückkehren kann." 194

Pufendorf, der die politische Praxis aus fürstlichen Diensten selbst kannte, sah mithin angesichts der Zementierung der Unregelmäßigkeiten der Reichsverfassung, die sich im Fehlen einer einheitlichen staatlichen Willensbildung und im Misstrauen zwischen Reichsständen und Kaiser sowie der Reichsstände untereinander ausdrückte, keine Möglichkeit, ohne „Umwälzung des ganzen Staates" zur Reinform einer echten Monarchie zurückzukehren: „Dieser Zustand ist die dauernde Quelle für die tödliche Krankheit und die inneren Umwälzungen des Reiches, da auf der einen Seite der Kaiser nach der Wiederherstellung der monarchischen Herrschaft, auf der anderen die Stände nach völliger Freiheit streben." 195

Deshalb sei das „systema foederatorum rerum publicarum", wie es sich in der geschichtlichen und gewohnheitsrechtlichen Entwicklung ausgeprägt hatte, so hinzunehmen.196 Pufendorf kann also bei derartigen Gedankengängen in den Friedensverträgen von 1648 keine echte Reform der Reichs Verfassung gesehen haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass aus seiner Sicht in dem Vertrags werk lediglich die Festschreibung der von ihm als degeneriert erachteten forma imperii und ratio status erfolgt ist. Seine Prognose für die weitere Entwicklung des Reiches aufgrund der aktuellen Annäherung an ein föderatives Staatensystem sieht vor, dass der nicht mehr reformierbare Zwitterzustand irgendwann zur völligen Auflösung des Reiches in unabhängige Einzelstaaten führen werde. 197

194 195 196 197

Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 8. Kap., § 4, S. 128. Pufendorf\Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 107. Vgl. dazu Schweden JuS 1995, S. 959 (964). Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 107.

80

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

Durch seine These von der Monstrosität der Reichsverfassung, die weniger abwertend als vielmehr deskriptiv verstanden werden muss, ist es Pufendorf unter Abgrenzung von Vorschlägen anderer Reichsjuristen gelungen, die Definition Deutschlands auf eine neue Ebene zu heben 198 und die Entwicklung Deutschlands von einem mehr monarchischen zu einem mehr ständischen Staat zu charakterisieren 199. Hinter dem Begriff des Monstrums verbirgt sich nämlich der viel bedeutendere Gedanke Pufendorfs, dass das Reich für ihn ein politisches Gebilde zwischen Monarchie und unregelmäßiger Staatenkonföderation („Bündnis freier, wenngleich noch staatsrechtlich locker verbundener Gemeinwesen" 200 ) darstellt: „Wir können also den Zustand Deutschlands am besten als einen solchen bezeichnen, der einem Bund mehrerer Staaten sehr nahe kommt, in dem ein Fürst als Führer des Bundes die herausragende Stellung hat und mit dem Anschein königlicher Gewalt umgeben ist." 2 0 1

B. Rechtsphilosophische Bezüge in der Argumentation Pufendorfs Zwar ist die Reichsverfassungsschrift 1667 vor dem Erscheinen der beiden naturrechtlichen Grundwerke Pufendorfs entstanden, doch hatte er die Arbeiten an seinem Hauptwerk „De Jure Naturae et Gentium" bereits 1661 nach Antritt seiner Professur in Heidelberg begonnen 202 , was darauf hindeutet, dass sein „Severinus de Monzambano" bereits von naturrechtlichem Denken beeinflusst und seine Staatslehre als Theorie über die Verwirklichung des Naturrechts im Staate angelegt war. 2 0 3 Pufendorfs Naturrechtslehre, die entscheidend zur Etablierung des modernen Staates und seiner Verrechtlichung beigetragen hat, muss daher als Anwendungsfeld herrschaftsunterstützender Ideologie gesehen werden, was ihre Relevanz für Staatslehre und Reichstheorie verdeutlicht. Dem sei im Folgenden kurz nachgegangen.

I. Pufendorf als Begründer des weltlichen Naturrechts Pufendorf sah das Naturrecht als Teil der praktischen Philosophie, als Grundlagenwissenschaft vor allem für die Ethik und Politik, aber auch als Teil

198

Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 65. Roeck, Reichssystem, S. 62. 200 Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 6. Kap., § 9, S. 107; vgl. dazu auch Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 153. 201 Pufendorf \ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 9, S. 107. 202 Döring, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 28. 203 Denzer, Nachwort, S. 167. 199

Β. Rechtsphilosophische Bezüge in der Argumentation Pufendorfs

81

der Jurisprudenz, worauf der Titel seiner Erstlingsschrift „Elementorum jurisprudentiae universalis libri duo" deutlich hinweist. 204 Obwohl Pufendorf ein strenggläubiger lutherischer Christ war, gilt er als einer der Begründer des weltlichen Naturrechts 205 , dessen Verfassungsbild und Staatsverständnis maßgeblich vom Bruch mit der Unterordnung der Naturrechtslehre unter die Theologie geprägt wurde. 206 Pufendorf grenzte den Glauben als personale Beziehung zwischen den einzelnen Menschen und Gott auf den privaten Bereich ein 2 0 7 , was seine Erkenntnis, dass die uralte Verklammerung von Staat und Religion aufgelöst werden musste, um eine Emanzipation des Staates von der Religion zu ermöglichen 208 , verdeutlicht. Alle theologischen Dogmen und Kontroversen sollten vom Naturrecht ferngehalten werden, dieses sollte nur auf der natürlichen Vernunft aufbauen. 209 Die Entwicklung eines säkularen Naturrechts für die Organisation des politischen Staates und der damit verbundene Entzug sakraler Weihen wurden von dem Gedanken geleitet, dass das Naturrecht Normen für alle Menschen, gleich welcher konfessionellen oder religiösen Überzeugung, aufstellen sollte. 210

I I . Die rationale Konstruktion von Gesellschafts- und Unterwerfungsvertrag Entscheidend für die Aufgabe der Deutung des Staates als göttliche Heilseinrichtung und damit für die Säkularisierung der politischen Theorie war die Herausbildung der rationalen Konstruktion des Vertrages 211 und seine Übertragung auf die Staatslehre. Die Staatswerdung vollzieht sich bei Pufendorf in einem Vorgang der vertraglichen Begründung des staatlichen Gemeinwesens212: Es sind dafür zwei verschiedene Verträge und ein Beschluss notwendig. Zunächst muss ein Gesell204 205

S. 177. 206

Denzer, in: Modéer, S. 22; Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 416. Denzer, Moralphilosophie, S. 266; Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker,

Vgl. Denzer, Moralphilosophie, S. 266 ff.; Meder, Rechtsgeschichte, S. 211 f. Denzer, Nachwort, S. 171. 208 C. Müller, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 127 ff. 209 Pufendorf, Ens Scandica, Specimen I, § 7, in: Gesammelte Werke V, S. 127; Denzer, Moralphilosophie, S. 266. 210 Pufendorf\ Ens Scandica, Specimen IV, § 14, in: Gesammelte Werke V, S. 155; Meder, Rechtsgeschichte, S. 213; Müller, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 129. 211 Vgl. Denzer, Moralphilosophie, S. 165 ff.; Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 183; Stolleis, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 21; Wyduckel, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 39 ff. 212 Pufendorf,\ JNG VII, 2, § 6. 207

82

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

schaftsvertrag zwischen den Menschen eines potentiellen Staates geschlossen werden, in dem sie sich „für immer zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und die Anliegen ihrer Wohlfahrt und Sicherheit durch gemeinsamen Beschluss und gemeinsame Führung besorgen wollen". 2 1 3 Weiterhin muss darauf eine Beschlussfassung über die Wahl einer bestimmten Regierungsform folgen. 214 Nach dem Beschluss über die Regierungsform ist ein Unterwerfungsvertrag erforderlich, in dem bestimmt wird, wem oder welcher Gruppe die Leitung des entstehenden Staates übertragen wird, und durch den sich die Leiter des Staates für gemeinsame Sicherheit und Wohlfahrt und die Bürger zum Gehorsam, zur Unterwerfung, verpflichten. 215 Zwar wird die staatliche Herrschaftsgewalt insofern als von Gott hergeleitet betrachtet, als es der Wille Gottes sei, dass alle Menschen die Gesetze der Natur ausführen und mittels des Gebots der Vernunft Staaten gründeten 216 , jedoch bedeutete diese Lehre der Staatswerdung den Zerfall religiös-metaphysischer Überhöhungen des Staatswesens, der nur den Vertrag zurückließ, den Herrscher zum Vertragspartner herabstufte und Herrschaft als Machtausübung im Rahmen eines zweiseitigen Rechtsverhältnisses qualifizierte. 217 Diese Naturzustands- und Herrschaftsvertragslehre ermöglichte sowohl die Legitimierung von (neuer) Herrschaft über verschiedene Konfessionen als auch die Verrechtlichung der politischen Auseinandersetzung durch Übernahme zivilrechtlicher Denkmuster wie Vertrag und Vertragsverletzung. 218

I I I . Konsequenzen für die Reichstheorie Konkret auf die Reichstheorie bezogen zwingt die Erklärung der Staatswerdung mit dem aus dem Zivilrecht entlehnten Vertragsgedanken Pufendorf zum Abschied von einer eschatologischen Reichsidee und zu einer Hinwendung zur Erklärung der Staatsform nach Maßgabe der Vernunft. 219 Mit dem Vertragsgedanken verwirft Pufendorf die Lehre vom Gottesgnadentum, daher kann er das Reich auch nicht mehr aufgrund einer sakralen Reichsidee legitimieren und es in das Raster einer monarchischen Staatsform zwingen. Der unmittelbare Bezug zu Pufendorfs kontroverser These über die Monstrosität der Reichsverfassung kann über den Zusammenhang zwischen seinen Naturrechtslehren und dem staatstheoretischen Dogma der ungeteilten Souveräni-

213 214 215 216 2,7 218 219

Pufendorf., JNG VII, 2, § 7; ders., Über die Pflicht, II, 6, § 7. Pufendorf.; JNG VII, 2, § 7; ders., Über die Pflicht, II, 6, § 8. Pufendorf, JNG VII, 2, § 8; ders., Über die Pflicht, II, 6, § 9. Pufendorf, Über die Pflicht, II, 6, § 14. Stolleis, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 22. Stolleis, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 21. Denzer, in: Fetscher/Münkler, Handbuch der politischen Ideen III, S. 257.

C. Die verfassungsgeschichtliche Perspektive Pufendorfs

83

tät (das ihn mangels Konzentration der Souveränität in der Hand eines Herrschaftsträgers im Reich überhaupt erst zu seiner Schlussfolgerung der Irregularität der Reichsverfassung kommen lässt) hergestellt werden: im Naturrechtssystem Pufendorfs ist der Staat als die societas perfecta zu verstehen, in der Naturgesetze durchgesetzt werden können. Von daher wird die Unteilbarkeit der Souveränität, die sich nicht aus göttlicher Setzung ableitet, sondern mit dem Herrschaftsvertrag zustande kommt und ihre Legitimation im Unterwerfungsvertrag hat, vorausgesetzt und die Staatsform nach dem Träger der Souveränität bestimmt. 220 Bei nicht eindeutiger Ermittlung des Trägers der Souveränität wird eben eine irreguläre Staatsform angenommen, bei der eine klare Ermittlung der Staatsräson (ratio status) nicht möglich ist. 2 2 1 Folgende weitere Facetten in Pufendorfs „De statu Imperii Germanici" können als repräsentativ für sein naturrechtliches Denken angesehen werden: So ist beispielsweise seine Kritik am geltenden positiven Recht ein Charakteristikum naturrechtlichen Denkens. 222 Ebenso charakteristisch ist der Versuch einer Systematisierung des Reichsverfassungsrechts 223 unter dem Einfluss mathematischnaturwissenschaftlicher Methoden („mos geometricus"), derer sich außer Pufendorf auch Hobbes, Leibniz, Spinoza, Thomasius sowie Pufendorfs Lehrmeister Weigel bedienten, und die ebenfalls die Durchsetzung des Rationalismus in Staat und Staatslehre begünstigen sollten. 224 Auch das von Pufendorf bei der Beschreibung der Krankheiten des Reiches empfohlene Heilmittel der Vereinigung („alle Macht entsteht aus der Vereinigung" 225 ) lässt Parallelen zu seinen naturrechtlichen Aussagen (Vereinigung aller Personen eines werdenden Staatswesens in einem Gesellschaftsvertrag, innere Vereinigung und Verpflichtung zur gegenseitigen Sozialität als Fundamentalgesetz des Naturrechts 226 ) deutlich werden.

C. Die verfassungsgeschichtliche Perspektive Pufendorfs Indem Pufendorf in „De statu Imperii Germanici" bestimmte Unregelmäßigkeiten der Reichsverfassung aus einer verfassungsgeschichtlichen Perspektive 220

WyduckeU in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 57 ff. Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 419. 222 Stolleis, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 21. 223 Sprenger, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 188; Welzel, Die Naturrechtslehre, S. 7. 224 Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1. Buch, § 8 II, S. 60 f; Stolleis, in: Schnur, Staatsräson, S. 454. 225 Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, 7. Kap., § 7, S. 118. 226 Denzer, Nachwort, S. 167; vgl. auch: Goerlich, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 18 f. 221

84

§ 3 Analyse der Monstrositätsthese

zu erklären sucht 227 , bedient er sich der in der deutschen Staatsrechtswissenschaft seiner Zeit geläufigen Methode, die das Reich als ein historisches, aus einer Vielzahl spezieller positivrechtlicher oder gewohnheitsrechtlicher Regelungen zusammengesetztes Gebilde begriff. 228

I. Historische Ursachen für den Verfassungszustand des Reiches Die Entwicklung des Reiches von einer ursprünglich regulären Monarchie zu einem „Monstrum", also in der Pufendorfschen Diktion zu einem Mittelding zwischen einer beschränkten Monarchie und einer Föderation mehrerer Staaten (Sechstes Kapitel, § 9), zwischen einer schlecht eingerichteten Monarchie und einem ungeordneten Staatenbund (Siebtes Kapitel, § 8), versucht Pufendorf anhand verschiedener Ereignisse und Faktoren in der Verfassungsgeschichte nachzuweisen. Dazu gehören nach seiner Einschätzung die Erblichkeit der Grafschaften unter den späten Karolingern, die Vereinigung mehrerer Grafschaften in einer Hand, die Vergrößerung fürstlicher Gebiete durch Schenkung, Kauf und Gewalttat, die Freigiebigkeit der Kaiser gegen weltliche und geistliche Herren, die Anerkennung der freien Wahl der Bischöfe im Wormser Konkordat, die geschickte Ausnutzung der Schwäche und Ohnmacht der Kaiser durch Fürsten und Städte, die Entwicklung von einer Erbmonarchie zu einer Wahlmonarchie und die Bestätigung der Königswahl durch die Kurfürsten in der Goldenen Bulle von 1356. 229

I I . Die Entwicklung des Lehnswesens Pufendorfs verfassungsgeschichtliches Hauptargument dafür, dass im Reich schon von Anfang an die Ursachen für die Entwicklung von einer monarchischen zu einer ständischen und staatenbündischen Ordnung angelegt waren, ist die Theorie von der „oblatio feudorum". Im dritten Kapitel in § 4 der Reichsverfassungsschrift wird damit der Versuch unternommen, die Entwicklungslinien der sich immer stärker ausprägenden ständischen Libertät anhand der Geschichte des Lehnsverhältnisses zwischen dem König und den Fürsten nachzuzeichnen. Das Lehnsverhältnis mit dem König beruhe darauf, dass die Fürsten nach dem Aussterben des karolingischen Königshauses bereits große Gebiete besessen und diese von dem aus ihrer Mitte gewählten König gegen Bestätigung ihrer Rechte ohne Macht- und Ansehensverlust als königliche Lehen angenom227

Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, insbes. Kap. 3-5. Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 272. 229 Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 3 und 4, Kap. 5, § 1; vgl. dazu auch Denzer, Nachwort, S. 179 f., S. 200 f. 228

C. Die verfassungsgeschichtliche Perspektive Pufendorfs

85

men hätten. Die Beziehung zwischen Lehnsherr und Vasall beruhe somit nicht auf einer ursprünglichen Abhängigkeit, sondern auf vertragsähnlichen Abmachungen. Diese bezeichnete Pufendorf hypothetisch als „Bundesvertrag" und sah deren Zweck in dem Wunsch der Fürsten nach einem mächtigen königlichen Beschützer. 230

I I I . Herausbildung der reichsständischen Libertät Abgerundet wird Pufendorfs verfassungsgeschichtliche Betrachtung durch die Beschreibung der zunehmenden ständischen Entwicklung der Reichsverfassung im 16. und 17. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang finden die Funktion des Reichstages, die Gerichts- und Kreisverfassung, die Verbriefung der ständischen Rechte durch die Wahlkapitulationen seit derjenigen Karls V. 1519, die gescheiterten Versuche der Einrichtung des Reichsregiments als reichsständische Zentralregierung, die Versuche einer partiellen Revision der ständischen Entwicklung und Umgestaltung der Reichsverfassung im absolutistischen Sinne durch Ferdinand II. während des Dreißigjährigen Krieges und die endgültige Anerkennung der ständischen Libertät in der Außen-, Innen- und Religionspolitik durch den Westfälischen Frieden Erwähnung. 231

230

Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 3, § 4, S. 47. Pufendorf\ Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 5, S. 63 ff.; vgl. auch Denzer, Nachwort, S. 179 f. 231

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute Die Diskussion um den Rechtscharakter des Reiches und das Kräfteverhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen, zwischen Reich und Territorien wurde in der Reichspublizistik durch Pufendorfs „Severinus de Monzambano" und seine aus zeitgenössischer Sicht ungeheuerliche These vom Reich als monströsem Gebilde angefacht und insofern auf eine neue Ebene gehoben, als sich die Diskussion im Laufe der Zeit von der Frage nach der Staatsform des Reiches ab- und der Frage, ob das Reich überhaupt ein Staat sei, zuwandte.1 Die unmittelbaren Reaktionen in der reichspublizistischen Forschung auf Pufendorf fielen ebenso unterschiedlich wie emotional aus. Erst im 18. Jahrhundert wurde die weitere Diskussion um den Rechts- bzw. Staatscharakter des Reiches sehr viel abgeklärter geführt, wobei Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung auch hier den Ausgangspunkt bildete. Während die Verfassung des Alten Reiches in der Forschung des 19. Jahrhunderts nur eine untergeordnete Bedeutung einnahm, ist in der heutigen historischen Forschung die Frage nach dem Rechtscharakter des Reiches wieder von Interesse. Die Pufendorfsche Monstrositätsthese wird zum Anlass genommen, um zu hinterfragen, wie die Verfassung des Alten Reiches nach 1648 beschaffen war, wie die tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse zwischen den Verfassungsinstitutionen den Dualismus „Kaiser und Reich" widerspiegelten, inwieweit eine Diskrepanz zwischen verfassungsrechtlicher Theorie und politischer Wirklichkeit vorlag und inwiefern Pufendorfs Bewertung der Verfassungswirklichkeit des Reiches entsprach. Eine adäquate Bewertung von Monstrositätsthese und Reichstheorie aus heutiger Perspektive kann jedoch nur erfolgen, wenn man sie im Kontext ihrer Zeit sieht und die unbedarfte Übertragung heutiger staatsrechtlicher und staatstheoretischer Begrifflichkeiten zu vermeiden sucht. Natürlich verbietet es sich nicht, Parallelen von der damaligen Reichsstruktur und Reichstheorie zu heutigen staatsrechtlichen Modellen und Entwicklungen zu ziehen, nur dürfen diese keine kritiklosen und vergröbernden Gleichsetzungen enthalten, die dem spezifischen Verständnis historischer Begrifflichkeiten zuwiderlaufen könnten.

1

Roeck, Reichssystem, S. 26.

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

87

A. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik Der Begriff der Reichspublizistik umfasst, auf das Mittelalter angewandt, die staatspolitischen Abhandlungen über die Ordnung von Regnum und Imperium 2, wohingegen sich der Begriff der neuzeitlichen Reichspublizistik auf das selbstständige rechtswissenschaftliche Fach bezog, das sich im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation vom Ausgang des 16. Jahrhunderts an bis zum Untergang des Reiches im Jahre 1806 mit dem lus publicum imperii auseinandersetzte.3 Die Entwicklung des „neuen Faches", die um 1600 begann, aber dessen genaue „Geburtsstätte", „Geburtsstunde" und „Gründungsväter" nicht näher bestimmt werden können4 (auch wenn von Arumaeus die ersten wesentlichen Impulse hierfür ausgingen5), hängt eng mit den politischen und konfessionellen Umwälzungen zusammen, die das Heilige Römische Reich deutscher Nation seit der Reformation erschüttert hatten und die erstmals die juristische Beantwortung der Frage, wie die Gewalt zwischen Kaiser und Ständen im Reich nun verteilt war, erforderten. 6 Das „alternde" Reich stellte die „Daseinsbedingung" für die Wissenschaft vom lus publicum dar, die nur entstehen konnte, weil die aus vielen verschiedenen Rechtsquellen zusammengesetzte Reichsverfassung zahlreiche Streitfragen aufwarf und ihrem Bestand nur durch die theoretische juristisch-dogmatische Aufbereitung in der Staatsrechtswissenschaft Rückhalt verliehen werden konnte.7 Wesel sieht die Entwicklung des lus publicum zusätzlich auch darin begründet, dass im Mittelalter die Unterscheidung zwischen öffentlichem und Privatrecht wegen des auf rein persönlichen Bindungen beruhenden Lehnsrechtes kaum möglich gewesen sei und sich erst ein Staatsapparat zwischen Fürsten und Untertanen schieben musste, damit das Lehnsrecht vom Staat überlagert werden und ein autonomer Bereich des öffentlichen Rechts entstehen konnte.8 Die Aufgabe der Reichspublizisten als Vertreter der frühesten Epoche der deutschen Staatsrechtswissenschaft bestand in der Bearbeitung der weit verzweigten Verfassungsrechtsquellen des Alten Reiches, wie beispielsweise der leges fundamentales und der Urteile der höchsten Reichsgerichte, wobei zu2

Becker, in: Erler/Kaufmann, Handwörterbuch, Band IV, S. 715. Hoke, in: Erler/Kaufmann, Handwörterbuch, Band IV, S. 720; vgl. die Darstellungen bei Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 141 ff; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 22 II.l., S. 198 f. 4 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 141. 5 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 101. 6 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 100 f. 7 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 6. 8 Wesel Geschichte des Rechts, S. 363. 3

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

88

nächst nur eine Sammlung, im Laufe der Zeit dann aber auch eine Systematisierung des Verfassungsstoffes vorgenommen wurde 9. So entstand allmählich in ersten Ansätzen ein Reichsstaatsrecht, das als Ergebnis der Versuche, das Phänomen „Reich" mit juristischen Methoden zu erfassen, gesehen werden kann. Neben der Neuartigkeit der politischen Rahmenbedingungen wurden die Methoden der sich entwickelnden Reichspublizistik durch zwei neue Ansätze in der Erkenntnistheorie bestimmt, nämlich durch Empirismus und Rationalismus.10 Die neue empirische Methode wurde vor allem durch die Überzeugung bestimmt, dass das Staatsrecht des deutschen Reiches nicht aus dem römischen Recht und den Werken der Konsiliatoren zu schöpfen sei, sondern aus den deutschen Quellen der Reichsüberlieferung (Reichsherkommen), aus der Goldenen Bulle, den Kapitulationen, den Reichsabschieden und sonstigen Reichsgesetzen. 11 Die Einflüsse des Rationalismus bewirkten in diesem Zusammenhang weiterhin, dass allein die Vernunft für die rechtswissenschaftliche Erkenntnis ausschlaggebend war und damit die Bindung an die Autorität der aus der Spätantike überlieferten Rechtstexte entfallen konnte. 12 Bei der Betrachtung der Lehrmeinungen der Reichspublizisten sollten ihre engen Beziehungen zu fürstlichen, städtischen und ständischen Auftraggebern und auch der Einfluss konfessioneller Gegensätze im Auge behalten werden, die ihre wissenschaftlichen Positionen in unterschiedlichem Maße geprägt oder zumindest beeinflusst haben können, wie beispielsweise die Bindung an den Kaiser, an Territorialfürsten oder an hohe Reichsgerichte, was auch die Ausprägung monarchischer und reichsständischer Linien in der Debatte um di e forma imperii bewiesen hat. 13

I. Reaktionen auf Pufendorf in der Publizistik des 17. Jahrhunderts Schon unmittelbar nach dem Erscheinen seines „Monzambano" formierte sich heftiger Protest gegen Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung. Im Zentrum der Diskussion stand weiterhin die Problematik der Staatsform und der Staatlichkeit des Reiches. An dieser Stelle sollen nur einige repräsentative Vertreter der meist kritischen Haltung gegenüber Pufendorfs

9

Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 6. Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 101. 11 von Aretin, Das Alte Reich I, S. 356 f.; Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 131; Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 100 und S. 102; Pütter, Litteratur des Teutschen Staatsrechts I, S. 189; Schömbs, Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, S. 224 ff. 12 Hoke, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 101. 13 Roeck, Reichssystem, S. 69 f.; vgl. auch Schömbs, Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, S. 189 f. 10

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

89

Reichstheorie vorgestellt und ihre wesentlichen Aussagen zusammengefasst werden. 14 Ebenso sollen die Argumente Pufendorfs zur Verteidigung seiner These gegen die Kritik der Zeitgenossen Berücksichtigung finden.

7. Frühe Rezipienten der Pufendorfschen

Reichstheorie

Friedrich Christian Brüggemann kritisierte 1667 als Anhänger der Lehre von der Mischverfassung Pufendorfs These über die Monstrosität des status mixtus, indem er sich unter Bezugnahme auf Aristoteles bemühte, den Beweis für die außerordentliche Stabilität von Staaten mit gemischter Verfassung zu erbrin15

gen. Johann Ulrich Zeller (1667) monierte vor allem, dass Pufendorf durch seine Formel vom Reich als einer Art Staatenföderation den Zusammenhalt des Reiches weiter untergrabe und gleichzeitig übersehe, dass der Kaiser nicht nur mit dem Schein monarchischer Gewalt ausgestattet sei, sondern zum einen noch umfassende Reservatrechte besitze und zum anderen aufgrund der noch bestehenden Lehnsbindung eine Gehorsamspflicht der Reichsstände gegenüber dem Kaiser bestehe, weswegen das Reich als „monarchia limitata" einzuordnen sei. 16 Ebenso verwies Jacob Bernhard Multz 1668 als letzter bedeutender Verfechter einer dominierenden Machtstellung des Kaisers auf die Unterwerfung der Reichsstände unter die kaiserliche Gewalt. 17 Als ein weiterer Anhänger der Lehre vom Reich als res publica mixta bezog Philipp Andreas Oldenburger 1668 unter anderem unter dem Pseudonym Burgold Stellung gegen Pufendorfs These vom Reich als „systema civitatum foederatarum", indem er davon ausging, dass die Funktionen des Kaisers als oberster Lehnsherr und oberster Gerichtsherr des Reiches das Reich als „una civitas" zusammenhielten.18 Ein Autor, der sich hinter dem Pseudonym Christian von Teuteburg verbarg, versuchte 1668 die These Pufendorfs von der Monstrosität der Reichsverfas-

14

Vgl. für eine genauere Darstellung der einzelnen Diskussionsbeiträge Palladini, Discussioni seicentesche su Samuel Pufendorf, S. I l l ff. 15 Brüggemann, Tractatus iuris publici de statu et scopo reipublicae Germanicae, Pars III, Ne reliquum quod es chartae (...), S. 128; für eine Zusammenfassung vgl. Palladini, Discussioni, S. 111 f. 16 Zeller, Disquisitio de sacri imperii Romano-Germanici forma et statu, S. 26, zitiert bei Roeck, Reichssystem, S. 38; für eine Zusammenfassung vgl. Palladini, Discussioni, S.112-115. 17 Multz, Dissertatio de libertate omnimoda, Kap. 5, S. 7; für eine Zusammenfassung

vgl. Palladini, Discussioni, S. 115 f. 18

Burgold, Notitia rerum illustrium imperii Romano-Germanici, Pars II, S. 48.

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

90

sung dadurch zu widerlegen, dass er behauptete, die Bezeichnung des Reiches als Monstrum müsse nicht bedeuten, dass es gar keine feste Gestalt besitze. 19 Vielmehr begriff er den Pufendorfschen Begriff „System" dann auch in einem Sinn, der die staatliche Einheit des Reiches nicht in Frage stellen konnte, indem nämlich in seiner Theorie auch ein System mehrerer Staaten einen einzigen Staat bilden konnte, der dann eine aus Aristokratie und Monarchie gemischte Verfassung besaß.20 Johann Wolfgang Rosenfeld, der unter dem Pseudonym Reifends 1669 zu Pufendorfs Reichstheorie Stellung bezog, stellte fest, dass das Heilige Römische Reich die für die Staatlichkeit erforderlichen Einrichtungen wie einen gemeinsamen „Senat", eine gemeinsame Verwaltung und Rechtsprechung besaß, wobei die Verbindung der Territorien bei ihm über die Bindung einer bloßen Staatenverbindung hinausging.21 Rosenfeld beschrieb mit seiner eigenen Einordnung des Reiches als „Gentium Societas" 22 das Reich kaum anders als Pufendorf mit seiner Klassifizierung des Reiches als Zwitter zwischen einem „systema civitatum" und einer „perfecta civitas", das in die herkömmlichen aristotelischen Kategorien nicht eingeordnet werden konnte. 23 Dabei kann Rosenfeld als der erste Rezipient der Pufendorfschen Reichsverfassungslehre bezeichnet werden, der die neuartige Denkleistung Pufendorfs gesehen hat, indem Rosenfeld in seiner Schrift die Erkenntnis formuliert, dass Aristoteles in seiner Staatsformenlehre von „perfectissimae societates" ausgegangen sei, die „gentium societates seu imperia" aber keine solche seien, und somit zu dem Schluss kommt, dass gemessen an den aristotelischen Idealtypen die Wirklichkeit immer „irregulär" sein müsse.24

2. Die Reichstheorie des G. W. Leibniz als Reaktion auf Pufendorf Unter den zahlreichen Stellungnahmen zu von Gottfried Wilhelm Leibniz aus den frühen nächst eine Reaktion auf Pufendorf darstellten, verfassungstheoretisches Konzept entwickelte.

19

Pufendorf stechen die Schriften 1670er Jahren hervor, da sie zuLeibniz zudem aber sein eigenes Auch bei Leibniz stand die Fra-

Von Teuteburg (Pseudonym), Solida ac necessaria disquisitio, § 1, S. 5; für eine Zusammenfassung vgl. Palladini, Discussioni, S. 132-136. 20 Von Teuteburg, Solida ac necessaria disquisitio, § 9, S. 62. 21 Reif ends (=Johann Wolfgang Rosenfeld), De summa principum Germanicorum potestate, Kap. 1, S. 25; vgl. dazu auch Palladini, Discussioni, S. 136-138. 22 Reifends, De summa principum Germanicorum potestate, Kap. 13, S. 194. 23 Roeck, Reichssystem, S. 41. 24 Reifends, De summa principum Germanicorum potestate, Kap. 13, S. 193.

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

91

ge, ob Pufendorfs Theorie die Staatlichkeit des Reiches negiert, im Mittelpunkt. 25 In seiner Schrift „In Severinum de Monzambano" 26 erwies sich Leibniz als einer der distinguiertesten Kritiker Pufendorfs, wobei er weniger die Titulierung des Reichsgebildes als „monstrum" oder „respublica irregularis", sondern Pufendorfs Behauptung, das Reich nähere sich einem System verbündeter Staaten, ins Zentrum seiner Kritik stellte. 27 Für Leibniz stellte Pufendorfs Einordnung des Reiches als „System verbündeter Staaten" eine Leerformel dar, denn Leibniz begründete die Staatlichkeit des Reiches mit seiner lehnsrechtlichen Struktur: „.. .totum Imperium erit Dominus directus feudorum in Imperio.", woraus er folgert: „Qui est Dominus directus, in eum cadit ius et obligatio. In quem cadit ius et obligatio, ei competit una voluntas. Cui competit una voluntas, is est una persona civilis. Ergo Imperium habens dominium directum territoriale, est una persona civilis habens majestatem seu summam potestatem. Una persona civilis habens summam potestatem in partes suas, est civitas. Ergo Imperium est civitas." 28

Für Leibniz ist somit ein einheitlicher Willen der Staatsperson „Reich" entscheidendes Kriterium der Staatlichkeit, wobei er diese Voraussetzung für das Reich bejaht, auch wenn die Frage der Funktionsfähigkeit dieses Staatsgebildes nicht damit geklärt werde. Das Reich müsse ein Staat sein, weil seine Territorien Lehen seien, sodass das Imperium auch die oberste Gewalt über sie besäße. 29 Damit wird die vermittelnde Auffassung vertreten, dass dem Kaiser als „höchstem Oberhaupt" im Reich die maiestas zukomme. Die Reichsfürsten schuldeten ihm die Erfüllung ihrer Huldigungs-, Gefolgschafts- und Lehnspflichten. Die Erfüllung dieser Gehorsamspflichten gegenüber dem Kaiser schließe jedoch eine „Oberhoheit" (suprematus) der Fürsten in ihren Territorien nicht aus, welche sich in der Gesetzgebungsmacht (potestas legislatoria), der eigenen Gerichtsbarkeit (jurisdictio), dem Steuererhebungsrecht (privilegium fisci) und dem Recht zur Entscheidung über Krieg und Frieden (jus belli ac paci) ausdrücke. 30 Leibniz beurteilte die Reichsverfassung nicht wie Pufendorf unter dem Souveränitätsaspekt, sondern nahm eine „korporativ-organische" 31 Perspektive ein,

25 26 27 28 29 30 31

Roeck, Reichssystem, S. 41. Leibniz , In Severinum de Monzambano, in: ders., Werke, IV, 1, S. 500 ff. Roeck, Reichssystem, S. 42. Leibniz , In Severinum de Monzambano, in: ders., Werke, IV, 1, S. 501. Leibniz , Lithuanus, Propositio LVII, in: ders., Werke, IV, 1, S. 61. Leibniz , Caesarini Fuerstenerii, in: ders., Werke, IV, 2, S. 17 f. Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 202.

92

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

indem er das Reich als „Staatenfamilie" („Imperium est familia civitatum.") und „System verbündeter Einzelstaaten" beschreibt 32, das aber trotzdem ein unabhängiger souveräner Staat mit gemeinsamer Interessenlage seiner Glieder 33 im Sinne einer „Reichsräson" 34 sei. In Auseinandersetzung mit Pufendorf versuchte Leibniz, das Reich in seiner durch den oben genannten doppelten Dualismus verursachten rechtlichen und politischen Vielschichtigkeit zu erklären, und begründete die Theorie vom „ständischen Bundesstaat"35 als Konstruktion eines Bundes von Territorialstaaten, über dem das mit den maßgeblichen Hoheitsrechten ausgestattete Reich der eigentliche Träger der Reichspolitik sein sollte. Denn nur in dieser Konstruktion sah Leibniz die sicherheitspolitischen Interessen des Reiches hinreichend gewährleistet. 36 Trotz seiner Umschreibung des Reiches als einer Art „Fürstenfamilie" hielt Leibniz an dessen Staatspersönlichkeit fest, was wohl vor allem aus seiner nicht erfolgten Abkehr von der alten eschatologischen Idee des Sacrum Imperium 37 zu erklären ist.

3. Reaktion Pufendorfs

auf seine frühen Kritiker

Pufendorf reagierte auf diese wissenschaftlich geäußerte Kritik mit seiner 1669 veröffentlichten Schrift „Disquisitio de republica irregulari". Pufendorf erklärt darin noch einmal sein Verständnis einer „respublica irregularis" und setzt sich ausführlich mit den Argumenten der frühen Gegner des „Monzambano" auseinander. Die „Disquisitio" war weniger eine Streitschrift wie „De statu Imperii Germanici", sondern mehr eine wissenschaftliche Abhandlung im Stile der Zeit, in der Pufendorf seine bereits 1667 in der Reichsverfassungsschrift niedergelegte Lehre präzisierte. 38 Die theoretischen Aussagen sollten zur Erklärung der besonderen Verhältnisse des Reiches beitragen, wobei Pufendorf seine Einteilung der Staaten in einfache („simplices") und zusammengesetzte („compositae") beibehielt. Zu den letzteren zählten auch Staaten-

32

Leibniz , Elementa juris naturalis, in: ders., Werke, VI, 1, S. 446. Leibniz , Bedencken, in: ders., Werke, IV, 1, S. 135. 34 Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 203. 35 von Aretin, Das Alte Reich I, S. 353; Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 207. 36 Vgl. dazu von Aretin, Das Alte Reich I, S. 354; Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 203 ff. 37 Vgl. dazu Leibniz , Deutsche Schriften, Bd. 1, S. 25; Roeck, Reichssystem, S. 44; von zur Mühlen, ZRG (Germ. Abt.) 89 (1972), S. 118 (129). 38 Roeck, Reichssystem, S. 46. 33

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

93

systeme („systema civitatum"), die wie die einfachen Staaten in reguläre und irreguläre Staaten („reguläres et irreguläres") geschieden werden können. 39 Die regulären Formen der einfachen Staaten lassen sich in das klassische aristotelische Schema einordnen. Einordnungskriterium ist das Subjekt der höchsten Gewalt; Staaten, die in das Schema nicht passen - „quae supersit, quae ad neutram harum classium quadrent" - sind irregulär. 40 Pufendorf verdeutlicht damit nochmals, dass er den Schematismus der aristotelischen Kategorien ablehnt. 41 Weiterhin stellt er fest, dass die Frage nach der Staatsform und der Staatlichkeit des Reiches nur Scheinprobleme seien. Denn nach seiner Auffassung könne auch bestimmten Zwittern zwischen einem Einzelstaat und einem zusammengesetzten Gebilde aus mehreren vollkommenen Staaten nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Staatsqualität zukommen, auch wenn sie nach den strengen Regeln der Souveränitätslehre, nach der die volle Souveränität im Reich keinem anderen Organ zuzuordnen ist, nicht als Staaten angesehen werden könnten. 42 Pufendorf stellt hier heraus, dass er die Staatlichkeit des Reiches als „respublica irregularis" nicht negiert, sondern nur die Möglichkeit bestreitet, die Wirklichkeit eines Staates - und im Besonderen des Heiligen Römischen Reiches - mit herkömmlichen Kategorien zu beschreiben. 43

4. Befürworter

der Reichstheorie Pufendorfs

Auch Autoren wie Christian Thomasius (1695/1701) und Samuel Rachel (1675), die sich positiv zu Pufendorfs Einschätzung der Reichsverfassung und zu seiner Auffassung, dass die aristotelischen Kategorien für die Beschreibung der dualistischen Reichsverfassung unzulänglich seien, bekannten, stellten trotzdem die „unitas imperii" stets in den Vordergrund. 44 Aus der Sicht Rachels ergibt sich die Irregularität des Reiches aus dem Fehlen einer ungeteilten, souveränen Gewalt 45 , allerdings stellt er die Staatlichkeit des Reiches nicht ernsthaft in Frage, da für die Staatlichkeit auf jeden Fall die Reichsgesetze sprächen und die superioritas der Reichsstände keine der Souveränität gleichzusetzende juristische Qualität besitze. 46 Dem Vorwurf, Pufendorf

39 40 41 42

43 44 45 46

PufendorfDisquisitio de republica irregulari, § 6, S. 19. Pufendorf, Disquisitio de republica irregulari, § 6, S. 19. Pufendorf\ Disquisitio de republica irregulari, § 24, S. 85. Pufendorf, Disquisitio de republica irregulari, § 24, S. 85 f.

Roeck, Reichssystem, S. 48. Roeck, Reichssystem, S. 49. Rachel, De capitulatione regni Germanici, S. 57. Rachel, De capitulatione regni Germanici, S. 59 ff.

94

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

negiere mit seiner Reichstheorie die Staatlichkeit des Reiches und gefährde die Reichseinheit, hat Thomasius entgegengehalten, dass es einem Wissenschaftler nicht verwehrt sein dürfe, die Mängel der Staatsverfassung zu kritisieren. Es stelle keine Sünde und keinen Verrat am Vaterland dar, eine schlechte Verfassung auch als solche zu bezeichnen.47

5. Erneute Auseinandersetzung um die Frage der Reichseinheit Pufendorfs „Disquisitio de republica irregulari" provozierte wiederum Gegenreaktionen, die durch die Frage, ob bei der Bestimmung des Reiches als einem sy stema foederatum dessen Staatlichkeit in Frage gestellt werde, motiviert waren. Dabei führte Karl Scharschmid 1674 in seiner „Disquisitio de republica monstrosa contra Monzambano (...)" die von seinen Vorgängern bekannten Argumente an, dass das Reich mehr sei als nur eine Verbindung souveräner Staaten. Beispielsweise zeige das Vorhandensein einer obersten richterlichen Gewalt und die Existenz der Lehnspyramide, dass eine über die Bindung durch einen bloßen Bündnisschluss hinausgehende Vasallenbindung an den Kaiser gewährleist sei. 48 Neben Leibniz kann als einer der eindringlichsten Kritiker Pufendorfs der Publizist Johann Georg von Kulpis als Vertreter einer konservativ orientierten Reichstheorie, die auf der Lehre vom Reich als gemischter Staatsform aufbaute, angesehen werden. 49 Er versuchte in Gegnerschaft zu Pufendorf das Vorhandensein einer ungeteilten Souveränität im Reich nachzuweisen, was er gleichzeitig als Beweis für die Staatlichkeit des Reiches ansah. Diesen Beweis führte er sowohl über die (vermeintlich) historische Kontinuität des monarchischen Heiligen Römischen Reiches seit dem Mittelalter als auch nach dem geltenden Reichsrecht. 50 Er sieht das Reich als einen aus Haupt und Gliedern zusammengesetzten „corpus" 5 1 , dem die Reichsstände zur Gefolgschaft verpflichtet seien, wobei ebenfalls eine höchste Reichsgerichtsbarkeit und ein institutionalisierter Sanktionsapparat existiere und die Reichsgesetze für die Reichsstände Verbindlichkeit hätten. 52 Die Territorialgewalt („superioritas territorialis") könne somit

47 Thomasius, Von denen Mängeln der aristotelischen Ethic, in: Thomasius, Allerhand bißher publicirte Kleine Teutsche Schrifften, S. 106 f.; vgl. dazu auch Breßlau, Einleitung, S. 52. 48 Scharschmid, Disquisitio de republica monstrosa contra Monzambano eiusque asseclas, 1. Aufl. 1674, 2. Aufl. 1679, zitiert bei Roeck, Reichssystem, S. 52 ff. 49 Roeck, Reichssystem, S. 56. 50 Kulpis, De unitate reipublicae in S. R. Imperio, S. 265-274, zit. bei Roeck, Reichssystem, S. 56; für eine Zusammenfassung vgl. Palladini, Discussioni, S. 142-144. 51 Kulpis, De unitate reipublicae, S. 275, zitiert bei Roeck, Reichssystem, S. 56. 52 Kulpis, De unitate reipublicae, S. 299 f., zitiert bei Roeck, Reichssystem, S. 56 f.

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

95

nicht mit der Souveränität („summa maiestas") im Reich gleichgesetzt werden, da diese nur dem Kaiser und den Ständen in ihrer Gesamtheit zustünde.53 Kulpis kritisiert weiterhin Pufendorfs Gleichsetzung von „irregulär" und „status mixtus" 5 4 und stellt dem seine eigene Differenzierung von regulären und irregulären Staaten gegenüber: Ein Staatsgebilde ist bei ihm nicht dann regulär, wenn sich die Souveränität ungeteilt im Besitz eines Einzelnen oder einer bestimmten Personengruppe befindet, sondern - in Anlehnung an Aristoteles - wenn seine Regierungsform mit den Prinzipien des Gerechten und Ehrenhaften übereinstimme, sodass auch ein Staat mit gemischter Staatsform wie jeder andere Staat regulär oder irregulär sein könne. 55 Aus den Aussagen von Kulpis wird auch ein realpolitischer Bezug deutlich, bei dem das Reich als Organisation für die Existenzsicherung der Reichsstände konzipiert war. 56

6. Negation der Staatlichkeit des Reiches? Pufendorfs „ Addenda Dissertationi de Republica Irregulari " Im 17. Jahrhundert erregte vor allem der aus zeitgenössischer Sicht unvorstellbare Eindruck, Teil eines irregulären und monströsen Reichskörpers zu sein, das Missfallen und den Protest der meisten patriotischen Reichspublizisten. 57 Viele gaben sich der „Selbsttäuschung von der glücklichen Harmonie der Reichsverfassung, die selbst in der neueren historischen Forschung noch von Barudio als ein „Kunstwerk" 58 beschrieben wird, hin - eine Einstellung, die eher emotionale als rationale Reaktionen auf die als Provokation empfundenen Thesen Pufendorfs hervorbrachte. Nur wenige verstanden seine Schrift als konstruktive Kritik an der Reichsverfassung. Die empörte Reaktion auf die aus zeitgenössischer Sicht umstürzlerischen und anstößigen Aussagen verstellte bei vielen Publizisten den Blick auf eine sachliche Auseinandersetzung mit Pufendorfs Gedanken. Der Versuch zeitgenössischer Gegner Pufendorfs, sein Urteil auf das Schlagwort von der Monstrosität der Reichsverfassung zu reduzieren, greift hinsichtlich der wahren Absichten und der eigentlichen Leistung Pufendorfs zu kurz. Die meisten Kritiker Pufendorfs erkannten nämlich nicht die in seiner Reichsverfassungsschrift getroffene Trennung zwischen der verfassungsrechtlichen und staatstheoretischen Betrachtung des Reiches mit aristotelischen Kate-

53 54 55 56 57 58

Kulpis, De unitate reipublicae, S. 281, zitiert bei Roeck, Reichssystem S. 57. Kulpis, In Severinum de Monzambano, S. 193, zit. bei Roeck, Reichssystem, S. 57. Kulpis y In Severinum de Monzambano S. 244, zit. bei Roeck, Reichssystem, S. 57. Roeck, Reichssystem, S. 57. Kremen Der Westfälische Friede, S. 67; Schweden JuS 1995, S. 959 (964). Barudio, Der Teutsche Krieg, S. 589.

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

96

gorien, nach denen es ein „monstrum" war, und der Beschreibung der politischen Wirklichkeit, also der tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse, wonach das Reich einem an ein Bündnissystem angenäherten Gebilde glich, das aber gleichwohl ein Staat sein konnte. 59 In den Augen der Reichspublizisten wurde die Staatsqualität durch eine rechtlich fundierte Verfassungsordnung und eine - wie auch immer geartete Souveränität bestimmt. 60 Die Bezeichnung der Reichsverfassung als „irreguläre aliquod corpus et monstro simile" (Kap. VI, § 9) bzw. als „monströs" („quam monstrosum igitur...", Kap. VII, § 8) wurde daher vielfach dahingehend ausgelegt, dass Pufendorf dem Reich, was bisher noch niemand gewagt hatte, die Staatlichkeit überhaupt absprechen wollte. 61 Es deuten aber sehr viel mehr Faktoren darauf hin, dass Pufendorf mit seiner Aussage keinesfalls den Staatscharakter des Reiches anzweifeln wollte. Zunächst erfolgte die „ominöse Kennzeichnung" 62 eher beiläufig. Die Bezeichnung des Reiches als „monstrum" ist zudem für Pufendorfs Reichstheorie keineswegs von so zentraler Bedeutung, wie aufgrund ihres Bekanntheitsgrades teilweise angenommen wird. 6 3 Weiterhin muss Pufendorf über die entrüstete Kritik auf diesen Passus seiner Schrift und über die Reduktion seiner Gedankengänge auf die Formel „irreguläre aliquod corpus et monstro simile" durch seine zeitgenössischen Gegner selbst dermaßen überrascht gewesen sein, dass er die Wendung von der Monstrosität bereits in der zweiten Ausgabe 1668 abgemildert („irreguläre aliquod et tantum non monstro simile") 64 und in der posthumen Ausgabe ganz gestrichen hat (s. o. § 1 Β.Π.Ι.), obwohl dieser Begriff noch nicht einmal seine eigene Erfindung war 65 . Weiterhin versuchte Pufendorf erneut, den Vorwurf seiner Kritiker, er leugne die Staatlichkeit des Reiches, in seiner 1676 erschienenen Schrift ,Addenda Dissertationi de Republica Irregulari" mit dem Hinweis, dass er mit seiner These von der Monstrosität nichts anderes als die Eigenarten der Reichsverfassung habe darstellen wollen, zu widerlegen. In dieser Schrift, die eine Reaktion auf die polemische Kritik vor allem Scharschmids darstellte, bot sich für Pufendorf die Möglichkeit, seine Reichstheorie nochmalig zu präzisieren und bestehende Missverständnisse zu beseiti-

59 60 61

62

63 64 65

Roeck, Reichssystem, S. 38, S. 44. Nachweise bei Roeck, Reichssystem, S. 25. So sieht es bspw. Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 30. Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 64.

Roeck, Reichssystem, S. 27, Fn. 2 und Fn. 29. Breßlau, Einleitung , S. 28 f.

Klein, in: Doerr, Semper Apertus I, S. 437, Anm. 18; Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 402, Anm. 29.

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

97

gen. Er wiederholte seine in „De statu Imperii Germanici" dargelegte Theorie, dass das Reich weder ein Königreich noch ein Bündnissystem sei 66 und stellte abermals die rechtlichen Eigenarten des Reiches heraus: bei der Betrachtung der Stellung des Kaisers ging er auch auf den von seinen Kritikern geäußerten lehnsrechtlichen Ansatz ein und stellte bei der Betrachtung der Stellung des Kaisers fest, dass seine Befugnisse nicht so ausgestaltet seien wie in wahren Monarchien. 67 Er behauptete nicht, dass das Lehnsband zwischen Kaiser und Ständen aufgehoben sei, nur betonte er die besondere Eigenartigkeit der verfassungsrechtlichen Situation des Reiches, die darin liege, dass die höchste Gewalt auch jemandem zukommen könne, der einem anderen durch einen Eid verpflichtet sei: „...summum imperium etiam posse competere illi, qui juramento alteri est obstrictus." 68

Durch Teilung der maiestas zwischen dem Kaiser und den Territorialherren wurde das Reich bei Pufendorf zum irregulären Staat.69 Besonders hervorzuheben ist daher die unterschiedliche Beurteilung des Lehnswesens: Während die Lehnspyramide bei Pufendorf mehr eine äußere, anachronistische Rechtsform gewandelter Verfassungsverhältnisse darstellte, musste sie bei seinen Kontrahenten als eindeutiger Beweis für eine Unterordnung der Reichsstände unter die Herrschaftsgewalt von Kaiser und Reich herhalten. 70

7. Fazit zur unmittelbaren reichspublizistischen

Reaktion

In der Reichspublizistik des 17. Jahrhunderts dominierte noch die Lehre von der Mischverfassung, welche den doppelten Dualismus zwischen Kaiser und Reich sowie Reich und Territorien unter Berufung auf die Reichseinheit mit einem Nebeneinander erklärte. Unter Verweisung auf die verbliebenen Rechte des Kaisers sowie unter Betrachtung des Reichs als Vierte Weltmonarchie im Sinne der Prophezeiung des Propheten Daniel, das als „corpus mysticum" bis ans Ende der Zeit dauern solle, wurde der Versuch unternommen, eine fortdauernde juristische Kontinuität des Reiches als Staat abzuleiten.71 Pufendorfs „Monzambano" war in dieser Diskussion nicht nur die Einleitung einer Säkularisierung dieser universalhistorischen Konzeption, sondern hob die reichstheoretische Diskussion insofern auf eine neue Ebene, als die Frage nach 66 67 68 69

70 71

Pufendorf, Addenda dissertationi, in: ders., Dissertationes academicae, S. 558 f. Pufendorf Addenda dissertationi, in: ders., Dissertationes academicae, S. 559. Pufendorf, Addenda dissertationi, in: ders., Dissertationes academicae, S. 562. Pufendorf, Addenda dissertationi, in: ders., Dissertationes academicae, S. 564 f.

Roeck, Reichssystem, S. 55. Roeck, Reichssystem, S. 45 und 70.

98

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

der forma imperii durch die nach der unitas imperii ersetzt wurde. 72 Allerdings wurde aufgrund der Tatsache, dass ein Staatswesen mit nicht eindeutig zuzuordnender Souveränität als Ding der Unmöglichkeit galt, lange nicht das eigentlich Innovative an Pufendorfs reichstheoretischem Ansatz gesehen, nämlich eine realistischere, wenn auch nur rein deskriptive, Erfassung des Heiligen Römischen Reiches.73 Eine Negation der Staatlichkeit des Reiches war somit wohl von Pufendorf nicht beabsichtigt, vielmehr sollte verdeutlicht werden, dass es eine anerkannte staatstheoretische Definition des Reiches nicht gab, dass mit der Einigung auf eine solche auch nicht zu rechnen war und dass das Reich vielmehr in seiner Art mit keinem anderen Staat der Erde vergleichbar war 74 . Die Bezeichnung als „monstrum" erfolgte nur im Hinblick auf die aristotelischen Kategorien, und die Frage nach der Staatlichkeit des Reiches wurde als bloßes akademisches Problem abgetan.75 Pufendorf ging es nicht darum, das altertümliche Reich als unzulänglich abzuqualifizieren, was sich auch darin ausdrückt, dass er das Reich nicht für unheilbar krank hielt 7 6 , sondern er wollte auf der Basis einer klaren, an Realitäten orientierten, schonungslosen Analyse der Reichsverfassung „Heilmittel" generieren, um staatsrechtlichen Defiziten, wie dem Mangel eines Reichsheeres und gemeinsamer Staatsfinanzen, abzuhelfen. Pufendorf ist im Gegensatz zu Chemnitz als „Reichspatriot" 77 anzusehen, der sich gegen eine weitere Ausprägung der ständischen Libertät wandte, sofern sie Schaden für die Reichseinheit bedeuten könnte, aber auf der anderen Seite eine realistischere Beschreibung des Reiches als die monarchische Strömung in der Reichspublizistik darbieten wollte. Pufendorf hat das Reich mit seinen Gebrechen daher noch sehr viel differenzierter betrachtet als beispielsweise Hegel, der mit seinem Verdikt über den fehlenden Staatscharakter des Reiches gut 130 Jahre später unter dem Eindruck einer fehlenden Staatsgewalt und der militärischen Schwäche „tabula rasa schaffen" wollte 78 (vgl. § 4 A.II.3.). Auch wenn Pufendorf das Reich als gebrechlich und schwach beschrieben hat, hat er sich durch seine schonungslose Analyse um die Reichseinheit verdient gemacht.79 Dieses Verdienst lässt sich darin fokussieren, dass es Pufendorf gelang, „den Gedanken, das Reich sei ein sonderlich 72 73 74 75 76 77

Roeck, Reichssystem, S. 71. Roeck, Reichssystem, S. 71. Roeck, Reichssystem, S. 28 f. Roeck, Reichssystem, S. 49. Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 191. Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 192; von zur Mühlen, ZRG (Germ.

Abt.) 89 (1972), S. 118(122). 78 79

Randelzhof er, Die Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, S. 7. Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 193; ähnl. Roeck, Reichssystem, S. 29.

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

99

freies und rechtliches Gemeinwesen, neuerlich zu verankern und dem deutschen Selbstverständnis einzuprägen" 80. Hammerstein statuiert sogar, dass Pufendorf hierdurch eine noch viel nachhaltigere Wirkung auf seine Landsleute erzielt habe als durch seine Naturrechtstheorie. 81

II. Der Rechtscharakter des Reiches in der Publizistik des 18. Jahrhunderts Nachdem Pufendorfs „De statu Imperii Germanici" unmittelbar nach seiner Publikation in der reichspublizistischen Diskussion hohe Wellen geschlagen hatte, fielen die Reaktionen im 18. Jahrhundert weniger heftig aus. Diese sachlichere Diskussion, die auch als Ausdruck eines gesunkenen wissenschaftlichen Interesses an der forma imperii- Frage gesehen werden kann, mag zum einen im politischen Niedergang des Reiches und zum anderen in einem Mangel an neuen, noch nicht vorgetragenen Argumenten begründet gewesen sein. 82 Man hatte sich bereits mit dem Prozess der Säkularisierung und der Lösung von einer vormals theologisch begründeten Reichsidee83 abgefunden, was eine abwägende, ernsthafte und vorurteilsfreiere Auseinandersetzung mit Pufendorfs Thesen und dem Rechtscharakter des Reiches ermöglichte. Die entscheidenden Regelungen für die politische Ordnung des Reiches in Art. V I I I § 1 und § 2 IPO schrieben die wesentlichen Rechte und Vorzüge der Stände wie das Stimmrecht im Reichstag, die Landeshoheit und die Bindungen des Kaisers fest (s. ο. § 1 C.III.2.). Diese Rechte wurden auch in der jeweiligen Wahlkapitulation, nachdem eine geplante beständige Wahlkapitulation nicht zustande kam, bekräftigt. 84 Aufgrund des differenzierten Ausbaus der Unabhängigkeit der Reichsstände wurde hinsichtlich der Spätform des Reiches im 18. Jahrhundert die Frage gestellt, ob es sich noch um einen Staat oder um ein lediglich „völkerrechtlich organisiertes Gebilde" handelte.85 Auch hier soll eine Zusammenfassung der Aussagen einiger Autoren gegeben werden, die das Verfassungsverständnis der Epoche besonders verdeutlichen.

80 81

Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 193. Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 193.

82

Friedrich,

83

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 67. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 68. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 68.

84 85

Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 47.

100

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

1. Begründung der These vom Reich als Völkerrechtsordnung

durch Krause

Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Versuch unternommen, den Rechtscharakter des Reiches aufgrund des Erstarkens der landesherrlichen Gewalt neu zu definieren. In diesem Kontext stellte Johann Christoph Krause 1797 erstmals die später in der neueren rechtshistorischen Forschung von Randelzhofer 1967 aufgegriffene und weiterentwickelte These vom völkerrechtlichen Charakter des Reiches auf. 86 Krause zog aus dem doppelten Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen sowie Reich und Territorien gänzlich andere Konsequenzen als die Reichspublizisten seiner Zeit, wenn er äußerte: „(...) daß nemlich das Verhältniß zwischen dem Kaiser und den deutschen Reichsständen und Landesherrn ungleich mehr nach dem Völkerrechte, als nach dem langobardischen Lehnrechte und nach dem altdeutschen Herkommen, sich bestimmt. Die Reichstage ζ. B. und die Kreisverfassungen sind und bleiben zwar von Reichswegen angeordnete Regierungsanstalten. Sie stellen aber auch zugleich einen Congreß mehrerer monarchischen und republikanischen gemeinen Wesen vor, welche mehr oder weniger das positive europäische Völkerrecht befolgen." 87

Die Landesherren seien unter anderem aufgrund ihres Bündnisrechts Souveräne 88 , woraus folgt, dass sich die Rechtsverhältnisse sowohl zwischen den Territorien als auch zwischen Kaiser und Reichsständen nach dem Völkerrecht richten sollten und somit das Reich nach diesem Ansatz nur noch als Völkerrechtsordnung existieren kann.

2. Die herrschende Lehre hinsichtlich des Staatscharakters

des Reiches

Diese Argumentation Krauses entsprach nicht der herrschenden Lehre in der Reichspublizistik des 18. Jahrhunderts. Für die um die Reichseinheit bemühten Theoretiker und ihr Verständnis der Reichsverfassung war vielmehr die 1773 von Moser formulierte Aussage repräsentativ: „Wann auch ein Teutscher Regent sich den Titul eines Souverains beylegen lässet, ist der Kayserliche Hof wohl befugt, dergleichen Reichs-Constitutions-widrige SchreibArt niderzulegen." 89

Die Reichgewalt wurde immer noch als Mittelpunkt der staatlichen Gewalt angesehen, von der alle partikularen Hoheitsrechte abgeleitet werden 90 , was der Publizist Biener mit folgendem Bild anschaulich ausdrückte: 86

Krause, Abhandlungen aus dem deutschen Staatsrechte, S. 70. Krause, Abhandlungen aus dem deutschen Staatsrechte, S. 70. 88 Krause, Abhandlungen aus dem deutschen Staatsrechte, S. 149. 89 Moser, Von der Landeshoheit derer Teutschen Reichsstände überhaupt, Neues Teutsches Staatsrecht Band 14, S. 17. 90 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 70. 87

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

101

„Man kann den Kaiser und die in seine Hände gelegte Reichsregierung oder mit einem Worte, die Maiestät im Verhältnis gegen einzelne Lande, als den Mittelpunkt ansehen, von dem die Landeshoheiten, als einzelne Strahlen ausgehen, sich über ihre Distrikte verbreiten, aber blos in der nach den Reichsgesetzen bestimmten Direktionslinie." 91

a) Schmauß: Das Reich als „Monarchia limitata" Johann Jacob Schmauß behielt die schon aus der publizistischen Diskussion des 17. Jahrhunderts bekannte Vorstellung vom Reich als einem „corpus", der aus Haupt und Gliedern bestehe und durch das kaiserliche Oberhaupt des einigen Staates regiert wird, bei. 92 Das Reich sei kein „systema confoederatum rerum publicarum", sondern Deutschland habe nur eine Majestät, die beim Kaiser liege und die dieser durch den Wahlakt empfange. 93 Das Reich sei ferner als beschränkte Monarchie einzuordnen, da der Kaiser durch die Wahlkapitulationen in der Ausübung seiner herrschaftlichen Rechte beschränkt sei. 94 Den Reichsständen kämen ähnlich wie den Landständen zwar Mitwirkungsrechte zu, diese machten sie aber nicht zu „Coimperanten", sondern sie blieben gegenüber dem Kaiser Untertanen, auch wenn sie hinsichtlich des gesamten Reiches Stände und gegenüber ihren eigenen Untertanen Regenten seien.95 Den „subalternen Regierungen" in den Provinzen und Territorien komme lediglich der Status einer „obrigkeitlichen" und nicht einer „höchsten majestätischen" Regierung zu, weswegen Schmauß auch nicht daran zweifelte, dass das Reich ein Staat sei. 96

b) Pütter: Die Lehre vom „zusammengesetzten Staat" Johann Stephan Pütter bezeichnete das Reich als einen „aus mehreren besonderen Staaten zusammengesetzten Staat" 97 und prägte damit den Begriff des „zusammengesetzten Staates" als Erklärungsformel für die komplexe und vielschichtige rechtliche Form des Reiches, die in der Lage war, sowohl den Zustand des Gesamtstaats als auch den der Territorien zu beschreiben und die auch

91

Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit, Theil III, S. 207. Schmauß, Academische Reden und Vorlesungen, S. 47. 93 Schmauß, Academische Reden und Vorlesungen, S. 48 f. 94 Schmauß y Academische Reden und Vorlesungen, S. 51. 95 Schmauß, Academische Reden und Vorlesungen, S. 52 f. 96 Schmauß, Academische Reden und Vorlesungen, S. 534. 97 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte Bd. 1, Kap. II, S. 20 ff., S. 30 ff.; Pütter, Institutiones Iuris Publici Germanici, §§ 23 ff, S. 28 ff. 92

102

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

die spätere bundesstaatliche Diskussion nachhaltig beeinflussen sollte. 98 Damit zog auch Pütter die Konsequenz aus der Unzulänglichkeit der aristotelischen Staatsformenlehre für die Bestimmung der Form des Reiches99 und entfernte sich von der Ausschließlichkeit der Bodinschen Begrifflichkeiten. 100 Das Reich stellte für ihn eine beschränkte Wahlmonarchie dar, die durch die Fundamentalgesetze zusammengehalten wurde und die trotz ihrer Aufteilung in „Respublicas speciales" insgesamt einen Staat bildete. 101 Es wurde weiterhin eingeräumt, dass Deutschland „eine nicht wenig complicirte" Verfassung habe, aber - wohl unter Bezugnahme auf Pufendorf - ausdrücklich abgelehnt, darin etwas „Mißgebuhrtsmäßiges" sehen zu wollen. 1 0 2 Das Reich sei mehr als ein Bündnis, vielmehr ein „einiges Ganzes" 103 , in dem allein der Kaiser die „einzige ganz unabhängige Person" darstelle. 104 Diese Sichtweise des Reiches spiegelte sich auch in Pütters Beurteilung der landesherrschaftlichen Gewalt wider, wenn er feststellte, dass „sich die Teutsche Reichsverfassung in der That auf einer sehr vortheilhaften Seite" zeige, „da ein jeder Reichsstand in seinem Lande zwar Gutes zu thun freve Hände hat, aber Böses zu thun durch eine höhere Gewalt abgehalten werden kann" 0 5 .

Pütter wollte mit dieser in ihrer politischen Naivität wohl nicht ganz ernst gemeinten Aussage verdeutlichen, dass noch einige verfassungsrechtliche Faktoren existierten, die eine Garantie für die Reichseinheit darstellten. So ist damit beispielsweise das einheitsstiftende Element der Reichsgerichtsbarkeit, die bei allen bekannten Defiziten im Falle der Rechtsverweigerung durch den Landesherrn einen Schritt zu materieller Rechtsstaatlichkeit bedeutete, angesprochen. 106 Außerdem sollte damit gezeigt werden, dass sich die durch den Westfälischen Frieden festgeschriebene Stellung des Kaisers nicht nur auf die Reservatrechte beschränkte, sondern dass der Kaiser trotz der Beschneidung seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse ein machtpolitisches Gewicht darstellte, das den Reichsständen einen gewissen Rückhalt gab. 107

98

Vgl. dazu: Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 49; Kremer, Der Westfälische Friede, S. 72 ff.; Schlie, Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, S. 41 ff. ; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 356. 99 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Bd. 1, Kap. II, S. 17 ff. 100 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 74. 101 Pütter, Institutiones Iuris Publici Germanici, S. 30 f. 102 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Bd. 1, Kap. II, S. 31. 103 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Bd. 1, Kap. II, S. 35. 104 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Bd. 1, Kap. II, S. 41. 105 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Bd. 1, Kap. XVIII, S. 305. 106 107

Link, JZ 1998, S. 1 (7). Link, JZ 1998, S. 1 (7).

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

103

Zukünftigen Bestrebungen, eine These vom völkerrechtlichen Charakter des Reiches zu manifestieren, wurde damit durch Pütter eine klare Absage erteilt, wenn er feststellte, dass , jedes Teutsche besondere Staatsrecht hingegen ebenso dem gemeinsamen Teutschen Staatsrechte, wie jeder besondere Staat selber dem Teutschen Reiche untergeordnet ist, und also noch positive Gesetze oder andere Vorschriften einer höhern Macht über sich gelten lassen muß, dergleichen bey unabhängigen Staaten nicht statt findet." 108

Doch trug im Ergebnis auch Pütters Ansatz vom Reich als „zusammengesetztem Staat" der besonderen rechtlichen Situation des Reiches Rechnung.

c) Moser: Kapitulation vor der Verfassungswirklichkeit? Johann Jacob Mosers Versuch einer Einordnung der Reichsverfassung wird vielfach auf seinen folgenden berühmten Ausspruch reduziert: „Teutschland wird auf teutsch regiert, und zwar so, daß, bereits erwehnter maßen sich kein Schulwort, oder wenige Worte, oder die Regierungsart anderer Staaten, darzu schicken, unsere Regierungsart dadurch begreiflich zu machen." 109

Auf den ersten Blick kommt diese Aussage einer „Kapitulation" 110 vor der komplexen Realität der Reichsverfassung gleich, die Moser einiges an Kritik eingebracht hat und die F. Härtung zu der Feststellung veranlasste, dass Moser mit seiner Definition im Grunde Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung, nur in freundlichere Worte gekleidet, wiederholt habe. 111 Auf der anderen Seite wird die Annahme, dass Moser sich nicht in der Lage sah, die Reichsverfassung in juristische Kategorien zu fassen, seiner theoretischen Leistung nicht gerecht. Vielmehr ist sein Ausspruch Ergebnis einer induktiven Methode, die abstrakte Begriffsbildungen ablehnte, aus denen konkrete Schlussfolgerungen für die Reichs Verfassung gezogen werden sollen. 112 Als methodenbewusster Jurist weigerte Moser sich, von einer abstrahierend beschriebenen Regierungsform auf konkrete Zuständigkeiten zu schließen 113 und die Verfassungsordnung des Reiches nur nach Maßgabe der politischen Opportunität zu prüfen, ohne zu hinterfragen, wie die wirkliche verfassungsrechtliche Substanz beschaffen war. 1 1 4 Dieser methodische Ansatz sollte auch deshalb 108

Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte, Bd. 1, Kap. Π, S. 42. Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung überhaupt, S. 550. 110 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 74 111 F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 150. 112 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 74. 113 Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung überhaupt, S. 547. 114 Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung überhaupt, S. 557; vgl. dazu Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 117. 109

104

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

nicht als Ausdruck einer theoretischen Ausweglosigkeit hinsichtlich der Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung gewertet werden. Vielmehr deutete er auf die Singularität des politischen Reichsgebildes115 hin, wie schon Pufendorfs Aussage, das Reich sei - gemessen an Maßstäben der damaligen politischen Theorie - einem „monstrum" ähnlich, die Eigenartigkeiten des Reichsgebildes in den Blick nehmen wollte. Moser bejahte trotzdem entschieden, dass das Reich ein Staat sei, in dem der Kaiser der wahre Regent sei und in dem den Ständen keine Souveränität zukomme. Er geißelte geradezu die Souveränitätsbestrebungen der deutschen Fürsten, die nicht nur den obersten Interessen von Kaiser und Reich zuwiderliefen, sondern die oft genug auch die hergebrachte Verfassung der Territorien verletzten. In diesem Zusammenhang schrieb er polemisch-provokant: „Probire es ein solcher Fürst, Prälat, oder Graf, schreibe Steuern aus, so vil er will, halte Soldaten nach Gefallen, usw. und lasse es zur Klage an einem höchsten ReichsGerichte kommen, man wird ihme bald nachdrücklich zeigen, daß und wie eingeschränckt seine Landes-Hoheit seye." 116

Die Lösung vom Reich als „Systema foederatorum Civitatem" lehnte Moser deshalb ebenfalls strikt ab, da die Reichsstände dem Kaiser und dem Reich Gehorsam schuldeten.117

d) Der Rechtscharakter des Reiches bei Biener, Kreittmayr und Rieffei Auch Christian Gottlob Biener qualifizierte das Reich als einen Staat und als eine wahre Monarchie 118 Zwar konzedierte er den Ständen aufgrund der Bindung des Kaisers an ihre Einwilligung eine Art Mitregierung. 119 Jedoch wurde bei ihm aufgrund des eingeschränkten Charakters der Mitregierung die Untertaneneigenschaft und Reichsunterworfenheit der einzelnen Stände nicht aufgehoben 1 2 0 , was an die Argumentation von Schmauß erinnert. Die durch den Westfälischen Frieden und die Wahlkapitulationen bestätigte ständische Teilhabe an den Reichsangelegenheiten lasse sowohl die monarchische Staats- und Regierungsform als auch die Einheit der Reichsregierung unberührt 121 , sodass es Biener auch ablehnte, die Territorien als souveräne Staaten zu bezeichnen.

115

Roeck, Reichssystem, S. VIII. Moser, Von der Teutschen Reichs-Stände Landen, S. 1147. 117 Moser, Von der Landeshoheit derer Teutschen Reichsstände überhaupt, Neues Teutsches Staatsrecht, Bd. 14, S. 26. 118 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit, Theil I, S. 26. 119 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit, Theil I, S. 21 ff. 120 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit, Theil I, S. 22 f. 121 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit, Theil I, S. 26 f. 116

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

105

Der katholische Publizist Wiguleus Xaverius Aloysius Kreittmayr schloss sich Mosers methodischem Vorgehen an, indem er ebenfalls annahm, dass allein die Bestimmung der Staatsform des Reiches keinen Aufschluss über die wirkliche verfassungsrechtliche Situation geben könne. 122 Wie seine publizistischen Zeitgenossen nahm er den Staatscharakter des Reiches an und negierte auf der anderen Seite eine echte Souveränität der Territorien gegenüber dem Reich, auch wenn er durch eine Spaltung des Souveränitätsbegriffs zur These einer relativen Souveränität der Landesherren gegenüber ihren Untertanen und gegenüber auswärtigen Mächten gelangte. 123 Auch Josua Joseph Rieffei bezeichnete das Reich als Staat 124 und schloss sich als weiterer Vertreter der katholischen Reichspublizistik der Auffassung von Schmauß und Pütter vom Reich als „Monarchia limitata" an 1 2 5 , wobei dem Kaiser als Reichsoberhaupt alle Merkmale der wahren Majestät zuzuschreiben seien, auch wenn der Kaiser eine Schwächung seiner Machtstellung erlitten habe: „Die Monarchie hat abgenommen. Sie bleibt aber doch allzeit ein Monarchie." 126

e) Pacassi: Negation der Singularität der Reichsverfassungsordnung Johann Baptist Pacassis Stellungnahme zur Reichs Verfassung zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass er alle neuartigen Ansätze der vorwiegend protestantisch geprägten Reichspublizistik ablehnte, und zum anderen dadurch, dass er als „Sprachrohr der Wiener Staatskanzlei" 127 am Hof des Kaisers naturgemäß bestrebt war, bei der Darlegung seiner Auffassung das Gewicht des Kaisers in der Verfassungsordnung des Reiches zu betonen, was einmal mehr verdeutlicht, wie ausschlaggebend der jeweilige dienstliche Hintergrund der Reichspublizisten für ihre Analyse des Reichsverfassungsrechts war. Pacassi lehnte Pütters These vom zusammengesetzten Staat genauso entschieden ab wie die durch Pütter und Moser erfolgte Qualifizierung des Reiches als sonderbar oder unregelmäßig hinsichtlich seiner Staatsverfassung. 128 Unter

122

Kreittmayr,

Grundriß des Allgemeinen, Deutsch- und Bayrischen Staatsrechtes,

S. 78. 123 Kreittmayr, Grundriß des Allgemeinen, Deutsch- und Bayrischen Staatsrechtes, S. 145 ff. 124 Rieffei, Kritische Staatsbetrachtungen IV, S. 89. 125 Rieffei, Kritische Staatsbetrachtungen IV, S. 79. 126 Rieffei, Kritische Staatsbetrachtungen IV, S. 99. 127 von Aretin, Heiliges Römisches Reich, Teil I, S. 95. 128 Pacassi, Beyträge zu dem deutschen Staatsrechte, Theil 1, S. 1 ff.; 12 ff., zitiert bei Kremer, Der Westfälische Friede, S. 78.

106

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

Rückgriff auf die Souveränitätsdoktrin Bodins zählte Pacassi die Wahrnehmung aller Hoheitsrechte in völliger Unabhängigkeit zu den entscheidenden Merkmalen der Staatlichkeit. Die Reichsstände seien auch bei der Regierung ihrer Territorien stets vom Kaiser und der Reichsgewalt abhängig, sodass sie wirkliche Untertanen seien. 129 Im Übrigen bezeichnete Pacassi das Reich wie die meisten bereits genannten Vertreter der Reichspublizistik des 18. Jahrhunderts als beschränkte Monarchie. 130 Auch dass das Reich noch ein einziger Staat und noch nicht in ein Systema Civitatum zerfallen ist, steht bei Pacassi außer Frage. 131

3. Fazit zur publizistischen Debatte bis zum Ende des Reiches 1806 Im Vergleich zur publizistischen Diskussion im frühen 17. Jahrhundert, in der vielfach noch die Frage nach der Staatsform des Reiches im Räume stand, hatte sich die Diskussion nicht zuletzt durch Pufendorfs These von der Monstrosität der Reichsverfassung im späten 17. und im 18. Jahrhundert zunehmend auf die Frage verlagert, ob das Reich noch ein Staat sei oder ob allein die Territorien als Souveräne und damit als Staaten zu qualifizieren seien. Der „Rückzug der Theologie" aus der Bewertung der Staatsrechtslehre hatte sowohl eine grundsätzliche Einigkeit katholischer und protestantischer Publizisten in Fragen der Reichsverfassung mit sich gebracht 132 als auch der alten sakralen Reichsidee des Mittelalters endgültig den Boden entzogen. 133 Nichtsdestotrotz gingen die meisten Publizisten auch nach den Neuregelungen des Westfälischen Friedens davon aus, dass das Reich eine rechtlich fundierte Verfassungsordnung als Grundlage der Staatlichkeit und der politischen Einheit besaß 134 und dass dem Reichs verband eine - wenn auch in den einzelnen Auslegungen unterschiedlich ausgeprägte - Souveränität zugeschrieben wurde. 135 Art. V I I I IPO wurde sowohl von den meisten protestantischen als auch von katholischen Publizisten nicht dahingehend ausgelegt, dass dadurch die Territorien des Reiches zu souveränen Staaten geworden sind. 1 3 6 Die Frage nach dem Staatscharakter des Reiches haben die Reichspublizisten daher fast einhellig be-

129 Pacassi , Beyträge zu dem deutschen Staatsrechte, Theil 1, S. 25, zitiert bei Kremer, Der Westfälische Friede, S. 78. 130 Pacassi , Beyträge zu dem deutschen Staatsrechte, Theil 1, S. 48, zitiert bei Kremer, Der Westfälische Friede, S. 78. 131 Kremen Der Westfälische Friede, S. 79. 132 Kremen Der Westfälische Friede, S. 49. 133 Dazu Häberlin, Handbuch, Bd. 1, S. 113; Kremen Der Westfälische Friede, S. 58. 134 Vgl. zu den Merkmalen der Staatlichkeit Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 29. 135 Roeck, Reichssystem, S. 25. 136 Kremen Der Westfälische Frieden, S. 76.

Α. Die Auseinandersetzung in der Reichspublizistik

107

jaht, die Thesen vom völkerrechtlichen Charakter des Reiches und der Souveränität der territorialen Herrschaften fanden bei ihnen keinen Anklang. 137 Das Reich wurde fast durchgängig als beschränkte Monarchie klassifiziert, in der die Stände trotz gewisser Eigenständigkeit in ihren Territorien zumindest gegenüber dem Reich nicht als Souveräne, sondern als Untertanen angesehen wurden. Als eine weitere wichtige Aussage der Reichspublizistik des 18. Jahrhunderts kann die These, dass die Reichsverfassung mit der Verfassung anderer Länder nicht verglichen werden könne, bezeichnet werden. 138 Die Betrachtung der Territorialherrschaft hatte in der Reichspublizistik des 18. Jahrhunderts einen Wandel dahingehend hervorgerufen, dass es nicht mehr als „Anomalie" empfunden wurde, den Landesherren eine umfassende Herrschaftsgewalt zu attestieren und zugleich die kaiserliche Oberhoheit festzustellen. 1 3 9 Die auf Pufendorf zurückgehende Einsicht, dass die deutsche Reichsverfassung nicht nur mit allgemeinen staatsrechtlichen Theorien erklärt werden konnte, sondern die konkret vorgefundene Verfassungswirklichkeit beschrieben werden musste, hatte die Diskussion um die Abnormität der deutschen Staatsverfassung beendet. 140 Erst kurz vor dem Untergang des Reiches und angesichts der Unterlegenheit des Reichsgebildes gegenüber den französischen Revolutionstruppen fühlte sich Hegel im Jahre 1802 veranlasst, dem Reich die Staatlichkeit im Sinne einer „Willensfähigkeit als Staatsperson" 141 abzusprechen, was er mit der fehlenden Staatsgewalt und der militärischen Schwäche nach außen begründete, indem er feststellte: „Deutschland ist kein Staat mehr. (...) Es ist kein Streit mehr darüber, unter welchen Begriff die deutsche Verfassung falle. Was nicht mehr begriffen werden kann, ist nicht mehr. 142 (...) Das deutsche Staatsgebäude ist nichts anders als die Summe der Rechte, welche die einzelnen Teile dem Ganzen entzogen haben, und diese Gerechtigkeit, die sorgsam darüber wacht, daß dem Staat keine Gewalt übrig bleibt, ist das Wesen der Verfassung. " , 4 3

Hegel entfernte sich somit von einer rein rechtlichen Herleitung der Staatlichkeit des Reiches, also von der Konstruktion eines „Reichsstaats" als „Gebilde des Rechts" 144 und substituierte diese durch eine Begründung der Staatlich137

Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 165. von Aretin, Das Alte Reich I, S. 365, Anm. 1. 139 Vgl. dazu Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit, Theil III, S. 186 ff.; Kremer, Der Westfälische Friede, S. 230. 140 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 230. 138

141

Roeck, Reichssystem, S. 26.

142

Hegel, Die Verfassung Deutschlands, in: ders., Politische Schriften, S. 23. Hegel, Die Verfassung Deutschlands, in: ders., Politische Schriften, S. 29.

143

144

Roeck, Reichssystem, S. 26.

108

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

keit anhand politischer Machtvollkommenheit. 145 Hegel setzte mit seinem angesichts der faktischen existenziellen Krise des Reiches gerechtfertigten, schonungslosen politischen Realismus den Schlusspunkt in der reichspublizistischen Debatte um die Staatlichkeit des Reiches, die Pufendorf mit seinem Versuch einer realistischeren Erfassung der Reichsverfassung angestoßen hatte und die sich in ihrer unmittelbaren praktischen Bedeutung mit dem Untergang des Reiches 1806 - wie von Hegel vorhergesehen - erledigen sollte.

B. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung Mit dem Untergang des Reiches im Jahre 1806 verlor die speziell auf das Staatsgebilde des Reiches fixierte Publizistik ihr Forschungsobjekt und damit ihre Existenzberechtigung, sodass das Alte Reich in der deutschen Staatsrechtswissenschaft im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur eine untergeordnete Rolle spielte und lediglich die alte Reichsidee teilweise als politisch-ideologisches Instrument eingesetzt wurde. In der neueren historischen Forschung nach 1945 wurde vor allem die Verfassungsstruktur des Heiligen Römischen Reiches wieder in den Blick genommen.

I. Reichsauffassungen 1806-1945: Zwischen Desinteresse und politisch-ideologischer Instrumentalisierung Der Untergang des Alten Reiches 1806 bewirkte zunächst einen Abbruch des aus dem 18. Jahrhundert überlieferten Reichstraditionalismus. 146 Unter dem Eindruck der Freiheitskriege und unter dem Druck der napoleonischen Fremdherrschaft wurde der Reichsbegriff allerdings bereits wenige Jahre nach seinem Untergang trotz des langen Siechtums und trotz der Zäsur von 1806 wieder „poetisch umworben und gefühlsmäßig aufgeladen" 147 . Jedoch waren weniger Idee und Tradition des niedergegangenen Alten Reiches für diese Wiederbelebung des Reichsgedankens ursächlich. Vielmehr wurde die Reichsidee aufgrund der durch die deutsche Romantik vollzogenen Rückwendung zur mittelalterlichen „Reichsherrlichkeit" im Lichte einer neuen nationalstaatlichen Idee verklärt. 148 Für das nationale Weltbild des 19. Jahrhunderts gehörte die Erneuerung einer großen Vergangenheit zum Kern

145

Hegel, Die Verfassung Deutschlands, in: Politische Schriften, S. 31 ff.

146

Fehrenbach, in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 488 m. w. N. Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (607); Fehrenbach, in: Brunner/Conze/ Ko-

147

selleck, S. 489. 148

Fehrenbach, in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 489.

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

109

der nationalen Ideologie. 149 Ein neues deutsches Reich sollte im Gewände historischer Erinnerungen verwirklicht werden, um in einer Epoche sozialer, wirtschaftlicher und geistiger Revolutionen den Bruch mit der Vergangenheit durch einen bewussten Rückgriff auf ferner gelegene und der Gegenwartskritik entzogene Epochen zu überbrücken. 150 Nicht zuletzt aufgrund des religiös-sakralen Nimbus, der den Begriff „Reich" umgab, verwandelte sich die alte Reichsverfassungstradition in eine Erwartungs- und Wunschfiktion. Damit wurde eine idealisierte, vom Ballast historischer Wirklichkeit befreite Vergangenheit nämlich Größe, Macht und Einheit des mittelalterlichen Reiches - für die Gegenwart herbeigesehnt.

7. Die alte Reichsidee im politischen Widerstreit

1815-1848

Bei aller Berufung der patriotischen Publizistik auf die alte Reichstradition darf nicht übersehen werden, dass eine einheitliche Tradition gerade nicht bestand, sondern dass einzelne Traditionselemente interpretiert, umgedeutet und mit neuen Begriffen wie „Volk", „Nation", „Einheit", „Freiheit" oder Elementen anderer Traditionen - wie vor allem der preußischen - verbunden wurden. In der patriotischen Staatsrechtswissenschaft (Ernst Moritz Arndt, Friedrich Ludwig Jahn, Johann Gottlieb Fichte) sowie in der politischen Lyrik (Theodor Körner, Max von Schenkendorf, Friedrich Rückert) wurde eine patriotische Reichsgesinnung und nationale Begeisterung für Kaiser und Reich propagiert, die teilweise mit neuen national- und rechtsstaatlichen Ideen verknüpft und die auch in Erinnerung an die Freiheitskriege vor allem von den Burschenschaften wie beispielsweise beim Wartburgfest 1817 - aufgenommen und popularisiert wurde. Auch wenn die Reichsparole sich in den offiziellen politischen Schriften und Proklamationen der Zeit ungleich nüchterner ausnahm und eine einfache Restauration des 1806 untergegangenen Reiches nicht ernsthaft in Betracht gezogen wurde, spielte das Vorbild der alten Reichsverfassung und des tradierten Reichsrechts bei den Verfassungsberatungen von 1814/15 über die Neugestaltung Deutschlands eine viel größere Rolle als man lange Zeit angenommen hat. 151 Der Reichsbegriff trat in den politischen Auseinandersetzungen des Vormärz hinter konkurrierenden Leitbegriffen (s. o.) fast völlig zurück und auch das übliche Reichspathos fehlte beispielsweise in den Verfassungsdebatten der Paulskirche. Nichtsdestotrotz hatten sich nach dem Ende der Freiheitskriege zwei di-

149

Schieden in: ders./Deuerlein (Hrsg.), Reichsgründung 1870/71, S. 422 ff. Hierzu und zum Folgenden: Fehrenbach, in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 489 ff. m. w. N. 150

151

Fehrenbach, in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 492.

110

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

vergierende Reichsauffassungen, nämlich eine vom Reich im demokratischen Sinne und eine christlich-konservative Reichsidee entwickelt. Mit dem Hambacher Fest 1832 bildete sich eine demokratische Reichsidee heraus, die den Reichsbegriff als Verfassungsbegriff auslegte.152 Führende Vertreter dieser vom politischen Liberalismus gespeisten Denkrichtung waren beispielsweise Johann Georg August Wirth und Heinrich Heine, denen es um die „Organisation eines deutschen Reiches im demokratischen Sinne" 153 ging. Diesem nationalunitarisch-demokratischen Reichsbegriff wurde eine historisch begründete Reichsideologie christlicher Prägung entgegengesetzt, die das romantische Mittelalterbild und einen vom politischen Tagesstreit befreiten Kulturpatriotismus weiter pflegte. Zu den wichtigsten politischen Repräsentanten dieser Richtung gehörte der preußische König Friedrich Wilhelm IV., der das aus der Revolution geborene und durch ein demokratisches Verfassungsrecht legalisierte Kaisertum nicht nur aus monarchisch-legitimistischen, sondern auch aus reichstraditionalistischen Gründen ablehnte. 154

2. Das Verständnis des Alten Reiches in der Reichsgründungszeit Auch in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion der Reichsgründungszeit wurde das ambivalente Reichssymbol keineswegs widerspruchslos hingenommen. Hatten die ganz den zeitgenössischen Erklärungsmodellen verhafteten und auf den Erhalt der Reichseinheit bedachten Publizisten des Alten Reiches vor 1806 noch mehrheitlich die Reichsverfassung als „eine der vorzüglichsten" Verfassungen überhaupt (Häberlin) gepriesen 155, wurde die alte Reichsverfassung in der vielfach von einem übersteigerten preußisch-deutschen Nationalgefühl geleiteten Forschung der Reichsgründungszeit als „ein wohldurchdachtes System, ersonnen um die gewaltigen Kräfte des waffenfrohesten der Völker künstlich niederzudrücken" (von Treitschke) 1 5 6 oder gar als eine „deutsche Katastrophe" (von Sybel) 157 abqualifiziert. Vor allem der im Westfälischen Frieden begründete Partikularismus wurde für den Niedergang des Alten Reiches verantwortlich gemacht. 158 Für die Theoretiker des preußisch-deutschen Machtstaates wie beispielsweise Heinrich von Treitschke, Heinrich von Sybel, 152

Vgl. dazu Fehrenbach, in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 494 m. w. N. Wirth, Deutschlands Pflichten, Deutsche Tribüne, Nr. 29, 3.2.1832. 154 Vgl. dazu Fehrenbach, in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 497 m. w. N. 155 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Bd. 1, Vorrede (nicht paginiert); vgl. dazu auch Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 5. 156 von Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 1, S. 21. 157 von Sybel, in: Schneider, Universalstaat oder Nationalstaat, S. 191 ff. (212). 158 Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 5. 153

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

111

Gustav Freytag, Johann Gustav Droysen und Max Duncker war das Heilige Römische Reich wegen der territorialen Zersplitterung und der damit einhergehenden politischen Schwäche ein Negativbeispiel. Man befürchtete sogar, dass eine Verbindung der alten Reichsidee mit dem preußischen Königtum die Zersetzung der preußisch-militärischen Tradition mit sich bringen könnte. 159 Auch wenn die Auffassung von dem unaufhebbaren Widerspruch zwischen preußisch-deutschem Nationalismus und dem mit föderalen Elementen verknüpften Reichstraditionalismus nahezu einhellig vertreten wurde, erschien es im nachrevolutionären Jahrhundert des Historismus kaum mehr möglich, auf die Legitimierung der nationalen Politik durch Tradition zu verzichten, sodass es allen Vorbehalten zum Trotz zu Versuchen kam, den Reichsgedanken in die geschichtliche Tradition Preußens einzuordnen. 160 Der 1866 bzw. 1871 von Bismarck neu gebildete Staat, der den alten Namen „Reich" annahm und sein Oberhaupt „Kaiser" nannte 161 , konnte auf diese Weise als „geschichtlicher Schlussstein eines mehrhundertjährigen Staatsaufbaus" 162 ausgegeben werden. Außerdem bewirkte die Berufung auf die partikularistischföderalistische Tradition des Alten Reiches die Integration der Einzelstaaten und veranlasste die auf Selbständigkeit bedachten deutschen Könige und Fürsten zur Einwilligung in die Reichsgründung. 163 Erneute Bedeutung erlangte der Reichsbegriff in den 1880er Jahren, als sich die nationalstaatliche Ideologie des Wilhelminischen Kaiserreiches in eine imperiale steigerte, die das Reich zum Weltreich machen wollte. Verbunden mit Forderungen nach einer entsprechenden Rassen- und Deutschtumspolitik erschien nach 1890 erstmals die auf einem imperialen und ins Alldeutsche gewendeten Reichsgedanken begründete Vision eines pangermanischen Reiches, die bis zur Mitte des Ersten Weltkrieges anhalten sollte. 164

159

Vgl. dazu Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (608); FehrenbacK in: Brunner/ Conze/Koselleck, S. 498 m. w. N.; Roeck, Reichssystem, S. VII. 160 161

FehrenbacK in: Brunner/Conze/Koselleck, S. 499.

Vorspruch S. 2 der RV von 1871 regelte: „Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen...", und Art. 11 Satz 1 RV legte fest: „Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt". 162 Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (608). 163 Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (608 f.) m. w. N. 164 Vgl. dazu Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (609) m. w. N.; Fehrenbach, in: Brunner/Conze/ Koselleck, S. 505 und S. 508 m. w. N.

112

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

3. Der Reichsbegriff

in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg musste sich 1919 die Weimarer Nationalversammlung mit der Namensgebung für die erste deutsche Republik befassen. Dort hielt man mit deutlicher Mehrheit an dem traditionellen Namen „Deutsches Reich" und damit an der äußerlichen Kontinuitätslinie der deutschen Geschichte fest. 165 Doch wurde der Reichsbegriff in den zwanziger Jahren erneut zum Spielball von ideologischer und politischer Instrumentalisierung: Die Reichsidee wurde zunächst wieder der geschichtlichen Substanz des Alten Deutschen Reiches und des Reiches von 1871 entkleidet und dann in die Zukunft hinübergetragen, um zu einer (wieder anzustrebenden) Zielvorstellung ummodelliert zu werden. Entscheidenden Vorschub für derartige ideologische Konzeptionen hatte 1923 Arthur Moeller van den Bruck mit seinem Buch „Das dritte Reich" 1 6 6 geleistet, das von einer „Konservativen Revolution" sowie einer damit verbundenen Überwindung des liberal-demokratischen Parlamentarismus kündete und das die Utopie eines „Dritten Reiches" und damit einer „Wertungsgemeinschaft" 167 der deutschen Kulturnation in „großdeutscher" geographischer Ausdehnung ausmalte. 1 6 8 Dieses irrationale, romantisch-mystische Buch sollte zu einer Programmschrift der republikfeindlichen politischen Rechten werden und wurde von NSDAP-Propagandisten wie Otto Strasser und Joeseph Goebbels für ihre Zwecke ausgenutzt. Obwohl sich der Begriff „Drittes Reich" nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bald als Parallelbezeichnung für den nationalsozialistischen Staat festigte, wurde er auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers im Jahre 1939 für unerwünscht erklärt. Dabei dürften sowohl der Aspekt, Hitler nicht nur als Willensvollstrecker der Ideen Moeliers erscheinen zu lassen, als auch eine erst nach der Machtkonsolidierung zu Tage getretene Ablehnung der Traditionslinie, die mit der Zählung der drei Reiche verbunden war, eine Rolle gespielt haben. 169 Jedenfalls kann hervorgehoben werden, dass Hitlers Einschätzungen zum Heiligen Römischen Reich nicht so positiv ausfielen, wie häufig angenommen wird, da ihm ebenso wie schon den preußisch-deutschen Staatswissenschaftlern im 19. Jahrhundert die territoriale Zersplitterung des Alten Reiches und die chronische Schwäche der Reichszentralgewalt kritikwürdig erschienen. In dieses Bild passt auch die Beurteilung des Historikers Steding, der 1942 das Alte Reich

165 166 167 168 169

Vgl. Art. 1 WRV sowie Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (609 f.) m. w. N. Moeller van den Bruck, Das dritte Reich, 1. Auflage 1923. Moeller van den Bruck, Das dritte Reich, 2. Auflage 1926, S. 332. Vgl. dazu Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (602 ff.). Butzer, Der Staat 42 (2003), S. 600 (618 ff.).

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

113

nach dem Westfälischen Frieden als „Schatten" und „politisches Ungebilde" 170 bezeichnet hat.

I I . Die Reichsverfassung im Spiegel der historischen Forschung nach 1945 Erst nach dem katastrophalen Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 nach zwölf Jahren Diktatur, Unrechtsstaat und einem von Deutschland entfesselten Weltkrieg konnte sich aufgrund der Tatsache, dass der Nationalgedanke nunmehr „recht fragwürdig" 171 erschien, eine neue Sichtweise des Alten Reiches herausbilden. Der Wandel des politischen Denkens und des Geschichtsbildes ermöglichte nun eine vorurteilsfreiere, von den Zwängen einer politischen Instrumentalisierung befreite Bewertung der Reichs Verfassung nach den Veränderungen des Westfälischen Friedens. 172 Speziell in dem Friedenswerk von 1648 wurde zunehmend mehr gesehen als nur ein „Ferment der Dekomposition" (Dickmann), indem man in dem sichtbaren Zerfallsprozess des Reiches auch Bestandteile einer neuen Ordnung erblicken wollte, nämlich die einer europäischen, konfessionellen, aber auch reichsrechtlichen Neugestaltung von zukunftsweisender Bedeutung. 173 Jedoch entband diese gewandelte Sichtweise die neuere historische Forschung nicht von einer Auseinandersetzung mit der vielschichtigen und verzweigten Verfassungsstruktur des Reiches. Die Aktualität der Pufendorfschen Aussagen zeigt sich darin, dass der Streit um den Rechtscharakter des Reiches nicht beigelegt ist und in der neueren historischen Forschung teilweise eingeräumt wird, dass sich das Reich auch aus heutiger Perspektive aufgrund der Komplexität seiner Verfassung nicht abschließend in ein staatsrechtliches System und damit in juristische Kategorien fassen lasse 174 : Teilweise wird es nicht für möglich gehalten, einen systematischen Abriss über die verfassungsrechtliche Struktur des Reiches zu Beginn der Neuzeit zu geben, denn „jeder Fürst sowohl der deutsche König als auch die verschiedenen Landesherren - vereinigte in seiner Hand ein Bündel von Hoheitsrechten, welche er teils ererbt, teils selbst zum Lehen erhalten, teils gekauft oder erobert hatte" 175 . Die Rechtsnatur des Reiches sei aus moderner Sicht „mit den Mitteln juristischer Logik nicht zu 170

Steding, Das Reich und die Krankheit der europäischen Kultur, S. 3. Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 5 f. 172 Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 47; Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 6; Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 142; Schindling, in: Weber, Politische Ordnung, S. 122. 173 Diekmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 6; so auch Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). 174 Link, JZ 1998, S. 1 (7); WyduckeU lus Publicum, S. 174. 175 Menger, Verfassungsgeschichte, Rn. 26. 171

114

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

begreifen", da in dem Reichsgebilde das Denken sehr vieler Epochen vereinigt gewesen sei. 176 Die spezifische Staatlichkeit des Reiches mit seinem Dualismus oder sogar Trialismus von Kaiser, Reich und Kreisen nach 1648 entziehe sich einer eindeutigen Kategorisierung und Klassifikation. 177 Entscheidend für die juristischen Einordnungsversuche unter Bezugnahme auf Pufendorf ist die unterschiedliche Deutung dessen, was der Westfälische Friede hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Kaiser und Reich (= Reichsstände) sowie zwischen Reichsverband und Territorien festgeschrieben hat. Wenn man beispielsweise Art. V I I I IPO als einen Kompromiss zwischen territorialer Eigenstaatlichkeit und Reichssouveränität begreift, wird damit auf die Sichtweise Pufendorfs vom Reich als Zwitter zwischen beschränkter Monarchie und Staatenstaat abgestellt. 178 Denn Pufendorfs Beurteilung des Reiches als Monstrum zwischen einer „schlecht eingerichteten Monarchie" und einem „ungeordneten Staatenbund" war auf den doppelten Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen, zwischen Reichsgewalt und Territorialgewalt gemünzt, der das Reichsgebilde zum irregulären Staat degenerieren ließ und der gleichzeitig das entscheidende Merkmal der Verfassungswirklichkeit des Alten Reiches gewesen ist. Nach Pufendorfs Ansicht konnte nicht geklärt werden, wer die eigentliche Hoheitsgewalt im Reich innehatte - der Kaiser oder die Reichsstände - und wie die Souveränität zwischen Reich und Territorialstaaten verteilt war. In der neueren historischen Forschung werden im Rahmen der Reflexion der Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung und auf der Grundlage der Forschungsergebnisse der Reichspublizistik verschiedene Ansätze zur juristischen Erklärung der dualistischen Verfassungsstruktur des Reichsstaatsgebildes vertreten, die sich in Anlehnung an die Pufendorfsche Reichsverfassungsanalyse auf einer horizontalen ebenso wie auf einer vertikalen Untersuchungsebene bewegen: Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Reich und Territorien werden die Charakterisierung des Reiches als Staatenbund anhand von völkerrechtlichen Kriterien auf der einen Seite und die Deutung als Einzelstaat nach staatsrechtlichen Kriterien auf der anderen Seite diskutiert (vertikale Untersuchungsebene). Jedoch gründen sich derartige Ansichten auf divergierende Bewertungen der Reichsglieder und Reichsinstitutionen, sodass der Blick zunächst auf die durch die Ordnung des Westfälischen Friedens neu geregelte Stellung des Kaisers und dessen Verhältnis zu den nach Unabhängigkeit strebenden Reichsständen hinsichtlich der Teilhabe an der Reichsgewalt zu richten ist. Was dem Reich an

176

Willoweit,

Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24 I.I., S. 220; von Aretin, Das Al-

te Reich I, S. 18. 177

Hofmann/Thieme,

178

Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 459.

JuS 1982, S. 167 (169).

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

115

Rechten zukam, war nämlich in vielerlei Hinsicht an die Person des Reichsoberhaupts geknüpft (horizontale Untersuchungsebene). 179

7. Das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen Ebenso wie das Reich durch die Glaubensspaltung, die Verschiebung der realen politischen Verhältnisse in Europa 180 und die Wandlungen des mittelalterlichen Personenverbandsstaates kaum noch für sich reklamieren konnte, nach der mittelalterlichen Theorie Imperium Romanum, Imperium Christianum und Imperium Mundi m zu sein, hatte auch die ehemals eschatologisch begründete Stellung des Kaisers als „allerchristlichster" Herrscher einen Macht- und Prestigeverlust hinnehmen müssen, da unter dem Einfluss der Aufklärung an die Stelle einer theologischen Rechtsbegründung eine „rational-diesseitige Begründung von Herrschaft" 182 getreten war. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war es den Ständen unter Berufung auf ihre reichsständische Libertät gelungen, nicht nur am Friedenskongress teilzunehmen, sondern auch eine Festschreibung ihrer Rechte in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten zu erwirken. 183 Der Westfälische Friede setzt eine Art juristischen Schlusspunkt eines langen und zähen Ringens zwischen dem alten Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches und seinen historisch weit jüngeren Gliedern, die sich ihre abgeleitete Macht und ihre Kompetenzen von der Reichszentralgewalt durch „Anmaßung und Privilegien" erkämpft haben, wie es in einer wahrscheinlich auf die Urheberschaft Franz von Zeillers zurückgehenden 1 8 4 Wiener Darstellung der Reichsverfassung gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschrieben wird. 1 8 5 Die rechtlichen Grundlagen für die verfassungsrechtliche Stellung des Kaisers im Reich ergaben sich daher hauptsächlich aus den Reichsfundamentalgesetzen, der Reichsgesetzgebung und dem Reichsherkommen (Gewohnheitsrecht), wobei die Wahlkapitulationen vor allem in den Augen der Zeitgenossen als wichtigste Grundlagen für die verfassungsrechtliche Stellung des Kaisers

179 180

Scheyhing, Verfassungsgeschichte, 6. Kap., Rn. 2, S. 49.

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 47. 181 Vgl. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 233 ff. 182 Stolleis, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 7 ff., S. 21. 183 Insbesondere die Festlegung der beschließenden Teilnahme der Reichsstände an nahezu allen Reichsangelegenheiten in Art. V I I I § § 2 und 4 IPO bildet hier den reichsrechtlichen Ausgangspunkt. 184 Thieme, JuS 1981, S. 549 (550); Wagner, Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches, S. 5. 185 Wagner, Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches, VIII, § 123, S. 76.

116

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

galten. 186 Besondere Bedeutung bei der Ermittlung von verfassungsrechtlichen Kräfteverhältnissen hatte das zwischen Kaiser und Ständen oft umstrittene Reichsherkommen, das immer zur Ermittlung des Ursprungs eines behaupteten Rechts oder zur Auslegung geltender Regelungen in Zweifelsfällen herangezogen wurde. 187 Die Beantwortung der Frage, ob dem Kaiser noch eine echte Hoheitsgewalt oder nur noch Befugnisse von symbolischem Charakter zukamen und was genau sich durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens zulasten des Kaisers verschoben hatte, wird in der neueren historischen Forschung nicht ganz einheitlich gesehen. Eine homogene Sichtweise wird auch dadurch erschwert, dass die Befugnisse des Kaisers in den Westfälischen Friedensverträgen nicht enumeriert worden sind, sondern ihre Festlegung durch Art. V I I I § 3 IPO dem nächsten Reichstag übertragen wurde 188 . Diese Festlegung der Rechte des Kaisers in einer beständigen Wahlkapitulation (Capitulatio perpetua) fand bekanntlich nie statt, was als Ausdruck einer für die Spätphase des Reiches nach dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 charakteristischen Tendenz gesehen werden kann, verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Konflikte nicht wirklich auszufechten. Vielmehr wurden sie in einer Art Schwebezustand belassen und darauf gewartet, dass die andere Seite ihre Vorhaben irgendwann nicht mehr mit dem gleichen Elan verfolgen würde. 189 Verfassungsrechtliche Festschreibungen entweder zu Lasten der ständischen Libertät oder zu Lasten des Kaisertums wurden meist bewusst vermieden, was für die Reichsverfassung bedeutete, dass sie sich neben den Reichsfundamentalgesetzen zu einem großen Teil aus Gewohnheitsrecht und zu einem noch größeren Teil aus unausgetragenen Ansprüchen der verfassungsrechtlichen Gegenspieler zusammensetzte.190

a) Vertreter eines Primats der Reichsstände gegenüber dem Kaiser Hinsichtlich des dualistischen Kräfteverhältnisses zwischen Kaiser und Reichsständen gestehen viele Stimmen in der neueren rechtshistorischen Forschung dem Kaiser zwar eine fortwährende Würde des Amtes zu, gehen aber

186

Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 43.

187

Buschmann, in: Brauneder, S. 43; Roeck, Reichssystem, S. 121 ff. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 81. Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 171; Roeck, in: Glaser, Um Glauben und

188 189

Reich, S. 460. 190

Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 171.

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

117

überwiegend davon aus, dass die mit dieser Würde verbundene reale Macht „verschwindend gering" 191 war. Diese Betrachtung wird damit begründet, dass die kaiserlichen Reservatrechte durch Art. V I I I § 2 IPO insofern stark beschränkt worden seien, als diese Bestimmung die Mitwirkung der Reichsstände bei allen wichtigen Reichsgeschäften festlegte, was naturgemäß zu Lasten der Befugnisse des Kaisers gehen musste. Diese Bindung der kaiserlichen Gewalt an die Mitbestimmung der Stände wurde zudem noch durch die ausdrückliche Erwähnung des Art. V I I I IPO in der Wahlkapitulation Josephs II. gefestigt. 192 Demnach reduzierten sich die Reservatrechte des Kaisers, die er selbständig und ohne Mitwirkung der Reichsstände ausüben durfte, auf „ein paar Ehrenrechte" und einige Befugnisse wie Standeserhöhungen oder Legitimationen, 193 mit der Folge, dass dem Reichsoberhaupt durch die Friedensverträge und die auf diesen aufbauenden Bestimmungen der Wahlkapitulationen „fast jede Handhabe zum Eingreifen im Reich genommen" 194 worden sei. Zwar wird auch hier gesehen, dass die kaiserlichen Reservatrechte noch ausreichten, um einen gewissen Einfluss auf die kleineren Reichsstände auszuüben, sodass ein machtbewusster Kaiser wie etwa Joseph I. seinen Einfluss auch auf die Politik der vorderen Reichskreise ausdehnen konnte. 195 Allerdings wird diese Aussage durch die Feststellung relativiert, dass die Reservatrechte des Kaisers nur in Verbindung mit einer starken Hausmacht, wie sie etwa die österreichischen Kaiser innehatten, dem Kaiser im Reich Geltung verschaffen konnten, was aber mehr den Interessen des Hauses Habsburg als den Reichsinteressen zugute kam und schließlich die Schlussfolgerung zulässt, dass nach dieser Ansicht ein Kaiser ohne Hausmacht im Reich nichts zu sagen gehabt hätte. 196 Auch die Tatsache, dass der Reichstag von Regensburg von 1653/54 aufgrund seines Unvermögens, die Verfassungsaufträge von 1648 vollständig zu erledigen, zum Immerwährenden Reichstag perpetuiert wurde, wird als Ausdruck einer veränderten Gewichtsverteilung zwischen Kaiser und Reichsständen gesehen. Die Permanenz des Reichstages als Zustimmungs- und Kontrollorgan entsprach einer gewissen Logik der rechtlichen und politischen Entwicklung seit 191 Thieme, JuS 1981, S. 549 (551); von der Tendenz ähnlich: Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 262 ff.; Forsthoff, Verfassungsgeschichte, S. 65 ff.; F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 148; Heckel, JuS 1988, S. 336 (338); Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 227 ff.; Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 156 f.;

Menger, Verfassungsgeschichte, Rn. 32 ff. 192

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 82.

193

Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 148. F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 148.

194 195 196

F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 149; ähnlich auch von zur Mühlen, ZRG (Germ. Abt.) 89 (1972), S.l 18.

118

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

1648, die kaiserlichen Entscheidungen in allen wesentlichen Fragen von der Zustimmung der Stände abhängig zu machen. 197 Ebenso wird darauf verwiesen, dass das aufgrund von alten Traditionen beibehaltene Reichszeremoniell bei der Beurteilung der Verfassungslage nur auf eine scheinbar vorhandene kaiserliche Machtstellung hindeute. 198 In diesem Zusammenhang verdeutliche auch die Betrachtung der fortbestehenden Überreste des mittelalterlichen Reichslehnsrechtes 199, das von den Publizisten des 18. Jahrhunderts noch als Begründung einer den Reichsständen übergeordneten Stellung des Kaisers herangezogen wurde, den tatsächlichen Machtverlust des Kaisers. Das Lehnszeremoniell könne als ein geeignetes Beispiel für eine Verdeckung der wahren Machtverhältnisse angesehen werden. Wenn die reichsständischen Fürsten beim Lehnsempfang vor dem Kaiser auf die Knie fallen mussten und den Eid auf das Evangelienbuch ablegten 200 , erschienen sie heute eher als gehorsame Diener und Untertanen des Kaisers denn als unabhängige Territorialherrscher. 201 Jedoch habe es sich dabei um „völlig antiquierte, zum Teil auch nicht mehr beachtete Formen aus vergangenen Zeiten" gehandelt, die nur noch eine leere Hülle eines ehemaligen politischen Lebens darstellten. 202 Kremer spricht treffend davon, dass über die alte Lehnsverfassung des Reiches die Artikel des Westfälischen Friedens „gestülpt" worden seien, die das Rechtsverhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen nach „moderneren" Prinzipien regelten. 203 Andererseits betont Kremer auch die beachtenswerte Tatsache, dass sich diese altertümlichen Formen in einer für Fragen der Etikette empfänglichen Zeit trotz aller territorialherrschaftlichen „Souveränitätsgelüste" halten konn.

„ 204

ten. Zusammenfassend betrachtet sieht die oben dargestellte Ansicht weitgehend in den Bestimmungen des Westfälischen Friedens einen Sieg der ständischen Verfassungsordnung über das monarchische Prinzip. 205 Dies drückt sich auch darin aus, dass man nach der endgültigen Festschreibung der ständischen Libertät im Instrumentum Pacis Osnabrugense einen kaiserlichen Absolutismus nach 1648 nicht mehr ansatzweise für möglich gehalten hat, da das Prinzip der Kaiserwahl in Verbindung mit ständischen Beschränkungen der kaiserlichen Macht

197

Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 172. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 85. 199 Dazu vgl. von Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 72 ff. 200 Vgl. zum Lehnszeremoniell Pütter, Historische Entwicklung III, S. 219. 201 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 85. 202 Feine, Zur Verfassungsentwicklung des Heiligen Römischen Reiches, in: ders., Territorium und Gericht, S. 311; Kremer, Der Westfälische Friede, S. 85. 203 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 85. 204 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 85 f. 205 Heckel, JuS 1988, S. 336 (338). 198

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

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dem Übergang zum Absolutismus im Reich naturgemäß entgegengestanden habe.206

b) Vertreter eines rechtlichen Primats des Kaisers Einige Autoren in der neueren historischen Forschung gehen von einem umgekehrten rechtlichen und politischen Kräfteverhältnis der Antagonisten der Reichsverfassung aus und führen einige Argumente an, warum keine Unterordnung des Kaisers unter den Willen der Stände, sondern vielmehr ein Primat des Kaisers angenommen werden müsse. 207 Zwar wird von ihnen ebenfalls der Machtzerfall der Kaiserwürde gesehen und die Tatsache, dass seine in manchen Zeiten nicht gerade geringe politische Kraft weniger mit der Institution Kaiser als mit der kaiserlichen Hausmacht zusammenhing, erkannt. Jedoch wird trotz alledem angesichts des Vergleichs von kaiserlichen und reichsständischen Rechten eine beherrschende verfassungsrechtliche Stellung des Kaisers auch noch gegen Ende des Reichs ausgemacht.208 Für ein Primat des Kaisers gegenüber den Ständen werden unter Berufung auf die Reichspublizistik des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts 209 Argumente wie die Stellung des Kaisers als Oberhaupt des Reiches und die Fülle der in seiner Person vereinigten Rechte angeführt, wobei konzediert wird, dass die politische Durchsetzung der kaiserlichen Rechte schwierig war und blieb. 2 1 0 Entscheidend für die Bewertung sei aber allein die Rechtsstellung des Kaisers im Gefüge der Reichsverfassung und nicht die konkrete politische Machtstellung, auch wenn diese zur Durchsetzung der verfassungsmäßig verbürgten Rechte erforderlich sei. 211 Insbesondere Buschmann 212 argumentiert mit den kaiserlichen Regierungsbzw. Hoheitsrechten, die als Bestandteile der kaiserlichen Gewalt fast das gesamte Spektrum dessen, was nach heutiger Terminologie als Staatsgewalt, also Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Vollstreckung, bezeichnet wird, abdecken würden. Dabei nennt er als Stütze seiner Argumentation die in ihrer Ausübung

206 Vgl. dazu Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 226; ähnlich auch von Aretin, Das Reich, S. 21 \ Boldt, Verfassungsgeschichte I, S. 262; Schroeder, JuS 1995, S. 959 (960). 207 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 56; Duchhardt, VerfassungsgeschichteS. 170; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 180. 208 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 58; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 180. 209 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 65, Anm. 52. 210 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 58; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 180. 211 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 48. 212 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 50, 56.

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§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

nur durch die Reichsverfassung, die Reichsgesetzgebung und das Reichsherkommen begrenzten und in ihrer praktisch-politischen Bedeutung nicht zu unterschätzenden kaiserlichen Reservatrechte. 213 Diese gliederten sich im Einzelnen auf in (1) die kaiserlichen Rechte bei der Reichsgesetzgebung (Propositionsrecht ^Initiativrecht], Sanktionsrecht [=Bestätigungsrecht], Publikationsrecht und Ratifikationsrecht), die für das Zustandekommen der Reichsgesetze konstitutiv waren und damit ein faktisches absolutes Vetorecht des Kaisers hinsichtlich aller Beschlüsse des Reichstages bedeuteten,214 (2) die Rechte des Kaisers bei der Ausübung der Reichsgerichtsbarkeit (Inhaberschaft der obersten Gerichtsbarkeit im Reich, Erteilung von Justizprivilegien aller Art, Vornahme von Zuständigkeitsregelungen, Kassations- und Erfüllungsrecht bezüglich abgeschlossener Verfahren), 215 (3) das Recht des Kaisers zum Vollzug sämtlicher Reichshandlungen,216 (4) das Hoheitsrecht des Kaisers über die Reichskirche und das Reichskirchengut 217 und (5) die kaiserliche Lehnsherrschaft. 218 Weiterhin werden der nach dieser Ansicht dominierenden Machtfülle des Kaisers die Rechte der Reichsstände gegenübergestellt. Die Reichsstände könnten zwar als „Mitregenten" des Reiches bezeichnet werden, jedoch bestünden an ihrer rechtlichen Unterordnung unter den Kaiser keine Zweifel, da den Reichsständen mögliche Mitbestimmungsrechte nur korporaliter, d.h. in ihrer Gesamtheit zugestanden hätten. 219 Beispielhaft wird auch angeführt, dass sich bei einer Betrachtung der Ergebnisse des letzten Reichstags alten Stils 1654 das Reichsorgan Kaiser - den seine Befugnisse angeblich beschneidenden Regelungen des Westfälischen Friedens zum Trotz - „politisch bereits wieder recht gut erholt" zeigte. 220 Dies sei etwa dadurch zum Ausdruck gekommen, dass es dem Kaiser 1654 möglich war, ohne Mitbestimmung der Stände aus eigener Machtvollkommenheit eine neue Ordnung des Reichshofrats zu erlassen, obwohl die Stände bei Besetzung und Kontrolle dieses kaiserlich dominierten Ablegers der Reichsgerichtsbarkeit schon seit Jahrzehnten eine größere Mitsprache verlangten. 221 Für einen gewissen Einfluss des Kaisers spricht auch die Tatsache, dass die kleineren Reichsstände als Stütze des Kaisers angesehen werden können, denn auf ihnen beruhte die hie-

213

Vgl. dazu Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich S. 45. Vgl. dazu Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 50 f. 215 Vgl. dazu Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 52 ff. 216 Vgl. dazu Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 56. 217 Vgl. dazu Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 54. 218 Vgl. dazu Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 55 f. 219 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 57. 220 Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 170. 221 Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 64; Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 170; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 356. 2,4

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

121

rarchische Ordnung des Reiches bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1803. 222 Die kaiserlichen Kompetenzen, die die Ordnung im Reich aufrecht erhalten sollten, hatten um so größere Bedeutung, je weniger die Territorien imstande waren, eine eigene Staatsorganisation zu bewirken, namentlich bei den kleineren Reichsständen, für die die Institution des Kaisers und des Reiches eine Art Existenzgarantie bedeuteten.223 Die Gegenansicht stellt also fest, dass die Stellung des Kaisers in rechtlicher Hinsicht nicht auf die eines mit Vorrang ausgestatteten Reichsfürsten („primus inter pares") reduziert werden könne, sondern dass der Kaiser gegenüber den Ständen mit größeren Machtbefugnissen ausgestattet gewesen sei, auch wenn er sie politisch nicht immer hätte wahrnehmen können. 224 Die Rechtsstellung des Kaisers sei durch den Westfälischen Frieden aufgrund der nicht erfolgten enumerativen Aufzählung der kaiserlichen Rechte, die auch eine Beschränkung hätte bedeuten können, kaum beschnitten worden. Durch die fehlende Enumeration seiner Rechte sei der Kaiser in der Lage gewesen, sich auf seine alte, im Reichsherkommen begründete Rechts- und Machtfülle zu stützen. 225

c) Vermittelnde Ansicht: Gleichordnung von Kaiser und Ständen Vorzugswürdig erscheint eine vermittelnde und differenzierende Auffassung 226 , die zwar den im Ausbau der nach Souveränität strebenden Territorialstaaten begründeten, faktischen Schwund kaiserlicher Macht („Abdrängungsprozeß zuungunsten des Kaisers" 227 ) nicht negiert, aber auf der anderen Seite davon ausgeht, dass das kaiserliche Amt seine Bedeutung für das Reichsganze nicht vollständig verloren hatte, 228 auch wenn die verbliebenen Rechte des Kaisers nicht geeignet waren, eine politische Kräfteverschiebung im Reich zu seinen Gunsten zu tragen. 229 Vielmehr sei rechtlich und politisch eine Art Gleichordnung zwischen dem Kaiser und den (größeren) Reichsständen anzuneh-

222

von Aretin, Das Alte Reich I, S. 360; Press, Kriege und Krisen, S. 379. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 152; Kremer, Der Westfälische Friede, S. 79. 224 Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 465. 225 Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 64 f., 69; so auch Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24IV. 1.; S. 227. 226 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 66 ff.; Kremer, Der Westfälische Friede, S. 85 ff.; Link, JZ 1998, S. 1 (7, Anm. 84); Roellecke, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 97; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, § 24IV., S. 226 ff. 227 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 87. 228 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 86. 229 Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. Kap., Rn. 3, S. 49. 230 Roellecke, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 97 ff. 223

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§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

Sowohl die Tatsache, dass dem Kaiser in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden einige bedeutende Rechte sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Bereich eingeräumt wurden, als auch die Einschätzung der Reichspublizisten, dass dem Kaiser mehr als eine Art „Ehrenprimat" zukomme, sprechen für diese vermittelnde Ansicht. 231 Als rechtsdogmatisches Argument lässt sich für sie anführen, dass die Negation einer nach wie vor bedeutenden Machtstellung des Kaisers zu einer Umkehrung des Art. V I I I § 1 und § 2 IPO führen würde, wobei die darin enthaltenen Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck nicht die Aufhebung der kaiserlichen Befugnisse, sondern nur die Mitwirkung der Stände festschreiben wollten. 2 32 Kremer geht sogar so weit, dass er unter dem Eindruck des fortschreitenden Ausbaus des Territorialstaats die Annäherung des kaiserlichen Amtes an eine Art „quasi-konstitutionelle" Herrschaft ausmacht. Ebenso wie Bussi interpretiert er die Einbindung des Reichsorgans „Kaiser" in die Mitwirkungsbefugnisse der Reichsstände durch den Westfälischen Frieden und die Wahlkapitulationen sowie die Bildung des Reichskammergerichts als ein den Grundzügen der Gewaltenteilung vorgreifendes System der gegenseitigen Machtausbalancierung und Abgrenzung. 233

2. Das Verhältnis zwischen Reich und Territorien Von der verfassungsrechtlichen Stellung des Kaisers als Oberhaupt des Reiches können einige Rückschlüsse auf die Stärke der Reichsgewalt und damit auf das Verhältnis zwischen Reich und Territorien gezogen werden. Die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Reich und Territorien als „Doppelung der Staatsmacht im Reich" 2 3 4 wies zahlreiche Schwierigkeiten sowohl für die theoretische Erkenntnis der Reichsverfassung als auch für das praktische Verhältnis von Reichsgewalt und Territorialgewalt auf. Schon für Pufendorf und andere Publizisten des Alten Reiches stellten die Fragen des Inhaltes der Landeshoheit eine Schlüsselproblematik des Verfassungsrechts dar, bei deren Beurteilung man mehrheitlich eine juristische Bestätigung landesherrlicher Egoismen und Souveränitätsgelüste 235 vermeiden wollte, um der Reichseinheit nicht den Boden zu entziehen. 236

231

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 86. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 86. 233 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 59; Bussi , Der Staat 16 (1977), S. 521 (536); Kremer, Der Westfälische Friede, S. 87. 234 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 114. 235 Vgl. dazu Moser, Von der Landeshoheit derer Teutschen Reichsstände überhaupt, Neues Teutsches Staatsrecht, Band 14, S. 17. 236 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 223 f. 232

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

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Auch in der heutigen historischen Forschung ist der verfassungsrechtliche Umfang der landesherrlichen Rechte, wie sie durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens endgültig anerkannt und festgeschrieben wurden, ein maßgebliches Kriterium für die Bestimmung entweder eines mehr völkerrechtlichen oder eines mehr staatsrechtlichen Charakters des Reiches. Die Deutung der unterschiedlichen Facetten des kontinuierlichen Integrationsverlustes des Reiches, der teilweise als „stetiger Abstieg vom Staat des Mittelalters zur reichsständischen Souveränität des Westfälischen Friedens" umschrieben wird 2 3 7 , ist entsprechend umstritten. Neben der Festschreibung der Landeshoheit (lus territoriale) der Reichsstände sowohl im geistlichen als auch im weltlichen Bereich in Art. V I I I § 1 IPO, bildete das in Art. V I I I § 2 Abs. 2 IPO festgeschriebene Bündnisrecht der Reichsstände (lus foederis) eine wesentliche Koordinate bei der Bestimmung des rechtlichen Verhältnisses zwischen Reich und Territorien und für die Frage der Reichseinheit. Böckenförde bescheinigt dem Bündnisrecht eine bedeutsame Funktion, die zur Ausbildung und Bestätigung der Landeshoheit, zur Beschränkung der kaiserlichen Stellung im Reich und der ständischen Mitbeteiligung an der Reichsgewalt „als eigenes politisches Formelement für die Staatswerdung der Territorien" hinzutrete. 238 Neben der Landeshoheit als Herrschaftsgewalt nach innen befestigte das Bündnisrecht Handlungsfähigkeit nach außen, sodass erst durch Landeshoheit und Bündnisrecht zusammen die Weichen für eine mögliche Staatswerdung der Territorien gestellt wurden. 239 Zwar handelte es sich auch beim lus foederis um die Fixierung des Ergebnisses einer vielhundertjährigen Entwicklung der Landeshoheit, die mit der Regalität begann 240 und die das Bündnisrecht aus einer Sphäre lehnsrechtlicher Freiheit zu einem Bestandteil sich ausbildender staatlicher Gewalt erhob. 241 Jedoch wird das Recht der Fürsten, eine eigene Außenpolitik zu betreiben und Bündnisse mit auswärtigen Mächten zu schließen, wenn dies nicht Kaiser und Reich in ihrer Integrität berührte, auch in der heutigen historischen Forschung als ein Kernpunkt der ständischen Libertät gesehen, welcher überhaupt erst die Nahrung für die Diskussion, ob die Reichsstände bzw. deren Territorien dadurch zu selbständigen völkerrechtlichen Subjekten geworden waren, lieferte.

237

G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 48.

238

Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (456). Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (456).

239

240

Böckenförde,

Der Staat 8 (1969), S. 449 (456 ff.); Thieme, JuS 1981, S. 549

(554). 241

Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (463).

124

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute a) Das Reich als atypischer Staatenbund und Völkerrechtsordnung

Nachdem erste völkerrechtliche Denkansätze bereits in der reichspublizistischen Forschung des 18. Jahrhunderts (Johann Christoph Krause, s. o. § 4 A. II.l.) und in der Arbeit des englischen Historikers Bryce 2 4 2 zu finden sind, wurde die These von der Transformation des Reiches zu einem Staatenbund und einer Völkerrechtsordnung von Berber 243 und seinem Schüler Randelzhofer 244 umfassend entwickelt und ausgeführt. Das Reich in seiner Spätform soll demnach kein Staat, sondern lediglich ein „völkerrechtlich organisiertes Gebilde", in dem den Territorien Völkerrechtssubjektivität zukomme, gewesen sein. Der Untergang des Reiches als Staat wird mit der Verabschiedung des Westfälischen Friedens verknüpft. Das von den Regelungen der Friedensinstrumente umgeformte Gebilde habe seinen Staatscharakter eingebüßt, an seine Stelle seien im Wege der Staatensukzession die zahlreichen unabhängigen Territorial245

Staaten getreten. Randelzhofer leitet seinen Argumentationsgang hinsichtlich der Staatlichkeit des Reiches ein, indem er zunächst die Merkmale moderner Staatlichkeit, die er nach der Drei-Elemente-Lehre G. Jellineks 246 bestimmt, erläutert. Am Beispiel des Reichsgebildes soll festgestellt werden, ob die durch Vorliegen eines Staatsvolkes, eines Staatsgebiets und einer Staatsgewalt247 bestimmten Wesensmerkmale der Staatlichkeit vorhanden sind. Die Staatsgewalt bestimmt Randelzhofer in Übereinstimmung mit G. Jellinek dahingehend, dass diese sich im Vorhandensein von sie ausübenden Organen, d.h. von Behörden, zeigt und dass Staatsgewalt eigene legislative Tätigkeit, eigene Justiz, eigene Finanz- und innere Verwaltung erfordert. Weiterhin müsse die Tätigkeit in den genannten Bereichen in eigenem Namen geschehen, dürfe nicht von einer übergeordneten Gewalt hergeleitet sein und müsse sich auf ein bestimmtes Gebiet beziehen. 248 Bezogen auf die Staatlichkeit der Territorien des Heiligen Römischen Reiches bejaht Randelzhofer ohne größere Umschweife die Existenz eines Staatsgebietes und eines Staatsvolkes 249 , wohingegen er die eigentliche Problematik

242

Bryce, The Holy Roman Empire, S. 355. Berber, Internationale Aspekte des Heiligen Römischen Reiches, in: FS für Maunz, 1981, S. 17 (19 ff.). 244 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648. 245 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 196. 246 G. Jellinek, Staatslehre, S. 394 ff. 247 Vgl. dazu G. Jellinek., Staatslehre, S. 394 ff. 248 G. Jellinek, Staatslehre, S. 435 ff.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 126. 249 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 127 f. 243

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

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der Staatlichkeit beim Nachweis einer Staatsgewalt ausmacht.250 Dabei geht er der Entstehung und Entwicklung der Landeshoheit vor und nach ihrer Festschreibung in den Westfälischen Friedensverträgen nach. 251 Bezüglich der Territorien des Reiches kommt er nach einer Prüfung der Landeshoheit an der vorangestellten Definition der Staatsgewalt252 zu dem Ergebnis, dass die Landeshoheit als umfassende Gewalt zu bezeichnen sei, die von den Landesherren und sonstigen jeweils höchsten Organen der Territorien und Städte unabhängig von einer Zustimmung des Kaisers kraft eigener Gewalt ausgeübt werde und daher der modernen Definition von Staatsgewalt entspreche. 253 Somit seien die deutschen Territorien spätestens seit dem Westfälischen Frieden, der ihnen die Staatsgewalt endgültig gesichert habe, eigenständige Staaten.254 Anhand des Bündnisrechts der Reichsstände nach Art. V I I I § 2 IPO geht Randelzhofer der Frage nach, ob die deutschen Territorien auch als Staaten im Sinne des Völkerrechts, also als unabhängige, souveräne Staaten qualifiziert werden können 255 , und kommt zu dem Ergebnis, dass trotz Einschränkung der Staatsgewalt der Gliedstaaten durch den Kaiser, den Reichstag und die Reichsgerichte die Unabhängigkeit der Gliedstaaten nicht beseitigt sei, da diese Einschränkungen entweder nur die „Relikte der früheren einheitsstaatlichen Ordnung" seien oder letztlich „auf vertraglicher Einwilligung der Gliedstaaten" beruhten. 256 Auch aus dem Faktum, dass die Gliedstaaten Vertragspartner des Westfälischen Friedens waren, der auch einen völkerrechtlichen Vertrag darstellte, sei abzulesen, dass die Gliedstaaten unabhängige Staaten im Sinne des 257

Völkerrechts gewesen seien. Für die Staatlichkeit des Reiches bedeute dies, dass es weder als Bundesstaat noch als Rumpfstaat weiter existieren konnte, sondern, da es nach dem Westfälischen Frieden aus unabhängigen Staaten bestand, als unabhängiger Staat un• 258

tergegangen sei. Darüber hinaus sei das Heilige Römische Reich zu einer „hoch entwickelten, partikularen Völkerrechtsordnung als ein Beispiel internationaler Integration" 259 und zu einem „atypischen Staatenbund" 260 geworden, wobei Reichskammerge250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260

Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer, Randelzhofer,

Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche Völkerrechtliche

Aspekte, S. 128 ff. Aspekte, S. 128 ff. Aspekte, S. 131 ff. Aspekte, S. 141 ff. Aspekte, S. 143. Aspekte, S. 159 ff. Aspekte, S. 193. Aspekte, S. 193. Aspekte, S. 196. Aspekte, S. 199. Aspekte, S, 299.

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§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

rieht und Reichshofrat mit einer internationalen Gerichtsbarkeit, der Ewige Landfrieden mit dem Gewaltverbot ähnlich dem der Satzung der Vereinten Nationen und schließlich der Reichstag mit der Generalversammlung der Vereinten Nationen vergleichbar seien. 261 Zustimmung für seine Thesen hat Randelzhofer vor allem von Kimminich und Böckenförde erfahren. Auch Huber hat mit vorsichtigen Worten („vielleicht kein Staat, sondern nur eine Föderation von Staaten") den Staatscharakter des Reiches geleugnet. 262 Kimminich räumt zwar die Problematik des von Randelzhofer gezogenen Vergleichs angesichts der völlig verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und technischen Umweltbedingungen ein 2 6 3 , jedoch bejaht auch er die volle und uneingeschränkte Souveränität der Landesherren unter dem „schützenden Dach" des Reiches mit seinen Institutionen, in dem er mit Randelzhofer ein frühes Beispiel eines internationalen Organs zu erkennen glaubt. 264 Im Ergebnis ähnlich argumentiert Böckenförde, wenn er das Bündnisrecht der Reichsstände als Kernfrage der Staatswerdung versteht und für den Ausbau politischer Einheit die Voraussetzung aufstellt, dass das Bündnisrecht bei der jeweiligen staatlichen Gewalt konzentriert sein und denen entwunden werden müsse, die der staatlichen Gewalt Untertan sein sollten. 265 Die Einschränkung des Bündnisrechts der Reichsstände sei für den staatlichen Ausbau des Reiches die Existenzfrage gewesen.266 Das in Art. V I I I § 2 Abs. 2 IPO garantierte Recht (ausschließlich) der Reichsstände (und nicht der Landstände), sowohl innerhalb des Reichsverbands als auch mit reichsexternen Mächten Bündnisse zu schließen, habe ungeachtet des beigefügten, in der Lehnsverfassung begründeten, kaiserlichen Vorbehalts keiner kaiserlichen oder reichstäglichen Genehmigungspflicht unterlegen und bedeute damit die Zuerkennung außenpolitischer und völkerrechtlicher Handlungsfähigkeit an die Reichsstände.267 Auch wenn das Bündnisrecht nur passivdefensiv, d.h. in Verteidigung der ständischen Libertät gegenüber dem Kaiser 261 Berber, in: FS für Maunz, S. 20 ff.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 219 ff. 262 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 71; Kritik bei von Aretin, Heiliges Römisches Reich, Teil I, S. 96, Anm. 425. 263 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 227. 264 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 215 und S. 227; ebenso nimmt von Aretin, Das Alte Reich I, S. 358, die Wandlung der Territorien zu selbständigen, völkerrechtlichen Subjekten bzw. Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 177 eine Festschreibung der inneren und äußeren Souveränität der Stände an. 265 Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (463). 266 Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (465); so auch F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 159 f. 267 Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (471).

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gedacht gewesen sei, hätte eine einmal anerkannte außenpolitische Handlungsfähigkeit schwerlich wieder rückgängig gemacht werden können 268 , zumal damit namentlich den größeren Territorien ein nahezu unbegrenztes außenpolitisches Betätigungsfeld eröffnet gewesen sei. 269 In Zusammenschau mit der in den Friedensinstrumenten erstmalig festgeschriebenen reichsständischen Territorialhoheit („allgemeine Herrschaftsgewalt und Überlegenheit nach innen") hätten sich die Territorien durch die Festschreibung der Selbstständigkeit nach außen als selbständige, nach außen „impermeable" politische Einheiten konstituiert, die in ihrem Bündnisrecht selbstständiger und unangefochtener gewesen seien als der an die ständische bzw. reichstägliche Zustimmung gebundene Kaiser. 270 In seiner Diktion unterscheidet sich Böckenförde etwas von Randelzhofer, wenn er das Reich nach Anerkennung des Bündnisrechts als ein Gebilde klassifiziert, das zwar mehr sein wollte und sollte als ein „völkerrechtlicher Verein", in dem der Westfälische Friede aber bereits das „Modell eines Bundes als eigengearteter, die Alternative staatsrechtlich-völkerrechtlich hinter sich lassender Form politischen Zusammenhalts"271 entwickelt habe. 272 Dementsprechend werden Kernstücke der politischen Ordnung des Deutschen Bundes, wie später in Art. 11 der Deutschen Bundesakte273 festgelegt, bereits in der Verfassungsstruktur des Alten Reiches gesehen. Die Beantwortung der Souveränitätsfrage wird in einem Schwebezustand belassen, da die Territorien aufgrund ihrer Bindung an das Reich und der Einschränkungen des Bündnisrechts weder im vollen Sinne souverän noch dem Reich ohne weiteres untergeordnet seien. Diese Zwischenlage wird mit dem in der Reichspublizistik geprägten Begriff „superioritas" in Abgrenzung zu „Souveränität" charakterisiert. 274 Böckenförde kommt somit ähnlich wie Randelzhofer zu dem Ergebnis, dass der Westfälische Frieden durch die Anerkennung des Bündnisrechts der Reichsstände und durch die Unterwerfung des Kaisers unter die ständische Zustimmung die Staatswerdung der Territorien sanktioniert und den Rechtscharakter des Reiches dem einer Staatenföderation angenähert hat. 275 Jedoch wird sein Ergebnis der komplizierten verfassungsrechtlichen Situation des Reiches insoweit mehr gerecht, als er die lehnsrechtlichen, königsherrschaftlichen und ständisch-territorialen Schichten neben den durch den Westfälischen Frieden verstärkten föderativen Strukturen als bestimmend für die Verfassungsordnung des

268 269 270

271 272 273 274 275

Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (472). Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (477). Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (473).

Erstmals systematisch entwickelt bei Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 366 f. Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (475). Abgedruckt bei: Dürig/Rudolf, Nr. 2, S. 11 ff. Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (475 f.). Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (477).

128

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

Reiches ansieht. Auf Basis dieser Erkenntnisse definiert er das Reich letztendlich als ein „unter einem (wahl)monarchischen Oberhaupt auf lehnsrechtlicher Grundlage beruhendes, dualistisch und föderativ organisiertes Gefüge herr276

schaftlicher und staatlicher Gewalten"

.

b) Das Reich als Staat bis zu seinem Untergang 1806 Aufgrund der durch den Westfälischen Frieden festgeschriebenen umfangreichen Garantien und Exemtionen für die Reichsstände entbehren die experimentellen Thesen Randelzhofers nicht einer gewissen vorläufigen Plausibilität, zumal als Beispiel für einen eher völkerrechtlichen als staatlichen Charakter des Reiches auch die Tatsache angeführt werden könnte, dass es einige nichtdeutsche Kaiser (ζ. B. Karl IV., Karl V.) und ausländische Bewerber um die Kaiserkrone gab und dass dem Imperium auch ständige übernationale Aufgaben zukamen. 277 Jedoch sprechen deutlich mehr Argumente gegen den Charakter des Reiches als Völkerrechtsordnung und für seine Staatlichkeit bis zu seinem Untergang 1806, sodass sich die Thesen Randelzhofers und seine Negation der Staatlichkeit des Reiches in vielerlei Hinsicht widerlegen lassen.278

aa) Ablehnung der These vom Reich als Völkerrechtsordnung Kritisch zu sehen ist zunächst der methodische Ansatz Randelzhofers, das Reich ohne größere Reflexion an der Terminologie moderner Staatlichkeit zu messen, der es mangels zeitloser Allgemeingültigkeit der Begrifflichkeiten 279 naturgemäß gar nicht entsprechen konnte. Zwar können teilweise auch mit modernem juristischen Instrumentarium wichtige Erkenntnisse über die Natur des Reichsverfassungsrechts gewonnen werden 280 , doch verstellt der von Randelzhofer gewählte gewagte Vergleich mit den heutigen Vereinten Nationen den Blick auf die Eigenarten des Westfälischen Friedenswerkes und die „Mannigfaltigkeit der sich überlagernden, unterschiedlich gebündelten, ineinander verwo276

S. 175. 277

Böckenförde,

Der Staat 8 (1969), S. 449 (478); so auch Wyduckel,

lus Publicum,

Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). Vgl. dazu bspw. von Aretin, Das Reich, S. 72; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 163; Frotscher/Pieroth, Rn. 93; Heun, ZevKR 36 (1991), S. 222 (223); Hofmann, JuS 1982, S. 167 (168 f.); Krause, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 41; Kremer, Der Westfälische Friede, S.70 und S. 79; Laufs, ZRG Germ. Abt. 85 (1968), S. 399 ff.; Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 461; Schindling, in: Weber, Politische Ordnung, S. 133 f.; von Schönberg, Recht der Reichslehen, S. 195 ff. 279 Laufs, ZRG (Germ. Abt.) 85 (1968), S. 399. 280 Roeck., Reichssystem, S. VIII. 278

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

129

benen ständischen und dynastischen Rechte des Ändert régime "281. Auch wenn das Heilige Römische Reich nach 1648 gemessen an modernen staatsrechtlichen Kategorien als ,/eichlich widersprüchliches Gebilde" 282 oder als ein „Gefüge von Autonomien und Abhängigkeiten, von eindeutigen Herrschafts- und mehrdeutigen Zuordnungsverhältnissen, von exakten Grenzen und fließenden Übergängen, von zentralen Ordnungen, alten Rechten und uraltem Herkommen" 2 8 3 qualifiziert werden kann, so sollte es trotzdem bei heutiger Betrachtung aus seiner Zeit heraus verstanden und als „Rechtswirklichkeit eigener Art" begriffen werden, ohne es in das „Zwangskleid moderner Begriffe" 284 zu stecken. Eine zunächst deskriptive und nicht von vornherein systematisierende und kategorisierende Betrachtungsweise kann dabei vorschnelle Verallgemeinerungen verhindern. 285 In diesem Zusammenhang ist zudem die Perspektive der mehrheitlichen zeitgenössischen Reichspublizistik in Rechnung zu stellen 286 , nach der die Staatlichkeit des Reiches auch in seiner Spätphase unabhängig vom religiösen Bekenntnis oder der politischen Ausrichtung der Publizisten nicht ernsthaft in Frage gestellt worden war. Wie wenig sich die These vom völkerrechtlichen Charakter des Reiches mit der Verfassungswirklichkeit nach 1648 deckt, zeigt eine genauere Beleuchtung der Territorialhoheit und des ständischen Bündnisrechts, die von Randelzhofer als Hauptargumente für die Souveränität der Territorien und damit den Untergang des Reiches als Staat angeführt wurden. Das lus territoriale des Friedensvertrages wurde mit dem Rechtstitel „superioritas" belegt, der nicht mit dem Zugeständnis einer selbständigen und vom Reich unabhängigen Staatsgewalt im Sinne des Souveränitätsgedankens des 16. und 17. Jahrhunderts identisch ist, sondern eine eigene, besondere Qualität politischer Herrschaft bezeichnen soll. 287 Die bewusst falsche Auslegung dieses Begriffs als Souveränität kommt in § 62 IPM zum Ausdruck, der den Landesherren auf Betreiben Frankreichs, das an einer möglichst weitgehenden Lösung der Territorien aus dem Reichsverband interessiert war, ein „droit de souveraineté" zuerkennt, während der Osnabrücker Vertrag nur von der Anerkennung

281 282

283

Laufs, ZRG (Germ. Abt.) 85 (1968), S. 399 (401). Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 461.

G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 51.

284

Laufs, in: ZRG (Germ. Abt.) 85 (1968), S. 399 (402); ähnlich auch Hofmann, JuS 1982, S. 167(169). 285 286 287

G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 51. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 79; Roeck, in: Glaser, Um Glauben, S. 461. von Aretin, Das Alte Reich I, S. 19; Hofmann JuS 1982, S. 167 (169); Roeck, in:

Glaser, Um Glauben und Reich, S. 460.

130

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

der Landeshoheit („libero iuris territorialis tarn in ecclesiasticis quam politicis exercitio") spricht. 288 Eine an der VerfassungsWirklichkeit orientierte Betrachtung der einzelnen Bestandteile der Landeshoheit vermag schwerlich zu einer Begründung ihrer völligen Unabhängigkeit vom Reichsgebilde führen, sondern belegt vielmehr die Besonderheiten des Verhältnisses zwischen Reich und Territorien, die sich nicht mit modernen Kategorien fassen lassen. Zwar regelte Art. V I I I § 2 IPO Grenzen und Möglichkeiten der reichsständischen superioritas gegenüber dem Reich, indem Kurfürsten, Fürsten und Ständen ein Mitbestimmungsrecht in wichtigen Reichsangelegenheiten sowie das Bündnisrecht hinsichtlich Verträgen untereinander und mit ausländischen Mächten zuerkannt wurde, doch wird bei der vorschnellen Bejahung einer vermeintlichen Unabhängigkeit der Territorien vom Reich übersehen, dass diese Rechte durch wesentliche Vorbehalte wieder eingeschränkt wurden. 289 Beispielsweise wird das vermeintlich pauschal erteilte Stimmrecht der Stände in allen Beratungen über Reichsangelegenheiten durch die Aufzählung der eigentlich gemeinten Gegenstände in einem Katalog indirekt wieder eingeschränkt. 290 Auch das Bündnisrecht im zweiten Absatz war nicht so weitgehend, wie die Thesen Randelzhofers nahe legen, da Bündnisse nur für die Erhaltung und Sicherheit der Vertragsschließenden zulässig sein sollten, sich weder gegen Kaiser und Reich, noch gegen den Landfrieden, noch gegen die Westfälischen Friedensinstrumente richten durften und auch noch unter dem Vorbehalt des lehnsrechtlichen Treueids gegenüber Kaiser und Reich standen. Die Bedeutung dieser „exceptio imperii" zeigt sich schon darin, dass Frankreich und Schweden, die eine zunehmende föderative Struktur und eine Schwächung des Reichsganzen vorantreiben wollten, sie zu verhindern suchten.291 Weiterhin darf auch nicht übersehen werden, dass der Westfälische Friede die Unversehrtheit der Lehnspyramide gewährleistete und den Kaiser als rechtlich unbestrittenes Oberhaupt des Reiches und damit auch als unbestritten erste Macht im Reich beließ. 292 Gerade durch die verfassungsrechtliche Fortgeltung lehnsrechtlicher Strukturen und des damit verbundenen Treueids gegenüber dem Kaiser können die Territorien kaum als unabhängige Souveräne und das Reich schwerlich als völkerrechtlicher Verband oder Staatenbund qualifiziert 288 HofmannfThieme, JuS 1982, S. 167 (169); Moser, Von der Landeshoheit derer teutschen Reichsstände überhaupt, Neues Teutsches Staatsrecht, Band 14, S. 18; A. Müller, Der Regensburger Reichstag von 1653/54, S. 19; Roeck, in Glaser, Um Glauben und Reich, S. 460; G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 67. 289 Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 460. 290 Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 460. 291 Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 461. 292 Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 461.

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

131

werden. 293 Zwar kann Art. V I I I § 1 IPO als Rechtfertigung für den Ausbau territorialer Staatlichkeit gegenüber Landständen und Untertanen gesehen werden und Art. V I I I § 2 IPO als Rechtsgrundlage für den Abschluss von Bündnisverträgen, doch waren einer Verdichtung dieser Rechte gegenüber dem Reich enge Grenzen gezogen. Gegen einen plötzlichen Untergang des Reiches als Staat 1648 durch die Festschreibung vermeintlicher territorialer Souveränität spricht auch die Tatsache, dass durch das Zugeständnis der superioritas territorialis im Wesentlichen nur ein Zustand festgeschrieben wurde, der de facto schon seit langem bestand. 294 Diese Einsicht hatte bereits in die zeitgenössische Reichspublizistik Eingang gefunden, wenn Pütter formulierte: „Nicht daß derselbe (= der Westfälische Frieden, J.H.) die Landeshoheit, und was davon abhängt, erst begründet hätte; - nein, sie war schon seit Jahrhunderten im Anwachse, und schon vor dem dreyßigj ährigen Kriege so gut, wie in ihrer völligen Reife; - aber gleichsam das Siegel hat erst der Westphälische Friede darauf gedrückt..." 2 9 5

Für die Beibehaltung der Staatlichkeit des Reiches kann auch angeführt werden, dass in Art. V I I I § 4 IPO die Geltung der überlieferten Reichsverfassung förmlich betont wurde 296 : „De caetero omnes laudabiles consuetudines & Sacri Romani Imperii constitutiones & leges fundamentales, imposterum religiose serventur, sublatis omnibus, quae bellicorum temporum injuria irrepserant confusionibus." 297

Kremer bemerkt hinsichtlich der Sichtweise der Territorien als Völkerrechtssubjekte unter Berufung auf eine Definition von Verdross, dass es zu den Kennzeichen der völkerrechtlichen Souveränität eines Staates gehöre, für seine Staatsangehörigen auf seinem Gebiet der höchste Herrschaftsverband zu sein, sodass gegen dessen Anordnungen und Entscheidungen keine Appellationsmöglichkeit bei höherer Stelle bestehe (innerstaatliche Souveränität) und dass er bloß dem vom zwischenstaatlichen Konsens getragenen Völkerrecht, nicht aber einer überstaatlichen Macht untergeordnet sei (völkerrechtliche Souveränität). 298 Diese Kriterien wurden von den Territorien des Reiches in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt. Beispielhaft kann angeführt werden, dass trotz eines Privilegiums des non appellando die Reichsgerichte im Falle der Justizverweigerung oder der unheilbaren Nichtigkeit eines landesherrlichen Urteils angerufen werden konnten. 299

293 294 295 296 297 298 299

Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 461. Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 461. Pütter, Historische Entwicklung II, S. 159. Roeck, in: Glaser, Um Glauben und Reich, S. 460. Vgl. Schmauß, Corpus Iuris Publici, S. III. Verdross, in: FS für von der Heydte, S. 703 (707). Kremer, Der Westfälische Friede, S. 70, Anm. 144.

132

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

Heun 3 0 0 führt gegen die Thesen Randelzhofers zu Recht an, dass sie sich nicht darauf beschränken, die durchaus vorhandenen völkerrechtlichen Aspekte des Reiches aufzuzeigen, sondern dass sich Randelzhofer über die verbliebenen staatsrechtlichen, ständestaatlichen und lehnsrechtlichen Schichten des Reichs hinwegsetze, indem er diese als überholte Relikte beiseite schiebe. Die Qualifizierung des Reiches als völkerrechtlichen Verbund souveräner Staaten verkenne die souveränitätsbegrenzende Funktion der Reichsinstitutionen301 und führe zu unlösbaren Widersprüchen hinsichtlich staatsrechtlicher Aspekte des Reiches wie der Stellung des Kaisers im Reich, der Appellationsgerichtsbarkeit der Reichsgerichte oder den Kompetenzen des Reichstages.302 Die Abhängigkeit der Territorien vom Reich werde auch durch ihre Pflicht zur Teilnahme an Reichskriegen, zum Stellen von Heereskontingenten, zur Unterordnung unter die Steuerhoheit des Reiches sowie durch ihre Pflichten aus den Kreisverfassungen hinreichend verdeutlicht. 303 G. Schmidt 304 ist der Auffassung, dass die Bedeutung des reichsständischen Bündnisrechts insofern überschätzt würde, als das Bündnisrecht weder geplant war noch dazu diente, den Territorialstaaten ein Herauswachsen aus dem Reichsverband zu ermöglichen. Den Ständen sei es 1648 bei der Festschreibung ihrer Libertät nicht um eine Auflösung des Reichsverbandes, der vielen von ihnen Schutz bot, gegangen, sondern sie wollten durch eine „Optimierung der Landesherrschaft" lediglich die 1629 und 1635 denkbar gewordene Möglichkeit eines kaiserlichen Reichsabsolutismus ein für allemal zunichte machen. Auch rein von den praktischen Gegebenheiten im Reich her muss die Theorie, allen Territorien ausnahmslos die Souveränität zuzuerkennen, als realitätsfern erscheinen: Die meisten Territorien im Reich hatten im Gegensatz zu Preußen und Österreich eher den Charakter eines Großgrundbesitzes als denjenigen eines modernen Staates305, da manches kleine Fürstentum nicht eine bedeutende Stadt in seinem Gebiet hatte und manches geistliche Territorium bzw. manche weltliche Landesherrschaft kaum über ein geschlossenes Gebiet verfügte. Eine rechtliche Gleichstellung aller Reichsstände anzunehmen, liefe politisch auf eine „Fiktion" hinaus. 306 Es ist auf der anderen Seite nicht zu leugnen, dass die Regelungen des Westfälischen Friedens eine wesentliche Verstärkung des föderativen Elements der 300

Heun, ZevKR 36 (1991), S. 222 (223).

301

Link,, JZ 1998, S. 1 (7). Heun, ZevKR 36 (1991), S. 222 (223). Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 165. G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 70.

302 303 304 305

von Aretin, Heiliges Römisches Reich, Teil I, S. 26.

306

Kremer, Der Westfälische Friede, S. 227; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des

Absolutismus, S. 129.

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

133

Reichsverfassung mit sich brachten, die eine Entwicklung der Territorien zu modernen Staaten begünstigte. 307 Besonders die großen Reichsstände, namentlich Preußen und Österreich, nutzten diese Tendenzen für den Ausbau paralleler Staatlichkeit in ihren Territorien aus. Doch trotz dieser Machtansprüche der Herrscher in Wien und Berlin, die von Constantin Frantz treffend als „Hinausbaue aus dem Reich" 3 0 8 bezeichnet worden sind, die aber auch dem ständigen Auf und Ab wechselnder politischer Kräfteverhältnisse unterlagen, waren die Territorien „immer noch mindestens rechtlich, aber in weitem Umfang auch faktisch einer übergeordneten Gewalt unterworfen, an eine gemeinsame Rechtsordnung gebunden und in ihren Streitfragen untereinander zu friedlichem Austrag verpflichtet". 309 Es gab also noch Organe und Institutionen, welche die Staatlichkeit des Reiches bis zu seinem Ende 1806 aufrechterhielten und deren Existenz und Tätigkeit die Auffassung in der heutigen Geschichtsschreibung widerlegen, das Reich sei schon vor seinem eigentlichen Ende im Jahre 1806 völlig zerfallen gewesen, wenngleich eine stetige Abwärtsentwicklung des Reiches nicht abzustreiten ist. 3 1 0 Auch wenn Kaiser und Reich durch den Westfälischen Frieden in einer bloß beschränkten Herrschaftsordnung belassen wurden, blieb das Reich mehr als ein bloßer Staatenbund, da es immer noch eine - wenn auch durchbrochene - außen- und verteidigungspolitische Einheit bildete und vor allem durch Rechtsschutzeinrichtungen und Rechtsschutzgarantien zusammengehalten wurde, die auch gegenüber den Territorien durchgesetzt werden konnten. 311 Die Institution der Reichskreise trug wesentlich dazu bei, dass die Territorien ihre Verkehrs- und Polizeiaufgaben trotz territorialer Zerrissenheit und partikularer Strukturen erfüllen konnten. 312 Aber nicht nur juristisch kann keine völlige Unabhängigkeit der Territorien angenommen werden, sondern auch politisch war die Epoche von 1648-1806 für die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung kein einheitlicher Zeitraum. Vielmehr lösten sich Tendenzen zu einem stärkeren Zusammenhalt des Reiches mit Tendenzen des Zerfalls ab, da der „weite Rahmen der Verfassung von Münster und Osnabrück Raum für das Spiel der unterschiedlichsten politischen Kräfte" 313 und damit für einen ständigen Kampf um die Effektivität der kaiserlichen Macht und die Freiheit der Reichsstände bot.

307

Eisenhardt,

Deutsche Rechtsgeschichte, 169; Krause, in: Schröder, 350 Jahre

Westfälischer Friede, S. 41. 308 Zitiert nach Hofmann, Der Staat 9 (1970), S. 241 (246). 309 Dickmann, in: Braubach, Forschungen und Studien, S. 32. 310

Stern, Staatsrecht V, § 124 m 4, S. 49.

311

Krause, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 41. Krause, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 41.

312

3,3

Laufs, ZRG (Germ. Abt.) 85 (1968), S. 399 (401).

134

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

Zwar hat der Westfälische Friede die vor allem durch den Prager Frieden von 1635 begünstigten kurzfristigen Entwicklungen zu einem stärker zentrierten Einheitsstaat beendet und in den meisten Territorien den Aufstieg des Absolutismus und damit der landesherrlichen Gewalt als Träger des modernen Staatsgedankens bewirkt, jedoch blieb das Reichsrecht - wegen der vereinheitlichenden Überformung - die verbindende Klammer der unterschiedlichen Territorialstaatenrechte, sodass die „Fäden", die den Reichsverband zusammenhielten, aufgrund ihrer Fähigkeit zur Einbindung der Territorien in übergeordnete Strukturen noch stark genug waren, eine „Atomisierung" des Reiches in unabhängige Staaten zu verhindern. 314

bb) Atypische Staatlichkeit und Rückständigkeit des Reiches Zusammenfassend kann das Reich nach 1648 also als Staat im Sinne des Staatsrechts betrachtet werden. Jedoch lässt die Tatsache, dass es sich weder zum absolutistischen Einheitsstaat noch zu einem Bundesstaat entwickelte, die „atypische" Staatlichkeit des Reiches deutlich hervortreten. Gerade im Vergleich mit anderen europäischen Staaten seiner Zeit kann das in der Vielschichtigkeit seiner teilweise noch mittelalterlichen Herrschaftsformen verharrende Reich nur als rückständig betrachtet werden. Diese Rückständigkeit zeigt sich zum einen bei einem Vergleich mit England. Zwar sind in der deutschen Reichspublizistik zumindest Anleihen bei den Ideen der Glorious Revolution durch die Betonung der Vorherrschaft der Reichsstände gemacht worden. So hatte etwa die Schrift des Hippolithus a Lapide eine Zentrierung der Reichsgewalt beim Reichstag verfochten. Jedoch war wohl in Deutschland vor allem durch die territoriale Zersplitterung des Landes sowie durch die konfessionelle Spaltung der Reichsstände keine Nachahmung der englischen Vorgänge im Sinne einer ständischen „Revolution", die eine Art „Parlamentarisierung" (auch wenn der Reichstag kein Parlament im modernen Sinne war 3 1 5 ) hätte mit sich bringen können, möglich. 316 Zum anderen konnte das Reich auch den französischen Weg zum modernen Staat nicht gehen. Ein absolutistischer Staat nach dem Vorbild der Regentschaft Ludwigs X I V . hätte in der politischen Struktur des Heiligen Römischen Reiches mit seiner durch den Westfälischen Frieden zementierten Aufteilung der Macht zwischen Kaiser und Ständen keine Chance auf Verwirklichung gehabt. Zudem dürfte auch die Abneigung gegen ein absolutes katholisches Kaisertum in der 3,4 315 316

Link, JZ 1998, S. 1 (7). Schiaich, ZevKR 25 (1980), S. 1 (9). Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (455); Stolleis, Geschichte des öffentli-

chen Rechts I, S. 206.

Β. Die Reichsdebatte in der späteren historischen Forschung

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protestantischen kaisertreuen Reichspublizistik den Ausschlag für das Verharren in althergebrachten Herrschaftsstrukturen gegeben haben. 317 Dem alten Reich gelang also weder über eine ständische Parlamentsherrschaft noch über einen monarchischen Absolutismus die Entwicklung zum modernen Staat. Der Dreißigjährige Krieg führte diesbezüglich eine Pattsituation herbei. 318 Es wurde lediglich eine Festschreibung des status quo herbeigeführt, der dem Reich die Möglichkeit zur Modernisierung sowohl in die eine als auch in die andere Richtung versagen sollte. Wieacker stellte dazu fest, dass Deutschland „das schlechteste Teil" davontrug: „es gelangte weder zur freien Konföderation noch zum absolutistischen Einheitsstaat, sondern zum absolutistischen Klein- und Mittelstaat". 319 Wieacker charakterisiert damit die Verlagerung der Verfassungsentwicklung in die Territorien und die Entwicklung der Territorien zum absolutistischen Modell hin. Im Reich setzte sich die Terminologie der „Balance" und des friedlichen Ausgleichs durch 320 , was zwar der Verteilung der politischen Einflusssphären im Reich und den Schutzbedürfnissen kleinerer Reichsstände, aber auch dem Interesse der ausländischen Mächte Rechnung trug. 321 Von den aufgrund der verfassungsmäßigen und politischen Voraussetzungen möglichen Wegen zur Staatsbildung im Reich, nämlich der Möglichkeit der Aushöhlung der Reichsgewalt zugunsten der Staatsbildung in den Territorien oder der Möglichkeit einer ständisch-zentralistischen Staatsgestaltung im Reich oder der Möglichkeit eines monarchischen Staatsausbaus durch den Kaiser 322 , blieb dem Reich nach 1648 durch den landesherrlichen Ausbau der in Art. V I I I IPO juristisch festgelegten Voraussetzungen nur übrig, sich von den Territorien auf dem Weg zur Staatlichkeit überholen zu lassen.323 Auf diesem Wege wurde für die letzten knapp 160 Jahre des Reiches ein Kompromiss „zwischen mittelalterlichem Geiste und dem modernen Staatsgeiste"324 geschlossen, durch den die Entwicklung des Reiches zu einem atypischen und im europäischen Vergleich rückständigen Staatsgebilde besiegelt wurde. Auch wenn positive Aspekte des alten Reichsgebildes, wie beispielsweise die Durchsetzung religiöser Toleranz und die weitgehend friedliche Vereinigung verschiedener Völker unter einer Herrschaft, die manche sogar veranlasst, von 317

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 206.

318

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 206; Wandruszka, Reichspatrio-

tismus, S. 114. 319

Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 281.

320

Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 207. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 207.

321

322

Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (455 f.).

323

Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (455). Meinecke, Die Idee der Staatsräson (Werke, Bd. 1), S. 150 f.

324

136

§ 4 Monstrositätsthese und Reichstheorie von 1667 bis heute

einem supranationalen, europäischen Charakter des Alten Reichs zu sprechen 325 , nicht vollständig in den Hintergrund geraten sollten, steht fest, dass das Reich den „Wettlauf um den Staat" (Heimpel) 326 nach dem Scheitern der Versuche eines monarchischen Staatsausbaus durch Kaiser Ferdinand II. vor und während des Dreißigjährigen Krieges durch die Festschreibungen des Westfälischen Friedens endgültig verloren hatte. Durch das Friedens werk von 1648 wurde vielmehr ein Verfassungszustand konserviert, der die weitere Entwicklung zu einem modernen, rationalen und einheitlichen Staatswesen unterband und der somit neben der territorialen Zersplitterung und der Glaubensspaltung durch seine Betonung der ständischen Libertät als eine der Ursachen für die „Verspätung" der staatlichen Entwicklung Deutschlands gesehen werden kann, die in den Partikularismus des 19. Jahrhunderts mündete.

325

Thieme, JuS 1981, S. 549 (556); ähnlich Maihofer, in: Geyer/Goerlich, S. 256.

326

Zitiert bei Böckenförde,

Der Staat 8 (1969), S. 449 (456).

§ 5 Monstrositätsthese, Reichstheorie, Reichsdebatte: Ein Resümee W i l l man ein Resümee zu Pufendorfs Monstrositätsthese, seiner Reichstheorie und der darauf folgenden Reichsdebatte ziehen, sollte den Wirkungen Pufendorfs auf das staatsrechtliche Denken seiner Zeit besondere Aufmerksamkeit zuteil werden (vgl. Α.). Von ebenso großer Relevanz ist allerdings auch die Frage, inwieweit die rechtswissenschaftlichen Leistungen eines Theoretikers des untergegangenen Heiligen Römischen Reiches noch für die heutige Zeit Bedeutung entfalten können (vgl. B. und C.).

A. Pufendorf als Erneuerer der Reichstheorie seiner Zeit Vor dem Hintergrund der Bedrohung des staatlichen Zusammenhalts des Reiches ist es Pufendorf in der reichpublizistischen Auseinandersetzung um die forma imperii , bei der es nur vordergründig um die Frage der Staatsform und hauptsächlich um die Frage nach der Macht und der Innehabung der höchsten Hoheitsgewalt im Reich, ihrem Rechtsgrund und ihren Schranken ging, gelungen, eine neuartige Beurteilung und Einordnung der Reichsverfassung vor dem Hintergrund der Irreversibilität der Religionsspaltung zu bewerkstelligen. Pufendorfs Neubewertung der Reichsverfassungsstruktur stellte eine Abkehr von herkömmlichen staatstheoretischen Lehren dar und kann daher nicht nur mit der Neuartigkeit bzw. provokanten Wirkung der Pufendorfschen Begrifflichkeiten hinreichend umschrieben werden: Durch sein Festhalten an der von Bodin geprägten Doktrin von der unteilbaren Souveränität als hauptsächlichem Staatlichkeitsmerkmal musste Pufendorf die vermittelnde Lehre vom Reich als status mixtus ablehnen. Ebenso bedeutete diese Souveränitätsdoktrin die Überwindung der sakralen monarchischen Ansätze und der ständischen Lehren hinsichtlich der Staatsform des Reiches. Nach der Bodinschen Souveränitätslehre war Souveränität die höchste, von jeder anderen Macht unabhängige Gewalt im Staat, also ein Konstrukt, das so im Reich nach dem Westfälischen Frieden nicht existierte. Sowohl auf den Kaiser als auch auf die Reichsstände waren Rechte und Gewalten verteilt, was die konsequente Anwendung eines starren Souveränitätsbegriffs unmöglich machte. Auch wenn im staatstheoretischen System Pufendorfs neben dem Einheitsstaat mit einer einheitlichen souveränen Gewalt auch Staatenverbindungen entweder als Personalunion oder als Staaten-

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§ 5 Monstrositätsthese, Reichstheorie, Reichsdebatte: Ein Resümee

bund existierten, konnten derartige Zusammenschlüsse für ihn nur völkerrechtlicher und nicht staatsrechtlicher Art sein. Die Reichsverfassung wurde von ihm als Zwitter zwischen beschränkter Monarchie und föderativem Staatenbund und damit als ein Gebilde qualifiziert, das sich in sein staatstheoretisches System nicht einordnen ließ. Allerdings wird Pufendorfs Sichtweise des Reiches in der neueren historischen Forschung teilweise kritisch gesehen, da er sich mit der Beschreibung der Reichsverfassung als nicht in die aristotelischen Kategorien passendes „monstrum" auf eine „nur negative Stellungnahme zum Problem" beschränkt und auf eine juristische Deutung verzichtet habe.1 Die Aussage Pufendorfs über die Monstrosität der Reichsverfassung könnte dann als ein Ausdruck von Ratlosigkeit und Resignation bezüglich der Problematik, wie die mittelalterliche Struktur der Reichsverfassung überwunden und der Weg zum modernen Staat bereitet werden konnte, angesehen werden. Diese Kritik kann aber nur bedingt greifen. Es ist zwar zuzugeben, dass sich Pufendorf in seinen Erkenntnismöglichkeiten beschränkt hat, indem er das enge herkömmliche, zwar zu seiner Zeit noch anerkannte aristotelische Schema zur Charakterisierung des Reiches verwendet und an der strengen Bodinschen Souveränitätslehre, die das komplizierte „Nach-, Mit- und Nebeneinander im Reich" 2 nicht befriedigend wiedergeben konnte, festgehalten hat. Jedoch ist er, auch wenn er das Problem um die Staatsform des Reiches nicht vollständig lösen konnte, der wirklichen Verfassungslage des Reiches durch Orientierung an der Verfassungsrealität wohl näher gekommen als seine Zeitgenossen.3 Weiterhin wird Kritik an Pufendorfs Diktum insofern geübt, als von einer „monströsen" (Verfassungs-) Gestalt des Reiches aus heutiger Sicht keine Rede sein könne, da nahezu alle zentralen Bereiche und Institutionen, wenn auch in unterschiedlichem Maße, auf einem reichsgrundgesetzlichen Fundament4 ruhten. Außerdem wird behauptet, dass Pufendorfs Aussage über das Reich als irreguläres System, das sich „monstro simile" zwischen beschränkter Monarchie und unregelmäßigem Staatenbund hin und her bewege, im 18. Jahrhundert von Pütters positiv gefasster Definition des Reiches als „zusammengesetzter Staat" überwunden worden sei.5 Auch wenn Pufendorf aus heutiger Sicht kein endgültig befriedigendes Erklärungsmodell entwickeln konnte, ist es sein Verdienst, eine Lösung von her-

1 2

Vgl. bspw. F. Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 150. G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 48; Stolleis, in: Mußgnug, Entstehen

und Wandel, S. 79. 3 4 5

Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 84. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 94. Heun, ZevKR 36 (1991), S. 222 (224).

Α. Pufendorf als Erneuerer der Reichstheorie seiner Zeit

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kömmlichen Kategorien zur Einordnung des Reiches und eine Orientierung allein am Ist-Zustand des Reiches, also an seiner Verfassungswirklichkeit bewirkt zu haben. Sein Versuch, ein verkrustetes, nicht mehr der Verfassungswirklichkeit verhaftetes publizistisches Gedankengebäude durch eine strenge Orientierung an der verfassungsrechtlichen Realität aufzubrechen, gelang insofern, als er damit eine Diskussion über die Zukunft der Reichsverfassung in Gang gesetzt hat. Das Wort von der Monstrosität der Reichsverfassung war dabei mehr „journalistischer Knalleffekt" 6 als wesentliches Kernstück der Argumentation, von größerer Bedeutung für die weitere publizistische Betrachtung des Reiches war das „Niederreißen" eines tradierten Theoriegebäudes und das Hervorbringen eines theoretischen Neuansatzes, der sowohl eine Ablösung der aristotelischen und Bodinschen Theorien als auch einen neuen Beschreibungsversuch, bei dem der Systembegriff im Mittelpunkt stand, mit sich brachte. 7 Pufendorfs Verdikt über den monströsen, irregulären Zustand der Reichsverfassung kann nicht nur deshalb als neuer Ansatz gesehen werden, weil die Wahl der Begrifflichkeit „monströs" und „irregulär" für das Staatsgebilde des Reiches eine Loslösung von der traditionellen Terminologie der aristotelischen Staatsformenlehre bedeutete, sondern die Klassifizierung des Reiches als „res publica irregularis" war insoweit etwas Neues und Besonderes, als der Versuch unternommen wurde, die Staatsform und Verfassung des Reiches unter Zugrundelegung der wirklichen Gegebenheiten zu beschreiben, ohne sich unter Negierung politischer Fakten einer bestimmten Auffassung über die Staatsform des Reiches bedingungslos zu verschreiben. Sowohl durch seinen radikalen Bruch mit der eschatologischen Reichsidee als auch durch die Absage an jede Form von kaiserlicher oder ständischer Vorherrschaft hat sich Pufendorf verfassungstheoretisch von mittelalterlichen Herrschaftsformen gelöst und die Schwelle zur Neuzeit überschritten. Indem er die „gut eingerichtete Monarchie", in der eine Herrscherperson ungeteilt die Souveränität innehat, als ideale, da reguläre Staatsform propagierte 8, erwies er sich als Theoretiker des neuzeitlichen absoluten Fürstenstaates. Allerdings hat Pufendorf mit dem ihn auszeichnenden staatspolitischen Realismus gesehen, dass die alte mittelalterliche Ordnung zu überkommen war, um ohne eine Umwälzung des gesamten Reichsgebildes reformiert werden zu können. Indem er sich den gängigen Typisierungsversuchen seiner Zeit widersetzte, hat Pufendorf verdeutlicht, dass es kein anderes Staatswesen auf der Erde gab, das in seiner Struktur mit den historisch gewachsenen Besonderheiten des Heiligen Römischen Reiches zu vergleichen war. Er hat damit die Singularität dieses politischen Gebildes betont. Durch sein Verdikt von der Monstrosität der Reichsverfassung hat 6 7 8

Roeck, Reichssystem, S. 29. Roeck, Reichssystem, S. 30. Pufendorf,\ Über die Pflicht des Menschen, II, 8, § 4.

140

§ 5 Monstrositätsthese, Reichstheorie, Reichsdebatte: Ein Resümee

Pufendorf die Diskussion um die Staatsform des Reiches weitgehend beendet und - ohne es zu wollen - die reichstheoretische Diskussion auf eine neue Ebene gehoben, auf der nicht mehr die Frage der Staatsform des Reiches, sondern die Frage, ob das Reich überhaupt ein Staat war, im Mittelpunkt stand. Obwohl seine reichstheoretischen Ansätze von seinen Zeitgenossen teilweise als „zersetzend" missverstanden wurden, ist es sein Verdienst, dass er in einer Zeit großer „Reichsmüdigkeit", in der das Staatswesen des Reiches von vielen seiner Zeitgenossen als veraltet, schwach und verbesserungswürdig gesehen wurde, einen gewissen Reichspatriotismus entwickelte und verkündete, indem er Heilungsvorschläge für die Krankheiten des Reiches machte.9 Durch die Betonung des besonderen Rechtscharakters des Alten Reichs, durch seine Sympathie für das Kaisertum der Habsburger innerhalb kräftiger protestantischer Dynastien und durch seinen Appell an konfessionelle und staatliche Eintracht half Pufendorf einen neuerlichen Aufstieg von Kaisertum und Reichsidee in der Zeit um und nach 1700 geistig vorbereiten, der auch im Zeichen der von Pufendorf betriebenen Umwandlung des älteren sakralen in einen aufgeklärteren, weltlichen und juristisch begründeten Reichsgedanken stand.10 Der Westfälische Frieden stellte sich dabei als „neue verfassungsrechtliche Grundtatsache" für Pufendorf dar, auf der er seine theoretischen Überlegungen aufbaute. 11 Er war einer der ersten Staatstheoretiker, der sich mit diesen neuen politischen Gegebenheiten arrangieren musste. Denn mit dem säkularen Friedenswerk wurde den alten hergebrachten staatstheoretischen Traditionen, dass in einem Staat nur eine Religion bestehen konnte, die Grundlage entzogen.12 In einem Staat, in dem die Religion aufgrund unüberbrückbarer interner Konflikte ihre einheitsbildende Funktion nicht mehr erfüllen konnte, musste ein Weg gefunden werden, die politische Einheit ohne Berufung auf die Religion zu fundieren. Pufendorf erkannte, dass die Religionsspaltung in Deutschland nicht zuletzt aufgrund der außenpolitischen Lage aufrechterhalten werden würde und suchte somit in seinem Naturrecht nach einem neuen rechtlichen Fundament für das Verfassungsrecht des Heiligen Römischen Reiches.13 Durch die Lösung von einer religiösen Legitimierung der Herrschaft und des Staatswesens war Pufendorf der erste Theoretiker, der die neue Rechtslage des Alten Reiches nach dem Westfälischen Frieden in seiner Naturrechtslehre gesellschaftswissenschaftlich

9 Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, 8. Kap., § 4, S. 127 ff.; vgl. dazu auch Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 198. 10 H ammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 196. 11 C. Müller, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 131. 12 C. Müller, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 131. 13 C. Müller, in: Geyer/Goerlich, Samuel Pufendorf, S. 132.

Β. Moderne Analysen im Lichte der Pufendorfschen Reichstheorie

141

und verfassungsrechtlich verarbeitet hat. Insofern kann er als „the first philosopher of modern politics" 1 4 bezeichnet werden. Es ist daher auch nicht übertrieben, festzustellen, dass sich mit Pufendorfs Reichstheorie der „Geist des (modernen) Staates" 15 in Deutschland allmählich durchsetzen konnte.

B. Moderne Analysen im Lichte der Pufendorfschen Reichstheorie Die Bedeutung der Pufendorfschen Reichstheorie bis in die heutige Zeit lässt sich vor allem daran messen, dass neuere rechtshistorische Analysen der alten Reichsverfassung sich genau an den Problemfeldern orientieren, die bereits Pufendorf 1667 aufgeworfen hatte. Auch die heutige Forschung streitet - wie oben gezeigt - noch über die - um in der Pufendorfschen Diktion zu bleiben „schlecht eingerichtete Monarchie", also über das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen, und über den „ungeordneten Staatenbund", also über das Verhältnis zwischen Reich und Territorien. Somit wird der bereits von Pufendorf gesehene doppelte Dualismus zwischen Kaiser und Reichsständen sowie zwischen Reich und Territorien auch einer nach heutigem Kenntnisstand erfolgenden Reichsverfassungsanalyse zugrunde gelegt. Im Lichte der sich streng auf die politischen und juristischen Realitäten konzentrierenden Pufendorfschen Reichstheorie erscheinen daher auch nur diejenigen modernen Erklärungsversuche des Reiches überzeugend, die sich - wie von Pufendorf vorgedacht - an der VerfassungsWirklichkeit und damaligen Begrifflichkeiten und Rechtsauffassungen orientieren. Eine zutreffende Bewertung der juristischen Besonderheiten des Reichsgebildes kann nur dann erfolgen, wenn ein Anlegen moderner Maßstäbe sowohl unitarischer oder föderativer Organisationen, souveräner oder limitierter Herrschaft unterbleibt. Es ist vielmehr der Versuch zu unternehmen, die Verfassungswirklichkeit der Reichsverfassung möglichst genau zu beschreiben und zwar nicht, um das Reich in moderne Kategorien einzuordnen, sondern um festzustellen, mit welchen staatlichen Modellen es Ähnlichkeiten aufgewiesen haben könnte. Die bereits durch das Pufendorfsche Verdikt von der Monstrosität bezeichneten Schwierigkeiten im juristischen Umgang mit dem Reichsgebilde beruhen auch aus der heutigen Perspektive vor allem auf dem Umstand, dass im Unterschied zu modernen Verfassungsordnungen die Reichsverfassung ein historisch gewachsenes Gebilde war, in dem sich viele verschiedene Rechtsschichten miteinander vereinigten und teilweise auch überschnitten. Dieses aus ihrer historischen Entwicklung resultierende „Ungeplante" der Reichsverfassung 16 zeigt 14 15 16

Tully , Introduction, in: Pufendorf, On the duty of man and citizen, S. XX. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1. Buch, § 7 I 1, S. 43. Roeck , Reichssystem, S. 3.

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§ 5 Monstrositätsthese, Reichstheorie, Reichsdebatte: Ein Resümee

sich darin, dass die relativ autonomen Machtträger sich gegenseitig blockieren konnten und krisenhafte Entwicklungen aufgrund dessen nicht ausblieben. Auch äußeren Bedrohungen konnte aufgrund dieser Verfassungsstruktur nicht immer begegnet werden, sodass das Reich nur begrenzt in der Lage war, seine staatlichen Aufgaben zu erfüllen. 17 Vor allem im Zuge der Großmachtspolitik Preußens und Österreichs, die ein weiteres Auseinanderdriften der Territorialstaaten des Reiches18 förderte, wurde das Reich nur noch schwach von den festen Koordinaten des Königtums gehalten, wohingegen sein Charakter als eine Art föderatives Gebilde, das aus Kurfürstentümern, Fürstentümern, Grafschaften und Reichsstädten bestand, verstärkt wurde. Die Territorialgewalt unterstand in der juristischen Theorie zwar noch der zentralen Reichsgewalt, doch wurde diese in der politischen Realität zunehmend schwächer, je stärker sich die deutschen Fürsten als autonome Herrscher ihrer Länder verstanden. Das zunehmend labilere Gleichgewicht zwischen Reichs- und Territorialgewalt wurde auch durch außenpolitische Verwerfungen verstärkt. 19 Betrachtet man die Entwicklung des Reiches von seinen Anfängen bis zu seinem Zusammenbruch 1806, so wird es in seiner frühen Phase mit seinen dem Vorbild des fränkischen Imperiums nachempfundenen Herrschaftsmechanismen meist als Einheitsstaat betrachtet 20, während das Alte Reich in seiner Spätphase alles andere als ein einheitlicher Staat war, sondern ein Verband von rund 300 Staaten und staatsähnlichen Gebilden, deren Herrscher die Landeshoheit und die Reichsstandschaft besaßen. Pufendorfs Aussage, das Reich nähere sich einem Staatenbund an, muss aus moderner Perspektive differenzierend gesehen werden: Das Reich in seiner Spätform kann weder als ein Bundesstaat noch als ein Staatenbund qualifiziert werden. 21 Ein Bundesstaat im modernen Sinne besitzt eine eigene Souveränität, eine nicht von den Gliedstaaten abgeleitete Staatsgewalt und ein Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht für die Bürger aller Gliedstaaten. Ein Staatenbund hingegen verfügt über keine eigene Staatsgewalt, gemeinsame Beschlüsse können nur durch die Organe der souverän bleibenden Einzelstaaten durchgeführt werden. Das Reich war zugleich mehr und weniger 22 , was wiederum die Unmöglichkeit einer Zuordnung moderner Begrifflichkeiten deutlich werden lässt: Die Reichsfürsten waren zwar juristisch gesehen nicht souverän, jedoch boten die politischen Kräfteverhältnisse einigen von ihnen die Möglichkeit, sich als Souveräne zu gebärden. Der Kaiser war auf der einen Seite zwar gewähltes Oberhaupt des Reiches und oberster Lehnsherr der

17 18 19 20 21 22

Roeck, Reichssystem, S. 3. Eisenhardt, Rechtsgeschichte, Rn. 166; Thieme, JuS 1981, S. 549 (554 f.). Zippelius, Verfassungsgeschichte, S. 26. Thieme, JuS 1981, S. 549 (550). Vierhaus, Staaten und Stände, S. 22. Vierhaus, Staaten und Stände, S. 23.

Β. Moderne Analysen im Lichte der Pufendorfschen Reichstheorie

143

Reichsfürsten, musste aber auf der anderen Seite sich in seine Bindungen an die Beschlüsse des Reichstages und damit der Reichsstände fügen, wobei hinzukommt, dass der Kaiser hinsichtlich seiner Erblande selbst Reichsstand war. Eng mit der Bewertung der Pufendorfschen Reichstheorie ist eine heutige Perspektive auf die Auswirkungen des Westfälischen Friedens hinsichtlich der Verfassungsstruktur des Reiches verknüpft. Die Regelungen des Westfälischen Friedens haben unstreitig zu einer Verrechtlichung der Politik und der machtpolitischen Lösung zwischen Kaiser und Reichsständen geführt. 23 Die Verfassungslage im Reich wurde derart festgeschrieben, dass bis zum Untergang des Reiches 1806 von einer verhältnismäßig kontinuierlichen Verfassungssituation gesprochen werden kann. 24 Das Reich wurde in seiner 1648 fixierten Verfassungsform hingenommen, die man sich nach den Maßgaben politischer Opportunität entweder zunutze machte oder bei etwaigen Widersprüchen zu einem gewandelten Verfassungsverständnis beiseite schob.25 Der politische Wandlungsprozess des Reiches hingegen blieb auch nach 1648 nicht stehen, jedoch verlief er nicht mehr in den Bahnen einer Umgestaltung der Verfassungsordnung, sondern berührte das Reich nur noch in seinen Wirkungsmöglichkeiten. 26 Die wesentlichen Veränderungen des Westfälischen Friedens für die Reichsverfassung, nämlich die Beschränkung der kaiserlichen Gewalt, die Bestätigung der Landeshoheit und das Bündnisrecht der Stände, begünstigten das „Herauswachsen" der bedeutendsten Territorien aus dem deutschen Reich in die Bezüge des europäischen Staatensystems hinein. Doch obwohl „zentrifugale Kräfte" 27 bereits kurz nach dem Friedensschluss sichtbar wurden, wurde das Reich von 1648 bis zu seinem Untergang noch 158 Jahre lang von einigen (Verfassungs-) Faktoren zusammengehalten, die einen endgültigen Zerfall des Reiches in ein System weitgehend unabhängiger Staaten verhinderten. Politische Interessen, welche den Zusammenhalt des Reiches begünstigten, waren sowohl die Angst der meisten kleineren Reichsstände vor der entfesselten Konkurrenz zwischen den mächtigsten Territorialherren als auch ein „Solidarisierungseffekt" durch das Auftreten akuter Gefahrenlagen für alle Reichsfürsten wie die Bedrohungen des Reiches durch die Türken. 28 Neben der Funktion der alten komplizierten Reichsverfassung als Schutzinstrument kleinerer Territorialherren gegen den Expansionsdrang größerer Reichsstände29 spielten auch ver23 24 25

Link, JZ 1998, S. 1 (8); Roellecke, in: Brauneder, Hl. Rom. Reich, S. 103 ff. Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. Kap., Rn. 1, S. 48. Kremer, Der Westfälische Friede, S. 38; Scheyhing, Deutsche Verfassungsge-

schichte, 6. Kap., Rn. 1, S. 48. 26 27 28 29

Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. Kap., Rn. 1, S. 48. Von Aretin, Das Alte Reich I, S. 18. Thieme, JuS 1981, S. 549 (553). G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 50.

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§ 5 Monstrositätsthese, Reichstheorie, Reichsdebatte: Ein Resümee

fassungsrechtliche Institutionen wie beispielsweise die obersten Reichsgerichte bei der Verrechtlichung des Reichssystems eine entscheidende Rolle. Daneben war auch die am Reichsrecht und Reichsherkommen orientierte Reichspublizistik für die Erhaltung des Reichs im 18. Jahrhundert konstitutiv, da sie eine Herausbildung des Reichsrechts als „Klammer des Reichs" begünstigte.30 Der Westfälische Frieden war somit rückblickend ein für die Einheit des Reichs ambivalentes Gesetzeswerk. Er begünstigte auf der einen Seite durch die Lösung der konfessionellen Probleme im Reich einen Sieg des Reichsgedankens über die „zentrifugalen Kräfte". Und er setzte auf der anderen Seite durch die Stärkung der ständischen Elemente die Ursache dafür, dass der Fürstenstaat und nicht der Reichsverband in Deutschland zum Träger staatlicher Entwicklungen werden konnte. Der Stand des Reichsverfassungsrechts blieb de jure von 1648 bis 1806 erhalten, auch waren die Reichsinstitutionen bis zum Ende des Reiches funktionsfähig. Doch führte deren Unfähigkeit zu einer Modernisierung aus sich selbst heraus zu einem „Vergreisungs-" bzw. „Versteinerungsprozess" des Reiches, sodass man sich am Ende des 18. Jahrhunderts wunderte, dass das Reich noch existierte. 31 W i l l man auf dieser Basis die Rechtsnatur des Reiches nach 1648 aus heutiger Sicht festhalten, so erscheint die Ansicht, die einen Fortbestand des Reiches als Staat annimmt und eine Degeneration des Reiches zu einem „Dachverband von Souveränen auf völkerrechtlicher Basis" 32 mit einem Kaiser als primus inter pares verneint, am überzeugendsten, da sie der Verfassungswirklichkeit des Reiches am nächsten kommt. Der Weg zum monarchischen Einheitsstaat nach dem Modell anderer europäischer Staaten war aufgrund der gestärkten ständischen Libertät verstellt, sodass das Reich in seinem partikularistischen Zustand „atypischer Staatlichkeit" verbleiben musste. Eben diesen Prozess verspäteter Staatsentwicklung auf Reichsebene hatte bereits Pufendorf 1667 erkannt und mit dem Diktum von der Monstrosität der Reichsverfassung in Worte gekleidet.

C. Pufendorf als Wegbereiter bundesstaatlicher Theorien Neben der Bedeutung der Pufendorfschen Gedanken für die heutige rechtshistorische Analyse des komplexen Reichsgebildes sollte ebenfalls seine Leistung als einer der Wegbereiter bundesstaatlicher Theorien gewürdigt werden.

30 31

von Aretin, Das Alte Reich I, S. 358. Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. Kap., Rn. 1, S. 48; Stolleis, in:

Stolleis, Staatsdenker, S. 24. 32

Link, JZ 1998, S. 1 (8).

C. Pufendorf als Wegbereiter bundesstaatlicher Theorien

145

Wenn Pufendorf auch eine Lösung der staatsrechtlichen Probleme des Reiches nicht gelingen konnte, waren seine staatstheoretischen Gedanken zukunftsweisend bezüglich einer das Staatswesen Deutschlands bis heute prägenden bundesstaatlichen Struktur. Denn in der Kennzeichnung Deutschlands als „Bund mehrerer Staaten" können erste Andeutungen einer Bundesstaatstheorie gesehen werden. 33 Pufendorf hat sich in seinen juristischen Werken, die von dem Hauptthema der Staatsentwicklung dominiert werden, beständig mit den Erscheinungen des zusammengesetzten Staates (res publica composita ), für den er den Begriff des Staatensystems (systema civitatum) bevorzugte, sowie mit der spezifischen Erscheinung der Staatenbünde (systema rerum publicarum foederatarum) beschäftigt. 34 Speziell für das Deutsche Reich hat er den Vorschlag gemacht, im Falle der endgültigen Entwicklung zu einem Staatenbund eine Art ständigen Bundesrat einzurichten, in dem die Bundesgenossen repräsentiert seien und in dem eine Erledigung und Beratung sowohl der Angelegenheiten des Gesamtstaates als auch der auswärtigen Angelegenheiten stattfinden sollte. 35 In diesem Zusammenhang wird Pufendorf teilweise vorgeworfen, seine Reichstheorie sei verantwortlich dafür, dass die bereits von Hugo entwickelte Theorie vom Reich als einem bundesstaatsähnlichen Gebilde in Vergessenheit geriet. 36 Dies ist jedoch nur bedingt gerechtfertigt: Zwar resultiert Pufendorfs Qualifikation des Reiches als politisches Gebilde in der Mitte zwischen Monarchie und Staatenkonföderation aus seiner staatstheoretischen Prämisse, die ein Festhalten an der Unteilbarkeit der Souveränität als eigentlichem Staatlichkeitsmerkmal und an der entsprechenden übergangslosen Unterscheidung von Staaten und Bündnissen als einer nicht erweiterungsbedürftigen Einteilung bedeutete.37 Doch obwohl Pufendorf als Konsequenz dieses monistischen Staatsbegriffs die bundesstaatliche Definition des Reiches noch ausdrücklich abgelehnt hat 38 , neigte er positiv zur Kennzeichnung des Reiches als „Bund mehrerer Staaten". Pufendorfs zukunftsweisende Andeutungen in Richtung eines Staatenbundes waren sicherlich beeinflusst von der auf Besold und vor allem Hugo zurückgehenden Idee vom Reich als „systema civitatum foederatum". Daher haben wahrscheinlich sowohl die „bundesstaatliche" Theorie Hugos als auch die eher „staatenbündische" Theorie Pufendorfs die Weiterentwicklung der bundesstaatlichen Idee durch Leibniz und Pütter erst ermöglicht.

33

Stern, Staatsrecht V, § 124 III 4, S. 48. Vgl. dazu Dufour, in: Palladini/Hartung, Samuel Pufendorf, S. 109. 35 PufendorfDie Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 8, § 4, S. 128 f. 36 Deuerlein, Föderalismus, S. 41; Stern, Staatsrecht I, § 19 I 6, S. 656; für einen Vergleich zwischen Pufendorfs und Hugos staatstheoretischen Ansätzen siehe Pfannenschmidu Ludolf Hugo, S. 186 ff. 37 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechts Wissenschaft, S. 65. 38 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 65. 34

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In Pufendorfs staatsrechtlichem Werk ist damit bereits angedeutet, was sich aus einer Betrachtung der Entwicklung des Alten Reiches von 1648-1806 ergibt, nämlich dass das föderative Prinzip „das eigentliche Grundgesetz des Reichsgedankens"39 gewesen ist und der Westfälische Friede daher die politische Gestalt Deutschlands auf Dauer bestimmen und die Grundlage zu einer in Europa einzigartigen Staatenordnung legen konnte. Denn aus der „Dialektik einer Staatsbildung im Reichsverband" 40 und des damit einhergehenden Reichssystems mit seiner „doppelten Staatlichkeit" 41 konnte das Verständnis für eine spätere bundesstaatliche Ordnung entstehen, in der dem Gesamtstaat wie den Einzelstaaten jeweils Staatsqualität zukommt. Pufendorfs Abhandlung hat die Anbahnung einer rechtlichen und politischen Entwicklung vorausgesehen, die im Jahre 1806 nur noch eines Anstoßes von außen bedurfte, um das System der Reichsverfassung endgültig zusammenbrechen zu lassen. Für Pufendorf kann damit im Gegensatz zu manch anderem Reichspublizisten nicht die Prämisse gelten, er habe wegen des Bruchs von 1806 nur geringen Einfluss auf die weitere Verfassungsentwicklung und politische Kultur Deutschlands gehabt.42 Pufendorf hat sich im Gegenteil in mancher Hinsicht als ein Verfassungsrechtler und Reichstheoretiker mit realistischem Weitblick erwiesen, wenn er 1667 feststellte: „Wie man einen Felsen, der einmal ins Rollen gekommen ist, sehr leicht vom Berg in die Ebene hinunterbringt, aber nur mit ungeheurer Anstrengung auf den Gipfel hinaufwälzt, so wird man auch Deutschland nicht ohne größte Erschütterungen und ohne totale Verwirrung der Verhältnisse zur monarchischen Staatsform zurückfuhren können; zum Staatenbund entwickelt es sich dagegen von selbst."43

Wie richtig Pufendorf mit dieser Aussage lag, zeigt sich darin, dass das zusammengebrochene Reich mit der Gründung des Deutschen Bundes am 8.6.1815 genau die staatenbündische Struktur („systema civitatum regulari") annehmen sollte, die Pufendorf bereits knapp 150 Jahre zuvor in „De statu Imperii Germanici" als Entwicklungslinie des deutschen Staatsrechts ausgemacht hatte.

39

Deuerlein, Der Föderalismus, S. 22 ff; Hofmann, Der Staat 9 (1970), S. 241 (243).

40

Link, JZ 1998, S. 1 (8).

41

G. Schmidt, in: Mußgnug, Wendemarken, S. 50. Stolleis, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 8. Pufendorf Die Verfassung des deutschen Reiches, Kap. 6, § 9, S. 107.

42 43

Abstract The Theory of the Holy Roman Empire in Pufendorf's "Severinus de Monzambano" The Thesis of Monstrosity and the Debate on the Constitution of the Empire in the Political and Legal Literature from 1667 to the Present In 1667 the German philosopher, lawyer and historian Samuel Pufendorf (1632-1694) wrote the tract "De statu Imperii Germanici Liber unus" in which he classified the Holy Roman Empire as a monstrosity and as an irregular political system. Published under a pseudonym at The Hague (even though for deliberate misguidance Geneva was declared as place of publication), it was supposed to be addressed by a gentleman of Verona, Severinus de Monzambano, to his brother Laelius. The pamphlet caused a sensation. In harsh words, its author directly challenged the organization of the Holy Roman Empire, denounced in the strongest terms the deficiencies of the house of Austria, and attacked with vigour the politics of the ecclesiastical princes. The most famous passage of the pamphlet in which Pufendorf established the verdict of the Empire's monstrosity is cited in nearly every work on this topic; nevertheless, an all-embracing analysis of both Pufendorfs theoretical inferences and the reviews of his findings from 1667 to this day is still lacking in German legal literature. Therefore, this historical study deals with the theory of the Holy Roman Empire in Samuel Pufendorfs "Severinus de Monzambano", the theoretical development and legal implications of his thesis of monstrosity and the perception of his constitutional theory and theory of state. The study is divided into five main parts: The introductory section provides basic information about Pufendorfs biography, about the evolutionary history of his treatise "De statu Imperii Germanici" and about the Constitutional law of the Holy Roman Empire after 1648, its legal structure and institutions (e.g. the Holy Roman Emperor, the Imperial Estates, the Reichstag, the Imperial Courts and the Imperial Circles). Special attention is paid to the personal and scientific reasons which prompted Pufendorf to compose the study. Another important aspect for the comprehension of Pufendorfs assessments in constitutional theory is the legal situation of the Empire after the religious conflicts stemming from the Reformation and after the ravages of the Thirty Years War (1618-1648). The Peace of Westphalia from

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Abstract

1648 ended the state of war and simultaneously caused significant political overthrows. Thus, the peace agreement was not only an important international settlement, but it also shaped the constitution of the Holy Roman Empire to a considerable degree which was of great relevance for political theory in the seventeenth century. The two most relevant regulations concerning the constitutional law of the Empire were the provisions about the lus territoriale and the lus foederis which cemented Germany's internal divisions. The lus territoriale guaranteed that the German princes could rule their territories nearly independently. The lus foederis gave the various German states (over 300) the right to exercise their own foreign policy, but they could not wage war against the Holy Roman Emperor. The second part of this study contains - apart from a short summary of the main contents of "De statu Imperii Germanici" - an exegesis of the passages in Pufendorf 's pamphlet which deal with the form of government and the legal character of the Empire (chapters six and seven). In chapter six Pufendorf examines the form of the Empire according to the forms of government developed by Aristotle and comes to the conclusion that none of the conventional forms - monarchy, aristocracy or democracy - can be applied to the Empire. Due to the impossibility of classifying the Empire according to the common forms of government, Pufendorf considers it a monstrosity and an irregular political system. In chapter seven, which deals with both the strengths and weaknesses of the Empire, Pufendorf takes up his findings from chapter six and states that the most prominent weakness of the Empire is due to the fact that it is a hybrid between a "badly established monarchy" and a "disordered confederation of states" - a legal structure which in his view is again simply "monstrous". The third part provides an overall analysis of Pufendorfs verdict of monstrosity thereby taking legal, philosophical and historical aspects into account. In order to analyse Pufendorfs theory of state, an overview of the Aristotelian forms of government and their further development by philosophers like Machiavelli and Bodin is given. Especially Βodin's concept of sovereignty is of great importance in order to connect the antique models with Pufendorfs doctrine about forms of government, because Β odin's achievements in political science brought about modifications concerning the application of the traditional forms of government to the Holy Roman Empire: Bodin described the sovereign as a ruler above human law and subject only to the divine or natural law. Sovereignty is a republic's absolute and perpetual power, thus indivisible with limits only in natural law. Concerning its form of government Bodin classified the Holy Roman Empire as an aristocracy, because he accredited the Imperial Estates with the highest and indivisible power in the Empire, thereby deliberately neglecting the remaining powers of the Holy Roman Emperor. Similarly Pufendorfs predecessors in German political science tried to present distinct solutions for the legal structure of the Empire [e.g. monarchy (Reinkingk), aristoc-

Abstract

racy (Hippolithus a Lapide) or mixed constitution with monarchic and aristocratic elements (Limnaeus)]. Their ideas are presented in order to explain why Pufendorf departed from all previous writers on the forma imperii. When Pufendorf developed his own theory of forms of government- which is closely connected with his concept of natural law - he was strongly interested in the question of sovereignty. He adopted Bodin's concept of sovereignty in combination with the Aristotelian categories, but arrived at a completely different conclusion than his predecessors: Pufendorf developed new forms of government in accordance with the doctrines of Bodin and Hobbes who strongly influenced his thinking. On the basis of the indivisibility of sovereignty Pufendorf distinguishes between regular and irregular forms of government. In a regular state the sovereign power is undivided whereas in an irregular state the subject of sovereign power cannot be clearly denominated. Pufendorf also distinguishes between the forms of monarchy, aristocracy and democracy, but contrary to Aristotle his most decisive criteria for the classification is the location of the sovereign power and not whether a certain form of government is good or degenerated. When applying his doctrines on the Empire Pufendorf comes to the conclusion that it can be classified neither as a monarchy nor as an aristocracy, because neither the Holy Roman Emperor nor the Imperial Estates were in the possession of the sovereign power. Pufendorf found no other solution for the complicated entanglement of rights and duties between the subjects of power than the classification of the Empire as a monstrosity. The fourth part of this study deals with the perception of both Pufendorfs theory of the Empire and the legal character of the Empire from 1667 to the present. In the 17 th century his thesis of monstrosity provoked sharp criticism among contemporary legal scholars. Most of them (e. g. Brüggemann, Zeller, Multz, Oldenburger, von Teuteburg, Rosenfeld, Leibniz, Kulpis) rejected the thesis of monstrosity and tried to qualify the Empire as a monarchy in which the Holy Roman Emperor was the superior feudal lord and appointing authority. Only few scholars (e. g. Thomasius, Rachel) defended Pufendorfs right to criticise the constitution of the Empire and agreed with him concerning the thesis that the Empire could not be described with the traditional Aristotelian categories of forms of government. The debate was very emotional insofar as many contemporaries imputed Pufendorf to deny that the Empire was still a state which obviously was not his objective. On the contrary, Pufendorf, who always had a very patriotic attitude towards the Empire, wanted to improve its situation by the means of harsh, but in his view reasonable criticism. In the 18 th century the debate on the constitution of the Empire became less emotional and more objective. This is, on the one hand, due to a decreasing interest in the forma imperii-question and, on the other hand, due to the political decline of the Empire. Regarding the late Empire some authors in the lS^centu-

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Abstract

ry raised the question whether the Empire as a whole was still a state or whether it could only be described as a confederation of sovereign states with its territories as independent bodies under international law. A minority opinion (Krause) established the doctrine that the relationship between the Emperor and the Imperial Estates as well as the relationship between the Empire as a whole and its territories could only be governed under public international law which simultaneously granted the territories sovereignty. Contrary to that opinion the majority of the political scientists (Schmauß, Pütter, Moser, Biener, Kreittmayr, Rieffel, Pacassi) classified the Empire as a state and not as a confederation of sovereign states. The proponents of this prevailing opinion assumed that the Empire was - because of the remaining rights of the Holy Roman Emperor still a monarchy which was additionally classified as monarchia limitata (Schmauß), as a "conglomerate state" (Pütter) and as a state that only could be ruled "the German way" (Moser). After the collapse of the Empire in 1806, the research of German political scientists was made obsolete. In the 19 th century the idea of the creation of a German nation state prevailed, so that indifference concerning the Empire and its constitutional intrications dominated in German politics and political science. Especially in the first half of the 20 th century the concept of the Holy Roman Empire was subject to political harnessing, especially by Nazi propagandists. The current legal literature has adopted a more objective view on the "Old Empire" and deals with legal problems which Pufendorf already examined in his "Monzambano": the power struggle between the Holy Roman Emperor and the Imperial estates as well as the difficult legal and political relationship between the Empire as a whole and its territories. Pufendorfs verdict of the Empire's monstrosity reflected this "duplicate dualism" both between Emperor and Princes and between the Empire and its territories. In current legal and political literature the view of the relationship between the Emperor and the Imperial Estates is as controversial as it was in Pufendorfs lifetime. Whereas some authors establish the primacy of the Emperor because of his capacity as the supreme feudal lord, others contend that the Emperor had too little remaining rights to assert his position against the emerging Imperial Estates. Concerning the relationship between the Empire as a whole and its territories it is discussed whether the Empire could be described by the means of international law or whether it falls under constitutional law. Some authors have qualified the Empire as an "atypical confederation" and simultaneously compared it with international organisations like the United Nations (Bryce, Berber, Randelzhofer, Kimminich, Böckenförde). This implies that after the regulations of the Peace of Westphalia the territories were supposed to be sovereign entities which were independent from the Empire as a whole. This doctrine has - with

Abstract

good reason - been sharply criticised in legal literature (e.g. von Aretin, Eisenhardt, Heun, Kremer, Laufs, Roeck, Schindling, von Schönberg) because it neglects - among other things - decisive facts that speak for the assertion that the Empire was a state, e. g. the system of feudal tenure. Moreover, it can be considered inappropriate to describe an ancient political system by the means of today's political terminology. Rather it has to be pointed out that the Empire though it was a very complicated entity- provided a legal reality sui generis, which can only be described in historical terms in order to comprehend the complexity of the ancient "legal layers". The last part of the study contains a summary of the main aspects and tries to evaluate Pufendorf's doctrines from a current perspective. In this context it has to be stated that Pufendorf's legal and political findings cannot be reduced to the thesis of monstrosity. The term "monstrosity" served him only to characterise the complicated legal structure of the Holy Roman Empire. By classifying the Empire as a monstrosity and an irregular political system he reflected the duplicate dualism between the Holy Roman Emperor and the Imperial Estates on one level and between the Empire as a whole and its territories on another level. Even though the thesis of monstrosity did not provide a solution for the constitutional problems of the Empire, it holds one of Pufendorfs greatest assessments in legal theory: Through a critical and realistic analysis Pufendorf managed to develop a completely new approach to the complex constitutional structure of the Empire. With his concept of the Empire as a "disordered confederation of states" Pufendorf even anticipated Germany's further development in the 19 th century: The collapsed Empire finally separated into its entities. The former territories of the Holy Roman Empire confederated and formed the German Federation in 1815.

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Personenverzeichnis Althusius, Johannes 67 Antonius, Gottfried 61 Aretin, Karl Otmar von 28, 150 Aristoteles 8, 53 f., 57 f., 74, 89 f., 95, 148 f. Arndt, Ernst Moritz 109

Chemnitz, Bogislaw Philipp von (Hippolithus a Lapide) 15, 19, 43, 50, 63 ff., 70, 78, 98, 134, 148 Cicero, Marcus Tullius 53 Conring, Hermann 39, 66 Coyet, Peter Julius 14

Arnisaeus, Henning 60 Arumaeus, Dominicus 66, 87

Daniel (Prophet) 60, 64, 97 Denzer, Horst 19, 59

Barudio, Günter 95

Descartes, René 14

Beckmann, Johann Christoph 63

Dickmann, Fritz 113

Berber, Friedrich 124, 150

Droysen, Johann Gustav 111

Besold, Christoph 71 f., 145

Duncker, Max 111

Biener, Christian Gottlob 9, 100, 104, 150 Bismarck, Otto von 111 Böckelmann, Johann Friedrich 17 Böckenförde, Ernst-Wolfgang 123, 126 f., 150

Efferen, Wilhelm Ferdinand von 63 Einsiedel, Konrad von 61 Eisenhardt, Ulrich 150

Bodenhausen, Franz Wilka von 63

Felwinger, Johann Paul 63

Bodin, Jean 8, 50, 55 ff., 63 f., 66, 68 f., 72 f., 79 f., 102, 106, 137 ff., 148 f.

Ferdinand Π. (Hl. Rom. Reich) 85, 136

Boineburg, Johann Christian von 17

Fichte, Johann Gottlieb 109

Bornitz, Jakob 63

Frantz, Constantin 133

Brüggemann, Friedrich Christian 89, 149

Franz Π. Joseph Karl (Hl. Rom. Reich) 29

Bryce, James Viscount 124, 150 Buschmann, Arno 119 Bussi, Emilio 122

Freytag, Gustav 111 Friedrich I. (Barbarossa) 30 Friedrich II. (Hl. Rom. Reich) 37

Calvin, Johannes 64

Friedrich ΙΠ. (Hl. Rom. Reich) 30

Cellarius, Balthasar 63

Friedrich Wilhelm (Brandenburg) 15

166

ererzeichnis

Friedrich III. (Brandenburg)=Friedrich I. (Preußen)15 Friedrich Wilhelm IV. (Preußen) 110 Galilei, Galileo 14 Goebbels, Joseph 112 Grasswinkel, Theodor 63

Karl X. Gustav (Schweden) 15 Karl XI. (Schweden) 14 Karl I. Ludwig (Pfalz) 14 Kimminich, Otto 126, 150 Körner, Theodor 109 Krause, Johann Christoph 9, 100, 124, 150

Grotius, Hugo 14

Kreittmayr, Wiguleus Xaverius Aloysius 9, 104 f., 150

Häberlin, Carl Friedrich 23, 65, 110 Hammerstein, Notker 99

Kremer, Bernd Mathias 118, 122, 131, 150

Härtung, Fritz 103

Kulpis, Johann Georg von 94 f., 149

Heckel, Martin 28 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 12, 98, 107 f. Heimpel, Hermann 136 Heine, Heinrich 110

Lampadius, Jakob 64 Laufs, Adolf 150 Leibniz, Gottfried Wilhelm 9, 12, 83, 90 ff., 94, 145, 149

Heinrich VI. (Hl. Rom. Reich) 37

Limnaeus, Johannes 50, 66 ff., 76, 78, 149

Heun, Werner 132, 150

Ludwig XIV. (Frankreich) 19, 134

Hitler, Adolf 112 Hobbes, Thomas 14, 72 f., 79, 83, 149

Machiavelli, Niccolo 8, 55, 65

Hoke, Rudolf 70

Moeller van den Bruck, Arthur 110

Huber, Ernst Rudolf 126

Monzambano, Laelius de 18, 147

Hugo, Ludolf 71 f., 145

Monzambano, Severinus de 8, 11, 14, 39, 42, 59, 80, 86,91, 149

Innozenz X. (Papst) 26

Moser, Johann Jacob 9, 23, 100, 103 ff., 150

Jahn, Friedrich Ludwig 109

Multz, Jacob Bernhard 89, 149

Jastrow, J. 75 Jellinek, Georg 124

Oldenburger, Philipp Andreas (Burgold) 89

Johann Philipp von Schönborn (Erzbischof von Mainz) 17

Pacassi, Johann Baptist 9, 105 f., 150

Joseph I. (Hl. Rom. Reich) 117

Piaton 53

Joseph II. (Hl. Rom. Reich) 117

Pufendorf, Esaias von 14

Karl IV. (Hl. Rom. Reich) 128

Pufendorf, Samuel von 7-22, 29, 34, 39-53, 59 f., 66, 72-86, 88-99, 102, 103 f., 106 ff., 113 f., 122, 137-151

Karl V. (Hl. Rom. Reich) 31, 85, 128

Personenverzeichnis

Pütter, Johann Stephan 9, 65, 71, 101 ff., 105, 131, 138, 145, 150

167

Steding, Christoph, 112 Stephani, Matthias 61 Strasser, Otto 112

Rachel, Samuel 93, 149 Randelzhofer, Albrecht 100, 124 ff., 132, 150

Sybel, Heinrich von 110

Reinking(k), Dietrich 44, 61 ff., 78, 148

Teuteburg, Christian von (Pseudonym) 89, 149

Rieffei, Josua Joseph 9, 104 f., 150

Thomasius, Christian 83, 93 f., 149

Roeck, Bernd 150

Treitschke, Heinrich von 110

Rosenfeld, Johann Wolfgang (Reifends) 90, 149

Verdross, Alfred 131

Rückert, Friedrich 109

Vultejus, Hermann 61

Scharschmid, Karl 94, 96

Weigel, Erhard 14, 83

Schenkendorf, Max von 109

Wesel, Uwe 87

Schindling, Anton 150

Wieacker, Franz 135

Schmauß, Johan(n) Jacob 9, 24, 101, 104 f., 150

Wirth, Johann August 110

Schmidt, Georg 132 Schönberg, Rüdiger Freiherr von 150

Zeiller, Franz von 115

Seckendorff, Veit Ludwig von 63

Zeller, Johann Ulrich 89, 149

Spinoza, Baruch de 83

Zippelius, Reinhold 36

Sachwortverzeichnis Absolutismus 30, 48, 118 f., 132, 134 f.

Drittes Reich 112

Administrator imperii 50, 58

Dualismus 50, 67, 70, 86, 92, 97, 100, 114,141

Aequalitas exacta mutuaque 29 Amicabilis compositio 29, 33 Ancien régime 129 Aristokratie 8, 19, 41 ff., 45, 48 f., 54 f., 57 f., 60, 63 f., 74, 90 Aristotelismus, aristotelisch 8, 14, 41 f., 45 f., 50, 55, 60, 67, 72 f., 75 f., 90, 93,95, 98, 102, 138 f., 148 f.

Editio Posthuma 16, 96 Einheitsstaat 40, 58, 75, 125, 134 f., 137, 142, 144 Empirismus, empirisch 17, 78, 88 England 65, 70, 134 Erster Weltkrieg 111 f.

Augsburger Religionsfriede 20, 24 f., 28, 33

Ewiger Landfrieden 24, 34, 126

Berlin 15 f., 133

Föderation 45, 51, 77 f., 80, 84, 89, 126 f., 135, 145

Bundesrat 145 Bundesstaat, bundesstaatlich 10, 71, 75, 92, 102, 125, 134, 142, 144 ff. Bündnisrecht 21, 27, 38, 45, 100, 123, 125 ff., 129 f., 132, 143, 148 Civitas Composita 8, 71 Corpus Catholicorum 33 Corpus Evangelicorum 33 Corpus-Metapher 47

Demokratie 42, 45, 54 f., 57, 60, 74, 76

Forma imperii 78 f., 88, 98 f., 137, 149 Frankreich 19, 129, 130 Freiheitskriege 108 f. Gesellschaftsvertrag 74, 81 ff. Goldene Bulle 22, 24, 31, 37, 84, 88 Glorious Revolution 65, 134 Habsburger 13, 20, 31, 63, 65, 117, 140 Hambacher Fest 110

Drei-Elemente-Lehre 124

Heiliges Römisches Reich deutscher Nation 7, 12, 21, 28 ff., 47, 49, 52, 58, 61, 78, 87, 90, 93 f., 98, 108, 111 f., 115, 124 f., 129, 134, 137, 139 f.

Dreißigjähriger Krieg 12 f., 19 ff., 25, 31, 63, 85, 115, 135 f.

Imperium Romanum 30, 61, 65, 115

Deutscher Bund 127, 146 Doppelte Majestätslehre 67, 70 f., 76

S ach wort Verzeichnis

169

Instrumentum Pacis Monasteriense 26

Liberalismus 110

Instrumentum Pacis Osnabrugense 26, 118

Libertät, (reichs-)ständische 9, 19, 21, 32, 37 f., 43 f., 77, 84 f., 98, 115 f., 118, 123, 126, 132, 136, 144

Irregularität, irregulär 8 f., 11, 15 ff., 22, 39, 41 f., 45 f., 50, 72, 74 f., 78 f., 83, 90-97, 114, 138 f., 147 ff., 151

Maiestas personalis 67 f.

Itio in partes 33

Maiestas realis 67 f.

lus belli ac paci 91

Misch Verfassung 8, 19, 44, 60, 62, 64, 66 ff., 69 ff., 76 f., 89, 95, 97,137

lus foederis (s. Bündnisrecht) lus publicum imperii 87 lus territoriale (s. Landeshoheit) Kaiser, kaiserlich 8 ff., 13, 17, 20, 24-38, 40 f., 44 f., 47, 49 ff., 58-65, 67 ff., 71, 73, 76 f., 79, 84, 86 ff., 91, 94 f., 97, 99 ff., 104 ff., 109 ff., 114-123, 125 ff., 130, 132 ff., 137, 139-144, 147-151 Katholische Liga 20 Katholizismus, katholisch 14, 20, 28, 30, 105 f., 134 Komitalrechte 27 Konfession, konfessionell 20 f., 25-30, 32, 37, 40, 47, 81 f., 87 f., 113, 134, 140, 144 Kurfürst 14, 15, 17, 24, 31 ff., 37, 40, 58, 64, 67, 69, 84, 130, 142 Landeshoheit 35, 37, 99, 101, 122 f., 125, 129 ff., 142 f., 148 Leges civiles 23 Leges fundamentales (s. Reichsgrundgesetze) Lehnsbindung 89

Mittelalter, mittelalterlich 24, 38, 47, 50, 53, 55 f., 61 f., 71, 87, 94, 106, 108, 109 f., 115, 118, 123, 134 f., 138 f. Monarchie, monarchisch 8, 26, 32, 4145, 48 ff., 54, 57, 60 f., 63, 72, 74, 76-80, 84, 90, 97, 101 f., 104 ff., 114, 138 f., 141, 145, 148 ff. Monstrositätsthese 7-10, 12 f., 19, 21, 39, 46, 52, 77 f., 86, 137, 147, 149, 151 Monstrum 8, 11, 19, 41, 44 f., 50 f., 78, 80, 84, 90 f., 96, 98, 104, 114, 138 Münster 19 ff., 26, 70, 133 Nationalismus 111 Naturrecht, naturrechtlich 8, 11, 13 ff., 17 f., 47, 56, 73, 80-83,99, 140 Neuzeit, neuzeitlich 22, 25, 28, 30, 33, 38, 50, 87, 113, 139 Oligarchie 54 Osnabrück 19 ff., 26, 70, 129, 133 Österreich 13, 31, 117, 132 f., 142

Lehnspyramide 94, 97, 130 Lehnsrecht, lehnsrechtlich 32, 55, 62, 87, 91, 97, 118, 123, 127 f., 130, 132, 149 ff.

Parlamentarisierung 65, 134

Lehnsverhältnis 84

Paulskirche 109

Lehnswesen 9, 37, 84, 97

Personalunion 75, 77, 137

Lehnszeremoniell 118

Personenverbandsstaat 55 f., 115

Partikularismus, partikular 37, 100, 110 f., 125, 133, 136, 144

170

arverzeichnis

- Reichskammergericht 24, 32, 34 f., 43, 69, 122

Politela 53 f. Politie 54

-Reichskreise 35 f., 117, 133

Positivismus 18, 29, 62

- Reichskriegswesen 36

Prager Fenstersturz 20 Prager Frieden 134 Preußen 109 ff., 132 f., 142 Privilegium de non appellando 35, 131 Privilegium de non evocando 37 Protestantismus, protestantisch 14, 20, 28, 30, 70, 105 f., 135, 140

Rationalismus, rational 8, 22, 81, 83, 88, 95, 115, 136 Rechtsphilosophie 8, 13, 52, 80 Regensburg 26, 33 f., 39, 117 Reguläre Staatsformen 74 f., 78, 84, 93, 95, 139, 146, 149 Reich - Reichsabschied 23, 26 f., 28, 33, 88, 116 - Reichsdebatte 8 ff., 13, 59, 108, 137 - Reichsdeputationshauptschluss 24, 26, 29, 121 - Reichsfinanzen 36 - Reichsfundamentalgesetze grundgesetze)

(s. Reichs-

- Reichsgesetzgebung 7, 31, 69, 115, 120 - Reichsgewalt 22, 36 f., 62, 65, 72, 106, 114, 122 f., 134 f., 142 - Reichsgrundgesetze 23 f., 26, 28 ff., 49, 63,69,71,73,87, 115 f., 131 - Reichsgründung 9, 110 f. - Reichsherkommen 120 f., 144

31 f., 88, 115 f.,

- Reichshofrat 24, 32, 34 f., 43, 69, 120, 126 - Reichsidee 9, 50, 62, 82, 99, 106, 108112, 139 f.

- Reichspublizistik 9, 11 f., 14 ff., 24, 26 f., 42, 52, 59 ff., 63, 65 f., 70, 72, 79, 86 ff., 97 f., 100, 105 ff., 114, 119, 127, 129, 131, 134 f., 144 - Reichsreform 12, 31, 33 - Reichsregalien 32, 35 - Reichsstände 7-9, 17, 20 f , 26 f., 3033, 36 ff., 40-43, 45, 50 f., 58-65, 67-71, 76 f., 79, 86, 89„ 93 ff., 97, 99-102, 104, 106, 114-118, 120123, 125 ff., 132-135, 137, 141, 143 - Reichstag 26 f., 30, 33 f., 37 f., 39 f., 42 f., 58 f., 62, 64 f., 85, 99 f., 116 f., 120, 125 ff., 132, 134, 143, 147 - Reichsteilungsvertrag 29 - Reichstheorie 7-10, 12 f., 19, 21, 30, 43, 46, 59, 63, 72, 80, 82, 86, 89 f., 93 f., 96,137,141,143,145 - Reichsverfassung, 7, 9, 12 f., 15-22, 24-32, 38 ff., 46 ff., 52, 58 ff., 65 f., 70, 72, 77 ff, 82-88, 90 ff., 95 f., 98, 100, 102-110, 113 ff., 119 f., 122, 128, 131, 133, 137 ff., 141, 143 f , 146 - Reichsverfassungsschrift 7, 12-19, 29, 39, 46, 48, 66, 73, 77, 79 f., 84, 92, 95 - Reichsvikariat 31 Reservatrechte 27, 32, 45, 58, 62, 76, 89, 102, 117, 120 Res publica - Res publica composita 75, 145 - Res publica irregularis 72, 139

17, 19, 46,

- Res publica mixta (s. Mischverfassung) - Res publica simplex 75

S ach Wortverzeichnis

Sacrum Imperium 92

171

Tyrannis 54

Schmalkaldischer Bund 20 Schweden 14 f., 70, 130

Unitas imperii 93, 98

Senat 41 f., 43,76, 90

Universalmonarchie 61,63

Souveränität 8, 13, 30, 43 ff., 50, 52, 5564, 67 f., 71-79, 83, 91, 93 ff., 98, 104 ff., 114, 118, 121 ff., 126 f., 129, 131 f., 137 ff., 142, 145, 148 ff. Staatenbund 8, 10, 40, 49 ff., 72, 75, 77 f., 84, 114, 124 f., 130, 133, 137 f., 141 f., 145 f. Staatlichkeit 9 f., 12, 16, 30 f., 55, 88, 90 f., 93 ff., 98, 102, 106 ff., 114, 124 ff., 128 f., 131, 133 ff., 137, 144 ff. Staatsbildung 135, 146 Staatsformen 7 f., 12, 15, 18, 40-55, 5763, 70, 72-79, 82 f., 86, 88, 90, 93 ff., 102, 105 f., 137 ff., 146

(christliche) 26,

Unterwerfungsvertrag 8, 81 ff. Vereinte Nationen 126, 128 Verfassungswirklichkeit 7, 9, 13, 21, 30, 53, 58, 60, 65, 67 f., 76 f., 79, 86, 103 f., 107, 114, 129 f., 133, 139, 141, 144 Vier-Reiche-Lehre 44 Völkerrechtsordnung 9 f., 100, 124 f., 128 Wahlkaisertum 31, 50

Staatsräson (ratio status) 18, 36, 40, 65, 75, 78 f., 83

Wahlkapitulationen 23 f., 29, 31 ff., 69, 73, 85, 99, 101, 104, 115 ff., 122

Staatstheorie 55 ff., 59, 65, 67

Wartburgfest 109

Status mixtus (s. Mischverfassung)

Weimarer Nationalversammlung 112

Superioritas 72, 93 f., 127, 129 ff.

Westfälischer Frieden 7, 15, 21 f., 2431, 33, 37 f., 50, 52, 85, 102, 104, 106, 110, 113 ff., 118, 120-125, 127 f., 130 ff., 136 f., 140, 143 f., 146 f., 150

Systema civitatum 75, 78, 89 f., 93, 106, 145 f. Territorialhoheit (s. Landeshoheit) Translatio imperii 29, 60 f., 64 Trialismus 114 Türken 15, 20, 36, 143

Wien 34, 105,115, 133 Wildfangstreit 14 Zusammengesetzter Staat 9, 75, 92, 101, 103, 105, 138, 145