Kritik der neomythischen Vernunft. Band 3: Die Fiktionen der science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert 9783506781970


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Kritik der neomythischen Vernunft. Band 3: Die Fiktionen der science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert
 9783506781970

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Hauser Kritik der neomythischen Vernunft Band 3

Kritik der neomythischen Vernunft

Die Fiktionen der science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert

Linus Hauser

Kritik der neomythischen Vernunft

Band 3 Die Fiktionen der science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert

Ferdinand Schöningh

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. © 2016 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Einband: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-506-78197-0

Für Mary, von der ich am meisten lernte

Inhaltsverzeichnis VORWORT ............................................................................................................ 15 EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND: BEGRIFFLICHE GRUNDLAGEN .......................................................................................... 17 I. 1. 2. 3. 4. II. III. 1. 2. 3.

Die romantische Hoffnung auf einen grundlegenden Paradigmenwechsel ................................................................................... 17 Erkenntnis im Denkkollektiv (Ludwik Fleck) ........................................... 18 Konversionen und neue Paradigmen (Thomas S. Kuhn) ............................ 21 Weltanschaulich geprägte kollektive Erkenntnis (Stephen Toulmin) .................................................................................................... 24 Neomythische Kolportage als erhoffter Paradigmenwechsel .................... 26 Eine exemplarische Verschränkung von weltanschaulichen und wissenschaftlichen Fragen: Der Raumfahrtwissenschaftler Harry O. Ruppe .................................................................................................... 28 Fiktionen und Science: Zu ihrer Interdependenz ....................................... 31 Wissenschaftstheoretische Grundlagen ..................................................... 31 Der Einzug der Fiktionen in die Science ................................................... 33 Über Stufen der Wissenschaftsrezeption ................................................... 37

Band 3 Die Fiktionen der Science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert ACHTER HAUPTTEIL QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE § 28 Quantenphysik im Absprung zur neomythischen Metaphysik ............................................................................................. 43 I. 1. 2. a. b.

Grundzüge der Quantenphysik in erkenntnistheoretischer Problembetrachtung ................................................................................... 43 Die klassische Physik Newtons und die mechanistische Versuchung ................................................................................................ 43 Grundmuster der Quantenphysik ............................................................... 45 Die Unanschaulichkeit der Physik und ihre Konsequenzen ....................... 45 Die Unschärferelation ................................................................................ 47

8 c. d. e. f. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. a. b. c. 7. 8. a. b. c. 9. a. b.

INHALTSVERZEICHNIS

Der Doppelspaltversuch ............................................................................ 50 Komplementarität und ein Universalitätspostulat ...................................... 51 Quantenphysik und ihre Zustände ............................................................. 52 Vom Weltäther zu den Feldtheorien .......................................................... 56 Metaphysikförmige Nutzung der Quantenphysik in neomythischer Tendenz ..................................................................................................... 62 Metaphysik – eine kontextorientierte Bestimmung ................................... 62 Alltägliches Begreifen – Abstraktionsbegriffe – Definitionsbegriffe .................................................................................... 65 Quantenphysik und Erkenntnisgrenzen: Das heuristische Postulat einer unbestimmten kinetischen Energie ................................................... 67 Wo Rezeption der Quantenphysik stattfinden kann .................................. 69 Welle-Teilchen-Dualismus, Komplementarität und Alchemie .................. 71 Exoterische Unschärfephysik und esoterische Quantenfeldbestellung ............................................................................... 78 Innerweltliche Kausalität Gottes bei Aristoteles, Thomas von Aquin und der Barockscholastik ................................................................ 78 Der personale Gott existiert – aber wird bedeutungsloser: das Beispiel der Barockscholastik ................................................................... 80 Der Raum und das Vakuum in Leibnizens Briefwechsel mit Clarke ........................................................................................................ 85 Neomythische Missverständnisse von Feldtheorien .................................. 87 Neomythische Bündelungen: Physik und Selbstorganisation .................... 92 Ein Vorbegriff von Selbstorganisation ...................................................... 92 Hermann Haken und die Synergetik: „ein einheitliches Weltbild, eine einheitliche Weltschau zu entwickeln“ .............................................. 95 Ilya Prigogine – „was wir ‚fühlbare Realität‘ des Universums nennen“ .................................................................................................... 100 Von der Quantenphysik zur Subquantenkommunikation: David Bohm ............................................................................................ 110 Physik und DiaMat: Biografie eines Unangepassten ............................... 110 Naturphilosophie und darüber hinaus ...................................................... 112

§ 29 Physik weist ins New Age ................................................................ 127 I. II. III. 1. a. b. 2. IV. 1.

New-Age-Physik im Kontext .................................................................. 127 Wie die Neomythen sich bemerkbar machten ......................................... 128 Zwei Repräsentanten des New Age-Denkstils ......................................... 141 Im Morgenrot des New Age: Sir George Trevelyan ................................ 141 Die Biografie eines nonkonformistischen Geistes ................................... 141 Ein Manifest über das kommende Wassermannzeitalter ......................... 145 Die Evangelistin des New Age: Marilyn Ferguson ................................. 150 Welterklärung light und Wissenschaft soft .............................................. 158 Fritjof Capra läutet die Wendezeit ein ..................................................... 158

INHALTSVERZEICHNIS

a. b. 2. 3. 4. a. b. V. 1. 2. 3. 4. a. b. 5.

9

Capra verortet sich kulturgeschichtlich ................................................... 158 Capras Philosophie der Quantenphysik ................................................... 167 Physik und Samadhi: Peter Russell ......................................................... 176 Gary Zukavs Wu Li-Physik ..................................................................... 181 Amit Goswami: „In der Nichtlokalität der Quantenwelt ist der transzendente Himmel“ ........................................................................... 185 Bewusstsein ist alles ................................................................................ 185 Never fear, the Quantum Doctor Is Here ................................................. 197 Quantentherapien: Die Ebene der Geschäftsleute und Klienten .............. 200 Neomythische Therapie geht vor Theorie: Wissenschaftlichkeitsansprüche der Szene .............................................. 200 Heilangebote im Internet ......................................................................... 201 „Die ultimative Erkenntnis ist, dass das Leben genau so, wie es ist, vollkommen ist“: Frank Kinslow ............................................................. 206 Richard Bartlett: Moderne Physik und Engel-Download ........................ 213 Eine Zauberer-Idealbiografie und sein Zauberbuch ................................. 213 Thetawissenschaft als „nützliche Mythologie“ ........................................ 218 Ein Zweifachnobelpreisträger und quantentherapeutische Göttermenschen-Geräte ........................................................................... 221

NEUNTER HAUPTTEIL SUCHE NACH GEBORGENHEIT IM KOSMOS – AUFBRÜCHE IN DEN WELTRAUM § 30 Der physikalische Kosmos und der neomythische Cosmologic turn ................................................................................. 225 I. 1. 2. II. 1. 2. 3. 4. a. b. 5. a. b.

Kosmologie im Kontext einer evolutionären Weltanschauung ............... 225 Nichts Neues unter der Sonne? ................................................................ 225 Immanuel Kant: Naturgeschichte und pragmatische Geschichtsschreibung .............................................................................. 226 Metaphysikträchtige Aspekte heutiger Kosmologie ................................ 228 Viele Fragen angesichts raumzeitlicher Losigkeit ................................... 228 Wo wäre da noch Raum für einen Schöpfer? Steven Hawking verabschiedet Philosophie, Deismus und Theismus ................................ 234 Endlich doch ein Zuhausestern: Die Herberge „Zum Anthropischen Prinzip“ ........................................................................... 246 Frank J. Tiplers neomythisches Universum ............................................. 251 „The Anthropic Cosmological Principle“ ................................................ 251 „The Physics of Immortality“: Neomythos im Superlativ ....................... 253 Panspermiehypothesen einst und heute ................................................... 263 Ouvertüre in der Antike. Basilides von Alexandrien ............................... 263 Svante Arrhenius und „Das Werden der Welten“ .................................... 264

10 c. d.

INHALTSVERZEICHNIS

Fred Hoyle, „bei dem die Erde die Rolle eines Empfängers spielt – wie zahllose andere im All“ ..................................................................... 266 Francis Cricks Postulat einer gelenkten Panspermie ............................... 272

§ 31 Raumfahrtwissenschaftler als Propheten – Auf dem Weg zum neuen Musterbeispiel der Systemesoterik ................ 279 I. II. 1. a. b. c. d. 2. a. b. c. 3. a. b. 4. a. b. c. 5. a. b. c.

Der Glaube an Engel und Außerirdische ................................................. 279 Raumfahrtpioniere und ihre Neomythen ................................................. 281 Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski: Vater der russischen Raumfahrtwissenschaft ............................................................................ 281 Ziolkowskis wissenschaftliche Leistungen .............................................. 281 „Bleiben uns nicht die Wissenschaft, die Materie, die Welten, die Menschheit, die uns umgeben wird, indem sie diesen grenzenlosen Raum einnimmt?!“: Der Roman „Außerhalb der Erde“ (1916) .............. 283 Kosmismus und Raumfahrtutopie ........................................................... 287 „Wissen, Möglichkeiten! ... Wo sind eure Grenzen?“: Ziolkowskis neomythische Philosophie ....................................................................... 290 Hermann Oberth – Vater der deutschen Raumfahrtwissenschaft ............ 297 „Es ist aber auf der Welt nichts unmöglich …“: Zur Biografie ............... 297 Philosophieren auf dem Weg zum Neomythischen ................................. 300 Oberths Kontakte zu den fernen Uraniden .............................................. 306 Max Valier: Zwischen Esoterik und Raketenantrieb ............................... 314 Lebenswege zum ersten Flug mit Raketenantrieb ................................... 314 Der Schritt in die Metaphysik als philosophisch-empirische Wissenschaft ............................................................................................ 316 Eugen Sänger: Mit Photonenraketen durch das Universum in die Transzendenz hinein ................................................................................ 322 Prolog „Auf zwei Planeten“ (Kurd Laßwitz) ........................................... 322 Sängers wissenschaftliche Biografie ....................................................... 323 Sängers Neomythen ................................................................................. 325 Ezechiel und die Raumfahrtwissenschaftler – präastronautische Interpretationen ....................................................................................... 334 Vorspiel in der Luftfahrt: Burrell Cannons Ezechiel Airship .................. 336 Irene Sänger-Bredts vorsichtige präastronautische Annäherung ............. 337 Josef Blumrich: „Zu meiner eigenen Arbeit möchte ich sagen, daß ich sie vom Standpunkt des Ingenieurs aus durchführte“ ........................ 339

§ 32 Das Thema der Vielheit der Welten – ein Blick in die abendländische Geistesgeschichte ............................................... 345 I. II. 1.

Am Vorabend der Astronautengötter ....................................................... 345 Die Pluralität der Welten im Kontext eines evolutiven Weltbildes ......... 356 Evolutiver Zeitgeist und extraterrestrisches Leben ................................. 356

INHALTSVERZEICHNIS

2. 3. III. 1. 2. 3.

11

Carl du Prel: Das „Einmünden der Bewusstseinsentwicklung einzelner Sterne in den Gesamtfluss kosmischer Entwicklung“ .............. 363 Camille Flammarion: „Unbekannte Pflanzen, wunderbare Wesen, Menschheiten …“ .................................................................................... 367 Die wissenschaftsfundierte Pluralität-der-Welten-Technologie: Carl Sagan und Frank Drake zwischen NASA, SETI-Institut und Hollywood ............................................................................................... 372 Radioastronomie: Außerirdische selbst zu Wort kommen lassen ............ 372 Frank Drake: „... das technisierteste, aber auch das menschlichste wissenschaftliche Thema“ ....................................................................... 374 Carl Sagan. Topstar in Wissenschaft und Showgeschäft ......................... 384

§ 33 Pluralität der Welten am Himmel: UFOglaube ........................ 397 I. II. III. IV. 1. 2. 3. 4. V. 1. 2.

Die faktische Situation ............................................................................. 397 Direkte Anwege zum UFO-Glauben: Atlantis, Lemuria und das „Shaver Mystery“ .................................................................................... 403 Orson Welles bringt „Radio Listeners in Panic“ ..................................... 412 Wegweiser im UFO-Kult ......................................................................... 416 Kenneth Arnold: Die Uroffenbarung des UFO-Glaubens ....................... 416 Donald E. Keyhoe: Die US-Regierung vertuscht UFO-Beweise .............. 419 George Adamskis Kontakte mit Aliens ................................................... 422 Kontaktlerschwemme – einige Beispiele ................................................. 430 Ein tödlicher UFO-Neomythos: Heavens Gate ....................................... 433 Die Gruppe, ihr Gründer Marshall Herff Applewhite und ihr Ende ........ 433 Eine ufognostische Botschaft der Gruppe ................................................ 439

ZEHNTER HAUPTTEIL PRÄASTRONAUTIK – DIE SYSTEMESOTERIK DES 21. JAHRHUNDERTS § 34 Präastronautik. Pseudologia Phantastica zwischen Parawissenschaft und totalitärer Weltpolitik ............................ 449 I. II. 1. 2. III. 1. 2. 3.

Metaphysische Absprungpunkte der Präastronautik ................................ 449 Evolutionstheorie und ihre Tendenz zu Ismen ......................................... 452 Ausgangspunkte und Voraussetzungen ................................................... 452 Richard Dawkins: Wegweiser im Kosmos der Replikatoren ................... 455 Unmittelbare Vorgänger von Dänikens ................................................... 462 Iosif Shklovsky: der Marsmond Phobos ist ein künstlicher Satellit ......... 463 Matest M. Agrest: Sodom und Gomorrha durch extraterrestrische Wesen zerstört ......................................................................................... 464 Le Poer Trench: Im HOUSE OF LORDS zwischen alter Systemesoterik und Präastronautik .......................................................... 466

12 4. IV. 1. 2. 3. 4. 5. a. b. 6. a. b. 7. 8. 9. V. VI. 1. 2. 3. 4.

INHALTSVERZEICHNIS

Von Dänikens direkter Vorfahr: Robert Charroux .................................. 469 Erich von Däniken: „Wahrheit und Lüge sind Kriterien, die man auf meine Aussage nicht anwenden kann“ .............................................. 473 Die grundlegende Hypothese ................................................................... 473 „Heute Nacht habe ich geespert“. Biografische Notizen zu Erich von Däniken ............................................................................................ 479 Aus Erscheinungen von Jenseitigen werden außerirdische Besucher .................................................................................................. 485 Neuscholastik, Unheimliche Begegnungen der dritten Art und Planeten der Lüge .................................................................................... 486 Hermeneutische Prämissen der Präastronautik ........................................ 489 Dänikens Euhemerismus ......................................................................... 489 ‚Wörtliche‘ Bibelauslegung und Realienargumente ................................ 491 Dänikens Beweise ................................................................................... 499 Alttestamentliche Heilsgeschichte nach Däniken: Der katholische Hintergrund ............................................................................................. 499 „Nehmen wir Moses wörtlich“: Dänikens alttestamentliche Exegesen .................................................................................................. 501 Erich von Däniken und der Kreationismus .............................................. 508 Metaphysische Grundlagen von Dänikens .............................................. 512 Präastronautik als Lösungsansatz für die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne und ihre Traditionskrise ................ 521 Transhumanismus/ Posthumanismus: Keine alternative Systemesoterik ......................................................................................... 526 Präastronautik in globaler Breitenwirksamkeit – vom cineastischen Abendland zu Indiens politischer Elite .................................................... 531 Der Subtext der Präastronautik ................................................................ 531 Das präastronautische Denkkollektiv: Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI ........................................................ 534 Präastronautik als ein wesentliches Leitmotiv im aktuellen Sciencefiction-Film ................................................................................. 539 Präastronautik und totalitärer Hindunationalismus – vom Abendland zu Indiens politischer Elite .................................................... 544

SCHLUSSWORT: BEGRIFFLICHER ZUSAMMENHANG DER DREI BÄNDE .................................................................................................... 559 I. II. III.

Ein Blick auf die Rezeption der ersten beiden Bände .............................. 559 Die Ausgangspunkte: Mythos, Religion und Kultur ............................... 561 Die Neomythen ........................................................................................ 567

INHALTSVERZEICHNIS

13

BIOGRAFISCHE INFORMATIONEN ZUM DRITTEN BAND .............................. 573 LITERATUR ........................................................................................................ 589 BIBLIOGRAFIE DER REZENSIONEN ZUR KRITIK DER NEOMYTHISCHEN VERNUNFT .............................................................. 633

Vorwort Das wissenschaftliche Lebensprojekt der Erforschung von Neomythen ist in diesem letzten Semester meiner Lehrtätigkeit vollendet. Darüber bin ich glücklich und dankbar. Viele haben mich unterstützt. An erster Stelle sei genannt Frau Edeltraud Kuhl, ohne die keiner der drei Bände zustande gekommen wäre. Meine studentischen Hilfskräfte Valerie Nicolay und Maren Schubert haben unzählige Bücher ausgeliehen, kopiert und eingescannt. Deborah Spratte hat mühevoll die Fußnoten Korrektur gelesen. Mein wissenschaftlicher Mitarbeiter Michael Novian hat genauso wie meine wissenschaftliche Mitarbeiterin Antonia Graichen viele Stunden an der Bearbeitung des Textes gesessen. Michael Novian, der im Anschluss an meine Untersuchungen zum Neomythos eine eigenständige Theorie des Retromythos aufgestellt hat, sollte einen vierten Band mit dem Titel Vom Neomythos zum Retromythos schreiben. Bei unseren monatlichen Treffen im Münsterland haben mir Landeskirchenrat Prof. Dr. Dieter Beese, Prof. Dr. Detlev Dormeyer, Prof. Dr. Folker Siegert und Prof. Dr. Rainer Stichel Gelegenheit gegeben, meine Thematik intensiv zu diskutieren. Im Dauergespräch zum Thema befand ich mich mit meinem Gießener Kollegen Prof. Dr. Franz Josef Bäumer, der mir wesentliche Anregungen zum Religionsbegriff gegeben hat. Last but not least danke ich meinem philosophischen Doktorvater Prof. Dr. Hermann Schrödter, der auch hin und wieder in mein Doktorandenkolloquium kam und so für ein außerordentlich fruchtbares Treffen der Generationen gesorgt hat. Seine Anmerkungen zu meiner Thematik sind für mich stets von besonderer Bedeutung gewesen. Motivation waren auch die vielen Rezensionen, auf die ich im Schlusswort eingehen werde. Linus Hauser, Weihnachten 2015

Einführung in den dritten Band: Begriffliche Grundlagen I.

Die romantische Hoffnung auf einen grundlegenden Paradigmenwechsel

Im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft wurde eine Bestimmung des Neomythos erarbeitet, die auch in diesem dritten Band weiter erprobt werden soll. Religionsförmige Neomythen sind ein kulturelles und individuelles Sich-Beziehen auf Endlichkeit ohne die Voraussetzung ihrer Radikalität und in der Erwartung der realen Aufhebung derselben durch das Handeln des Menschen oder anderer endlicher Mächte. Der dritte Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft beschäftigt sich mit den in den neomythischen Bereich weisenden Fiktionen der Science. Fiktionen der Science sind Längere neomythische Gedankenspiele in der Welt der Wissenschaft, über die Welt der Wissenschaft, aus der Welt der Wissenschaft und für die Welt der Wissenschaft. Diese Formulierung verweist darauf, dass sich Wissenschaftler, das interessierte Publikum und wirtschaftliche und politische Mächte in einer interdependenten Situation befinden. Das für uns interessante Produkt dieser wechselseitigen Beeinflussung sind wissenschaftliche Weltbilder und wissenschaftliche Weltanschauungen1. Die systemtheoretischen Kommunikationsmedien Macht, Geld und Ehre sind weitere Produkte dieses interdependenten Prozesses und spielen hier erst in einem zweiten Zugriff eine mögliche Rolle. Aus der wissenschaftlichen Theorie kann sich ein Weltbild entwickeln und aus diesem eine wissenschaftliche Weltanschauung und diese kann umgekehrt der Durchsetzung macht- und wirtschaftspolitischer Interessen dienen bzw. dazu direkt entwickelt worden sein. Ich will hier wissenschaftliche Weltbilder und wissenschaftliche Weltanschauungen nur unter einem spezifischen Gesichtspunkt, dem ihrer thematischen oder unthematischen Ausrichtung auf Neomythen, betrachten. Andere Erscheinungsformen derselben sind hier – um das Gebiet eindeutig einzugrenzen – nicht Untersuchungsgegenstand. Dabei lege ich in diesem dritten Band – im Gegensatz zu den ersten beiden Bänden – den Hauptakzent auf Physik und Space Science. Es hat sich im Verlaufe der zu diesem dritten Band führenden Untersuchung ergeben, dass die Vertreter neomythischer Positionen im Bereich einer – wie auch 1

Vgl. dazu ausführlich: Hauser, Bd. 2, 20-29.

18

EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

immer epigonalen – Philosophie der Quantenphysik, einer Philosophie der Evolution und der Selbstorganisation, einer Philosophie der Informations- oder der Gentechnologie oder die Protagonisten von raumfahrtwissenschaftlichen Visionen und diejenigen, die über physikalische Kosmologie philosophieren, nicht selten dieselben Personen sind. Deshalb werden die neomythischen Fiktionen der betreffenden Autoren manchmal erst schrittweise im Ausgang von der jeweils angesprochenen Wissenschaftsperspektive zum Sprechen gebracht werden. Um über die neomythischen Fiktionen der Science zu schreiben, bedarf es einiger, über die Ausarbeitungen in den ersten beiden Bänden hinausgehender begrifflicher Überlegungen. Es ist sinnvoll, diese im Ausgang von drei wissenschaftstheoretischen und -geschichtlichen Klassikern und ihrer Rezeption anzustellen. Ich beziehe mich hier auf Ludwik Fleck (1896-1961), Thomas Samuel Kuhn (19221996) und Stephen Edelston Toulmin (1922-2009).

1.

Erkenntnis im Denkkollektiv (Ludwik Fleck)

„Jedes Wissen hat“, so schreibt Ludwik Fleck, „einen eigenen Gedankenstil mit seiner spezifischen Tradition und Erziehung“1. Er zielt mit dem Begriff Denkkollektiv weniger auf das Verstehen innerhalb genau abgegrenzter wissenschaftlicher Gemeinschaften, sondern vielmehr auf Prozesse in Gemeinschaften, die auf einer wissenschaftlichen Grundlage fußen, ohne nur aus Wissenschaftlern zu bestehen. Fleck definiert als Denkkollektiv die „Gemeinschaft der Menschen, die im Gedankenaustausch oder in gedanklicher Wechselwirkung stehen, so besitzen wir in ihm (dem Denkkollektiv, L.H.) den Träger geschichtlicher Entwicklung eines Denkgebietes, eines bestimmten Wissensbestandes oder Kulturstandes, also eines besonderen Denkstils“2. Der Begriff des wissenschaftlichen Denkkollektivs ist, weil Fleck jede Art kulturgemeinschaftlich vermittelten Erkennens als Denkkollektiv bestimmt, eine Spezialform des allgemeinen Denkkollektivbegriffs, der auf die wissenschaftlich sich fundierenden Kollektive hin spezifiziert wurde. Denkstil ist für ihn ein „bestimmter Denkzwang und noch mehr: die Gesamtheit geistiger Bereitschaften, das Bereitsein für solches und nicht anderes Sehen und Handeln“3. Aus einem solchen Denkstil heraus entstünden und vergingen wissenschaftliche Tatsachen4.

1 2 3 4

Fleck, Krise, 426. Fleck, EET, 54f. Fleck, EET, 85. Vgl. Fleck, EET, 124 u.ö.

BEGRIFFLICHE GRUNDLAGEN

19

Fleck zählt sechs Bedingungen auf, unter deren Voraussetzung allein wissenschaftliche Erkenntnisse über Tatsachen erzielt werden könnten1: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

das sich zufällig bietende Material, die richtungsweisende psychologische Stimmung, die aus Fachgewohnheiten kollektivpsychologisch motivierten Assoziationen, die unreduzierbare und retrospektiv nicht klar zu fassende erste Beobachtung, Assoziation, Idee o.ä., das langsame Bewusstwerden, die Erfahrungssammlung, und das künstliche Ergebnis.

Das Denkkollektiv, das die denksozialen Voraussetzungen individuellen Forschens eröffne, sei in sich vielschichtig gegliedert. Fleck nennt zwei qualitativ unterscheidbare Arten von Denkkollektivteilnehmern2. Jedes Denkkollektiv besitze erstens einen esoterischen und zweitens einen exoterischen Kreis von Teilnehmern. Die Grundrelationen zwischen dem esoterischen und dem exoterischen Kreis seien, hinsichtlich der Beziehung der exoterischen Mitglieder zu den esoterischen, das Vertrauen zu den Eingeweihten3, auf der anderen Seite, als Beziehung der esoterischen Mitglieder zu den exoterischen, die Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung4 des Denkkollektivs. Differenziere man das Verhältnis des exoterischen zum esoterischen Kreis nicht qualitativ, sondern quantifizierend, so erhalte man den Übergang vom fachmännischen zum populären Wissen, d.h. den Übergang vom speziellen Fachmann, als Mittelpunkt des esoterischen Kreises der an einem Problem arbeitenden Wissenschaftler, hin zu den allgemeine(n) Fachmänner(n), und den gebildeten Dilettanten bis hin zum populären Verständnis5. Im Hinblick auf die Quantifizierung dieses Verhältnisses relativ auf die Forschungsergebnisse entsprächen diesen Spezialisierungsgrade der Zeitschriftenwissenschaft, der Handbuchwissenschaft und der Lehrbuchwissenschaft als den Repräsentanten fachmännischen Wissens bis hin zur populären Wissenschaft, die den größten Teil der Wissensgebiete eines jeden Menschen versorge. Die populäre Wissenschaft sei der speziell der Wissenschaft zugehörige „allgemeinwirkende() Faktor jedes Erkennens“6. Sie führe nicht in die Wissenschaft ein, sondern biete unter Wegfall von Details und Schulstreitigkeiten eine ästhetisch ansprechende Ausführung und apodiktische Wertung. Ihr Ziel ist es nicht, eine wissenschaftliche Lehrmeinung zu vertreten, sondern eine „Weltanschauung“ als ein „besonderes

1 2 3 4 5 6

Vgl. Fleck, EET, 117f. Vgl. Fleck, EET, 138. Vgl. Fleck, EET, 139. Vgl. Fleck, EET, 139. Vgl. Fleck, EET, 147f. Fleck, EET, 148.

20

EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

Gebilde gefühlsbetonter Auswahl populären Wissens verschiedener Gebiete entstammend“1. Die wissenschaftliche Weltanschauung bilde wiederum die öffentliche Meinung und wirke in dieser „Gestalt auf den Fachmann zurück“2. Sei etwa eine Metapher der Weg gewesen, um dem fachmännischen Wissen einen Weg zur populären Wissenschaft zu bahnen, so könne es dann auch umgekehrt passieren, dass eine Transformation und gefühlsmäßige Umwertung dieser Metapher wiederum zu einer neuen Sicht des fachmännischen Wissens führe. So sei auch das populäre Wissen für den Vollzug der Wissenschaft erkenntnistheoretisch bedeutsam. Halten wir für unseren Kontext fest: Wissenschaft geschieht in einem kollektiven Rahmen, der nicht nur finanziell und prinzipiell ‚die‘ Wissenschaft unterstützt. Wissenschaft ist vielmehr angewiesen auf den Halt innerhalb eines Denkkollektivs, in dem sich eine richtungsweisende Stimmung ergibt, aus der heraus aus Fachgewohnheiten kollektivpsychologisch motivierte Assoziationen entstehen können. Diese wiederum stützen die Theoriebildung und führen zu Ergebnissen, die als wissenschaftliche Tatsachen präsentiert werden. Es gibt weiterhin eine Interdependenz zwischen den esoterischen und den exoterischen Denkkollektivteilnehmern. Diese Denkkollektivteilnehmer differenzieren sich in die speziellen Fachleute, die allgemeinen Fachleute und die gebildeten Dilettanten. Dieser Differenzierung entsprechen die Spezialisierungsgrade der Zeitschriftenwissenschaft, der Handbuchwissenschaft, der Lehrbuchwissenschaft und der populären Wissenschaft, wobei Letztere ihren Beitrag zur Begründung einer Weltanschauung leistet. Dabei kann es vorkommen, dass nicht nur gebildete Laien in der Fachliteratur ihre weltanschaulichen Interessen befriedigt finden, sondern dass sich hochrangige Wissenschaftler im populären und oft mehr als mittelmäßigen metaphysischen Standpunkt etwa eines New Age-Protagonisten philosophisch adäquat verstanden fühlen. Diese Weltanschauung wirkt dann zurück bis hin zu den speziellen Fachleuten. Eine wichtige Rolle spielen in diesem interdependenten Prozess Metaphern, die aus der Popularisierung fachwissenschaftlicher Erkenntnisse entstehen, im breiten weltanschaulichen Bereich entfaltet werden und in dieser Form wieder im fachwissenschaftlichen Bereich virulent werden. Hier sollen neomythische wissenschaftliche Weltanschauungen in ihrer Genese und Entfaltung in den Blick genommen werden.

1 2

Fleck, EET, 149f. Fleck, EET, 150.

BEGRIFFLICHE GRUNDLAGEN

2.

21

Konversionen und neue Paradigmen (Thomas S. Kuhn)

Paradigmen konstituieren nach Kuhn durch „symbolische Verallgemeinerungen, Modelle und Musterbeispiele“1 eine wissenschaftliche Gemeinschaft. Sie seien nicht vorkonstruierbar, sondern würden im wissenschaftlichen Alltag im Vollzug verstanden und anerkannt. Es gebe drei Grundarten von dergestalt differenzierten Paradigmen. Symbolische Verallgemeinerungen seien die formalisierbaren Bestandteile einer wissenschaftlichen Auffassung, Modelle seien „Standardbeispiele einer Gemeinschaft“2, die immer wieder als exemplarisch angeführt würden und Musterbeispiele seien die grundlegenden Metaphern, Analogien und ontologischen Bestimmungen, durch die eine Theorie anschaulich werden könne. Auf dem Hintergrund eines Paradigmas konstituiere sich normale Wissenschaft. Sie betreibe keine Grundlagenforschung mehr. Nachdem ein Paradigma eingesetzt sei, orientiere sie sich am Detail, um den Anwendungsbereich desselben zu erkunden. Normale Wissenschaft sei eine Harmonisierungsbemühung hinsichtlich des Verhältnisses von Theorie und Fakten, die sie in „Schublade(n)“3 einordne. Kuhn spricht provozierend vom „puzzle-solving“, dem „Rätsellösen“4 und vergleicht ihre Tätigkeit weiter mit einem „Geduldsspiel“5 bzw. einem „Kreuzworträtsel“6. Normale Forschung sei nicht bestrebt, Neuheiten hervorzubringen, sondern interessiere sich für die spezifische Art des Weges, wie erwartetes Verhalten des Untersuchungsgegenstandes erreicht werden könne. Die theoretische Frage nach den verwandten Regeln und ihrer Triftigkeit werde der normalwissenschaftlichen Forschung erst dann wichtig, wenn die Gestaltungskraft eines Paradigmas schwinde. Die Normalwissenschaft strebe nicht nach tatsächlichen und theoretischen Neuheiten und finde auch keine, wenn sie funktioniere, sondern sie bewege sich im Bereich kniffligen Rätsellösens.

Normale Wissenschaft unterscheide sich grundlegend von der außerordentlichen Wissenschaft7, die dann beginne, wenn nicht zu leugnende Widerstände im Faktenmaterial aufträten. Neue Entdeckungen begännen damit, dass wenn eine Anomalie bewusst werde, der anomale Bereich explizit befragt und dann die Forschung den untersuchten Gegenstand vom anomalen Fall zum erwarteten Ergebnis führen würde. In einer solchen Phase verstärkter fachwissenschaftlicher Unsicherheit funktioniere dann plötzlich das Rätsellösen nicht mehr. Es zeichne sich eine

1 2 3 4 5 6 7

Kuhn, Paradigma, 393. Kuhn, Paradigma, 401. Kuhn, SWR, 45. Kuhn, SWR, 59. Kuhn, SWR, 60. Kuhn, SWR, 60. Vgl. Kuhn, SWR, 117.

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

mögliche wissenschaftliche Revolution ab. Man suche nach neuen Regeln, Theorieversionen wucherten, und endlich entstehe eine neue breit akzeptierte Theorie als gültige Antwort auf die Krise. Wie gestalteten sich die Reaktionen der Wissenschaftler auf eine Krise im Einzelnen? Anomalien würden, so Kuhn, zunächst einmal nicht als Gegenbeispiele zum Paradigma behandelt, wenn nicht ein anderer Paradigmaanwärter bereitstehe. Würde man ein Paradigma ablehnen, ohne dass eine Alternative vorhanden wäre, würde man die Wissenschaft im Ganzen ablehnen müssen. So wucherten Paradigmaversionen, doch die meisten Wissenschaftler warteten, bis zukünftige Praxis des Rätsellösens die Probleme erledigt habe. Wenn eine Anomalie eine neue echte Krise und die Heraufkunft eines neuen Paradigmas kausieren solle, müsse sie mehr sein als nur eine singuläre Anomalie. Sie müsse deutlich das Paradigma in Frage stellen, besonders wichtige Anwendungen der Theorie verhindern und langsam im Bewusstsein der Wissenschaftler bedrückend werden1. In dieser Situation könne eine Anomalie vom bloß besonders schwierigen Rätsel zur Hauptaufgabe einer Disziplin werden. Schmiegten sich noch die ersten Lösungsvorschläge eng an das geltende Paradigma an, so erforderten spätere neue Versuche mehr oder weniger entscheidende Paradigmenpräzisierungen bis hin zu kaum mehr rechtfertigbaren „ad hocAnpassungen“2 des alten Paradigmas an die neue Situation, so dass endlich ein neuer Paradigmaanwärter auftauche. „In einem gewissen Sinn … können sie sogar die Welt umwandeln“3. Die Paradigmaneubegründung erfordere nicht mehr normalwissenschaftliche Arbeit, sondern außerordentliche Forschung, die aber nur geleistet werde, um endlich wieder zu neuem Rätsellösen gelangen zu können. Entstehe ein neues Paradigma (meistens durch Aussterben der konservativen älteren Vertreter des alten Paradigmas4), so hätten wir es mit einer „wissenschaftlichen Revolution“ zu tun5. Diese sei eine Umwälzung wissenschaftlicher Theoriebildung, die nur als grundlegender „Gestaltwandel“6 verstanden werden könne – denn der „Wettstreit zwischen Paradigmen kann nicht durch Beweise entschieden werden“7. Zwar würden wissenschaftliche Revolutionen retrospektiv meist nicht als solche, sondern als Erweiterungen wissenschaftlicher Erkenntnis angesehen und 1 2 3 4

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Vgl. Kuhn, SWR, 116f. Kuhn, SWR, 117. Kuhn, SWR, 146. Kuhn zitiert hier (SWR, 200) Planck, 1928, 22: „Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, daß ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, daß die Gegner allmählich aussterben und daß die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist“. Vgl. Kuhn, SWR, Kap. 9 und 10. Kuhn, SWR, 165. Kuhn, SWR, 196.

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Wissenschaftsgeschichte nach gelungener Revolution kumulativ gedeutet, doch sei dies nur der Versuch der Vertreter des geltenden Paradigmas die gesamte Wissenschaftsgeschichte auf sich zu beziehen. Der Übergang von einem zum anderen Paradigma findet nach Kuhn gerade nicht kumulativ und als Moment eines teleologisch deutbaren Prozesses statt, sondern so, dass Wissenschaftler plötzlich unterschiedliche Dinge in unterschiedlichen Welten ‚sehen‘. Paradigmen sind nach Kuhn einander inkommensurabel. Die Orientierung an einem neuen Paradigma beruhe auf einer nicht wissenschaftlichargumentativ erzwingbaren Konversion1 und setze sich eben meist erst durch das Aussterben der Gegner allgemein durch. Entscheidend sei letztlich der Glaube an die rätsellösende Kraft des neuen Paradigmas2. Damit schließt sich für Kuhn der Kreis. Ein neues Paradigma sei aufgetaucht und ermögliche neue rätsellösende Normalwissenschaft. Dies werde solange gut gehen, bis wiederum spezifisch paradigmasprengende Anomalien aufträten, die auf die Heraufkunft eines neuen Paradigmas hinwiesen. Kuhns Modell ist umstritten3. Es hat allerdings zweifellos eine analytische Kraft und wird unter diesem Gesichtspunkt von mir nutzbar gemacht werden. Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum Kuhns Paradigmentheorie hier angeführt wird. Neben dem in Politiker- und Esoterikerkreisen beliebten ‚dummdeutschen‘4 Ausdruck Quantensprung für einen vermeintlichen Meilenstein im Erkennen und Handeln ist auch der Terminus Paradigma und besonders die Verbindung Paradigmenwechsel beliebt. Die von Kuhn verwandte Metapher der Konversion kann in Verbindung mit seiner Konzeption eines ein neues Sehen ermöglichenden Gestaltwandels schon bei ihm selbst nicht grundlos irritieren: „Bevor der Wissenschaftler auf das neue Paradigma umschaltete, lief sein Denken in völlig anderen Bahnen … Sein Umschalten (switch) auf das neue Paradigma und sein Auffinden des neuen Paradigmas müssen also sozusagen identisch sein“5. Insofern haben sich auf Kuhn berufende Vertreter neomythischen Denkens nicht ganz Unrecht, wenn sie vermeintlich umwälzende Erkenntnisse einer Wissenschaft gern und oft mit dem Wort Paradigmenwechsel belegen und diesen dann in einem zweiten Schritt noch dazu metaphysisch aufladen.

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Vgl. Kuhn, SWR, 200. Ähnlich argumentiert (gleichsam vom ,gesunden Menschenverstand‘ her) Meynell, 1975, 85: „Even if one admits that there is a sense in which advocates of rival paradigms live within different ,worlds‘, there is a sense in which these ,worlds‘ do have points of contact“. Solider Ausgangspunkt für die Diskussion ist immer noch Masterman, 1974. Vgl. dazu Henscheid/ Lierow/ Maletzke/ Poth, 1985 und Lierow/ Maletzke/ Poth, 1986. Watkins, 1974, 35.

24 3.

EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

Weltanschaulich geprägte kollektive Erkenntnis (Stephen Toulmin)

„Durch welche historisch-gesellschaftlichen Vorgänge und gedanklichen Verfahren wandeln sich Begriffspopulationen und Theorien – die Methoden und Werkzeuge der kollektiven Erkenntnis – und entwickeln sich bei ihrer Weitergabe von einer Generation zur nächsten?“1 ist die Leitfrage von Stephen Toulmin in seinem Buch über die Kritik der kollektiven Vernunft (1972). Kollektive Erkenntnis habe sowohl eine „persönliche“ als auch eine „gemeinschaftliche Seite der Begriffsverwendungen“2 und spiegele „Lebens- und Denkformen, Erkenntnis- und Ausdrucksformen wider“, die als Ergebnisse der „Kulturgeschichte und -vorgeschichte“3 zu bewerten seien. Um Toulmins Gedankenverlauf für unsere begriffliche Selbstvergewisserung näher zu erläutern, fragen wir, wie abgegrenzte intellektuelle Disziplinen4 entstehen. Wodurch konstituiert sich ein geistiges Unternehmen als eine eigene Disziplin? Diese Frage impliziert zugleich eine andere: Es gibt nicht eine nur momentane Astronomie, denn die Astronomie hat eine lange Tradition und hat Ursprünge beispielsweise bei babylonischen Priestern, die die Gestirnsgeister beobachten wollten, es gibt nicht nur heutige Theologie, denn heutige Theologie fußt auf der Schrift, den Vätern, den Scholastikern etc. Was macht die späteren Phasen zu legitimen Erben der früheren Phasen einer Wissenschaft? Toulmin sagt, und hier unterscheidet er sich von Kuhns Inkommensurabilitätsthese, dass es eine in ihrer Bedeutsamkeit für den Wissenschaftsvollzug nicht zu unterschätzende Genealogie der wissenschaftlichen Probleme5 gebe, die allen anderen Kontinuität stiftenden Faktoren zugrundeliege. Die Legitimität späterer Modelle und Begriffe bestehe darin, dass diese die Probleme lösten, vor denen die älteren versagt hätten. Das Bewusstsein des Versagens eines ‚älteren‘ wissenschaftlichen Begriffs setze aber wiederum eine gewandelte Problemsituation, die Geschichtlichkeit von Problemen selbst, voraus. Diese einer Wissenschaft sich bietenden Probleme ergäben sich aber nicht aus der sich entfaltenden logischen Explikation einer Wissenschaft, sondern aus historischer Konstellation. Wissenschaftler stützten sich in ihrer Erklärungspraxis meistens weniger auf strenge Deduktionen und formal exakte Darstellungen, sondern eher auf ästhetische Realisationen von Argumenten (Schaubilder, Datenverarbeitungsprogramme, Metaphern etc.). Gerade diese Art von Erklärung ermögliche erst die Weitergabe der Ideen einer Disziplin, die „Enkulturation“6 einer neuen Wissenschaftlergenera-

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Toulmin, ME, 42. Toulmin, ME, 51f. Toulmin, ME, 53. Toulmin, ME, 174. Vgl. Toulmin, ME, 179. Vgl. Toulmin, ME, 190.

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tion, durch die sie erst eine weitergebbare Gemeinschaftsseite erhalte. Die Menge der Ideengehalte, die zur Gemeinschaftsseite einer Disziplin, nicht zu den persönlichen Metaphern und Spezialauslegungen eines einzelnen Forschers gehöre, sei der Weitergabegehalt1 einer Theorie. Der Begriff des Weitergabegehaltes disjungiere sich in die Arten der (1) „gegenwärtigen Erklärungsziele der Wissenschaft“, des (2) „gegenwärtige(n) Vorrat(s) an Begriffen und Erklärungsverfahren“ und der (3) „summierten Erfahrung der Wissenschaftler, die in dieser Disziplin arbeiten“2.

Im Begriff des Weitergabegehaltes liegt schon der Bezug auf die Geschichtlichkeit der Weitergabe. Wie modifiziert sich der Weitergabegehalt in einem kollektiven geistigen Unternehmen? Wie werden Ideenvarianten3 akzeptiert? Zwar könne die „Initiative des Einzelnen … zur Entdeckung neuer Wahrheiten führen, doch die Entwicklung neuer Ideen ist eine Gemeinschaftssache“4. Ein neuer Gedanke müsse als kollektiv bemerkenswert5 akzeptiert werden. Notwendig sei, dass ein Theorievorschlag zur Lösung aktuell empfundener Theorieprobleme dienen müsse, wenn er realisiert werden solle. Die gewohnten Argumentationsweisen könnten zu spezifisch sein, um neue Situationen zu erfassen. So entstehe der Übergang von der „,gesetzesbezogenen‘ zur ,gewohnheitsrechtlichen‘ Argumentation“6. Die Wissenschaft beginne sich dann selbst in Bezug auf ihren historischen Ort zu befragen. Das Selbstbild von Wissenschaftlichkeit müsse plötzlich mit Bezug auf die Vergangenheit reflektiert und entworfen werden, um den eigenen Ort und damit die Präsentation einer Ideenvariante als Kontinuität wahrende zu markieren. Ineins mit dem Blick zurück auf die Vergangenheit werde dabei auch mit dem Blick auf die Zukunft von dieser Vergangenheit her argumentiert. Es werde die Frage gestellt, ob die nicht logisch, sondern realistisch absehbaren Konsequenzen des vorgeschlagenen Weges Problemlösungen gewährleisteten, die zugleich die fachwissenschaftliche Identität, ihren Weitergabegehalt, nicht zerstörten. Wissenschaftler lebten in ihren Antworten auf derartige Probleme weiterhin auch ihre Grundhaltungen und Weltanschauungen in ihrer Disziplin aus und störten wie beförderten dadurch den Gedankenaustausch7. Die lehrbuchmäßige Verfahrensweise in der Vorstellung von Wissenschaft referiere Wege und Ergebnisse in objektivistischen Wendungen, etwa ,es war bekannt …‘, ,man wusste

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Toulmin, SWR, 189. Toulmin, SWR, 209. Vgl. Toulmin, SWR, 242. Toulmin, SWR, 243. Vgl. Toulmin, SWR, 243. Toulmin, SWR, 279. Vgl. Toulmin, ME, 13.

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

…‘, ,es wurde gezeigt …‘ etc. Wissenschaftliche Probleme und Errungenschaften würden so entpersönlicht und damit zugleich auch ungeschichtlich dargestellt, um die Objektivitätsbezogenheit der Disziplin zu pointieren. Individualität trete dann höchstens in Störfaktorfunktion oder als singuläre Heldentat auf.

Eine wissenschaftliche Profession ist nach Toulmin als ein geschichtliches Gebilde zu betrachten, dessen institutionelle Entwicklung interdependent zu der von ihr realisierten wissenschaftlichen Disziplin verläuft. Die gleichen kollektiven Interessen verliehen diesen beiden Seiten eines Vernunftunternehmens Kontinuität und Gestalt. Im Kontrast zur lehrbuchmäßigen, unpersönlichen Exposition von wissenschaftlichen Ergebnissen erlangten neue Ideen wie wissenschaftliche Institutionen und Publikationen ihren Stellenwert durch einzelne einflussreiche Menschen, geschichtliche Aufgaben, politische Entscheidungen u.v.m. Der Wissenschaftler arbeite nicht dergestalt rational, dass er seine Theorie stringent formal entwickele. Statt Schritt für Schritt logisch zu rekonstruieren und zu konstruieren, versuche er vielmehr schöpferisch aus akuter Problemlage heraus neue Argumente und Problembewältigungsmöglichkeiten zu erkunden, die Weltgestaltung ermöglichten. Die Gestalt eines kollektiven Vernunftunternehmens, die anhand Toulmins herausgearbeitet wurde, kann sich auch zur Betrachtung anderer kollektiver Unternehmungen als nur abgegrenzt wissenschaftlicher Disziplinen eignen. Vorausgesetzt ist nur, dass das kollektive Unternehmen auf der Basis eines gemeinsamen unbestrittenen Zieles oder Ideals beruht, das vernunftgemäß realisiert werden soll. In diesem dritten Band untersuchen wir kollektive Vernunftunternehmen, die auf einer expliziten oder suchenden Neomythologie beruhen und sich auf den Weitergabegehalt einer grandiosen Welterklärung bzw. Selbstgestaltung beziehen.

4.

Neomythische Kolportage als erhoffter Paradigmenwechsel

Im Verlaufe der Untersuchung werden wir sehen, dass manche wissenschaftlichen Denkkollektive ihre Virulenz und innere Dynamik durch zwei einander ergänzende Motive bekommen, die ihre innere Einbettung in einer kollektiven psychologischen Situation haben. Im Hinblick auf die exoterischen Mitglieder eines wissenschaftlichen Denkkollektivs ist es dort die Erwartung eines grundlegenden Paradigmenwechsels, der mit der Verbindlichkeit der empirischen Wissenschaft zugleich Grundfragen des Lebens beantwortet und lösbar macht. Einige dieser exoterischen Erwartungen beziehen sich auf neomythische Interessenlagen und nur diese werden hier untersucht. Die esoterischen Mitglieder dieses Kollektivs sind wiederum manchmal interessiert an einem metaphysischen Paradigma, welches innerwissenschaftlich die

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wissenschaftlichen Maßstäbe geradezu sprengt. Die Romantik1 hat von einem Genie geträumt, welches das Chaos der Sinnsplitter der Moderne zu einem umfassenden und Halt gebenden Kunstgebilde zusammenfügt. Im zweiten Band habe ich zur näheren Erläuterung dieser kosmischen neomythischen Bedürfnislage den Begriff der Kolportage eingeführt. Eine Kolportage ist ein Längeres Gedankenspiel, das aus unterschiedlichen Werken oder Wirklichkeitsbereichen einen bisher ungewohnten und fremdartigen Aspekt (Kolportagetopos) herausarbeitet, durch den das Verstehen neue und oft faszinierende Maßstäbe angeboten bekommt, die zu einer Entscheidung über deren Triftigkeit herausfordern. Eine wissenschaftsförmige2 Kolportage verabsolutiert unter dem Schein erfahrungswissenschaftlicher Grundlegung Maßstäbe einer speziellen Disziplin und/oder auch mehrerer aktueller Leitwissenschaften, findet in diesen ihren Kolportagetopos und deutet aus diesem die Teilbereiche des Lebens oder auch der Wirklichkeit im Ganzen. Eine wissenschaftsförmige neomythische Kolportage verknüpft ihre Deutungen mit der Idee einer Aufhebung der menschlichen Endlichkeit auf der Basis höherentwickelter Wissenschaften. Eine solche Art der Kolportage will ich im Ausgang der scientologischen Theorie des Urstoffs Theta terminologisch auch als Thetawissenschaft fassen. In der Sehnsucht nach dem grandiosen Verstehen der Welt in der Kolportage eines übergreifenden metaphysischen Paradigmas finden wir dieses romantische Interesse wieder. Es taucht die Vision eines wissenschaftsfundierten, d.h. ‚emphatisch objektiven‘, ‚empirischen‘ Blicks auf den kosmischen/ontologischen Zusammenhang der Dinge3 auf. Der als transzendentale Idee notwendige Bezug auf die Einheit von ‚Welt‘ macht so aus diesem Grenzbegriff von ‚Welt im Ganzen‘ etwas prinzipiell empirisch Zuhandenes (Heidegger), Beherrschbares. Es gibt viele wissenschaftsförmige Kolportagen, die nicht neomythisch sind. Sie interessieren in diesem Zusammenhang nicht. Hier sollen ausschließlich die neomythischen wissenschaftsförmigen Kolportagen als Anwege zu und Entwürfe von Thetawissenschaft Thema sein und ich beziehe die folgenden begrifflichen Reflexionen nur noch auf diese. Mit dem Paradigmenbegriff bietet sich einem grandiosen romantischen Verstehen des Zusammenhangs der Dinge ein Ansatzpunkt wissenschaftliche, wissenschaftsförmige und neomythische Interessenlagen miteinander zu verknüpfen. Die

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Vgl. dazu Hauser, Bd. 1/146-181 und Schweizer, 2008. Dieser schöne Terminus stammt von Matthias Werner. Vgl. dazu Gebhard, 1984.

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

vergangenen wissenschaftlichen Vorstellungen werden als im Erlöschen befindliche Formen alter normaler Wissenschaft verstanden, die nun in einer wissenschaftlichen Revolution abgelöst würden. Die eigenen Forschungen werden als Phase der außerordentlichen Wissenschaft und die eigene Person nicht selten als wegweisende Persönlichkeit, die das neue und eventuell endgültige Paradigma hervorbringe, gedeutet. Wenn weiterhin ästhetisch bestimmte Realisationen von Argumenten im Kontext der Weltanschauung eines Wissenschaftlers wesentlich für die kollektive Erkenntnis sein können, kann der Stellenwert neomythischer Interessenlagen in manchen wissenschaftsförmigen Diskussionen verständlich werden. Unter diesen Voraussetzungen kann die Genealogie wissenschaftlicher Problemstellungen sich nicht nur auf im engeren Sinne interdisziplinäre Maßstäbe beziehen, sondern auch auf einen Weitergabegehalt Bezug nehmen, der sich aus metaphysischer Interessenlage heraus traditionell in der Geschichte einer Disziplin an diese anhängt. Toulmin bezieht sich hier auch auf die Vorgeschichte der Wissenschaft. So gehört etwa ein theologisches1 beziehungsweise astrologisches Interesse von Beginn an zur Astronomie und verlässt deren Randzonen nicht oder es verbinden sich weiterwirkende antike pagane oder christliche Theologie und Metaphysik mit der physikalischen Kosmologie. Ich will, gleichsam als Ouvertüre, diese Zusammenhänge der letzten Abschnitte an einem Bespiel erläutern.

II.

Eine exemplarische Verschränkung von weltanschaulichen und wissenschaftlichen Fragen: Der Raumfahrtwissenschaftler Harry O. Ruppe

Die Präastronautik geht im Gefolge Erich von Dänikens (*1935) von der Voraussetzung aus, dass die Menschheit genetisches Produkt einer außerirdischen Rasse sei und dass unsere Kultur wesentlich durch deren genetisches Programm und deren Hilfe geprägt sei. Ihr Kolportagetopos ist das Eingreifen einer außerirdischen Intelligenz als Kulturstifter in die Menschheitsentwicklung, die die unterschiedlichsten ontogenetischen, paläontologischen, historischen und archäologischen Fragen beantwortbar mache (Pyramidengeheimnis, Evolution des Menschen und missing link, Rätsel der Naczkaebene etc.). Ausführlich hat im November 1983 Harry Oskar Ruppe (*1929) diese damals so genannte AAS-Hypothese (ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY-Hypothese) zum Thema gemacht. Stellen wir ihn zunächst vor.

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Theologisch bzw. Theologie wird hier nicht nur im Hinblick auf monotheistische Religionen verstanden.

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Ruppe promoviert über die Kosten bemannter Marsflüge, arbeitet später am MARSHALL SPACE FLIGHT CENTER in Huntsville für die NASA, wird dort Direktor des FUTURE PROJECTS OFFICE, verfasst das zweibändige Lehrbuch der Raumfahrttechnik Introduction to Astronautics (1966f), untersucht Fragen der bemannten und unbemannten Erforschung des Sonnensystems, wirkt an Vorhaben zur Erforschung des Mondes und der Planeten Mars und Pluto mit und wird später Professor für Raumfahrttechnik der TECHNISCHEN UNIVERSITÄT MÜNCHEN. Die Darstellung Ruppes – der sich selbst als „Freund“1 Erich von Dänikens bezeichnet – gilt in Präastronautik-Kreisen als eine wesentliche wissenschaftstheoretische Grundlage ihrer Variante von alternativer/Kultarchäologie. In seiner Rede über Philosophische Gedanken zur AAS-Hypothese, die in der Mitgliederzeitschrift ANCIENT SKIES abgedruckt ist, formuliert er die AASHypothese zunächst so: „Im Laufe der Erdentwicklung wurde unser Heimatplanet zumindest einmal von zumindest einer extraterrestrischen Zivilisation zur richtigen Zeit besucht; dabei wurde die Entwicklung zum Menschen hin wesentlich beeinflußt“2. Im Rahmen seiner Interpretation des Kritischen Rationalismus Sir Karl Raimund Poppers (1902-1994) versucht Ruppe den wissenschaftlichen Charakter der AAS-Hypothese vom Falsifikationismus her wissenschaftlich aufzuwerten. Karl Popper wendet sich in der Logik der Forschung gegen den Versuch, wissenschaftliche Theoriebildung über „Wahrnehmungsprotokolle“3 zu gestalten. Er bringt durch die „Logik der Forschung“ gegenüber der „Logik der Sätze“ das von der „Philosophie kanonisierte Idealbild einer Einheitswissenschaft auf den Boden problemorientierter, tätiger und intersubjektiv organisierter Sachforschung zurück“4. Den Protokollsätzen des Wiener Kreises stellt er sein konventionalistisches Basissatzkonzept gegenüber, um die Bedingungen anzugeben, unter denen ein theoretisches System als falsifizierbar anzusehen ist. In einer ersten Umschreibung bestimmt er den ,Basissatz‘ folgendermaßen: „... in realistischer Ausdrucksweise kann man sagen, daß ein besonderer Satz (Basissatz) ein (singuläres) Ereignis darstellt oder beschreibt. Anstatt von den durch Theorie verbotenen Basissätzen zu sprechen, können wir dann auch sagen, daß die Theorie gewisse Ereignisse verbietet, d.h. durch das Eintreffen solcher Ereignisse falsifiziert wird“5. Popper will den Begriff der „objektiven Wissenschaft“ scharf von „unserem Wissen“ unterscheiden. So bestimmt er die Basissätze näher als ihrer „Form“ nach „singuläre Esgibt-Sätze“ (Beispiel: ,an der Raum-Zeit-Stelle k gibt es l‘). Diese singulären Es-gibt-Sätze lassen sich niemals aus einem allgemeinen Satz ohne Angabe spezieller Rahmenbedingungen deduzieren und sie lassen es zugleich zu, dass ein allgemeiner Satz mit ihnen in Diversität zu stehen vermag und der Basissatz diesen allgemeinen Satz entsprechend falsi1 2

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Ruppe, 1996, 8. Ancient Skies, Nr. 6/1983. Wiederabdruck der wesentlichen Auszüge in: Fiebag, 1985, 392394. Popper, 1973, 63. Bubner, 1977, 78-95, hier: 85. Popper, 1973, 55.

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

fizieren kann. Diese strenge Falsifikationsmöglichkeit macht Poppers Wissenschaftstheorie für Ruppe interessant.

Wenn (so Ruppes Popper-Interpretation) eine Hypothese wissenschaftlich genannt werden wolle, so müsse sie möglich und widerlegbar sein. Von diesem Grundmerkmal einer wissenschaftlichen Hypothese her werde die Präastronautik dann erst in dem Moment als unwissenschaftliche Weltanschauung wissenschaftlich unhaltbar, wenn der strenge Beweis erbracht werde, dass die Erde noch niemals von einer extraterrestrischen Zivilisation besucht worden sei. Somit sei es die Zielsetzung der Präastronautik, zu beweisen, dass die Versuche, das Nicht-Stattgefundenhaben eines extraterrestrischen Besuches auf der Erde zu beweisen, zum Scheitern verurteilt seien. Deshalb müsse sich die Präastronautik auf die Suche nach Indizien begeben, die – etwa archäologisch – nachweisen könnten, dass die Erde einen solchen Besuch hatte. Die grundlegende Voraussetzung für den Sinn bzw. die – wie Ruppe formulieren würde – Möglichkeit dieser Hypothese bestehe darin, dass drei Faktoren als prinzipiell möglich angesehen werden. Zunächst einmal werde erstens vorausgesetzt, dass die Möglichkeit bestehe, dass eine zureichend entfaltete extraterrestrische Zivilisation zeitgleich mit der Vorgeschichte der Erde existiere. Diese Möglichkeit könne niemand bestreiten. Ruppe geht zweitens von der Voraussetzung aus, dass interstellare Raumfahrt möglich sei. Und er geht dabei drittens als Raumfahrtexperte noch weiter, wenn er behauptet: „Die Entwicklung raumfahrttechnischer Gedanken während der letzten zwei Jahrzehnte läßt diese Aussage als wahrscheinlich erscheinen“1. Wenn also eine solche Zivilisation existiere und weiterhin interstellare Raumfahrt nicht nur möglich sei, sondern auch verwirklicht werde, dann könne eine extraterrestrische Zivilisation „entsprechend der Hypothese der Prä-Astronautik handeln“2. Ruppe schreibt abschließend im Hinblick auf seine Popper-Interpretation: „Die Hypothese der Prä-Astronautik ist … in der genannte Formulierung grundsätzlich nicht widerlegbar, weil keine ihrer drei Voraussetzungen als falsch beweisbar ist (das wird durch die Größe des Kosmos praktisch garantiert)“3. Diese Argumentation enthält eine Immunisierungsstrategie (Popper) und lässt an das Beispiel vom unsichtbaren Gärtner denken: Anthony Flew (1919-2010) hat zur Charakterisierung einer anthropomorphen und zugleich sich immunisierenden Rede von Gott das Bild

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Fiebag, 1985, 393. Fiebag, 1985, 393. Fiebag, 1985, 393.

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vom unsichtbaren, unspürbaren und schier unfehlbaren Gärtner gefunden, den ein Urwaldreisender einem Kollegen als Grund für einen gepflegten Dschungelgarten anführt1.

Damit wird aber jede wissenschaftliche Falsifikationsmöglichkeit verunmöglicht. Dieses Argument Ruppes krankt daran, dass eine reine Denkmöglichkeit mit einer wissenschaftlichen Hypothese verwechselt wird. Prinzipiell kann man niemals nachweisen, dass nicht irgendwann einmal irgendein Extraterrestrier die Erde betreten hat. Damit wird aber die präastronautische Hypothese zu einer nicht falsifizierbaren Behauptung und letztlich zu einer Glaubensanschauung und fällt gerade aus dem wissenschaftstheoretischen Rahmen, den Poppers Falsifikationismus absteckt, heraus. Die wissenschaftstheoretische Begründung der Präastronautik erweist sich als Gemengelage weltanschaulicher Sehnsüchte und wissenschaftsförmiger Haltungen unter dem abstrakten Postulat von Wissenschaftlichkeit. Mit der Ausweitung des Falsifikationsbereichs auf prinzipiell Mögliches, des damit einhergehenden Verlustes jeglicher Praktikabilität und des Verzichts auf die Möglichkeit falsifizierender Experimente überschreitet Ruppe den Bereich einer wissenschaftlichen Disziplin und betritt das Feld weltanschaulich geprägter neomythischer Hoffnungen, auf deren Inhalt wir später ausführlicher eingehen werden. Bei Popper gibt es – in dieser engen Auslegung2 des Falsifikationsprinzips – eindeutig falsifizierende mögliche Schlüsselexperimente, in Ruppes Auslegung wird die ganze Menschheitsgeschichte räumlich und zeitlich als mögliches extraterrestrisches Terrain und damit als unwiderleglicher Begründungsrahmen angeführt. Explizieren wir nun die Maßstäbe, die wir der Darstellung Ruppes implizit zugrunde gelegt haben und die für die folgende Darstellung der Fiktion der Science zu Grunde liegen werden.

III. Fiktionen und Science: Zu ihrer Interdependenz 1.

Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Nicht alle neomythischen und wissenschaftsförmigen Weltbilder und Weltanschauungen präsentieren sich derart spektakulär wie die Präastronautik. Das Hauptgewicht dieses dritten Bandes wird zunächst auf den Positionen liegen, deren metaphysischen und neomythischen Charakter man oft nicht auf den ersten Blick erkennt. Dies ist einer der Gründe, warum sich das erste Hauptkapitel der Rezeption der Quantenphysik zuwenden wird. 1 2

Vgl. Flew, 1955, 96-99. Vgl. zu den verschiedenen – auch naiven – Formen des Falsifikationismus: Lakatos, 1974, 89-189.

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

Es gibt naturphilosophische Positionen, die oft scheinbar innerdisziplinär, d.h. scheinbar rein fachwissenschaftlich argumentieren und aufgrund der großen Abstraktheit des betreffenden Themengebiets nicht als Naturphilosophien beziehungsweise als Metaphysiken unmittelbar identifizierbar sind. Gerade solche Standpunkte treten im populären Kontext als Lieferanten von wissenschaftlichen Weltbildern und wissenschaftlichen Weltanschauungen auf, weil sie die Grundfragen der Menschheit nach ihrem Woher, ihrem Sosein und ihrem Wohin – scheinbar wissenschaftlich fundiert, – positiv zu beantworten scheinen. Die Verfasser solcher populärer Naturphilosophien sind dabei oft selbst der Meinung, sie blieben im strengen Bereich ihrer Fachwissenschaft. Die Unterscheidung etwa von Physik und Metaphysik und von erfahrungswissenschaftlicher und weltanschaulicher Sichtweise erfordert ein gesichertes methodisches Instrumentarium. Als solches dient mir im Folgenden der wissenschaftstheoretische Strukturalismus. Der hier verwendete wissenschaftstheoretische Strukturalismus Joseph Donald Sneeds (*1938) und Wolfgang Stegmüllers1 (1923-1991) geht zurück auf Sneeds Buch The Logical Structure of Mathematical Physics (1971). Diese wissenschaftstheoretische Position entwickelt später ein formales Handwerkszeug, das nicht nur in der Lage ist, im engeren Sinne theoriegeleitete Grundlagen einer Wissenschaft und eher situative (experimentelle) Anwendungen derselben formal miteinander in Beziehung zu setzen, sondern auch historisch ortbare wissenschaftliche Gemeinschaften, ihre Leistungen und die ihnen entsprechenden, Wissenschaft als Kulturleistung vermittelnden Rezipienten zu thematisieren. Mit Mitteln dieser Wissenschaftstheorie können die Verbundenheit von Geschichte, wissenschaftlicher Erkenntnis, Denkergemeinschaft, ihrem kulturellen Wirkungskreis und letztlich ihrem Bezug auf die ‚Menschheit überhaupt‘ formal beschrieben werden.

Für unseren Kontext will ich mich auf zwei wichtige Unterscheidungsmerkmale des wissenschaftstheoretischen Strukturalismus gegenüber klassischen wissenschaftstheoretischen Ansätzen beziehen. Das ist erstens der Schritt weg von der Voraussetzung, dass eine Theorie eine einzige große kosmische Anwendung besitze. Es gibt nicht mehr die Suche nach einer grundlegend einigenden Gestalt dieser Theorie, die auf einem Grundphänomen beruht, ‚über‘ das eine theoretische ‚Aussage‘ gemacht wird. Weil Theorien zweitens an anderen Theorien partizipieren, wird weiterhin deutlich zwischen nicht-theoretischen und theoretischen Größen unterschieden. Dieser Gesichtspunkt ist für unseren weltanschauungsanalytischen Kontext wichtig. Theoretische Größen werden weiterhin nicht mehr von Beobachtungssätzen unterschieden2. Sie werden vielmehr spezifisch als diejenigen qualifiziert, welche die Gültigkeit der 1

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Dieser wissenschaftstheoretische Strukturalismus hat nichts mit dem französischen Strukturalismus zu tun. Vgl. dazu zur Einführung Hauser, 1996; W. Stegmüller, 1979, 131-176 (= Akzidenz) und zur ausführlicheren Beschäftigung: Ders., 1980, 175-191, Ders., 1973ff; Ders., 1979 (= Analogie); Balzer, 1982. Vgl. dazu die Ausführungen zum Logischen Positivismus in Hauser, Bd. 2, 183-227.

BEGRIFFLICHE GRUNDLAGEN

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Theorie T, in der sie verwendet werden, schon voraussetzen. Alle anderen Größen werden in einem ersten Schritt zunächst nicht-theoretisch genannt (damit ist die Frage nach der im zweiten Band erörterten, erkenntnistheoretischen Probleme bis hin zum Relativismus heraufbeschwörenden Unterscheidung von ‚Beobachtungssprache‘ und ‚theoretischer Sprache‘ aufgehoben). In dem Augenblick aber, in dem die theoretischen Größen als solche genommen werden, welche die Gültigkeit der Theorie schon voraussetzen, also nicht mehr durch Korrespondenzregeln auf ‚Außertheoretisches‘ von T bezogen werden, scheint das Problem der Zirkularität in der Beweisführung aufzutauchen. Eine Theorie scheint sich dann immer selbst zu beweisen, weil sie sich immer schon voraussetze. Da also Beweisprobleme auftauchen, wenn die theoretischen Größen in der Frage, ob eine empirische Struktur a eine theoretische Struktur T erfüllt, schon das zu Beweisende voraussetzen, wird der Vorschlag gemacht, zu fragen, ob die empirische Struktur a*, die lediglich mittels nicht-theoretischer Größen (im Sinne von etwa T*-theoretisch usw.) beschrieben wurde, genügt. Um dieses Vorgehens willen wird selbstverständlich auf die Beweiskraft anderer Theorien zurückgegriffen – es geht um T-nicht-theoretische, nicht um nicht-theoretische Beweisverfahren überhaupt, die ja undenkbar sind, weil jedes Beweisen ‚theoretisch‘ ist. So ist also mit dem Terminus T-nicht-theoretisch nicht die Vorstellung verbunden, dass hier der Bezug auf ‚Protokollsätze‘, ‚alltägliche Erfahrung‘ oder ‚Praxiserfahrungen‘ gemeint wäre. Es geht um den Bezug einer Theorie T auf eine andere Theorie T*, die ihre Hypothesen trägt – also um Vernetzung von Theorien. Von den wissenschaftstheoretischen Strukturalisten wird deshalb der terminologische Vorschlag gemacht, relativ auf eine Theorie T bezogen, T-theoretische und T-nicht-theoretische (im Normalfall einer anderen Theorie T*, T** etc. zugehörige) Größen zu unterscheiden. Diese Vorgehensweise ist im Wissenschaftsalltag selbstverständlich und unproblematisch. Was aber ist, wenn T-theoretische Hypothesen gestützt werden durch den Bezug auf T-nicht-theoretische Vorstellungen, die nicht zu einer anderen wissenschaftlichen Theorie T*, T** etc. gehören, sondern aus dem Bereich einer unmittelbar und oft naiv vertretenen wissenschaftlichen Weltanschauung oder einer philosophisch nicht reflektierten oder als solche gar nicht wahrgenommenen Metaphysik entstammen? Diese Situation verschärft sich dann noch, wenn kein Bewusstsein vorhanden ist, dass einer Theorie anstelle von Erfahrungswissen eine Metaphysik als Funktion für eine T-theoretische Hypothese dient.

2.

Der Einzug der Fiktionen in die Science

Geschieht diese Unterscheidung nicht, dann wirbeln erfahrungsorientierte Wissenschaft, wissenschaftliches Weltbild und wissenschaftliche Weltanschauung undifferenziert in den Köpfen nicht nur der populärwissenschaftlich interessierten Öf-

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

fentlichkeit sondern auch in den Köpfen mancher führender Fachwissenschaftler durcheinander. In den beiden ersten Bänden hatte ich schrittweise die hier wichtigen Begriffe des Wissenschaftlichen Weltbildes und der Wissenschaftlichen Weltanschauung eingeführt, an die ich hier noch einmal erinnern möchte. Die Weltanschauung eines Menschen ist sein nie ganz explizit gestalteter und auch nie ganz in sich schlüssiger, also prinzipiell spannungsreicher Verstehenshorizont von Wirklichkeit, der durch eine je-individuelle Aneignung von Tradition in persönlichen Erfahrungen das Verhalten eines Menschen ausrichtet. In diesem Verstehenshorizont liegt sein Selbst- und Weltverständnis als Kontingenzbewusstsein und der Geneigtheit nicht endlich zu sein. Eine Weltanschauung ist spannungsreich, weil sie im Hinblick auf ihre Verstehensleistung immer unvollständig und lückenhaft, nie ganz konsistent und immer auch teilweise unreflektiert ist. Darüber hinaus eignet der Weltanschauung eine weitere innere Spannung. Sie ist explizit ergriffene Lebensorientierung und zugleich ein Längeres Gedankenspiel, durch die sie Ausdruck menschlicher Selbstgestaltung wird, damit zeitlich offen ist und somit weiter auch eine oft lange kulturelle Inkubationszeit haben kann, bis das, was Vordenker und Protagonisten eines experimentellen Lebens in neuen Sinnhorizonten versucht haben, eine gewisse Allgemeinheit erlangt. In die Weltanschauung eines Menschen gehört spätestens seit Beginn der Moderne sein Wissenschaftliches Weltbild. Jeder Mensch, der in irgendeiner Form mit Wissenschaften in Kontakt gerät, hat ein Wissenschaftliches Weltbild. Ein Wissenschaftliches Weltbild hat ein Mensch auch dann, wenn er sich keine thematischen Gedanken über Gehalte und Lebensbedeutung der Wissenschaften macht. Das Wissenschaftliche Weltbild eines Menschen ist die Summe alles dessen, was dieser erstens als Informationen über die Wissenschaften und über das, was er für wissenschaftliche Erkenntnisse hält, erinnern kann, wenn er sich danach fragt oder fragen würde und zweitens deren Ordnungsmuster. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Wissenschaften (oder auch nicht selten emphatisch ‚die‘ Wissenschaft) hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit richtig eingeschätzt werden oder ob beispielsweise zweifelhafte parawissenschaftliche Erkenntnisse als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisbestände betrachtet werden. Es geht bei dieser Bestimmung des Begriffs des Wissenschaftlichen Weltbildes nicht um die Frage des Bewusstseins objektiver wissenschaftlicher Wahrheiten, sondern um das faktische Bewusstsein des einzelnen Menschen, der der Ansicht ist, etwas über die Wissenschaft(-en) wirklich, d.h. standpunktunabhängig, zu wissen – sogar wenn, im Extremfall, dieses Wissen im Ganzen für den außenstehenden Betrachter schief oder willkürlich phantasiert ist.

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„Täglich in Ihrer BILD-Zeitung auf Seite 4 – aktuelle Themen aus den Bereichen Technik & Wissenschaft, Geld, Gesundheit, Liebe & Leben, Mode & Trends, Mein Recht“1 lautet etwa eine Sparte in BILD. Gesetzt den Fall, dass es Menschen gibt, die ihre Informationen über aktuelle Trends in Wissenschaft und Forschung einzig aus der BILD-Zeitung ziehen, so hätte man hier etwa ein schönes Beispiel um ein wissenschaftliches Weltbild zu erforschen. Vielleicht sähe ein solches Weltbild so aus: es gab einen Urknall mit dem alles anfing; der Mensch stammt vom Affen ab; in der Antike gab es Römer und Ägypter; im finsteren Mittelalter wurden die Burgen gebaut und Hexen verfolgt; bald können wir Menschen im Labor herstellen und die Medizin wird bald ungeheure Fortschritte machen und den Krebs besiegen.

Unter einem Wissenschaftlichen Weltbild will ich im Folgenden verstehen: Das Wissenschaftliche Weltbild eines Menschen ist sein als standpunktunabhängiges, als wissenschaftlich gesichert vermeintes Wissen über die Wissenschaften im Allgemeinen, einzelne wissenschaftliche Erkenntnisse und seine Beurteilung ihrer vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung. Das Wissenschaftliche Weltbild ist, weil unsere Kultur wesentlich durch die wissenschaftsfundierte Technik bestimmt wird, ein unhintergehbares Element der Weltanschauung des Menschen der Moderne und deshalb nie ganz explizit gestaltet und auch nie ganz in sich schlüssig. Ebenso wird es, wie alle Elemente der Weltanschauung, als gesichertes Wissen und zugleich als Längeres Gedankenspiel über die Zukunftsbedeutung von Wissenschaft und Technik vollzogen. Das Wissenschaftliche Weltbild ruft eine Stellungnahme hervor, weil die vermeinte Standpunktunabhängigkeit zu seinen Elementen gehört. Es verlangt nach einer Interpretation. Eine Weise der Interpretation führt zu dem Standpunkt, der sich oft selbst als Wissenschaftliche Weltanschauung bezeichnet. Stellungnahme zum als objektiv vermeinten Wissenschaftlichen Weltbild bedeutet hier Interpretation dieses vermeinten Wissens. Jeder Mensch, der mit moderner Wissenschaft und Technik in Kontakt kommt, ist unvermeidlich darauf bezogen, eine Stellungnahme zur Lebensbedeutsamkeit der wissenschaftlichen Welt zumindest unthematisch in sich zu haben. Es gibt die verschiedensten Formen einer solchen Interpretation, die hier nicht einzeln thematisiert werden müssen. Im Gegensatz zum Wissenschaftlichen Weltbild hat nicht jeder Mensch eine Wissenschaftliche Weltanschauung. Es gibt auch andere Weisen, sein Wissenschaftliches Weltbild in seinen weltanschaulichen Kontext zu integrieren und Fragen der Bedeutung von Wissenschaft Stellung zu nehmen. Uns interessiert hier nur die als Wissenschaftliche Weltanschauung bezeichnete Stellungnahme.

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http://www.bild.de/ratgeber/archiv/ratgeber/ratgeber-wissenschaft-technik-archiv5093416.bild.html.

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

Die Bestimmung des Begriffs der Wissenschaftlichen Weltanschauung ergibt sich auf dem Hintergrund der vorangegangenen Beschreibung des Wissenschaftlichen Weltbildes. Die Wissenschaftliche Weltanschauung ist eine spezifische Interpretation des als standpunktunabhängig vermeinten Wissenschaftlichen Weltbildes. Die Wissenschaftliche Weltanschauung vertritt die Auffassung, dass eine/die Wissenschaft/-en die großen menschheitlichen Fragen einer Beantwortung zuführen könnte(-n). Sie ist oft von der Vorstellung begleitet, die einzig wahre Interpretation des Wissenschaftlichen Weltbildes einer Zeit zu sein und ebenso durch den Hang geprägt, ihre Erklärungskraft als Ansatzpunkt für die Lösung vieler/aller menschlichen Lebensprobleme anzusehen. Mit diesem Wahrheitsbewusstsein (dem Explizit ergriffenen Standpunkt) ist nicht selten bei der Wissenschaftlichen Weltanschauung zugleich die Vorstellung einer Zukunft gegeben, in der sich diese Wissenschaftliche Weltanschauung immer mehr bewahrheitet und Zustimmung findet, sich ausbreitet und der Menschheit oder einer bestimmten Gruppe zum Wohle gereicht (Längeres Gedankenspiel). Die Wissenschaftliche Weltanschauung stellt eine Ausformung der Sehnsucht nach einem Grandiosen Verstehen der Welt dar. Weil sie nicht nur einen explizit ergriffenen Standpunkt des Fürwahrhaltens der eigenen Auslegung des Wissenschaftlichen Weltbildes darstellt, sondern zugleich einen Zukunftsentwurf mit sich führt, also ein Längeres Gedankenspiel beinhaltet, ist derjenige, der sich auf den Standpunkt einer Wissenschaftlichen Weltanschauung stellt, angewiesen auf Spielmaterial für gedankliche Entwürfe, die mit dem Ernst des Spiels entwickelt werden. Dieses Spielmaterial ist weiter oben mit dem Begriff Kolportagetopos beschrieben worden. Der Kolportagetopos wurde als der spezifische Gesichtspunkt bestimmt, unter dem eine Kolportage ihren spezifischen Blick auf die Welt erhält. Eine Wissenschaftsförmige Kolportage erhält entsprechend ihre Perspektive durch die Verabsolutierung eines oder mehrerer Gesichtspunkte ihrer Disziplin. Allerdings muss das Spielmaterial für den Gedankenspieler nicht unbedingt als eng an die wissenschaftliche Realität angeschmiegt befunden werden, es kann auch nahezu komplett aus dem Reich des Fiktiven stammen. Des Weiteren ist deshalb zu fragen, aus welchem – thematischen oder unthematischen – Selbstverständnis heraus der wissenschaftliche oder der laienhafte Gedankenspieler im Bereich der Fiktionen der Science tätig wird. Ist der Gedankenspieler sich der Grenzen seiner Gedanken angesichts einer widerständigen Realität bewusst, ist sein Längeres Gedankenspiel nur Ausdruck eines Brainstormings, das inspirieren soll oder lebt er in Allmachtsphantasien verdrängte Ohnmachtserfahrungen aus? Die neomythische Sehnsucht nach wissenschaftsförmiger Selbstoptimierung ist weiterhin oft nur schwer von einer – etwa utopischen – legitimen Spielerei mit dem Grenzbegriff beziehungsweise mit der Idee vollen-

BEGRIFFLICHE GRUNDLAGEN

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deter Selbstgestaltung zu unterscheiden. Dieser Gesichtspunkt leitet über zur Frage nach der Art und Weise, wie Wissenschaftsrezeption Bereich stattfindet.

3.

Über Stufen der Wissenschaftsrezeption

Die heutige Informationstechnologie bietet einer interessierten Öffentlichkeit viele populär aufbereitete wissenschaftsbezogene oder wissenschaftliche Informationen zur schnellen Rezeption an. Dieser, als wikipedisch bezeichenbare, Prozess hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert und dessen Industrialisierungsschüben1. Das Vorbild des Universalgelehrten wird ersetzt durch den Spezialisten, der in einer in unübersichtliche Teildisziplinen zerklüfteten Wissenschaft große Leistungen vollbringt, aber Probleme hat, alles zu überschauen. Den Spezialisten ersetzt und übersetzt zunehmend der populäre Überblicke erarbeitende Sachbuchautor und Wissenschaftsjournalist, aber auch der berühmt gewordene und vielleicht mit einem Nobelpreis geschmückte Ausnahmewissenschaftler. Mit der Spezialisierung tritt der Wissenschaftler einerseits ein in eine Sphäre, in der sich nur wenige auskennen, und auf der anderen Seite wird er sich seiner Begrenzung bewusst. Im Hinblick auf sein Spezialistentum kann der Experte ein hohes Selbstbewusstsein kultivieren und sich mit anderen Experten fachlich verbinden oder streiten. „In vielen Bereichen wissenschaftlicher Arbeit wird versucht, durch technisch-methodologische oder theoretische Perfektionierungen und Differenzierungen einen neuen Wissensvorsprung zu etablieren. ‚Professionalisierungskerne‘ bilden dabei bestimmte methodologisch hochentwickelte Verfahren oder theoretische Denkformen, die entsprechend zur fachinternen Differenzierung in kleine Gruppen und ‚Glaubensgemeinschaften‘ führen“2. Antos unterscheidet vier „Domänen der Expertenschaft“3. Die Sachkompetenz beinhalte Faktenwissen, Detailwissen und Literaturkenntnisse. Die fachlichen Erfahrungen bezögen sich auf Fertigkeiten (bei Operationen, Experimenten etc.) und auf die Kompetenz bei der Sammlung, Archivierung und Auswertung von Daten. Die theoretische Kompetenz sei Methodenkompetenz, Modellierungs- bzw. Beschreibungskompetenz und Erklärungskompetenz und die Innovationskompetenz beziehe sich auf die Fähigkeit, neue Forschungsergebnisse und neue Forschungsansätze hervorzubringen. Dem Expertenstatus eignet der Habitus des Hermetischen. Dem entspricht der vor allem in den Naturwissenschaften gebrauchte windowpane style genannte Wissenschaftsstil. „Es ist ein Stil, der den sprachlichen Charakter des wissenschaftlichen Textes soweit wie möglich vergessen machen möchte, als ob die Sprache eine klare Fensterscheibe wäre, durch die die Aufmerksamkeit des Lesers oder Hörers nahezu ungehindert auf eine außersprachliche wissenschaftliche Tatsache dringen könnte. So wird der Eindruck erzeugt, daß ganz anders

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Vgl. Hauser, Bd. 1, 189-193 und vgl. im Folgenden: Beck, 1986; Kretzenbacher, 1992; Krohn/ Küppers, 1989 und Antos, 1995. Beck, 1986, 279f. Antos, 1995, 120.

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als in der alltäglichen Kommunikation in der wissenschaftlichen die Bedeutung eines Wortes, Satzes oder Textes nicht jeweils zwischen dem Sender und dem Empfänger einer sprachlichen Botschaft ausgehandelt werde, sondern vollständig unabhängig vom Kommunikationsprozeß existiere und sprachlich lediglich in unveränderter und unveränderbarer Form präsentiert werde“1. Durch diesen Sprach- und Schreibstil vermittelt eine wissenschaftliche Äußerung das Gefühl der Objektivität.

Das Expertentum der Professionalisierungskerne bringt es aber auch mit sich, dass die Grenzen zwischen Laien und Experten im Hinblick auf eine breite auch innerwissenschaftliche Bildung fließend werden. Rademacher2 unterscheidet etwa im Hinblick auf die Rezeption von New Age-Denken beziehungsweise heutigem esoterischem Wissenschaftsverständnis vier Entwicklungsschritte beziehungsweise drei Rezeptionsstufen. Die erste Stufe bezieht sich auf Wissenschaftler, die „ihre Disziplin verändert haben, wobei die Frage bleibt, ob sie diese oder sogar unser gesamtes Weltbild auch ‚revolutioniert‘ haben“3. Sodann folgen als zweite Stufe Wissenschaftler, bei denen die „Weltanschauungsarbeit deutlich im Vordergrund steht. Ausserhalb der akademischen Fachdiskurse liegende Themen sind bei ihnen nicht Nebenprodukt, sondern ein Hauptanliegen“4. Auf der dritten Stufe bewegen sich die „Alternativ-Forscher“5, die im Kontext parawissenschaftlicher Denkfiguren eine Spezialisierung auf eine bestimmte, der klassischen Wissenschaft alternative Hypothese und ihrer Verifizierung dienende Experimente haben. An direkter Konkretisierung interessiert sind auch die „Esoterischen Praktiker“ oder „Profis“6, die die allgemeinen naturphilosophischen Prämissen und weltanschaulichen Modelle nur im Blick auf eine konkrete Anwendung interessieren. Zu dieser dritten Stufe gehören auch die „Makler“, das heißt die „Ladenbetreiber, Zeitschriftenmacher … und Messeveranstalter“7, die auf der einen Seite keine Auseinandersetzung mit dem Theorieüberbau pflegen und auf der anderen Seite doch in der Regel im betreffenden weltanschaulichen Kontext anzusiedeln sind. Auf der vierten Stufe befinden sich dann die Rezipienten, die aus den unterschiedlichsten Bildungsschichten kommen können. Im Hinblick auf den Kontext unserer Untersuchung ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die gleiche Person sich auf den unterschiedlichsten Stufen bewegen kann. So kann etwa der Angehörige der Wissenschaftselite zugleich derjenige sein, der sich – wie etwa im Falle von Hermann Haken (*1927) – mit „Profis“ trifft, um sich über therapeutische Anwendungen seiner Selbstorganisationstheorie auszutauschen.

Betrachten wir diese Situation zunächst vom fachwissenschaftlichen Laien her. Im Internet finden sich Sachinformationen und über Internetforen Diskussions1 2 3 4 5 6 7

Kretzenbacher, 1992, 8 und vgl. dazu Antos, 1995, 122. Vgl. Rademacher, 2010, bes. 63-101. Rademacher, 2010, 67. Rademacher, 2010, 67. Rademacher, 2010, 72. Rademacher, 2010, 78. Rademacher, 2010, 81.

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möglichkeiten, Wissenschaftsjournalisten arbeiten Forschungsergebnisse auf den unterschiedlichsten Niveaus für die Massenmedien aus und Bildungsinstitutionen wie etwa der Schule können didaktisch aufbereitete Darstellungen wissenschaftlicher Erkenntnisse entspringen, die von Forschern wiederum benutzt werden. Aber auch der Experte hat nicht selten das Bedürfnis seine Erkenntnisse in einer anderen Sprache als dem windowpane style zu präsentieren. Der externe Interessentenkreis wird für den esoterischen Wissenschaftszirkel zum Spiegel seiner Bedürfnislage, etwas Sinnvolles zu tun und diese Sinnhaftigkeit breitenwirksam bestätigt zu bekommen. Die oben angesprochene Interdependenz zwischen Experte und Laie und zwischen fachwissenschaftlicher Erkenntnis, wissenschaftlichem Weltbild und möglicherweise auch im Hinblick auf eine wissenschaftliche Weltanschauung wird hier virulent. In welchem Maße und in welcher Hinsicht können und müssen – so stellt sich nun die methodologisch wichtige Frage – wissenschaftliche Theorien im Kontext einer derartigen Untersuchung thematisiert werden? Das heißt: auf welche Art von Fachliteratur wird hier Bezug genommen? In wissenschaftstheoretischen und -geschichtlichen Untersuchungen ist auch das betreffende literarische Genre der Fachliteratur Thema. Ich fasse hier verstreut zu findende Anmerkungen der o.a. Wissenschaftstheoretiker zusammen, systematisiere sie und ziehe dann Konsequenzen. Es ist sinnvoll, eine innerwissenschaftliche Diskussion, eine gebildete Rezeption und eine Zufallsrezeption zu unterscheiden. Die innerwissenschaftliche Diskussion bewegt sich auf der Ebene der aktuellen Grundlagenforschung im Bereich etwa der Zeitschriftenwissenschaft, der Tagungswissenschaft und der internen seminary papers. Innerwissenschaftlich breiter rezipierbar sind dann die Ergebnisse der akademischen Schulbildung in der Form ausgereifter Monographien oder gar eines Lebenswerkes (Opus Magnum). Die nächste und etablierteste Stufe in der wissenschaftlichen Darstellung ist dann die dem Anspruch nach die communis oppinio spiegelnde Handbuchwissenschaft. Mit der Handbuchwissenschaft ist der Übergang zur gebildeten Rezeption gegeben. Hier finden sich dann zu Studien- und schulischen Zwecken geschriebene Lehrbücher (Lehrbuchwissenschaft) und die populärwissenschaftlichen Darstellungen der Sachbuchwissenschaft. Methodisch will ich – im Hinblick auf den Hauptbereich, den der Quantenphysik – so vorgehen, dass ich zunächst einmal die betreffenden Theorien im Ausgang von der communis oppinio der Fachwelt in den für unseren Kontext relevanten Teilen knapp darstelle. In einem zweiten Schritt werde ich dann nach möglichen Absprungpunkten für eine metaphysische Reflexion auf diese Theorie suchen und dabei manchmal danach fragen, ob es grundsätzliche Weichenstellungen in Bezug auf die Einschätzung der Zukunft der betreffenden Theorie und ihrer Lebensbedeutsamkeit geben könnte. In diesen möglichen Absprungpunkten steckt wiederum ein gewisses Spektrum von möglichen kritischen und unkritischen metaphysischen Interpretationen. Als eine Variante unkritischer metaphysischer In-

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EINFÜHRUNG IN DEN DRITTEN BAND

terpretation kann dann möglicherweise eine neomythische Lesart gefunden werden. Nur diese interessiert uns hier. Durch dieses Verfahren wird der Unterschied und die mögliche Kontinuität zwischen empirischer fachwissenschaftlicher Theorie, sachgerechter oder unsachgerechter metaphysischer Reflexion beispielsweise der – hier zunächst zu untersuchenden – Quantenphysik und ihren neomythischen Auslegungsweisen durchsichtig. Sodann werden wichtige Vertreter einer neomythischen Wissenschaftsrezeption vorgestellt.

Band 3 Die Fiktionen der Science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert

Achter Hauptteil: Quantenphysik – Quantenmetaphysik – Quantentherapie § 28 Quantenphysik im Absprung zur neomythischen Metaphysik I.

Grundzüge der Quantenphysik in erkenntnistheoretischer Problembetrachtung

1.

Die klassische Physik Newtons und die mechanistische Versuchung

Mit Isaac Newtons (1643-1727) Schrift Philosophiae naturalis principia mathematica (1687) wird die Mechanik als physikalische Disziplin begründet. Die Bewegungen von Teilchen scheinen auf kausal eindeutige Weise beschrieben werden zu können1. Das erste newtonsche Gesetz lautet: „Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern“2. Die gleichförmige Bewegung eines ‚Körpers‘ kann damit ohne die sich von Aristoteles (384322 v. Chr.) herleitende, popularisierte Vorstellung einer dauernd wirkenden Kraft vorstellbar gemacht werden3. Es handelt sich bei diesem Trägheitsgesetz nicht um ein experimentell nachprüfbares Gesetz, sondern um ein Axiom, das einen neuen Prinzipienbereich begründet. Damit wird eine von der Metaphysik absehende populäre Rezeption der aristotelischen Vorstellung von Bewegung, als etwas, das eine ständige Krafteinwirkung benötige, gekippt. Das zweite Gesetz beschreibt – wie Newton durch die Analyse von Stoßprozessen von Massen nachweist – den Zusammenhang zwischen der Kraft ! und der durch sie verursachten Beschleunigung " eines Körpers. „Die Beschleunigung ist der einwirkenden Kraft proportional und erfolgt in Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt“4. Das dritte newtonsche Gesetz entspringt alltäglicher Erfahrung und experimenteller Rekonstruktion. „Wirkung und Gegenwirkung entsprechen einander, oder die Wirkun-

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3 4

Vgl. dazu etwa: Bergmann/ Schäfer/ Dorfmüller, 1998, 94-125. „Lex I. Corpus omne perseverare in statu suo quiescendi vel movendi uniformiter in directum, nisi quatenus illud a viribus impressis cogitur statum suum mutare“ (Newton, 1726, 13, Übersetzungen im Folgenden L.H.). Zum Hintergrund gängiger Rezeptionswege vgl. Müller, 2006. „Lex II. Mutationem motus proportionalem esse vi motrici impressae, et fieri secundum lineam rectam qua vis illa imprimitur“ (Newton, 1726, 13).

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

gen zweier Körper aufeinander sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung“1. Auf der Basis des dritten Gesetzes kann Newton den Körper idealisiert als einen materiellen Punkt fassen, von dessen Ausdehnung abstrahiert werden kann. Mit diesem Massenpunkt-Modell liegt eine deutliche Grenze der Interpretation der klassischen Physik als einem als direkt lebensweltlich wahrnehmbaren Theoriemodell vor. Damit rückt – was später wichtig werden wird – die klassische Physik schon an diesem Anfangspunkt aus dem Bereich der alltäglichen Anschaulichkeit heraus und es erscheint eine prinzipielle Gemeinsamkeit mit der Quantenphysik. Newton führt in diesem Zusammenhang auch den Begriff des Impulses ein. Der Impuls ! wird definiert als das Produkt aus der Masse " und der Geschwindigkeit # eines Körpers (! = " × #). Das anschließende, auch viertes Gesetze genannte, corrolarium über das Parallelogramm der Kräfte bringt den später in der Quantenphysik wichtigen Gedanken einer Additivität von Kräften ins Spiel2. Wenn man in der Physik Newtons den Ort, die Geschwindigkeit und die Masse und damit Ort und Impuls kennt, scheint sich eine Grundlage zur Beschreibung aller physikalischen Vorgänge und Erscheinungen zu ergeben. Mit Massenpunkt, Geschwindigkeit, Beschleunigung (Fallgesetze), Impuls, den drei newtonschen Axiomen der Mechanik, dem Gravitationsgesetz und der von Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) parallel erarbeiteten Differential- und Integralrechnung ergeben sich im 18. Jahrhundert die elementaren Grundlagen der Physik bis ungefähr 1900. Eine letzte Vertiefung erhält diese klassische Physik durch den durch Julius Robert Mayer (1814-1878) und Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821-1894) Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten Energiebegriff. Newton hat sich hinsichtlich der in die Metaphysik hineinreichenden Konsequenzen seiner Theorie zurückgehalten. Am Ende seiner Philosophiae naturalis principia mathematica schreibt er als Schlusssätze: „Ich habe bisher die Erscheinungen der Himmelskörper und die Bewegungen des Meeres durch Schwerkraft erklärt, aber ich habe nirgends die Ursache der letzteren angegeben. Diese Kraft rührt von irgendeiner Ursache her … Ich habe noch nicht dahin gelangen können, aus den Erscheinungen den Grund dieser Eigenschaften der Schwere abzuleiten, und Hypothesen erdenke ich nicht … Es genügt, daß Schwere existiere, daß sie in nach den von uns dargelegten Gesetzen wirke und daß sie alle Bewegungen der Himmelskörper und des Meeres zu erklären imstande sei“3.

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2 3

„Lex III. Actioni contrariam semper et aequalem esse reactionem: sive corporum duorum actiones is se mutuo semper esse aequales et in partes contrarias dirigi“ (Newton, 1726, 14). Vgl. Newton, 1726, 14. Newton, 1726, 530. Auf diese Stelle macht Szabo, 1996, 18 aufmerksam.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

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Das mechanistische Weltbild macht aus dieser vorsichtigen erkenntnistheoretischen Perspektive im 18. und 19. Jahrhundert eine Weltanschauung, die den ganzen in sich geschlossenen Kosmos als großen Mechanismus begreift1. Demokrits (460-371 v. Chr.) atomistisches Weltbild kann in dieser Zeit seine letzte Erfüllung finden. Die klassische Physik scheint eine bruchlose Determinierung des Weltprozesses nachweisen zu können. Berühmt wurde der Ausspruch von Pierre-Simon Marquis de Laplace (1749-1827), der, die Metaphorik eines den absoluten Standpunkt einnehmenden Jenseitsreisenden2 verwendend, 1814 schreibt: „Ein Geist, der für einen Augenblick alle Kräfte kennte, welche die Natur beleben, und die gegenseitige Lage aller Wesenheiten, aus denen sie besteht, müßte, wenn er umfassend genug wäre, um alle diese Daten der mathematischen Analyse unterwerfen zu können, in derselben Formel die Bewegung der größten Himmelskörper und des leichtesten Atoms begreifen, nichts wäre ungewiß für ihn, Zukunft und die Vergangenheit lägen seinem Auge offen dar“3. Diese physikalische und allgemein in die Erfahrungswissenschaften naturphilosophisch ausgeweitete Erkenntnisutopie kann sich nicht lange halten. Der Prozess der ‚Idealisierung‘ und Abstraktion vom alltäglichen Objekt geht weiter. In der Physik des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts beginnen immer mehr noch scheinbar anschauliche Voraussetzungen der klassischen Physik zu bröckeln und leiten den Aufstieg der Quantenphysik ein. Wo aber die Anschaulichkeit schwindet, da nimmt die Sehnsucht sie zu erzeugen zu. Physikalistisch ausgerichtete populäre Naturphilosophie tritt im Namen der Physik auf den von Immanuel Kant (1724-1804) in der Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft (1781) so schön benannten „Kampfplatz“ der Metaphysik.

2.

Grundmuster der Quantenphysik

a.

Die Unanschaulichkeit der Physik und ihre Konsequenzen

Für den Mathematiker ist die Mathematik zunächst ein System hypothetischer Sätze der folgenden Art: Wenn Zeichensysteme die Eigenschaften a und b besitzen, dann besitzen sie auch noch die weiteren Eigenschaften c, d, e usw. In dieser Hinsicht ist die Frage nach den empirischen Eigenschaften mathematischer Zeichen für den Mathematiker nicht bedeutsam.

1 2 3

Vgl. dazu Hauser, Bd. 1, 189-196. Vgl. dazu Hauser, 2009, §20. Zit. nach Zimmer, 1961, 27.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

„Logik und Mathematik stellen – im Hinblick auf die Anwendungen – ein System von Regeln dar, nach denen aus gegebenen Sätzen andere folgen, wobei die Gültigkeit vererbt wird. Man spricht hier deshalb auch von Umformungen ‚salva veritate‘“1.

Wer heute Physik betreibt, ‚rechnet‘ manchmal bei formalen Ableitungen und abstrahiert dabei methodisch von der physikalischen Bedeutung der Formeln. Es ist unproblematisch, dass manchmal Ergebnisse zustande kommen, die keinen physikalisch brauchbaren Sinn haben. Ein Physiker muss trotzdem prinzipiell diesen formalen Operationen reale Beobachtungsdaten korrespondieren lassen können. Für ihn ist die ontologische Frage nach dem Wirklichkeitsbezug der verwendeten formalen Denkfiguren wesentlich. Sinnvoll und notwendig ist zwar das zeitweise Untertauchen in den „reinen Formalismus“2 um seine reichen Möglichkeiten zu nutzen. Am Ende einer solchen Vorgehensweise steht dann allerdings trotz allem die Notwendigkeit, über wirkliche oder Gedankenexperimente zu einer physikalischen Deutung der ‚errechneten‘ Ergebnisse zu kommen. Damit aber stellt sich das Problem, formal abgeleitete Aussagen als empirisch nachprüfbare Aussagen über die physikalische Wirklichkeit zu erweisen. Empirische Deutung heißt, dass es notwendig wird, empirischen Objekten oder Beziehungen Zeichen oder Zeichenreihen zuzuordnen – wobei gerne übersehen wird, dass es sich bei diesem Akt der Zuordnung um einen Vollzug des Subjekts und nicht um ein objektivistisches Identifizieren handelt. Eine besondere Art der empirischen Deutung mathematischer Aussagen ist die Deutung derselben aus Naturgesetzen. Hier werden die Individuenvariablen und -konstanten einer Formel, das heißt die Zahlen, als Maßzahlen von physikalischen Größen verstanden. Eine Formel wird dann als empirisch gültig bezeichenbar, wenn man zwar zusammengehörige, aber einzeln und unabhängig voneinander gemessene Werte der Variablen so in die Formel einsetzen kann, dass die Formel in jedem Einzelfall numerisch richtig ist.

Die oft scheinbare partielle Anschaulichkeit der klassischen Physik kommt unter anderem dadurch zu Stande, dass diese praktisch universal mit stetigen Größen und Funktionen gearbeitet hat, die bei aller Abstraktheit immer noch die Erlebnistönung des alltäglichem Begreifen nachvollziehbaren Erkenntnisprozesses besitzen. Schon die nicht unübliche Beschreibung zeigt diese vermeinte Anschaulichkeit: Stetig zu sein bedeutet, dass die Funktion nirgends eine Lücke hat, d.h. für alle a aus R gilt: lim(x → a-) f(x) = lim(x -> a+) f(x); wobei lim(x -> a-) heißt, dass sich x von unten an a annähert, analog ist mit lim(x -> a+) die Annäherung von oben gemeint. Kurz gesprochen: eine Funktion ist stetig, wenn ich den Graphen in einem Zug zeichnen kann, die Funktion also nirgends eine Lücke besitzt. 1 2

Schleichert, 1966, 22. Schleichert, 1966, 11.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

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Wenn wir uns der Quantenphysik hingegen in der Logik eines alltäglichen und anthropologisch fundierten Begreifens nähern, ist die erste Erwartung von der wir Abschied nehmen müssen, die Vorstellung, ‚klassische Zustände‘ und ‚klassische Objekte‘ vorzufinden1. „Die klassische Physik … sagt für bewegte Teilchen eine exakte Flugbahn mit exakt definierten Werten für Ort und Impuls zu jedem Zeitpunkt voraus …“2.

Diese Perspektive scheint unserer im Allgemeinen objektivistisch orientierten Alltagserfahrung zu entsprechen, die vom erkenntnisleistenden Subjekt zu abstrahieren pflegt. Die Alltagserfahrung bezieht sich aber nicht auf einzelne Atome und sorgfältige Experimente. Physikalisch betrachtet liegen der im weitesten Sinne beobachtbaren Welt quantenmechanische Vorgänge zugrunde, die aber unsere Vorstellungs- und Anschauungsmöglichkeiten transzendieren. Die alltäglichem Begreifen eigene Selbstverständlichkeit einer Haltung, dass diesem oder jenem – selbst schon unanschaulichen – Massenpunkt in diesem oder jenem Augenblick diese oder jene Lage und Geschwindigkeit zukomme, lässt sich in der Quantenphysik nicht mehr einnehmen. Dies macht – wie wir später sehen werden – die metaphysikförmige Faszination der Quantentheorienwelt aus. Die gegenüber der klassischen Physik nun endgültig eindeutig kontraintuitiven und deutungsbedürftigen Züge der Physik als Quantenphysik rufen das Bewusstsein von Unanschaulichkeit hervor und evozieren damit möglicherweise Übertretungen eines physikalischen – d.h. in keiner Weise das transzendente Absolute betreffenden – ‚Bilderverbotes‘ durch populäre Veranschaulichungen. Dies ist der Absprungpunkt für populäre Naturphilosophien, die die Quantenphysik weltanschaulich deuten. Veranschaulichen wir diese dem alltäglichen Verstehen erkenntnistheoretisch heikle Situation im Ausgang von der Darstellung der – populär und fast sprichwörtlich gewordenen – Unschärferelation.

b.

Die Unschärferelation

Die Messung einer physikalischen Größe impliziert die Verbindung eines Messinstrumentes mit der zu messenden Größe. Wenn man beispielsweise die Temperatur einer Flüssigkeit messen will, dann kann man ein Thermometer in diese Flüssigkeit tauchen. Weil das Thermometer selbst eine gewisse Wärmekapazität besitzt, entnimmt es der Flüssigkeit eine kleine, prinzipiell bestimmbare Wärmemenge und verändert damit die Flüssigkeitstemperatur. Im makrophysikalischen Bereich spielt das meist keine praktische Rolle oder wenn doch, so kann man dies

1 2

Vgl. Küblbeck/ Müller, 2007. Atkins/ Paula, 2006, 283. Vgl. Leisi, 2006, 35.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

experimentell oder durch nachträgliche rechnerische Korrekturen ausgleichen. Diese Art des Ausgleichs ist aber – wenn man so sagen will – ‚unnatürlich‘, weil sie eine messtheoretische Entscheidung des handelnden Subjekts ist. Es ist möglich und legitim – durch eine pragmatische messtheoretische Entscheidung – im makrophysikalischen Bereich die Interaktion zwischen Instrument und Objekt entsprechend klein zu machen. In der Atomphysik ist es gemäß der planckschen Theorie des Wirkungsquantums nicht möglich. Werner Heisenberg (1901-1976) gelingt es 1927, diese zur atomistischen Struktur von Materie und Energie gehörende Situation in seinem Aufsatz Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik mathematisch zu beschreiben. Diese Beschreibung hat als Unschärferelation Wissenschaftsgeschichte gemacht. Die Unschärferelation kann durch folgendes Gedankenexperiment1 verständlich gemacht werden: Wir stellen uns vor, es solle die Bewegung eines Elektrons in einem Wasserstoffatom verfolgt werden. Dazu benutzt man ein Mikroskop, das mit kurzwelligen Gammastrahlen arbeitet, um eine zureichende Auflösung zu erhalten. Um den Ort des Elektrons feststellen zu können, muss es durch ein Gammaquant getroffen werden und dieses Quant in das Mikroskop reflektieren. Um die Bewegung des Elektrons zu ermitteln, muss auch sein Impuls gemessen werden, der sich aus der bekannten Masse und der zu ermittelnden Geschwindigkeit errechnet. Weil das Elektron im Kontext der Ortsbestimmung mit dem Lichtquant in eine mathematisch nicht rekonstruierbare Interaktion getreten ist und sich dadurch in einem neuen Zustand befindet, ist diese Bestimmung nicht möglich. Aufgrund der Gammastrahlung hat das Elektron wahrscheinlich sogar das Atom verlassen. Es ist also prinzipiell nicht möglich, Ort und Impuls zugleich und damit die Bahn eines Elektrons zu beobachten. Jede Ortsbeobachtung macht den Impuls unbestimmbar. Daraus ergibt sich zunächst, dass im atomaren Bereich exakte Messungen von Einzelgrößen möglich und zugleich bestimmte zusammengehörige Größen nicht mit beliebiger Genauigkeit gemeinsam messbar sind.

Der erkenntnistheoretisch bedeutsam gewordene und populär rezipierte Gehalt von Heisenbergs Überlegungen zur Unschärferelation lässt sich folgendermaßen skizzieren2: Man betrachte in einem Gedankenversuch – weil man einzelne Elektronen nicht wie aus einem Gewehr abfeuern kann – ein Elektron aus einem Elektronenstrahl der sich parallel zur x-Achse mit der Geschwindigkeit 'x bewege.

1 2

Vgl. dazu auch Polkinghorne, 2006, 55f. Ich beziehe mich hier besonders auf das unveröffentlichte Gießener Manuskript von Stahl, o.J. Vgl. auch dazu analog: Haken/ Wolf, 2004, 68f.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

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(Skizze nach Stahl, o.J., 45.)

Um den Ort und die Geschwindigkeit des Elektrons zu ermitteln, schaffe man senkrecht zur Bewegungsrichtung einen schmalen Spalt mit der Breite ' y. Wenn das Elektron den Spalt passiere, könne die Ortskoordinate des Elektrons mit der Genauigkeit ∆y ermittelt werden. Problematisch sei hingegen die Bestimmung der Geschwindigkeit des Elektrons, weil es, als mit Welleneigenschaften belegt, nach dem Gesetz der Beugung am Spalt beim Durchgang durch diesen eine Ablenkung in seiner Richtung erfahre. Diese Beugung lasse sich durch die zusätzliche Geschwindigkeitskomponente ∆vy beschreiben, durch welche das Elektron auf den im Abstand b befindlichen Detektorschirm nicht in dem Punkt P0, sondern im Bereich zwischen P1 und P2 auftreffe. Die abgeschossenen Elektronen, die durch den Spalt gelangten, bildeten dabei helle und dunkle Ringe – je nach der Quantität der aufgetroffenen Elektronen. Der genaue Ort zwischen P1 und P2 sei nicht vorhersagbar. Weil es nicht vorhersehbar sei, wo das Elektron zwischen P1 und P2 auftreffe, sei es nur möglich, die Geschwindigkeitskomponente ∆vy mit einer diese Unsicherheit einkalkulierenden Sicherheit anzugeben. Wenn man die Ortsangabe genauer ermitteln wolle, müsse der Spalt mit der Breite ∆y verkleinert werden. Damit handele man sich aber ein anderes Problem ein. Nach den Gesetzen der Beugung am Spalt werde die Beugung umso größer, je mehr man den Spalt verkleinere. Je genauer man also die Ortsangabe zu ermitteln versuche, desto ungenauer werde die Ermittlung der Geschwindigkeit. Heisenberg schreibt im Kontext seiner frühen Darlegung der Unschärferelation: „Wir haben also guten Grund, gegen die kritiklose Anwendung jener Worte ‚Ort‘

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und ‚Geschwindigkeit‘ Verdacht zu schöpfen. Wenn man zugibt, daß für Vorgänge in sehr kleinen Räumen und Zeiten Diskontinuitäten irgendwie typisch sind, so ist ein Versagen eben dieser Begriffe ‚Ort‘ und ‚Geschwindigkeit‘ sogar unmittelbar plausibel …“1. Damit öffnet sich – nicht nur dem populären Verständnis – das Fenster für den Blick in eine geheimnisvolle Wirklichkeit gleichsam hinter unserer Menschenwirklichkeit.

c.

Der Doppelspaltversuch

Ein anderes Gedankenexperiment, eine idealisierte Fassung des berühmten Doppelspaltversuchs2, kann einen weiteren Metaphysik evozierenden Aspekt der Quantenphysik veranschaulichen. Man arbeite statt mit einer mit zwei Öffnungen und schieße Elektronen mit gleicher Geschwindigkeit in Richtung beider Öffnungen. Die Art der Erscheinung heller und dunkler Ringe auf dem Detektorschirm lasse sich nun plötzlich genauer beschreiben. Zunächst einmal könne man feststellen, dass für jedes auf dem Detektorschirm aufgetroffene Elektron eine Stelle durch einen Punkt markiert sei. In dieser Hinsicht zeige sich das Verhalten einzelner Elektronen im teilchenähnlichen Modus. Wenn man den Detektorschirm unter dem Maßstab der größeren Anzahl solcher Auftreffpunkte betrachte, dann erweise es sich, dass das von ihnen erzeugte Gesamtbeugungsmuster die Form eines typisch zu Wellen gehörigen Interferenzmusters habe. Dieser Versuch macht auch auf den statistischen Charakter der Quantentheorie aufmerksam. In der quantentheoretischen Perspektive wird nicht ein ‚wirkliches‘ einzelnes Teilchen untersucht, sondern dessen mögliches Verhalten. Anhand des Musters der Auftreffpunkte können im Hinblick auf den Doppelspaltversuch Wahrscheinlichkeiten ermittelt werden. Heisenberg schreibt 1927: „Daß die Quantentheorie im Gegensatz zur klassischen eine wesentlich statistische Theorie sei in dem Sinne, daß aus exakt gegebenen Daten nur statistische Schlüsse gezogen werden könnten, haben wir nicht angenommen. … Vielmehr gelten in allen Fällen, in denen in der klassischen Theorie Relationen bestehen zwischen Größen, die wirklich alle exakt meßbar sind, die entsprechenden exakten Relationen auch in der Quantentheorie … Aber an der scharfen Formulierung des Kausalgesetzes: ‚wenn wir die Gegenwart genau kennen, können wir die Zukunft berechnen‘, ist nicht der Nachsatz, sondern die Voraussetzung falsch. Wir können die Gegenwart in allen Bestimmungsstücken prin-

1 2

Heisenberg, 1927, 173. Vgl. dazu etwa Nortmann, 2008, 51-55; Rempe, 2002, 97-108; Haken/ Wolf, 2004, XVII.

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zipiell nicht kennen lernen. Deshalb ist alles Wahrnehmen eine Auswahl aus einer Fülle von Möglichkeiten und eine Beschränkung des zukünftig Möglichen. Da nun der statistische Charakter der Quantentheorie so eng an die Ungenauigkeit aller Wahrnehmung geknüpft ist, könnte man zu der Vermutung verleitet werden, daß sich hinter der wahrgenommenen statistischen Welt noch eine ‚wirkliche‘ Welt verberge, in der das kausale Gesetz gilt. Aber solche Spekulationen scheinen uns, das betonen wir ausdrücklich, unfruchtbar und sinnlos. Die Physik soll nur den Zusammenhang der Wahrnehmungen formal beschreiben“1. Daraus entsteht für den Beobachter die Situation, dass Elektronen, die nacheinander auftreffen, Teilchenverhalten zeigen und dabei in ihrem kollektiven Verhalten wellenartig reagieren. Der Doppelspaltversuch ist das Musterbeispiel an dem sich die Diskussion um den Welle-Teilchen-Dualismus entzündet.

d.

Komplementarität und ein Universalitätspostulat

Heisenberg hat später herausgearbeitet, dass seine Überlegungen nicht nur für den Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens gelten, sondern dass alle physikalischen Zustandsgrößen eine solche paarweise Kopplung besitzen. Die Messung der einen Größe verhindere gleichzeitig die genaue Messung der anderen Größe. Je genauer die eine Größe bemessen werde, desto ungenauer nur sei die Messung der anderen Größe möglich. Niels Bohr (1885-1962) hat für dieses Verhältnis den Terminus der Komplementarität eingeführt und die auf diese Weise auf einander bezogenen Größen als komplementäre Größen bezeichnet. Der dänische Physiker stellt dieses Problem der Komplementarität auf folgende grundlegende Weise dar: „Nach dem Wesen der Quantentheorie müssen wir uns also damit begnügen, die Raum-Zeit-Darstellung und die Forderung der Kausalität, deren Vereinigung für die klassischen Theorien kennzeichnend ist, als komplementäre, aber einander ausschließende Züge der Beschreibung des Inhalts der Erfahrung aufzufassen, die die Idealisation der Beobachtungs- bzw. Definitionsmöglichkeiten symbolisieren“2. Man könnte auch sagen, dass zwei physikalische Größen dann im Verhältnis der Komplementarität stehen, wenn es undenkbar ist, ein Gerät zu bauen, mit dem beide Größen gleichzeitig bestimmt werden können. Komplementäre Größen zeichneten sich dadurch aus, dass das Produkt ihrer Dimensionen eine Wirkung ergebe (beispielsweise Ort und Impuls oder Zeit und Energie). Auf diese Weise gelingt es Niels Bohr Begriffe, die einander zu widersprechen scheinen, auf einer erkenntnistheoretisch übergeordneten Ebene auszugleichen. Dazu muss er allerdings eine Art Universalität der Komplementarität postulieren. Für den, der eher

1 2

Heisenberg, 1927, 197. Bohr, 1931, 36.

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metaphysische Interessen im Umgang mit der Physik verfolgt, kann hier leicht eine gleichsam alchemistische Interpretation der Quantenwirklichkeit, dass die Realität als solche, in polarer Bezogenheit stehe, entspringen.

e.

Quantenphysik und ihre Zustände

Der kurz vor seinem Tod für den Nobelpreis nominierte John Stewart Bell (19281990) formuliert im Hinblick auf die anthropologische Ortung der klassischen Physik eine Auffassung, die typisch für die nicht unübliche Voraussetzung einer engen Bindung der klassischen Physik an den Lebensalltag und seine Wahrnehmungsweisen ist. Theoretische Physiker seien auch nur Menschen und „leben in einer klassischen (die klassische Physik betreffenden, L.H.) Welt, und blicken hinaus in eine quantenmechanische Welt. Letztere beschreiben wir nur subjektiv, in Begriffen von Vorgängen und Ergebnissen aus unserem klassischen Lebensbereich (domain)“1. Schon weiter oben ist diese problematische Voraussetzung Thema gewesen. Der idealisierende, Modelle der Wirklichkeit und nicht sie selbst darstellende Charakter der klassischen Physik und damit das unhintergehbare Handeln des Subjekts werden hier ausgeklammert. Die klassische Physik scheint anschaulicher zu sein und ist es in gewissem Maße auch, aber sie ist trotzdem keine Wirklichkeit gleichsam abpausende, sondern eine mathematisch modellierende Umgangsweise mit derselben. Hubert Schleichert weist in seiner Untersuchung über Elemente der physikalischen Semantik darauf hin, dass die Konzeption eines absolut genauen Wertes nicht eine empirische Erkenntnis, sondern eine Konstruktion ist. Es gibt keinen Menschen, der in der Welt der klassischen Physik lebt. Wir leben in einer vorwissenschaftlichen, aber Wissenschaft konstituierenden und durch sie konstituierten Alltagswelt und entwerfen aus dieser heraus die unterschiedlichen Wissenschaftsperspektiven – etwa der klassischen Physik oder der Quantenphysik. Ausgeklammert wird dabei methodisch die Thematisierung der Perspektive des experimentierenden und die Erklärungsparameter bereitstellenden ‚Alltagssubjekts‘ (nicht des Experimentators u.ä.) als eine vorwissenschaftliche, aber wissenschaftskonstituierende Haltung. Dies gilt in gleicher Weise von der klassischen wie der Quantenphysik. Diese Perspektive verdeutlicht eine Gemeinsamkeit beider wissenschaftlicher ‚Welten‘ und erhellt zugleich die Art der Beziehung beider zur Lebenswelt bzw. Alltagseinstellung: Die klassische Physik und die Quantenphysik transzendieren jeweils auf ihre Weise diese Lebenswelt aus der sie stammen. Binnenphysikalisch ist es kein Problem, diese gemeinsame lebensweltliche Genese – eben methodisch – auszuklammern. In dem Augenblick, in dem auf die Ergebnisse der Physik im weitesten Sin-

1

Bell, 2004, 29, Übersetzung L.H.

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ne – laienhaft oder professionell – naturphilosophisch reflektiert wird, ist die Erinnerung an diesen Zusammenhang allerdings wichtig. Die sie mit der Quantenphysik verbindende Unanschaulichkeit der klassischen Physik ist allerdings nicht in der Weise zum öffentlichen Problem geworden, wie es die der Quantenphysik wurde. Warum das so ist, soll folgender kurzer philosophisch-anthropologischer Exkurs über das Abgegrenzte und das Kontinuierliche als grundlegende Maßstäbe der alltäglichen Welt deutlich machen. Menschliche Erkenntnis geschieht durch die Beziehung des zu erkennenden Gegenstandes als Art einer Gattung von Gegenständen auf einen Gattungsbegriff der den Zusammenhang seiner Arten darstellt und zugleich durch Abgrenzung dieses Gegenstandes von anderen Arten (genus proximum – differentia specifica). Phänomenologisch kann man diese Erkenntnisrelationen auf Urmuster des Kontinuierlichen und des Abgegrenzten beziehen. Auch im Bereich der elementaren Sinneswahrnehmung taucht dieses Urmuster auf. Es gibt abgegrenzte Gegenstände und es gibt Wind, Wasser, Wellen und durch Staub sichtbar werdende Lichtstrahlen. Physikalisch entspricht diesem Urmuster die Einteilung von Wirklichkeiten in abgegrenzte Teilchen und kontinuierliche Wellen. „Ein klassisches Teilchen verhält sich wie eine winzige massive Kugel: es lässt sich stets lokalisieren, es kann gestreut werden, und es trägt Energie mit sich, die es bei einem Stoß in einem Punkt im Raum austauschen kann; schließlich gehorcht es bei seinen Stößen den Gesetzen der Energie- und Impulserhaltung. … Eine klassische Welle dagegen verhält sich im Prinzip wie eine Wasserwelle: Sie zeigt Beugung und Interferenz, und ihre Energie ist in Raum und Zeit kontinuierlich verteilt. Beide Konzepte schließen … einander aus, und kein Objekt kann gleichzeitig sowohl ein klassisches Teilchen als auch eine klassische Welle darstellen“1.

Eine weitere selbstverständliche Voraussetzung des gelebten Alltags ist, dass die physikalischen Tatsachen dieser Welt in Raum und Zeit prinzipiell ‚gegeben‘ und wirklich sind. In seinen Vorlesungen über Ding und Raum (1907) beschreibt Edmund Husserl (1859-1938) die unthematischen Voraussetzungen dieses Alltagsbewusstseins. „Zum Wesen von Dinglichkeit überhaupt gehört es, identische intentionale Einheit zu sein, die sich in einer gewissen wirklichen oder möglichen Erscheinungsmannigfaltigkeit ‚konstituiert‘, sich ihrem Sein und jeweiligen Sosein nach im geregelten und jeweils motivierten Erscheinungszusammenhang ausweist“2.

1

2

Tipler/ Mosca 2007, 1128, Hervorhebung durch die Autoren, und vgl. Tipler/ Llewellyn, 2003, 272. Husserl, 1973, 285. Die weiterführende Argumentation Husserls zeigt, dass sich seine phänomenologische Philosophie durchaus auch zur Interpretation der Quantenphysik eignet. Doch kann dies hier kein Thema sein.

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Diesem – hier philosophisch rekonstruierten – alltäglichen Dingbegriff sperrt sich die Quantenphysik – quantitativ und nicht qualitativ – in höherem Maße als die klassische Physik. Wenn man – so weiter die populäre Erwartung – Aussagen der Physik empirisch (etwa: nach dem Muster des Logischen Positivismus) verifiziert oder zumindest (nach dem kritisch-rationalistischen Muster Poppers) falsifizieren könnte, dann müsse man etwas messen können, was ‚da‘ ist. Für diese Messungen habe man makroskopische Messgeräte zur Verfügung. Messgeräte können aber nur dort zum Einsatz kommen, wo ‚klassische‘ Maßstäbe eingesetzt werden können – so kann man etwa nach dem Ort und der Geschwindigkeit eines Teilchens fragen. In diesem Sinne kann man von einer Messung von klassisch denkbaren Eigenschaften reden. Unter klassisch denkbaren Eigenschaften versteht man, dass es möglich ist, diese Eigenschaften durch eine Messung zu beschreiben und dass es damit erst nach einer Messung sinnvoll ist, physikalische Aussagen über die und mit der betreffende(n) Eigenschaft zu machen. Es gibt in der Mikrophysik hingegen keine Objekte, die alle klassisch denkbaren Eigenschaften klassischer Objekte zugleich haben. Veranschaulichen wir dies mit dem Begriff des Massenpunktes. Der Massenpunkt ist ein physikalisches Modell, das einen Körper – für die Physik idealisiert – rein im Hinblick auf seinen Ort und seine Masse vertritt. Diese Idealisierung dient zur unkomplizierten Beschreibung der Bewegung des Körpers, von dessen Eigenschaften wie Volumen und Form hier abstrahiert wird. Es handelt sich hier um das einfachste Modell eines Körpers, der sich unter dem Einfluss von Kräften bewegt. Die Punktmasse eines Körpers ist ein massebehafteter Punkt, der sich im Raum bewegt. Es wird hier mit einem mathematischen Punkt gerechnet, dessen physikalischer Sinn darin besteht, dass man von der realen Ausdehnung des untersuchten Gegenstandes abstrahiert. Es bleibt in diesem Punktteilchen die Masse desselben. Die Physik kann den Zustand dieses Punktteilchens bestimmen: der Zustand ist die Gesamtheit aller Informationen, die im Kontext einer Theorie zu einem bestimmten Zeitpunkt erhalten werden können. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Zustand eines Punktteilchens durch die Angabe des Ortes und der momentanen Geschwindigkeit durch je drei Koordinaten (d.h. insgesamt sechs Zahlenwerte) angegeben werden kann. Seit René Descartes (1596-1650) die analytische Geometrie entwickelt hat, verwendet man in der Mathematik und Physik den Begriff des Raumes in einer dem alltäglichen Zugriff vorstellungsresistenten Weise. Die sechs Koordinaten, die für die vollständige Beschreibung der Bewegung eines Teilchens angegeben sein müssen, bilden einen Punkt in einem sechsdimensionalen Raum, den man als Zustandsraum bezeichnet. In der klassischen Physik konnte jedem solchen Punktteilchen zu jeder beliebigen Zeit ein Ort und ein Impuls zugeordnet werden, indem man die Koordinaten des Orts- bzw. des Impulsvektors angab.

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Graphisch kann dies so veranschaulicht werden1: Punktteilchen A hat drei Ortskoordinaten und drei der Geschwindigkeit. A = ● + ● + ● + ●+ ● + ● Makrophysikalische (klassische) Objekte können hinsichtlich ihres Zustandes damit eindeutig durch die Angabe von Ort und Impuls beschrieben werden. Durch diese Möglichkeit kann auch das Verhalten eines makrophysikalischen Objektes prinzipiell vorausgesagt werden (Newtonsches Grundgesetz). Für die Sphäre mikrophysikalischer Realität, die die Quantenphysik erforscht, scheinen – so das alltägliche Verständnis – diese Gesetze auch zu gelten. Atome scheinen nach dem Modell des Planetensystems zu funktionieren, indem sie auf wohldefinierten Bahnen kreisen. Weiterhin wird vom Alltagsverständnis her leicht davon ausgegangen, dass auch Quantenobjekte zu jedem Zeitpunkt einen wohldefinierten Ort haben müssten – auch wenn man diesen wahren Ort wegen der Unbestimmtheitsrelation leider nicht erkennen könne. Mit der Bezeichnung Punktteilchen ist schon terminologisch der Bezug auf andere Teilchen mitgesetzt. Mehrere Punktteilchen werden zusammengefasst durch Addition. Das bedeutet, dass für die Angabe der Zustandsparameter bei der Erfassung zweier Punktteilchen 6+6=12 Zahlen benötigt werden und für drei Punktteilchen 6+6+6=18 Zahlen usw. Das Ganze wird durch Addition als Summe seiner Teile gefasst. Graphisch kann dies so veranschaulicht werden: A = ● + ● + ● + ●+ ● + ● + B = ○ + ○ + ○ + ○ + ○ + ○ Durch die Einführung des Begriffs der Kraft, die die wechselseitige Einwirkung der Teilchen aufeinander betrifft, vermeidet man das Modell eines Solipsismus der Punktteilchen. Mit dem Gedanken der Kraft ist schon eine Transzendenz vom einzelnen ‚Gegenstand‘ gesetzt, die im quantenphysikalischen Zugriff ausgebaut wird. Im Bereich einer Wirklichkeit, deren ‚Gegenstände‘ bis zu hundert Millionen mal kleiner als ein Atom sind, hat die Quantenphysik viele Probleme verstehbar gemacht2, indem sie von der Prämisse ausgeht, dass die mikrophysikalischen Zustände nicht mehr additiv beschrieben werden. Die Zustandsparameter mehrerer Quantenobjekte werden vielmehr multiplikativ verbunden. Damit wird zugleich die noch scheinbar anschauliche Plausibilität vermittelnde Voraussetzung der klassischen Physik, es gehe hier um die Summierung von Teilen, aufgegeben.

1 2

Ich orientiere mich hier vor allem an Görnitz, 1999, 95-115. Vgl. Polkinghorne, 1999, 13-41.

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Graphisch kann dies so veranschaulicht werden1: ● ● ● A ● ● ●

○ ○ ○ ○ ○ ○

B

Außerhalb dieser methodisch abstrahierenden Zweierbeziehung von Zuständen steht in der Quantenphysik damit jeder klassische Zustand grundsätzlich in einer Beziehung unendlich vieler Parameter seiner Umgebung. Statt eines klassischen Zustandswertes ergeben sich damit dem physikalischen Blick prinzipiell unendlich viele für die Quantenzustände. Es gibt also in der Quantensichtweise nicht mehr einen klassischen Zustand k (klassisch)1, der als einziger möglich, weil wirklich ist, sondern bei Vorliegen eines Quantenzustandes +1 eine Vielzahl anderer möglicher Zustände qm, die von q1 verschieden sind. Ihnen kommt ebenso wie q1 eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu. Später werden wir sehen, wie sich aus einem solchen Ansatzpunkt eine metaphysische Sichtweise entwickeln kann, die in einer modalen Transformation schrittweise die immer ‚robustere‘ Realität dieser möglichen Zustände behauptet und zu einer Viele-Welten-Lehre gelangt.

f.

Vom Weltäther zu den Feldtheorien

In der Neuzeit hat man versucht den Einfluss magnetischer u.a. Kräfte durch die auf Aristoteles zurückgehende Äthertheorie zu erklären. Nach dem Scheitern dieser Theorie im ausgehenden 19. Jahrhundert übernehmen Feldtheorien die Aufgabe, den Einfluss einer gravitativen, elektrischen, magnetischen oder sonstigen Kraft in einem Bereich des Raumes zu beschreiben. Dabei werden Länge, Dauer und träge Masse immer mehr aus dem Bereich des anschaulichen ‚Raumes‘ und seiner durch die Veränderung ‚massiver Gegenstände‘ sichtbar werdenden ‚Zeit‘ in den Bereich abstrakter physikalischer Begrifflichkeit überführt. Albert Einstein (1879-1955) hat in der speziellen Relativitätstheorie nachgewiesen, dass der Begriff des absoluten Raumes sich nicht dazu eignet, als Bezugssystem einer Geschwindigkeitsmessung zu dienen. Sein Ergebnis ist, dass der Raum nur durch die Annahme eines Feldbegriffes beschrieben werden kann. Die räumliche Bestimmung wirklicher Gegen-

1

Ich ziehe die Pfeile um der Übersichtlichkeit willen nur von einem Punkt zu allen anderen. Insgesamt würden sich bei einer kompletten Zeichnung sechsunddreißig Relationen ergeben.

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stände wird dann durch ein Feld expliziert, das von vier Koordinaten-Parametern abhängt. Ohne ein Feld gibt es in dieser Hinsicht keinen ‚Raum‘. Die Bedeutung solcher Feldtheorien lässt sich wiederum gut im Ausgang von Newton am Beispiel der Gravitation erläutern1. Ein Körper A der Masse M (beispielsweise ein Planet) zieht jeden Körper B der Masse m (beispielsweise einen Satelliten) mit einer Kraft ,an. Die Stärke dieser Kraft verhält sich umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung d zwischen beiden Körpern. Diesen Zusammenhang kann man durch die Formel F=GmM/d2 ausdrücken. G ist dabei die vorausgesetzte Gravitationskonstante. Hier wird die Beziehung zwischen zwei Objekten, dem anziehenden und dem angezogenen Objekt, beschrieben. Ausgangspunkt ist die Vorstellung der Wechselwirkung zwischen zwei genau lokalisierbaren Körpern. In dem Augenblick, in dem man Situationen beschreiben muss, in denen das betrachtete Objekt B der Beeinflussung durch mehrere Körper ausgesetzt ist, wird die Situation kompliziert.

Feldtheorien dienen dazu, diese Situation abstrakter und übersichtlicher zugleich zu gestalten. Durch einen Standpunktwechsel orientiert man sich nicht mehr – wie in unserem Beispiel – primär an den beiden Objekten, sondern an der Beziehung zwischen den beiden und führt die Größe g, in diesem Falle die des Gravitationsfeldes, ein. Dieses Feld, welches in jedem Punkt des Raumes definiert ist, wird durch die Formel g=GM/d2 beschrieben. Auf diese Weise kann man die Massenanziehung zwischen den o.a. Körpern A und B auch so bestimmen, dass das Objekt A im umgebenden Raum ein Gravitationsfeld g erzeugt, das nur von der Masse des Objektes A und dem jeweils betrachteten B im Raum abhängig ist. Dieses Feld wirkt auf jedes Objekt B der Masse mit der Kraft F=mg ein. B ist in dieser Perspektive nicht einer Anziehungskraft von A ausgesetzt, sondern einer von A erzeugten Gravitation. Die Blickrichtung auf ein Feld ist unabhängig von einem auf bestimmte Weise räumlich und zeitlich positionierten Gegenstand A. Verallgemeinernd kann man als Feld die Gesamtheit der allen Punkten des mit einem besonderen physikalischen Zustand verbundenen Raumes zugeordneten Werte von physikalischen Größen bezeichnen, die in der Regel nicht nur orts- sondern auch zeitabhängig sind. Theorien, die solche physikalische Felder beschreiben, bezeichnet man als Feldtheorien. Quantenfeldtheorien verbinden Feldtheorien und quantenphysikalische Erkenntnisse. Auf einer höheren Abstraktionsstufe, die u.a. durch die multiplikative Beschreibung von Quantenzuständen ihre letzte Anschaulichkeitsanmutung verliert, werden Felder selbst noch einmal zu wechselwirkenden Größen. Es gibt nicht nur die verschiedenen Arten von Kraftfeldern, sondern auch Materie kann als ‚Feld‘ betrachtet werden, was nicht etwa bedeutet, dass sie ‚nichts anderes als‘ ein Feld ‚ist‘. Die ‚Wahrscheinlichkeitswellen‘ der Quantenmechanik

1

Ich beziehe mich vor allem auf Serres/ Farouki, 2007, 268f.

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sind ‚raumfüllende‘ Felder, welche die Wahrscheinlichkeit angeben, dass sich ein Teilchen an diesem oder jenem Ort befindet. Mit dieser Terminologie ‚Welle‘ ist wieder die Gefahr einer falschen Anschaulichkeit für die populäre Rezeption gegeben. Ein Elektron ist etwas, das wie ein Teilchen einen Punkt auf einem Phosphorschirm zu hinterlassen vermag, obwohl wir es auch – aber nicht in der gleichen Hinsicht – als wellenartiges Feld vorstellen müssen, das zu einem Interferenzmuster auf einem Phosphorschirm gehört.

Es wird seit ungefähr achtzig Jahren auf der einen Seite die praktische Bedeutsamkeit der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeitswellen für die Vorhersage und Erklärung von Messergebnissen zweifelsfrei anerkannt. Auf der anderen Seite gibt es keine einheitliche Meinung über die spezifische Wirklichkeit dieser Wellen. Dies bedeutet, dass die physikalische und die naturphilosophische Diskussion zum Thema tief gespalten ist. Die Meinungen umfassen das Spektrum der Auffassungen, dass die Wahrscheinlichkeitswelle eines Elektrons das wirkliche Elektron sei, dass sie zumindest mit dem Elektron assoziiert sei, dass sie ein mathematisches Werkzeug zur Beschreibung der Elektronenbewegung sei oder dass sie der Definitionsbegriff dessen ist, was wir über das Elektron wissen können. Dabei ergibt sich als eine wichtige Denkmöglichkeit: Wenn man von der ontologischen Voraussetzung ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeitswelle das Elektron ist, dann ergibt sich für manche Physiker, die Perspektive auf eine Vielzahl von greifbar realen Ist-Zuständen des ‚Teilchens‘ und damit der Weg zu einer VieleWelten-Lehre. Eine Viele-Welten-Lehre führt dann eine populäre Rezeption leicht in Vorstellungen von ‚parallelen‘ Universen in denen es von Elfen, Orks und eigenen Doppelgängern wimmeln kann. Der von der Quantenmechanik eingeführte Wahrscheinlichkeitsbegriff geht davon aus, dass wir unabhängig von allen Verbesserungen, die wir auf dem Gebiet der Datensammlung und Rechnerkapazität erzielen mögen, nie zu etwas anderem imstande sein werden, als die Wahrscheinlichkeit dieses oder jenes Ergebnisses vorherzusagen. Nie werden wir mehr leisten können, als die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, mit der ein Elektron, ein Proton, ein Neutron oder irgendein anderer elementarer ‚Baustein‘ der Natur ‚hier‘ oder ‚dort‘ anzutreffen ist. Im Mikrokosmos herrscht aus der Perspektive des Menschen die Wahrscheinlichkeit1. Die Wahrscheinlichkeitswelle, terminologisch weniger objektivistisch formuliert: die Wellenfunktion, hat keine unmittelbare naturkausale Wirkung, sie lässt sich nicht messen, sondern ist die mathematische Beschreibung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein einzelnes Teilchen die prinzipiell gegebenen Möglichkeiten wahrnimmt.

1

Vgl. dazu Greene, 2004, 114.

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„Jede physikalische Situation wird … durch eine Wellenfunktion charakterisiert … diese Wellenfunktion bezieht sich nicht direkt auf die wirklichen Eigenschaften eines einzelnen Objekts, Ereignisses oder Prozesses. Man muss sie sich vielmehr als eine Beschreibung der Möglichkeiten innerhalb der physikalischen Situation denken. … Im Allgemeinen gibt die Wellenfunktion nur ein Wahrscheinlichkeitsmaß für die Verwirklichung verschiedener Möglichkeiten in einer statistischen Gesamtheit ähnlicher Beobachtungen an, die unter genau festgesetzten Bedingungen vorgenommen wurden, und kann nicht vorhersagen, was bei jeder einzelnen Beobachtung genau geschehen wird. Dieser Gedanke einer statistischen Ermittlung miteinander unvereinbarer Möglichkeiten unterscheidet sich offenbar sehr von der Verfahrensweise der klassischen Physik, in der sich kein Platz dafür findet, dem Begriff der Möglichkeit eine derart grundlegende Rolle beizumessen“1.

Die Wellen verschiedenster Art, die wir in unserer Menschenwelt vor Augen haben können und die ‚Wahrscheinlichkeitswellen‘ der Quantenmechanik sollte man in seiner Vorstellung nicht miteinander in Verbindung bringen. Letztere sind abstrakte Gebilde, die eine ‚Wellengleichung‘ erfüllen. Auch eine grafische Darstellung derselben impliziert nicht, dass ein ‚Teilchen‘ irgendwie auf einer Sinuswelle entlangläuft oder dass es zu einer Sinuskurve wie in einem Prokrustesbett ausgestreckt wird. Das Quadrat der Wellenfunktion ergibt nur die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Teilchen an einem bestimmten Ort befindet. Die Wahrscheinlichkeitswelle besitzt nicht den Status einer physikalischen Messgröße, sondern sie stellt ein mathematisches Hilfsmittel dar, welches dem betreffenden statistischen ‚Messvorgang‘ vorgeschaltet sein kann. Die Ermittlung der Wahrscheinlichkeitswelle bewegt sich im Bereich mathematischer Entwicklungen und kann dann statistische Vorhersagen ermöglichen. Die Prozesse der klassischen Mechanik verlaufen gleichsam auf einer eindeutigen Schiene, die sich sowohl von ihrem Anfang in die Richtung der Zukunft hin, als auch von ihrem Ende im Hinblick auf den Anfangspunkt berechnen lassen. Da dies in der Quantenphysik nicht möglich ist, entsteht das Bild einer nichtdeterminierten geheimnisvollen Sphäre unserer Wirklichkeit. Trotzdem kann man aber nicht davon sprechen, dass hier das Kausalprinzip nicht mehr gelte. Es gilt nur nicht mehr das Modell einer „perfekten, deterministischen Welt“2. Werner Heisenberg schreibt zu diesem Zusammenhang, dass man nicht mehr von einem Schema der Kausalität als „einfache Verknüpfung von Dingen in Raum und Zeit“ reden könne, wohl aber von Kausalität in der Hinsicht, „dass ein mathematisches Schema der Quantentheorie existiert“3. Für spätere metaphysische Deutungen relevant wird die Perspektive der Wellenfunktion auch durch das Problem der Nichtlokalität bedeutsam. 1 2

3

Bohm, 1985, 174f. Stamatescu, 316, der hier auch auf das von mir nun im Folgenden genutzte Zitat von Heisenberg aufmerksam macht. Heisenberg, 1958, 48.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

Zeilinger1 veranschaulicht dieses Thema anhand eines physikalischen Gedankenspiels. Wenn man sich vorstellt, dass ein Teilchen keinen Spin, keinen Eigendrehimpuls besitzt, dass dieses sich in zwei Teilchen aufspaltet, dass diese beiden Teilchen in einander entgegengesetzte Richtungen gejagt werden und dass dann an einem Teilchen die Messung seines Spins stattfindet, der sich erst durch diese Messung zeigt und vorher nicht festliegt, dann liegt mit der Messung der Spinrichtung des einen Teilchens zugleich die gleiche Ausrichtung des anderen Teilchen fest. Die beiden Teilchen zeigen ‚Wellenverhalten‘ bis zum ‚Kollaps‘ der Wellenfunktion des einen Teilchens, der unmittelbar zum Kollaps der Wellenfunktion das anderen Teilchen führt. „Und die räumliche Distanz der Objekte, an denen Spin-Messungen durchgeführt werden, kann sehr groß sein; so groß, dass nicht einmal mehr durch eine mit Lichtgeschwindigkeit übertragene Auswirkung einer etwa am linken Objekt erfolgten Spin-Messung für die Messung am rechten Objekt ein entgegengesetzter Wert herbeigeführt werden könnte“2. Nortmann bezeichnet die Nichtlokalität als einen „beunruhigende(r) Befund … der das Bild von Quantenobjekten als unabhängig voneinander existierenden Individuen mit je eigenen inneren Eigenschaften ein Stück weit in Frage stellt …“3. Das schreit geradezu nach einer metaphysischen Interpretation, wenn man sich in weitesten Entfernungen auseinanderliegende ‚Einzelne‘ vorstellt, die letzten Endes doch ein nicht auftrennbares ‚Gesamt‘ bilden. Und diese Vorstellung wiederum schreit danach, nicht nur auf elementare Wirklichkeiten, sondern auf Pflanzen, Tiere, Menschen und Planetensysteme angewandt zu werden. Doch davon später. Versuchen wir diese Situation philosophisch zu fassen. Mit dem physikalischen Feldbegriff, speziell mit dem quantenmechanischen Feldbegriff, wird die ‚Natur‘ konstituierende und nicht nur rekonstruierende Bedeutung der Mathematik als angewandte Wissenschaft sichtbar. Im Begriff des Feldes finden wir den Versuch, Zustände zu beschreiben, die sich im Wahrscheinlichkeits-‚Raum‘ von Punkt zu Punkt übertragen, die aber nicht bezogen werden müssen auf eine wirkliche ursächliche Bewegungsgrundlage. Auf diese Weise wird es möglich, durch genau definierbare mögliche – wahrscheinliche – ‚Zustände‘ alle messbaren Veränderungen in der Einheit definierbarer – möglicher – Beziehungen zu übergreifen. Gegenüber dem Modell einer Physik, die die physikalische Wirklichkeit als geradezu notwendigerweise verwirklichte Möglichkeit sieht, steht im Hintergrund des quantenphysikalischen Denkens das Modell einer modalen Transformation (Hermann Schrödter) der Realität. Der Blick auf das Teilchen in seiner Lokalität wechselt von der Suche nach einer verwirklichten Möglichkeit, einer Situierung im Hier und Jetzt zu einer vermöglichten Wirklich-

1 2 3

Vgl. Zeilinger, 2005, 70. Nortmann, 2008, 161. Nortmann, 2008, 162.

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keit1, die ihren Platz in einem mögliche Verwirklichungen repräsentierenden Wahrscheinlichkeitsfeld hat. Der Raum wird auf diese Weise nicht mehr als „leerer Behälter für ein passives Substrat“2 namens ‚Äther‘, ‚Materie‘, ‚Energie‘ u.ä. verstanden. Mit dem zum Feldbegriff gehörenden Zustandsbegriff wird das Feld nicht zu einem Zustand von einem Etwas, sondern jedes Etwas erhält seine Charakteristik vom Zustandsbegriff her. Indem aber auf diese Weise die Mathematik Repräsentantin einer physikalischen Gesetzmäßigkeit wird, taucht das Problem auf, zugleich mit dem zunehmenden Abschied von scheinbarer anschaulicher Bezogenheit der Physik auf die Lebenswelt darauf verzichten zu müssen, eine Dichotomie zwischen mathematischen Formeln und einer mysteriösen Welt metaphysischer Realität ‚an sich‘ annehmen zu können. So erwächst spätestens aus der quantenmechanischen Radikalisierung der Physik eine monistische Tendenz, im Feld die alles bestimmende Wirklichkeit des Transzendenten, das Sein als Grund aller Wirklichkeit immanent in einer durch Nichtlokalität bewiesenen ‚Ganzheitsrealität‘ anzusiedeln. Hier ist dann ein guter Bezugspunkt, um in das Reich der Metaphysik unter scheinbar streng physikalischem Maßstab überzugehen. Aktuelle Projektionsgrundlage für derartige metaphysische Bedürfnisse kann etwa das im Anschluss an Forschungen des britischen Physikers Peter Higgs (*1929) postulierte Higgs-Feld3 sein, für das der experimentelle Nachweis in den Teilchenbeschleunigern von CERN (European Organization for Nuclear Research) 2012 mit dem Higgs-Boson gefunden zu sein scheint. Das Higgs-Feld soll das ganze Universum als ein massegebendes Relikt des Urknalls durchziehen. Ein solches Relikt eines Geschehens, das für viele Zeitgenossen die moderne Alternative zur Schöpfung aus dem ‚Nichts‘ darstellt, könnte, so eine mögliche metaphysisch aufgeladene Meinung, etwa auch ‚Geistiges‘ enthalten. Die Unanschaulichkeit der mikrophysikalischen Welt ruft also nach Anschaulichkeit. Mit der Möglichkeit, unanschauliche physikalische Beschreibungen bewusst oder unthematisch zu interpretieren, eröffnet sich ein ganzes Spektrum von Auslegungswegen. Mindestens einige dieser Auslegungen sind metaphysischer Natur und einige dieser metaphysischen Auslegungen stellen Neomythen dar. Letztere allein sind für unseren Zusammenhang bedeutsam. Der nächste Schritt diese neomythischen Auslegungen der Quantenphysik zu untersuchen besteht darin, Anknüpfungspunkte für mögliche metaphysische und spezifisch neomythische metaphysische Interpretationsmöglichkeiten zu suchen.

1 2 3

In der Soziologie wird dieser Terminus anders verwendet als hier. Hönigswald, 1979, T.1, 200. Vgl. dazu Greene, 2006, 292-309 und Randall, 2006, 237-255.

62

QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

II.

Metaphysikförmige Nutzung der Quantenphysik in neomythischer Tendenz

1.

Metaphysik – eine kontextorientierte Bestimmung

Bei der Bestimmung dessen, was unter Metaphysik zu verstehen sei, gehe ich den traditionellen Weg, den Ausgangspunkt bei den unter dem Namen Metaphysik zusammengefassten Schriften von Aristoteles zu suchen. Dabei beziehe ich mich auf die berühmte Stelle im Buch Epsilon1. „Wenn es nun neben denen von Natur aus bestehenden Wesen nicht ein davon verschiedenes Wesen gibt, so dürfte wohl die Naturwissenschaft die erste Wissenschaft sein. Wenn es aber ein unbewegtes Wesen gibt, so ist wohl dies das frühere und die Philosophie ihr erster und allgemein, weil sie die erste ist. Und es dürfte wohl ihre Aufgabe sein, das Seiende zu betrachten, insofern es ein Seiendes ist, sowohl sein Was als auch das ihm Zukommende, insofern es seiend ist“1. Diese Frage nach dem, was das Seiende grundlegend ‚sein‘ lässt, ist nicht empirisch beantwortbar. In dieser Hinsicht ist Metaphysik die Lehre über das Transzendente, die allerdings nicht gleichzusetzen ist mit dem Bezug auf irgendeine Glaubensannahme, etwa die Annahme der Existenz eines monotheistischen Schöpfergottes, von Götterpantheons oder eines unbewussten Evolutionsgottes. Derartigen inhaltlich konkretisierenden Interpretationen dessen, was unter dem Sein des Seienden zu verstehen ist, ist die Metaphysik vorgelagert. Metaphysik ist – so schreibt der Philosoph Hans Wagner (1917-2000) – die „Lehre vom Transzendenten, d.h. von einer Art von Gründen für das Sein des Seienden, die selbst seiend, aber erfahrungsjenseitig sind, also nur insoweit erkannt werden können, als sie notwendig gedacht und gesetzt werden müssen – als die unerläßlichen Gründe, ohne die das Sein des Seienden nicht begriffen werden kann“2. Eine alltagssprachlich formulierte, bündige Definition legt Friedrich Hermanni in seinem Buch über Metaphysik. Versuche über letzte Fragen vor: „Metaphysik ist der Versuch, letzte Fragen mithilfe der Vernunft zu beantworten. Solche Fragen betreffen die Welt als ganze, den Grund der Welt und den Platz des Menschen in der Welt. Sie stellen sich unvermeidlich ein, können aber durch die Einzelwissenschaften nicht beantwortet werden“3. Wenn sich Metaphysik mit den Gründen für das Sein des Seienden, die selbst seiend, aber erfahrungsjenseitig sind, auseinandersetzt, dann kann sie weder eine einzelne empirische Wissenschaft (wie etwa die Quantenphysik) noch ein interdisziplinäres Forschungsprogramm sein. Im Hinblick auf die empirischen Wissen1

2 3

Aristoteles, 1984, 1026, a 27-32 (S. 157). Vgl. dazu Düring, 1966, 594 bis 594-596 und Wagner, 1959. Wagner, 1967, 407. Hermanni, 2011, 1.

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schaften ist die Metaphysik weder als disziplinär noch als interdisziplinär, sondern als transdisziplinär (Hermann Schrödter) zu verstehen. Metaphysik fragt nach den nur im Denken rekonstruierbaren notwendigen Voraussetzungen dafür, dass Ich erlebe etwas vollzogen werden kann. Diese Voraussetzungen sind den Erlebnisweisen Ich erlebe etwas physikalisch, Ich erlebe etwas biologisch etc. vorgeordnet. In dem Augenblick, in dem man diese Vorordnung übersieht und Metaphysik an eine einzelne fachliche Disziplin bindet, begibt man sich in das Fahrwasser einer unkritischen Metaphysik. Eine der Möglichkeiten, sich in diesem Fahrwasser zu bewegen sind die Neomythen. Die kurze Bestimmung von Metaphysik, die hier einleitend vorgestellt wurde, soll unserem Thema entsprechend eng auf den Kontext dieser Argumentation bezogen expliziert werden. Dazu setze ich beim Alltagswissen und bei den Mindestbedingungen von Wissenschaftlichkeit ein. Unter einem wissenschaftlichen Vollzug versteht man im Allgemeinen die Bemühung, [a] überprüfbare Aussagen, die [b] prinzipiell kommunikabel sind, gemäß einem [c] systematisch-theoretischen Zusammenhang nach Prinzipien zu bilden1. Besonders der erste Punkt dieser Definition, die Überprüfbarkeit, scheint auf ganz unproblematische Weise dem alltäglichen Verständnis von Erkennen entgegenzukommen. Überprüfbarkeit wird im alltäglichen Verständnis bezogen auf eine Empirie, die direkt durch einen der fünf Sinne erfasst werden kann. Dem entspricht ein schlichtes wissenschaftstheoretisches Verständnis, gemäß dem das Experiment als ein singulärer und eindeutiger Verifikations- und Falsifikationsprozess aufgefasst wird. Alltägliches Verständnis von Erkennen weiß sich gleichsam ‚direkt‘ mit dem Gegenstand konfrontiert. Es ist ihm unmittelbar einsichtig, dass ihm der Gegenstand an sich präsent ist und dass es den Gegenstand, so wie es ihn ‚hat‘, auch ‚gibt‘ und zwar so, dass es ihn auch dann gäbe, wenn es selbst nicht existieren würde – dass in dem „erkenntnisphilosophischen Verhältnis von Erkenntnis und Gegenstand die Erkenntnis den von ihr unabhängigen, auch ohne sie vorhandenen, durch ihr Erkennen nicht veränderbaren Inhalt des Gegenstandes erfaßt und darstellt“ 2. Nun steht aber eine derartige alltäglich-objektivistische Position – wenn sie sich philosophisch klären will – prinzipiell vor dem Problem, die Dimensionsqualität des Wissens von Seiendem im Hinblick auf seine Leistung für die Erkenntnis so zu bestimmen, dass einerseits dem Denken als Handeln des Subjekts keine bestimmende Bedeutung in Ansehung des Gegenständlichen zugesprochen und an-

1 2

Vgl. dazu Frey, 1970, 22. Reisinger, 1979, 11.

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dererseits aber auch das Subjekt als ‚Vollzugsort‘ von Erkenntnis nicht ausgeschaltet wird. Man kann versuchen, auf die Unterscheidung von intentio recta und intentio obliqua Bezug zu nehmen und eine Stufung von Erkennen zu entwerfen. Das Denken kann dann in der intentio recta sein Handeln nicht mitdenken und ist ganz bei dem an sich Erkannten. Erst in der intentio obliqua weiß es seinen Bezug auf dieses Ding an sich. Dabei stellt sich aber das Problem, dass sich damit die Frage nach der Wahrheit dieses Bezuges auf den Gegenstand im Hinblick auf die intentio recta – die ja den ‚wirklichen‘ Gegenstand konstituieren soll – auflöst. Insofern ‚ich‘ in der intentio recta nicht die Wahrheit dieses Gedankens vom Gegenstand an sich mit meinen kann, kann ‚ich‘ in der intentio recta auch nicht die Wahrheit des Gegenstandes selbst haben.

Nach Kant sind hingegen die „Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung überhaupt Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung“1. Dieser Satz impliziert keinen Subjektivismus im Erkennen, sondern meint, dass es unmöglich ist, erkenntnistheoretische Stufungen in der Konstitution von als wahr betrachteter Erkenntnis anzunehmen. Es gibt nicht erst den Gegenstand, der anschließend erfahren wird. Philosophisch betrachtete Gegenstandskonstitution macht keine ereignishaft-zeitliche Genese von Erkenntnis verständlich, in der beschrieben wird, wie das Subjekt zum Gegenstand ‚kommt‘, den es erkennen will. Philosophie geht vielmehr davon aus, dass die Möglichkeit von Erkenntnis als Gesprächsbereich der Frage nach dem Subjekt und dem Gegenstand der erkenntnisphilosophischen Frage nach dem als für sich betrachteten Gegenstand und dem individuellen Subjekt vorausgeht. Somit ist es nicht möglich, einen Gegenstand ohne Subjekt und ein Subjekt ohne Gegenstand zu denken. Gegenständlichkeit – wie dieser übergreifende Gesprächsbereich mit Richard Hönigswald (1875-1947) bezeichnet werden kann – konstituiert, als unhintergehbare Prämissse diese zu denken, die Subjekt-Objekt-Beziehung. D.h. ohne die Voraussetzung von Gegenständlichkeit kann keine Erkenntnisleistung gedacht werden. Es gibt dabei keine Annahme eines subjektunabhängigen Ansichseins, das dem Subjekt ‚für sich‘ nicht zugänglich, aber ‚an sich‘ real das Wahre sein soll. Ein solches Ansichsein könnte zwar näherhin als das real Wahre am Gegenstand behauptet, aber paradoxerweise nicht anders denn als reiner Gedanke gedacht werden.

Gegenständlichkeit, das Sein, kann nicht handhabbar werden wie ein einzelner Gegenstand, weil sie die Öffnung des Erkennens und des Erkannten zueinander als Prämisse der Erkenntnis von Wirklichkeit symbolisiert. Gegenständlichkeit ist eine nicht hintergehbare Voraussetzung, die das Erkennen aus seinem Selbstvollzug heraus rekonstruiert und sie besteht zunächst nur als Rekonstruktion von not-

1

Kant, 1781, A 158.

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wendigen Prämissen des menschlichen Selbstvollzugs. Weil das Sein nur in der Rekonstruktion von notwendigen Voraussetzungen des Denkens und nicht in der Hinwendung zu irgendwelchen und seien sie noch so grundlegenden Phänomenen thematisch werden kann, ist es unsinnig, irgendeinen Phänomenbereich herauszugreifen und zu behaupten, dass hier das ‚Sein als solches‘ untersucht werden könne. In metaphysischer Hinsicht unterscheidet sich die Quantenphysik hinsichtlich ihres Erkenntnisbereiches deshalb prinzipiell nicht von anderen Wissensbereichen. Dies wird – wie wir sehen werden – gern und oft übersehen. Nicht nur für die interessierte Öffentlichkeit, sondern auch für namhafte Naturwissenschaftler spielt die Quantenphysik oft eine solche metaphysikförmige Rolle. Wir werden später näher erläutern, wieso die Quantenphysik sich durch eine große öffentliche Metaphysikförmigkeit und als Bezugspunkt für neomythische Spekulationen sowohl für Fachwissenschaftler als auch für Laien auszeichnet. Die folgenden beiden Unterabschnitte sollen diese Erläuterung vorbereiten.

2.

Alltägliches Begreifen – Abstraktionsbegriffe – Definitionsbegriffe

Beginnen wir mit einer Reflexion auf das Begreifen beziehungsweise dessen Produkt, den Begriff. Begriffe sind im alltäglichen, vorwissenschaftlichen Kontext verallgemeinerte Beschreibungen von Erlebnissen, die in dieser reflektierten Form als Erfahrungen sich niederschlagen und verbalisiert werden. Sie erhalten einen Namen (Terminus), durch den diese Beschreibung auf abgekürzte Weise intersubjektiv wird. Dieser ist oft stark sinnbildlich und anschaulich. Die vorwissenschaftlichen Begriffe stammen meist aus dem alltäglich-lebensweltlichen Bereich oder beziehen sich auf abstrakte Ideen. Eine wissenschaftliche Begriffsbildung geht nach expliziten Definitionsregeln vor. Durch ein Geflecht oft nicht selbstverständlicher Relationen zu anderen Begriffen eines begrifflichen Feldes beginnt auch schon eine im makrophysikalischen Bereich arbeitende wissenschaftliche Begriffsbildung der vorwissenschaftlichen Erfahrung fremd zu werden. Doch gibt es trotz aller idealisierenden Modellbildung einen immer noch nahezu direkt erscheinenden Bezug zum Ausgangspunkt – der alltäglichen Erfahrung dieser makrophysikalischen anschaulichen Welt. Oft gehört zur wissenschaftlichen Begriffsbildung die Skalierung. Durch die Festlegung einer Messskala kann die makrophysikalische Welt exakter beschrieben werden. Viele Wissenschaften haben deshalb ein Interesse in der „Begriffskommunikation“1 von den umgangssprachlichen Worten zu anderen Zeichensystemen überzugehen. Der Übergang von den Wortzeichen zu den Symbolzeichen

1

Lay, Bd. 1, 1965, 186, dem ich hier folge.

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lässt die Formeln entstehen. Für die klassische Physik gilt allerdings immer noch, dass es oft einen prinzipiell möglichen oder zumindest scheinbar so gegebenen Rekurs auf Anschaulichkeit gibt. Die klassische Physik verwendet – etwa im Hinblick auf den Massenpunkt – immer noch Abstraktionsbegriffe (Rupert Lay). Mit der durch die Stichworte Quantenphysik und Relativitätstheorie markierten Zäsur des Bezuges auf die physikalische Welt wird aus den Abstraktionsbegriffen endgültig ein System von Definitionsbegriffen. Definitionsbegriffe sind dadurch charakterisiert, dass wir nicht mehr angeben können, „für welche Realität ein solches Zeichen eigentlich steht“1. Definitionsbegriffe beziehen sich auf eine weder unmittelbar noch mittelbar anschauliche Realität. Mit der speziellen Relativitätstheorie werden Länge, Dauer eines physikalischen Prozesses und die Menge der dabei beteiligten trägen Masse unselbstverständlich in dem Sinne, dass sie ihren Absolutheitscharakter verlieren. Die alltägliche Anschauung unserer physikalischen Wirklichkeit konnte sich noch an die klassische Physik anschließen. Vom Müller, der eine Windmühle betreibt, zu Isaac Newtons Bewegungsgesetzen gibt es noch einen direkteren Weg hin und zurück. Der Weg zu Albert Einstein ist dem Müller hingegen verschlossen. Die allgemeine Relativitätstheorie macht darüber hinaus die selbstverständlich scheinende Raumanschauung unselbstverständlich. Mit dem Konzept einer nichteuklidischen, an einem metrischen Feld orientierten Raumzeit kann man einen endlichen und doch unbegrenzten kosmischen ‚Raum‘ denken.

Mit dem Auftreten von Definitionsbegriffen verändern sich die Ansprüche an eine Theorie. Eine solche Theorie kann nicht mehr die Realität in irgendeiner Weise ‚spiegeln‘. Es ist nur noch zweierlei von ihr zu verlangen. Sie muss logisch konsistent sein und sie muss in der Lage sein, Versuchsergebnisse richtig vorherzusagen und vorliegende Versuchsergebnisse mindestens auch verständlich zu machen und möglichst auf vertiefte Weise rekonstruieren zu können. Die moderne Physik konfrontiert die Mathematik mit dem Problem, sich selbst für eine bestimmte physikalische Fragestellung zu erfinden. Henri Poincaré (1854-1912) schreibt im Hinblick auf Joseph Fouriers (1768-1830) Théorie analytique de la chaleur (1822), dass diese Untersuchung nicht nur für die „Theorie der Wärme, sondern auch für die Entwicklung der Analysis von größter Bedeutung wurde und so einen Markstein in der Geschichte der Mathematik bezeichnet“2.

Mit dem die Rezeption betreffenden – öffentlichen – ‚Dünnerwerden‘ der Realitätshaltigkeit der wissenschaftlichen Atmosphäre ergibt sich aber das Problem einer intersubjektiven Rechtfertigung ihrer ontologischen Dignität auf eine vertiefte Weise3. Für den binnenwissenschaftlichen Vollzug ist diese Sachlage kein Problem. Der Wirklichkeitsbezug der Definitionsbegriffe wird allerdings für die Öf1 2 3

Lay, Bd. 1, 1965, 186. Poincaré, 1906, zit. nach Hönigswald, 1969, Bd. 1/198f. Vgl. etwa Emter, 1995; Kropf, 2000, 205-219; Schlichting, 2000.

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fentlichkeit und für manche an Sinnfragen orientierte Perspektive auch innerhalb der Wissenschaftlergemeinschaft in dem Augenblick drängend, wenn, wie oft im Falle der Quantenphysik, thematisch oder unthematisch der Anspruch erhoben wird, mit ihr letzte Fragen unserer Realität als solcher zu beantworten. Damit sind wir beim Thema der Metaphysikförmigkeit der Quantenphysik angekommen.

3.

Quantenphysik und Erkenntnisgrenzen: Das heuristische Postulat einer unbestimmten kinetischen Energie

Physiker beziehen sich auf die Quantentheorie im Allgemeinen unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirksamkeit zur Erklärung und Gestaltung unserer Wirklichkeit. „Das Vorgehen und die Schriften von Physikern gehen stillschweigend von einer Weltsicht aus, die auf Gewohnheit und widerstandsfähigem gesunden Menschenverstand beruht. Physiker nutzen subatomare Teilchen in Laborexperimenten und als Einzelteile in der freien Wirtschaft; die Elektronenindustrie stützt sich wesentlich auf die Manipulation der Quantenwelt“1. Der physikalische Alltag in seiner Prosa braucht keine Poesie der Metaphysik. Mit dieser angesprochenen Manipulation der mikrophysikalischen Welt wird aber trotz allem auch die Frage nach ihrer spezifischen Art von Realität und zugleich die des Umgangs mit dieser Frage gerade in Zeiten einer höheren Sensibilisierung für Technikfolgen unumgänglich. Es stellt sich dann die Frage, wie die spätestens mit der Nutzung der Quantenphysik und damit mit der entsprechenden Manipulation eines Naturbereiches gegebene ethische und öffentliche Legitimation dieser Methoden im Kontext eines Selbst-, Welt- und Zukunftsentwurfs aussehen könne. Damit wird aus der Metaphysik für physikalische Sonntagsfestredner und physikalistisch orientierte Sinnsucher eine lebensbedeutsame Frage. Anschaulich schreibt Peter Atkins: „Nie zuvor gab es eine Theorie der Materie, die unter Philosophen so viel Bestürzung auslöste. Und nie zuvor hat eine Theorie der Materie existiert, die sich unter Physikern als derart zuverlässig erwiesen hat. Bisher wurde keine Ausnahme zu den Prognosen der Quantenmechanik beobachtet – und keine Theorie ist je so intensiv und mit solcher Genauigkeit überprüft worden. Dennoch gibt es ein Problem: obwohl wir die Theorie sehr geschickt und kompetent einsetzen können und trotz 100jährigen Meinungsaustauschs kennt niemand genau die Bedeutung des Ganzen. Gleichwohl hängen nach Schätzungen 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der USA in irgendeiner Form von der Anwendung der Quantenmechanik ab“2.

1 2

Auyang, 1995, 4. Atkins, 2006, 279f.

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In der naturphilosophischen Einschätzung der Quantenphysik werden üblicherweise zwei grundlegende Schulen unterschieden1. Die Kopenhagener Schule geht von einem „Verzicht auf die Objektivierbarkeit des atomaren Geschehens“2 aus. Das Messverfahren wird letzten Endes als Ursache des Beobachtungsergebnisses betrachtet. Naturwissenschaft im mikrophysikalischen Bereich sei – so Werner Heisenberg – ein schöpferischer Akt des Subjekts durch das die Natur zu einem „Teil des Wechselspiels zwischen Natur und uns selbst (werde, L.H.). Sie beschreibt die Natur, die unserer Fragestellung und unseren Methoden ausgesetzt ist“3. Damit stehe moderne physikalische Theorie vor einer grundsätzlichen Spannung. Sie betrachte etwa – so Pascual Jordan (1902-1980)– das Elektron als „Etwas, mit dessen von der Kunst des Experimentatoren erreichten Erfassung, wir an eine endgültige Grenze alles Forschens und Wissens gestoßen sind“4. Und Jakob von Uexküll (1864-1944) nimmt folgendermaßen eindeutig Stellung: „Wenn sich die neuen Arbeitshypothesen besser bewähren als die alten, entstehen neue Axiome, und da die naturwissenschaftlichen Axiome die Aufgabe haben, die Phänomene zu deuten, entstehen mit ihnen auch andere Vorstellungen und Begriffe. Da wir aber die Natur nur aufgrund unserer naturwissenschaftlichen Vorstellungen und Begriffe kennen, so heißt das letztlich, daß sich auch die Natur mit den Aktionen verändert, von denen wir bei ihrer Deutung ausgehen“5. Die so genannte Göttinger Schule könnte mit Max Planck (1858-1947) als ihren Grundsatz formulieren: „Die Aufgabe der Physik ist, nicht Ergebnisse zu beschreiben, sondern die reale Außenwelt zu erkennen“6. Und Albert Einstein formuliert diesen Anspruch so: „Die Physik ist das Bemühen, das Seiende als etwas begrifflich zu erfassen, was unabhängig vom Wahrgenommenen gedacht wird …“7. Die Position der Göttinger Schule kann als Ausdruck einer vorsichtigen erkenntnistheoretischen Ortung verstanden werden. Es wird zunächst nur ein unbestimmtes, nicht-subjektives ‚Etwas‘ vorausgesetzt. Diese Voraussetzung will ich im Folgenden mit Rupert Lay als Postulat der kinetischen Energie bezeichnen. Zu diesem Postulat gelangt man auf folgende Weise: Eine auf mikrophysikalische Dimensioniertheit bezogene und mit Definitionsbegriffen ausgeführte Theorie ermöglicht eine stringente Auskunft für einen makrophysikalischen Bereich, der vorher nicht widerspruchsfrei beschrieben werden konnte. Ausgehend von diesem Faktum kann man eine ontologische Mindestbedingung formulieren: Jeder 1 2 3 4 5 6

7

Vgl. dazu im Folgenden Lay, Bd. 1, 1965, 190-199. Weizsäcker, 1946, 127. Heisenberg, 1959, 66. Jordan, 1947, 23f. Uexküll, 1953, 41. Planck, 1949, 234. Über die schwierige Grenzziehung zwischen Beobachtungsdaten und -methoden und der Frage des Wirklichkeitsbezuges und damit zwischen beiden Schulen: vgl. Redhead, 1987, 44f. Einstein, 1949, 198.

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Physiker, der auf der Basis von Definitionsbegriffen experimentell arbeitet, setzt – thematisch oder unthematisch – notwendigerweise voraus, dass sich hinter dem Operator (im Hinblick auf eine Ψ-Funktion) beziehungsweise hinter der Matrix, die die dem Messverfahren entsprechende makrophysikalischen Gegebenheit ‚vertritt‘, eine mikrophysikalische Wirklichkeit verbirgt, die in einer nicht weiter beschreibbaren Ähnlichkeitsbeziehung zu der betreffenden makrophysikalischen Gegebenheit steht. „Wenn sich also eine Versuchsanordnung als geeignet erwiesen hat, die kinetische Energie eines makrophysikalischen Systems zu messen und diese Versuchsanordnung auch bei der Messung eines mikrophysikalischen Systems zu einer Antwort führt, dann wollen wir jene Eigenschaft des mikrophysikalischen Systems, das diese Antwort bewirkt, obwohl es im Formalismus durch ein begriffsleeres Symbol, ein Zeichen ohne Zeichenfunktion, ausgedrückt wird, als kinetische Energie eines mikrophysikalischen Systems bezeichnen“1.

Das Postulat der kinetischen Energie ist erkenntnistheoretisch betrachtet im Kontext der metaphysischen Grundlagen der Mikrophysik angesiedelt. Es beschreibt eine durch das Subjekt zu setzende notwendige Voraussetzung mikrophysikalischen Erkennens. Über das pure ‚Dass‘ der Existenz einer solchen kinetischen Energie, deren spezifische Artung unbestimmt bleibt, hinaus zu gehen bedeutet‚ dieses Postulat auszulegen. Ab diesem Punkt beginnt der Bereich weitergehender metaphysischer Interpretationen, die prinzipiell legitim sind. Wichtig ist im Hinblick auf eine solche weitergehende Metaphysik der Natur des mikrophysikalischen Bereiches allerdings als Mindestbedingung, dass der Interpret ein Bewusstsein des Interpretationscharakters und damit auch der – durch sein radikal endliches Menschsein gesetzten – erkenntnistheoretischen Grenzen seiner Aussagen hat. Die Bedeutung des letzteren Gesichtspunktes wird endgültig sichtbar werden, wenn wir uns den in neomythische Bereiche weisenden Auslegungen der Quantenphysik zuwenden.

4.

Wo Rezeption der Quantenphysik stattfinden kann

Nachdem einige grundlegende Gesichtspunkte der Quantenphysik und ihres Verhältnisses zur klassischen Physik beziehungsweise zur Alltagserfahrung dargelegt wurden, soll die Frage gestellt werden, wo quantenphysikalische Erkenntnisse nicht allein für den fachwissenschaftlichen, sondern auch für den laienhaften Zugriff Anknüpfungspunkte zu einer metaphysischen Interpretation bieten. Dazu erinnere ich an das weiter oben Gesagte über das literarische Genre der Fachliteratur, das ich in verschiedene Stufen der Differenziertheit und Rezeption

1

Lay, Bd. 1, 1965, 189.

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untergliedert habe. Dabei wurden eine innerwissenschaftliche Diskussion, eine gebildete Rezeption und eine Zufallsrezeption unterschieden. Die innerwissenschaftliche Diskussion findet sich auf der Ebene der Zeitschriftenwissenschaft, der Tagungswissenschaft und der institutsinternen seminary papers. Innerwissenschaftlich angesiedelt sind auch noch Monographien aus der Perspektive einer bestimmten Schulrichtung. Die dem Anspruch nach die communis oppinio spiegelnde Handbuchwissenschaft repräsentiert hingegen nach innen wie nach außen hin ‚den‘ Stand der Wissenschaft, nach dem künftige Wissenschaftler prinzipiell ausgebildet werden könnten. Die Handbuchwissenschaft bildet den Übergang auch zur gebildeten Rezeption. Wer etwa eine populärwissenschaftliche Darstellung auf der Komplexitätsstufe der Sachbuchwissenschaft verfassen will, kann dies in der Auseinandersetzung mit der Handbuchwissenschaft tun. Von daher bietet es sich an, Absprungmöglichkeiten von der Quantenphysik zur Metaphysik im Ausgang von der Handbuchwissenschaft darzustellen. Ich will an dieser Stelle erneut auf die hermeneutische Bedeutung des im zweiten Band entwickelten Kolportagebegriffes hinweisen. Dieser Gesichtspunkt wird hier relevant. Als Kolportage war ein Längeres Gedankenspiel bestimmt worden, das aus unterschiedlichen Werken oder Wirklichkeitsbereichen einen bisher ungewohnten und fremdartigen Aspekt (Kolportagetopos) herausarbeitet, durch den das Verstehen neue und oft faszinierende Maßstäbe angeboten bekommt, die zu einer Entscheidung über deren Triftigkeit herausfordern. Die Wissenschaftsförmige Kolportage wurde als spezifische Form der Kolportage bestimmt. Sie verabsolutiert unter dem Schein erfahrungswissenschaftlicher Grundlegung Maßstäbe einer speziellen Disziplin und/oder auch mehrere aktueller Leitwissenschaften, findet in diesen ihren Kolportagetopos und deutet aus diesem die Teilbereiche des Lebens oder auch der Wirklichkeit im Ganzen. Hinter dem Interesse an einer Kolportage findet sich oft – in spielerischer oder ernsthafter Form – die Sehnsucht nach dem Grandiosen Verstehen der Welt. Dieses Grandiose Verstehen kann sich auch auf die Rezeption der Quantenphysik richten. Fachwissenschaftler und Laien verbinden bestimmte Themen der Quantenphysik mit bestimmten anthropologisch und epochal begründeten Interessenlagen, wie etwa der Lösung der metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne oder den Bezug auf die wissenschaftsfundierte Technik. Fachwissenschaftler und Laien trennt hingegen der direkte Bezug auf die fachwissenschaftliche Fragestellung. Auf der Suche nach einem Ausgangspunkt für die Rezeption quantenphysikalischer Problemlagen stößt ein gebildeter Laie auf die Handbuchwissenschaft oder er stützt sich auf Sachbücher, wenn ihm in ersterer zu viel Mathematik geboten wird. Sowohl in der Handbuchwissenschaft als auch – und zwar besonders – in der Populärwissenschaft lassen sich Formulierungen finden, die in einer laienhaften Lektüre Anknüpfungspunkte zu einer Metaphysik, die sich selbst als Form der Physik missversteht, bieten.

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Aufgrund der gemeinsamen anthropologischen und epochalen Situation sind diese Anknüpfungspunkte ebenfalls von Bedeutung für Fachwissenschaftler, die sich in den Bereich der naturphilosophischen Reflexion ihrer Wissenschaft vorwagen wollen und nach verbalen Anknüpfungspunkten für eine populäre Darstellung oder für eine philosophische Reflexion suchen. Auch Fachwissenschaftler haben das Bedürfnis nach einer philosophischen Grundlegung ihrer Disziplin und darüber hinaus an Sinnstiftung. Auf der Suche nach solchen metaphysikförmige Interessen evozierenden Wegweisern, nach Absprungpunkten in das Reich des Drüben, dass auf diese Weise nicht selten zum Reich des Trüben (Ernst Bloch, 1885-1977) wird, habe ich folgende Handbücher gesichtet: Tipler, P.A./ Mosca, G., Physik für Wissenschaftler und Ingenieure (2007²), Tipler, P./ Llewellyn, R.A., Moderne Physik (2003), Hollemann, A.F./ Wiberg, N., Lehrbuch der anorganischen Chemie (2007), Atkins, P.W./ Paula, J. de, Physikalische Chemie (20064 vollständig überarbeitete Auflage), Trautwein, A., u.a., Physik für Mediziner, Biologen, Pharmazeuten (2008), Schwabl, F., Quantenmechanik. Eine Einführung (2007), Leisi, H.-J., Quantenphysik. Eine Einführung anhand elementarer Experimente (2006), Scherz, U., Quantenmechanik. Eine kompakte Einführung (2005), und Haken, H./ Wolf, C., Atom- und Quantenphysik. Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen, (20048).

Im Folgenden werde ich so vorgehen, dass ich Anknüpfungspunkte für metaphysische und speziell für neomythische Interessenlagen im Ausgang von den oben angesprochenen Handbüchern erörtere beziehungsweise deutlich mache, dass diese in diese Handbücher hineininterpretiert werden.

5.

Welle-Teilchen-Dualismus, Komplementarität und Alchemie

Hermann Haken und Christoph Wolf weisen dem Doppelspaltexperiment in ihrem Lehrbuch über Atom- und Quantenphysik eine symbolträchtige Position zu. Direkt hinter dem Inhaltsverzeichnis, herausgehoben, weil ohne sichtbare Seitenangabe platziert, wird es unter der Überschrift „Ein grundlegendes Experiment zur Quantenphysik: Welle-Teilchen-Dualismus der Materie“ vorgestellt1. Der Terminus Welle-Teilchen-Dualismus der Materie fällt im folgenden Text dann noch einmal. Mit dieser Terminologie, der leicht einen Dualismus innerhalb der Materie selbst assoziiert, kann für den Leser der Anschein entstehen, dass hier objektive Zusammenhänge der mikrophysikalischen Wirklichkeit in ihrem An sich-sein gemeint werden. Diesen Anspruch verstärkt auch die Rede, dass das Helium-Atom in einem Experiment „seinem Wesen nach als ein Teilchen … erscheint“2 und sich an-

1 2

Haken/ Wolf, 2004, XVII. Haken/ Wolf, 2004, XVII.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

dererseits die Helium-Atome „als Welle … verhalten“1. Im Text selbst wird allerdings ontologisch wertneutral von einem „Welle-Teilchen-Charakter“2, einer „Wellenerscheinung“3 und dass sich Licht „wie Teilchen verhält“4 geredet. Paul A. Tipler und Gene Mosca agieren in ihrem Lehrbuch Physik für Wissenschaftler und Ingenieure, das sich mehr mit der klassischen Physik beschäftigt, erkenntnistheoretisch vorsichtig, wenn es um den Welle-Teilchen-Dualismus geht. „Alles, was Impuls und Energie trägt … zeigt sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften. Man könnte daher versucht sein zu sagen, dass beispielsweise ein Elektron sowohl eine Welle als auch ein Teilchen darstellt. Aber die Bedeutung dieser Aussage ist unklar. In der klassischen Physik schließen die Vorstellungen von Wellen und Teilchen einander aus“5. Man wisse heute, dass die klassischen Vorstellungen von Wellen und Teilchen das Verhalten des betreffenden mikrophysikalischen Objekts „bei vielen Phänomenen nicht vollständig beschreiben können. Alle Objekte bewegen sich wie Wellen und tauschen Energie wie Teilchen aus“6. Explizit erkenntnistheoretisch vorsichtig schreiben die Autoren, dass es davon abhänge „welche Vorstellung wir heranziehen“7. Paul A. Tipler und Ralph A. Llewellyn bemerken im Handbuch Moderne Physik über den Welle-Teilchen-Dualismus: „Materie und Strahlung besetzten Teilchen- und Wellenaspekte“. Die Autoren schreiben über wellen- und teilchenartige „Merkmale“8 von mikrophysikalischen Phänomenen. „Untersuchen wir Emissions- oder Absorptionsvorgänge, so spielen die Teilchenaspekte die vorherrschende Rolle. Breitet sich Materie oder Strahlung im Raum aus, dominiert offensichtlich die Wellennatur“9. Materie verhalte sich also „wellenähnlich und teilchenähnlich“10. Dieser erkenntnistheoretisch zurückhaltenden Position entspricht die zustimmende Erwähnung des Physiknobelpreisträgers Richard Phillips Feynman (1918-1988), der von der Voraussetzung ausgeht, dass man etwa das DoppelspaltExperiment beobachten und beschreiben und zugleich die Frage nach seinen ontologischen Konsequenzen als Rätsel im Raum stehen lassen solle11. Im Handbuch über die Physikalische Chemie von Peter W. Atkins und Julio de Paula weisen die Autoren zunächst – die Quantenmechanik einleitend – darauf hin, „dass die Unterscheidung zwischen ‚Teilchen‘ und ‚Materie‘ nicht eindeu-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Haken/ Wolf, 2004, XVII, Hervorhebung L.H. Haken/ Wolf, 2004, 85. Haken/ Wolf, 2004, 53. Haken/ Wolf, 2004, 54. Tipler/ Mosca, 2007, 1128. Tipler/ Mosca, 2007, 1129. Tipler/ Mosca, 2007, 1129. Tipler/ Llewellyn, 2003, 272. Tipler/ Llewellyn, 2003, 272. Tipler/ Llewellyn, 2003, 273. Vgl. dazu Polkinghorne, 2006, 41. Atkins/ Paula, 2006, 283.

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sei. Einige Seiten später kommen sie dann auf den Welle-Teilchen-Dualismus zu sprechen. Auch hier wird eine ontologische Charakteristik vermieden, wenn von Welleneigenschaften und Teilcheneigenschaften beziehungsweise ihrem entsprechenden Charakter die Rede ist1. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Rede von der Welle in der Quantenmechanik die Rede von der Wellenfunktion Ψ sei2. Von Wellen- und Teilcheneigenschaften der Materie sprechen auch Alfred X. Trautwein, Jürgen Hüttermann und Uwe Kreibig in ihrer Physik für Mediziner, Biologen, Pharmazeuten und legen dann terminologisch fest, dass man diese „Eigenschaft der Materie“ als „Welle-Teilchen Dualismus oder -Dualität“ zu bezeichnen pflege3. Ontologisch unaufgeladen spricht Franz Schwabl in seiner Quantenmechanik. Eine Einführung4 vom „Teilchencharakter“ des Lichts und von seinen „Welleneigenschaften“. Udo Scherz verwendet in seiner Quantenmechanik. Eine kompakte Einführung die Termini „Wellennatur“ und „Teilchennatur“ und spricht in diesem Zusammenhang vom „Welle-Teilchen-Dualismus“5, ohne eine ontologische Bedeutung zu unterstellen. Nils Wiberg (er führt Arnold Frederik Hollemanns Werk fort) spricht vorsichtig in dem Lehrbuch der Anorganischen Chemie: „In vielen Fällen wie den Beugungs- und Interferenzerscheinungen verhält sich das Licht wie eine Welle und wird dann zweckmäßig durch eine Wellenlänge charakterisiert. In anderen Fällen … gleicht aber das Licht mehr einem durch eine bestimmte Energie bzw. bestimmte Masse charakterisierbaren Teilchen (‚Welle-Teilchen-Dualismus‘ …)“6. Hans Jörg Leisi setzt in seiner Quantenphysik. Eine Einführung anhand elementarer Experimente mit einem erkenntnistheoretisch signifikanten Postulat ein. Die Beugung von Licht am Spalt und die Streuung von α-Teilchen an Atomkernen zeige, dass „Licht und α-Teilchen sowohl Welleneigenschaften als auch Teilcheneigenschaften“7 hätten. Die beiden Experimente zeigten, dass im Bereich der Quantenphysik Maßstäbe der klassischen Physik hinsichtlich des Teilchen- und Wellenbegriffs nicht passten. „Die doch sehr unterschiedlichen Experimente weisen beide sowohl Teilchencharakter als auch Wellencharakter auf. Teilchencharakter im Falle von Licht bedeutet aber nicht ein Verhalten wie klassische Teilchen … Wellencharakter im Fall der α-Teilchen bedeutet nicht ein Verhalten wie klassische Wellen“8.

1 2 3 4 5 6 7 8

Etwa: Atkins/ Paula, 2006, 289f. Vgl. Atkins/ Paula, 2006, 295. Vgl. Trautwein u.a., 2008, 294. Vgl. Schwabl, 2007, 7 u.ö. Scherz, 2005, 9; vgl. auch 10: „Wellennatur von Elementarteilchen“ und vgl. 15. Hollemann/ Wiberg, 2007, 101, Hervorhebungen L.H. Leisi, 2006, 27. Leisi, 2006, 35.

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Um diesen spannungsreichen physikalischen Sachverhalt beschreibbar zu machen, postuliert er das „Quantonprinzip: Alle Objekte im Bereich der Quantenphysik (Photonen, α-Teilchen, Elektronen, Nukleonen, Atome etc.) sind eine neuartige Spezies – weder Welle noch Teilchen – genannt Quantonen, die universellen quantenphysikalischen Gesetzen gehorchen“1. Das Quantonprinzip gehöre in den Bereich des heuristischen Denkens. Leisi sucht hier „grundlegende Begriffe und allgemeine Gesetze, die es noch gar nicht gibt – wir erfinden sie!“2 Mit dem Bewusstsein des postulatorischen und heuristischen Charakters dieses in seiner Abstraktheit dem oben angegebenen Postulat einer unbestimmten kinetischen Energie vergleichbaren Prinzips, wahrt Leisi metaphysische Vorsicht. Machen wir nun einen weiteren Schritt in der Darstellung populärer Physikrezeption beziehungsweise -präsentation. Es geht hier um die Frage, wie man im Ausgang von diesen Handbüchern beziehungsweise von Sachbüchern, die in Auseinandersetzung mit solchen Handbüchern verfasst werden, Absprungpunkte für eine erkenntnistheoretisch oft problematische metaphysische Interpretation finden kann. Es besteht etwa die Möglichkeit, den Welle-Teilchen-Dualismus der Materie mit einer ‚schwachen‘ und einer ‚starken‘ metaphysischen Bedeutung aufzuladen. Im einen Falle – der schwachen metaphysischen Auslegung – wird man auch im Falle einer weltbildhaft und weltanschaulich interessierten Lektüre den Ausdruck Welle-Teilchen-Dualismus der Materie in den Handbüchern so verstehen, dass es sich hier um eine terminologische Festlegung handelt, die noch keine ontologische Behauptung darstellt. Hier wird man sich darauf beziehen, dass in den Handbüchern von einem Sich zeigen und von einem Erscheinen geredet wird. Im Hinblick auf eine Ontologie der Natur wird man hier zunächst einmal zu der Auffassung kommen, dass die quantenphysikalischen Hypothesen in einen Bereich ‚hineinblicken‘, der zwar unerschlossen, aber nicht mysteryhaft-mysteriös oder ‚quasitranszendent‘ ist. Euan Squires schreibt: „Die Quantentheorie ist, wie wir schon öfters festgestellt haben, eine äußerst erfolgreiche Theorie; sie befindet sich in Übereinstimmung mit Beobachtungen auch dann noch, wenn ihre Voraussagen den gesunden Menschenverstand beleidigen, und sie erlaubt uns richtige Vorhersagen für ein breites Feld von Bereichen der Atomphysik zu treffen. … wenn wir aber dann danach fragen, wie diese Theorie eigentlich erklärt, was geschieht oder untersuchen was sie über die Wirklichkeit als solche aussagt, dann sieht es ganz anders aus. Hier treffen wir nur auf Konfusion und Kontroversen! Das macht das Interpretationsproblem der Quantentheorie aus …“3. Anschaulich äußert sich Lisa Randall: „Die Quantenmechanik erscheint unter anderem deswegen so bizarr, weil wir physiologisch nicht so ausgerüstet sind, dass wir die Quantennatur von Materie und Licht wahrnehmen

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Leisi, 2006, 27. Leisi, 2006, 27. Squires, 1990, 177, Übersetzung L.H.

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könnten. Im Allgemeinen werden Quanteneffekte erst bei Abständen von rund einem Ångström wichtig, der Größe eines Atoms. Ohne Spezialinstrumente können wir nur Dinge beobachten, die viel größer sind“1. Und Brian Green bemerkt prosaisch: „Physiker verbringen einen Großteil ihres Lebens im Zustand der Verwirrung. Das ist ihr Berufsrisiko“2.

Im Falle der starken metaphysischen Auslegung wird man den Terminus WelleTeilchen-Dualismus der Materie objektivistisch deuten mögen. Dann ist dieser Dualismus kein unsere spezifisch menschliche Erfahrungsweise der Dualität von Teilchen und Wellen betreffender (dem möglicherweise auch die Wirklichkeit in irgendeiner Weise sachlich entspricht), sondern eine experimentell bestätigte Aussage über das Wesen dieser Wirklichkeit als solche, die Statements wie, ,Was für Geheimnisse birgt doch unsere Wirklichkeit in der etwas zugleich (im Sinne von: in derselben Hinsicht) Welle und Teilchen ist‘ hervorbringt. Und weitergehend: ‚Wenn so etwas der Fall ist, dann gibt es bestimmt auch diese mysteriösen Phänomene, wie sie etwa in Akte X oder den anderen Mystery-Sendungen beschrieben werden!‘3. Mit dieser Aussageabsicht haben wir einen Übergang von der Quantenphysik zur Metaphysik. Eine bestimmte metaphysische Interpretation des Komplementaritätsprinzips kann diese naturphilosophische Tendenz noch einmal verstärken. Wenn man Aussagen über einen spezifischen Aspekt eines Systems mache, sei es gleichzeitig unmöglich, genauso präzise Aussagen über den komplementären Aspekt zu machen (etwa: Impuls und Ort, Energie und Zeit, Welle und Teilchen). Philosophisch betrachtet kann Komplementarität hier so verstanden werden, dass man physikalische Erfahrungen in ihrem Spannungsreichtum ertragen muss. Wenn man diese Spannung aber nicht aushält, dann beginnt man zu mutmaßen. Es könne eine geheimnisvolle Bezogenheit der komplementären Phänomene geben, die uns Beobachtern, die wir physikalisch nur verstandesmäßig trennend erkennen könnten, verschlossen blieben. Darüber hinaus gebe es auch herausgehobene ‚mystische‘ Erlebnisse dieser Einheit, wo beide komplementären Elemente zugleich erkannt werden könnten. Weiter oben habe ich anthropologische Gesichtspunkte herangezogen, als ich auf die Erfahrungen mit ‚Wellen‘ und ‚Teilchen‘ im Alltag Bezug genommen habe. Nicht die schlichte Erfahrung einer ‚Welle‘ und eines ‚Teilchens‘ fundiert Versuche einer unstatthaften Veranschaulichung mikrophysikalischer Vorgänge in metaphysischer Absicht. Der Lebensalltag könnte sich hier durchaus mit der Überzeugung begnügen, dass es eben in unserer Wirklichkeit seltsame Dinge ge-

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Randall, 2006, 145. Green, 2004, 527. Die us-amerikanische Fernsehserie Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI (Originaltitel: The X-Files) wird zwischen 1993 bis 2002 produziert und verbindet Thriller- mit Esoterikthemen. Sie ist das Musterbeispiel einer Mysteryserie.

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be. Welle und Teilchen in einer geheimnisvollen universalen kosmischen Verbundenheit zu sehen, setzt eine andere Bedürfnislage und entsprechend weitergehende Prämissen voraus. Damit stellt sich eine Frage, die eine selbstverständlich gewordene, öffentliche Interpretationspraxis der Quantenphysik unselbstverständlich machen soll: Wieso wird die Quantenphysik – in diesem Falle die Rede vom Welle-Teilchen-Dualismus – zu einem Tummelplatz metaphysischer Interessen? Eigentlich könnte man es doch bei der Feststellung belassen, dass sich im mikrophysikalischen Bereich Zusammenhänge ergeben, die sich unserer Anschauung entziehen und von uns spannungsreich wahrgenommen werden (schwache metaphysische Auslegung). Eine stärkere metaphysische Auslegung könnte diese Phänomene als darüber hinaus einer der äußerst geheimnisvollen Züge unserer Realität betrachten und dann von einer weitergehenden Interpretation absehen. Wieso aber wird von manchen Wissenschaftlern und manchen Laien die Quantenphysik zu einer Theorie stilisiert, die die letzten Grundlagen unserer Wirklichkeit betrifft? Auf diese Weise wird sie – wie sich schrittweise ergeben wird – zu einer alternativen Art von ‚immanentistischer‘ Metaphysik. Diese metaphysikförmige Aufladung der Quantenphysik kann in bewusster oder unthematischer Rezeption an eine Denkfigur anknüpfen, die aus dem Bereich der Alchemie vertraut ist1. Unter Rückgriff auf naturphilosophische Gedanken von Platon (427-347 v. Chr.) und Aristoteles führen schon Stoiker den Gedanken einer Rückführung von gegebenem Seienden, etwa Metallen, auf einen Urzustand ein, der dann in der Alchemie unter dem philosophischen Namen materia prima bekannt wird. Philosophisch betrachtet ist die materia prima der Grenzbegriff des prinzipiell formbaren Seienden. Martin Heidegger (1889-1976) schreibt in seiner Auslegung der Kategorien-und Bedeutungslehre des Duns Scotus (1266-1308), dass die materia prima in sich so unbestimmt sei und so jeder Form entbehre, dass sie jede Form weder ein- noch ausschlösse. „Die Materia prima hat keine bestimmte Tendenz, von einer bestimmten Form determiniert zu werden; sie ‚ruht‘ gleichsam unter jeder beliebigen, ist jeder Form zugänglich. Diese Eigentümlichkeit ist ihr nicht ‚aufgezwungen‘, sondern kommt ihr als solcher zu, macht ihr Wesen aus; sie ist charakterisiert durch eine Capacitas quaedam formarum, eine gewisse neutrale Zugänglichkeit für beliebige Formbestimmungen“2.

Die materia prima wird im alchemistischen Bereich zu einer – objektivistisch interpretierten – stofflichen Instanz, die die Ausgangsbasis der konkreten Naturerscheinungen bildet.

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Vgl. dazu Göttert, 2001, 100ff. Heidegger, 1972, 315.

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Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, 1493-1541) schreibt: „In der Schöpfung der Welt hat die erste Separation mit den vier Elementen angefangen, da die prima materia ein einziges chaos war. Aus dem selbigen chaos hat Gott maiorem mundum gemacht, in vier unterschiedliche Elemente, nämlich in Feuer, Luft, Wasser und Erde, geschieden und voneinander gesondert. Das Feuer war der heiße Teil, Luft allein der kalte, Wasser das Nasse und die Erde allein der trockne Teil maioris mundi“1. Sowohl die aristotelische Chemie als auch die Alchemie gehen von der Voraussetzung aus, dass sich alle Stoffe grundsätzlich ineinander verwandeln lassen. Die metaphysische prima materia wird von den Alchemisten allerdings realstofflich gesehen. Diese material-substanzmetaphysische Sichtweise ist die Voraussetzung für die Vorstellung eines Gelingens der erhofften alchemistischen Transmutationsprozesse. Die Umwandlung eines Objekts in ein anderes setzt für den Alchimisten voraus, dass es eine substrathafte Materie gibt, aus der alle Konkretionen der Natur stammen. Nicht nur im Bereich der Materie erlangt ein solcher materieller Urzustand Bedeutung. Die jungfräuliche prima materia kann auch als die Vermählung der Materie mit dem Bereich des Geistigen begriffen werden. Auf diese Weise wird nicht nur das Wesen der materiellen Wirklichkeit als im letzten als Transmutation, als universales Ineinanderübergehen, verstanden. Ein Beispiel dafür sind die Lauteren Brüder, ein sufistischer Geheimbund, der um 950 in Basra gegründet wird. In einundfünfzig Abhandlungen fassen sie spätantike Denkfiguren zusammen. Bei den Lauteren Brüdern wird die prima materia als eine Emanation der Weltseele begriffen, die sich in den vier Elementen als den Allmüttern manifestiert2. Wie in der Alchemie üblich, wird der gesamte Weltprozess zu einem großen, auf eine Vollendung hin ausgerichteten alchemischen Prozess.

Beziehen wir diese Traditionen auf die Quantenphysik und speziell den Gesichtspunkt der Komplementarität. In der objektivistischen Lesart kann der Welle-Teilchen-Dualismus der Materie auf dem Hintergrund dieser alten abendländischen Denkform unterschwellig alchemistisch rezipiert werden. Der Kosmos ist dann in seiner materiellen Grundlage ein dauernder Ineinander-Übergang komplementärer Verhältnisse, die auf einen letzten Urgrund bezogen sind, der dann noch populärfeldtheoretisch interpretiert werden kann und wird. Die Weltseele kann dann als Zusammensein von ‚Allem‘ und zugleich als eine aktiv treibende Instanz betrachtet werden. Die ‚alchemistische‘ Interpretation des Welle-Teilchen-Dualismus kann noch weiter gehen. Ein Zweig der Alchemie ist auch die alchemistische Medizin. Der markanteste Repräsentant dieser Richtung ist Paracelsus. Es gäbe – weil der 1 2

Paracelsus, 1976, 91. Zit. nach Böhme/ Böhme, 1996, 129. Vgl. dazu Böhme/ Böhme, 1996, 120ff.

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Mensch untere und obere, himmlische und irdische Elemente in sich vereine – auch eine vergiftende Beziehung zwischen den Menschen und den Sternen, die man allerdings durch ein heilendes Ausnutzen der natürlichen Kräfte des Kosmos aufheben könne. Es gehört zum Denken der Alchemie „ein neuplatonisches Moment …, nämlich daß zur Entstehung von Substanzen von außen ein selbstständiges Formprinzip hinzutreten muß. Paracelsus nennt dieses Formprinzip die ‚astra‘, d.h. also die Sterne. Das Formprinzip wird als ein materialisierter Einfluss ‚von oben‘ gedacht“1.

Die vorgeschlagenen Methoden reichen – wie wir später sehen werden – soweit, dass sogar – in einer neomythischen Ouvertüre – Altern und Tod überwunden werden könnten. Durch die arcana, die geheimen Künste, könnten die Grenzen der Endlichkeit, wie Paracelsus in seiner Schrift über die archidoxa schreibt, überschritten werden: „… dass das allein ein arcanum ist, das unkörperlich und untödlich, eines ewigen Lebens ist, über alle Natur seiend zu verstehen ist und mit Menschenverstand nit zu erkennen. Solchergestalt sind diese Arcanen, die gegenüber unserm Körper uncorporalisch sind, und gegenüber unserm Wesen eines dieses weit übertreffenden Wesens, wie weiß und schwarz gegeneinander. Es hat die Kraft uns zu verändern, zu mutieren oder wandeln, zu renovieren, zu restaurieren …“2. Auch in dieser Hinsicht evoziert die Quantenphysik Fantasien. Es wird sich zeigen, dass in einer weiterführenden Lesart der Quantenfeldtheorien das ‚Feld‘ als heilend und als zu Evolutionssprüngen verhelfend nutzbar erscheint. Soweit ich es zu beurteilen vermag, ist das Higgsfeld in dieser Hinsicht noch nicht auf breiter Basis entdeckt worden.

6.

Exoterische Unschärfephysik und esoterische Quantenfeldbestellung

a.

Innerweltliche Kausalität Gottes bei Aristoteles, Thomas von Aquin und der Barockscholastik

Mit den Termini Quantenfeld beziehungsweise Feldtheorie und Quantenfeldtheorie verbindet eine naturphilosophisch und metaphysisch interessierte populäre Vorstellung oft Assoziationen einer irgendwie naturkausal wirkenden und zugleich ganzheitlichen Instanz, durch die alles mit allem zusammenhänge. Begriffsgeschichtlich ist es sinnvoll diese ontologischen Vorstellungen auf dem Hintergrund philosophisch-theologischer Reflexionen zur ‚Kausalität‘ des meta-

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Böhme/ Böhme, 1996, 128. Paracelsus 1965ff, Bd. 1/382. Zit. nach Göttert, 2001, 198.

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physisch transzendenten Absoluten unter Rückgriff auf Gedanken von Aristoteles, Thomas von Aquin und der Barockscholastik näher zu erörtern. Nach Aristoteles bewegt sich ein Körper nur bei ständiger Krafteinwirkung. Dabei sei das wirkursächliche Vermögen weder auf ideale Formen noch auf die primäre Materie, an der die Formen gestaltet werden, beziehbar, sondern dieses Weswegen entspringe einer anderen Dimensioniertheit. Das Weswegen sei der unbewegt bewegende Urgrund der Bewegtheit, der nur über Mittlerinstanzen bewege1. „Das unbewegliche Weswegen (τὸ αὐτὸ ἑαυτὸ κινοῦν) bewegt wie etwas, das geliebt wird, alles andere bewegt, indem es selbst bewegt wird“2 schreibt Aristoteles in seiner Metaphysik. Thomas von Aquin (1225-1274) folgt Aristoteles grundsätzlich3 was die Frage der Bewegung der Körperwelt durch körperliche Berührung betrifft und bezieht diesen aristotelischen Gedanken der Bewegung analog zu der des Geliebtwerdens auf das göttliche Berühren bewegter Körper in seiner Schöpfung als möglichen Ausdrucks seiner Freundschaft. Dabei kann dieses Bild des unbewegten Bewegens durch Thomas ausgeweitet werden. Wenn die Trauer oder Freude des Freundes4 die Fähigkeit habe, im Körper des Freundes Bewegungen hervorzurufen, wie sollte dann nicht der allmächtige Gott auf eine solche Weise analog körperliche Bewegungen hervorrufen können? Mit diesem Gedanken einer ‚unkörperlichen‘ – in unserer Terminologie: nicht naturkausalen – Bewegungsverursachung durch die Beziehung der Liebe beziehungsweise durch wohlwollende Freundschaft, wahren Aristoteles und Thomas von Aquin die (philosophisch gesprochen) erkenntnistheoretische Distanz beziehungsweise die (theologisch gesprochen) Distanz des Bilderverbots, da sich diese göttliche Wirkweise nicht naturkausal vorstellen lässt. In der neuzeitlichen Barockscholastik verändern sich die Begriffslagen um das Ursachenthema und es werden einerseits die Wege zur modernen Naturwissenschaft und andererseits die zu einer Trennung in natürliche und übernatürlich-mirakulöse Verursachungsweisen erschlossen. Auch hier ist es sinnvoll, von Aristoteles auszugehen. Aristoteles bestimmt den allgemeinen Begriff der Ursache nicht, wie später in seiner Rezeption oft gebräuchlich, am Beispiel eines Handwerkers, sondern nur abstrakt als denjenigen „Teil einer Sache“5, „von dem aus als innewohnend etwas entsteht“ bzw. als das, von dem „aus der erste Anfang der Veränderung oder Ruhe stammt“6. Dieser Ursachebegriff bekommt – hier exemplarisch für neuzeitliche Perspektiven betrachtet – bei Franz Suarez (1548-1617) eine andere Tendenz, weil er göttliches und endliches Sein univok hinsichtlich seiner

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Vgl. dazu Oehler, 1984, bes. 50-52. Aristoteles, Met XII, 1072 a/ S. 313. Vgl. auch Thomas, STh I, 105,2. Vgl. dazu Müller, 2006, bes. 117-148. Vgl. dazu den Kommentar S.442 in der o.a. Thomasausgabe. Schnepf, 2001, 22. Aristoteles, Met V, 2, 1013a, 23-31/ S. 113.

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Seiendheit fasst. Weil das verursachende Seiende ganz allgemein verstanden wird, können damit das göttliche Verursachen und das innerweltliche Verursachen unter einen allgemeinen Gattungsbegriff gefasst werden. Das „kausale Vokabular“ wird so eingeführt, dass es „sowohl Gott wie Kreatur umfaßt“1. Gott ist dann nicht mehr der Grund von allem, sondern die Ursache von allem. Göttliche und menschliche Kausalität werden damit vergleichbar und auf diese Weise wird – für manche gängige Vorstellung von ‚säkularisierter‘ Neuzeit2 paradoxerweise – ein mögliches direktes alternatives Eingreifen Gottes in die Schöpfung zu einer neuzeitlichen begrifflichen Errungenschaft. Wenn dieses alternative naturkausale Eingreifen dann im 19. Jahrhundert von der Vorstellung eines personalen Gottes abgelöst und in die Verfassung eines unbewussten Evolutionsgottes überführt wird, haben wir einen der Ansatzpunkte, wie etwa die Quantenphysik neomythisch rezipiert werden kann. Der unbewusste Evolutionsgott wird als universales, ,morphogenetisches‘ Kraftfeld betrachtbar. Parallel zu diesem Introitus eines naturkausal handelnden unbewussten Evolutionsgottes in die Moderne kommt es zu einem langsamen Exitus des innerweltlich präsenten theistischen Gottes. Auch hier ist wieder ein Blick auf die Geistesgeschichte wichtig.

b.

Der personale Gott existiert – aber wird bedeutungsloser: das Beispiel der Barockscholastik

Im Anschluss an den aristotelischen Wesensbegriff versteht Thomas von Aquin den Menschen als den, dessen Natur es ist, über sich hinaus auf Gott verwiesen zu sein. Er ist natura creata und damit geschenkt frei, sich mittels des desiderium naturale zur visio beatifica (dem natürlichen, d.h. seinem menschlichen Wesen entsprechenden Verlangen nach der glückselig machenden Anschauung Gottes) zu erheben und zu Gott aufzuschauen. So kann Thomas Gnade Gottes in die Hinsichten der gratia operans (wirkenden Gnade) und der gratia cooperans (mitwirkenden Gnade) gliedern – die Gnade bewegt die menschliche Natur, sich zu Gott zu erheben zu wollen, und vollendet diese, indem sie den Menschen in seinen freien operationes ‚mitwirkend‘ unterstützt3. „In jener Wirkung also, in der unser Geistgrund bewegt wird, aber nicht selbst bewegend ist, wird die Tätigkeit Gott zugeschrieben; in diesem Sinne heißt die Gnade ‚wirkende‘ (Gnade). In jener Wirkung hingegen, in der unser Geistgrund mehr bewegend als bewegt

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Schnepf, 2001, 33. Kritisch dazu Taylor, 2009. Vgl. Thomas, Summa Theologica, I-II, 11, 2.

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ist, wird die Wirkung nicht allein Gott zugeschrieben, sondern auch der Seele; und in diesem Sinne heißt die Gnade ‚mitwirkende‘ (Gnade)“1.

In der Barockscholastik artikuliert sich dann neuzeitliches Selbstverständnis im Gewand thomanischer Sprache. Aristoteles‘ Lehre von der Natur als Wesen eines Seienden (ἡ οὐσία αἰτία τοῦ εἶναι2), wie es ihm von seinem Ursprung her zukommt, lehrt Dionys Rikel (1402/3-1471) in seiner Schrift De lumine christianae theoriae, ohne sie mit der christlichen Lehre zu vermitteln. Er stellt die Theorie auf, dass dem – hier deutlich als neuzeitlich-autonom betrachteten – Menschen mit seiner natura humana zugleich ein natürliches Ziel gegeben sei, welches sich vom übernatürlichen Ziel, das ihm Gott in seiner Gnade zukommen ließ, unterscheidet. Die Natur des menschlichen Intellekts präge die Natur des Zieles als endliches – naturale desiderium in naturalem finem tendit (das natürliche Verlangen erstreckt sich in natürlichen Grenzen)3. Thomas Cajetan de Vio (1469-1534) deutet, Thomas kommentierend, das desiderium naturale vivendi deum (natürliche Verlangen in Gott zu leben) so, dass das ursprüngliche Wesen des Menschen von sich her auf Gott als Ursprung und Ziel bezogen ist4. Bei Domingo Soto (1499-1560) finden wir das Bewusstsein, dass der status naturae purae (Zustand der reinen Natur) ein hypothetische Ordnung strukturierender Hilfsbegriff ist, der in der Gefahr der Verdinglichung steht. So schreibt Domingo Soto in seiner Schrift De natura et gratia (1547), dass der Mensch nicht „außerhalb von Schuld und Gnade in seiner unvermischten Natur geschaffen“ sein könne. Aber „dennoch steht nichts dagegen, jenen (als Hilfsbegriff, L.H.) im Geiste aufzunehmen und zu veranschaulichen, als Mittel für eine klarere Disputation“5. In dieser aus Darstellungsgründen eingeführten Abstraktion erscheint dann das Naturstreben nach der Gottesschau als Implikat des Ebenbildcharakters des Menschen6, nicht aber zugleich als ein irgendwie natürlich erreichbares Ziel. Bei Soto finden wir also das Bewusstsein eines hypothetischen Gedankenspiels, das Bewusstsein des hypothetischen Charakters der Frage, wie weit Kräfte ohne übernatürliche Hilfe, ohne die Annahme einer realiter ontologisch bestehenden Stufung von Finalitäten reichen würden. Dieses Bewusstsein verwischt sich in der Folge. Franz Suarez veröffentlicht seine Gedanken in systematischer Form ausgebreitet in den Schriften De ultimo fine hominis (1592) und dem posthum ab 1619 er-

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Thomas, 1955, Bd. XIV, 134. Vgl. zum begrifflichen Umfeld die ausführliche Untersuchung von Beumer, 1939. Vgl. Aristoteles, Metaphysik, VIII, 1043a. Zit. nach Lubac, 1971, 224. Vgl. Lubac, 1971, 225. Soto, 1549, 7, Übersetzung L.H. Vgl. Lubac, 1971, 225.

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schienen Werk De gratia. Suarez definiert im Traktat über die Gnade den status purae naturae durch negative und positive Bestimmungen. Zum einen gehöre zum status purae naturae, dass die menschliche Natur „mit der notwendigen Vollkommenheit alle natürlichen Fähigkeiten hat“, und zum anderen, „dass … der Natur nichts dazugelegt werden kann, wenn es nicht notwendig ist, sei es schlecht, sei es gut“1. Ist nun das desiderium naturale eine derartige Zutat? Suarez schreibt in De ultimo fine hominis unmissverständlich: „… das angeborene Verlangen wird begründet im natürlichen Vermögen: aber im Menschen ist kein natürliches Vermögen zu übernatürlicher Glückseligkeit: also auch kein angeborenes Verlangen“2. Es gebe also keinen appetitus innatus (angeborenes Verlangen) nach dem desiderium naturale. Da Suarez aber nicht abstrakt positive Äußerungen der Tradition zu diesem Thema negieren will, konzediert er ein dunkles Streben dieser Natur des Menschen, das immer hinter seinem dunkel erahnten Ziel unreflex zurückbleibt. So sei dieses Streben des natürlichen Menschen nach der Schau Gottes kaum bedeutsam, weil es eine der „menschlichen Natur fremde Sache“ betreffe und deshalb fühle sich der natürliche Mensch auch nicht von der Sehnsucht nach der beatitudo getrieben, so dass er durch diese „obwohl strebend, den Geist weder stark bewegen, noch beunruhigen würde“3. Das dunkle Ahnen der Herrlichkeit Gottes sei sich selbst so wenig gewiss, dass es den Menschen noch nicht einmal stark beunruhige. Stellen wir das Ausgeführte in unseren Kontext. Es ergibt sich im Laufe dieser Begriffsgeschichte doch immer mehr die Möglichkeit, zwei Seinsbereiche, die im Menschen aufeinandertreffen, abstrakt zu parallelisieren. Ein natürlicher und ein übernatürlicher Lebensbereich trennen sich. Wenn dann noch der ordo naturalis als gleichsam und spezifisch menschlicher ordo, „welcher Standpunkt sodann die Perspektive bestimmt“4 gedacht wird, kann man das Übernatürliche zwar gegenüber den Ansprüchen säkularer Welterschließung bewahren, muss ihm aber prinzipiell exterritorialen Charakter zum ‚alltäglichen‘ Leben konzedieren. D.h. im Alltag hat der theistische Gott nichts mehr zu suchen und ist nur noch zuständig für die außerordentlichen Mirakel. Verfolgen wir diesen Weg nun weiter bei dem schulbildenden Philosophen Christian Wolff (1679-1754). Ist der Ort göttlichen Handelns exterritorial zum alltäglichen menschlichen Leben, wird Offenbarung zu etwas Mirakulösem. Christian Wolff definiert: „Ich nenne hier die göttliche Offenbarung ein Wunderwerck an der Seele dessen, der

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Suarez, Bd. VII, 179f, Übersetzung L.H. Suarez, Bd. IV, 153, Übersetzung L.H. Suarez, Bd. IV, 156, Übersetzung L.H. Pottmeyer, Glaube, 92.

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sie durch eine göttliche Eingebung von Gott auf eine unmittelbare Weise erhält. Denn diese Würckung Gottes wird niemand für natürlich ausgeben“1. Gottes Handeln wird dann in der Lebenswelt nur noch durch Mirakel ‚unmittelbar‘ sichtbar, die eindeutig die Naturgesetze durchbrechen müssen. Wo diese nicht mehr wahrgenommen werden, ist Gott weltlos geworden. Die Frage nach der Weltlosigkeit Gottes impliziert die Frage, wer oder was dann den alten Ort Gottes in der Welt einnimmt und dann auch noch, wer oder was im nächsten Schritt, für Wunder zuständig ist. Mirakulös gedeutete Wunder als spektakuläres Durchbrechen einer transzendenten Macht in den Alltag der Menschen zu erleben, sind, wie sich schon im ersten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft vor allem am Beispiel von Mesmerismus und Spiritismus gezeigt hat, ein tiefes Bedürfnis der empiristisch orientierten Moderne2. Das mirakulöse Wunder wird einerseits im Bereich fundamentalistischer christlicher Gläubigkeit weiterhin hochgehalten. Der theistische ‚Gott‘ sendet immer noch erlesene Privatoffenbarungen an einzelne herausgehobene Personen, die diese an kleine christliche Zirkel weitergeben und er sendet Maria nach Medjugorje, wo sie mit einer Regelmäßigkeit ‚erscheint‘, die einem breit zertifizierten naturwissenschaftlichen Experiment alle Ehre machen würde. Da andererseits aber das Christentum und damit der Glaube an einen theistischen Gott im Abendland in einer tiefen Krise sind, verlagern sich die Wundersehnsucht und der Wunderglaube auch in andere Gebiete. Mit den immer intensiveren Regungen eines unbewussten Evolutionsgottes ergeben sich neue Bereiche für das Wunderbare. Veranschaulichen wir dies kurz am Beispiel der zwei Modeausdrücke Schmetterlingseffekt und Quantensprung. Nicht die Libellen sind die „Flugkünstler unter den Insekten“3. Schmetterlinge können nämlich sogar – so ein breitenwirksames Bild des us-amerikanischen Mathematikers und Meteorologen Edward Norton Lorenz (1917-2008) – Katastrophen auslösen. Lorenz, einer der Begründer der Chaostheorie4, fragt sich 1972 in einem Interview zum Thema der Vorhersagbarkeit: „Löst der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas aus?“. Diese als Schmetterlingseffekt (butterfly effect) bekannt gewordene bildliche Sprache bezog sich auf die Frage nach der „Abweichung von nah beieinanderliegenden Fallkurven auf das Verhalten von nichtlinearen Systemen“5. 1

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Wolff, 1740, 614. Vgl. dazu auch ders., 1751, 627 und ders., 1739, 420. Eine kurze Darstellung der Theorie der Offenbarung bei Wolff gibt Casula, 1983, 132-135. Über die mirakulösen Sehnsüchte im Milieukatholizismus des 19. Jahrhunderts vgl. Hauser, 1996. So Oertel jr., 2008, 11. Hellers Artikel über Chaos und Ordnung, 1992, ist eine gute Einführung in den Problemzusammenhang der ‚Chaostheorien‘. Vgl. dazu Hilborn, 2001, 38.

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Populäre Bedeutung bekam der Schmetterlingseffekt allerdings als Bild für kleine Ursachen, die eine gigantische Wirkung haben können1. Besondere symbolische Bedeutung erhält solch ein Schmetterlingseffekt, wenn er in irgendeiner Weise einen Wendepunkt darstellt und wenn der Schmetterling zu einem mikrophysikalischen Teilchen wird. Im Idealfall ereignet sich aus den elementaren Grundbausteinen unserer Wirklichkeit heraus eine kosmische „Wendezeit“ (Fritjof Capra, *1939) für das Ganze und führt zu einer binnenkosmischen Apokalypse. Geschieht dies, dann ereignet sich ein gewaltiger „Quantensprung“. Physikalisch betrachtet ist ein Quantensprung allerdings eine keineswegs spektakuläre Zustandsänderung im mikrophysikalischen Bereich. Die „dummdeutsche“2 Alltagssprache wird vor allem durch Werbeagenturen, Journalisten, Politiker und Topmanager um den Begriff des Quantensprungs bereichert. In der Präsentation von vermeintlich grandiosen Leistungen redet man von einem – geradezu epochale Bedeutung beinhaltenden – Quantensprung. Das Gesundheitszentrum Quantum Leap wirbt mit Quantensprüngen der Wellness3, in New York offeriert ein Restaurant unter diesem Namen einen schnellen Bringeservice4. Ein Zusatzgerät für einen Synthesizer nennt sich East West Samples Quantum Leap Goliath5, die Firma Interplex Quantum Leap bietet hochwertige Verpackungen6 und Quantum Leap Communications bietet Informationstechnologie7 an. Diese Liste ließe sich nahezu beliebig verlängern. Auf die Frage des HANDELSBLATT8 „Was müsste passieren, damit der Euro generell die Trendwende schafft?“ antwortet Thorsten Weinelt, Chef-Aktienstratege der UNICREDIT, „Ein Quantensprung! Die Euro-Zone braucht einen Stabilitätspakt mit Biss und es müssten Sanktionen eingeführt werden, die auch greifen“. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG berichtet am 13. Juli 2010 über Archivportale im Internet mit der Überschrift „Ein ‚Quantensprung‘ für die Archivrecherche“9.

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Der Wikipedia-Artikel Schmetterlingseffekt (http://de.wikipedia.org/wiki/Schmetterlingseffekt) führt allein siebzehn Filme an, in denen der Schmetterlingseffekt Thema ist. Henscheid, E./ Lierow, C./ Maletzke, E./ Poth, C., 1985 und Lierow, C./ Maletzke, E./ Poth, C., 1986. Vgl. quantum leap, http://www.quantum-leap.de/. Vgl. http://www.quantumleaprestaurant.com/FoodDelivery/RestaurantLocations.m. Vgl. http://www.idealo.de/preisvergleich/OffersOfProduct/2235708_-quantum-leap-goliatheast-west-samples.html. Vgl. http://www.interplex.com/iqlp. Vgl. http://qlcom.com/. 5.7.2010, http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/interview-mit-thorsten-weinelt-nurein-quantensprung-kann-dem-euro-helfen;2611993. http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/ein_quantensprung_fuer_die_archivrecherche_1. 6593918.html.

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Auch hier könnte man nahezu beliebig viele weitere Beispiele für die Verbindung eines Fortschrittsgedankens mit der Quantensprungmetaphorik finden. In der Naturphilosophie der frühen Neuzeit ergibt sich auch noch eine weitere, für unseren Komplex wichtige Veränderung der Gewichte, die eine Antwort auf diese Frage nach dem neuen mirakulösen Gesamtbeweger des Kosmos gibt.

c.

Der Raum und das Vakuum in Leibnizens Briefwechsel mit Clarke

Es gibt einen Briefwechsel (1715 bis 1716) zwischen Gottfried Wilhelm Leibniz und dem aufklärerischen Theologen Samuel Clarke (1675-1729)1 über grundlegende natur- und religionsphilosophische Themen, der eine Problemlage betrifft, die analog auch bei einer metaphysischen Interpretation von Feldtheorien auftritt. Deshalb kann ein kurzer Blick auf diesen Briefwechsel die Frage nach den metaphysikförmigen Absprungpunkten der Themen der Quantenphysik ebenso erhellen wie der Hinweis auf die Alchemie. Diese Problemlage wird bei Leibniz und Clarke anhand der Frage nach dem Verhältnis Gottes zum Raum und der Möglichkeit eines Vakuums erörtert. Die Diskussion wird dabei immer wieder durch den Bezug Leibnizens auf Isaac Newton bestimmt. Zunächst ein kurzer Hinweis auf den geistesgeschichtlichen Kontext. Bedingt durch aufklärerische Religionsphilosophie betreffen innerhalb des theistischen Diskurses über natural religion philosophisch-theologische Fragestellungen und naturwissenschaftliche Theorien in dieser Zeit fast das Gleiche2. Auch in dieser Hinsicht gleichen sich – wir später sehen werden – öffentliche Diskussionen über die Bedeutsamkeit der Quantenphysik und die aufklärerische Geisteshaltung. Es geht – in systematisierender Perspektive gesprochen – Newton darum, deutlich zu machen, dass das Handeln Gottes allen naturkausalen Maßstäben entzogen sei. Zu diesen naturkausalen Maßstäben gehöre auch die Voraussetzung, dass Gott bestimmte Wahrnehmungsweisen habe. Im ersten Brief grenzt sich Leibniz von Newton in einer Weise ab, die an die vorangegangenen Argumentationen von Aristoteles und Thomas von Aquin erinnert: „Newton sagt, der Raum sei das Organ, dessen Gott sich bediene, um die Dinge wahrzunehmen. Wenn er jedoch irgend eines Mittels bedarf, um sie wahrzunehmen, so sind sie nicht völlig von ihm abhängig und nicht in jeder Hinsicht sein Erzeugnis“3. Wollte man Gott mit dem Raum ein spezielles Sensorium zuschreiben, geriete man in die Gefahr, aus Gott, dem „überweltlichen Verstandeswesen (Intelligentia

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Vgl. zu Clarkes Person: Rodney, 1970ff. Vgl. Funkenstein, 1986, etwa Seite 1. Leibniz, Bd. 1, o.J., 120. Inwiefern Leibniz Newton hier gerecht wird oder nicht, ist für unseren Kontext uninteressant. Hier geht es um die Denkfigur von Leibniz.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

supramundana)“1, eine Weltseele2 zu machen. Leibniz bedient sich des Bildes eines intellectus archetypus3, wenn er über die Erkenntnisweise dieses überweltlichen Verstandeswesens schreibt: „Gott erfaßt die Dinge unmittelbar in seinem eigenen Bewußtsein. Der Raum ist der Ort der Dinge, nicht der Ort der göttlichen Ideen, wofern man ihn nicht etwa als eine Art Bindeglied für den Zusammenhang zwischen Gott und den Dingen ansieht: einen Zusammenhang, den man analog der gewöhnlichen Vorstellung der Vereinigung von Seele und Körper denkt. Auch damit wäre Gott wieder zur Weltseele gemacht“4. Für Leibniz ist der Raum, wie er im dritten Brief schreibt, „etwas rein Relatives … eine Ordnung der Existenzen im Beisammen, wie die Zeit eine Ordnung des Nacheinander ist“5. Neben der Abgrenzung von einer innerweltlichen Weltseele ist noch Leibnizens Argument hinsichtlich der Frage nach der Existenz eines Vakuums für unseren Zusammenhang wichtig6, weil auch hier die Frage einer räumlichen Universalität auftaucht, die leicht analog zu einem energetischen Sein oder Nichtsein Gottes im Raume gedeutet werden kann. Leibniz kritisiert die Orientierung an alltäglichen Vorstellungen, die zur These eines Vakuums führe. „Wer für das Leere ist, läßt sich hierbei mehr durch die sinnliche Anschauung als durch die Vernunft leiten. … Ich gehe davon aus, daß den Dingen jede Vollkommenheit gegeben worden ist, die ihnen Gott ohne Beeinträchtigung anderer Vollkommenheiten verleihen konnte. Stellen wir uns nun einen gänzlich leeren Raum vor, so konnte Gott ihn mit Materie erfüllen, ohne allen anderen Dingen irgendwie Abbruch zu tun – also hat er es wirklich getan; es gibt somit keinen völlig leeren Raum und alles ist erfüllt“7. Ohne eine Art von Materie ist für Leibniz Raum nicht denkbar. Wenn nun auf der einen Seite ein Vakuum nicht denkbar ist und andererseits das Göttliche keine spezifischen Sensoren oder Erlebnisdimensionen im Raum hat, dann haben wir mit dieser Art von ‚Materie‘, die Leibniz postuliert, eine erkenntnistheoretische Analogie zur Frage nach dem Sein eines universalen Feldes gefunden. Das ganze Universum kann dann als vom ‚geheimnisvollen, dunklen materiellen Dimensionen‘ erfüllt gedacht werden, die trotz aller Geheimnishaftigkeit aber vielleicht auch nutzbar gemacht werden können. Fassen wir die beiden skizzierten Entwicklungswege, den im vorhergehenden Abschnitt thematischen der Entweltlichung des Christengottes und den der durch

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Leibniz, Bd. 1, o.J., 127. Vgl. Leibniz, Bd. 1, o.J., 127 und 142. Zum Begriff der Weltseele vgl. Schlette, 1993. Vgl. dazu Hauser, Bd. 1, 146-151. Leibniz, Bd. 1, o.J., 155f. Leibniz, Bd. 1, o.J., 134. Vgl. dazu Hauser, Bd. 1, 183f. Leibniz, Bd. 1, o.J., 153f.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

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Leibniz kritisierten möglichen Verweltlichung des metaphysisch transzendenten Absoluten noch einmal zusammen. Wenn der Christengott weltlos wird, bieten sich andere Symbole als Lückenfüller an, die dann umso weltlicher werden können. Eines dieser Symbole ist der unbewusste Evolutionsgott, die nachdarwinische Form der intelligentia mundana, von dem im ersten Band schon die Rede war. Auf der einen Seite wird der theistische Gott im Verlauf der neuzeitlichen Entwicklung immer mehr als unmittelbar naturkausal handelnde Instanz begriffen. Das abgründige und ganz andere Sein des Göttlichen wird dabei unterbelichtet. Auf der anderen Seite wird der Mensch als immer unabhängiger von einem konkreten Gnadengeschehen aufgefasst. Naturkausale Einwirkung des personalen Gottes, Autonomie des Menschen vom Gnadengeschehen, Weltlosigkeit des personalen Gottes und zugleich die Vorstellung eines mirakulösen Handelns Gottes in der Welt ermöglichen eine neue Welt- und Lebenshaltung. Bedingt durch die natürliche Fähigkeit des Menschen Gott zu erkennen, bedürfe er keines gnadenhaften Anstoßes mehr. Erkenntnistheoretisch bedeutet dies, dass aus der Möglichkeit einer reflektierten und das heißt im Denken vermittelten Gotteserfahrung die Möglichkeit eines unmittelbaren Gotteserlebnisses wird. Dieses Gotteserlebnis kann dann möglicherweise – hier interessiert nur die neomythische Variante – selbst herbeigeführt und zugleich auf seinen Nützlichkeitscharakter im Kontext der Vision einer vollendeten autonomen Selbstgestaltung reduziert werden. Dabei kann sich die Vorstellung der göttlichen Instanz verändern. Dann kann es möglich werden, dass das innerweltlich greifbar gewordene metaphysisch transzendente Absolute zu einer Hilfsinstanz für das neomythische Subjekt werden kann, das sich der energetischen – weil sich naturkausal realisierenden – Instanz eines unbewussten Evolutionsgottes virtuos bedienen will. Im zweiten Band wurden schon viele Beispiele dieser Art zu denken vorgestellt. Nach diesem Blick in die Geistesgeschichte können wir uns nun dem Thema der metaphysischen und neomythischen Verwendung von Quantenfeldtheorien zuwenden.

7.

Neomythische Missverständnisse von Feldtheorien

Gibt es Quantenobjekte, kleine Letzteinheiten von Wirklichkeit? Und wenn, so stellt sich die Frage, was sie sind bzw. wie wir mit ihnen erkenntnistheoretisch umgehen, wenn sich unsere Maßstäbe nicht auf sie anwenden lassen, weil der moderne Feldbegriff entsprechende einfache Anschauungen zunichte gemacht hat und ob diese Frage überhaupt sinnvoll und wenn ja wie beantwortet werden kann1.

1

Vgl. Auyang, 1995, 5.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

Auf dem Hintergrund der Quantenfeldtheorie kann man nicht mehr von ‚Dingen‘ sprechen, wenn man unter diesen abgegrenzte Entitäten versteht. ‚Partikel‘ kann man dann eher als bestimmte Arten von Wellen verstehen, denen eine abgegrenzte ‚Individualität‘ fehlt. Was ist dann aber ein Partikel? Das Problem verschiebt sich nur. Feldtheorien machen darauf aufmerksam, dass lebensalltägliche Ding(/Masse-)vorstellungen und ein entsprechendes erfahrungsorientiertes Raum-Zeit-Konzept zusammengehören und dass uns die anschaulichen Maßstäbe schwinden, wenn diese Vorstellungen nicht mehr greifen. Definitionsbegriffe wurden oben dergestalt charakterisiert, dass wir durch sie nicht mehr angeben können, „für welche Realität ein solches Zeichen eigentlich steht“1. Mit dem physikalischen Grundbegriff des Feldes wird das Thema des Definitionsbegriffes in vertiefter Weise als naturphilosophisches Thema sichtbar. Es verdeutlicht die Situation der modernen Physik und Mathematik, die vor die Frage stellt, ob bestimmte Problemlösungen als ‚physikalisch‘ oder als ‚mathematisch‘ zu bezeichnen sind. Betrachten wir auf dem Hintergrund einer möglichen Wendung modernen Denkens zum neomythischen Standpunkt hin, wie das Motiv des Feldes zum Ausgangspunkt derartiger Interpretationen wird. Feldtheorien gehören in den Bereich der oben angesprochenen Definitionsbegriffe. Weil sich Definitionsbegriffe weder auf eine unmittelbar noch mittelbar anschauliche Realität beziehen lassen und weil sie zugleich als ihre Erlebnistönung eine universale Bestimmtheit eines Bereiches und vielleicht sogar des ganzen Kosmos mit sich führen, eignen sie sich als Folie kosmologischer und metaphysischer Projektionen. Physikalische Realität und mathematische Beschreibung sind im Definitionsbegriff „Feld“ nicht mehr zu unterscheiden. Felder sind Ausdruck einer Theorie allgemeiner Beziehungen, zu deren Voraussetzung einerseits der Bezug zu einer Bestimmtheit der Natur gehört und die andererseits die Mannigfaltigkeit der Natur und ihre sinnlichen Gegebenheit in der Abstraktion der Mathematik aufhebt, wobei ‚aufheben‘ hier auch ‚bewahren‘ und nicht nur negieren ist. Weil der Definitionsbegriff des Feldes „keine analogiesierende, abstrahierende oder deutende Betrachtung“2 erlaubt und zugleich diese ‚kosmische‘ Erlebnistönung hat, provoziert er Deutungen. Anhand eines gern angeführten Gedankenexperimentes von Erwin Schrödinger (1887-1961) kann man den Überschritt von einer quantenmechanischen Deutung der Wellenfunktion hin zu einer unkritisch metaphysischen Deutung und endlich zu einer neomythischen Deutung explizieren. Am Ende dieses Schrödingers Katze genannten Gedankenexperiments ergibt sich für manche Rezipienten nicht nur leicht die Vorstellung, dass eine Katze ‚ir-

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Lay, Bd. 1, 1965, 186. Hönigswald, 1969, Bd. 1, 200.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

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gendwie‘ zugleich lebendig und tot sein kann, sondern es ergeben sich auch erhebliche kosmologische Konsequenzen. Man nehme eine undurchsichtige Kiste, ein radioaktives Atom, einen Geigerzähler, einen Hammer, eine Giftampulle und besagte Katze. Das Atom muss eine Halbwertszeit von einer Minute besitzen, so dass die fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zerfallen ist. Der Geigerzähler würde dann den Zerfall registrieren und einen Mechanismus in Gang setzen, durch den der Hammer im Innern der Kiste die Giftampulle zerschlägt und die Katze getötet wird. Nach einer Minute steht es also landläufig gesprochen ‚fifty-fifty‘ für oder gegen die Katze. Wenn man auf diese makroskopische Experimentsituation quantenmechanische Einsichten zur Wahrscheinlichkeitswelle anwendet (wobei prinzipiell jedes System durch eine Wahrscheinlichkeitswelle dargestellt werden kann), dann haben wir gleichsam zwei Wahrscheinlichkeitswellen in einer Kiste. Die eine Wahrscheinlichkeitswelle beschreibt die Kiste mit einer toten Katze (Wellenfunktion Ѱ1) und die andere die Kiste mit einer lebendigen Katze (Wellenfunktion Ѱ2). Beide Wahrscheinlichkeitswellen überlagern sich zu einer neuen Wahrscheinlichkeitswelle (Superpositionsprinzip), die eine Beschreibung beider Zustände zur gleichen Zeit darstellt. In dieser Betrachtungsweise ist die Katze also gleichzeitig lebendig und tot. In dem Augenblick aber, indem die Kiste geöffnet wird, kehrt die Wahrscheinlichkeitswelle, die die beiden überlagerten Zustände beschreibt, in einen der beiden Zustände – tote oder lebende Katze – zurück. Auch wiederum höchst bildhaft und damit für weitreichende Interpretationen sich anbietend, wird hier von einem Kollaps der Wellenfunktion gesprochen. Philosophisch betrachtet kann man sagen, dass eine wirkliche Katze durch die Überführung in die besagte Kiste in die Betrachtungsweise einer vermöglichten Wirklichkeit überführt wird. Eine wirkliche Katze kann nämlich möglicherweise leben und möglicherweise tot sein. Man kann hier von einer modalen Transformation sprechen. Etwas wird in einer anderen Modalität betrachtet. Wirklichkeit wird als verwirklichte Möglichkeit betrachtet, sie wird vermöglicht. In einem weiteren Schritt, nach dem Zusammenbruch der Wellenfunktion, also nach dem Öffnen der Kiste, wird die mögliche – tote oder lebende – Katze wieder in ihrer Wirklichkeit betrachtet. Ludwig entzaubert das in Esoterikkreisen beliebte Beispiel: „Jeder Experimentalphysiker würde das Experiment in folgender, objektivierender Weise beschreiben: Ein radioaktives Atom wird in ein Zählrohr gesteckt. Dieses Zählrohr betätigt beim Ansprechen einen kleinen Hammer, der eine Ampulle mit Gift zertrümmert. Das Gift tötet dann die Katze. Nach häufiger Durchführung des Experiments ergab sich, daß nach einer gewissen Zeit t, der so genannten Halbwertszeit, in etwa 50% der Fälle die Katze tot und in der anderen Hälfte noch lebendig war“1.

Das Lehrstück von der Schrödingerschen Katze leitet uns über zu einem Thema, das für die neomythische Nutzung quantenphysikalischer Hypothesen bedeutsam geworden ist. Es ist die Theorie vom Multiversum beziehungsweise die VieleWelten-Theorie. Um die Theorie des Multiversums zu verstehen, muss noch einmal daran erinnert werden, dass die Wellenfunktion, die Wahrscheinlichkeitswelle, nicht einfach 1

Ludwig, 1990, 66f.

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die statistische Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Teilchen oder anderer lokaler Ereignisse beschreibt. Die Vorstellung einer statistischen Wahrscheinlichkeit dieser Art ist auch aus unserer alltäglichen Lebensrealität entnommen und missverständlich. Um hier eine andere Perspektive zu gewinnen, ist es sinnvoll, noch einmal an das oben erörterte Doppelspaltexperiment zu erinnern. Weil jedes einzelne Elementarteilchen, etwa ein Elektron, Neutron oder Photon, durch seine Wellenfunktion beschrieben wird, fließt dessen Wahrscheinlichkeitswelle durch beide Spalte – in dieser Hinsicht könnte man sagen, dass ein einzelnes Element bei seinem Durchgang durch einen Schirm mit mehreren Schlitzen diesen ‚gleichzeitig‘ durch die mehreren Schlitze passiert habe, weil es als solches Wahrscheinlichkeitsfeld unabhängig voneinander existierende lokale Bestandteile besitzt1. Wenn man allerdings hinter diesem Schirm flächendeckend kleine Detektoren aufstellen würde, dann würde nur ein Detektor ansprechen, weil das Elementarteilchen hier in seiner Teilcheneigenschaft betrachtet wird und deshalb nur einen Detektor und keinen zweiten oder mehrere treffen könnte.

Die Wellenfunktion beschreibt eine unserer Anschaulichkeit entzogene und d.h. keine ein durch Menschen belebbares Medium bildende ‚Wirklichkeit‘ in hochdimensionalen Räumen, weil, wie schon oben gesagt wurde, alle möglichen Zustände eines Systems wiederum einen möglichen Zustand bilden können (Superpositionsprinzip). Um eine solche Wirklichkeit denkbar zu machen, greifen manche Physiker zu dem Modell eines „fundamentalen Konfigurationsraum(s)“ des gesamten Universums, „der die Rolle des uns gewohnten dreidimensionalen Raums als ‚Bühne der Realität‘ übernimmt“2. Dieser abstrakte formale Raum der Wellenfunktionen (Hilbertraum) schreit für manche Ausleger förmlich nach einer Rückbiegung in unsere lebensalltägliche Raumerfahrung. Für ontologisch motivierte und weniger erkenntnistheoretisch interessierte Quantenphysiker bietet sich die Viele-Welten-Interpretation an. Nach dieser ist die Wellenfunktion kein mathematisches Konstrukt, sondern objektiv wirklich in einem jeweils eigenen Universum. In manchen kosmologischen Modellen werden deshalb auch räumlich getrennte Teiluniversen unter dem Namen Multiversum zusammengefasst. Dieses Multiversum würde aber auch nur – quantenphysikalisch betrachtet – eine der vielen ‚Welten’, die jeweils sogar ihre eigene Raumzeit besitzen könnten, bilden. Vor allem auf Hugh Everett III (1930-1982) geht eine objektivistische Interpretation der Quantenmechanik zurück, die als Gegenvorschlag zur üblichen Kopenhagener Deutung verstanden wird. Nach der gleichsam ontologisch neutralen Kopenhagener Deutung sind Quantenzustände mögliche Systemzustände auf der

1 2

Vgl. Zeh, in: www.zeh-hd.de, 3ff. Zeh, in: www.zeh-hd.de, 3ff.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

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Basis unterschiedlicher Wahrscheinlichkeiten und Ausdruck mathematischer Beschreibungen. Mit dem Zusammenbruch der Wellenfunktion werde aus den möglichen Systemzuständen einer als wirklich quantifizierbar. Durch Bryce DeWitt (1923-2004) und seinen Schüler Neil Graham wird die bei Everett zurückhaltend formulierte Problematik der sich verzweigenden Wellenfunktion publikumswirksam als The Many-Worlds Interpretation of Quantum Mechanics in Szene gesetzt: „Das Universum fächert sich konstant in eine gewaltige Zahl von Zweigen aus, … Des Weiteren verzweigt sich mit jedem Quantensprung auf jedem Stern, in jeder Galaxie und in jeder abgelegenen Ecke des Universums unsere hiesige Erdenwelt in myriads of copies of itself“1. Dies gilt auch für die beobachtenden Subjekte. In der Kopenhagener Deutung werden Quantensysteme als mögliche Systemzustände mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten angesehen und durch die Wellenfunktion mathematisch beschrieben. Im Moment der Beobachtung kommt es zum Zusammenbruch der Wellenfunktion und einer der möglichen Zustände wird verwirklicht. „Aus dem irrealen Nebel von Wahrscheinlichkeiten stellt die Beobachtung ... eine eindeutige Realität her“2. Die Viele-Welten-Deutung versteht die Wellenfunktion hingegen nicht als mathematisches Konstrukt, sondern als objektive Realität in der alle möglichen quantenmechanischen Zustände in einem eigenen Universum wirklich sind. „Beobachtungen stellen die Wirklichkeit nicht her, sondern stellen lediglich klar, in welchem Zweig des Multiversums sich der Beobachter befindet“3. Weil die VieleWelten-Interpretation ohne die qualitative Trennung zwischen System und Beobachter auskommt, ist sie unter dem Maßstab von Ockhams Rasiermesser durchaus einfacher als die Kopenhagener Deutung. In anderer Hinsicht allerdings, die der Annahme eines Multiversums, ist sie weniger sparsam. Im physikalischen Alltag spielen beide Interpretationen keine praktische Rolle. Diese ‚Welten‘ haben – was auch immer mit ihnen ist oder nicht ist – ihre Existenzform nur als unterschiedene Wellenpakete in dem hochdimensionalen Raum, den wir nur in unserer hominiden Erfahrungsperspektive als den unserer „Anthropoiden-Greifhand“4 gemäßen ‚Raum‘ aller Möglichkeiten (Konfigurationen) auszulegen tendieren. Der Raum der quantenmechanischen Möglichkeiten ist dann der Raum aller möglichen Wellenfunktionen über diesem hochdimensionalen Konfigurationsraum, weil in dieser Perspektive die Wellenfunktionen und nicht mehr die einzelnen Raumpunkte die ‚realen‘ physikalischen Zustände ausmachen. Der formale Raum der Wellenfunktionen wird terminologisch abgegrenzt entsprechend auch als Hilbertraum bezeichnet.

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DeWitt/ Graham, 1973, 161 zit. nach Näger/ Stöckler, 2015, 201, Übersetzung L.H. Hermanni, 2011, 78. Hermanni, 2011, 78. Baumanns, 1997, 153.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

Man darf sich die ‚vielen Welten‘ der Quantentheorie also keineswegs als räumlich getrennte und durch uns prinzipiell bereisbare Anders- oder Teilwelten vorstellen, in denen Menschen oder eventuell Orks oder Elben leben könnten. Es ist legitim, wenn die Sciencefiction-Literatur diese physikalische Vorstellungswelt in die literarische Dimension überführt und ein Universum beziehungsweise Multiversum konstruiert, in dem die unterschiedlichen möglichen Welten wirklich bereist werden können. Einer der besten Sciencefiction-Romane der Welt, der Roman über Das Cusanus-Spiel (2005) von Wolfgang Jeschke (19362015) stellt etwa die Viele-Welten-Lehre in den Kontext einer immanent in sich schlüssigen Metaphysik. Problematisch wird es, wenn die Vorstellung von einem für uns Menschen in irgendeiner Weise zuhandenen (Martin Heidegger) Multiversum als Teil des heutigen wissenschaftlichen Weltbildes zu etablieren versucht wird. Mit diesen Gedanken zum Multiversum beschließen wir den Blick in die quantenphysikalische Welt hinsichtlich ihrer metaphysischen Absprungpunkte und wenden uns im nächsten Schritt den entsprechenden neomythischen Interpretationen derselben zu. Dabei werde ich so vorgehen, dass ich zunächst namhafte Wissenschaftler und dann populäre Autoren vorstelle und dabei versuchen werde, sie in die religiöse Großwetterlage unserer Zeit zu stellen.

8.

Neomythische Bündelungen: Physik und Selbstorganisation

a.

Ein Vorbegriff von Selbstorganisation

Die öffentliche Plausibilität über die Leistungsfähigkeit der klassischen Mechanik, dass sich die Dynamik eines beliebigen klassischen Systems unter der Voraussetzung des Wissens um die Anfangsbedingungen für eine beliebig lange Zeit prinzipiell vorausberechnen ließe, ist schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts innerphysikalisch infrage gestellt worden und führt schließlich zu Selbstorganisationstheorien, die unter quantenmechanischen Voraussetzungen eine nichtlineare Dynamik von Prozessen reflektieren. Nicolas Léonard Sadi Carnot (1796-1832) eröffnet 1824 mit seinen Réflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines propres à développer cette puissance die Diskussion über das Thema, indem er fragt, ob die Kraft der Wärme begrenzt sei. Rudolf Clausius (1822-1888) führt die Idee eines „Verwandlungswertes“ der Wärme ein. Die spontane Zunahme von Wärme in isolierten Systemen verweise auf irreversible Prozesse1. 1865 verwendet er den Terminus Entropie als Grundlage einer Wärmetheorie und formuliert die beiden Sätze: „1. Die Energie

1

Vgl. Mainzer, 1996, 57.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

93

der Welt ist konstant. 2. Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu“1. Der französische Mathematiker Henri Poincaré (1854-1912) stellt die These auf, dass eine langfristige Verfolgung der Planetenbahnen unmöglich sei, weil kleine Veränderungen der Anfangsbedingungen große Folgen haben könnten. ‚Natur‘ bleibt sich nicht gleich. Die Einführung einer anderen Art von Zeitlichkeit bei der Untersuchung von Nichtgleichgewichtssystemen und deren Selbstorganisation ist nicht ganz neu, da sich die Physik schon länger etwa mit der Entstehung des Planetensystems beschäftigt hat, führt aber zu einer Verschiebung der Gewichtungen. Gleichgewichtssysteme erscheinen jetzt in manchen Hinsichten als die Idealisierung, die Nichtgleichgewichts-Systeme als die physikalische Realität. Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts werden unter dem allgemeinen Begriff „Selbstorganisation“ innerhalb von verschiedenen Disziplinen entsprechende Forschungen über die Bildung von elementaren Strukturen unserer Wirklichkeit angestellt. Selbstorganisation soll als Arbeitsbegriff für unseren Kontext folgendermaßen bestimmt werden: „Unter Selbstorganisation versteht man das Auftreten systemübergreifender (‚langreichweitiger‘) Strukturen in einem Ensemble vieler lokal interagierender Elemente. Häufig treten die kohärenten Strukturen spontan auf, sobald ein kritischer Wert eines Kontrollparameters überschritten wird“2. Wird dieser kritische Wert überschritten, dann bildet das Gesamtsystem durch, wie es Haken metaphorisch formuliert, „Versklavung“ ein kollektives Systemverhalten aus. Selbstorganisation ist damit als eine Reihe von außerhalb von Gleichgewichtszuständen ablaufenden Prozessen zu verstehen, durch die eine Struktur auf globaler Ebene als Resultat der Interaktionen von Elementen niedriger Ebenen entsteht. Es handelt sich hier um das Phänomen der spontanen Gestaltung prozessualer Muster in einem System beziehungsweise kohärente Relationen aufeinander bezogener Systeme. Bedeutsam für eine metaphysische und neomythische Interpretation von Selbstorganisationsphänomenen ist die Fähigkeit eines Systems, bei Veränderung der Umweltparameter ‚spontan‘ strukturverändernde Phasenübergänge vollziehen zu können, ohne dass für die Strukturneubildung eine ‚äußere Instanz‘ auftreten müsste. Auf diese Weise scheint in die ,Natur‘, begleitet durch die Metaphorik eines ,spontanen Handelns‘, das Element von Freiheitlichkeit ohne ein Freiheitssubjekt und von Teleologie ohne vorherigen Entwurf eingeführt werden zu können. Das macht die Selbstorganisationsmodelle zu einem geradezu idealen Ausgangspunkt für eine scheinbar empirisch fundierte Theorie des unbewussten Evolutionsgottes.

1 2

Clausius, 1867, 44. Hüt/ Freund, 2006, 93.

94

QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

Innerhalb der Physik und der Chemie sind als Begründer der Selbstorganisationstheorien besonders Hermann Haken, Ilya Prigogine (1917-2003) und Manfred Eigen (*1927) zu nennen. Bald beschäftigen sich Humberto Romésin Maturana (*1928) und Francisco Varela (1946-2001) unter dem Gesichtspunkt der Autopoiesis mit lebenden Systemen als Systemen, die sich selbst reproduzieren, und erarbeiten Ideen über die Koppelung des Gehirns an seine Umwelt. Der Biophysiker Heinz von Foerster (1911-2002) entwickelt systemtheoretische Ideen zur Biologie und Kybernetik, die Ökologie wird unter dem Gesichtspunkt der Selbstorganisation zum Thema etwa bei dem Biologen Paul Ralph Ehrlich (*1932), dem Ökologen Crawford Stanley Holling (*1930), dem Biologen Karl Ludwig von Bertalanffy (1901-1972), dem Biophysiker Alfred James Lotka (1880-1949), der 1925 das erste Buch über mathematische Biologie (Elements of Physical Biology1) publiziert, dem an biologischen Fragen interessierten Mathematiker und Physiker Vito Volterra (1860-1940), dem mit seinem biomathematischen Grundlagenaufsatz The Chemical Basis of Morphogenesis (1952) wegweisenden Alan Mathison Turing (1912-1954) und dem Biophysiker Robert McCredie May (*1936). Edward Norton Lorenz (1917-2008) und Benoît B. Mandelbrot (1924-2010) entwerfen die sprichwörtlich gewordene Chaostheorie2. In der Zeit zwischen 1965 bis 1975 entwickelt sich die Selbstorganisationstheorie auf der Basis immer einheitlicher werdender mathematischer Begriffe und greift – weil „selbstorganisierende Systeme multi-hierarchisch und struktur-determiniert … intern Handlungsoptionen“3 ausbilden und darüber hinaus Hoffnungen auf eine ‚strenge‘ Methode wecken – auch für den Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. In diesem Kapitel, das an die Reflexionen zu den möglichen metaphysischen Absprungpunkten der Quantenphysik anschließt, werden wir uns mit Hermann Haken, Ilya Prigogine und David Bohm (1917-1992) beschäftigen. Der Gesichtspunkt, dass die neomythische Versuchung auch in der Nobeletage der Wissenschaft tendenziell ihre Opfer findet, lässt sich an diesen Beispielen musterhaft darlegen. Später werden wir auf das Thema der Selbstorganisation immer wieder zu sprechen kommen, da es einen der idealen Absprungpunkte für neomythische Interpretationen im Bereich der biologischen Evolutionstheorien, der Genetik und der Informations- und Neurowissenschaften darstellt. Beginnen wir die Erörterungen über neomythische Positionen in der Physikrezeption mit Hermann Haken.

1

2 3

Lotka, 1925. Im Netz unter: http://www.archive.org/stream/elementsofphysic017171mbp#page/n0/mode/2up zugänglich. Vgl. dazu: Krohn/ Küppers/ Paslack, 1994, 447ff und Paslack 1991, 7ff. Merten/ Schmidt/ Weischenberg, 1994, 576.

QUANTENPHYSIK IM ABSPRUNG ZUR NEOMYTHISCHEN METAPHYSIK

b.

95

Hermann Haken und die Synergetik: „ein einheitliches Weltbild, eine einheitliche Weltschau zu entwickeln“

„BVST e.V. – und wenn‘s um Menschen mit Krankheiten geht – BVSPro.de – dann suchen Sie einen Synergetik Profiler/in und nutzen Sie die Technik des ‚Bionischen Heilens‘“1. So lautet das Motto des BERUFSVERBANDES DER SYNERGETIK THERAPEUTINNEN UND THERAPEUTEN E.V., das das Vereinsmitglied und Inhaber der Firma Fa. Selbstheilung TV auf seine Homepage gesetzt hat. Er wendet sich an die Leser seiner Internet-Seite mit dem Aufruf: „Wenn Sie in Bayern wohnen, verklagen Sie doch Ihr Gesundheitsamt, wenn es Ihnen diese Erlebniswelt verbieten will. Jeder kann dieses universelle Prinzip ‚Selbstorganisation‘ für sich nutzen, jedoch für eine professionelle Anwendung ist sehr viel Erfahrung notwendig. Daher steht mein Wissen jedem geeigneten Menschen zur Verfügung und kann über die Teilnahme an meinen Ausbildungsseminaren qualifiziert erworben werden. Die Innenwelt ist etwas sehr persönliches – intimes. Alles was der Mensch erlebt, speichert sich dort ab. Diese persönliche Welt läßt sich ersurfen, so ähnlich wie im Internet – allerdings sollte man einen erfahrenen Synergetik Therapeuten mitnehmen, denn wer weiß, was alles so auftaucht? Viele Menschen haben Angst vor sich selbst – doch deshalb das ,Synergetische Surfen‘ zu einer Methode zu erklären, die unter das Heilpraktikergesetz gehört – so wie der bayerische Verwaltungsgerichtshof meint, halten wir für übertrieben: Es sei denn, in Bayern soll Selbsterfahrung unterdrückt werden“. Es kombiniert sich hier das Versprechen einer leiblichen und seelischen Heilung mit der Vorstellung eines Zugänglichwerdens der eigenen Biografie, das nicht komplizierter sei als das Surfen im Internet mit dem Bezug auf eine strenge physikalische Disziplin. Unter dem Titel „Ein Mann blickt durch“ findet sich im Internet ein Erinnerungsfoto anlässlich eines Treffens von Hermann Haken mit Ute Osswald, Synergetiktherapie-Ausbilderin an einem Synergetik-Institut und mit Renate Eymann, seit 2005 Leiterin des BERUFSVERBANDES DER SYNERGETIK THERAPEUTINNEN UND THERAPEUTEN BVST e.V2. Haken wird zum Ausstellungsstück für die Synergetiktherapeuten. Wir haben hier ein Beispiel für den fragwürdigen Endpunkt einer Entwicklung, die mit großen Leistungen anfing. Beginnen wir anhand von Hermann Haken danach zu fragen, welchen Anteil Vertreter der Wissenschaftselite an der Entwicklung solcher ins neomythische Fantasieren weisenden Angebote haben.

1 2

Die folgenden Zitate sind aus: http://www.neurowelt.de/. Vgl. http://www.synergetik-therapie.de/hermann-haken.html. Was zu dieser ‚Therapie‘ zu sagen ist, hat Utsch, 2006, bündig zusammengefasst.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

Strukturentstehung scheint physikalischen Gesetzen zu widersprechen, weil die Entropie immer anwächst. Haken geht von anderen Voraussetzungen aus. Auch er stellt fest, dass „die Vorgänge in der Natur in einer speziellen Richtung laufen und nicht umkehrbar sind; mit anderen Worten, sie sind irreversibel. Wie eine Reihe weiterer Beispiele zeigt, laufen diese Prozesse immer in Richtung einer größeren Struktur. Ordnung eines sich selbst überlassenen Systems zerfällt im Laufe der Zeit“1. Zugleich bietet Haken aber auch ein mathematisch zureichend beschriebenes Modell von ‚spontaner‘ Strukturentstehung an, wenn es sich um offene Systeme handelt, also um Systeme, in denen ein ständiger Materie- und damit verbunden Energieaustausch stattfindet. Die durch Hermann Haken entwickelte Synergetik arbeitet an der Beschreibung des Phänomens bzw. der Phänomene, dass in Systemen, die sich weit vom thermodynamischen Gleichgewicht entfernen, gleichsam ‚spontan‘ Muster oder geordnete Strukturen auftreten können. Diese Selbstorganisation setzt voraus, dass der Austausch von Energie oder Materie einen kritischen Wert erreicht, der das Nichtgleichgewichtssystem in eine bestimmte Struktur zwingt. Hermann Haken leitet als Erster die grundlegenden nichtlinearen Gleichungen der Laserdynamik aus der Synthese von Quantentheorie und Elektrodynamik ab. Den Grundsatz der Linearität als Maßstab der Naturbeschreibung kann man mit Bernulf Kanitscheider folgendermaßen formulieren: „Wenn ein Naturvorgang in der Form X1(t) und in der Form X2(t) ablaufen kann, dann ist auch die additive Zusammenfügung X1(t) + X2(t) ein möglicher Prozess der Natur“2.

Haken studiert Mathematik und Physik in Halle und Erlangen und promoviert 1951 mit einer Arbeit über Gruppentheorie3. Heute ist er Emeritus an der Universität Stuttgart im INSTITUT FÜR THEORETISCHE PHYSIK I/ CENTER OF SYNERGETICS. Mit Werken wie etwa Advanced Synergetics. Instability Hierarchies of SelfOrganizing Systems and Devices (1983), Information and Self-Organization. A Macroscopic Approach to Complex Systems (1988) und Synergetics. Introduction and Advanced Topics (2004) begründete er die Synergetik als Handbuchwissenschaft. Weltanschauliche Popularität brachten ihm Sachbücher wie Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik: die Lehre vom Zusammenwirken (1981), Die Selbstorganisation komplexer Systeme. Ergebnisse aus der Chaostheorie (2004), zusammen mit Maria Haken-Krell Entstehung von biologischer Information und Ordnung (1989), Erfolgsgeheimnisse der Wahrnehmung (1992) und Gehirn und Verhalten (1997) und zusammen mit Arne Wunderlin Die Selbststrukturierung der Materie. Synergetik in der unbelebten Natur (1997). 1 2 3

Haken, 1995a, 5. Kanitscheider, 2006, 90. Vgl. dazu seine Homepage: http://itp1.uni-stuttgart.de/arbeitsgruppen/?W=5 (4.1.2009).

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Haken erzählt in seinem Buch über Erfolgsgeheimnisse der Natur, dass er 1960 in den USA bei den BELL TELEPHONE LABORATORIES einen Beratervertrag gehabt habe und auf diese Weise mit dem Thema des Lasers in Kontakt gekommen sei. Dabei sei er auf die Selbstorganisation im Laser gestoßen. In einer Glühlampe etwa entwichen die Lichtwellen so schnell, dass sie nicht in der Lage seien, andere Leuchtelektronen dazu zu bringen „im gleichen Takt mitzuschwingen, mitzutanzen“1. Es komme auf diese Weise zu einem mikroskopisch chaotischen Licht, weil jedes Atom unabhängig vom anderen Atom Lichtwellen ausstoße. Wenn man nun dafür sorge, dass das Licht in der Gasentladungsröhre möglichst lange verbleibe, indem man Spiegel anbringe, würden immer mehr Leuchtelektronen angeregt, mit zu schwingen und die Wellenberge höher werden zu lassen. Auch die verschiedenen Lichtquellen konkurrierten miteinander und endlich – ab einem gewissen Punkt der Energiezufuhr – setze sich diejenige Welle durch, „die in ihrem Rhythmus dem ‚inneren Tanzakt‘ der Leuchtelektroden am nächsten kommt“2. Damit übernehme diese Welle die Rolle des Ordners, der die einzelnen Elektronen ‚versklave‘. Es entstehe dann – „wie von Geisterhand“3 – ein einziger hoch geordneter, kohärenter Wellenzug, bei dem alle Elektronen im Takt schwingen würden. Haken spricht hier (wie er sagt völlig wertfrei) von einem „Versklavungsprinzip“4. Andererseits existiere die betreffende Lichtquelle nur dadurch, dass die Elektronen gleichmäßig schwingen würden. Es komme also zu einer wechselseitigen Bedingtheit, die als zyklische Kausalität bezeichnet wird. Mit Lichtwellen könne man Laserlicht erzeugen, wenn man die Leuchtelektronen der Gasatome so schnell und effektiv verstärke, dass die Verluste an Energie, die durch die Spiegelung entstünden, ausgeglichen würden. Bei zureichender Energiezufuhr erfolge der Übergang vom Lampenlicht zum Laserlicht in einem Augenblick. Diese Beobachtung eines „schlagartige(n) Auftreten(s) eines makroskopischen Ordnungszustandes“5 ist eines der Beispiele in der Wissenschaft, die Haken zu einem gewichtigen Gedanken kommen lassen, an dessen Ende die Entwicklung eines neuen Wissenschaftszweiges steht. Die sich aus solchen Beispielen ergebende Problemstellung Hakens kann folgendermaßen formuliert werden: Wenn letzten Endes alle Gegenstände der Wissenschaften Systeme sind, die aus sehr vielen Teilen beziehungsweise Untersystemen bestehen, dann liegen möglicherweise dem Entstehen makroskopischer Strukturen immer die gleichen Gesetzmäßigkeiten zu Grunde. Wenn dies zutreffe, dann bedeute dies, dass eine entsprechende Wissenschaft, die diese Gesetzmäßigkeiten streng herausarbeiten könne, eine Metatheorie darstellen würde, gemäß der 1 2 3 4 5

Haken, 1995, 74. Haken, 1995, 46. Haken, 1991, 11. Vgl. etwa Haken, 1991,182f. Haken, 1995, 78.

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man das ‚Verhalten‘ von Menschen, Amöben, Wolken und Kieselsteinen in der Meeresströmung gleichermaßen berechnen könne1. Haken macht eine wichtige metaphysische Voraussetzung schon im Einleitungsteil seines Buches über Erfolgsgeheimnisse der Natur (1995). Er setzt die Synergetik in eine erklärende Alternativposition zur Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments, der er damit ebenfalls eine erklärende und nicht symbolisch interpretierende Bedeutung zuspricht. „Will man nicht jedes Mal eine übernatürliche Macht zur Erklärung dieser Strukturen, das heißt jedes Mal einen neuen Schöpfungsakt bemühen, so steht die Wissenschaft vor der Aufgabe zu erklären, wie Strukturen von allein gebildet werden oder, mit anderen Worten, wie diese sich selbst organisieren“2. Auch im Hinblick auf die vergangene, präsynergetische ‚Wissenschaft‘ macht Haken eine weitreichende – nämlich generelle – Aussage. In der Wissenschaft habe man sich „lange nur mehr mit der Frage, wie Strukturen aufgebaut sind, und nicht damit, wie sie entstehen“3 beschäftigt. Diese Aussage ist wissenschaftsgeschichtlich nicht haltbar. Im nächsten Unterabschnitt macht Haken eine weitere wichtige erkenntnistheoretische Voraussetzung. Wenn die Synergetik in der Lage sei, einheitliche Grundgesetze der Bildung von Strukturen zu erarbeiten, dann sei es auch möglich, eine der wesentlichen Ideen der Wissenschaft, die sich durch diese wie ein „roter Faden“4 durchziehe, zu realisieren. Mit der Strukturwissenschaft der Synergetik als „Lehre vom Zusammenwirken“5 erscheine die Möglichkeit am Horizont, „ein einheitliches Weltbild, eine einheitliche Weltschau zu entwickeln. Besonders in den Naturwissenschaften, in der Physik, der Chemie und der Biologie, aber auch in der Philosophie, sind uns diese Bemühungen bekannt“6. Dieser Überschritt ist von Hakens Prämissen her durchaus konsequent. Die Synergetik ist seiner Auffassung nach „nicht nur eine Theorie der Selbstorganisation, sondern im allgemeineren Sinne eine Theorie der Emergenz neuer Qualitäten“7. In der Folge bestimmt Haken den Begriff der Synergetik: „Aufgabe der Synergetik ist es, die Gesetzmäßigkeiten herauszufinden, die der Selbstorganisation von Systemen in den verschiedensten Wissenschaftsbereichen zugrundeliegen“8. Bildhaft versucht Haken dann die Gesetzmäßigkeiten der Selbstorganisation und Bezüge auf einen ‚Ordner‘, der die einzelnen Teile ‚versklavt‘ und doch von ihnen abhängig ist, genauer zu beschreiben. Die Synergetik untersuche Phäno1 2 3 4 5 6 7

8

Haken, 1991, 30. Haken, 1995, 19. Haken, 1995, 19. Haken, 1995, 19. Haken, 1995, 21. Haken, 1995, 20. Haken, 1995, 177; im Hinblick auf die Grenzen des Denkens von Haken waren für mich wesentlich Schäfer, 1997 und Mutschler, 1990. Haken, 1995, 26.

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mene der Selbstorganisation, in denen wie durch unsichtbare Hand ein Ordner die einzelnen Teile ausrichte. Auf der einen Seite werde der Ordner durch das „Zusammenwirken der einzelnen Teile geschaffen“1, auf der anderen Seite „regiert der Ordner das Verhalten der Einzelteile“2. Haken weist dabei darauf hin, dass eine Metapher wie ‚Versklavung‘ „völlig wertfrei“3 zu verstehen sei. Das Übersetzungsproblem einer hoch abstrakten Wissenschaft in die Alltagssprache führt bei Haken dazu, dass er es virtuos nutzt, um die öffentliche Plausibilität seiner Idee einer globalen Einheitswissenschaft zu propagieren. Während Haken am Anfang seiner Darstellung noch davon spricht, dass energetische Modelle allegorisch zu verstehen seien4, wird seine Sprache im Verlaufe des Buches über die Erfolgsgeheimnisse der Natur immer objektivistischer. Wirtschaft und Politik und das menschliche Verhalten werden in einem naturalistischen Fehlschluss, der vom (zumindest vermeintlich festgestellten) Sein physikalistisch auf ein Gesolltes schließt, beschrieben. Dabei ist es schon fraglich, ob man die ‚synergetischen‘ Gesetze der anorganischen Materie ohne weiteres überhaupt auf die organische Materie übertragen kann und man damit von der Synergetik als der „grundlegende(n) Naturwissenschaft schlechthin“5 reden darf. Wie viel mehr Voraussetzungen müssen dann noch gemacht werden, damit man diese Gesetze darüber hinaus auch noch auf den Menschen zu beziehen vermag? Ein anderes Beispiel für die öffentliche Triftigkeit erschleichende Art der Argumentation ist der Einsatz von Abbildungen6. Schon für sich nur illustrierend und ohne präzisen mathematisch-physikalischen Gehalt ist beispielsweise das folgende Koordinatenkreuz7, welches nur scheinbar einen Graphen darstellt, der auf einer wohldefinierten Funktion beruht und der deshalb von prognostischer Qualität sein kann.

1 2 3 4 5 6 7

Haken, 1995, 24. Haken, 1995, 25. Haken, 1995, 25. Vgl. dazu Schäfer, 1997, 19. Haken, 1995, 22. Vgl. dazu Schäfer, 1997, von der ich diese Anregung bekam. Vgl. Haken, 1995, 183.

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Diese Abbildung soll den Sprung der Wirtschaft von einer relativ günstigen Gewinnsituation in eine für die Firmen absolut günstigen Gewinnsituation veranschaulichen. Betriebswirtschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Nutzen über ein Motivationssymbol hinaus – ‚es ist wissenschaftlich durch einen Nobelpreisträger bewiesen‘ – wie es auch ein Firmen-Happening mit Motivationstrainer und Feuerlaufen darstellen kann, kommt dieser Zeichnung nicht zu. Hakens große wissenschaftliche Leistung besteht darin, dass er zeigen konnte, dass sich die mathematischen Beschreibungen energetischer Vorgänge in den unterschiedlichsten Wirklichkeitsbereichen gleichen. Es ergibt sich aber das Problem, dass in einer solchen Argumentation – dass sich die Natur selbst organisiere – sowohl der Bezug auf das ‚Sich‘ wie auf das ‚Selbst‘ unklar bleiben müssen. Auf der einen Seite widerspricht die globale Aussage über die Selbstorganisation der Natur dem empirischen Ansatz der Erfahrungswissenschaften und auf der anderen Seite gibt es die drohende Gefahr, aus dem Reich der Physik in den Bereich der Metaphysik zu geraten und dies noch nicht einmal zu bemerken. Wie eingangs angemerkt, hat Hermann Haken die Brücke zwischen dem Reich der Physik und dem Reich der Metaphysik vielfach im Nebel der Begriffe bzw. der metaphorischen Termini überschritten – sonst hätte er sich nicht ins Milieu der ‚bionischen Heiler‘ und ‚Selbstorganisationstherapeuten‘ begeben. Ungefähr zeitgleich kommt Ilya Prigogine zu vergleichbaren mathematischen Beschreibungen und geht dann auch den Weg in die Nebelwelten der unkritischen Metaphysik ein Stück weiter.

c.

Ilya Prigogine – „was wir ‚fühlbare Realität‘ des Universums nennen“

Ilya Prigogine ist ein russischstämmiger belgischer Physikochemiker. Er studiert

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Chemie an der UNIVERSITÉ LIBRE DE BRUXELLES (Belgien), wo er 1950 auch Professor wird. Ab 1959 lehrt er an der UNIVERSITY OF TEXAS in Austin (Texas, USA) und an den INSTITUTS INTERNATIONAUX DE PHYSIQUES ET DE CHIMIE in Brüssel. Von 1961 bis 1966 hat er eine Professur an der UNIVERSITY OF CHICAGO (Illinois, USA) inne. 1967 kehrt er nach Austin zurück und leitet das CENTER FOR STATISTICAL MECHANICS AND THERMODYNAMICS. Für seine Studien zur irreversiblen Thermodynamik erhält er 1976 die Rumford Medal und 1977 den Nobelpreis für Chemie. 1989 wird er in den Adelsstand erhoben, ihm wird der Titel Vicomte verliehen. Prigogine gehört damit – wie Haken – zweifellos zur wissenschaftlichen Weltelite des 20. Jahrhunderts. Prigogine steht exemplarisch für den Weg von der Physik in eine Metaphysik mit neomythischen Zügen, auch wenn er zustimmend den us-amerikanischen Physiker Paul Davies (*1946) zitiert, der 1989 schreibt: „Im Grunde liefert die Quantenmechanik ein sehr erfolgreiches Verfahren, um die Ergebnisse von Beobachtungen an Mikrosystemen vorherzusagen, aber wenn wir fragen, was während einer Beobachtung eigentlich passiert, erhalten wir Unsinn! Versuche, aus diesem Paradoxon auszubrechen, reichen vom Bizarren, etwa der Viele-Welten-Interpretation von Hugh Everett, bis zu den mystischen Ideen von John von Neumann bis Eugene Wigner, die sich auf das Bewußtsein des Beobachters berufen. Die Debatte über die quantenphysikalische Beobachtung ist nach 50 Jahren der Auseinandersetzung so lebhaft wie eh und jeh“1. Doch auch Prigogine wird eine metaphysisch weitreichende Antwort geben. Zu Beginn seines gemeinsam mit der belgischen Philosophin Isabelle Stengers (*1949) verfassten Buches über den Dialog mit der Natur. Neue Wege im naturwissenschaftlichen Denkens (1980) machen die Autoren eine folgenschwere philosophiegeschichtliche Voraussetzung. Sie zitieren zustimmend den Historiker der chinesischen Wissenschaft Joseph Terence Montgomery Needham (1900-1995) mit dessen Einschätzung einer „eigentümliche(n) und europäischen Schizophrenie“2 die darin bestehe, dass das abendländische Denken immer zwischen einem Weltbild, das die Welt als Automat sehe und einer Theologie, nach der Gott über das Universum herrsche, geschwankt habe. Aufgrund dieser, eine mangelhafte Kenntnis abendländischer Metaphysik und Theologie erweisenden Position, die einerseits das metaphysisch transzendente Absolute immer nur als alternative Ursache und nie als transzendenten Grund von allem zu betrachten vermag und andererseits erfahrungswissenschaftlich orientierte Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien grundsätzlich mechanistisch deutet, ist bei Prigogine gleichsam programmiert, dass er eine eigene – und wie zu vermuten ist – philosophisch und weltanschaulich ‚übersichtliche‘ Alternative formulieren wird.

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Davies, zitiert nach Prigogine, 1995, 63f. Ronan, 1978, 170 (es handelt sich hier um eine gekürzte Ausgabe das Hauptwerkes von Needham; die falsche Zitation von Prigogine/ Stengers, 1981, 295, habe ich korrigiert).

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Entsprechend kann sogleich der große Aufbruch postuliert werden: „Die moderne Wissenschaft ist im spezifischen Kontext des europäischen 17. Jahrhunderts entstanden. Wir nähern uns nun dem Ende des 20. Jahrhunderts, und es scheint, daß die Wissenschaft eine universalere Botschaft enthält, eine Botschaft, bei der es um die Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur und um die Wechselwirkung zwischen Mensch und Mensch geht“1. Schon hier fällt die pauschal isolierende Rede von ‚der‘ Wissenschaft auf. Die seit dem 19. Jahrhundert verbreitete Idee einer streng begründbaren Einheitswissenschaft kündigt sich auch bei Prigogine an. Die Einleitung schließt dann mit einem Hinweis auf die globalen Probleme unserer Zeit, die neue Schöpferrolle des Menschen im Hinblick auf die Natur, die Bevölkerungsexplosion und einer Warnung vor Wissenschaftsgläubigkeit. Abschließend folgt dann der Verweis auf das intendierte Ziel des Buches, den Weg zu einem neuen Wissenschafts- und Weltverständnis zu ebnen. Das wissenschaftliche ‚Wendezeit‘- und ‚Paradigmawechsel‘-Klima Needhams wirkt auch hier nach. „Wir gehen einer neuen Synthese entgegen, einer neuen Naturauffassung, in der die abendländische Tradition, die das Experiment und die quantitative Formulierung betont, sich mit der chinesischen Tradition verknüpft, in deren Mittelpunkt die Auffassung von einer spontan sich selbst organisierenden Welt steht. Jede große Epoche der Wissenschaft hat ein bestimmtes Modell der Natur entwickelt. … Statt die Wissenschaft durch den Gegensatz zwischen Mensch und Natur zu definieren, sehen wir in der Wissenschaft eher eine Kommunikation mit der Natur“2. Die letzten Sätze der Einleitung sind dann eine emphatische Erinnerung an den damaligen Bestseller des französischen Nobelpreisträgers für Physiologie/ Medizin Jacques Lucien Monod (1910-1976) über Zufall und Notwendigkeit (1970). Monod wird mit der folgenden Passage zitiert: „Der Alte Bund ist zerbrochen; der Mensch weiß endlich, daß er in der teilnahmslosen Unermesslichkeit des Universums allein ist, aus dem er zufällig hervortrat“3. Prigogine und Stengers kommentieren nun: „Vielleicht hatte Monod recht. Der Alte Bund ist zerbrochen. Wir sehen unsere Rolle nicht darin, dem Vergangenen nachzuweinen. Wir sehen sie darin, neue Bündnisse zu stiften zwischen dem Menschen, seiner Erkenntnis, seinen Träumen und den erfinderischen Aktivitäten der Natur“4. Immer wieder grenzt sich Prigogine gegen die Position des französischen Biochemikers ab. Monod erhält 1965 für seine gemeinsam mit François Jacob (*1920) und André Lwoff (1902-1994) durchgeführten Untersuchungen über den Aufbau prokaryotischer Gene den Nobelpreis für „Physiologie oder Medizin“. Mit Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie (Le hasard et la nécessité. Essai sur la philosophie natu-

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Prigogine/ Stengers, 1981, 12f. Prigogine/ Stengers, 1981, 29. Prigogine/ Stengers, 1981, 30. Prigogine/ Stengers, 1981, 30.

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relle de la biologie moderne) verfasst er 1970 einen breit rezipierten, eine Zeitlang sprichwörtlichen Bestseller.

Monods Buch ist eine in ihrer Weise konsequente Standpunktnahme zu dem Problem der radikalen Endlichkeit des Menschen. Deutlich weist er auf die Bedürfnislage menschlicher Religiosität, das heißt auf die Geneigtheit nicht endlich zu sein, hin. Dass der Zufall Prinzip der Evolution sei, könne uns Menschen im Hinblick auf die Existenz eines Kieselsteins ruhig bleiben lassen. Wir hingegen möchten für uns selbst, „dass wir notwendig sind, dass unsere Existenz unvermeidbar und seit allen Zeiten beschlossen ist. Alle Religionen, fast alle Philosophien und zum Teil sogar die Wissenschaft zeugen von der unermüdlichen, heroischen Anstrengung der Menschheit, verzweifelt ihre Zufälligkeit zu leugnen“1. Zufällig zu sein bedeutet für Monod2 über den Status der „Unbestimmtheit“3 hinaus auch „totale Verlassenheit“ und „radikale Fremdheit“4 und damit ein „ängstliches Suchen in einer eisigen, verlorenen Welt“5. Es scheint ein bekümmerter Atheismus auf, wenn er schreibt: „Der Mensch muss endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit erkennen. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig ist gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen“6. Zu dieser Perspektive passt dann allerdings nicht die emphatische Stellungnahme zur Vernunft in ihrem Gegensatz zur Religion. „Der Mensch weiß endlich, dass er in der teilnahmslosen Unermesslichkeit des Universums allein ist, aus dem er zufällig hervortrat. Nicht nur sein Los, auch seine Pflicht steht nirgendwo geschrieben. Es ist an ihm, zwischen dem Reich des Lichtes (Vernunft) und dem Reich der Finsternis (Religion) zu wählen“7. Hier kippt die Argumentation. Aus Monods metaphysischer Perspektive kann eigentlich nur festgestellt werden: ‚Wozu überhaupt Vernunft?‘ In seiner Auseinandersetzung mit Jacques Monod trifft Prigogine eine wichtige philosophische Feststellung. Er fragt nämlich nach der Möglichkeit eines selbstbewussten Wesens unter den Bedingungen universaler Zufälligkeit. Für ihn ist es ein Paradoxon, dass es in einer solchen Welt eine allgemeine Prinzipien setzende Vernunft geben könnte. „Wer, wenn nicht ein übernatürliches Wesen, kann sich selbst kennen und erklären, der Welt fremd zu sein? Wie könnte eine zufällige Ansammlung von Atomen das tun?“8. Mit ‚übernatürlich‘ ist zunächst nur die Un1 2 3 4 5 6 7 8

Monod, 1971, 53f. Vgl. dazu Ricken, 1999, 184. Monod, 1971, 108. Monod, 1971, 151. Monod, 1971, 148. Monod, 1971, 151. Monod, 1971, 157. Prigogine/ Stengers, 1981, 197.

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erklärlichkeit von Vernunft gemeint. Spätestens mit dieser Frage transzendiert Prigogine die von ihm kritisierte mechanistische Wissenschaftsperspektive tatsächlich. Die Folgeproblematik besteht darin, inwiefern Prigogines Lösungsansatz mit der ‚Übernatürlichkeit‘ der Vernunft umgeht und wo er diese ‚übernatürliche Vernunft‘ loziert. Doch dies wird erst später Thema sein können. Bevor wir nun Prigogines Physikphilosophie näher vorstellen, müssen wir eine weitere geistesgeschichtliche beziehungsweise geschichtsphilosophische Prämisse erörtern. Prigogines Beurteilung der klassischen Wissenschaft1 gleicht – wie auch schon bei anderen Autoren zu beobachten war – von ihren geschichtsphilosophischen Prämissen her dem Drei-Stadiengesetz von Auguste Comte (1798-1857). Dem theologischen Zeitalter des naiven Glaubens folgt nach Comte ein metaphysisches Zeitalter des abstrakten ‚Philosophierens‘, dem sich endlich und endgültig ein positives Zeitalter der Erfahrungswissenschaften anschließt. Analog zu diesem Schema ordnet Prigogine die klassischen Erfahrungswissenschaften der Phase vor der Entdeckung der Quantenphysik ein. Die klassischen Wissenschaften seien aus einer Kultursituation hervorgegangen, „die beherrscht war von einem Bund zwischen dem Menschen, der in der Mitte zwischen der göttlichen und der natürlichen Ordnung stand, und Gott als dem rationalen und intelligiblen Gesetzgeber, dem souveränen Architekten, den wir nach unserem Bilde erdacht hatten“2. Als sich der mittelalterliche Gott „zurückzog“3 und damit die Prämisse einer in sich selbstverständlichen erkenntnistheoretischen Absicherung verschwand, „blieb jedoch bei den Wissenschaftlern das Gefühl des Sichselbstgenügens erhalten. Was sie nun vertraten, war die triumphierende Wissenschaft des 18. Jahrhunderts“4. Nach Prigogine, der sich hier Richard Feynmans (1918-1988) Ausführungen in seiner Schrift Vom Wesen physikalischer Gesetze (Vorlesungen von 19645) anschließt, ist das klassische Weltbild der neuzeitlichen Physik dem Problem des irreversiblen Charakters von Nichtgleichgewichtsprozessen nicht gerecht geworden. Die scheinbare Unordnung von irreversiblen Phänomenen ist nicht auf unsere fachliche Unwissenheit zurückzuführen, sondern sie spielt eine wichtige Rolle in der Neuordnung der Welt. Das klassische physikalische Weltbild der Neuzeit habe die Gesetze der Natur als Spielregeln einer großen Schachpartie betrachtet. „Jeder einzelne Zug wäre demnach einfach, und die Komplexität beruhte ebenso wie die Irreversibilität einfach auf der großen Zahl der Spielelemente“6. Der Ausgangspunkt von Prigogines postuliertem Neuaufbruch ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der den Entropiebegriff einführt. Durch den Bezug auf Entropie ergebe sich ein neues Verständnis von Zeit für die Physik.

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Vgl. Prigogine/ Stengers, 1981, 58. Prigogine/ Stengers, 1981, 58. Prigogine/ Stengers, 1981, 58. Prigogine/ Stengers, 1981, 58. Feynman, 1992. Prigogine, 1995, 32.

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Alltagssprachlich kann man sagen, dass die Entropie das Maß für die Reversibilität beziehungsweise Irreversibilität molekularer Prozesse ist. Durch das Fallenlassen der Prämisse, dass Prozesse in der klassischen Dynamik grundsätzlich als reversibel betrachtbar sind, kann man – so Prigogine – plötzlich nicht nur zwischen Vergangenheit und Zukunft unterscheiden, sondern in die Physik auch einen Zeitpfeil einführen. „In den irreversiblen Prozessen kann man auch die letzte Spur einer spontanen, eigenen Aktivität der Natur sehen in einer Situation, in der die Versuchsanordnung darauf abzielt, diese zu bändigen“1. Das Chaos habe unter anderem die fundamentale Funktion, die mikroskopischen und die makroskopischen Beschreibungen der Natur zu vereinen. Nicht mehr die stabilen Systeme seien der wesentliche Ausgangspunkt der Physik, sondern instabile Systeme und dass Ordnung wie Unordnung eine letzte Bezogenheit auf das Chaos hätten2. Dabei wird das Chaos, durchaus im Kontext der allgemeinen Begriffsgeschichte im Abendland, nicht negativ gefasst. Schon immer war das Chaos (griech.: χάος) auch die Kluft, die sich öffnet und etwas Neues, Schöpferisches freisetzt. Chaos ist nach Prigogine kein Fall von Gesetzlosigkeit, die uns sprachlos macht, sondern das Öffnen einer Spalte in unserem Verständnis von Wirklichkeit, das eine „hohe Anwendungsrelevanz für die Analyse komplexer Systeme besitzt“3. Synergetische Prozesse sind für Prigogine ein Musterbeispiel für eine emergente Natur in der Freiheitsaspekte auftauchen können. Als emergent bezeichnet man die spontane Bildung neuer Eigenschaften oder Strukturen auf der Makroebene eines Systems, die durch das Zusammenspiel seiner Elemente hervorgerufen wird. Der Zufall ist gleichsam der Gewährsmann der Emergenz. Die physikalische Welt wird für Prigogine zu einer Werdewelt. „Die Wechselwirkung eines Systems mit der Außenwelt, seine Einbettung in Nichtgleichgewichts-Bedingungen, kann so zum Ausgangspunkt für die Bildung von neuen dynamischen Zuständen der Materie, von dissipativen Strukturen werden. Dissipative Strukturen stellen tatsächlich eine Form von supramolekularer Organisation dar“4. Ein immer wieder angeführtes Beispiel für einen synergetischen Effekt stammt aus dem Bereich der Hydrodynamik und betrifft die Bénard-Instabilität. Wenn man eine Flüssigkeit von unten erhitzt und einen hinreichend großen Temperaturunterschied zwischen der unteren und der oberen Grenzfläche der Flüssigkeitsschicht erzeugt, dann entstehen Wirbel, die Milliarden von Teilchen so in Bewegung setzen, dass es zu kollektiven Bewegungsmustern

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Prigogine, 1981, 166 (vgl. dazu im Folgenden Schäfer, 1997). Vgl. dazu: Prigogine, 1995, 84. Kanitscheider, 2006, 90. Prigogine/ Stengers, 1981, 152.

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kommt. Es entstehen geometrische Formen „makroskopischen Ausmaßes, in denen Moleküle gemeinsam nach oben steigen oder nach unten sinken“1.

Geschichtlichkeit kann aber keinen absoluten Platz in der Naturwissenschaft haben2. Ein physikalisches Experiment ist per Definition unabhängig von der Geschichte, weil es prinzipiell in jedem Raum-Zeit-Kontext als reproduzierbar gedacht werden muss. Weber3 weist zu Recht darauf hin, dass Prigogine übersieht, dass irreversible Prozesse und dabei vor allem das deterministische Chaos, je nach der entsprechenden Hinsicht einerseits allgemein und andererseits einmalig sind. In der Hinsicht allgemein, dass bei einem Bekanntsein der gegebenen Randbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit der entsprechende Prozess als Hypothese voraussagbar ist und andererseits ist die spezifische Gesetzmäßigkeit dieses Prozesses als werdende etwas Einmaliges. Insofern man also den Wert der gegebenen Randbedingungen voraussetzen muss, ist die spezifische Geschichtlichkeit beim deterministischen Chaos Ausdruck einer „Komplementarität von hypothetischer Allgemeinheit und faktischer Einmaligkeit“4.

Durch die chronische Vermischung von physikalischen Vorstellungen, Alltagssprache und Metaphorik bringt Prigogine nicht nur den Leser, sondern auch sich selbst in die Situation, die Reichweite seiner physikalischen Vorstellungen in den Bereich der Metaphysik auszudehnen. Schäfer5 macht deutlich, dass auch die Entropie im Hinblick auf den Ablauf der Zeit erkenntnistheoretisch neutral in der Alltagssprache beschrieben werden kann. „Schließlich hat man noch darauf hinzuweisen, dass nach dem 2. Hauptsatz ein Ablauf der Zeit bestimmt werden kann. Bei einem reversiblen Vorgang lässt sich nicht feststellen, welcher Zustand ‚früher‘ und welcher ‚später‘ eingetreten ist. Bei einem irreversiblen Vorgang dagegen nimmt die Entropie zu. Damit ist von zwei Zuständen derjenige von ihnen der spätere, der die größere Entropie besitzt“6. Ein Zeitpfeil, der Geschichte repräsentiert, ist für die Beschreibung der beiden Entropiezustände nicht notwendig. Prigogine sieht dies anders.

„Bei allen Phänomenen, die wir um uns herum beobachten, sei es in der makroskopischen Physik, der Chemie, der Biologie oder den Humanwissenschaften, spielen Zukunft und Vergangenheit dagegen eine unterschiedliche Rolle. Überall finden wir einen ‚Zeitpfeil‘. Damit stellt sich die Frage, wie dieser Zeitpfeil aus der Nicht-Zeit hervorgehen kann. Ist die Zeit, die wir wahrnehmen, eine Illu1 2 3 4 5 6

Schreiber, 2001,70f. Vgl. dazu Schäfer, 1997, 40 und Mutschler, 1990. Weber, 2000, 106. Weber, 2000, 106. Schäfer, 1997, 39. Grehn, 1992, 170.

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sion?“1. Prigogine stellt dabei auf der einen Seite fest: „Das Verstreichen der Zeit wird uns irgendwie bewußt“2 und erinnert damit die Geschichtlichkeit unserer Lebenswirklichkeit. Doch bald schon wieder setzt sich der bereichsbezogen denkende Naturwissenschaftler in ihm durch. Er fährt einige Sätze weiter fort: „Welches sind die großen Ereignisse der Weltgeschichte? Sicherlich die Entstehung des Universums und die Entstehung des Lebens“3. Damit hat er die spezifisch menschliche Dimensioniertheit der Zeit als Geschichtszeit wieder aus seiner Perspektive herausgenommen. Es ist kein Zufall, dass Prigogines Bezugnahmen auf die Menschheitsgeschichte, etwa auf die abendländische Geistesgeschichte, kein Gespür für geschichtliche Entwicklungen von Begriffen und damit der Geschichte des Begreifens aufweisen. Geschichte wird auf diese Weise vormenschlich, naturhaft und andererseits doch nicht naturwissenschaftlich gesehen. Der menschlichen Zeitlichkeit wendet er sich dann wieder in neurowissenschaftlicher Perspektive zu, wenn er einen engen Zusammenhang zwischen Irreversibilität und Komplexität feststellt. „Je höher der Komplexitätsgrad – Chemie, Leben, Gehirn –, desto offenkundiger ist der Zeitpfeil“4. Wie schwierig es für Prigogine ist, eine humanwissenschaftliche oder eine philosophische Perspektive einzunehmen, zeigt auch die folgende Passage: „Im Vergleich zwischen der Gesellschaft von heute und der Gesellschaft der Jungsteinzeit sind es nicht die einzelnen Menschen, die sich unterscheiden, die mehr oder weniger intelligent sind, sondern es sind die Beziehungen zwischen den Individuen, die sich radikal gewandelt haben. Ebenso gewiss erscheint, daß unsere Gesellschaft schneller altert als die der Jungsteinzeit, weil die Kommunikationsmittel vermehrt wurden und die Dynamik der sozialen Korrelationen dadurch eine enorme Beschleunigung erfahren hat“5. Es ist interessant, in welchem Maße Prigogine unterschwellig normative Prämissen besitzt, die eine ganze globale Fragestellung, in diesem Falle die Frage nach der Entwicklung der Menschheitsgeschichte beziehungsweise der Entwicklung von Kulturen, präformieren. In der Frage nach der Vorhersehbarkeit kollektiven menschlichen Verhaltens unterscheidet er unter den menschlichen Interessenlagen Interessen „wie die Zukunft vernünftigerweise wohl aussehen mag“ und andere Erwartungen und Wünsche und stellt dann als ein Problem fest, wie man ermitteln könne, „ob die Gesamtevolution unter diesen Umständen zu einer Art von globalem Optimum führen kann“6. Der unbewusste Evolutionsgott taucht auf und kommt zu sich im globalen Optimum.

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Prigogine, 1995, 15f. Prigogine, 1995, 22. Prigogine, 1995, 22. Prigogine, 1995, 87. Prigogine, 1995, 72. Prigogine, 1987, 316.

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Auch auf kosmologischer Ebene kann Prigogine viel mit dem Bewusstseinsgedanken anfangen. Zustimmend und ihrer Meinung nach innerphysikalisch präzisierend zitieren die beiden Autoren Prigogine und Stengers den Physiker John Archibald Wheeler (1911-2008) mit seiner Idee eines partizipatorischen Universums: „Das Universum ist ein selbstangeregter Kreislauf. Während es expandiert, abkühlt und sich entwickelt, läßt es Beobachter-Partizipation entstehen. Die Beobachter-Partizipation läßt wiederum das entstehen, was wir ‚fühlbare Realität‘ des Universums nennen“1. Mit der Beobachter-Partizipation taucht der sich aus seinem ‚Selbst‘ selbstorganisierende Evolutionsgott auf. Aus der Amöbe wird – durch den Trieb des Universums – per Beobachter-Partizipation der Mensch. Aufgrund der Unhintergehbarkeit der Zeit, das heißt des Zeitpfeils, der die Menschen mit der Amöbe verbinde, seien wir auch verbunden mit den Elementarteilchen und den kosmologischen Ereignissen. Jeder und jedes partizipiere auf seine Weise an der ‚irreversiblen Existenzform‘ dissipativer Strukturiertheit. „Lebende Systeme haben zum Beispiel einen Sinn für die Zeitrichtung. … Es ist deshalb einer der interessantesten Aspekte der Theorie von den dissipativen Strukturen … dass diese Richtung der Zeit in den Grundlagen von Physik und Chemie verankert ist“2. Prigogine weist darauf hin, dass der Zeitpfeil schon in den „einfachsten Sachverhalten – etwa der Benard-Instabilität“3 – zu beobachten sei. Der Zeitpfeil sei stets gegenwärtig und zugleich bestehe eine enge Verbindung zwischen Irreversibilität und Komplexität. „Je höher der Komplexitätsgrad – Chemie, Leben, Gehirn –, desto offenkundiger ist der Zeitpfeil“4. Durch einen Standpunktwechsel ist es nach Prigogine möglich und notwendig, die grundlegenden Gesetze der klassischen Dynamik und natürlich auch der Quantendynamik in ein Wahrscheinlichkeitsmodell zu übertragen5. Prigogine entwirft das Schema: Instabilität !Wahrscheinlichkeit !Irreversibilität6.

Einer „Physik des Seins“ wird eine „Physik des Werdens“ gegenübergestellt7. Zwei schöne Beispiele dafür, wie Prigogine physikalische, metaphysische und alltagssprachliche Sprachspiele durcheinander wirbelt, sollen hier exemplarisch angeführt werden. Im Hinblick auf die Urknall-Theorie schreibt er, dass es sich hier um einen paradigmatischen irreversiblen Prozess handele: „Was könnte in der

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Zit. nach Prigogine/ Stengers, 1981, 266. Prigogine, 1985, 16. Prigogine, 1985, 22. Prigogine, 1995, 87. Vgl. Prigogine, 1990, 44f. Vgl. Prigogine, 1990, 45. Vgl. Prigogine, 1985, 225.

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Tat irreversibler sein als der Übergang vom ‚Nichts‘ (dem Quantenvakuum) zu unserem Universum, das Materie und Energie enthält?“1 Wir beobachten hier die enge Verbindung eines alltagssprachlich orientierten Plausibilitätsargumentes („Was könnte in der Tat …?“), eines Begriffes aus der Metaphysik „Nichts“ und eines physikalischen Begriffes „Quantenvakuum“. Kurze Zeit später können wir eine ähnliche begriffliche Unschärfe feststellen. Prigogine vermischt wiederum seine physikalische Sprache mit der Sprache der Metaphysik: „Doch ist das dynamische Chaos, das physikalisch ausgedrückt (!), der ‚Grund des Seins‘ ist, keine metaphysische Wahrheit“2. Mit dieser Feststellung sind wie bei einer abschließenden Betrachtung angelangt. Auf der offiziellen Website der EUROPÄISCHEN KOMMISSION, die die allgemeinen Interessen der EU vertritt, findet sich im Magazin über europäische Forschung (2004) ein Bericht mit dem vielversprechenden Titel Wissenschaftliche Zusammenarbeit. Europa-Russland: Prigogines Erbe3 in dem zunächst die „uneingeschränkte Bewunderung für Ilya Prigogine, auf wissenschaftlicher wie auf menschlicher Ebene“ ausgedrückt wird. Nach dem dort zitierten Statement von Ioannis Antoniou (* 1955), einem griechischen Mathematiker, der Prigogines Bedeutung noch über das 21. Jahrhundert hinaus verlegt, „Wir sind überzeugt, dass sein Denken das 21. Jahrhundert prägen wird … Aber er dachte bereits weiter. Er sagte, nach der Irreversibilität und der Selbstorganisation sei die nächste große Herausforderung der Wissenschaft die Körper-Geist-Beziehung“, kommt das offizielle Forschungsorgan zu folgender Feststellung: „Denn von Grenzen zwischen den Disziplinen ließ sich Ilya Prigogine, der gemeinsam mit der Wissenschaftsphilosophin Isabelle Stengers mehrere Epoche machende Bücher verfasste, nie beeindrucken. Erst fühlte er sich zur Jurisprudenz hingezogen, dann zur Psychologie, um schließlich Chemie und danach Physik und Mathematik zu studieren. Jedes Interessengebiet führte ihn auf ein anderes, noch grundlegenderes“. Mit dem Untertitel Prigogines Erbe wird hier auf dieser offiziellen Seite der Eindruck erweckt, als ob die Denkweise von Prigogine und damit die Selbstorganisationstheorie im Hinblick auf das zukünftige Wissenschaftsverständnis innerhalb der EUROPÄISCHEN UNION von einer wegweisenden Bedeutung seien. Von einem solchen politischen Ritterschlag konnte ein David Bohm (1917-1992) nur träumen – wobei die Frage ist, ob er überhaupt einen solchen hätte haben wollen.

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Prigogine/ Stengers, 1993, 271. Es ist auch nicht untypisch für den Argumentationsstil von Prigogine, dass er diese Aussage später etwas relativiert (Prigogine/ Stengers, 1993, 296). Prigogine, 1993, 314. http://ec.europa.eu/research/rtdinfo/40/print_article_486_de.html.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

9.

Von der Quantenphysik zur Subquantenkommunikation: David Bohm

a.

Physik und DiaMat: Biografie eines Unangepassten

Der amerikanische Physiker David Bohm1 studiert am PENNSYLVANIA STATE COLLEGE und am CALIFORNIA INSTITUTE OF TECHNOLOGY (Caltech) Physik und wird 1941 Teaching Assistant an der UNIVERSITY OF CALIFORNIA in Berkeley bei Julius Robert Oppenheimer (1904-1967). Es ist nicht geklärt, ob Bohm seine dort begonnene Dissertation über Streuprobleme von Protonen und Deuterium zu Ende bringt. Oppenheimer stellt ihm 1943 eine Bescheinigung aus, dass er die für eine Promotion notwendigen Leistungen erbracht habe. Bohm arbeitet dann im Rahmen des Manhattan Projects an amerikanischen Atomwaffenprojekten mit. Sein Interesse, in der Zentrale des Projekts in Los Alamos mitzuarbeiten, scheitert an seiner linken politischen Gesinnung. Sogar Oppenheimer selbst hält ihn für leicht beeinflussbar und sieht in ihm eine mögliche Gefährdung des ganzen Projekts2. Bohm tritt im November 1943 für neun Monate sogar in die amerikanische Communist Party ein. Sein Interesse am Marxismus bezieht sich aber in erster Linie auf die philosophischen Grundlagen, den damals so genannten DiaMat, den dialektischen Materialismus. Aus diesem Grunde wird sich Bohm auch noch in den fünfziger Jahren ausführlich mit der Dialektik der Natur von Friedrich Engels (1820-1895) beschäftigen. Nach dem Krieg erhält Bohm 1947 eine Stelle als Assistent Professor in Princeton. Wie anerkannt er als Physiker zu dieser Zeit ist, zeigt sich daran, dass er zu den knapp dreißig Physikern gehört, die sich im Juni 1947 auf Shelter Island (New York) zu Diskussionen über die Situation der Physik nach dem Kriege treffen. Ebenso ist er 1948 Teilnehmer an der entsprechenden Nachfolgekonferenz in Pocono (Pennsylvania). Zunehmend stößt sich Bohm an der pragmatischen Haltung der us-amerikanischen Physik, die seiner Meinung nach der Mathematik vor der Realität den Vorzug gibt. Über den Pragmatismus der Physiker und seine Grenzen sagt er sarkastisch: „Am Sonntag, wenn sie philosophisch gestimmt sind, sagen sie, die Wirklichkeit des Menschen sei nicht mehr als die Ergebnisse wissenschaftlicher Instrumente. An Wochentagen aber behaupten sie, sie bestehe aus harten, soliden kleinen Partikeln, obwohl sie wissen, daß das auch nicht sein kann, weil diese alle Eigenschaften von Wellen haben und dazu viele Eigenschaften, die Partikeln niemals zukommen“3. Als im Kontext der Stimmung des Kalten Krieges unbewiesene Gerüchte über einen Spionagefall vom COMMITTEE OF UN-AMERICAN ACTIVITIES aufgegriffen werden und Bohm 1949 vor das Komitee geladen wird, verweigert er die Aussage.

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Zur Biografie habe ich mich vor allem an Forstner, 2008 orientiert. Vgl. Forstner, 2008, 375. Bohm, 1986, 59.

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Er wird am 4. Dezember 1950 wegen Missachtung des Kongresses angeklagt, am selben Tag suspendiert ihn die Universität und verbietet ihm das Betreten des Campus. Bohm wird zwar dann im Juni 1951 freigesprochen, die Suspendierung aufgehoben, doch sein drei Wochen später auslaufender Vertrag wird nicht mehr verlängert. Später arbeitet Bohm an der Universität von São Paulo und reist 1955 weiter nach Israel um am HAIFA TECHNION zu lehren, 1957 wird er Research Fellow an der UNIVERSITY OF BRISTOL und erhält endlich 1961 eine Professur am BIRKBECK COLLEGE der Universität London, wo er 1987 emeritiert wird. In Brasilien intensiviert sich die Auseinandersetzung mit dem dialektischen Materialismus und der Philosophie von Friedrich Engels und er entwickelt eine entsprechende Naturphilosophie. In einem Brief schreibt er 1952: „Wie Engels sagte, brauchen wir eine neue Situation (im Sinne von Lebensweise, L.H.), in der Mensch+Natur eine größere Einheit bilden“1. In seiner Naturalisierung von Kategorien der Philosophie, in diesem Falle der Dialektik Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770-1831), entspricht die Dialektik der Natur von Friedrich Engels der Tendenz der materialistischen Naturphilosophie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. „Die Dialektik, die sog. objektive, herrscht in der ganzen Natur, und die sog. subjektive Dialektik, das dialektische Denken, ist nur Reflex der in der Natur sich überall geltend machenden Bewegung in Gegensätzen, die durch ihren fortwährenden Widerstreit und ihr schließliches Aufgehen ineinander, resp. in höhere Formen, eben das Leben der Natur bedingen“2. Engels grenzt sich dabei gegen eine mechanistische Auslegung von Naturgesetzen ab und postuliert das Entstehen einer dialektischen Einheitswissenschaft. „Erst wenn Naturund Geschichtswissenschaft die Dialektik in sich aufgenommen haben, wird all der philosophische Kram – außer der reinen Lehre vom Denken – überflüssig, verschwindet in der positiven Wissenschaft“3. In seinen Überlegungen zu einer Dialektik der Natur schreibt er: „Zwei philosophische Richtungen, die metaphysische mit fixen Kategorien, die dialektische (Aristoteles und Hegel besonders) mit flüssigen … Die Naturforscher bis Ende vorigen Jahrhunderts, ja bis 1830 wurden mit der alten Metaphysik ziemlich fertig, weil die wirkliche Wissenschaft nicht über Mechanik – irdische und kosmische – hinausging. Trotzdem brachte schon die höhere Mathematik, die die ewige Wahrheit der niedern Mathematik als einen überwundnen Standpunkt betrachtet, oft das Gegenteil behauptet und Sätze aufstellt, die dem niedern Mathematiker als barer Unsinn erscheinen, Konfusion hinein. Die festen Kategorien lösten sich hier auf, … Jetzt aber ist das alles anders“4. Mit dieser ‚Verflüssigung‘ und damit einhergehend ‚Vergeschichtlichung‘ von Kategorien ergebe sich die Perspektive auf eine dialektische Einheitswissenschaft, die Mensch und

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Zit. nach Forstner, 2008, 385, Übersetzung L.H. Marx/ Engels, Bd. 20, 1962, 481. Marx/ Engels, Bd. 20, 1962, 480. Marx/ Engels, Bd. 20, 1962, 481.

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Natur übergreife und versöhne, wobei sie den Umschlag von Quantität in Qualität mitreflektieren könne. Die Menschen würden „bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können. Und in der Tat lernen wir mit jedem Tag ihre Gesetze richtiger verstehen und die näheren und entfernteren Nachwirkungen unsrer Eingriffe in den herkömmlichen Gang der Natur erkennen. … Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen, und je unmöglicher wird jene widersinnige und widernatürliche Vorstellung von einem Gegensatz zwischen Geist und Materie, Mensch und Natur, Seele und Leib, wie sie seit dem Verfall des klassischen Altertums in Europa aufgekommen und im Christentum ihre höchste Ausbildung erhalten hat“1.

David Bohm versucht eine Verbindung von DiaMat und Quantenphysik und beginnt im Trüben des Drüben zu fischen.

b.

Naturphilosophie und darüber hinaus

In seinem Buch Causality and Chance in Modern Physics (1957) legt Bohm im Anschluss an die Philosophie von Engels einen frühen naturphilosophischen Entwurf vor. Bohm charakterisiert die mechanistische Naturphilosophie folgendermaßen: „Die wesentlichen Merkmale einer mechanistischen Philosophie, so sie sich bisher in der Physik entwickelt hat, sind in ihrer allgemeinsten Form: Die enorme Vielfalt von Dingen in der Welt, sowohl in der Alltagserfahrung als auch in der wissenschaftlichen Forschung, kann komplett und vollkommen und ohne Einschränkung … auf die Wirkungen innerhalb eines eindeutigen und begrenzten Rahmens von Gesetzmäßigkeiten reduziert werden“2. Dabei gehe diese mechanistische Auffassung weiter von der Voraussetzung aus, dass bei allen Veränderungsmöglichkeiten unserer Wirklichkeit und Präzisierungen unserer Theorien grundlegende Gesetzmäßigkeiten bestünden, die „in ein festes unbegrenztes physikalisches und mathematisches Muster eingespannt sind, das im Prinzip einer vollständigen und erschöpfenden Formulierung unterworfen“3 sei. Ist das mechanistische ‚vorquantische‘ Denken die Skylla, so ist für Bohm die Kopenhagener Deutung der Pol der Charybdis in der Physik. Bohm verweist in den fünfziger Jahren darauf, dass sich innerhalb der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik erkenntnistheoretische Probleme ergäben. Dem Zustand eines Quantensystems komme gemäß dieser, unabhängig von seiner 1 2 3

Marx/ Engels, Bd. 20, 1962, 453. Bohm, 1971, 130, Übersetzungen im Folgenden L.H. Bohm, 1971, 131.

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Messung, keine Bedeutung zu. Bohm geht wohl von der Voraussetzung aus, dass hier die Theorie den Gegenstandsbezug ersetzt. Er fragt in einer objektivistischen Perspektive, ob diese Deutung die Frage beantworten könne, wo sich das Hüllenelektron während eines Quantensprunges befinde und kommt zu der Auffassung, dass diese Frage in diesem Kontext noch nicht einmal gestellt werden könne. Pointiert stellen sich nach ihm diese Probleme dann in der Kosmologie, wenn der Gegenstandsbereich das ganze Universum ist. „Welche Bedeutung könne sie haben, lediglich über ‚Beobachtungsdaten‘ zu sprechen, wenn jeder Beobachter und jedes Messgerät prinzipiell Teil des Systems seien“1. Heisenbergs Unschärfeprinzip ist für Bohm Ausdruck einer objektiven Naturbestimmtheit und deshalb unabhängig von der Messung wirklichskeitsbezüglich. Im vierten Kapitel über Alternative Interpretation der Quantentheorie stellt Bohm seine eigene Auffassung vor. Er geht davon aus, dass es die gegebenen Theorien erlauben, quantenmechanische Effekte als aus einem „objektiv realen Substrat … beständiger Bewegung resultierend (zu deuten, L.H.), das auf einer tieferen Ebene existiert“2. Durch diese Interpretation sei es möglich, bisher nicht erklärbare Phänomene zu verstehen. Im neuen Vorwort der Neuauflage von 1997 schreibt Bohm, dass es ihm besonders wichtig sei, dass die Abgrenzung vom mechanistischen physikalischen Weltbild die Einsicht hervorgebracht habe, dass die Beziehungen zwischen den Teilen eines Ganzen (sub-wholes) und dem ganzen System so geartet seien, dass sie nicht einfachhin als Teile desselben betrachtet werden könnten. Sie seien vielmehr aus dem Ganzen heraus organisiert. Das übliche mechanistische Denken habe hingegen das Ganze nur als Resultat des Zusammenspiels der Teile gesehen3. Besonders die Erfahrung der Nichtlokalität von Teilchen verweise auf diesen Gesichtspunkt. Letzten Endes ergibt sich für Bohm, dass alle „Objekte, Gegebenheiten, Formen etc. der Alltagserfahrung (ordinary experience) von einem umgreifenden Feld umfasst sind und dass dort eine ununterbrochene Bewegung des Entfaltens und Zusammenfaltens herrscht, in der sie geschaffen, erhalten und aufgelöst werden“4.

Bohms Lehrbuch Quantum Theory (1951) will eine quantenmechanische Hypothese entwickeln, die in der Lage ist, alle experimentellen Ergebnisse der nichtrelativistischen Quantenmechanik rekonstruieren zu können, die aber zugleich grundlegend andere ontologische Prämissen aufweist5. Bohms Anstößigkeit für seine Kollegen besteht dabei speziell darin, dass er eine Theorie (nicht-lokaler) verborgener Variablen voraussetzt, die endlich in ein holographisches Weltbild führen werden.

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Passon, 2004, 8. Bohm, 1971, 104. Bohm, 1997, VII. Bohm, 1997, VIII. Vgl. dazu Passon, 2004, 2-8.

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Das folgende Zitat steht beispielhaft für die Sehnsucht David Bohms nach einer festen und in sich stimmigen Weltanschauung, in der es keine Ambivalenzen gibt: „Im Rahmen der gegenwärtigen Quantenmechanik … behaupten die Quantenphysiker einerseits es gebe eine Wirklichkeit, die Elementarteilchen seien real, und sie selbst als Physiker sind von dieser ihr Handeln motivierenden Wirklichkeit zutiefst überzeugt. Andererseits sagen sie, diese Elementarteilchen besäßen überhaupt keine Wirklichkeit; die einzige Realität seien vielmehr die Ergebnisse unserer Instrumente, und es gebe keine Möglichkeit, die Wirklichkeit zu beschreiben. Vielleicht glauben sie auf irgend eine Weise an eine Wirklichkeit, aber es ist alles ziemlich wirres Zeug“1.

Die später immer deutlicher zu Tage tretende objektivistische Tendenz Bohms zeigt sich im quantenphysikalischen Handbuch etwa in der Formulierung, dass sich das Quantenobjekt vom Teilchen zur Welle und von der Welle zum Teilchen im Prozess einer „Umwandlung“ befinde2. „Bohm entwickelte eine Quantenmechanik, die zum früheren Determinismus und zur früheren Auffassung von Realität zurückkehrt, jedoch die Nichtlokalität als Merkmal der Quantenmechanik beibehält“3. Gegen ein seiner Meinung nach mechanistisches, die Welt in Partikelfragmente aufsplitterndes Weltbild setzt er das Modell eines Kosmos, in dem nicht mehr räumliche und zeitliche Maßstäbe herrschen, sondern eine „implizite, eingefaltete Ordnung“4. Bohm fasst 1980 seine naturphilosophischen Aufsätze in dem Buch Wholeness and the Implicate Order (deutsch: Die implizite Ordnung. Grundlagen eines dynamischen Holismus) zusammen. Schon in der Einleitung kann man verfolgen, welche Bedeutung Bohms objektivistische Grundhaltung für seine weltanschauliche Orientierung besitzt. Er weist zunächst einmal darauf hin, dass sich sein wesentliches Interesse auf die Frage nach der „Natur der Realität im Allgemeinen und des Bewußtseins im Besonderen als ein zusammenhängendes Ganzes zu begreifen“5 richtet, das niemals „statisch oder abgeschlossen ist, sondern einen endlosen Bewegungs- und Entfaltungsprozeß“6 enthält. Er unterscheidet in der Folge Denken und Empfinden. Denken wird als Abgrenzen des jeweils statisch eingefrorenen Augenblicks von anderen Augenblicken verstanden. Die Empfindung sei hingegen eingetaucht in ein „bruchloses, ungeteiltes Fließen“7. Wer sich der Realität öffne, könne ein „Gefühl des Fließens im

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6 7

Bohm, 1986, 67. Vgl. Bohm, 1951, 133 und 609 (auf diese Stelle macht Schlemm, 2005, 68 aufmerksam). Schlemm, 2005, 69. Schlemm, 2005, 70. Bohm, 1985, 9 (da die Aufsätze in diesem Sammelband zu den unterschiedlichsten Zeiten entstanden sind, gebe ich in Klammern jeweils das Jahr der Erstpublikation an: 1980). Bohm, 1985, 9 (1980). Bohm, 1985, 9 (1980).

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‚Strom des Bewußtseins‘ verspüren“1. Von diesen Voraussetzungen her stellt sich für Bohm dann eine einfache Frage samt zwei alternativen Antworten: „Liefert uns der Inhalt des Denkens lediglich abstrakte und vereinfachte ‚Schnappschüsse‘ der Realität oder kann er darüber hinausgehen und das Wesen der lebendigen Bewegung, die wir in der wirklichen Erfahrung spüren, selbst erfassen?“2. Damit ist auch die Frage nach dem Zugang zur Ganzheit und Totalität gestellt. Neben seiner objektivistisch-sensualistischen Zugangsweise zur Erkenntnistheorie macht Bohm eine weitere problematische, aber dafür weit reichende erkenntnistheoretische Voraussetzung. Er geht von der philosophiegeschichtlich unhaltbaren Voraussetzung aus, dass unserer abendländischen philosophischen Tradition und Lebensart die Auffassung zugrundeliege, der „Denkende (das Ego) sei zumindest im Prinzip völlig getrennt und unabhängig von jeder Realität, der sein Denken gilt“3. Am Beispiel von René Descartes erläutert er einen seiner Meinung nach zentralen geistesgeschichtlichen Schritt. Descartes habe eine denkende von einer ausgedehnten Substanz (Materie) unterschieden. Die Beziehung beider Substanzen habe dadurch geschehen können, dass Gott als Schöpfer von allem dem Menschen „klare und eindeutige Gedanken einpflanzte“4. Mit dem Verlust des Gottesglaubens sei dann die Beziehung zwischen Geist und Materie zerbrochen und es sei zu der Krise einer völligen Beziehungslosigkeit beider gekommen. Durch die Quantenmechanik beziehungsweise durch die aus ihr entspringende neue Weltanschauung könne diese Beziehung wieder gestiftet werden. Um die mechanistische Perspektive zu überwinden, sei es auch notwendig, die traditionelle Trennung in Geistes- und Naturwissenschaften rückgängig zu machen. „Ich stimme völlig mit Karl Popper überein, wenn er sagt, es sei das Problem der Zeit, das der Spaltung zwischen den zwei Kulturen zu Grunde liegt. Die Zeit ist unsere grundlegende existenzielle Dimension. Auf ihr basiert die Kreativität der Künstler, der Philosophen und der Wissenschaftler. Es war ein ungeheurer Fortschritt, als die Zeit in das Begriffsschema der klassischen Wissenschaft einbezogen wurde“5.

Nachdem Bohm durch einfache Introspektion und Trivialisierung der abendländischen Tradition das Feld für seinen weltanschaulichen Neuaufbruch bestellt hat, kann er seine Absicht mitteilen. Er wolle ein vertieftes Nachdenken über unsere „Weltanschauung“6 initiieren, das Konsequenzen für unsere Vorstellungen vom Wesen der Realität ebenso mit sich bringe, wie es Konsequenzen für unsere Kosmologie habe.

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Bohm, 1985, 10 (1980). Bohm, 1985, 10 (1980). Bohm, 1985, 10 (1980). Bohm im Interview in: Davies/ Brown, 1988, 146. Bohm, 1995, 15. Bohm, 1985, 10 (1980).

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Das erste Kapitel Fragmentierung und Ganzheit greift das uralte Thema der babylonischen Sprachverwirrung, beziehungsweise von Bohm her betrachtet, auch Denkverwirrung, auf. Aufgrund der Zerklüftung aller Wissensgebiete in der Moderne werde die immer schon bestehende analytische Ausdifferenzierung des menschlichen Lebenshorizontes in den unterschiedlichen Kulturkreisen zu einem die Existenz der Menschheit bedrohenden Problem. Bohm spricht von einem „fragmentierte(n) Selbst-Weltbild“1. Gegen einen Theorienabsolutismus und eine Verabsolutierung seiner eigenen Auffassungen plädiert Bohm entsprechend für eine Multiperspektivität. „Vielmehr sollten wir alle unsere verschiedenen Denkweisen als Anschauungsweisen der einen Realität auffassen, von denen ein jeder einen Geltungsbereich besetzt, innerhalb dessen sie genau und angemessen ist“2. Im Ausgang von der Relativitäts- und besonders der Quantentheorie sieht Bohm die Möglichkeit der Entwicklung einer neuen ganzheitlichen Erkenntnistheorie, die – auf der Basis der Ergebnisse meines ersten Bandes über die Erkenntnistheorie in der Romantik – unschwer als ‚romantisch‘ gekennzeichnet werden kann. „Nach der hier vorgeschlagenen, allgemeinen Ansicht ist alle Materie so beschaffen: es gibt einen universellen Fluß, der sich nicht explizit fassen, sondern nur implizit erkennen läßt, wie es die explizit faßbaren Formen und Bildungen andeuten – einige gleich bleibend, andere veränderlich –, die man von dem universellen Fluß abstrahieren kann. In diesem Fließen sind Geist und Materie keine voneinander getrennten Substanzen, sondern vielmehr verschiedene Aspekte einer einzigen ganzen und bruchlosen Bewegung. Auf diese Weise können wir alle Erscheinungsformen des Daseins als nicht voneinander getrennt ansehen, und damit können wir der Fragmentierung ein Ende setzen, die in der derzeitigen Einstellung zum atomistischen Standpunkt angelegt ist, der uns dazu führt, gründlichst alles von allem zu trennen“3. Eine solche am Fließen der Ganzheit orientierte Erkenntnistheorie müsse auch ein anderes Verständnis dessen haben, was das Denken leiste. Wenn wir, von der analytischen Leistung des menschlichen Geistes ausgehend, ganzheitlich Denken rekonstruierten, dann kämen wir zu dem Gesamtprozess als einer „bruchlose(n) Totalität der Bewegung“4, die keiner „bestimmten Person, Erblichkeit, Zeit oder Menschengruppe angehöre. Durch die Betrachtung der körperlichen Natur der Gedächtnisreaktion in Form von Nerven-, Gefühls-, Muskelreflexen und anderen und durch die Betrachtung des Verschmelzens dieser Reaktionen mit der allgemeinen Umwelt“5 sei Denken in seiner Ganzheit zugleich unmittelbar verwoben mit dem Realitätsprozess als solchem. Auch hier bietet sich für Bohm der Bezug auf den Kontrast zwischen einem atomistischen Denken und einem Denken nach 1 2 3 4 5

Bohm, 1985, 21 (1976). Bohm, 1985, 27 (1976). Bohm, 1985, 32 (1976). Bohm, 1985, 90. Bohm, 1985, 90.

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dem Musterbeispiel der Feldtheorie an. Damit ergibt sich für ihn ein organischer Schritt hin zur Frage nach den Maßstäben der Realität überhaupt, die Bohm unter anderem mit seiner Frage nach verborgenen Variablen in der Quantentheorie bearbeitet1. Bohm wundert sich darüber, warum jenseits der Praktikabilität dieser Theorien, „ein so hohes Maß an Zutrauen in die allgemeinen Prinzipien der Quantentheorie in ihrer heutigen Form“2 besteht. Dieses Vertrauen ist nach seinem Maßstab ja nur im Pragmatischen begründet. Er geht im Blick auf die statistische Seite der Quantenphysik von der Voraussetzung aus, dass quantenmechanische Prozesse nicht nur durch das bestimmt werden, was einzelne quantenmechanische Messungen ermitteln. In einem Analogieschluss führt er zunächst das Beispiel der statistischen Ermittlung von Todeswahrscheinlichkeiten im Falle bestimmter Gesundheitsrisiken an und formuliert dann allgemein: „Regellosigkeit von individuellem Verhalten im Kontext eines statistischen Gesetzes ist im allgemeinen mit der Annahme vereinbar, daß detaillierte Gesetze in einem breiteren Kontext auf dieses Verhalten anwendbar sind“3. Der von ihm so genannte ‚breitere Kontext‘ bezieht sich im Hinblick auf die Quantenmechanik darauf, dass man weitere Variablen annehmen müsse, durch die „Zustände neuartiger Gebilde beschrieben würden, die einer tiefer liegenden, subquantenmechanischen Ebene angehörten und qualitativ neuartigen Einzelgesetzen gehorchten“4. Auf solche Weise könne man „neue Seiten der Natur“5 sichtbar machen. Auf dieser Basis kommt Bohm zu Vorstellungen, von denen ich nur zwei für meinen Kontext wichtige Prämissen anführen möchte. „1. Die Wellenfunktion Ѱ wird als Ausdruck eines objektiv reellen Feldes angenommen und nicht bloß als ein mathematisches Symbol. 2. Wir gehen davon aus, daß es neben dem Feld ein Teilchen gibt, das mathematisch von einem System von Koordinaten dargestellt wird, die immer wohldefiniert sind und sich auf eine bestimmte Weise verändern“6. Die Subquantenebene und die ihr entsprechenden Subquantenprozesse7 werden von Bohm dabei eindeutig dem Untersuchungsbereich der Physik zugeordnet8. Mit der schon eben angesprochenen Voraussetzung der subquantischen Realität der Wellenfunktion eröffnet sich allerdings das Reich der Metaphysik. „Der ‚Quantenzusammenhang‘ erfordert also eine neue Beschreibungsform, die nicht von der Trennbarkeit in ‚beobachtetes Objekt‘ und ‚Beobachtungsinstrument‘ ausgeht. Stattdessen müssen die Form der Versuchsbedingungen und die 1 2 3 4 5 6 7 8

So etwa der Aufsatztitel in Bohm, 1985, 99-152. Bohm, 1985, 121. Bohm, 1985, 103. Bohm, 1985, 103. Bohm, 1985, 103. Bohm, 1985, 112 (1962). Vgl. Bohm, 1985, 145 u.ö. (1962). Vgl. Bohm, 1985, 151 (1962).

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Bedeutung der Versuchsergebnisse jetzt ein Ganzes bilden, bei dem eine Analyse in autonom existierende Elemente nicht relevant ist“1. Ebenso wenig sei es sinnvoll, theoretische Begriffe und Fakten in der Quantentheorie zu trennen. Beobachtungen, Theorien und Instrumente gehörten zusammen. Die neue Art von Faktizität der Quantenphysik, das Faktum neuer Ordnung2, sei ein Zusammenhang dieser drei Faktoren. Bohm spricht vom Holomovement, als einer ganzheitlichen Bewegung das eine bruchlose und ungeteilte Totalität sei3. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass die Rede von einem Holomovement nicht die Rede von einer Fundamentaltheorie4 sein könne, da dieses Holomovement undefinierbar und unermeßlich5 sei. Die Phänomene der Physik könnten nicht physikalisch auf das Holomovement zurückbezogen werden, sondern jede Theorie müsse sich nur bewusst sein, dass sie einen Abstraktionsprozess aus dem Holomovement beinhalte. Man merkt Bohms Argumentation deutlich an, dass seine Redeweise vom Holomovement nicht metaphysisch, sondern physikalisch sein will und er zugleich das Problem hat, sich an den Grenzen der Metaphysik entlang zu bewegen. „Nach der Quantenmechanik entsteht die Welt der Erscheinungen auf diese Weise aus einer tieferliegenden Ordnung, in die sie eingefaltet ist. Die Realität entfaltet sich, um die sichtbare Ordnung hervorzubringen, faltet sich wieder zusammen, daß der Eindruck der Stetigkeit entsteht. Und jetzt kann man sagen, daß nach meiner Auffassung Geist, Gedanken und Gefühle in der gleichen Weise existieren“6.

In diesem Zusammenhang führt Bohm die Begriffe Autonomie, Heteronomie und Holonomie ein. Autonom wäre eine Gesetzmäßigkeit, die sich sozusagen selbst ihr Prinzip wäre und in sich selbst ruhte. Heteronom wäre eine Gesetzmäßigkeit, die „relativ autonome“7 Phänomene in einem außen geleiteten und letztlich mechanischen Zusammenhang hielte. Durch die Perspektive der Holonomie sei es möglich, Phänomene in ihrer relativen Autonomie zu beschreiben und zugleich im Kontext des Holomovements zu sehen. „Daher ist die Holonomie nicht als ein festes und letztes Ziel der wissenschaftlichen Forschung zu betrachten, sondern vielmehr als eine Bewegung, in der laufend ‚neue Ganze‘ auftauchen. Und weiterhin heißt das natürlich, daß das Gesamtgesetz des undefinierbaren und unermeßlichen Holomovement niemals erkannt oder bestimmt oder in Worte gefasst werden könnte. Eine solche Gesetzmäßigkeit muß vielmehr notwendigerweise als implizit

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Bohm, 1985, 180 (1971). Vgl. Bohm, 1985, 191 (1971). Vgl. Bohm, 1985, 200 (1971). Vgl. Bohm, 1985, 200 (1971). Vgl. Bohm, 1985, 200 (1971). Bohm im Interview, in: Davies/ Brown, 1988, 146. Bohm, 1985, 206 (1971).

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angesehen werden“1. Die implizite Ordnung verweise auf eine multidimensionale Realität, die als ein „bruchloses Ganzes … das gesamte Universum mit allen seinen ‚Feldern‘ und ‚Teilchen‘“2 umgreife. Und an anderer Stelle schreibt Bohm in der Sprache der Ontologie: „Die Holobewegung ist der Urgrund dessen, was manifest ist. … Und das was manifest ist, ist gleichermaßen abstrahiert und schwimmt in der Holobewegung. Die grundlegende Bewegung der Holobewegung ist Einfalten und Entfalten. Ich behaupte, das gesamte Sein ist im Grunde sich in relativ stabiler Form manifestierende Holobewegung“3. Im Hinblick auf die grundlegenden Prämissen unterschieden sich nach David Bohm Descartes und Einstein nicht. Beide beharrten auf lokalen Zusammenhängen und könnten sich Beziehungen nur als Beziehungen zwischen entsprechenden räumlich benachbarten Elementen vorstellen. David Bohm versteht sich hier als Vertreter eines grundlegenden Paradigmenwechsels: „In der impliziten Ordnung befassen wir uns nicht nur stets mit dem Ganzen (was die Feldtheorie ebenfalls tut), sondern wir sagen auch, die Zusammenhänge im Ganzen hätten nichts mit Lokalisierung in Raum und Zeit zu tun, weil wir hier eine ganz unterschiedliche Qualität vor uns haben, nämlich Einfaltung“4. Und an anderer Stelle heißt es: „Alle Dinge, die sich in der expliziten Ordnung finden oder aus ihr auftauchen, fallen wieder in sie zurück. Sie verharren nur für einige Zeit und während sie verharren, ist ihre Existenz des Entfaltens und des Zurücknehmens getragen …“5.

Diese holonomische Vorstellung habe Konsequenzen auf allen Gebieten des menschlichen Lebens. Unter dem Blickwinkel einer impliziten Ordnung veränderten sich die Kosmologie, die Lebenswissenschaften und auch die Anthropologie. Das Hologramm6 ist für Bohm das Musterbeispiel, das „beste Beispiel, das wir kennen“7, für eine holonome, implizite Ordnung. „Der springende Punkt ist nun, daß jeder Teil des Hologramms ein Abbild des ganzen Objektes darstellt. Es handelt sich um eine Art von Wissen, das nicht einer Punkt-fürPunkt-Abbildung entspricht, sondern um eine andere Art. Wenn man übrigens nur einen Teil des Hologramms nimmt, dann wird man dennoch ein Bild des ganzen Objektes erhalten, aber das Bild wird weniger detailliert sein und man wird das Objekt nur aus einem engeren Winkel sehen können. Je größer der Anteil des Hologramms ist, desto genauer wird man das Objekt erkennen. Daher enthält jeder Teil eine Information des ganzen Objektes.

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Bohm, 1985, 207f (1971). Bohm, 1985, 246 (1971). Bohm, 1986, 56f. Bohm, 1986, 54. Bohm/ Hiley, 1993, 382. Zum Hintergrund der Hologrammtheorie vgl. Heller, 1989. Bohm im Interview, in: Davies/ Brown, 1988, 148.

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

In dieser neuen Form des Wissens ist in jedem Teil des Bildes eine Information über das Ganze enthalten“1.

Wenn man eine Geschichtsphilosophie im Sinne Bohms schreiben wollte, könnte man sagen, dass mit dem holographischen Weltbild erstmalig in der Menschheitsgeschichte eine heterologe Perspektive auf die Natur und die Menschheit aufgegeben werde. Frei nach Auguste Comtes Drei-Stadien-Gesetz der Selbstwerdung der Menschheit hin zur positiven Wissenschaft über ein theologisches und ein metaphysisches Zeitalter, könnte man hier ein Modell entwerfen, das die heterologen Stadien des theonomen und des autonom-nomothetischen Denkens zu Gunsten einer holonomen Perspektive hinter sich gelassen zu haben behauptet. Die durch David Bohm angezielte Wirklichkeit der Subquantenrealität ist weder im metaphysischen Sinne als maßstabsloses, weil alle Maßstäbe des Seienden erst begründendes Sein zu bestimmen, noch nur als heuristisches Postulat der Physik, ähnlich dem des o.a. Quantons (Hans Jörg Leisi) zu verstehen. David Bohm artikuliert mit seiner Idee einer impliziten Ordnung, die sich nicht operationalisieren lässt, eine naturphilosophisch begründete Quasi-Metaphysik, die er dann wieder auf eine real existierende binnenkosmische physikalische Wirklichkeit bezieht. David Bohm geht deutlich über die Perspektive der Physik hinaus. Über die eingefaltete Ordnung sagt er an einer Stelle: „… das Ganze impliziert, daß die wirklich letzte Quelle unermeßlich ist und von unserem Erkennen nicht erfaßt werden kann. Ungefähr darauf läuft das ganz allgemein gesagt hinaus“2. Kurz darauf springt er allerdings wieder in das physikalistische Weltbild zurück. Auf die Frage des Interviewpartners: „Wollen Sie sagen, daß die Erweiterung der theoretischen Physik diese Art von Schlußfolgerungen zuläßt?“ antwortet er: „Nicht nur das. Diese Schlußfolgerung ist nahezu unvermeidlich. Jedoch ist es den Physikern mit großem Einfallsreichtum bisher gelungen, dieser Betrachtungsweise auszuweichen. Meines Erachtens stehen sie unter ungeheuren Druck, solche Gedankengänge niemals auch nur in Erwägung zu ziehen, obwohl es tatsächlich am naheliegendsten wäre, gerade diese Ideen zu studieren. Aber da ist nun einmal diese Weltanschauung, daß wir über derartige Dinge niemals nachdenken sollten“3.

Im Laufe der Zeit wird Bohm hier zuversichtlicher in seiner Theoriebildung. Er spricht von einem Super-Quantenpotenzial4 welches das ganze Universum umfasse. Im Hinblick auf das Bohmsche Verständnis des Super-Quantenpotenzials ist es wichtig anzumerken, dass es nach seiner Auffassung Wellen gibt, die man – wie etwa das Doppelspaltexperiment gezeigt habe – als aktive Information5 bezeichnen könne. „Daher geschieht die Einfaltung nicht nur oberflächlich oder pas-

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Bohm, 1988, 26f. Bohm, 1986, 63, Bohm, 1986, 63. Bohm im Interview in: Davies/ Brown, 1988, 155. Bohm im Interview in: Davies/ Brown, 1988, 154.

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siv, aber ich betone nochmals, daß jeder Teil intern grundlegend in seinen wesentlichen Aktivitäten mit dem Ganzen und allen anderen Teilen in Beziehung steht“1. Mit der aktiven Information ergebe sich eine gesamtkosmische kommunikative Dimension. „Entfaltung und Einfaltung ist tatsächlich ihr dauernder Rhythmus, das ist das Bild, das ich vom elementaren Prozeß der Materie geben möchte. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß Leben, Geist und unbelebte Materie die gleiche Struktur haben“2. Im Hinblick auf den hier gegebenen „kosmologischen Monismus“ schreibt Helmut Zander (selbst Bezug nehmend auf den im abendländischen Reinkarnationsglauben sich zeigenden „anthropologischen“ Monismus der Moderne) anschaulich von „Oszillationen zwischen einer verkörperten und einer geistigen Existenz als Modulationen einer ewigen Existenz“3. Mit dem als übergreifende Wirklichkeit gefassten Super-Quantenpotenzial hat David Bohm endgültig den Schritt von der Physik zur Metaphysik gemacht und zugleich deren Maßstäbe nicht beachtet, weil er von seinem Verständnis her binnenphysikalisch bleiben will. Metaphysisch betrachtet ist das Sein des Seienden nämlich nicht als dessen wie auch immer vermittelte Ursache aufzufassen, sondern der sich allen unseren notwendigerweise menschlich-endlich dimensionierten Maßstäben entziehende Grund von allem. Dieser Grundlage der abendländischen Metaphysik entspricht auch das Verständnis der alles bestimmenden Wirklichkeit in den Hochreligionen. Die monotheistischen Traditionen des Judentums, des Christentums und des Islam kennen das Bilderverbot, im Taoismus gilt der erste Satz des Taoteking, dass das Tao sich nicht aussprechen lasse und in buddhistischen philosophischen Texten kann man lesen, dass derjenige, der sich auf den nirwanischen Weg begebe, das Bewusstsein haben müsse, dass es weder Gott noch Nicht-Gott, weder Ich noch Nicht-Ich und weder Welt noch Nicht-Welt gebe. Nachdem David Bohm das Super-Quantenpotenzial in den Raum der Physik und faktisch zugleich der Metaphysik gestellt hat, beginnt er in der Folge einen Weg zu beschreiten, der ihn explizit in den Neomythos hineinführt. Er stellt 1982 fest, dass die eingefaltete Ordnung weiterhin „Materie“4 bleibe und weder als eine „subtilere Form von Mechanismus“5 noch als eine universale kosmische Intelligenz anzusehen sei. Andererseits weist er darauf hin, dass man für dieses „Ganze oder die Ganzheit“6 auch vom „Heilige(n)“7 sprechen könne, wenn man unter dem Heiligen das verstehe, was „heil“8, also ganz sei.

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Bohm/ Factor, 1988, 29. Bohm im Interview in: Davies/ Brown, 1988, 149. Zander, 2007a, 147. Bohm, 1986, 77. Bohm, 1986, 77. Bohm, 1986, 77. Bohm, 1986, 77. Bohm, 1986, 77.

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Durch die Zersplitterung der Menschheit in „zahllose Bruchstücke“1, in Nationen, Religionen, Gruppen, Familien und Individuen seien „Chaos, Gewalt und Zerstörung“2 entstanden und es gebe „wenig Hoffnung auf das Zu-Stande-Kommen irgendeiner Ordnung. Und all das werde noch durch die allgemeine Anschauung gestützt, daß die grundlegende Wirklichkeit aus kleinsten Teilchen bestehe“3. David Bohm schreitet von der Kritik an einer Physik die er als mechanistisch und atomistisch versteht, zunächst zu einer Physik, die, die Wellenfunktion realistisch deutend, ein grundlegendes Super-Quantenpotenzial postuliert, hin zu einer Kulturkritik, die das kritisierte atomistische Modell der Physik auf die Gesellschaft überträgt und dann den Grund alles Übels in ihm ansiedelt. Er hat seinen Kolportagetopos gefunden. Zwar hätten alle Menschen einen „Drang zur Harmonie, hin zum Guten“4, heute jedoch hätte man diesen Drang fast aus den Augen verloren und sei eher zum Zynismus neigend. Das Böse, welches eigentlich der Verlust des Bezuges auf die Ebene der Ganzheit sei, wird von den Menschen heute nach außen projiziert. „Das Wissen betrügt den Geist so, dass die Person nicht wahrnimmt, dass es destruktiv ist. Wenn dieser Prozess einmal in Gang gekommen ist, dann ist der Geist nicht in der Lage hinzusehen, weil er ihn nicht infrage stellt. Es gibt einen äußerst starken Verteidigungsmechanismus“5 gegenüber dem Blick auf das Ganze. „Fragmentarisches Denken erzeugt eine Wirklichkeit, die sich auf Dauer in ungeordnete, unharmonische und zerstörerische Teilaktivitäten auftrennt. Es scheint daher vernünftig zu sein, den Vorschlag zu prüfen, daß eine Denkweise, die eine umfassende Ganzheit voraussetzt, darüber hinaus auch Bestandteile als Unter-Ganzheiten berücksichtigt und somit der tatsächlichen Beschaffenheit der Welt entspricht, uns helfen würde, eine andere Wirklichkeit zu erzeugen, eine Wirklichkeit, die harmonischer, geordneter und kreativer ist“6. David Bohm sieht deutlich, dass seine Betrachtungen über Quantenphysik und über menschliches Verhalten den Dualismus von Geist und Materie hinter sich lassen sollen. „Trotz allem benutzt er weiterhin die Sprache von ‚Geist‘ und ‚Materie‘ solange er von ‚Teilchen‘ und ‚Welle‘ spricht“7.

Es ist zu erwarten, dass Bohm auch ein Kulturheilmittel auf der Basis seiner holonomen naturphilosophischen Prämissen anzubieten hat. Ansatzpunkt dafür ist nach David Bohm das mystische Erkennen, welches „noch tiefer in die eingefaltete Ordnung …, in die Ganzheit der Menschheit, so-

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Bohm, 1986, 79. Bohm, 1986, 79. Bohm, 1986, 79. Bohm/ Factor, 1988, 83. Krishamurti/ Bohm, 1985, 225, Übersetzung L.H. Bohm/ Factor, 1988, 44. Cobb, 1986, 159.

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wohl die immanente als auch die transzendente“1 hineinreiche. Was ‚transzendent‘ heißt, bestimmt Bohm dabei nicht. In der eingefalteten Ordnung erführen Mystiker eine „Gemeinsamkeit tief innerhalb von Materie, Energie, Leben und Bewußtsein“2. Es komme alles darauf an, diese mystische Erfahrung kommunizierbar zu machen. David Bohm führt aus, dass die Mystiker noch „keinen Weg gefunden (haben, L.H.), eine stimmige Sprache für ihre Erfahrungen zu entwickeln, weshalb ihre Erfahrungen noch nicht in größerem Umfange kommuniziert wurden“3. Auf die Frage, ob es eine solche Sprache geben könne, antwortet Bohm: „Vermutlich ja. Wenn Wissen eine Behauptung ist, dann ist das, was ich behaupte, ein anderes Wissen“4. Und wenn sich Menschen auf einen Tanz mit dem Unendlichen einließen, der in hohem Maße eine künstlerische Ausdrucksform sei, dann brächten sie in der „Durchführung dieses Tanzes … Ordnung in das ganze Universum, nicht nur in uns selbst“5. Im mystischen Tanz begeisteten dann die Menschen den Kosmos – eine Denkfigur, die aus dem Zusammenhang des ersten Bandes und den dortigen Untersuchungen über Konzeptionen eines unbewussten Evolutionsgottes, der durch die Menschen zum Sprechen kommen kann, vertraut ist. „Nun möchte ich … die Behauptung wagen, daß irgendwo in diesen tieferen, subtileren Ebenen das Denken nicht von dem Gedanken determiniert wird. Dieser Teil des Geistes existiert für uns weitgehend unbewußt; er ist dennoch ein Teil von uns und ist, so würde ich es ausdrücken, der individuelle Geist auf einer tieferen Ebene“ 6. In diesem Zusammenhang reflektiert David Bohm auch die Evolutionstheorie. Evolution ergibt sich für ihn nicht nur als Überlebenskampf, sondern auch „aus der schöpferischen Bewegung von Materie, die mit Intelligenz begabt ist“7. Es gebe – so schreibt er in Die verborgene Ordnung des Lebens (1988) – die „Soma-Signatur“8 einer Einheit zwischen dem Geistigen und dem Physischen. Die Bedeutungen, die wir den Dingen gäben, hätten Einfluss auf die Wirklichkeit und umgekehrt. Wir bestimmten uns aus der Bedeutung, die das Universum für uns habe, und umgekehrt wirkten unsere Bedeutungen auf das Universum zurück. Richard Feynman erzählt in einer Skeptikerzeitung über Ein Besuch bei Uri Geller9, dass er auf den vermeintlich durch seine psychische Kraft Löffel verbiegenden Trickkünstler unter anderem auch deshalb aufmerksam geworden sei, weil David Bohm diesen auch besucht

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Bohm, 1986, 196. Bohm, 1986, 196. Bohm, 1986, 202. Bohm, 1986, 202. Bohm, 1986, 209f. Bohm/ Factor, 1988, 69. Bohm, 1986, 215. Bohm/ Factor, 1988, 93 u.ö. Internetedition: http://www.indian-skeptic.org/html/gwup/fey2g.htm.

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habe. Uri Geller (*1946) gelingt vor den aufmerksamen Augen von Richard Feynmann kein Löffeltrick. David Bohm hingegen, der auch den im zweiten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft besprochenen Grafen Alfred Habdank Skarbek Korzybski (1880-1950) ernst nimmt, schreibt gemeinsam mit seinem ebenfalls namhaften Physikerkollegen John Hasted (1921-2002)1 über den Löffelverbieger: „Wir fühlen, dass sich bei einer späteren Durchführung ähnlicher Tests wahrscheinlich genügend Belege ansammeln werden, sodass es keine begründeten Zweifel mehr geben kann, da sich hier ein neuartiger Vorgang meldet, der nicht in der Form der heute bekannten physikalischen Gesetze thematisiert oder erklärt werden kann. Tatsächlich haben wir den Eindruck, dass wir uns etwas in diese Richtung bewegen“2.

Nun gäbe es aufgrund des Verlustes der Ganzheit das Problem, dass nicht alle unsere Bedeutungen „harmonisch zusammen(passen)“3. Wenn wir uns allerdings der Ganzheit öffneten, so werde dies „allmählich zu einer Zunahme an Harmonie führen“4. Die Frage ist, was der Preis dieser Harmonie sein könnte. Die physikalistische Reduzierung des Freiheitsverständnisses durch David Bohm führt uns in die Zone politischer Implikationen dieser Art des physikalistischen Philosophierens. „Freiheit wird üblicherweise (speziell im Westen) mit dem freien Willen oder mit der damit zusammenhängenden Wahlfreiheit identifiziert. Gemäß diesen Vorstellungen ist die grundlegende Frage: Ist der Wille eigentlich frei oder sind unsere Handlungen durch etwas anderes determiniert …? … Wie auch immer, offensichtlich haben die Willensfreiheit und die Wahlfreiheit wenig Sinn, wenn jemand kein richtiges Wissen über die Konsequenzen seiner Handlungen besitzt …“5. Wer aber – so kann man fragen – weiß mit Sicherheit, dass er zu den Wissenden gehört? Aus dieser gnoseologischen Engführung der Frage nach der Freiheit resultiert dann für Bohm eine weitere brisante Folgerung: „Es sieht dann so aus, dass die grundsätzliche Barriere der Freiheit das Unwissen ist – hauptsächlich das von einem selbst und sekundär das der Außenwelt. Dieses Unwissen ist also das grundlegende Hindernis wahrer Individualität. Jedes menschliche Wesen wird nämlich von Meinungen und unbewussten Mustern bestimmt, die es aus der Gesellschaft gewonnen hat, und ist nicht wirklich ein Individuum“6. In einer kühnen geschichtsphilosophischen Vision verkündet David Bohm dann: „Auf lange Sicht werden nur Bedeutungen möglich sein, die Veränderungen zulassen, die die Tendenz haben, zu einem Einklang zwischen uns und dem übrigen Universum zu führen. Wir können sagen, daß dies für das Universum als

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John Hasted hat sich ausführlich in seinem Buch über The Metal Benders (1981) mit solchen vermeintlichen parapsychischen Phänomenen auseinandergesetzt. Zit. nach: http://site.uri-geller.com/what_scientists_say_about_uri_geller, Übersetzung L.H. Bohm/ Factor, 1988, 122. Bohm/ Factor, 1988, 123. Bohm, 1986a, 201. Bohm, 1986a, 204.

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Ganzes gilt, und die Natur mit den verschiedensten Bedeutungen experimentiert. Einige von ihnen sind vielleicht nicht in sich schlüssig und werden auch nicht überleben. Also besitzt alles, was einen langen Zeitraum überdauert hat, einen hohen Grad an Einklang mit dem restlichen Universum“1. So wird der unbewusste Evolutionsgott zum kosmischen Diktator – oder er delegiert die Diktatur an die holonomisch Wissenden, die wissen, welche ‚Bedeutungen‘ noch ‚möglich‘ sein dürfen. Nun klärt David Bohm auch noch den Begriff des Universums unter dem er – wohl nur für ihn verständlich – die „‚Ganzheit der Wirklichkeit‘ und das, was es darüber hinaus noch gibt“2 versteht und er konkretisiert seine Vorstellung noch einmal mit der Bemerkung: „Ich beziehe mich nicht nur auf die Bedeutung des Universums für uns, sondern auf seine Bedeutung ‚für sich selbst‘ oder die Bedeutung des Ganzen für sich selbst“3. Betrachtet man seine Formulierung „das, was es darüber hinaus noch gibt“ und die folgende Konkretisierung, dann stößt man wieder auf den Verdacht, dass David Bohm hier seine Variante der Theorie des unbewussten Evolutionsgottes zu formulieren versucht. An dieser Stelle verlassen wir Bohms Gedankengänge in denen sich Quantenmetaphysik und neomythische Erlebnistönungen zusammenschließen. Wir werden später sehen, dass der Gesichtspunkt der binnenkosmischen Wirklichkeit der Subquantenrealität dazu (ver)führt, diese Art der Wirklichkeit im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu instrumentalisieren. Geschieht dies, so landet man beim Muster des unbewussten Evolutionsgottes, dessen energetische realexistierende Struktur sich durch entsprechende wissenschaftsförmige oder spirituelle Techniken nutzbar machen lässt. Versuche dieser Art weisen den Weg in das New Age.

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Bohm/ Factor, 1988, 123. Bohm/ Factor, 1988, 123. Bohm/ Factor, 1988, 123.

§ 29 Physik weist ins New Age I.

New Age-Physik im Kontext

Am Ende dieses Kapitels über David Bohm, Hermann Haken und Ilya Prigogine lohnt es sich, kurz an die oben dargestellten wissenschaftstheoretischen Vorüberlegungen zu erinnern. Es war herausgearbeitet worden, dass eine wissenschaftliche Gemeinschaft in einen esoterischen und einen exoterischen Kreis gegliedert sein kann. Von Seiten der exoterischen Mitglieder ist das Vertrauen zu den Eingeweihten und auf der anderen Seite, als Beziehung der esoterischen Mitglieder zu den exoterischen, die Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung des Denkkollektivs wichtig. Man kann dieses Verhältnis auch als Übergänge vom fachmännischen zum populären Wissen, vom speziellen Fachmann, als Mittelpunkt des esoterischen Kreises der an einem Problem arbeitenden Wissenschaftler, zu den allgemeine(n) Fachmänner(n), gebildeten Dilettanten bis hin zum populären Verständnis betrachten. Weiter war darauf hingewiesen worden, dass die Faszinationskraft von Wissenschaft auch für den Wissenschaftler zum Teil aus der romantischen Sehnsucht nach einem Paradigmenwechsel besteht. Paradigmen gibt es in vielerlei Form – unter anderem als Musterbeispiele mit ontologischen Implikationen, die in den Bereich der Metaphysik hinein weisen. Oftmals sind vor allem die exoterischen Mitglieder eines Denkkollektivs wiederum interessiert an einem metaphysischen Paradigma welches innerwissenschaftlich die wissenschaftlichen Maßstäbe geradezu sprengt. Doch anhand der drei eben besprochenen Wissenschaftler konnten wir sehen, dass das metaphysische Bedürfnis nach einer Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Menschen und des Urgrundes von ‚Allem‘ auch Fachleute prägen kann. Weiter oben wurde auch der Begriff der wissenschaftsförmigen Kolportage eingeführt. Diese verabsolutiert Denken unter dem Schein erfahrungswissenschaftlicher Grundlegung von Maßstäben einer speziellen Disziplin und/oder auch mehrerer aktueller Leitwissenschaften, findet in diesen ihren Kolportagetopos und deutet aus diesem die Teilbereiche des Lebens oder auch der Wirklichkeit im Ganzen. Einen solchen Fall konnten wir deutlich bei allen drei oben untersuchten Wissenschaftlern in der Idee einer von der Quantensphäre ausgehenden Einheitswissenschaft feststellen. Des Weiteren konnten wir auch Züge einer wissenschaftsförmigen neomythischen Kolportage finden, von der oben geschrieben wurde, dass eine solche ihre Deutungen mit der Idee einer Aufhebung der menschlichen Endlichkeit auf der Basis weiter entwickelter Wissenschaften verbindet. Hermann Haken ist der Auffassung, mit der Synergetik erscheine eine „Lehre vom Zusammenwirken“1, die es ermögliche, „ein einheitliches Weltbild, eine ein1

Haken, 1995, 21.

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heitliche Weltschau zu entwickeln“1. Die Synergetik untersucht nach ihm Phänomene der Selbstorganisation, in denen wie durch unsichtbare Hand ein nicht personal gedachter Ordner die einzelnen Teile strukturiert. Diese Selbstordnung überträgt Haken von elementaren ‚anorganischen‘ Bereichen auch in den Bereich des Organischen und der Sozialgestaltung. Dabei erhält das Handeln des unsichtbaren Ordners sogar normative Züge. So scheint die Idee einer Einheitswissenschaft auf, deren Verbindlichkeit sowohl ein ethischer Sollensanspruch als auch ein Sicherheit gebendes Heilsversprechen beinhaltet. Synergetische Prozesse sind für Ilya Prigogine ein Musterbeispiel für eine spontan sich weiterbildende Natur, in der Freiheit erscheint. Durch das Auftreten neuer Eigenschaften oder Strukturen auf der Makroebene eines Systems wird eine Art der Zeitlichkeit freigesetzt, die die Menschheitsgeschichte nicht nur berührt sondern sich schon auf elementaren Ebenen mit dieser verbindet, dieser dadurch Ordnung gibt und sie damit auch normiert. Es klingt dann aber auch noch an, dass der unbewusste Evolutionsgott als der große ‚selbstorganisierende‘, doch unbewusste ‚Designer‘ beziehungsweise – maurerisch ausgedrückt – ‚Weltbaumeister‘ die Aufgabe der Selbstorganisation der Menschheit an eine Elite von holonomisch Wissenden übergeben könnte. Fritjof Capras gleich vorzustellende Gedankenwelt bringt eine derartige Interessenlage deutlich zum Ausdruck. David Bohm geht noch weiter und postuliert im Subquantenbereich die „SomaSignatur“ einer Einheit zwischen dem Geistigen und dem Physischen, durch die es eines Tages soweit kommen könnte, dass die Gedanken der Menschen und die Selbstbezüglichkeit des Universums nicht anders denn notwendig harmonisch sich vollziehen würden. Durch diese kosmische Harmonisierung würde – wenn ich meine Terminologie nun verwende – die Endlichkeit des Menschen innerkosmisch und zugleich durch menschliche Handlungen tendenziell aufgehoben. In der oftmals epigonalen Lesart des exoterischen Interessentenkreises verstärken sich diese Tendenzen. Der Rezipient von New Age-Literatur versteht im Allgemeinen nichts von Physik, kann sich aber auf Zeugnisse von Physikern stützen, die ihm den Weg in eine moderne Form der alchemistischen Weltanschauung bahnen.

II.

Wie die Neomythen sich bemerkbar machten

Wir haben eben am Beispiel von David Bohm, Hermann Haken und Ilya Prigogine gesehen, wie verflüssigt die Grenzen zwischen empirisch orientierter Wissenschaft, wissenschaftlichem Weltbild und wissenschaftlicher Weltanschauung sind. Im Folgenden soll der Übergang zur populären Rezeption dieser Art von

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Haken, 1995, 20.

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Quanten-Naturphilosophie unter dem Gesichtspunkt des ‚New Age‘ in den Blick genommen werden. Wir werden uns im Folgenden Übergänge vom eben wieder angesprochenen fachmännischen zum populären Wissen im Hinblick auf die neomythischen Absprungpunkte von der Quanten-Naturphilosophie ansehen. Wichtig ist dabei auch noch eine Erinnerung an oben angeführte Differenzierungen im Paradigmenbegriff. Interessant ist für unseren Kontext der Bezug auf Musterbeispiele darstellende Paradigmen, die weiter oben als die grundlegenden Metaphern, Analogien und ontologischen Bestimmungen, durch die eine Theorie anschaulich werden kann, beschrieben wurden. Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass sowohl die exoterischen als auch die esoterischen Mitglieder eines Denkkollektivs auch an einem metaphysischen Paradigma interessiert sein können, das die üblichen wissenschaftlichen Maßstäbe geradezu sprengt. Ein solches erhofftes systemsprengendes Paradigma wäre die überzeugende Grundlegung einer physikalisch fundierten Einheitswissenschaft. Die Idee der Einheitswissenschaft entspricht in vielem dem, was weiter oben als wissenschaftsförmige Kolportage bezeichnet wurde. Eine dann noch spezifischer zu fassende wissenschaftsförmige neomythische Kolportage verknüpft ihre Deutungen mit der Idee einer innerkosmischen Aufhebung der menschlichen Endlichkeit auf der Basis hochentwickelter Wissenschaft(en). Eine solche neomythische Art der Kolportage habe ich im Ausgang der scientologischen Theorie des Urstoffs Theta terminologisch als Thetawissenschaft gefasst. Wenn wir uns solche thetawissenschaftlichen Übergänge vom fachmännischen zum populärem Wissen im Hinblick auf physikalische Selbstorganisationstheorien (Hermann Haken, Ilya Prigogine) und das Modell einer metaphysisch gedeuteten Subquantensphäre (David Bohm) ansehen, müssen wir eine Vorentscheidung treffen. Diese Vorentscheidung bezieht sich auf die Frage der zeitlichen Grenzen des zu untersuchenden Gebietes. Ich habe mich hier dazu entschieden, ab der wichtigen Zäsur innerhalb der Geschichte der abendländischen Esoterik einzusteigen, die durch das Aufkommen des Modewortes New Age charakterisiert ist. Als ich 1979 meinen ersten Aufsatz über den Themenbereich der neomythischen Religiosität – damals verwandte ich den Terminus Jugendreligionen – geschrieben habe, galt das Thema als Randphänomen, das dann im Laufe der Zeit immer mehr in seiner kulturellen Bedeutung begriffen wurde. Die Geschichte der Erforschung dieses Bereichs im 20. und 21. Jahrhundert zeigt diese Entwicklung exemplarisch anhand der sich wandelnden Terminologie. Bis in die fünfziger Jahre dominiert begriffsgeschichtlich der Bezug auf den Weltanschauungsbegriff des 19. Jahrhunderts, volkskundliche Vorstellungen und den Terminus der – als von den Großkirchen abgefallen betrachteten – Sekte. Der evangelische Theologe Paul Scheurlen schreibt 1912 über Die Sekten der Gegenwart und erweitert den Titel in der vierten Auflage 1930 dann um und neuere Weltanschauungsgebilde. Franz Arthur Allgeier (1882-1952), Alttestamentler an der Freiburger katholisch-theologischen Fakultät, verwendet 1924 in seinem

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Buch über Religiöse Volksströmungen der Gegenwart. Vorträge über die ‚Ernsten Bibelforscher‘, Okkultismus und die Anthroposophie R. Steiners den Terminus ‚Religiöse Volksströmungen der Gegenwart‘, verzichtet im Titel damit auf den engeren Terminus ‚Sekten‘. Der evangelische Kirchenrat Kurt Hutten (1901-1979) legt 1950 mit seinem – grundlegenden und oft überarbeiteten – Standardwerk Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen ein Buch vor, das die weltanschaulichen Strömungen der Gegenwart noch ganz unter dem Maßstab ‚klassischer‘ Sekten und noch nicht ganz begrifflich bestimmt von diesen abgrenzbarer ‚weltanschaulicher Gebilde‘ betrachtet. Die spezifische Eigenart dieser Gebilde wird nicht zureichend gewichtet. Dies gilt auch für den damaligen Untertitel der heute von der EVANGELISCHEN ZENTRALSTELLE FÜR WELTANSCHAUUNGSFRAGEN herausgegebenen Zeitschrift Materialdienst, der in den fünfziger Jahren Längsschnitt durch die geistigen Strömungen und Fragen der Gegenwart lautet und eine feste Sparte für kurze Berichte über Themen Aus der Welt der Sekten, Weltanschauungen und Religionen besitzt. Wir können festhalten, dass bis in die sechziger Jahre diese weltanschaulichen Strömungen eher als ein Abirren vom gewohnten volkskirchlichen Weg in Richtung christliche Sekte oder klassischen Okkultismus kleiner Gruppierungen gesehen werden, denn als ein Aufbruch in eine neue Form des Religiösen, die zur Moderne gehört. Das Ende dieser Art des engeren Blicks auf klassische Sekten und unbestimmte Weltanschauungen bringen die sechziger und siebziger Jahre mit ihrem Kulturumschwung. Ende der sechziger Jahre ändert sich, wie ich im zweiten Band ausgeführt habe, der innere und öffentliche Stellenwert alternativer religiöser Bewegungen. Abraham Harold Maslow (1908-1970) gründet die Zeitschrift THE JOURNAL OF HUMANISTIC PSYCHOLOGY und führt den Terminus „transpersonal“ ein. Zen Center in San Francisco, die TRANSCENDENTAL MEDITATION , SOKA GAKKAI später NICHIREN SHOSHU, die CHURCH OF ALL WORLDS treten deutlicher ans Licht der Öffentlichkeit, die ersten Human Potential Movements entstehen, Gruppierungen wie MIND CONTROL und THE CHURCH OF SATAN machen von sich reden. Das Wassermannzeitaltergefühl der sechziger Jahre führt zu vielen Aktivitäten, die erstmals von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Dieser neuen Situation entspricht die Erforschung dieser Phänomene durch Wissenschaftler und kirchliche wie staatliche Sekten- und Weltanschauungsreferenten. In den sechziger Jahren erscheinen auch in Deutschland bislang unbekannte kultische Gemeinschaften, die terminologisch als Jugendsekten und Jugendreligionen gefasst werden. Mit dem Jugendbezug sind zwei Konnotationen gesetzt – der Bezug auf die Zukunft, die der Jugendphase innewohnt und zugleich aber auch die eines vielleicht nicht so ernst zu nehmenden Übergangsphänomens.

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Eberhard Fuchs verfasst 1979 ein Buch über Jugendsekten und Rüdiger Hauth (1940-2015), ab 1971 Sektenbeauftragter der westfälischen Landeskirche, schreibt 1981 ebenso über Jugendsekten und Psychogruppen von A bis Z. Friedrich-Wilhelm Haack (1935-1991), Sektenbeauftragter der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern, gibt 1979 mit dem Titel seines Standardwerkes Jugendreligionen. Ursachen, Trends, Reaktionen eine wichtige Richtung an: der Terminus Religion verweist auf ein stärkeres Ernstnehmen und eine zentralere Rolle dieser Phänomene in unserer Gesellschaft als die Einordnung in die Außenseiterrolle der Sekten. Ein auch in Deutschland wirkungsgeschichtlich wichtiges Buch war 1976 in deutscher Übersetzung erschienen. Der britische Psychologe Christopher Riche Evans (1931-1979) bewirkt mit Kulte des Irrationalen (19731 in englischer Sprache), dass Phänomene wie die UFOlogie und Scientology als eigentümliche Zeiterscheinungen und nicht nur als kauzige Eigenbrötlerei betrachtbar werden. Mit den Titeln Das Zeitalter des Irrationalen. Politik, Kultur und Okkultismus im 20. Jahrhundert (The Flight from Reason 19711 in England und unter dem Titel: The Occult Underground in USA und The Occult Establishment 19761) und Das Zeitalter des Irrationalen. Politik, Kultur und Okkultismus im 20. Jahrhundert betont auch James Webb (1946-1980) die irrationale Seite der neomythischen Aufbrüche. Evans und Webb würden aber sicherlich nicht bestreiten, dass das Neomythische ein Bestandteil der epochalen Vernunft der Moderne ist. Der Jesuit Josef Sudbrack (1925-2010) ordnet kurze Zeit später (1987) in seinem Standardwerk mit dem Terminus Neue Religiosität – Herausforderung für die Christen das Phänomen in den Bereich der abendländischen Erwachsenenwelt ein. Die Enquete-Kommission Sogenannte Sekten und Psychogruppen des Deutschen Bundestages verabschiedet sich 1996 von dem klassischen Sektenbegriff und hält „in Anbetracht der … Unschärfe und Mißverständlichkeit des Begriffes der ‚Sekte‘“ den Verzicht auf die weitere Verwendung dieses Begriffes für sinnvoll. „Stattdessen schlägt die Kommission vor, – ähnlich wie in diesem Bericht – eine differenzierte Terminologie zu verwenden, auch wenn diese in Anbetracht weiterer wissenschaftlicher Befassung mit dem Problembereich nur vorläufigen Charakter haben sollte“. Damit sind neue Formen des Religiösen und der Selbstsuche von ihrer eher negativ gefassten Beziehung auf das Christentum befreit und können in ihrer Eigenart als selbst zur Moderne gehörige Phänomene in den Blick und in die staatsbürgerliche Pflicht genommen werden. Das von deutschsprachigen Sekten- und Weltanschauungsexperten herausgegebene Lexikon zum Thema nennt sich zunächst Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen (1990), wird dann neu herausgegeben als Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen (2005) um endlich 2009 als Lexikon neureligiöser Bewegungen und Weltanschauungen zu erscheinen. Man sieht anhand der Änderungen in der Terminologie, wie hier vieles im Fluss ist.

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Mit dem Begriff der Neomythen als Teils der Vernunftkonzeptionen der Moderne versuche ich in der Kritik der neomythischen Vernunft diese neue Religiosität in den Kontext einer Theorie der Moderne zu stellen. Zeitgleich stellt Hans-Joachim Höhn in seinem Buch Postsäkular. Gesellschaft im Umbruch – Religion im Wandel (2007) das Problem einer Transformation des Religiösen in der Moderne im Kontext der Infragestellung einer selbstverständlichen Säkularisierungsthese bzw. ihrer ebenso selbstverständlich vorgetragenen Bestreitung vor. Mit der Formulierung „Postreligiös und postsäkular“1 wendet er sich gegen einen entsprechenden Alternativradikalismus, der dem vermeinten Säkularisierungsmythos einen „Gegen-Mythos“ von der „Wiederkehr der Religionen“ auf gleicher Ebene zugesellt ohne die Frage nach einer etwa neuen Qualität des Religiösen zu stellen und weist später in Gewinnwarnung. Religion – nach ihrer Wiederkehr (2015) auf die „Plausibilitätslücken eines Redens von Gott (hin, L.H.), Dass kaum noch Anknüpfungspunkte in einem postmetaphysischen, von naturalistisch-evolutiven Prämissen beherrschten Welt-, Menschen- und Geschichtsverständnis findet“2. Diese so skizzierte weitreichende Transformation des Gottesbildes wird in den drei Bänden dieser Kritik der neomythischen Vernunft ausführlich beschrieben. In der Öffentlichkeit bekannt und breitenwirksam wird das Phänomen der neomythischen religiösen Aufbrüche erst ab den späten siebziger und den achtziger Jahren unter dem Terminus New Age3. Ähnlich wie im deutschsprachigen Bereich gibt es für das Phänomen neuer Religiosität und sein Umfeld verschiedenste englische Termini: „alternative spirituality, New Religious Movements (NRMs) and New Social Movements (NSMs)“4 oder auch neopaganism, Wicca, New Thought, American Metaphysical Movements aber auch destructive cults. Christoph Bochinger hat 1994 vor allem für den deutschsprachigen Raum schlüssig nachweisen können, dass unter New Age keine abgrenzbare quasi-organisierte Bewegung zu verstehen ist. „In der Neuen religiösen Szenerie gibt es ein neuartiges Verhältnis zwischen Ideen und ihrer Rezeption, zwischen den Leitfiguren und ihrem ‚Markt‘. Die professionellen Vermittler tragen ihre ‚Ideen‘ aus verschiedensten Quellen zusammen. … Ihre Leistung ist die Synthese und Zusammenschau, wogegen die Entwicklung der Begrifflichkeit und Denkweisen zumeist auf ganz andere Quellen zurückgeht, die ihnen oft nicht einmal bekannt sind …

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Vgl. im Folgenden Höhn, 2007, 25 und 30. Höhn, 2015, 187. Wichtige Untersuchungen zum Themenbereich New Age sind Schorsch, 1988, Hanegraaff, 1996, Bochinger, 1994 (vgl. dazu meine Rezension: Hauser, 1995a, 243f., auf die ich mich im Hinblick auf Bochinger beziehe), Heelas, 1996 und ders., 2008, Hess, 1993 und Kemp/ Lewis 2007. Chryssides, 2007, 7.

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Den ‚Machern‘ von ‚New Age‘ korrespondiert auf der anderen Seite eine nicht zu unterschätzende Zahl von ‚New-Age-Beobachtern‘“1. Die ‚New Age-Bewegung‘ – als Gattungsbegriff extensional betrachtet – der siebziger und achtziger Jahre ist gegründet auf vielen verschiedenen bewegten Gruppen und Individuen, nicht auf einem in sich geschlossenen weltanschaulichen Gedankengebäude. Bochinger weist nach, dass der Terminus ‚New Age‘ ein Sammelbegriff ist, den einige in der Esoterik Engagierte beziehungsweise diese als Marktfaktor entdeckende Verlage zu dieser Zeit ins öffentliche Bewusstsein bringen. Erst in einem zweiten Schritt formieren sich dann Autoren, die sich explizit als New Age-Autoren verstanden wissen wollen. Eine weitere wichtige Rolle spielten professionell ausgerichtete ‚New-Age-Kongresse‘ beziehungsweise ihre Veranstalter. Zugleich mit diesen Autoren und Veranstaltern formiere sich die Gruppe der Sektenexperten, die die medial vermittelte New Age-Bewegung als Thema nicht nur ‚entdeckten‘, sondern in ihrer Arbeit durch Vorträge und das Verfassen von Sekundärliteratur zugleich mit konstituierten. Dabei bestreitet Bochinger nicht die Existenz hinter dem Sammelbegriff ‚New Age‘ liegender Ideen und Lebensformen. Zu vergleichbaren Urteilen kommen auch andere Autoren, die wesentliche Untersuchungen zum Thema New Age verfasst haben. Hanegraaff geht etwa davon aus, dass die Grundlagen des New Age-Denkens als Form der säkularisierten Esoterik im späten 18. und 19. Jahrhundert gelegt wurden. Es handele sich beim New Age also nicht um irgendeinen Rückfall in dunklere Zeiten, sondern um Ausdrucksformen von zunächst binnenesoterischen Modernisierungsprozessen, in denen sich im Gewand der esoterischen Tradition Kritik an einem naturfernen, inhumanen, entfremdeten, mechanistischen und zersplitterten Zeitgeist üben lasse. Dabei weist Hanegraaff darüber hinaus darauf hin: „Paradoxerweise äußert sich die Kritik des New Age an der modernen westlichen Kultur in einem beträchtlichen Maße auf der Basis der Prämissen dieser Kultur“2. Wenn im Folgenden ein Abschnitt über das New Age-Denken zwischen die Darstellung der drei eben besprochenen Physiker und späterer thetawissenschaftlich öffentlich ‚genutzter‘ oder sogar interessierter Physiker platziert wird, so hat dies geistesgeschichtliche Gründe. New Age stellt eine vergleichbare Zäsur in der Esoterikgeschichte dar, wie der Übergang zur Systemesoterik3 im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, die im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft Thema war. Auf einmal bündelten sich in dieser Zeit Interessenlagen und Gedankenfelder und es erwuchsen Systeme wie etwa die Theosophie oder die Anthroposophie. Eine ähnliche Weise der abschließenden und für einige Zeit verbindlichen Bündelung esoterischen Denkens stellt das New Age-Denken dar, das gerade deshalb, weil es eine Bündelung von lose vagabundierenden esoterischen 1 2 3

Bochinger, 1994, 31. Hanegraaff, 1996, 521, Übersetzung L.H. Dem im Folgenden öfters fallenden Terminus „Systemesoterik“ übernehme ich von meinem Promovenden Dr. Thomas Körbel (Körbel, 2001).

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Gedanken darstellt, nicht unmittelbar in der alternativen religiösen Szene aufgefunden, sondern eher nur rekonstruiert werden kann1. Gerlach und Hine entwerfen seit 1968 im Hinblick auf soziale Netzwerke das sogenannte SPIN-Modell (Segmented Polycentric Integrated Network), welches sich auf eine postulierte Segmented Polycentric Integrated Structure eines solchen Netzwerkes bezieht2. Die Autoren gehen von der Beobachtung aus, dass derartige soziale oder religiöse Bewegungen dann effektiv sind, wenn sie keine feste Führung haben, weil es keine zureichende Übereinstimmung in der Bewegung über Ziele und Methoden gibt (1) und niemand in der Lage ist überhaupt zu überblicken wer zu der Gruppierung gehört (2). Des Weiteren gebe es keine Möglichkeit zu bindenden Entscheidungen zu gelangen, durch die die Majorität eine Minorität dominieren könne (3), darüber hinaus gäbe es weiter weder einen regulären Vorstand (4) noch einen ernannten Sprecher (5) für die Bewegung. Durch diese spezifische Struktur eines lockeren Netzwerkes erhielten polyzentrische soziale Strukturen ihre Wirksamkeit auch dann, wenn zentrale Leitfiguren oder Leitlinien ausfielen, weil sie Leitfiguren und Leitlinien im Plural und nicht nur im Singular enthielten und damit mehrere miteinander lose verbundene Zentren hätten3. Michael York hat 1995 dieses Modell im Hinblick auf ‚das‘ New Age in seiner breit angelegten Untersuchung über The Emerging Network. A Sociology of the New Age and Neo-pagan Movements4 aufgegriffen, das auch schon die gleich zu besprechende New Age-Ikone Marilyn Ferguson (1938-2008) verwendet hat5. „Die New Age-Bewegung, speziell in den USA, folgt dem allgemeinen Muster der Gerlach-Hine-Analyse mit unzähligen Human Potential-, Selbstverwirklichungs- und Meditationsgruppen auf der ‚radikalen‘ Seite bis hin zur anderen Seite des Kontinuums, das speziell durch die New Age-Kataloge und Interessentenlisten repräsentiert wird“6. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Autoritätsbeziehungen zwischen den New Age-Interessenten und den zentralen Figuren nicht auf autoritären Verhältnissen wie in vielen organisierten Teilen der neomythischen Religiosität beruhen, sondern auf dem Verhältnis von Anbieter und Kunde auf dem weiten Marktplatz der Angebote. Diese Situation hat sich bis heute entfaltet.

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In diesem Zusammenhang ist es nur möglich, auf die – unthematisch – überall präsente Theosophie hinzuweisen. Vgl. Gerlach/ Hine 1970, etwa 190 und dann 217, vgl. auch das mögliche Gegenverhalten sozialer Organisationen bei Hine, 1970, bes. 65f. Vgl. dazu auch die für mich relevanten weiterführenden Anmerkungen von Baldassarri/ Diani, 2007, 741f. York, 1995. Vgl. Ferguson, 1982, 251. York, 1995, 326, Übersetzung L.H.

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„An die Stelle des New Age ist … die Esoterik-Kultur getreten. Diese hat keine festen Aussengrenzen, keine hierarchische Organisation, keine kohärente und auch nur halbwegs dogmatisierte Lehre, kein Programm oder gesellschaftliches Ziel usw. Esoterik kann heute in ihrer Form als Esoterik-Kultur nicht mehr als eine Parallel- oder Untergrundkultur der Gesellschaft bezeichnet werden. Sie ist nicht klar abzugrenzen von der Gesamtkultur und vertritt auch keinen revolutionären Impuls wie dies Teile des New Age noch taten. Sie ist heute stark in die Gegenwartskultur eingeflochten“1. Anthroposophen, UFO- und Präastronautik-Kulte, Transzendentale Meditation, Osho-Traditionen, Scientologen, Universelles Leben u.a. führen ihre einzelnen Traditionsstränge mehr oder weniger autoritätsgebunden und eventuell auch streng autoritär weiter, können ideellen Einfluss auf die spirituell interessierten Teilnehmer im Prozess dieser vagabundierenden neomythischen Religiosität nehmen, sind aber keine Gedankenführer. Das New Age ist, so Rademacher, als „jüngster grosser Innovationsschub“ des Esoterischen, Repräsentant einer geistesgeschichtlichen Phase, die auf der einen Seite durch eine „inhaltliche Ausweitung des esoterischen Inhaltsspektrums“ und darüber hinaus durch einen „bisher ungeahnten Popularisierungsschub“ der Esoterik gekennzeichnet ist2. Man könne im Hinblick auf die letzten Jahrzehnte den „institutionellen Wandlungsprozess, der der neuen Religiosität zu Grunde liegt, als einen Prozess der Ablösung von seiner ursprünglichen alternativ-kulturellen Konzeption charakterisieren“3. Nach einer anarchischen Anfangsphase in informellen Gruppen folgte eine Phase hoher Institutionalisierung in Gruppierungen wie der TRANSZENDENTALEN MEDITATION, der HARE KRISHNA-, Baghwan- bzw. Oshobewegung, der CHURCH OF SCIENTOLOGY, der VEREINIGUNGSKIRCHE Sun Myung Moons (1920-2012) uvm. Aus verschiedensten Subkulturen entsteht in den siebziger und achtziger Jahren dann eine zwar inhaltlich oftmals verdünnte doch dadurch umso breitenwirksamere spirituelle gesamtkulturelle Selbstverständlichkeit, die unter dem Terminus New Age populär wird und esoterische Praktiken in den Alltag einwandern lässt. Wer heute etwa das Programm einer Volkshochschule oder einer kirchlichen Familienbildungsstätte aufschlägt, wird diese Wirkung des New Age in der breiten Öffentlichkeit gut beobachten können. Zu dieser Transformation der Esoterik seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert gehört der symmetrisch hin und her fließende Übergang zwischen esoterischer Überzeugung und schlichter gelebter Wellnessatmosphäre. Rademacher formuliert sehr schön: „Die historische Bedeutung des New Age besteht darin, dass Esoterik damit öffentlich, ‚exoterisch‘ wurde“4. 1 2 3 4

Rademacher, 2010, 32. Vgl. Rademacher, 2010, 30. Hero, 2008, 208, Übersetzung L.H. Rademacher, 2010, 32.

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Ein weiterer Gesichtspunkt soll auch noch kurz im Zusammenhang der Feststellung angesprochen werden, warum das New Age nicht nur eine Bündelung von Gedanken der Esoterik darstellt, sondern auch in den breiten Strom der Gesamtkultur mündet. Namhafte New Age-Autoren, denen es gelungen ist, ihre Leserschaft zu überzeugen, dass sie eigentlich zur anerkannten Wissenschaftsgarde gehören, können im 21. Jahrhundert scheinbar weltanschaulich neutral klingende, kulturkritische Sachbücher präsentieren. Rupert Sheldrake (*1942), britischer Biochemiker, 1981 mit seinem parawissenschaftlichen Buch Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphogenetischen Feldes in entsprechenden Kreisen bekannt geworden, legt mit Der Wissenschaftswahn ein scheinbar ausgereiftes wissenschaftlich fundiertes Alterswerk gegen den Materialismus vor. Er sei Wissenschaftler, aber kein Dogmatiker der Wissenschaft1. Heutige Wissenschaftler hingegen argumentierten weitgehend physikalistisch. Die heutige Wissenschaft gehe davon aus, dass alles rein materiell2 sei. Es gebe eine verbreitete „Ideologie des Materialismus“3. Typisch für seine Argumentationsweise ist der generalisierende Sprachgebrauch: die/alle/viele Wissenschaftler orientierten sich in ihren wissenschaftstheoretischen Prämissen an der Maschinenmetapher4 und blendeten jedes organismische und holistische Denken aus. Folgerichtig wird das alte New Age-Modell als universales Heilmittel eingeführt. „Was die Erde angeht, können wir davon ausgehen, dass die Gaia-Theorie keine einzelne poetische Metapher in einem ansonsten mechanischen Universum darstellt. Und wenn wir die Erde einmal als Lebewesen erkannt haben, öffnet sich uns der Zugang zur Lebendigkeit des Kosmos“5. Nach dem Bezug auf die Wissenschaftlichkeit des eigenen Ansatzes folgt die New Age-übliche Beziehung auf die Naturvölker und ihre Schamanen6. Weiterhin wird die restliche Argumentation immer wieder illustriert durch den Hinweis auf esoterische ‚Erkenntnisse‘ die als empirisch bestätigtes Wissen gehandhabt werden (etwa: Lichtnahrung7). Das schöpferische Universum von dem Sheldrake spricht, ist nicht durch einen personalen Gott geschaffen. „Im Urknall tauchte plötzlich alle Materie und Energie des Universums aus dem Nichts auf“8. Es ist für ihn kein Problem physikalische (Materie/Energie etc.) und metaphysische Begrifflichkeit beziehungsweise Terminologie (Nichts) zu vermischen. Dieses Ur-Wunder9 einer durch den Urknall geschaffenen universalen Ver1 2 3 4 5 6 7 8 9

Sheldrake, 2012, 13. Sheldrake, 2012, 16. Sheldrake, 2012, 17. Sheldrake, 2012, 78. Sheldrake, 2012, 79. Sheldrake, 2012, etwa 79 und vergleiche auch 438. Sheldrake, 2012, 109-114. Sheldrake, 2012, 116. Sheldrake, 2012, 146.

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bundenheit lässt ihn „Gott als den pantheistischen Geist oder die Seele der Natur“1 fassen. Zwar gebe es im Universum dieses Schöpferische2, welches den Evolutionsprozess umgreife, aber man dürfe sich Gott – so seine schlichte psychologisierende Konzeption eines personalen Gottes – nicht als einen „äußeren planenden Geist“3 vorstellen. Jedenfalls spiele „menschliches Bewusstsein eine übergreifende Rolle für die kosmische Evolution, vielleicht im Zusammenwirken mit anderen Geistern anderswo im Universum“4. Ken Wilber verfasst mit Das Wahre, Schöne, Gute. Geist und Kultur im 3. Jahrtausend (Original: The Eye of Spirit. An Integral Vision for a World Gone Slightly Mad, 19971) im distinguierten Hardcover-Einband ebenfalls ein Werk, das gereifte und abgeklärte Geistigkeit repräsentieren soll. Seine grundlegende Problemstellung ist die nach der Verbindung von Liberalismus und einer echten Spiritualität5. Gegen religiöse Tyrannei und auch gegen die Tyrannei des Kollektivs6 setzt er zum großen Entwurf an und fragt danach ob es einen liberalen Gott geben kann7, der das Individuum Individuum sein lässt. Dann werden genauso wie schon bei Sheldrake die ganzen New Age-Themen abgehandelt. Die Terminologie klingt dabei erlesen (Integrale Psychologie und die Philosophia perennis, Integrale Anthropologie, Evolution der Kulturen, Integrale Philosophie, transzendente Daten, Retroromantiker, monologische Wissenschaft, Perinatale Reduktion, Integraler Feminismus, Omega-Punkt, Urholon, holonische Struktur der Wirklichkeit und Seinsgrund). Gemeinplätze, wie etwa der, dass individuelle Gedanken kulturelle und materielle Korrelate im Gehirn8 hätten oder triviale Interpretationen großer Philosophen wie Immanuel Kant im Hinblick auf seine als Formalismus9 interpretierte ästhetische Theorie in der Kritik der Urteilskraft wechseln sich mit den vertrauten aber manchmal terminologisch aufgebauscht New Age-Versatzstücken ab, dir manchmal wie im Falle des Reinkarnationsgedankens mit großem Gestus diskutiert10 aber als eine spirituelle geistliche Lesung wie im zwölften Kapitel über Immer schon. Die strahlende Klarheit allgegenwärtigen Gewahrseins11 anschaulich und ansprechend präsentiert. Gemeinplätze, wie etwa der, dass individuelle Gedanken kulturelle und materielle Korrelate im Gehirn hätten oder triviale Interpretationen großer Philosophen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Sheldrake, 2012, 443. Sheldrake, 2012, 444. Sheldrake, 2012, 444. Sheldrake, 2012, 445. Wilber, 1999, 17. Wilber, 1999, 18. Wilber, 1999, 22. Wilber, 1999, 40. Wilber, 1999, 170. Wilber, 1999, 260-268. Wilber, 1999, 399-227.

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wie Immanuel Kant im Hinblick auf seine als Formalismus interpretierte ästhetische Theorie in der Kritik der Urteilskraft wechseln sich mit den vertrauten aber manchmal terminologisch aufgebauscht New Age-Versatzstücken ab, dir manchmal wie im Falle des Reinkarnationsgedankens mit großem Gestus diskutiert oder aber als eine spirituelle geistliche Lesung wie im zwölften Kapitel über Immer schon. Die strahlende Klarheit allgegenwärtigen Gewahrseins anschaulich und ansprechend präsentiert. Einer Naherwartung der Zeitenwende, in der man das age of aquarius noch herbei singen zu können glaubte, folgt die Phase der ‚Parusieverzögerung‘, in der man sich im beharrenden alten Äon einrichtet und weiterhin die Behaglichkeitstechniken der esoterisch unterfütterten Wellness installiert1. Ein schönes Beispiel, wie der New Age-Gedanke auf der einen Seite seine subkulturelle Wirksamkeit verliert und auf der anderen Seite zugleich breitenwirksam wird, ist der Kongress Geist und Natur, der vom 21. bis 27. Mai 1988 in Hannover tagt. Initiiert wird dieser Kongress durch die STIFTUNG NIEDERSACHSEN, die Kulturstiftung des Landes Niedersachsen, die den Auftrag hat, den Dialog zu Fragen der Zeit zu fördern. Wichtige Beiträge dieses Kongresses werden in dem von Hans-Peter Dürr (*1929) und Walther Ch. Zimmerli (*1945) herausgegebenen Sammelband mit dem Titel Geist und Natur. Über den Widerspruch zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und philosophischer Welterfahrung 1989 veröffentlicht. Kein geringerer als Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) berät die STIFTUNG NIEDERSACHSEN bei der Vorbereitung des Kongresses. Der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht (1930-2014), promoviert bei Karl Jaspers, unterstützt das Vorhaben durch seine Präsenz in der Planungsphase und während der Tagung demonstrativ. Als Themenbereich steht an, für die die globalen Probleme unserer Zeit im Kontext der Weisheit des Ostens und des Westens eine Lösungsperspektive zu suchen und dem Materialismus der modernen Wissenschaft einen Weg zur Spiritualität zu weisen. Die Entwicklung dieses Kongresses zeigt, dass die Übergänge zwischen Esoterik, Philosophie, vergleichender Religionsgeschichte und erfahrungsorientierter Wissenschaft fließend werden und die politische Dimension der Probleme kein Interesse findet. „In gewissem Sinn fand jeder Teilnehmer die Art von Kongreß vor, die er suchte, allerdings stets unvollständig und gestört von anderen Interessen und Bemühungen. Mehrere Stränge liefen neben- und durcheinander, oft auch aneinander vorbei“2. Verbindend schien hingegen das angenehme, Wellness spendende Bewusstsein, dass das spirituelle Bedenken der Probleme dieser Welt für sich schon eine die Wirklichkeit zum Positiven wendende Tat sei3.

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Vgl. Rademacher, 2010, 31. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass auch im kommerziellen Bereich des New Age-Kommerzes der religiöse Antrieb nicht verloren gehen muss. Zaidman, 2007, hat in Neuseeland und Israel New Age-Läden untersucht und die Betreiber interviewt. Die Mehrzahl versteht sich nicht nur als Geschäftsleute, sondern auch als intensiv religiös und engagiert für die spirituelle Erbauung der Kunden zuständig. Hemminger/ Valentin, 1988, 203. Vgl. Hemminger/ Valentin, 1988, 206.

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Dieser Bündelung esoterischen Gedankenguts und der Parusieverzögerung entspricht, dass es auf der Basis der neuen esoterischen Selbstverständlichkeiten zu neuen Ausdifferenzierungen, aber auch zu neuen Aufbrüchen kommt. Zugleich entspricht diesem Bild auch, dass es aktuell kein ‚epochales‘ und ‚paradigmatisches‘ Standardwerk aus der Hand eines Esoterikers gibt, das von seiner verbindlichen Breitenwirkung mit den gleich zu besprechenden ‚Standardwerken‘ des New Age-Denkens vergleichbar wäre. Es gibt keine „Geheimlehre“ einer Madame Blavatsky mehr, wohl aber einen unterschwelligen Systemrahmen, auf den wir im Kontext der Präastronautik zu sprechen kommen werden. Rademacher befragt für seine Untersuchung esoterisch Interessierte und erhält folgendes Ergebnis zur Nachwirkung der expliziten New Age-Tradition: „Es ergab sich folgendes Bild: Gerade einmal drei Befragte nannten Fritjof Capra von selbst oder auf Anfrage, ein weiterer war unsicher; 13 mal konnte aber mit diesem Namen keine konkrete Vorstellung verbunden werden. Das traf auch bei zwei Befragten zu, die in einem esoterischen (Buch)Laden arbeiten. Seit Capra die NAS (New Age-Science, L.H.) quasi aus der Taufe gehoben hat, sind über 30 Jahre vergangen. Er ist bis heute aktiv, z.B. auf Tagungen, mit Interviews, durch Artikel in Zeitschriften und Büchern und in seinen eigenen Institutionen …. Dennoch ist die Person Fritjof Capra heute in der Esoterik-Kultur weitgehend unbekannt. Andere NAS-Autoren, die heute nicht mehr erinnert werden, waren David Bohm (nur einmal erkannt, zehnmal nicht erkannt), Ilya Prigogine (einmal erkannt, fünfmal nicht erkannt), Ken Wilber (einmal erkannt, fünfmal nicht erkannt) und Amit Goswami, der trotz seines Auftretens in den Filmen ‚Bleep‘ und ‚The Secret‘ nicht ein einziges Mal namentlich erinnert wurde“1.

Parallel zum Blick auf die vielen Theorien und Praktiken die in den späten siebziger und den achtziger Jahren mit dem Terminus New Age belegt werden, gibt es in der Forschung die große Gemeinsamkeit, dass das New Age ein „theoretisches Konstrukt“2 darstelle und sich zugleich auf Phänomene beziehe, die eine lange Vorgeschichte und eine bis heute reichende Nachgeschichte hätten. Wenn hier zustimmend von einem theoretischen Konstrukt gesprochen wird, so heißt dies nicht, dass es keine empirische Fundierung gebe, sondern dass das Empirische am religions- und sozialwissenschaftlichen New Age-Begriff in der rekonstruierenden Zusammenfassung faktisch gelebter alternativer Religiosität durch entsprechende Autoren besteht. Christof Schorsch stellt an den Anfang seiner Untersuchung über die New-Age-Bewegung eine Liste von zwölf Grundbegriffe(n): „

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( 1) Neues Zeitalter ( 2) Paradigma Rademacher, 2010, 293. Chryssides, 2007, 13.

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( 3) Ganzheit ( 4) Neues Bewußtsein ( 5) Bewußtseinserweiterung ( 6) Selbstverwirklichung ( 7) Spiritualität ( 8) Androgynität ( 9) Netzwerk (10) Selbstorganisation (11) Transformation (12) Planetaren Bewußtsein“1.

Neben diesem Bezug auf den Themenbereich der ersten beiden Bände der Kritik der neomythischen Vernunft ist noch ein weiterer Bezug direkt für diesen Untersuchungskontext gegeben, der für die hier vorgenommene Platzierung des New AgeThemas spricht. In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit, dass das Stichwort New Age von Repräsentanten, Anhängern und Kritikern gleichermaßen in Verbindung gebracht wird mit einem holistischen Blick auf die Wirklichkeit. „Es gibt ein großes Interesse in der New Age Bewegung für aktuelle Entwicklungen in den Naturwissenschaften, speziell in der Physik. New Age-Vertreter glauben im Allgemeinen, dass ihre spirituelle Weltsicht durch die neuesten Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung bestätigt und massiv unterstützt werden“2. Im New Age wird Ganzheitlichkeit zur Alternative von Reduktion und Mechanismus. Auf diese Weise vermittelten sich Geist und Materie, Mensch und Natur und Mensch und Gott3. Der Kuhnsche Paradigmenbegriff dient dabei oft als Symbol für den Umschlagspunkt vom alten Denken zum neuen Denken. Es muss allerdings auch darauf hingewiesen werden, dass die New Age-Anhänger und auch -Anbieter im Allgemeinen kein Interesse an einer auch nur ansatzweise wissenschaftlich abgesichert aussehenden Begründung ihres Standpunktes und ihrer Praktiken haben. Wichtig ist nach Schorsch die Bezogenheit der New Age-Bewegung auf intuitives Wissen. „Wo rationales Wissen als begrenzt gilt ..., ergibt sich die Notwendigkeit unmittelbarer Einsicht in die ontologische Beschaffenheit der Wirklichkeit. Die Wertschätzung der menschlichen Intuition ... als Erkenntnismodus ist der Skepsis gegenüber wissenschaftlich-rationalen Erkenntnisweisen korreliert (um doch gleichermaßen deren Ausdehnung auf ‚transpersonale‘ Wirklichkeiten zu fordern). Die intuitive Anschauung des ‚wahren Wesens der Dinge‘ wird ganz im traditionellen Sinn zwar als empirisch verstanden, jedoch weder als begrifflich noch als rational, ein gewissermaßen platonisches ‚unmittelbares Innewerden von

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Schorsch, 1988, 18. Hanegraaff, 2007, 35; vgl. auch Lewis, 2007, 214. Vgl. Hanegraaff, 2007, 39.

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Ideen und Werten‘ auf dem Weg nach innen“1. Schorsch spricht hier zutreffend von einer „Wesensschau“2. So kann man beispielsweise auf den Internetseiten über Quantenheilung – auf die später ausführlich eingegangen wird – oft nur einen Verweis auf den Wikipedia-Artikel über Quantenphysik finden. Dieser Verweis gilt als Ausweis der wissenschaftlichen Qualität der betreffenden Quantentherapie. Weil ich mich in diesem dritten Band nicht mit der neomythischen Esoterik im Allgemeinen befassen will, sondern nur mit ihrem Bezug auf die Themenstellung der Fiktionen der Science, werde ich nun folgendermaßen vorgehen. Ich werde in diesem Hauptkapitel nur zwei herausragende Repräsentanten des New Age-Denkens breiter vorstellen, die keinen direkten Bezug zum Thema der Physik haben. Dabei wähle ich aus dem ‚Angebot‘ an entsprechenden New Age-Symbolfiguren nicht auch noch wesentliche Repräsentanten wie David Spangler (*1945) oder Ken Earl Wilber (*1949), sondern nur Marilyn Ferguson und Sir George Lowthian Trevelyan (1906-1996). Sir George Trevelyan als ersten vorzustellen, hat zwei Vorteile. Auf der einen Seite steht er geistesgeschichtlich an einem Punkt, an dem die ältere Esoterik und das New Age-Denken einander berühren. Auf der anderen Seite ist sein Leben erforscht.

III. Zwei Repräsentanten des New Age-Denkstils 1.

Im Morgenrot des New Age: Sir George Trevelyan

a.

Die Biografie eines nonkonformistischen Geistes

Im Gegensatz zu anderen Vertretern des New Age, so etwa der bewusst sich einer biografischen Erschließung entziehende Fritjof Capra, ist das Leben von George Trevelyan biografisch aufgeschlossen3. Aufgrund seiner familiären Herkunft kann man allerdings nicht davon sprechen, dass es in irgendeiner Weise ‚exemplarisch‘ sei. Sir George Lowthian Trevelyans Leben beginnt in einem gutsituierten Adelshaushalt im englischen Nothumberland (Wallington Hall bei Morpeth4). Zur Familientradition gehört eine liberale Denkungsart, die auch in abgelegene Randbereiche der Geisteswelt hinabtauchen kann. Sein Onkel ist der berühmte Historiker George Macaulay Trevelyan (1876-1962). Seine Schwester Pauline (*1905) bemerkt als besonderes Kennzeichen der Familie Trevelyan, dass die Eltern sich – im Kontrast zu den üblichen Verhaltensweisen in Adelskreisen und bürgerlichen wohlhabenden Familien – ausführlich mit den Kindern beschäftigt und auch mit 1 2 3 4

Schorsch, 1988, 131. Schorsch, 1988, 131. Ich beziehe mich im Folgenden auf Farrer, 2002. Google Maps bietet eine schöne Fotografie des Herrensitzes.

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ihnen zusammen gegessen hätten1. Der Vater von George sympathisiert mit den Sozialisten, spendet nach einem Besuch in der UdSSR 1935 der Sowjetunion 70.000 £ und fällt bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges durch seine pazifistische Gesinnung auf. Ein wichtiger Schritt auf George Trevelyans Denkweg ist Grant Allen (eigentlich: Charles Grant Blairfindie Allen, 1848-1899), ein irischstämmiger, kanadischer Schriftsteller und für kurze Zeit als Philosophieprofessor in Jamaika lehrend. Er veröffentlicht 1897 eine religionsgeschichtliche und für die damalige Zeit sicherlich solide Untersuchung mit dem Titel The Evolution of the Idea of God. An Inquiry into the Origins of Religions. Allen wendet dabei in einer Art Vorgriff auf die spätere Soziobiologie das Modell einer Art von religiöser Evolutionstheorie an. Einleitend schreibt er: „In den Augen eines modernen Evolutionsforschers ist das Interesse am Ursprung (des Gottesgedankens, L.H.) und seiner geschichtlichen Ausbreitung primär psychologischer Natur“2. Allen führt dann aus, dass es ihn interessiere, wieso so viele Menschen an der Gottesidee arbeiteten und arbeiten, die darüber hinaus eine derart große Bedeutung in der Menschheitsgeschichte habe. Dieses theoretische Interesse setzt er deutlich ab von metaphysischen Wahrheitsfragen. „Die Frage ob es einen Gott gibt oder Götter, und ob, wenn es denn so sein sollte, was deren Wesen und ihre Eigenschaften wären, betrifft uns hier nicht. Alles was wir mit unseren derzeitigen Mitteln tun können ist, konsequent danach zu fragen, ‚Was brachte den Geist des Menschen dazu, überhaupt so etwas wie einen Gottesbegriff zu fassen?‘“3 Weiter interessieren ihn die Frage nach der Genese des Monotheismus und die nach dem Auftreten der Idee von göttlichen Menschen. Georg Trevelyan wird – nach seinen eigenen Erinnerungen – in seinen frühen Jahren von diesem Buch so beeindruckt, dass es ihm neben seiner ‚bunten‘ familiären Sozialisation zum Startpunkt seiner lebenslangen spirituellen Suche wird4. Für einen nach Sinn suchenden jungen Menschen bietet sich hier ein guter Absprungpunkt um sich von allen ‚entzauberten‘ gewachsenen Religionen loszusagen und eigenständige originelle Wege zu gehen. Er besucht zunächst eine durch Quaker geleitete Schule und später das TRINITY COLLEGE in Cambridge, wo er Geschichte und später auch Wirtschaftswissenschaften studiert. Dort kommt er in Kontakt mit Frederick Matthias Alexander (1869-1955), der die so genannte Alexander-Technik entwickelt, um das Körperund damit auch Selbstgefühl positiv zu gestalten. Die erste Unterrichtsstunde bei Alexander habe bei ihm eine Art anthropologische Offenbarung über die eigenen Möglichkeiten, sich und seinen Körper zu gestalten bewirkt5. 1 2 3 4 5

Vgl. Farrer, 2002, 14 und 18f. Allen, 1897, 1. Allen, 1897, 1. Vgl. Farrer, 2002, 25. Vgl. Farrer, 2002, 32.

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Sein Vater verzichtet zu dieser Zeit zu Gunsten des englischen ‚Volkes‘ auf das Herrenhaus und 5200 ha Land. Zeitweise spielt George Trevelyan mit dem Gedanken, Lehrer für die Alexander-Technik zu werden. Er lässt sich vom Bauhaus-Konzept von Walter (eigentlich noch: Adolf Georg) Gropius (1883-1969) inspirieren, versucht sich daraufhin als Möbeltischler und verfertigt in diesem Zusammenhang für sich ein Bett, in dem er zeitlebens schläft und endlich auch stirbt1. Er unterrichtet an der 1934 durch den vor den Nationalsozialisten fliehenden deutschen Reformpädagogen Kurt Hahn (1886-1974) gegründeten, erlebnispädagogisch und humanistisch ausgerichteten GORDONSTOUN SCHOOL – eine Beschäftigung, die durch den Onkel George Macaulay vermittelt wird. Seine Schwester Katharine „Kitty“ Trevelyan (*1908) überredet ihn 1942 zur Teilnahme an einem Wochenendseminar über Rudolf Steiners (1861-1925) Landwirtschaftskonzept. Auf dieser Tagung hält der österreichische Anthroposoph Walter Johannes Stein (1891-1957) einen Vortrag über das Thema What did Dr Steiner mean by Anthroposophy?2 Trevelyan wird hier zum ersten Mal mit einem für ihn schlüssigen kompletten Systemkonzept, das prinzipiell keine Fragen offen lässt, konfrontiert. Es wird erzählt, dass er am Ende jedes Abschnittes dieses Vortrags laut Ja! geschrien habe. Die für ihn später wichtigen Ideen von Reinkarnation, Gaia-Theorie, des Geistes als Grundlage aller Wirklichkeit und dass alles in der Natur mit allem zusammenhinge, werden ihm in diesem Vortrag geboten. Diese Ideen waren ihm wahrscheinlich nicht neu, sein ‚Damaskus-Erlebnis‘3 kam aber durch die systematische Bündelung dieser Gedanken zu Stande. Trevelyan schreibt dazu später: „Der Agnostizismus von sechsunddreißig Jahren verwehte wie Morgennebel“4. Nach dem Krieg arbeitet Trevelyan einige Zeit in einer Fortbildungsakademie namens ARMY FORMATION COLLEGE für Kriegsteilnehmer (Newbattle Abbey/ nahe Edinburgh) und lehrt dort Englisch und Geschichte. Ab 1947 unterrichtet er dann in Attingham an einer Volkshochschule. Trevelyan beginnt hier in der Lehre schrittweise anthroposophische Schwerpunkte zu setzen. In den sechziger Jahren lernt er Peter (1917-1994) und Eileen Caddy (1917-2006), zwei der Gründer der FINDHORN COMMUNITY, kennen. Das erste Kennenlernen findet statt als Peter Caddy Attingham anlässlich eines Wochenendkursus über Die Bedeutung der Gruppe im New Age5 besucht. Später, 1968, lernt er die Gemeinschaft selbst vor Ort kennen. Die Beziehung zur Findhorngemeinschaft wird für ihn eine der wichtigsten seines Lebens6. Nach dem Seminar schreibt Trevelyan an Caddy: „… wie sehr ich meinen Besuch genossen und den Kontakt mit dir wertgeschätzt habe.

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Vgl. Farrer, 2002, 41. Farrer, 2002, 54. Vgl. Farrer, 2002, 54. Farrer, 2002, 65. Farrer, 2002, 110f, Übersetzung L.H. Vgl. Farrer, 2002, 96.

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Wir haben gerade eine Konferenz mit der Bodengenossenschaft beendet und ich habe Ihnen von dir und deiner gärtnerischen Arbeit erzählt. Ich schreibe dies, weil ich dich vorwarnen will, dass einige von ihnen an dich herantreten könnten, um mehr davon kennen zu lernen“1. Die Findhorn-Gemeinschaft ist für ihn eine paradigmatische „God-guided group“2, die durch Trevelyan, dessen charismatische Persönlichkeit sich immer deutlicher entwickelt, erst zu einer bekannten Größe in der Alternativkultur und der breiteren Öffentlichkeit wird. Im Zuge der alternativen religiösen Aufbrüche der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts wird Trevelyan in den einschlägigen Kreisen immer bekannter. Er betreibt transzendentale Meditation, sitzt in London bei diversen Sufi-Kongressen auf dem Podium und wird endlich 1971 zum Mitbegründer des WREKIN TRUST. Die Gründer bestimmen das Ziel des WREKIN TRUST als – ich zitiere hier die englische Originalfassung3 – „an educational charity concerned with the spiritual nature of Man and the Universe“. Inhaltlich bestimmt sich der WREKIN TRUST durch die metaphysische Prämisse, dass der gesamte Kosmos getragen ist durch schöpferische Intelligenz, aus der alle physische Wirklichkeit entspringt. Das kosmische Gaiabewusstsein hat nach Schorsch drei miteinander verbundene Bedeutungen: „ (1) ein Bewußtsein der globalen Abhängigkeit der Menschen voneinander und von der Natur ...; (2) eine Auffassung, derzufolge die Erde ein Lebewesen ist, dessen Bewußtsein der Mensch Ausdruck verleiht; (3) ein Bewußtsein planetarer Verantwortlichkeit (verbunden mit der Formulierung ethischer Desiderata)“4.

Die menschliche Rasse wird dabei – so Trevelyan – als eine der experimentellen Schöpfungen Gottes angesehen, um ein Wesen hervorzubringen, das einen freien Willen hat und mit der Zeit zu einem „co-creator“5 Gottes werden kann. Verbreitet werden sollten diese Ideen bei längeren Workshops und Tagesschulungen. Größere Veranstaltungen sollten in Universitäten und Colleges, kleinere in regionalen Tagungshäusern stattfinden. Der WREKIN TRUST ist bis Mitte der Siebzigerjahre nur dem Insider-Bereich der esoterisch Interessierten bekannt. In einem Newsletter vom August 1974 schreibt Trevelyan: „Ich weise auf die große Bedeutung hin, Zentren des Landes zusammen zu binden. Der unsichtbare aber fühlbare Druck des Kommenden Lichts bedarf der Kanäle durch die es fließen kann“6. Um die Kanäle zum Fließen zu bringen, hält Trevelyan 1976 bei dem ersten Mind, Body and Spirit Festival in der Londoner Olympiahalle die Einführungsrede. „… es ist nur so wenig Zeit und so viel zu tun … die Gesellschaft befindet sich in einer evoluti1 2 3 4 5 6

Farrer, 2002, 111, Übersetzung L.H. Farrer, 2002, 112. Vgl. Farrer, 2002, 126. Schorsch, 1988, 87. Farrer, 2002, 128. Trevelyan zit. nach Farrer, 2002, 149, Übersetzung L.H.

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onären Veränderung im Ausgang vom einzelnen … ein Quantensprung im Bewusstsein erscheint möglich, eine Wiedergeburt durch die wir zum homo universalis werden können“. Das Festival biete „eine Chance für gewöhnliche Leute sich zu außergewöhnlichen Leuten zu transformieren indem sie ihr wahres Selbst entdecken“ und erlebten, dass das „Leben auf der Erde wahrhaft ein heiliges Abenteuer“ sei1. Im Januar 1977 weitet Trevelyan seine Tätigkeit auf die USA aus. Er hält Vorträge auf der Jahreskonferenz des International Co-operation Council, einem Zusammenschluss von New Age-Organisationen. Vortragsreisen in den verschiedensten Ländern werden für die nächsten zwanzig Jahre prägend für Trevelyans Lebensform bis zu seinem Tode.

b.

Ein Manifest über das kommende Wassermannzeitalter

Die ersten Sätze seines Buches A Vision of the Aquarian Age (1977; deutsch: Eine Vision des Wassermann-Zeitalters. Gesetze und Hintergründe des ‚New Age‘) beginnen mit der einen nicht geringen Anspruch signalisierenden Bemerkung: „Dieses Buch ist der Versuch, eine spirituelle Weltsicht darzustellen – eine neue Werthierarchie, die dem Leben in einem schwierigen Zeitalter hoffentlich einen tieferen Sinn zu geben vermag“2. Mit dem im esoterischen Denken nicht selten auftretenden Anspruch der Standpunktfreiheit gegenüber weltanschaulichen Fragen weist Trevelyan darauf hin, dass es sich hier weder um den Bezug auf ein „bestimmtes Dogma“ noch um den Versuch handele einen „Glauben aufzuzwingen“3. Man müsse sich nur der Wirklichkeit gegenüber öffnen und werde im Lebensvollzug die Bestätigung für den im Folgenden zu entfaltenden Standpunkt erhalten. Abschließend macht er deutlich, dass Rudolf Steiner ihn „zutiefst“4 beeinflusst habe. Er setzt mit dem Hinweis darauf ein, dass wir uns in einer sehr schwierigen Zeit befänden, in der das „Raumschiff Erde“5 in Not geraten sei. Es könne sogar sein, dass wir uns an einem Epochenende befänden. Die rettende Weltsicht sei „im Wesentlichen recht einfach (essentially simple)“6. Die heutige materialistische Kultur sei faktenorientiert und dulde spirituelle Werte nur in den Randzonen der Kunst und der vom wirklichen Leben ausgegrenzten religiösen Ansichten. Die spirituelle Weltsicht betrachte hingegen unsere Wirklichkeit als einen Bereich schöpferischer Geistigkeit, des „absoluten Seins 1 2 3 4 5 6

Vgl. Farrer, 2002, 149, Übersetzung L.H. Trevelyan, 1980, 16. Trevelyan, 1980, 16. Trevelyan, 1980, 17. Trevelyan, 1980, 18. Trevelyan, 1980, 19 (die Originalfassung A Vision of the Aquarian Age findet sich in einer Internetedition: http://www.sirgeorgetrevelyan.org.uk/books/thtbk-VAA00.html und wird von mir im Blick auf terminologische Fragen herangezogen).

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(Absolute Being) und der schöpferischen Intelligenz (Creative Intelligence), aus dem die Materie sowie die Erscheinungs- beziehungsweise materielle Welt hervorgehen“1. Es gehe ihr um die Perspektive auf die Ganzheit (wholeness). Gegenüber einem mechanistischen Selbst- und Weltbild fänden immer mehr Menschen zu der Überzeugung, dass das „Ganze lebendig ist und das Werk des Geistes, einer Intelligenz. Hinter jeder sich äußerlich manifestierenden Form befinde sich ein zeitloses Reich des absoluten Bewußtseins. Es sei die große Einheit, die all der Vielfalt, all den unzähligen Formen der Natur zu Grunde liege. Diese mag ‚Gott‘ genannt werden oder als jenseits jeder Bezeichnung liegend betrachtet und daher, wie im Osten, als DAS bezeichnet werden. Wenn man zur agnostischen Denkweise neige, mag man davon als der ‚schöpferischen Intelligenz‘ sprechen2. Trotz seiner wegweisenden Funktion innerhalb der Konstellation von Gedanken, deren Bündelung als ‚New Age‘-Glaube betrachtet wird, ist darauf hinzuweisen, dass Trevelyan sein Leben lang eine Art kosmisches Christentum gepflegt hat. „Für seine Bindung an das herkömmliche Christentum erhielt Trevelyan von den New AgeAnhängern Kritik; seine Beziehungen zum New Age ärgerten die herkömmlichen Christen. Für George Trevelyan war das Christliche eine eher esoterische als exoterische Inspiration“3. Jesus Christus ist für ihn der höchste aller spirituellen Meister. Noch in hohem Alter (1987) schreibt er über den kosmischen Christus: „Der Kosmische Christus, das Grundprinzip des Göttlichen, entschloss sich, das vorbereitete Vehikel Jesus bei der Taufe im Jordan zu besteigen. In den folgenden Jahren sprach nicht länger Jesus sondern Christus … was sich nun abspielt ist, dass der Christus, der Kosmische Christus, das Herz der Kraft Gottes, wieder auf die Erde gelassen wird … es ist Zeit unser Christentum zu entdecken“4. Trevelyan redet hier in der Begriffs- und Sprachwelt der antiken Logos-Sarx-Christologie nach der der zwischen dem unbewegt bewegenden fernen Gott und der gefallenen Schöpfung vermittelnde Logos in eine Art von ‚Körpermarionette‘ fährt. Eusebius von Caesarea (†339) schreibt: „Und wie sollte sonst die göttliche, verborgene, unsichtbare und unantastbare ούσια, eben der unleibliche und unkörperliche Verstand, der Logos Gottes, den leiblichen Menschen … sich zeigen als in menschlicher Zusammensetzung und Gestalt, die uns bekannt wird wie durch einen Dolmetscher? … Wie sollte … die sterbliche Natur den Verborgenen, Unsichtbaren entdecken …? Deswegen bedurfte er eines sterblichen Instrumentes und eines passenden Hilfs(mittels) für den Verkehr unter den Menschen, weil ihnen dies lieb war. Denn man sagt, dass alle das lieben, was ihnen gleicht“5. Ein solches Bild vom kosmischen Christus, der die Menschen zu Körpermarionetten degradiert, steht eigentlich quer zum Gedanken menschlicher Freiheit. Würde man dieses Bild

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Trevelyan, 1980, 19. Trevelyan, 1980, 20. Farrer, 2002, 133, Übersetzung L.H. Trevelyan zit. nach Farrer, 2002, 155f, Übersetzung L.H. Zit. nach Grillmeier, 1979, 313.

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ernst nehmen, dann wäre der angezielte Quantensprung der Menschheit in das Wassermannzeitalter ein Sprung in die willenlose Zeit.

Der Kosmos, in dem Trevelyan lebt, ist in „viele Seinsebenen“1 untergliedert, die alle einen Spielraum für die menschliche Seele bieten. Die Erde sei dabei die „niedrigste Ebene, der dunkelste und dichteste Schauplatz des Dramas“2. Der eigentliche Ort der Seelen sei ein höherer Bereich als die Erde. Dabei reichten die vielen Ebenen des Bewusstseins „bis hin zur schöpferischen Gottheit“3. Doch müsse sich die Seele auf der Erde immer wiederverkörpern um sich „in der Dichte der irdischen Materie Erfahrung anzueignen – eine notwendige Erziehungsphase bei ihrer Entwicklung“4. So sei die Erde als eine große Schule der Seelen aufzufassen. Die Seelen stiegen herab um zu lernen und zugleich bringe dieser Lernprozess das „Erd-Wesen“5 und das „Rassenbewußtsein der Menschheit“6 auf seinen Entwicklungsweg. Gehe allerdings auf der Erde etwas schief, so sei das Ganze des Universums gefährdet. „Wir erkennen zwar, daß der Mensch ein integraler Bestandteil der Einheit der Natur ist, erleben aber zugleich, daß er handelt, als sei er ein Ausgestoßener, fremd in einer ihm gegenüber völlig gleichgültigen Natur – ohne einzusehen, daß er selber für diese Gleichgültigkeit verantwortlich ist. Wir sehen zu, wie er Luft, Wasser und Erde verschmutzt und rücksichtslos plant, Strahlungen freizusetzen, die er niemals beherrschen kann und von denen er weiß, daß sie nie wiedergutzumachende Schäden anrichten können. Von unserem hypothetischen Ausgangspunkt – dem eines spirituellen Wesens unter anderen – wissen wir durch unmittelbare Schau, daß die Harmonie des komplexen Lebensmusters auf der Erde kein vereinzeltes Phänomen ist, sondern Teil der Lebensstruktur der Energien im Kosmos. Das Sonnensystem, das gesamte Universum, alles was man sich überhaupt vorstellen kann, ist ein spiritueller Organismus. Aus entfernten Milchstraßen können Energien freigesetzt werden, die von Intelligenz und Liebe erfüllt sind. Deswegen können wir begreifen, daß eine vom Menschen verursachte Katastrophe auf der Erde für das gesamte Leben und die Evolution des Kosmos einen Rückschritt bedeuten würde“7.

So sei es die Aufgabe des spirituell lebenden Menschen, die Erde zu heilen. In unserer apokalyptischen Situation8, in unserer „chaotischen Welt“9 biete das Bild eines neuen heilenden und geheilten Zeitalters die „vergessene Aussicht auf Heim-

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Trevelyan, 1980, 21. Trevelyan, 1980, 21. Trevelyan, 1980, 22. Trevelyan, 1980, 21. Trevelyan, 1980, 57. Trevelyan, 1980, 57. Trevelyan, 1980, 136f. Vgl. Trevelyan, 1980, 109. Trevelyan, 1980, 35.

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kehr; ein umfassendes Bild der Evolution ist ganz wesentlich für uns“1. Durch ihre spirituellen Anstrengungen seien die Menschen in der Lage, naturkausal auf den Organismus der Erde einzuwirken. Wir müssen „das Kanalisieren von Liebe, Licht und Geist in den Körper der Erde als ganz realistischen und praktikablen Vorgang in unser Programm mit einbeziehen“2. In der Frage nach den geistigen Ressourcen für das neue heilende Wissen greift auch Trevelyan auf das Muster eines Bezuges auf eine heile ‚Vorzeit‘ zurück. „Wir haben von neuem Wissen gesprochen. Es ist neu und frisch, und doch ist es zugleich so alt wie die Menschheit. Es ist in der Tat das zeitlose Wissen, die Weisheit der Alten, die in einer unserem intellektuellen Zeitalter angemessenen Form wiedererscheint“3.

Die heilende, vorzeitliche Weisheit findet sich bei Trevelyan an allen Ecken und Enden der Welt, im alten Indien und alten Persien und in den Tempeln und Mysterienschulen von Chaldäa, Ägypten und Griechenland. Auffällig ist, dass weder die germanischen Traditionen noch die abrahamitischen – monotheistischen – Traditionen eine Rolle spielen. Trevelyan unterscheidet deutlich das Christentum von den kosmischen Christusfiguren. Die in den Mysterienkulten tradierten uralten Weisheiten seien nach der konstantinischen Wende durch das Christentum verfolgt und in den Untergrund gedrängt worden. Katharer, Tempelritter, Rosenkreuzer und Freimaurer hätten diese Wahrheiten weiter überliefert. Am Ende des 19. Jahrhunderts sei mit Persönlichkeiten wie Helena Petrovna Blavatsky (18311891), der Gründergestalt der Theosophie, den Theosophinnen Annie Besant (1847-1933) und Alice Bailey (1880-1949) und dem Anthroposophen Rudolf Steiner die alte weisheitliche Perspektive wieder ins Bewusstsein vorgestoßen. Ein Unterschied zwischen der alten und der heutigen spirituellen Weisheit sei das neue Verständnis dessen, was der Tempel der Gottheit sei. Seien es früher Gebäude gewesen, so sei es nun der menschliche Körper, der als „Tempel für die neuen Mysterien“4 diene. Die wesentliche Handlung der Heilung des Planeten Erde sei dabei die Meditation. „Der Körper muß zu einem Organ werden, durch das Licht und Feuer des Geistes werden können, um die Finsternis unserer Umgebung zu überwinden. Unsere verunreinigte Welt kann nur erlöst werden, wenn der Mensch sich so verwandelt, daß schon die Zellen seines Körpers das strahlende Licht des Geistes in sich bergen und tragen“5. Durch Meditation seien wir in der Lage, mit „unzweifelhafter Gewissheit“6 (indubitable certainty) die Wahrheit der spirituellen Weltsicht zu erfahren und da-

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Trevelyan, 1980, 35. Trevelyan, 1980, 145. Trevelyan, 1980, 41. Trevelyan, 1980, 45. Trevelyan, 1980, 45. Trevelyan, 1980, 26.

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rüber hinaus den Planeten Erde zu heilen. „Wir sehen vielleicht einen großen Lichtstrahl vom Zenit herabkommen und durch unseren Körper hindurch gehen, in die Erde hinunter als ob das Geistige ‚geerdet‘ würde“1. In unserem spirituellen Bemühen seien wir nicht allein. Begleitet würden unsere Anstrengungen durch andere spirituell lebende Menschen und durch unsichtbare gute Mächte, denen allerdings böse Mächte gegenüberstünden. Weiter oben haben wir anhand des sozialwissenschaftlichem Modells eines lockeren Netzwerkes eine lockere Organisationsstruktur beschrieben, die man auch auf die New Age-Bewegung anwenden kann. Ohne auf diese Forschungen Bezug zu nehmen greift auch Trevelyan auf ein solches Modell polyzentrischer sozialer Strukturen zurück, die ihre Wirksamkeit auch dann oder gerade dann erwiesen, wenn zentrale Leitfiguren oder Leitlinien ausfielen, weil sie Leitfiguren und Leitlinien im Plural und nicht nur im Singular enthielten und damit mehrere miteinander lose verbundene Zentren, die durch eine gemeinsame New Age-Aufbruchsstimmung miteinander verbunden seien. „Das Fließen der New-Age-Energien sind unvermeidlich verwandte Seelen in neue Gruppierungen, die Brennpunkte einer neuen Gesellschaft“2. Jede dieser Gruppierungen bilde für sich einen hoch energetischen „Wirbelpunkt“3 in dem sich Heilungsenergien bündelten. Unterstützt würden diese Bemühungen um eine Heilung der Erde durch hilfreiche höhere Mächte, „Freunde im “4. Trevelyans Kosmos gleicht einem augustinischen Weltbild, in dem ein irdischer Staat und ein Gottesstaat, Gott treu ergebene und von Gott abgefallene Engel sowie zu Gott gehörige Menschen (ecclesia sanctorum) und der Verdammnis verfallene Menschen (massa damnata) gehören. „Wenn die ‚Höhere Führung‘ wünscht, uns anderswohin zu versetzen, wird es unserem höheren Selbst, einem Teil dieser Führung, leichtfallen, Ereignisse und Umstände zu inszenieren, die uns aus unseren gegenwärtigen Verhältnissen heraus- und in die erwünschten hinein versetzen. Wiederum aber müssen wir uns nach dieser ermutigenden Auffassung richten, daß wir jetzt tatsächlich am richtigen Platz sind, und je bewußter wir die ‚Führung‘ anerkennen, desto positiver und bemerkenswerter wird sie werden. So treiben wir in unseren kleinen Booten den großen Fluss der Ereignisse hinunter. Kämpfen wir gegen den Strom an, fordern wir Schwierigkeiten heraus. Lassen wir uns in wirklichem Vertrauen mit dem Strom treiben, so können wir unseren Weg durch das reißende Wasser lenken“5.

Die freundschaftlichen Mächte des jenseitigen Lebens würden in ihrem Tun behindert durch böse Mächte. „Wir müssen erkennen, daß wir in der Tat dunklen und unheilvollen Impulsen des Bösen gegenüberstehen, machtgierigen Prinzipien, 1 2 3 4 5

Trevelyan, 1980, 179. Trevelyan, 1980, 96. Trevelyan, 1980, 99. Trevelyan, 1980, 148. Trevelyan, 1980, 113f.

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vor und hinter den Kulissen“1. Trevelyan unterscheidet unter Berufung auf Rudolf Steiner zwei in der Welt wirkende böse Prinzipien. Das seien Mephistopheles/ Ahriman und Luzifer/ Satan2. Mephistopheles bringe die Menschen dazu die Geistigkeit unserer Existenz zu leugnen und uns mit dem Materialismus und dem mechanistischen Weltbild zufriedenzugeben. Luzifer bewege die Menschen in Richtung Selbstsucht und Macht. Positiv würdigt Trevelyan einige Seiten später das neu erwachende Interesse der (mit dem von ihm gebrauchten Singular ist wahrscheinlich die katholische Kirche gemeint) Kirche am Exorzismus. „Viele gestörte Seelen leiden tatsächlich unter Besessenheit, sei es durch dunkle Wesenheiten oder durch andere erdgebundene Seelen. Ohne das Wissen und die Techniken, mit solch ungewohnten Phänomenen umzugehen, ist die Psychologie in Verlegenheit und Ahriman geht seinen Weg“3. Das im Hinblick auf die von ihm verwandte Logos-Sarx-Christologie, gemäß der der göttliche Logos einen willenlosen menschlichen Körper benutzt, vorausgesetzte Modell eines göttlichen Bezuges auf den Menschen, führt auch zu einer gefährlichen Untergewichtung der Rolle der menschlichen Freiheit im Leben der New Age-Anhänger. Die guten Mächte, die an einer Heilung des Planeten Erde arbeiten, ‚benutzen‘ in diesem Konzept faktisch die Menschen für ihre übergeordneten Zwecke. Zwar weist Trevelyan darauf hin, dass das höhere Selbst eines wohlmeinenden Menschen zwar diesen ‚eigentlich‘ dazu bewege, dass dieser auch selbst die Wendezeit herbeiführen wolle, doch ist dieses Selbst in den höheren Seinssphären angesiedelt, zu denen ein konkreter Mensch nicht unbedingt direkten Zugang habe. So nimmt ein Teil der Menschheit also am Aufbau des New Age in der Weise teil, wie es Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in seinem Gedicht Der Fischer so formuliert: Halb zog sie ihn, halb sank er hin und nur der New Age-Anhänger ist ein bewusster Gestalter der Zukunft. Diese Vision untermauert Fritjof Capra in seinem Sinne physikalisch und Marilyn Ferguson fundiert sie mit vielen Belegen.

2.

Die Evangelistin des New Age: Marilyn Ferguson

Die us-amerikanische Autorin Marilyn Ferguson ist neben Fritjof Capra die bekannteste Vertreterin des New Age-Denkens. Im Gegensatz George Trevelyan sind mir keine verlässlichen biografischen Informationen zu Marilyn Ferguson zugänglich gewesen. Bevor ich mich auf den innerhalb der Wikipedia-Autoren

1 2 3

Trevelyan, 1980, 160. Trevelyan, 1980, 160. Trevelyan, 1980, 168.

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noch diskutierten englischsprachigen Wikipedia-Artikel über sie beziehe1, möchte ich zunächst einen Auszug aus einem Interview mit Marilyn Ferguson anführen2. Auf die Frage, was sie vom us-amerikanischen Erziehungssystem denke, antwortet Marilyn Ferguson bemerkenswert offen autobiografisch und soll deshalb auch im Original zitiert werden: „Most of the people I know feel that they learned most as apprentices or in the world. They learned relatively little academically. I think that one of my great advantages was that I didn't finish college, and therefore didn't attend graduate school. I was living in a small town in Colorado, and I got married very young, so it just didn't work out. After the first two years, I took just those courses I wanted to take, because I wasn't trying to participate in a degree program. When the people lectured I was actually listening to hear what they said, and the students taking the class for credit were frantically taking notes so they could do well on the tests. We are not being educated for content, but for a degree. We've lost sight of the purpose. One of my good friends uses a question that brings you back to center: ‘What am I trying to achieve?’ Whether you're going on an errand across town, or having a conversation with your child or whatever, the question is, what am I trying to achieve? We argue about how we're going to do things, and we forget what we were going to do, and why“. Sie weist weiter darauf hin, dass ihr Mädchenname Marilyn Louise Grasso sei und sie habe nach ihrem Highschool-Abschluss den Grad eines Associate of Arts am MESA COLLEGE (Colorado) erworben. Die BEZIRKSREGIERUNG DÜSSELDORF (Stand: 01.01.2012) DEZERNAT 48 ZEUGNISANERKENNUNGSSTELLE schreibt in ihrem Merkblatt für die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen aus dem Bildungssystem der Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Zeugnis der deutschen Hochschulreife über diesen us-amerikanischen akademischen Grad: „Für die Anerkennung der Hochschulreife werden zwei Jahre eines akademischen Studiums an einem College oder einer Universität gefordert. Anerkennungsfähig sind zweijährige Studiengänge, wenn sie mit dem Associate Degree abgeschlossen wurden3“. Es handelt sich also nicht um ein Studium in unserem Verständnis.

Später habe sie noch an der UNIVERSITY OF COLORADO studiert, von einem akademischen Abschluss ist dabei nicht die Rede. Sie habe dann begonnen Kurzgeschichten und Gedichte in bekannten Zeitschriften (etwa Cosmopolitan) zu veröffentlichen. Es seien bald Artikel für Organe wie etwa Time hinzugekommen. Sie habe zu den Gründungsmitgliedern der an der Theorie von Carl Rogers (19021987) orientierten ASSOCIATION OF HUMANISTIC PSYCHOLOGY gehört und nach 1 2

3

Vgl. dazu http://en.wikipedia.org/wiki/Marilyn_Ferguson. Vgl. Ferguson, in: http://www.healthy.net/Health/Interview/Aquarian_Conspiracy_Update/ 185/3. http://www.bezregduesseldorf.nrw.de/schule/schulrecht_schulverwaltung/pdf/ Merkblatt_ USA.pdf.

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vorbereitenden Publikationen erscheint von ihr 1980 The Aquarian Conspiracy/ Die sanfte Verschwörung. Persönliche und Gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns, das neben Fritjof Capras Wendezeit zu einem Schlüsselwerk der New Age-Bewegung wird. Fergusons Bedeutung liegt „nicht allein in ihrem utopischen Programm, sondern in ihrer Analyse, wie sie die Praxis dieser Bewegung versteht“1. Dabei wirkt das Buch auch auf den heutigen Leser bestechend in seiner holistischen zukunftsorientierten Perspektive und ihrer systematischen Ausarbeitung. Es ist sinnvoll, die Darstellung der Argumentation mit Fergusons Position hinsichtlich des mystischen Erkennens einzuleiten. Nach dem Bezug auf das berühmte einleitende Wort aus Laotses Tao Te Ching, dass das Tao nicht ausgesprochen werden könne, macht nun Ferguson die Voraussetzung, dass „Worte“2 nur dann Worte sind, wenn sie ausgesprochen werden. Daher kann sie die ‚direkte‘ Erfahrung des Tao von dessen Wortwerdung abkoppeln. „Es gibt bei diesen Erfahrungen einen Sinnesaspekt, der manchmal vage als transzendent, transpersonal, spirituell, verändert, außergewöhnlich oder als Gipfelerlebnis beschrieben wird ...“3. Diese Erlebnisse bezeichnet Ferguson als „transzendente Augenblicke“4. Bislang sei die Erfahrung solcher transzendenter Augenblicke subjektiv und bezweifelbar gewesen. Durch die moderne Wissenschaft sei allerdings jeder mögliche Zweifel aufgelöst worden. „Plötzlich – in den Laboratorien einiger weniger bahnbrechender Wissenschaftler, danach im Tausenden von Experimenten auf der ganzen Welt – begannen sich unbestreitbare Beweise dafür zu zeigen“5. Durch die nun eindeutig bewiesene Fähigkeit des Bewusstseins, sich transzendent zu öffnen und damit erstmalig in die Tiefe unserer Wirklichkeit zu blicken, sei es möglich geworden, dass ein Zeitalter der Transformation, das heißt der grundlegenden Neugestaltung unserer Lebenswirklichkeit6, anbrechen könne. Die Menschen würden durch die moderne Wissenschaft in „wahre Märchenländer jenseits aller Grenzen logischen und linearen Verständnisses“7 geführt. Wichtige Belege für die neuen Erkenntnisdimensionen ‚der Wissenschaften‘ liefert auch für Ferguson die Physik, deren Ergebnisse faktisch das Ende der konventionellen Wissenschaft einläuteten. „Es gibt keine Dinge, sondern lediglich Verbindungen. Nur Beziehungen. Wenn Materie aufeinanderprallt, wird ihre Energie wie in einem Kaleidoskop von Leben und Tod unter anderen Teilchen neu verteilt wie beim Tanz von Shiva in der hinduistischen Mythologie. 1 2 3 4 5 6 7

Chryssides, 2007, 9, Übersetzung L.H. Ferguson, 1982, 74. Ferguson, 1982, 74. Ferguson, 1982, 74. Ferguson, 1982, 75. Vgl. Ferguson, 1982, 76-78. Ferguson, 1982, 171.

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Anstelle einer realen und festen Welt bietet uns die theoretische Physik ein flimmerndes Gewebe aus Ereignissen, Beziehungen und unendlichen Möglichkeiten. Elementarteilchen vollziehen plötzlich Übergänge, ‚Quantensprünge‘, die sich einmal wie greifbare Einheiten, zu anderen Zeiten aber geheimnisvoll als etwas Wellenförmiges verhalten. ... Auf seiner ursprünglichen Ebene scheint das Universum paradoxerweise ganzheitlich und homogen zu sein, etwas Nahtloses, dass irgendwie das komplizierte Netzwerk unserer Erfahrungen hervorbringt, eine Wirklichkeit, von der wir uns kein echtes Bild machen können“1.

Durch die kosmische Vermitteltheit unserer Wirklichkeit sei es entsprechend auch vorauszusetzen, dass alle geistigen Prozesse zusammengehörten und im Prozess der großen Transformation bewusst zusammengebunden werden könnten. Wir könnten uns nun in Freiheit selbst wählen und die Möglichkeit nutzen, „dass individuelle Evolution vielleicht zur kollektiven Evolution führt“2. Besonders die Parapsychologie mache durch ihre empirisch eindeutig belegbaren Experimente auf die Sachhaltigkeit der physikalischen Ergebnisse für die geistige Welt aufmerksam. Es ist interessant, dass in der Darstellung der als empirisch gesichert präsentierten parapsychologischen Ergebnisse („zunehmend Beweise, dass diese Phänomene unwiderlegbar auftreten“3) religiöse Glaubenssprache bei Marilyn Ferguson auftaucht: „Es ist jedoch eine ganz andere Sache, sich zu unbekannten Dimension im täglichen Leben zu bekennen: Die Tatsache des indirekten Sehens (das Sehen über eine große Entfernungen hinweg, von alters her bekannt als Hellsehen), der Telepathie (Übermittlung von Gedanken), der Präkognition (Kenntnis von in der Zukunft liegenden Ereignissen), der Psychokinese (Interaktion von Geist und Materie) und der Synchronizität (bedeutungsvolle Übereinstimmung, eine Mischung der anderen Phänomene)“4. Im Hinblick auf diese Einschätzungen unterscheidet sich das Buch von Ferguson nicht von anderen genreüblichen Darstellungen. Bemerkenswert sind hingegen ihre Überlegungen hinsichtlich der Frage, ob die Aquarian Conspiraci/ die sanfte Verschwörung realpolitisch bedeutsam sein könnte. Der erste und dann der dritte Absatz des Buches enthalten eine deutliche optimistische Ansage, in der sich utopisches Denken und eine Tatsachenbehauptung miteinander verbinden. „Ein führerloses, aber dennoch kraftvolles Netzwerk arbeitet, um in dieser Welt eine radikale Veränderung herbeizuführen. Seine Mitglieder haben sich von gewissen Grundkonzeptionen westlichen Denkens losgesagt und dabei möglicherweise sogar die Kontinuität der Geschichte unterbrochen. ... Weitreichender als Reformen, tiefgehender als eine Revolution hat diese beginnende Verschwörung im Hinblick

1 2 3 4

Ferguson, 1982, 199. Ferguson, 1982, 79. Ferguson, 1982, 202. Ferguson, 1982, 203.

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auf eine neue Epoche der Menschheit die schnellste kulturelle Neuorientierung der Geschichte ausgelöst“1. Aufgrund ihrer Auffassung, dass die dem Denken im Zeitalter des Wassermanns zu Grunde liegenden Erkenntnisse unbezweifelbar gewiss sind, grenzt sie die Gehalte, auf die sich dieser „neue() Geist“ bezieht, nicht nur graduell sondern qualitativ von allen anderen Standpunkten ab. „Bei dem großen, erdbebenartigen, unwiderruflichen Umschwung, der auf uns zukommt, handelt es sich weder um ein neues politisches noch um ein religiöses oder philosophisches System“2. Und doch kommt Ferguson natürlich nicht umhin, diesen Ausdruck des neuen Geistes als eine „Aufsehen erregende, neue Sicht der Welt“ zu bezeichnen, die „bahnbrechende Erkenntnisse der Wissenschaft und Einsichten ältesten menschlichen Gedankengutes umfasst“3. Dieses Argument, dass sich die Speerspitze der fortschrittlichsten Wissenschaft und die uralte Weisheit der edlen Vorzeit im entsprechenden esoterischen Denken zusammenbinden lassen, ist auch von anderen Autoren der Esoterikszene vertraut. Marilyn Fergusons Theorie lässt hier an das o.a. Flecksche Denkkollektivmodell denken. Fleck differenziert zwei qualitativ unterscheidbare Arten von Denkkollektivteilnehmer(n). Er gliedert in einen esoterischen und einen exoterischen Kreis von Teilnehmern. Dem exoterischen Vertrauen zu den Eingeweihten entspreche die esoterische Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung des Denkkollektivs. Die populäre Wissenschaft führe nicht in die Wissenschaft ein, sondern biete unter Wegfall von Details und Schulstreitigkeiten eine ästhetisch ansprechende Ausführung und apodiktische Wertung mit dem Ziel eine Weltanschauung auszubilden. Die wissenschaftliche Weltanschauung wirke dann wiederum auf den esoterischen Fachmann zurück. Ferguson rechnet neben den bewusst an der sanften Verschwörung teilnehmenden exoterischen Teilnehmern, die sich auf die unwiderlegbaren Ergebnisse der holistischen Wissenschaftler beziehen, auch noch mit gleichsam unthematischen Verschwörern, die sich ohne viel zu überlegen wie die „gutherzigen Hobbits“ des Herrn der Ringe in eine „kosmische Suche“4 hätten verwickeln lassen. Weil es sich bei dieser sanften Verschwörung im anbrechenden Zeitalter des Wassermanns um einen neuen Geist handele, der auf der Basis neuer physikalischer Erkenntnisse als global wirkend und Synergie-Effekte auslösend betrachtbar sei, gibt es nach Ferguson Millionen von Verschwörern, die noch nicht einmal um die bestehende Verschwörung wissen müssten5.

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Ferguson, 1982, 25. Ferguson, 1982, 25. Ferguson, 1982, 25f. Ferguson, 1982,4 oder 23. Vgl. Ferguson, 1982, 27.

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Kuhns Modell des Paradigmenwechsels wird von Ferguson – wie von vielen New Age-Vertretern1 – direkt übernommen. Nach Ferguson ist das neue Paradigma der Verschwörung im Zeichen des Wassermanns charakterisiert durch die – eindeutig in ihrer Sachhaltigkeit bewiesenen – Annahmen (1) einer Einbettung des Menschen in die Natur, (2) der autonomen Selbstgestaltung in einer dezentralisierten Gesellschaft und (3) des evolutionsgeschichtlich bedingten Schatzkästleins an Fähigkeiten fantasiegeleiteter Innovation2. Dieses neue Paradigma mache die Menschen darauf aufmerksam, dass sie bis zu diesem irreversiblen Umschwung „unnötigerweise ein begrenztes Leben führten“3. Ferguson unterscheidet in diesem Zusammenhang einen persönlichen Paradigmenwechsel4 und eine globale transformierte Gesellschaft5. Der persönliche Paradigmenwechsel führe gleichsam zu einem Born Again-Erlebnis, so dass wir Menschen dann plötzlich wahrzunehmen vermöchten, dass „unser Dasein vom Unglücksfall zum Abenteuer umgeformt werden“6 könne. Durch die Transformation seiner selbst im persönlichen Paradigmenwechsel ergebe sich die Notwendigkeit, achtsam mit sich umzugehen7 und sich darüber klar zu sein, dass sowohl die uralten Weisheiten als auch die moderne Physik die Menschen darauf aufmerksam machten, dass „Bewusstsein ... kein Hilfsmittel“ sei sondern „unser Sein, der Inhalt unseres Lebens – das Leben selbst“ und deshalb sei diese Bewusstseinserweiterung, insofern sie sowohl den persönlichen als auch den politischen „Status quo“ gefährde, das „gewagteste Unternehmen auf Erden“8. Im Abschnitt über Direktes Wissen9 bezieht sich Ferguson auf das berühmte Buch des us-amerikanischen Philosophen und Psychologen William James (18421910) über The Varieties of Religious Experience (1902), dessen Theorie sie allerdings pointiert objektivistisch im Hinblick auf das mystische Erkennen auslegt. William James vertritt vor allem in seinen späteren Publikationen die vorsichtig optimistische Auffassung einer Begründung des individuellen Geistes in einem „kosmische(n) Bewußtsein“10: „Es würde ein dogmatisches Nichtglauben an die Existenz irgendeines über dem normalen Menschengeist stehenden Bewußtseins bedeuten, und dies angesichts des höchst lebendigen seelischen Verkehrs von Menschen mit einem Ideal, das sich dem Gefühl aufdrängt als ob es gleichsam wirklich wäre ...“11. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. dazu Hanegraff, 2007, 28f. Vgl. Ferguson, 1982, 33. Ferguson, 1982, 33. Vgl. Ferguson, 1982, bes. 34-37. Vgl. Ferguson, 1982, 476. Ferguson, 1982, 48. Vgl. Ferguson, 1982, 417. Ferguson, 1982, 418. Vgl. Ferguson, 1982, 428-434, hier: 428. James zit. nach Kather, o.J., 12. James zit. nach Kather, o.J., 6.

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Dies hat, wie wir sehen werden, folgenreiche Konsequenzen. Die Perspektivität des Mystikers wird zugunsten der Prämisse einer realen ‚transzendenten‘ Erfahrung radikal ausgeklammert. „Direkte Verbindung mit der letzten Wirklichkeit“1 überschreite das alltägliche Bewusstsein und nicht nur das alltägliche Bewusstsein, sondern damit auch die Begrenztheit allen üblicherweise gewohnten Bewusstseins. Diese Selbstverständlichkeit objektivistischer Auslegung des mystischen Erkennens als empirischem Wissen vergleichbarer Erfahrung wird sodann genutzt, um das mystische, ‚transzendente‘ Erkennen von der Sachhaltigkeit her noch höher zu stufen. Dieses der Wirklichkeit gerechter werdende Erkennen hebe den Mystiker über die anderen Menschen empor. „Indem der ‚ganzheitlich Denkende‘ eine kognitive Stufe erreicht hat, die eines zusammenhängenderen Verstehens befähigt, steht er einem formal-operationalen Erwachsenen so gegenüber, wie dieser einem Kind gegenübersteht“2. Damit ist der Gesichtspunkt einer gnoseologischen Elite gegeben, die über politische Konsequenzen eines möglichen gesellschaftspolitischen Grundsatzes nachdenken kann, den Ferguson folgendermaßen formuliert: „Direktes Wissen hebt uns aus dem System heraus. Es ist das Erwachen“3. Ferguson hält elitäre Perspektiven aus ihren utopisch-politischen Visionen dann allerdings heraus. Sie geht von einer immer schneller sich ausbreitenden „Gesellschaft autonomer Menschen (aus, L.H.), welche die Verbundenheit der ganzen Menschheit entdeckt haben, die keine Angst vor fremden Ideen und fremden Kulturen haben, die wissen, dass alle Revolutionen im Innern beginnen, und dass man niemanden seinen Weg zur Erleuchtung aufdrängen kann“4. Die o.a. Modelle von Gerlach/ Hine und York5 im Hinblick auf soziale Netzwerke, die die Struktur eines lockeren Netzwerkes betreffen, das polyzentrische soziale Strukturen besitze und gerade dadurch eine hohe Wirksamkeit auch dann hätte, wenn zentrale Leitfiguren oder Leitlinien ausfielen, weil sie Leitfiguren und Leitlinien im Plural und nicht nur im Singular enthielten und damit mehrere miteinander lose verbundene Zentren hätten, lassen sich ebenfalls beispielhaft auf Fergusons Entwurf beziehen, die sich mit solchen Modellen selbst bewusst auseinandersetzt6. Mit diesem Modell stellt sich Ferguson auch in den übergreifenden kulturellen Kontext des sogenannten amerikanischen Traums, dessen Konsequenzen wir im zweiten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft anhand von Ayn Rand (1905-1982) kennen gelernt haben. Es sind wie immer der Selfmademan beziehungsweise die Selfmadewoman, die im weiten wilden Westen – und sei dies im

1 2 3 4 5 6

Ferguson, 1982, 428. Ferguson, 1982, 429. Ferguson, 1982, 430. Ferguson, 1982, 474. Vgl. dazu auch Chryssides, 2007, 17f. Vgl. Ferguson, 1982, 250-258.

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inneren Westen einer kosmischen Psyche – ihre Lebensträume verwirklichen wollen. Was aber ist, wenn der restliche Teil der Menschheit nicht bereit ist, sich den transzendenten Tatsachen zu stellen? Valentin († nach 160) und andere antike christliche Gnostiker unterscheiden drei Menschentypen, die sie teilweise auf die Nachkommen Adams Abel, Kain und Seth direkt zurückführen. Es gibt die Hyliker, die heillos dem Irdischen verhaftet bleiben, die Psychiker, die sittlicher Einsicht fähig sind und zum Heil gelangen können, und endlich die Pneumatiker, die die Gnosis besitzen1. Eine vergleichbare Unterscheidung findet sich letztlich auch bei Ferguson.

Das Transzendente ist bei Ferguson nicht, wie im philosophischen Sprachgebrauch vor allem nach Kant eher üblich, ein Bereich, der sich allen menschlichen Maßstäben fundamental entzieht, also jede Erfahrungserkenntnis unmöglich macht. Das Transzendente, als in seiner, nach Ferguson, ‚Tatsächlichkeit‘ betrachtet, ist hier als eine Gegebenheit für Menschen zu verstehen, die sich ihnen im erleuchteten Zustand eindeutig erschließt und keine, ihre absolute Geltung für alle Menschen beschränkende Bezogenheit auf die individuelle Herkunft als ‚Gegebenheit für ein individuelles Ich‘ hat. Die Subjektivität des erleuchteten Menschen bilde bruchlos die kosmische, transzendente Objektivität ab. Dies ist eine ‚Gnosis‘, die nicht mehr durch andersartige Standpunkte legitim bestritten werden kann. Politische Konsequenzen im Sinne einer esoterischen Erziehungsdiktatur liegen auf der Hand. Synergieeffekte ergeben sich im Kontext der transzendenten Tatsächlichkeiten Fergusons insofern, als sich diese Gnosis durch die unterschiedlichsten Menschen an den unterschiedlichsten Orten der Welt und in den unterschiedlichsten Rollen als Motor einer ‚Wendezeit‘ hin zum ‚Zeitalter des Wassermanns‘ ereignen soll. Mit diesem Ereignis der Zeitenwende ergäben sich neue, irreversibel unsere Weltordnung umwälzende Veränderungen in allen Lebensbereichen (Gesundheit, Bildung, Kultur, Arbeitsleben, zwischenmenschliche Beziehungen etc.) und auch auf planetarischer Ebene. Ferguson nimmt mit ihrer Utopie des in autonomen Netzwerken beginnenden und bald endgültig anbrechenden Wassermann-Zeitalters eine das gnostische Denken überschreitende apokalyptische Perspektive ein, verzichtet aber darauf, das zu Ende gehende Zeitalter in traditioneller apokalyptischer Sprache als völlig verdüsterte Welt, in der Chaos, Unwissenheit und Egoismus herrschen und zunehmend destruktiver verlaufende Katastrophen drohen, erscheinen zu lassen. Das anbrechende Wassermann-Zeitalter sei nicht mehr radikal ausständig – wie etwa in der frühjüdischen Apokalyptik – sondern wird von Ferguson in den Bahnen einer christlichen, präsentischen Eschatologie vorgestellt. Durch die vielen Hobbit-Psychiker unter den Verschwörern, die nicht wissen, was sie 1

Vgl. etwa: Weiss, 2008, 317.

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Positives tun und durch die vielen ihrer selbst bewussten Verschwörer-Pneumatiker, die bewusst in Netzwerken arbeiten um transformative Synergieeffekte zu erzeugen, wird nach Ferguson unsere Zeit jetzt schon zu einer Wendezeit. Die im Jetzt schon sichtbaren, hoffnungsvoll stimmenden Zeichen des anbrechenden Reiches des Wassermannes machen die christliche Herkunft dieses Motivs deutlich. In der theologischen Begrifflichkeit spricht man vom Schon und Noch-Nicht des anbrechenden Reiches Gottes. Nach Ferguson bricht das Reich des Wassermanns schon in den Netzwerken an, obwohl es noch nicht vollendet gekommen ist. Was nach der Lektüre von Ferguson bleibt, ist das Bewusstsein ein – innerhalb der schlichten erkenntnistheoretischen Prämissen Fergusons – in sich systematisch und zumindest scheinbar praxisorientiert strukturiertes Buch gelesen zu haben. Die strukturierte und pragmatisch anmutende Gedankenführung macht verständlich, dass dieses Werk eine hohe Motivation zur kollektiven, vernetzenden Transformation innerhalb der Alternativkultur zu schaffen vermochte. Ein anderer sollte allerdings, ausgestattet mit der Aura des Physikers und gerne unzutreffend als Physikprofessor bezeichnet, dem erhofften Umbruch den wichtigsten Terminus zu schenken. Fritjof Capra verkündet autoritativ den Anbruch der Wendezeit.

IV. Welterklärung light und Wissenschaft soft 1.

Fritjof Capra läutet die Wendezeit ein

a.

Capra verortet sich kulturgeschichtlich

Nach diesem allgemeinen Bezug auf Repräsentanten des New Age wollen wir nun speziell den Blick auf die Physikrezeption im New Age richten und fragen, ob wir hier möglicherweise Visionen einer Thetawissenschaft finden können. Der holistische Blick des New Age findet im Kontext der metaphysischen Absprungmöglichkeiten in der Quantenphysik einen reich gedeckten Tisch. Der Kosmos wird als dauernder Übergang komplementärer Verhältnisse verstanden, die auf einen letzten Urgrund bezogen sind, der seinerseits als eine aktiv treibende Instanz betrachtet werden kann. Die alchemistische Tradition im Abendland lebt wieder auf, wenn der WelleTeilchen-Dualismus zu einem kosmischen Gesetz stilisiert wird, das die Gegensätze vereint, und besonders wirkt dies, wenn man den Menschen als spannungsreiche aber prinzipiell harmonisierbare Einheit von unteren und oberen, himmlischen und irdischen Elementen betrachtet. New Age-Quantenfeldtheorien deuten das ‚Feld‘ als heilend und als zu Evolutionssprüngen verhelfend – im Idealfall kommt es sogar zu einem ‚Quantensprung‘ in der Menschheitsentwicklung, der das Neue Zeitalter nahezu in einem Augenblick herbeiführt. Besonders hilfreich ist dabei ein ‚Schmetterlingseffekt‘, weil in einem Kosmos der Quantensprünge kleine Ursachen eine gigantische Wirkung haben können.

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Zwar beschreibt die Wellenfunktion eine unserer Anschaulichkeit entzogene und das heißt bestimmt keine für uns Menschen räumlich beziehbare ‚Wirklichkeit‘ in hochdimensionalen Räumen, die nichts mit unserer primatenhaften Raumvorstellung zu tun haben. Um alle möglichen Zustände überhaupt als zusammengefasst denken zu können, greifen hier manche Physiker zu dem Modell eines fundamentalen Konfigurationsraumes des gesamten Universums. Was liegt aber näher, wenn dann auch Physiker räumlich getrennte Teiluniversen in ihrem Zusammenhang unter dem Namen „Multiversum“ entwerfen, hier sich dann Esoteriker sogar ganz neue parapsychische oder auch sogar paraastronautische Reisemöglichkeiten erhoffen? Als großer Weltformel-Zusammenhang liegt diesen kosmischen Entitäten die Selbstorganisation zu Grunde. Herrlich ist es, wenn man auch noch auf innerphysikalisch verwendete Metaphern wie Chaos zurückgreifen kann. Und wenn gar noch aus dem Chaos ‚spontan‘ strukturverändernde Phasenübergänge herausgearbeitet werden können, dann liegt es nahe, einem kosmischen Urgrund ein freiheitliches und auch nicht bewusst sich äußerndes personales Element zuzusprechen, ohne auf einen personalen abrahamitischen Schöpfergott Bezug nehmen zu müssen. Diesen allgemeinen Absprungpunkten entsprechen als herausragend qualifizierte Gewährsleute Hermann Haken, David Bohm und Ilya Prigogine, die Selbstorganisationstheorien und/oder die Quantenphysik im Allgemeinen mit dem Gesichtspunkt der Einheitswissenschaft (Haken, Prigogine, Bohm), eines metaphysisch gedeuteten, aber physikalisch verstandenen Urgrundes allen Seins (Bohm) und der Verheißung einer zukünftigen nahezu unfehlbaren Thetawissenschaftlichkeit in Verbindung bringen. Besonders David Bohm kann dann noch als physikalischer Garant einer Aufhebung von mechanistischem und zersplittertem Denken angeführt werden. Der direkte Übergangspunkt von der esoterischen Elitewissenschaft eines Haken, Bohm und Prigogine zum exoterischen Kreis der Wissenschaftsinteressierten bildet ein – in seinem Fach nicht profilierter – Physiker, der eines der einflussreichsten und symbolträchtigsten Bücher des New Age verfasst. Wenden wir uns Fritjof Capra zu. Der Wiener Fritjof Capra ist der Sohn von Ingeborg Capra-Teuffenbach (19141992), einer österreichischen Schriftstellerin1. Capras Mutter schreibt in der Zeit des Nationalsozialismus Gedichte und besitzt in Nazikreisen eine hohe Reputation. Viele Gedichte in dem 1938 von Baldur von Schirach (1907-1974) herausgegebenen Gedichtband für die Hitlerjugend Das Lied der Getreuen stammen aus ihrer Feder2. Unter anderem auch das den Band einleitende 1 2

Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ingeborg_Capra-Teuffenbach. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ingeborg_Capra-Teuffenbach.

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„Bekenntnis zum Führer Wir hörten oftmals deiner Stimme Klang und lauschten stumm und falteten die Hände, da jedes Wort in unsre Seelen drang. Wir wissen alle: Einmal kommt das Ende, das uns befreien wird aus Not und Zwang. Was ist ein Jahr der Zeitenwende! Was ist da ein Gesetz, das hemmen will Der reine Glaube, den wir uns gegeben, durchpulst bestimmend unser junges Leben“1. Es ist hier nicht der Ort, der Frage weiter nachzugehen, inwiefern Capras Vision einer sanften und ganzheitlichen Zivilisation von dieser mütterlichen Erblast ihren Ausgangspunkt hat. Doch gibt es – wie wir sehen werden – auch bei Capra die habituelle Überzeugung, eine feste und sichere Erkenntnisgrundlage ‚für alles‘ zu besitzen, die ihn „durchpulst“ und an eine „Zeitenwende“ glauben lässt.

Capras naturphilosophische Interessenlage soll bei ihm mit neunzehn Jahren durch Werner Heisenbergs Physik und Philosophie geweckt worden sein – wo in seiner Biografie Selbststilisierung beginnt und die Faktenlage aufhört, kann hier aufgrund der Quellenlage kein Thema sein. In Das neue Denken schreibt er: „Wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, dann erkenne ich, dass es Heisenberg war, der das Samenkorn gelegt hat, aus dem sich ein Jahrzehnt später meine systematische Erforschung der Grenzen der kartesianischen Weltanschauung entwickelte“2. Die Nachteile der globalen Wikipediatisierung des Wissens zeigen sich am Beispiel des Wikipedia-Artikels über Capra. Er spiegelt etwas, auf das Knoblauch bezüglich der CapraRezeption auch im Hinblick auf Kritikerkreise hinweist, nämlich eine Überbewertung seiner fachwissenschaftlichen Qualifikation als Physiker. „Der ‚Insider‘ Schorsch … kürt Capra zum ‚theoretischen Physiker an der Universität Berkeley‘, … und nicht nur populäre Zeitschriften nennen ihn einen ‚Professor‘ …; der gelehrte Antoine Faivre … befördert ihn gar zum Professor der Universität Berkeley. Nemitz … weiß, daß er ‚Professor für theoretische Hochfrequenz-Physik an der Universität von Kalifornien‘ ist. Ruppert … beläßt es nicht beim Hochschullehrer in Berkeley, er macht aus ihm einen ‚bekannten Atomphysiker und Heisenberg-Schüler‘. Diese Hochachtung vor dem Physiker und ‚New Age- Führer‘ steht allerdings im eklatanten Widerspruch zu den Tatbeständen“3. 1 2

3

Schirach, 1938, 8. Capra, 1987b, 19. Lambeck, 1988, 103 verweist darauf, dass Capra sich in seinen Ausführungen über Heisenberg an dessen populärwissenschaftlicher Schrift Physik und Philosophie (1959) und nicht an seinem philosophischen Hauptwerk Der Teil und das Ganze (1969) orientiert. Knoblauch, 1993, 252.

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Der Wikipedia-Artikel über Capra macht aus ihm einen weltweit anerkannten PhysikGelehrten, verzichtet allerdings darauf, den jeweiligen beruflichen Status als Lehrender genauer zu bezeichnen: „Er studierte bei Werner Heisenberg und forschte und lehrte auf dem Gebiet der Hochenergiephysik an der Universität Paris von 1966 bis 1968, an der University of California, Santa Cruz von 1968 bis 1970, am Stanford Linear Accelerator Center (1970) und am Imperial College London, University of London 1971 bis 1974. Von 1975 bis 1988 war er am Ernest Orlando Lawrence Berkeley National Laboratory der UC Berkeley tätig. Er lehrte auch an der U.C. Santa Cruz, U.C. Berkeley und der San Francisco State University“1.

Die Ergebnisse, die Knoblauch hinsichtlich der Biografie von Fritjof Capra vorlegen kann, belegen die Dringlichkeit (und Schwierigkeit) eines biografischen Projektes bei einem Autor, der sicher kein großes Interesse an einem genaueren Hinsehen hat. Nach seiner Promotion in Wien (1966) bildet sich ein gewisser Nebel um seine ‚akademische Biografie‘2. Er habe dann in Paris in theoretischer Physik geforscht, dort habe sein Bruder Bernt, der seine intellektuelle Biografie auch verfilmte, ihn in die östliche Mystik und in die Beat-Literatur eingeführt. Mit seiner ersten Frau sei er dann 1968 nach Kalifornien gezogen, habe an der UNIVERSITY OF CALIFORNIA AT SANTA CRUZ bis Ende der Sechzigerjahre als Physiker gearbeitet. Zu dieser Zeit (1968) habe ihn Jiddu Krishnamurti (1895-1986) sehr bewegt und er habe mit seinem so angereicherten Gedankengut Probleme im akademischen Milieu bekommen. Auch hier kann man nicht beurteilen, in welchem Maße der direkte Kontakt mit Krishnamurti real für Capra bedeutsam gewesen ist oder nicht. Auch im IMPERIAL COLLEGE in London habe er wenig Anerkennung für seine Ideen gefunden. Sein Geld habe er zu dieser Zeit als Mathematiklehrer, Übersetzer u.ä. verdient. Heisenberg habe er ab 1972 einige Male getroffen – wohl ohne dass ein reales Lehrer-Schüler-Verhältnis entstanden ist. Der finanzielle Engpass, in den er aufgrund der mangelnden Anerkennung der Fachwelt durch seine philosophischen Interessen geraten sei, habe sich erst dadurch aufgelöst, dass er durch familiäre Verbindungen in Wien eine reiche Sponsorin gefunden habe. Im Kontext dieser Absicherung soll dann sein Buch über das Tao der Physik (1975) entstanden sein. Als sich mit seinem Buch über die Wendezeit (1982) Berühmtheit einzustellen beginnt, gründet er mit seinen „para-akademischen“3 Freunden das ökologisch orientierte ELMWOOD-INSTITUTE. Nach diesem Kurzüberblick nun einige biografische Details. In Wien promoviert er 1966 in theoretischer Physik. Der Wiener Quantenphysiker Herbert Pietschmann (*1936), Doktorvater von Capra, schreibt auf ihre Anfrage hin an Mahler-Görges: „Obwohl ich mit Fritjof Capra persönlich 1 2

3

http://de.wikipedia.org/wiki/Fritjof_Capra. Auch Knoblauch, der kritisch auf dieses Problem aufmerksam macht, gerät in diese Situation, insofern er nicht im Konjunktiv, sondern im Indikativ über Capras Leben berichtet. Knoblauch, 1993, 252.

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(als dessen einstiger Dissertationsberater) sehr gut befreundet bin, muss ich Ihnen der Wahrheit halber doch mitteilen, dass die Werke Fritjof Capras in erster Linie als literarischer Beitrag zu verstehen sind, der zwar eine sehr grosse Breitenwirkung hat, sich aber innerhalb der Fachwissenschaft überhaupt nicht auswirkt. Ich habe noch niemals auf irgendeiner internationalen Physiker-Konferenz den Namen Capra oder eine seiner Thesen erwähnt gehört. Die von ihm vertretene sogenannte ‚bootstrap‘ Hypothese war ein Versuch aus den Sechzigerjahren, die Elementarteilchenphysik neu zu orientieren, der heute jedoch als mathematisch nicht ausführbar und daher überholt gilt. Man kann also innerhalb der Physik nicht von Capras Theorien sprechen, was allerdings nicht heissen soll, dass ihr enormer Einfluss durch ihre grosse Breitenwirkung unterschätzt werden soll. Nur sind diese beiden Aspekte meines Erachtens nach immer fein säuberlich auseinanderzuhalten“1.

Später, 1968-1970, habe er einen Lehr- und Forschungsauftrag an der Universität von Santa Cruz in Kalifornien gehabt. In dieser Zeit habe er ein Gespräch mit dem indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti gehabt, der zu Vorlesungen an die Universität von Santa Cruz gekommen sei. Er habe ihn nach seinem Woher und Wohin als Wissenschaftler gefragt und von diesem dann als Antwort erhalten: „Zuerst müssen Sie frei werden, und diese Freiheit erlangt man nicht durch Denken. Man erlangt sie durch Meditation – durch das Begreifen der Totalität des Lebens, in dem jede Form der Zersplitterung aufgehört hat“2. Am kalifornischen Strand habe er dann später eine Vision gehabt, die ihn dazu veranlasst habe, seinen philosophischen Standpunkt auszuarbeiten. „Eines Nachmittags im Spätsommer saß ich am Meer und sah, wie die Wellen anrollten, und fühlte den Rhythmus meines Atems, als ich mir plötzlich meiner Umgebung als Teil eines gigantischen kosmischen Tanzes bewusst wurde. Als Physiker wusste ich, dass der Sand und die Felsen, das Wasser und die Luft um mich her sich aus vibrierenden Molekülen und Atomen zusammensetzen. Diese wiederum bestehen aus Teilchen, die durch Erzeugung und Zerstörung anderer Teilchen miteinander reagieren. Ich wusste auch, dass unsere Atmosphäre ständig durch Ströme kosmischer Strahlen bombardiert wird, Teilchen von hoher Energie, die beim Durchdringen der Luft vielfache Zusammenstöße erleiden. All dies war mir von meiner Forschungstätigkeit in Hochenergie-Physik vertraut, aber bis zu diesem Augenblick beschränkte sich meine Erfahrung auf graphische Darstellungen, Diagramme und mathematische Theorien. Als ich an diesem Strand saß, gewannen meine früheren Experimente Leben. Ich ‚sah‘ förmlich, wie aus dem Weltraum Energie in Kaskaden herabkam und ihre Teilchen rhythmisch erzeugt und zerstört wurden. Ich ‚sah‘ die Atome der Elemente und die meines Körpers als Teil dieses kosmischen Energie-Tanzes; ich fühlte seinen Rhythmus und ‚hörte‘ seinen Klang, und in diesem Augenblick wusste ich, daß dies der Tanz Shivas war, des Gottes der Tänzer, den die Hindus verehren“3.

1 2 3

Mahler-Görges, 1989/90, 31f. Capra, 1987b, 28. Capra, 1987b, 7.

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In London habe er 1970 Forschungen zur Quantenfeldtheorie betrieben, die sein Interesse an ostasiatischer Philosophie und Mystik vertieft hätten. Als er eines Tages eine von ihm nach seiner Vision angefertigte Collage, die den Kosmos und Shiva miteinander als verbunden darstellen sollte, betrachtet habe, habe sich in ihm das Thema des Tao der Physik „mit absoluter Gewissheit“1 eingebrannt. Um seine naturphilosophischen Ideen nun in die Realität umsetzen zu können, habe er seine physikalische Forschungsarbeit aufgegeben (1972) und dieses Buch verfasst. Im Laufe der Zeit wird Capra dann nicht nur ein Bestsellerautor, sondern auch eine wichtige Person in der alternativen Friedens- und Ökologiebewegung. Seinem ganzheitlichen Anspruch auf Heilung der Erde und der Menschen entspricht es, dass er 1984 zu einem der Gründer des ELMWOOD-INSTITUTS wird2. Fritjof Capra wird im Folgenden hier als Repräsentant der New Age-Bewegung vorgestellt. Der Ausflug in seine undurchsichtige, akademische Biografie sollte lediglich zeigen, welches Wissen die Basis für seine Ideen bildet bzw. was er als solche ausgibt. Die erste für das New Age-Denken wegweisende Schrift von Capra ist die über Das Tao der Physik. Die Konvergenz von westlicher Wissenschaft und östlicher Philosophie (1975: The Tao of Physics). In diesem Buch wird über den Ausgang von Wissenschaftsverständnissen des Abendlandes und in Auseinandersetzung mit den philosophischen Konsequenzen der modernen Physik der Weg für das spätere kulturkritische und geschichtsphilosophisch ausgreifende Werk über die Wendezeit vorbereitet. Capra gibt zunächst an, dass es der Zweck seines Buches sei, moderne Physik und östliche mystische Traditionen positiv aufeinander zu beziehen. Seiner Schrift über das Tao der Physik sind drei Capras Argumentation gleichsam als Ouvertüre dienende ‚Alibizitate‘ von Julius Robert Oppenheimer, Niels Bohr und Werner Heisenberg vorangestellt. Die Art, wie dort Niels Bohr zitiert wird ist, wie Lambeck3 nachweist, eindeutig manipulativ. Capra zitiert Bohr4: „Um zur Lehre der Atomtheorie eine Parallele zu finden … müssen wir uns den erkenntnistheoretischen Problemen zuwenden, mit denen sich bereits Denker wie Buddha und Lao-tzu auseinandersetzten, wenn wir einen Ausgleich schaffen wollen zwischen unserer Position als Zuschauer und Akteure im großen Drama des Daseins“5. Er verzichtet aber darauf, Bohrs Ausführungen weiter zu zitieren. Bohr schreibt nämlich unmittelbar im Anschluss an diese Aussage: „Die Erkenntnis einer solchen Analogie des rein begrifflichen Charakters der Probleme, welchen wir auf so verschiedenen Forschungsgebieten (Physik,

1 2

3 4 5

Capra, 1987b, 34. Vgl. zum Konzept des Institutes: Callenbach/ Capra/ Goldman/ Lutz/ Marburg,1993, bes. XV-XVII. Vgl. Lambeck, 1988, 103f. Vgl. Capra, 1987, 14. Bohr, 1954, 8f. (Übersetzung nach der Capra-Ausgabe).

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Psychologie und Philosophie) begegnen, darf jedoch keineswegs mit der Einführung irgendeines dem wahren Geist der Wissenschaft fremden Mystizismus verwechselt werden. Ganz im Gegenteil regt uns diese Erkenntnis dazu an, zu untersuchen, wie weit eine logische Lösung bei unerwarteten Paradoxien, denen wir bei der Anwendung unserer einfachsten atomphysikalischen Begriffe begegnen, dazu beitragen könnten, begriffliche Schwierigkeiten auch in anderen Forschungsbereichen zu überwinden“1.

Es ist sinnvoll, die Darstellung dieser Gedanken als Folge von thematischen beziehungsweise unthematischen Prämissen Capras darzustellen. Zunächst einmal fällt schlicht und ergreifend auf, dass Capra seiner Sache völlig sicher ist. Nachdem er den Zweck seiner Untersuchung genannt hat, weist er darauf hin, dass Quantentheorie und Relativitätstheorie uns „zwingen“2, die Welt in einer „ähnliche(n)“3 Weise zu sehen, wie es ein Hindu, Buddhist oder Taoist tue. Die abrahamitischen mystischen Traditionen werden ausgeklammert und zugleich wird von Hinduismus, Buddhismus und Taoismus behauptet, dass die „Grundzüge ihrer Weltanschauung … die gleichen“4 seien. Diem und Lewis schreiben anschaulich zu entsprechender Fernost-Bildung: „Einer der interessanteren Aspekte des Buches war die Weise wie es asiatische Religionen und Kulturen auf beinahe jeder Seite fehl zu interpretieren schien“5.

Als ein Beispiel weiterer mystischer Traditionen werden dabei auch die vermeintlichen Lehren des – wohl nur als literarische Person existierenden – Yaqui-Indianers Don Juan Matus angeführt, die Carlos Castañeda (1925-1998) einige Zeit einer interessierten Öffentlichkeit als solide ethnologische Forschungsergebnisse präsentieren konnte. Der Begradigung der vielfältigen Verläufe religiösen und mystischen Denkens dient dann auch weiter Capras terminologische Festlegung, dass er im Folgenden der „Einfachheit halber … über die ‚östliche Weltanschauung‘“6 sprechen werde. Sodann schaltet er um auf den Blick in die vorsokratische Philosophie Griechenlands der es darum gegangen sei, „den Urgrund aller Dinge zu erkennen“7. Dann wird eine weitere ‚selbstverständliche‘ Voraussetzung getroffen. Den Urgrund aller Dinge zu erkennen: „Dies ist natürlich auch das Hauptziel aller Mystiker“8. Da Heraklit von Ephesos (um 520 v. Chr. - um 460 v. Chr.) noch monis-

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6 7 8

Bohr zitiert nach Lambeck, 1988, 103f. Capra, 1987, 15. Capra, 1987, 15. Capra, 1987, 15. Diem/ Lewis, 1992, auf diese Stelle macht Hammer, 2001, 283 aufmerksam, Übersetzung L.H. Capra, 1987, 15. Capra, 1987, 16. Capra, 1987, 16.

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tisch, organisch und im Kontext einer Welt des dauernden Werdens gedacht habe, grenzt ihn Capra positiv von den späteren Philosophen, die Geist und Materie voneinander radikal getrennt hätten, ab und stellt fest, dass diese Art der Philosophie der alten indischen und chinesischen Philosophie „sehr nahe“1 käme. Ein richtiger Sündenfall der Philosophie beginnt nach Capra dann mit Aristoteles, dem er in grotesker Weise ein mangelndes Interesse an empirischer Forschung unterstellt. Die christliche Kirche habe dann die Lehre des Aristoteles durch das Mittelalter hindurch unterstützt. Erst mit der Renaissance sei es zu einem neuen Interesse an der Natur gekommen. Doch sei die moderne Wissenschaft mit einem weiteren Problem belastet gewesen. Der Adam des zweiten Sündenfalls der abendländischen Philosophiegeschichte ist für Capra René Descartes. Seine Unterscheidung von res cogitans und res extensa ist für Capra das Realsymbol der Trennung von Geist und Materie. Diese Unterscheidung „erlaubte den Wissenschaftlern, die Materie als tot und völlig von ihnen selbst getrennt zu behandeln, und die stoffliche Welt als eine Ansammlung verschiedener, in einer gewaltigen Maschine zusammengesetzter Objekte zu sehen“2. Den Gedanken Descartes‘ werden geradezu naturkausale magische Einflüsse zugeschrieben, wenn Capra schreibt: „Descartes‘ berühmter Satz ‚Cogito ergo sum‘ (Ich denke, also bin ich) brachte den westlichen Menschen dazu, seine Identität mit seinem Geist gleichzusetzen anstatt mit seinem gesamten Organismus. … Jedes Individuum wurde weiter in eine große Anzahl getrennte Abteilungen aufgesplittert, entsprechend seinen Aktivitäten, Talenten, Gefühlen, Glauben etc., die in endlosem Konflikt stehen und dauernd metaphysische Konfusion und Frustration erzeugen. Diese innere Zersplitterung des Menschen spiegelt seine Ansicht von der Welt ‚draußen‘ wider, die als Vielfalt verschiedener Objekte und Vorgänge gesehen wird. Die natürliche Umgebung wird behandelt, als ob sie aus verschiedenen Teilen bestünde, die von verschiedenen Interessengruppen ausgebeutet werden können. Diese zersplitterte Ansicht wird auf die Gesellschaft ausgedehnt, welche in verschiedene Nationen, Rassen, religiöse und politische Gruppen aufgeteilt wird. Der Glaube, daß all diese Teile – in uns selbst, in unserer Umgebung und unserer Gesellschaft – wirklich getrennt sind, kann als Hauptgrund für die gegenwärtige Folge von sozialen, ökologischen und kulturellen Krisen angesehen werden; eine steigende Welle von Gewalttätigkeit und eine hässliche, verschmutzte Umwelt, in der das Leben oft physisch und psychisch schädlich geworden ist“3.

An dieser Stelle kann man exemplarisch die oberflächliche Art des Zugriffs auf die Geistesgeschichte, wie es bei Capra geradezu Methode ist, veranschaulichen. Wenn man bei dem naturkausalen Modell, dass der Satz ‚Cogito ergo sum‘ dermaßen verheerend gewirkt habe, noch kurz bleiben will, dann kann man aus philosophiegeschichtlicher Sicht vielleicht noch sagen: die falsche Auslegung dieses 1 2 3

Capra, 1987, 16 und vgl. auch 119. Capra, 1987, 19. Capra, 1987, 20, vgl. auch Capra, 1985, 37 und 68f.

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Satzes habe so verheerend gewirkt. Aber auch dann macht man noch die drastische Voraussetzung, dass die Rezeption eines nur im akademischen Milieu rezipierbaren Denkers so viel weltweites Unglück bewirken könne. Im Gegensatz zum abendländischen Weltbild wird die „östliche Ansicht von der Welt ‚organisch‘“1 genannt. Entsprechend sei die östliche Gottesvorstellung nicht die eines aus der Adlerperspektive das Universum steuernden Herren, sondern eines dem Kosmos innerlichen Prinzips. Am Ende seiner Einleitung verschärft Capra seine These. Es handele sich bei der Beziehung zwischen moderner westlicher Naturwissenschaft und besonders der Physik mit der östlichen religiösen philosophischen Tradition nicht nur um eine „ähnliche Weise“2, die Wirklichkeit zu sehen, sondern es könne eine „essentielle Harmonie“3 konstatiert werden. Eine dieser Gemeinsamkeiten sei – und hier macht Capra eine weitere ganz wesentliche Voraussetzung – jenseits des für einen Laien beziehungsweise uneingeweihten Menschen unverständlichen Charakters moderner Physik und östlicher Weisheit (hier bezieht sich Capra auf ein tibetisches Mandala) eine gemeinsame ontologische Ausrichtung. „Beide sind Aufzeichnungen von Untersuchungen über das Wesen des Universums“4. Diese starke Ontologie ist eine der wesentlichen, erkenntnistheoretisch nicht akzeptablen Voraussetzungen in Capras Art des Philosophierens, die ihn – wie wir später sehen werden – bei einer möglichen Selbstanwendung vor unlösbare Probleme stellen würde. An anderer Stelle schreibt Capra über die östliche Mystik, dass sie auf „direkten Einsichten in das Wesen der Wirklichkeit“5 beruht. Ein großer Erkenntnisoptimismus hinsichtlich der Leistungen der modernen Naturwissenschaften und vor allem der Physik spricht aus dem folgenden Zitat: „Woraus besteht die Materie? Vom Beginn der Naturphilosophie an dachte der Mensch über diese Frage nach und versuchte den ‚Grundstoff‘ zu finden, aus dem alle Materie besteht, aber erst in unserem Jahrhundert wurde es möglich, experimentell eine Antwort zu suchen“6.

b.

Capras Philosophie der Quantenphysik

Die starke Ontologie, die Capras Interessen spiegelt, zeigt sich auch in seinem impliziten Anspruch an die Quantenphysik, die nach Capra im konkreten Wissenschaftsleben effektiv eingesetzt werden könne, sich aber einem zureichenden Verständnis verschließe. „Tatsächlich konnten die Physiker in mehr als vierzig Jahren

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Capra, 1987, 20. Capra, 1987, 15. Capra, 1987, 22. Capra, 1987, 34. Capra, 1987, 38. Capra, 1987, 198.

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kein klares metaphysisches Modell liefern“1. Die Anfrage, dass Physiker keine Naturphilosophen sind und deshalb auch mit metaphysischen Fragen überfordert sein könnten, dürfte für Capra ein unsinniger Einwand sein. Capra vertritt eine objektivistische Sicht physikalischer Modelle, die ihm klare Aussagen über das durch unsere moderne Physik aufgeschlossene Universum erlaubt. Die Quantentheorie zeige uns einen „wesentlichen inneren Zusammenhang des Universums. Sie zeigt, daß wir die Welt nicht in unabhängig existierende kleinste Teilchen verlegen können. … Die Quantentheorie zwingt uns, das Universum nicht als eine Ansammlung physikalischer Objekte zu sehen, sondern als kompliziertes Gewebe von Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen eines vereinigten Ganzen. Dies ist jedoch die Art, in der östliche Mystiker die Welt erfahren haben“2. Aus dem noch aus der Betrachterperspektive heraus formulierten ‚komplizierten Gewebe‘ wird bei Capra schnell ein objektivistisch formuliertes „kosmische(s) Gewebe“, welches „lebt; es bewegt sich, wächst und verändert sich laufend“3. Darüber hinaus gehört es zu Capras typischer Argumentationsmethode, dass er keine Probleme hat eine Minderheitenmeinung innerhalb der Physik so darzustellen, dass sie als selbstverständlicher Ausgangspunkt aller aktuellen Physik auftritt. Dies gilt etwa für die von Capra leidenschaftlich vertretene, von Geoffrey Chew (*1924) 1961 entwickelte bootstrap-Theorie, die er zwar sachlich richtig darstellt, aber von ihrer Akzeptanz innerhalb der Fachwissenschaft und ihrer bleibenden Bedeutung weit überbewertet4. Die schon bei den eben untersuchten Physikern festgestellte Tendenz, die Bedeutung physikalischer Begriffe auszuweiten und dadurch anschaulicher zu machen und metaphysisch aufzuladen, wird bei Capra ausgeweitet. Um diese Methode begrifflich bündiger zu fassen, ist es sinnvoll, auf Charles Leslie Stevensons (1908-1979) Untersuchungen über persuasive Begriffe einzugehen5. Stevenson bestimmt persuasive Begriffe folgendermaßen: „Eine ‚persuasive‘ Definition gibt einem vertrauten Wort eine neue begriffliche Bedeutung ohne seine gefühlsmäßige Bedeutung zu ändern und wird mit dem bewussten oder unbewussten Zweck verbunden, durch dieses Mittel die Interesserichtung von Menschen zu verändern“6. Mithilfe solcher Suggestivdefinitionen soll eine „neue Orientierung der Einstellung der Rezipienten erreicht werden, ohne daß diesen die Veränderung aufstößt“7. 1 2

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Capra, 1987, 133. Capra, 1987, 139. „Wenn etwa Capra die zen-buddhistischen Rätselworte (‚Koans‘) in der Quantenphysik widerfindet, so nicht, weil die moderne Physik widersprüchlich geworden ist, sondern weil seine alltagssprachlichen Interpretationen den physikalischen Theorien unangemessen sind“, Mutschler, 1990, 140. Capra, 1987, 193, vgl. auch ebda.: 108, 203, 211, 220, 244, 303 u.ö. Vgl. dazu Hammer, 2001, 284f. Vgl. dazu Stevenson, 1938 und Müller, S., 2004, 139. Stevenson, 1938, 331, Übersetzung L.H. Müller, S., 2004, 139.

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Im Falle des Einsatzes persuasiver Begriffe im Kontext populärer New AgePhilosophie bedeutet dies, dass die gefühlsmäßige Bedeutung physikalischer Begriffe als Ausdrucksart höchster Wissenschaftlichkeit und Objektivität bewahrt wird und zugleich durch die physikferne begriffliche Verwendung der physikalischen Terminologie eben diese Wissenschaftlichkeit und Objektivität der Physik verloren geht. Stellen wir dieses Verfahren bei Capra anhand dreier persuasiv verwendeter physikalischer Begriffe dar. Dazu betrachten wir, wie Capra über den ‚Welle-Teilchen-Dualismus‘, ‚Wahrscheinlichkeitswellen‘ und den physikalischen Objektbegriff spricht1. In der frühen Phase der Atomtheorie hätten die Physiker vor dem Problem gestanden: „Wie kann die elektromagnetische Strahlung gleichzeitig aus Teilchen (d.h. aus Einheiten von sehr geringem Volumen) und aus Wellen bestehen, die sich über ein großes Gebiet des Raumes ausbreiten?“2. In seinem Buch über das Tao der Physik behauptet er, dass die Zen-Buddhisten durch Rätselsprüche vorbildlich mit solchen Problemen umgehen könnten, die weder „Sprache noch Vorstellung“3 bewältigen könnten. Diese Rätselsprüche stellten durch ihre „irrationale Wortwahl“ und den „paradoxe(n) Inhalt dieser Rätsel“ vor die Unmöglichkeit, „sie durch Denken zu lösen“4. Der ‚Welle-Teilchen-Dualismus‘, der in den oben angeführten Physikhandbüchern durch den einfachen Bezug auf die Unterscheidung von Welle und Teilchen von einem ‚Wellenverhalten und Teilchenverhalten‘ – durch Denken – gelöst wird, wird in dieser persuasiven Verwendung des Begriffs vom ‚Welle-TeilchenDualismus‘ objektivistisch präsentiert und damit als ontologischer Grundzug unserer Wirklichkeit aufgebaut. In seinem späteren Buch über die Wendezeit geht Capra nur scheinbar etwas vorsichtiger vor. Er stellt zunächst einmal fest, dass ‚Teilchen gleichzeitig Wellen sein‘5 könnten. Dann schränkt er ein, dass Teilchen Wahrscheinlichkeitswellen, „abstrakte mathematische Größen mit all den charakteristischen Eigenschaften von Wellen“6 seien. Mithilfe der Bemerkung, dass Wahrscheinlichkeitswellen charakteristische Eigenschaften von Wellen hätten, führt er den ‚Welle-Teilchen-Dualismus‘ dann allerdings wieder in das objektivistische Fahrwasser zurück. Weiter oben habe ich darauf hingewiesen, dass Wahrscheinlichkeitswellen abstrakte Gebilde sind, die eine ‚Wellengleichung‘ erfüllen. Mithilfe seiner Interpretation dieser Welleneigenschaften gelingt Capra wieder der Bezug auf die persuasive Begriffsverwendung. Landläufig ausgedrückt: Wahr-

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Im Hinblick auf den Gebrauch persuasiver Begriffe beziehe ich mich auch auf Capra, 1985. Capra, 1987, 46. Capra, 1987, 46. Capra, 1987, 46. Capra, 1985, 83. Capra, 1985, 83.

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scheinlichkeitswellen sind in der Physik vielleicht etwas abstrakter formuliert, aber doch ‚richtige‘ Wellen1. Wie eine Zusammenfassung des persuasiven Begriffsgebrauchs bei Capra stellen sich seine Reflexionen über den physikalischen Objektbegriff dar. Wir haben weiter oben gesehen, dass die physikalischen Beschreibungen im Verlaufe der Neuzeit immer abstrakter werden, um die Gegenstände der Physik immer mehr relativ auf den mathematisch beschriebenen Binnenzusammenhang beziehen zu können. Im Tao der Physik heißt es: „Die Quantentheorie zwingt uns, das Universum nicht als eine Ansammlung physikalischer Objekte zu sehen, sondern als kompliziertes Gewebe von Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen eines vereinigten Ganzen“2. Es ist interessant, dass die Quantentheorie hier so dargestellt wird, als ob sie über etwas anderes als ‚physikalische Objekte‘ rede. ‚Physikalische Objekte‘ sind alle Gegenstände des Erkennens – und deshalb uninteressant für die Quanten-Physik? Die gleiche Vorgehensweise finden wir auch in seinem Buch über die Wendezeit: „Subatomare Teilchen sind also keine ‚Dinge‘, sondern Verknüpfungen zwischen ‚Dingen‘, und diese ‚Dinge‘ sind ihrerseits Verknüpfungen zwischen anderen ‚Dingen‘, und so fort. In der Quantentheorie langt man niemals bei ‚Dingen‘ an, man hat es immer mit Geweben von Wechselbeziehungen zu tun“3. Die Quantenphysik habe es nicht mit Dingen zu tun, sondern mit Geweben von Wechselbeziehungen. Sind diese mathematischen Beschreibungen nicht gerade das Objekt, das ‚Ding‘ der Quantenphysik? Im nächsten Satz findet Capra dann wiederum zurück zur objektivistischen Sprache und weitet den Bereich der modernen Physik universal aus: „Auf diese Weise enthüllt die moderne Physik die grundlegende Einheit des Universums“4. Mit dem Buch über die Wendezeit verfasst Capra einen Bestseller, der ihn zu einer Schlüsselfigur des New Age-Denkens macht. Der Ansatz, den er hier wählt, ist nicht mehr der einer weisheitlich orientierten Naturphilosophie der Physik, sondern der Entwurf einer umfassenden Geschichtsund Kulturphilosophie. Er setzt ein mit dem Hinweis auf die globale Situation, die durch die militärische wie friedliche Nutzung der Kerntechnik, die verschiedenartigen Umweltprobleme, die Krisen der Weltwirtschaft, durch Verbrechen und psychische Probleme charakterisiert sei. Er stellt dann die steile These auf, dass alle Probleme letzten Endes auf einer „Krise der Wahrnehmung“5 beruhten, die auf eine mechanis-

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Vgl. dazu auch Capra, 1987, 152. Capra, 1987, 139. Capra, 1985, 83. Capra, 1985, 83. Capra, 1985, 10; an anderer Stelle spricht Capra von: „dieselbe Dynamik“, Capra, 1985, 19.

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tische „Weltanschauung“1 zurückzuführen sei. Notwendig sei ein neues „Paradigma“2, welches unsere Wirklichkeitswahrnehmung „grundlegend“3 verändern müsse. Andernfalls drohe die „sehr reale() Gefahr der Auslöschung der menschlichen Rasse und des gesamten Lebens auf diesem Planeten“4. Als Übergangswendepunkte, die als Indikatoren für die anstehende globale Veränderung dienen könnten, führt er den Feminismus mit seiner Auflösung des Patriarchats, das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe und die Indizien eines sich anbahnenden großen Wertewandels an. Wenn Capra dann in Wendezeit mit dem Anspruch auftritt, dieser globalen Krise in allen ihren Hinsichten ein weltanschauliches Gegenmodell entgegenstellen zu können, dann gibt er seinem Buch beziehungsweise sich selbst implizit eine nahezu heilsbringerartige Bedeutung. Um seine Geschichtsphilosophie zu untermauern, zu der auch der Gesichtspunkt einer Zweiteilung von Wendezeiten als Teilung in kleinere und in grundlegende Wendezeiten gehört, bezieht sich Capra auf zwei Denker mit universalhistorischen Zügen5. Es sind der britische Universalhistoriker Arnold Joseph Toynbee (1889-1975) und der russisch gebürtige us-amerikanische Soziologe Pitirim Alexandrowitsch Sorokin (1889-1968). In der Auseinandersetzung mit ihnen ergibt sich für Capra die grundlegende Voraussetzung einer Prägung der Geschichte durch den Prozess einer auch aktuell sich auszeitigenden „aufsteigenden und … verfallenden Kultur“6. Eine weitere wichtige Voraussetzung Capras ist der persuasive Gebrauch physikalischer Begriffe unter dem Maßstab seines eigenen Kolportagetopos. Dieser Kolportagetopos besagt, dass die moderne Physik von Gegensätze ausgleichender, ganzheitlich wirksamer und therapeutischer Bedeutung sei. „Im Gegensatz zur mechanistischen kartesianischen Weltanschauung kann man die aus der modernen Physik hervorgehende Weltanschauung mit Worten wie organisch, ganzheitlich und ökologisch charakterisieren“7. Am Ende seines breiten Durchganges durch die gegenwärtigen Problemlagen schreibt Capra programmatisch: „In den folgenden Kapiteln werde ich versuchen, ein zusammenhängendes Gedankengebäude auf der Grundlage des neuen Weltbildes zu entwerfen. Ich hoffe, daß es den verschiedenen Bewegungen innerhalb der neuen Kultur helfen wird, sich ihrer Gemeinsamkeiten bewußt zu werden. Dieses neue Gedankengebäude wird von Grund auf ökologisch sein und mit den Anschauungen vieler traditioneller Kulturen und den Vorstellungen und Theorien der

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Capra, 1985, 10. Capra, 1985, 10. Capra, 1985, 10. Capra, 1985, 15. Vgl. Capra, 1985, 30. Capra, 1985, 474. Capra, 1985, 80.

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modernen Physik übereinstimmen. Als Physiker ist es mir eine besondere Genugtuung zu sehen, daß die Weltanschauung der modernen Physik nicht nur alle anderen Wissenschaften stark beeinflußt, sondern daß sie auch das Potenzial besitzt, therapeutisch und kulturell einigend zu wirken“1. Betrachtet man dieses Programm, bemerkt man erstens in Bezug auf die in dieser Kritik der neomythischen Vernunft immer wieder thematische Voraussetzung einer Einheitswissenschaft, die wir auch bei Hermann Haken, David Bohm und Ilya Prigogine gefunden haben. Des Weiteren wird zweitens diese Voraussetzung selbstverständlich auf die eigene Disziplin bezogen und zum dritten wird die Voraussetzung gemacht, dass es möglich sei ein ‚zusammenhängendes Gedankengebäude‘ zu entwerfen, das viertens alle fortschrittlich gesinnten, das heißt nicht mechanistisch denkenden Menschen teilen könnten. Diesem ‚übersichtlichen‘ Theorieansatz entsprechen ‚übersichtliche‘ Einzelbeurteilungen. In einer ausgeglichenen Welt gebe es sowohl umweltgerechtes YinHandeln, als auch aggressives Yang-Handeln, welches man auch als Öko-Handeln beziehungsweise Ego-Handeln bezeichnen könne2. Unsere Kultur würde das Yang-Handeln bevorzugen, weil wir auf den kartesianischen Satz cogito ergo sum bezogen seien. Dieser Satz „ermutigte den Menschen der abendländischen Kultur, sich eher mit dem rationalen Verstand als mit seinem ganzen Organismus zu identifizieren“3. Ebenso könnten die sich „selbstbehauptende Macho-Technologie“4 gegen die Friedensbewegung ausgespielt werden, wie die Vorstellung einer „vollkommenen Weltmaschine“ und eines als intelligenter Designer gefassten Schöpfers als „monarchischen Gott“5 gegen einen Kosmos der in einer ganzheitlichen Yin-Yang-Bewegung alles in einem freien heilenden Tanz hält. Capras Geschichtsphilosophie wird hinsichtlich ihrer Objektivitätsansprüche verstärkend aufgeladen durch seinen persuasiven Gebrauch des Begriffs der Evolution. Die Evolutionstheorie sprenge das mechanistische Weltbild6. Die emotionale Bedeutung des Evolutionsbegriffs legt den Gesichtspunkt einer zum Menschen hinführenden Entwicklung nahe, die durch die Wissenschaften objektiv festgestellt werden könne. Capra stellt nun die schon für sich problematische Voraussetzung auf, dass die „biologische Evolution des Menschen … vor etwa 50.000 Jahren beendet (war, L.H.). Von da ab schritt die Evolution nicht länger genetisch, sondern gesellschaftlich und kulturell voran“7. In diesem Prozess sei es zu dem beschriebenen Verlust unserer ökologischen und biologischen Fundamente

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Capra, 1985, 289. Vgl. Capra, 1985, 35. Capra, 1985, 37, vgl. auch 239. Capra 1985, 44. Capra, 1985, 66. Vgl. Capra, 1985, 73, 119. Capra, 1985, 39.

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gekommen. Der schon für sich brisante Begriff der gesellschaftlichen und kulturellen Evolution wird nun noch einmal selbst persuasiv verwendet, wenn Capra die durch die Gegenkultur1, er zitiert hier Theodore Roszaks (1933-2011) Gegenkultur. Gedanken über die technokratische Gesellschaft und die Opposition der Jugend (The Making of a Counter Society, 19691) eingeleitete Wendezeit im evolutionären Kontext moralisch aufwertet. Geht man dem persuasiven Gebrauch des Evolutionsbegriffs noch einmal von diesem Gebrauch her bis zu seinem Ursprung nach, erhält man das Bild eines objektiv feststellbaren, den Menschen moralisch weiterbringenden Evolutionsschrittes, der durch die Gegenkultur eingeleitet und durch Capra auf den Begriff gebracht wird. Aus dieser objektivistischen Grundhaltung heraus ist es dann kein Problem für Capra, Redewendungen wie etwa „Vom Standpunkt der Evolution aus ist leicht zu verstehen, warum …“2 zu gebrauchen. Auch der Wissenschaftsbegriff wird persuasiv verwendet. In der Hippiekostümierung Hare-Krishna chantend lebt der Wissenschaftsglaube des 19. Jahrhunderts ungebrochen bei Capra auf. „Die Tatsache, daß die moderne Physik, Manifestation einer extremen Spezialisierung des rationalen Verstandes, Kontakt mit der Mystik aufnimmt, zeigt auf sehr schöne Weise die Einheit und komplementäre Natur der rationalen und der intuitiven Bewusstseinsarten, des Yang und Yin. Daher können Physiker den wissenschaftlichen Hintergrund für den Wandel der Verhaltensweisen und Wertbegriffe liefern, den unsere Gesellschaft so dringend benötigt. In einer von der Naturwissenschaft beherrschten (!) Kultur wird es sehr viel einfacher sein, unsere gesellschaftlichen Institutionen davon zu überzeugen, daß fundamentale Veränderungen notwendig sind, wenn wir unsere Argumente wissenschaftlich begründen. Genau das können Physiker jetzt schon. Die moderne Physik kann den anderen Wissenschaften zeigen, daß wissenschaftliches Denken nicht zwangsläufig reduktionistisch und mechanistisch sein muß, daß ganzheitliche und ökologische Anschauungen ebenfalls wissenschaftlich einwandfrei sind“3. sind“3. Die einheitswissenschaftlich nach dem Maßstab der Physik ausgerichteten Wissenschaften können nach Capra ein „ganzheitliches Bild“4 der Realität zeichnen. „Die moderne Physik kann ihnen zeigen, daß ein solches Weltbild nicht nur wissenschaftlich ist, sondern in Übereinstimmung steht mit den fortgeschrittensten wissenschaftlichen Theorien über die physikalische Wirklichkeit“5. Im vierten Teil von Wendezeit über Die neue Sicht der Wirklichkeit wird der utopische Charakter dieses New Age-Ansatzes deutlich. Capra beginnt im Stil eines ‚man müsste …‘ zu postulieren. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: „In dieser Situation könnte ein bootstrap-Ansatz, wie er von der zeitgenössischen Phy1 2 3 4 5

Vgl. Capra, 1985, 44. Capra, 1985, 312. Capra, 1985, 47. Capra, 1985, 48. Capra, 1985, 48.

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sik entwickelt wurde, besonders gute Dienste leisten. Man müßte dazu schrittweise ein Netz von ineinandergreifenden Ideen und Modellen formulieren, während gleichzeitig die entsprechenden gesellschaftlichen Organisationen entwickelt werden. Keine dieser Theorien und keines dieser Modelle dürfte wichtiger sein als die anderen, und alle müßten miteinander übereinstimmen. Alle würden die konventionellen Abgrenzungen überwinden und würden sich jeweils derjenigen Sprache bedienen, mit der sich die verschiedenen Aspekte des vielschichtigen, engverknüpften Gewebes der Wirklichkeit am besten beschreiben lassen. Dementsprechend wäre keine der neuen gesellschaftlichen Institutionen dann der anderen überlegen oder wichtiger als die anderen, und sie alle würden voneinander wissen und miteinander kommunizieren und kooperieren“1. Wenn man dies alles müsste, um die Wendezeit herbeizuführen, dann muss es auch jemanden geben, der dies könnte und weil es sich hier um ein hochmoralisches Projekt der Menschheit handelt, ist es die Frage, ob man für ein solches Projekt überhaupt demokratische Abstimmungen haben müsste. Capra ist eine solche Haltung nicht zu unterstellen, wohl aber ist diese Frage berechtigt im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Realisierbarkeit dieser Utopie. Im Kontext einer solchen Rolle des evolutionslenkenden Physikers, der fast die Rolle eines Thetawissenschaftlers spielt, ist es ratsam, sich die möglichen Nebentöne einer anderen Argumentation Capras vor Augen zu führen. In der folgenden Passage wird die menschliche Freiheit, die traditionell in engster Verbindung mit dem autonomen Gewissen und mit Menschenwürde gesehen wird, unter dem Maßstab der Ganzheitlichkeit und des – als objektiv betrachteten – mystischen Erkennens relativiert. Für Capra ist die mystische Entgrenzung objektiv und zwar in einer Weise, dass diese Objektivität als die höchstmögliche Entsprechung an die Wirklichkeit betrachtet wird. Nach dem Bezug auf die Perspektivveränderungen durch die moderne Physik weist Capra an einer Stelle schon im Tao der Physik darauf hin: „Die östlichen Weisen sprechen auch von einer Ausweitung ihrer Erfahrung der Welt in den höheren Bewußtseinszuständen, und sie behaupten, daß diese Zustände eine grundsätzlich andere Erfahrung von Raum und Zeit beinhalten. Sie betonen, daß sie in der Meditation nicht nur über den gewöhnlichen dreidimensionalen Raum hinausgehen, sondern auch – und sogar noch stärker – über das gewöhnliche Zeitempfinden. Anstelle einer linearen Folge von Augenblicken erfahren wir eine unendliche, zeitlose und doch dynamische Gegenwart“2. Mit folgenden, durch sein Bild der östlichen Mystik gestützten Reflexionen Capras über Freiheit werden Erinnerungen an die im ersten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft beschriebenen düsteren Traditionen wach, auch wenn 1

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Capra, 1985, 293; die Hervorhebungen im Text stammen von mir, Capra hatte das Wort boostrap hervorgehoben, das ich um der besseren Anschaulichkeit meiner Hervorhebungen willen nicht kursiv geschrieben habe. Capra, 1987, 179f.

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Capra hier nicht explizit politisch reflektiert. „Die relative Autonomie der Organismen wächst normalerweise mit ihrer Komplexität und erreicht im Menschen ihren Höhepunkt. Dieser relative Begriff des freien Willens scheint in Übereinstimmung zu stehen mit der Lehre mystischer Überlieferungen, deren Anhänger ermahnt werden, die Vorstellung von einem isolierten Selbst zu transzendieren und sich dessen bewußt zu werden, daß wir untrennbare Teile des Kosmos sind, in den wir eingebettet sind. Ziel dieser Überlieferungen ist es, sich vollständig aller Ich-Empfindungen zu entledigen und in mystischer Erfahrung mit der Totalität des Kosmos zu verschmelzen. Sobald ein solcher Zustand erreicht ist, scheint die Frage nach dem freien Willen ihre Bedeutung zu verlieren. Wenn ich das ganze Universum bin, dann kann es keine Einflüsse ‚von außen‘ geben, und alle meine Handlungen sind spontan und frei“1. Unterfüttert wird Capras ins Totalitäre gehende mystizistische Utopie durch eine zusätzliche Aufladung des Objektivitätscharakters mystischer Erfahrung des Ostens. Aus der Mystik wird in Wendezeit eine transpersonale Psychologie. Die transpersonale Psychologie wird zur stärksten Instanz des Einspruchs gegen jede kartesianische Trennung von Körper und Geist. Unter Bezug auf Abraham Maslow, Stanislav Grof (*1931) und vor allem Ken Wilber bestimmt Capra die transpersonale Psychologie zunächst mit relativ wenigen Voraussetzungen als Wissenschaft, die sich mit dem Phänomen „nichtgewöhnlicher, mystischer oder ‚transpersonaler‘ Bewußtseinszustände“2 und ihrer Rezeption beschäftige. Später bestimmt er mit mehr Voraussetzungen transpersonale Erfahrungen als Weise der Transzendenz über die „konventionellen Grenzen des Organismus hinaus und dementsprechend ein umfassenderes Identitätsgefühl“3, als Bezug auf die Sphäre des kollektiven Unbewussten, in dem sich das Individuum mit dem Kosmos in seiner Ganzheit verbunden fühlt. Bis dahin ist die Bestimmung der transpersonalen Psychologie noch eher ontologisch neutral aus der Perspektive des erlebenden Subjekts thematisch. Im nächsten Absatz ändert sich die Situation. Nun schreibt Capra objektivierend und damit das mystische beziehungsweise das transpersonale Erkennen mit einer stärkeren Ontologie verbindend: „Am Ende des Bewußtseinsspektrums gehen die transpersonalen Spektralbänder in die Ebene des Kosmischen Bewußtseins über, auf der man sich mit dem ganzen Universum identifiziert. Man kann die letzte Wirklichkeit auf allen transpersonalen Ebenen erkennen, zu dieser Wirklichkeit selbst werden kann man jedoch nur auf der Ebene des Kosmischen Bewußtseins“4. Der Bezug auf ein derartiges kosmisches Bewusstsein wird schon durch eine physikalisch unsinnige Behauptung Capras vorbereitet, die er im Hinblick auf die Lichtgeschwindigkeit aufstellt. Auch wenn zu den grundlegenden Voraussetzungen der Quantenphysik der

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Capra, 1985, 298f. Capra, 1987, 412. Capra, 1987, 416. Capra, 1987, bes. 417.

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Grundsatz gehört, dass es keine Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit gibt, schreibt Capra: „So kann beispielsweise kein Signal schneller als mit Lichtgeschwindigkeit übertragen werden. Aber jenseits dieser lokalen Zusammenhänge gibt es andere, nichtlokale, die augenblicklich und unmittelbar sind und die – wenigstens heute noch – nicht mit mathematischer Präzision vorhergesagt werden können. Diese nichtlokalen Zusammenhänge sind das Wesentliche der Quantenwirklichkeit. Jedes Ereignis wird vom gesamten Universum beeinflußt, und obwohl wir diesem Einfluss nicht in Einzelheiten beschreiben können, erkennen wir doch eine Ordnung, die in statistischen Gesetzen ausgedrückt werden kann“1.

Mit dem Hinweis darauf, dass man durch das kosmische Bewusstsein real zur letzten Wirklichkeit werden kann, wird aus der New Age-Physik explizit eine Thetawissenschaft. Am Anfang seiner Schrift über das Tao der Physik hat sich Capra auf Heraklit, nach seinem populären Verständnis den Alles-fließt-Philosophen, bezogen. Mit seiner Theorie eines tanzenden Universums in dem alles fließt handelt er sich spezifische erkenntnistheoretische Probleme ein. Wenn alles fließt, dann sind auch die Erkenntnisse der heutigen Physik ‚fließend‘ und auch der Gesichtspunkt der Ganzheitlichkeit ist ‚fließend‘. Dieses erkenntnistheoretische Problem spiegelt eine seltsame Spannung bei Capra wider. Auf der einen Seite stellt er, wie schon weiter oben zitiert, objektivistisch fest: „Woraus besteht die Materie? Vom Beginn der Naturphilosophie an dachte der Mensch über diese Frage nach und versuchte den ‚Grundstoff‘ zu finden, aus dem alle Materie besteht, aber erst in unserem Jahrhundert wurde es möglich, experimentell eine Antwort zu suchen“2. Auf der anderen Seite entspricht als Gegengewicht zu dieser objektivistischen Position, die der durch Capra festgestellten Wahrheit Übergeschichtlichkeit zuspricht, eine radikale Subjektivierung von Erkenntnis. Aufgrund einer Psychologisierung oder besser Parapsychologisierung der Rolle des Beobachters in der Quantenphysik (die so genannte ‚Unbestimmtheit‘) wird nicht nur eine radikale Subjektivierung von Erkenntnis als universal gültig angenommen, sondern Wirklichkeit wird zum Gedanken. „Das fachsprachliche Wort ‚Unbestimmtheit‘ versagt bei seiner Anwendung in der Alltagssprache. Hier bedeutet ‚Unbestimmtheit‘ Beliebigkeit, Freiheit, Willkür. Diese ist aber in der Physik gerade nicht gegeben. Da liegt nicht eine Unbestimmtheit, sondern die Bestimmtheit einer unteren Grenze unserer Erkenntnis (passive Negation), verbunden mit einer oberen Grenze unserer Unkenntnis (aktive Negation) durch das Plancksche Wirkungsquantum vor. Insofern wäre … eine Bezeichnung wie etwa ‚universales Streuungs-

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Capra, 1985, 85; auf diese Stelle macht Lambeck, 1988, 104 aufmerksam. Capra, 1987, 198. „Capra ist der Meinung, daß sich die Ganzheitlichkeit der Welt streng aus der Physik erweisen lasse …“, Mutschler, 1990, 134.

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produkt‘ oder ‚konstantes Schwankungsmaß‘ weniger mißverständlich und daher vorzuziehen gewesen“1.

In der folgenden Aussage aus dem Tao der Physik finden wir eine klassische Art generalisierender ‚nichts als‘-Argumentation: „… solch eine Theorie der subatomaren Teilchen reflektiert die Unmöglichkeit, den wissenschaftlichen Beobachter von den beobachteten Phänomenen zu trennen … in ihrer extremsten Form. Sie läuft darauf hinaus, daß die von uns in der Natur beobachteten Strukturen und Phänomene nichts als Gebilde unseres messenden und kategorisierenden Verstandes sind. Daß es sich so verhält, ist eine(r) der wichtigsten Lehrsätze der östlichen Philosophie“2. Mit der ‚alternativlosen‘ Nichts-anderes-als-Argumentation, hinter der sich eine Immunisierungsstrategie gegenüber jedem Argument verbirgt, verlassen wir Capra und wenden uns drei weiteren New Age-Autoren zu, die sich auch auf die moderne Physik beziehen. Es sind Peter Russell, Gary Zukav und Amit Goswami (*1936).

2.

Physik und Samadhi: Peter Russell

Am 26. Juli 2008 trifft sich auf Veranlassung der durch den indischen Alternativmediziner Deepak Chopra (*1946) gegründeten CHOPRA FOUNDATION3, der SOURCE OF SYNERGY FOUNDATION4 und der ASSOCIATION FOR GLOBAL NEW THOUGHT5 eine Gruppe von „renommierten Evolutionary Leaders … um ihr außergewöhnliches Potenzial kollektiv zu erkunden“6 und einen Umkehrruf im Hinblick auf die Krisen der Gegenwart zu formulieren. Zu diesem ausgewählten Kreis gehört auch Peter Russell. Wie bei Fritjof Capra gibt es auch bei Peter Russell keine sachliche Biografie. Ich stütze mich auf das Selbstzeugnis auf seiner Homepage7. Peter Russell stellt sich als Mitglied der dem New Age-Denken nahestehenden INSTITUTE OF NOETIC SCIENCES8, THE WORLD BUSINESS ACADEMY9 und als Ehrenmitglied des THE CLUB OF BUDAPEST10 vor. Er habe an der CAMBRIDGE UNIVERSITY (UK) Mathematik und Physik studiert.

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Lambeck, 1988, 102. Capra, 1987, 276. http://deepakchopra.com/chopra-foundation/home/ http://www.sourceofsynergyfoundation.org/ http://www.agnt.org/ http://www.evolutionaryleaders.net/acalltoconsciousevolution/ Vgl. http://www.peterrussell.com/pete.php http://www.noetic.org/ http://www.findhorn.org/ http://www.clubofbudapest.org/

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Das britische Studium1 kennt Undergraduate Studies und Postgraduate Studies. Die Undergraduate Studies werden mit dem Bachelor beendet und erlauben u.a. ein folgendes Masterstudium. Peter Russell hat anscheinend den BA(Honours) (Bachelor of Arts with Honours; mit Auszeichnung) – „in Physik und experimenteller Psychologie an der Universität von Cambridge, England“2 erworben. Ein BA-Studium ist nicht forschungsbezogen. Von daher sind die Erzählungen über tiefe Gespräche mit Stephen Hawking (*1942)3 anzuzweifeln. Weiterhin behauptet Peter Russell, er habe einen „Postgraduiertenabschluss in Computerwissenschaften“4 – hierbei handelt es sich wahrscheinlich um einen Masterabschluss. In seinem Buch lässt er offen, ob er seine Dissertation über die Psychologie der Meditation zu Ende geführt hat. Mitte der Siebzigerjahre habe er Lehrveranstaltungen über Mind Maps gehalten und Bücher und Videos publiziert. Seine Biografie bildet so etwas wie eine Rahmenhandlung für sein Buch über Quarks, Quanten und Satori. Wissenschaft und Mystik: zwei Erkenntniswege treffen sich (engl.: From Science to God – The Mystery of Consciousness and the Meaning of Light, 2000). Aufgrund dieser biografischen Aspekte orientiere ich mich an seiner Gedankenfolge und füge bei Gelegenheit Argumentationspassagen aus einem früheren Buch Die erwachende Erde. Unser nächster Evolutionssprung (engl.: The Awakening Earth. The Global Brain, 19821) ein. In einer Einführung erzählt Russell von einer Art erkenntnis- und wissenschaftstheoretischem Erweckungserlebnis, das er 1996 nach einer Tagung in Kalifornien gehabt habe. Auf dem Flug von Los Angeles nach San Francisco habe er das Buch eines holländischen Autors aus den zwanziger Jahren (dessen Namen er leider nicht nennt) gelesen, das ihm die Augen geöffnet habe. In der schon durch Thomas Kuhn analysierten Sprache eines wissenschaftlichen Born again-Erlebnisses namens Paradigmenwechsel schreibt er: „Mit einem Male war ich mir über die Ursache meiner Frustration im Klaren. Wir brauchen nicht nur eine neue Theorie des Bewusstseins. Wir müssen vielmehr einige unserer grundlegenden Annahmen über die Natur der Realität neu abwägen. Diese Einsicht, obwohl sie schon existierte, hatte ich während des Seminars noch nicht formulieren können. Ich begann zu schreiben, und als das Flugzeug landete, war das Bild klar. Unser gesamtes Weltbild musste auf den Kopf gestellt werden“5. „Das wirkliche Problem liegt nicht in den physischen Beschränkungen seitens der Außenwelt, sondern in denen seitens unseres Geistes. Das derzeit dominierende Weltbild sieht den

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Vgl. dazu http://www.efellows.net/wiki/index.php/Studieren_in_Gro%C3%9Fbritannien# Undergraduate_Studies. Russell, 2003, 124. Vgl. Russell, 2003, 17f. Russell, 2003, 124. Russell, 2003, 8.

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Menschen als Bezwinger, Beherrscher und Bearbeiter der Natur, zu dessen Arteigenheit es gehört, aggressiv und nationalistisch zu sein, und dessen Hauptziele Produktivität, Wachstum, materieller Fortschritt und Effizienz sind. Die Naturwissenschaft gilt als der absolute Weg zum Wissen, auf dem sich letztlich alles erfahren und mit der Hilfe der Technologie auch alles erreichen lässt. … Wollen wir eine kollektive Katastrophe vermeiden, bedarf es – das zeichnet sich immer deutlicher ab – eines grundsätzlichen Wandels …“1.

Russell, der keine forschungsrelevanten Universitätsabschlüsse hat, stellt sich als Vollblutwissenschaftler dar. Das erste Kapitel beginnt mit dem Satz: „Ich war schon immer mit Leib und Seele Wissenschaftler“2. In seiner Darstellung verknüpft er im Folgenden seine Biografie mit seinen Thesen. Die Begeisterung für die Mathematik habe ihn schon in der Jugendzeit vom Christentum der CHURCH OF ENGLAND fortgeführt. Er zitiert Auszüge aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis und stellt dann fest, dass dieses heute nicht mehr glaubwürdig sein könne. Nach Kopernikus könne man nicht mehr an einen ‚Himmel‘, nach Darwin nicht mehr an das sechstägige Schöpfungswerk und nach den Erkenntnissen der modernen Biologie nicht mehr an jungfräuliche Empfängnis glauben. Diese Einsichten hätten ihn in die Nähe von Atheismus und Agnostizismus geführt. Während seines Studiums in Cambridge habe er immer mehr die Bedeutung der Psychologie und der Meditationen entdeckt. Eines Tages sei er auf ein Buch von Maharishi Mahesh Yogi (1918-2008) gestoßen, durch das ihm eine abschließende Vermittlung von westlichem, wissenschaftlichem und östlichem spirituellem Denken möglich wurde. Er habe den Guru dann zunächst in Italien und später in Indien besucht. In Indien sei ihm während seines dreimonatigen Aufenthaltes dann der Durchbruch in das höhere Bewusstsein gelungen. Im Zusammenhang immer längerer Meditationen habe sich sein Geist von den Dingen gelöst. Auf diese Weise sei er in einen neuen und höheren Bewusstseinszustand gelangt. Russels Darstellung dieses Zustandes jenseits der Endlichkeit, in der sich die schon weiter oben sichtbar gewordene neomythische Hierarchie von holistisch Wissenden und Nichtwissenden ohne „holonomisches“ (Bohm) Bewusstsein markant zeigt, klingt so: „In der Terminologie von Maharishi hieß dies, dass ich das Denken transzendiert hatte (buchstäblich, dass ich über das Denken hinausgegangen war). Die indischen Lehren sprechen von diesem Zustand als dem Samadhi, was ‚beruhigter Geist‘ heißt. … Im Samadhi ist das Bewusstsein vorhanden, man ist hellwach, aber das Gewahrsein bezieht sich auf keinerlei Objekt. Es ist das reine Bewusstsein – das Bewusstsein im Zustand vor dem Aufnehmen der unterschiedlichen Formen und Merkmale der bestimmten Erfahrung. … Wenn der Geist bar allen Inhalts ist, findet man nicht nur absolute Heiterkeit (Gelassenheit) und Frieden, man entdeckt die wahre Natur des Selbst. … Dieses essentielle Selbst

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Rusell, 1987, 141. Russell, 2003, 11.

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ist ewig; es ändert sich nie. Es ist die wahre Bewusstheit, und wahre Bewusstheit ist zeitlos“1. Mit der Behauptung, im Schnellkurs, real und dauerhaft in der ‚samadhischen‘ Bewusstheit leben zu können, stellt Russell implizit die weitergehende eindeutig neomythische Behauptung auf, dass er sich hier seiner endlichen Dimensioniertheit entledigt habe. Nach Russel ist das „Licht des Bewusstseins“2, welches alles erhellt, was in unserem Bewusstsein sein kann, vergleichbar mit dem Lichtbegriff der Physik, da neben dem planckschen Wirkungsquantum nur die Lichtgeschwindigkeit eine absolute Größe darstelle. Des Weiteren bringt Russell das Licht in eine Verbindung mit Gott. Das samadhische Bewusstsein sei die „Begegnungsstätte mit dem Göttlichen“3. Der Gottesbegriff von Russell ist fundiert im Modell des unbewussten Evolutionsgottes. Das „neue Modell der Realität“ bestehe darin, dass man das „Bewusstsein() als Grundlage des Kosmos“4 zu sehen habe. Russell entwirft in diesem Zusammenhang sein Modell einer neomythischen Religionsgeschichte. Die „frühen Religionen“5 reichten zurück in die Zeit der Menschwerdung, in der die Menschen entdeckten, dass sie ein Bewusstsein hätten. Diese Erfahrung habe sie zu der Ahnung geführt, dass in allen Pflanzen und Landschaften auch eine Art von Bewusstsein sei. In einer Art von Abstraktion hätten die späteren Kulturen dann angefangen, nicht nur einzelnen Wesen einen „Geist“ zuzusprechen, sondern auch „ganze(n) Arten“. Auf diese Weise sei der Polytheismus entstanden, der jede Tierart und jedem Wetterphänomen einen eigenen Gott zugesprochen habe (der „Gott der Bären“, „Eulengöttin“, „Gott des Windes“ etc.). Der „nächste Paradigmenwechsel“ habe eine Reduktion der „vielen Götter auf einen allmächtigen Gott“ mit sich gebracht. Russell versteht dabei die Lehre des „Zarathustra“ als Grundlage der abrahamitischen Religionen. Der Monotheismus habe dann nahezu zeitgleich im sechsten Jahrhundert v. Chr. auch den Atheismus entstehen lassen, der zu den hinduistischen, konfuzianischen und taoistischen Religionen geführt habe. Dieser Paradigmenwechsel habe bewirkt, dass die Menschen die „Wahrheit entdecken und inneren Frieden finden konnten, ohne an etwas Göttliches zu glauben. Prinzipiell sei mit diesem Paradigma der Weg zu einem religiösen Standpunkt eröffnet gewesen, durch den das Bild eines äußerlich regierenden Gottes abgeschafft worden sei – „das Schicksal des Menschen lag nun in seinen Händen“. Mit dem Pantheismus, der im frühen 19. Jahrhundert wirkmächtig geworden sei, habe sich eine Theorie entwickelt, die davon ausgehe, „dass alle Existenz Gott sei“ und dass

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Russell, 2003, 75-81 in Auszügen. Vgl. dazu Russells (1987, 146ff) Ausführungen über das „reine Selbst“, die er schon vor seinem Erweckungserlebnis von 1996 formulieren konnte. Russell, 2003, 82. Russell, 2003, 83. Russell, 2003, 120. Russell, 2003, 104; ich zitiere im Folgenden Russells Ausführungen zur Religionsgeschichte aus den Seiten 104-115.

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die „Geschichte als solche Teil der Selbst-Realisierung Gottes sei“. Damit schließe sich eine Art Kreis der Geistesgeschichte. Die „Saat … wurde vor Tausenden von Jahren gelegt, und zwar zu dem Zeitpunkt, als die Evolution des Menschen den Sprung ins Selbst-Gewahrsein machte, als das Bewusstsein sich seiner selbst bewusst wurde“. Das in diesen drei Bänden der Kritik der neomythischen Vernunft immer wieder auftretende Motiv der edlen Vorzeit taucht hier auch bei Russell auf. Am Anfang der Menschheitsgeschichte sei das Selbstbewusstsein „wichtig für persönliches Wohlergehen“ gewesen. Am Ende dieses Zyklus gehe es hingegen um „unser kollektives Überleben“. Russell verortet seinen Standpunkt in einer Geschichte religiöser und wissenschaftlicher Paradigmen. Nach dem unvermeidlichen Hinweis auf Thomas Kuhn führt er als Beispiel zunächst den Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild an. Im nächsten Schritt wendet er sich dann einem weiter gefassten Paradigmenbegriff zu. Als zu überwindendes Paradigma wird von ihm das „Weltbild der gesamten westlichen Wissenschaft“1 bezeichnet. Russell setzt selbstverständlich voraus, dass er an dieser Stelle Prämissen thematisiert, auf denen „alle unsere wissenschaftlichen Paradigmen“2 beruhen. Diese Voraussetzung sei, „dass die physische Welt die reale Welt ist und dass Raum, Zeit, Materie und Energie die fundamentalen Komponenten der Realität sind. Würde man einst das Funktionieren der physischen Welt gänzlich verstanden haben, so wird angenommen, dann sei man in der Lage, den Kosmos mit all seinen Phänomenen zu erklären“3. Er bezeichnet diese Überzeugung als das „Metaparadigma“4. Der Erfolg dieses Metaparadigmas könne erst dann infrage gestellt werden, wenn man sich der geistigen Welt zuwende. Originell an Russells Argumentation ist, dass René Descartes nicht wie bei Fritjof Capra eine Negativwirkung auf unsere Kultur zugesprochen wird, sondern dass er im Hinblick auf die ‚Bewusstseinsphilosophie‘ eines Maharishi Yogi als abendländischer Gewährsmann erscheint. Die unbezweifelbare und unhinterbegehbare Gewissheit des „Cogito ergo sum“5 ist für ihn ein idealer philosophischer Beleg seines bewusstseinsphilosophischen Standpunktes. Russell verzichtet – im Gegensatz etwa zur Fritjof Capra – auf überzogene Originalitätsansprüche. Er geht davon aus, dass die Bausteine zu diesem neuen Weltbild heute alle schon vorlägen. Man müsse sie nur noch bündeln. Religionen und Wissenschaften könnten nun zueinander finden und zu einem „große(n) Erwachen“6 und einer „spirituelle(n) Renaissance“7 führen.

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Russell, 2003, 30. Russell, 2003, 30. Russell, 2003, 30. Russell, 2003, 30. Russell, 2003, 31. Russell, 2003, 113. Russell, 2003, 116.

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Unter Bezug auf die moderne Physik schreibt er: „Obwohl diese Theorien von Physikern stammen, klingen sie allmählich immer mehr wie Lehren von Mystikern. Wenn das Universum letztendlich eine Einheit darstellt, ist ein solches Konvergieren von Ideen eigentlich nur logisch. Der Physiker erforscht die tiefsten Ebenen objektiven Seins mit den Mitteln physikalischen Experimentierens, nämlich Verstand und Mathematik. Der Mystiker ergründet die tiefsten Ebenen subjektiven Seins durch persönliche Innenschau“1.

Russell grenzt sich mit seinen Untersuchungen von seiner Meinung nach niveaulosen Untersuchungen ab. Er unterscheidet – etwa seine – „esoterische(n) Studien“ von einer Literatur aus dem „Bereich des so genannten ‚New Age‘“ gegenüber der „allergrößte(r) Skeptizismus geboten ist“2. Man kann feststellen, dass Peter Russell im Vergleich zur Fritjof Capra wesentlich weniger physikalische Bezüge herstellt. In dieser Hinsicht der geringeren physikalischen ‚Unterfütterung‘ seiner Ideen unterscheidet er sich zudem deutlich von einem weiteren ‚Kultautor‘, von Gary Zukav und seiner soliden physikalischen Basis.

3.

Gary Zukavs Wu Li-Physik

Gary Zukav, ein Sachbuchautor, der kein Physikstudium absolviert, gewinnt mit Die tanzenden Wu Li Meister. Der östliche Pfad zum Verständnis der modernen Physik. Vom Quantensprung zum Schwarzen Loch (The Dancing Wu Li Masters (1979) nicht zu Unrecht den American Book Award for Science. Sein Buch kann als passable Einführung in die moderne Physik gelesen werden, in dem sich einige ‚spirituelle‘ Einsprengsel befinden. Das Buch ist von seinem Niveau weit über dem trivialen Tao der Physik Capras anzusiedeln. Trotzdem gehört Zukav zu den New Age-Stars, die es gewöhnt sind, im Rampenlicht der Massenmedien zu stehen. Auf der Homepage seines Instituts erfährt man, dass er vierunddreißigmal in der bekannten Oprah Winfrey Show zu Gast war und seine Bücher eine Gesamtauflage von sechs Millionen haben und in vierundzwanzig Sprachen übersetzt wurden. Er gründet zusammen mit Linda Francis 1989 die Stiftung THE SEAT OF THE SOUL INSTITUTE in Ashland (Oregon). Dort werden Kurse zur psychophysischen und spirituellen Reifung angeboten. „Wir glauben, dass eine große Transformation des menschlichen Bewusstseins begonnen hat, unsere Evolution erfordert nun ein spirituelles Wachstum und spirituelles Wachstum erfordert bewusstes Wählen“3. 1 2 3

Russell, 1987, 156. Die letzten drei Zitate: Russell, 2003, 117. http://seatofthesoul.com/about/seat-of-the-soul-institute/. Übersetzungen im Folgenden L.H.

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Die Zwecksetzung des Institutes wird dahingehend beschrieben, dass es um Hilfestellungen zum Erwerb „authentischer Kraft“ gehe. Dazu müsse man seine Angst verlieren und die Liebe wählen, seine Entscheidungen bewusst treffen, seinen Intentionen glauben und dem „Universum trauen“. Als letzten Grund für ein Scheitern des Lebens wird dabei die Angst gesehen, die als Alternative zur Liebe betrachtet wird. Aufgrund der Inflation von Gottesvorstellungen, die oft mit Angst, Schmerz, Brutalität und Unterdrückung einhergegangen seien, verwendeten die Leiter des The Seat of the Soul Institute lieber eine kosmologische Metaphorik. Statt der Rede von Gott wollten sie lieber von etwas Erfahrbarem ausgehen. „… die Weisheit und das Mitgefühl des Universums ist sichtbar für jeden, der es sehen will. Jede Erfahrung (experience) bietet die Möglichkeit, auf sie mit Angst oder mit Liebe zu reagieren“. Jede entsprechende Wahl habe folgerichtig entsprechende Konsequenzen. Wer den Weg der Angst wähle, schaffe Angst und Schmerz und wer den Weg der Liebe einschlage, erzeuge das immer neue Wunder der Liebe. In der Earth school könne man lernen, den richtigen Weg einzuschlagen. Wirkungsgeschichtlich wichtig sind Zukavs Ausführungen in Die tanzenden Wu Li Meister. Zunächst beschreibt er die Genese der Idee zu diesem Buch. In den siebziger Jahren sei er zu einer Konferenz über Quantenphysik im LAWRENCE BERKELEY LABORATORY (Berkeley/Kalifornien) eingeladen worden. Er habe zu seiner Überraschung feststellen können, dass er als Nichtphysiker „erstens alles verstand, was sie sagten, und daß zweitens ihre Diskussion stark an einen theologischen Disput erinnerte“1. Plötzlich habe er entdeckt, dass die Physik nicht abgehoben und uninteressant sei, sondern sie sei ihm plötzlich als ein „tiefgründiges Unternehmen, das von der Philosophie nicht mehr zu trennen ist (erschienen, L.H.). Es ist schwer zu fassen, daß sich anscheinend nur Physiker dieser bemerkenswerten Entwicklungen bewußt sind“2. Zukav sieht sich in seinem Unternehmen eine populäre Einführung in die moderne Physik zu schreiben in der Spannung zwischen einer unverständlichen physikalischen Formalsprache und einer unpräzisen Alltagssprache. Er habe sein Buch der Korrektur durch viele fachwissenschaftliche Augen ausgesetzt. Schwierige Kommentare zu seinem Manuskript habe er um der Präzision der Ausführungen willen unverändert in die Fußnoten übernommen. Deshalb seien die Fußnoten auch oft nicht einfach. Unter anderem beruft sich Zukav auf David Bohm und besonders auf den ebenfalls äußerst renommierten David Finkelstein (*1929). „Wenn Sie jedoch die Fußnoten mitlesen, haben Sie die seltene Gelegenheit zu sehen, was fünf der besten Physiker der Welt (!) an meinem Buch ergänzten oder kritisierten, als sie – genau wie Sie jetzt – lasen“3.

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Zukav, 1988, 9. Zukav, 1988, 9. Zukav, 1988, 11.

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Durch diese Einleitung gelingt es Zukav, dem Leser zu signalisieren, dass er den Physikern gegenüber einerseits mit Bescheidenheit und andererseits auf Augenhöhe begegnen kann. Als zweiten wichtigen Entwicklungsschritt erzählt Zukav von einem Aufenthalt im ESALEN-Institut1 an der Big Sur genannten kalifornischen Küste. Dort habe er den T‘ai Chi Meister Al Chungliang Huang kennengelernt. Dieser sei auch Physiker gewesen und habe ihm erzählt, dass in Taiwan Physik als Wu Li, als „Strukturen organischer Energie“2 bezeichnet würde. So beginnt sich bei Zukav schon in der Einleitung der unbewusste Evolutionsgott zu regen. Nach dem Bezug auf die abstrakten, aber letzten Endes philosophisch höchst relevanten Gedanken der Physiker auf der einen und die fernöstliche Auslegungsart der Physik als Strukturwissenschaft über organische Energie, auf der anderen Seite kommt Zukav zum nächsten Schritt in der Exposition seines Buches. Wohl angeregt durch Bemerkungen Kuhns und Poppers über einen Paradigmenwechsel beziehungsweise Falsifikationsprozesse einleitende Wissenschaftler sowie Wissenschaftler, die sich mit Wissenschaft wie mit einem Puzzlespiel oder Kreuzworträtsel beschäftigen, setzt Zukav nun mit einer Unterscheidung ein, die Zugangsmöglichkeiten von Laien zur modernen Physik betreffen. „Wissenschaftler entdecken, Techniker wenden an“3. Die meisten Physiker seien nicht daran interessiert, die Wahrheit über unsere Wirklichkeit zu erfahren, sondern beschäftigten sich innerhalb eines engen Bereichs ihrer Wissenschaft wie Techniker damit, etwas Physikalisches ‚anzuwenden‘. Im Folgenden will sich Zukav nur mit denjenigen Physikern auseinandersetzen, die wirkliche Wissenschaftler sind, das heißt die daran interessiert sind zu erfahren, was unsere Welt in Wirklichkeit zusammenhält. Nach diesen einleitenden Reflexionen legt Zukav dann eine passable Einführung in Problemzusammenhänge der modernen Physik vor. Er kommt im Folgenden dann zu der, relativ auf sonstige Szeneautoren betrachtet, ‚vorsichtigen‘ Aussage: „Die Begriffssysteme der östlichen Mystiker unter westlichen Physiker werden sich sehr ähnlich“4. Ausgehend von einem nicht philosophisch begründbaren Substanzbegriff, der die οὐσία bzw. substantia wie ein materielles Substrat auffasst, interpretiert Zukav die moderne Physik als eine „Weltsicht“ in der es „keine Substanz“5 gäbe. Es gäbe keine Objekte mehr, die – wie klein auch immer – allem zu Grunde lägen, sondern alles ist in einem großen kosmischen Energiezusammenhang befangen. „Die Weltsicht der Elementarteilchenphysik ist die Anschauung einer Welt ohne

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Zum ESALEN-INSTITUT vgl. Hauser, Bd. 2/657f. Zukav, 1988, 19. Zukav, 1988, 24. Zukav, 1988, 45. Ausdrücklich betont Zukav (1988, 272) allerdings, dass er kein Buch über Physik und Buddhismus schreiben wolle. Zukav, 1988, 222.

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‚Stoff‘, wo das, was ist, identisch ist mit dem, was geschieht, und wo ein endloser, wilder Tanz von Erschaffung, Vernichtung und Umwandlung unvermindert in einem Rahmenwerk von Erhaltungsgesetzen und Wahrscheinlichkeiten abläuft“1. Da wir Teile dieses Universums seien, nähmen wir auch an diesem Tanz teil. In diesem Zusammenhang stößt Zukav dann auch auf die Mythologie des Hinduismus, der nach ihm eine Entfaltung des modernen physikalischen Weltbildes in der Form der Mythologie antizipiert. Die hinduistischen Gottheiten Shiva und Wischnu tanzten den Reigen von Schöpfung und Vernichtung von Universen und alles, was wir Menschen für real hielten, sei nach hinduistischer Auffassung nichts anderes als vergängliche Illusionen. Erleuchtet sei derjenige, der sich als Teil dieser universalen tanzenden Wechselwirkung begreife, in der auch noch das eigene Ich nur etwas Vorübergehendes sei. Sowohl die Physik als auch die fernöstliche Spiritualität könnten auf ihre Weise zu einer Art von Erleuchtung führen. In beiden Fällen müsse man die Maßstäbe seiner begrifflichen Orientierungen ablegen. Alles, was es in der Welt gäbe, sei ein Symbol dieses kosmischen Tanzes. In der Thematisierung der Erleuchtung hebt sich Zukav wieder positiv von den Erleuchtungs-Allmachtsfantasien typischer New Age-Vertreter ab. Er stellt nämlich fest: „Erleuchtung ist ein Zustand des Seins. Wie alle Zustände des Seins kann man ihn nicht beschreiben. Es ist ein übliches Mißverständnis, die Beschreibung eines Seinszustandes für den Zustand selbst zu halten“2. Die Beschreibung von Seinszuständen ist nach Zukav nur symbolisch möglich. Der Mensch bewege sich damit in einem energetisch aufgeladenen tanzenden Universum von Symbolen, die er sich selbst schafft. Damit zeigt sich am Ende der Begriffskonstellationen von Zukav wieder die Notwendigkeit eines Bezuges auf den unbewussten Evolutionsgott. Was ist die Klammer zwischen den tanzenden energetischen Wirklichkeiten des Kosmos und dem symbolproduzierenden einzelnen Menschen? Die Klammer ist das Modell eines Bewusstseins, das in irgendeiner Weise zum gesamten Kosmos gehört. Dem Begriffsmuster eines unbewussten Evolutionsgottes kommt Zukav nahe, wenn er im Hinblick auf das Thema des Zusammenbruchs der Wellenfunktion um den Standpunkt des ‚Beobachters‘ schreibt: „Vom Photon zu den Detektoren zum Techniker zum Physiker könnten wir gar weitergehen, bis das ganze Universum erfaßt ist. Wer beobachtet das Universum? Stellen wir die Frage anders: Wie wird das Universum zur Realität? Die Antwort verweist uns auf uns selbst: Wir aktualisieren das Universum, wir machen es zur Realität. Da wir ein Teil des Universums sind, heißt das, daß das Universum (und damit auch wir) sich selbst aktualisiert, zur Realität macht. Diese Denkrichtung ähnelt manchen Aspekten der buddhisti-

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Zukav, 1988, 225. Zukav, 1988, 290.

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schen Psychologie“1. Zukav endet mit einer Physik des unbewussten Evolutionsgottes. Der letzte hier vorzustellende Vertreter des New Age-Gedankengutes, der den Versuch unternimmt die Quantenphysik ‚spirituell‘ zu interpretieren, ist der durch eine Professur ausgewiesene Physiker Amit Goswami.

4.

Amit Goswami: „In der Nichtlokalität der Quantenwelt ist der transzendente Himmel“

a.

Bewusstsein ist alles

Auf der Homepage seines CENTER FOR QUANTUM ACTIVISM begrüßt der indischstämmige Amit Goswami2, emeritierter Professor für theoretische Physik am INSTITUT OF THEORETICAL SCIENCE DER UNIVERSITY OF OREGON, den Leser mit den Sätzen „Quantenhandeln ist die Idee, uns und unsere Gesellschaften in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Quantenphysik zu ändern. Das CENTER FOR QUANTUM ACTIVISM will den Übergang vom aktuellen materialistischen Weltbild zu einem Weltbild unterstützen, das auf dem Primat des Bewusstseins beruht“3. Goswami hat an für unseren Kontext grundlegenden Werken ein für Physikstudierende und Physiker gedachtes Physikhandbuch unter dem Titel Quantum Mechanics verfasst (1997), ein zweibändiges, seine thetawissenschaftliche Naturphilosophie spiegelndes Werk publiziert, welches sich unter dem Namen The Physicist‘s View of Nature, Part 1: From Newton to Einstein (2000) und Part 2, The Quantum Revolution (2001) nahezu den Anschein eines Physik-Handbuchs gibt und eine noch populärwissenschaftlicher verfasste Darstellung unter dem Titel The Self-Aware Universe (1993) vorgelegt, welche 1997 erstmals in Deutsch publiziert wird. Im Bd. 2 seines für den exoterischen Leser bestimmten Handbuchs steigt Goswami argumentationsstrategisch mit dem Bezug auf die Paradigmentheorie von Thomas Kuhn ein und bezieht diese dann auf Diskussionen über Holismus. Er holt dabei den Leser über eine ‚selbstverständlich‘ scheinende metaphysische Prämisse in seine Gedankengänge hinein. Das monistische Denken und sein Ansatz eines monistischen Idealismus (monistic idealism) beruhten auf der folgenden Voraussetzung: „Wir haben unbezweifelbar eine Vernetzung“4 von allem mit allem im Kosmos. Für den monistischen Idealismus seien – im Gegensatz zum noch letzten 1 2 3

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Zukav, 1988, 99. Das Zitat in der Überschrift stammt aus Goswami, 2007, 267. http://www.amitgoswami.org/. Übersetzungen der englischsprachigen Texte des Kapitels im Folgenden L.H. Goswami, 2001, 13.

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Endes materialistisch denkenden Holismus – alle Gegebenheiten dieser Welt „auf nichtlokale Weise durch Bewusstsein verbunden, nicht durch Kraftfelder und Signale“1. Innerhalb der Philosophie eines monistischen Idealismus werde die Quantenphysik zum Ausgangspunkt einer Wissenschaft von Körper, Seelenleben und Geist (body, mind and soul), die man auch als experimentelle Metaphysik verstehen könne2. Wissenschaft und Spiritualität könnten endlich versöhnt werden3. René Descartes oder besser seine Karikatur eignet sich dabei wieder einmal gut zur Abgrenzung des eigenen Standpunktes. Ähnlich wie bei Fritjof Capra, dessen Buch über das Tao der Physik für Goswami den Charakter einer Initiallektüre4 besitzt, hat man den Eindruck, dass Descartes der eigentliche Adam des Sündenfalls sei. „Seit der Zweiteilung der Realität in Geist und Materie durch René Descartes …“5 gebe es das Problem einer dualistischen Wirklichkeitsauffassung, die man auch nicht dadurch bewältigen könne, dass man alles auf die materielle Wirklichkeit reduziere und gemäß einer falschen, aber selbstverständlichen „Alltagswahrnehmung“6 in einem Epiphänomenalismus7 den Geist degradiere und einen weltfernen8 Gott als richtenden „Herrscher auf einen Thron im Himmel setze“9. Der monistische Idealismus behaupte hingegen den Primat des Bewusstseins und sei darüber hinaus in der Lage, die Quantenphysik „frei von Paradoxien“10 zu interpretieren. In seinem Buch über Das bewusste Universum stellt Goswami auch gleich den globalen therapeutischen Nutzen seines Ansatzes heraus: nach den Bezügen auf die nukleare Vernichtungsmöglichkeit der Menschheit, Hungersnöte, Überflussgesellschaften und das Problem der Vereinzelung des Menschen gibt er einen Verweis auf die Lösung: „Wenn ich den materialistischen Realismus ablege, weil er überholt ist, und stattdessen eine Weltanschauung prüfe, wie sie die Quantenphysik zu fordern scheint, könnte ich dann mit der Welt wieder eins werEs müsse der ungute Dualismus zwischen einem materialistischen, konsumorientierten Leben auf der einen und der Pflege einer letztlich bedeutungsarmen, religiösen oder spirituellen Kitschecke auf der anderen Seite aufgehoben werden. Der passende Einstieg in quantenphilosophische Fragen ist für Goswami der Welle-Teilchen-Dualismus. Die in den oben zitierten physikalischen Handbüchern konsequent durchgeführte, erkenntnistheoretisch vorsichtige Bezugnahme auf teilchenartiges beziehungsweise wellenartiges Verhalten spielt für Goswami keine

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Goswami, 2001, 14. Goswami, 2001, 15. Goswami, 2000a, 1. Vgl. Goswami, 2004, 13. Goswami, 2007, 30. Goswami, 1995, 50. Vgl. Goswami, 2007, 37f. Vgl. Goswami, 1997a, 160. Goswami, 2001a, 47. Goswami, 2007, 31, vgl. auch Goswami, 1995, 49. Goswami, 2007, 32.

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Rolle. „Kann ein Objekt materieller Natur wie etwa ein Elektron sowohl Welle als auch Teilchen sein?“1 Diese ‚starke‘ Ontologie wird im Folgenden von Goswami weiter ausgebaut. Wenn wir ein Quantenobjekt messen würden, erscheine es an einer einzelnen Stelle als Teilchen – diese Aussage ist noch physikalischer Natur. Goswami fährt dann allerdings fort und ‚ontologisiert‘ Wellenfunktionen durch metaphorische Redeweise. „Wenn wir es nicht messen, breitet es sich aus und ist gleichzeitig an mehr als einem Ort vorhanden, genauso wie eine Welle oder Wolke“2. Unter Rückgriff auf Heisenbergs Unschärferelation, gemäß der Ort und Bewegung eines Teilchens nicht gleichzeitig gemessen werden können, baut Goswami seine ontologisierte Quantenphysik weiter aus. Jenseits aller physikalischen Fragestellungen stellt er die Frage: „Was macht das Objekt zwischen den Momentaufnahmen? … Wohin wandert das Elektron zwischen den Sprüngen?“3. Die vermöglichte Wirklichkeit des Quantenobjekts in der Wellenfunktion wird von Goswami als transzendente Wirklichkeit gefasst. Aus Möglichkeiten werden reale Wirklichkeiten – ein „transzendenter Wirklichkeitsbereich“4. Das Elektron befinde sich – hier erreicht die Begriffsmetaphorik ihren paradoxalen Höhepunkt – im „transzendenten Wirklichkeitsbereich der Möglichkeit“5. Goswami spricht unter Bezug auf den Welle-Teilchen-Zusammenhang von dem Zusammenspiel einer „transzendenten Überlagerung (Welle) und ihren manifesten Einfach-Aspekten (Teilchen)“6. Aus der Wellenfunktion wird dann eine real existierende „Wahrscheinlichkeitswolke“7. Diese ist für Goswamis exoterischen Leserkreis gut vorstellbar. Deshalb könne man von Quantenobjekten auch als Welltikeln (Welle und Partikel kombiniert) sprechen8. Weil es bei New Age-Autoren geistesgeschichtliche ‚Trampelpfade‘ gibt, die es erlauben differenzierte Autoren entweder auszuklammern oder zu simplifizieren (Musterbeispiel Descartes9), können die eigenen Positionen entsprechend einfach bestimmt werden. Die Komplexität erkenntnistheoretischer Fragestellungen geht dabei unter. Neben dem auf Descartes zurückgeführten Dualismus grenzt sich Goswami auch noch von einem materialistischen Realismus ab. Den großen Vorzug seines monistischen Idealismus sieht er unter

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Goswami, 2007, 54, Hervorhebung L.H. und vgl. auch 99. Hier ändert Goswami auch in diesem späteren Buch nichts. Vgl. die nahezu gleich lautende Formulierung in Goswami, 2001, 47. Goswami, 2007, 66. Goswami, 2007, 86. Goswami, 2007, 87. Goswami, 2007, 87. Diese starke Ontologie macht Goswami sogar zum Thema in seinem für den esoterischen Expertenkreis geschriebenen Physikhandbuch (Goswami, 1995, 534 und 539). Goswami, 2007, 209. Goswami, 2007, 223. Vgl. Goswami, 2007, 67. Vgl. dazu als besonders pointiert: Goswami, 2000, 341f.

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anderem darin, dass dieser nicht wie der materialistische Realismus „jedes Mal in Verlegenheit (komme, L.H.), wenn die Frage auftaucht, wie die Quantenrealität beschaffen ist. … Sobald wir danach fragen, ob es außer der materiellen Realität eine andere Art von Wirklichkeit gibt, sieht sich der materialistische Realismus in die Enge getrieben“1. Das thetawissenschaftliche Denken feiert hier seine triumphalistische Erkenntnistheorie.

Mit der Bindung des Welltikel-Quantenobjekts an einen Beobachter breche jeder materialistische Realismus zusammen, so Goswami. Entsprechend lautet eine seiner Kapitelüberschriften Science discovers Transcendence2: Subjekt und Objekt würden untrennbar miteinander verbunden und verwiesen deshalb auf eine Philosophie des monistischen Idealismus, die die Teilbereiche der materiellen und der geistigen Sphären3 durch den Gedanken an eine „transzendente, archetypische Ideenwelt … aus der die materiellen und geistigen Phänomene hervorgehen“4 miteinander verbinde. Als Belege aus der philosophischen religiösen Tradition werden dann Platon, das Symbol von Yin und Yang, hinduistische und buddhistische Begriffe und die jüdische Kabbalah herangezogen. Für den christlichen Bereich wird der pseudepigraphisch schreibende Pseudo-Dionysius Areopagita (Anfang 6. Jahrhundert n. Chr.) herangezogen, der lange Zeit unter Rückbezug auf Apg 17,34 als Schüler des Apostels Paulus geführt wurde. Als solchen sieht auch Goswami Pseudo-Dionysius an5. Viele Belege zusammenfassend kommt Goswami zu der kategorischen Aussage: „Die Mystik erbringt einen empirischen Beweis für den monistischen Idealismus“6. Wie schon weiter oben – etwa bei Peter Russell – zu beobachten war, werden mystische Erlebnisse im thetawissenschaftlichen New Age-Denken unkritisch als eindeutig sachhaltig betrachtet. An anderer Stelle schreibt er: „… wir können experimentell entscheiden, was metaphysisch wahr ist“7. Für den monistischen Idealismus sei das subjektive Bewusstsein die Erscheinungsform des einen Bewusstseins8, das allem Seienden zugrunde liege9. Die Mystiker der unterschiedlichen Kulturkreise hätten die Einheit des subjektiven und des einen Bewusstseins real erfahren. Weil die persönliche Wahrheitssuche nicht jedermanns Sache sei, gebe es die exoterischen10 Religionen. Unabhängig davon, ob sie eine Gottesvorstellung hätten oder nicht, hätten alle Religionen drei grundlegende Gemeinsamkeiten. Sie gingen erstens davon aus, dass wir unser Leben

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Goswami, 2007, 180. Goswami, 1995, 60. Vgl. Goswami, 2007, 74. Goswami, 2007, 74. Vgl. Goswami, 2007, 76. Goswami, 2007, 76. Goswami, 2001, 15. Vgl. Goswami, 1995a, 139. Vgl. Goswami, 2007, 77. Vgl. Goswami, 2007, 83.

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grundlegend verändern müssten, versprächen dazu zweitens, dass sie den richtigen Weg gefunden hätten und dieser Weg sei drittens der Bezug zu der entsprechenden konkreten Religion. Gut und Böse, Himmel und Hölle und andere Gegensätze beherrschten die Religionen. Monistische Vorstellungen würden zu Gunsten eines immer krasseren Dualismus zurückgedrängt. Die Erkenntnis, dass der Beobachter den Zusammenbruch der Wellenfunktion herbeiführe, leite zu der weitergehenden Erkenntnis über, „daß wir entscheiden, welches Ergebnis zu Stande kommt“1. Mit dieser Aussage beginnt bei Goswami schrittweise der Weg in eine Anthropologie, an deren Ende Göttermenschen stehen, die sich primär aus thetawissenschaftlich ausgerichteten Physikern zusammensetzen, die sogar zu großen medizinischen Leistungen fähig und zum Quantum Doctor2 werden könnten. Am Horizont taucht dann noch sogar eine Weltregierung auf, wie sie etwa in den Visionen der Transzendentalen Meditation entworfen wird. Der Zusammenbruch der Wellenfunktion wird gebunden an einen ‚Beobachter‘ und an eine ‚Entscheidung‘. Was das heißt, muss genauer spezifiziert werden. Es wird sich herausstellen, dass Goswamis Ausführungen ein Musterbeispiel für einen persuasiven Begriffsgebrauch darstellen. Halten wir zunächst einmal fest, dass in der Quantenphysik der Beobachter nicht einfach als hinsehender Mensch und darüber hinaus gar als dieses konkrete Individuum mit seiner auf die Messsituation wirkenden, speziellen psychischen und geistigen Disposition verstanden wird. Messen und Beobachten sind hier gleichbedeutend. Heisenberg sagt dazu: „Natürlich darf man die Einführung des Beobachters nicht dahin mißverstehen, daß etwa subjektivistische Züge in die Naturbeschreibung gebracht werden sollten. Der Beobachter hat vielmehr nur die Funktion, Entscheidungen, d.h. Vorgänge in Raum und Zeit, zu registrieren, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beobachter ein Apparat oder ein Lebewesen ist“3.

Es ist ein Indikator für eine Argumentationsstrategie, wenn die Messung von Goswami terminologisch immer als Beobachtung beziehungsweise Beobachter gefasst wird. Der erste Schritt im persuasiven Begriffsgebrauch Goswamis besteht nun darin, dass er den Beobachter vermenschlicht. Der „monistische Idealismus“ gehe „davon aus, daß Objekte bereits im Bewußtsein als primordiale, transzendente, archetypische Möglichkeiten ausgeformt sind. Der Kollaps hat nichts damit zu tun, daß mit den Objekten etwas passiert,

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Goswami, 2007, 106. Vgl. Goswami, 2004. Heisenberg, 1959, 128, Hervorhebungen L.H. (auf dieses Zitat macht Lambeck, http://www.religio.de/dialog/295/295s51.html, aufmerksam).

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weil wir beobachten, sondern weil wir uns für etwas entscheiden und in der Folge dann auch erkennen“1. Goswami weist zwar zunächst darauf hin, dass der menschliche Beobachter in der Quantenphysik jenseits von Individualität betrachtet wird. „Schwache Objektivität bedeutet also nicht, daß sich ein und dasselbe Ereignis verschiedenen Beobachtern anders darstellt; gleich wer der Beobachter ist, das Ereignis bleibt ein und dasselbe“2. Damit physikalische Messvorgänge gedacht werden können, ist diese Prämisse unhintergehbar. Für den Leser zeigt sich am Horizont aber schon die interessante Frage, was geschehen wird, wenn – wie im bisher kennen gelernten thetawissenschaftlichen Denken üblich – Physik als Einheitswissenschaft gedacht wird und auch zur grundlegenden Erklärungsperspektive für geisteswissenschaftliche Bereiche und damit die Methode werden soll, um individuelles Handeln zu erfassen. Selbstbewusst schreibt Goswami über die kulturgeschichtliche Bedeutung seines monistischen Idealismus: „Im Laufe der Geschichte der Physik ist es bislang so gewesen, daß sie mit jedem neuen Durchbruch ihren Zuständigkeitsbereich vergrößert hat. Wie ich meine, können die Quantenmechanik und die Philosophie des Idealismus zusammen die Grundlage für eine idealistische Wissenschaft bilden, mit der wir in der Lage sind, das Problem von Geist und Körper und die damit verbundenen Paradoxien zu lösen, die uns seit Jahrtausenden vor etliche Rätsel gestellt haben“3.

Mit der Vermenschlichung des für einen Wellenkollaps notwendigen Beobachters als der – terminologisch von Goswami so gefasste – Gehirn-Geist4 taucht im nächsten Schritt der Gedanke einer individuellen Wahl auf. Schon seine Ausweitung des Begriffs der heisenbergschen Unschärfebeziehungen ins Metaphorische individualisiert den Beobachter. Das Individuum wird als Gehirn-Geist aufgefasst, das man als „Quantensystem und Messapparat“5 verstehen müsse. Weil Goswami Möglichkeit als eine Art von ‚transzendenter Wirklichkeit‘ auffasst, wird für ihn Beobachtung gleichsam zu einem Entscheidungsakt für das Überführen einer Wirklichkeit aus dem ‚Wirklichkeitsbereich des Möglichen‘ in den ‚Wirklichkeitsbereich des wirklich Wirklichen‘. Schon weiter oben habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass das Mögliche hier ontologisiert wird. Durch den Akt einer Wahl6 lege „jede Beobachtung einen kausalen Pfad in dem Gewebe der Möglichkeiten im transzendenten Bereich der Realität“7 an.

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Goswami, 2007, 115. Goswami, 2007, 113. Goswami, 2007, 188. Vgl. Goswami, 2007, 217. Goswami, 2007, 217. Vgl. Goswami, 2007, 182 u.ö. Goswami, 2007, 182.

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Wer wählt? Aufgrund der physikalistischen Perspektive ist für Goswami eine individuelle Wahl ausgeschlossen. Weil Messungen prinzipiell überall und von jedem durchgeführt werden können, hat Goswami den Beobachter überindividuell gefasst. Der individuelle beziehungsweise scheinbar individuelle Gehirn-Geist als „individuelle(s) Ego“1 sei das Ausführungsorgan eines allgemeinen „nichtlokale(n), integrative(n) Bewusstsein(s)“2. Dieses löse den „Kollaps der Wahrscheinlichkeitswolke eines Quantensystems“3 aus. Auf diese Weise kann Goswami Goswami in seinem monistischen Idealismus Subjektivität und Objektivität des Geschehens miteinander vermitteln. Im dritten Schritt dieser begrifflichen Rekonstruktion erscheint jetzt der unbewusste Evolutionsgott am Horizont. „Wie gesagt, der Gehirn-Geist ist sowohl ein Quanten- als auch ein klassisches Meßsystem. Als ein solches Zweiersystem ist er einzigartig: In ihm geht nämlich die Selbstbezüglichkeit des ganzen Universums vonstatten. Durch uns ist sich das Universum seiner selbst bewußt. In uns teilt sich das Universum selbst – in Subjekt und Objekt“4. Zugleich stellt sich mit dieser ‚Universalisierung‘ von Erkenntnisprozessen die Frage nach der individuellen Freiheit. Das individuelle Ich sei nur der Schein. Es sei nur ein „scheinbares Agens für den freien Willen dieses kosmischen ‚Ich‘“5. Mit dieser Spannung von überindividuellem und individuellem ‚Ich‘ ergibt sich als vierter Schritt die Frage, ob wir Menschen dazu verurteilt sind, Körpermarionetten eines nichtlokalen und universalen Bewusstseins zu sein. Schon oben fanden wir eine Denkfigur, die der antiken Logos-Sarx-Christologie entspricht, nach der der zwischen dem unbewegt bewegenden fernen Gott und der gefallenen Schöpfung vermittelnde Logos in eine Art von ‚Körpermarionette‘ fährt. Traditionell kennen weiterhin gnostische/esoterische Standpunkte die Trennung in Wissende, die realer transzendenter Erfahrungen mächtig seien und Nichtwissende. Dies ist – wie sich jetzt zeigen wird – auch bei Goswami der Fall. Fragen wir zunächst nach den „transzendenten“ bzw. „direkten transzendentalen Erfahrungen“6, von denen Goswami spricht. Er verwendet dabei beide Termini in gleicher Bedeutung. In traditioneller philosophischer Sprache muss hier von transzendenten und nicht von transzendentalen Erfahrungen geredet werden. Aber dies soll hier kein Thema sein. Anmerken will ich nur, dass ich im Folgenden meine Begrifflichkeit verwende und von ‚transzendenten Erfahrungen‘ bei Goswami rede.

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Goswami, 2007, 240. Goswami, 2007, 223. Goswami, 2007, 223. Goswami, 2007, 240; Hervorhebungen durch Goswami. Goswami, 2007, 243. Goswami, 2007, 245.

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Die Art und Weise, wie Goswami seine Psychologie realer transzendenter Erfahrungen angeht, ist wieder ein Musterbeispiel für die Verwendung persuasiver Begriffe. Zunächst einmal muss durch Goswami geklärt werden, ob die Quantenphysik auch im Bereich der Psychologie prinzipiell mitreden kann. Dazu dient ihm unter anderem der Bezug auf die Unschärferelation. Die Rede von der Unschärferelation stammt aus der Teilchenphysik und führt deshalb das Image äußerster empirisch gesättigter und objektiver Wissenschaftlichkeit mit sich. Die Anmutungsqualität des Objektiven und Wissenschaftlichen wird beibehalten, der Anwendungsbereich für die Rede über eine ‚Unschärferelation‘ wird verändert. „Gibt es denn überhaupt einen Anhaltspunkt dafür, daß sich die Ideen der Quantenmechanik auf den Gehirn-Geist übertragen lassen? Es scheint so zumindest unter gewissen Umständen. … Konzentrieren wir uns nämlich auf den Inhalt eines Gedankens, verlieren wir die Richtung aus dem Auge, in die der Gedanke wandert. Konzentrieren wir uns jedoch auf die Richtung eines Gedankens, sehen wir seinen Inhalt weniger genau. Wir brauchen nur einmal unsere Gedanken zu beobachten, um das festzustellen“1. Nach weiteren Betrachtungen über die Psychologie im Kontext der Entdeckung des Quanten-Geistes wendet sich Goswami den besagten direkten transzendenten Erfahrungen zu. Goswami geht davon aus, dass es ein „Wählen“2 gebe, welches ein „diskontinuierlicher Akt im transzendenten Bereich“ sei, der durch unser „nichtlokale(s) Bewußtsein“ erfolge. Dieses Handeln bringe den „Quantenzustand das Zweiersystems in seiner Gänze zum Zusammenbruch; die Folge ist die unmittelbare Trennung von Subjekt und Objekt“. Auf diese Weise entstehe das „Selbst unserer Selbstbezüglichkeit“, welches das „ursprüngliche“, wählende Bewusstsein vergessen habe. Beide zusammen bildeten das „Selbst-Bewußtsein“. Goswami formuliert es jetzt ganz drastisch: Das „getrennte Selbst hat keinen freien Willen, abgesehen von dem des Quanten-Selbst, also letztendlich dem des umfassenden Bewußtseins“3. Es scheint so zu sein, dass es schwer ist, sich hier in die Ruhe des von jedem Lebensdurst befreiten Gurus zu begeben und sich damit abzufinden, dass es weder Welt noch Nicht-Welt, weder Ich noch Nicht-Ich, weder Gott noch Nicht-Gott usw. gebe. Wer einen thetawissenschaftlichen Anspruch besitzt und mit seinem monistischen Idealismus konkreten Subjekten eine Perspektive weisen will, der empfindet die individuell erfahrbaren „direkten transzendentalen Erfahrungen“4 als „Erfahrungen des transpersonalen Selbst“5. Goswami führt etwa1 das Hellse1 2 3 4 5

Goswami, 2007, 209, vgl. auch Goswami, 1995, 162. Goswami, 2007, 237. Alle Zitate dieses Absatzes beziehen sich auf diese Seite. Goswami, 2007, 246. Goswami, 2007, 245. Goswami, 2007, 255.

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hen, außerkörperliche Erfahrungen, Meditation, Nahtoderlebnisse, Visionen auf dem Totenbett, Reinkarnationen und die Erfahrung eines schnellen Rückblicks auf das ganze Leben in Todesangstsituationen2 oder auch Mozarts früh sich zeigende geniale Anlage zur Musik3 an. Der zweite Gesichtspunkt betrifft die Aufteilung der Menschheit in wissende Mystiker und Nichtwissende. Am Ende seines Buches über Das bewusste Universum schlägt Goswami noch einmal einen weiten Rahmen4. Unter Rückgriff auf den im ersten Band besprochenen Joseph Campbell (1904-1987) der mit seinem Heros in tausend Gestalten (1949) ein wirkungsträchtiges Werk verfasst hat, stellt er zunächst mit Prometheus, Gautama Buddha und Mose einige mystische Helden der Vorzeit vor. Er skizziert dann den Niedergang des mystischen Bewusstseins in der dualistischen und materialistischen Neuzeit und benennt dann als den Wendepunkt zum Guten die Quantenphysik. Mit dem Aufhören der Bedeutung der „alten Separatisten“5 breche nun eine neue Zeit an. „Die Rückkehr des Helden ist in vollem Gange“ schreibt Goswami und fährt dann im nächsten Satz fort: „Aber das ist den wenigsten deutlich …“6. Doch gebe es heute die sanfte Verschwörung von der Marilyn Ferguson geschrieben habe. Gegenüber einer „post-modern malaise and angst“7 entwirft Goswami die Vision eines Trans-Modernism8 der auf dem Modell seines monistischen Idealismus begründet ist. Offen lässt es Goswami, wie mit denen umzugehen sei, die zu den Nichtwissenden, also zu den Menschen ohne direkte transzendente Erfahrung gehören. In seiner Anthropologie haben diese an ihr dualistisch verfasstes Ich gebundenen Menschen keinen eigenen Willen, weil sie sich nicht persönlich an die transzendente Sphäre ankoppeln können. Die politischen Konsequenzen einer solchen ‚transzendent meditierenden‘ Weltregierung wären letztlich wohl die eines ‚Quantengurufaschismus‘. Goswami beruft sich in der dem thetawissenschaftlichen New Age-Denken eigentümlichen Weise auf unzählige Gewährsleute in unzähligen Kulturen. Da er aus dem indischen Kulturraum kommt und darauf hinweist, dass sein Vater ein Guru gewesen sei, sind hier einige Hinweise auf die Lehre vom Brahma und bud1

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Vgl. im Folgenden: Goswami, 2007, 170-177, 255f, 301-305, 260 u. ö. und Goswami, 2000, 138. Manche Nahtoderfahrungen liefern Indizien, dass sich das Bewusstsein nicht nur auf den Bereich des Gehirns beziehen könnte. Eine weitergehende metaphysische Interpretation (Es gibt eine Seele/ Was nach dem Tode sei) oder eine Interpretation von einer „Quantentheorie des Selbst-Bewusstseins“ (Goswami, 2007, 254) her hat kein empirisches Fundament (zu den heute möglichen sinnvollen Aussagen vgl. Goller, 2011, 32f gestützt vor allem auf Sabom, 1998). Vgl. Goswami, 2001a, 83 und 90. Vgl. Goswami, 2007, 334-337. Goswami, 2007, 336. Goswami, 2007, 335. Goswami, 2001, 311. Vgl. Goswami, 2001, 311.

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dhistische Traditionen sinnvoll, bevor wir auf die ‚praktischen‘ Auswirkungen seiner Quanten-Neomythologie eingehen. Der berühmte Sanskritsatz tat twam asi (Du bist dies) beschließt in sich die grundlegende Behauptung, dass „jedes Einzelwesen in seinem Kern mit dem Allwesen eines ist“1. Das Âtman, ursprünglich als Atem zu verstehen, wird in der spätvedischen Religion immer mehr zur grundlegenden geistigen Lebenskraft und zum letzten Prinzip des Universums. Damit ergebe sich auch, dass das Wesen des Universums Geist sei, der jenseits des abendländischen Gegensatzes von Geist und Materie zu verstehen sei. Im hinduistischen Bereich gibt es sowohl Schulen, die das Erlösungsideal im Aufgehen des individuellen Selbst in das Allselbst sehen, als auch Schulen, die von einem individuellen Fortleben in den Brahmawelten reden. Das Brahma kann dabei persönlich oder unpersönlich vorgestellt werden. Die spezifische Stofflichkeit der letzten Prinzipien des Universums kann dabei auch bewusst ausgeblendet werden, um philosophischer Abstraktion Platz zu lassen. Mit dem Buddhismus taucht im indischen Kulturraum eine radikale Position auf, die den damals verbreiteten Wiedergeburtsglauben in ein neues Licht rückt. Für viele scheint in dieser Zeit Wiedergeburt prinzipiell ein Hoffnungselement zu enthalten. Zwar könne man „in einer heilen Welt, als Dämon, als Tier und unter gewissen Umständen auch als Mensch durchaus leidvoll“2 wiedergeboren werden, doch könne man sich auch als Mensch unter besten Lebensbedingungen oder gar als ein Gott in einer Himmelswelt wiederfinden. Für den Buddhisten ist hingegen Wiedergeburt immer eine Lebensperspektive, die durch Leiden, durch Lebensdurst (dukkha) hervorgerufen und bestimmt ist. Im Lied der Sumedha des Therigata3 wird diese Haltung deutlich: „In Götterwelt, in Menschenwelt, Im Tierreich, im Gespensterreich, Im Geisterkreis, im Höllenkreis Ist Pein um Pein unendlich uns gewiß! … Der Weltbeherrscher Mandhātā4, Genossen hat er höchste Lust; Doch ungesättigt starb auch er: Sein Sehnen, das war nicht gestillt. Ja, regnet‘ es Juwelen jeder Art Von allen Seiten reich herab:

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Glasenapp, 1943, 115. Schmidt-Leukel, 1992, 468. Auf diese Stelle macht Schmidt-Leukel, 1992, 470 aufmerksam. Die Texte entnehme ich: http://www.palikanon.com/khuddaka/thera/theri99.html. Es sind die Texte Nr. 475 und 486f. Eine mythische Königsfigur.

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Die Sehnsucht wär‘ gesättigt nie, Die Menschen stürben ungestillt“.

Das Nirvanische ereignet sich als „spontane(s) Erwachen zu der Wirklichkeit, die jedem menschlichen Bemühen und Erfahren voraus liegt, denn sie ist die Wurzel jeder Aktivität, auch jeder Bemühung und Erfahrung“1. Nirvana ist „Verwehen des Ich“2, das dann möglich ist, wenn der vertraute alltägliche „Wirklichkeitsbegriff“3 sich auflöst. Diese ‚Lehre von der Leere‘ zielt Goswami nicht an. Goswami bedient hingegen den Lebensdurst. Das „supramentale Bewusstsein“, so schreibt er unter physikalistisch vereinfachendem Rückgriff auf Sri Aurobindo Ghoses (1872-1950) Philosophie, führt in die Liga der neomythischen Göttermenschen hinein. „Ein befreites Wesen kann, wenn Gott es will, supramental auf eine Weise handeln, die wir als Wunder bezeichnen. Immer in Harmonie mit dem Willen des Ganzen kann ein solches Wesen einen materiellen Körper erschaffen, um sich nach Bedarf in ihm zu verkörpern, es kann, je nach den Umständen, Unsterblichkeit – sowohl im Körper als auch außerhalb – wählen, das kann in klarer Verletzung empirischer Gesetzmäßigkeiten schweben“4. Der scientologische Thetanentraum blitzt auf. Der Gottesbegriff Goswamis schillert je nach seinem Argumentationsinteresse zwischen verschiedenen Bedeutungen. Manchmal scheint das Quantenselbst als unbewusster Evolutionsgott, als das „creative principle that we call consiousness“5 gefasst zu werden, manchmal wird Gott als intelligenter Designer verstanden. Gott ist dann ein „schöpferischer Designer, der die Evolution durch Quantensprünge“6 gestaltet. Gottes Methode wird dabei als „downward causation“7 bestimmt. An anderer Stelle wird ein solcher Gottesbegriff abgelehnt8. Goswami beruft sich immer wieder auf Sri Aurobindo, an dessen Modell er sich von einer allerdings andersartigen Perspektive hier anlehnt. Formal könnte sich Goswami, wenn es um den Anfangspunkt des Aufstiegs in neue Existenzformen geht, durchaus Aurobindos Ansatz zugehörig fühlen, doch kann der Leser in Aurobindos Schriften eine andere Grundhaltung erkennen9. Der Aufstieg beginnt nach Aurobindo mit einem Umkehrerlebnis. Der Mensch muss sich in seiner Zusammengekrümmtheit erkennen und bemerken, dass er seiner egoistischen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Brück, 2015, 11. Brück, 2015, 11. Brück, 2015, 11. Goswami, 2000, 258. Goswami, 1997a, 61. Goswami, 2008, 115. Goswami, 2008, 15. Vgl. Goswami, 2000, 338f. Huchzermeyers (1986) Untersuchung über den Übermenschen bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo kommt leider weitgehend ohne Auseinandersetzung mit relevanter Literatur aus und lässt jedes Gespür für die komplexe Metaphysik der Modernität, die Nietzsches Begriff vom Übermenschen zu Grunde liegt, vermissen.

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Wunschseele ausgeliefert war. Goswami verweist an vielen Stellen auf die katastrophalen Lebensbedingungen auf unserem Planeten, die Lebenshaltung des Einzelnen in seiner persönlichen Zusammengekrümmtheit verschwindet angesichts der globalen Perspektive aus dem Blick. Wenn das Individuum Thema ist, dann geht es primär um seine möglichen Selbstverwirklichungs- und Heilungswünsche, also um die Wunschseele. Der Aufstieg aus dem alltäglichen Mind, über den Overmind hin zum Supramental1 geschieht auf der einen Seite als Entscheidung zur Umkehr aus seinem zusammengekrümmten Sein und auf der anderen Seite als nicht erzeugbares Einbrechen eines kosmischen Bewusstseins. Auf einer formelleren Ebene passen die Bestimmungen dessen was der Overmind an Perspektiven eröffne zur Konzeption von Goswami hinsichtlich seiner supramentalen Quantenwirklichkeit. Bei Goswami steht allerdings der Gesichtspunkt der persönlichen Nutzung im Vordergrund, mit Aurobindo gesprochen, Goswami zielt das supramentale Bewusstsein aus Gründen der Wunschseele an. Aurobindo wahrt in höherem Maße den Transzendenzcharakter des Supramental. „Der Übergang zum Supramental durch das Übermental hindurch ist ein Fortgehen aus der Natur, wie wir sie kennen, hin zur Über-Natur. Gerade wegen dieser Tatsache ist es für jedes Bemühen des bloßen Mentals unmöglich, das zu leisten. Ohne Hilfe kann unser persönliches Streben und Bemühen das nicht erreichen. … Damit die involvierten Prinzipien von Übermental und Supramental aus ihrer geheimen Schwerhörigkeit hervortreten können, müssen Wesen und Mächte der Überbewusstheit in uns herabkommen, uns emporheben“2. Weiterhin sei es möglich, an seine vorgeburtlichen Erinnerungen beziehungsweise an die Erinnerungen an Reinkarnationen zu gelangen, weil die „überlebende Quantenmonade“3 im nichtlokalen Bewusstsein ihre Erinnerungen zur Verfügung habe und man unter bestimmten Umständen auf diese zurückgreifen könne. So deutlich ist Lebensdurst selten artikuliert worden. Ich muss im Hinblick auf die drei Bände der Kritik der neomythischen Vernunft schon auf die Definition des Thetanen durch Scientology zurückgreifen, in der festgestellt wird, dass der Thetan Herr über Raum, Zeit, Energie und Materie sei und sowohl körperlich als auch außerkörperlich existieren könne4. Die supramentale Kreativität sei jenseits der Maßstäbe aller Wissenschaften, die wir gewöhnt seien, und sie sei in der Lage „wie bei richtigen Wundern creating at will from nothing“5. Die „neue Wissenschaft“1 Goswamis, welche sich in wunderbaren Dimensionen jenseits der traditionellen Wissenschaften bewegen will, scheint vielverspre-

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Vgl. dazu die knappe Darstellung bei Wolff, 1967, 111-139. Aurobindo, 1991, Bd. 2/Teil 2, 335f. Goswami, 2000, 137. Vgl. dazu Goswami, 2000a, 137 und zum Reinkarnationsthema: Goswami, 2001a, 64-69 und 144. Goswami, 2000, 258. Hier übersetze ich nur teilweise um der Authentizität des Textes willen.

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chend und lässt sich sogar wie ein alter Katechismus (so heißt ein Kapitel: Questions and Answers) lernen. Goswami wird 2004 zum Quantum Doctor. Das Buch, das er in diesem Jahr publiziert, trägt den Untertitel A Physicist‘s Guide to Health and Healing.

b.

Never fear, the Quantum Doctor Is Here

Weiter oben wurde schon festgestellt, dass Goswami Möglichkeit als eine Art von transzendenter Wirklichkeit auffasst. Möglichkeit wird in dieser Art von Quantenphilosophie als übergreifende, universale Wirkmächtigkeit gefasst. Physikalische Beobachtung und Erkenntnis im allgemeinen wird dadurch von ihm als überindividueller, doch subjektiver Entscheidungsakt für das Überführen einer Wirklichkeit aus dem ‚Wirklichkeitsbereich des Möglichen‘ in den ‚Wirklichkeitsbereich des wirklich Wirklichen‘ begriffen. In der Logik des neomythischen Denkens liegt es, den überindividuellen Gesichtspunkt schrittweise abzubauen um die Ebene individueller Einflussnahme auf die Subquantenwirklichkeit vorstellbar zu machen. Uns interessiert in diesem Kontext als aktuelle Richtung neomythischer Fantasien der Bereich der so genannten Quantenheilung. Vor allem in seinem Buch The Quantum Doctor. A Physicist‘s Guide to Health and Healing (20041) beschäftigt sich Goswami mit diesem Thema. Ansatzpunkt ist für ihn sein monistischer Idealismus, der weder den Geist über den Körper stellt, noch den Geist individualisierend beziehungsweise materialistisch deutet. Das übergreifende Bewusstsein der Quantensphäre hält nach Goswami in seinem Mächtigkeitsraum die Möglichkeit für das individuelle Bewusstsein parat, die gesunde beziehungsweise gesund machende und nicht die kranke beziehungsweise krankmachende Existenzsituation aufzunehmen2. „Das nennt man mind-body healing“3. Prinzipiell sei es möglich, durch gezielte Quantensprünge Krebs sogar „innerhalb von Stunden“4 zu heilen. Goswami weist am Anfang seines Buches darauf hin, dass er seine Untersuchung als Quantenphysiker und Theoretiker und nicht als ärztlicher Praktiker schreibe. Er sehe aber die Zeit gekommen, dass man sich mit Medizin in quantenphysikalischer Perspektive beschäftigen müsse. Die Medizin sei dann eine Anwendung des new paradigm of science5, welches auf der Voraussetzung eines monistischen Idealismus beruhe. Des Weiteren führt Goswami auch noch das Argument an, dass die Medizin wie keine andere Wissenschaft dringend ganzheitlich werden müsse. 1 2 3 4 5

Goswami, 2000, 258. Vgl. dazu Goswami, 2004, 169. Goswami, 2004, 169. Goswami, 2008, 245. Vgl. Goswami, 2004, IX.

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In diesem Zusammenhang der Einleitung ruft Goswami dann auch als Kapitelüberschrift aus: Never fear, the Quantum Doctor Is Here1. Als Quantenmediziner bezeichnet Goswami einen Arzt, der erstens die Grenzen des klassischen, auf Newton zurückgehenden wissenschaftlichen Weltbildes kenne, zweitens seinen world-view2 aus der Quantenphysik beziehe und zum dritten die message of quantum physics3 in seine medizinische Alltagspraxis integriere. Deutlich schreibt Goswami, dass der allopathische Mediziner, der machine medicine4 verwende, sich und den Patienten als self-avowed machines5 betrachte. In Notfallsituationen sei es sinnvoll, eine solche medizinische Methode anzuwenden. Doch dann würden ihre Grenzen schnell sichtbar. Weiter sei die klassische Medizin einsetzbar im Kontext diagnostischer Leistungen6; eine Auffassung Goswamis, die eigentlich gegen jede Betrachtungsweise nach dem Maßstab des neuen holistischen Paradigmas steht. Ein Quantenmediziner hingegen verstehe seine Patienten als Menschen. Goswami steht auch den ‚psychosomatischen‘ Ansätzen der mind-body medicine7 kritisch gegenüber, weil diese Position die Wirkmächtigkeit der überindividuellen Wahrscheinlichkeitswolke nicht in Betracht ziehe. Eine Krankheit trete vielmehr auf vielfältige Weise bei einem Menschen in Erscheinung. Auf der körperlichen Ebene durch Symptome, durch ein sich Krankfühlen auf der Ebene der Vitalität, durch mangelndes Begreifen auf der Ebene seiner Verstandestätigkeit und durch ein Bewusstsein der Trennung vom Glück (und der Quantensphäre)8. Heilung bedeute dann Wiederherstellung der Ganzheit9. Gegenüber Zweifeln an der Praktikabilität der Quantenheilung kann Goswami dann die These aufstellen: „Medizin innerhalb des quantum consciousness ist ein Ausläufer eines allgemeinen Aufbruchs, eines authentischen Paradigmenwechsels, dessen Reichweite viel größer ist als die kopernikanische Wende, der sich heute in allen Wissenschaften ereignet, eingeschlossen die Physik, Chemie, die Biologie und die Psychologie“10. Goswami bezieht sich im Hinblick auf seine quantenmedizinischen Untersuchungen auf zweifelhafte Vorgänger. Als frühester Beleg dient ihm Larry Dosseys Space, Time & Medicine (1982), der schon damals über die Bedeutung der Nicht-Lokalität bei Heilungsprozes-

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Goswami, 2004, 3. Vgl. Goswami, 2004, 3 vgl. auch 24. Vgl. Goswami, 2004, 3. Vgl. Goswami, 2004, 4 vgl. auch 81f. Vgl. Goswami, 2004, 4 vgl. auch 90. Vgl. Goswami, 2004, 85. Vgl. Goswami, 2004, 7 und vgl. auch 180. Vgl. Goswami, 2004, 49. Vgl. Goswami, 2004, 50. Goswami, 2004, 6.

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sen gesprochen habe1. Der Arzt Randolph Byrd habe zwischen August 1982 und Mai 1983 unter 393 im SAN FRANCISCO GENERAL HOSPITAL CCU stationären, koronar Herzkranken 192 nach einem Zufallsverfahren ausgewählt, für die er zum jüdisch-christlichen Gott durch us-amerikanische Fernheiler beten ließ. Patienten wie Ärzte und beteiligte Wissenschaftler hätten nicht gewusst, für wen gebetet wurde. Bei den Patienten, für die Gebete gesprochen worden seien, seien wesentlich weniger Komplikationen aufgetreten2. Andrew Thomas Weil (*1942), ein wegen illegaler Drogenabgabe belangter Autor3, wird neben dem später zu besprechenden Deepak Chopra ebenfalls aufgrund seines Buches über Health and Healing (1983) als Gewährsmann herangezogen.

Wenn man die Wohltaten der Quantenphysik für die Medizin aufzähle, so erhält man nach Goswami unter anderem folgende – durch ihn in diesem Buch belegte – medizinische Quantensprünge4: die Quantenphysik sei in der Lage, sämtliche medizinischen Schulstreitigkeiten zu beheben, sie könne eine sinnvolle Klassifikation von Krankheit und Heilung aufstellen, sie ermögliche uns nach entsprechendem Training ein willkürliches Kollabierenlassen der Wahrscheinlichkeitswolke nach entsprechender Wahl krank oder gesund zu sein, Grenzfälle und Anomalien des medizinischen Lebens wie etwa Spontanheilungen würden erklärbar, weiterhin versöhne sie den westlichen und den östlichen Weg der Medizin uvm. Im Hinblick auf die anfänglich aufgestellte Behauptung einer gigantischen Lebensrevolution ist Goswami gegen Ende seines Buches vorsichtiger. Die Frage, ob die große Evolution der Menschheit vor der Tür stehe, sei die Million-DollarFrage5. Abschließend stellt sich im Hinblick auf die neomythischen Interessenlagen seiner Leser für Goswami dann die Frage nach innerweltlicher Unsterblichkeit. Dieses Problem ist seinen Prämissen gemäß ein brisanter Punkt, da für ihn das große Reservoir eines eigentlichen Lebens das überindividuelle Bewusstsein und nicht das Individuum darstellt. Unter den kleinen Trostworten und Ausblicken, die er findet, tritt er in einen ihm eher fremden Themenbereich, der später behandelt werden wird, wenn wir uns der Kosmologie zugewendet haben. In der letzten Zeit sei es zu einer Zunahme von Ufo-Sichtungen gekommen und – wie er anderen Ortes schreibt – UFO-Mitreisen6. „Einige dieser Besucher seien low-level beings, die negativ und krank wie wir sind und uns nicht interessieren (!). Aber einige der Besucher seien

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Vgl. Goswami, 2004, 57. Vgl. Goswami, 2004, 57. Vgl. dazu Byrd, 1988, das Abstract dazu in: http://www.iwriteiam.nl/D960916-prayer.html und kritisch dazu der Beitrag von Posner, http://www.infidels.org/library/modern/gary_posner/godccu.html Vgl. dazu sein Buch The Natural Mind: An Investigation of Drugs and the Higher Consciousness (1972). Vgl. Goswami, 2004, 77f. Vgl. Goswami, 2004, 279. Vgl. Goswami, 2001a, 239 und 245.

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strahlenförmige Wesen mit übernatürlichen Kräften aus einer supramental Zivilisation. Nun warum sollten uns diese Leute aus einem anderen Grund besuchen als aus dem, dass wir bereit sind für den Evolutionssprung auf ihren Level“1. Goswami, der Professor für theoretische Physik steht mit seinem Interesse an Quantenheilung nicht allein. Auf der Sachbuchebene und der Ebene von im Internet dokumentierten Heiler-Klienten-Verhältnissen liest sich Quantenmedizin noch ganz anders.

V. Quantentherapien: Die Ebene der Geschäftsleute und Klienten 1.

Neomythische Therapie geht vor Theorie: Wissenschaftlichkeitsansprüche der Szene

Fassen wir die Schritte, die wir in diesem ersten Kapitel über neomythische Interpretationen der Quantenphysik zurückgelegt haben, noch einmal zusammen. Zunächst wurden einige Gesichtspunkte der Quantenphysik im Ausgang von physikalischen Handbüchern vorgestellt und sodann nach möglichen metaphysischen Anknüpfungspunkten gefragt. Diese metaphysischen Absprungpunkte wurden im Hinblick auf ihre neomythische Bedeutung dann anhand dreier bekannter Physiker und ihrer naturphilosophischen Positionen entfaltet. Nach einem Blick auf das New Age-Denken wendete sich die Untersuchung dann New Age-Interpretationen von Quantenphysik zu. Eine letzte Konkretionsstufe steht nun noch aus. Welche Bedeutung hat Quantenphysik im New Age-Kontext unter den einfachen EsoterikKonsumenten? Während einer Studienreise durch die USA, die ich 2011 unternahm, um die dortige New Age-Szene kennen zu lernen, hatte ich einige Einsichten, die mir vorher so nicht bewusst geworden waren. Zum ersten hatte ich mir nicht vorstellen können, wie wenig Interesse in der us-amerikanischen New Age-Szene an Begründungsfragen im Hinblick auf die wissenschaftliche Fundierung der eigenen Theorie besteht. Zum zweiten ist mir sehr deutlich geworden, wie selbstverständlich der Terminus New Age in der esoterischen Szene der USA eingebürgert ist. Drittens habe ich feststellen müssen, dass der Schwerpunkt des New Age-Interesses in hohem Maße sowohl von den Konsumenten wie den Anbietern auf Wellness und Gesundheit liegt und wie hoch kommerzialisiert die Wuwuh-Szene2 ist. In Sedona (Arizona), einem der New Age-Zentren, das berühmt ist für seine vortex genannten ‚erdmagnetischen Kraftorte‘, habe ich u.a. das Center for the New Age3 – eine Mischung zwischen esoterischem Kaufhaus und Zentrum für New 1 2

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Goswami, 2004, 280. Nach Auskunft unserer Bed-and-Breakfeast-Wirtin vor Ort nennen die Einheimischen die New Age-Anhänger Wuwuhs. Vgl. http://www.sedonanewagecenter.com/

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Age-Angebote – besucht und dort alle ausliegenden Visitenkarten von Anbietern eingesammelt. Das Schwergewicht der Angebote liegt eindeutig auf Wellness und psychophysischer Heilung: Kontakte zu geheimen Meistern anderer Sphären, Engeln, Verstorbenen und dem eigenen Astralselbst, Aurafotografie, spirituelles Heilen (gegebenenfalls auch telefonisch), Vortex-Touren, DNA-Aktivierung, Reinkarnationstherapie, UFO-Erlebniswanderungen, Tarot, Astrologie und heilende Steine. Bei anderen New Age-Anbietern in den USA findet sich das gleiche Bild. Seit den neunziger Jahren gibt es ein zunehmendes Interesse an Wellness und Gesundheit in der neomythischen Szene und ihrer Ausstrahlung in den Lebensalltag in breiten Kreisen der Bevölkerung. Von daher ist es sinnvoll, den letzten Schritt in der Konkretisierung neomythischer Interessen im Ausgang von der Quantenphysik so anzulegen, dass ich mich mit dem boomenden Geschäftszweig der Quantentherapie auseinandersetzen werde, der beispielhaft für die Verstrickung der New Age-Bewegung in einen religionsförmigen „Psychologisierungs- und Therapeutisierungsprozess“1 ist.

2.

Heilangebote im Internet

In vielem gleicht der Ansatz der Quantenheilung von seinen praktischen Konsequenzen her dem positiven Denken. Nach Joseph Murphy (1898-1981), MinisterDirector der CHURCH OF DIVINE SCIENCE in Los Angeles, Radioprediger und berühmter Buchautor2, einem der bekanntesten Repräsentanten der Idee des positiven Denkens müsse man sich einfach auf die „Macht des Unterbewußtseins und der schöpferischen Kräfte von Gedanken und Vorstellungsbildern“ verlassen, wenn man gesund reich und glücklich werden wolle3. Krankheiten seien keine Schicksalsschläge mehr, sondern Fehlverhalten, das korrigiert werden könne. Weil das eigene Unterbewusste mit „jener unvorstellbar großen Kraft und eben jenem allmächtigen Gesetz … das den Kosmos lenkt“4 verbunden werden könne, habe man eine magische Kraft5 zur Verfügung. Durch eine Gebetstherapie könne man derartige Prozesse der Heilung, des Reichwerdens und des Erfolgreichseins in Gang setzen. „Im Gebet formulieren wir einen auf ein ganz bestimmtes Ziel gerichteten Gedanken oder Wunsch“6. Setzen wir die Subquantensphäre Bohms, das universelle Prinzip der Selbstorganisation Hakens oder das supramentale Bewusstsein Prigogines an die Stelle

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Vgl. Eitler, 2010, 340. Vgl. dazu Hauser, Bd. 2/78f. Vgl. Murphy, 1967, 128. Murphy, 1967, 24. Vgl. Murphy, 1967, 24. Murphy, 1967, 81.

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des murphyschen allmächtigen Gesetzes, das den Kosmos lenkt, und reflektieren entsprechende Anknüpfungsmöglichkeiten seitens des Menschen, dann haben wir fast schon die Theorie der Quantenheilung. Bevor wir uns drei entsprechenden Bestsellerautoren, Deepak Chopra, Richard Bartlett (*1945) und Frank Kinslow, zuwenden, seien einige Selbstdarstellungen von Quantenheilungs-Instituten aus dem Internet zitiert, die sich wesentlich auf die beiden Autoren beziehen. Es fällt schwer, angesichts der Hoffnungen möglicherweise schwerkranker Menschen, einen sachlichen Ton zu wahren. Mit Andreas Franz Himmelstoß (*1970) und Andrea Engel-Himmelstoß (*1967)1 eröffne ich den Reigen der Internetversprechungen. „Die Quantenheilung … ist ein effizienter und leicht erlernbarer Weg für jeden, selbst scheinbar schwierige oder chronische Lebensthemen und Kulissen des Alltags in positive Wandlung zu bringen“. Die meisten Heilungsangebote im Internet formulieren ihre Versprechungen wesentlich drastischer. Dr. Hans-J. Richter vom HoloInstitut (Planet Earth/ Germany/ Berlin)2 preist sein Lehrbuch, das eine Ausbildung in Quantenheilung begleite, auf der Seite DasHeilGeheimnis.de als hochwissenschaftlich an. „Bei dieser Methode handelt es sich um die praktische Anwendung von Erkenntnissen der modernen Quantenphysik in der Heilpraxis oder auch zur Selbstheilung“. Nach dem Hinweis auf Deepak Chopra und Frank Kinslow folgt die Information, dass sich der „Heil-Fokus ganz auf die Informationsebene, die Quantenebene eines Körper-Geist-Systems richte()“. Aus diesem Grund sei auch eine Selbstheilung möglich. Man sei nicht mehr notwendig auf einen Heiler angewiesen. Es fehlt auch nicht an der Bemerkung, dass der eigene Hausarzt wahrscheinlich im Hinblick auf diese Methode nur ein „fragendes Kopfschütteln“ oder größte Zweifel äußern werde. „Das macht aber eigentlich nichts. Denn: Wer heilt, hat Recht“. Für den Leser wird dann der Ausdruck DiamantBewusstSein eingeführt, der Ort der „geistigen Matrix“ der Quantenebene. Es gehe nicht um irgendeine Technik, sondern darum in den richtigen Bewusstseinszustand einzutauchen. Der Verfasser dieser Homepage bringt es fertig zu schreiben: „Auf der Quantenebene finden wir die sog. ‚Welle-Teilchen-Dualität‘“. Der esoterischen Tradition entspricht es, dann den Terminus Initiation zu verwenden und noch auf eigene Entdeckungen zu verweisen, wie etwa die Prinzipien des HolosGeheimnis, des Diamant BewusstSein und der Matrix der SelbstHeilung. Da diese Methode seit 1994 perfektioniert werde, könne festgestellt werden: „Die Quanten-Initiation hat sich in diesem Zeitraum zu einem universellen Manifestations-System (‚Die Meisterschule der Manifestation‘) entwickelt, mit dem Men-

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Vgl. http://www.unsereseminare.de/ Zitate im Folgenden unter dieser Adresse: http://www.dasheilgeheimnis.de/geheimnisquantenheilung

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schen jeden Aspekt ihres Lebens-Potenzials zur vollen Entfaltung bringen können“. Mit dem letzten Satz kommt der neomythische Anspruch deutlich zum Ausdruck, wenn wir ihn etwas formalisieren: „Die Quanten-Initiation … universellen Lösungsprogramm, mit dem jeden Aspekt … zur vollen Entfaltung“. Alle diese Möglichkeiten könne man durch den Kauf des einhundertsiebzigseitigen Handbuches DiamondHeart-Methode der QuantenHeilung und QuantenSelbstheilung – Transformation auf Matrix-Ebene erwerben. Es fehlen nicht die beiden Hinweise, dass die Prinzipien der Quantenheilung „universelle Gesetze“ beträfen, die ihre Grundlage in den vedischen Weisheiten Indiens hätten und dass darüber hinaus zu erwarten sei, dass „mit Sicherheit“ dieser Heilmethode in den nächsten Jahren – Stichwort: unvermeidlich im „Wassermann-Zeitalter“ – auch durch die Schulmedizin aufgegriffen werde. Die Energie-Therapeutin Perpetua Vilsmeier (*1967)1, ausgebildet in Gesundheits- und Ernährungsberatung, Raja-Yoga, Kriya-Yoga, Tao-Ki („= energetische Lichtübertragung) Meisterstufe“, Kristall-Farblicht-Therapie (Lichtquanten-Therapie), Reading (hellsichtiges Intuitiv-Sehen), New Energy Schamanin, CQM Practitioner (Chinesische Quantum Methode), Remote Viewing („die erlernte Fähigkeit, Raum und Zeit zu überwinden und sein Bewusstsein an jeden beliebigen Ort, zu jedem Ereignis oder jeglicher Aktivität in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu projizieren, um von dort Informationen einzuholen“), GfK Practitioner (Gewaltfreie Kommunikation nach M. Rosenberg) und Lebensberaterausbildung (DUL)® wird hier nur angeführt, weil sie ein Musterbeispiel für eine neomythische Bildungskarriere zu sein scheint. Unfreiwillig, nämlich großzügig vom quantenphilosophischen Spezifikum abstrahierend, bringt sie die Prämissen der Methode auf ihrer Homepage Quantum Therapy – der Weg zu grenzenloser Gesundheit auf den Punkt: „Quantenheilung ist für mich eine Lebensphilosophie geworden. Sie ist auch nichts Neues, denn wenn man die tiefe Wahrheit darin erkennt, erinnert sich der Mensch sofort wieder daran. Quantenheilung führt dich zurück in deine eigene Schöpferkraft und Fülle durch uneingeschränktes Annehmen, Loslassen und Erlauben. Diese Philosophie führt zu der Erkenntnis, dass wir uns aus unserer eigenen inneren Kraft heraus entwickeln können, denn alles, was wir brauchen, haben wir bereits in uns. Diese Einsicht ist der erste befreiende Schritt auf deinem Weg. … Wenn du fühlst, dass dies etwas für dich ist, dann möchte ich dich ganz herzlich zu meinem Seminar Herzensbildung einladen, um dir auf eine einfühlsame und leichte Weise zu zeigen, was es heißt: Du bist der Meister deines Lebens und du erschaffst dir deine Wirklichkeit!“2. Mit dem Versprechen hier den Weg zu grenzenloser Gesundheit zu finden, bewegt sich auch Vilsmeier im neomythischen Fahrwasser. Radikaler Endlichkeit im

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Zitate im Folgenden aus: http://www.quantenheilung.de/Pages/Quantenheilung.html. Hervorhebungen im Original.

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Hinblick auf die körperliche und seelische Befindlichkeit könne durch die Quantentherapie entkommen werden. Eine Walbert & Lang Heilakademie1 verspricht: „Die Quantenheilung bez. die 2-Punkte-Methode wirkt sofort und unmittelbar und verschafft uns sichtbare und spürbare Transformation (Veränderung). Die Quantenphysik gehört zu den modernsten Wissenschaften, die versucht, die Gesetze des Universums zu erklären. Und damit auch die Gesetze, denen jeder einzelne Mensch unterliegt. Wenn wir diese Gesetze verstehen, können wir mit einem neuen Bewusstsein Krankheiten heilen, Angelegenheiten jeglicher Art lösen und es wäre möglich sein Leben in eine erfüllte Realität zu lenken“. Unser Körper bestehe „zu 99,9999% aus Licht und Schwingung“ und daher sei energetisches Heilen „auf der Informationsebene“ notwendig. Juristische Absicherung folgt sofort auf dieses Versprechen: „Matrix Quantenheilung in Verbindung mit der zwei Punkt Methode ist keine klassische Behandlung von Krankheiten oder Symptomen, sondern ein begleitender Weg zur Schulmedizin“. Weiterhin führe das „tägliche Anwenden der Quantenheilung“ zu einer Verbesserung „in allen Lebensbereichen wie Gesundheit, Beruf, Beziehungen und Finanzen“. Wer dann wissen möchte, was Quantenphysik eigentlich sei, der wird folgendermaßen informiert: „Quantenphysik. Die Quantenphysik ist das Gebiet der Physik, das sich mit dem Verhalten und der Wechselwirkung kleinster Teilchen befasst (Quelle: Wikipedia)“. Bei Matrix Quantenheilung wird man dazu aufgerufen, sich in „Resonanz mit unbegrenzten Möglichkeiten“ zu bringen und „alte überholte Begrenzungen und Glaubensmuster“ zu verlassen. Matrix Quantenheilung biete „unbegrenzte() Möglichkeiten“ und man könne sein „Leben jederzeit neu gestalten und Probleme jeglicher Art in Lösungen verändern“. Die „Quantenwissenschaft“ habe herausgefunden, dass alles eine „energetische Grundform (habe, L.H.). Ein Energiefeld mit Erinnerungsspeicher, das aus Informationsschwingungen (Frequenzen) besteht, auch Matrix genannt. Jede Zelle in unserem Körper hat ein Zellbewusstsein, in dem der gesamte Bauplan von Gesundheit ‚so, wie es sein soll‘2 gespeichert ist. Dadurch ist es dem Körper auch möglich über die Matrix (Erinnerungsspeicher) von Krankheit wieder auf die Frequenz der Gesundheit ‚so, wie es sein soll‘ zu wechseln“. Eine Praxis für neue Psychotherapie & Quantenheilung3 verweist auf die Fortschritte der Psychotherapie seit Sigmund Freud (1856-1939), die durch das Konzept der Quantenheilung entstünden und die defizitäre psychotherapeutische Situation heute endlich reformierten. Es gebe in uns eine „Blaupause für Gesundheit, 1

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Vgl. http://quantenheilung-seminare.de/was-ist-quantenheilung-2punkt-methode-kinslowbartlett.html Hervorhebung durch die Autoren der Seite. Vgl. http://www.neue-psychotherapie-quantenheilung.de/typo3/index.php

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Fülle und Freude seit Anbeginn unseres Daseins“. Die neue Psychotherapie könne „alte Glaubensstrukturen, Prägungen und Hypnosen aus allen Zeiten“ sichtbar machen. Durch Quantenheilung seien wir befähigt, „uns wieder mit unserer vollkommenen Blaupause zu verbinden und diese ursprüngliche Kraft und Energie zu nutzen, Selbstheilung geschehen zu lassen“. Auf einer anderen Seite1 wird versprochen, dass man es in zwei Tagen erlernen könne, mit „unglaublichen Energien direkt von der Quelle“ verändert zu werden. „Wenn uns unsere unbewussten Überzeugungen daran hindern, das Leben in allen Bereichen frei fließen zu lassen, haben wir jetzt das grandioseste Instrument zur Hand das es momentan auf diesem Planeten gibt: Matrix-Quantenheilung. … ist DAS Realitätsmodell der Gegenwart. Legen Sie endlich los und gelangen Sie zur Freude ihres Seins – durch reines Bewusstsein. Matrix-Quantenheilung ist kinderleicht zu erlernen und macht unglaublichen Spaß. Investieren Sie ein Wochenende für ein Seminar, das Ihr Leben für immer verändern wird – wenn Sie es geschehen lassen“. Es bleibt nicht aus, dass Quantenheilung auch mit Magie in Verbindung gebracht wird. Magic-Matrix2 weist darauf hin, dass man bei der Quantenheilung nicht einfach eine alternative Heilmethode assoziieren dürfe. Magic-Matrix helfe dabei „unsere Realität zu steuern, unsere Missschöpfungen zu transformieren und aus dem unendlichen Meer aus Möglichkeiten, die für uns besten Lebenslinien auszuwählen … und (die, L.H.) unser Leben in das Freudenfest verwandelt, dass es sein sollte. Irgendwo zwischen modernem Schamanismus und Harry Potter kann diese spielerische Methode Veränderungen an sich selbst und anderen innerhalb von Sekunden erzielen“. Ein anderer Heiler3 weist auf die empirische Bestätigung seiner Heilmethode hin. Die Klienten könnten ihre Heilungserfolge „sofort“ ‚messen‘. Dies geschehe so, dass der Klient vor der Behandlung die Beeinträchtigung seiner Beschwerden auf einer Messskala von eins bis zehn eintrage. Nach der therapeutischen Sitzung geschehe dies wieder und es sei „oftmals selbst für mich sehr verblüffend, wie schnell Änderungen für den Klienten spürbar sind“. Als wissenschaftliche und spirituelle Gewährsleute für die Quantenheilung nennen diese Quantenschamanen Deepak Chopra, Richard Bartlett und Frank Kinslow. Ihre Theorien sollen im Folgenden dargelegt werden.

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Vgl. http://www.quantenheilung-energie.de/ Vgl. http://www.magic-matrix.de/01_2-punkt-methode/2-punkt-methode.html Vgl. http://www.quanten-heilung.org/behandlungen-mit-quantenheilung-qe-quantumentrainment.html

206 3.

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„Die ultimative Erkenntnis ist, dass das Leben genau so, wie es ist, vollkommen ist“: Frank Kinslow

Datiert auf den 15. Juli 2009 findet sich im Internet eine autobiografische Skizze von Frank Kinslow1. Er sei am 3. März 1946 in Philadelphia geboren worden und in der Nachkriegszeit in Japan aufgewachsen. Als Kind habe er Judo gelernt und durch seinen Lehrer einen positiven Umgang mit Frustrationen durch den Erwerb in der Stille erlernt. Als Jugendlicher habe er Yoga und Meditation betrieben und später – Anfang der Siebzigerjahre – als Lehrer für Transzendentale Meditation gearbeitet. Seit Ende der Achtzigerjahre habe er neue Meditationstechniken kennen gelernt und trainiert, die ihn langsam auf seine heutige Quantum Entrainment®-Perspektive vorbereiteten. Seine autobiografische Skizze hört sich so an, als habe er Mitte der Neunzigerjahre eine persönliche Krise – inklusive Ehescheidung nach 30 Jahren – erlebt und endlich zu seinem heutigen Standpunkt gefunden. Dann habe er sein erstes Buch Beyond Happiness: How You Can Fulfill Your Deepest Desire (20051; deutsch: Suche nichts – finde alles, 2010) publiziert. Vier Jahre später habe er The Secret of Instant Healing (20091; deutsch: Quantenheilung) veröffentlicht. Interessant ist an dieser Biografie eines ‚Quantenheilers‘, dass nirgendwo auch nur der Versuch unternommen wird, einen Kontakt mit Quantenphysik oder einem Quantenphysiker zu erwähnen. Dies gilt allerdings nicht nur für Frank Kinslow, sondern auch für den gleich zu besprechenden Richard Bartlett. In seinem Buch über „Suche nichts – finde alles!“ gibt sich Kinslow eine hohe Bedeutung. Sein Buch, das zum inneren Frieden führe, sei „unter den zahllosen spirituell ausgerichteten Selbsthilfebüchern einzigartig“2. Dieses Buch enthülle das Mysterium des Friedens „auf einzigartige Weise“3. In einem Anhang eines anderen Buches mit Begriffserklärungen bestimmt Kinslow einen seiner wichtigen Begriffe, das Eu-Gefühl als die „Wahrnehmung von Ganzheit“ und als „der natürliche, ursprüngliche Zustand des menschlichen Bewusstseins“4. Dieses unthematische Eu-Gefühl könne durch entsprechende Übungen so geschärft werden, dass es sich als Reines Eu-Gefühl gestalten könne. Wer im reinen Eu-Gefühl ruhe, habe endlich die QE-Intention erreicht. Ihm sei dann das „mühelose Erfüllen von Wünschen, während man im Gewahrsam des Eu-Gefühls“5 ruhe, gegeben. Als eigenes Markenzeichen führt Kinslow dann noch den Terminus Quantum-Entrainment®6 ein. Alle Problemlösung scheint einfach – mühelos.

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http://www.quantenheilung.info/frank_kinslow_01.htm Kinslow, 2010, 13. Kinslow, 2010, 16. Kinslow, 2011, 185. Kinslow, 2011, 186. Kinslow, 2011, 6. Quantum-Entrainment® ist als Wortmarke international registriert.

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An einer Stelle spricht Kinslow über seine erste „Quantum-Entrainment-Erfahrung“1. Nach fünfunddreißig Jahren äußerster Anstrengung durch spirituelle Techniken inneren Frieden zu finden habe er diesen spontan in einem Café erlangt. Auf einmal habe das Universum stillgestanden und er habe eine kosmische Vision gehabt. Sie erinnert an die im zweiten Band erörterten Jenseitsreisevisionen. „Wie auf einen unsichtbaren Hinweis hin schrumpfte mein Bewusstsein zu einer winzigen Vertiefung in einer schimmernden Energieexplosion und wurde kleiner als das kleinste subatomare Teilchen. Ich sah zu, wie Wolken reiner Energie erstarrten und sich anderen Wolken annäherten. Aus diesen formlosen Nebeln tauchten die liebenden Seelen von Bäumen und Meeren und der fruchtbaren Erde auf, nur um sich wieder in formlose Energie aufzulösen. Ich war überall, größer als das Größte und kleiner als das Kleinste“2.

Seit dieser Zeit brauche er nicht mehr den inneren Frieden zu suchen, sondern nur je neu zu aktualisieren. Aus einer Eigendynamik her, die Kinslow als Momentum bezeichnet, stelle sich der tiefe seelische Friede immer wieder ein. Der innere Friede sei gegeben, wenn man die reine Bewusstheit endlich wahrnehme und ergreife. Hier wird die Quantenphysik bemüht, um den eigenen Ausführungen eine quantenphysikalisch-metaphysische Grundlage zu geben. Die Quantenphysik bezeichne etwa diese reine Bewusstheit als „implizite Ordnung; es ist die NichtForm, aus der Energie und Form erschaffen sind“3. Für den nichtkritischen Leser erscheint es hier so, als ob die Quantenphysik eine Stellungnahme über reine Bewusstheit formuliere und nicht umgekehrt Kinslow die Themen der Quantenphysik durch eine ‚nichts anderes als‘-Argumentation auf seine Ausführungen hin gewaltsam ausrichtet. „Geist beginnt auf der Ebene der feinsten erschaffenen Welle“4. So sei der feinstoffliche Körper eine „Matrix von Energiemustern für die nächste Schicht der grobstofflichen Körpermanifestation. Auf Schwingungsebene ist er ‚schwerer‘ als der Geist und ‚leichter‘ als der physische Körper“5. Die schwereren Teile unseres feinstofflichen Körpers könnten wir durch einfache Körperübungen fühlen lernen6. Dabei verspricht Kinslow ein großes kosmisches Gesamtgefühl. „Schon bald werden Sie Ihren feinstofflichen Körper außerhalb Ihres physischen Körpers spüren. Dann werden Sie die Erfahrung machen, dass Ihr feinstofflicher Körper den ganzen Raum ausfüllt. Wenn Sie aus der Tür treten, erfüllt er den Himmel. Im Laufe der Zeit wer-

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Kinslow, 2010, 22f. Kinslow, 2010, 23. Kinslow, 2010, 33. Kinslow, 2010, 192. Kinslow, 2010, 195. Vgl. Kinslow, 2010, 197f.

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den Sie die ganze Schöpfung als Ihren feinstofflichen Körper wahrnehmen … Schließlich werden Sie beobachten, wie Ihr feinstofflicher Körper mit dem uneingeschränkten, grenzenlosen Gewahrsein des Selbst jenseits aller Dinge verschmilzt“1. Dann wichen „Angst und Leiden einem unerschütterlichen Frieden und letztlich der Unsterblichkeit“2.

Das Quantum-Entrainment® hat für Kinslow auch den Vorteil der Bequemlichkeit. Er schreibt, es sei der „mühelose Prozess des Überführens des normalen Bewusstseins in die reine Bewusstheit und seine anschließende Verankerung im EuGefühl“3. In einem seiner Bücher nimmt er zu der Möglichkeit der reinen Bewusstheit nur so weit Stellung, dass er darauf hinweist, dass er über dieses Thema in anderen Büchern ausführlich abgehandelt habe und meint dann: „Wichtig ist allein zu wissen, dass sie existiert und dass bewusstes Wahrnehmen der reinen Bewusstheit lebenswichtig ist …“4. Versprochen wird dabei ein großer innerer Schritt – ein Quantensprung5 – der dennoch zugleich mühelos vollzogen werden könne. Auf den ersten Seiten seines Buches über das Eu-Gefühl! Quantenheilung für ein erfülltes Leben schürt er Erwartungen. Er bettet seine Theorie einerseits ein in den unvordenklichen Weisheitskontext der Menschheitsgeschichte und präsentiert sie zum anderen als etwas ganz Neues. Man habe es hier mit einer „eindrucksvolle(n) neue(n) Technik“ zu tun, die „vor mehr als 4000 Jahren im alten Indien praktiziert wurde“6. In der Gegenwart gibt es nach Kinslow bei der Mehrzahl der Menschen weder den Blick in die heilende Vorzeit noch den auf die neuesten Erkenntnisse der Quantenheilung. Das schon bekannte Argument gegen Newton taucht auch auf. Descartes bleibt diesmal verschont. Newtons Physik sei seit mehr als zweihundert Jahren zum Habitus der Menschheit geworden, in der sie „gedanklich“7 lebten. Wir seien fast alle Empiristen, die den Mikrokosmos und den Makrokosmos, deren Energien unser Leben bestimmten, übersehen. Das newtonische Denken unterstütze das menschliche Ego, das Kinslow mit einem grenzenlosen Lebensstil in Verbindung bringt. Das Ego nach Eigentum und Macht. „Es wird an der Tafel des Lebens immer dicker und fetter, denn sein Hunger kann niemals gestillt werden“8. Die moderne Physik führe uns aus der Egozentrik des Egos heraus. Wir stünden in einer untrennbaren Beziehung mit dem Ganzen der Wirklichkeit und allem was sei. Die Quantenphysik habe uns durch das Doppelspaltexperiment gezeigt, dass wir durch unsere Beobachtungen physikalische Vorgänge real beeinflussten. Seinem jeden Zweifel kategorisch aus1 2 3 4 5 6 7 8

Kinslow, 2010, 207. Kinslow, 2010, 209. Kinslow, 2011, 186, vgl. auch 59. Kinslow, 2011, 35. Vgl. Kinslow, 2011, 9. Kinslow, 2011, 9. Kinslow, 2011, 24. Kinslow, 2011, 81.

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schließenden Stil getreu schreibt Kinslow: „Wenn im Wald ein Baum umfällt und jemand da ist, der das beobachtet, dann läuft das Ereignis anders ab. Und nun halten Sie Ihren Hut, Ihre Kappe fest: die neuesten (!) Untersuchungen legen nahe, dass jedes Ereignis nur eine Möglichkeit ist …“. Mit unbefragter Selbstverständlichkeit eine Schlusskette bildend schreibt Kinslow dann im nächsten Satz: „Das heißt aber, es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie sich die Dinge entwickeln können. Eine Situation bleibt gleichsam in Saatform und entwickelt sich erst dann, wenn sie beobachtet wird!“1. Mit diesem Argumentationsschritt lassen sich dann weitere schlussfolgernde Schritte gehen, die zu einer magischen Argumentationsform führen. Sigmund Freud hat – wie im zweiten Band schon angesprochen – das Wesen der Magie mit der „Allmacht der Gedanken“2 in Verbindung gebracht. Magie geht davon aus, dass es durch den Menschen in Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen nutzbare Beziehungen zwischen allen Dingen des Kosmos gäbe, die man durch mentale Beeinflussung nutzen könne. Gedanken seien nach Kinslow Energie und das bedeute, wenn man seine Gedankenkraft anzapfen könne, dann hätte man eine herausragende Energiequelle zur Verfügung. „Wenn es möglich wäre, diese Quelle direkt anzuzapfen, dann würde sich jeder Lebensbereich auf wundervolle Weise transformieren. Und nun halten Sie sich gut fest – denn das ist tatsächlich möglich!“3.

Magie beherrscht Dinge und Menschen durch die Kraft des eigenen Gedankens. „Die klassischen Wissenschaftler lehrten uns, ‚objektive Beobachter‘ zu sein. So etwas gibt es gar nicht, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Wir können gar nicht existieren, ohne jedes andere Ding in der Schöpfung zu beeinflussen. Diese Entdeckung hat sehr tiefgreifende Konsequenzen. Was wir für offensichtliche Kontrolle über einen Gegenstand oder ein Ereignis halten, ist in Wirklichkeit eine illusionäre Kontrolle. Und zwar aus folgendem Grund: Bevor etwas geschaffen wird oder zustande kommt, ist es gemäß der Quantenphysik eine Wolke von Energie, die darauf wartet, dass ihr jemand (ein Beobachter) eine Richtung weist. Diese Energie nimmt um unsere Erwartungen herum Form an. Wenn wir ein Problem angehen, betrachten wir es zuerst. Sobald wir das Problem betrachten, beginnt der Same der Veränderung bereits zu sprießen. Schon der Beobachtungsvorgang setzt die Lösung in Gang – in die von uns erwartete Richtung“4.

Die Verwirklichung einer passenden Möglichkeit hängt nach Kinslow an der Verwirklichung einer passenden ‚Beobachtung‘, die das ‚Sein‘ ‚sein‘ lässt und dabei davon ausgeht, dass man durch diese Haltung – bei richtiger Anwendung zu-

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Kinslow, 2010, 51, Hervorhebungen durch Kinslow. Freud, 1991, 97. Vgl. auch die einleitenden Gedanken von Göttert, 2001, 11ff. Kinslow, 2010a, 39. Kinslow, 2010, 53.

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mindest meistens1 – zu seinem Besten geführt wird, weil dieses Sein alles für uns Menschen regeln werde. Quantenmythischer neuer Wein wird hier in alte magische Schläuche gegossen. Wer Quantum-Entrainment® praktiziere, gerate aus der Situation eines aus seinem Ego heraus krampfhaft handelnden Möchtegern-Verursachers heraus und werde zu einem angstfreien und ruhigen Beobachter eines Kosmos, der nur das Beste für den Menschen will. Der durch Quantum-Entrainment® freigewordene „ultimative Beobachter“2 sei mit einer „kosmischen Spinne, die den Faden aus sich selbst zieht, um das Netz des Lebens zu spinnen“3 vergleichbar. Sind die Menschen durch Quantum-Entrainment® befreite Göttermenschen geworden, dann kommen wir zu einer Einsicht, in der viele nicht selbstverständliche Voraussetzungen stecken, die Kinslow kategorisch formuliert: „Die ultimative Erkenntnis ist, dass das Leben genau so, wie es ist, perfekt ist. Es gibt eine zu Grunde liegende, letztendliche Harmonie, die die gesamte Schöpfung durchdringt. Daran kann es keinen Zweifel geben. Alles ist einfach, wie es ist. Auch das lässt sich nicht bezweifeln. Die Disharmonie rührt allein daher, dass man die Teile sieht, nicht jedoch das Ganze. Man könnte auch sagen, Disharmonie ist eine Folge des Tunnelblicks“4. Dieser Beitrag zu der durch die Religionen seit alters her bekannten Vermutung, dass Religion auch ein Opium des Volkes sein könne beginnt mit der Vereinfachung genau so, die noch einmal durch den Hinweis kann es keinen Zweifel geben unterstrichen wird. Alles ist einfach schließt jede kritische Anfrage als – wenn ich hier das Unwort des Jahres 2010 zitieren darf – alternativlos aus. Die Aussage Auch das lässt sich nicht bezweifeln spricht in diesem Zusammenhang für sich. Andersartige Perspektiven auf Disharmonie werden dann monokausal allein als Folge mangelnder Ganzheitlichkeit betrachtet und als Folge des Tunnelblicks interpretiert. „Das ‚Ich‘ erzeugt keine Gedanken. Wir (er)denken keine Gedanken. Gedanken tauchen spontan aus der reinen Bewusstheit auf“5. Da wir diese reine Bewusstheit übersähen und unsere Gedanken für unser ureigenes Gedankengut hielten, lebten wir egozentrisch.

Diese Perspektive, in der Hunger, Folter und Krieg als Folge des Tunnelblicks vorgestellt werden, steht in Spannung mit Kinslows Hinweisen, dass es derzeit ein Problem gebe, das „diese Welt zerstört“6 und mit Kinslows genreüblichen Hinweis auf die bekannten Weltprobleme. Letzten Endes wendet sich ein Buch dieser Art 1

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Vgl. zu solchen Einschränkungen etwa Kinslow, 2010, 53. Man hat als Leser den Eindruck, dass er sich hier gegen zweifelnde Fragen absichert. Kinslow, 2011, 91. Kinslow, 2011, 92. Kinslow, 2011, 92, Hervorhebungen L.H. Kinslow, 2010a, 50. Kinslow, 2010, 8.

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an Leser aus der Mittel- und Oberschicht, denen Hinweise wie „Im Grunde genommen sind Probleme eine Einbildung“1 eine weisheitsförmige Gänsehaut verpassen können. Ein Leben aus der ganzheitlichen Kosmosperspektive der reinen Bewusstheit führten zurzeit nur wenige Menschen, die Kinslow, in Anlehnung an die Terminologie von Abraham Harold Maslow als Transcender2 bezeichnet. Unter dem Einfluss der Konzeption der Transzendentalen Meditation des Maharishi Mahesh Yogi schreibt Kinslow über diese aus dem Quantum-Entrainment-Bewusstsein (auch: QE-Bewusstheit) heraus lebenden Menschen, die das normale Bewusstsein hinter sich gelassen hätten, dass sie einen „gewaltigen harmonisierenden Einfluss“3 auf ihre Umwelt ausübten. Es gebe auch eine Berechnungsmöglichkeit. Dies sei die „Quadratwurzel der Anzahl von Menschen, die in QE- Bewusstheit“4 lebten. „Wenn wir sofort ein gesünderes, saubereres, produktiveres und liebevolleres Leben für alle Einwohner der USA erschaffen wollten, reichen schon 1730 Transcender aus, wie Sie es sind, die im Eu-Gefühl leben. Damit Friede und Wohlstand in der gesamten Welt Einzug halten, benötigen wir demnach nicht mehr als 8000 Menschen in QE- Bewusstheit!“5.

Die unter psychischen und physischen Problemen leidenden Klienten der Quantentherapie interessieren sich aber eher für die aktuellen Möglichkeiten unterhalb der globalen Ebene. Die Art und Weise, wie sich Kinslow an das Thema der Heilung herantastet, offenbart dann endgültig Züge, die vollständig der Definition des Neomythischen entsprechen. „Menschen, die Wunder vollbringen und Dinge aus dem Nichts materialisieren können, tun dies von der Ebene des reinen Eu-Gefühls aus“6. Jesus etwa habe Wasser in Wein verwandelt und Fische und Brot materialisiert, weil er eins mit der schöpferischen Gesamtwirklichkeit gewesen sei. Aber auch der Durchschnittsmensch kann nach Kinslow mithilfe der QE-Intention wirksam werden. So könne man etwa kranken Freunden oder Familienmitgliedern in einer fünfminütigen „Intentionssitzung“7 bestens beistehen. „Die Kraft und Schnelligkeit, mit der QE-Intention für chronisch Kranke wirkt, kann nur als höchst erstaunlich angesehen werden“8. Zwar schränkt Kinslow diese Aussagen sofort wieder kurz ein, kommt aber dann auf einen Freund zu sprechen, der mit Lungenkrebs und Metastasen ins Krankenhaus eingeliefert worden sei, vorher aber noch schnell einen Workshop bei Kinslow gemacht habe und auf diese Weise von 1 2 3 4 5 6 7 8

Kinslow, 2010, 175. Vgl. Kinslow, 2010, 179. Kinslow, 2011, 181. Kinslow, 2011, 182. Kinslow, 2011, 182. Kinslow, 2011, 119. Kinslow, 2011, 151. Kinslow, 2011, 151.

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hunderten Menschen mit QE-Intentionen belegt worden sei und heute überraschend zu gesunden scheine – auch hier schwächt Kinslow am Ende seiner Ausführungen die mirakulöse Perspektive wieder etwas ab1. Brisant wird die für viele Interessenten bedrängende Frage, wie man durch seine QE-Intention zu Reichtum kommen könne. Auf der einen Seite hat Kinslow den Antrieb zu Reichtum als Ausdruck des Egos denunziert und muss andererseits doch dieses Bedürfnis bedienen. Die QE-Intention, die nur das Ganze will und von einzelnen Willensbestrebungen absieht, will den Reichtum eben nur in einer Art Doppelwirkung bewirken. Wer nach Kinslow einmal im Eu-Gefühl zu leben gewöhnt ist, dem kommt das was er – gleichsam hinter seinem Rücken ‚verschwiegen‘ – will, von selbst zu. „Was Sie jetzt noch tun müssen, um Ihren Wunsch nach größerem Reichtum wahr werden zu lassen? Gar nichts! … Die gesamte Organisation wird auf der feinsten und machtvollsten Ebene der Schöpfung übernommen. Und da ist Ihre Hilfe nicht wirklich vonnöten“2. Für alle diejenigen, die noch ein schlechtes Gewissen haben, die Subquantensphäre zum Erwerb von Reichtum zu nutzen, folgt dann noch der Hinweis, dass es besser ist die QE-Intention auf Reichtum im Hinblick auf seine Mitmenschen anzuwenden3. Aufschlussreich ist Kinslows Schöpfungsmythos. „Aus der Quantenphysik wissen wir, dass das Leben zwei Hälften hat, das Feld als Form und Energie sowie das Nichts, aus dem alles stammt“4. Nach dem genreüblichen Hinweis, dass die uralten Weisheiten dies auch schon gewusst hätten, streift Kinslow noch einmal kurz die Quantenphysik bevor er dann endgültig metaphysisch wird und so etwas wie eine Schöpfungsmythe schreibt. Aus dem Nichts wird ein sitzendes Nichts. „Doch das Nichts konnte nicht einfach so dasitzen, deshalb wurde es aktiv und widmete sich der Aufgabe des Schöpfens. Seine erste Beschäftigung war das Denken. Sein erster Gedanke bezog sich auf sich selbst. Woran hätte es sonst denken sollen? Dieser erste Gedanke erschuf das Gefühl des Selbst, diese grenzenlose Essenz, die Sie als ‚Ich‘ kennen. Dann dachte das Ich an all die netten Dinge, die es erschaffen könnte. Und da wurde das Nichts zu so etwas. … Wenn sie die Vorstellung des Nichts um die Erfahrung des Nichts ergänzen, dann gibt das eine erstaunliche Wirkung auf uns: Es beseitigt das Leiden. … Es ist in der Tat die Patentlösung, die bei jedem Leiden und jedem Wahnsinn der Menschheit hilft. Und zwar mühelos …“5. Wenn Kinslow seinen Schöpfungsmythos ‚physikalischer‘ unter Rückgriff auf David Bohm formuliert, kann er bündig das Grundmuster der neomythischen Nutzung quantenphysikalischer Vorstellungen formulieren: „Aus dem Nichts kommt der Grundbaustein des Lebens, die Welle. Vereinfacht gesagt: Wellen erzeugen 1 2 3 4 5

Kinslow, 2011, 159. Kinslow, 2011, 167. Kinslow, 2011, 167. Kinslow, 2010a, 31. Kinslow, 2010a, 32.

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Teilchen und Teilchen bilden Atome. Dann bilden die Atome Moleküle und diese setzen sich zu Sternen oder Autos oder Schokoriegeln zusammen. Das ist sozusagen das Einmaleins der Schöpfungsgeschichte in Kurzfassung. Alles, was wir sehen, stammt aus dem uranfänglichen Nichts. Wenn wir des Nichts gewahr werden, reisen wir zu unserem Ursprung zurück. Und dieses Nach-Hause-Kommen nährt Körper und Seele“1. Das Wort Schöpfung verwendet Kinslow oft. Wo von Schöpfung geredet wird, kann auch nach dem Schöpfer gefragt werden. Betrachten wir zum Schluss dieses Abschnittes Kinslows Gottesbegriff. Kinslow projiziert in die theistische Tradition ein anthropomorphes, kindliches Gottesbild und grenzt sich dann davon ab. Gott sei für ihn „formlos, frei von Grenzen, und er durchdringt doch alle Formen“2. Der Gottesbegriff bleibt so unscharf. An den Rändern dieser begrifflichen Unschärfe wartet der unbewusste Evolutionsgott, den die neomythische Mentalität nutzen kann. Auf der einen Seite klingt das nach einer authentischen mystischen Erfahrung, wenn Kinslow schreibt: „Da gibt es noch mehr, denn es gibt mehr als Gott. … Jenseits von Gott ist das Nichts. Und das Nichts ist absoluter Friede“3. Doch lässt sich authentische Mystik nicht gut verkaufen. Neomythische Bedürfnislagen müssen befriedigt werden. Die durch Quantensprünge Geheilten sollen dann auch noch Göttermenschen werden können. So bleibt am Ende seines Buches, das zur Aufgabe der Zielgerichtetheit darauf, ‚alles‘ zu ‚finden‘ auffordern will um ‚alles‘ zur ‚finden‘, dann doch auf derselben Seite wie das vorangegangene Zitat der Verweis auf eine Bestreitung der Radikalität von Endlichkeit: „Und wie Christus vorhersah: Sie werden ‚verwundert‘ sein. Es ist nur ein kleiner Schritt vom Sichwundern dahin, ‚das All zu beherrschen‘“4.

4.

Richard Bartlett: Moderne Physik und Engel-Download

a.

Eine Zauberer-Idealbiografie und sein Zauberbuch

Über Richard Bartlett (*1945) erfährt man Biografisches nur über Fanseiten und Veranstaltungsankündigungen5. Er sei Chiropraktiker und Naturarzt und praktiziere in Seattle (Washington). Er habe sich nach einem Treffen mit Jacque Rowe zum Chiropraktiker ausbilden lassen und habe 1987 sein Studium am PARKER CHIROPRACTIC COLLEGE (heute: PARKER UNIVERSITY, Dallas/ Texas) abgeschlossen. 1 2 3 4 5

Kinslow, 2010a, 161. Kinslow, 2010, 163. Kinslow, 2010, 287. Kinslow, 2010, 287. Ich beziehe mich hier auf: http://www.iak-freiburg.de/dozenten/bartlett.html.

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Sein zweites Kind habe seit seiner Geburt an Erkrankungen wie Bronchitis, Asthma und Lungenentzündungen gelitten. Es entspricht dem Selfmademan-Mythos des erfolgreichen Amerikaners, dass Bartlett sich bei Victor Frankl die TBM (Total Body Modification) aneignete und auf diese Weise seinen Sohn gesund machen konnte. Nach einer Tätigkeit als Chiropraktiker in Montana (bis 1996) habe er an der BASTYR UNIVERSITY OF NATUROPATHIC MEDICINE eine Ausbildung als Naturheilkundler absolviert (bis 2000). Während dieser Zeit habe er die von ihm Matrix Energetics genannte Methode entwickelt, an deren Weiterentwicklung er bis heute arbeite und sie in Kursen weitergebe. Wie diese Weiterentwicklung – die von Level zu Level mit zu verfolgen immer neue teure Kurse notwendig macht – aussieht, kann man sich anhand des begeisterten Internetbeitrags von Frank Obels (2011) vorstellen1: „Matrix Energetics Level 4 und Richard Bartlett haben mir die letzten drei Tage gezeigt, wie Wunder noch zu steigern sind. Es war echtes Wunder Energetics, was da abging! Es ist dabei nicht etwa so, dass Richard diese Wunder vollbracht hätte. Das Wunder der Wunder ist, dass Richard Bartlett es einmal mehr geschafft hat, nach dem Zauberer-Level von Matrix Energetics nun die Teilnehmer die Wunder auf einer neuen Ebene erneut selbst vollbringen zu lassen. Level 4 von Matrix Energetics ist das Tiefgangmodul von Level 1 und Level 2 und dem Zauberer-Level 3. Hier also mein Bericht von 3 Tagen Matrix Energetics Level 4: Die Reise in die Selbstmeisterschaft!“ In seinem Buch über Die Physik der Wunder. Wie Sie auf das Energiefeld Ihres Potenzials zugreifen (20091) ‚berichtet‘ Bartlett aus seinem Leben. Im Jahre 1987, als er zweiundvierzig Jahre alt gewesen sei, habe er schon längere Zeit als Chiropraktiker gearbeitet, habe sich dann aber entschlossen, noch „Naturheilkunde“2 zu studieren. Er habe zu dieser Zeit dann „pro Semester 31 zusätzliche Vorlesungsstunden belegt. Das bedeutete, dass ich für die Schule lebte, aß und schlief“3. Daneben habe er noch als Chiropraktiker gearbeitet. Im Februar 1997 habe er dann ein Berufungserlebnis gehabt. Die Entwicklung seiner Berufung schildert Bartlett folgendermaßen: Während seiner Arbeit als Chiropraktiker sei ihm Superman als dreidimensionales Hologramm erschienen. Dieses Hologramm habe ihm Hilfeleistung geboten, als er ein augenkrankes Mädchen behandelt habe. In Matrix Energetics schreibt er konkreter: „‚Ich muss Wahnvorstellungen haben‘, dachte ich, doch da stand er als dreidimensionales Hologramm und sein roter Umhang flatterte in einem nicht vorhandenen Lufthauch. Ich hätte meine Hand ausstrecken und ihn berühren können. Ein Lichtstrahl zog sich von seinen Augen bis hin zu dem kleinen Mädchen, das bei mir auf dem Untersuchungstisch saß. Mit 1

2 3

Vgl. dazu: http://feel-better-blog.de/matrix-energetics/richard-bartlett-matrix-energeticswunder-auf-einem-neuen-level/. Bartlett, 2010, 22. Bartlett, 2010, 22.

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meiner inneren Wahrnehmung sah ich – mit Supermans Unterstützung – eine dunkle Energieblockade in dem Gehirnareal, in dem sich das Sehzentrum befindet“1. Superman sei bekannt dafür, dass er auch einen Röntgenblick habe. „Ich wollte schon immer einen Röntgenblick besitzen oder hellsichtig sein. Superman zu sein ist eine Möglichkeit, hellsichtig zu sein, ohne die Verantwortung eines Arztes mit Röntgenblick tragen zu müssen“2. Einen Tag nachdem das Superman-Hologramm erschienen war, sei seine „Energie auf einmal völlig verändert“3 gewesen. „Plötzlich erzeugte das leichte Berühren eines Patienten – im Zusammenspiel mit einer zielgerichteten Absicht – deutliche, ja Aufsehen erregende Veränderungen. Knochen richteten sich von ganz allein wieder aus, chronische Schmerzen verschwanden oft bereits nach einer kurzen Sitzung und Skoliosen rückten sich vor meinen Augen wieder gerade“4.

Nach kurzer Zeit sei er daraufhin krank geworden und habe sogar eine Lungenentzündung bekommen. Wenn man Bartletts Erzählung nach dem Muster der Berufungsgeschichte eines Heilers religionswissenschaftlich untersucht, folgt sie einem vertrauten ‚klassischen‘ Schema: Erste Erfahrungen mit dem Wunsch zu heilen und mit Heilungen, oftmals krankheitsbedingte Krise und dann explizite Beauftragung mit der Vermittlung entsprechender Fähigkeiten. Vier Monate nach dem Superman-Erlebnis findet, dem Berufungsschema entsprechend, die eigentliche Berufung statt. Während einer Autofahrt sei ihm ein „Mann mit einem leuchtend bunten Turban“5 begegnet. Er habe zu ihm gesagt, dass er seinem Wunsch ein Heiler zu werden, entsprechen werde, wenn er verspräche niemals Leben zu beschädigen. Nachdem Bartlett diesem Manne seine Zustimmung gegeben habe, sei er initiiert worden. „Im nächsten Moment hörte ich ein zischendes Geräusch und fühlte mich so, als wäre mein Kopf oben aufgeklappt worden und sein Inhalt flöge von meinem Schädel aus geradewegs in den Himmel. Vor meinem geistigen Auge sah und spürte ich, wie etwas Riesiges sich unmittelbar von oben herabsenkte. … Als ich dieses Konstrukt aus Gedanken und Form öffnete, blitzten schnelle Bilder und Szenen in meinem Bewusstsein auf und der Download eines gewaltigen ‚spirituellen Softwareprogramms‘ begann. … Als ich meine Gefühle und Sinne wieder einigermaßen beisammen hatte, setzte ich die halbstündige Fahrt … fort. Während ich fuhr, hielten zwei Engel … in meinem Kopf einen fortlaufenden Vortrag darüber, wofür die neue spirituelle Software gedacht war“6.

1 2 3 4 5 6

Bartlett, 2008, 25. Bartlett, 2010, 18. Bartlett, 2010, 19. Bartlett, 2010, 19. Bartlett, 2010, 23. Bartlett, 2010, 24.

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Bei seiner Initiation, dem Engel-Download1, sei er in die Techniken der Quantenheilung eingeführt worden. Er sei informiert worden über die „heilige Geometrie, die Aktivierung der Chakren in meinen Händen und vieles, vieles mehr“2. Im zweiten Band der Kritik der neomythischen Vernunft habe ich auf die hohe Bedeutung der Sciencefiction-Literatur im Hinblick auf Weltvorstellungen in der Moderne hingewiesen. Bartlett stellt ein Musterbeispiel dafür dar: „Wer Reiki oder irgendeine andere Technik oder eine andere Heilmethode praktiziert, gleicht ein wenig dem Captain Kirk aus der Fernsehserie Star Trek: Er kann die ungeheuere Kraft der Phaser-Kanonen des Raumschiffs Enterprise nutzen. Falls Techniken oder Gedanken und Gefühlssysteme tatsächlich ihre eigenen morphischen Felder erzeugen, dann haben sie als Reiki-Anwender Zugang zu genau dieser Kraft, sobald Sie sie als mögliche Wirklichkeit richtig erfassen“3. Ein solches Verfahren ist sicherlich bequemer als ein Medizinstudium. Mit der Abfassung seines Buches über die Physik der Wunder bietet Bartlett auch seinen Lesern diese Bequemlichkeit an. Er selbst behauptet allerdings, nicht nur den Engel-Download gehabt zu haben. Er habe sich auch ausführlich mit den modernen Wissenschaften beschäftigt. Allerdings hält er ‚Quanten‘ für ganz kleine Teilchen und signalisiert auch immer wieder eine herablassende Haltung gegenüber den Wissenschaftlern. „Ich behaupte, nein, ich vermute stark, dass die Physiker um virtuelle Teilchen nur ziemlich viel Aufhebens machen. Wir haben wunderschöne mathematische Gleichungen, mit denen wir sie beschreiben, doch niemand hat je eines gesehen, weil sie so klein sind“4.

Dabei sei er an die Grenzen der Wissenschaften gestoßen und habe dann auch Zugang zur „verpönten Ätherphysik“5 gefunden. „Wenn man wie ich innerhalb weniger Monate mehr als 140 Bücher über Wissenschaft und Physik verschlingt, beginnt man einige offenkundige Diskrepanzen im klassischen oder Standardmodell der Physik zu entdecken und zu ahnen, dass da vermutlich an einigen Ecken und Enden etwas fehlt“6. Offen bleibt, was Bartlett unter Wissenschaft in Abgrenzung von Physik versteht. Mathematik und Physik seien „unbewusste Symbolsprachen“7, die nur einige Gehirnteile stimulierten und deswegen zu einer Einengung der Wirklichkeitswahrnehmung führten. So werde die Wissenschaft ein „geschlossenes System“8 und übersehe den „X-Faktor“1 des Bewusstseins in der Wissen1 2 3 4 5 6 7 8

Bartlett, 2010, 24. Bartlett, 2010, 24. Bartlett, 2008, 55. Bartlett, 2008, 77. Bartlett, 2010, 27. Bartlett, 2010, 27. Bartlett, 2010, 27. Bartlett, 2010, 27.

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schaft. Entsprechend passt auch, dass Bartlett in seinem Buch über Matrix Energetics auf der einen Seite die neuesten Ergebnisse der Quantenphysik als Maßstab seiner Arbeit angeben und auf der anderen Seite doch schreiben kann: „Mein Wissen um diese Prinzipien lässt sich eher als ‚poetisch‘ und ‚imaginativ‘ denn als wissenschaftlich bezeichnen“2. Wer in den Genuss des Heilungspotenzials durch Matrix Energetics kommen wolle, brauche nur sein Buch zu lesen. Und ‚Lesen‘ ist in einem sehr schlichten Sinn zu verstehen. Das Lesen seines Buches entspreche dem Lesen eines Zauberbuches. Matrix Energetics kann man nach Bartlett durch ein Verfahren erwerben, das ich im zweiten Band der Kritik der neomythischen Vernunft in Anlehnung an Klaus Hartmann als praktischen Algorithmus3 bezeichnet habe. Man kann hier auch von einem magischen Mechanismus sprechen, der durch das Lesen des Buches von Bartlett in Gang gesetzt wird. Im zweiten Band hatte ich geschrieben: Unter einem Algorithmus wird in Anlehnung an die Mathematik die Eigenschaft eines Symbolsystems verstanden, „wonach eine Operation mit Elementen dieses Systems ohne Nachdenken, gleichsam mechanisch, bestimmt ist“4. Algorithmisch möglich ist etwa die Addition von arabischen Zahlen, wenn innerhalb von Einern mechanisch gezählt wird. Es handelt sich also um ein automatisches Entscheidungsverfahren, das nach festen Regeln in einer endlichen Zahl von Schritten zu einem eindeutigen Ergebnis führt, wobei ein bewusstes Anwenden dieser Regeln nicht nötig ist. Rein durch das Anwenden der Regeln gelangt der Regelanwender zu einer realen Veränderung seiner Welt5.

Bei Bartlett wirkt der praktische Algorithmus so: Zu Beginn der Einleitung weist er daraufhin, dass sich in seinem Buch eine „fühlbare und äußerst reale Energie (finde, L.H.)“. Und er fährt fort: „Wie einer von Harry Potters Zaubersprüchen besitzt es ein Feld mit enormen Potenzial. Liebevoll in seine Seiten eingebettet ist ein unglaublich kraftvolles energetisches Muster“6. Durch die vielen Leser und Praktizierenden von Matrix Energetics habe sich ein „riesiges morphisches Feld“7 gebildet, dieses „kollektive() Bewusstseinfeld“ könne man mit „geringem Aufwand … ‚anzapfen‘“8. Durch die vielen Energieimpulse aller Leser sei das Matrix Energetics-Energiefeld entstanden, in das man sich „einklinken“9 könne.

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Bartlett, 2010, 27. Bartlett, 2008, 17. Vgl. Hartmann, 1970, 27f. Hartmann, 1970, 27. Hauser, Bd. 2, 561. Bartlett, 2010, 9. Bartlett, 2010, 10. Bartlett, 2010, 10. Bartlett, 2010, 11, vgl. auch 33.

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In der Terminologie von Goswami gesprochen kann man sagen, dass sich nach Bartlett in der Wahrscheinlichkeitswolke, die den Krankheits- und Heilungsbereich betrifft, eine für den Menschen herausragend wohltuende Oase gebildet hat, deren ständig wachsenden Ertrag man problemlos durch einfaches Lesen der Worte des Buches benutzen kann. Nach Bartlett ermöglicht dieses naturkausal wirkende Energiefeld jedem Leser prinzipiell seinen eigenen praktischen Algorithmus. Das algorithmische Verfahren besteht darin, dass der Lesende das Buch nicht verstehen muss, damit der Heilungsprozess in Gang kommen kann. So wie der Zauberlehrling einen Zauberspruch in einer fremden Sprache aufsagt und das Erscheinen eines heilenden Geistes bewirkt, so ergeht es dem Leser dieses Buches. „Die Energie, die dieses Buch in verschlüsselter Form enthält, steht Ihnen zur Verfügung – ganz unabhängig davon, ob Sie das verstehen oder nicht“1. Bartlett charakterisiert sich selbst als „bescheiden“2.

b.

Thetawissenschaft als „nützliche Mythologie“

Der X-Faktor des Bewusstseins führt bei Bartlett in der heilenden und befreienden Matrix Energetics-Zone der menschheitlichen Wahrscheinlichkeitswolke in die Welt der Magie für jedermann. Aus den vielen Möglichkeiten innerhalb der Wahrscheinlichkeitswolke kann der Matrix Energetics-Praktizierende sich seine angenehmsten Möglichkeiten aussuchen. Allmacht der Gedanken ist hier keine Utopie mehr. „Innerhalb des morphischen Gitternetzes steht Ihnen ein potentiell unendlicher Satz an Möglichkeiten für das zur Verfügung, das sich im nächsten Moment manifestieren kann. Stellen Sie sich gemeinsam mit mir vor, dass es in einer Reihe von parallelen Dimensionen einen ganzen Haufen anderer Beine gibt, aus denen Sie wählen können. Eines der beiden Paare enthält die Realität, in der Sie wählen können. Eines der beiden Paare enthält die Realität, in der Sie ohne Schmerzen gehen können. Eine Möglichkeit, das für eine Aufgabe am besten geeignete Bein zu finden, besteht darin, die einfache Frage zu stellen: ‚Wo ist es?‘, und darauf zu vertrauen, dass die Antwort auf diese Frage tatsächlich auftauchen wird“.

Der Zynismus einer ‚Heilmethode‘, die die ganze Last der Verantwortung der Heilung auf den Wahl- und Willensakt des Erkrankten abwälzt und die noch dazu ein Zauberbuch das ‚automatisch‘ wirken soll dazu gibt bzw. verkauft, zeigt sich, wenn schwere Krankheiten Thema werden. Bartlett stellt sie als prinzipiell problemlos heilbar dar – es sei ‚möglich‘. Möglich ist allerdings alles, was ohne Widerspruch denkbar ist. 1 2

Bartlett, 2010, 11. Bartlett, 2010, 29.

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„Wenn Sie einen Tumor haben oder sonstige Beschwerden, eine Krankheit oder was auch immer, so besteht das Potenzial, all dies sofort zu heilen. Transformation ist ein wundersamer Prozess, der alle Grenzen dessen, was Sie als die Gesetze der Physik ansehen, überschreitet. Denn der springende Punkt ist schließlich der: Wunder bewegen sich außerhalb Ihres normalen Bezugssystems für Realität. Sie passieren ständig, aber wir verpassen sie manchmal, weil wir gewohnheitsmäßig auf das fixiert sind, was gleich bleibt – das, was vertraut ist und was wir bewusst kennen und glauben“1. Da es auch ein „riesiges morphisches Feld“2 namens ‚Krankheit‘ gäbe, könne die Gewohnheit einen immer wieder innerhalb der Wahrscheinlichkeitswolke auf den Trampelpfad des Krankwerdens und -bleibens zurückführen.

Wenn es dann um die Frage geht, was an Spontanheilungen bisher ‚wirklich‘ geschehen ist, verwendet Bartlett ein ihn von jeder empirischen Überprüfung befreiendes Darstellungsmittel. Wenn es um das Thema erfolgreicher Heilungen im Allgemeinen geht, führt er sich als Beispiel an. Schildert er konkrete Fälle, bezieht er sich in der Regel auf Erzählungen von anderen Heilern und zwar weitgehend auf solche, die bei ihm eine erfolgreiche Matrix Energetics-Ausbildung gemacht hätten. Wenn es um die genauere Beschreibung der Methode dieser spirituellen Technologie geht, dann macht Bartlett einen weiteren Rückzieher. Das wahre Wählen sei das Loslassen des Wählens. Gelassenheit im Umgang mit seinen Zielen ist sicherlich ein traditioneller, sinnvoller Umgang, der in den spirituellen Traditionen der Menschheit immer gelehrt wurde. Doch passt diese Einübung einer gelassenen Grundhaltung nicht in den sensationsheischenden Kontext einer Matrix Energetics-‚Physik‘, die die Aufhebung aller endlichen Begrenzungen des Menschen durch das große Möglichkeits-Warenhaus einer Wahrscheinlichkeitswolke propagiert. „Eines der größten Geheimnisse der so genannten spirituellen Alchemie ist die Fähigkeit, eine Absicht zu formulieren und ‚in die Welt zu setzen‘ – und dann loszulassen und nichts zu tun“3. Wer Matrix Energetics betreibe, könne aus den üblichen Wahrscheinlichkeiten aussteigen und für sich selbst neue Maßstäbe und heilsame und bereichernde Möglichkeiten entdecken. „Wenn Sie Ihr Leben auf diese Weise betrachten, ohne zu urteilen, dann kollabiert die Wellenfunktion in einer Art, die nichts mit der Wahrscheinlichkeit dessen zu tun hat, was normalerweise passiert. … Stattdessen konfigurieren sich die Dinge neu, und zwar rund um

1 2 3

Bartlett, 2010, 43. Bartlett, 2010, 48. Bartlett, 2010, 69.

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den Gedanken: ‚Was könnte im nächsten Moment passieren?‘ Hört sich an, als könnte es nützlich sein? Auch das ist Physik. Wirklich!“1.

Wissenschaft wird aufgewertet, indem er diese abwertet. Er geht sogar so weit, dass er der wissenschaftlichen Forschung die grundsätzliche Haltung unterstellt, ihre Ergebnisse immer dann zu fälschen, wenn sie nicht in die betreffende Theorie passten2. Wichtig ist für ihn auch der Hinweis, dass die übliche Physik nichts mit dem Wunderbegriff anfangen kann. Seine Physik sei hingegen eine „Physik der Wunder“ und beweise, dass Wunder „nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich sind“. Und im nächsten Satz greift er die Ressentiments vieler Menschen gegenüber einer für sie unverständlichen Wissenschaft auf und weist daraufhin: „Wenn Sie anfangen, Leuten das zu erklären, dann bringen Sie es auf eine Ebene, die sich im normalen Alltag und von ‚Durchschnittsmenschen‘ anwenden lässt“3. Im Verlaufe seiner Darstellung beginnen die neomythischen Fantasien Bartletts auch im Vergleich zu der sicherlich nicht puristischen Szene der Quantenheiler zu wuchern. Er schreibt über den therapeutischen Sinn von „Paralleluniversen und interdimensionalem Heilen“4, erklärt die Wunderleistungen des „Quanten-Jesus“5, der über das Wasser zu gehen vermocht habe6, wie er (Bartlett) sich durch die Nutzung von „dunkler Materie“7 unsichtbar zu machen vermöge und wie man das selbst auch trainieren könne8. Sogar Krautsalat, den der Kellner in einem Restaurant nicht zu finden vermochte, habe Bartlett durch seine spirituelle Alchemie auffinden können9. Bartletts Fazit am Ende seines Buches bringt die neomythische Orientierung seines Buches auf den Punkt. Für den, der Matrix Energetics verwende, gebe es keine radikale Endlichkeit, sondern nur überschaubare Bewältigungsaufgaben. Der Horizont seiner Hoffnungen bündelt sich in der Wahrscheinlichkeitswolke, die als universaler realer Traumerfüller gefasst wird. „Innerhalb des erleuchteten Potenzialzustands des universellen Seins ist das Konzept der Begrenzung unnatürlich. … Jenseits der Frage, was Sie sich vorstellen können und was nicht, gibt es keinerlei Begrenzungen“10.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Bartlett, 2010, 87 (Hervorhebungen durch Bartlett). Vgl. Bartlett, 2010, 78. Bartlett, 2010, 164. Bartlett, 2010, 153. Bartlett, 2010, 212. Vgl. Bartlett, 2010, 198. Bartlett, 2010, 186. Vgl. Bartlett, 2010, 190. Bartlett, 2010, 272f beschreibt dies ausführlich. Bartlett, 2010, 278.

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5.

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Ein Zweifachnobelpreisträger und quantentherapeutische Göttermenschen-Geräte

In den ersten beiden Bänden der Kritik der neomythischen Vernunft sind immer wieder Göttermenschen-Geräte thematisiert worden, die zu den neomythischen Aufbrüchen der Moderne dazugehören. Franz Anton Mesmer (1734-1815) bietet ein Baquet zur Heilung an. Aus einem mit Eisen- und Glasspänen und Wasser oder Flaschen gefüllten Bottich ragen Eisenstäbe, die als Konduktoren ein heilendes magnetisches Fluidum ausstrahlen sollen, während die Glasharmonika elektrische Musik spielt. Graf Sharbek Korzybskis nicht-aristotelische Hirnschulung wird an einem structural differential oder Anthropometer vorgenommen und das E-Meter der Scientologen soll Thetanenspuren nachspüren. Da verwundert es nicht, wenn auch zur Quantentherapie entsprechende Neugottmaschinen angeboten werden, die Erinnerungen an den Mesmerschen Magnetismus aufkommen lassen. Den größten Eindruck unter den Angeboten macht auf den Kunden quantentherapeutischer Göttermenschen-Geräte vielleicht das Quantron Resonanz System bzw. QRS®. Auch hier haben wir nämlich wieder einen Fall, indem sich ein Mitglied der Wissenschaftselite und das populärwissenschaftliche neomythische Interesse sowohl der Geschäftemacher als auch der selbst gläubigen Therapeuten und Heilung suchenden Kranken miteinander verbinden. Kein geringerer Topwissenschaftler wie der zweifache us-amerikanische Nobelpreisträger Linus Pauling (1901-1994), der 1954 den Nobelpreis für Chemie und 1963 – nachträglich für 1962 zuerkannt – den Friedensnobelpreis für seine Kritik an Atomwaffentests erhielt, empfiehlt dieses Gerät beziehungsweise Therapiesystem: „QRS® ist ein Segen für die Menschheit, vom Säugling bis zum Greis“1 Pauling ist in der populärmedizinischen Welt bekannt geworden durch seine Behauptung, dass man durch die Zugabe von viel Vitamin C seine Lebenszeit um fünfundzwanzig Jahre verlängern könne. Er ist der Begründer der in der Fachwelt nicht anerkannten orthomolekularen Medizin und empfiehlt zur Heilung bzw. konservativen Behandlung nahezu aller Krankheiten hochdosierte Zugaben von Vitaminen und Mineralstoffen. „Die Wissenschaft hat inzwischen herausgefunden: Eine Körperzelle verwandelt nicht nur die ‚Geheimcodes‘ der Hormone in eine biologische Sprache, sondern verfügt auch über spezielle Rezeptoren, die offensichtlich auf Quantenfelder reagieren. Quanten-Felder besitzen die besondere Eigenschaft, den Körper widerstandslos auf sanfte Weise zu durchdringen … QRS® hat dieses Naturprinzip in genialer Weise imitiert“2.

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Zit. nach: http://www.qrs101.de/de/qrs-technik.html Zit. nach: http://www.qrs101.de/de/qrs-technik.html

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QUANTENPHYSIK – QUANTENMETAPHYSIK – QUANTENTHERAPIE

Man erreiche damit eine „(s)chonende und nachhaltige Regeneration von Blut und Körperzellen“1 und erreiche durch diese Magnetfeldtherapie „mittel- bis langfristig den Effekt einer ‚Verjüngungskur‘“. Wenn man keinen Nobelpreisträger hat, so setzt man einen „Akademiker der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften. (UAW), Direktor des wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Informations-Wellen-Therapie, Wissenschaftlicher Leiter des wissenschaftlich-medizinischen Forschungszentrums für InformationsWellen-Therapie (IWT) ‚Biopolis‘, Präsident der internationalen Assoziation der Ärzte IWT. Dr. techn. Full Prof. Ph.D, Grand Ph.D in Medical Engineering and Medical Physics“2 als Aushängeschild für den Vertrieb des Quantentherapiegerät(es) Rikta 04/4 ein. Zwischen „5 für die Behandlung bestimmter Krankheiten und Symptome konfigurierten Programme()“ könne man wählen. Wer dieses TerraQuant InfrarotLaser-Therapiegerät der Firma Medical Quant kaufe, erwerbe ein Gerät, in dessen Konzeption sich durch die „Quantenmedizin … medizinisches Wissen mit fernöstlichem Heilwissen und moderner Medizintechnik“ verbänden. Genutzt würden bei diesem „ausschließlich mit natürlichen Schwingungen“ arbeitenden Gerät Schwingungen „die die Zelle seit Urzeiten kennt“. Auf der Basis derartiger Informationen kann die stellvertretend für viele AnbieterInnen sprechende Heilpraktikerin Ute Rosenberger-Knau selbstbewusst feststellen: „Das Wesen, die Herkunft und die therapeutische Wirkung von Strahlen wurde gründlich erforscht“3. In der „Quantenmedizin“ werde – so die Werbung für das HandyCure RX – davon ausgegangen, dass Erkrankungen auf einen „Energieabfall der Zellen“4 zurückzuführen seien. Aus diesem Grunde sei es notwendig, die Zellen zu „energetisieren, um dem Körper die Kraft zu geben, sich selbst zu helfen“. Hilfsmittel dazu sei das HandyCure RX. Durch die „einzigartige Kombination von Softlaser, Magnetfeld, Rotlicht und Infrarot im HandyCure RX können positive therapeutische Ergebnisse innerhalb kurzer Zeit bewirkt werden“5. Das VIDJAS Magnet-Infrarot-Lasertherapiegerät6 wird als „das ideale Quantentherapiegerät für Privatanwender“ und als der „ideale Familiendoktor“ angepriesen. Ohne auf das Göttermenschen-Gerät speziell einzugehen wird dann die

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Zit. im Folgenden im Ausgang von: http://www.ebiomed-gschwender.de/qrs/qrs.htm Zit. nach http://www.quantta.de/about/ Zit. nach: http://www.naturel.biz/die_sanfte medizin_des_21_jahrhunderts_quantentherapie geraet_rikta_04_4.htm Zit. nach: http://www.naturheilpraxis-rosenberger-knau.de/docs/22776/quantentherapiemit-rikta.aspx Zit. im Folgenden nach http://www.heureka-wp.com/heureka/action-list/cat_id-29/seite1/liste.html Zit. im Folgenden nach: http://www.darmvital.net/index.php/vidjas-magnet-infrarotlasergerat-1.html bzw. http://www.darmvital.net/index.php/produkte/vidjas-magnet-infrarotlasergerat.html

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Behauptung aufgestellt, dass bereits „über 200 Krankheiten mit Hilfe der Quantenmedizin erfolgreich behandelt“ worden seien. Die Quantentherapie „betrachtet menschliche Prozesse als Organisation elektromagnetischer Wellen. Quantenphysik, Quantenbiologie und Quantenchemie liefern dazu die wissenschaftliche Grundlage“. Physioscan1 heißt ein Russisches Quantentherapie-Gerät, das unsere Gesundheit bewahren soll. Russische Ingenieure und Ärzte hätten eine „QuantentherapieTechnik“ in Auseinandersetzung mit der Frage nach der Gesundheitsprävention bei langen Weltraumflügen entwickelt, die zwar keine ärztliche Diagnostik ersetzen könnte, aber in der Lage sei, „unseren Energiezustand sichtbar zu machen und so die Auswirkung unserer Emotionen und Gefühle auf unser Wohlbefinden und unseren Körper zu erkennen. Dies zeigt uns, was wahre Medizin eigentlich sein sollte: PRÄVENTIV!“ Für unsere Gesundheit sei Frequenzielles Gleichgewicht von größter Bedeutsamkeit und da bietet es sich wohl an, Werbung für ein Gerät zu machen, von dem die Behauptung aufgestellt wird, es könne „ca. 250 Organe und Gewebe analysieren!“ Eine „Resonanzkammer zur Prüfung des Heilmittels und Zubereitung/Herstellung von Dynamisationen“ dürfen dann natürlich nicht fehlen. Damit ist der Bereich der neomythischen Nutzung quantenphysikalischer Theorien bis zu seinem Ende kolportiert. Oben und Unten der Wissenschaft und des Populärwissens, Raum und Zeit, der gesamte Kosmos in seinem Sein werden in einer großen Kolportage zusammengebunden und schaffen Heilshoffnungen. Die raumzeitlich größte Kolportage steht dann noch aus: der konkrete raumzeitliche Kosmos und die Naturgeschichte.

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Zit. im Folgenden: http://www.physioscan.ch/indexdeutsch.php sowie http://www.spiritualitaet-eichfuss.de/produkte8.htm und http://www.quantta.de/about/

Neunter Hauptteil: Suche nach Geborgenheit im Kosmos – Aufbrüche in den Weltraum § 30 Der physikalische Kosmos und der neomythische Cosmologic turn I.

Kosmologie im Kontext einer evolutionären Weltanschauung

1.

Nichts Neues unter der Sonne?

Neomythische Fantasien über die Selbstvervollkommnung des Menschen und sein Geliftetwerden über eine vermeintliche ‚jetzige Evolutionsstufe‘ hinaus setzen ein Bild von Menschheitsgeschichte1 voraus, das erst durch die Evolutionstheorie möglich wurde. Bilder von der Menschheitsgeschichte, die diese bis zur Gegenwart auf einen Zeitraum von sechstausend bis achttausend Jahren beschränken, können etwa die Existenz von versteinerten Fossilien eigentlich gar nicht zulassen. Wenn dann noch dazu ein Schöpfungsbegriff vorausgesetzt wird, der den Jetztzustand der Tier und Pflanzenwelt in die Anfänge verlegt, ist Evolution nicht denkbar. John Ray (1627-1705), ein britischer Theologe und Naturforscher, schreibt 1703: „Schauen wir doch an, was uns die Erfahrung lehrt: die Elemente sind stets dieselben, die Arten ändern sich niemals, Samen und Keime sind von vornherein auf die Bewahrung alles Seienden angelegt …; so daß wir sagen können, es gibt nichts Neues unter der Sonne, keine Art, die nicht schon von Anfang an da gewesen wäre“2. Charles (-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de) Montesquieu (16891755) schreibt 1721 in seinen Persischen Briefen hingegen: „Ist es denn möglich, daß diejenigen, die die Natur verstehen und eine vernünftige Gottesvorstellung haben, glauben, die Materie und die geschaffenen Dinge seien erst sechstausend Jahre alt?“3. In den Diskussionen über Kosmos-, Natur- und Menschheitsgeschichte nach Charles Darwin ergibt sich weiter eine Spannung zwischen der weitreichenden biologischen Perspektive und der zunächst einmal geringere Zeiträume ansetzenden Geologie4. Eine weitere Pointierung quantitativ weitreichender und irreversibler Zeitlichkeit des Kosmos kommt durch Nicolas (Léonard Sadi) Carnots, Rudolf 1 2 3 4

Den Terminus Cosmologic turn übernehme ich von Alexander Seibold (2014). Zit. nach Whitrow, 1991, 235f. Zit. nach Whitrow, 1991, 236. Vgl. Whitrow, 1991, 237-241.

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Clausius‘ und William Thomsons (Lord Kelvin; 1824-1907) Untersuchungen über Dampfmaschinen und den daraus entspringenden zweiten Hauptsatz der Thermodynamik1 in den Blick, da die Physiker hier die Idee eines ‚Wärmetodes‘ des Universums entwickeln. Durch diese Theorie wird die Möglichkeit einer gesamtkosmischen irreversiblen Entwicklung ins ‚Nichts‘ sichtbar und damit ein kosmischer Einspruch gegen jeden Fortschrittsglauben. Letztere Möglichkeit bietet für eine neomythische Betrachtung natürlich einen markanten Stein des Anstoßes, weil hier die radikale Endlichkeit des Kosmos als solche – und noch dazu ohne die Voraussetzung eines bergenden, personalen Wirklichkeitsgrundes – virulent wird. So ergibt sich für den Fortgang dieser Untersuchung folgerichtig, dass wir im nächsten Schritt nach dem Bezug auf das allgemeine Grundlagenthema der Quantenphysik und ihre neomythischen Auslegungsmöglichkeiten danach fragen, wie in den Bereich des neomythischen Glaubens tendierende bzw. mögliche Absprungpunkte bietende kosmologische Modelle aussehen. Wenn wir dann neomythische Weltbilder im Blick auf den ganzen Kosmos und seine Geschichte beziehungsweise auf seine mögliche ‚absolute‘, das heißt jenseits der Endlichkeit entwickelte Zukunft hin betrachtet haben, wird der nächste Schritt die Frage nach der neomythischen Entwicklung der Menschheit und die nach den ‚göttermenschlichen‘ Entwicklungsmöglichkeiten des Individuums sein. Immanuel Kants kosmologisches beziehungsweise geschichtsphilosophisches Modell soll uns dabei als Ouvertüre dienen. Es bietet nämlich Anknüpfungspunkte sowohl für die aktuelle physikalische Kosmologie als auch für ihre neomythischen Interpretationen im Kontext eines unbewussten Evolutionsgottes.

2.

Immanuel Kant: Naturgeschichte und pragmatische Geschichtsschreibung

Hätte Immanuel Kant nur seine Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen (1755) veröffentlicht, so wäre er zumindest in die Geschichte der physikalischen Kosmologie eingegangen. Kant entwickelt einen empirisch gestützten, aber philosophisch unterbauten Begriff von Kosmosgeschichte. Dabei postuliert er auf der einen Seite die Möglichkeit einer mechanischen Betrachtungsweise, durch die er „die Bildung der Weltkörper selber und den Ursprung ihrer Bewegungen aus dem ersten Zustande der Natur durch mechanische Gesetze herzuleiten“2 in der Lage sei. Auf der anderen Seite setzt er aber auch implizit eine über die mechanische Perspektive hinausgehende Bedeutung der chemischen Qualitäten der Materie voraus.

1 2

Zum Entropiebegriff vgl. Mainzer, 1996, 56ff. Kant, I/221.

DER NEOMYTHISCHE COSMOLOGIC TURN

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Aus dieser doppelten Perspektive1 formuliert er dann ein Modell vom Anfang unseres Universums. „Ich nehme an: daß alle Materien, daraus die Kugeln, die zu unserer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und Kometen, bestehen, im Anfange aller Dinge in ihren elementarischen Grundstoff aufgelöset, den ganzen Raum des Weltgebäudes erfüllt haben, darinn jetzt diese gebildete Körper herumlaufen. Dieser Zustand der Natur, wenn man ihn auch ohne Absicht auf ein System, an und für sich selbst betrachtet, scheint nur der einfachste zu sein, der auf das Nichts folgen kann. Damals hatte sich noch nichts gebildet. Die Zusammensetzung von einander abstehender Himmelskörper, ihre nach den Anziehungen gemäßigte Entfernung, ihre Gestalt, die aus dem Gleichgewichte der versammleten Materie entspringt, sind ein späterer Zustand. Die Natur, die unmittelbar mit der Schöpfung gränzete, war so roh, so ungebildet als möglich. Allein auch in den wesentlichen Eigenschaften der Elemente, die das Chaos ausmachen, ist das Merkmal derjenigen Vollkommenheit zu spüren, die sie von ihrem Ursprunge her haben, indem ihr Wesen aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes eine Folge ist. Die einfachsten, die allgemeinsten Eigenschaften, die ohne Absicht scheinen entworfen zu sein; die Materie, die bloß leidend und der Formen und Anstalten bedürftig zu sein scheint, hat in ihrem einfachsten Zustande eine Bestrebung, sich durch eine natürliche Entwickelung zu einer vollkommenern Verfassung zu bilden“2. Später wird dieser Gesichtspunkt einer über die Physik auch zur Chemie hinausgehenden Kosmologie, die eine „Bestrebung“ zu einer „vollkommenern Verfassung“ enthaltende Materie denkt, von Kant deutlicher formuliert. In der 1785 publizierten Schrift Über die Vulkane im Monde merkt er an: „Wenn man annimmt …, daß der Urstoff aller Weltkörper in dem ganzen weiten Raume, worin sie sich jetzt bewegen, Anfangs dunstförmig verbreitet gewesen, und sich daraus nach Gesetzen zuerst der chemischen, hernach und vornehmlich der kosmologischen Attraction gebildet haben …“3. Die Anschlussfähigkeit eines solchen Modells als Vorläufer des Urknallmodells liegt auf der Hand. Behalten wir nun den Gesichtspunkt von Kant, es gebe eine „Bestrebung“ zu einer „vollkommenern Verfassung“ in der Materie gleichsam im Hinterkopf und beziehen ihn im nächsten Schritt, weit über Kant hinausgehend und in die materialistische Naturphilosophie des 19. Jahrhunderts hineinreichend4, auf seine Geschichtsphilosophie5. Kants Leitfrage im Hinblick auf die Menschheitsgeschichte lautet: „Wie ist … Geschichte a priori möglich?“6. Da eine theoretische Erkenntnis, das heißt eine

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Vgl. dazu Fritscher, 2001, 519f. Kant, I/263. Kant, VIII/74. Auf diese Stelle macht Fritscher, 2001, 519 aufmerksam. Vgl. dazu Hauser, Bd. 1/182-212. Hier beziehe ich mich auf Hauser, 1983. Kant, VII/79f.

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empirische Erfahrung, zukünftiger geschichtlicher Entwicklungen nicht möglich sei, sei Geschichte a priori nur möglich als praktische Geschichtsschreibung1. Ein Prinzip a priori in der Geschichte der Menschheit zu suchen bedeute unter praktischem Gesichtspunkt, dass der „Wahrsager die Begebenheiten selber macht und veranstaltet, die er zum voraus verkündigt“2. Kant geht von der Voraussetzung aus, dass die Französische Revolution und das mit ihr zu Tage tretende Freiheitsethos und Interesse an Moralität ein eindeutiges und nicht mehr rückgängig zu machendes Indiz für den Fortschritt der Menschheit sei. Wenn man nun dieses ‚praktische‘ Prinzip a priori der Menschheitsgeschichte im Hinblick auf seine Verwirklichung nicht in die Menschheit allein sondern in ein kosmisches Gesamtsubjekt, den unbewussten Evolutionsgott, legt, dann hat man aus dieser begrifflichen Grundkonstellation Kants einen Leitfaden zur Orientierung im Feld neomythischer Kosmologien, aus denen ein Anschluss an evolutionistische Modelle bis hin zur Menschwerdung und zum Subjektwerden des Kosmos zu entspringen vermag. Um uns diese Absprungmöglichkeit zur Metaphysik der Kosmosgeschichte näher vor Augen zu führen, bedarf es einiger Hinweise auf metaphysikträchtige Aspekte der heutigen physikalischen Kosmologie.

II.

Metaphysikträchtige Aspekte heutiger Kosmologie

1.

Viele Fragen angesichts raumzeitlicher Losigkeit

Im vorangegangenen Paragraphen wurden mit der Quantenphysik die grundlegenden Denkfiguren der neomythischen Fiktionen der Science prinzipiell auch schon für die entsprechende religionsförmige Rezeption physikalischer Kosmologie grundgelegt. Aus diesem Grund ist es nicht notwendig in entsprechender Breite auf heutige kosmologische Fragen einzugehen. Das Schwergewicht wird auf der naturgeschichtlichen Perspektive und den Indikatoren für Metaphysikträchtigkeit liegen. Deshalb suchen wir in diesem Kapitel zugleich – wie im letzten Paragraphen anhand der Quantenphysik – nach Absprungpunkten, in denen ein Metaphysik evozierendes Moment steckt. Leiten wir aus diesem Grund die Skizze der für uns wichtigen Aspekte der physikalischen Kosmologie mit einer Reflexion auf Symmetrie ein3. Eine Kugel die nur um ihren Mittelpunkt drehbar ist, ist hoch symmetrisch, da jede Drehung dazu führt, dass die Kugel am Ende wieder so aussieht wie vorher. Man kann mit Greene sagen, dass die „Symmetrien eines Objekts die realen oder vorgestellten Mani1

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Über den die ganze Menschheit betreffenden Charakter dieser Frage vgl. Kant, XV/ 650f., Reflexion Nr. 1471a. Kant, VII/ 80. Vgl. dazu im Folgenden Greene, 2006, 256-262.

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pulationen, denen es unterzogen werden kann (sind, L.H.), ohne dass sich sein Erscheinungsbild verändert“1. Es gibt Symmetrien allerdings nicht nur von Objekten im Raum, sondern es existieren auch Symmetrien bei physikalischen Gesetzen. In der Physik wird der Symmetriebegriff dann abstrakter verwendet. In diesem Falle wird gefragt, welche Manipulationen man an diesen Gesetzen oder ihrer Umgebung vornehmen kann, ohne dass die Gesetze sich ändern. Die Physik geht davon aus2, dass ihre Gesetze im ganzen Kosmos gelten, auch wenn wir nur ungefähr begrenzte Milliarden Lichtjahre weit in das Universum hinein ‚sehen‘ können. Es gibt für uns keinen ‚Raum‘ im Universum in dem andere Gesetze gelten (Translationssymmetrie). Diese Voraussetzung wird auf der einen Seite durch astronomische Beobachtungen, die in immer weitere Räume vorstoßen gestützt, aber natürlich nicht abschließend verifiziert. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die, dass im Weltall keine Richtung über die andere dominiert (Rotationssymmetrie). Beide Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Kosmologie nicht empirisch verifizierbar, sondern bleiben a priori. Mit dem weit über diese beiden Gesichtspunkte hinausreichenden physikalischen Symmetriegedanken3 haben wir einen ersten möglichen Absprungpunkt in das oftmals so trübe Reich des Drüben, mit dem sich nach Ansicht von vielen die Metaphysik zu beschäftigen scheint, erreicht. Zwar kann man sicher sein, dass man nicht in einem vollkommen symmetrischen Universum lebt, weil wir dann sozusagen unser Spiegelbild für uns selbst halten würden (Spiegelinvarianz)4. Wir haben schon im Kapitel über die Quantenphysik feststellen können, dass fachliche Termini, die eine alltagssprachliche Nähe besitzen und zugleich eine fundamentale Seite unserer Wirklichkeit zur Sprache zu bringen scheinen, geradezu danach rufen, aus ihrem üblichen Kontext herausgenommen zu werden. Diese dann im Gebrauch persuasiven Begriffe führen aber noch den alten emotionalen Klang des früheren Gebrauchs mit sich. Im Falle der Symmetrie wird dann das Gefühl eindeutiger empirischer und hoch wissenschaftlicher Solidität transportiert. Im persuasiven Gebrauch kann der Symmetriebegriff ausgeweitet werden in Richtung der Vorstellung einer faktisch gegebenen kosmischen Harmonie oder – neomythisch noch viel interessanter – einer im Werden begriffenen Harmonie in Evolutionszeiträumen, die gerade im Heute zu einem ‚Quantensprung‘ in der Evolution führen werde. Ein Gesichtspunkt, der uns zu einem weiteren Aspekt unseres Kosmos und einem entsprechenden metaphysischen Absprungpunkt führen wird, hängt auch mit den Symmetriegedanken zusammen: Wenn es im Kosmos eine vollkommene Symmetrie ‚von allem‘ gäbe, würde es (für uns) keine Zeit geben, weil nichts sich verändern würde. 1 2 3 4

Greene, 2006, 256. Vgl. dazu im Folgenden Greene, 2004, 256-262. Ich orientiere mich im Hinblick auf die Symmetrie hier an Atkins, 2006, 227-278. Vgl. Atkins, 2006, 271.

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Mit der Frage nach der Zeit taucht die Frage nach der Geschichtlichkeit des Kosmos auf1. In einer Radiosendung über Continous Creation kreiert der englische Mathematiker und Astronom Fred Hoyle (1915-2001) 1949 den Terminus Big Bang. Er spricht dort von früheren Theorien, die von der Hypothese ausgegangen seien, dass alle Materie im Universum in einer weit zurückliegenden Zeit „was created in one big bang“2. Die Geburtsstunde der Big Bang-Theorie schlägt möglicherweise mit den Forschungen von Vesto Slipher (1875-1969), der 1912 Farbveränderungen von Galaxien als Indikatoren einer Bewegung untersucht und dabei herausfindet, dass sich von den einundvierzig von ihm erforschten Galaxien sechsunddreißig von uns entfernen. Gestützt auf die Ergebnisse und auf Forschungen von Henrietta Swan Leavitt (1868-1921) über Helligkeit und Entfernungen von Sternen entdeckt Edwin Powell Hubble (1889-1953) ab 1929, dass sich Galaxien mit hoher Geschwindigkeit von der Erde entfernen und dass sich darüber hinaus diese Geschwindigkeit mit wachsender Entfernung von der Erde steigert. Diese Forschungen führten zu einer wissenschaftlichen Revolution in der Astronomie. Bislang galt das Universum „nach vorgefasster wissenschaftlicher und philosophischer Meinung in seiner Gesamtheit als statisch, ewig und unveränderlich“3. Dabei wurde eher von der Existenz einer einzigen Galaxis ausgegangen. Nun bekommt das Weltall seine eigene zeitliche Dynamik und die Unübersichtlichkeit eines Kosmos mit vielen ungeheuer weit auseinander liegenden Galaxien nimmt noch einmal zu. Mit diesen Forschungen ergibt sich schrittweise die Hypothese, dass sich das Universum ausdehne, weil es einen Anfang – Big Bang – habe. Dabei wird heute der Zeitraum unserer Vergangenheit auf ungefähr fünfzehn Milliarden Jahre festgelegt. Physikalische Rekonstruktionen beziehungsweise Spekulationen über den Anfang ragen in einem Bereich hinein, in dem das Universum den Durchmesser einer Planck-Länge (1,6 ∙ 10-32m) 5,4 ∙ 10-44 Sekunden nach seinem Beginn und die Temperatur von 1,4 ∙ 1032 Grad Kelvin hatte. Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass unsere Wahrnehmung eines sich ausdehnenden Universums nicht impliziert, dass wir im Mittelpunkt eines sich von uns her ausdehnenden Universums stehen. Die Astronomie siedelt sich dadurch im Bereich der evolutiven Perspektive der Moderne an. Eine andere Missverständnisse erweckende Vorstellungsweise ist es, sich den Big Bang als eine große Explosion in einem Raum vorzustellen. So ist etwa das Bild eines Gottes vorstellbar, der in seinem räumlichen Himmel sitzt und mit den

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Vgl. dazu im Folgenden Greene, 2006, bes. 254-344 und Atkins, 2006, 329-379. Hoyle, 1949; zit. nach: http://www.blancmange.net/2011/08/26/origin-big-bang-fred-hoyle/ Greene, 2006, 266.

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Fingern schnipst und so den Urknall hervorbringt beziehungsweise das anfangs so kleine Universum dann in seiner Ausdehnung beobachtet. Der Urknall fand nicht irgendwo statt, sondern mit ihm ist erst das ‚Überall‘ von Räumlichkeit gesetzt. Der Big Bang „geschah überall“1. Innerhalb dieser Rahmenvorstellung gibt es viele Vorstellungsmöglichkeiten. Beispielsweise könnte unser Universum nicht den Anfang der Zeit bilden, sondern es könnte prinzipiell ein Spross in einem weitverzweigten Geflecht von Universen in einem Überuniversum sein, der selbst Keime anderer Universen ausbildet. Durch solche Denkmöglichkeiten2 erhält eine neomythische Spekulation viel Spielmaterial. Ausgehend von der (immer weniger anerkannten) Stringtheorie, die das Elementarteilchenproblem von ‚Schwingungsfeldern‘ her thematisiert, sprechen Kosmologen von zehn räumlichen Dimensionen, zu denen dann noch als elfte die Zeit hinzukomme. Auch hier tun sich für religionsförmige Interessen faszinierende Perspektiven auf. In welcher dieser Dimensionen ist der Bereich der parapsychischen Fähigkeiten anzusiedeln? Können wir Elfen und Kobolde nur deshalb so schlecht wahrnehmen, weil sie in der achten Raumdimension leben? Viele Vermutungen können angestellt werden. Metaphysisch brisant wird die Kosmologie auch im Hinblick auf die Frage nach dem Ende des Universums3. Eine Pointierung quantitativ weitreichender und irreversibler Zeitlichkeit des Kosmos kommt – wie schon eben angesprochen – durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik4 mit der Idee eines ‚Wärmetodes‘ des Universums in den Blick. Es kann sich dann die Frage stellen, ob man die radikale Endlichkeit des Kosmos durch spirituelle oder technologische Mittel aufheben kann. Rudolf Clausius (1822-1888) führt die Idee eines „Verwandlungswertes“ der Wärme ein. Die spontane Zunahme von Wärme in isolierten Systemen verweise auf irreversible Prozesse5. 1865 verwendet er den Terminus der Entropie als Grundlage einer Wärmetheorie und formuliert die beiden Sätze: „1. Die Energie der Welt ist konstant. 2. Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu“6. Nach einem heute geläufigen Szenario werde mit einem Erlöschen der Sonne zu rechnen sein, das in etwa zehn Milliarden Jahren stattfinden werde. Die Sonne werde anschwellen und zu einem Roten Riesen werden, dabei werde die Erde zunächst verkohlen und dann in die Sonne stürzen. Vielleicht vergrößere sich die Umlaufbahn der Erde um die Sonne in diesem Prozess aber auch und die Erde werde verwaist in den leeren Weltraum hinaus gestoßen. In etwa hundert Billionen

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Atkins, 2006, 344. Vgl. Atkins, 2006, 369-370. Vgl. zum Folgenden: Atkins, 2006, 377-379. Zum Entropiebegriff vgl. Mainzer, 1996, 56ff. Vgl. Mainzer, 1996, 57. Clausius, 1867, 44.

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(1014) Jahren würde das Zeitalter der Sternenbildungen vorbei sein und die Galaxien würden aus Weißen und Braunen Sternen und aus Schwarzen Löchern bestehen. Die Schwarzen Löcher würden die Sterne fressen und in ungefähr hundert Billionen Billionen Jahren (1026) würde dieser Fraß zu Ende sein. Die Schwarzen Löcher würden dann die Masse von ungefähr zehn Milliarden Sternen besitzen und trotzdem weiterhin im Universum ‚hungrig‘ umherschleichen, um zu schlucken, was zu schlucken ist. Weil es aber aus den Teilchen-Antiteilchen-Paaren am Rande des Ereignishorizontes eines Schwarzen Loches zu einer Konstellation kommen könne, in der ein Teilchen außerhalb und ein Teilchen innerhalb des Horizontes gebildet werde, könne einer der Partner entkommen und auf diese Weise dem Schwarzen Loch Energie rauben (Hawking-Strahlung). Diese Verringerung der Energie eines Schwarzen Loches mit der Masse einer Galaxie werde etwa 1098 Jahre andauern. Am Ende dieses Prozesses (in 10100 Jahren) werde das Universum aus elektromagnetischer Strahlung, Elektronen und Positronen bestehen. Elektronen und Positronen würden sich begegnen, einander vernichten und zu elektromagnetischer Strahlung werden. Mit der weiteren Ausdehnung des Universums würde die Wellenlänge der Strahlung so gedehnt, dass am Ende nichts als „tote() flache() Raumzeit“1 zurückbleibe. „Und doch ist unser Ende anders als unser Anfang. Am Anfang gab es nichts – absolut nichts. Am Ende dagegen wird es einen absolut leeren Raum geben“2. Auch wenn es nicht vorstellbar ist, dass eines meiner Urururenkel oder irgendein anderes endliches vernünftiges Wesen einst diesen leeren Raum erleben wird, so haben wir hier doch einen beträchtlichen physikalischen Einspruch gegen alle Vorstellungen über das, was ‚eigentlich‘ an Schönem, Wahrem und Gutem bleiben sollte. Eine Art metaphysischer Instinkt konfrontiert uns mit der – vielleicht absurden, aber doch nicht zu leugnenden – Sehnsucht nach einem begründeten Sinnpostulat (Bernhard Welte). Menschliche Religiosität, als Geneigtsein nicht endlich zu sein, scheut vor dem Gesichtspunkt zurück, dass alles Wesentliche und Gültige unseres Daseins in der Losigkeit (Samuel Beckett, 1906-1989) des leeren Universums versinkt. Jean Paul (eigentl.: Johann Paul Friedrich Richter, 1763-1825) lässt seinen Christus in posteschatologischer Situation sagen: „Ich ging durch die Welten, ich stieg in die Sonnen und flog mit den Milchstraßen durch die Wüsten des Himmels; aber es ist kein Gott. … Und als ich aufblickte zur unermeßlichen Welt nach dem göttlichen Auge, starrte sie mich mit einer leeren bodenlosen Augenhöhle an, und die Ewigkeit lag auf dem Chaos und zernagte es und wiederkauete sich“3.

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Atkins, 2006, 379. Atkins, 2006, 379. Jean Paul, 1986, 274. Vgl. dazu Hauser, Bd. 2/ 339f.

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Das eben skizzierte Bild, das der kosmologische Entwurf eines inflationären Universums zeichnet, ist noch radikaler. Hier gibt es noch nicht einmal mehr etwas, das ein kosmischer Wiederkäuer zerkauen könnte. Samuel Beckett hat die Suche nach einer möglicherweise sinnlosen Antwort auf die Frage nach dem Woher und Wohin des Lebens eindrucksvoll in die Geschichte vom Verwaiser (dépeupleur) gefasst. Seine Erzählung bietet eine Art Problemstellung für meinen weiteren Gedankengang. Beckett schildert in der distanzierten Sprache eines Verhaltensforschers, in methodischem Antihumanismus die Mechanismen des Verhaltens in einer „Bleibe, wo Körper immerzu suchen, jeder seinen Verwaiser. Groß genug für vergebliche Suche. Eng genug, damit jegliche Flucht vergeblich“1. In diesem Gehäuse gibt es Nischen, in die man mittels Leitern klettern kann. Alle „Körper“ befanden sich oder befinden sich auf der Suche nach etwas, das nicht artikuliert werden kann. „Ein Körper pro Quadratmeter also insgesamt rund zweihundert. Als nahe und ferne Verwandte oder Freunde oder Bekannte kennen sich eigentlich viele. Das Wiedererkennen wird erschwert durch das Gedränge und die Dunkelheit. In gewisser Hinsicht sind es viererlei Körper. Erstens diejenigen, die ohne anzuhalten herumgehen. Zweitens diejenigen, die manchmal anhalten. Drittens diejenigen, die, wenn sie nicht von ihrem Platz verjagt werden, nie den von ihnen eroberten verlassen … Viertens diejenigen, die nicht suchen oder Nichtsucher, die größtenteils an der Wand in der Haltung sitzen, die Dante ein seltenes mattes Lächeln entriß. ... Und weit davon entfernt, sich ihren allerletzten Zustand vorstellen zu können, in dem jeder Körper starr sein wird und jedes Auge leer, werden sie dahin geraten, ohne daß es ihnen bewußt wird, und werden sie so sein, ohne es zu wissen. Es wird dann nicht mehr das gleiche Licht sein und auch nicht mehr das gleiche Klima, ohne daß man vorhersehen könnte, was sie sein werden. Aber es ist damit zu rechnen, daß das erste mangels Daseinsberechtigung erloschen ist und das zweite in der Nähe von Null ruht. In der kalten Finsternis regungsloses Fleisch. Das wäre das Wichtigste über diese unter einem ersten Gesichtswinkel gesehenen Körper und über diese Vorstellung und deren Folgen, falls sie beibehalten wird“.2

Beckett schildert nicht nur die sinnlos umherirrenden „Körper“ in dieser Bleibe, sondern er lässt zugleich als erkenntniskritischen Kontrapunkt immer wieder die Formulierung „diese Vorstellung und deren Folgen, falls sie beibehalten wird“ einfließen. Diese Formulierung beendet auch den Schlussabschnitt des Buches.

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Beckett, 1972, 7. Beckett, 1972, 19-25 in Auszügen, Hervorhebungen durch L.H.

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Der us-amerikanische Physiker Brian Greene (*1963), einer der führenden Stringtheoretiker, schreibt über die Zukunftsperspektive einer solchen inflationären Kosmologie: „Wenn diese Überlegungen stimmen, wird das Universum in ferner Zukunft ein riesiger, leerer und einsamer Ort sein“1. „Wenn diese Überlegungen stimmen …“/ „diese Vorstellung und deren Folgen, falls sie beibehalten wird“ wird nicht von allen Vertretern der physikalischen Kosmologie geteilt. Die Gründe für eine andersartige Meinung sind dabei physikalischer Natur. Die Frage ist, ob möglicherweise ein unthematischer Bezug der physikalischen Kosmologie zu metaphysischen Fragestellungen besteht, der die Ergebnisse derselben beeinflusst.

2.

Wo wäre da noch Raum für einen Schöpfer? Steven Hawking verabschiedet Philosophie, Deismus und Theismus

Gibt man bei Google2 die Suchworte „Hawking“ und „Gott“ ein, dann erhält man ungefähr 545.000 Ergebnisse3. Fragt man in diesem Zusammenhang nach dem philosophisch versierten „Heisenberg“, findet man ‚nur‘ 225.000 Nennungen. Google bringt die Worte „Hawking“ und „Genie“ ungefähr 16.900.000-mal miteinander in Verbindung, bei „Einstein“ wird man mit dem Suchwort „Genie“ ‚nur‘ 2.690.000-mal fündig. Stephen Hawking gilt in der Öffentlichkeit als der Prototyp des Genies. Gnostische Bilder, die einen großen Lichtgeist in einem verfallenden Körper assoziieren, könnten hier eine Rolle spielen. Der britische Physiker Stephen William Hawking (*1942) hat von 1979 bis 2009 den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Cambridge inne. ‚Legendär‘ ist diese Professur durch Isaac Newton und Paul Dirac. Große Leistungen hat Hawking auf dem Gebiet der Physik der Schwarzen Löcher vorzuweisen (Hawking-Strahlung). In hohem Maße mit beigetragen hat zur Legendenbildung um Stephen Hawking seine 1963 diagnostizierte Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die ihn im Laufe der Zeit so behindert, dass er nur noch mittels eines Sprachcomputers kommunizieren kann, den er durch Augenbewegungen steuert. Bekannt wird Hawking durch spektakuläre Auftritte. Einige – neomythisch angehauchte – seien erwähnt: In der Episode Descent: Part 1 (1993) der Fernsehserie Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (original: Star Trek: The Next Generation)4 spielt Hawking – auf eigenen Wunsch5 – sich selbst. Der And-

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Greene, 2006, 343. Alle Angaben beziehen sich im Folgenden auf den 13. Januar 2012. Vgl. zu diesem Abschnitt: Hauser, 2013. Die Daten zum Film stammen aus: http://memoryalpha.de/episodes/episode.php?epid=tng152 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Stephen_Hawking

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roid Data, Zweiter Offizier auf der USS-Enterprise-D pokert dort mit Sir Isaac Newton, Albert Einstein und Stephen Hawking. Hawking spricht sich selbst (als Trickfigur) in drei Folgen der Trickfilmserie Futurama (Reincarnation, 2000; The Beast with a Billion Backs, 2008; Anthology of Interest I, 2011) und tritt in der seit 2007 produzierten Fernsehserie Masters of Science Fiction1 in den Folgen Watchbird (2007), Little Brother (2007), The Discarded (2007), Jerry Was a Man (2007) und The Awakening (2007) auf. Einer breiteren Leserschaft bekannt wird Hawking durch den 1988 erschienenen Weltbestseller A Brief History of Time. From the Big Bang to Black Holes (deutsch: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums) und andere – an diese Darstellung anknüpfende – Bücher und zuletzt 2010 durch The Grand Design (Der große Entwurf – Eine neue Erklärung des Universums). Die kurze Geschichte der Zeit wird bis 2002 neun Millionen Mal verkauft, in ungefähr vierzig Sprachen übersetzt und führt zweihundertsiebenunddreißig Wochen die Bestsellerliste der SUNDAY TIMES an2. Der große Entwurf hat zwar nicht diesen Guinnessbuch der Rekorde-Erfolg, landet aber auch auf den Bestsellerlisten. Für Hawking ist durch die moderne physikalische Kosmologie das Ende aller metaphysischen oder theologischen Fragestellungen gekommen3. In einem als grundlegend statisch verfassten Universum sei der Gedanke verständlich gewesen, dass dieses immer schon so wie heute ausgestaltete Universum durch einen Schöpfungsakt irgendwann ins Dasein gesetzt worden sei. Durch Edwin Hubbles Entdeckung, dass sich ferne Galaxien von uns fortbewegten und die damit sich ergebende Schlussfolgerung, dass sich das Universum ausdehne, sei es zu der Vermutung gekommen, dass es einen Urknall gegeben habe. Nun könne man den Schöpfer vielleicht noch als den Auslöser des Urknalls betrachten, jedoch habe er nicht mehr wie früher das Universum zu jedem beliebigen Zeitpunkt erschaffen können, sondern nur zu einem bestimmten. Hawkings Modell will diese Handlungsfähigkeit des Schöpfers dann nicht mehr einfach beschränken, sondern undenkbar werden lassen. Schon auf den ersten Seiten seines Buches über die kurze Geschichte der Zeit zeigt es sich, dass Hawking den auch bei Goswami und anderen Autoren üblichen Begriff von Gott als eines intelligenten Designers und psychisch eigentümlichen Herren des Kosmos und nicht als abgründigen bilderlosen Grund von allem vor Augen hat. Der Selbstverständlichkeit, mit der Metaphysik verabschiedet wird, entspricht bei Hawking eine analoge Selbstverständlichkeit im Hinblick auf den Anspruch an die Wahrheitstriftigkeit der heutigen empirischen Wissenschaften beziehungs-

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http://www.mastersofscifi.com/ Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Eine_kurze_Geschichte_der_Zeit Vgl. Hawking, 1988, 22f.

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weise speziell der Physik. Darüber hinaus vertritt er einen ontologisch außerordentlich starken Begriff von Wissenschaft überhaupt. Das letzte Ziel der Wissenschaft sei es, „eine einzige Theorie zu finden, die das gesamte Universum beschreibt“1. Beim Weiterlesen fällt allerdings auf, dass er die Frage nach einer Wissenschaft, die eine solche Theorie ausarbeiten könnte, dann wiederum reduktiv auf die Physik bezieht. Die globale Theorie soll also nicht menschliches Verhalten, individuelle Lebensperspektiven, sittliche Probleme, Ästhetik und vieles mehr auch noch rekonstruieren beziehungsweise antizipieren können. Diese Bereiche gehören nicht zum Alles erklärenden Theoriebereich. Hawking führt aus, dass die heutige Physik das Universum nicht mittels einer globalen Theorie beschreibt, sondern durch zwei fundamentale Teiltheorien – die allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenmechanik. Im nächsten Schritt werden von Hawking einige problematische Voraussetzungen gemacht, die allerdings als selbstverständliche und ‚logische‘ Folgerungen dargestellt werden. Erstens: „Wenn man der Meinung ist, daß das Universum nicht vom Zufall, sondern von bestimmten Gesetzen regiert wird, muß man die Teiltheorien zu einer vollständigen einheitlichen Theorie zusammenfassen, die alles im Universum beschreibt“2. Es ist aber nicht notwendigerweise so, dass durch eine Zusammenfassung der Perspektiven der allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik eine vollständige einheitliche Theorie entstehen wird, weil es möglicherweise über diese beiden Teiltheorien hinaus in Zukunft noch ganz andere Entwürfe geben könnte. Zweitens: Wissenschaftlichkeit setze voraus, „dass wir vernunftbegabte Wesen sind, die das Universum beobachten und aus dem, was sie sehen, logische Schlüsse ziehen können“3. Hawking schlussfolgert aus dieser Prämisse, dass wir deshalb auch in der Lage seien, „die Gesetze, die unser Universum regieren, immer umfassender (zu, L.H.) verstehen“4 – auch dies ist nicht selbstverständlich. Drittens: Für kurze Zeit wird durch Hawking noch einmal der auf Universalität zielende Theoriebegriff ausgeweitet. Eine umfassende Theorie des Universums würde „wahrscheinlich auch unser Handeln bestimmen. Deshalb würde die Theorie selbst die Suche nach ihr determinieren!“5. Hawking meint hier wohl eher statt Theorie die dahinterliegende mögliche universale Determination durch kosmische Gesetze. „If you know the wave function of the universe, why aren’t you rich?”

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Hawking, 1988, 25. Hawking, 1988, 27. Hawking, 1988, 27. Hawking, 1988, 27. Hawking, 1988, 27.

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Jedenfalls schlussfolgert er dann zunächst hypothetisch, dass diese Situation dazu führen könnte, dass wir determiniert seien, statt der richtigen Schlüsse die „falschen oder überhaupt keine Schlüsse“1 zu ziehen. Auf die Frage, wie man dieses Problem einer möglichen Determination zu falschen Schlussfolgerungen ausschalten könne, antwortet Hawking mit dem Verweis auf das Prinzip der natürlichen Selektion. Richtige Schlussfolgerungen seien überlebenswirksamer – auch hier sind Zweifel angebracht. Nach den Vorklärungen am Anfang seines Buches, dem Hinweis auf das Ende der Metaphysik in kosmologischen Fragen und dem Bezug auf eine Universalwissenschaft beginnt die eigentliche Darstellung, die in der Darlegung seiner kosmologischen Keine-Grenzen-These (no boundary proposal) und ihren, seiner Meinung nach notwendigen, metaphysischen Konsequenzen kulminiert. Hawking versucht einen dritten Weg zu gehen zwischen den physikalischen Alternativen einer Urknalltheorie und ihrer möglichen Vorstellung eines punktuellen Anfangs des Universums und dem Konzept eines inflatorisch expandierenden frühen Universums, das sich einst mit zunehmender und nicht abnehmender Geschwindigkeit ausgedehnt habe. Mit der seit 1981 diskutierten Inflationstheorie Alan Guths, die entwickelt wurde, um einige gravierende kosmologische Erklärungslücken zu füllen, zerbricht nämlich die durch Roger Penrose (*1931) und Stephen Hawking 1970 aufgestellte Theorie einer Anfangssingularität2. Die Anfangssingularität wird 1974 durch Penrose3 gefasst als „vergangenheitsraumartige“ Singularität, die für jedes andere Ereignis in der Vergangenheit liege, weil „alle zeitartigen Weltlinien“ von ihr ausgingen4. Dieses Modell geht von der Prämisse aus, dass die allgemeine Relativitätstheorie hinsichtlich ihres Modells von Schwerkraft als stets anziehender Kraft Recht habe. Die kosmologische Inflationstheorie meint hingegen, es habe am Anfang des Universums eine inflatorische Phase gegeben, in der sich der Kosmos (zwischen der Zeit t @ 10-35 sec und t @ 10-30 sec) exponentiell und nicht wie später linear ausgedehnt habe. Sie postuliert mit einem solchen Modell anfänglich zunehmender und nicht wie heute abnehmender Geschwindigkeit des sich ausdehnenden Universums, dass die Gravitationskraft „zeitweilig abstoßende, nicht anziehende Wirkung gehabt haben muss, wenn sich das Universum für kurze Zeit mit rasch zunehmender Geschwindigkeit ausgedehnt“5 haben soll. Stephen Hawking entwickelt deshalb alternativ zusammen mit Jim Hartle das Modell einer „singularitätenfreie(n) Darstellung des Raum-Zeit-Kontinuums des

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Hawking, 1988, 27. Vgl. Hawking/ Penrose, 1970. Vgl. dazu das Theorem (538) und die Zusatzbedingungen (544). Vgl. Penrose, 1974. Vgl. Evers, 2000, 101. Hermanni, 2011, 19.

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Kosmos“1. Eine der grundlegenden Voraussetzungen Hawkings besteht dabei darin, dass man in der extremen Annäherung an die Anfangssingularität in eine physikalische Situation gelange, die es erlaube, die Mikrophysik mit ihren Vereinigungssymmetrien auf die Kosmologie anzuwenden. Die Quantentheorie der Gravitation habe ergeben, dass „die Raumzeit keine Grenzen hat. Es wäre also gar nicht notwendig, das Verhalten an der Grenze anzugeben. Es gäbe keine Singularitäten, an denen die Naturgesetze ihre Gültigkeit einbüßten, und keinen Raumzeitrand, an dem man sich auf Gott oder irgendein neues Gesetz berufen müsste, um die Grenzbedingungen der Raumzeit festzulegen. … Das Universum wäre völlig in sich abgeschlossen und keinerlei äußeren Einflüssen unterworfen. Es wäre weder erschaffen noch zerstörbar. Es würde einfach SEIN“2. Hawkings Annahme beruht auf der Theorie der kosmologischen Auswirkungen von Richard Feynmans Pfadintegral-Formalismus3. Die klassische Physik beschreibt den Weg eines Elementarteilchens als eindeutige und geradlinige Bewegung (das Teilchen T bewegt sich zur Zeit tA vom Raumpunkt A zum Raumpunkt B zur Zeit tB). In der Quantentheorie geht es um die Wahrscheinlichkeit, gemäß der sich das betreffende Teilchen zur Zeit tA am Raumpunkt A und zur Zeit tB am Raumpunkt B befindet. Der Pfadintegral-Formalismus ermöglicht die Berechnung solcher Wahrscheinlichkeiten. Das kosmologisch Interessante oder vielleicht auch Verführerische dieser Methode besteht darin, alle Möglichkeiten zu betrachten, gemäß denen das Teilchen von A nach B in der betreffenden Zeit gelangen kann. Die Geschwindigkeit des Teilchens spielt dabei keine Rolle. In der Quantenkosmologie nach Hawking versucht man ausgehend von dieser Methode die Wahrscheinlichkeit des speziellen Zustandes unseres Universums zu berechnen, indem man von der Summe aller „Geschichtsverläufe, die vom Anfang des Universums bis zur Jetztzeit führen“4 auszugehen versucht. Eine wesentliche Voraussetzung dieses Keine-Grenzen-Modells besteht darin, dass hier der frühe Kosmos in seiner Ganzheit quantenmechanisch thematisiert werden könne. Diese Voraussetzung steht und fällt mit dem noch nicht vollzogenen Schritt einer akzeptablen Verbindung von Quantentheorie und Relativitätstheorie. Die physikalischen Voraussetzungen für eine solche Prämisse (etwa eine zureichende Quantenfeldtheorie der Gravitation), durch die erst eine Wellenfunktion des Kosmos angegeben werden könnte, stehen aber noch aus. In seinem Bestseller über die kurze Geschichte der Zeit formuliert Hawking noch erkenntnistheoretisch halbwegs moderat. Er verweist einerseits auf den hypothetischen Charakter

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Evers, 2000, 103. Hawking, 1988, 173. Vgl. North, 1997, 400f. http://www.einstein-online.info/vertiefung/Pfadintegral

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seiner Überlegungen („Vorschlag“1) und zum anderen auf mögliche außerphysikalische Motive im Hintergrund seine Theorie. „Wie jede andere wissenschaftliche Theorie mag sie ursprünglich aus ästhetischen oder metaphysischen Gründen vorgebracht worden sein, doch ihre Bewährungsprobe kommt, wenn überprüft wird, ob sie Vorhersagen macht, die mit den Beobachtungsdaten übereinstimmen. Das läßt sich allerdings im Falle der Quantengravitation nur schwer entscheiden“2.

Am Ende seines Buches greift Hawking seine Vision einer einheitlichen Theorie unseres Universums noch einmal auf. Dabei erweitert er gleichsam das Drei-Stadien-Modell von Auguste Comte (1798-1857), der die Geschichte der Menschheit als Abfolge dreier großer Stadien versteht3. Hawking entwickelt ein vergleichbares Schema, setzt ein viertes geistiges Stadium an den qualitativen Endpunkt der Menschheitsgeschichte und postuliert für dieses angebrochene Zeitalter ein höchstes Ziel. Sein Geschichtsmodell und seine Zielsetzung bilden den Rahmen für sein „Weltbild“4. Die „ersten theoretischen Versuche, das Universum zu beschreiben und zu erklären“5 hätten Naturerscheinungen als Handeln anthropomorph konzipierter, unberechenbarer Götter und Geister (Stadium 1) verstanden. Dann habe langsam das Bewusstsein der Unberechenbarkeit der Naturerscheinungen nachgelassen und die göttlichen Mächte seien immer mehr als Garanten von Berechenbarkeit und Regelmäßigkeit verstanden worden (Stadium 2). Seit ungefähr dreihundert Jahren habe sich eine Erfahrungswissenschaft etabliert, die immer virtuoser mit den Regelmäßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten unserer Wirklichkeit habe umgehen können und deshalb geschlussfolgert habe, dass das Universum und seine Entwicklung wie ein großer Mechanismus ablaufen würden (Stadium 3). In diesem Stadium sei der Glaube an Gott noch möglich gewesen. Im darin vorliegenden mechanistischen Weltbild gebe es noch einen realen Anfang des Universums und es sei vorstellbar, dass der Schöpfergott diesem Universum auch seine Gesetze gegeben habe. Das Gottesbild von Hawking bezieht sich hier nicht nur wie an anderen Stellen auf einen kosmischen Herrscher, sondern es ist auch eindeutig deistisch. Gott „enthält sich aber aller Eingriffe in das Universum, sobald der Anfang gemacht ist. Damit wurde Gott in die Gebiete abgedrängt, die die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts nicht verstand“6. Das vierte Stadium erwachse aus dem für Hawking eine Initialzündung darstellenden Erlebnis der Unbestimmbarkeitsrelation Heisenbergs. Wir könnten zwar Gesetzmäßigkeiten über die Entwicklung einer Welle angeben, seien aber mit nicht vorhersagbaren Zufallsmomenten konfrontiert, wenn wir uns der Frage 1 2 3 4 5 6

Hawking, 1988, 174. Hawking, 1988, 174. Vgl. Hauser, Bd. 1, 189-191. Hawking, 1988, 213. Hawking, 1988, 213. Hawking, 1988, 214.

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nach der Position und der Geschwindigkeit von Teilchen zuwendeten. Der letzte Grund für die Veränderung der Perspektive sei allerdings die physikalisch erwiesene Nutzlosigkeit Gottes unter der Voraussetzung einer Keine-Grenzen-Theorie des Universums. Wenn Raum und Zeit einen „endlichen, vierdimensionalen Raum ohne Singularitäten und Grenzen bilden“1 und das Universum „vollständig in sich abgeschlossen ist, ohne Singularitäten und Grenzen, und sich erschöpfend durch eine einheitliche Theorie beschreiben ließe“2, dann bedürfe es keines Gottes mehr. Von einem Schöpfer zu reden werde dann unsinnig. Die letzten Zeilen seines Buches über die kurze Geschichte der Zeit nutzt Hawking um eine wissenschaftstheoretische Utopie zu skizzieren, die zugleich auf eine thetawissenschaftliche Perspektive hinweist. „Wenn wir jedoch eine vollständige Theorie entdecken, dürfte sie nach einer gewissen Zeit in ihren Grundzügen für jedermann verständlich sein, nicht nur für eine Hand voll Spezialisten. Dann werden wir uns alle – Philosophen, Naturwissenschaftler und Laien – mit der Frage auseinandersetzen können, warum es uns und das Universum gibt. Wenn wir die Antwort auf diese Frage finden, wäre das der endgültige Triumph der menschlichen Vernunft – denn dann würden wir Gottes Plan kennen“3. Der Neomythos klopft an die Tür. Hawkings Modell im ersten Bestseller belässt es als Glaubensfrage für Physiker, ob der Urknall „nun der Anfang von allem war und nicht nur von unserem Universum. Ob mit ihm Raum und Zeit ins Dasein kamen oder ob er umgekehrt eine – wenn auch heftige – Episode in einer umfassenderen Raumzeit markierte. Und ob die Zeit endlich, ewig, kreisförmig oder eine Illusion ist oder ob sie eine Art ‚Pseudoanfang‘ besitzt“4. In seinem – zusammen mit dem us-amerikanischen Physiker und Sachbuchund Drehbuchautor Leonard Mlodinow (*1954) gemeinsam verfassten – späteren Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums (The Grand Design, 2010) schreibt Hawking in einem wesentlich kategorischer klingenden Stil. Versucht man Hawkings spätere Position systematisch zu rekonstruieren, so beginnt man am besten mit der Voraussetzung einer Faktizität, deren Kontingenzcharakter ausgeklammert wird. Mit dieser Ausklammerung steht und fällt Hawkings ganze Konzeption. Es handelt sich um das durch Hawking vorausgesetzte ‚Faktum‘ eines singulären Quantenvakuums. Da mit diesem Quantenvakuum kosmische Entfaltung in Gang gesetzt wird und zugleich erst in der Ausgestaltung dieses Prozesses aus der differenzierten Räumlichkeit des Quantenvakuums Zeit entspringt, gelangt Stephen Hawking zu der Auffassung, dass ein Schöpfungsakt Gottes am ‚zeitlichen Anfang‘ des Universums nicht mehr notwendig sei, 1 2 3 4

Hawking, 1988, 216. Hawking, 1988, 216. Hawking, 1988, 218. Vaas, 2010, 54.

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da es im singulären Quantenvakuum überhaupt keine Zeit sondern nur gestuften Raum gegeben hätte. Übersieht man diese Prämisse, erhält Hawkings Argumentation in ihrer populärphilosophischen Einfachheit und zur Identifikation einladenden Ressentimentgeladenheit gegenüber den Geisteswissenschaften (Philosophie) und einem als grundsätzlich mythisch verstrickt betrachteten religiösen Leben ein gewisse Plausibilität. Hawking setzt mit dem Bezug auf einige klassische Fragen der Metaphysik ein. „Wie können wir die Welt verstehen, in der wir leben? Wie verhält sich das Universum? Was ist das Wesen der Wirklichkeit? Woher kommt das alles? Braucht das Universum einen Schöpfer?“1 Mit seiner kurz darauf folgenden Frage „Why is there something rather than nothing?“ (im Original zitiert) – erhebt er noch einmal explizit metaphysische Ansprüche und führt noch zwei andere Warum-Fragen an, die er zu klären vorhat: „Warum existieren wir? Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes? Das ist die letztgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“2. Nachdem nun klargemacht worden ist, dass dieses Buch, das nicht umsonst den monumental klingenden Titel The Grand Design beziehungsweise Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums trägt, sich mit den wesentlichen und unhintergehbaren Fragen der Menschheit beschäftigen wird, wird im nächsten Schritt ein Alleinvertretungsanspruch im Hinblick auf letzte Fragen aufgestellt. Die Philosophie sei tot und an ihre Stelle sei die Physik getreten. „Traditionell sind das Fragen für die Philosophie, doch die Philosophie ist tot. Sie hat mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik, nicht Schritt gehalten“3. Am Ende des einleitenden Kapitels kündigt Hawking dann noch einmal weit reichende Antworten an. Mit der ersten Frage, auf die eine neue Antwort gegeben werden soll – „Why is there something rather than nothing?“4 – erhebt Hawking pointierter als am Anfang seines Buches metaphysische Ansprüche. Hawking führt noch zwei andere Warum-Fragen an, die er zu klären vorhat: „Warum existieren wir? Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes? Das ist die letztgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“5. Mit der Frage nach den spezifischen Gesetzmäßigkeiten unseres Universums schränkt Haw-

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Hawking/ Mlodinow, 2011, 11. Hawking/ Mlodinow, 2011, 15. Hawking/ Mlodinow, 2011, 11. Hawking/ Mlodinow, 2011, 15. Es ist sinnvoll hier auch das Original zu zitieren, um zu belegen, dass auch im Englischen von einem Warum geredet wird. Hawking/ Mlodinow, 2011, 15.

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king seine Perspektive allerdings, wie sich im Buch immer wieder zeigt, physikalistisch ein. Nun leitet Hawking seine Darstellung mit dem schon aus der kurzen Geschichte der Zeit bekannten Schema einer durch Stadien geprägten Geistesgeschichte ein, die an Undifferenziertheit und Oberflächlichkeit ihresgleichen sucht. Zunächst habe man Götter „erfinden“1 müssen, um die Welt zu erklären, dann habe man versucht, „einfachere Prinzipien“2 zu finden, ohne diese allerdings „experimentell zu verifizieren“3, später habe sich dann das „moderne Konzept der Naturgesetze“4 entwickelt. Die Problemstellung, die Hawking aus der Geistesgeschichte zieht, fasst er in den Anfragen zusammen, woher die Naturgesetze kämen, ob es Ausnahmen von diesen gebe (Wunder) und ob es nur eine Art möglicher Gesetze gebe5. Um diese Fragen zu klären, müsse die Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit gestellt werden. Ein objektivistisches Verständnis sei nicht mehr sinnvoll und deshalb vertrete er einen modellabhängigen Realismus. Darunter versteht er „die Vorstellung, dass eine physikalische Theorie oder ein Weltbild ein (meist mathematisches) Modell ist und einen Satz Regeln besitzt, die die Elemente des Modells mit den Beobachtungen verbinden“6. Dabei stelle sich nicht die Frage, ob das Modell ‚wirklich‘ sei. Unsere Gehirne interpretierten unsere Sinneswahrnehmungen und verfertigten ein Modell der äußeren Wirklichkeit. Weil nun die „Tatsache unserer Existenz“7 aus überlebenstechnischen Gründen nicht nur unsere Umwelt, sondern auch die „möglichen Formen und Inhalte() der Naturgesetze“8 normiere, bilden nach Hawking unsere Denkmöglichkeiten in ihrer Modellierungen der Wirklichkeit die Realität ab. Dieser Modellbegriff hat folgenschwere Konsequenzen. Wie schon in den vorangegangenen Abschnitten zur metaphysischen Interpretation der Quantenphysik durch Physiker und durch Vertreter der Quantentherapie deutlich wurde, verschwimmt das Verhältnis der Modalitäten in populären Interpretationen der Quantenphysik. Wirklichkeit und Möglichkeit bleiben hinsichtlich ihres Status ungeklärt. Dies resultiert u.a. daraus, dass Hawking meint, dass die Wellenfunktion ψ einem Element der Realität entspräche und damit eine messbare Größe wäre. Diese Interpretation ist nicht sinnvoll, weil die „Werte der Wellenfunktion ψ ... komplexe Zahlen (sind, L.H.), die wegen des imaginären Faktors i in der Schrödingergleichung zugelassen werden müssen. Daher kann die Wellenfunktion nicht unmittelbar beobachtet werden ...“9. Die Standardinterpretation der Quanten1 2 3 4 5 6 7 8 9

Hawking/ Mlodinow, 2011, 21. Hawking/ Mlodinow, 2011, 21. Hawking/ Mlodinow, 2011, 26. Hawking/ Mlodinow, 2011, 29. Vgl. Hawking/ Mlodinow, 2011, 32. Hawking/ Mlodinow, 2011, 42. Hawking/ Mlodinow, 2011, 154. Hawking/ Mlodinow, 2011, 154. Lillig, o.J., 142.

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theorie versteht die ψ-Funktion deshalb nur als Beschreibung von Wahrscheinlichkeiten, die erst durch die vollzogene Messung auf einen wirklichen Wert bezogen werden. Hawking entwirft zusammen mit anderen Quantenkosmologen das Modell eines Multiversums, in dem alles möglich ist und dieser globale Möglichkeitsraum wiederum mit Wahrscheinlichkeiten für konkrete Realisationen von Universen belegt wird, ohne dass er die Herkunft dieser Wahrscheinlichkeiten aus dem Raum der reinen Möglichkeiten hinsichtlich ihrer spezifischen Wirklichkeitstendenz beschreibbar macht. Hubert Goenner schreibt zu dieser Thematik: „Angesichts der Vielzahl von unverstandenen und ungeklärten Fragen kann die Quantenkosmologie gegenwärtig nicht als ein Teil der Physik mit einem Anspruch auf Beschreibung der Außenwelt (in Gestalt des Kosmos) akzeptiert werden“1.

Wesentlich sei nur der Bezug des Modells auf unsere Beobachtungen. Mit dem Verschwimmen des Wirklichen im Möglichen lösen sich auch die gängigen Maßstäbe des Universums in den Kontext eines unübersehbaren Multiversums auf. „Die Quantenphysik sagt uns, dass, egal wie gründlich unsere Beobachtungen der Gegenwart sein mögen, die (unbeobachtete) Vergangenheit unbestimmt für die Zukunft ist und nur als ein Spektrum von Möglichkeiten existiert. Das Universum hat laut Quantenphysik nicht nur eine einzige Vergangenheit nicht nur eine einzige Geschichte“2. „Selbst wenn überzeugend dargelegt würde, daß unser Universum aus einem primordialen Quantenvakuum hervorgegangen sein könnte, so wäre immer noch zu klären, welche Art von ‚Wirklichkeit‘ man diesem ‚Urzustand‘ zuschreiben wollte, wenn er etwa ganz in das Reich des Möglichen gehörte. Auch jede Theorie über viele ‚Welten‘ müßte Rechenschaft darüber ablegen, in welchem Sinne ein Ensemble von Welten ‚real‘ sein kann und welchen Sinn der Begriff der Wahrscheinlichkeit für das Verhältnis der Welten untereinander hat“3.

Dieses Verschwimmen von Möglichkeit und Wirklichkeit führt die Konzeption des großen Entwurfs auch dazu, Möglichkeit und Wirklichkeit wissenschaftlicher Theorien durcheinander zu werfen. Der große Entwurf behandelt die eingangs noch eher als Postulat einer komplexen – heute übrigens durchaus infrage gestellten – Stringtheorie aufgestellte „Theorie von Allem“4, die Hawking als die „M-Theorie“5 bezeichnet, gegen Ende seines Buches so, als sei sie faktisch nahezu schon Realität geworden. „Die 1 2 3 4 5

Goenner, 1996, 275. Hawking/ Mlodinow, 2011, 81. Evers, 2000, 241. Hawking/ Mlodinow, 2011, 13. Hawking/ Mlodinow, 2011, 13.

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M-Theorie ist die allgemeinste supersymmetrische Gravitationstheorie. Aus diesen Gründen ist die M-Theorie der einzige Kandidat für eine vollständige Theorie des Universums“1. Ebenso wird die Verbindung von Quantentheorie mit der allgemeinen Relativitätstheorie als fast verwirklicht behauptet. „So wie wir, zumindest provisorisch, die Quantentheorie mit der allgemeinen Relativitätstheorie kombiniert haben, ...“2. Möglichkeit, statistische Wahrscheinlichkeit und Wirklichkeit wirbeln auch durcheinander, wenn Hawking von seiner nur als Vision existierenden M-Theorie her im weitesten Sinne empirische Schlussfolgerungen zu ziehen versucht. „Die M-Theorie besitzt Lösungen, die viele verschiedene Arten und Weisen gestatten, die Extradimensionen aufzudecken, vielleicht bis zu 10500, also auch 100500 verschiedene Universen, und jedes von ihnen mit eigenen Gesetzen“3. Als ob dies die empirische Dignität einer solchen Spekulation aufwerten könnte, veranschaulicht er diese Angaben durch folgendes Beispiel: „Wenn irgendein Wesen die für jedes dieser Universums vorhergesagten Gesetze in nur einer Millisekunde analysieren könnte und mit dieser Arbeit zum Zeitpunkt des Urknalls begonnen hätte, hätte es bis heute gerade mal 1020 dieser Universen geschafft. Und das ohne Kaffeepausen“4.

Die Perspektive, von Methode kann man hier nicht reden, die Hawking für sich praktiziert, wird von ihm im Gegensatz zu einer bottom up-Methode, die von einem eindeutigen Ausgangspunkt und einer singulären Geschichte des Universums ausgeht, als top down-Methode bezeichnet. Selbstbewusst stellt Hawking über diese weitreichende Theorie fest: „Die Theorie, die wir in diesem Kapitel beschreiben, ist überprüfbar“5. In dieser Betrachtungsweise wird der faktische Zustand rekonstruiert unter dem Maßstab vieler anderer Geschichten des Universums, von denen einige wahrscheinlicher sind als andere und konstatiert, dass es möglich sei, dass es andere Universen mit anderen Naturgesetzen gebe. „Doch es wird verschiedene Geschichten für verschiedene mögliche Zustände des Universums zum gegenwärtigen Zeitpunkt geben. Das führt zu einer völlig veränderten Auffassung der Kosmologie und der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Die Geschichten ... haben keine unabhängige Existenz, sondern sind durch das bedingt, was gemessen wird. Nicht die Geschichte macht uns, sondern wir machen Geschichte durch unsere Beobachtung“6. Bei diesem Modell müsse man akzeptieren, dass „Universen mit allen denkbaren Arten und Weisen, Extradimensionen aufzurollen, existie-

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Hawking/ Mlodinow, 2011, 177. Hawking/ Mlodinow, 2011, 131. Hawking/ Mlodinow, 2011, 118. Hawking/ Mlodinow, 2011, 119. Hawking/ Mlodinow, 2011, 143. Hawking/ Mlodinow, 2011, 140.

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ren“1. Wo Wirklichkeit und Möglichkeit mittels der Behauptung willkürlich aufgestellter Wahrscheinlichkeiten ineinander übergehen, verwundert es nicht, dass manche Formen von Wirklichkeit in ihrer erkenntnistheoretischen Bedeutsamkeit übersehen werden. Es gibt für eine naturphilosophische Betrachtungsweise einen vorausgesetzten Bereich kontingenten Soseins, der nicht endgültig ‚vermöglicht‘ oder ‚verwahrscheinlicht‘ werden kann. Das ist zum einen das Dasein eines vorausgesetzten Quantenvakuums, eines Zustandes niedrigster Energie, der nicht mit einem ‚metaphysisch aufgeladenen Nichts‘ verglichen werden kann2, dessen Kontingenz sich nicht aus der Welt schaffen lässt. „So bleibt der Anspruch quantenkosmologischer Darstellungen, die Anfangsbedingungen des Kosmos aus dem Formalismus der kosmologischen Gleichungen mit abzuleiten, unerfüllbar und in seiner Absicht, über Selbstkonsistenz und Einheitlichkeit oder analoge Kriterien eine zwingende Korrespondenz von Formalismus und Realität herstellen zu können, erkenntnistheoretisch naiv“3.

Hawkings Denkungsart ist ein exemplarisches Beispiel für die zum positivistischen Denken gehörende Prämisse eines Strukturnaturalismus (Eckhard Nordhofen4), der sprachphilosophisch letzten Endes an empirischen Elementarsätzen hängt, die die Realität bruchlos widerspiegeln können sollen. Mit seiner Verabschiedung eines deistischen oder theistischen Gottes aus dem Kosmos hat dieser Standpunkt eine Bedeutung für die Kritik der neomythischen Vernunft, insofern er – von der begrifflichen Logik, nicht von der geistesgeschichtlichen Entwicklung her – Wegbereiter für eine Kosmologie und auch für eine Evolutionstheorie ist, gemäß der die Menschen oder andere endliche vernünftige Wesen ihre eigene Spielwiese geliefert bekommen, um zu Göttermenschen zu werden Zur kosmologischen Ausstattung dieser Spielwiese gehören die – durch Hawking geteilten – Theorien vom (starken) anthropischen Prinzip und der Panspermie sowie das Konzept vom unbewussten Evolutionsgott, das ich exemplarisch am Beispiel des Denkens von Paul Davies vorstellen werde. Mit diesen beiden Modellen beschäftigen sich die zwei folgenden Abschnitte. 1 2

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Hawking/ Mlodinow, 2011, 143. Deshalb klingt es nur gut, ist aber sachlich nicht gerechtfertigt, wenn Pagels schreibt: „Das ‚Nichts‘ vor der Erschaffung des Universums ist die vollkommenste Art von Nichts, die wir uns vorstellen können – es gab weder Raum, noch Zeit, noch Materie. Es ist eine Welt ohne Raum, ohne Dauer oder Ewigkeit, ohne Differenzen, die die Mathematiker als leere Menge bezeichnen könnten. Und doch transformiert sich diese undenkbare Leere selbst in die Fülle der Wirklichkeit – als eine notwendige Konsequenz physikalischer Gesetze. Wie sind diese Gesetze in die Leere eingeschrieben? Was sagt der Leere, dass sie mit einem möglichen Universum schwanger sei?“, Pagels, 1985, 347, Übersetzung L.H. Evers, 2000, 243 und vgl. auch Stöckler, 2011, 28. Ich entnehme diesen einprägsamen Terminus Nordhofen, 1976, 13.

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Im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft habe ich unter den metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne auch die kopernikanische Orientierungsaufgabe erörtert. Die Problematik einer möglichen Einsamkeit im Universum bringt für unseren Kontext zwei Aspekte mit sich. Es ist zum einen der Gesichtspunkt der Ausgeliefertheit an einen Kosmos, der menschenfeindlich ist und der den Menschen ‚nicht kennt‘ und zum anderen der möglicher anderer endlicher vernünftiger Wesen in diesem Kosmos – die Frage nach der Existenz außerirdischer Intelligenz. Das anthropische Prinzip und die Panspermiehypothese versuchen auf diese beiden Aspekte der kopernikanischen Orientierungsaufgabe eine tröstliche Antwort zu geben.

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Endlich doch ein Zuhausestern: Die Herberge „Zum Anthropischen Prinzip“

Im zweiten Buch der Genesis (Gen 2,18-20) schreibt der Elohist genannte Verfasser über die Einsamkeit des Menschen-Mannes im Paradies. „Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht. Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen. Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand er nicht“. Im Umkreis dieser Passagen wird etwas Vorgegebenes vorausgesetzt, der Schöpfungsakt Gottes, zugleich wird vorausgesetzt, dass der Mensch alle Kreaturen benennt und sie damit in seine Sphäre überführt. In den neomythischen Interpretationen der Quantenphysik geschieht diese Benennung durch das Auftreten des menschlichen Beobachters, durch den dieses Universum zu dem wird, was es als Erkanntes ausmacht. Wir können diese Passagen noch weiter auf die physikalische Kosmologie beziehungsweise ihre naturphilosophische ‚Nutzung‘ beziehen. Bei allem Festlegen des Vorgegebenen durch den Beobachter bleiben auf der Basis eines ‚zeitlosen‘ Ursprungs aus dem Quantenvakuum das Bewusstsein einer nicht existierenden Aufgabe beziehungsweise einer nicht existierenden Rücksichtnahme auf den Menschen in diesem Universum und das Bewusstsein der Einsamkeit. Auf den ersten Gesichtspunkt versucht die Theorie des anthropischen Prinzips eine Antwort zu geben. Im Ersten Brief an die Korinther (1 Kor 21, 6f) schreibt Paulus († Anfang der sechziger Jahre 1. Jhd.): „Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“. Der monotheistische Gott der abrahamitischen Religionen sorgt sich nicht nur um das Wohl des Menschen, insofern er ihm

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eine überlebensfreundliche Wirklichkeit zur Verfügung stellt, die er sich durch Namensgebung ‚untertan‘ machen kann, sondern er wendet sich auch im Hinblick auf Lebensaufgaben dem einzelnen zu. Durch den monotheistischen Gott ist der Mensch ‚vorgesehen‘ und willkommen geheißen. ‚Willkommen‘ im Kosmos zu sein ist eine Bedürfnislage nach einer kosmischen Oikeosis, die dem Interesse an einem anthropischen Prinzip zugrunde liegt. Oikeosis (οὶκείωσις), oikeo (οἰκέω) bezieht sich in der Antike u.a. auf eine Situation des Heimischseins und Dazugehörens1.

Der Terminus anthropisches Prinzip wird erstmalig durch den Physiker Brandon Carter (*1942) in die physikalische beziehungsweise naturphilosophische Diskussion eingebracht. Mit seinem 1973 auf einer Konferenz in Krakau gehaltenen Vortrag über Large Number Coincidences and the Anthropic Principle in Cosmology2 erschließt er einer mittlerweile breiteren Öffentlichkeit einen Begriff, der sich vergleichbar mit Termini wie Synergetik, Chaostheorie, Quantensprung und Urknall als weltanschaulich bedeutsam einnisten kann. Willkommen im Kosmos zu sein impliziert zunächst einmal, wenn wir uns nun der anthropischen Perspektive nähern, dass man in diesem Kosmos überhaupt überleben und einen „Zuhausestern“3 haben kann. Der wichtige Begriff, mit dem in der Naturphilosophie manchmal dieses Thema aufgegriffen wird, lautet Feinabstimmung (Fine-Tuning). Im Hintergrund der Theorie der Feinabstimmung, die die anthropische Perspektive fundiert, steht die Erfahrung, dass viele physikalische Gesetze Naturkonstanten enthalten. Unter Naturkonstanten sind Zahlenwerte von physikalischen Größen zu verstehen, die, soweit die empirische Erfahrung reicht, zeitlich und räumlich konstant sind. Dabei sind die Zahlenwerte dieser Naturkonstanten nicht aus gegebenen Naturgesetzen ableitbar, sondern in ihrer vorausgesetzten Faktizität ‚zufällig‘4. Es handelt sich hier beispielsweise um die elektrische Elementarladung, die Ruhemasse des Elektrons und des Protons, die Lichtgeschwindigkeit (Vakuum), die Gravitationskonstante, das plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Feldkonstante. Veranschaulichen wir die Feinabstimmung anhand des Zusammenspiels von der Expansionskraft und der Gravitationskraft im Standardmodell des Urknalls. „Im Standardmodell sind beim Urknall die ‚Expansionskraft‘ und die Schwerkraft mit der unglaublichen Genauigkeit von etwa 1:1060 aufeinander abgestimmt. ... Für die sog. Kosmologische Kon-

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Vgl. dazu die Artikel: οὶκείωσις, in: Lampe, 1961, 938f und οἰκέω, in: Liddell/ Scott, 1996, 1202f. Carter, 1974. Mayr, 2012, o.S. hat diesen schönen Terminus kreiert. Vgl. dazu Fulmer, 2001, 101f.

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stante ist eine noch wesentlich genauere Feinabstimmung nötig ... Wäre die Expansion stärker, käme es zu keiner Bildung von Galaxien und Sternen; lebensfreundliche Bedingungen würden also nicht entstehen. Wäre sie geringer, so wäre das Weltall schon vor jeder Sternbildung wieder kollabiert“1. Nun könnten wir uns eine Welt vorstellen, in der die fundamentalen physikalischen und mathematischen Konstanten exakt eine zahlenmystische Schönheit (numerologically appealing) der Beziehungen aufweisen würden, und dann von einem fine tuning im Hinblick auf ein Universum der Schönheit sprechen, dem ein Theorem der Form α = π1e4c9h16G25Ω36 zu Grunde läge2. Existenziell interessant ist fine tuning im Hinblick auf die menschlichen Lebensmöglichkeiten in diesem Kosmos.

Die spezifische Größe und das ‚gelingende‘, fein abgestimmte Zusammenspiel der verschiedenen Naturkonstanten ermöglichten es erst, dass ein Kosmos entstehe, in dem Menschen leben könnten. Man könne davon ausgehen, dass unser Kosmos – zunächst einmal unabhängig von der Frage warum das so sei – eine Struktur habe, die die Existenz von Menschen3 zulasse. In dieser – ganz allgemeinen, selbstverständlich und trivial klingenden – Variante wird das anthropische Prinzip als schwach bezeichnet. Es gibt allerdings noch andere Fassungen des anthropischen Prinzips, die erkenntnistheoretische Probleme aufwerfen und mit denen wir uns in Auseinandersetzung mit dem Standpunkt der Autoren Frank J. Tipler (*1947) und John D. Barrow (*1952) beschäftigen werden. Bernulf Kanitscheider, der der Theorie des anthropischen Prinzips kritisch gegenübersteht, schlägt eine Definition vor, die hier auch als Arbeitsdefinition die Darstellung leiten soll: „Wir wollen eine Erklärung, in der die Existenz des Menschen oder eine seiner wesentlichen Eigenschaften zum Verständnis einer materialen Qualität der Natur herangezogen wird, eine anthropische Erklärung nennen“4. Diese Begriffsbestimmung ist auf die oben formulierte ‚entschärfteste‘ Fassung des schwachen anthropischen Prinzip beziehbar, insofern der Kosmos im Hinblick auf einige seiner (vermuteten) Grundeigenschaften auf den Menschen hinsichtlich seiner Existenzmöglichkeit bezogen wird. Das starke anthropische Prinzip, auf das gleich eingegangen werden wird, bekommt in der Diskussion eine ganz andere, metaphysisch bedeutsame Dimension. Ich zitiere zunächst einmal die beiden geläufigen Fassungen des anthropischen Prinzips in der Form, wie sie der Physiker und Wissenschaftsjournalist Reinhard Breuer (*1946) formuliert: „Schwaches anthropisches Prinzip

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Hägele, 2005, 24. Vgl. Ćircović/ Walker, 2006, 289. In den einschlägigen Publikationen wird meist – wie schon von Carter, 1974, 291 – von Beobachtern (observer) gesprochen. Kanitscheider, 1985, 613.

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Weil es in diesem Universum Beobachter gibt, muß das Universum Eigenschaften besitzen, die die Grenzen dieser Beobachter zulassen. ... Starkes anthropisches Prinzip Das Universum muß in seinen Gesetzen und in seinem speziellen Aufbau so beschaffen sein, daß es irgendwann unweigerlich einen Beobachter hervorbringt“1. Das sogenannte schwache anthropische Prinzip kann innerhalb der Erfahrungswissenschaften möglicherweise als regulatives Prinzip empirischer Erkenntnisfindung verstanden werden. So versteht etwa Ellis2 das anthropische Prinzip als Regulativ, um indirekte Kausalbeziehungen hinsichtlich der kosmischen Entstehung des Lebens in den Blick zu nehmen. Carter3 sieht hier die Möglichkeit, neben dem Betrieb der darwinischen Selektion ein Prinzip der anthropischen Selektion im Evolutionsprozess ausfindig machen zu können. Interessant ist auch der Vorschlag von Bitbol, der in Anlehnung an Kant ein erkenntnistheoretisches Postulat im schwachen anthropischen Prinzip für ansiedelbar hält: „Die topologische Struktur des Universums muss so sein, dass dieses Universum erkennbar und darüber hinaus objektiv messbar ist“4.

Den Ausgangspunkt für die Erörterung des anthropischen Prinzips bildet die Einsicht, dass geringe Veränderungen in der Feinabstimmung der Parameterwerte den Wertbereich, innerhalb dessen Leben möglich ist, schon verunmöglichen würden. Damit ergibt es sich, dass die „Ausgangswahrscheinlichkeit für ein lebensermöglichendes Universum verschwindend gering ist“5. Der Begriff der Ausgangswahrscheinlichkeit bezieht sich auf den Gesichtspunkt logisch möglicher Universen. Mit dem Gesichtspunkt, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Leben ermöglichendes Universum innerhalb der Totalität möglicher Universen äußerst gering ist, bietet sich eine gleichsam anthropomorphe Schlussfolgerung an. Das Lebensinteresse von uns Menschen führt uns dazu, diese geringe Wahrscheinlichkeit ontologisch dergestalt zu qualifizieren, dass sie nicht nur als ‚unwahrscheinlich‘ betrachtet wird, sondern innerhalb der Wahrscheinlichkeit anderer Möglichkeiten der Universenbildung als ‚besonders unwahrscheinlich‘. Es gibt an sich keinen Grund, davon auszugehen, dass andere mögliche Bildungen von Universen mit anderen Parametern nicht genauso unwahrscheinlich sind, wie die Bildung unseres Universums. „Nun hielte man, wenn das Universum Parameterwerte hätte, die das Leben ausschließen würden, sicher keine Erklärung für nötig – abgesehen davon, dass es niemanden gäbe, der Erklärungen verlangen könnte. Daher ist auch die lebens-

1 2 3 4 5

Breuer, 1981, 24. Vgl. Ellis, 1993, 32. Vgl. Carter, 1993. Bitbol, 1993, 94. Hermanni, 2011, 69.

250

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freundliche Konstellation von Parameterwerten in unserem Universum nicht erklärungsbedürftig“1. Trotz dieser prinzipiellen Gleichartigkeit in der Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit einer Erklärung für das Wirklichsein unseres oder eines nicht belebbaren Universums, gibt es aber eine andere Art der Bedürftigkeit hinsichtlich einer Erklärung. Unser Universum ermöglicht unser Leben und damit stellt sich die metaphysische Warum-Frage. Stellen wir uns – angeregt durch Hermanni – ein russisches Roulettespiel vor2, indem ein Revolver eingesetzt wird, der Millionen Kammern für Kugeln enthält. Eine einzige Kammer ist leer. Wenn ich gezwungen werde, ein solches Spiel durchzuführen und für mich auf die leere Kammer stoße, dann werde ich diesen Zufall, der nicht unwahrscheinlicher ist als der Tod durch eine bestimmte der Millionen Kugeln, in besonderer Weise qualifizieren, weil es hier um mein Leben geht. Genauso kann mich mein Lebensinteresse dazu treiben, die Bildung ‚meines‘ mein Leben ermöglichenden Universums in besonderer Weise als ‚unwahrscheinlich‘ und damit in besonderer Weise als erklärungsbedürftig zu betrachten.

Diese Situation ist gemeinsam mit der metaphysischen kopernikanischen Orientierungsaufgabe der Ausgangspunkt für die Einführung vieler Varianten des starken anthropischen Prinzips. Die durch das anthropische Prinzip erschlossene Perspektive wird von Reinhard Breuer als möglicher weltanschaulicher Wendepunkt für die Menschheit betrachtet: „Die darin enthaltene Umkehrung der üblichen Betrachtungsweise – was jedenfalls die Entstehung des Lebens angeht – entbehrt nicht einer gewissen Kühnheit; ja, ernst und beim Wort genommen, führt sie zu einer historischen Wende in der Bewertung der Rolle der Menschheit. Sie rückt die Beziehung von Beobachter und beobachteter Natur zurecht und begründet das Wesen der Einheit zwischen der Natur und dem von ihr hervorgebrachten Beobachtern“3. Zwar könnten wir der kopernikanischen Wende entsprechend nicht mehr in Anspruch nehmen, eine „zentrale, aber doch in mancher Hinsicht eine besondere Rolle“4 einzunehmen. Trotzdem kennt Breuer den Stellenwert seiner Überlegungen. Man müsse sich davor hüten, das anthropische Prinzip in seiner Erklärungskraft überzubewerten, auch wenn er in seinen Ausführungen den Hypothesebegriff überstrapaziert. „Es ist eine in die Methodik eines Prinzips gekleidete Hypothese, die den Menschen als Erkenntnismedium eines Universums an mehreren überraschenden Stellen in den Kreuzungspunkt, in das Fadenkreuz physikalischer Gesetze rückt. Es ist keine Aussage irgendeiner physikalischen Theorie, es handelt sich um Metaphysik, ist daher auch nicht mathematisch beweisbar ...“5. 1 2 3 4 5

Hermanni, 2011, 70. Hermanni, 2011, 67. Breuer, 1981, 19. Breuer, 1981, 20. Breuer, 1981, 32.

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Das Problem beim Umgang mit dem starken anthropischen Prinzip liegt nicht in der teleologischen Beurteilung als solcher, sondern in der expliziten oder unterschwelligen Voraussetzung, dass der Interpretations- beziehungsweise Glaubenscharakter dieser Aussagen übersehen und „durch kausale Erklärungen ersetzt“1 wird. Unser ureigenes Lebensinteresse macht es verständlich, dass wir die Faktizität unseres Auftretens und Überlebens in unserem Universum für erklärungsbedürftig halten. Wenn man das Interesse hat, von einer theistischen oder deistischen, monotheistischen oder polytheistischen Planungshypothese hinsichtlich der Feinabstimmung unseres Universums fortzukommen, dann bietet sich die Viele-Welten-Deutung, gemäß der die verschiedenen Universen aus demselben Big Bang entstehen, an. Die Unzahl von Universen mit unterschiedlichsten Parameterwerten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es in irgendeinem Universum auch lebensfreundliche Werte gibt und damit, dass es unser Universum gibt. Im weitesten Sinne von ‚binnenwissenschaftlicher‘ Betrachtungsweise hat die Viele-Welten-Interpretation auch einen Vorteil, der in einer Spannung zu dem anthropologischen Interessenhorizont steht. „Die ansonsten kontingente Setzung der Eigenschaften unseres Universums wird nun als bloß statistische Variante innerhalb einer großen Klasse von Universen aufgefaßt, in denen ganz verschiedene Sätze der Elementarteilchen-Parameter realisiert sind“2.

4.

Frank J. Tiplers neomythisches Universum

a.

„The Anthropic Cosmological Principle“

Einen „Fine-Tuner“3 der besonderen Art und ein ebensolches „Anthropic Principle Design Argument“4 entwirft der us-amerikanische Physiker Frank J. Tipler mit seiner Physik der Unsterblichkeit. Frank J. Tipler wird 1947 in Andalusia (Alabama) geboren und entschließt sich nach eigenem Zeugnis5 frühzeitig – angeregt durch Werner von Braun – Astrophysiker zu werden. Im Physikstudium seien die Theorien von Stephan Hawking, Roger Penrose und John A. Wheeler, bei dem er ein Post-Doc-Studium absolviert, wichtig geworden. Er wird 1987 Professor für mathematische Physik an der TULANE UNIVERSITY in New Orleans. Tipler ist Fellow der INTERNATIONAL SOCIETY FOR COMPLEXITY, INFORMATION, AND DESIGN, welche Teil der allgemeinen

1 2 3 4 5

Drees, 1995, 24. Evers, 2000, 248. White, 2003, 230. Fulmer, 2001, 101. Vgl. http://129.81.170.14/~tipler/biography.htm.

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Intelligent Design-Bewegung ist1. Bekannt wird Tipler durch seine Kosmologie, die zum Schluss in den Versuch einer physikalistischen Begründung des christlichen Glaubens mündet. Tiplers gemeinsam mit dem englischen Mathematiker und Physiker John David Barrows geschriebenes, wirkungsgeschichtlich wichtiges Buch The Anthropic Cosmological Principle (1986) macht die weltanschauliche Dimension dieses Prinzips zum Thema und bildet zugleich den Ausgangspunkt für die spätere neomythische Extremvariante seiner Physik der Unsterblichkeit (1994). Einleitend gehen Barrow und Tipler in The Anthropic Cosmological Principle auf die Zäsur ein, die die kopernikanische Wende innerhalb der Geistes- und Kulturgeschichte darstellt. Stilistische Leitmetapher der beiden ist dabei die Sprache des evolutionistischen Denkens. In einem vorkopernikanischen Kosmos, in dem der Mensch im Mittelpunkt des Universums stehe, gebe es so etwas wie ein anthropozentrisches Selektionsprinzip2. Nach Kopernikus werde ein kopernikanisches Selektionsprinzip bedenkbar3. In diesem Zusammenhang vertiefe das anthropische Prinzip unser wissenschaftliches Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Bereichen des Anorganischen und des Organischen. Es ermögliche uns eine intensivere Sicht der Verzahnung aller Naturgesetze, durch die Leben ermöglicht werde. Das Prinzip verdeutliche uns, dass die biologische Evolution in hohem Maße abhängig sei von der global structure of the Universe4. Nach dem Hinweis auf Carter, der als Maßstäbe zur Interpretation der Bedeutung der Feinabstimmung ein weak und ein strong anthropisches Prinzip vorgeschlagen habe, präsentieren Barrow und Tipler drei gestufte Varianten des anthropischen Prinzips. Das schwache anthropische Prinzip (WAP) lautet: „Die Beobachtungswerte aller physikalischen und kosmologischen Größen sind nicht gleich wahrscheinlich, aber sie haben Werte, die sie im Hinblick auf das Erfordernis einschränken, dass es Bereiche gibt, wo kohlenstofffundiertes Leben entstehen kann und auf das Erfordernis, dass das Universum alt genug ist, dass dies bereits geschehen ist“5. Das starke anthropische Prinzip (SAP) muss mehr Voraussetzungen machen und beginnt die für Menschen bekömmliche Großwetterlage des Kosmos zu interpretieren. „Das Universum muss die Eigenschaften haben, dass Richtiges möglich wird, dass sich Leben an einem bestimmten Punkt seiner Geschichte entwickelt“6. Kurz gesagt besteht der Unterschied zwischen dem schwachen und dem starken anthropischen Prinzip darin, dass im ersteren Falle die Tatsache festgestellt wird, dass unser Kosmos so ist, dass wir beobachtenden Menschen in ihm entstehen und überleben können. Im zweiten Falle hingegen wird die starke Behauptung aufge-

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Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Frank_J._Tipler. Vgl. Barrow/ Tipler, 1986, 4, Übersetzung im Folgenden L.H. Vgl. Barrow/ Tipler, 1986, 1. Vgl. Barrow/ Tipler, 1986, 4. Barrow/ Tipler, 1986, 16. Barrow/ Tipler, 1986, 21.

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stellt, dass unser Kosmos so ist wie er ist, damit wir als Beobachter existieren können. Noch mehr Voraussetzungen macht das finale anthropische Prinzip (FAP). „Intelligente Informationsverarbeitung musste in unserem Universum verwirklicht werden und wird – wenn sie einmal wirklich geworden ist – nie mehr aussterben“1. Tipler2 schreibt in diesem ‚frühen‘ naturphilosophischen Buch noch vorsichtig, dass es sich bei dem starken und dem finalen anthropischen Prinzip „fraglos“ um eine „spekulative“ Betrachtung handele, die nicht aus „gut begründeten physikalischen Prinzipien“3 stamme. In der Folge beschäftigen sich Barrow und Tipler mit der Thematik der Feinabstimmung in den unterschiedlichsten Bereichen und streifen dabei auch das Thema der extraterrestrischen Intelligenz oder der interstellaren Raumfahrt. Am Ende ihres Buches entfalten sie dann so etwas wie eine Vision der unabsehbaren Nachgeschichte der Menschheit mit transhumanistischen Zügen. Sie gehen von der Voraussetzung aus, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass es außer der Menschheit noch andere Mitintelligenzen im Universum gebe. „Die Evolution der menschlichen Spezies war ein extrem zufälliges Ereignis, eines, das wahrscheinlich sonst nicht anderswo im sichtbaren Universum aufgetreten ist“4. Es stelle sich das Problem, ob dieses extrem zufällige Ereignis ‚Menschheit‘ auftrete und wieder untergehe, oder ob es eine Überlebensmöglichkeit habe, die soweit reiche wie die Wirklichkeit des ganzen Universums. Durch die nun möglich gewordene Raumfahrt ergebe sich aber die Perspektive, dass der Mensch oder einer seiner Nachfahren einen „wesentlichen Teil oder sogar den ganzen sichtbaren Kosmos“5 kolonisieren könnte. Wenn dies einmal geschehen sei, sei es durchaus plausibel, dass diese intelligenten Wesen ein breites Spektrum der Evolution des Universums beeinflussen könnten. Und wenn dies stimme, dann könne sich near the Final State of the Universe6 die wahre Bedeutung von Leben und Intelligenz als solche offenbaren (manifest).

b.

„The Physics of Immortality“: Neomythos im Superlativ

Im Gegensatz zu Stephen Hawking bestreitet Frank Tipler nicht den Sinn von Religion überhaupt7. Er will allerdings die Versöhnung von Wissenschaft und Reli1 2

3 4 5 6 7

Barrow/ Tipler, 1986, 23. In manchen Passagen schreibe ich nur den Namen Tipler, weil dieser Abschnitt sich in erster Linie auf sein späteres Denken bezieht und das gemeinsam mit Barrow verfasste Buch hier als Vorarbeit angesehen wird. Barrow/ Tipler, 1986, 23. Barrow/ Tipler, 1986, 613. Barrow/ Tipler, 1986, 614. Barrow/ Tipler, 1986, 614. Dieser Abschnitt 2.3.2 geht zurück auf eine Vorarbeit (Hauser/ Werner, 2003).

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gion und eine Antwort auf die klassischen Fragen der Metaphysik über Gott, Freiheit und Unsterblichkeit letzten Endes auf die gleiche Weise herbeiführen, wie es Hawking mit der Beantwortung der metaphysischen Grundfragen beansprucht. Basis der neuen Religionsbegründung soll die Physik sein1. In seiner Physik der Unsterblichkeit. Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten setzt sich Tipler mit der Eschatologie auseinander, da seine kosmologischen Interessen sich weitgehend auf die zukünftigen Entwicklungen des Universums beziehen. Unter neomythischem Gesichtspunkt ist sein späteres Werk über den christlichen Glauben Die Physik des Christentums – Ein naturwissenschaftliches Experiment (2007) von sekundärer Bedeutung. Tiplers Buch ist – verglichen etwa mit Stephen Hawkings populärwissenschaftlichen Werken – nicht einfach zu lesen. Trotzdem lag es 1994 bei seinem Erscheinen in den Bahnhofsbuchhandlungen vom Boden aus gestapelt aus. DER SPIEGEL hatte es fünfzehn Wochen lang auf seiner Bestseller-Liste unter den Sachbüchern platziert. Tipler geht davon aus, dass man etwa Eigenschaften Gottes und die Wahrscheinlichkeit der Auferstehung genauso berechnen könne, wie die Eigenschaften eines Elektrons2. Im Gegensatz zu Hawking stellt sich der Anhänger der Intelligent Design-Konzeption Tipler nicht in einen Gegensatz zum Christentum, sondern er will auf physikalische Weise belegen, dass die grundlegenden Glaubensaussagen „der jüdisch-christlichen Theologie in der Tat wahr“3 seien. Ausdrücklich bezieht er sich auf Paul Tillich (1886-1965) und Wolfhart Pannenberg (19282014). Darüber hinaus beansprucht Tipler mit seinem Ansatz außerdem noch, dass er zukünftig allen Religionen als „solides Fundament“4 dienen könne. Tipler präsentiert sich als Nachfahre Lord Edward Herbert of Cherburys (1583-1648), der aus den bekannten Religionen eine Vernunftreligion destilliert5. Im Gegensatz zur Offenbarungsreligion findet der in abrahamitischer Glaubenstradition stehende Fromme bei dem Kreationisten Tipler einen Standpunkt, der nicht mehr das Wechselspiel von Glaube und Zweifel anbietet, sondern absolute Sicherheit. Angesichts des zentralen eschatologischen Themas, was nach dem Tode sein werde, kann die physikalisch fundierte Vernunftreligion Tiplers die beruhigende Antwort geben: „Dem Leser, der einen geliebten Menschen verloren oder Angst vor dem Sterben hat, verheißt die moderne Physik: ‚Sei getrost, du und sie, ihr werdet wieder leben‘“6.

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Vgl. dazu Tipler, 1994, 13, 29, 30. Vgl. Tipler, 1994, 13. Tipler, 1994, 13. Tipler, 1994, 405. Vgl. dazu Hauser, Bd. 1, 313f und Tipler, 1994, 15. Tipler, 1994, 24.

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Den Rahmen für seine Eschatologie bildet das kosmologische Szenario einer Anfangssingularität, des Urknalls, dem nach einer inflationären Anfangsphase eine Ausdehnungsphase und zum Ende hin eine Rückbildungsphase mit einer Art Big Crunch folgt. Diese Endsingularität wird von Tipler mit Teilhard de Chardin (1881-1955) als Omegapunkt bezeichnet. Tipler imponiert, dass Teilhard de Chardin seine in seinem Buch Le Phènomène humain (1955) niedergelegten Auffassungen nicht als „metaphysisches Werk, und noch weniger wie eine Art theologischer Abhandlung, sondern einzig und allein als naturwissenschaftliche Arbeit“1 bezeichnet. Zwar relativiert Tipler Teilhard de Chardins Omega-Theorie im Hinblick auf deren Wissenschaftlichkeit, übernimmt aber letzten Endes doch wesentliche Züge des Modells hinsichtlich seiner eschatologischen Dimension. „Wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, wird das Leben in einem geschlossenen Universum um des schieren Überlebens willen gezwungen sein, in einem OmegapunktGott ... auf sich selber und die Endzeit hin zu konvergieren. Aus diesem Grund nenne ich zu Ehren Teilhards origineller Konzeption mein kosmologisches Modell Omegapunkt-Theorie“2. Als zweiten Gewährsmann bezieht sich Tipler auf die Schrift des englischen Physikers Freeman John Dyson (*1923) Time Without End. Physics and Biology in an Open Universe (1979). Sie sei der erste Versuch gewesen in einem Gedankenexperiment auf der Basis der modernen Physik darzulegen, unter welchen Bedingungen Leben ewig währen könne. Er habe damit den „Fachbereich physikalische Theologie“3 begründet. Freeman Dyson gehört zu den Vertretern des Transhumanismus. An dieser Stelle sei nur das selbstbewusste Wort Dysons angeführt: „Ich habe in diesen Vorlesungen die Absicht, die Zukunft zu erforschen ... Meine Argumente werden ruppig und einfach, aber immer quantitativ sein. Das Ziel ist numerische Grenzen festzulegen, innerhalb derer das Schicksal unseres Universums liegen muss. Ich werde keine weitere Verteidigung für mein Vermischen philosophischer Spekulation mit mathematischen Gleichungen unternehmen“4.

Tipler legt dar, dass es eine hohe Triftigkeit „experimenteller Überprüfungen der Omegapunkt-Theorie“5 gebe. Er erhebt den Anspruch, nach der Aufzählung verschiedener „überprüfbare(r) Voraussage(n)“6 gezeigt zu haben, „daß die Omegapunkt-Theorie ein mindestens ebenso aussagekräftiges kosmologisches Modell ist wie das Inflationsmodell“7.

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Teilhard de Chardin zitiert nach Tipler, 1994, 148. Tipler, 1994, 153. Tipler, 1994, 154. Dyson, 1979, o. S., Übersetzung L.H. Tipler, 1994, 182. Tipler, 1994, 182 u.ö. Tipler, 1994, 198.

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Im folgenden Kapitel über Theologische Implikationen: Allgegenwart, Allwissenheit und Allmacht tritt trotz der kreationistischen Orientierung Tiplers der unbewusste Evolutionsgott deutlich zu Tage. Allgegenwart, Allwissenheit und Allmacht bildeten sich in der Evolution des gesamten Universums bei der Annäherung an den Omegapunkt schrittweise heraus. Tiplers Begriffe von Leben beziehungsweise Personsein stellen den Ausgangspunkt für seine Darstellung dar. Ein Lebewesen ist für ihn „jedes beliebige Gebilde ... das Information (im physikalischen Sinn des Wortes) codiert, wobei die codierte Information durch natürliche Auslese bewahrt wird“1. Der menschliche Geist beziehungsweise die Seele wird reduktionistisch als „hochkomplexes Computerprogramm“2 verstanden, das den Turing-Test bestehen könne. Alan Mathison Turing, ein englischer Mathematiker, der zu den Pionieren der Informationstechnologie gehört, stellt 1950 in einem Aufsatz die Frage, „Können Maschinen denken?“3 und versucht sie durch eine Veränderung der Perspektive operabel zu machen. Er schlägt eine über Tastatur und Bildschirm geführte Interaktion zwischen einem Mann (A), einer Frau (B) und einem Interviewer (C) vor und fragt dann – alternativ zur Eingangsfrage ob Maschinen denken könnten – „Was wird geschehen, wenn eine Maschine den Part von A übernimmt?“4 und der Interviewer dies nicht merkt. Durch die Orientierung an Funktions- und nicht Substanzbegriffen5 kann Turing dann ein entsprechendes Modell von Denken entwickeln, das gleichermaßen auf Menschen und Computer anwendbar ist. Er fragt nach beobachtbaren Erscheinungen und nicht nach Wesensbestimmungen.

Analog zur materialistischen Naturphilosophie des 19. Jahrhunderts treibt Tipler der Bezug auf eine übergreifende kosmische Perspektive um. Im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft wurde unter anderem Wilhelm Bölsche (1861-1939) herangezogen, der Anfang des 20. Jahrhunderts schreibt: „Wie schön leuchtet der Weltenlauf überall heraus, wenn man ihn auf große Vergangenheitslinien anschaut, auf Millionenjahre-Züge, auf Weltperspektive“6. Tipler geht noch weiter – er entwirft Pläne für die Nachfahren der Menschheit auf ‚Milliardenjahre-Züge‘. Die Argumentation bekommt ihre Dynamik durch die Sorge, dass spätestens in sieben Milliarden Jahren die Erde ... zum Untergang verdammt7 sei. Um die Spezies Mensch vor dem Untergang zu retten, sei es notwendig, völlig autarke Raumfahrzeuge auf die kosmische Reise zu schicken. Gelenkt würden

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Tipler, 1994, 163. Tipler, 1994, 163. Turing, 1950, o. S., Übersetzung L.H. Turing, 1950, o. S., Übersetzung L.H. Vgl. dazu Cassirer, 1910, etwa 439f. Bölsche, 1910f, 335, zit. bei Gebhard, 1984, 341. Vgl. Tipler, 1994, 43.

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diese Raumschiffe durch intelligente Maschinen1, die am Ende der Reise durch Menschen belegbare Sternsysteme ansteuern würden. Sie würden, ausgerüstet mit irdischer DNA menschlichen und anderen Ursprungs, nach der Landung darangehen, auf den anderen Planeten irdisches Leben einzuführen2. Im Zusammenhang der Frage nach künstlicher Intelligenz und autarker, einander sich selbst reproduzierenden Maschinen trifft Tipler wieder eine seiner weitreichenden und auch von anderen populären Naturphilosophen schon bekannten nichts-anderes-als-Feststellungen: „Im Grunde genommen sind alle Maschinen universelle Konstrukteure: Der Mensch ist nicht weiter als ein universeller Konstrukteur, darauf spezialisiert, sich auf der Erde zu bewähren. Ein unbemanntes interstellares Kolonisierungsprogramm wäre also nur der Sonderfall einer Eroberungsstrategie, die von universellen Konstrukteuren umgesetzt wird“3. Das Interessante an dieser nichts-anderes-alles-Argumentation liegt darin, dass sie die Verursacher (Menschen) auf ihr Verursachtes (künstliche Intelligenz) reduziert. Menschen wären nach dieser Argumentation nichts anderes als ihre eigenen Produkte (Roboter). Weiterhin ist es interessant, dass Argumente für ein transhumanes Aufziehen von Kindern, das wir im zweiten Band der Kritik der neomythischen Vernunft am Beispiel von Burrhus Frederick Skinner (1904-1990) kennen gelernt haben, anscheinend nicht untypisch sind für philosophisch interessierte Erfahrungswissenschaftler. Nach der Landung auf anderen Planeten müssten die menschlichen befruchteten Eizellen in eine „künstliche Gebärmutter eingepflanzt werden – die entsprechende Technologie wird zurzeit entwickelt –, und in diesem Falle gäbe es in dem angepeilten Sternensystem neun Monate nach der Einpflanzung der befruchteten menschlichen Eizelle in die künstliche Gebärmutter menschliche Wesen. Diese Kinder könnten von Roboterammen großgezogen werden und später auf ganz traditionelle Weise selber Kinder haben“4. Optimistisch schreibt Tipler, dass er um die Mitte des 21. Jahrhunderts mit dem Start derartiger Raumschiffe rechne5. Vorstellbar sei es auch, dass die Menschheit im Angesicht ihrer Vernichtung den „gesamten Planeten in Einzelteile zerlegt und das Material dazu verwendet ... die Biosphäre auszudehnen“6. Unter Bezug auf den Dyson schreibt Tipler, dass die technische Möglichkeit nachgewiesen sei, „einen Planeten auseinanderzunehmen, wenn man in Kauf nimmt, daß dieser Vorgang ein paar Millionen Jahre dauert“7. Auch hier bewährt sich die naturphilosophische Millionenjahre-Perspektive.

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Vgl. Tipler, 1994, 73. Vgl. Tipler, 1994, 44f. Tipler, 1994, 74. Tipler, 1994, 77. Vgl. Tipler, 1994, 85. Tipler, 1994, 87. Tipler, 1994, 87.

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Transhumanismus kündigt sich an, wenn Tipler in prophetischer Pose schreibt: „Bedenken Sie, daß auf sehr lange Sicht das Leben keine andere Wahl hat – es muß die natürlichen Strukturen aufbrechen, wenn es überdauern will“. Mit dem nächsten Satz folgt eine unthematische teleologische evolutionistische Prämisse: „Daraus ziehe ich den Schluß, daß es das auch tun wird“1. Nicht nur diese Klippe gilt es zu überwinden, sondern auch die Gefahr eines kollabierenden Universums, eines Big Crunch am Ende zu bewältigen. Mit dem Eintritt in die gesamtkosmische Erlösungsperspektive durch die Spezies der transhuman transformierten Menschheit zelebriert Tipler Wissenschaftsgläubigkeit im Superlativ. „Detaillierte Berechnungen ... zeigen ..., daß Leben genügend Energie erhalten kann, wenn es das Chaos in den richtungsabhängigen Kollabierungsgeschwindigkeiten nutzt. Daher muß, wie schon gesagt, Leben das Universum zwingen, sich in diese unwahrscheinliche Richtung zu bewegen. Darüber hinaus muß Leben vom gesamten Universum Besitz ergreifen, denn nur dann hat es die Macht, das Universum in diese unwahrscheinliche Richtung zu zwingen“2. Wenn man das Universum in die eigene Interessenrichtung gezwungen habe, dann sei ein „ewiger Fortschritt nicht nur möglich, sondern unvermeidlich“ und zwar ein Fortschritt, der „letztendlich in unserer Erlösung gipfeln wird“3. Neomythen wurden als kulturelles und individuelles Sich-Beziehen auf Endlichkeit ohne Bewusstsein ihrer Radikalität und im Bewusstsein der realen Aufhebung derselben durch das Handeln des Menschen oder anderer endlicher Mächte bestimmt. So wie im Falle von Scientology finden wir bei Tipler eine geradezu musterhafte Ausgestaltung des neomythischen Denkens. Die Menschheit werde sich aufmachen um das gesamte Universum zu ‚bezwingen‘ und damit einen Mechanismus erschaffen, der unvermeidlich und notwendig zur Erlösung führe. Mit dem Stichwort der Erlösung sind wir wieder zum Thema der OmegapunktTheorie Tiplers zurückgekehrt. Erinnern wir uns an das scientologische Thetanenkonzept Hubbbards. Wenn der Thetan unabhängig von Raum, Zeit, Energie und Materie ist, und beliebig in einen Körper schlüpfen kann, dann ist der Thetan nicht nur eine Lebensform in einem Kosmos, sondern er ist Schöpfer seines eigenen Kosmos. Der Thetan schafft sich sein eigenes Universum zu seinem eigenen Vergnügen. Das ebenfalls einen Neomythos im Superlativ darstellende OmegapunktModell von Tipler hat ein solches Konzept ebenfalls in letzter Konsequenz. Wenden wir uns dieser Denkfigur zu. Ausgehend von einer objektivistischen Interpretation des quantenphysikalischen Wellenfunktionsbegriffs und der Viele-Welten-Theorie4 setzt Tipler die Realität einer universellen Wellenfunktion voraus. Sie sei das „einzige Feld, das allen 1 2 3 4

Tipler, 1994, 88f. Hervorhebungen durch Tipler. Tipler, 1994, 96. Hervorhebungen durch Tipler. Tipler, 1994, 140. Vgl. Tipler, 1994, 255.

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anderen Feldern Leben verleiht“1. Der terminologische Bezug auf die philosophische Ontologie wird durch die Formulierung „ein alles durchdringendes physikalisches Feld, das allem Sein das Sein verleiht“2 hergestellt. Tipler fährt mit diesem Satz dann in einer Weise fort, dass der unbewusste Evolutionsgott heraus zu leuchten beginnt: „das allen lebenden Dingen Leben verleiht, das selber von dem Letzten Leben erzeugt wird, das es definiert“3. Dabei könne man, so Tipler im virtuosen Rückgriff auf die religiöse Tradition, diese universelle Wellenfunktion, das Sein mit dem Heiligen Geist des Christentums gleichsetzen4. Tipler beruft sich an dieser Stelle und auch sonst öfter nicht nur auf Teilhard de Chardins Omegapunkt, sondern auch auf den evangelischen Theologen Wolfhart Pannenberg5. Der Vorzug seines Ansatzes sei, dass man hier die klassischen metaphysischen Probleme auf physikalische Weise und damit letztlich empirisch begründet angehen könne. „Die Beweisführung wird sich nicht im Wiederaufwärmen der tausendjährigen ontologischen Debatte erschöpfen; sie stützt sich vielmehr auf einige recht naheliegende metaphysische Implikationen der modernen Informatik und der modernen Kosmologie. In diesen wissenschaftlichen Theorien sollten solche Implikationen nicht überraschen; jede grundlegende wissenschaftliche Theorie stellt stillschweigend metaphysische Behauptungen über die letztendliche Natur der Wirklichkeit auf“. Mit dem nächsten Satz kommt dann der hohe physikalistische Anspruch Tiplers zum Vorschein: „Wie in jeder Wissenschaft üblich, wird die Wahrheit der Metaphysik im physikalischen Experiment überprüft“6. Im Laufe der Zeit komme das Universum zu einer derart vollendeten Simulation der Gesamtwirklichkeit, dass es beispielsweise uns Menschen nicht möglich sei zu entscheiden, ob wir einer Realitätsebene7 der Simulation oder des realen Lebens zugehörig sind. Tipler setzt aber, wohl als Basis für eine reale geschichtliche Entwicklung hin zu einer vollkommenen Simulation, eine unterste Realitätsebene als Letzte Wirklichkeit8 voraus. Wir könnten eben nur nicht wissen, „ob das Universum, in dem wir uns befinden, tatsächlich die Letzte Wirklichkeit ist“9. Dabei existierten aber auch die vielfach in Realitätsebenen gestuften Simulationen und „Subsimulationen ... physikalisch“10. Auf der ‚Letzten Wirklichkeitsebene‘ werde diese vollkommene Simulation durch eine Weiterentwicklung des mensch1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Tipler, 1994, 232. Tipler, 1994, 232. Tipler, 1994, 232. Vgl. Tipler, 1994, 232f. Vgl. dazu etwa bündig Pannenberg, 1996 und kritisch zu Pannenberg Mutschler, 1995. Tipler, 1994, 257. Vgl. Tipler, 1994, 254. Vgl. Tipler, 1994, 259. Tipler, 1994, 259. Tipler, 1994, 261.

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lichen Lebens hin zu einem Dasein der Gattung in der Form eines ungeheuer leistungsfähigen Computers stattfinden. Dieser sei dann in der Lage eine in ihrer Vollkommenheit „äußerste Simulation“, eine „perfekte Simulation – eine Emulation – des gesamten physikalischen Universums zu konstituieren, die insbesondere alle auch im realen Universums existierenden Wesen enthält und die tatsächliche Zeitentwicklung des tatsächlichen Universums vollkommen nachahmt“1. Insofern das menschliche Leben hier real ‚emuliert‘ wird, ist das „Aussterben der Menschheit eine logisch notwendige Konsequenz des ewigen Fortschritts“2. Der polnische Literaturnobelpreisträger Czeslaw Milosz (1911-2004) hat Tiplers Denkfigur in eine lyrische Form gebracht: „After Enduring/ Nach unserem Verbleib Die Auferstehungshypothese, aufgestellt von einem bedeutenden Wissenschaftler der Quantenmechanik, sieht unsere Rückkehr zu bekannten Orten und Menschen vor nach ein oder zwei Milliarden Erdjahren, welches in der Nach-Zeit einem Augenblick dem Jetzt gleicht. Ich bin froh, lange genug gelebt zu haben, um die Erfüllung der Vorhersagen zu bezeugen über einen möglichen Bund von Religion und Wissenschaft, die von Einstein, Planck und Bohr vorbereitet wurde. Ich nehme wissenschaftliche Phantasien nicht allzu ernst, trotzdem erkenne ich an mathematische Graphen und Berechnungen. Dasselbe wurde auch schon von Petrus, dem Apostel, geäußert, als er gesagt hat: Apokatastasis panton, ist die Erneuerung aller Dinge. Dennoch ist es hilfreich: in der Lage zu sein, sich vorzustellen, dass jeder Mensch einen Code hat, statt Leben in einem ewigen Abstellraum, einem ‚Supercomputer‘ des Universums. Wir zerfallen zu Fäulnis, Staub, Mikrodüngemittel, aber dieser Code bzw. diese Essenz bleibt und wartet bis er schließlich zu Fleisch wird. Außerdem, wenn die neue Leiblichkeit gereinigt werden sollte von Bösem und Leid, tritt der Gedanke vom Fegefeuer in die Gleichung ein. Nicht anders ist was die Gläubigen in einer Kirche im Chor wiederholen, um ewiges Leben zu erbitten. Und ich mit ihnen. Nicht begreifend, wer ich sein werde, wenn ich aufwache nach meinem Verbleib“3.

1 2 3

Tipler, 1994, 258. Tipler, 1994, 271. Miłosz, 1995, 62, Übersetzung Anna Carina Repp.

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Damit hat Tipler sowohl eine ‚gesamtuniverselle‘, das heißt alle Realitätsebenen betreffende als auch individuelle „Physik der Auferstehung“1 des „ewigen Fortschritts“2 entworfen. Gestützt auf das Instrumentarium seiner Mathematik kann Tipler nebenbei seinem Weltenschöpfer viele Aufgaben abnehmen. Er kann schon einmal die Zahl aller möglichen sichtbaren Universen ausrechnen: „Ich werde nun zeigen, daß eine Emulation aller möglichen Varianten unserer Welt – des sogenannten sichtbaren Universums – höchstens 1010125 Bits eines Computerspeichers erfordern würde und daß eine solche Computerkapazität in der fernen Zukunft zur Verfügung stehen wird“3.

In einer Spannung zu seiner Prämisse einer Letzten Wirklichkeit, die auch er nur als vorgegebene Faktizität begreifen kann, steht dann seine weitreichende Aussage über die ontologische Struktur aller möglichen sichtbaren Universen. Weil es sich hier um alle möglichen Universen handelt, kommt es zu einer sozusagen wild wuchernden Emulation. „Nicht nur Tote werden wiedererweckt, sondern auch Menschen, die nie gelebt haben. Doch lautet die zentrale Aussage der Vielwelten-Physik ..., daß alle Menschen und alle Geschichten, die existieren könnten, tatsächlich existieren. Sie existieren nur nicht auf unserer Bahn im Phasenraum, deshalb wissen wir nichts über sie. Den auferstandenen Toten wäre es gleichgültig, auf welcher Bahn sie wiedererweckt werden – auf ihrer eigenen oder einer anderen ‒, solange sie nur wiedererweckt werden!“4. Weil aber alles möglich ist, was ohne Widerspruch denkbar ist, gibt es dann eben im ontologischen Zusammenhang der großen Emulation Planeten, auf denen Menschen, die Cylonen der Battlestar Galactica-Serie und viele Micky Mäuse friedlich zusammenleben oder in erbarmungslosen Kämpfen einander vernichten oder einander heiraten. Auch hier zeigt sich wieder das ontologische Problem einer realistischen Interpretation der VieleWelten-Theorie im Zusammenhang einer entsprechenden Ontologie der Wellenfunktion. Vielleicht wird es dann aber auch ein Universum geben, in dem sich alle Männer mit Ockhams Rasiermesser rasieren oder vielleicht auch nur ihre Frankfurter Würstchen damit schneiden. Wenn erst einmal der Damm gebrochen ist und sich alle Möglichkeiten im Tanz der endzeitlichen Emulation in den Kosmos ergießen, dann hat im Möglichkeitshimmel auch jedes endliche vernünftige Wesen freie Bahn. Tipler ist konsequent, wenn er in diesem Zusammenhang ein Weltbild präsentiert, das dem Thetanenmodell der Scientologen entspricht.

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Tipler, 1994, 270. Tipler, 1994, 271. Tipler, 1994, 274. Tipler, 1994, 277.

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„Die Endzeitsingularität, d.h. der ‚Omegapunkt‘, verfügt ... über eine unendliche Informationsdichte, ist folglich imstande, alles perfekt zu simulieren“1. Mutschler bringt Tiplers Intention auf den Punkt: „Frank Tiplers ‚Physik der Unsterblichkeit‘ drückt nicht nur die ‚Idee der totalen Machbarkeit‘ in ihrer krassesten, verdinglichten Form aus, sie bringt auch die beiden mächtigsten Projektionsflächen des technisch motivierten Transzendenzbedürfnisses zur Deckung: den Daten- und den Weltraum. Zugleich vereinigen sich in diesem Ansatz Cyberspace und Konstruktivismus: Indem das ganze Weltall zum Konstrukt wird, gibt es keine Differenz mehr zwischen ‚virtuell‘ und ‚reell‘“2.

Im Hinblick auf die Frage, „welche Fülle an Erfahrungen uns im Leben nach dem Tod möglich sein wird“3 und unter Berücksichtigung des/seines tiplerschen „Gesamteindruck(s), daß die Christen im allgemeinen die angenehmen Seiten des Himmels stark unterschätzen“4 kommt er zu einem Modell des persönlichen Himmels als universalem Abenteuerspielplatz. Er bezieht sich auf Joh 14,2: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ und deutet ihn unter den Bedingungen seines physikalistischen Neomythos: „Jedes private sichtbare Universum könnte auch derart simuliert werden, dass es 1010 separate Planeten Erde enthält, jeder eine Kopie der gegenwärtigen Erde und der Erde, wie sie zu einem anderen Zeitpunkt in der Vergangenheit war. ... Das wären mehr Erden, als ein einzelner Mensch erforschen könnte, bevor seine/ihre Gedächtniskapazität von 1015 Bits erschöpft ist, ganz zu schweigen von den Erinnerungen, die gespeichert würden, wenn er/sie andere Menschen in deren Privatuniversum besucht“5.

Die letzten Sätze seiner Physik der Unsterblichkeit lauten vielleicht nicht bewusst, doch umso fester unthematisch verankert im Glauben an Auguste Comtes kommendes positives Zeitalter einer allseits siegreichen Wissenschaft: „Die Omegapunkt-Theorie hat die Schlüsselbegriffe der jüdisch-christlich-islamischen Tradition nun zu Begriffen der modernen Physik werden lassen: Die Theologie ist nichts anderes als physikalische Kosmologie, die auf der Annahme beruht, daß Leben insgesamt unsterblich ist. Eine Folge dieser Annahme ist die Auferweckung aller, die gelebt haben, zum ewigen Leben. Die Physik hat nun die Theologie absorbiert; die Trennung zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Vernunft und Gefühl, ist überwunden. ... Die Wissenschaft kann nun angesichts des Todes exakt denselben Trost spenden wie einst die Religion. Die Religion ist nun Teil der Wissenschaft“6.

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Mutschler, 1998, 100. Mutschler, 1998, 103.

Tipler, 1994, 316. Tipler, 1994, 317. Tipler, 1994, 316. Hervorhebungen durch Tipler. Tipler, 1994, 407. Die ersten beiden Hervorhebungen stammen von mir, die letzte von Tipler selbst.

DER NEOMYTHISCHE COSMOLOGIC TURN

5.

Panspermiehypothesen einst und heute

a.

Ouvertüre in der Antike. Basilides von Alexandrien

263

Der schon in der Vorsokratik bekannte Begriff panspermia wird von Platon im Timaios1 für das Mischen der Elemente verwendet, aus denen der demiurgos das Mark des Menschen, das hier mit dem menschlichen Samen gleichgesetzt wird, bilde. Die kosmologisch-biologische Konnotation im Begriffsgebrauch der Moderne erscheint später schon fast vorgezeichnet bei dem Gnostiker Basilides von Alexandrien (1. Hälfte des 2. Jahrhunderts). Basilides schreibt ein Evangelium und dazu einen Evangelienkommentar sowie Psalmen oder Oden2. Welches Evangelium er dabei kommentiert, ist nicht bekannt. Basilides ist ein christlicher Lehrer in Alexandria. Er kann Anhänger um sich sammeln, deren bedeutsamster sein Sohn Isodorus ist. Sein Gedankengut tradiert sich bis in das 4. Jahrhundert in einer Sekte in Unter-Ägypten. Die Forschung nimmt an, dass Klemens von Alexandrien († vor 159) in den Stromata und Hyppolyt (†235) in seiner Refutatio omnium haeresium Basilides weitgehend authentisch wiedergebe. Der basilidische Schöpfungsmythos3 (überliefert durch Hippolyt4 um 170-235) zeigt, dass das Motiv weltenbauender ‚Spermien‘ auch schon in der Antike die Phantasie angeregt hat. „Als also nichts da war, keine Materie, keine Substanz, ..., nicht Gott, überhaupt nichts …, da wollte der nicht-seiende Gott … nicht auf geistige Weise, …, ohne Begehren einen Kosmos schaffen. Das ‚er wollte‘ sage ich nur …, um ein Wort zu haben. Wille, Geist und Sinne waren nicht beteiligt. ‚Welt‘… nicht die nach Fläche und Teilung gewordene, die später sich teilte, sondern einen Weltsamen. Der Weltsamen hatte alles in sich … So machte auch der nicht-seiende Gott eine nicht-seiende Welt aus dem Nicht-Seienden indem er nieder- und zugrundelegte einen einzigen Samen, der in sich die ganze Samenmischung der Welt enthält“5. Als es noch keine Zeit gab, habe (ποῆσαι/poesai) der absolut transzendente Gott den Kosmos in der Gestalt einer alles unentfaltet bergenden ‚Samenallheit‘ ‚gemacht‘. In dieser Samenallheit habe sich eine dreiteilige „Sohnschaft“ befunden, die sich durch den nicht-seienden Gott angezogen gefühlt habe. Der erste und der zweite Teil dieser Sohnschaft hätten zu Gott unter nicht sonderlich großen Anstrengungen zurückkehren können. Der dritte Teil der Sohnschaft habe als zu erlösende Menschheit in dieser Samenfülle geruht.

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Platon, Timaios, 73 C. Vgl. dazu May, 2005, 1348. Vgl. Hauschild, 1977, 67f, Anm. 2. Für unseren Kontext ist die Frage, ob einige Texte auf Schüler zurückgehen, unproblematisch. Es geht uns um die exemplarische Darstellung eines christlich-gnostischen Denkens. Vgl. dazu Leisegang, 1955, 213-234 und Hauschild, 1977, 69f. Hippolyt, Ref. VII, 21, 1-3 zit. hier und im Folgenden nach Andresen, 1969, 80-110.

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Aus dieser Samenfülle sei dann der „große Herrscher“ entstanden: „... und da wallte auf und wurde geboren aus dem kosmischen Samen und dem Haufen des Weltsamens der große Herrscher .... Da er glaubte, er sei Herr, Gebieter und ein weiser Baumeister, wandte er sich der Schöpfung der Welt im einzelnen zu“1.

b.

Svante Arrhenius und „Das Werden der Welten“

Svante August Arrhenius (1859-1927) wird 1859 im schwedischen Wijk geboren. Er ist einer der Begründer der physikalischen Chemie. Schon mit seiner Dissertation (1883) legt er eine wegweisende Arbeit über die elektrolytische Dissoziation vor, die die Basis für seinen späteren (1903) Nobelpreis bildet2. Seit den neunziger Jahren interessiert sich Arrhenius auch für die Gebiete der physikalischen Kosmologie, Astronomie und Immunchemie. In einem der ersten Sciencefiction-Magazine der Welt, dem durch den schwedischen Ingenieur Otto Witt (1875-1923) herausgegebenen Magazin HUGIN, das zwischen 7.4.1916 und Weihnachten 1919 in einer Auflage von 10.000 vierzehntägig erscheint, werden Briefe von Svante Arrhenius an Witt abgedruckt3. Arrhenius stellt dort 1917 etwa die These einer wasserreichen Venus auf und beeinflusst damit zahlreiche Sciencefiction-Autoren und Esoteriker, über eine lebenbergende Venus nachzudenken. Doch wesentlich bekannt in der ‚esoterischen Naturwissenschaft‘ wird er durch seine Fassung der Panspermie-Theorie. Svante Arrhenius leitet in seinem späteren, auch breit kulturgeschichtlich und philosophisch orientierten Werk über Die Vorstellungen vom Weltgebäude im Wandel der Zeiten das Thema Panspermie durch eine Betrachtung zur Frage nach der Ewigkeit des Lebens ein. Die zeitliche Erstreckung von Leben werde infrage gestellt durch die Tatsache, dass sich in anderen Sonnensystemen ein „rhythmische(r) Wechsel“4 finde. Damit stellt sich für Arrhenius die Frage, „wie der Ewigkeitsbegriff auf die Existenz des Lebens überhaupt angewendet werden kann“5. In seinem früheren Werk über Das Werden der Welten (1908) gibt er darauf eine ausführliche Antwort, die er hier später nur noch knapp referiert. Aus diesem Grunde beziehe ich mich im Folgenden weitgehend auf Das Werden der Welten. Das letzte Kapitel dieses Buches trägt den bezeichnenden Namen Ausbreitung des Lebens durch den Weltenraum. Die kosmologische Prämisse von Arrhenius liegt in der Annahme, dass das Universum sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unendlich ist. Es gebe Auftauchen und Abtreten erlo1 2 3 4 5

Hippolyt, Ref. VII, 23, 3.5. Vgl. dazu Jaffe, 1930, 219-241 und Wussing, 1992, 29f. Vgl. Hall, 1983, 90f. Arrhenius, 1910, 190. Arrhenius, 1910, 191.

DER NEOMYTHISCHE COSMOLOGIC TURN

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schener, Wärme ausstrahlender Sonnen. Neue Sonnensysteme würden entstehen, wenn durch den Zusammenstoß von Sonnen Nebelflecken im Universum entstünden, aus denen wiederum neugebildete Sonnen und kleinere Himmelskörper würden. Die zeitlichen Dimensionen, innerhalb dessen sich Arrhenius bewegt, zeigen sich in der folgenden Bemerkung: „Nehmen wir nun an, dass es hundertmal mehr erloschene als leuchtende Sterne gibt, welche Annahme gar nicht so unberechtigt ist, so würde die wahrscheinliche Zeit bis zum nächsten Zusammenstoß etwa 1000 Billionen Jahre betragen“1.

Wie könne es unter solchen Bedingungen zu Leben auf einem Himmelskörper kommen? Nach einer Abgrenzung gegenüber Linné, dem Modell einer Urzeugung (generatio spontanea) und anderer seiner Meinung nach fantastischen Hypothesen und dem Bezug auf die Evolutionstheorie unter besonderer Hervorhebung der Rolle von Charles Darwin entwickelt Arrhenius sein Modell der Panspermie. Er gehe von der Voraussetzung aus, dass die heutigen Organismen auf ältere Organismen zurückgingen, möglicherweise sogar auf ein „einzige(s), äußerst einfache(s) Wesen“2 beziehbar seien. Als einzigen Ausweg aus dem Bereich fantasiegeschaffener Naturwissenschaft sieht Arrhenius die Panspermie-Hypothese an, „nach welcher Lebenssamen in den Räumen des Weltalls umherirren, die Planeten treffen und deren Oberfläche mit Leben erfüllen, sobald die Bedingungen für das Bestehen der Organismen dort erfüllt werden“3. Die „Sporen der kleinsten Organismen der Erde“ gerieten durch einen elektrischen Prozess in den Weltraum, der dadurch zu Stande komme, dass „negativ elektrisch geladene(r), von der Sonne kommende(r) Staub()“ die irdischen Mikroorganismen aufhebe und in das „Äthermeer“ hinaus treibe4. Weil die Sporen in ihrer Keimfähigkeit durch die Kälte des Weltraums bis gegen Null reduziert seien, könnten sie Millionen Jahre hindurch ihre Keimfähigkeit behalten. Sowie auch einst die Erde befruchtet worden sei, so fielen nun irdische Lebenskeime auf andere Planeten nieder und befruchteten diese. „Auf diese Weise kann das Leben seit ewigen Zeiten von Sonnensystem zu Sonnensystem, oder von Planeten zu Planeten innerhalb desselben Sonnensystems getragen worden sein“5. Auf dem Hintergrund dieser physikobiologischen Kosmologie kann Arrhenius dann sein Werk mit dem Gedanken beschließen, dass nach der Lehre der Panspermie „alle organischen Wesen im ganzen Universum einander verwandt sind und aus Zellen bestehen, die sich aus Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff- und

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Arrhenius, 1908, 107 und 30. Arrhenius, 1908, 193. Arrhenius, 1908, 195. Vgl. Arrhenius, 1908, 203. Arrhenius, 1908, 207.

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Stickstoff-Verbindungen aufbauen. ... Das Leben auf anderen bewohnten Welten bewegt sich vermutlich in Formen, die den auf der Erde vorhandenen recht nahe verwandt sind“1. Auch hier erleben wir wieder eine unthematische Reaktion auf die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne. Zwar ist unser Planet im ‚kopernikanischen‘ Kosmos ein Staubkorn unter anderen Staubkörnern und wir sind weiterhin Abkömmlinge elementarer Lebensformen. Doch ist gleichsam das ganze Universum nach einer Art Ebenbildlichkeit besiedelt. Auf diese Weise kann für Arrhenius „ruhig eine Ewigkeit des Lebens in genau demselben Sinne angenommen werden, wie man sie von der Materie und der Energie als selbstverständlich zu denken sich gewöhnt hat“2 – und dieses Leben, so die beruhigende Nachricht, gleicht uns.

c.

Fred Hoyle, „bei dem die Erde die Rolle eines Empfängers spielt – wie zahllose andere im All“

Der englische Astronom Sir Fred Hoyle lehrt nach dem Zweiten Weltkrieg am ST JOHN‘S COLLEGE der CAMBRIDGE UNIVERSITY MATHEMATIK. Später, 1958, erhält er dort die renommierte Stelle als Plumian Professor of Astronomy and Experimental Philosophy und wird 1967 Gründungsdirektor des INSTITUTE OF THEORETICAL ASTRONOMY (später: INSTITUTE OF ASTRONOMY, Cambridge). Anfang der Siebzigerjahre (1972/73) kündigt Hoyle diese Positionen und macht sich selbständig. Unter anderem verfasst er populärwissenschaftliche und literarische Bücher. Hoyle wird international und über seine Disziplin hinaus durch seine Kosmologie bekannt, die sogenannte Steady-State-Theory des Universums, die er als Alternative gegenüber der Urknall-Theorie aufstellt. Auf ihn geht auch – wie schon geschrieben – der Terminus „Big Bang“ zurück, den er 1950 in einem Radio-Gespräch mit George Gamow (1904-1968) dem öffentlichen Sprachgebrauch einprägt. Hoyle ist nicht nur ein berühmter Astronom und Kosmologe, sondern auch Verfasser zahlreicher Sciencefiction-Romane, deren berühmtester The Black Cloud (1957)3 ist. Zusammen mit einigen Kollegen geht er davon aus, dass das Universum immer schon bestanden hat. Unter Verzicht auf den Schöpfungsgedanken wird davon ausgegangen, dass ‚Etwas‘ immer schon da war. Entsprechend gibt es nach der 1 2 3

Arrhenius, 1908, 207. Meyer-Abich, 1950, 57. Auf Deutsch erschienen unter dem Titel Die schwarze Wolke, 1958. Vgl. weiter von Fred Hoyle u.a. die Romane Das Geheimnis der Stadt Caragh (Ossians Ride 1962), Köln 1962, und A wie Andromeda (A for Andromeda 1962 und Andromeda Breakthrough 1964), 1967.

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Theorie vom stationären Universum keinen Ursprung in einem Urknall. Die Expansion des Weltalls, von der die Urknalltheorie ausgeht, wird hier ersetzt durch den Gedanken einer kontinuierlichen ‚Schöpfung‘ von Elementarteilchen. Diese Elementarteilchen ballten sich mit der Zeit zusammen und bildeten neue Nebel. Dabei bleibe die Zusammensetzung des Universums mehr oder weniger gleich und sei trotz des unaufhörlichen Auseinanderfliehens bereits gebildeter Nebel isotrop. Zusammen mit seinem Schüler, dem sri-lankischen Astrophysiker Nalin Chandra Wickramasinghe (*1939), hat Hoyle mit dem Buch Die Lebenswolke. So empfing die Erde das Leben von den Sternen (1979) eine breit ausgearbeitete populäre Fassung seiner Theorie herausgebracht. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Gedanken zur Panspermie ursprünglich auf Ideen von Wickramasinghe zurückgehen. Mit einundsiebzig Jahren wird Chandra Wickramasinghe von der CARDIFF UNIVERSITY entlassen (dismissed). Wickramasinghe spricht von einer Reaktion auf seine Panspermiehypothese, die Universität von Einsparungen1.

Hoyle hat seine Theorie der Panspermie auch in dem 1985 publizierten und von Erich von Däniken mit einem Nachwort versehenen ‚wissenschaftlichen‘ Sammelband Aus den Tiefen des Alls. Handbuch zur Prä-Astronautik. Wissenschaftler auf den Spuren extraterrestrischer Eingriffe im Kontext der ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY vorgestellt. Im Hintergrund des Buches Die Lebenswolke stehen zwei Voraussetzungen, die Hoyle und Wickramasinghe – einer für Hoyle üblichen Methode folgend – holzschnittartig und mit einem Tunnelblick gegenüber anderen Standpunkten – zu belegen versuchen. Erstens sei davon auszugehen, dass die biochemischen Lebensbausteine nicht irdischen Ursprungs seien, sondern von irgendwoher aus der Milchstraße stammten. Und zweitens – und hier haben wir die typische, weit gehende Behauptungen als unbestreitbare Fakten präsentierende Beweismethode Hoyles – „dürfte es jetzt praktisch feststehen, daß ähnliche Vorgänge biologischen Zusammenbaues unzählige Male an vielen anderen Orten des Universums stattfanden“2. Nicht unüblich im Stile populärer Naturphilosophen ist dann der Einstieg über eine Abgrenzung von den als direkte Alternative zu den Erfahrungswissenschaften verstandenen Schöpfungserzählungen der Religionen, von denen einfachhin hier behauptet wird, dass sie allesamt von einem „willkürliche(n) Schöpfungsakt, der irgendeine Art von nicht erklärbarem Wunder voraussetzt“3 handeln würden. Dann werden auch noch philosophische beziehungsweise erfahrungswissenschaftliche Theorien über den Ursprung des Lebens angeführt und dabei be-

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2 3

Vgl. Sutherland, 2011, in: http://www.skymania.com/wp/2011/03/life-from-space-expertloses-funding.html/3686/, o. S. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 16. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 18.

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sonders die einer creatio ex nihilo hervorgehoben, welche die Menschen am meisten beschäftigt habe und die auch heute noch auf ihre Weise als Hypothese anerkannt werde. „Durch das Anerkennen der ‚Ursuppentheorie‘ als den Ursprung des Lebens haben die Wissenschaftler die religiösen Mysterien bei dieser Frage durch ebenso geheimnisvolle, alles verhüllende wissenschaftliche Dogmen ersetzt, die genauso unzugänglich für eine empirische Erfassung sind wie damals“1.

Fred Hoyle setzt an den Anfang seiner Argumentation zunächst einmal die Frage nach dem Ursprung des Lebens. Rückblickend skizziert er, dass die Erde vor viereinhalb Milliarden Jahren nur eine Wolke feiner Staubteilchen gewesen sei, die sich zunächst verdichteten. Die Erde sei dann zum festen Körper geworden, der allerdings noch sehr heiß war. Sodann seien eisige Kometen aus dem äußeren Bereich des Sonnensystems auf diesen glühenden Planeten eingeschlagen und hätten ihm verdampfbare Stoffe zugeführt. Auf diese Weise sei es auch zu der Entstehung der Weltmeere gekommen. Durch die Verdampfung des Wassers und die Spaltung von Wassermolekülen durch das Sonnenlicht hätten sich dann die Atmosphäre und entsprechende Wolkendecken, die den Planeten beschatteten, gebildet. Auf dieses Weise sei langsam die Erdoberfläche vor der ultravioletten Strahlung der Sonne abgeschirmt und so erst Leben auf der Erde möglich geworden. Und nun ist die Frage – so Hoyle – wie und woher dieses Leben gekommen sei. Dabei gibt es für ihn heute die Alternative, dass man das Leben entweder als eine rein irdische Erscheinung betrachten könne oder man könne das Leben als ein kosmisches Phänomen begreifen, „bei dem die Erde die Rolle eines Empfängers spielt – wie zahllose andere im All“2. Hoyle geht von der zweiten Möglichkeit aus. Er bezieht sich dabei auf die alte kosmologische Idee der Panspermie, die schon der griechische Philosoph Anaxagoras (ca. 500 v. Chr.) vertreten habe. Anaxagoras sei davon überzeugt gewesen, dass die Saat des Lebens zum Kosmos gehöre und überall dort Wurzeln schlage, sobald die Bedingungen für ein Aufkeimen des Lebens günstig seien. Louis Pasteur (1822-1895) habe weiter bewiesen, dass sich Leben nur aus dem Leben ableiten ließe. In diesem Zusammenhang zitiert Hoyle den deutschen Physiker und Physiologen Hermann von Helmholtz (1821-1894), der 1874 schrieb: „Falls alle unsere Versuche fehlschlagen, die Erzeugung von Organismen aus lebloser Materie zu begründen, scheint es mir ein korrektes Verfahren, die Frage aufzuwerfen, ob das Leben jemals entstand, ob es nicht vielmehr so alt wie die Materie selbst ist und

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Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 24. Hoyle, 1985, 67.

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ob nicht die Saat von einem Planeten zum anderen übertragen wurde und sich überall dort entwickelte, wo sie auf fruchtbaren Boden fiel ...“1. Wenn man von der Panspermie-Hypothese ausgehe, dann müsse man voraussetzen, dass vor ungefähr 3,8 Milliarden Jahren Lebenskeime durch Kometen auf die Erde gelangt seien. Die Erde sei immer schon mit lebenden Zellen berieselt worden. „Die steril gewesene Erde wurde sozusagen von Leben angesteckt“2. Dieses Leben habe sich dann gemäß den irdischen Bedingungen entfaltet. Er fragt weiter, wo das Leben – wenn nicht auf der Erde – entstanden sei. In Die Lebenswolke leitet das Autorenteam die Darstellung seines Standpunktes durch den Hinweis auf Forschungen von John Burdon Sanderson Haldane (18921964) und Alexander Iwanowitsch Oparin (1894-1980) ein. Man sei gewiss, dass es einen anorganischen chemischen Vorfahren3 des Lebens geben müsse. Der Evolutionsprozess, um den es hier gehe, sei deshalb kein irdischer, sondern es gehe um die „Evolution der Materie“4, die „zu allen Zeiten im Universum tätig“5 gewesen sei. „Das Universum ist ganz gewiss älter als das Leben, aber es ließ das Leben entstehen und schaffte ihm die Bedingungen dazu“6. Ausgangspunkt für die Entstehung des Lebens im Universum sei die Existenz interstellarer Wolken mit gasförmiger Materie. Ein Teil dieser Materie kollabiere und werde zu Sternen, ein anderer Teil sei dazu bestimmt, in einem „komplexen Prozeß vorbiotischer Chemie“7 die Grundbausteine späteren Lebens zu bilden. Nun müssten sich die Autoren der Frage zuwenden, wie diese grundlegenden Lebensbausteine Planeten erreichen könnten. Leben – das nur aus Leben zu entstehen vermocht habe – sei ungefähr vor 3,83 Milliarden Jahren aufgetreten. Für die Sterilität der alten Erde spräche es, dass bis vor ungefähr 3,9 Milliarden Jahren die Erde stark mit Meteoriten beschossen worden sei, so dass eine stabile Erdkruste und eine Atmosphäre um die Erde bis dahin unmöglich gewesen seien. Erst ungefähr 3,9 Milliarden Jahre vor unserer Zeit habe diese Bombardierung nachgelassen. Im Blick auf die zu betrachtende irdische Situation der Lebensentstehung vor ungefähr 3,9 Milliarden Jahren gibt es nach Hoyle wiederum alternative Erklärungsmöglichkeiten. Entweder habe eine chemische Evolution aus einer ‚Ursuppe‘ vor 3,83 Milliarden Jahren zur spontanen Erzeugung des Lebens auf der Erde geführt oder das Prinzip der Panspermie gelte.

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Helmholtz zit. nach Hoyle, 1985, 68. Hoyle, 1985, 70. Vgl. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 22 und vgl. auch 52. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 53. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 53. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 61. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 87.

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Hoyle und Wickramasinghe führen zur Erklärung dieser Möglichkeit Einschläge von Kometen vor knapp vier Milliarden Jahren an, durch die Wasser und präbiotische Keime auf die Erde geraten seien1. „Im Weltall kann es (das Leben, L.H.) an zahllosen Orten entstanden sein. Allein in unserem Sonnensystem befinden sich tausend Milliarden Kometen. Vergleicht man die atomare Zusammensetzung von Kometen mit der von Lebewesen, so stellt man eine bemerkenswerte Übereinstimmung fest. Die chemische Zusammensetzung der Erdoberfläche ist dagegen von der der Lebewesen völlig verschieden“2.

Insofern die Mengenverhältnisse von lebenswichtigen Atomen wie Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff auf der Erdoberfläche anders seien als in Lebewesen und es in Kometen hingegen dieselben Verhältnisse dieser Atome gebe wie in Lebewesen, könne man davon ausgehen, dass Kometen bessere Brutstätten des Lebens seien als es die Erde gewesen sei. Wenn man weiterhin darauf reflektiere, dass die Milchstraße allein mehr als hundert Millionen sonnenähnlicher Sterne enthalte, und man voraussetzen könne, dass die Milchstraße (die anderen Galaxien nicht eingerechnet) ungefähr 1020 Kometen enthalte, könne man davon ausgehen, dass das Leben in unserer Milchstraße nicht entstanden sei. Wie hätten sich Bakterien in der Milchstraße fortbewegen gekonnt, um zu Lebenskeimen auf Planeten zu werden? Interessant ist hier, wie Hoyle in naturwissenschaftlicher Metaphorik alte gnostische Bilder von göttlichen Lichtteilchen, die auf die Erde gelangen und dort sich mit der Erde verbinden und die Schöpfung hervorbringen, physikalisch-kosmologisch aufgreift. Im Anschluss an Arrhenius geht Hoyle davon aus, dass die Bakterien durch die Kraft des Lichtes fortbewegt wurden. Licht übe – so Hoyle – einen Druck auf einen Körper aus. Im Einflussbereich eines Steines sei das Licht eine entgegengesetzte Kraft zur Gravitation. Die Gravitation sei eine Kraft, die zum Stern hinziehe und das Sternenlicht übe eine Kraft aus, die vom Stern wegtreibe. Wenn ein Teilchen in seiner Größe einen bestimmten Wert überschreite, dann unterliege es dem Einfluss der Gravitation. Auch dann ‚siege‘ die Gravitation, wenn dieses Teilchen wesentlich kleiner als die Wellenlänge des einfallenden Lichtes sei. Nur dann, wenn Licht und Teilchen einander ‚entsprächen‘, könne das Licht das Teilchen hinaustragen. Bakterien lägen in diesem transportablen Größenbereich. „Bakterielle Zellen können also, woher sie auch stammen mögen, in der Milchstraße explosiv von Wolke zu Wolke befördert werden“3. 1 2 3

Vgl. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 153. Hoyle, 1985, 70. Hoyle, 1985, 71.

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Auf diese Weise sei das Licht der Sterne zum Mittel geworden, durch das das Leben von Stern zu Stern weitergetragen werde. Weil nun Bakterien fast unbegrenzte Zeit bei niedrigen Temperaturen und Drücken überleben könnten, ultraviolette Strahlung gut überstünden, sogar teilweise gegenüber Röntgen-, Gammaund Teilchenstrahlung resistent seien und ferromagnetische Eigenschaften besäßen, die sich den schwachen Magnetfeldern der Milchstraße anpassen könnten, geht Hoyle davon aus, dass die „Evolution die Bakterien als Raumfahrer ausgestattet hat. Diese raumfahrenden Mikroben in der gesamten Milchstraße verteilt stellen das biologische Vermächtnis einer jeden Gaswolke im Weltraum dar“1. So entsteht bei Hoyle das Bild eines Kosmos, der mit „lebenden Zellen vollgepfropft ist“2. Dieser Kosmos regeneriere sich ununterbrochen als stationäres Universum. Er habe keinen Anfang und kein Ende. Er sei unaufhörlich im Werden. Damit schließt sich die Argumentation. Im Buch über Die Lebenswolke folgt nun noch eine Betrachtung über mögliches Leben auf anderen Planeten. Jenseits aller fachlichen Belege ergibt sich für die Autoren dann folgende Situation beziehungsweise Schätzung der Zahl lebensfreundlicher Planeten in unserem beobachtbaren Universum: „Eine grobe Schätzung ... ergibt für unsere Milchstraße eine Gesamtsumme von etwa zwei Milliarden bewohnbare Planeten. Bei ungefähr einer Milliarde Galaxien, ähnlich unserer Milchstraße, dem für uns beobachtbaren Universum, würde das etwa eine Milliarde Milliarden lebensfreundlicher Planeten bedeuten“3.

Wir können hier auf die Bezüge verweisen, die in diesem Weltbild stecken und zum Beispiel dazu führen, dass berühmte Wissenschaftler wie Hoyle in einem Präastronautik-Sammelband mitschreiben, zu dem Erich von Däniken ein Nachwort verfasst. Die Menschen müssten nämlich – so kann man hier Hoyle fortführen – um die Geheimnisse dieses Kosmos zu erfahren, wohl in diesen Kosmos aufbrechen, aus dem sie in der Form von lichttransportierten Lebenskeimen einst kamen. Das neugnostische Bild schließt sich hier. Mit dem Licht kam die heutige Formgebung der irdischen Schöpfung auf die Erde und wenn die irdische Schöpfung zu sich selbst kommen will, so muss sie die Erde verlassen. Es ist klar, dass eine derartige Kosmologie gut in den Kontext einer Raumfahrtzeitalter-Philosophie passt. Umso besser ist dann eine solche Kosmologie, wenn die Panspermienhypothese ausgeweitet wird. Was wäre, wenn die Lebenskeime des Kosmos bewusst ausgeschickt worden wären? Was wäre, wenn es eine gelenkte Panspermie gäbe?

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Hoyle, 1985, 72. Hoyle, 1985, 74. Hoyle/ Wickramasinghe, 1979, 171.

272 d.

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Francis Cricks Postulat einer gelenkten Panspermie

Der englische Physiker und Biochemiker Francis Harry Compton Crick (19162004) beschreibt – unter Rückgriff auf unautorisiert übernommene Forschungsergebnisse einer anderen Wissenschaftlerin (Rosalind Elsie Franklin, 1920-1958) – gemeinsam mit James Watson (*1928) und Maurice Wilkins (1916-2004) die Molekularstruktur der DNA. Sie erhalten dafür 1962 den Nobelpreis für Medizin. Francis Crick gehört damit zweifellos zu den großen wissenschaftlichen Symbolfiguren des 20. Jahrhunderts. In seinen späteren Jahren beginnt Crick sein lebenswissenschaftliches Wissen auf andere Bereiche auszuweiten. Der auch bei anderen berühmten Wissenschaftlern zu beobachtende Prozess, seine Bereichsbezogenheit im Wissen zu vergessen und die eigene Disziplin für immer globalere Erklärungen heranzuziehen, lässt sich auch bei Crick beobachten. Francis Crick verfasst mit dem britischen Chemiker Leslie Orgel (1927-2007) einen weitreichenden Gedankengang. Es erscheine ihnen nicht als unwahrscheinlich, dass extraterrestrisches Leben die Erde als treibende Spore oder eingebettet in einen Meteoriten erreicht haben könnte. Als Alternative zu vertrauteren Hypothesen über den Ursprung des Lebens schlagen sie das Modell einer gelenkten Panspermie (Directed Panspermia) in der folgenden Form vor: „Könnte der Anfang des Lebens auf der Erde das Resultat einer Befruchtung (infection) durch Mikroorganismen sein, die absichtlich durch eine technologische Gesellschaft eines anderen Planeten mittels eines unbemannten Weitstreckenraumschiffs gesandt wurden?“1. Crick argumentiert in diesem Aufsatz, der für ein eher ‚wissenschaftliches‘ Publikum gedacht ist, wie in seinem später durch ihn allein verfassten populären Sachbuch Das Leben selbst. Sein Ursprung, seine Natur (19811) vorsichtig. Zunächst grenzt er sich von dem möglichen Argument ab, dass hier – mit der Panspermiehypothese – die Frage nach dem Ursprung des Lebens nur verschoben werde. Es gehe zunächst einmal um die Frage, ob das Leben möglicherweise auf einem anderen Planeten entstanden sein könnte. Crick räumt weiterhin ein, dass es keine Möglichkeit gäbe zu sagen, ob die Erde von höheren Lebewesen belebt worden sei oder nicht. Als ein Kriterium zur anfänglichen Beantwortung dieser Frage könne etwa der Blick auf lebensnotwendige, aber auf der Erde selten oder kaum vorkommende ‚Lebensbausteine‘ gelenkt werden. Ein weiteres interessantes Argument besteht für Crick darin, dass der genetische Code der irdischen Lebewesen gleich sei. „Der universale Charakter des Codes resultiert nach der Befruchtungstheorie (infective theory) des irdischen Lebens aus der Singularität des extraterrestrischen Lebenskeims“2.

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Crick/ Orgel, 1973, 343, Übersetzungen im Folgenden L.H. Crick/ Orgel, 1973, 344.

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Weiterhin macht er darauf aufmerksam, dass zwischen dem irdischen Ursprung des Lebens und dem Auftreten einer technologischen Gesellschaft ein Zeitraum von (1010)9 Jahren liege. Dies bedeute, dass es möglicherweise in der Galaxis hoch technologische Lebensformen gegeben habe, die schon weit vor dem planetaren Zu-Stande-Kommen der Erde existiert haben könnten. Allerdings müsse auch damit gerechnet werden, dass die Menschheit, im Blick auf die mögliche Unwahrscheinlichkeit von Leben, vielleicht sogar allein im Universum sei. Daraus ergibt sich für Francis Crick eine gleichsam verschärfte ethische Verpflichtung, das Leben von der Erde aus in den Prozess des Universums zu tragen. Ein dafür benötigtes Raumschiff würde ein breites Spektrum ihrer Mikroorganismen in den Weltraum hinaus tragen. Weiterhin müsse sich in dem Raumschiff auch noch die entsprechende Nahrungsgrundlage für diese Mikroorganismen befinden – Blaualgen, Wasser, CO2. Da der Radius unserer Galaxis 105 Lichtjahre umfasse, sei es bei entsprechender Geschwindigkeit von sechzigtausend Meilen in der Stunde möglich, nahezu alle Planeten in einem Zeitraum von 108 Jahren zu befruchten (infect). Aus allen diesen Gesichtspunkten schließt Francis Crick, dass es sich bei der Idee einer gelenkten Panspermie um eine ernsthafte und damit diskussionswürdige Hypothese handele. Er schränkt selbst ein, dass man zurzeit nur über die Möglichkeit, nicht aber über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens sprechen könne. Francis Crick setzt bei seiner Argumentation in seinem Sachbuch Das Leben selbst mit einer Betrachtung über die ungeheure Leere im Kosmos ein. In dieser Ausarbeitung begibt er sich stärker in das Gebiet der Metaphysik. Er spricht von einer „immensen dreidimensionalen Leere“1 unseres Kosmos und über die seltsame Selbstverständlichkeit, mit der dieses Phänomen von Dichtern und religiösen Menschen bisher nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Dann verweist er auf die Urknalltheorie, die als communis oppinio der aktuellen Forschung beschrieben wird, und skizziert eine Hypothese über die Entstehung von Planeten. Damit ist er beim Thema der Entstehung des Lebens angelangt und kann als Grundlage seiner weiteren Argumentation zunächst einmal feststellen, dass die „ungeheure Vielfalt der Natur – der Mensch, die Tiere, Pflanzen, Mikroorganismen, ja sogar die Viren – … in chemischer Hinsicht auf einem gemeinsamen Grundplan“2 beruhe. Die grundlegenden Informationen für den Aufbau eines jeden Organismus befänden sich in zur DNS oder RNS gehörenden Kettenmolekülen. „Das Leben, wie wir es auf der Erde kennen, erscheint als eine Synthese zweier makromolekularer Systeme“3. Wenn man nach dem Ursprung des Lebens frage, müsse man danach fragen, wie es zu dieser „bemerkenswerten Übereinstimmung gekommen“4 sei. 1 2 3 4

Crick, 1983, 21. Crick, 1983, 40. Crick, 1983, 80. Crick, 1983, 50.

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Dabei steht für Francis Crick außer Frage, dass die einzig denkbare Quelle evolutiver Veränderungen der „Zufall“ sei1. Crick gehört zu den Unterzeichnern zweier humanistischer Manifeste, die im Internet kursieren. Es handelt sich um Humanist Manifesto II (1973), und Humanism and Its Aspirations (2003 bzw. Humanist Manifesto III)2. Eine Gottesvorstellung ist ihm fremd. Ausgehend von der Annahme, dass das Wasser auf der Erde der Urzeit ein „ziemlich verdünntes Gemisch kleiner organischer Moleküle enthielt, von denen manche aus Rohmaterialien für die ersten lebenden Systeme gedient haben könnten“3, stelle sich dann die Frage, durch welche spezielle Art von Zufall Leben auf der Erde entstanden sei. Dabei wagt Crick keine Prognose über die Wahrscheinlichkeit, wie sich dieses aus der in ihrer Zusammensetzung noch ganz unbekannten ‚Ursuppe‘ entwickelt haben könnte4. Crick stellt in diesem Zusammenhang eine interessante erkenntnistheoretische Betrachtung an: „Daß der statistische Trugschluss in unserem eigenen Falle besonders nachdrücklich zum Tragen kommt, liegt an einem speziellen Grund: Wäre das Leben nicht (auf diese oder jene Weise) hier in Gang gekommen, dann gäbe es uns nicht, und wir könnten über das Problem gar nicht nachdenken. Allein die Tatsache, daß es uns gibt, schließt notwendig ein, daß das Leben tatsächlich in Gang gekommen ist. Schon deshalb können wir diese Tatsache nicht direkt für unsere Berechnungen verwenden. ... Die Menschen ... sind viel zu schnell bereit, aufgrund eines einzigen Falles zu verallgemeinern“5.

Nun bereitet Francis Crick seine eigene Argumentation vor. Dazu stellt er zunächst Überlegungen darüber an, wie viele Planeten in unserer Galaxis prinzipiell lebensfreundliche Bedingungen haben könnten. Er kommt zu einer optimistischen Schätzung von einer Million und einer pessimistischen Schätzungen von zehntausend Planeten6. Weiterhin sei es wichtig, die Zeit des Kosmos mit den wahrscheinlichen Zeiten der Lebensentwicklung auf einem Planeten in eine Beziehung zu setzen und dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Kosmos so alt sei, das sich auf jeden Fall zweimal nacheinander Leben habe entwickeln können, dass sich in einem ersten Zyklus der Lebensentstehung eine intelligente raumfahrende Rasse entwickelt haben könnte, die ihr Leben weitergeben wollte und dass dies durch reisetaugliche, weil sauerstoffunabhängige Mikroorganismen auf der Erde dann auch geschehen sei. Aufbauend auf diesen Vorüberlegungen folgert Crick, dass man seine These der gelenkten Panspermie für „nicht unplausibel“7 halten dürfe.

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Vgl. Crick, 1983, 62. Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Humanist_Manifesto. Crick, 1983, 87. Vgl. Crick, 1983, 90 und 98f. Crick, 1983, 105f. Vgl. Crick, 1983, bes. 122f. Crick, 1983, 167.

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„Das bedeutet, daß wir zweierlei Theorien über die Entstehung von Leben auf der Erde haben und daß sie sich radikal voneinander unterscheiden. Die erste – orthodoxe – Theorie behauptet, daß Leben, so wie wir es kennen, hier ganz von selbst entstanden sei, ohne nennenswerte Unterstützung von außerhalb des Sonnensystems. Die zweite Theorie – die von der gelenkten Panspermie – behauptet, daß unsere Form von Leben ihre Wurzeln an einem anderen Ort im Universum hat, und zwar nahezu sicher auf einem anderen Planeten, daß das Leben dort eine sehr hoch entwickelte Form erreicht hatte, noch bevor hier sonderlich viel in Gang gekommen war, und daß das Leben hier von Mikroorganismen verbreitet wurde, die eine hoch entwickelte Zivilisation mit irgend einer Form von Raumschiff geschickt hatte“1.

In der bisher gewählten Form der Darstellung des Crickschen Ansatzes kann der Leser durchaus den Eindruck gewinnen, dass es sich bei der Frage nach der gelenkten Panspermie um eine vielleicht grenzgängige, aber doch mithilfe von erfahrungswissenschaftlichen Methoden bearbeitbare Fragestellung handelt. Francis Crick erscheint dann als ein Forscher, der, ausgerüstet mit der Leistung eines Nobelpreises, in seiner Disziplin mithilfe derselben gleichsam über den Tellerrand hinaus blickt. Anders stellt sich seine Argumentation allerdings dann dar, wenn wir einige andere selbstverständlich eingegangene Voraussetzungen seiner These betrachten. Da ist zum einen eine Art weltanschaulicher Rahmen, den er am Ende seiner Darstellung in einer Auseinandersetzung mit den überlieferten Religionen gibt. Andererseits grenzt er deutlich seine Position von den anderen weltanschaulichen Standpunkten ab, indem er seine eigene Perspektive als eigentlich gar nicht weltanschauliche, sondern wissenschaftliche und damit jenseits der üblichen Standpunkte stehende Wahrheit darstellt. Das alte Modell Auguste Comtes taucht doch letzten Endes auch bei ihm auf. Die abendländische Kultur („in der der größte Teil der heute lebenden Wissenschaftler erzogen wurde“2) habe seine Grundlage in einem System von überholten Vorstellungen gehabt, zu denen etwa die gehörten, dass die Erde den Mittelpunkt des Universums bilde, dass seit der Schöpfung nur wenig Zeit vergangen sei, dass es eine von der Materie unabhängige Seele und ein Leben nach dem Tode gebe und dass das menschliche Heilswissen sich auf Heilsmittler wie Mose, Jesus Christus und Muhammed begründe. Heute sei es so, dass die „meisten modernen Wissenschaftler … keine davon teilen“ 3 würden. Ein Wissenschaftler könne sich hingegen auf exakte Erkenntnisse beziehen, die zwar nicht vollständig seien und oft prosaisch, dafür aber objektiv und in Laborsituationen reproduzierbar. Es ist für Crick eine paradoxe Situation, dass die „Mythen von gestern, die für unsere Ahnen keine Mythen, sondern die lebendige Wahrheit waren, zusammengebrochen sind“4 und doch die Öffentlichkeit weiterhin wissenschaftlich ungebildet zu sein und an diesen Mythen festzuhalten schei1 2 3 4

Crick, 1983, 167f. Crick, 1983, 195. Crick, 1983, 195. Crick, 1983, 197.

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ne. Francis Crick findet hier in der Begeisterung der Menschen für den Papst auf seinen Missionsreisen ein für ihn anschauliches Beispiel. Ähnlich wie Stephen Hawking den Tod der Philosophie feststellen musste, ergeht es auch Crick. Die Philosophen scheinen den Zusammenbruch der alten Mythen auf der einen Seite akzeptiert zu haben und auf der anderen Seite haben sie sich trotzdem nicht auf die Seite der Wissenschaftler gestellt, sondern pflegen als Reaktion auf ihre Desorientierung nur einen „ziemlich düsteren Pessimismus“1. Gegenüber dem düsteren Pessimismus der Philosophen und der ungebildet in anachronistische Mythen verstrickten Öffentlichkeit kann Crick die – in solchen Argumentationssituationen typischerweise im Singular benannte – Wissenschaft als Musterbeispiel gesicherter Rationalität präsentieren. Es sind also hier schon entsprechende Vorentscheidungen getroffen, was auf der einen Seite die geschichtsphilosophische Einbettung seiner Theorie in einem Auguste Comtes Modell ähnelnden Kontext betrifft, und auf der anderen Seite erkennen wir hier ein geschichtliches und wissenschaftsorientiertes Rationalitätsmodell. In Cricks Argumentation finden sich weitere Voraussetzungen, die man als fortschrittsgläubige Kosmisierung und Anthropomorphisierung von Vernunft bezeichnen kann. Betrachten wir zunächst den Fortschrittsglauben. Crick geht im Hinblick auf die Entwicklung der technologischen Vorbedingungen für eine Aussendung der irdisch generierten Lebenskeime selbstverständlich von einer auch künftig unaufhaltsamen technologischen Entwicklung aus und stellt konkrete Überlegungen darüber an, wie die Rakete konstruiert sein müsse, die die Lebenskeime zu weit entfernt liegenden jungfräulichen Ursuppen tragen könne und wie die Ausdehnung der Lebenskeime vor Ort stattfinden müsse. Die anthropomorphe Perspektive Cricks zeigt sich in dem Gedanken über die mögliche Motivation von extraterrestrischen Intelligenzen. Es gibt nach Crick für außerirdische Intelligenzen eine Art selbstverständliches Entscheidungsfeld im Blick auf die Frage, ob Raumfahrt betrieben werden solle oder nicht und wenn ja, inwiefern man selbst reisen solle oder Lebenskeime schicken wolle oder gar nichts tun wolle. Die Vertreter extraterrestrischer Intelligenz, die durch gelenkte Panspermie auf der Erde Leben in Gang setzten, werden ganz selbstverständlich wie in einem Sciencefiction-Roman der Fünfzigerjahre von ihrer Motivation und ihrem Rationalitätsverständnis her anthropomorph gefasst. In dem von den Brüdern Peter (*1958) Johannes Fiebag (1956-1999) herausgegebenen Handbuch zur Prä-Astronautik legt Crick seine Idee einer gelenkten Panspermie noch einmal vereinfachter und damit auf seine Weise offener vor. Das intelligente extraterrestrische Leben habe eines Tages in für uns weiter Vergangenheit den Stand von Wissenschaft und Technologie erreicht, der „alles übertrifft,

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Crick, 1983, 198.

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was wir erreicht haben“1. Diese „frühen Technokraten eines anderen Planeten“2 seien von der Voraussetzung ausgegangen, dass es viele, für das Leben geeignete Planeten in der Milchstraße geben müsse. Diese Wesen hätten zugleich gewusst, dass auf ihrem Heimatplaneten das Leben begrenzt sei. Irgendwann würde ihr Stern aufhören, Energie zu spenden. Um nun ihr Leben weitergeben zu können, hätten sie Mikroorganismen ihres Planeten auf die weite, kosmische Reise geschickt. Mit unbemannten Raumschiffen, die die Organismen vor extremen Außenbedingungen schützen sollten, gelangten diese nach ihrer langen kosmischen Reise auf die Erde. „Die Lebenskeime wuchsen und gediehen in der irdischen Ursuppe und entwickelten sich durch die Evolution zu den Arten, wie wir sie heute kennen“3. Lassen wir hier Francis Crick selbst zu Wort kommen und verwenden einen seiner Sätze als Selbstanwendung auf seine anthropomorphe Theorie: „Die Menschen – und vermutlich auch andere Tiere (!) – Sind viel zu schnell bereit, aufgrund eines einzigen Falles zu verallgemeinern“4.

Der Leser, der von der Voraussetzung ausgeht, dass Lebensprobleme, die uns Menschen in ungefähr einer Milliarde Jahre drohen, möglicherweise noch etwas warten können, empfindet den Schluss des Buches dann fast als Realsatire. In einem Epilog mit der Überschrift Sollten wir die Galaxie infizieren? fragt er nach dem moralischen Implikationen einer von der Erden-Menschheit ausgehenden gelenkten Panspermie. Wenn sich doch alle Forscher über Technikfolgen so viele Gedanken machen würden. Gegen Ende seines Buches kommt Francis Crick auch noch auf ein Thema zu sprechen, mit dem sich die nächsten Abschnitte beschäftigen werden. Die Theorie der Präastronautik schließt sich nicht nur sachlich nahtlos an die Theorie von der gelenkten Panspermie an, sie taucht ansatzweise auch bei Crick selbst auf. Er wendet sich gegen UFO-Sichtungshysterie und hält die Behauptungen, man habe in den letzten Jahren UFOs gesehen, für wissenschaftlich bedeutungslos5. Es sei allerdings nicht unwahrscheinlich, dass es in der Vergangenheit Besuche von intelligenten Außerirdischen auf der Erde gegeben habe. Wie Crick dabei zu der Einschätzung „etwa vor vierzig Millionen Jahren“6 gelangt, bleibt unklar. Nachdem er sich dem UFO-Thema auf diese, sich vom unkritischen UFOGläubigen abgrenzende Weise geäußert hat, beginnt Crick aber doch noch im Sinne einer milden präastronautischen Theorie zu spekulieren.

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Crick, 1985, 82. Crick, 1985, 83. Crick, 1985, 85. Crick, 1983, 106. Vgl. Crick, 1983, 189. Crick, 1983, 189.

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Für eine religionsgeschichtliche Betrachtungsweise ist es kein Zufall, dass die technologisch höher entwickelten UFO-Wesen auch einen höheren ontologischen Status zu bekommen scheinen. Aufgrund seines atheistischen Welt- und Menschenbildes werden dann die Menschen zugleich in einen geradezu tierhaften Rahmen eingefügt. „Vielleicht werden wir von höheren Wesen auf einem Planeten eines nahe gelegenen Sterns direkt überwacht. Es ist nicht ganz klar, wie diese kosmischen Wildhüter dabei vorgehen könnten, ohne daß wir sie entdecken ...“1. Im Internet unterschreibt Crick die Erklärung über das Klonen von Menschen und die Unantastbarkeit der Forschung (Declaration in Defense of Cloning and the Integrity of Scientific Research). „Einige Religionen lehren, daß Menschen sich grundsätzlich von anderen Säugetieren unterscheiden – dass Menschen von einer Gottheit mit einer unsterblichen Seele ausgestattet worden sind, die ihnen einen Wert verleiht, der mit dem anderer Lebewesen unvergleichbar ist. … Homo sapiens ist (aber) ein Mitglied des Tierreichs. Die menschlichen Fähigkeiten unterscheiden sich graduell und nicht der Qualität nach von denen höherer Tiere … Bei der derzeitigen Klon-Debatte stellt sich daher unmittelbar die Frage: Sind die Verteidiger übernatürlicher oder spiritueller Agendas wirklich qualifiziert, zu dieser Debatte Sinnvolles beizutragen?“2.

Diese kosmischen Wildhüter faszinieren viele Menschen, weil sich mit dem Beweis ihrer Existenz scheinbar die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne hinsichtlich ihrer Bewältigbarkeit überschaubar machen lassen. Die Theorie der gelenkten Panspermie weist über sich hinaus auf UFOlogie und Präastronautik.

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Crick, 1983, 189. Zitiert nach der Internetveröffentlichung in: http://www.secularhumanism.org/library/fi/cloning_decleration_17_html (Übersetzung L.H.).

§ 31 Raumfahrtwissenschaftler als Propheten – Auf dem Weg zum neuen Musterbeispiel der Systemesoterik I.

Der Glaube an Engel und Außerirdische

Ein Ergebnis des Blicks auf neomythische Absprungpunkte im Ausgang von der modernen Kosmologie ist die Feststellung, dass mit dem Gedanken des anthropischen Prinzips und der gelenkten Panspermie die Idee einer Fürsorge des Kosmos als solchem und einer Geburtshilfe und damit möglicherweise sogar folgende Fürsorge durch innerkosmische Mächte gegeben sein könnte. In der abendländischen Welt sind die sorgenden Mächte traditionell Engel. Im zweiten Band der Kritik der neomythischen Vernunft hatte ich auf die Umstände hingewiesen, unter denen das apokalyptische Denken im Frühjudentum des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts entstand. Gottes Wirken wird in dieser Zeit durch übermächtige Entwicklungen und damit Sinnkrisen in der eigenen Religionskultur radikal fragwürdig. Der theistische Gott wird dadurch zu einem fernen Gott, der als Mittlerfiguren seine Engel einsetzt, um sich der Welt mitzuteilen. Im Prozess der Moderne wird, bedingt durch die metaphysischen Orientierungsaufgaben und motiviert durch die Idee der bemannten Raumfahrt, der Glaube an Engel wieder einmal virulent und verbindet sich mit der religionsgeschichtlichen Lebensfigur des Kulturstifters. Auf diese Weise entsteht im Ausgang des UFOGlaubens die Bewegung der Präastronautik. Es wird sich herausstellen, dass die Präastronautik auf drei zur Moderne essenziell zugehörige Problemlagen scheinbar eine Antwort geben kann. Sie kann auf ihre Weise erstens eine auf den ersten Blick passable Antwort auf die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne geben, indem sie die kopernikanische, die darwinische, die freudianische und die androidische Orientierungsaufgabe in einen hoffnungsvollen Rahmen stellt. Zweitens kann die Präastronautik das Raumfahrt- und Technologiethema überhaupt aufgreifen und scheinbar in einen Sinnzusammenhang stellen. Zum dritten kann die Präastronautik das im ersten Band erörterte Problem eines Traditionsbruches, dort als Zusammenbruch der geistigen Gewalten des Abendlandes bezeichnet, ebenfalls scheinbar bewältigen. Der Preis, den sie für diese schnellen Lösungen bezahlt, besteht in einer fundamentalistischen Relecture der Tradition und einem dilletierenden Umgang mit Überlieferungen überhaupt. Führen wir uns in einem ersten Schritt zunächst einmal einige empirische Ergebnisse zum Themenbereich Engel- und UFO-Glaube und zur Präastronautik vor Augen.

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Aus einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Shell Holding GmbH1 geht hervor, dass 2006 ungefähr ein Viertel aller Deutschen glaubt, dass Engel und gute Geister Einfluss auf ihr Leben hätten. Laut Allensbach2 (2012) oder den Ergebnissen des Meinungsinstituts polis/USUMA3 (2007) glauben ein Drittel der Deutschen an Engel. In den USA ermittelt die Nachrichtenagentur AP zusammen mit dem Marktforschungsinstitut GfK (2011)4, dass bei fast 77% der erwachsenen US-Bürger ein Engelglaube bestehe. Im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft5 habe ich schon darauf hingewiesen, dass ungefähr jeder fünfte Deutsche an UFOs glaubt. Über 70% der US-Amerikaner glauben an außerirdisches intelligentes Leben und dabei gehen zu fast 40% von der Voraussetzung aus, dass es eine große Ähnlichkeit zwischen dem irdischen und dem außerirdischen Leben gebe. Umfragen unter us-amerikanischen Studenten haben ergeben, dass diese zu 60% an UFOs und zu etwa 35% den präastronautischen Thesen über einen außerirdischen Ursprung unserer menschlichen Zivilisation glauben. Studenten aus den us-amerikanischen Bundesstaaten Texas, Kalifornien und Connecticut meinen zu etwa 12%, dass Außerirdische einen Teil der antiken Monumentalbauten errichtet hätten. Sehen wir uns diese raumfahrttechnischen, ufologischen und präastronautischen Standpunkte an. Methodisch wird in der Darstellung des Themas erneut so vorgegangen, dass zunächst neomythische Vertreter der Wissenschaftselite zu Wort kommen und dann ihre Positionen in populären Varianten gespiegelt werden.

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Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/177283/umfrage/engel-und-gute-geisterhaben-einfluss-auf-eigenes-leben/ Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/34/umfrage/meinung---christlicheglaubensinhalte/ Vgl. http://www.bz-berlin.de/archiv/welt-register-article20812.html Vgl. http://www.focus.de/panorama/welt/umfrage-in-den-usa-fast-vier-von-fuenfamerikanern-glauben-an-engel_aid_697052.html Hauser, Bd. 1, 18-22.

RAUMFAHRTWISSENSCHAFTLER ALS PROPHETEN

281

II.

Raumfahrtpioniere und ihre Neomythen

1.

Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski: Vater der russischen Raumfahrtwissenschaft

a.

Ziolkowskis wissenschaftliche Leistungen

Es gibt drei Pioniere der Raumfahrt, auf deren Schultern alle heutigen Raumfahrtwissenschaftler stehen. Es sind der US-Amerikaner Robert Goddard (18821945), der Deutsche Hermann Julius Oberth (1894-1989) und der Russe Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski (1857-1935). Ziolkowski1 kommt innerhalb dieser drei Personen insofern die Vorrangstellung zu, weil er als erster, 1903, mit der sogenannten Raketengrundgleichung die Funktionsweise einer Flüssigkeitsrakete beschreibt und damit zumindest prinzipiell den Grundsatz aufhebt, dass Raketen mit festen Explosivstoffen betrieben werden, also Pulverraketen sein müssten. Dabei geht er weiterhin von der immer noch aktuellen Vorstellung aus, dass die Steuerung dieser Rakete durch den ausgestoßenen Gasstrahl geschehen müsse. Ziolkowski wird am 5.9.1857 in dem Dorf Ischweskoje im Gouvernement Rjazan als Sohn eines Försters geboren. Er verliert als Kind durch Scharlach fast vollkommen seine Hörfähigkeit und kann deshalb keine normale Schulbildung erhalten. Durch Eigenstudium bildet er sich fort und arbeitet sich 1873-1876 unter härtesten Bedingungen in Moskau in den Bereich der Mathematik und Physik ein. Schon zu dieser Zeit beginnt er mit ersten Experimenten. Er besteht ein Examen als Gymnasiallehrer und unterrichtet nach einer Lehrtätigkeit an der Dorfschule in Ischweskoje ab 1880 in der Kleinstadt Borowsk, achtzig Kilometer südwestlich von Moskau Mathematik und Physik. Im Jahre 1893 erhält er eine Dauerstellung für die gleichen Fächer in der Stadt Kaluga, die einhundertachtundachtzig Kilometer südwestlich von Moskau gelegen ist. In Kaluga lebt er bis zu seinem Tode am 19. Juli 1935. Ab 1883 beschäftigt sich Ziolkowski mit der Konzeption eines Rückstoßantriebs für Luftfahrzeuge. Seit 1885 ist er darüber hinaus mit der Entwicklung eines Ganzmetall-Luftschiffs mit veränderlichem Rauminhalt beschäftigt. Die erste und einzige finanzielle Unterstützung seiner Arbeit in dieser Zeit erbringt eine 1891 veröffentlichte Arbeit über experimentelle Aerodynamik. Dann folgen 1893 weitere Veröffentlichungen über Das lenkbare Luftschiff und über die Konstruktion eines Autopiloten, den Ziolkowski als selbststeuernden Mechanismus für Luftfahrzeuge bezeichnet. Er verfasst Aufsätze über strömungsgünstige Aeroplane und

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Die Biographie von Ziolkowski wird hier vorgestellt gemäß Petri, 1977, 7-9. Für ‚menschlich-allzumenschliche‘ Details kann man die linienkonforme Biographie von Arlasorow, 1957 lesen.

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über die Vogelflugmaschine (1894/95). Weiterhin entwirft er das Grundmodell eines Flugzeugs mit freitragenden, d.h. nicht verspannten oder verstrebten Flügeln. Im Eigenbau konstruiert Ziolkowski den ersten Windkanal in Russland (1897). In diesem Themenbereich schrieb Ziolkowski 1930 dann eine späte Studie über Flugzeuge mit Rückstoßantrieb, in der er die wesentlichen Eigenschaften und die Bedeutung von Stahltriebwerken für Flüge mit hoher Geschwindigkeit in großen Höhen zutreffend beschreibt. Das Leitbild der ingenieurwissenschaftlichen Arbeit von Ziolkowski ist allerdings die Vision eines Vordringens des Menschen in den freien Weltraum. Diese Vision macht ihn zum ersten wissenschaftlichen Begründer der Astronautik. Seit 1878 hat sich Ziolkowski mit dem Problem beschäftigt, wie ein Mensch über den Bereich der Erdatmosphäre hinausgelangen könne. Zu den Versuchen, die er in seinem Labor unternahm, gehört etwa eine biologische Versuchsreihe, in der getestet wird, wie belastbar biologische, lebende Organismen (Schaben und Küken) bei hoher Beschleunigung in ballistischen Fahrzeugen sind1. Schon in den achtziger Jahren erkennt er, dass man zur Fortbewegung in einem Vakuum einen Rückstoßantrieb braucht. Für die Lagesteuerung entwirft Ziolkowski das Grundprinzip drehbarer Schwungscheiben. Und in seiner Arbeit über Wie man empfindliche Gegenstände vor Stößen schützen kann (1891) wird als wirksames Mittel, um die Schwerkraftbelastung bei Beschleunigungen zu kompensieren, vorgeschlagen, die Körper ganz in eine Flüssigkeit gleicher Dichte einzutauchen. In seinen Arbeiten greift Ziolkowski auf die Schrift von Aleksandr Petrovič Fjodorov (1829-1913) Ein neues Verfahren der Luftfahrt, das die Luft als stützendes Medium ausschließt (1896) zurück. Diese eher intuitive Arbeit stellt Ziolkowski auf die Grundlage exakter Berechnungen. Er schreibt später, dass das Buch ihn provoziert habe, „weil keinerlei Berechnungen gegeben wurden ... Aber in derartigen Fällen pflege ich die Berechnungen selbst vorzunehmen – von den Anfangsgründen an. Das war der Beginn meiner Forschungen über die Möglichkeit der Anwendung reaktiver Geräte für kosmische Reisen. Keiner erwähnte vor mir Fjodorows Büchlein. Es gab mir nichts, aber dennoch gab es mir den Anstoß zu ernsthaften Untersuchungen, wie der (vom Baum) gefallene Apfel zur Entdeckung von Newtons Gravitation“2. Endlich erscheint 1903 der erste Teil seiner berühmten Untersuchung über Die Erforschung der Weltenräume mittels Rückstossgeräten. In dieser Arbeit, deren weitere Teile 1911/12 und 1914 erscheinen und die als Gesamtausgabe 1926 publiziert wird, stellt er eine Theorie der Flüssigkeitsrakete auf und entwickelt die als Ziolkowski-Formel anerkannte Beziehung der Raketengeschwindigkeit zur Geschwindigkeit der Auspuffgase und zum Verhältnis von momentaner zur Startmasse.

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Vgl. Gehlhar, 2008, 192. Ziolkowski, zit. nach Gehlhar, 2008, 194.

RAUMFAHRTWISSENSCHAFTLER ALS PROPHETEN

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Teile seines späteren Buches erscheinen unter anderem 1911 in einer Zeitschrift namens Luftnachrichten. Im Vorwort zu seinen Ausführungen beschreibt Ziolkowski die für die damalige Raumfahrtwissenschaft typische ambivalente Situation, im Bewusstsein sich zwischen Sciencefiction und Wissenschaft bewegen zu müssen: „Am Anfang stehen unweigerlich Gedanken, Phantasie und Märchen. Darauf folgt die wissenschaftliche Berechnung. Jedoch zuletzt wird die Verwirklichung den Gedanken krönen. Meine Arbeiten über kosmische Reisen gehören zur mittleren Phase dieser Entwicklung“1.

Es war auch Ziolkowski, der bereits 1911 radioaktiven Zerfall als Rückstoßquelle vorschlug. Erst nach der russischen Revolution im Oktober 1917 fand Ziolkowski in Russland Anerkennung. Er wurde 1924 als Leiter einer neugegründeten Sektion für interplanetaren Verkehr der Luftkriegsakademie vorgeschlagen. In seiner Arbeit über „kosmische Raketenzüge“ (1929) untersucht er Stufenraketen und in seinem Todesjahr 1935 entwirft er noch das Modell der Bündelung von Raketentriebwerken, die bis heute noch zu den auffälligsten Konstruktionsmerkmalen der sowjetischen Großraketen gehört.

b.

„Bleiben uns nicht die Wissenschaft, die Materie, die Welten, die Menschheit, die uns umgeben wird, indem sie diesen grenzenlosen Raum einnimmt?!“: Der Roman „Außerhalb der Erde“ (1916)

Um die Jugend für die Weltraumfahrt zu begeistern, schreibt Ziolkowski zahlreiche populäre Kurzgeschichten und Erzählungen. Zu ihnen zählen Auf dem Monde (1893), Träume über Erde und Himmel (1895) und der berühmte Roman Außerhalb der Erde. Dieser Roman geht in seinem ersten Entwurf auf das Jahr 1896 zurück. In der Zeitschrift Natur und Menschen beginnt 1916 ein Abdruck dieser Erzählungen. Als Buch erscheint der Roman in russischer Sprache 1920 in Kaluga. Das nicht selten vorzufindende Motiv einer elitären, luxuriösen aber auch einsamen Gelehrsamkeit bildet den Rahmen für Ziolkowskis Raumfahrtroman. Ziolkowski unternimmt es innerhalb dieses Rahmens, Stationen des Aufbruchs der Menschheit in den Kosmos zu entwerfen. Ziolkowski geht fiktional davon aus, dass es auf der Erde des Jahre 2017 nur eine einzige Regierung gibt, die aus gewählten Vertretern aller Staaten besteht. Diese Regierung löst seit mehr als siebzig Jahren alle die Menschheit berührenden Probleme. Kriege sind unmöglich geworden, Armeen sind zu Arbeitsheeren geworden. Handel, Technik, Kunst und Ackerbau haben einen hohen Leistungsstand erreicht. Die Bevölkerung hat sich unter diesen sorglosen Lebensumständen allerdings in den letzten hundert Jahren verdreifacht. Es beginnt sich abzuzeichnen, dass die Bevölkerungsexplosion zu einem Weltproblem werden wird2. 1 2

Ziolkowski, zit. nach Arlasorow, 1957, 97. Vgl. Ziolkowski, 1977, 100f.

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Nun gibt es aber die Elite der Vordenker einer zukünftigen wissenschaftlichen Technik. Zunächst einmal beschreibt der Autor diesbezüglich den Stützpunkt der Gelehrten in seiner Einsamkeit und seinem Luxus. „Zwischen den größten Gebirgsausläufern des Himalaja steht ein schönes Schloß. Darin wohnen Menschen; ein Franzose, ein Engländer, ein Deutscher, ein Amerikaner, ein Italiener und ein Russe haben sich unlängst dort niedergelassen. Enttäuscht von den Mitmenschen und den Freuden des Lebens, hat es sie in diese Einsamkeit getrieben. Ihre einzige Erquickung ist die Wissenschaft. Die höchsten, abstraktesten Richtungen bildeten ihren Lebensinhalt und verbanden sie zu einer brüderlichen Familie. Sie waren sagenhaft reich und konnten all ihre wissenschaftlichen Launen frei befriedigen. Kostspielige Experimente und Geräte zehrten ständig an ihrem Vermögen, ohne es aber je erschöpfen zu können“1. Die Lebenssituation dieser Gelehrten ist zwar einsam, aber auch äußerst luxuriös. Hier zeigt sich etwas von dem Selbstbewusstsein der technisch-wissenschaftlichen Elite, die sich ihrer Leistungsfähigkeit mit Selbstverständlichkeit bewusst ist. Anhand der Gestalt des Peter Schlemihl von Adelbert von Chamisso (17811838) haben wir im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft2 die Dialektik von empiristischer Weltsicht und Einsamkeit bei stetigem Reichtum kennengelernt. Ideal sind die folgendermaßen beschriebenen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der technischen Elite der Menschheit. „Zwei Kilometer von ihm entfernt befand sich ein Wasserfall. Dieser setzte Turbinen in Tätigkeit, die ihrerseits einen Dynamo drehten, welcher im Überfluß elektrischen Strom lieferte. Der Strom wurde durch Leitungen auf den kleinen Hügel geleitet, auf dem der Palast stand. Dort erleuchtete der elektrische Strom alle Räume, leistete in den Werkstätten chemische und mechanische Arbeit, heizte, wenn es nötig war, sorgte für Lüftung und Wasser und besorgte noch viele andere Arbeiten, deren Aufzählung langweilig wäre. So wurden mit seiner Hilfe dort auch die Mahlzeiten zubereitet, mit denen unsere Freunde den Tag beschlossen. Bei Nacht bot das durch die vielen elektrischen Lampen erleuchtete Schloß einen schönen Anblick. Dann glühte es wie ein Sternbild am Himmel. Bei Tag sah es noch schöner aus, mit seinen Türmen, Kuppeln und Terrassen. Inmitten der von der Sonne beleuchteten Berge machte es einen zauberhaften Eindruck. Die wilde Natur, die das Schloß umgab, harmonierte aufs beste mit der Stimmung seiner Bewohner. Sie alle waren enttäuschte, innerlich erschütterte Menschen. Der eine hatte auf tragische Weise die Frau verloren, der andere die Kinder, einer hatte in der Politik Unglück gehabt und war Zeuge himmelschreiender Ungerechtigkeit und menschlicher Torheit ge-

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Ziolkowski, 1977, 10. Vgl. Hauser, Bd. 2, 338f.

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worden1. Die Nähe des Lärms einer Stadt und von Menschen hätte ihre Wunden stets von neuem aufgerissen, aber die Erhabenheit der umliegenden Gebirgslandschaft, die ewig glitzernden schneeweißen Bergriesen, die reine und durchsichtige Luft, das Übermaß an Sonne – all das wirkte beruhigend und kräftigend. Hochgelehrt, längst weltberühmt, hatten sie sich gleichsam in denkende Maschinen verwandelt und deshalb viel miteinander gemeinsam. Leid und Denken hatten ihre seelische Übersensibilität geschwächt und den Geist gestärkt. Ein und dieselbe Wissenschaft hatte sie einander nahegebracht“2. Problemlos können die Wissenschaftler aber zu allen anderen Menschen Kontakt herstellen. „Die Verbindung des Schlosses mit der übrigen Welt erfolgte mit Hilfe gewaltiger metallener Lenkluftschiffe, die hunderte Tonnen Last trugen und mit einer Geschwindigkeit von einhundert Kilometern in der Stunde und mehr fuhren3. Für kleinere Lasten und wenig Passagiere benutzte man Flugzeuge“.

Eines Tages hat einer der Gelehrten eine Idee. Der Russe, dem Ziolkowski als einzigem keinen berühmten Namen der Wissenschaftsgeschichte gibt, vielleicht weil er sich hier wohl autobiographisch identifiziert, entdeckt die entscheidenden technischen Möglichkeiten zur Raumreise. Er will eine Kanone konstruieren. Diese Kanone solle „eine fliegende Kanone (sein, L.H.), mit dünnen Wänden, die anstatt eines Geschosses Gase ausstößt“4. Der Bau einer solchen Kanone gelingt. Nach ersten Problemen gelingt auch der Raumflug. Im Kontext der Diskussion über die Schwierigkeit einer Raumfahrt unter den Bedingungen Lichtjahre weiter Entfernungen wird die globale menschheitliche Perspektive des Raumfahrtpioniers deutlich, die gut in den späteren sowjetischen Ideologierahmen passt. Auf die entsprechenden Einwände Galileis antwortet der Russe: „‚Aber vergiß nicht, daß die Menschheit unsterblich ist und daß zwölftausend Jahre für sie eine Kleinigkeit sind. Wenn jene Sonnen und ihre Planeten nun auch nicht unser Erbteil sind, so können sie doch der Menschheit insgesamt einmal zufallen‘“5. Bald merken die Raumfahrer, die sich mittels einer Orangerie autark ernähren und autark ihre Atemluft erzeugen können, was der Unterschied eines Lebens im Weltraum gegenüber dem irdischen ist. Die alte Versuchung der Jenseitsreisenden, sich mit der Reise zu begnügen und die Belange der Erde zu vergessen, greift um sich.

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Vgl. das Schicksal von Kapitän Nemo bei Jules Verne (20 000 Meilen unter dem Meer, Die geheimnisvolle Insel). Ziolkowski, 1977, 16f. Ziolkowski hat selbst ein Ganzmetall-Luftschiff konstruiert, dessen Modell noch in seinem Museum in Kaluga zu sehen ist. Ziolkowski, 1977, 12. Ziolkowski, 1977, 32f.

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„Wie eng haben wir es auf der Erde, und wie teuer ist uns jedes sonnige Fleckchen, um Gewächse zu ziehen, Wohnstätten zu bauen und in Frieden und Ruhe zu leben. Als ich in der Leere umherschweifte, die die Rakete umgibt, war ich besonders betroffen von dieser Weite, dieser Freiheit und Leichtigkeit der Bewegungen, dieser Menge fruchtlos verlorengehender Sonnenenergie. Wer hindert die Menschen, die Gewächshäuser und Paläste zu bauen und sorglos dahinzuleben!!!“1. Zwar gehe die Poesie der irdischen Landschaft verloren, argumentiert Newton, aber man erhalte dafür die Poesie der Wissenschaft und ihrer Klarheit als Geschenk zurück. „Aber gibt es hier etwa keine Poesie? Bleiben uns nicht die Wissenschaft, die Materie, die Welten, die Menschheit, die uns umgeben wird, indem sie diesen grenzenlosen Raum einnimmt?! Ist der Mensch selbst nicht für uns die höchste Poesie! Ist von hier aus das Weltall nicht weiter offen, als von der Erde aus!?“2. Die Gelehrten überbringen dann aber der Erdenmenschheit das Geschenk der Raumfahrt. „Nun kam plötzlich ein Telegramm folgenden Inhalts: >10. April 2017. Am ersten Januar dieses Jahres sind wir, die Unterzeichner, in Stärke von zwanzig Personen auf einem Rückstoßapparat von einer Stelle, die sich in einem Tal des Himalajagebirges … befindet, gestartet. Wir fliegen zur Zeit um die Erde in einem Abstand von 1000 Kilometern und machen einen vollen Umlauf in 100 Minuten. Wir haben eine große Orangerie gebaut und darin Fruchtpflanzen und Obst gezogen. Diese haben uns schon mehrere Ernten gegeben. Dank ihnen ernähren wir uns gut, sind gesund und auf unbegrenzt lange Zeit völlig gesichert. Rings um uns befindet sich der grenzenlose Raum, der zahllose Milliarden von Lebewesen versorgen kann. Zieht um zu uns, wenn der Bevölkerungsüberschuß euch bedrängt und das Erdenleben zur Last wird! Hier lebt man buchstäblich im Paradies; das gilt besonders für Kranke und Schwache.< >Wegen Einzelheiten wendet euch an unsere Abflugstelle. Dorthin haben wir genaue Mitteilungen über unsere Erfolge gesandt. Dort könnt ihr alle Angaben für den Bau der Rückstoßapparate bekommen, die für den Flug unerläßlich sind.< Es folgten Vor- und Familiennamen berühmter Personen. Dieses Telegramm wurde von einfachen Telegrafenbeamten aufgenommen und in allen Zeitungen abgedruckt“3. Die neomythischen Kulturstifter sind keine Götterfiguren, die in den transzendenten Bereich hineinreichen, sondern übermenschlich gewordene Menschen. Deshalb kann es diese Göttermenschen nicht mehr in der Enge eines einzelnen Planeten halten. Wie dem Gnostiker die Erde ein einziges Jammertal ist, so geht es

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Ziolkowski, 1977, 78. Ziolkowski, 1977, 88. Ziolkowski, 1977, 102.

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auch den Wissenden des technisch-wissenschaftlichen Zeitalters, wenn sie zurückkommen. „Aber die Erde war irgendwie eine andere. Sie machte auf sie einen verwirrenden Eindruck – weder Verzweiflung noch Schrecken. Vor allem schien es recht kalt und rauh zu sein. Sodann waren Beine, Arme und der ganze Körper wie mit Blei ausgegossen“1. Da die Menschheit alle Möglichkeiten des im Raumflug Erwachsenwerdens bzw. metaphysischen Erwachens selbst ergreifen kann, werden die Göttermenschen-Wissenschaftler nicht mehr direkt gebraucht. So können sie immer weiter in die räumliche Unendlichkeit des Alls starten, um der Menschheit dort zu dienen. Sie beginnen mögliche Orte für Kolonien in Raumstationen und Planetenbesiedlungen im immer weiteren Umkreis zu sichten, die den Technokommunismus in die Ferne des Alls weitertragen können. Die breite psychologische, politische und kosmische Perspektive finden wir auch bei Iwan A. Jefremow (Efremov) (1907-1973), der als Professor für Paläontologie und Träger des Staatspreises der UdSSR ein berühmter Gelehrter ist in seinem berühmten Roman Andromedanebel (1957)2. Sogar die Jahrmillionen-Perspektive, wenn das Sonnenlicht schwächer werden würde, ist in ihrem Blick.

Doch trotz aller kosmischen Ausstrahlung bleiben für die Gelehrten die eigenen vier Wände der Maßstab. Die letzten Zeilen des Romans lauten tröstlich, wenig göttermenschenhaft: „… das Schloß lebte wieder auf in seiner Tätigkeit im Geiste des Friedens und der Vernunft“3.

c.

Kosmismus und Raumfahrtutopie

Die Vernunft und der Frieden dieser Festung der Einsamkeit, in der sich Ziolkowskis Supermänner aufhalten, hat möglicherweise ihre dunkle Seite, wenn es um die konkrete Durchsetzung des Menschheitsfortschritts geht. Ziolkowski orientiert sich in seinen Raumfahrtvisionen an Jules Verne (18281905) und Camille Flammarion (1842-1925), weltanschaulich lässt er sich aber in den Kontext des frühen russischen Kosmismus einfügen und kommt von diesem aus zu radikalen eugenischen Konzeptionen. Im Zusammenhang der populärwissenschaftlichen und enthusiastischen Rezeption von Albert Einsteins relativistischer Physik entstehen in Russland neo-

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Ziolkowski, 1977, 181. Bernd Rüllkötter (1974, 77) schreibt, dass Jefremow die „umfassendeste sowjetische Utopie“ und auch die „am weitesten in die Zukunft greifende“ Perspektive innerhalb der wissenschaftlichen Phantastik der Sowjetunion habe. Ziolkowski, 1977, 184.

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mythische Gedanken einer Eroberung des Weltalls und zugleich einer Aufhebung des Todes – etwa mittels Zeitumkehrung1. Der russische Zoologe, Arzt und Naturphilosoph Ilja Iljič Mečnikov (18451916)2, der 1908 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhält, verfasst – zuerst in französischer Sprache – die Abhandlungen Etudes sur la nature humaine. Essai philosophique optimiste (1903) und Essais optimistes (1907). Mečnikov, der sich darwinistisch und positivistisch orientiert, wenn er über die Natur des Menschen in seiner optimistischen Philosophie schreibt, ist wieder ein neomythisches Beispiel auf Nobelpreisträgerebene. Sein primäres Interesse ist die Lösung des Todesproblems. Dieses Problem besteht nach Mečnikov in dem Widerspruch, der Disharmonie, dass der Tod „in einem Augenblick (eintritt), in dem der Mensch seine physiologische Entwicklung nicht abgeschlossen hat, und in dem er im Vollbesitz des Lebensinstinkts ist“. Die Zeitspanne, die dem Menschen für sein Leben gegeben sei, sei zu kurz, um den Lebensinstinkt zu befriedigen und den Instinkt des natürlichen Todes wirksam werden zu lassen. Lebensdurst, Todesangst und Träume von einem Leben nach dem Tode seien die Folge dieser Disharmonie. Angestrebt wird von Mečnikov ein ausgewogenes Verhältnis von Lebensdauer (circa hundert bis einhundertzwanzig Jahre), natürlichem Tod und der damit zusammenhängenden Herstellung eines normalen Lebens. Es gehe darum, die „menschliche Natur zu modifizieren, ... ihre Disharmonien in Harmonien zu verwandeln“ und damit ein normales Leben, eine Orthobiose, zu ermöglichen. Bei aller ironischen Rezeption seines Standpunktes und der vergleichbarer, weniger renommierter Autoren haben seine Ideen doch gewirkt. Für manche Vertreter der „Unsterblichkeit suchende(n) Intelligentsia“ ist dieser hier noch im weitesten Sinne weisheitlich orientierte Standpunkt eines durch konstruktiven Einbezug eines Todesinstinktes verbesserten Sterbenkönnens aber eher noch zu wenig3. Die russischen Kosmisten haben, vom Ausgangspunkt der Bewältigung des Todesproblems her betrachtet, vergleichbare Denkfiguren, gehen aber weit über Mečnikov hinaus, wenn einer ihrer Slogans die Aufhebung der Gebundenheit an Raum und Zeit, „Immortalismus und Interplanetarismus“4 fordert und damit den Klassenkampf in das Reich der Naturgesetze ausweitet. Am 4.1.1922 erscheint in der Moskauer Regierungszeitung Iswestija der Aufruf eines Kreatorum der Rußländischen und Moskauer Anarchisten-Biokosmisten, der die Zielrichtung der Kosmisten zusammenfasst: „Wir stellen fest, dass die Frage der Verwirklichung persönlicher Unsterblichkeit jetzt in vollem Umfang auf die Tagesordnung gehört. ... Wir setzen auch den ‚Sieg über den Raum‘ auf die Tagesordnung. Wir sagen: nicht Luftfahrt – das wäre zu wenig –, sondern Raumfahrt. … Man darf nicht län1 2

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Vgl. Hagemeister, 1997, 196. Vgl. dazu im Folgenden Hagemeister, 1989, 183-187. Die kursivierten und anderen Zitate zu Mečnikov finden sich dort. Masing-Delic, 1992, 7, Übersetzung L.H. Zit. nach Hagemeister, 1989, 244.

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ger nur Zuschauer sein, sondern muss aktiver Teilnehmer am kosmischen Leben werden. Unsere dritte Aufgabe ist die Auferweckung der Toten. Unsere Sorge gilt der Unsterblichkeit der Person im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte. Die Auferstehung der Toten ist die Wiederherstellung der Dahingeschiedenen in ebendieser Vollkommenheit“1. Ziolkowski tritt den Petrograder Biokosmisten Anfang der Zwanzigerjahre bei2. Die – wie Hagemeister schreibt – „merkwürdige provinzielle Stadt Kaluga“3 ist zu dieser Zeit eines der russischen Zentren des Kosmismus und Okkultismus4. Ziolkowski führt die Selbstbezeichnungen Biokosmist und Panpsychist und stellt in Traktätchenform seine „kosmische Philosophie“ vor, die die Forderung beinhaltet, „die Empfindlichkeit des gesamten Universums anzuerkennen“5. Der Kosmos ist für ihn ein „tierisches Wesen“, die Erde und die Sonnensysteme sind beseelte Organismen. Er geht davon aus, dass es gleichsam feinstoffliche Intelligenzwesen gäbe, die in die Nähe von Engeln gestellt werden müssten und den Menschen geheimnisvolle Nachrichten sendeten. Er selbst habe schon zweimal solche Erlebnisse gehabt. Er kennt ewig „lebendige und glückliche Atome“ und glaubt in einer Vorwegnahme der Philosophie Ernst Blochs daran, dass es einen unbewussten Hunger der Materie nach Entfaltung und Glück gäbe. Der Tod ist für Ziolkowski nur Schein, weil das Universum nicht nur unsterblich sondern auch in sich lebendig und bewusst sei. Das Ziel der Raumfahrt bestehe letzten Endes darin, eine „strahlende Menschheit“ hervorzubringen, die sich in der Form von Göttermenschen frei im Kosmos bewegen könne. Im Universum seiner Philosophie herrsche zugleich ein radikaler Ausleseprozess unter dem Evolutionsmaßstab des Glücks. Weil es darum gehe, dass die Menschen glücklich lebten, um „wenn möglich, den Tod abzuschaffen“6, dürfe es nicht geduldet werden, dass Kinder geboren werden, die nicht glücksfähig seien. Im Jahre 1911 formuliert Ziolkowski: „Die Erde ist die Wiege der Menschheit. Die Menschheit kann aber nicht ewig in der Wiege bleiben, vielmehr wird sie in ihrem Drang nach Licht und Weite zuerst zaghaft die Grenze der Atmosphäre überschreiten, um sich dann den gesamten Raum des Sonnensystems zu erobern“7. Irgendwann werde die Menschheit in der Lage sein, intergalaktische Reisen zu unternehmen und den Kosmos nach ihrem Maßstab umzugestalten. Diese Vision, die er in seinem Roman darstellt, wird von ihm in einer Weise ausgebaut, die den eugenischen Herrenmenschen sichtbar macht.

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Schulze Wessel, 2009, 67. Vgl. Hagemeister, 1997, 196. Hagemeister, 1997, 196. Vgl. Hagemeister, 1997, 196. Ziolkowski zitiert im Folgenden nach Hagemeister, 1997, 197f. Ziolkowski, 2005, 259. Zit. nach Hagemeister, 2006, 7.

290 d.

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„Wissen, Möglichkeiten! ... Wo sind eure Grenzen?“: Ziolkowskis neomythische Philosophie

Im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft zitiere ich Wilhelm Bölsche (1861-1939): „Wie schön leuchtet der Weltenlauf überall heraus, wenn man ihn auf große Vergangenheitslinien anschaut, auf Millionenjahre-Züge, auf Weltperspektive“1. Ziolkowski gehört zu den neomythischen Autoren, die diese Perspektive im Superlativ pflegen. In Aufsätzen mit Titeln wie Das lebende Universum, Neue Erkenntnissphären oder Die kosmische Philosophie entfaltet er ein Bild des Universums in dem eigentlich der unbewusste Evolutionsgott alles in allem ist und das einzelne Lebewesen, auch wenn es Vernunft hat, faktisch in die Bedeutungslosigkeit versinkt. Letzteres würde Ziolkowski nie direkt und ungeschminkt behaupten. Ebenso wie er die Wirklichkeit auf ihre Millionenjahre-Züge hin betrachtet, pflegt er auch wie Bölsche das „‚Nichts‘ zu verklären mit dem ewigen Entwickelungsgedanken“2. Es ist sinnvoll, die unterschiedlichen Beiträge Ziolkowskis zu einer neomythischen Philosophie im Ausgang vom ersten Elementaren, das uns Menschen zugänglich ist, nämlich vom einzelnen Menschen her darzustellen. Es gebe in der Jetztzeit, in späteren Zeiten würden die Menschen sich ungeheuer über den heutigen Menschen erheben, prinzipiell zwei Arten von Menschen. Es gebe die Genies, die von ihm auch unter anderem als die „Höchstgestellten“3 und als die „Vollkommensten“4 bezeichnet werden. Wie Ziolkowski in seinem – sicher auch autobiografisch geprägten – Aufsatz über Das Genie unter Menschen (1918)5 ausführlich zu zeigen versucht, würden Genies nahezu notwendig und grundsätzlich verkannt. Genies für geisteskrank zu erklären, zu verlachen oder gar zu ermorden sei Resultat der Begrenztheit der zweiten Art Mensch. Dies seien die „mediokren“6 Menschen. Wolle man Genies entdecken und dann fördern und damit erst den Fortschritt der Menschheit ermöglichen, dann müsse man genossenschaftliche „Gemeinschaftseinrichtungen“7 schaffen, in denen es zu einer systematischen Hochzucht kommen könne. Die durchschnittlichen Menschen könnten weiter in Familien „fast wie die Tiere“8 stumpf vor sich hin leben. Die Hochzuchtgemeinschaften würden sich allerdings auf der Erde ausbreiten, da sich in diesem

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Bölsche, 1910f, 335, zit. nach Gebhard, 1984, 341. Bölsche, 1910f, Bd. II, 338. Ich zitiere im Folgenden die Aufsätze Ziolkowskis nach der Edition von Groys/ Hagemeister, 2005 als: Ziolkowski, 2005, Seite, hier: Ziolkowski, 2005, 238. Ziolkowski, 2005, 243. Ziolkowski, 2005, 278-308. Ziolkowski, 2005, 238. Ziolkowski, 2005, 239. Ziolkowski, 2005, 239.

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Gemeinschaftsleben Glück und Kinderreichtum von selbst ergeben würden1. Ziolkowski bezeichnet diese genossenschaftlich organisierten Gemeinschaften als Gemeinschaften erster Ordnung2 und entwirft diese als Keimzellen von Gemeinschaften zweiter Ordnung3, aus denen sich „im Laufe der Jahrhunderte“4 Gemeinschaften dritter Ordnung und vierter Ordnung5 herausbildeten. Geleitet werde diese Gesellschaft allerdings nicht durch die „Zelle höchster Ordnung“6, sondern es müsse einen aus dieser stammenden „Auserwählten“7 geben. Die zu solch einer genialen Persönlichkeit passende Staatsform sei der „Absolutismus“8. „Daher gibt es keine Unentschiedenheit, keine noch so geringfügige Verschleppung von Angelegenheiten aller Art. Der Fortschritt schreitet unaufhaltsam voran. Der Gehorsam gegenüber der Entscheidung des Einzelnen duldet keinen Widerspruch“9.

Allerdings räumt Ziolkowski ein, dass dieser Auserwählte im Falle eines Versagens abgewählt werden könne. In seinem Spätwerk entfaltet Ziolkowski seine Staatsphilosophie in den kosmischen Bereich hinein und entwirft ein Universum, indem nicht nur jeder entsprechend hoch entwickelte Planet, sondern wiederum jedes Sonnensystem jede Galaxie, jede Ätherinsel und endlich auch das Universum einen absoluten Herrscher habe10. Im letzteren Falle sei dieser das Universum selbst. Im Universum Ziolkowskis herrscht ein radikaler Ausleseprozess unter dem Evolutionsmaßstab des Glücks. Weil es darum gehe, dass die Menschen glücklich lebten, und darum, „wenn möglich, den Tod abzuschaffen“11, dürfe es nicht geduldet werden, dass Kinder geboren würden, die nicht glücksfähig seien. Dabei plädiert Ziolkowski – in diesem Kontext – nicht für Euthanasie oder Abtreibung, sondern für Heiratsverbote. „Die Ehe selbst kann bei Zuneigung der Eheschließenden zugelassen werden, die Geburt von Kindern jedoch nur mit Genehmigung der Gesellschaft. ... Der Mensch oder das noch ungeborene Wesen allgemein besitzt auch Rechte. Diese Rechte bestehen darin, einen möglichst vollkommenen Körper, Verstand und moralische Qualitäten zu besitzen“12.

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Vgl. Ziolkowski, 2005, 241. Vgl. Ziolkowski, 2005, 241 u.ö. Vgl. Ziolkowski, 2005, 241 u.ö. Ziolkowski, 2005, 241. Vgl. Ziolkowski, 2005, 241f. Ziolkowski, 2005, 269. Ziolkowski, 2005, 245. Ziolkowski, 2005, 245. Ziolkowski, 2005, 245. Vgl. Ziolkowski, 2005, 370f. Der Begriff der Ätherinsel wird später erklärt. Ziolkowski, 2005, 259. Ziolkowski, 2005, 258.

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Würden „Krüppel“1 geboren, so hätten sie ein Lebensrecht, dürften sich allerdings nicht vermehren. Wenn eine Sozial- und Staatsphilosophie eine gesamtkosmische Gesellschaftsordnung entwirft, so muss sie auch eine entsprechende Kosmologie und Metaphysik beinhalten. Seinen eigenen Standpunkt bezeichnet Ziolkowski als „materieller Monismus“2. In der Explikation seines Standpunktes schwankt Ziolkowski zwischen Allmachtsfantasien und seiner Art von Realismus. Dabei überwiegt allerdings, gegenüber Bemerkungen zur Unabgeschlossenheit seiner Theorie3, ein hohes Maß an Selbstgewissheit. Mit der Sicherheit des selbstbewussten Erfahrungswissenschaftlers, der trotz aller öffentlichen Verkanntheit doch weiß, was er zu leisten im Stande ist, schreibt er noch selbstbewusster als der gleich zu besprechende Hermann Oberth über metaphysische Fragen und bezieht sie auf empirische Informationen. „Ich möchte vom Standpunkt der modernen exakten Wissenschaft aus oder zumindest auf ihrer Grundlage jene Ansichten auffrischen, die bereits einige herausragende Menschen vertreten haben. Allerdings werde ich versuchen, ihnen einen unerschütterlichen, definitiven und strengen wissenschaftlichen Charakter zu verleihen. Ich werde versuchen, das wieder herzustellen, was der Menschheit in Myriaden von Jahrhunderten verloren gegangen ist, und den verlorenen Stein der Weisen aufspüren“4.

Er wendet sich gegen einen, um mit Howard Phillips Lovecraft (1890-1935) zu sprechen, kosmischen Indifferentismus5, der von einer Gleichwertigkeit unseres Universums gegenüber Leiden und Tod ausgeht und alles im Nichts des Grabes für immer enden lässt. Ziolkowski charakterisiert diesen Standpunkt folgendermaßen: „Das Leben wiederholt sich nicht, man ist nur einmal jung, das Leben ist eine Verhöhnung durch den Kosmos, das Leben und die Bestimmung des Menschen sind ebenso sinnlos wie die Existenz von Wanzen oder Cholerabakterien. Das Allerbeste ist die Vernichtung des Lebens. Mit dem Tod endet alles“6. Die Kosmologie beziehungsweise Metaphysik Ziolkowskis geht zunächst von zwei grundlegenden Prinzipien aus. Es ist zum einen vorausgesetzt eine unvordenkliche „Urmaterie, aus der sich alles zusammensetzt“7. Durch Selbstentfaltung und neue Kombination des entfalteten Materiellen entstehe unsere Wirklichkeit und führe auch endlich zur „Selbstzeugung“8 von Leben.

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Ziolkowski, 2005, 372f. Ziolkowski, 2005, 314. Vgl. Ziolkowski, 2005, 313. Ziolkowski, 2005, 311. Vgl. Joshi, 1984, 23. Ziolkowski, 2005, 313. Ziolkowski, 2005, 314. Ziolkowski, 2005, 319 u.ö.

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Zweitens besitze Materie an sich „Sensibilität“ – und darunter versteht Ziolkowski zunächst einmal abstrakt „die Reizbarkeit eines Stoffes, seine Fähigkeit, auf äußere Erscheinungen zu reagieren ... Unter diesem Gesichtspunkt ist alles sensibel“1. Zusammenfassend und im Text durch ihn hervorgehoben formuliert Ziolkowski den Grundsatz: „Materie ist nicht nur uneingeschränkt sensibel, sondern periodisch, zwangsläufig und in extrem großen Zeitabständen eine komplexe Organisationsform, die man Leben nennt“2. Im Laufe seiner Gedankenführung wird Ziolkowski dazu kommen, der Urmaterie und ihrer Entfaltung zum Schluss göttliche Bedeutung zuzusprechen. Es fällt auf, dass Ziolkowski in gigantischen Zeiträumen Kosmosgeschichte periodisiert und außerdem davon ausgeht, dass es überall lebensempfängliche Planeten gebe3. „Das physische Leben ist periodisch, d.h. es wiederholt sich. Es gibt kleine Perioden in einer Größenordnung von Billionen von Jahren, und es gibt bedeutendere, die Billionen von Billionen Jahren betragen“4. Ebenso geht er von unvorstellbaren räumlichen Verhältnissen im Kosmos aus. „Die Erde bildet einen so unendlich winzigen Teil des Kosmos, dass man sie vernachlässigen kann“5. Die nächste räumliche Orientierungsgröße sei ein Sonnensystem, ihr folge die Galaxie und als Zusammenfassungen von Galaxien gäbe es Ätherinseln, die letzte räumliche Orientierungsinstanz vor dem Blick auf den Gesamtkosmos. Hier ist der Punkt erreicht, an dem sich Ziolkowski auch deutlich von der damaligen physikalischen Kosmologie entfernt, die spätestens seit dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr von einem Weltäther ausgeht. „Meinen Untersuchungen zufolge ist eine Ätherinsel von den anderen durch eine Materie abgetrennt, die dünner als Äther und für uns bekanntes Licht und undurchlässig ist. Daher gibt es bisher keinerlei Erkenntnisse über andere Ätherinseln und ihre Gruppen. ... Es gibt nicht drei oder vier davon, sondern unendlich viele“6.

‚Quantitative Unendlichkeit‘ hat für Ziolkowski ebenfalls das, was er als Ich7 bezeichnet. „Das ‚Ich‘ gehört zum Atom oder zum Wesen der Materie. Das ‚Ich‘ oder das ursprüngliche wahre Atom streift allein oder in Verbindung mit anderen durch den gesamten Kosmos und lebt permanent, ohne Anfang und ohne Ende“8. Eine Zeile später spricht er von diesem ‚Ich‘ als „dieses Leben“9. Dieses ‚ursprüngliche Ich-Lebensatom‘ ist – Ziolkowski drückt sich hier nicht präzise aus –

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Ziolkowski, 2005, 317. Ziolkowski, 2005, 322. Vgl. Ziolkowski, 2005, 326. Ziolkowski, 2005, 323. Ziolkowski, 2005, 323. Ziolkowski, 2005, 324. Vgl. Ziolkowski, 2005, 325. Ziolkowski, 2005, 322. Ziolkowski, 2005, 322.

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in seiner ersten Gestalt zunächst einmal Ätherteilchen1. Aus dem Äther bilde sich elementare, dann komplexe Materie und endlich auch das Leben2. Mit seinem Ich-Konzept wird auf der einen Seite durch Ziolkowski erreicht, dass das Leben universal-kosmisch begriffen wird, auf der anderen Seite wird der Ichbegriff so weit gefasst, dass das Individuum im gesamtkosmischen Prozess seiner Bedeutung einbüßt. Ziolkowskis Betrachtung der Weltgeschichte auf Millionenjahre-Züge hin verheißt nur Gutes: „Wenn wir von der toten zur belebten Materie, zum Bewusstsein, zum modernen geistigen und technischen Fortschritt gekommen sind, was wird dann erst in 1 Million Jahren aus uns werden!“3. Es klingt nach Auguste Comtes positivistischer Geschichtsphilosophie, wenn Ziolkowski gegenüber dieser utopischen Zeit die Jetztzeit dadurch charakterisiert, dass eigentlich nur „ein Millionstel ..., einige tausend Menschen. Ein verschwindend geringer Prozentsatz der Menschheit“ wissenschaftsfundiertes Verstandesvermögen besitze und die restliche Menschheit sich im – „Urzustand völliger Unwissenheit“4 befinde. Später aber werde die Menschheit zu einem „Ganzen verschmelzen und von einem einheitlichen gewählten Verstand regiert werden“5. Der Mensch, der auf diese Weise entstehe, werde sich gegenüber den heutigen Menschen so unterscheiden, wie sich heute die Affen von uns unterschieden, weil die Menschheit eine „vollkommene Rasse“ geworden sein werde6. In den konkreteren Passagen seiner utopischen Beschreibungen fällt auf, dass Ziolkowski Natur nur als Störfaktor wahrnimmt. „Die Tiere werden nach und nach verschwinden“7. Die Meere würden austrocknen und überbaut werden, sodass natürlich auch die Fische aussterben würden. Dieser Grundsatz, dass ‚höherwertiges‘ Leben ‚minderwertiges‘ Leben verdrängen darf, liegt in der kosmischen Verfassung des Ich begründet. Es gibt nur ein einziges Leben, das sich auf die unterschiedlichste Weise realisiert. Und aufgrund dieses kosmistisch-monistischen Ichbegriffs darf die einzelne Realisationsform von Leben jederzeit ausgelöscht werden. Hier unterscheidet sich der späte Ziolkowski von seinen frühen Konzeptionen. In diesem Sinne verläuft auch die Besiedelung des Sonnensystems, anderer Sonnensysteme und darüber hinaus. Es werde Kontakte zu anderen intelligenten Wesen geben und es werde eine Besiedelung der meisten Sonnensysteme stattfinden.

„Das unvollkommene Leben auf ihnen (den Sonnensystemen, L.H.) wird liquidiert und durch vollkommenes ersetzt. Das ist eine Art Gericht. Aber nicht das Jüngste Gericht, sondern ein barmherziges und für die Unvollkommenen vorteilhaftes Ge-

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Vgl. Ziolkowski, 2005, 325. Vgl. Ziolkowski, 2005, 325. Ziolkowski, 2005, 333. Ziolkowski, 2005, 332. Ziolkowski, 2005, 333. Vgl. Ziolkowski, 2005, 333. Ziolkowski, 2005, 334 und vgl. bes. 337.

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richt: Nach ihrem schmerzlosen und natürlichen Absterben ohne Nachkommenschaft leben sie für ein besseres Leben wieder auf“1. Einige Seiten später bezieht Ziolkowski den Ausrottungsprozess auch auf vernunftbegabte Wesen und überschreitet damit endgültig die Grenzlinie hin zu einer neomythischen Barbarei. In einer Kombination der Theorie der gelenkten Panspermie mit der später unter dem Namen Präastronautik bekannt gewordenen Theorie entwirft er eine Kulturgeschichte galaktischer Intelligenz auf der Grundlage eugenischer ‚Säuberung‘2. Durch Selbstzeugung sei möglicherweise in irgendeinem Sonnensystem eine hoch entwickelte Rasse entstanden, die sich entschlossen habe, anderen Sonnensystemen das Problem einer langwierigen und schmerzhaften Entwicklung zum glücklichen und intelligenten Existieren zu ersparen und die Wege abzukürzen. Deshalb habe es andere Milchstraßen beziehungsweise deren Sonnensysteme „ohne Qualen besiedelt“. Dies habe das Auslöschen dort entstandener, anfänglicher Lebensformen bedeutet. Die Erde hält Ziolkowski aus dieser Besiedelungsstrategie heraus. So regt sich der Widerstand gegen die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne, die er auf der einen Seite dadurch zu bewältigen versucht, dass er die unheimlichen kosmischen Raumzeitdimensionen durch das Konzept eines einheitlichen zu Grunde liegenden Ich- und Lebensatoms aneinander bindet und zum anderen dadurch, dass er der Erde doch einen Sonderstatus zubilligt. Dabei bleibt er in markanter Weise ambivalent. Auf der einen Seite schreibt er, dass sich die „Autogonie der Erde … mit der Vermutung rechtfertigen (lasse, L.H.), die Erde sei einer der führenden Planeten der Milchstraße mit einer lichten Zukunft“. Andererseits spekuliert er ausführlich darüber, dass diese Zukunft noch ausstehe und die Evolutionslenker die Erde als einen „Experimentalplaneten“ betrachten könnten. Ob das Experiment der autogenen Höherentwicklung der Erde „Früchte hervorbringt, die von den Obersten erwartet werden, ist im Grunde genommen nur diesen bekannt. Doch wir hoffen das. Wenn dem nicht so ist, so büßen die Bewohner durch ihre Liquidation trotzdem nichts ein“. An dieser Stelle unterbreche ich erst einmal das Zitat. Die Perspektive für die Erdenmenschheit, eventuell ausgelöscht zu werden, bedeutet faktisch die Ausrottung der Menschheit und damit das Erlöschen des Lebens von Milliarden Individuen. Die individuelle Tragik wird aber kaschiert durch das kosmistische Ichkonzept. Ziolkowski fährt fort: „Im Gegenteil – sie profitieren davon. Denn der höhere Verstand, der nur das Beste hervorbringt, hat uns in der Hand. Offenbar ist die Verkörperung in höheren Lebewesen vorteilhafter als unsere betrübliche Existenz, wenn diese so bleiben sollte“. Dies ist eine spezielle Form des politisch totalitären evolutionistischen Eurobuddhismus, der das einzelne Ich um des großen Ganzen willen als Schein abtut.

1 2

Ziolkowski, 2005, 340. Ziolkowski, 2005, 340. Vgl. auch 344-347. Bis zur nächsten Fußnote stammen alle Zitate aus diesem Bereich.

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Ziolkowski beendet seine Argumentation mit einer ‚tröstlichen‘ Aussage, die das individuelle ‚Ich‘ schlicht auf Materie reduziert: „Unsere Erde ist ein solches Experiment. Es ist qualvoll für die Materie, aber unausweichlich, um die Einöden unseres Universums auszufüllen und dem Leiden keinen Triumph zu gönnen“. Ziolkowski sieht sich sogar in der Lage, Leiden aufzurechnen. Er spricht von „Einheiten Leid“1, meint damit unglückliche Lebewesen und ‚berechnet‘ dann für unsere Milchstraße im Hinblick auf die ‚Leidenseinheiten‘ die Zahl „109 mal 103 = 1012“, setzt diese in eine Beziehung zu den „freudvolle(n) vollkommene(n) Wesen“ deren Zahl er mit „1021 mal 109 = 1030“ angibt, um dann festzustellen, dass letztere Zahl um „1030 : 1012 = 1018“ größer ist als die Zahl der unglücklichen Wesen. Gegenüber den Freuden der Vollkommenen seien die Leiden der Unvollkommenen deshalb „absolut nicht spürbar“2. Die Vollkommenen regierten absolutistisch Planeten, Sonnensysteme, Galaxien und Ätherinseln. „Jeder Planet wird von einem gewählten Rat regiert, an dessen Spitze ein Präsident steht. Das ist der Höchste der Höchsten des Planeten. ... Die Bevölkerung des gesamten Sonnensystems ist milliardenfach größer als die eines Planeten. Auch dort gibt es einen gewählten Vertreter. ... Auch die Gruppe der nächsten Sonnensysteme besitzt ein Oberhaupt. Ein Oberhaupt gibt es in jeder Galaxie (Milliarden von Sonnensystemen) und in jeder Ätherinsel“3.

Wer regiert nach Ziolkowski das Universum? Diese Frage lässt sich im Ausgang von der Kosmologie beantworten. Ziolkowski stellt in seiner Variante des Bildes vom unbewussten Evolutionsgott fest, dass „das gesamte Universum und jedes seiner Atome gleichsam das ununterbrochene Leben eines höheren Lebewesens lebt“4 und erweitert nun schrittweise seine Aussagen über das Universum. Die eben zitierte Passage über die verschiedenen mächtigen Präsidenten wird fortgesetzt mit der Aussage: „Oberstes Oberhaupt ist schließlich das Universum selbst“5. Ziolkowski fährt dann fort und fragt sich, ob das Universum möglicherweise selbst bezogen sei auf einen Urgrund6, welcher – wie sein Produkt, das Universum – „vollkommen ist und höchstes Wohl und Vollkommenheit verkörpert“7. Gegen Ende seiner Überlegungen über Neue Erkenntnissphären tauchen noch unvorstellbarere Raumzeit-Fantasien auf. Was für übervollkommene Wesen könnten die Geschichte des Kosmos außerhalb zyklischen Denkens in unendliche Entwicklungen verstricken, wenn wir – so Ziolkowski – nicht nur in der Größen1 2 3 4 5 6 7

Ziolkowski, 2005, 348. Auf dieser Seite findet sich die folgende Rechnung. Ziolkowski, 2005, 349f. Ziolkowski, 2005, 370f. Ziolkowski, 2005, 369. Ziolkowski, 2005, 371. Vgl. Ziolkowski, 2005, 371. Ziolkowski, 2005, 371.

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ordnung von einer Dezillion Jahren dächten, sondern Entwicklungsschritte so vorstellen, dass wir die Dezillion in der Dezillionpotenz1 angäben? Es zeigen sich bei Ziolkowski auch Perspektiven sowohl durch eine Geisterlehre als auch durch Überlegungen, dass das Individuum eine „Seele (oder einen materiellen Geist)“2 haben könnte. Doch vor einer näheren Erläuterung scheut Ziolkowski zurück. Was für den Leser bleibt, ist der Eindruck eines großen Welttheaters, in dem der unbewusste Evolutionsgott alles und der Einzelne nichts ist. In manchmal biedermeierlich, manchmal expressionistisch klingender Sprache formuliert Ziolkowski das neomythische Programm einer Aufhebung des Todes und des unaufhaltsamen Fortschreitens des Menschengeschlechts als Programm millionenfachen kosmischen Tötens. Es klingt wie eine Ouvertüre zur damals zeitgenössisch anstehenden, höchsten totalitären Brutalität. Wenn es um Hermann Oberth, den Gründungsvater der deutschen Raumfahrtwissenschaft, geht, haben wir es mit harmloseren neomythischen Gedanken zu tun.

2.

Hermann Oberth – Vater der deutschen Raumfahrtwissenschaft

a.

„Es ist aber auf der Welt nichts unmöglich …“: Zur Biografie

Der letzte Satz seines epochalen Werkes lautet: „Es ist aber auf der Welt nichts unmöglich, man muß nur die Mittel entdecken, mit denen es sich durchführen läßt“3. Hermann Julius Oberth (1894-1989), dem dieser Optimismus sein langes Leben hindurch eignet, wird in Hermannstadt (Siebenbürgen, Österreich-Ungarn) als Arztsohn geboren. Genau wie Ziolkowski inspirieren ihn die Romane von Jules Verne zu raumfahrtwissenschaftlichen Studien, die er schon in der Schulzeit beginnt. Er sieht die Unmöglichkeit, in das Weltall mittels einer großen Kanone geschossen zu werden – eine Idee Vernes – und entwirft erste Vorstellungen zu einer Flüssigkeitsrakete (ab 1909), die durch Hans Dominiks (1872-1945) Erzählung Die Reise zum Mars (1908) angeregt werden4. Bündig ist seine spätere Definition einer Rakete: „Ich will hier jeden Apparat als Rakete bezeichnen, der durch den Rückstoß ausströmender Gase nach vorwärts getrieben wird“5. 1 2 3 4

5

Vgl. Ziolkowski, 2005, 375. Ziolkowski, 2005, 377. Oberth, 1929, 423. Vgl. dazu im Folgenden den Wikipedia-Artikel für elementare sachliche Informationen und für die biografischen Details die leider unkritischen und vieles beschönigenden bzw. fortlassenden Biografien von Fritz, 1969, Barth 1991 und Rauschenbach, 1995, von denen Barths Untersuchung noch am brauchbarsten ist. Oberth, 1928, 106.

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Später kommt er dem Wunsch seines Vaters nach und studiert im Sinne der Familientradition Medizin, hört allerdings auch nebenbei Vorlesungen bei dem theoretischen Physiker Arnold Johannes Wilhelm Sommerfeld (1868-1951) und dem für Physik und Meteorologie ordinierten Jacob Robert Emden (1862-1940), der zu den Pionieren der Luftfahrt zählt1. Nach dem Ersten Weltkrieg und einer krankheitsbedingten Pause entschließt sich Oberth endgültig, in die Physik überzuwechseln und studiert ab 1919 dann zunächst an der Technischen Universität Klausenburg (Rumänien) und später für wenige Wochen in München, dann endlich in Göttingen und später, ab 1921, in Heidelberg. Das weltweit erste Modell einer zweistufigen Rakete auf WasserstoffSauerstoff-Basis wird von ihm 1920 entwickelt. Seine später berühmt werdende Dissertation (1922) über Die Rakete zu den Planetenräumen wird in Heidelberg abgelehnt2, weil sich kein entsprechend qualifizierter Gutachter findet. Die Heidelberger Physiker lassen ihm mitteilen, es handele sich bei dieser Untersuchung um eine „überraschende Arbeit, (die) aber leider keine klassische Physik“ sei3. Der Heidelberger Astronom Max Wolf (1863-1932) rät ihm, seine Arbeit als Buch zu publizieren, was dann auch 1923 durch den Münchner Oldenbourg-Verlag geschieht. Genauso wie Ziolkowski oder auch der ukrainische Raumfahrtpionier Juri Wassiljewitsch Kondratjuk (1897-1942) muss Oberth die Druckkosten für sein Buch unter schwierigsten Bedingungen selbst aufbringen. An der Universität Klausenburg kann er die theoretischen Teile seiner Untersuchung als Diplomarbeit einreichen und 1923 das Lehramtsexamen (Prof. sec.4) erhalten. Die Arbeiten von Ziolkowski lernt Oberth nach eigener Aussage erst 1925 kennen und es entsteht ein Briefwechsel, dem sich auch ein Briefwechsel mit dem us-amerikanischen Raumfahrtpionier Robert Hutchings Goddard anschließt. Während sein Buch ein fachwissenschaftlicher Bestseller wird, arbeitet – nach dem vergeblichen Versuch einen Förderer aufzutreiben – Oberth von 1923 bis 1938 als Gymnasiallehrer für Physik und Mathematik in Siebenbürgen. Das Buch wirkt als Initialzündung der Raumfahrtwissenschaft. Viele Wissenschaftler, die sich nur halbherzig mit dem Thema beschäftigen, fühlen sich nun bestärkt. Im Dezember 1926 wird die Gesellschaft für Weltraumforschung in Wien gegründet und 1927 kommt es in Breslau zur Gründung des deutschen Vereins für Raumschiffahrt5.

Während seiner Zeit als Lehrer in Mediasch lernt er auch den jungen Max Valier (1895-1930) kennen und schreibt für die zweite Auflage seines populären Sachbuch Der Vorstoß in den Weltraum ein Vorwort. Er publiziert im Blick auf Kriti-

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Vgl. Artikel: Emden, 1959, 476f. Vgl. Barth, 1991, 65-71. Vgl. Rauschenbach, 1995, 54. Vgl. Barth, 1991, 71; Professor secundaria. Vgl. Barth, 1991, 99.

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ker seines Standpunktes 1929 die Wege zur Raumschiffahrt. Der berühmte französische Raumfahrtwissenschaftler Robert Albert Charles Esnault-Pelterie (18811957) erweist ihm 1930 nach anfänglicher Skepsis die Ehre, sein zweites Buch als die Bibel der wissenschaftlichen Astronautik zu bezeichnen1. Nun wird Oberth zunehmend auch von der Fachwelt anerkannt. Er erhält den verdoppelten Preis der französischen astronomischen Gesellschaft (10.000 Francs), berät ab 1928 den Regisseur Fritz Lang (1890-1976) im Blick auf die Dreharbeiten seines Filmes Frau im Mond. Der Schriftsteller und spätere Raumfahrthistoriker Willy Ley (1906-1969), Mitglied des Vereins für Raumschiffahrt (VfR), kann die UFA dafür begeistern, zu Reklamezwecken eine echte Rakete durch Oberth konstruieren und starten zu lassen, was allerdings nicht gelingt. Trotzdem ergibt sich aber seitdem eine kontinuierliche experimentelle Arbeit, die sich auch nach dem Ende der Finanzierung durch die UFA fortsetzt. Breite Wirkung erzielt Oberth durch seine Mitarbeit an Fritz Langs Verfilmung des Romans Frau im Mond (1928) von Thea Gabriele von Harbou (1888-1954). Er entwirft für diesen Film das Modell einer Mondrakete. In seiner Ansprache anlässlich der Uraufführung am 15. Oktober 1929 sagt er: „Bei diesem Film habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter gewirkt. Der Film ist mehr als ein bloßes Fantasiegebilde. ... Die Rakete, die Sie hier sehen werden, habe ich so durchkonstruiert, als ob man sie wirklich bauen und fliegen lassen wollte“2.

1932 kommt aus der Sowjetunion eine Einladung, mit nahezu unbegrenzten Mitteln Raumfahrt voranzutreiben. Zu dieser Zeit ist die UdSSR die einzige Nation, die von Staats wegen Raumfahrtwissenschaft fördert. Der rumänische König Carol II. (1893-1953) verschafft Oberth 1932 bescheidene Arbeitsmöglichkeiten an der Militärfliegerschule in Mediasch, 1937 schließt er mit der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt einen Vertrag gemäß dem er sich mit „speziellen Forschungen, die von seinem Standpunkt aus zur Entwicklung der Wissenschaft beitragen“3 beschäftigen soll. Er erhält 1938 einen Forschungsauftrag von der TECHNISCHEN UNIVERSITÄT WIEN, geht dann an die TECHNISCHE HOCHSCHULE DRESDEN, wird deutscher Staatsbürger (1939) und ist von 1941 bis 1943 an der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde tätig und empfindet sich dort durch den geltungssüchtigen Wernher von Braun (1912-1977) eher ausgebremst. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet er 1948 in der Schweiz, 1950 bis 1953 für die italienische Marine und 1955 bis 1958 in den USA im Raketen-Entwicklungszentrum in Huntsville in Alabama. Später berät er die Firma Convair in San Diego.

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Vgl. Rauschenbach, 1995, 73. Barth, 1991, 128. Rauschenbach, 1995, 151.

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Unzweifelhaft gehört Oberth zu den ganz großen Persönlichkeiten der Raumfahrtwissenschaft innerhalb der Hightech-Elite des 20. Jahrhunderts. Betrachten wir nun die neomythischen Züge Hermann Oberths.

b.

Philosophieren auf dem Weg zum Neomythischen

In den dreißiger Jahren beginnt Oberth auch im Bereich populär-philosophischer weltanschaulicher Fragen zu publizieren. Es erscheinen die Artikel Intellektualismus und Frömmigkeit und Forschung und Jenseits1. Gegen den Strom orientierte weltanschauliche Interessen jenseits der gängigen Religionen und jenseits des Atheismus zu pflegen hat in der Familie Hermann Oberths Tradition. Sein Großvater mütterlicherseits, Friedrich Krasser (1818-1893)2, ein sozialdemokratisch orientierter Arzt und glühender Darwinist, schreibt 1869 gegen den 1864 durch Pius IX. (Giovanni Maria Mastai-Ferretti, 1792-1878) verfassten Syllabus errorum, einer Sammlung von seiner Meinung nach dem katholischen Glauben widersprechenden Irrtümern, ein Gedicht mit dem Titel Anti-Syllabus. „Anti-Syllabus. Von Dr. Friedrich Krasser. Schon vor fünfzigtausend Jahren, wie die Wissenschaft bewies, Lebten Menschen auf der Erde – lange vor dem Paradies – Eh‘ die Bibel war gedichtet, eh‘ des Schöpfers Werderuf, Laut der eig‘nen Offenbarung, Himmel, Erd‘ und Menschen schuf. Ist die Offenbarung richtig, dann beweist sie sonnenklar, Dass der Mensch schon lange lebte, eh‘ er noch vorhanden war, Dass der Himmel und die Erde schon Jahrtausende bestand, Eh‘ sie ‚Gott der Herr‘ zu schaffen und zu lenken nöthig fand“3. Oberths Mutter pflegt Hermann mit seinem Großvater zu vergleichen4. Oberth selbst erinnert sich: „In meiner Jugend wurde ich im materialistisch-monistischen Geiste erzogen und faßte schon 1917 den Entschluß, ein Buch zu schreiben gegen den Aberglauben und die Geschäfte mit der Frömmigkeit anderer“5.

Ende der Sechzigerjahre meldet sich das weltanschauliche und philosophische Interesse in Hermann Oberth immer mehr zu Wort. Diesbezüglich verweist Barth 1 2 3 4 5

Vgl. Rauschenbach, 1995, 109. Ausführlich: Barth, 1991, 15-20. Rauschenbach, 1995, 21 weist kurz auf Krasser hin. Krasser, 1887, 12. Vgl. Barth, 1991, 20. Oberth, 1959, 130.

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auf die Kontinuität des Alterswerks zum frühen Denken Oberths1. Harry O. Ruppe schreibt in einem Nachruf auf seinen Brieffreund beziehungsweise -lehrer: „Seine politischen Schriften müssen noch aufgearbeitet werden – und ich glaube, daß auch hier gedanklicher Juwelen zu finden sind! Natürlich wird nicht jeder zustimmen – Oberth lief nie mit der Menge!“2. In einem Brief an den russischen Forschungskosmonauten und Raumfahrthistoriker Jaroslaw Golowanow (1932- 2003) schreibt Hermann Oberth 1974: „In der Innenpolitik hatte Hitler meines Dafürhaltens gerade die dem deutschen Charakter entsprechende Grenze zwischen freier Marktwirtschaft und Privatinitiative einerseits und dem notwendigen Zwang zu sozialem Verhalten andererseits gefunden“3. Solche Zitate und seine Mitarbeit als Wahlhelfer der NPD werden in den populären apologetischen Biografien – wenn überhaupt – beschönigend und euphemistisch dargeboten. Die sicherlich auch differenzierte, aber unbestreitbar aktive Mitarbeit an den Zielen der NPD auch über seinen Austritt hinaus4 wird von mir angeführt, weil in ufologischen beziehungsweise präastronautischen Kreisen oftmals totalitäre und eugenische Vorstellungen, die wir schon bei Ziolkowski kennengelernt haben, aufzutauchen pflegen.

In seiner Kampfschrift Kakokratie. Der Weltfeind Nr. 1 erzählt Hermann Oberth von seinem Plan, einen Zukunftsroman zu schreiben, in dem die aktuellen Probleme gelöst würden. Deutlich bricht hier die Sprache des ‚Herrenmenschen‘ durch. Zu diesen zu lösenden Weltproblemen gehörten nämlich auch das der „Großpäppelung erbkranken Nachwuchses, Verlä(n)gerung lebensunwerten Lebens“5. Die zwiespältige Einstellung Oberths zum Nationalsozialismus zeigt sich in folgendem Zitat: „Der Nationalsozialismus betonte den Einsatz des Einzelnen für die Gemeinschaft oder, besser gesagt, für die Idee der Aufnordung. Demnach war sein Ideal der geistig und körperlich leistungsfähige, wirklichkeitsnahe, mutige, einsatzbereite Mensch. Er besitzt viel arisches Blut, tüftelt wenig, fügt sich in die Gemeinschaft ein, und zwar unter Wahrung seiner individuellen Persönlichkeit. (In der Einstellung zur persönlichen Freiheit liegt der wichtigste Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Bolschewismus oder zwischen Germanen- und Slaventum überhaupt.) Er ist ein guter Kamerad und gibt sich so, wie er ist“6. In 1 2 3 4

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Vgl. Barth, 1991, 236. Barth, 1991, 238. Zit. nach Barth, 1991, 239. Oberth gibt der rechtsextremen Zeitung Junges Forum ein Interview und äußert sich dort zur Aufgabe seiner NPD-Mitgliedschaft als einer rein strategischen Angelegenheit. Vgl. zum rechtsextremen Hintergrund der Zeitung: http://www.regin-verlag.de/index.php?id=2,60,0,0,1,0. Oberth, 1976, 27. Oberth, 1959, 60f, Hervorhebungen durch Oberth. „Während ich dies schreibe, erringt z.B. die NPD beachtliche Erfolge. Das ist aber bestimmt nicht, weil sie materiell stärker wäre als ihre Gegner, obwohl natürlich auch die NPD Geld braucht“ (Oberth, 1966, 95).

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einer Fußnote zu dieser Passage (platziert hinter „sein Ideal“) erläutert Oberth: „Ich spreche hier nur vom Ideal an sich, nicht von seiner praktischen Auswirkung unter lebenden Menschen. – Ich möchte sogar bemerken, daß ich nicht Nationalsozialist war und manches nur mit schwerster Sorge betrachten konnte“1. Hermann Oberth publiziert 1959 ein auf vorbereitende Arbeiten der Dreißigerjahre zurückgehendes Bändchen mit philosophisch-weltanschaulichen Thesen zum Themenkreis Stoff und Leben. Betrachtungen zum modernen Weltbild, das er dem seinerzeit berühmten – fachlich und wegen seiner früheren Mitarbeit im AHNENERBE umstrittenen – Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie in Freiburg, Hans Bender (1907-1991) widmet. Er grenzt sich schon in seinem Vorwort äußerst selbstbewusst von einem naiven Kirchenglauben ab2 und stellt die seiner Meinung nach aus den empirischen Erfahrungswissenschaften extrapolierte These auf: „Wenn er glauben soll, so braucht er Tatsachen“3. Im Untertitel zu seinem Buch verwendet er den Terminus Weltbild und im Vorwort spricht er von einer durch ihn „entwickelten Weltanschauung … Dabei wird mancher erkennen, daß das Weltgeschehen vielleicht doch nicht so sinn- und zwecklos ist als man heute allgemein annimmt“4. Es gehe ihm um grundsätzliche Fragestellungen: „Hier wollte ich keine Religionspolitik treiben, sondern einfach feststellen, wo die Wahrheit liegt“5. Der große weltanschauliche Gegenspieler ist für Oberth – neben der überkommenen, für ihn naiven Form der Religion – der Materialismus. Materialismus fasst er nach dem Muster des mechanistischen Materialismus des 19. Jahrhunderts. Die Welt bestehe aus kleinsten Wirklichkeitskügelchen, die sich durch mechanische Zusammenhänge automatisch zusammenfügten und schließlich noch Leben hervorbrächten6. Das Ich könne durch den Materialismus allerdings nicht erklärt werden. Die Gefahr des Materialismus besteht für Oberth darin, dass mit dem Glauben an die Nichtigkeit des menschlichen Lebens nach dem Tode zugleich jeder Anspruch auf eine Geltungsbegründung für Moral zusammenbreche („... und überlasse die Moral den Dummen!“)7. Seine eigene Weltanschauung entfaltet Oberth im Ausgang von seinem Bild von Evolution. Es gebe in der Natur nicht nur einen „Trieb zur Selbstbehauptung des Individuums“8, sondern auch ein „Harmonieprinzip“9. Oberth führt in die Kräfte der Evolution, auch in Anlehnung an Gedanken beziehungsweise Zeichnungen Ernst Haeckels (1834-1919), Gesichtspunkte wie Kunstformen der Natur 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Oberth, 1959, 201. Vgl. Oberth, 1959, 12 und bes. 14. Oberth, 1959, 12, Hervorhebungen durch Oberth. Oberth, 1959, 15. Oberth, 1959, 145. Vgl. Oberth, 1959, 18f. Oberth, 1959, 24. Oberth, 1959, 46. Oberth, 1959, 46.

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(nach Haeckel), geometrische Regelmäßigkeit, leuchtende Farben, „Wohlgerüche“1, harmonische Töne und Rhythmik ein. Auch der Mensch unterliege diesem Streben nach Harmonie. Es verwundert bei einem NPD-Sympathisanten nicht, wenn das Harmonieprinzip im Hinblick auf die Entwicklung der Menschen im nächsten Schritt spezifiziert wird im Hinblick auf die Entwicklung von Rassen. Bestimmte Muster von idealem Menschsein werden bezogen auf ein jeweiliges „Wunschbild der betreffenden Rasse oder des betreffenden Menschentyps“2. Wegweiserin zu diesen Wunschbildern sei vor allem die Kunst. Über das Streben nach Harmonie hinaus gebe es dann auch noch das vielfach missverstandene und oft niveaulos gelebte Streben ganz über sich hinauszuwachsen. In der Auseinandersetzung über das „Denkorgan“3 taucht das Thema der Seele und damit das der Unsterblichkeit auf. Oberth weist darauf hin, dass die Frage nach dem Verhältnis von Seele und im weitesten Sinne dem Körper eine „Erklärung“ finden könne, die „doch so einfach!“4 sei. „Jede Zelle unseres Körpers ist ein selbständiges Lebewesen und hat eine eigene Seele; diese wird so lange in der Zelle wohnen bleiben, als die Zelle bewohnbar und funktionsfähig ist. ... Über dem Ganzen thront dann wie ein Regent diejenigen Seele, die unser ‚Ich‘ empfindet und auch unsere eigentliche Seele ist“5. An anderer Stelle spricht Robert von einer „Zentralseele ... die sich eigens auf den Menschen spezialisiert hat“6. Es könne sein, sei aber nicht bewiesen, dass die Zellseelen nach dem Tode möglicherweise, wie es die Theosophie und die Anthroposophie ansähen, als eine Art „‚Ätherleib‘“7 noch längere Zeit zusammenblieben. Auch wenn diese Idee eher breit abgelehnt werde, sei dies kein Argument. „Meines Erachtens jedoch müßte die Forschung jede behauptete Erscheinung unvoreingenommen prüfen und dürfte keine Beobachtung bloß darum ablehnen, weil diese sich mit der herrschenden Lehrmeinung nicht verträgt“8. Das schon oft festgestellte Bereichsdenken berühmter Wissenschaftler, die ihre spezifische fachwissenschaftliche Perspektive für absolut setzen, findet sich auch bei Oberth. Sein Argument, die Grenzen der Wissenschaft nicht so eng zu stecken, wird aus seiner erfolgreichen Tätigkeit und aus seiner Biografie heraus fundiert: „Schließlich traue ich mir auch eine überdurchschnittliche Erfindergabe zu, insbesondere glaube ich fähig zu sein zu sagen, was naturwissenschaftlich und technisch noch denkbar ist und was nicht mehr. Ich hatte z.B. für die physikalische Prüfung 1922 eine Facharbeit eingereicht, die ein Auszug aus

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Oberth, 1959, 49. Oberth, 1959, 68, Hervorhebungen durch Oberth. Oberth, 1959, 85. Oberth, 1959, 103. Oberth, 1959, 103. Oberth, 1959, 137. Oberth, 1959, 104. Oberth, 1959, 104.

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meiner 1923 erschienenen Schrift ‚Die Rakete zu den Planetenräumen‘ ... war. ... Meine Ideen sind damals ziemlich allgemein für unmöglich erklärt worden, inzwischen hat man aber mehr als die Hälfte davon schon verwirklicht, und vieles andere steht heute kurz vor der Verwirklichung. Ich bin also nicht so leicht bereit, etwas für physikalisch unmöglich zu erklären“1.

Ab einem willkürlich gesetzten Punkt der Darstellung stellt Oberth dann unvermittelt fest: „Diesem nach dürfte die Existenz der Seele wohl bewiesen sein ...“2. Für Oberth stellt sich gemäß der seiner Meinung nach positiven Beantwortung der Frage, ob die Seele auf ihren Körper einwirken könne, nun die Frage, „ob sie auch außerhalb des Körpers Wirkungen auszuüben vermag, und damit erscheinen die Behauptungen des Okkultismus und der Parapsychologie, der Telepathie usf. in einem neuen Licht“3. Überraschend für den Leser wird auch hier auf einmal im folgenden Essay über Die Seelenwanderung kategorisch festgestellt: „Von den Ergebnissen der Geistforschung, die heute bereits als halbwegs sicher gelten können, scheint mir die Erkenntnis am wichtigsten, daß die Seele nach dem Tod fortlebt, daß nicht der Körper, sondern die Seele geübt wird, und daß die Übung auch über den Tod hinaus fortdauert, so daß die Seele bei einer Wiedergeburt dasjenige schneller wieder lernt, was sie schon früher einmal gekonnt hat“4. Die Art der Belege für die Seelenwanderung bezeichnet er dabei als zahlreich() und – bemerkenswert für einen seiner Meinung nach ‚nüchternen‘ Erfahrungswissenschaftler – okkultistisch()5. Im übernächsten Essay mit dem Titel Gott und dem ihm folgenden über Vom Chaos zum Kosmos taucht der unbewusste Evolutionsgott in der Terminologie Adolf Hitlers (1889-1945) auf (Vorsehung) und ermöglicht später, eugenische Vorgehensweisen auch im Bereich der Menschenwelt zu begründen. Zunächst begibt sich Oberth an die Schwelle, die er in anderen Werken in die Richtung eines ufospiritistischen Weltbildes hin überschreitet. Im ersten Schritt auf diesem Weg grenzt er sich vom Glauben an einen Gott ab, der Allmacht und Allgüte besitze6. Anhand der durch Oberth so vermeinten Weltbilder von Semiten, der mediterranen Völker und ihres Polytheismus und der stark anthropomorphen nordischen Religionen und Weltanschauungen7 will er zunächst die Grenzen der klassischen Religionen aufweisen und kommt dann mit der gleichen Terminologie wie Adolf

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Oberth, 1959, 135. Oberth, 1959, 144. Oberth, 1959, 147. Oberth, 1959, 151. Vgl. zur Lehre von der Seelenwanderung bei Oberth auch: Oberth, Briefwechsel Bd. 2, 117. Vgl. Oberth, 1959, 151. Vgl. Oberth, 1959, 162. Vgl. Oberth, 1959, 163f.

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Hitler auf die Vorsehung, die wie bei jenem auf einen Gott bezogen wird, zu sprechen, die „sittlich hoch stehende Ziele verfolgt“1. Dabei nimmt Oberth allerdings auch eine gewisse Begrenztheit Gottes in der Wahl seiner Mittel an. Anscheinend will er diesen Gesichtspunkt auf die Menschheitsgeschichte bezogen wissen. Dies geht aus seinem Essay allerdings nicht hervor. Unvermittelt folgt auf diesen Gedanken einer universalen, lenkenden Vorsehungsinstanz der Bezug auf die „Frontkämpfer Gottes im Kampf gegen die unbelebte Natur: der Menschen“2. Und mit diesem Bezug auf den Menschen als Frontkämpfer der Natur wird nahezu unmittelbar der Gedanke an die „Beseitigung erbkranken Nachwuchses“3 verbunden. Oberth umgeht das Problem, sich mit der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie auseinanderzusetzen, indem er auf eine Zukunft hinweist, in der wahrscheinlich „Geschlechter, die mehr wissen und sittlich reifer sind, die Aufgabe auch besser lösen werden“4. „Man hat nun allerdings gegen die Handhabung der Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses im Hitlerdeutschland schwere Vorwürfe erhoben. Ich will dazu nicht Stellung nehmen, denn sonst müßte ich mich auf das politische Gebiet begeben, ...“5.

Wie fast immer in seiner Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus reduziert Oberth Fragestellungen auf den Bereich des Technisch-Praktischen. Kaum vorstellbar, dass er als Beispiel direkt im Anschluss an das letzte großgedruckte Zitat als Argument anführt. „Die ersten Kinos standen z.B. auch nicht auf der Stufe der heutigen und wurden vielfach abgelehnt, während heute wohl niemand mehr das Lichtspiel grundsätzlich ablehnen wird“6. In der Assoziationskette in sich schlüssig, argumentativ nicht notwendig passend, schließt sich den Ausführungen über erbkranken Nachwuchs dann seine Bemerkung über kulturellen Verfall an. Menschlichen Gesellschaften eigne die Tendenz zu einer – in der Sprache der Herrenmenschen gesprochen – „‚Kakokratie‘, zur Herrschaft der Schädlinge“7. Je größer eine Gesellschaft sei, desto wahrscheinlicher sei es, dass es zu einem „Aufstieg der Asozialen“8 komme. Als durch Menschen machbare Lösung schlägt er hier die Einführung eines verpflichtenden Lügendetektortestes vor, wenn es um Wahlversprechungen geht.

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Oberth, 1959, 165. Oberth, 1959, 167, Hervorhebungen durch Oberth. Oberth, 1959, 167. Oberth, 1959, 168. Oberth, 1959, 168. Oberth, 1959, 168, Hervorhebungen durch Oberth. Oberth, 1959, 169. Vgl. zur Kakokratie auch: Oberth, 1966, 95 und ausführlich: Oberth, 1983, 52-68. Oberth, 1959, 170.

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Das konservativ-utopische Gesellschaftsbild Oberths lässt sich in folgendem Statement Oberths zusammenfassen: „Das Endziel müßte … ein Weltbund aller Gutwilligen sein, über Rasse, Sprache, Staatszugehörigkeit und Weltanschauungen hinweg. Weiter das Ziel, jeden möglichst auf den Platz zu stellen, für den er sich am besten eignet. Wird ein solcher Weltbund noch rechtzeitig kommen, oder werden die Atombomben schon vorher explodieren?“1.

Dabei ist diese kosmische Vision einer zukünftigen Menschheit durch Oberth wiederum durch die Vermischung von Moralentwicklung und technischem Fortschritt geprägt. Die Menschheit werde sich „Raumschiffe bauen, andere Weltkörper bewohnbar machen oder sogar bewohnbare Stationen im Weltall errichten und so, inzwischen selber sittlich reif geworden, Leben und Harmonie in den Kosmos hinaustragen“2. Weil das Leben immer höhere Stufen erklimmen werde, müsse es einen guten Gott der Vorsehung geben, „der die Welt auf diesem Wege führt“3.

c.

Oberths Kontakte zu den fernen Uraniden

Gott zeigt sich nach Oberth in der Geschichte nicht auf eindeutige Art. Einen empirisch eingestellten Menschen, der für alles technische Lösungen sucht, kann dies nur stören. In dieser Kritik der neomythischen Vernunft war es eines der grundlegenden und immer wiederkehrenden Themen, dass sich die metaphysischen Bedürfnisse des sogenannten nachmetaphysischen Zeitalters in hohem Maße am Maßstab der wissenschaftsfundierten Technik orientieren. Die letzten Zeilen vor dem Schlusswort seiner Betrachtungen verweisen auf die metaphysikförmige Lösung Oberths, den tröstenden Ufo-Spiritismus: „Wenn wir die Frage, ob es eine Vorsehung gibt, beantworten wollen, so dürfen wir nicht nur danach fragen, ob die der Welt innewohnenden Kräfte tatsächlich restlos das Weltgeschehen hervorrufen, sondern wir müssen auch danach fragen, ob im Weltgeschehen nicht irgendwelche Richtlinien erkennbar sind, die über ein bloßes, sinnloses Kräftespiel hinausweisen. Und schließlich müssen wir dabei auch die direkten Meldungen der okkulten Wissensgebiete (wenn auch wie schon früher gesagt mit Vorsicht und Kritik) ebenfalls zu Rate ziehen“4. Auf der Suche nach dem okkulten Untergrund unserer Wirklichkeit ist Oberth immer schon an Telepathie interessiert gewesen.

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Oberth, 1976, 27. Hervorhebungen durch Oberth. Oberth, 1959, 172, Hervorhebungen durch Oberth. Oberth, 1959, 172. Oberth, 1959, 179.

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Schon früh hat sich Oberth für Telepathie interessiert. In einem Schreiben an den Oldenbourg-Verlag vom 19. Januar 1924 macht Oberth hinsichtlich der Inhalte eines möglicherweise durch ihn zu verfassenden populären Sachbuches den Vorschlag: „Werden jenseits der Erdatmosphäre telepathische und hypnotische Versuche in derselben Art ablaufen, wie auf der Erde? Gibt es telepathische Kräfte?“1.

Für ihn zeigen die Phänomene Telepathie und Hellsehen, dass „für die Seele die Begriffe Raum und Zeit nicht“2 existieren. Von dieser Voraussetzung, dass es psychische Fähigkeiten gebe, die unabhängig von Raum und Zeit sind, hat er die Möglichkeit eines Überschritts zu seinem spezifischen, bereichsbezogenen Erkenntnisbereich, dem Raumfahrtthema. Hat jemand erst einmal Sehnsucht nach den vermeinten okkulten Dimensionen unserer Wirklichkeit, dann sind passende Erfüllungsgehilfen und Erfüllungsgehilfinnen nicht weit. In der für ihn nicht untypischen oftmals schnoddrigen Redeweise äußert er sich, dass er beim „... Untertassenrummel in den Jahren 1948 bis 1955 ... öffentlich zugegeben“ habe, „... daß Fliegende Scheiben Raumschiffe von fremden Welten sein könnten. Das hatte unter anderem zur Folge, daß sich mehrere Personen an mich wandten, die behaupteten, sie seien telepathisch veranlagt und stünden mit diesen Wesen in Gedankenverbindung ... Weitere Berichte wieder fand ich in der UFO-Literatur, und seit ich dabei bin, diese Mitteilungen zu einem Ganzen zusammenzufassen, habe ich manchmal auch selbst Einfälle, die allem Anschein nach nicht ganz aus meinem Wissen stammen ...“3 Interessant ist an dieser Erinnerung nicht nur der Hinweis auf einen bestehenden UFO-Spiritismus, sondern auch, dass Oberth hier anmerkt, er habe vielleicht auch telepathische Einsichten gehabt. Endlich meldet sich bei Oberth eine Frau – ihren Namen, Barbara Troll4, gibt Oberth erst nach ihrem Tode bekannt – aus der „Schea Tal Wir, sein Medium von einem anderen Stern“5 spricht, wie sein Biograf Barth ohne jede Ironie schreibt. Später hätten sich auch noch andere „medial veranlagte() Personen“6 mit Berichten gemeldet, die „Hand und Fuß hatten“7. In Anlehnung an Hans Dominiks Roman Das Erbe der Uraniden (1928) bezeichnet Oberth die Initiatoren des interstellaren telepathischen Kontaktes als Uraniden8 und publiziert 1966 einen auf der Grundlage der medialen Kontakte verfassten Katechismus der Uraniden und seine Wählerfibel für ein Weltparlament – eine Mischung zwischen kulturkritischer Zeitgeschichte und Sozialphilosophie. Der ‚Katechismus‘ erscheint im auf ufospiritistische Themen eingeschwo1 2 3 4 5 6 7 8

Oberth, Briefwechsel Bd. 1, 11. Oberth zit. nach Wuppertaler Stadtanzeiger vom 5.6.1970. Oberth, 1984a, 7. Vgl. etwa Oberth, 1983, 7. Barth, 1991, 242, vgl. auch Oberth, 1966, 97. Oberth, 1983, 7. Oberth, 1983, 7. Vgl. Oberth, 1966, 45f.

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renen Wiesbaden-Schiersteiner Ventla-Verlag und in ihm werden die weltanschaulichen Thesen wesentlich prägnanter vertreten, als in vorherigen Schriften. Interessant ist es unter neomythischem Gesichtspunkt zu sehen, wie ein Autor, der die ‚innere Freiheit‘ hat auf außerirdische, höherentwickelte Intelligenz zurückgreifen zu können, auf der Basis einer mentalen Jenseitsreise eine Göttermenschen-Perspektive einzunehmen vermag: „Die Bewohner eines Planeten mit einer Kultur, die nach hunderttausenden von Jahren zählt, können dem Gott unserer Erde, auf der die Kultur eigentlich noch gar nicht so richtig angefangen hat, natürlich Dinge sagen, die ich als Geschöpf dieser Erde schon aus Anstands- und Schicklichkeitsgründen nicht sagen dürfte, denn etwas Ehrfurcht hat er ja schließlich trotz allem und allem doch noch verdient!“1. Aus dieser interstellaren Perspektive heraus kann Oberth am Ende seines Katechismus selbstbewusst in die Zukunft blicken. Es werde noch eine kleine Krisenzeit geben, in der sich erst die betreffenden Ideen durchsetzen würden, aber dann werde das, was „ich in diesem Buch schrieb, … vielleicht schon in einem halben, spätestens aber in einem Jahrhundert Gemeingut der Wissenschaft sein, und die Weltanschauung des Gelehrten von heute ist die Religion des kleinen Mannes von morgen“2. Der Katechismus der Uraniden, der nach Oberth ein Kompendium dieser zukünftig weltweit anerkannten Wahrheiten enthält, liefert allerdings relativ überschaubare und einfache Wahrheiten aus den Schubladenbereich einer Populärphilosophie des 19. Jahrhunderts und seiner Zeit und verweist in ihrem Reinkarnations- und Fortschrittsglauben auf schlicht gestrickte irdische Gedankenwelten, wie sie sich seit der Aufklärung entwickelt haben. Unter Mithilfe durch sein Medium publiziert Oberth 1966 diesen Katechismus der Uraniden. Oberth verfasst mit ihm nach eigenem Zeugnis „kein ‚wissenschaftliches Werk‘“, weil die Philosophie als Mutter der Wissenschaften keine eigene Wissenschaft sei und grenzt sich mit seinem Werk zugleich von dem seiner Meinung nach kindlichen „Kirchenglauben“3 ab. In seiner Rede anlässlich seiner Ehrenpromotion an der Technischen Universität Berlin (8.1.1963) weist er darauf hin, dass der heutige Gläubige letztlich nur glauben könne, weil er „im Unterbewusstsein die Erde für einen flachen Teller und den Himmel für eine darübergestülpte Glasglocke hält“4.

Er wolle mit seinem Buch die Menschen, die dem ebenfalls durch Kakokratie geprägten Kirchenglauben entwachsen sind5 und bei der Suche nach einer weltan-

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Oberth, 1966, 46f. Oberth, 1966, 149. Oberth, 1966, 7. Oberth, zit. nach Technische Universität Berlin, 1963, 19. Vgl. Oberth, 1966, 96.

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schaulichen Alternative resigniert haben, aus ihrer „Apathie in Weltanschauungsfragen“1 aufwecken. In einem Kapitel über Die Lage beschreibt er zunächst, dass es auf der Erde „über 5000 verschiedene Glaubensgemeinschaften“2 gebe. Dabei müsse außerdem noch davon ausgegangen werden, dass innerhalb jedes Standpunktes mannigfaltige unterschiedliche Auffassungen auftauchten. Damit sei eindeutig bewiesen, dass es keine direkten Auskünfte von Gott über die richtige Weltanschauung gebe. Oberth lässt sich dann über Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens aus, streut immer wieder seine Reflexionen über Eugenik und die mögliche vorgeburtliche Ausmerzung von Verbrechern ein oder weist darauf hin, dass die meisten Menschen überhaupt nicht nachdenken, sondern sich an irgend einem „Leithammel“3 orientieren. Das „Glaubensbekenntnis der meisten modernen Menschen“4 sei ein für sie scheinbar naturwissenschaftlich begründeter Materialismus, der folgendermaßen aussähe: „Die Welt besteht aus kleinen materiellen Körnchen, vielleicht den Elektronen und Positronen. Durch entsprechende Aneinanderfügung derselben entstehen die Atome, Moleküle, Stoffe und Körper, darunter auch die Maschinen und die Lebewesen. Die Lebewesen sind im Grunde auch nichts anderes als besonders kunstvolle Automaten. ... Um zu funktionieren brauchen sie keine Seele; es gibt überhaupt keine Seele; mit dem Tode ist alles aus, und wer sich seinen vermeintlichen Seelenheils wegen einen greifbaren Vorteile entgehen läßt, ist ein Esel“5.

Mit diesem Blick auf menschlich-allzu menschliche Erkenntnisgrenzen hat Oberth sich ein Terrain geschaffen, um nach andersartigen Erkenntnismöglichkeiten Ausschau zu halten und stößt mit dem dritten Kapitel auf die Frage nach der Möglichkeit der Jenseitsforschung, deren Sinn als empirisch orientierte Parapsychologie er bejaht. Er weitet dann seinen Blick auf den religiösen Phänomenbereich aus. In den Religionen werde traditionell die Existenz „übersinnliche(r), ja göttliche(r) Offenbarung“6 behauptet. Die Parapsychologie könne viel lernen, wenn sie religiöse Traditionen unter dem Gesichtspunkt von Trance und Ekstase untersuche. Er habe für seine Untersuchung ein Medium in Anspruch genommen, das Mitteilungen außerirdischer Intelligenzen weiterzugeben beanspruche. „Wie ich sagte, halte ich den Forscher und Philosophen für berechtigt, auch ESP-Mitteilungen (extra sensorial perceptions, L.H.) als Arbeitshypothesen zuzulassen, solange ihr Inhalt der kritischen Prüfung standhält. In diesem Sinne verwandte ich hier zum ersten Mal Niederschriften eines Mediums (Die Dame möch-

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Oberth, 1966, 7. Oberth, 1966, 9. Oberth, 1966, 23. Oberth, 1966, 59. Oberth, 1966, 59. Oberth, 1966, 33.

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te nicht genannt sein), die sich als Mitteilungen einer außerirdischen Menschheit gaben“1. Die Stärke des Oberthschen UFO-Glaubens zeigt seine Mitarbeit in UFOlogenkreisen. Spektakulär ist eine Erklärung auf einem UFO-Kongress die Hermann Oberth unterschreibt. Am 5. November 1967 verabschiedet der 7. Internationale Kongreß der UFO-Forscher in Mainz einen Kongreßbeschluß und Mainzer UFO-Proklamation, dem sich das „Ehrenmitglied Prof. Dr.-Ing. h.c. Hermann Oberth“ (und der auch anwesende Erich von Däniken) anschließt: „Die während der vier Kongreßtage vorgetragenen Tatsachen, Ergebnisse, persönliche Sichtungen, die vorgelegten Foto-Dokumente, Dias mit den vorgeführten Filmen erbrachten den unwiderleglichen Beweis der realen Existenz der Flying Saucers und anderer Typen wie Mutterschiffe und Telemeterscheiben, deren Herkunft nicht als irdisch, sondern von außerhalb unserer Erde kommend, anzusehen ist“2. Bevor wir nun Hermann Oberth verlassen, können wir im Hinblick auf die Breitenwirkung des ufologischen Denkens noch darauf hinweisen, dass der präastronautische Gedanke auch bei Hermann Oberth schon direkt präsent ist. In einem Interview mit der italienischen Zeitschrift Epoca bekennt Oberth im November 1967 am Rande eines „Weltkongress(es) der UFO Forscher“ (Oberth): „Ich glaube, daß es bestimmt Bewohner anderer Planeten gibt, die uns seit langer Zeit beobachten. Ich glaube, daß Raumschiffe existieren, die von anderen Welten kommen. Ich glaube, daß solche Wesen von anderen Planeten schon auf die Erde gekommen sind“3. Erich von Däniken gegenüber, dessen präastronautische Hypothese ausführlich Thema sein wird, bewahrt sich Oberth eine ambivalente Haltung. Auf der einen Seite sieht er die unsolide Vorgehensweise des Erfolgsautors und auf der anderen Seite sind ihm seine Behauptungen sympathisch. „Im großen und ganzen hat das, was Däniken gesagt hat, Hand und Fuß. Im Eifer, möglichst viele Belege für seine Ansichten herbei zu holen, hat er vielleicht hin und wieder über das Ziel hinausgeschossen. Aber das meiste spricht doch sehr dafür, daß die Menschheit schon einmal eine höhere Kultur hatte, wenn diese Kultur auch auf einen wesentlich engeren Kreis beschränkt blieb und deshalb wieder vergessen wurde. Warum die Fachgelehrten gegen Däniken sind? Ich brauche nur daran zu erinnern, daß sie auch gegen die Eisenbahn waren, gegen das Flugzeug. Im Jahre 1885 hat ein berühmter Physiker gesagt, man wolle die Elektrizität ‚neuerdings sogar zur Beleuchtungszwecken heranziehen‘, aber das werde sich nicht bewähren. Das hat einen tieferen Grund. Der heutige Gelehrte ist überfordert. Er steht seiner Wissenschaft gegenüber wie eine gestopfte Gans dem Futter. Er sucht

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Oberth, 1966, 39. Kongreßbeschluß und Mainzer UFO-Proklamation, abgedruckt in: UFO-nachrichten Nr. 136, Dezember 1967, Hervorhebung, L.H. Ricciotti Lazzeras Oberth-Interview für Epoca, abgedruckt in: UFO-nachrichten Nr. 137, Januar 1968.

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sich also möglichst alles Neue fernzuhalten und sich auf sein engstes Spezialfach zu beschränken ...“1. Er selbst betrachte die außerirdische Herkunft der medialen Eingebungen im Sinne einer Arbeitshypothese als gegeben und bezeichne sie als Uraniden weil sie, in menschlicher Perspektive betrachtet, aus dem Himmel (griechisch: Uranos) kämen. Über sein Medium spreche der Uranide Schea Tal Wir zu ihm und schreibe gleichsam mit ihm gemeinsam dieses Buch über den Katechismus der Uraniden und seine Wählerfibel für ein Weltparlament. Auf diese Weise kann Oberth die schon in Stoff und Leben. Betrachtungen zum modernen Weltbild ausgeführten Gedankengänge ufospiritistisch adeln. Im Vorwort zu seiner Wählerfibel für ein Weltparlament charakterisiert Hermann Oberth seine Außerirdischen. Die von ihm als Uraniden bezeichneten extraterrestrischen Intelligenzen würden sich selbst als Gra vom Planeten Gralo bezeichnen2. Sie seien durch ausgeprägte wissenschaftliche Interessen geleitet und deshalb daran interessiert, die Menschenwelt kennen zu lernen. Aus dem Gefühl heraus, von Gott berufen zu sein im Kosmos Gutes zu tun, hätten sie sich der Erde auch deshalb zugewandt, weil sie die krisenhafte Situation der Menschheit erkannt hätten. Unter anderem sei die Menschheit in der Gefahr durch eine neue Eiszeit vernichtet zu werden, wenn sie diese Eiszeit nicht aufhielten. Die Uraniden – Oberth spricht interessanterweise immer von diesen und nicht von den Gra – seien auf der einen Seite in ihren Lebensformen von uns verschieden, doch – etwas Anthropomorphismus muss sein – würden sie vergleichbare Schulen besitzen und einen vergleichbaren Bezug auf das Geld haben. Abschließend weist er in seinem Vorwort noch darauf hin, dass er die in Trance empfangenen Mitteilungen seiner Außerirdischen in populäre Sprache übersetzt habe um verständlich zu sein. „Sie wäre“, so schreibt paradoxerweise ein Autor, der eigentlich dem Reiche der Wissenschaftssprache angehört, „für Leute, die sich nie mit Okkultismus befaßt haben, zu dunkel und unverständlich gewesen“3. Im Hinblick auf den oben angesprochenen modernen Materialismus teilt ihm beispielsweise sein außerirdischer Coautor mit: „Ein Monist kommt uns vor wie jemand, der beweisen möchte, daß ein Überseedampfer keinen Kapitän hat“4. In der Folge führt er noch einmal – nun interstellar gestützte – Argumente für außersinnliche Wahrnehmung, das Harmoniestreben der Natur und viele andere Themen an. Seine empirischen Argumente erinnern in ihrem Schlichtheitscharakter an Argumentationen die im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft aus dem Bereich des Mesmerismus und des Spiritismus zitiert wurden. Ein Beispiel will ich nicht vorenthalten: „Besonders empfindlich für Telekinese scheinen Regenwolken zu sein. So habe z.B. ich selbst bei meinen Raketenversuchen, wenn ich 1 2 3 4

Oberth zit. nach Wuppertaler Stadtanzeiger vom 5.6.1970. Vgl. im Folgenden Oberth, 1983, 7f und 280f. Oberth, 1983, 8. Oberth, 1966, 97.

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Regen nicht brauchen konnte, wiederholt bemerkt, daß es wenige hundert Meter um mich herum regnete, während ich selbst im Trockenen blieb. ... Diese Kraft, den Regen aufzuhalten, verliert sich bei mir übrigens nach einer halben bis spätestens anderthalb Stunden“1. Oberth weist trotz allem darauf hin, dass die Prämisse eines extraterrestrischen Ursprunges der UFOs, „dessen (der andere Planet, L.H.) Bewohner uns in der Kultur voraus sind, vorerst noch als eine (m. E. allerdings ziemlich wahrscheinliche) Arbeitshypothese (erscheint, L.H.), und erst recht die Behauptung meines Mediums, sie schriebe in deren Auftrag“2. Schea Tal Wir übermittelt folgende grundlegenden ‚Katechismusweisheiten‘: „1. Die Seele überlebt ihren derzeitigen Körper und ist allem Anscheine nach überhaupt unsterblich. 2. Geübt wird im Grunde die Seele und nicht der Körper, und die Übung dauert über den Tod hinaus an, so daß wir in einem späteren Leben dasjenige leichter lernen, was wir schon einmal gekonnt haben. 3. Die Entwicklung der Welt strebt vom Chaos zum Kosmos, vom Anorganischen zum Organischen, vom Kampf aller gegen alle zur sinnvollen Zusammenarbeit aller. 4. Diese Entwicklung wird von einer Vorsehung gelenkt, und diese Vorsehung braucht Seelen, die … eine harmonische Welt wünschen. Wie wir uns die Vorsehung vorzustellen haben, als Einzelperson, als Arbeitsgemeinschaft göttlicher Wesen, oder wie sonst, das wurde nicht klar gesagt. – Vielleicht handelt es sich hier auch um einen jener Begriffe, die … die Fassungskraft unserer Gehirne übersteigt. 5. Die Vorsehung ist nicht schlechterdings allmächtig. Sie kann zwar jedes Ziel erreichen, das sie erreichen will und jeden Weg gehen, den sie gehen will. Sie KANN ABER NICHT jedes Ziel auf jedem Wege erreichen. 6. Zur Weiterentwicklung bedient sich die Vorsehung der ÜBUNG DER SEELEN. Die sozialen Triebe der Geschöpfe im allgemeinen und der irdischen Menschheit im Besonderen müssen durch ÜBUNG gekräftigt werden. 7. Die Vorsehung schaltet sich jedesmal in den Ablauf unserer Geschichte ein, wenn das Geschehen einen Weg einschlägt, der die Erde ihrem Zweck als Besserungs- und Übungsplanet entfremden könnte“3.

Wenn man nach der Vorsehung hinsichtlich ihrer Zielsetzung fragt, dann können Oberths Uraniden als ihre ultimative Erkenntnis etwas mitteilen, das sich nahtlos in ein spiritistisch angereichertes evolutionistisches Weltbild des 19. Jahrhunderts einpasst: „Die Materie mithilfe der Seelen durchzuorganisieren, so daß sie immer komplizierter, vielseitiger und interessanter, doch mit der Zeit schließlich auch harmonischer wird. Die Seelen sollen immer fähiger werden, die physikalischchemischen Abläufe zu benützen, um die Welt zu lenken, und immer seltener in

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Oberth, 1966, 105. Oberth, 1966, 126. Oberth, 1966, 126f, Hervorhebungen durch Oberth.

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die Lage kommen, direkt eingreifen zu müssen“1. Die Uraniden nennen diese kosmische Ordnungsdynamik vom „Chaos zum Kosmos“2 – wie Oberth es ‚küchenhebräisch‘ bezeichnet – El-Elion. Das El-Elion löst den personalen Gott ab, der unbewusste Evolutionsgott meldet sich und damit tritt in nachmetaphysischer Formulierung die neomythische Barbarei in den Blick. Die letzten Zeilen seiner Wählerfibel lassen die Uraniden direkt zu Wort kommen. Apokalypse und Eugenik stehen wortgewaltig im Raum: „Die Gefahr ist größer als Ihr denkt. Ihr steht im Begriff, die Erde für Euresgleichen unbewohnbar zu machen. Uns könnte es gleich sein. Wir kennen Geschöpfe, die im Klima leben, dass auf der Erde zu schaffen Ihr Euch anschickt. Wir würden sie auf der Erde ansiedeln, wenn Ihr Euch und Eure mit Geschöpfe vernichtet habt. ... Lernt die Geburtenkontrolle! Wer seinen Gott daran hindert, auf dem lebenden Bilde, das er zeichnet, Striche auszuradieren, muss sie dann selbst auslöschen und haftet für den Schaden, wenn er es falsch macht. ... Aber El-Elion ist unerbittlich, er ist ein Naturgesetz!“3 Im Alter fühlt sich Oberth dann wohl selbst wie ein kleiner ‚El-Elion‘. Sein Biograf Barth zitiert aus einem Brief Oberths an ihn: „Ich habe einige Erfindungen gemacht, die viel Unheil anrichten können, wenn sie in unrechte Hände kommen. Darunter ist auch eine, die ich für die bedeutendste meines Lebens halten möchte, die ich aber wahrscheinlich mit mir ins Grab nehmen werde“. Barth weist nun darauf hin, dass sich diese Entdeckung nach Oberth „leider auch für den Bau einer fürchterlichen Waffe mißbrauchen ließe, die es einem einzigen Menschen ermöglichen könnte, die gesamte Menschheit zu vernichten beziehungsweise zu terrorisieren“4.

Von den drei großen Raumfahrtwissenschaftlern, die am Anfang der Raumfahrt stehen, dem Russen Konstantin Ziolkowski, dem Deutschen Hermann Oberth und dem US-Amerikaner Robert Hutchings Goddard, die alle drei unabhängig voneinander die Raketengrundgleichung aufstellen, ist nur einer, Goddard, nicht dem neomythischen Denken verhaftet. Auch innerhalb der raumfahrtwissenschaftlichen Elite im zweiten Glied finden sich derartige Denkfiguren.

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Oberth, 1966, 134. Oberth, 1983, 281. Oberth, 1983, 281. Barth, 1991, 258.

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3.

Max Valier: Zwischen Esoterik und Raketenantrieb

a.

Lebenswege zum ersten Flug mit Raketenantrieb

Der früh sich für die Astronomie begeisternde Südtiroler Max Valier (1895-1930)1 studiert in Innsbruck Astronomie, Mathematik und Physik und im Nebenfach Meteorologie, dient im Ersten Weltkrieg als Flieger und versucht nach dem Krieg als Verfasser von populären Sachbüchern und Sciencefiction zu leben. Schon in seinem ersten veröffentlichten Werk über Das astronomische Zeichnen (1915) tauchen Fragen weltanschaulicher Orientierung auf, die ihn immer wieder umtreiben werden. In seinen Notizen grenzt Valier sich vom Gedanken eines herrschaftlichen und zugleich ‚lieben‘ Gottes und der „zynischen Arroganz“ 2 einer kirchlichen Glaubensherrschaft ab. Sein erster Zukunftsroman Spiridion Illuxt, 1919 im Selbstverlag in Innsbruck publiziert, erzählt die Geschichte eines Genies, der das in sich hat, was man den frühen Christen nachsagte, ein odium humani generis, einen Hass auf das Menschengeschlecht. Der Leser gewinnt bei der Lektüre den Verdacht, dass Valier neomythische Allmachtsfantasien literarisch auslebt und zugleich abwehrt. Ein Mann namens Spiridion Illuxt lebt unerkannt unter den Menschen, doch berichten die Zeitungen täglich von ihm. Keiner kennt seinen Namen, doch alle erleben ihn in Verkleidungen als steinreichen Prinzen, amerikanischen Operntenor, japanischen Artisten, kühnen Einbrecher, Chinesen, der sich mit selbst gemachten Vogelflügeln nur durch Muskelkraft in die Luft erhebt, universalen Sportchampion, Universalgelehrten, der aber nie einen akademischen Abschluss gemacht hat, waren doch alle seine Dissertationen so verfasst, dass sie die Maßstäbe üblicher universitärer Themen auf destruktive Obsessionen hin überschritten. Zugleich ist er ein überaus sardonischer Verbrecher dem keine Tat zu brutal ist. Spiridion Illuxt entdeckt, wie Gold gemacht werden kann und bringt sich so in die Situation, der reichste Mensch der Welt zu werden und immer mehr Menschen auf den Weg der Selbstzerstörung zu leiten. „So lag die Welt in seinen und des Teufels goldenen Ketten“3. Seine Wahnidee, die Menschheit auszurotten, gerät einmal in die Krise, als er ein Mädchen entführt, das er wirklich liebt. Als aus dieser Liebe nichts wird, beschließt er, die Menschheit endgültig zu vernichten und geht dabei selbst zu Grunde.

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Ich orientiere mich zur Biografie bes. an Essers, 1976, hier 17, vgl. auch Buedeler, o. J., bes. 221-230 und Attlmayr, 1968, 80-87. Brandecker, 1961 ist eher romanhaft und im Detail unstimmig. Zit. nach Essers, 1976, 20. Valier, 1919, 13.

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Valier ist hoch engagierter Anhänger der Hörbigerschen Welteislehre, die im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft ausführlich Thema war1, und wird von Hanns Hörbiger (1860-1931) selbst hochgeschätzt. In seinem Roman beigebundenen Seiten mit Eigenwerbung findet sich neben angekündigten anderen „Unterhaltend modern-wissenschaftliche(n) Werke(n)“ mit Titeln wie Das Nihilum, Der Krakon, Die Emanationen oder das Ende des Prof. Udo Gant und auch erotisch Pikantem wie Meine süße kleine Maus und andere Skizzen auch der Hinweis auf sein Werk zur Einführung in die Cosmotechnische Weltanschauung. Im Vereine mit Hans Robert Hörbiger bearbeitet, die er unter dem Titel Grundlagen der Kosmotechnik ebenfalls 1919 publiziert. In einem Brief an den deutschen Erfinder Hermann Ganswindt (1856-1934) schreibt Valier 1925: „So habe ich seit 1916 den Vorkampf für die WELTEISLEHRE des Wiener Ingenieurs Hanns Hörbiger aufgenommen, über 800 Lichtbildervorträge für die Sache gehalten, über 150 Artikel in über 60 verschiedenen Blättern zu dem Gegenstande veröffentlicht und bisher 6 Bücher, darunter das größte Werk: Der Sterne Bahn und Wesen ... im Sinne einer Propaganda für die neuen Ideen Hörbigers geschrieben“2. Hörbiger liest dieses Buch, schreibt Valier und es entsteht eine Freundschaft, die möglicherweise damit beginnt, dass Valier Hörbiger mitteilt, er wolle sich ein Urteil über dessen Glazialkosmologie erst erlauben, wenn er das Buch dreimal gelesen habe3. Hörbiger sieht allerdings keinen Grund, sich für die seiner Meinung nach fruchtlosen, an Jules Verne orientierten Raumfahrtideen Valiers zu begeistern und ihm damit Perspektiven auch finanzieller Art zu bieten4. Die große Zäsur in Valiers wissenschaftlichem Werdegang ist dann die Lektüre von Hermann Oberths Die Rakete zu den Planetenräumen, die er 1924 für sich entdeckt. Er nimmt Kontakt mit Oberth auf, wird durch diesen gefördert und publiziert im Herbst 1924 das auch für den populärwissenschaftlichen Bereich gedachte und damit sponsorenfreundliche Buch über Der Vorstoß in den Weltenraum, das bis 1930 fünf jeweils erweiterte Auflagen findet. Valier setzt ab 1927 zunächst mit Hilfe von Raketen-Fritz Fritz von Opel (1899-1971) und dann in Konkurrenz zu ihm ansatzweise die Idee eines graduellen Übergangs von der Erde in den Weltraum beim Experimentieren mit Raketen in die Tat um. Schon 1925 entwirft Valier folgende methodische Vorgehensweise für seine Experimente: „1. Prüfstandversuche für die weitere Entwicklung der bekannten Pulverraketen, 2. Erprobung des Rückstoß-Antriebes an Bodenfahrzeugen,

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Vgl. Hauser, Bd. 1, 352-366. Valier an Ganswindt (in Kopie an Hermann Oberth), in: Oberth, Briefe, Bd. 1, 42f. Hervorhebungen durch Valier. Vgl. Essers, 1976, 27. Vgl. Essers, 1976, 41.

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3. Übergang auf flüssige Treibstoffe und Einbau in Flugzeuge, 4. Bau von Stratosphären- und zuletzt von Weltraumflugzeugen“1.

Durch seine Anregung entstehen bei Opel Raketenautos, die auch spektakuläre Leistungen erbringen. „Nach einigen … Werksversuchen wurde am 23. Mai 1928 auf der Avus-Rennbahn in Berlin vor 2000 Zuschauern zum ersten Mal ein Rennwagen, der mit 24 Pulverraketen von je 250 kg Schubkraft bestückt war, von Fritz von Opel öffentlich vorgeführt. Der Wagen erreichte eine Geschwindigkeit von 230 km/Std. Die Zuschauer waren von der Vorführung und dem gewaltigen Getöse tief beeindruckt“2. Valier ist tief enttäuscht darüber, dass von Opel ihn als Fahrer ausgebootet hatte und die Wege der beiden gehen auseinander. Am 11.6.1928 führt von Opel auf der Wasserkuppe in der Rhön den weltweit ersten Flugversuch mit einem Raketenantrieb durch, den Valier noch im Wesentlichen mit vorbereitet hatte. Damit gehört Valier in die Sphäre der großen Raketenpioniere. Valier experimentiert nach dem Bruch mit von Opel weiter und entwickelt Prototypen eines mit Pulverraketen angetriebenen Schlittens, mit dem er 1929 einmal 400 km/h schnell fährt. An diese Versuchsreihen schließt sich als nächstes Etappenziel die Entwicklung von mit Flüssigkeitstreibstoff angetriebenen Raketen an. Bei einem seiner Experimente wird Valier am 17. Mai 1930 getötet. Seine bleibende Bedeutung für die Raumfahrtwissenschaft liegt darin, als erster erfolgreich mit Raketenantrieben experimentiert zu haben. Der Erstflug auf der Wasserkuppe hätte ihm gebührt.

b.

Der Schritt in die Metaphysik als philosophisch-empirische Wissenschaft

In dieser Kritik der neomythischen Vernunft interessiert allerdings die neomythische Dimension in Valiers Denken, die schon mit seiner Begeisterung für Hörbigers Glazialkosmologie sichtbar geworden ist. Die Begeisterung für die Welteislehre bereitet ihm auch an der Universität Schwierigkeiten. Der geplante Studienabschluss an der Wiener Universität zerschlägt sich. Eine durch Valier eingereichte Dissertation über einen Mondkrater wird „... sofort mit der Begründung: ‚Da Verfasser Verfechter der Hörbigerschen Irrlehre ist, für Promotion nicht seriös genug‘, zurückgewiesen“3. Zwischen 1920 und 19214 verfasst Valier ein dreibändiges naturphilosophisches beziehungsweise metaphysisches Werk mit dem Obertitel Metaphysische Probleme. Die einzelnen Bandtitel lauten Das transzendentale Gesicht. Vom Zu1 2 3 4

Attlmayr, 1968, 81 und Essers, 1976, 129ff. Attlmayr, 1968, 81. Attlmayr, 1968, 80, vgl. auch Brandecker, 1961, 57. Vgl. Essers, 1976, 43.

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sammenhang zwischen Physis und Psyche in der Welt, Dinge des Jenseits. Zeit – Ewigkeit – Raum – Unendlichkeit. Die Eigenschaften reiner Geistigkeit und Des Urseins Dreifaltigkeit. Von der Urbewegung. Die Dreifaltigkeit des Seienden. Spezielle metaphysische Probleme. Seine Frau Hedwig (1875 geb. Alden – mind. 1958) warnt ihn davor, sich durch solche Gedanken noch mehr als durch seine Hörbigerbegeisterung gegenüber der akademischen Welt zu „kompromittieren“1. Zusammen mit dem Maschinenbau-Ingenieur und selbst ernannten Spezialisten für alternative Heilmethoden Demeter Georgievitz-Weitzer (Pseudonym G.W. Surya, 1873-1949) verfasst Valier 1922 noch eine Okkulte Weltallslehre. Grundlagen einer Erfassung des Gesamtweltgeschehens im Sinne der Verknüpfung von Physik und Metaphysik im Makro- und Mikro-Kosmos2.

Auch Hörbiger sieht Valiers Arbeit eher kritisch und befürchtet, dass das der Publikation möglicherweise folgende Image Valiers, ein irrationaler Esoteriker zu sein, auch auf ihn überspringen könnte3. Valier erhebt nicht den Anspruch mit seinen Ausführungen etwas wirklich Neues zu sagen, sondern er will nur das, was als eine Art ‚metaphysischer Instinkt‘ in den Menschen schlummere, durch eine wissenschaftliche „Hypothese und deren experimentelle Bestätigung“4 triftiger machen. Bei seinem Buchprojekt beziehe er sich auch auf die vielfachen Ermutigungen aus dem Kreise der Zuhörer seiner Vorträge – „und zwar bezeichnenderweise ebensowohl von strengen Vertretern der römisch-katholischen, der evangelischen, der israelitischen Religionsgemeinschaft, wie auch von Persönlichkeiten, welche sich keiner speziellen Glaubensrichtung zubekannten“5. Valier konstatiert – als „rücksichtsloser Wahrheitssucher“6 – bei seinen Betrachtungen einen Ausfall der Philosophie in der Moderne7 und einen sich immer weiter verbreitenden Materialismus, der durch den Siegeszug der modernen „Experimentalwissenschaften“8 und der modernen Technologie zu Stande gekommen sei. Die universale und breit Lebenssinn wie Finanzierungsmöglichkeiten suchende Interessenlage Valiers zeigt sein damaliger Briefkopf:

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Essers, 1976, 43. Vgl. Brandecker, 1961, 71f. Brandecker hält Georgievitz-Weitzer/Surya für einen indischen Philosophen und übersieht, dass Valier für das Buch über Verborgene Gewalten im Weltgeschehen nur das Vorwort geschrieben hat (Verfasser ist Johannes Zacharias (*1850), ein deutscher Ingenieur und Privatforscher, der eine neue Physik zu schreiben versucht) und nicht der Verfasser ist. Vgl. Essers, 1976, 43. Valier, Bd. I, 5. Valier, Bd. III, 3. Valier, Bd. III, 3. Vgl. Valier, Bd. I, 8f. Valier, Bd. I, 8.

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„Max Valier, Schriftsteller und Vortragsredner auf dem Gebiete der allgemeinen Naturwissenschaft und Technik, insbesondere des Flugwesens, der Stern- und Wetterkunde und der wissenschaftlichen Fotografie. Mitglied des Verbandes deutsch-österr. Flieger“1.

Er hingegen wolle sich demütig gegenüber der Wahrheit im Bewusstsein einer „botschaftfrohe(n) Metaphysik“2 zu den „erhabenen Räumen der Metaphysik“3 begeben und diese Krise der Moderne durch die Konzeption eines „trialistischen Weltsystems“4 lösen. Valiers primärer Gegner ist der Materialismus der Garsoaufgeklärten5, den er vollkommen ablehnt. Auch im Vorwort zu Johannes Zacharias‘ Buch über Verborgene Gewalten im Weltgeschehen ist der Materialismus der Hauptgegner: „Es unterliegt heute keinem Zweifel mehr, dass wir mit einer rein materialistischen Weltauffassung die geistige Befriedigung im Wissen vom Weltgeschehen nicht erlangen können, und dass wir neben der Stofflichkeit auch unbedingt der Geistigkeit bedürfen, um unter ihrem Daseinsbegriffe das Werden und Weben der Weltdinge zu begreifen. / Es ist aber ebenso wahr, dass innerhalb der Geistnatur und Stoffwelt in dem Gedanken der alldurchdringendsten Einheitlichkeit die grossartigste und für unseren Menschengeist höchste mögliche Erfassung des Weltgeschehens überhaupt gegeben ist“6.

Dem – vor allem dem christlichen – Theismus gegenüber befindet er sich auf der einen Seite in der Haltung des abgeklärten Weisen, der ein väterliches Verständnis für die „auf der naiven Stufe stehenden“7 Menschen hat, die durch ihren mythisch gefangenen Trinitätsglauben zum Mindesten aber eine gewisse dumpfe Ahnung von der trialistischen Metaphysik besäßen. Im ersten Band beschäftigt er sich, wie der Untertitel besagt, mit dem Zusammenhang zwischen Physis und Psyche in der Welt. Unvordenklich vor allem was sei, gebe es das Ursein8, welches sich unseren menschlichen Maßstäben letzten Endes dadurch entziehe, dass wir immer schon Aspekte des Urseins von anderen Aspekten unterscheiden müssten. Für uns gebe es dieses Ursein in drei grundlegenden Seinsweisen als Möglichsein, Geistigsein und als Wirklichsein9. Nur durch die Dynamik einer geistige(n) Potenz10 gerate das Mögliche in seine Verwirklichung. Das reine Wirkliche erscheine zunächst – als „einziges, kleines, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Zit. nach Brandecker, 1961, 50. Valier, Bd. III, 4. Valier, Bd. III, 4. Valier, Bd. I, 9. Vgl. Valier, Bd. III, 89. Valier, Vorwort zu Zacharias, 1922, 7. Valier, Bd. III, 145. Vgl. Valier, Bd. I, 10. Vgl. Valier, Bd. I, 10. Vgl. Valier, Bd. I, 13.

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winziges Elementchen der rein physischen Welt“1, als völlig unspezifische, reine Ausgedehntheit ohne jede stoffliche Eigenschaft. Es gebe nun eine zum Ursein und damit zu allem was ist gehörige Urbewegung2, die eine stetige Mehrentwicklung und Ausdifferenzierung unserer Wirklichkeit hervorriefe. Diese zeige sich im Hinblick auf ihre Bewusstheit gestuft auf allen Wirklichkeitsebenen. „Wenn auch noch unsagbar schwach, so sehen wir doch schon im anorganisch, chemischen Prozesse ... die Grundfunktionen der psychischen Potenz: Erkennen, Wählen und Wollen, getätigt, dem Actionsgrade nach freilich noch gering und in Bezug auf ihr Ziel lediglich auf die Erreichung der charakteristischen einfachsten, natürlichen Vollkommenheit jedes Stoffes, also nicht, etwa auf die Erhaltung des Exemplars oder die Fortpflanzung der Art hingeordnet. Darum aber, weil die Kraft noch schwach ist und das Ziel nicht hoch, ist dieses Streben nach Vollkommenheit innerhalb der unbelebten Stoffnatur nicht minder groß und ein nicht weniger gewaltiges Zeugnis für das Allwalten einer hinter dem Reinphysischseienden stehenden freien psychischen Potenz ...“3.

Der Übergang zum Menschsein geschähe durch einen Umschlagspunkt, an dem das instinktive Interesse am Überleben so ausdifferenziert gewesen sei, dass in dem „Komplexe“4 der instinktiven Selbstorientierung die „Erkenntnis der Nichtidentität mit der Umwelt aufleuchtet, ... als notwendige Folge der Begriff des ‚Ich‘“5 zu Stande komme. Mit dem Auftreten des Ich tritt nach Valier in die geschaffene Wirklichkeit das „Spiegelbild der höchsten geistigen Potenz“6 ein. Die entscheidende Weichenstellung zu einer esoterischen Betrachtungsweise gelingt Valier durch die Annahme, dass alles in der Welt als „bestimmte(r) Bewegungszustand der kleinsten Teilchen“7 aufgefasst werden müsse. Damit ist auch das gesamte Willensleben prinzipiell in eine physikalische Dimension eingebettet. Es ergibt sich eine physikalische Grundlage für alles Erkennen, alle zwischenmenschliche Kommunikation und jeden Kontakt des Ich mit der Wirklichkeit. „Wir fragen also jetzt: Was heißt es, wenn mein Freund mir einen Gedanken, den er hegt, mitteilt? Wir sehen hier sofort, dass es im Wesentlichen auf die Transformation seines Gedankens in einen physischen Bewegungszustand ankommt, welcher die Eignung besitzt, die Wegstrecke bis zu mir zu überbrücken, und der endlich bei mir in einer solchen Form ankommt, dass er durch meine Sinne bei mir wahrnehmbar gemacht werden kann“8.

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Valier, Bd. I, 28. Vgl. Valier, Bd. I, 35. Valier, Bd. I, 43. Hervorhebungen durch Valier. Valier, Bd. I, 47. Valier, Bd. I, 47. Valier, Bd. I, 48. Valier, Bd. I, 57. Valier, Bd. I, 59.

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Wenn diese zunächst noch harmlos klingende Voraussetzung explizit gemacht wird, lässt sich in esoterischer Interesserichtung eine weitergehende Betrachtung anfügen. Warum sollte es nicht nur nicht möglich sein, sondern darüber hinaus sogar sehr wahrscheinlich, dass die ‚Schwingungen‘ der „kleinsten Teilchen“1, die unsere Wirklichkeit im Ganzen ausmachen, nicht auch außerhalb des Bezuges auf die gängigen Sinneserfahrungen zwischen mir und dem Mitmenschen vermitteln könnten? So sei es „noch zu verlangen, dass ein Weg von meinen Gehirnoszillationen zu denjenigen meines Freundes möglich sei, ohne dass ich erst gezwungen bin, meine Gedanken in die Worte einer Sprache ... umzusetzen“2. Damit ergebe sich die Hypothese einer „psychophysischen Welle“3, die „auf rein philosophisch-deduktivem Wege“4 ermittelt worden sei, aber nun prinzipiell „der rein naturwissenschaftlichen Erforschung zugänglich“5 gemacht werden könne. So beschäftigt sich Valier im zweiten Hauptteil des ersten Bandes mit der Anwendung auf den weiten Bereich der parapsychologischen Forschung und formuliert kurze Statements zu den Themenbereichen der Telepathie, Suggestion, Hypnose, Siderisches Pendel, Wünschelrute, Psychographologie, Fern-Hellsehen, Elevation, Telekinese, Materialisation, Dematerialisation, Vorwissen und Wahre Prophetie. Im zweiten Band taucht dann auch noch eine ausführliche Reflexion auf den Stellenwert der Astrologie auf6, der sich Hinweise auf entsprechende experimentelle Untersuchungsmöglichkeiten anschließen. Der zweite Band, Dinge des Jenseits. Zeit – Ewigkeit – Raum – Unendlichkeit. Die Eigenschaften reiner Geistigkeit, beschäftigt sich im – originellen und differenzierten – Ausgang von Metaphern aus dem Bereich der Geometrie mit der Art und Weise, wie endliche und unendliche Subjektivität gedacht beziehungsweise vorgestellt werden könnten. Dabei entwickelt Valier eine Art ontotheologischer Metaphysik des unbewegten Bewegers, die in ihrem Ausgang von der Geometrie durchaus inspirierend zu lesen ist. Außerhalb der Zeit und außerhalb jedes Raumbegriffes stehend existiere der reine Geist, dessen Begriff durchaus sachlich zutreffend in den Religionsgemeinschaften als das allerhöchste() Wesen7 gefasst werde. „In ewiger Ruhe verharrend ist also die Geistigkeit notwendig allgegenwärtig“8. Der dritte Band entfaltet dann das vor allem im ersten Band schon vorbereitete Thema des trialistischen Weltsystems, das drei ontologische Grundkategorien beziehungsweise Seinsweisen als Möglichsein, Geistigsein und als Wirklichsein 1 2 3 4 5 6 7 8

Valier, Bd. I, 64. Valier, Bd. I, 64. Valier, Bd. I, 65. Valier, Bd. I, 68. Valier, Bd. I, 68. Vgl. Valier, Bd. II, 37-43. Vgl. Valier, Bd. II, 138 und 124. Valier, Bd. II, 138.

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beinhalte und dabei den Tatcharakter beziehungsweise den zur Geistigkeit gehörenden Willensakt in der Konstellation unserer Wirklichkeit betont1. Dieses ‚trialistische‘ Denken wird nun in sich noch einmal triadisch ausdifferenziert und für Valiers ganze Konzeption eines Modells genutzt, das er mit der christlichen Trinitätslehre für vergleichbar hält. Es sei der „Willensakt, der den ersten Anstoß aus der Psyche herüber in die Physis gibt, innerhalb welcher sich dann die Folge der Erscheinungen nach einer Naturkausalität abwickelt“2. Angewandt auf den „Willensakt der höchsten geistigen Potenz“3 bedeute dies, dass Schöpfungsakt und Schöpfung ineins fielen. Der „Wille des höchsten denkbaren geistigen Prinzips ist die Welt an sich, von der die Welt der Erscheinungen nur die Vorstellung ist, die wir von ihr haben“4. Nach dem schon oben ausgeführten Bezug auf die Einschätzung Valiers bezüglich des Materialismus und der für ihn eher allgemein als theistisch oder polytheistisch aufgefassten Religionen, wendet sich Valier abschließend seiner Art der Rekonstruktion der Frage nach Geistern, Dämonen, Engeln etc. zu. Aufgrund der zu ihr gehörigen „Zielstrebigkeit in der Natur“5 bilde sich aus der anorganischen Materie das Organische und aus dem sich entwickelnden Leben dann endlich das intelligente Leben auf der Erde, der Mensch. Der Mensch sehe Zusammenhänge in seiner Wirklichkeit und auf einmal werde „nicht mehr eine sinnlose Mannigfaltigkeit, sondern eine Handlung wahrgenommen. … Das Tier ist zum Menschen geworden“6. Valier setzt voraus, dass es auch übermenschliche Wesen7 gebe. Vielleicht angeregt durch den Bodhisattva-Gedanken, eine mirakulös orientierte Christologie und okkultistische Vorstellungen von ‚Meistern‘ spricht er von – allerdings noch als Sterbliche gefassten – Übermenschen, die er folgendermaßen neomythisch charakterisiert: „Vollständige Beherrschung aller niedrigen Stoffnatur. Befreiung des eigenen Wesens von jeder Botmäßigkeit gegenüber den Gesetzen der grobstofflichen Welt. Materialisation, Dematerialisation, Fähigkeit jedes Wunder zu bewirken“8. In der Ordnung der Geistigkeit höher lägen dann die unsterblichen „doch begrenzte(n) Wesen“. Sie seien „Reine Geister“ und ohne „jede Körperlichkeit. Außerhalb aller räumlichen und zeitlichen Beziehungen stehend“9 zu denken. Insofern die Gottheit, die Höchste absolute Aktualität10 alles in sich sei und übergreife 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Valier, Bd. III, 76-87. Valier, Bd. III, 87. Valier, Bd. III, 88. Valier, Bd. III, 88. Ich habe in diesem Satz stillschweigend Druckfehler korrigiert, L.H. Valier, Bd. III, 116. Valier, Bd. III, 124. Hervorhebungen durch Valier. Vgl. Valier, Bd. III, 124-139. Valier, Bd. III, 128. Valier, Bd. III, 128. Vgl. Valier, Bd. III, 128.

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und Valier dabei des Weiteren von der Voraussetzung ausgeht, dass er hier eine zunächst strenge philosophische Deduktion und sodann eine strenge experimentalwissenschaftlich fundierte Argumentation liefere, kann er am Ende seines Buches auch entsprechend hoffnungsvoll stimmende, bewusst metaphorisch formulierte Aussagen zur individuellen Eschatologie machen. „Die Unsterblichkeit ist jeglichem Wesen gewiss, denn sein Geistiges, das in ihm ist, steht seiner Natur nach außerhalb der Zeit und ist notwendig ewig. Aber nicht nur dies! – Auch das individuelle Fortexistieren in der Ewigkeit ist wissenschaftlich einwandfrei als möglich erklärt und dargestellt …“1. Valier arbeitet, verglichen etwa mit Ziolkowski und Oberth, auf differenzierte Weise und mit authentischer philosophischer Intuition am Versuch ein naturwissenschaftliches Weltbild zu begründen, das die Religionsgeschichte positiv aufgreift. Maßstab ist für ihn die Orientierung an der „Urtriebskraft des von uns sobenannten Entwicklungsgedankens in der Welt“2 und der Annahme der Existenz übermenschlicher endlich-unendlicher Wesen. Eine eindeutige Beurteilung, ob Valier sich noch als Theist versteht oder eher der Konzeption eines unbewussten Evolutionsgottes zuneigt, muss hier unterbleiben.

4.

Eugen Sänger: Mit Photonenraketen durch das Universum in die Transzendenz hinein

a.

Prolog „Auf zwei Planeten“ (Kurd Laßwitz)

Der zu Lebzeiten als Philosoph verkannte, aber als Schriftsteller erfolgreiche Kurd Laßwitz (1848-1910) publiziert 1897 einen der besten Sciencefiction-Romane aller Zeiten: Auf zwei Planeten. Vorausgegangen ist diesem Buch eine 1890 erschienene Arbeit über Die Lehre Kants von der Idealitaet des Raumes und der Zeit im Zusammenhange mit seiner Kritik des Erkennens allgemeinverständlich dargestellt. Der monumentale Roman Auf zwei Planeten erzählt von der Ballonreise der Wissenschaftler Saltner und Grunthe zum Nordpol, die nach dem Absturz ihres Ballons eine Station der Marsbewohner vorfinden. Bezeichnenderweise heißen die Marsianer – in Anlehnung an Kant – Numen. In der Folgezeit gelangen die Ballonfahrer auch auf den Mars und lernen die dortige Zivilisation kennen. Die Erde wird im Laufe aufflammender kriegerischer Auseinandersetzungen von den Marsianern kolonisiert. Es kommt zum Widerstand auf der Erde und endlich zu einem – unter anderem auch durch Einsicht – zustandegekommenen Friedensschluss.

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Valier, Bd. III, 139. Valier, Bd. III, 142. Hervorhebungen durch Valier.

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Das Verhältnis der Erde und ihrer Bewohner zum Mars und seinen Bewohnern ähnelt in hohem Maße einer ‚Anwendung‘ der kantischen Philosophie. Zunächst aber scheint es so zu sein, dass die Handlung derart verläuft, dass die Erde Kants phänomenale und der Mars die noumenale Welt repräsentieren. Der Roman ist aber nicht als schlichtes Lehrstück zu Kants Philosophie verfasst, sondern verflüssigt im Verlauf der Handlung die moralischen Schattierungen, so dass aus den Numen plötzlich Unterdrücker werden. Kant unterscheidet eine intelligible, noumenale Welt(-betrachtung) und eine phänomenale Welt(-betrachtung) unter dem Maßstab, wie die Welt ist und wie sie sein sollte und letzten Endes sein wird, vorausgesetzt, dass es einen personalen Gott gäbe. Eugen Sänger liest in seiner Jugendzeit Auf zwei Planeten, versteht ihn als wesentlichen Anstoß für seine wissenschaftliche Zukunft1 und entwirft in seinen Raumfahrtutopien dann seine – neomythische – Art des Zugangs zu seiner Art von noumenalen Welt.

b.

Sängers wissenschaftliche Biografie

Der Österreicher Eugen Sänger (1905-1964)2 studiert zunächst in Graz und dann in Wien Bauwesen und spezialisiert sich bald auf den Luftfahrtbereich, macht dort sein Staatsexamen und promoviert 1930 zum Doktor der Technischen Wissenschaften. Mit einem Promotionsprojekt zum Thema Raketenflugtechnik, das er 1929 einem seiner Lehrer versuchsweise vorlegt, macht er vergleichbare Erfahrungen wie Hermann Oberth. Ihm wird abgeraten, eine solche Dissertation einzureichen3 und so promoviert Sänger 1930 über das konventionelle Thema Die Statik des vielholmig-parallelstegigen, ganz- und halbfreitragenden, mittelbar und unmittelbar belasteten Fachwerkflügels. Schon zu dieser Zeit (1929) denkt Sänger über das visionäre Projekt einer Photonenrakete nach4. Ab 1932 wird Sänger langsam durch seine Vorträge im Rahmen des Themas Überbau und Leistungen von Raketenflugzeugen in der akademischen Öffentlichkeit bekannt. Nun publiziert er auch die ausgearbeitete Fassung seines Promo-

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Vgl. Buedeler, o. J., 231. Vgl. zu seiner im Folgenden dargestellten Biografie Buedeler, o.J., 230f und 273-278. Den Wikipedia-Artikel (https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Sänger), sowie http://de.scriBd. com/ doc/102107469/Eugen-Sanger-Lorinantrieb habe ich zum parallelen Nachschlagen und Überprüfen von Daten verwendet. Hier irrt Wikipedia und mit ihr viele Internetseiten mit der Aussage: „Sein erster Dissertationsentwurf mit dem Konzepttitel Raketenflugtechnik wurde an der Technischen Hochschule Wien abgelehnt“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Sänger). Ihm wurde nur von einem Hochschullehrer abgeraten ein solches Thema einzureichen. Vgl. Buedeler, o. J., 277.

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tionsprojektes über Raketen-Flugtechnik (1933), das als eines der wegweisenden Werke der frühen Raumfahrtwissenschaft gilt. Der erste Satz in seinem Buch über Raketen-Flugtechnik (1933) beleuchtet den Pionierstatus der beginnenden Raumfahrtwissenschaft, der durchaus auch verständlich macht, warum viele der Raumfahrtpioniere enge Bindungen an Sciencefiction und parawissenschaftliche Ideen entwickeln. „Hauptzweck dieses Buches ist, das Problem des Raketenfluges in ernstzunehmende Bahnen zu lenken und es von jenen vorläufig phantastischen Vorstellungen loszuschälen, die den allzuvielversprechenden Stoff in menschlich verständlicher, aber technisch unerwünschter Weise dem nüchternen Blickfeld des schaffenden Ingenieurs entzogen haben“1. Er tritt 1933 für kurze Zeit in die österreichische, ganz an Deutschland orientierte NSDAP ein2, erfährt vom österreichischen Militär keinen Zuspruch für seine geplanten Projekte und wendet sich deshalb 1934 an die Deutschen. Ab Februar 1936 arbeitet er für die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt bei Trauen in der Lüneburger Heide. Dort lernt er auch seine spätere Frau, die Physikerin Dr. Irene Bredt (1911-1983) kennen, von der später noch die Rede sein wird. Ab 1939 beginnen dort die ersten praktischen Raketenversuche. In dieser Zeit meldet Sänger auch zahlreiche Patente an, die sich unter anderem mit einem der beiden Themen beschäftigen, für die Sänger in die Technikgeschichte eingeht. Es ist die Idee, gegen eine Überhitzung der Triebwerksdüsen den eigenen Treibstoff als Kühlung einzusetzen. Er meldet 1935 ein Patent Raketenmotor und Verfahren zu seinem Betrieb an, welches beschreibt, wie die Feuerdüsen einer Rakete vor dem Verglühen durch Kühlung bewahrt werden können, indem „die Betriebsstoffe erst als Kühlmittel um die Feuerwände geleitet werden und dann so vorgewärmt in den Ofen gelangen“3. Gegen Ende des Krieges arbeitet er an einem Fernbomber-Projekt. Ein Amerika-Bomber oder Antipoden-Bomber (Sänger nannte ihn: Silbervogel) sollte bis in die Stratosphäre fliegen und eine Großbombe über Manhattan abwerfen können4. Eugen Sänger und Irene Bredt legen im August 1944 einen Entwurf unter dem Titel Über einen Raketenantrieb für Fernbomber einem ausgewählten Leserkreis vor. Dieses Projekt fasziniert später sowohl die UdSSR als auch die USA und inspiriert sie zu eigenen Konzeptionen. Nach dem Krieg arbeitet Sänger für das französische Luftfahrtministerium und in beratender Funktion für das Arsénal de l‘Aéronautique. Er geht 1954 nach Stuttgart und leistet bis 1961 Pionierarbeit im am Stuttgarter Flughafen neu gegründeten Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe und 1 2 3 4

Sänger, 1933, V. Vgl. Neufeld, 1997, 80. Sänger, Patentschrift Nr. 144809. Vgl. dazu neben Buedeler, o. J., 276f auch die Dokumentation in: http://www.luft46.com/ misc/sanger.html.

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dem Raketenversuchsgelände Lampoldshausen. Bis Sänger 1963 einem Ruf auf den ersten deutschen Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der TECHNISCHEN UNIVERSITÄT BERLIN folgt, entwickelt er für die JUNKERS FLUGZEUG- UND MOTORENWERKE die Idee eines Raumtransporters, die unmittelbar zum späteren Konzept einer Space Shuttle führt. Die Konzeption eines wiederverwertbaren Raketenflugzeugs ist die zweite große technische Leistung Eugen Sängers. In der Folgezeit publiziert Sänger nicht nur wissenschaftliche Werke im engeren Sinne, sondern auch ins neomythische reichende Wissenschaftsvisionen.

c.

Sängers Neomythen

Nach Sänger ist – so beginnt er ein Kapitel über Kulturelle Aspekte der Raumfahrt – der „Beginn der Raumfahrt … der gewaltigste historische Vorgang in der halbmillionenjährigen Menschheitsgeschichte ... Der Aufbruch der Menschen aus den kleinlichen irdischen Dingen in die Größe und Weite des Weltraums“1. Der Aufbruch in den Weltraum sei unter zwei Gesichtspunkten überlebensnotwendig. Die Raumfahrt werde alle Kriege beenden und sie werde der Menschheit angesichts der Überbevölkerung neue Lebensräume im Weltraum ermöglichen2. Aus diesem Grund müsse die Menschheit alle ihre Kräfte auf die Raumfahrtwissenschaft konzentrieren. Wenn es um das Überleben als solches geht, gilt es möglicherweise noch andere Gesichtspunkte zu beachten. Doch erleben wir hier wieder das typische bereichsbezogene Denken eines Wissenschaftlers, der seine Disziplin verabsolutiert. Aufgrund der für ihn hohen Bedeutung der Raumfahrtwissenschaft beziehungsweise der Erfahrungswissenschaften überhaupt ergibt sich für Sänger auch ein entsprechendes elitäres Menschenbild. Sänger sieht in den genialen Wissenschaftlern die Wegbereiter und Schöpfer einer Welt, in der alle Menschen guten Willens „vereint die kosmische Menschheit bauen“3. Durch die „genialen Schöpfer“4, durch die Übermenschen unserer Zeit, sei es möglich geworden Kriege unmöglich zu machen. In dem Augenblick nämlich, indem ein Atomkrieg möglich sei, könne es keinen Krieg mehr geben, weil sonst die Menschheit vernichtet würde. Sänger antizipiert Ideen zu der populär Star Wars genannten Strategic Defense Initiative (SDI), wenn er im Hinblick auf die nähere Zukunft der Waffentechnik zur Vermeidung des Atomkrieges vorschlägt: „Es wird daher erwogen, von der Erdoberfläche ausgehende Ener-

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Sänger, 1958, 103. Vgl. Sänger, 1958, 110. Sänger, 1958, 106. Sänger, 1963, 32.

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giestrahlen scheinwerferartig gegen alle Luft- und Raum-Waffen zu richten und sie damit in Sekundenbruchteilen zu zerstören“1.

Die daraus resultierende „technische Blockierung des Krieges stellt ein in der Menschheitsgeschichte erstmaliges und in ihrer soziologischen Auswirkung noch unübersehbares Ereignis dar, das das Bild des genialen Menschen in der modernen Technik in ganz besonderem Licht erscheinen läßt“2. Die Raumfahrt werde diese Unmöglichkeit eines modernen Krieges noch tiefer fundieren. Doch stelle sich hier das soziologische Problem der kollektiven Akzeptanz der Raumfahrt. Es gebe einen „mentale(n) Widerstand mancher Bevölkerungskreise gegen Raumfahrt in ähnlicher Weise ... wie der Hexenglaube des Mittelalters“3. Sänger feiert nach diesem Rückblick auf das in populärer Bildung gern so betrachtete ‚finstere Mittelalter‘ die Jetztzeit als möglichen Ort des Beginns einer großen neomythischen Wendezeit. Die Erde sei im Augenblick „kein stolzer Platz, bevölkert vom Geist der Heroen und Halbgötter, sondern eine schlafende Welt voll persönlicher und nationaler Egoismen“4, doch beginne eine große Akzeptanz zu entstehen. Auch hier greift Sänger wieder in die vertraute neomythische Argumentekiste. Sowohl das unvordenkliche Himmelsstreben, das den Menschen seit Urbeginn begleite, als auch die Mentalität des modernen Menschen wiesen den Weg in die Weltraumforschung und in die Kolonisierung des Weltalls und machten das „… Militär wieder zum Exponenten des Willens der Menschheit, zum Instrument der Durchführung dessen, was sie erträumt und wozu ihr geniale Menschen und Wissenschaft den Weg wiesen“5. Die Erinnerung an zwei durch Deutschland begonnene Weltkriege ist ebenso verblasst, wie die Erinnerung an die Zeit da Eugen Sänger, in einer Entfernung von ungefähr zwanzig Kilometern vom Konzentrationslager Bergen-Belsen, in Trauen unter anderem an einem Fernbomber gearbeitet hat, der mittels einer Superbombe Manhattan auf einen Schlag vernichten können sollte. Als Nebeneffekt ergäben sich durch die Raumfahrtwissenschaft zahllose technische und wissenschaftliche Innovationen für die Gesellschaft („Man könnte Bücher füllen mit der Beschreibung dieser Nebenerscheinungen ...“6). Das Wesentliche sei aber neben der Beendigung aller Kriege durch ihre „technische Überwindung“7 die Bewältigung der Probleme, die mit der drohenden Überbevölkerung der Erde zusammenhingen. Es könne nur durch interstellare Raumfahrt geschehen, dass die Menschheit „weitere Siedlungsräume“8 erhalte und 1 2 3 4 5 6 7 8

Sänger, 1958, 90. Sänger, 1963, 32. Sänger, 1963, 35. Sänger, 1963, 34. Sänger, 1963, 37. Sänger, 1963, 38. Sänger, 1963, 49. Sänger, 1963, 52.

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sich „und ihre Kultur in eine weitere Zukunft hinüberzuretten (vermöge, L.H.), wenn unser Sonnensystem keinen ausreichenden Lebensraum mehr bieten sollte, sei es durch das unbewohnbar Werden der Erde allein, sei es durch zu große Veränderungen im gesamten Sonnensystem“1. Mutschler und Ott machen in ihrer Annäherung an das weltanschaulich orientierte Denken Eugen Sängers zu Recht auf den großen Stellenwert der romantisierten Natur aufmerksam. Die Natur scheint bei Sänger einerseits als fürsorglich und leitend und andererseits aber auch populärdarwinistisch erbarmungslos. Wir könnten ahnen, so Sänger, „mit welch grausamen Mitteln die große Natur uns Menschen zwingen mußte, die Trägheit unseres Geistes in die Richtung des Geistes von Ziolkowski, Goddard, Oberth und Esnault-Pelterie zu wenden“2. An anderer Stelle schreibt Sänger, die „gütige und harte Natur“3 werde wissen, warum sie uns in den Weltraum hinaustreibe. Die „große und harte Natur“4 werfe vielerlei „Samen aus, um einen jungen Eichbaum wachsen zu lassen, und achtet derer nicht, die in fruchtbarer Erde nutzlos verfaulen“5. Deutschtümelei (Eichbaum) und Evolutionismus verbinden sich zu einer Metaphorik, durch die alle diejenigen, die sich nicht mit dem Großprojekt der Weltraumfahrt verbinden wollen oder können, gleichsam zu ‚lebensunwertem Leben‘ werden. „Der Gedanke ist anfangs extrem spekulativ und deshalb in den Konsequenzen extrem deterministisch. Spekulativ die Annahme einer natura naturans, die irgendetwas ‚mit uns vorhat‘, d.h. eines Natursubjekts ist mit langfristiger Intentionalität, die noch so reflexiv (oder vorsichtig?) ist, einen gut gemeinten ‚veil of ignorance‘ über ihre Ziele zu legen“6.

Wissensdurst, Schöpferkraft, Machtfülle zur Unterwerfung der Erde und Himmelsstreben werden von Sänger im Gegensatz zu „Schönheit, Klugheit, Charakterfestigkeit, Treue usw.“ zu den ihn vom Tier unterscheidenden spezifischen „elementaren Grundeigenschaften des Menschen schlechthin“7 gezählt. Wissensdurst und Schöpferkraft seien im Gegensatz zum allgemein-menschlichen Himmelsstreben weniger allgemein verbreitet. Sie seien zum einen „bisher in verschiedenen Menschenrassen mit recht unterschiedlicher Intensität aufgetreten“8. Zum zweiten seien diese beiden Eigenschaften auch innerhalb eines Volkes unterschiedlich ausgeprägt und bildeten „beinahe die Grundlage einer sozialen Hierarchie“9. Die genialen Menschen würden in einer Gesellschaft nahezu als „Übermenschen“10 betrachtet. Sänger weist darauf hin, dass der „Gedanke interstellarer Raumfahrt …

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Sänger, 1963, 52. Sänger, 1958, 103. Sänger, 1958, 106. Sänger, 1958, 106. Sänger, 1958, 106. Mutschler/ Ott, 1992, 52f. Sänger, 1963, 29. Sänger, 1963, 29. Sänger, 1963, 29. Sänger, 1963, 29.

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besonders kennzeichnend für die faustische Kultur der weißen Menschheit“1 sei. Weil Wissensdurst und Schöpferkraft zum Wesen des Menschen gehörten, gliche es einer „Selbstverstümmelung“2, wenn die Menschen, „dem Gesetze folgend, nachdem sie angetreten sind, ... die Ausweitung ihres Wissens- und Machtbereiches auf andere Weltkörper“3 unterließen. Sänger unterteilt, was Raumfahrtziele betrifft, die Menschheit, vor allem im für ihn rückständigen Europa, in die „himmelsstürmenden Neuerer()“ und die „beharrenden, ewig verneinenden Elemente() der Gesellschaft“4. Sänger spricht angesichts vermeinter „Erstarrungserscheinungen deutscher Wissenschaft und Kunst“ – die es für ihn im Nationalsozialismus wohl nicht gab – von den „Wurzeln eines Untergangs des Abendlandes“5. Doch auch im Hinblick auf diese negativen Begleiterscheinungen des Aufbruchs zu den Sternen glaubt er an eine weise, vorausschauende Natur, die in ihrem unbewusst-bewussten Planen blitzschnell evolutiv reagiere und somit auch die Raumfahrt betreffenden wissenschaftlichen Bedürfnislagen genauso schnell erfasse, wie sie auf Kriege reagiere. Der sich seiner erfahrungswissenschaftlichen Kompetenz rühmende Autor Sänger schreibt: „Wie nun die Natur nach einem Krieg durch vermehrte Knabengeburten zu reagieren pflegt, so reagiert sie im Augenblick auf die äußerst kritische kriegstechnische Situation, die die gesamte Menschheit mit Vernichtung bedroht, durch eine soziale Mißkreditierung der Neinsager, und erreicht damit eine Beschleunigung der raketentechnischen Entwicklung über die kritische kriegstechnische Phase hinweg in deren spätere friedliche Phase hinein“6.

Zwar seien alle Menschen im Hinblick auf ihr Menschsein gleich, doch gebe es im Hinblick auf die Menschheitsaufgabe der Raumfahrt eine Rangordnung7. Langatmige Aufzählungen von Berufsgruppen und ihrer Leistungsfähigkeit für die Raumfahrt finden sich in Sängers Buch über Raumfahrt. heute – morgen – übermorgen. Eine nach ihm „stark schematisierte()“8 Zusammenfassung gibt einen grundlegenden Überblick über die Rangordnung der arbeitenden beziehungsweise ‚nutzlosen‘ Mitglieder der Gesellschaft. Er unterscheidet „Unproduktive() ... Arbeiter, Meister, Akademiker, Forscher, Führende()“9. Den obersten Punkt der Skala nehmen die „Genialen“ ein10. Selbstverständlich müsse in einer Gesellschaft, die

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Sänger, 1958, 110, vgl. auch 88. Sänger, 1963, 29. Sänger, 1963, 29f. Sänger, 1958, 36. Sänger, 1958, 122. Sänger, 1958, 36. Vgl. Sänger, 1963, 55. Sänger, 1963, 55. Sänger, 1963, 55. Sänger, 1963, 55.

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die schöpferische Tätigkeit realistisch einschätze, die „Gehaltsleiter“ durch die „arithmetische Progression 1, 2, 4, 8“ dargestellt werden1. Hier kann an den Weltanschauungsbegriff des späteren 19. Jahrhunderts erinnert werden, auf den ich im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft eingegangen bin. ‚Weltanschauung‘ wird von einigen Autoren als der Begriff für das verwendet, was sich als dunkles Ahnen in unserem Herzen entfalten möchte. Adolf Hitler spricht in solchen Kontext etwa von der Religion des Blutes. Weltanschauliche Orientierungen werden auf diese Weise aus dem öffentlichen Diskurs herausgenommen und andererseits verwendbar, um totalitäre Ansichten zu verabsolutieren. Jemand, dem es im Nationalsozialismus gut ging, weil er seinen wissenschaftlichen Interessen frönen konnte, kann sich durchaus mit dem Stalinismus anfreunden, der für ihn den Raumfahrtwissenschaften gegenüber vorbildlich eingestellt ist und damit das tut, was die harte, aber weise Mutter Natur will. In völliger Unkenntnis der Herrschaftsstrukturen der totalitären Welt des Ostblocks schreibt Sänger: „Zugleich hat diese sogenannte kommunistische Hälfte der Welt eine soziale Hierarchie von fast militärischer Rangstufung aufgebaut, an deren Spitze die schöpferischen Kräfte der Ostvölker: Wissenschaftler, Ingenieure, Schriftsteller stehen, die also nicht nur ein weitbeneidetes Vorbild und Lebensziel der Jugend bilden, sondern auch im Arbeitsprozess voll zur Auswirkung kommen. Beides können wir auch dem Westen nur dringend wünschen“2.

Sänger erörtert die Zukunft der Raumfahrt anhand der steigenden Entfernungen nach dem Maßstab der erdnahen Raumfahrt, der interplanetaren Raumfahrt und der interstellaren Raumfahrt. Unter dem neomythischen und metaphysikförmigen Gesichtspunkt ist der Blick auf die Vorstellungen Sängers über interstellare Raumfahrt am bedeutsamsten. Die Voraussetzung für interstellare Raumfahrt sei das Erreichen einer Geschwindigkeit, die an die Grenze der Geschwindigkeit überhaupt, der Lichtgeschwindigkeit ginge. Sänger weist zunächst ausdrücklich darauf hin, dass er sich hier im Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Sciencefiction bewege3. Er macht allerdings auch deutlich, dass Überlegungen zur Luftfahrt vor hundert Jahren und zur Raumfahrt im Allgemeinen vor fünfzig Jahren auch noch als reine Sciencefiction galten. Trotz allem aber seien seine Überlegungen im Gegensatz zu Scharlatanerien und Esoterik getragen durch den Bezug auf das erfahrungswissenschaftliche Wissen der heutigen Zeit4. Nach dieser erkenntnistheoretischen Einschränkung argumentiert Sänger dann wiederum selbstbewusst. Zusammenfassend sagt er gleich zu Beginn seiner Ausführungen in dem Hauptkapitel über Raumfahrt – übermorgen: „Insbesondere steht fest, daß schnelle interstellare Raumfahrt zu den Nachbarsonnen unserer Sonne möglich werden wird, daß Annäherung in der Fluggeschwindigkeit relativ zur Erde bis an die Lichtgeschwin-

1 2 3 4

Vgl. Sänger, 1963, 79. Sänger, 1958, 96f. Vgl. Sänger, 1963, 343. Vgl. Sänger, 1963, 344.

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digkeit in Aussicht steht, und daß damit zumindest grundsätzlich die Erreichbarkeit des gesamten Weltalls innerhalb der Lebensdauer eines Individuums der Fahrzeugbesatzung möglich erscheint“1. Was die Realisierbarkeit der interstellaren Raumfahrt betrifft, kann sich Sänger wiederum auf die große kosmische Mutter Natur beziehen, welche „der Reichweite der Raumfahrt des Menschen keine Grenzen gesetzt“2 habe. Es sei auch möglich, dass man irgendwann „völlig überraschende()“ Erkenntnisse über „Raum, Zeit, Energie Materie und Leben“ erlangen werde, die die jetzigen Maßstäbe „völlig umstürzen würden“3. Sänger macht noch weitere Voraussetzungen, die er für selbstverständlich hält. Sein Geschichtsbild zeugt dabei von einem platten Fortschrittsoptimismus, der technologischen Fortschritt als geradezu einziges Moment positiver Veränderungen sieht. Methodisch steht für ihn fest, dass es sich bei seinen Überlegungen um eine „mit genügender Wahrscheinlichkeit“4 versehene „geradlinige Extrapolation der zeitlich vor ihr liegenden erdnahen und interplanetarischen Raumfahrt“5 handele. Die höchste Stufe der interstellaren Fusionsraketen seien die reinen Photonenraketen. „Reine Photonenraketen stellen das heute noch völlig hypothetische Endziel aller Raketensysteme dar, bei dem die vollständige Umwandlung der an Bord des Fahrzeugs mitgeführten Treibmassen in Energie vorausgesetzt wird und die gerichtete Abstrahlung dieser Energie mit Lichtgeschwindigkeit von 300 000 km/sec, entsprechend dem absoluten unteren Grenzwert des spezifischen Treibstoffverbrauches Raketentriebwerke von 3,3 mal 10 hoch minus 5 kg/tonsec“6. Da die Strahlgeschwindigkeit der Treibstoffe von Photonenraketen der Lichtgeschwindigkeit gleiche, werde so eine drastische Ausnutzung der Reisezeitverkürzung durch die Relativierung der Zeit möglich sein. Sänger rechnet mit der Entwicklung von Photonenraketen im Zusammenhang der nächsten Jahrzehnte – „doch läßt das allgemein dauernd zunehmende Tempo der naturwissenschaftlichen Forschung und der raumfahrt-technischen Entwicklung durchaus noch konkrete Ergebnisse vor dem Ende des 20. Jahrhunderts erwarten“7. Ein anderer Standpunkt zur Realisierbarkeit einer Photonenrakete sieht größere Probleme: „Die Photonenrakete müsste ... eine spezifische Leistung von 3000 MW pro kg haben. Wenn das Raumschiff eine Gesamtmasse von 1000 Tonnen aufweist, müsste es die (thermische) Leistung 1 Million großer Kernkraftwerke in Form eines gebündelten Lichtstrahls abstrahlen, um eine Beschleunigung von 10 m/s2 zu erreichen. So etwas ist ... auch mit einer noch so weit entwickelten Technik kaum denkbar“8.

1 2 3 4 5 6 7 8

Sänger, 1963, 345. Sänger, 1963, 345. Sänger, 1963, 345. Sänger, 1963, 345. Sänger, 1963, 345f. Sänger, 1963, 374. Sänger, 1963, 381. Ruh, 2005, 37.

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Die Photonenrakete sei ein Symbol für den schöpferischen Menschheitsgeist, der in die interstellaren Räume vordringen wolle und damit ein „Symbol unseres dynamischen Weltalters“1 werde. Sänger schildert nun eine hypothetische Reise in einer Photonenrakete und beschreibt, wie es zu einem immer größeren Auseinanderklaffen der zeitlichen Distanz zwischen Bordjahren und Erdjahren komme. Nach 34,19 Bordjahren und 210,04 Erdjahren träfen die Raumfahrer wieder auf der Erde ein. Sie würden eine Erde vorfinden, in der sich alles geändert habe2. Der Hinweis auf diese Zeitunterschiede, die in die Jahrtausende gehen können, führt ins präastronautische Gedankengut. Wenn interstellare Reisen möglich seien, dann könne es Besuche von anderen Welten auf unserer Erde gegeben haben. Die präastronautischen Ideen bringen Sänger dazu wiederum ein groteskes Beispiel für die Bereichsbezogenheit des Denkens hochqualifizierter Wissenschaftler zu liefern, dem wir schon öfter begegnet sind. Auf einmal werden grundlegende Themen der Religion, nach dem Maßstab des vertrauten biblizistischen Christentums, aus der Blickrichtung der Raumfahrtwissenschaft rekonstruierbar. Es erscheint Sänger wesentlich plausibler, die Vorstellungen einer himmlischen Welt, in der die Götter lebten und in die wir nach unserem Tode oder sogar wie Elija lebendig aufgenommen würden, durch die „Begegnung mit prähistorischen Besuchern aus dem Weltraum“3 zu erklären. Die eschatologischen Vorstellungen der Religionen würden – getreu der erfahrungswissenschaftlichen Perspektive – als eine „ans Unglaubwürdige grenzende Zukunftsschau“4 verstehbar. Die religiösen Vorstellungen der Menschheit seien nichts anderes als tradierte Erzählungen vom Kontakt mit Astronautengöttern. „Die Mythologie der primitiven Naturvölker ebenso wie jene der Chinesen, Ägypter, Babylonier, Germanen, Griechen, Römer, Inder, Perser, Japaner, Juden, Isländer, Indianer und Neger ist erfüllt von Gedanken über Raumfahrtvorgänge ... und diese mythischen Bilder durchdringen auch weitgehend religiöse Vorstellungen“5. Besonders hebt Sänger die alttestamentliche Erzählung über Elija hervor. Der „feurige Wagen“6 des Elija habe, wie andere Erzählungen auch, „gewisse konkrete Züge der modernen Raumfahrttechnik“ und es käme seine „Beschreibung unseren heutigen Raumfahrzeugen merkwürdig nahe“7. Es entspricht einer präastronautischen Fassung der Schöpfungslehre, was die Erschaffung des Menschen betrifft, wenn die Astronautengötter den Menschen die Heilshoffnung auf eine Reise in den Himmel, damit auch das Himmelsstreben8 und somit eigentlich unser Menschsein gebracht haben sollen. Das Streben, unsere 1 2 3 4 5 6 7 8

Sänger, 1963, 381. Vgl. Sänger, 1963, 389-417. Sänger, 1958, 124. Sänger, 1958, 124. Sänger, 1963, 15. Sänger, 1963, 15. Sänger, 1963, 15. Vgl. Sänger, 1963, 417.

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Brüder auf anderen Sternen zu finden, wird von Sänger als „unseres Wirkens letzter Sinn“1 bezeichnet und markiert damit die durch Astronautengötter gestiftete letzte Sinndimension unseres menschlichen Daseins. Es verwundert nicht, dass Sänger dann auch präastronautische Vorstellungen eschatologischer Art entwickelt. Im Hinblick auf die individuelle Eschatologie kommt er zu dem Gedanken, dass Erzählungen über die ewige Jugend von Göttern oder Legenden von jung gebliebenen Menschen, die nach Jahrhunderten wieder auftauchen (Mönch von Heisterbach, Rip van Winkels, drei Bergleute im Gutenberg2) naive Reaktionen auf die Zeitverschiebungen im Bereich der „relativistischen Flugmechanik interstellarer Raumfahrt“3 darstellten. Und auch die allgemeine Eschatologie findet ihre Berücksichtigung. „Wir sind nicht sicher, ob in dieser Zeit (in hundert Jahren, L.H.) die Götter unserer Ahnen noch einmal niedersteigen werden von ihren Himmeln, um einige unseres Geschlechtes oder deren Spuren nach Wallhall zu retten, und wir vertrauen der eigenen Kraft, diese Übermenschenwege selbst zu finden“4. Das Paradies wird innerkosmisch. Der Auszug ins Gelobte Land wird zur Wanderung der kosmischen Menschheit „aus ihrer Gefangenschaft auf dem Heimatplaneten“ hin in „glücklichere Gefilde neuer Welten in fremden Sonnensystemen“5. Das Zeitalter der „ersten kosmischen Menschheitswanderungen“6 hat für Sänger schon begonnen. Das zum Menschen gehörige Himmelsstreben, das Sänger mit der ‚Mutter Natur‘ in Verbindung bringt, kann von ihm als eine Art Alphapunkt, der auf das raumfahrttechnische-eschatologische Omega verweist, mit der Raumfahrt in Verbindung gebracht werden. Wir könnten unseren „hypothetischen, schon etwas früher raumfahrenden Sternenbrüder(n)“7 dankbar dafür sein, dass sie uns mit der Religion das Himmelsstreben gebracht haben. „Es mag sein, daß solche Reisen schon vor Jahrhunderttausenden von anderen Sternen aus stattgefunden haben und daß Besatzungen dieser Sternenschiffe auch den Menschen in seiner Urgeschichte begegnet sind und ihm den Mythos der Götter und sein Himmelsstreben eingesetzt haben“8. Das Menschheitsphänomen der Religion wird präastronautisch erklärbar. Mit dem Auftauchen der präastronautischen Hypothese taucht ein weiteres neomythisches Element in Sängers Gedankenwelt auf. Wenn nämlich die Außerirdischen beziehungsweise die möglicherweise einst von der Erde in einem anderen Zivilisationszyklus gestarteten menschlichen Raumfahrer unserer Menschheit das nach Sänger zur anthropologischen Grundausstattung gehörige Moment des Himmelsstrebens eingepflanzt haben, so ist aus der weisen Mutter Natur als Re1 2 3 4 5 6 7 8

Sänger, 1963, 19. Vgl. Sänger, 1963, 15. Sänger, 1963, 15. Sänger, 1963, 18. Sänger, 1963, 18. Sänger, 1963, 18. Sänger, 1963, 14. Sänger, 1963, 417.

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präsentantin einer natura prima eine innerkosmische und vielleicht menschengeschaffene natura secunda geworden, die zugleich aber das romantische und evolutionistische Bild einer allweisen und ineins harten, weil durch sich selbst ontologisch autorisiert handelnden Natur mittransportiert. Was bedeutet eine solche Veränderung des Naturbegriffs? Wenn Sänger darauf hinweist, dass die genialen Raumfahrtwissenschaftler nahezu als „Übermenschen“ betrachtet werden könnten und weiterhin – wie oben dargelegt – darauf hinweist, dass das Interesse an Raumfahrt besonders charakteristisch für die faustische Kultur der weißen Menschheit sei, ergeben sich in präastronautischer Perspektive möglicherweise weitergehende rassistische Interpretationsmöglichkeiten. Wenn nämlich das Himmelsstreben einer der grundlegenden, das heißt Menschsein konstituierenden, Wesenszüge ist, dann liegt es nahe davon auszugehen, dass die Astronautengötter verschieden gestufte Rassen erschaffen hätten, von denen die eine die Herrscherrasse und die anderen Dienerrassen seien. Abschließend soll das neomythische Interesse Sängers noch einmal am Beispiel der metaphysischen Bedeutung der Photonenraketen angesprochen werden. Die in technischen Großprojekten nicht selten gepflegte heroische Sprache ‚kippt‘ bei Sänger, wenn es um die Photonenraketen geht. Die Metaphern werden nicht nur kosmisch, sondern metaphysisch getönt. Er spricht etwa von einer „unendlich groß(en)“1 Reisegeschwindigkeit, die nichts mehr mit einer physikalischen Beschreibung zu tun hat. „Der Bereich der Photonenraketen geht in den letzten Ausläufern einerseits bis in die Höhen der Fixsterne, anderseits bis in die Wunderwelt der relativistischen Mechanik“2. Im zweiten Band der Kritik der neomythischen Vernunft waren die Themen Jenseitsreise und Entrückung angesprochen worden, die die betreffenden Personen in die jenseitigen Sphären versetzen. In beiden Fällen bedarf es nach dem ‚klassischen‘ Muster eines ‚Deuteengels‘ oder ähnlicher Helfer, die die ins Jenseits führende Reise bewerkstelligen. Es war weiterhin festgestellt worden, dass die neomythischen Jenseitsreisen die Reise jenseits von Raum und Zeit als autonomes, innerkosmisch bewerkstelligbares Geschehen beschreiben. Die radikale Endlichkeit im Hinblick auf das Betreten der – wie auch immer verstandenen – jenseitigen Sphären wird dadurch bestritten. Auch Eugen Sänger entwirft ausgehend von seinen Photonenraketen eine solche Reisemöglichkeit und verfällt in eine mystizistische Sprache. „Schließlich werden Photonenfahrzeuge die äußersten Weiten des Kosmos durcheilen, auf der Suche nach den Brüdern über dem Sternenzelt, und dabei werden die fast lichtschnellen Schiffe in jenen gespenstischen relativistischen Zustand geraten, wo der Besatzung unsere Zeit stillzustehen und unser unendlicher Weltraum auf nichts zusammenzuschrumpfen beginnt, so daß sie in merkwürdiger

1 2

Sänger, 1958, 16. Sänger, 1958, 15.

334

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Verquickung mythologischer und physikalischer Vorstellungen den Bereich unserer Welt verläßt und in jenseitige Welten taucht“1. Im Kontext dieser Kritik der neomythischen Vernunft habe ich immer wieder auf verschiedenartige Konzeptionen von Göttermenschen-Maschinen, wie etwa dem scientologischen E-Meter, hingewiesen, die für das neomythische Denken nicht untypisch sind. Eugen Sängers Photonenraketen können auch in diesen Zusammenhang gestellt werden. Die Raketen sind keine technischen Hilfsmittel um die Entfernungen von Lichtjahren zu überbrücken, sondern es sind Maschinen, die die Fähigkeit zum realen absoluten Transzendieren, also zum Überschreiten aller Endlichkeitsgrenzen besitzen.

5.

Ezechiel und die Raumfahrtwissenschaftler – präastronautische Interpretationen

Die Soziologen Henri Hubert (1872-1927) und Marcel Mauss (1872-1950 haben sich seit 1899 mit dem Opferbegriff beschäftigt und eine Formulierung gefunden, die in Sciencefiction- und präastronautischen Kreisen immer wieder zitiert wird: „Auf den unteren Stufen der Zivilisation sind die Magier die Wissenschaftler und die Wissenschaftler sind Magier“2. Sie kann als ein Symbol für die intellektuelle ‚Initialzündung‘ gelten Anhänger der Präastronautik zu werden. Was würden ‚Primitive‘ tun, die noch nie eine Begegnung mit moderner Technik hätten und eine UFO-Landung erlebten? Wären dann die Astronauten Götter, also Astronautengötter? Der Übergang von der ‚ersten Garnitur‘ der Raumfahrtwissenschaftler und ihrer zum Teil ufologischen und präastronautischen Weltbilder zur populären Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen in einem durch die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne fraglich gewordenen Kosmos soll hier durch die Darstellung von präastronautischen Interpretationen der Vision des Feuerwagens im alttestamentlichen Ezechiel-Buch unter Bezug auf Passagen des Alten Testaments beziehungsweise von Passagen apokrypher Schriften über Elija und Henoch geschehen. Anhand dieses Themas kann exemplarisch die spezifische Art der ungewollt biblizistisch-fundamentalistischen Hermeneutik bei den Präastronautik-Autoren herausgearbeitet werden. Weil diese Passagen des alttestamentlichen Ezechielbuches bzw. deren Interpretation über fliegende Räder exemplarischen Charakter haben, sollen hier zunächst einige Zeilen aus diesem zitiert und Anmerkungen zu ihrer Exegese3 gemacht werden.

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Sänger, 1958, 105, Hervorhebung L.H. Hubert/ Mauss, 1974, 240, Übersetzung L.H. Vgl. dazu Zenger u.a., 1998, 440-457 und Heininger, 1996, 53ff.

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- „Und es geschah im dreißigsten Jahr, im vierten [Monat], am Fünften des Monats; als ich mitten unter den Weggeführten am Fluß Kebar war, da öffneten sich die Himmel, und ich sah Gesichte Gottes“ (Ez 1,1). - „Und ich sah: Und siehe, ein Sturmwind kam von Norden her, eine große Wolke und ein Feuer, das hin- und herzuckte, und Glanz war rings um sie her. Und aus seiner Mitte, aus der Mitte des Feuers, [strahlte es] wie der Anblick von glänzendem Metall. Und aus seiner Mitte hervor [erschien] die Gestalt von vier lebenden Wesen; und dies war ihr Aussehen: die Gestalt eines Menschen hatten sie“ (Ez 1,5). - „Und als ich die lebenden Wesen sah, siehe, da war ein Rad auf der Erde neben den lebenden Wesen, bei ihren vier Vorderseiten. Das Aussehen der Räder und ihre Verarbeitung war wie der Anblick von Türkis, und die vier hatten ein und dieselbe Gestalt; und ihr Aussehen und ihre Verarbeitung war, wie wenn ein Rad mitten im [anderen] Rad wäre“ (Ez 1,15f). - „Wohin der Geist gehen wollte, gingen sie, dahin, wohin der Geist gehen [wollte]. Und die Räder erhoben sich gleichzeitig mit ihnen, denn der Geist des lebenden Wesens war in den Rädern. Wenn [jene] gingen, gingen [auch diese], und wenn [jene] stehen blieben, dann blieben [auch diese] stehen; und wenn sich [jene] von der Erde erhoben, [dann] erhoben sich die Räder gleichzeitig mit ihnen. Denn der Geist des lebenden Wesens war in den Rädern“ (Ez 1,20f).

Das Ezechielbuch ist im sechsten vorchristlichen Jahrhundert im Kontext des babylonischen Exils entstanden. Es ist gestaltet als nahezu (bis auf Ez 1,3 und 24,24) lückenloser Ichbericht des Propheten. Theologische Themen des Buches sind die Frage nach der Konkretion von Gottes Willen und die nach der Wirkung und dem Konnex menschlicher Schuld im Kontext eines strengen Monotheismus. Das Darstellungsmittel der Vision beschreibt eine Entrückung des Propheten in der Vision (etwa Ez 8,3) zu einer Luftreise (nicht zu einer Jenseitsreise/Himmelsreise wie in den späteren apokalyptischen Schriften)1. Im Ezechielbuch wird nicht die empirische Sichtung eines im Himmel thronenden ‚Gottkönigs‘ und seines ihn umgebenden Hofstaates geschildert, sondern es wird bemerkenswerterweise von einem mittels eines Thronwagens beweglichen Gott geredet, der sich auf diese Weise von fernen und eventuell ‚unbewegt bewegenden‘ Hochgöttern unterscheidet. Diese Erzählung ist weiterhin nicht aus einem Guss, sondern enthält sekundäre Anteile. In einem durch wissenschaftsfundierte Technik geprägten epochalen Verstehenshorizont ist es durchaus verständlich, dass die Thronwagenvision Ezechiels in einer biblizistischen Lesart als reales Auftreten eines Fluggerätes gedeutet werden kann. Am Beispiel solcher Deutungen des Ezechielbuches soll im Folgenden die spezifische hermeneutische Methode im präastronautischen Denken im Zusammenhang von Standpunkten innerhalb der raumfahrtwissenschaftlichen Elite vorge1

Vgl. dazu die Ausführungen zum Thema Jenseitsreise im zweiten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft.

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stellt werden, bevor wir uns dann der Präastronautik als Breitenphänomen zuwenden.

a.

Vorspiel in der Luftfahrt: Burrell Cannons Ezechiel Airship

Das öffentliche Bewusstsein bringt wohl zu Recht die Brüder Wilbur (1867-1912) und Orville Wright (1871-1948) mit dem ersten gelenkten Motorflug am 17. Dezember 1903 in Verbindung. In diesen ersten Jahren des neuen Jahrhunderts gab es allerdings mehrere gescheiterte Versuche von Motorflügen, von denen einer für unseren Kontext wichtig ist. Religionsgeschichtlich interessant ist, dass es dem berühmten Schweizer Maler Arnold Böcklin (1827-1901) 1855 durch Pius IX. erlaubt wird, in der päpstlichen Reitschule in Rom Flugversuche mit einem durch ihn selbst konstruierten Flugapparat zu unternehmen. Der erste eindeutig nachgewiesene Motorflug fand am 14. August 1901 in Bridgeport (Connecticut) durch den deutschstämmigen Gustav Weißkopf (später: Whitehead, 18741927) statt1.

Unter dem Eindruck des ersten und des zehnten Kapitels von Ezechiel versucht sich in den USA der baptistische Reverend und Sägewerksbetreiber Burrell Cannon (1848-1922) an der Konstruktion eines von ihm als Ezekiel Airship bezeichneten Flugapparates, von dem Lokalpatrioten in Pittsburg behaupten, dass er wirklich geflogen sei. Hier interessiert nicht diese historische Frage, sondern der Gesichtspunkt, dass Ezechiels Thronwagenvision die Fantasie von weltanschaulich und zugleich technisch interessierten Menschen weckt. Cannon gründet 1898 die Ezekiel Airship Manufacturing Company mit einem Betriebskapital von zwanzigtausend Dollar2. Eine Flugschrift mit den einschlägigen Versen aus dem Ezechielbuch kann dort für eine Dreicentmarke erworben werden, ein Foto kostet fünfzig Cents. Dieses Unternehmen ist nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt, da Cannon auch ein fähiger Ingenieur und Patente haltender Erfinder ist. Er reicht beim U. S. Patent Office zwischen 1893 und 1914 fünf Patente für Maschinen wie Windmühlen und Schiffschrauben ein. Der Entwurf des Flugapparates offenbart ein entsprechendes Gespür für Fortbewegung und Antrieb und einen hohen mathematischen Sinn. Der Reverend glaubt, dass Gott ihn zur Konstruktion des Schiffes berufen habe und ihm helfe, sein Ziel zu erreichen. Cannon inspirieren die Zeilen des Ezechielbuches zur Um-

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Vgl. dazu Streit, o. J., 47ff. und Behringer/ Ott-Koptschalijski, 1991, 394-399. Abbildung der Aktie in: http://www.davidicke.net/emagazine/vol4/ezek.html.

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setzung in eine technische Zeichnung. Vier große Räder am Rumpf des Flugzeuges enthalten kleinere Räder, die innen Radschaufeln haben1. Eine gasbetriebene Maschine treibt die Räder und die Schaufeln an, die das Fluggerät durch den Luftdruck in die Höhe heben und lenkbar machen sollen2. Die Dallas Morning News berichtet am 1. August 1901, dass der „ganze Charakter dieser Maschine durch deren Schubkraft und den Propellermechanismus geprägt wird und der erstaunlichste Zug an ihr ist, dass die ganze Maschine und alle ihre komplizierten Teile ganz in der Bibel vorkommen“3. Der Flugapparat wird 1902 auf dem Bahnweg zum St. Louis World‘s Fair durch einen Sturm zerstört und nicht nachgebaut. Es ist unwahrscheinlich, dass der Ezechielapparat 1902 je flog4. Der Pilot ist ein Mr. Stamps von Thorsell‘s Machine Shop, in dem das Ezechielmobil gebaut wird, der sich mit diesem Gerät kurz über eine Strecke von einhundertsiebenundsechzig Fuß in die Luft erhoben haben soll und dann senkrecht auf dem Boden aufgeschlagen sei. Zwischen 1908 und 1913 gibt Cannon noch einmal Aktien für eine Flugapparatefirma aus und schafft es, ein zweites Mal sein Luftschiff in Chicago (Illinois) bauen zu lassen. Der Pilot, ein Mr. Wilder setzt sich 1913 flugbereit hinein und rammt damit einen Mast. Cannon zieht sich 1914 nach Longview zurück und arbeitet bis 1921 weiter an Erfindungen wie einem mechanischen Baumwollpflücker und einem Kornwurmvernichter. Später lebt er in Marshall und stirbt dort 1923. Die Konstruktionsunterlagen werden 1922 bei einem Brand vernichtet. Ezechiels Feuerwagen interessiert neben Cannon auch andere namhaft in der Raumfahrtwissenschaft Arbeitende.

b.

Irene Sänger-Bredts vorsichtige präastronautische Annäherung

Irene Sänger-Bredt (1911-1983), die frühere Assistentin, spätere Ehefrau und wissenschaftliche Weggefährtin von Eugen Sänger, deren beider Forschungsleistungen ineinander verschlungen sind, verfasst mit dem zweiten Band ihres Werkes 1 2

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Abbildung der Propeller in: http://www.ctie.monash.edu.au/hargrave/cannon_ezekiel.html. Vgl. http://cdm9020.cdmhost.com/cdm/singleitem/collection/p9020coll008/id/5659/rec/3 findet sich ein Scan des Patents Nr. 698,391 von Burrell Cannons Wind Wheel (angemeldet am 22.4.1902). Vgl. dazu: http://www.altereddimensions.net/people/BurrellCannon.aspx. Übersetzung L.H. Garner, o.S., vertritt diese Auffassung (in: http://www.davidicke.net/emagazine/vol4/ezek.html). Skeptisch und unter Berufung auf Lokalhistoriker ist hingegen http://www.dallasnews.com und Lienhard (in: http://www.uh.edu/engines/epi1855.htm). Vgl. weiter Gold, in: Los Angeles Times vom 17.12.2003 (Zit. nach: http://articles.latimes.com/ 2003/dec/17/nation/na-ezekiel17). Davis, 2002, ist – so die Ankündigungen im Internet – wohl sehr lokalpatriotisch verfasst und kostet zudem über zweihundert Dollar. Da das Buch nicht ausleihbar war, habe ich aufgrund des Preises auf eine Anschaffung für das Institut verzichtet und es entsprechend nicht einsehen können.

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Ungelöste Rätsel der Schöpfung. Bd. II: Spuren der Vorzeit 1972 ein für die präastronautische Szene ungewöhnlich breit recherchiertes Buch, welches eine ebenfalls vergleichsweise hohe Sensibilität für religiöse Symbolik und Religionsgeschichte aufweist. Ganz im Sinne einer Kolportageperspektive versucht sie die grundlegenden Themen der Menschheit im Kontext eines Gesamtblicks auf die Menschheitsgeschichte unter dem präastronautischen Maßstab zu betrachten. Der erste Satz des ersten Kapitels ihres Buches gibt den Leitfaden vor: „Gab es irgendwann einmal Besuche kosmischer Intelligenzwesen auf der Erde?“1. Sie versucht ihre Fragestellung in den großen Rahmen dessen einzubetten, was die Vor- und Frühgeschichte und die alte Geschichte an Forschungsergebnissen zu Stande gebracht haben. Am Ende langer Referate über moderne Forschungsergebnisse stehen dann präastronautische Anfragen. Sänger-Bredt erörtert jedes Mal die Hypothese, ob die Präastronautik nicht möglicherweise eine umfassendere und zufriedenstellendere Interpretation der angesprochenen Menschheitsphänomene liefern könnte. Der früheste Termin, an dem man nach Sänger-Bredt präastronautische Untersuchungen anstellen könnte, sei der Moment der Menschwerdung, der späteste der des Beginns systematischer schriftlicher Überlieferungen, die sonst eindeutige Nachrichten von direkten Besuchen Außerirdischer hätten festhalten können2. „Fernkontaktaufnahmen kosmischer Kulturen mit der Erde“3 mithilfe von eine Hochtechnologie voraussetzenden Signalgebern hätten von den frühen Menschen nicht wahrgenommen, weil nicht empfangen werden können. Kritisch der eigenen ufologischen und präastronautischen Zunft gegenüber grenzt sich Sänger-Bredt von dilettantischen Bemühungen ab. Es sei nicht statthaft, dass man „krause Tatsachen und seltsame Gerüchte aller Art wahllos ansammelt, durcheinanderrührt und auf Biegen oder Brechen mit Raumfahrt in Zusammenhang bringt“4. Sie erstellt in der Folge eine entsprechende Negativkriteriologie hinsichtlich der Frage, welche „Beweismittel für eine Behauptung ... beispielsweise nicht herangezogen“5 werden könnten. Nicht akzeptabel sei es, auf Gerüchte zu hören, sich auf vermeinte Funde zu beziehen, die nicht geprüft seien, Träume und Visionen heranzuziehen, etwas aus dem Zusammenhang zu reißen, sich auf vieldeutige künstlerische Darstellungen einzulassen, die zur Projektion einladen, und überhaupt sich nicht auf „eindeutige Belege“6 zu beziehen.

1 2 3 4 5 6

Sänger-Bredt, 1972, 13. Vgl. Sänger-Bredt, 1972, vgl. 13 und 50f. Sänger-Bredt, 1972, 52. Sänger-Bredt, 1972, 53. Sänger-Bredt, 1972, 65. Sänger-Bredt, 1972, 65.

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Ein grundlegender Gesichtspunkt für Sänger-Bredt sind Entwicklungsschübe der Menschheit, die für sie Indikatoren eines außerirdischen Eingreifens sein können1. Zu den nach Sänger-Bredt durch die übliche Wissenschaft nicht zureichend rekonstruierbaren „‚Ungereimtheiten‘ in den Mythen der Völker“ gehören „Schilderungen göttlicher, vom Himmel gekommener und dorthin zurückkehrender Lehrmeister der Menschen; ... die Vorstellung von der Existenz geflügelter Mittler ... zwischen Göttern und Menschen; ... das Bestreben der irdischen Herrscher, ihre Herkunft von Göttern oder göttlichen Lehrmeistern abzuleiten“2. In diesem Zusammenhang bezieht sich Sänger-Bredt auch auf Ezechiel. Betrachten wir ihre präastronautische Interpretation. Sie zitiert zunächst die betreffenden Passagen aus dem Ezechiel-Buch und fragt dann rhetorisch, ob die in „unbeholfenen, schwülstigen Worten“3 ausgedrückte Darstellung eines Fahr- und Fluggerätes nur Ausgeburt der Fantasie eines primitiven oder psychisch gestörten Menschen oder eine Zukunftsvoraussage sein könnte. Die Alternative, die sie vorschlägt ist, dass hier Menschen, die sich in einem „technisch primitiven Entwicklungsstadium“ befänden, „unbekannte technische Geräte“ zu beschreiben versuchten. Es würde sich bei dem Gegenstand der Thronwagenvision dann also um ein Raumfahrzeug handeln – „gesehen mit den Augen eines Primitiven“. Genauer ließe sich das Raumfahrzeug beschreiben als eine „Art Orbit-Boden-Fähre, mit metallischem Landegestell ... und eventuell ausfahrbaren Rädern ..., mit vier Sonnensegeln ..., mit Solarzellen für die Energieversorgung im Orbit, mit einer Kabinenkuppel aus durchsichtigen Kunststoff ... und mit gleichmäßig über die Rumpfoberfläche verteilten Steuerdüsen ...“. Dabei weist Sänger-Bredt – und dies spricht für ihre wissenschaftliche Vorsicht – auf den hypothetischen Charakter dieser Interpretation hin, die sich im Hinblick auf die Fahrzeugbeschreibung auf Andeutungen im Ezechiel-Text stütze. Viel optimistischer gibt sich ein anderer namhafter Raumfahrtexperte.

c.

Josef Blumrich: „Zu meiner eigenen Arbeit möchte ich sagen, daß ich sie vom Standpunkt des Ingenieurs aus durchführte“

Im zweiten Band der Kritik der neomythischen Vernunft habe ich schon auf ihn aufmerksam gemacht. Josef F. Blumrich (1913-2002) ist ein namhafter österreichischgebürtiger, us-amerikanischer Raumfahrtingenieur, Erfinder und Publizist. Er studiert in Weimar Flugzeug- und Maschinenbau, macht 1934 Examen, arbeitet an der Konzeption der Messerschmitt 110 mit und geht 1959 auf Einladung Wern1 2 3

Vgl. Sänger-Bredt, 1972, 67. Sänger-Bredt, 1972, 247. Sänger-Bredt, 1972. Die folgenden kurzen Zitationen beziehen sich alle auf die Seiten 274277.

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her von Brauns in die USA. Später wird die ursprünglich dem amerikanischen Militär unterstellte Arbeitsgruppe von Brauns in den Bereich des MARSHALL SPACE FLIGHT CENTER (Huntsville, Alabama) der zivilen Raumfahrtbehörde NASA überführt. Blumrich forscht dort im Zusammenhang der Entwicklung der Trägerrakete Saturn 113, verschiedener Satelliten, der Skylab und des Space Shuttle. Später leitet er bis zu seinem Ruhestand 1974 die Advanced Structural Development Branch der NASA. Er ist Mitglied des American Institute of Aeronautics and Astronautics, der American Association For The Advancement Of Science und der American Astronautical Society. Mit sechzig Jahren zieht er sich aus dem Berufsleben zurück. Blumrich erhält 1974 die Exceptional Service Medal der NASA1. Zugleich ist Blumrich Mitglied der Ancient Astronaut Society, die die präastronautische Theorie als ordentliche Wissenschaft begründen will. Diese Mitgliedschaft verdankt sich einem durch die Lektüre eines Däniken-Buches hervorgerufenen Erweckungserlebnis, von dem Blumrich im Vorwort zu seinem Buch über Da tat sich der Himmel auf. Die Begegnung des Propheten Ezechiel mit außerirdischer Intelligenz (original: The Spaceships of Ezekiel, 1974) erzählt. „Die Entstehung dieses Buches ist eine Folge meiner Lektüre von Erich von Dänikens Erinnerungen an die Zukunft. Ich begann diese Lektüre mit der überlegenen Einstellung eines Menschen, der von vornherein weiß, daß die dargebotenen Schlußfolgerungen keinesfalls richtig sein können. Nun zitiert von Däniken aber unter anderem Stellen aus dem Buch Ezechiel, deren unklare technische Angaben er für die Beschreibung eines Raumschiffes hält. Damit berührt er ein Gebiet, mit dem ich sehr vertraut bin, da ich den größten Teil meines beruflichen Lebens mit Konstruktion und Berechnung von Flugzeugen und Raketen zugebracht habe. Ich entschloß mich, diese Aussagen des Propheten zu benutzen, um von Däniken zu widerlegen und die Unhaltbarkeit seiner Behauptungen nachzuweisen. Kaum jemals war eine absolute Niederlage so reich belohnt, so faszinierend und so erfreulich! Huntsville, Alabama, November1972 Josef F. Blumrich“2.

In seiner technizistischen Relecture des alttestamentlichen Ezechielbuches entdeckt er – wie wir es schon öfters bei stark bereichsbezogen arbeitenden Wissenschaftlern gesehen haben – im biblischen Text seine eigene Fachdisziplin: „Mit außergewöhnlicher Beobachtungsgabe beschreibt der Prophet sowohl Konstruktion und Funktion dieses Raumschifftyps wie auch die Lebewesen und Ereignisse, die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ezechiel beginnt sein Buch mit der Schilderung der Endphase des Fluges eines Raumschiffes aus der Umlauf-

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Zu seiner Biografie: http://www.spaceshipsofezekiel.com/html/josef-blumrich-bio.html. Einige weitere Informationen finden sich unter: http://tatjana.ingold.ch/index.php?id= tod_blumrich. Das Zitat in der Überschrift stammt aus: Blumrich, 1995, 18. Blumrich, 1995, 7.

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bahn zur Erde und der darauf folgenden Landung; er begleitet diese Schilderung mit der Beschreibung der wesentlichen Teile des Raumschiffes“1. Blumrich erläutert ausführlich in seinem Buch, was für technische Informationen im Ezechiel-Buch zu finden seien. Diese Ausführungen müssen hier nicht dargestellt werden. Exemplarisch möchte ich Blumrichs hermeneutisch ingenieurmäßige Objektivität am Beispiel von Ez 3,12f vorstellen. Der Text lautet: „Und der (‫)רוּ ַח‬ ֔ Geist hob mich empor, und ich hörte hinter mir ein Getöse wie von einem großen Erdbeben, als sich die Herrlichkeit des Herrn von ihrem Ort erhob. Und es war ein Rauschen von den Flügeln der Gestalten, die aneinander schlugen, und auch ein Rasseln der Räder neben ihnen wie das Getöse eines großen Erdbebens“. Blumrich interpretiert die Verse folgendermaßen: „Vers 12: zum ersten Mal fliegt Ezechiel in einem Raumschiff! Er ist auf nicht näher bestimmbare Weise in die Kapsel des Kommandanten gehoben worden und befindet sich nun auf dem höchsten Punkt des Raumschiffes. Da er sich steil nach oben bewegt, wird er das Getöse des Zentralantriebs buchstäblich hinter sich lassen. Mit dem Fluggerät hat er nun durch seinen Sitz engen körperlichen Kontakt und fühlt daher dessen Erschütterungen, die er in Ermangelung vergleichbarer Erlebnisse als ‚Erdbeben‘ empfindet. Noch während er das alles wahrnimmt, hebt das Raumschiff – der ‚Lichtglanz des Herrn‘ – vom Boden ab. Vers 13: Von seinem Platz aus kann er die Rotoren nicht sehen, aber er erkennt ihr Geräusch wieder, denn er bezeichnet es mit dem ‚Schlagen der Flügel der tierischen Wesen‘. In dem allgemeinen Lärm kann er das ‚Rollen der Räder‘ keinesfalls wahrnehmen. Außerdem starten Hubschrauber für gewöhnlich ohne zu rollen. Es entstehen jedoch in einer so großen und großflächigen Konstruktion viele Nebengeräusche, die Ezechiel zu diesem Vergleich veranlassen konnten“2. Für unseren Zusammenhang interessieren das Methodenbewusstsein von Blumrich und sein Selbstverständnis, auf die er am Anfang seines Buches zu sprechen kommt. Blumrich weist zunächst auf Grundlagen eines wissenschaftlichen Ethos hin. Es sei wichtig sich an Objektivität, geistige(r) Elastizität und der intellektuellen Pflicht bei Widerlegung seiner Auffassungen zu orientieren3. Wohl im Blick auf mögliche Diskussionen, die sein Buch hervorrufen wird, betont er den objektiven Charakter von Argumenten in der Wissenschaft. Dabei wird Objektivität für ihn unterschwellig auf die strenge Perspektive des Ingenieurs bezogen. Objektivität wird nicht mehr als Zielsetzung und Haltung, sondern pragmatistisch als Methode verstanden. „Der bewußte Einsatz von Objektivität mildert die Konflikte ...“4 – sagt ein Subjekt. Durch die bewusst eingesetzte Objektivität gelinge es ihm „den 1 2 3 4

Blumrich, 1995, 11 vgl. auch 17. Blumrich, 1995, 113. Vgl. Blumrich, 1995, 9. Blumrich, 1995, 10.

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ingenieurmäßigen Beweis ... für die technische Korrektheit und Realität der von Ezechiel beschriebenen Raumschiffe und der mit ihnen verbundenen Handlungen und Vorgänge“1 vorzulegen. Den Kontrast zwischen Ezechiels visionärer Sprache und seiner eigenen Ingenieurssprache überbrückt Blumrich dadurch, dass er seine eigene Sprache – die der wissenschaftsfundierten Technik des 20. Jahrhunderts – normativ setzt und damit unvermittelt, das heißt ohne jede Zuwendung zu der fremden Epoche des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts, Ezechiels Sprache als defizienten Modus der eigenen kennzeichnet. Wenn es um objektive Darstellungen geht, erscheinen Blumrich die eigene Sprache und seine wissenschaftliche Disziplin als alternativlos. „Mangels jeder anwendbaren Erfahrung mußte Ezechiel vielfach zu bildhaften Vergleichen greifen ...“2. Der Text sei hinsichtlich seines objektiven Gehaltes nur verstehbar „unter Anwendung der Kenntnisse des heutigen Standes der Raketen- und Raumschifftechnik“3. Aufgrund der durch Blumrich angewandten Methode sei Ezechiels Buch als „eindeutiger Beweis“4 für die präastronautische Hypothese anzusehen und stelle deshalb ein „Schlüsseldokument“5 dar. Zwar sei die Archäologie eine wichtige Zuarbeiterin, doch stellt, gleichgültig was die Archäologie liefere, Blumrich – wiederum in einer Verabsolutierung seiner bereichsbezogenen Perspektive – eindeutig klar: „Doch auch hier liegt die Aufgabe der Beurteilung bei den Ingenieuren“6. Das von Ezechiel beschriebene Raumschiff sei deshalb heute schon fast nachbaubar („... selbst im extremsten Fall schon beinahe im Bereich unserer heutigen Möglichkeiten ...“7). Unfreiwillig komisch wird diese Einordnung der ‚objektiven‘ Verstehensmöglichkeit Ezechiels in zufällig genau Blumrichs Zeit, wenn er sich auf die durch ihn ingenieursmäßig rekonstruierbare Grundform des Raumschiffes bezieht. „Im Übrigen sei ausdrücklich betont, daß die technische Interpretation von Ezechiels Schriften trotz aller Fortschritte der letzten Jahrzehnte erst seit Dezember 1964 möglich ist. Damals veröffentlichte Roger A. Anderson, ein leitender Ingenieur des Langley Forschungszentrums der NASA, eine Arbeit über ‚Structures Technology‘ ..., in der er die von ihm entwickelte Form eines Flugkörpers für den Eintritt in seine literarische Atmosphären beschrieb. Es ist diese Form, die wir im zentralen Hauptkörper des Raumschiffes wiederfinden. Ohne Kenntnis dieser grundlegenden Möglichkeit wäre eine technische Textauslegung auch heute noch nicht durchführbar“8. Der Zufallsgott hilft noch weiter mit. Blumrich hat zur Zeit der Abfassung seines Buches am 5. Februar 1974 das Patent für ein in alle Richtungen bewegliches Rad angemeldet 1 2 3 4 5 6 7 8

Blumrich, 1995, 10. Blumrich, 1995, 10. Blumrich, 1995, 11. Blumrich, 1995, 16. Blumrich, 1995, 17. Blumrich, 1995, 16. Blumrich, 1995, 12. Blumrich, 1995, 13.

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(Omnidirectional Wheel U.S. Patent Number 3,789,947)1, das er interessanterweise auch in der Konstruktionsbeschreibung das Ezechiel-Raumschiffes entdeckt2.

Durch dieses Wechselspiel zwischen eigener Spezialdisziplin und Fragen des allgemeinen Interesses, woher der Mensch überhaupt komme und was sein Auftrag im Kosmos sei, stellt Blumrich zusammen mit seiner ganz persönlichen Spezialistenperspektive einen universalen Orientierungsanspruch auf. Die folgende Passage macht deutlich, wie wenig eine derartige ‚Ingenieursperspektive‘ Zugang zu geisteswissenschaftlicher Hermeneutik hat. Wolfgang Volkrodt (1925-2000)3, deutscher Physiker und Elektrotechniker, langjähriger Leiter von Entwicklungsabteilungen der Siemens AG, der über 150 Patentanmeldungen hält und das Thema ‚Elektrosmog‘ breitenwirksam bekannt macht, publiziert auch im Bereich der Präastronautik. Er beschreibt 1984 die peruanische Raimondi-Stele (ca. 900-550 v. Chr.)4 seiner Fachrichtung gemäß als urtümliche Dampfmaschinendarstellung: „In der Art, wie man Kreuzworträtsel löst, nahm ich mir die Raimondi-Stele zwecks Entschlüsselung vor. Zur Hilfe kam mir eine altertümliche Hochschulausbildung in Maschinenelementen und 30 Jahre Industriepraxis in der Energietechnik. Ich entdeckte 2 mal 8 Hebel ähnlich Pumpenschwengeln im Zusammenwirken mit einer gleichen Zahl von Hebeln mit Schlangenköpfen. Zwischen ihnen waren weitere kleine Hebel, abwechselnd solche zum Abstoßen und solche zum Zurückholen. In Bildmitte türmten sich vier kochtopfähnliche Kessel aufeinander. In ihnen fand ich Symbole, am deutlichsten im zweiten von oben: Symbole für kaltes Kesselspeisewasser und in den unteren solche für Dampf, Rauch und Feuer, – und alles war komplett für die Kesselanlage einer Dampfmaschine. … Daraus machte ich eine perspektivische Zeichnung … Vor mir stand ein Vorzeitcherub, der mit Feuer, Rauch, Dampf und schwingendem Schwert verbotene Orte bewachte“5. Historische Texte werden wie einfache Anweisungen zum Aufbau eines Ikea-Regals gelesen.

Am Ende seines Buches fasst Blumrich die für ihn einzigartige Objektivität und Stimmigkeit seiner Interpretation in der folgenden Weise zusammen: „Diesen in sich geschlossenen Nachweis weiterhin durch die Aufrechterhaltung von Vision, Traum, Halluzination oder dichterischer Erfindungen negieren zu wollen, setzt die

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Blumrich, J., Patents of Nasa Engineer Josef F. Blumrich Patent Title Omnidirectional Wheel. U.S. Patent Number 3,789,947 Date Issued February 5, 1974 Application Date April 17, 197. Zit. nach: http://www.spaceshipsofezekiel.com/other/US_Patent_3789947omnidirectional_wheel.pdf. Er beschreibt seine Erfindung in der Patentanmeldung folgendermaßen: „This invention relates in general to wheels such as may be used for propelling and giving direction to driven vehicles. The purpose of the invention is the achievement of maximum directional driving capability of a vehicle operating on the ground“. Vgl. Blumrich, 1995, 59-63. http://www.verlag-hartmut-becker.de/Der_Verlag/Autoren_innen/Wolfgang_Volkrodt_/ wolfgang_volkrodt_.htm. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Raimondi-Stele. Volkrodt, 1984, 5.

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Annahme einer langen Reihe von Zufällen voraus, die zur Begründung aller ihr nachgewiesenen Übereinstimmungen notwendig werden. Die Gegenüberstellung eines solchen Akzeptierens von Zufällen mit einer analytischen und konstruktiven Beweisführung illustriert die Haltlosigkeit der ersteren Einstellung“1. Kosmische Schicksale des Menschen werden ingenieurwissenschaftlich verstehbar. Derartige Auslegungen geschehen auf einer altvertrauten Folie: der Pluralität der Welten und ihrer möglichen Bewohner.

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Blumrich, 1995, 218.

§ 32 Das Thema der Vielheit der Welten – ein Blick in die abendländische Geistesgeschichte I.

Am Vorabend der Astronautengötter

Das Thema der Vielheit der Welten, welches der ufologischen und präastronautischen Religiosität zu Grunde liegt, ist in der abendländischen Geistesgeschichte nicht neu und kann hier nur ganz exemplarisch behandelt werden. Der Maßstab der exemplarischen Auswahl von Beispielen aus den einzelnen Epochen der abendländischen Geistesgeschichte orientiert sich dabei an der Suche nach Positionen, die das spezifisch ufologische beziehungsweise präastronautische Erkenntnisinteresse als ein Interesse, die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne zu bewältigen, ans Licht heben können. Wenn es im Kosmos viele Welten gibt, dann möchte man sie prinzipiell bereisen. Im Gegensatz zu antiken Erzählmustern wie der Entrückung und der Jenseitsreise, in der im einen Falle ein Mensch durch Götter oder Gott endgültig in den Himmel ‚entrückt‘ und im anderen Falle ein Mensch durch einen Gott oder einen Deuteengel auf eine visionäre Reise durch transzendente Dimensionen mitgenommen und wieder zurückgebracht wird, geht es hier um die Darstellung einer realen Reise beziehungsweise Reisemöglichkeit1. Da es in diesem Zusammenhang um die Frage nach der spezifischen Bewältigung der kopernikanischen Orientierungsaufgabe in der Ufologie und der Präastronautik geht, soll dieses Thema der realen Raumreise zu anderen Welten nur anhand zweier geistesgeschichtlicher Anfangspunkte dargestellt werden. Das Schwergewicht wird im Folgenden dann auf einer geistesgeschichtlich eingeleiteten Exposition der Problemzusammenhänge der kopernikanischen Orientierungsaufgabe, auf die sich Ufologie und Präastronautik beziehen, liegen. Im Abendland steht am Anfang der Erzählungen über extraterrestrische Reisen Lukian von Samosatas (*um 120 – nach 180) satirische Erzählung Vera historiae. In dieser entführt ein Wirbelsturm ein Schiff auf den Mond – der ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. vereinzelt als bewohnt betrachtet wird2 – und die Besatzung lernt nicht nur die Mondbewohner kennen3, sondern erfährt auch einiges über die Sonnen- und die Kometenbewohner, bei letzteren sei etwa über „dem Steiß … jedem von ihnen ein Kohlkopf gewachsen wie ein Schwanz“4. Die in der Antike verbreiteten Motive der Entrückung und der Jenseitsreise werden dabei satirisch transformiert5. Auf diese Weise wird aus einer Jenseitsreise eine ‚empirische‘ Raumreise. Diese an Plutarchs (*um 45 – um 125) De facie in orbe lunae angelehnte Er1 2 3 4 5

Vgl. dazu Hauser, Bd. 2, 323-347. Vgl. Dick, 1982, 19. Vgl. Lukian, 1983, 625-635. Lukian, 1983, 632. Vgl. Möllendorf, 2005, 189.

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zählung1 ist die früheste Erzählung einer Mondreise. Mentalitätsgeschichtlich wichtiger ist jedoch der Bezug auf das Thema der Vielheit der Welten. Der anglikanische Bischof von Llandaff Francis Godwin (1562-1633) verfasst um 1627/28 den Roman The Man in the Moone, or a Discourse of a Voyage thither, by Domingo Gonsales, the Speedy Messenger (deutsch: Der fliegende Wandersmann nach dem Mond: Oder Eine gar kurtzweilige und seltsame Neuen Welt des Monds, 1659), der 1638 posthum veröffentlicht wird. Godwin lässt sein literarisches Ich Domingo Gonsales Betrachtungen über seine Luftreise anstellen, dabei Bezug auf Nikolaus Kopernikus (1473-1543) nehmen und nach dem Hinweis, dass er in diesem Zusammenhang nicht über dessen Theorie der Sonne reden wolle, bemerken: „Es ist mir genug/ daß ich die Bewegung/ der Erde mit meinen Augen gesehen habe/“2. Damit antizipiert er in der Fantasie den durch Astronauten berichteten Overview-Effect beim Blick auf den Globus vom Weltraum aus3, der eine dem Eindruck des Teleskops folgende sinnlich-anschauliche Bestätigung des kopernikanischen Weltbildes darstellt. Schon in der Vorrede stellt Godwin sein Projekt in den Kontext der kopernikanischen Orientierungsbewegung. Bereits die Pythagoräer hätten Gedanken gehabt, die durch Kopernikus dann eine breite Öffentlichkeit gefunden hätten, „dass die Erde gleich den andern Planeten scheine und glaenzen/ und jene hingegen gleicht der Erden/ rechte Körper ... unnd mit unzehlichen Creaturen besetzet seyn muessen“4. Godwin schildert im Folgenden die Begegnungen mit Mondbewohnern und eröffnet damit eine neue Dimension im Umgang mit dem Thema der Vielheit von Welten und so den Eröffnungshorizont eines möglichen Dialoges. Der Roman ist nach Guthke das „erste Werk der Weltliteratur, das … die eigentliche Begegnung des homo sapiens mit seinem extraterrestrischen Gegenüber philosophisch-imaginativ gestaltet im Horizont der kopernikanischen Kosmologie, wie sie Galilei veranschaulicht hatte“5. Die ‚technischen‘ Reiseprobleme sind in dieser Perspektive auf ihre – prinzipiell technische, bewältigbare Weise – weniger groß als die metaphysische Deutung der möglichen oder wirklichen Pluralität von Welten. Steven J. Dick weist in seinem Buch über die Plurality of Worlds. The Origins of the Extraterrestiral Life Debate from Democritus to Kant6 darauf hin, dass der Terminus extraterrestrisches Leben zur Moderne gehöre und zunächst einmal nach Gedanken zum Thema Vielheit der Welten Ausschau gehalten werden müsse7.

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Vgl. Wälchli, 2003, 166-199. Godwin, 1659, 64. Vgl. dazu White, 1989. Godwin, 1659, Vorrede ohne Seitenangabe (Zählung Seite 3). Guthke, 1983, 140. Hinweise auf antike und mittelalterliche Autoren stammen, wenn nicht anders angegeben, aus diesem Buch und wurden dann verifiziert. Lukrez, 1957, 92. Vgl. Dick, 1982, 2.

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Im Griechischen taucht dieser Gedanke als der nach den aperoi kosmoi auf, im Lateinischen ist von den plures mundi die Rede. Epikur (um 341 – um 271 v. Chr.) bestimmt in seinem Brief an Pythocles1 den Begriff Welt als „eine Art Behältnis des Himmels, das Sterne, Erde und alles Erscheinende umfaßt; sie stellt einen Abschnitt dar aus dem Unendlichen und endigt ... in eine Begrenzung, die entweder im Umschwung begriffen oder in Ruhe ist und einen runden oder dreieckigen oder wie immer gearteten Umriß hat; denn es liegen alle Möglichkeiten vor“. Epikur kommt dann im übernächsten Satz auf die Pluralität der Welten zu sprechen. „Daß es aber derartige Welten unzählig viele gibt, ist begreiflich, und ebenso begreiflich, daß eine derartige Welt sowohl in einer Welt entstehen kann wie in einer Zwischenwelt, mit welchem Namen wir den Zwischenraum zwischen den Welten bezeichnen“2. Bedeutsam für unseren späteren Zusammenhang mit der Präastronautik ist es darauf hinzuweisen, dass bei Epikur und im Epikureismus eine Kosmologie entworfen wird, die auf der einen Seite die Existenz von abgründigen Göttern annimmt, diesen allerdings keine Bedeutsamkeit für den Menschen zuweist. Es gibt keine Schöpfung durch eine transzendente personale Seinsheit. Dass überhaupt etwas ist und nicht Nichts ist eine Art von Zufall. In seinem an Herodot (um 486 – um 424 v. Chr.) gerichteten Schreiben beschreibt Epikur diese zufallsbestimmte Gestaltwerdung unserer Welt(en). Er geht davon aus, dass die „Welten und jedes begrenzte Atomengebilde ... aus dem Unendlichen hervorgegangen sind, indem sich alle diese körperlichen Massen aus eigenartigen Atomenwirbeln ausgeschieden haben, sowohl die größeren wie die kleineren, und sie alle sich auch wieder auflösen, die einen schneller, die anderen langsamer, wobei die einen solche Veränderung durch diese, die anderen durch jene Einwirkungen erfahren“3. Lukrez (um 97 – um 55 v. Chr.) schreibt, wirkungsgeschichtlich bedeutsam Epikur auslegend, in seiner berühmten Schrift über die Natur der Dinge: „Merke, die ganze Bewegung beginnt hier bei den Atomen. Denn es erhalten zuerst die Urelemente den Anstoß, Hierauf werden die Körper, die wenig Verbindungen haben Und in der Kraft sich am nächsten den Urelementen vergleichen, Durch unmerkbare Stöße von diesen dann weiter getrieben, Und sie führen dann selbst den Stoß auf die größeren weiter, So geht von dem Atom die Bewegung empor und sie endet Mählich bei unseren Sinnen, bis endlich auch das sich beweget, 1

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Es entzieht sich meiner Beurteilungsfähigkeit, ob dieser Brief echt ist oder nicht. Vgl. dazu die Lösung von Rozelaar, 1943, 179, der die folgende Passage als authentische Wiedergabe der Gedanken Epikurs versteht. Diogenes Laertius, 1990, Bd. 2, 264 (X,88); vgl. auch 243f (X,45f). Diogenes Laertius, 1990, 256 (X,73).

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Was wir im Lichte der Sonne mit Augen zu schauen vermögen, Ohne doch deutlich die Stöße zu sehn, die Bewegung erregen“1. Doch kann gesagt werden, dass, nicht nur aufgrund der dauerhaften Wirkung der Philosophie von Aristoteles, die Frage nach einer Pluralität von Welten in der Antike und im Verlauf des Mittelalters keine große Rolle spielt2. Es gibt auch theologische Gründe. Thomas von Aquin plädiert in seiner Summa Theologica unter Rückgriff auf Platon und Aristoteles aus schöpfungstheologischen Gründen für die Einheit der Welt. „Was immer aber von Gott ist, ist unter sich aufeinander und auf Gott hin geordnet ... Darum ist es notwendig, daß alles zu einer einzigen Welt gehört ... – Darum konnten diejenigen, welche als Ursache der Welt nicht eine ordnende Weisheit annahmen, sondern den Zufall, mehrere Welten (plures mundos) annehmen“3. Regine Kather fasst das kosmologische Lebensgefühl des mittelalterlichen Menschen anschaulich zusammen: „Das All erscheint auf dem Hintergrund des ptolemäischen Weltbildes als ein Gebilde wohlgeordneter, übereinander gelagerter Kreise. Die im Zentrum ruhende Erde wird von kosmischen Sphären umgeben, die aus den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer gebildet sind. Gott hat die Welt mit einer Vielfalt von Geschöpfen erfüllt, von denen jedes seinen Platz in einer Welt hat, die im Schöpfungsakt ausdrücklich als ‚gut‘ bezeichnet wurde. Der Makrokosmos bildet ein labiles Gleichgewicht von Kräften, welches durch das Zusammenspiel der Elemente und eine Vielfalt unterschiedlicher Lebewesen gebildet wird. Der Kosmos gleicht einem lebendigen Organismus, dessen Ganzheit nur durch das Zusammenwirken aller Teile entsteht. Dergestalt gehalten und geborgen, ist dem Menschen die Erfahrung noch unbekannt, sich in einem rein von mechanischen Gesetzen bewegten, geistleeren Universum zu befinden, dass ihm kalt und fremd gegenübersteht“4.

Diese Betrachtungsweisen ändern sich zu Beginn der Neuzeit. In seiner Schrift De docta ignorantia (1440) entwirft Nicolaus Cusanus (14011464) ein gegenüber Thomas bzw. Aristoteles andersartiges Bild unseres Kosmos. Ausgehend von der Voraussetzung, dass es eine Vielheit der Welten gebe, fragt Cusanus zum ersten Mal in der Geistesgeschichte5 spezifisch nach dem kosmischen ‚Status‘ des Menschen beziehungsweise der Erdregion. Er stellt fest, dass der Mensch keine Antwort auf derartige Fragen finden könne und sich seinen Wesenszügen gemäß gestalten müsse. Doch kann er diese zunächst einmal nach Einsamkeit im Kosmos klingende Situation in einem theologischen Rahmen stellen. Aus menschlicher Perspektive gäbe es keine Antwort auf die Frage nach dem Stel1 2 3 4 5

Lukrez, 1957, 65. Vgl. Dick, 1982, bes. 23. Summa Theologica I, qu.47 (Thomas, 1936, Bd. IV, 84). Kather, 2004, 22. Vgl. Dick, 1982, 42.

DAS THEMA DER VIELHEIT DER WELTEN

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lenwert des Menschen. Aus göttlicher Perspektive hingegen stünden die unterschiedlichen kosmischen Regionen in einem harmonischen Verhältnis und könnten in analoger Redeweise gemeinsam das Bild eines großen kosmischen Geschöpfes darstellten. „Daraus geht hervor, der Mensch könne nicht wissen, ob die Region der Erde sich in einem vollkommeneren oder weniger vollkommeneren Grade, im Verhältniß zu den Regionen der andern Sterne, der Sonne, des Mondes befinde. … Denn, wenn gleich Gott das Centrum und die Peripherie aller Sternenregionen ist (centrum et circumferentia omnium regionum stellarum1), und von ihm Naturen von verschiedenem Werthe ausgehen, so daß jede Region bewohnt, und so viele Räume des Himmels und der Sterne nicht leer an Wesen sind, und wohl nicht diese Erde allein von geringeren Wesen bewohnt ist, so scheint es doch keine edlere und vollkommenere Natur, als die geistige, die sich auf unserer Erde vorfindet, zu geben, mögen auch Geschöpfe ganz anderer Art in andern Sternen wohnen, denn der Mensch hat kein Verlangen nach einer andern Natur, er will nur in seiner Natur vollkommen sein. Es stehen daher die Bewohner anderer Sterne, wie sie nun auch sein mögen, in keinem Verhältniß (improportionabiles sunt) zu den Bewohnern dieser Erde, wenn auch jene ganze Region zu der ganzen Erde für den Zweck des Universums in einem verborgenen Verhältniß stehen mag, … so daß Alles die Proportion eines vollständigen lebenden Wesens annimmt. Da nun jene ganze Region uns unbekannt ist, so bleiben auch die Bewohner derselben uns ganz unbekannt …“2.

Aufgrund seines Bezuges auf die christliche Gottesidee kann Cusanus metaphysische Orientierungsprobleme vermeiden. Er zitiert ein aus neuplatonischen Kontexten stammendes, im Mittelalter weit verbreitetes Wort, wenn er in obigem Zitat noch einmal das sinngemäß sagt, was er vorher ausdrücklich schreibt: „Gott also, der das Centrum der Welt ist, ist auch das Centrum der Erde und aller Himmelskörper und von Allem, was in der Welt ist; er ist zugleich die unendliche Peripherie von Allem“3. Cusanus bezeichnet Gott auch als das „Sein, in dem Alles ohne Vielheit das absolut Größte selbst ist ... Auf ähnliche Weise ist die Welt oder das Universum das concret (contractum) Größte und Eine, den concreten Gegensätzen vorausgehend“4. Das, was im allumfassenderen göttlichen Sein eingefaltet ist, wird durch das Schöpferwerk Gottes entfaltet (contractum). Regine Kather schreibt zur Bedeutsamkeit dieser Position: Nicolas Cusanus erarbeitet „mit rein philosophisch-logischen Argumenten eine Kosmologie, die sehr viel radikaler war als die naturwissenschaftlich begründete von Kopernikus, Galilei und Kepler. ... Weder die Erde noch, wie Kopernikus glaubte, die Sonne bildeten ein ausgezeichnetes Bezugssystem.

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Zit. nach der lateinischen Ausgabe in: http://bivio.filosofia.sns.it/bvWorkPage.php?pbSuffix=152%2C214427. Cusanus, 1862, 67f. Cusanus, 1862, 62f. Cusanus, 1862, 43f.

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Erst Einsteins Relativitätstheorie wird ein physikalisches Modell vom Universum entwickeln, das ebenfalls auf jeden Mittelpunkt verzichtet“1.

Die theologischen Implikationen der Frage nach der Vielheit der Welten zeigen sich zugespitzt in der gesamten Frage nach dem Heilshandeln Gottes an den Menschen durch Jesus Christus beziehungsweise durch einen biblisch fundierten Glauben im Hinblick auf mögliche Bewohner dieser anderen Welten. Philipp Melanchthon (eigentlich Philipp Schwartzerdt; 1497-1560) bringt in seinen Initia doctrinae physicae das theologische Problem auf den Punkt. „Wir wissen, dass Gott mit uns Bürger (civem) dieser einen Welt (unicus mundus) ist, Wächter und Erhalter dieser Welt, der die Himmelsbewegungen regiert, und über die Verhältnisse wacht, diese Erde fruchtbar macht und für uns sorgt – wir müssen ihn nicht als fern seiend in einer anderen Welt und sich um andere Menschen sorgend fantasieren. ... Einer ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, unser Herr, der in diese Welt eintrat, starb und auferweckt wurde. Nirgendwo anders zeigte er sich, nirgendwo anders starb er oder wurde er auferweckt“2. Und auch später noch, als sich der Gedanke an Extraterrestrier immer mehr einnistet, etwa bei Noel-Antoine Pluche (1688-1761)3 in seinem neunbändigen Spectacle de la nature, ou Entretiens sur les particularités de l‘histoire naturelle qui ont paru les plus propres à rendre les jeunes gens curieux et à leur former l‘esprit, finden wir den Versuch, den Menschen eine besondere Gottesbeziehung gegenüber den Bewohnern anderer Welten zuzugestehen, ohne dass man eine systematische Begründung für diese Sonderstellung im nachkopernikanischen Kosmos finden könnte. Pluche schreibt, dass die Bewohner der unterschiedlichen Welten jeweils unterschiedliche Weisen der Gottesverehrung hätten. Dann nimmt er Bezug auf die Art und Weise, wie die Menschen Gott verehren. „Wir verehren ihn ebenso wegen unserer Sonne, wegen unseres Mondes, wegen unseres Himmels, wegen unseres Jahres, wegen unserer Atmosphäre und wegen der besonderen Vorsehung ... Wir sind im Mittelpunkt, weil wir die einzigen im ganzen Universum sind, für die diese (besondere) Fürsorge getroffen wurde“4. Eine weitere wichtige Station auf dem Weg zum Verständnis der Ufologie und der Präastronautik als Reaktionen auf die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne und speziell die der kopernikanischen Orientierungsaufgabe ist die „Pluralitätsphilosophie“5 von Giordano Bruno (1548-1600). Der „bekennende Kopernikaner“6 hält begeisterte Vorträge über das heliozentrische Weltbild, stellt seine Kosmologie allerdings in einen anderen, nämlich metaphysischen Kontext,

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Kather, 2004, 23. Melanchton, 1550, 43, Übersetzung L.H. Auf Pluche macht Guthke, 1983, 211f aufmerksam. Pluche, 1742, Bd. IV, 520, Übersetzung L.H. Guthke, 1982, 67. Vgl. auch Dick, 1982, 62-70. Dick, 1982, 62, Übersetzung L.H.; vgl. Guthke, 1982, 67.

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der ihn mit dem ihm bekannten Thomas Digges (1546-1595), der im Gegensatz zu Kopernikus einen grenzenlosen Kosmos annimmt, verbindet. Aufgrund seines Gottesbildes gelingt ihm aus metaphysischen und nicht aus naturwissenschaftlichen1 Gründen eine Zusammenschau von Kopernikus und Epikur/ Lucrez2. In seinen Zwiegespräche vom unendlichen All und den Welten (De l‘infinito, universo e mondi, 1584) präsentiert er seinen durch hermetische Philosophie angereicherten lukrezisch-kopernikanischen Kosmos: „Daß Gott sich lieber nur im geringsten Grade oder so gut wie gar nicht offenbare, als dem vollen Begriffe seiner herrlichen Macht und Wesenheit gemäß? Warum soll jene unendliche Fassungsmöglichkeit um ihre Hoffnung, um die Wirklichkeit unzähliger Welten betrogen worden sein, hintergangen sein um die Herrlichkeit des göttlichen Abbildes, welches nur in einem schrankenlosen und einem seiner eigenen Seinsart entsprechenden unermeßlichen, unendlichen Spiegel völlig widerstrahlen kann!“3 Wenn Gott also etwas unermesslich Großes schaffen könne, dann müsse er dies auch geradezu tun4 – für welches Geschehen die „Weltseele“ als bewirkendes mediatorisches Prinzip, als forma universale5 zuständig ist. Helmut Zander macht auf einen für das 17. Jahrhundert und später kulturgeschichtlich wesentlichen Gesichtspunkt im Hinblick auf die Bedeutung des Teleskops aufmerksam, das durch Galileo Galileis Mondbeobachtungen und seine Entdeckung der Jupitermonde Io, Europa, Ganymed und Kallisto (1610) für die Astronomie bedeutsam wird6. Jeder, der Augen hat zu sehen, kann nun, durch das Teleskop sehend, die Einzigartigkeit Erde bestreiten7. Durch das Teleskop werden „kategorial neue, weil für die natürlichen Sinne unzugängliche Welten ‚geschaffen‘“8, die neue metaphysische Interessenlagen hervorrufen. Dabei wird der „sichtbare Himmel als religiöse Welt infrage gestellt ... weil er für die menschliche Wahrnehmung zugänglich und analysierbar wurde“9. Noch wichtiger als die Entdeckung der Jupitermonde sind für unseren Kontext die Beobachtungen Galileis zur Mondoberfläche. Hatte Aristoteles wirkmächtig die These vertreten, dass der Mond glatt und vollkommen rund sei, so zeigt sich durch das Fernrohr, das er insofern der Erde ähnlich ist, als man auf ihm Landschaften wie auf der Erde, ja sogar Regionen, die, wie Galilei feststellt, Böhmen gleichen, erkennen kann10. Nicht alle fühlen sich durch diese neuzeitliche Vorgehensweise befreiter.

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So Guthke, 1983, 70. So Guthke, 1983, 69. Bruno, 1980, 40. Vgl. Kather, 2004, 43. Bruno zit. nach Schlette, 1993, 173. Vgl. dazu Guthke, 1982, 88f und King, 2003, 34-47. Vgl. Guthke, 1982, 90. So Helmut Zander, 2009, 18 im Blick auf den Spiritismus – allerdings auch in diesem Kontext passend. Er schließt dabei auch das Mikroskop in seinen Gedankengang ein. Zander, 2009, 20. Vgl. Guthke, 1982, 91.

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Der Katholik und spätere anglikanische Kleriker John Donne (1572-1595) spricht in seinen metaphysischen Gedichten dieses Thema an. Die ersten nun zitierten fünf Zeilen aus Donnes Gedicht An Anatomy of the World. The First Anniversary1 (1611), „Und Neue Philosophie setzt alles Zweifeln aus, Das Element des Feuers wird völlig ausgemacht; Die Sonne ist verloren, und die Erde, und keines Menschen Geist ist in der Lage nun zu ihnen den Weg zu finden“, habe ich schon im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft zitiert, um die kopernikanische Orientierungsaufgabe zu veranschaulichen. Einige Zeilen später fährt Donne im Blick auf die moderne Betrachtungsweise des Kosmos fort: „Und in diesen Konstellationen tauchen neue Sterne auf, Und alte verschwinden vor unseren Augen; Als ob der Himmel Erdbeben, Frieden oder Krieg erlitte ... Der Mensch hat ein Netz geflochten und dieses Netz ausgeworfen Über die Himmel (heavens) – und jetzt sind sie die seinen“. Die ‚neue Philosophie‘ beziehungsweise Naturwissenschaft des Kopernikus und Galileis, der mit seinem Fernrohr ‚unzählige andere Welten‘ aufspürt, lässt John Donne unter dieser metaphysischen Orientierungsaufgabe leiden. Donne gesteht seine „Ratlosigkeit“2 – und beschließt diese Krise, indem er sich 1915 (drei Jahre nach der Entstehung seines Gedichts) zum anglikanischen Pfarrer ordinieren lässt3. Donnes metaphysische Bedürfnislage hat ihren Gegenpart in einer wachsenden Zahl der Vertreter einer „Philosophie der Mehrheit der Welten“4. Guthke schreibt, dass sich durch das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch Brunos Gedankenwelt ausbreite und dogmatische Grundpositionen des Christentums zersetze. Und wo diese Position an die „Oberfläche dringe, mache sich in der Regel auch die Überzeugung geltend, für die Brunos immer lauter geflüsterter Name das Stichwort gewesen sei: die Ansicht, daß ‚wir nicht allein‘ seien“5. Denkfiguren des Cusanus greift der deutsche Jesuit Athanasius Kircher (16021680) auf und führt dem Leser auf seiner Iter extaticum coeleste/ Ekstatischen

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Aus diesem Gedicht (Donne, 1912, 231-245, in Auszügen, Übersetzung L.H.) zitiere ich im Folgenden die Verse 205-208, 259-261, 279f. Guthke, 1983, 108. Vgl. Guthke, 1983, 109. Guthke, 1983, 74. Guthke, 1983, 74.

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Himmelsreise (1656) ein Universum mit vielen Sternen vor, verzichtet aber auf den durch Thomas Digges und Giordano Bruno eingebrachten Gedanken der Unendlichkeit des Universums. Das endlichen Maßstäben zugängliche, durch Gottes Schöpferwort aus seiner Allheit eingefaltete Universum werde begrenzt durch einen „Himmelshimmel“1, als Sphäre des unendlichen Seins Gottes. Hatte Kircher immer wieder im Anschluss an Cusanus darauf hingewiesen: „Es kommt hinzu, dass wenn die Welt hier alles verbindet und sie das größte Entgefaltete ist, wie es nicht noch größer gedacht werden kann, dann würden vergebens andere geschaffene Welten erfunden werden. ... Es bleibt daher eine einzige Welt vom höchsten Gott aufs Beste zusammengefügt worden und dies höchst perfekt in allen Teilen“2. Das Empyreum wird dann allerdings, im Gegensatz zu der Konzeption des Cusanus, in spezifisch neuzeitlicher Orientierung am Empirischen zwar als Grenze aller endlichen Reisemöglichkeiten, aber nicht als Ende des Universums beziehungsweise aller Maßstäbe überhaupt gefasst, sondern als non sit extra mundum und als partem mundi constitutivam verstanden3. „Beschert uns Kircher nun also durch die Hintertür die Unendlichkeit, die er bis dahin in der Ekstatischen Reise vielfach verneint hat? Schließlich gehört das Empyreum ja ausdrücklich zum physischen Teil der Welt“4. Digges und Bruno melden sich hier mit ihrer kosmischen Unendlichkeit. In Blaise Pascals (1623-1662) Pensées sur la religion et sur quelques autres sujets (posthum 1670), die wie ein kleiner vorausgehender Kommentar zu Jean Pauls Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei klingt, findet sich folgende Reflexion. „Wenn ich sehe, wie blind und elend die Menschen sind, wenn ich bedenke, daß das ganze Weltall stumm und der Mensch ohne Einsicht sich selbst überlassen ist wie ein Verirrter in diesem Winkel des Weltalls, ohne dass er wüßte, wer ihn dorthin gebracht, was da zu tun ist, noch was ihm widerfahren wird, wenn er stirbt, und bedenke, wie unfähig er ist, irgend etwas gewiß zu wissen, dann überkommt mich ein Grauen, wie es einem Menschen überkommen müßte, den man im Schlaf auf einer wüsten und schreckvollen Insel ausgesetzt und der erwachend weder weiß, wo er ist, noch wie er entkommen kann. Bedenke ich das, dann wundere ich mich, wie es möglich ist, daß man ob solch elender Lage nicht verzweifelt. Ich finde andere Menschen in meiner Nähe, deren Natur meiner gleicht: ich forsche sie aus, ob sie mehr wissen als ich; sie erwidern mir, nein“5.

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Siebert, 2006, 85. Kircher, 1656, 391 vgl. auch 351, Übersetzung L.H. Ich verwende für contractum den Terminus ‚entgefaltet‘; Grotz, 2009, etwa 193 schlägt eher ‚eingefaltet‘ vor. Zit. nach Siebert, 2006, 86. Siebert, 2006, 85. Pascal, 1977, 318 (Fragment 693).

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Pascal beklagt nicht nur die Unübersichtlichkeit des Kosmos an sich, sondern auch die Unübersichtlichkeit eines Kosmos, in dem es viele royaumes, bewohnte Welten gebe1. Auf diese Weise wird aus den „Gedankenspielen der Antike … wissenschaftlich betriebener Ernst“2. Ich beschließe die exemplarischen Beispiele dieses Abschnittes mit einem Text von Barthold Heinrich Brockes (1680-1747), der das teleologische Begründungsmuster der Aufklärung enthält und zugleich einen zusammenfassenden Schlusspunkt setzt3. Brockes schreibt in seinem Werk Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physikalisch- und Moralischen Gedichten: „Da, wo die gedehnte Luft, die den Erden-Kreis umringt, Und durch unaufhörlichs Dueften aus der Erd‘ und Fluth entspringt, Ihre Graentzen hat, sich endet, und zuletzt sich so verduennt, Daß derselben Wesen selbst unsers Geists Begriff entrinnt; Dahin soll sich jetzt mein Geist, und des Denckens Kaft erstrecken, Um, wo möglich, neue Wahrheit, GOTT zum Preise, zu entdecken. HERR, ich suche, laß mich hier In dem unermeßlichen nur durch Dich erfuellten Gruenden, Spuren deiner ew‘gen Liebe, ew‘gen Macht und Weisheit finden! Welch Bodenloser Abgrund, welche weite sonder Schrancken, Welch ein ungeheurer Raum, welch ein und aufhoerend Meer Oeffnet seine tieffe Weite, zeiget sein und endlichs Leer Dient darueber gantz erstaunten und verwirreten Gedancken! Alle Graentzen ziehen sich unbegreiflich weit zurueck; Es erstaunt ob dieser Tieffe selbst der Seelen reger Blick; Ihre Kraefte werden hier schwindelnd gleichsam umgeschwungen; Ja es wird ihr denckend Wesen fast gehemmet, fast verschlungen! Soviel man ermessen kann, scheinet diese Tieffe rein, Und von allem irdischem Stoff und Wesen leer zu seyn. ... was (wenn man es wol erweget) Muß indem verklaertem Raume fuer ein Glantz und Schimmer seyn! Was für Wundervolle Kraefte, die dort aus der Sonnen quillen, Welch ein Anmuthreiches glaentzen muß hier diese Tieffe fuellen! Wie muss alles hier so herrlich, froelich, heiter, hell und klar, Lieblich, schoen und glaentzend seyn, da das Licht unmittelbar Solche Creaturen trift, die des reinen Feuers brennen Und sein Licht ohn Gegenschlag sehen, und ertragen können! 1 2 3

Vgl. Guthke, 1982, 110f. Siebert, 2006, 58. Vgl. Guthke, 1983, 285. Der Hinweis auf diese Stelle (Brockes, 1740, 15-17, in Auszügen, zit. nach dem Scan der Deutschen Digitalen Bibliothek: http://reader.digitalesammlungen.de/resolve/display/bsb10106376.html) findet sich bei ihm auf S.274.

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... Welche sueß‘ und reine Wollust muessen die Geschöpf‘ empfinden, Die sich dort, ohn alle Hindrung, von dem Licht bestrahlet finden, Fuehlen und durchdrungen sehn! Denn wer glaubt nicht GOtt, zur Ehr, Daß der Raum ohn alle Graentzen nicht von Creaturen leer; Sondern ebenfals von Wundern seiner Macht und Weisheit voll? Wer dem wiedersprechen wollte, denckt fuerwahr nicht wie er soll. Heischet es den Menschen Pflicht, von der Gottheit stets das Groeste, Herrligst‘, Allerwuerdigste, dass Vollkommenste, dass Beste Zu gedencken und zu glauben, so wird man ja dieß nicht fassen, Daß der Schoepfer solches Raums tieffe Tieffen leer gelassen; Leer von allen Gegenwuerffen von seiner Weisheit, seiner Liebe, Die ihm doch allein die Wunder, die er schuf, zu schaffen triebe: Leer von einem jeden Vorwurf seiner unumschraenckten Macht ...“

Damit sind in diesem kurzen Blick auf die abendländische Geschichte des Vielzahl-von-Welten-Themas– bis auf einen kurzen Blick auf den populärphilosophischen Evolutionismus – die wesentlichen Mosaiksteine gesammelt, die für das Verständnis der Ufologie und der Präastronautik wichtig sind. Sie betreffen unter den metaphysischen Orientierungsaufgaben vor allem die kopernikanische Aufgabe. Inwiefern die Präastronautik in der Lage ist, eine für das populäre Bewusstsein plausible Bearbeitung der darwinischen, der freudianischen und der androidischen Orientierungsaufgaben zu geben, wird später Thema sein. Fassen wir die Problemstellungen hinsichtlich der Pluralität der Welten noch einmal zusammen. Mit der atomistischen Philosophie des Epikur und des Lukrez ergibt sich die mögliche Situation, in einem viele Welten in sich bergenden Kosmos zu leben, der zufällig zu Stande kommt, aber dennoch auf natürliche Weise durch die ‚Physik‘ erklärbar ist, dessen Götter sich um uns Menschen nicht kümmern und in dem man nachtodlich nur das Nichts des Grabes zu erwarten hat. Die Antwort des Menschen auf diese Situation könne – so die Epikuräer – nur die der seiner radikalen Endlichkeit bewussten weisheitlichen Lebensweise sein, die das Angenehme des jeweils heutigen Tages annimmt, ohne ihm nachzujagen und ohne das Morgen zu fürchten. Thomas von Aquin verweist darauf, dass der Monotheismus notwendig ein einheitliches Universum voraussetze. An der Schwelle zur Neuzeit jedoch nimmt Nicolaus Cusanus die Existenz vieler Welten an, geht davon aus, dass die Menschen – bis auf den zur Geschöpflichkeit gehörenden Geistbesitz – keine Vergleichsmöglichkeiten im Hinblick auf Bewohner anderer Welten haben und dass es einen personalen Schöpfergott gibt, der den gesamten Kosmos in sich so geordnet hat, dass dieser ihm gleichsam als kosmisches Gesamtgeschöpf entgegentreten könne. Was aber geschieht, wenn sich diese Betrachtungsweise einerseits als triftige Ausgangssituation der Frage nach der Existenz vieler Welten und der mangelnden Vergleichsmöglichkeit mit anderen möglichen extraterrestrischen Intelligenz

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ergibt und andererseits die schöpfungstheologische Perspektive des Cusanus aufgegeben wird? Philipp Melanchthon wendet ein, dass die Einzigartigkeit des Christusgeschehens die Singularitätsthese im Hinblick auf die Weltendiskussion notwendig impliziere, doch kann man bei Noel-Antoine Pluche sehen, wie brüchig die Grundlagen geworden sind, wenn bei ihm nur noch die ganz allgemeine, abstrakte Beteuerung, dass der Mensch etwas Besonderes gegenüber Gott sei, übrig bleibt. Giordano Bruno geht in der atomistischen Spur des Epikur von der Existenz einer Pluralität von Welten in einem von Kopernikus in seiner Unübersichtlichkeit eröffneten und durch Thomas Digges in die unendliche Räumlichkeit hin entfalteten Kosmos aus und vertritt ein Gottesbild, das durch sein Konzept der Weltseele, der anima del mondo ‚pantheistisch‘ ausgelegt werden kann, sodass Gott tendenziell mit einem geordneten Universum identifiziert werden könnte. Unter den Bedingungen eines evolutiven Weltbildes kann dieser Gottesbegriff als nichtpersonale Weltseele eines unbewussten Evolutionsgottes interpretiert werden, die bestimmte extraterrestrische Völker mit einer Begeistungsbotschaft – in der Form einer gelenkten Panspermie – für den Kosmos ausschickt. Athanasius Kircher gerät in seinem Versuch die Welt-Singularität zu retten vor das Problem, dass er das Empyreum Gottes nicht als das Symbol für die radikale Alterität Gottes fasst, sondern nur als – zwar durch endliche Wesen nicht bereisbaren – Teil des Universums. Was aber, wenn die wissenschaftsfundierte Technik Menschen so begeistert, dass sie Reisen durchaus im Bereich auch ihres innerkosmischen Empyreums für möglich halten? Empyreum wäre dann jeweils dort, wo hochentwickelte raumfahrende Rassen lebten. Damit ergibt sich als mögliches Konzept für die Präastronautik das einer ‚vorzeitlichen‘ Beauftragung der Menschen durch weiter entwickelte kosmische Rassen, nach deren Ebenbild sie gentechnisch ‚erschaffen‘ wurden. Um uns nun der unmittelbaren Vorgeschichte der Ufologie und der Präastronautik zuwenden zu können, müssen wir uns noch exemplarische Antworten auf die Frage nach der Vielzahl der Welten unter den Bedingungen des Evolutionismus ansehen.

II.

Die Pluralität der Welten im Kontext eines evolutiven Weltbildes

1.

Evolutiver Zeitgeist und extraterrestrisches Leben

Im 19. Jahrhundert und vor allen Dingen in dessen zweiter Hälfte ändert sich die Perspektive in der Diskussion über die Pluralität der Welten. Crowe stellt fest1, 1

Vgl. Crowe, 1986, 263-265.

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dass in diesem Jahrhundert das Thema breit diskutiert werde und dass dabei unter den Autoren siebzig Prozent von der Voraussetzung ausgingen, dass es eine Pluralität belebter Welten gäbe. Guthke weist darauf hin, dass es vor dem 19. Jahrhundert seit der kopernikanischen Wende eine typische Denkfigur gegeben habe, wenn es nicht nur um die Annahme einer Pluralität von „erdgleichen oder erdähnlichen Planeten“1, sondern darüber hinaus um die Existenz von Bewohnern gegangen sei. In einem Analogieschluss habe man von den Lebensverhältnissen auf der eigenen Welt auf die in anderen Welten geschlossen. Das 19. Jahrhundert mit seinem hohen erfahrungswissenschaftlichen Ethos habe die Diskussionen in eine andere Richtung gelenkt. Drei erfahrungswissenschaftliche Einsichten bilden den unmittelbaren Hintergrund für diese neue Erlebnistönung. Die durch Pierre-Simon Marquis de Laplace (1749-1827) 1796 in seinem Werk Exposition du système du monde aufgestellte Nebularhypothese, besagt, dass die Sonne ursprünglich von einer gasförmigen Hitzeatmosphäre umgeben gewesen sei, die sich nach Abkühlung der Sonne von dieser gelöst hätte und so verdichten konnte. Auf diese Weise seien Planeten beziehungsweise deren Trabanten entstanden. Diese Erklärungstheorie komme, wie man Laplace nachsagt, dass er Napoleon auf die Frage nach der Rolle Gottes in dieser neuen Geisteswelt geantwortet habe, ‚ohne die Hypothese Gott‘ aus. Von der Entwicklungsvorstellung her gleichsam anschließend, kann dann der Blick auf die irdische Evolution der Arten durch Charles Darwins (1809-1882) On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life (1859) gerichtet werden. Auch hier wird von der Methode, nicht von Darwins weltanschaulicher Position her, ohne die ‚Hypothese Gott‘ gearbeitet. Die dritte wissenschaftliche Einsicht, die einen wesentlichen Einfluss auf die Diskussion über die Vielzahl der Welten im 19. Jahrhundert und danach hat, ist Gustav Robert Kirchhoffs (1824-1887) gemeinsam mit Robert Bunsen (18111899) geleistete Verfeinerung der Methoden der Spektralanalyse (Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen, 1860), durch die sich die chemische Zusammensetzung von Planeten und ihrer Umgebung untersuchen lässt und dadurch nachgewiesen werden kann, dass chemische Zusammensetzungen überall im Weltraum gleich sind. „Die kopernikanische Aufhebung der aristotelisch-christlichen Zweiteilung des Kosmos in einen irdischen (‚sublunarischen‘) Bereich und einen überirdischen von völlig anderer Zusammensetzung war damit wissenschaftlich unantastbar bestätigt, und damit war die Grundlage bestätigt, auf der nach mittelalterlicher Zeit jede Theorie einer Mehrheit der Welten basierte und noch basiert“2.

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Guthke, 1983, 285. Guthke, 1983, 286.

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Auf der Basis dieser Einsichten ändert sich die Diskussionslage zur Pluralität der Welten. Zunehmend besteht im Verlaufe des 19. Jahrhunderts das Interesse, die Diskussion in den Bereich der reinen Naturwissenschaft zu verlagern. Es ist allerdings nicht vermeidbar, dass in vielen Fällen das weltanschauliche Interesse seine eigenen Kanäle in die Landschaft einer scheinbar streng empirisch orientierten Argumentation gräbt Der dänische Physiker, Chemiker und durch Kant beeinflusste Naturphilosoph Hans Christian Ørsted (1777-1851)1 versucht sich in seinem Buch über Der Geist in der Natur (1850) ganz in naturwissenschaftlichen Bahnen zu bewegen und andererseits sensibel an das Thema einer Sinnstiftung in einem unübersichtlichen diggesschen Kosmos heranzugehen. Er bewegt sich dabei allerdings in den Bahnen eines optimistischen Wissenschaftsglaubens. „Wir können hier nicht weiter gehen, als mittels eines flüchtigen Ueberblicks an Vieles zu erinnern, welches dazu dienen soll, eine Weltanschauung hervorzubringen, in welcher der Mensch weder den höchsten Platz einnehmen, noch das einzige Vernunftswesen sein kann. Wenn wir einen Blick auf die Entwickelungsgeschichte der Erde werfen, so sehen wir darin eine Reihe von Weltaltern, deren jedes folgende neue und mehr entwickelte Geschöpfe als das vorhergehende hervorgebracht hat, und in dem das Menschengeschlecht nicht früher als in der letzten Umwälzung, oder besser Umbildung, hervortrat. Es möchte gefährlich seyn, die Eigenliebe des Menschengeschlechts durch die Vermuthung zu verletzen, daß es einst einem vollkommeneren Geschlecht Platz machen müsse“2. Ørsted geht weiter davon aus, dass es auch in anderen Welten vernunftbegabte und vielleicht höher entwickelte Wesen gäbe3. Doch gäbe es mit dem Entwicklungsgedanken, der den Menschen eine lichtere Zukunft verheiße, einen Trost. Dieser Trost ist spendbar, weil Ørsted die Voraussetzung einer allgemeinen kosmischen Vernunft macht4. Er spricht von der „Wesenseinheit des Erkenntnißvermögens in dem ganzen Weltall“5, wobei er Vernunft mit Naturgesetzlichkeit in Verbindung bringt („daß die Naturgesetze für das ganze Weltall gültig sind“6), in Vorwegnahme der Ergebnisse der Spektralanalyse darauf hinweist, dass „die chemischen Naturgesetze … ebensowohl Naturgesetze als die mechanischen“7 sind und endlich auch Ästhetik und Moral universal fasst. Dabei wird der Vernunftbegriff in seiner universalen Fassung mit einem nachchristlich getönten Gottesbild im Kontext einer evolutiven Weltanschauung in Verbindung gebracht. „Durch das ganze Weltall sind Wesen verbreitet, mit Erkenntnißvermö-

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Guthke, 1983, 290 macht kurz auf ihn aufmerksam. Ørsted, 1850, 122, vgl. auch 174f. Vgl. etwa Ørsted, 1850, 257f. Vgl. dazu Ørsted, 1850, bes. 307. Ørsted, 1850, 217. Ørsted, 1850, 221. Ørsted, 1850, 247.

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gen begabt, um die Funken des göttlichen Lichts zu fassen; und Gott offenbart sich diesen Wesen durch die sie umgebende Welt, erweckt die in ihnen schlummernde Vernunft durch die Vernunft, die in alle dem herrscht …; läßt sie aber immer desto tiefere Blicke in das körperliche Daseyn thun, je mehr ihr eigener Geist geweckt wird, so daß sie sich in eine unaufhörliche, lebendige Entwickelung versetzt finden, welche ... sie dahin führt, sich selbst mit Geist und Körper als Glieder eines unendlichen Vernunftorganismus zu erkennen und anzuschauen. So begegnen denn die Wahrheiten der Naturwissenschaft fortwährend mehr und mehr denen der Religion, so daß beide zuletzt auf das Innigste sich an einander schließen müssen“1. Die 1853 anonym erschienene und eine breite Diskussion hervorrufende Schrift Of the Plurality of Worlds2 des englischen Mineralogen und späteren kantianischen Professors für Moralphilosophie William Whewell (1794-1866)3 versucht, nach einer ‚pluralistischen Phase‘4 Whewells, im naturwissenschaftlichen Gewande auftretend, dabei von Anfang an aber auch auf religiöse Meinungen bezugnehmend, die Einmaligkeit des Menschen vor Gott und die Einmaligkeit unserer Lebenswelt zu verteidigen. Whewell will dieses Thema „in dem ganzen Licht, das die moderne Wissenschaft auf es werfen kann“5 beleuchten und auch die religiösen Diskussionen von wissenschaftlicher Seite her zu klären versuchen, weil der Themenbereich „eher zur Wissenschaft als zur Religion gehört“6. Doch bleibt von dieser Absicht wenig übrig. Seine Argumentation ist letzten Endes eine Immunisierungsstrategie im Hinblick auf die Pluralitäts-Debatte. „... wir sind, so wie es immer war, allein mit Gott und die einzig vorhandenen Zeugen seines geheimnisvollen Wirkens. ... Wenn also dieser Gedankengang wahr ist, verlieren die riesigen Körper, die in solchen immensen Entfernungen am Himmel stehen und sich auf ihren Bahnen bewegen und sich mit derart gewaltiger Geschwindigkeit um ihre Achsen drehen (Saturn, Jupiter und andere weit entfernte Planeten, L.H.), ... in unseren Augen nichts von Ihrer Majestät, wenn sie unbewohnt sind“7. Whewells von christlich-apologetischem Interesse geleitete Thesen leiten eine der intensivsten Diskussionen über die Pluralität der Welten ein.

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Ørsted, 1850, 258f. Mir zugänglich war die Ausgabe über books google: Whewell, Boston 1854. Vgl. zu Whewell und der durch ihn ausgelösten Diskussion, Guthke, 1983, 290-298 (der den Titel falsch zitiert, 290) und ausführlich Crowe, 1986, 265-358, der die Fülle der Diskussionsbeiträge durch seine Bibliographie anschaulich dokumentiert (Crowe, 1986, 354ff). Vgl. dazu Crowe, 1986, 265-277. Whewell, 1854, III (Preface), Übersetzung L.H. Auf diesen Satz macht auch Guthke, 1983, 291 aufmerksam. Die Seitenzahlen, die Guthke angibt, stimmen nicht mit denen meines Exemplars überein. Whewell, 1854, V (Preface), Übersetzung L.H. Whewell, 1854, 281, Übersetzung L.H.

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Ein zeitgenössischer Kommentator schreibt in den LONDON DAILY NEWS verblüfft: „Wir hätten kaum erwartet, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein ernsthafter Versuch unternommen würde, die zerbrochene Idee von der Überlegenheit des Menschen gegenüber allen anderen Geschöpfen des Universums wieder aufzugreifen“1. Thomas Collyns Simon, der allerdings „nie wissenschaftlich publizierte“2, erhebt in Scientific Certainties of Planetary life or, Neptune‘s Light as Great as Ours (1855), den Anspruch rein wissenschaftlich auf Whewell zu antworten und stellt am Ende seines Vorwortes fest, dass er die Behauptungen des aufgrund der anonymen Publikation als Essayist bezeichneten Autors rein wissenschaftlich widerlegen wolle. „Was im Hinblick auf diese Punkte als wissenschaftlich gesichert über das planetarische Leben gesagt werden kann, wird hier dem Publikum vorgestellt ...“3. Doch auch er hält sich trotz dieser Ansprüche im populärphilosophischen Diskurs auf und soll hier nur exemplarisch für viele Pluralitätsbefürworter stehen, die trotz ihres wissenschaftlichen Gestus im Bereich christlich-metaphysischer oder teleologischer Prämissen verbleiben. Von anderem Gewicht und weiterführend in der Methode ist der Beitrag des theologisch gebildeten Oxforder Professors für Geometrie Baden Powell (17961860)4 in seinem Essays on the Spirit of the Inductive Philosophy, the Unity of Worlds, and the Philosophy of Creation (1885), der – schon vor Darwins Untersuchung zum Ursprung der Arten – nicht nur von einer Vielzahl von Welten ausgeht, sondern auch eine naturgeschichtliche Perspektive in die Diskussion einbringt. Der Bezug auf Evolution als universales kosmisches Prinzip wird nach Darwin dann in der Debatte „geradezu ein Leitmotiv“5. Die evolutive Betrachtungsweise Powells an sich ist nicht der einzige wichtige Schritt, der die Diskussion über die Pluralität der Welten weiterbringt, zugleich aber auch einen weiteren Schritt der Ernüchterung mit sich führt und damit auf die Problematik der metaphysischen Orientierungsaufgabe nach Darwin hinleitet. Powell nennt seine Methode die der induktiven Analogie (inductive analogy) beziehungsweise die der analogen Wahrscheinlichkeit, grenzt sich gegen ein teleologisches Denken ab und setzt nur eine hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit unbestimmte Einheitlichkeit kosmischer Prozesse voraus – so dass der „induktive Philosoph“ von sich sagen könne, „es gibt keine Region, wie weit auch entfernt, in der die physikalischen Gesetze nicht verwendet werden könnten ... in der Zeit gibt es keine Periode, ... in der wir es uns vorstellen könnten, dass die physikalische

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Zit. nach Crowe, 1986, 282. Crowe, 1986, 330f, Übersetzung L.H.; Guthke, 1983, 295f identifiziert hingegen Simons Anspruch mit seiner fachlichen Qualität. Simon, 1855, XIII, Übersetzung L.H. Vgl. zu Powell: Guthke, 1983, 296ff und Crowe, 1986, 305-310. Guthke, 1983, 298.

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Kausalkette zerbrochen wäre“1. Aus solchen Überlegungen erwachse das auf der induktiven Analogie beruhende Einheitlichkeitsprinzip. „Das Einheitlichkeitsprinzip würde einfach die richtige Erweiterung der induktiven Analogie und des Kontinuitätsgesetzes bedeuten, wenn es auch noch nicht zureichend im Detail für jeden Fall geklärt ist“2. Wer – wie Powell – die Frage nach der Pluralität der Welten im Kontext einer solchen Methode angeht, wehrt sich gegen eine aus religiösem oder teleologischem Denken stammende Betrachtungsweise. „Wohl aber tendiert der wahre Geist der induktiven Philosophie dazu, den Menschen einen bescheidenen und untergeordneten Platz auf einem der kleineren Planeten in einem untergeordneten Sonnensystem in einem untergeordneten Sternenhaufen nahezubringen, dass die ganze Rasse nur einen Fleck im Weltall einnimmt und bis jetzt nur einen winzigen Punkt in der Zeit“3. Der us-amerikanische Geologe und Paläontologe Alexander Winchell (18241891) ‚verwissenschaftlicht‘ durch World-Life or Comparative Geology (1883) die Diskussion weiter, indem die anthropomorphe Perspektiven immer mehr aufgibt. In evolutiver Perspektive ergibt sich für Winchell, dass es durchaus intelligentes Leben im Weltall geben könne, welches dem unsrigen nicht gleiche. Da möge es Intelligenzen geben, deren körperliche Beschaffenheit „nicht tägliche Nahrung und Wärme erfordern würde. Sie könnten, in die Abgründe des Ozeans oder auf stürmische Klippen gelegt oder für hundert Jahre in einen Vulkan getaucht verloren sein und dennoch Bewusstsein und Gedanken wiedererlangen. ... warum sollten nicht Psychen in … Feuerstein und Platin eingeschlossen sein? Diese Substanzen sind nicht weiter von der Natur der Intelligenz entfernt als Karbon, Hydrogen, Oxygen und Kalk“4. Ganz sachlich lesen sich Anfang des 20. Jahrhunderts manche Bücher zum Thema. Nur ein Beispiel sei genannt. Knut Lundmark (1889-1958), Direktor der Sternwarte zu Lund, bekannt durch seine Untersuchungen über Galaxien, schreibt in Das Leben auf anderen Sternen (1930) gemäß den fachwissenschaftlichen Maßstäben seiner Zeit und endet nüchtern mit der Bemerkung, dass die vorliegenden Informationen dem Leser die „Überzeugung“ geben könnten, „daß für das Dasein bewohnbarer Welten viele Möglichkeiten bestehen“5. Mit dieser Betrachtungsweise erweitert sich das abendländisch-metaphysische Orientierungsproblem. Die kopernikanische Orientierungsaufgabe wird durch die

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Powell, 1855, 54, Übersetzung L.H., Hervorhebungen durch Powell. Powell, 1855, 58, Übersetzung L.H. Powell, 1855, 242. Auf diese Stelle macht Guthke, 1983, 297, aufmerksam, Übersetzung L.H., Hervorhebung durch Powell. Winchell, 1883, 499, Scan: http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uc2.ark:/13960/t3028qn0j;seq=527;view=1up;num=499. Lundmark, 1930, 197.

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Diskussion über die Pluralität der Welten zunächst damit konfrontiert, dass die Einmaligkeit des Christusereignisses auf einem Planeten Kompatibilitätsprobleme hinsichtlich der Frage nach der Erlösungstat Christi auf anderen Planeten mit sich führt. Mit dem Verzicht auf eine teleologische Betrachtungsweise kosmischer Prozesse ‚nach Darwin‘ beziehungsweise besser im Klima des beginnenden evolutiven Denkens, stellt sich die metaphysische Orientierungsaufgabe einer Sinnstiftung in einem nicht mehr durch übergreifende Zweckvorgaben geprägten Kosmos. Der „Absolutismus der Wirklichkeit“1, von dem Hans Blumenberg spricht, dass der Mensch in keiner Weise am Beginn seines Menschseins seine Wirklichkeit versteht oder gar beherrscht spezifiziert sich zum „Absolutismus der Welt“ der eine Perspektive betrifft, gemäß der „sich das in nahezu unermeßliche Weiten hin erstreckende, expandierende Universum mit seinen Milliarden von Sonnen umfassenden Milliarden Galaxien eben alles ist. Innerhalb dieses Universums ist der Mensch als absolut vergängliches Stück sich um sich selbst sorgende organische Materie auf einem winzigen, vergänglichen Planeten am Rande einer durchschnittlichen Spiralgalaxie angesiedelt. … Gemessen an der Weltzeit ist das, was die überkommene Geschichtsphilosophie Universalgeschichte nennt, etwas allzu Partielles und Provinzielles; kosmisch gesehen ist sie beinahe nicht der Rede wert. Die sinnhaft aufgebauten Lebenswelten haben im Weltall ohne Sinn zuletzt selbst auch keinen Sinn. Die geschichtliche Lebenswelt in den Absolutismus der Welt hineinziehen heißt, ihr jeden höheren Sinn, jeden metaphysischen und geschichtsphilosophischen Gehalt absprechen. Der Absolutismus der Welt mutet also dem Menschen das Zugeständnis zu, seine geschichtliche Lebenswelt, die Sphäre von Geschichte, Kultur und Gesellschaft im Verbund mit dem Weltall ohne Sinn, in dem sie nur eine flüchtige, zudem späte und dazu eher periphere Erscheinung sind, jeden höheren Sinn und Zweck, jeden tiefen Gehalt von sich abstreifen zu sehen. Sie sind ein zutiefst Gleichgültiges, das mit dem Verschwinden des Menschen von der Erdoberfläche irgendwann selbst auch wieder verschwunden sein wird. Der Anspruch auf einen objektiven Geist oder eine Weltvernunft, eine Vorsehung und ein Ziel in der menschlichen Geschichte büßt auch dann an Überzeugungskraft ein, wenn man berücksichtigt, daß die Menschheit nichts weiter als eine unerhebliche Weltepisode zwischen Evolution und Wärmetod ist“2.

Ufologie und Präastronautik werden über helfende außerirdische Beobachter (Ufologie) und die Astronautengötter (Präastronautik) dieses Problem auf ihre Weise zu bewältigen versuchen. Als Absprungpunkte für die neomythische Perspektiven von Ufologie und Präastronautik eignen sich andere nachkopernikanisch und nachdarwinisch argumentierende Autoren, die auch innerfachlich zu argumentieren scheinen, aber dann eigentümliche weltanschauliche Wege gehen.

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Blumenberg, 1981, 9. Wetz, 1994, 328.

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Dies soll abschließend an Carl Freiherr du Prel (1839-1899) und Camille Flammarion (1842-1925) dargelegt werden.

2.

Carl du Prel: Das „Einmünden der Bewusstseinsentwicklung einzelner Sterne in den Gesamtfluss kosmischer Entwicklung“

Carl du Prel1 wird 1839 in Landshut geboren, wächst dann in München auf und tritt 1859 in die Armee ein, bei der er dreizehn Jahre bleibt. Schon in jungen Jahren interessiert er sich für philosophische Fragestellungen und verfasst eine Untersuchung, die er unter dem Titel Oneirokritikon Der Traum vom Standpunkte des transcendentalen Idealismus (1868) in Tübingen als philosophische Doktorarbeit ohne vorausgegangenes Studium einreicht2. Zu dieser Zeit liest du Prel Eduard von Hartmanns (1842-1906) Philosophie des Unbewussten. Versuch einer Weltanschauung. Speculative Resultate nach inductiv-naturwissenschaftlicher Methode (1869), der in seinem Entwurf eine Art Teleologie des kosmischen Geistes konzipiert, in dem die Kosmosgeschichte den Prozess des Rückgängigmachens des Bewusstseins durch das Bewusstsein mit sich führt. Es entsteht ein sechzehnjähriger Briefkontakt zwischen den beiden Philosophen durch den du Prel philosophische, psychologische und naturwissenschaftliche Literaturempfehlungen bekommt, die gemeinsam mit dem Darwinismus die Grundlage seiner eigenen Gedankenführung bilden werden3. Der nächste wichtige Schritt du Prels verbindet sich mit der Lektüre der Hartmannschen Schrift Das Unbewußte vom Standpunkt der Physiologie und Descendenztheorie. Eine kritische Beleuchtung des naturphilosophischen Theils der Philosophie des Unbewußten aus naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten (1872), die ihn dazu führt, dass er thematisch Aufsätze verfasst, aus denen dann ein Werk mit dem Titel Der Kampf ums Dasein am Himmel. Die Darwin‘sche Formel nachgewiesen in der Mechanik der Sternenwelt (1874)4 entsteht. Das zweite für unseren Kontext wichtige Werk ist dann die Aufsatzsammlung über Die Planetenbewohner und die Nebularhypothese. Neue Studien zur Entwicklungsgeschichte des Weltalls (1880). Du Prel sieht sich in seiner Entwicklungsgeschichte des Weltalls, wie viele andere seiner Zeit, weltanschaulich zwischen Skylla und Charybdis, zwischen über1

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Grundlage ist für mich zu du Prel im Ganzen, Kaiser, o.J., weiterhin habe ich Sommer, 2009 herangezogen. Dabei beschränke ich mich in der Darstellung auf Gesichtspunkte, die den Themenkreis der Pluralität der Welten betreffen und lasse etwa den Bereich des Spiritismus aus. Vgl. zu dieser Promotion in absentia Kaiser, o.J., 35/ Fußnote 84. Vgl. dazu Kaiser, o.J., 37. Ich beziehe mich im Folgenden auf die dritte erweiterte Auflage unter dem Titel Entwicklungsgeschichte des Weltalls. Entwurf einer Philosophie der Astronomie (1882).

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kommener unkritischer Gläubigkeit und Materialismus gestellt. „Wer der Volksmetaphysik entwächst, ohne doch für die höhere Metaphysik reif zu sein, wird sich seine Weltanschauung unter einseitiger Berücksichtigung der Naturwissenschaften bilden, das heißt dem Materialismus verfallen“1. Deutlicher als den Materialismus nimmt du Prel das Christentum in seine kritischen Betrachtungen hinein. „Aus der natürlichen, anthropozentrischen Anschauung der Dinge entsprang zunächst die geocentrische Astronomie, welche in der Erde den stereometrischen und moralischen Mittelpunkt des Weltgebäudes erkannte. Der hüpfende Punkt im Weltei: das ist der Mensch; das Centrum der Schöpfung: das ist unser Wohnhaus, die Erde. So die ptolemäisch-christliche Weltanschauung, die noch immer nicht als überwunden gelten kann“2. Noch lange, aber umsonst, hätten sich allerdings die „christlichen Bonzen“3 aus Gründen der Machterhaltung gegen die kopernikanische Wende gewehrt. Dabei richte er sich nicht gegen eine theistische Position überhaupt, sofern diese einen vernünftigen Schöpfer annehme, sondern gegen einen an Mirakeln und außerordentlichem Eingreifen Gottes orientierten „anthropomorphen und anthropopathischen Theismus“4. Gott mische sich nicht mirakulös ein und durchbreche willkürlich Naturgesetze. „Denn nicht als Ersatz der Naturgesetze, sondern höchstens als Geber dieser Gesetze ist ein transzendentes Princip logisch zulässig“5. Als Alternative zu diesen beiden für ihn nicht mehr gangbaren weltanschaulichen Wegen (Volksmetaphysik und Materialismus) entwickelt er seinen transzendentalen Darwinismus (Transcendental Darwinism)6, den er nicht notwendig als konkurrierende, sondern als die Extreme ausgleichende und erkenntnistheoretisch vorsichtige Position versteht. „Es ist ein gemeinschaftlicher Boden für beide Anschauungen hergestellt, wenn der Naturforscher darauf verzichtet, über das Weltprinzip zu spekulieren – worüber er ja als solcher ohnehin nichts weiss –, und der Theist zugesteht, dass ein Weltprinzip nur Erhalter, aber nicht Störer der Naturgesetze sein kann“7. Aufbauend auf der schon oben thematisierten Voraussetzung der „Gleichheit der irdischen und kosmischen Stoffe“8 formuliert er seine Position einer kosmischen Bedeutung des Evolutionsprinzips. „… dass vielmehr die Teleologie dem Mechanismus immanent ist, und das zweckmäßige Resultat aus der natürlichen Entwicklung unfehlbar sich ergeben muss, weil ihnen der Prozess der indirekten Auslese in jeder Entwicklung unausbleiblich ist und die Elimination des Un1 2 3 4 5 6 7 8

Du Prel, Das Kreuz am Femer (zit. nach Kaiser, o. J., 77). Du Prel, 1882, 142. Du Prel, 1882, 144. Du Prel, 1882, 29. Du Prel, 1882, 141. So programmatisch im Aufsatztitel von Sommer, 2009. Du Prel, 1882, 165f. Du Prel, 1882, 60.

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zweckmässigen aus der Natur der Dinge ebenso unvermeidlich folgt, wie der Bestand des Zweckmässigen“1. Er will, wie er in der Vorrede zur dritten Auflage schreibt, versuchen, die „Darwinsche Lösung des Problems für die Geschichte des Himmels zu verwerten“2 und entwirft in diesem Zusammenhang ein Stufenmodell der Astronomiegeschichte, das die „beschreibende Astronomie des Altertums, die rationelle Astronomie des Kopernikus, die physische Astronomie Newtons“ als „drei historische() Stufen“, betrachtet, „über welche die spekulative Astronomie sich erheben soll“3. Nach du Prel lasse sich, ausgehend von einer „Urmaterie“, die „Geschichte des Kosmos in Richtung der Vergangenheit wie der Zukunft ... konstruieren“4. Sternhaufen entstünden aus kosmischen Nebeln und würden wieder zu kosmischen Nebeln werden5. Die kosmologische Basis für alle diese Veränderungen ist aber nach du Prel, dass die „kosmische Entwicklung Höherentwicklung ist, ein Merkmal, das sie gemeinschaftlich hat mit ideologischen, biologischen und geschichtlichen Entwicklungen“6. Wenn wir im Kosmos Harmonie wahrnähmen, so sei dies eigentlich nichts Besonderes, sondern eher selbstverständlich, denn die durch das „Überleben des Zweckmäßigen“ bedingte Harmonie sei „nicht unter zahlreichen möglichen Fällen der auffallendste, sondern der in der That einzig mögliche Fall“7. Die ‚nirwanische‘ Erlebnistönung der Hartmannschen Philosophie schlägt sich bei du Prel dergestalt nieder, dass er die innerhalb der kosmischen Entwicklung der Gestirne auch auftretende „biologische() Geschichte der Gestirne“8 nicht im Kontext einer interstellaren Verknüpfung sieht. Jede biologische Geschichte bleibe für sich und ende in sich. Wir werden sehen, dass du Prel aber auch Thesen stark macht, die zu diesem Urteil in großer Spannung stehen. „Kein anderes Geschlecht, keine zu Höherem berufene Art von Geschöpfen wird einst die Erbschaft der Erde antreten, und nichts von dem, was die Menschheit geleistet hat, wird in die Hände anderer Wesen übergehen. Nur eine immer wieder beginnende und immer wieder abgeschnittene Entwicklung lässt sich also vom biologischen Standpunkte aus erkennen, aber keine fortlaufende“9.

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Du Prel, 1882, 28, Hervorhebung durch du Prel. Du Prel, 1882, IV, Hervorhebung durch du Prel. Du Prel, 1882, IV, Hervorhebung durch du Prel. Du Prel, 1882, 61, Hervorhebung durch du Prel. Vgl. du Prel, 1882, 60ff. Du Prel, 1882, 168. Du Prel, 1982, 139. Du Prel, 1882, 337. Du Prel, 1882, 337.

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Die Aufsatzsammlung über Die Planetenbewohner und die Nebularhypothese mit dem an das thematisch vorherige Buch anknüpfenden Untertitel Neue Studien zur Entwicklungsgeschichte des Weltalls (1880) versteht sich als Ergänzung beziehungsweise Beschluss seiner entsprechenden Gedankengänge und will der philosophischen Perspektive ein größeres Gewicht einräumen1. Du Prel betont dort gleichsam die transzendentale Qualität des Zweckmäßigkeitsbegriffs für seine Naturphilosophie beziehungsweise Metaphysik. Vollendeter Mechanismus könne nicht anders denn als vollendete Zweckmäßigkeit gedacht werden2. Damit stelle sich das Problem, wie im Kosmos zweckmäßiger Mechanismus vorgestellt werden könne, ohne zu einer theistischen Schöpfungstheologie zu kommen, hinter der mit dem Gedanken an einen Schöpfer ein regressus ad infinitum gegeben sei, weil man hinter diesem Schöpfer einen Schöpfer des Schöpfers annehmen müsse3. „Wenn wir aber alsdann uns nicht entschließen können, die Gesetze der Materie einem persönlichen Gesetzgeber zuzuschreiben, dann bleibt eben kein anderer Ausweg, als dass wir in die Definition der Materie eine Eigenschaft aufnehmen, welche das Rätsel löst. Eine solche Eigenschaft aber ... ist die Empfindung“4, welche sich in seiner Philosophie des Monismus ihrer „Anlage nach schon in die Atome verlegen“ lasse, „weil aus einer Summe von Elementen nie mehr folgen kann, als was schon in den Elementen selbst enthalten ist“5. Auf diese Weise sei es der „monistischen Weltanschauung“ möglich, den „alten Dualismus zwischen Natur und Geist“6 zu überwinden. Durch die im Monismus mögliche ‚Ontologisierung‘ der Empfindung gelingt es du Prel kopernikanisch-darwinische Kosmologie und den Gedanken einer Pluralität von durch intelligente Wesen bewohnten Welten im räumlich schier unendlichen Kosmos so zu verbinden, dass am Ende auch noch der Gedanke einer kosmischen universalen Kommunikation aufscheinen kann. Dies steht – in diesen späteren Arbeiten – durchaus in einer Spannung zum Weltbild eines Eduard von Hartmann, gemäß dem alles im Nichtbewussten wieder versinkt. „Die Natur geht also über alle vom Unbewussten aus, und durch das Bewusstsein hindurch zum Selbstbewusstsein“7. In dieser Hinsicht markiere das Auftreten des Menschen im Verlaufe der Geschichte einen „bedeutsamen Wendepunkt“8. Du Prel geht von der Voraussetzung aus, dass sich durch die unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Gestirne die Planetenbewohner sowohl in ihrer 1 2 3 4 5 6 7 8

Du Prel, 1880, IIIf. Vgl. etwa du Prel, 1880, 47 und 50. Du Prel, 1880, 55. Du Prel, 1880, 52. Du Prel, 1880, 127. Vgl. du Prel, 1880, 81 und vgl. auch 126. Du Prel, 1880, 79. Du Prel, 1880, 79.

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organischen Anpassung als auch in ihrer Wahrnehmungsorganisation von den Bewohnern anderer Planeten gravierend unterschieden1. Damit stießen wir hinsichtlich unserer Maßstäbe für Wahrnehmung auch bei extraterrestrischen und als wahrnehmungsmäßig möglicherweise grundsätzlich andersartigen Wesen an eine prinzipielle Grenze unseres Vorstellungsvermögens. Doch gebe die monistische Weltanschauung eine weitergehende Perspektive. Andererseits sei nämlich durch den empfindungsvermittelten, nur graduellen Unterschied zwischen Natur und Geist die „Willenskraft nur transformierte natürliche Kraft“ und nicht etwa „aus dem Bewusstsein abzuleiten“2. Auf diese Weise werde Bewusstsein kosmisch, werde das „menschliche Bewusstsein nur eine Form des kosmischen Bewusstseins“, das uns mit anderen Planetenbewohnern prinzipiell verbinde3 und sich stetig weiter entwickeln könne. Diese anzunehmende kommunikative Verbindung zwischen den verschiedenen Planeten lässt sich wiederum aus dem monistischen Weltbild begründen. Weiter oben hatte du Prel, mit Kant gesprochen, schon eine Art absurdum practicum-Argumentation vorgelegt, wenn er argumentierte, dass es in einem vernünftig geordneten und räumlich dergestalt gigantischen Kosmos unvernünftig und damit selbstwidersprüchlich wäre, nur einen bewohnten Planeten anzunehmen. Nun schreibt er: „Abermals stehen wir vor der Alternative, zwischen der Unvernünftigkeit des Weltalls und unserer Unwissenheit entscheiden zu müssen, wenn es sich um das Einmünden der Bewusstseinsentwicklung einzelner Sterne in den Gesamtfluss kosmischer Entwicklung handelt“4. Es ist – im Sinne des Ergreifens einer für ihn passenden Lösungsmöglichkeit – folgerichtig, dass du Prel in der Folgezeit ein großes Engagement für den von ihm auf seiner monistischen Basis entfalteten Spiritismus entwickelt. Das monistische Weltbild passt, wie wir später sehen werden, gut in den Kontext von Ufologie und Präastronautik. Der Gedanke der universalen kosmischen Kommunikation wird dort durch die Annahme interstellarer Reisemöglichkeiten (‚fliegende Untertassen der Astronautengötter‘) kompensiert. Doch davon später. Die zweite wichtige Gestalt, die unser Thema der Pluralität der Welten an die Darstellung der Gedankenwelt der Ufologie und der Präastronautik heranführt, ist Camille Flammarion.

3.

Camille Flammarion: „Unbekannte Pflanzen, wunderbare Wesen, Menschheiten …“

„Wir verstehen nun die Wirklichkeit des Universums, wir sind den Tiefen der Unwissenheit entkommen, wir hören die Akkorde der Allharmonie, und tun das 1 2 3 4

Vgl. du Prel, 1880, 73. Du Prel, 1880, 8. Vgl. du Prel, 1880, 145. Du Prel, 1880, 174.

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mit einer unerschütterlichen Überzeugung, begründet auf der gelungenen Beweisführung, dass wir auf der Grundlage unseres Wissens diese von nun an unvergänglich gültige Wahrheit ausrufen: DAS LEBEN ohne Ende im Raum und in der Zeit; es ist universal und ewig; es erfüllt DAS UNENDLICHE mit seinen Akkorden, und es regiert von Zeitalter zu Zeitalter, die immerwährende EWIGKEIT überdauernd“1. Camille Flammarion2, der dies 1877 emphatisch schreibt, steht für eine Position, in der sich sowohl die erfahrungswissenschaftliche Grundhaltung, nicht anders zum Thema Stellung zu nehmen als auf der Basis empirisch abgesicherter Erkenntnisse als auch eine tiefe kosmische Spiritualität, ein „ekstatische(s) Gefühl der Bruderschaft mit den ‚humanités dans l‘univers‘“3 spannungsreich verbinden. Beide, wie auch immer dann parawissenschaftlich vermittelten, Aspekte werden – wie wir sehen werden – die präastronautische Bewegung prägen. Nach anfänglichen theologischen Studien wendet sich Flammarion der Astronomie zu, verfasst mit sechzehn Jahren ein umfangreiches Manuskript einer ursprünglich Cosmologie universelle. Étude du Monde Primitif. Histoire Physique du Globe depuis les Temps Plus Reculés de sa Formation jusq‘au Règne du Genre Humain genannten Untersuchung. In diesem ersten niedergeschriebenen Gedankengang findet sich – wie der Titel sagt – schon die Verbindung von kopernikanischen und darwinischen Fragestellungen. Der namhafte Mathematiker und Astronom Urbain Jean Joseph Le Verrier (1811-1877), berühmt durch seine Berechnung der Bahn des Planeten Neptun (1845), Senateur-Directeur des Pariser Observatoriums, kann dieses Manuskript einsehen und stellt daraufhin Flammarion als Assistenten (èléve-astronome)4 ein. Die Publikation von La Pluralité des Mondes Habités (deutsch: Die Mehrheit bewohnter Welten, 1862)5 – im Alter von zwanzig Jahren – führt zur Kündigung dieses Arbeitsplatzes, auf den er nach einer Tätigkeit für das Institut de Longitudes (1862-1866) allerdings wieder zurückkehren kann. Er veröffentlicht 1878 einen großen Katalog mit Beobachtungsdaten von ungefähr zehntausend Doppelsternen und wird im Laufe der Zeit ein außerordentlich erfolgreicher Sachbuchautor. Ein großer Bestseller wird dabei die Pluralité des Mondes Habités, die bis 1892 allein in Frankreich sechsunddreißig Auflagen erreicht. Für den Spiritisten Hippolyte Léon Denizard Rivail (Alan Kardec; 1804-1869)6 ist Flammarions Jugendlichkeit als Autor Beweis, dass in ihm ein alter, weiser Geist wieder geboren

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Flammarion, 1884, 768f, Übersetzung L.H., Hervorhebungen durch Flammarion. Ich orientiere mich zur Biografie an Flammarions Autobiografie (Flammarion, 1911) und an Crowe, 1986, 378-386; Guthke, 1983, 302-307 und Reeken, 2004, 7-12. Guthke, 1983, 306. Vgl. Flammarion, 1911, 136. Zitiert im Folgenden nach der deutschen Übersetzung als Flammarion, 2004. Vgl. dazu den ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft (Bd. 1/ 291-301). Zu seiner Äußerung über Flammarion vgl. Crowe, 1986, 381.

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sei. Guthke bemerkt: „Was Erich von Däniken für die Mentalitätsgeschichte der Gegenwart bedeutet, dass ist Flammarion für dieses 19. Jahrhundert“1.

Flammarion setzt ein mit dem Hinweis auf die Zeitsituation, die durch materialistischen Indifferentismus2 geprägt sei. Auf der anderen Seite blickt er auf eine Vergangenheit, in der eine Metaphysik dominiert habe, die alles in einer Sphäre in der es keine empirische Nachprüfbarkeit geben könne, habe verhandeln wollen. Nun aber – und wieder spürt man die Atmosphäre eines Comteschen Positivismus – sei die Philosophie nicht mehr in einen „Kreis von Secten oder Systemen gebannt, sondern geht jetzt an der Seite der exakten Wissenschaft und adoptiert, indem sie mit ihr wetteifert, dieselben experimentalen Methoden, durch welche die Wahrheit an den Tag kommt“3. Er wird später zu diesem Thema schreiben, dass heute Gott (Dieu lui-meme) verschwinde und man nicht mehr als das Nichts (le néant) finde, wenn man ein oberflächliches Verständnis empirischer Wissenschaft habe4. In seinen Lebenserinnerungen findet sich eine Passage, die die Aufbruchsstimmung erfahrungswissenschaftlich orientierter Intellektueller seiner Generation wiedergibt. Er bemerkt, dass die Generation derer, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts geboren seien, deshalb in hohem Maße bevorzugt sei, weil sie den großen Aufschwung der angewandten Wissenschaften, die das „Angesicht der Erde veränderten“5, erlebten. Als solche Errungenschaften führt er die Eisenbahn, den Telegrafen, Photo-, Phono- und Kinematographie, die Spektralanalyse, das elektrische Licht, die Elektrifizierung der Zugkraft, die Mikrobiologie und die sich ihr anschließende Medizin, das Telefon, die Röntgenstrahlen und ihre Verwendungsmöglichkeit, das Radium beziehungsweise die Radioaktivität, die Möglichkeit Ballonfahrt zu steuern und die Luftfahrt an6. Flammarion schildert im ersten Teil von La Pluralité des Mondes Habités die Geschichte der Pluralitätsdiskussion und weist dabei besonders auf die destruktive Funktion sowohl des Aristoteles als auch auf den vermeinten Anachronismus der biblischen Schöpfungslehre hin7. Noch in seinen Memoiren führt er im Hinblick auf diese Phase seines Denkens an: „Die Position der Erde im Sonnensystem war das erste Faktum, das mich dazu zwang auf die Sicherheit der christlichen Lehre zu reflektieren. Die gesamte Heilsökonomie des Christentums ist auf der antiken Vorstellung vom Weltsystem begründet: die Erde im Zentrum und die Sterne drehen sich um sie, zusammen mit dem Empyreum, dem unbewegten Paradies in einer Sphäre außerhalb. Die ge-

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Guthke, 1983, 302. Vgl. Flammarion, 2004, 15. Flammarion, 2004, 16. Vgl. auch Flammarion, 1865, II. Vgl. Flammarion, 1884, 768. Flammarion, 1911, 69. Vgl. Flammarion, 1911, 69. Vgl. Flammarion, 2004, 27.

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samte Schöpfung ist für den Menschen gemacht und dreht sich um ihn. Der Mensch ist das Zentrum und das Ziel der Existenz des Universums“. In diesem Zusammenhang zitiert er die berühmte Formel, mit der Galilei am 22.6.1633 seinen ‚wahren Glauben‘ bekennen sollte1, und erwähnt, dass er dieses nur mit „Abscheu und Scham“2 lesen könne. Gehe man vom heutigen Weltbild aus, so sei zu fragen, wo im Weltall eigentlich die Himmelfahrt Jesu aufhören sollte. Am Ende dieses ersten Teiles greift Flammarion noch einmal die Gedanken seiner Einleitung auf und verweist darauf, dass er sich nun im Bereiche der Astronomie und – auch wenn er diesen Terminus nicht verwendet – der induktiven Analogien bewegen wird3. Sowohl am Ende dieses Teils als auch am Ende des astronomischen Teils versucht er pointiert deutlich zu machen, dass die Erde keine spezielle metaphysische Bedeutung im Kosmos habe4. Flammarion fordert den Leser auf, eine kosmische Perspektive einzunehmen. Von einem weit entfernten Blickpunkt aus und ohne das Bewusstsein der Herkunft von der Erde könne man nichts Besonderes erkennen. Wenn man vorhabe, sich einen Planeten als Wohnort zu suchen, dann werde man wohl nicht motiviert sein, ausgerechnet die „armselige Erde zum Aufenthaltsort wählen“5 zu wollen. Aus solchen Gründen könne er feststellen, „dass die Erde keinen bemerkbaren Vorrang in dem Sonnensysteme der Art hat, daß sie die allein bewohnte Welt sei, und daß, astronomisch ausgedrückt, die anderen Planeten ebenso gut, wie sie, disponirt sind, Sitze des Lebens zu sein!“6. Im Anschluss an die astronomischen Überlegungen folgt ein Physiologische Studie genanntes Kapitel, welches sich den konkreten Lebensbedingungen auf dem Planeten zuwendet und in dem dann abschließend festgestellt wird, dass man davon ausgehen könne, dass die Erde keinen Vorrang vor den anderen Planeten habe und dass die anderen Planeten „wie sie bewohnt“7 seien. Neben den „physiologische“ genannten Untersuchungen fügt Flammarion in diesen Abschnitt auch metaphysische Überlegungen zum Naturbegriff ein, in der die Natur als Ausdruck eines unbewussten Evolutionsgottes erscheint, eine Betrachtungsweise, die in seinem späteren Werk Les Mondes Imaginaires et les Mondes Réels intensiviert wird. Stellen wir diese Metaphysik zunächst weiter anhand von La Pluralité des Mondes Habités dar. Die Natur wird zum „König der Wesen“8, sie offenbare sich nur schrittweise denjenigen, welche sich um Erkenntnis bemühten. Den Gedanken an eine „Mehr1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Flammarion, 1911, 170f. Flammarion, 1911, 172. Vgl. Flammarion, 2004, 33. Vgl. Flammarion, 2004, 50f und auch vgl. 33 und 59. Flammarion, 2004, 50. Flammarion, 2004, 50f, Hervorhebungen durch Flammarion. Flammarion, 2004, 58, Hervorhebungen durch Flammarion. Alle Zitatwendungen im Folgenden aus Flammarion, 2004, 60f.

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heit der Welten“ habe sie schon von Anfang an in den Menschen angelegt und sodann der Wissenschaft die „Sorge überlassen, diese Grundidee weiter auszubilden“. Es habe die „Erde, indem sie sich besser kennen lernen ließ“ ihre absolute Bedeutung eingebüßt und es habe sich über das Mikroskop und das Teleskop eine neue Perspektive ergeben können. Man habe durch das Teleskop auf einem anderen Niveau Astronomie betreiben und über das Mikroskop die Welt der Evolutionsbewegung erforschen können1. An dieser Stelle will ich – die Darstellung der Position Flammarions abschließend – sein eingangs zitiertes Schlusswort aus Les Terres du Ciel. Voyage Astronomique sur les Autres Mondes et Description des Conditions Actuelles de la Vie sur les Diverses Planètes du Système Solaire (1877) in seinem Kontext, das heißt auf der Basis von Flammarions Vorstellungen von Metaphysik, Religionsgeschichte und Philosophiegeschichte, interpretieren: „So ist das Leben, das natürliche nicht das übernatürliche Leben, das universelle Leben erblüht in allen Sphären. Überall erstrahlt die Sonne, überall verbreitet die Blume ihren Duft, überall singt der Vogel, überall schüttet die Natur ihre Geschenke und ihre Herrlichkeiten aus. Die Schrecken des Todes sind vor unserem Himmel entflohen wie die Nachtfalter bei der Morgenröte. Hier das Licht, hier die Wahrheit! Seid gegrüßt, ihr weiten Felder der himmlischen Welten! Seid gegrüßt, erhabene Berge und einsame Täler! Seid gegrüßt göttliche Sonnenstrahlen! Seid gegrüßt, ihr Tiefenharmonien der leuchtenden Nacht! Oh Landschaften, erfüllt vom Frühlingsduft, leuchtende Strahlen des Sommers, trauerndes Blattwerk des Herbstes, stille Schneefälle des Winters: Ihr seid auf diesen Welten so wie auf der unseren, und der menschenfreundliche Blick (regard humain) ruht auf euch dort genauso wie in unserem irdischen Aufenthalt. Sei gegrüßt oh göttliche Natur, ewig junge Mutter, süße Begleiterin unserer Freuden, intime Vertraute unserer Herzen, du bist überall dieselbe, deine Schönheit erleuchtet das Universum und wir lieben es, uns an deiner Brust vom wildverwegenen Aufschwung unserer Gedanken auszuruhen. Seid gegrüßt ihr alle, unzählbare Welten des Alls! Ihr entfaltet in den Himmeln die gleichen Gemälde, die gleichen Panoramen, die gleichen Naturschönheiten, die wir auf dieser Welt bewundern …. Unbekannte Pflanzen, wunderbare Wesen, Menschheiten, unsere Schwestern; unerschöpfliches Leben, immenses unausrottbares Leben; Seelen, Gedanken, unsterblicher Geist, lebende Unendlichkeit, seid gegrüßt! ... Wir verstehen nun die Wirklichkeit des Universums, wir sind den Tiefen der Unwissenheit entkommen, wir hören die Akkorde der Allharmonie, und tun das mit einer unerschütterlichen Überzeugung, begründet auf der gelungenen Beweisführung, dass wir auf der Grundlage unseres Wissens diese von nun an unvergänglich gültige Wahrheit ausrufen: DAS LEBEN ohne Ende im Raum und in der Zeit; es ist

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Vgl. zu diesem Naturbegriff auch Flammarion, 2004, 63ff.

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universal und ewig; es erfüllt DAS UNENDLICHE mit seinen Akkorden, und es regiert von Zeitalter zu Zeitalter, die immerwährende EWIGKEIT überdauernd“1. Flammarion setzt ein mit dem Hinweis auf seine monistische Metaphysik. Wenn es um das Leben als universale, kosmische Wirkmächtigkeit gehe, dann gehe es um das, monistisch betrachtet, rein diesseitige natürliche und nicht, wie es die das Denken vernebelnden Vertreter der organisierten Religion oder die von der experimentellen Wissenschaft unbeeindruckten sektiererischen älteren Philosophen verstünden, um das nicht existierende jenseitige übernatürliche Leben. Dieses natürliche Leben werde aus kosmischer Gesamtperspektive betrachtbar und erscheine dann als das universelle Leben. Überall im Kosmos verschenke sich die lebenspendende göttliche Natur und lasse ihren liebenden regard humain auf allen ihren Geschöpfen ruhen.

III. Die wissenschaftsfundierte Pluralität-der-Welten-Technologie: Carl Sagan und Frank Drake zwischen NASA, SETI-Institut und Hollywood 1.

Radioastronomie: Außerirdische selbst zu Wort kommen lassen

Seit dem 19. Jahrhundert gibt es wissenschaftlich diskutable Versuche, mithilfe der Astronomie Spuren außerirdischen intelligenten Lebens zu finden. Der berühmte Aufsatz der Astronomen Giuseppe Cocconi (1914-2008) und Philip Morrison (1915-2005) über das Thema Searching for Interstellar Communications (1959) ist die Pilotarbeit, die eine breite Diskussion in Gang setzt. Der entscheidende Satz lautet: „Interstellare Kommunikation durch das galaktische Plasma ohne Zerstreuung in der Richtung und der Geschwindigkeit ist, soweit wir wissen, nur mithilfe elektromagnetischer Wellen praktizierbar“2. Seit Anfang der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wird der Weltraum radioastronomisch nach Spuren intelligenten Lebens durchsucht. Eine zeitlang unterstützt die NASA, ein sogenanntes SETI-Projekt. Mit dem SETI-Projekt (Search for Extraterrestrial Intelligence), das sich die Erkundung des Weltraums unter dem Maßstab möglicher Existenz extraterrestrischer Intelligenz zur Aufgabe gemacht hat, und einigen NASA-Unternehmungen wird – unter der dort zu selbstverständlich heutige physikalische Erkenntnisse verabsolutierenden Prämisse, dass es für alle möglichen hochtechnologischen Zivilisationen unüberbrückbare kosmische Entfernungen3 gäbe – die Thematik der

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Flammarion, 1884, 768f, Übersetzung L.H., Hervorhebungen durch Flammarion. Coccioni/ Morrison, 1959, o.S., Übersetzung L.H. Vgl. dazu Drake/ Sobel, 1997, 14.

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Pluralität der Welten unter den Bedingungen der wissenschaftsfundierten Technik gleichsam ‚praktisch‘. Es ist erstaunlich, dass die NASA, gestützt auf die Fähigkeiten eines Carl Sagan (1934-1996) oder Frank Drake (*1930), wohl nur positive Möglichkeiten sieht, wenn sie Außerirdischen gleichsam die Reiseroute zu uns und weitere Informationen über uns irdische Säugetiere mitteilt. Stellen wir uns vor, in unserem Garten würde ein außerirdisches Raumschiff landen. Die Tür ginge auf und wir könnten eintreten. Wir würden niemanden sehen und könnten in keiner Weise einschätzen was uns dort erwartet. Würden wir ganz selbstverständlich und positiv gestimmt eintreten? Vielleicht erwartet uns ein opulentes Tortenbuffet und zu trinken gibt es das Wasser des Lebens. Vielleicht erwarten uns aber stattdessen ein Seziertisch und die Einladung zu einer Vivisektion. Wenn eine ganze Flotte außerirdischer Superschlachtschiffe landen würde, würden wir dann sofort und selbstverständlich davon ausgehen, dass uns nun alle Annehmlichkeiten einer luxuriösen und krankheitsfreien Luxuszivilisation zu teil würden oder würden wir eventuell auch den Gedanken zulassen, dass uns ein extraterrestrischer Pharao vielleicht für außerirdische Fronarbeiten vorgesehen haben könnte?

Die Pioneer-10 und -11-Sonden sind die ersten Raketen, die das Sonnensystem für immer verlassen. Sie führen kleine Metallplatten mit sich, die nichtirdische Zivilisationen finden können, um dann die Herkunft dieses Fahrzeugs zu bestimmen1. In den Voyager 1 und 2-Sonden deponiert die NASA dann eine komplexe multimediale Botschaft. Die Sonden sollen den möglichen außerirdischen Findern eine kleine Einführung in unser Sonnensystem und Informationen über uns liefern. Auf einer goldbeschichteten Kupferdiskette befinden sich Geräusche und Bilder von der Erde. Die Inhalte wurden von einem NASA-Ausschuss unter Vorsitz von Carl Sagan ausgesucht. In einhundertfünfzehn Bildern und einer Auswahl von Naturgeräuschen (z.B. Wellen, Wind, Donner, Wallaute usw.) wird dem außerirdischen Betrachter ein Einblick in die Lebenssphäre der Erde geboten. Multikulturelle Musik aus verschiedenen Epochen soll dann die irdische Kultur vorstellen helfen. In fünfundfünfzig Sprachen entbieten Menschen Grüße an das unbekannte Gegenüber, das irgendwann einmal diese CD nutzen könnte. Diese Grüße können durchaus humorvoll sein: „Rajasthani: Hello to everyone. We are happy here and you be happy there. ... Swedish: Greetings from a computer programmer in the little university town of Ithaca on the Planet Earth”2.

Unter diesen Sprachen findet sich ebenso das Akkadische, das vor sechstausend Jahren in Sumer gesprochen wurde, wie der moderne chinesische Dialekt Wu.

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Vgl. dazu Sagan u.a., 1980. http://voyager.jpl.nasa.gov/spacecraft/goldenrec.html.

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Grüße von US-Präsident Jimmy Carter (*1924) und dem UN-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918-2007) runden das Erdenpaket ab. Carl Sagan schreibt zu dem technischen Problem, dass die Sonden erst in ungefähr achtzigtausend Jahren den nächsten Stern erreichen könnten. „Das Raumfahrzeug wird nur gefunden und die Urkunde nur durch eine fortgeschrittene, raumfahrende Zivilisation im interstellaren Raum abgespielt werden können. Aber der Stapellauf dieser Flasche in den kosmischen Ozean sagt einiges Hoffnungsvolles über das Leben unseres Planeten aus“1. Schlichter kann man die religiöse Tiefendimension dieser Botschaft kaum formulieren – der Sinn des Aufschreis aus den Tiefen des einsamen Planeten Erde ist der Trost, irgendetwas als Macher seines nachkopernikanischen Schicksal getan zu haben um die nachkopernikanische Einsamkeit in raumzeitlicher Unendlichkeit zu bewältigen. Die Astronautengötter – wenn es sie denn gibt – müssten eigentlich dieses Flehen erhören. Hier haben wir es – wenn wir uns gleich die Kontakthoffnungen eines Frank Drake ansehen – mit einer hochwissenschaftlich verbrämten Heilserwartung zu tun. Sehen wir uns Drakes und Sagans Wirken im Kontext der Frage nach der Pluralität der Welten und von SETI an.

2.

Frank Drake: „... das technisierteste, aber auch das menschlichste wissenschaftliche Thema“

Schlecht scheint Frank Drake, der namhafte Astronom und Astrophysiker, beraten gewesen zu sein, als er sein zusammen mit der Wissenschaftsjournalistin der NEW YORK TIMES, Dava Sobel (*1947), veröffentlichtes Buch Is Anyone Out There? The Scientific Search for Extraterrestrial Intelligence (1993) (deutscher Titel: Signale von anderen Welten. Mit dem NASA-SETI-Projekt auf der Suche nach fremden Intelligenzen, 1997) mit einem Geleitwort durch den Parawissenschaftler Johannes von Buttlar (*1940) versehen ließ. Doch wenn man andererseits liest, welche Erwartungen Drake im Leser hinsichtlich des SETI-Projektes weckt, dann passt er durchaus in den Zusammenhang einer grenzwissenschaftlichen Autorenschaft. Er kündigt im Vorwort an, dass er nach drei Jahrzehnten SETI-Forschung zusammen mit seinen Kollegen „unmittelbar vor einer Entdeckung“2 stehe. Diese Ankündigung beziehe sich auf die „unmittelbar bevorstehende Entdeckung von Signalen außerirdischer Zivilisationen“3. Er ordnet dann die Bedeutung dieses seiner Ansicht nach bald stattfindenden Ereignisses geschichtlich ein. „Diese Entdeckung wird sich meiner Überzeugung nach noch vor dem Jahr 2000 bestätigen und

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http://voyager.jpl.nasa.gov/spacecraft/goldenrec.html. Drake/ Sobel, 1997, 13. Drake/ Sobel, 1997, 13.

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die Welt maßgeblich verändern“1. Dabei geht Drake wie selbstverständlich davon aus, dass die außerirdischen Wesen „zweifellos (!) Kontakt mit uns aufnehmen werden“2. Auf den spezifisch neomythischen Aspekt seiner Erwartungen, das heißt auf die Hoffnung, die Endlichkeit des Menschen innerkosmisch aufheben zu können, werden wir später eingehen. Dieser seiner baldigen Forschungsergebnisse so sichere Frank Drake studiert zunächst Elektronik, arbeitet dann als Elektronik-Offizier auf der USS Albany, belegt in Harvard Radioastronomie als Studienfach und arbeitet später am neugegründeten NATIONAL RADIO ASTRONOMY OBSERVATORY (NRAO) in Green Bank (West Virginia). Am 8.4.1960 führt er dort unter dem Projektnamen Ozma seine erste Untersuchung der Sterne Tau Ceti und Epsilon Eridani unter dem Gesichtspunkt außerirdischen zivilisierten Lebens und damit das erste ernst zu nehmende SETI-Experiment durch3. Insgesamt sucht Drake damals zweihundert Stunden lang4. Der Projektname bezieht sich auf Lyman Frank Baums (1856-1919) Roman Ozma of Oz (1907), den dritten Roman der Reihe, die durch den berühmten ersten Teil The Wonderful Wizard of Oz (1900; später bekannter als The Wizard of Oz) berühmt wurde. Für Drake ist das vom sachlichen Ertrag her nicht erfolgreiche Projekt Ozma im Rückblick bedeutsam als Beweis, dass die radioastronomische Suche nach Außerirdischen ein „praktikables und sogar vernünftiges Unterfangen ist“5. Angeregt durch J. Peter Pearman, ein Biologe und Verwaltungsoffizier des Space Science Board der NATIONAL ACADEMY OF SCIENCES, organisiert er im November 1961 die erste SETI-Konferenz, zu der auch Sagan eingeladen wird. Ungefähr ein Dutzend Wissenschaftler nehmen an dieser Versammlung teil. Im Kontext der Vorbereitung der Konferenz entwickelt Drake seine berühmte Formel, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen. Heute befindet sich in diesem Konferenzraum eine Gedenktafel an die erste öffentliche Proklamation dieser Gleichung. Am Ende der Tagung steht für die Beteiligten fest, dass eine Suche nach extraterrestrischer Intelligenz sinnvoll ist und sie erhält die Abkürzung SETI. Später, ab 1963, ist Drake für kurze Zeit am JET PROPULSION LABORATORY tätig und übernimmt noch im gleichen Jahr eine Position am CORNELL‘S CENTER FOR RADIOPHYSICS AND SPACE RESEARCH. Zwei Jahre später (1965) wird er Direktor des CORNELL RUN ARECIBO OBSERVATORY in Puerto Rico. Zugleich arbeitet er als Professor für Astronomie an der CORNELL UNIVERSITY (1964-1984) 1 2 3 4 5

Drake/ Sobel, 1997, 13. Drake/ Sobel, 1997, 14. Vgl. Drake/ Sobel, 1997, 66. Vgl. Hoerner, 2003, 150. Drake/ Sobel, 1997, 74.

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und ist von 1970-1981 Direktor des NATIONAL ASTRONOMY AND IONOSPHERE CENTER. In späteren Jahren häufen sich die akademischen und beruflichen Ehrungen. Er ist Professor für Astronomie und Astrophysik (ab 1984) und Dean für Natural Sciences (1984-1988) an der UNIVERSITY OF CALIFORNIA in Santa Cruz, seit 1972 Mitglied der NATIONAL ACADEMY OF SCIENCES, zwischen 1988-1990 Präsident der ASTRONOMICAL SOCIETY OF THE PACIFIC und seit 1984 im Leitungsteam des SETI-Instituts. Die 1961 durch Drake vorgestellte Gleichung lautet N = R* fp ne fl fi fc L. R* beziehe sich auf die Sternbildungsrate pro Jahr, fp sei der Anteil der Sterne mit Planetensystemen, n betreffe die Anzahl der Planetensysteme mit lebensbegünstigenden Ökosphären, fl stelle den Anteil der Planeten, auf denen sich Leben entwickelt habe dar, fi sei der Anteil der Planeten, auf denen intelligente Lebensformen existierten, fc sei der Anteil der Planeten mit Intelligenzen in der Kommunikationsphase, L sei die durchschnittliche Lebensdauer einer technologischen Zivilisation und N sei schließlich die sich aus dem Produkt dieser Werte ergebende reelle Zahl technologischer Kulturen in unserer Galaxis. Diese Formel ist wissenschaftstheoretisch nicht unsinnig, weil sie – nach unserem ‚anthropomorphen‘ Maßstab – aufzählt, was gegeben sein muss, wenn es entsprechende Intelligenzen sollte geben können. Sie könnte natürlich auch in Alltagssprache aufzählen, was alles gegeben sein muss, wenn es hochentwickelte extraterrestrische Intelligenz geben sollte. Dann würde es aber nicht so hochwissenschaftlich klingen. Sie ist aber erkenntnistheoretisch betrachtet unsinnig. Man könnte nämlich auch aufzählen, was alles gegeben sein müsse, damit auf einem Planeten angemalte Zinnfiguren mit Motiven aus dem Herrn der Ringe vorkommen könnten. Das erste Problem dieser – in Präastronautik- und UFOlogenkreisen wie ein Zauberspruch verehrten – Formel besteht darin, dass sich für die Elemente fl, fi, fc und L keine statistisch nutzbaren Angaben machen lassen. Sie beziehen sich nur auf einen einzigen Fall und es gibt bis heute kein empirisches Kriterium gemäß dem man schlussfolgern kann, dass es in unserem Universum noch andere Formen von Intelligenz gibt. Drake macht aus der Not eine Tugend: „Es überrascht mich immer wieder, daß diese Gleichung als eine der großen Ikonen der Wissenschaft betrachtet wird, da sie mir weder großartige, intellektuelle Anstrengungen noch Einblicke abverlangt hatte. Aber damals wie heute drückt die Gleichung eine große Idee auf eine Weise aus, daß selbst ein wissenschaftlicher Anfänger sie umsetzen kann. Menschen, die mit dem wissenschaftlichen Bild der kosmischen und biologischen Evolution nicht vertraut sind, denken manchmal, daß es sich um eine hochspekulative Sache handelt. Genau das Gegenteil ist aber der Fall, da jedes in der Gleichung angenom-

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mene Phänomen ein Ereignis ist, dass zumindest einmal bereits stattgefunden hat“1. Das zweite, damit zusammenhängende Problem ergibt sich daraus, dass man, ohne den Bezug auf einen real existierenden Vergleichspunkt (traditionell gesprochen, aus differentia specifica und genus proximum), also ohne Bezug auf schon bekannte Werte über mindestens eine Galaxis und über mindestens zwei Arten intelligenten Lebens, prinzipiell keine derartige Formel auch nur schwach empirisch gestützt erstellen kann, ohne einfach nur Triviales, allerdings als wohlklingende Formel, zu sagen. Drake geht – erkenntnistheoretische Betrachtungen ignorierend – allerdings noch weiter und einfach von der Voraussetzung aus, dass es eine große Zahl technischer Zivilisationen in der Milchstraße gebe, von denen einige – hier werden noch einmal starke Voraussetzungen gemacht – wahrscheinlich sehr alt seien. Drake behauptet von der SETI-Forschung, dass es sich hier auf keinen Fall um eine, wie er es nennt, hochspekulative Sache handle. Es ist aber zumindest in der öffentlichen Werbung bzw. der Präsentation der Ergebnisse eher genau dieses spekulative Vorgehen beobachtbar. Beliebt ist dabei das Analogieargument. ‚Wenn im Universum überall die gleichen Gesetzmäßigkeiten herrschen, dann können wir vernünftigerweise davon ausgehen, dass es noch andere durch Intelligenzen belebte Welten gibt‘. Aus diesem Analogieargument heraus wird am Schluss gefolgert, dass es viele solcher Welten geben müsse. Schon 1962 schreibt Drake in seinem programmatischen Buch über Intelligent Life in Space: „Das würde bedeuten, dass in der Geschichte unserer Galaxis zu unzähligen Zeitpunkten Leben, und sogar intelligentes Leben aufgetaucht ist“2. Der Begriff der Intelligenz, kein philosophischer Vernunftbegriff, wird dabei auf die wissenschaftsfundierte Technik bezogen. „Jede Zivilisation wird möglicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte Wissenschaft und Technik, so wie wir sie besitzen, entwickeln“3. Wenn wir diesen Satz etwas formaler darstellen, wird folgende Struktur sichtbar ‚Alle Zivilisationen ... möglicherweise: wissenschaftsfundierte Technik‘. Eine kategorische Aussage every steht am Anfang, diese wird mit der sprachlichen Wendung ,möglicherweise‘ (probably) zwar wieder relativiert, every wirkt sich dann allerdings als einziges auf die folgende Argumentation aus. Auf der Basis dieser kosmischen Anthropologie beziehungsweise kosmischen Geschichtsphilosophie wird in einem nächsten Schritt in die abstrakte Drakesche Gleichung quantitatives Material willkürlich eingeführt. Ich möchte hier für diese Art der Bezugnahme auf Grundbestimmtheiten aller intelligenten Wesen in unserer Galaxis den

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Drake/ Sobel, 1997, 89f. Drake, 1962, 45, Übersetzung L.H. Drake, 1962, 74, Übersetzung L.H.

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Terminus Kosmoanthropologie einführen. Es kann aufgrund meist unthematischer kosmoanthropologischer Prämissen plötzlich ohne empirische Bezüge mit Zahlen gerechnet werden, indem man eine hypothetische Zahl annimmt und diese dann als verbindlich und quasi-empirisch vorgegeben behandelt. Drake fährt fort mit der wissenschaftssprachlich exakt klingenden Hypothese, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Million, unter bestimmten Umständen zwei Millionen kommunizierender Zivilisationen in der Milchstraße gebe1. Im nächsten Satz wird die hypothetische Sprache zurückgenommen und auf scheinbar fundierte Ergebnisse vorangegangener Argumentationen Bezug genommen: „Dies (die zwei Millionen, L.H.) ist deshalb der Fall, weil, wie wir gesehen haben, ständig Zivilisationen entstehen“2. Mit der sprachlichen Wendung wie wir gesehen haben wird in der Argumentation ein weiteres Mal die Hypothesensprache zu Gunsten von Beweissprache ersetzt. Durch das ständige Schweben zwischen empirisch gesichert klingenden Behauptungen und Hypothesen ergibt sich eine sprachliche Form, die wissenschaftliche Solidität vorgaukelt. Diplomatisch schreibt etwa der bekannte us-amerikanische Kosmologe Lawrence Krauss (*1954) in Richtung Drake und anderer einschlägiger Autoren im Hinblick auf die wissenschaftstheoretischen Auswirkungen der Drakeschen Gleichung: „In gewissem Sinne fasst diese Gleichung unsere Unwissenheit in Parameter, bei der jede der in sie eingehenden fundamentalen Wahrscheinlichkeiten diskussionswürdig ist. ... Dennoch hatte ich schon immer das Gefühl, dass dieser Ansatz ein Problem in sich birgt, und ich habe kürzlich mit Frank Drake selbst darüber diskutiert. ... Die Statistik sehr seltener Ereignisse ist eine hohe Kunst, und die naive Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist vielleicht nicht der beste Weg, sich diesem Thema zu nähern“3. Am Ende von Drakes Buch wird dem lesenden Publikum dann eine wiederum als eindeutig wissenschaftlich abgesicherte Aussage verbrämte Glaubensüberzeugung dargeboten: „Es ist vollkommen sicher (with almost absolute certainty), dass in genau dieser Minute Radiowellen, die von anderen intelligenten Zivilisationen ausgesandt wurden, auf unserer Erde auftreffen. Es kann ein Teleskop gebaut werden, das, richtig justiert und auf die richtige Frequenz eingestellt, diese Wellen entdecken kann. Eines Tages werden von irgendwoher von den Sternen die Antworten auf viele der ältesten, wichtigsten und aufregendsten Fragen kommen, die die Menschheit gestellt hat“4. Betrachten wir Diskussionsthemen beziehungsweise -ergebnisse auf der oben angesprochenen Tagung von 1961 um noch deutlicher zu sehen, wie mit abstrakt klingenden Formeln willkürlich gespielt und fantasiert werden kann. An dieser 1 2 3 4

Vgl. Drake, 1962, 75, Übersetzung L.H. Drake, 1962, 75, Übersetzung L.H. Hervorhebung L.H. Krauss, 2002, 27. Drake, 1962, 111, Übersetzung L.H.

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Tagung nimmt auch der später durch Eigenexperimente mit LSD bekannt gewordene und in die New Age-Szene emigrierte, damals aber hoch anerkannte Delphin-Forscher, der Neurophysiologe John Cunningham Lilly (1915-2001) teil. Wie selbstverständlich diskutieren die Astronomen mit ihm über die Frage „Wie lange bleibt eine Zivilisation, die technologisch in der Lage ist, innerhalb des Weltraums auf ihre Existenz aufmerksam zu machen, noch eine Zivilisation?“1. Inwiefern es hier überhaupt etwas empirisch Wissbares gebe, wird dabei wohl nicht weiter erörtert worden sein. Jedenfalls berichtet Drake ohne jede Ironie vom Ergebnis dieser Ausführungen, durch die die Teilnehmer wieder zu einer schönen, symbolträchtigen Buchstabendarstellung eines Aspektes der Drake-Gleichung gelangen konnten, die so etwas wie eine Realsatire darstellt: „Schließlich gelangten wir zu der Ansicht, daß die Lebenserwartung anderer Zivilisationen entweder sehr niedrig sein mußte – weniger als 1000 Jahre – oder extrem hoch – vielleicht Hunderte von Millionen Jahren, wenn man das Äußerste annahm. Alle Zahlen, die wir bislang in die Gleichung eingesetzt hatten, waren entweder gleich eins oder sie hoben sich gegenseitig auf. ... Der Wert von N2 hing somit ausschließlich vom Wert L ab. Und damit ergab sich eine neue, von allem Ballast befreite Gleichung, die schlicht lautete: N = L. ‚Damit haben wir ein Ergebnis‘, sagte ich, ‚unsere beste Schätzung ergibt, dass sich zwischen 1000 und 100 Millionen höher entwickelte außerirdische Zivilisationen in der Milchstraße befinden‘“3. Dieses Thema wird durch den deutschen Astrophysiker am GREEN-BANKOBSERVATORIUM Sebastian von Hoerner (1919-2003) ausgebaut, dem es nach Drakes Auffassung gelingt „mathematisch zu beweisen“4, dass es eine sehr große Zahl langlebiger kosmischer Zivilisationen geben müsse. Wie absurd manche Gedankengänge Drakes – eines in seinem Fach innovativen und wegweisenden Astronomen – sind, zeigt sein Beitrag in einem Tagungsband von 1979. In diesem Artikel setzt sich Frank Drake mit der Energie-/Kostenfrage einer zurzeit und auch mittelfristig wohl technologisch nicht aktuellen Kolonisation der Galaxis auseinander. Diese Frage, die an gern angeführte, historisch zweifelhafte mittelalterliche Diskussionen über das Thema, wie viele Engel auf eine Nadelspitze gehen, erinnert, wird von Drake mit hochwissenschaftlichem Gestus durch Mathematik illustriert. Eine Passage aus dieser Darstellung sei um der Vorstellbarkeit willen zitiert: „Dann ist die Gesamtzeit innerhalb deren sich eine neue Kolonie bilden kann tc + tt , die Geschwindigkeit der Entgrenzung der Zivilisation ist

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Drake/ Sobel, 1997, 103. Siehe zu N und L oben die Erläuterungen zur Drake-Gleichung. Drake/ Sobel, 1997, 104. Drake/ Sobel, 1997, 109.

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Drakes Ergebnis überrascht nicht jeden: Kostengünstiger als eine Besiedelung der Galaxis ist für uns der Bau großer schwimmender Meeresstädte oder überdachter Städte in den polaren Gebieten. Der NASA sind derlei Überlegungen – wie gleich im Hinblick auf die staatliche Unterstützung des SETI-Institutes ausgeführt werden wird – achtundfünfzig Millionen US-Dollar wert gewesen, ein Verweis wiederum darauf, wie groß die Faszination neomythischer Ideen einzuschätzen ist. Drakes Formel erhält populären Aufwind, als in den Jahren zwischen 1992 und 1996 mehrere Planetensysteme von Astronomen nachgewiesen werden. Als erster wird bei dem fünfundvierzig Lichtjahre entfernten, mit dem Spektraltyp G2 3V sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi ein Planet entdeckt. Kurze Zeit später wird im Januar 1996 auf der Jahrestagung der AMERICAN ASTRONOMICAL SOCIETY die Entdeckung zweier weiterer Planeten bei den Sternen 70 Virginis und 47 Ursae Majoris verkündet. Im Laufe des Jahres 1996 können weitere einschlägige Entdeckungen gemeldet oder aber zumindest Indizien für die Existenz weiterer Planetensysteme gesammelt werden. Astronomen machen etwa bei dem F7V Stern HR 5185 ein Objekt von etwa 3,87 Jupitermassen aus, das seine Sonne in der Entfernung von nur 0,0462 AE in etwas mehr als drei Tagen umkreist und stoßen auch bei dem G8V Stern 55 Cancri auf einen Planeten von etwa 0,8 Jupitermassen, dessen Entfernung zum Muttergestirn etwa 0,1 AE beträgt. Planeten in anderen Sonnensystemen werden auf diese Weise zu einer vertrauten Vorstellung. Eine durch die NASA veröffentlichte, in ihrer Bedeutung umstrittene Entdeckung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe in einem in der Antarktis entdeckten Marsmeteoriten, trägt zu weitergehenden Spekulationen bei2.

Besser als jeder Präastronautik-Anhänger drückt Drake die Hoffnungen auf den Inhalt der interstellaren Mitteilungen aus und leitet damit zu seinen spezifisch neomythischen Gedanken über: „Wahrscheinlich gibt es keinen schnelleren Weg zur Weisheit, als das Studium höher entwickelter Zivilisationen“3. Die erhoffte Weisheit könne darin bestehen, dass eine „fremdartige Zivilisation“4 der Menschheit „umfangreiche Bibliotheken voller nützlicher Informationen übergeben wird, die wir nach unserem Gutdünken nutzen“5 könnten. Der Sciencefiction-Autor Isaac Asimov (1919-1992) hat in seiner im zweiten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft besprochenen Foundation-Romanreihe6 eine „galaktische Enzyklopädie“ entworfen. Drake erhofft sich eine solche

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Drake, 1980, 30. Vgl. dazu Bennett/ Donahue/ Schneider/ Voit, 2010, 1047f. Drake/ Sobel, 1997, 237. Drake/ Sobel, 1997, 238. Drake/ Sobel, 1997, 238. Hauser, Bd. 2, 445-448.

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als Ergebnis der SETI-Forschung. „Diese ‚galaktische Enzyklopädie‘ wird ein Potenzial für Verbesserungen unseres Lebens schaffen, die wir nicht vorhersagen können“1. Endgültig beim Neomythos angelangt ist Drake dann, wenn er sich eine Art ‚Wasser des Lebens‘ oder ‚Stein der Weisen‘ von den Außerirdischen verspricht. „Meiner Ansicht nach könnte Unsterblichkeit bei Außerirdischen durchaus üblich sein. Unter Unsterblichkeit verstehe ich die unbegrenzte Möglichkeit eines lebenden Wesens, eine wachsende und kontinuierliche Zahl individueller Erfahrungen zu sammeln. Ich glaube, dies könnte in etwa durch die Entwicklung von Methoden zur Ausschaltung des Alterungsprozesses entstehen oder durch Methoden, mit denen man altersbedingte Krankheiten und Schwächen heilen und für eine unbegrenzte Zeit vermeiden kann“2. Es ist für einen hochspekulativen neomythischen Denker wie Drake dann selbstverständlich, dass die Außerirdischen uns aus Gründen ihrer eigenen Absicherung eine entsprechende Hilfestellung zur Unsterblichkeit mitteilen werden. „Ich glaube, daß ihnen schon bald eine bessere Strategie einfallen würde, die anderen Gesellschaften ebenfalls der Unsterblichkeit verhelfen könnte. ... Damit erwarte ich auch von den Unsterblichen, daß sie ihr Unsterblichkeitsgeheimnis unter jungen, technisch voranstrebenden Zivilisationen aktiv verbreiten, umso das Leben von Wesen wie uns zu ändern“3. Raumfahrtgeschichtlich bedeutsam ist Drakes Engagement für das SETIINSTITUTE in Mountain View (CA), das er zunächst mit drei Mitarbeitern in einem Wohnwagen startet. Das SETI-Programm4 beinhaltet, allgemein gesprochen, den Versuch, vor allem über Radiosignale Indizien für die Existenz anderer Intelligenzen im Weltall zu sammeln. Die NASA ist 1992 bereit, das SETI-Institut u.a. mit achtundfünfzig Millionen Dollar unter dem weniger exotisch klingenden Namen High Resolution Microwave Survey zu fördern5. Das NASA SETI-Programm wird allerdings 1993 aus Einsparungsgründen vom amerikanischen Senat gestoppt. Danach besteht das Institut durch Stiftungen als Project Phoenix weiter, an dem sich etwa der berühmte Sciencefiction-Autor Arthur C. Clarke (1917-2008), der Regisseur und Filmproduzent Steven Spielberg (*1946), der Microsoft-Mitbegründer Paul Gardner Allen (*1953), der Intel-Gründer Gordon Moore (*1929), und die HP-Gründer David Packard (1912-1996) und William Hewlett (1913-2001) beteiligen6. Seine weitere Geschichte muss hier nicht mehr skizziert werden. Nur eine Aktualisierung soll vorgenommen werden.

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Drake/ Sobel, 1997, 238. Drake/ Sobel, 1997, 238. Drake/ Sobel, 1997, 240. Über den möglichen positiven Nutzen dieses SETI-Projektes schreibe ich hier nicht. Es geht nur um die neomythischen Hintergründe zweier namhafter Initiatoren der SETI-Programme. Vgl. Hoerner, 2003, 168. Informationen im Internet sammelt man im Ausgang von http://www.seti-inst.edu.

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Juri Borissowitsch Milner (*1961)1, zum Milliardär gewordener russischer Physiker, Internetinvestor und großzügiger Förderer biowissenschaftlicher und physikalischer Forschung liest in jungen Jahren Carl Sagans Schriften zum SETIProjekt. Am 20. Juli 2015 stellt er der Weltöffentlichkeit in Anwesenheit von Stephen Hawking und Frank Drake sein das SETI-Projekt dynamisch wieder in die Öffentlichkeit bringende Breakthrough Listen-Forschungsprojekt2 in der ROYAL SOCIETY in London vor. Er selbst unterstützt das Projekt mit 100 Millionen USD. Die auf zehn Jahre angesetzte Forschungsarbeit werde sich dabei der Möglichkeiten des Radioteleskops in Green Bank (West Virginia, USA), des Automated Planet Finder-Teleskops des Lick-Observatoriums (Kalifornien, USA) und des Parkes-Observatoriums (New South Wales, Australien) bedienen. Stephen Hawking übermittelte bei diesem Anlass folgende Nachricht: „Ich bin heute hier, weil ich glaube, dass die Breakthrough Initiatives hoch bedeutsam sind. Um das Universum zu verstehen, musst du dich mit Atomen auskennen. Mit den Kräften die sie verbinden. Mit der Qualität von Raum und Zeit. Mit der Geburt und dem Tod von Sternen, dem Tanz der Galaxien. Mit den Geheimnissen der schwarzen Löcher. Aber das langt nicht. Solche Überlegungen können nicht alles erklären. Sie können das Licht der Sterne erklären. Aber (sie können) nicht die Lichter (erklären), die vom Planeten Erde ausgehen. Um diese Lichter zu erklären, musst du das Leben kennen. Das geistige Leben. Wir glauben, dass das Leben spontan auf der Erde entstanden ist. In einem derart grenzenlosen Universum muss es noch anderes Vorkommen von Leben geben. Vielleicht beobachtet irgendwo im Kosmos intelligentes Leben diese Lichter von uns und versteht was sie bedeuten. Oder streifen unsere Lichter durch einen leblosen Kosmos. Ungesehene Signalfeuer, die verkünden, dass hier, auf diesem einen Felsen das Universum sich seiner Existenz bewusst wurde (discovered). Wie auch immer, es gibt keine größere Frage. Es ist Zeit das wir uns darauf einlassen eine Antwort zu finden – nach Leben außerhalb der Erde zu suchen. Die Breakthrough Initiatives verpflichten sich dies zu tun. Wir leben. Wir sind intelligent. Wir müssen wissen“3. Die Suche geht weiter. Die angezielte Zusammenarbeit mit SETI@home wird für die Weltöffentlichkeit die SETI-Tradition genauso anschaulich bewahren, wie die Tatsache, dass Frank Drake einer der Leiter des Projektes ist. Doch zurück zu Drake.

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Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Juri_Borissowitsch_Milner. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Breakthrough_Listen und http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/seti-100-millionen-dollar-fuer-alien-suche-von-jurij-milner-a-1044483.html. http://breakthroughinitiatives.org/, Übersetzung L.H.

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Dem privat finanzierten Projekt Phoenix steht Anfang der neunziger Jahre ein einhundertvierzig Fuß umfassendes Radioteleskope in Green Bank (West Virginia) zur Verfügung. Dieses Teleskop sucht nach Signalen von im Umkreis von zweihundert Lichtjahren Entfernung liegenden Sonnensystemen, auf denen intelligentes Leben prinzipiell vermutet werden kann. Seit 1999 gibt es auch das Projekt SETI@home1, ‚Suche nach extraterrestrischer Intelligenz zuhause‘, welches durch die Berkeley-Universität betreut wird. Auf seiner Homepage stellt sich das Projekt so vor: „SETI@home ist ein wissenschaftliches Experiment, welches mit dem Internet verbundene Computer für die Suche nach außerirdischer Intelligenz einsetzt. Sie können daran teilnehmen, indem Sie ein kostenloses Programm installieren, das Radioteleskopdaten herunterlädt und analysiert“2.

Die NASA gibt 1977 einen Sammelband heraus, der die Ergebnisse zahlreicher Forschungen und Kolloquien zum Thema SETI zusammenfasst. Das sechste Kolloquium beschäftigt sich mit dem Thema SETI als Wissenschaft (The Science of SETI). Hier wird unter anderem eine anthropologische Fundierung des SETI-Anliegens versucht. „SETI ist Ausdruck des menschlichen Forschungsdranges. Dieser Drang ist einer der ältesten und fundamentalsten Züge unserer Natur; der unmittelbare Ausgangspunkt des Hominiden als einer biologischen Spezies verdankt sich letztlich zum Teil auch der Kühnheit unserer mutigen Vorfahren, die ihre vertrauten Wälder aufgaben, um die Savanne zu erforschen um dort … Beute aufzuspüren. Unsere Vorfahren stießen in jede Ecke unseres Globus vor. Sie untersuchten (die Erde, L.H.) indem sie auf Hügel stiegen, durch Wälder gingen und große Wasserflächen überquerten. Manchmal hatten sie konkrete Ziele, aber sicherlich zogen sie manchmal aus keinem anderen Grunde los, als um zu sehen was dort war. Der moderne Mensch forscht weiter, aber die Bühne seiner Forschung sind nun die fernen Planeten und Sterne. Aber wir sind nicht auf körperliche Präsenz voraussetzende Forschungsmethoden (physical exploration) begrenzt. Wir können die Gabe unserer Intelligenz dazu nutzen, Forschung aus der Distanz zu betreiben. Obgleich wir eines Tages das Interesse haben könnten, Raumschiffe zu bauen um dorthin zu reisen, benötigen wir zur Untersuchung der Sterne heute nur Teleskope. ... Wir nennen diese Art der Erforschung der Natur, die wir durch Beobachtung und Experiment erlangen, wissenschaftliche Erkenntnis (scientific knowledge). Um die Sterne bei der Suche nach intelligentem Leben zu untersuchen braucht man ebenfalls wissenschaftliche Erkenntnisse ... Die wissenschaftliche Erkenntnis, die ein SETI-Programm voraussetzt, kann man am besten im Kontext der DrakeGleichung veranschaulichen …“3. Interessant ist in dieser Darstellung, dass über den Bezug auf kosmoanthropologische Grundbestimmtheiten ein konkretes Projekt verständlich gemacht werden

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setiathome.ssl.berkeley.edu. setiathome.ssl.berkeley.edu. NASA, 1977, Nr. 95, Übersetzung L.H.

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soll und dass darüber hinaus die erkenntnistheoretische Fundierung beziehungsweise Legitimation durch den Rückgriff auf eine mathematische Beschreibung – die Drake-Gleichung – gesucht wird, die bei nüchterner Betrachtungsweise keine empirische Fundierung besitzt, aber dennoch eine wissenschaftstheoretische Grundlage empirischer Forschung darstellen soll, die in der SETI-Forschungspraxis viele Millionen US-Dollar der NASA verschlungen hat. Es kombinieren sich hier biologische und philosophische Anthropologie, eine pseudoempirische, wissenschaftlich aussehende mathematische Beschreibung und viele Steuergelder auf der Basis einer neomythischen Betrachtungsweise von Seiten hochqualifizierter Astronomen. Diese Vorstellungen können sich – noch dazu in populärer Lesart – mit der Panspermie-Hypothese, dass das Leben aus dem Weltall komme, verbinden und dann zusätzlich noch durch die durch Crick vertretene Hypothese einer gelenkten Panspermie kosmoanthropologisch aufgeladen werden. Das Endprodukt ist dann die Präastronautik. Bei Carl Sagan verbinden sich das Interesse an SETI-Forschung und das an Präastronautik. Seine Position kann als ideale Überleitung zur präastronautischen Thematik betrachtet werden.

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Carl Sagan. Topstar in Wissenschaft und Showgeschäft

Das Multitalent Carl Edward Sagan ist seit 1971 David Duncan Professor für Astronomy and Space Sciences und Direktor des Laboratory for Planetary Studies an der CORNELL UNIVERSITY. An fast allen unbemannten Weltraumflügen seiner Zeit hat Sagan Anteil. So etwa an Mariner 9, der die ersten detaillierten Bilder vom Mars sendet, am VikingProjekt, bei dem nach Leben auf dem Mars gesucht wird, an den Missionen von Pioneer und Voyager, die als erste die äußeren Planeten und ihre Monde erkunden und am Flug der Raumsonde Galileo, die Bilder vom Jupiter und seinen Monden sendet. Sagan erforscht weiterhin die Oberfläche der Venus unter dem Gesichtspunkt ihrer möglichen Bewohnbarkeit. Er vertritt die Panspermie-Vermutung, stellt die Hypothese auf, dass der Saturnmond Titan eine mit organischen Molekülen durchsetzte Atmosphäre besitze, die grundsätzlich die Lebensbausteine enthalte – eine Vermutung, die durch die Voyager-Missionen 1 und 2 in den achtziger Jahren bestärkt wird. Immer wieder weist Sagan auf die Bedeutung der Suche nach extraterrestrischem Leben hin. Auf seinem Lehrstuhl an der CORNELL UNIVERSITY versucht er den neuen Bereich der Exobiologie zu erschließen, die sich mit den biochemischen Grundlagen des möglichen Lebens auf anderen Planeten beschäftigt. Er entwirft zusammen mit Drake die bekannte Aluminium-Gold-Plakette, die 1972 mit Pioneer 10 als Gruß an mögliche außerirdische Intelligenzen die Erde

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verlässt. Ebenso entwickelt er die Multmedia-CD für mögliche Außerirdische, die die beiden Voyager-Sonden in die interstellare Unendlichkeit begleitet. Zusammen mit Paul Horowitz (*1942) von der HARVARD UNIVERSITY, unterstützt Sagan das SETI-Projekt. Nicht zuletzt ist Sagan seit 1958 Gründungsmitglied des Space Science Board‘s Committee on Exobiology und damit Regierungsberater und Gründer der Planetary Society1, der weltgrößten Vereinigung von Weltrauminteressierten. Zugleich ist Sagan ein Medienstar und bekannt durch Fernsehsendungen und populäre Sachbücher. Deshalb sei nur auf seine Fernsehserie Cosmos hingewiesen, die ungefähr fünfhundert Millionen Menschen gesehen haben. Sein mit großem Erfolg verfilmter Roman Contact (19951) wird zu einem der Kassenschlager des Jahres 1997. In diesem Werk, das teilweise wie eine mit Dialogen versetzte historische Darstellung gelesen werden kann, schildert Sagan unter anderem die apokalyptischen Auswirkungen einer außerirdischen Botschaft auf die Weltpolitik. Es kommt zur Enthüllung von Geheimnissen in einer vor der Weltvernichtung stehenden Endzeit und zur Konfrontation mit einem positiven Umschlagspunkt. „Die politischen Führungskräfte wechselten, die Waffensysteme und Strategien änderten sich, aber die Zahl der strategischen Waffen wurde nur größer. Da kam der Zeitpunkt, wo man über 25.000 davon auf dem Planeten hatte, zehn für jede große Stadt. Neue Technologien verkürzten die Flugzeiten, ermöglichten den Erstschlag auf jedes Ziel und einen Launch-on-Warning. Nur eine Gefahr wie die, die möglicherweise von der BOTSCHAFT drohte, konnte einen solchen Wahnsinn aufbrechen, dem die Regierungschefs so viele Länder schon seit so langer Zeit huldigten. Endlich kam die Welt zur Vernunft ...“2.

Vorangegangen war die Entdeckung der Wissenschaftlerin Eleanor Arroway. Sie war im Kontext ihrer Mitarbeit im SETI-Projekt auf außerirdische Radiosignale gestoßen. Die Signale können durch Eleanors Hilfe entziffert werden und es wird nach den dort mitgelieferten Anweisungen eine Maschine gebaut, die das Reisen durch Wurmlöcher ermöglicht. Bei der nun folgenden Reise kommt es zu einem Kontakt mit den Außerirdischen, von denen einer Eleanor, im freien Aufgreifen des Reinkarnationsgedankens, in der Gestalt ihres Vaters erscheint3. Es stellt sich heraus, dass die Außerirdischen das Transportsystem nicht selbst entwickelt, sondern von einer unbekannten Hyperzivilisation als Verwalter4 übernommen haben. Man kann ihre Funktion im Hinblick auf die Erdenmenschheit mit

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Vgl. die Homepage auf: http://www.planetary.org/. Sagan, 1997, 204. Vgl. Sagan, 1997, 396f. Vgl. Sagan, 1997, 408.

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der eines platonischen Demiurgen oder von Kulturstiftern vergleichen, hinter denen sich eine abgründige transzendente Instanz verbirgt. „Vor Milliarden von Jahren sind sie alle irgendwohin gegangen. Wir haben nicht die leiseste Ahnung, wohin“1. Sagan betreibt seine Forschungen zur möglichen extraterrestrischen Intelligenz mit geradezu religiöser Inbrust und ordnet sie in einen neomythischen kosmologischen Kontext ein. Der us-amerikanische Publizist Terry Mattingly (*1954) berichtet über einen liturgischen Auftritt von Carl Sagan2. Angetan mit seinen akademischen Gewändern betritt Carl Sagan am 3.10.1993, dem Fest des Hl. Franziskus, den Predigtstuhl der anglikanischen3 New Yorker Kathedrale St. John the Divine. Die an diesem Tage gespielte Missa Gaia (Earth Mass) enthält (vom Tonband gespielte) Wolfsrufe und Walgesänge und eine Prozession auf der Sinnbilder verschiedener Tierarten (Elefanten, Kamele, Geier, Bienen und ein Algensymbol) präsentiert werden. Ein Chor singt Gebete zu Ra, Ausar, Jehovah und einigen anderen Göttern. In seiner Predigt, „Lichtjahre vom Theismus entfernt” wie Mattingly schreibt, sagt Sagan: „Das Leben erfüllt jeden Winkel und jede Ritze auf der Oberfläche unseres Planeten. ... Da gibt es Bakterien in den höchsten Höhen, springende Spinnen auf den Gipfeln der höchsten Berge, Schwefel verdauende Würmer in den Tiefseegräben Kilometer unter der Wasseroberfläche. Alle diese Wesen stehen in engem Kontakt. Sie essen und trinken einander, atmen wechselseitig die Abgase der anderen und bewohnen deren Körper. ... Sie haben ein Netz wechselseitiger Abhängigkeit und Interaktion hervorgebracht, das den ganzen Planeten umfasst“. Mattingly zitiert Robert C. Newman4, promovierter Astrophysiker und Professor für Neues Testament am Biblical Theological Seminary in Hatfield (Pennsylvania), der erzählt, dass Sagan, den er als TV-Evangelisten bezeichnet, viele seiner Fernsehsendungen mit dem Bekenntnis eröffne: „Der Kosmos ist alles, was je war und je sein wird“. Nach der Messe in St. John the Divine habe Newman Sagan gefragt, inweit sich seine Religiosität verändert habe. Sagan habe geantwortet, dass er nicht an einen personalen, dem Kosmos transzendenten Gott glaube. Drastisch äußert er gegenüber Newman seinen Glauben an einen unbewussten Evolutionsgott. „Ich bin unerbittlich (inexorable) gegen jede Art von offenbarter Religion und weise jede Re1 2

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Sagan, 1997, 407. http://www.tmatt.net/1997/01/15/carl-sagan-tv-evangelist/. Die beiden folgenden Zitate aus der Erdmesse werden nach dieser Seite zitiert und von mir übersetzt. EPISCOPAL CHURCH IN THE UNITED STATES OF AMERICA. Vgl. auch seine Stellungnahme zu Sagans Contact-Roman bzw. seine Verfilmung in: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CD4QFjAA& url=http%3A%2F%2Fwww.arn.org%2Fdocs%2Fnewman%2FCosmos%2520and%2520Cont act.ppt&ei=4urjUIkS0dWyBvXigMAG&usg=AFQjCNHJQgQPfDMC4BOM1Xre3644XM_ YIg&bvm=bv.1355534169,d.Yms, Übersetzung L.H.

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de von einem personalen Gott zurück“1. Dabei greift er deutlich eine evolutionistisch-mechanistische Gottesvorstellung auf. „Einige könnten beispielsweise sagen, dass da eine Art von Macht oder Kraft (force or power) Wache hielte – ein Gefüge von Gesetzen vielleicht. Dann erschafft sich diese Wache selbst. Ich fühle mich bei dieser Art von Sprache wohler“2. Eindrucksvoll formuliert dies Hadden, eine seiner Romanfiguren, in Contact, wenn Sagan ihn auf die Frage nach der Bedeutung der nach außerirdischen Anweisungen gebauten Maschine „Aber glauben Sie an einen Deus ex machina? Glauben Sie, daß die Götter jetzt Erbarmen mit uns gehabt und uns deshalb die Maschine geschickt haben?“ antworten lässt: „Wenn schon, dann an eine Machina ex deo“3. Allerdings lässt er auch – dies sei zitiert, um einer Simplifizierung von Sagans Gottesbild vorzubeugen – seine Romanfigur Waygay über den Gottesbegriff der Buddhisten sagen, „Sie stehen auf dem Standpunkt, daß ihr Gott so groß ist, dass er gar nicht existieren muß“4. Auf keinen Fall kann man Sagan‘s Denken in den Bereich niveauloser Neomythen einordnen – wohl aber kann gesagt werden, dass er im Kontext der Frage nach der Pluralität der (intelligent belebten) Welten ebenfalls, wie etwa ein Flammarion oder ein du Prel, Metaphysik, Kosmologie und Search for Extraterrestrial Intelligence miteinander verbindet. Carl Sagan veröffentlicht 1962 in der Zeitschrift PLANETARY AND SPACE SCIENCE einen Artikel über das Thema eines direkten Kontakts unter galaktischen Zivilisationen durch relativistischen interstellaren Raumflug (Direct Contact among Galactic Civilizations by Relativistic Interstellar Spaceflight). Er leitet seine Betrachtungen unter Bezug auf die sich für ihn verdichtende Vermutung ein, dass im Universum viele Sterne Planeten hätten. Darüber hinaus verstärkten sich die Vermutungen, dass das Auftreten von Leben ein übergreifendes Merkmal des Kosmos überhaupt sei. Analog zur Situation auf der Erde sei es nicht unwahrscheinlich, dass es auf vielen belebten Planeten intelligente Lebensformen gäbe, die technologische Zivilisationen (technical civilizations) herausgebildet hätten. Carl Sagan merkt dann an, dass er sich in diesem Artikel nicht mit radioastronomischen Themen hinsichtlich der Kontaktaufnahme mit außerirdischen Intelligenzen beschäftigen wolle, sondern dass er die Frage stellen wolle, wie es zu einem direkten physischen Kontakt zwischen galaktischen Gemeinschaften durch interstellaren Raumflug kommen könne. Im Folgenden macht Sagan mit der schon von der Drakeschen SETI-Forschung her bekannten, typischen Selbstverständlichkeit willkürliche Voraussetzungen. Eine davon ist geschichtsphilosophisch insofern interessant, als sie eine Art Neuauflage von Auguste Comtes Fortschrittsgeschichte der Wissenschaft bietet. Es 1 2 3 4

http://www.tmatt.net/1997/01/15/carl-sagan-tv-evangelist/, Übersetzung L.H. http://www.tmatt.net/1997/01/15/carl-sagan-tv-evangelist/, Übersetzung L.H. Sagan, 1997, 319. Sagan, 1997, 340.

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wird nämlich nicht nur bei Drake oder hier bei Sagan in den Diskussionen um die SETI-Frage aus der – geschichtlich kontingenten – wissenschaftsfundierten Technik eine kosmoanthropologische Konstante. Die wissenschaftsfundierte Technik wird zwar nie hinsichtlich dieser Betrachtungsweise eigens philosophisch reflektiert, aber tendenziell als etwas begriffen, dass sich in einem ontologisch fundierten, gleichsam platonischen Mechanismus in immer gleicher Weise bei allen ihr gegenüber aufgeschlossen intelligenten Lebensformen entwickele. Die Gleichartigkeit dieser Evolution der wissenschaftsfundierten Technik bezieht sich für diese SETI-Autoren dabei sowohl auf die Entwicklung hin zur Weltraumfahrt als auch auf die Vergleichbarkeit hinsichtlich der zeitlichen Erstreckung dieses Geschehens. Auf diese Weise werden nicht nur für Sagan oder Drake, sondern auch für viele andere SETI-Forscher außerirdische Lebensformen ‚berechenbar‘ und passen in die Drakesche SETI-Grundgleichung. Carl Sagan intendiert „die Zahl der bestehenden galaktischen Gemeinschaften zu berechnen (compute), die eine gegenüber der unsrigen wesentlich fortgeschrittene Technologie besitzen. Auf dem heutigen Stand des technologischen Fortschritts stellen wir uns deren Leistungsfähigkeit als mehrere hundert Jahre oder mehr über unserem Stand der Entwicklung vor“1. Sagan betrachtet dabei seine Fragestellung ausschließlich (und er hat natürlich auch nichts anderes zur Verfügung) unter dem Maßstab der irdischen Geschichte der wissenschaftsfundierten Technik. Er fragt nach dem Zeitpunkt, an dem Leben und dann intelligentes menschliches Leben auf der Erde auftrat, ab wann sich Technologie entwickelte und weist dann darauf hin, dass erst in den letzten Jahren durch die radioastronomische Methode die prinzipielle Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit anderen Intelligenzen gegeben sei. Damit sei sie in ihre kommunikative Phase (communicative phase) eingetreten. Immer streng orientiert an der Erde wird dann eine Alternative hinsichtlich der grundsätzlichen Entwicklung einer Zivilisation eingeführt. Entweder zerstöre sich eine technische Zivilisation bald nach dem Eintritt in die kommunikative Phase oder sie tue es nicht. Da bei dieser Art der SETI-Forschung Zahlen geliebt werden, wird auch hier eine willkürliche quantitative Bestimmung eingeführt („# < 10% “), die beispielsweise voraussetzt, dass die betreffenden endlichen vernünftigen Wesen nicht etwa möglicherweise – entsprechende Fantasien seien hier erlaubt, weil methodisch sinnvoll – allein tausend Jahre brauchen, um erwachsen zu werden wenn sie aus dem Ei geschlüpft sind. Die im ersten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft angeführte empirische Untersuchung über Vorstellungen von us-amerikanischen Bürgern hinsichtlich außerirdischer intelligenter Lebensformen hatte ermittelt, dass viele US-Amerikaner sich diese so vorstellen wie etwas andersartige USAmerikaner. Diesen Eindruck hat man auch bei dieser Art von SETI-Forschung. Über die besagten Prämissen hinaus wird dann auch noch von Carl Sagan als

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Sagan, 1963, 488, Übersetzung L.H.

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selbstverständlicher Grundsatz vorausgesetzt: „Wenn sie (die technologische Zivilisation, L.H.) > 10% Jahre übersteht, wird es unwahrscheinlich sein, dass sie sich hinterher noch zerstört“1. Außerdem sei davon auszugehen, dass eine außerirdische Zivilisation, die prinzipiell interstellare Kommunikationsmöglichkeiten entwickelt habe, diese auch einsetze. Auch hier kann man die Selbstverständlichkeiten der Prämisse bezweifeln. Später, nach weiteren derartigen Berechnungen, kommt Carl Sagan dann auf das Thema der zeitlichen Begrenztheit von intelligenten Lebensformen und der ungeheuren Dauer für die Überbrückung von Lichtjahre-Entfernungen zu sprechen. Er kann allerdings nach Abwägen der Probleme trotz allem wiederum zu einer weiteren kosmoanthropologischen Voraussetzungen kommen: „Wir können erwarten, dass wenn interstellarer Raumflug technisch durchführbar ist – auch wenn er von unserem Standpunkt aus ein äußerst teures und kompliziertes Unternehmen ist – dann wird er entwickelt werden“2. Auch hier verzichtet Carl Sagan nicht auf die Konkretion durch Zahlen. Wie auch immer er auf diese Berechnung kommt, das Ergebnis seiner Anstrengungen führt dazu, dass er die durch diese Zahlen empirisch fundiert klingende These aufstellen kann: „Die mittlere Zahl von patrouillierenden Sternenschiffen jeder technische Zivilisation zu jeder gegebenen Zeit ist ~10( − 10* “3. Nun kann er weiter rechnen und kommt zu der für ihn mathematisch bewiesenen Angabe, dass jeder Stern alle 10+ Jahre4 einmal von einem außerirdischen Raumschiff besucht worden sein dürfte und er fährt dann fort, dass bei einer durchschnittlichen Kontaktefrequenz von ~10,* -. ,/ (yr meint year) ein Planet hinreichend gut hinsichtlich seiner Evolution kontrolliert werden könne. Wenn dann eine Zivilisation ihre kommunikative Phase erreicht habe, dann sei es wohl so, dass die Zahl der Besuche zunehme. Unter diesen Bedingungen könne man dann davon ausgehen, dass ein Planet alle tausend Jahre besucht würde5.

Zu der Zeit, als auf der Erde der Proconsul und der Zinjanthropus lebten, sei die Erde wohl alle zehntausend Jahre besucht worden und wenn sich die Intervalle verkleinerten, sei dann durchaus die Möglichkeit eines Kontaktes mit einer extraterrestrischen Zivilisation innerhalb historischer Zeiten gegeben. Es gebe keine verlässlichen Berichte über Kontakte innerhalb der letzten Jahrhunderte. Frühere Erzählungen über solche Kontakte seien narrativ überformt, könnten allerdings hinsichtlich ihres sachlichen Gehaltes rekonstruiert werden.

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Sagan, 1963, 489, Übersetzung L.H. Vgl. zu diesen Berechnungen die populäre Darstellung in Sagan, 1975, 163-170. Sagan, 1963, 494, Übersetzung L.H. Sagan, 1963, 494, Übersetzung L.H. Vgl. Sagan, 1993, 495, Übersetzung L.H. Vgl. Sagan, 1963, 495, Übersetzung L.H.

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An diesem Punkt bezieht sich Carl Sagan unter anderem auf den – später zu besprechenden – russischen Mathematiker und Präastronautiker Matest M. Agrest (1915-2005), der solche möglichen Kontakte aus den biblischen Berichten besonders anhand des slawischen Henochbuches rekonstruiert habe. Jedoch könne seiner Meinung nach aus alten Dokumenten kein eindeutiger Beweis für die einstige Anwesenheit außerirdischer Intelligenz auf der Erde erbracht werden. Etwas anderes sei es aber nach übrig gebliebenen Artefakten dieser Besuche oder möglichen außerirdischen Raumstationen innerhalb unseres Sonnensystems Ausschau zu halten. Es sei unwahrscheinlich dass sich eine solche Station auf der Erde befinde, möglicherweise komme aber der Mond infrage. Bevor wir Carl Sagans Position weiter darstellen, ist eine Zwischenbemerkung angebracht. Es gibt den uralten Menschheitstraum von einem Utopia, der im zweiten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft auch Thema war1. Dabei geht es um einen Ort, wo – so Herbert George Wells‘ (1866-1946) Romantitel – Menschen, Göttern gleich (1923) leben können oder von einem behavioristischen Erziehungskollektiv in Walden Two (1948) nach dem Maßstab seines Autors, des Behavioristen Burrhus Frederick Skinner, entsprechend konditioniert werden. Europäische Utopisten haben in real existierenden sozialistischen Gemeinschaftsbildungen auf dem amerikanischen Kontinent unter Kolonietiteln wie Ikarien, Altruria, Poggio del Mare, Llano del Rio oder Colonia Cecilia und anderen Bezeichnungen Versuche unternommen, die Utopie zu leben. Sie alle sind gescheitert, weil sie nicht anerkennen konnten, dass Utopie vom Altgriechischen ‚Nicht-Ort‘ (οὐ = nicht, τόπος = Ort) her zu betrachten ist. Die Utopie ist philosophisch betrachtet der Grenzbegriff, der die Maßstäbe für unser hiesiges Zusammenleben setzen kann, nicht aber ein im weitesten Sinne empirischer Begriff, der eine irgendwann oder irgendwo real existierende Wirklichkeit beschreibt. Namhafte SETI-Forscher gehen – wie wir schon bei Frank Drake gesehen haben – davon aus, dass sich diese Nicht-Orte auf anderen Sternen real befinden und zum Zivilisationsmotor für unsere Erde werden könnten. Sebastian von Hoerner, Astronom in Green Bank von 1960-1985, schreibt in seinem Buch Sind wir allein? SETI und das Leben im All (2003) zunächst über die großen, evolutionsgeschichtlich verständlichen, aber heute tödliche Gefahren darstellenden Menschheitsübel (uralter Kriegsinstinkt und moderne Massenvernichtungsmittel, mangelnde Toleranz ohne „weltweit leitende Vernunft“ und durch die Medizin bewirktes Ende der natürlichen Auslese)2. Gegen die partielle Apokalypse, die Selbstzerstörung der Menschheit, wird dann der Blick ins All und die sich dort bietenden Lernmöglichkeiten angeführt. Zunächst wird wiederum nach dem Analogiemodell argumentiert. „Meist nimmt man ja an, daß gleiche Um-

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Vgl. Hauser, Bd. 2/ bes. § 23. Vgl. Hoerner, 2003, 107.

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stände zu gleichen Ereignissen führen. So wollen wir jetzt annehmen, daß … die lebensfreundlichen Planeten tatsächlich belebt sind, daß die nächsten höheren Lebewesen 15-30 Lichtjahre entfernt sind“1. Hoerner führt nun in dieser als für ihn gegeben vorausgesetzten Situation der Existenz außerirdischer Intelligenz auf dem nächstgelegenen lebensfreundlichen Planeten einen Unsicherheitsfaktor ein. Man könne nicht genau sagen, ob dort überall der „Sprung zur Technischen Intelligenz“2 gelungen sei. Das bedeute, dass man das Vorhandensein einer relativ nahe gelegenen, außerirdischen technischen Intelligenz – und hier beginnt jetzt religiöse Sprache – „nur erhoffen“ könne3. Hoffnungsvoll ist diese Möglichkeit für Hoerner, weil er wie Drake und Sagan das platonistische Technikmodell vertritt, gemäß dem unsere hominidisch ausgerichtete wissenschaftsfundierte Technik im kosmischen Maßstab gilt. Ohne weitere philosophische Begründung lehnt auch er sich weit aus seinem bereichsbezogenen Wissenschaftsfenster. Es scheint für ihn so etwas wie eine gesamtkosmische, an wissenschaftsfundierter Technik orientierte Vernunft zugeben. Der unbewusste Evolutionsgott meldet sich wieder einmal zu Wort. „Ich stelle mir vor, daß bei den Entwicklungen im Weltall die Technik als Filter wirkt. Als ein Filter, der nur solche Kulturen in eine weitere Zukunft hindurch läßt, die neben der technischen Intelligenz auch ein gleiches Maß an Vernunft und Weisheit entwickelt haben“4. Die eugenische Versuchung moderner Wissenschaftler, die uns auch bei Hermann Oberth oder Eugen Sänger begegnet ist, taucht ebenfalls bei Hoerner auf. Was für globale Rassenuntergänge stecken dahinter, wenn man die realen Dimensionen dieser evolutiven ‚Filtertechnik‘ betrachtet? Hoerner schreibt von neomythischen Hoffnungen auf ein gereinigtes Universum, das alle der wissenschaftsfundierten Technik nicht würdige Rassen herausfiltert: „Hoffen wir, trotz unserer ernsten Lage, auf Besserung. Und auf viele vernünftige Kulturen im All; auf ‚sauber gefilterte‘, die ihre Kinderkrankheiten überwunden haben, die nicht im Chaos uralter Instinkte plus High-Tech untergegangen sind. Und selbst wenn das geschieht, so braucht es nicht das Ende des Planeten zu bedeuten“5. Unter Verweis auf die Möglichkeit eines Atomkrieges und nuklearen Winters beendet Hoerner diesen Absatz, der eine möglicherweise untergehende Menschheit mit dem Blick auf vielleicht später neu auftretende intelligente und darüber hinaus die wissenschaftsfundierte Technik nach Maßstab des unbewussten Evolutionsgottes richtig einsetzende Rassen: „Eine recht realistische Antwort war dann: ‚Dann hätten die Ratten wieder eine Chance‘, wie nach dem Untergang der Dinosaurier“6.

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Hoerner, 2003, 109. Hoerner, 2003, 109. Vgl. Hoerner, 2003, 109. Hoerner, 2003, 108. Hoerner, 2003, 108. Hoerner, 2003, 108.

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Gehe alles gut, könnten wir – so extrapoliert von Hoerner unsere Entwicklungstendenzen souverän – „in 10-20 Millionen Jahren, rund geschätzt, die ganze Milchstraße besiedelt haben“1. Carl Sagans Auffassungen über das interstellare Utopia sind weniger zynisch, aber dafür noch monumentaler. Er setzt auch mit der Erwartung ein, dass wir von den außerirdischen Intelligenzen nur Gutes erwarten könnten. „Die wissenschaftlichen, logischen, kulturellen und ethischen Erkenntnisse, die dadurch gewonnen werden könnten, indem wir uns in galaktische Sendungen einschalten, würden auf lange Sicht das tiefgreifendste Ereignis in der Geschichte unserer Zivilisation sein. ... Die Art und Weise, wie wir den Kosmos und uns selbst sehen, wird ‚entprovinzialisiert‘ werden“2. Trotzdem diese Zivilisationen so weit fortgeschritten seien, ähneln sie uns nach Sagan, weil auch er das platonistische Technikmodell unthematisch vertritt. Dass es eine spezifisch hominide Technologie geben könnte, die etwa eine Greifhand, zwei Augen und anderes mehr als Grundmuster voraussetzt, wird auch bei ihm nicht reflektiert. „Zivilisationen, die uns Hunderte oder Tausende oder gar Millionen Jahre voraus sind, müßten eigentlich Wissenschaften und Technologien entwickelt haben, die über unsere gegenwärtigen Fähigkeiten so weit hinausgehen, daß sie uns wie Zauberei anmuten würden“3. Carl Sagan ist im Hinblick auf seine Spekulationen zu einer interstellaren Kultursoziologie äußerst optimistisch. Dabei ist es für ihn selbstverständlich, jede mögliche Analogie aus dem individuellen Erdenmenschenleben und der Menschheitsgeschichte überhaupt zur Extrapolation seiner Ideen über eine ideal kommunizierende galaktische Zivilisation heranzuziehen. „Es ist durchaus möglich, über die sehr entfernte Zukunft hoch entwickelter Zivilisationen Spekulationen aufzustellen. Wir können uns vorstellen, daß derartige Gesellschaften in ausgezeichneter Harmonie mit ihrer Umwelt, ihrer Biologie und den Launen der Politik leben, so daß sie sich eines äußerst langen Daseins erfreuen. Sicher werden sie schon längst mit vielen gleichartigen Zivilisationen Kontakt aufgenommen haben, und Wissen, technische Erfahrungen und philosophische Einsichten austauschen, die mit Lichtgeschwindigkeit verbreitet werden. Mit der Zeit dürften die verschiedenen Kulturen der Galaxis, die eine große Anzahl völlig verschieden aussehender Organismen einbeziehen ... sich homogenisieren, genauso wie sich die verschiedenen Kulturen der Erde heute in einem Prozess der Homogenisierung befinden. Die kulturelle Homogenisierung der Galaxis wird freilich … viel Zeit in Anspruch nehmen. ... Die Homogenisierung der Galaxis würde somit mindestens mehrere Millionen Jahre dauern. ... Eine derartige Homogenisierung muss nicht unbedingt

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Hoerner, 2003, 206. Sagan, 1975, 177. Sagan, 1975, 180.

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wünschenswert sein, trotzdem besteht noch immer ein starker und auch verständlicher Drang, sie durchzuführen – auch auf der Erde“1. Interessant ist, dass Sagan hier die Erde mit der Wendung auch auf der Erde nicht mehr als Ausgangspunkt seiner Analogie nimmt, sondern sie gleichsam als typischen Fall der üblichen interstellaren Zivilisationsgeschichte nimmt. Immerhin verzichtet Carl Sagan darauf in der Galaxis schnelle Kontaktmöglichkeiten zu suchen. „Auf jeden Fall lässt sich über die lokale Gruppe hinaus überhaupt nichts sagen. Um mit dem nächsten Galaxienhaufen in Signalaustausch zum Zwecke einer kulturellen Vereinigung zu treten und ihn ... abzuwickeln, benötigt man mehr Zeit, als das Universum alt ist“2. Prinzipiell werden kommunikative Kontakte zwischen den Galaxien aber trotzdem nicht ausgeschlossen. Als letzte große Vision wird dann im Ausgang von den Gesetzen der speziellen Relativitätstheorie dann doch noch über die konkrete Möglichkeit nachgedacht „das gesamte Universum innerhalb eines Menschenlebens zu umrunden und viele Milliarden Jahre in der Zukunft zu unserem Planeten zurückzukehren“3. Doch dämpft Carl Sagan diese Hoffnungen durch den für den Leser wichtigen und ihm einen ganz neuen Gesichtspunkt hinsichtlich der Beurteilung unserer heutigen technischen Möglichkeiten bringenden Hinweis: „Die technischen Probleme beim Bau von Raumschiffen, die fähig sind, sich mit derartigen Geschwindigkeiten fortzubewegen, sind freilich ungeheuer groß“4. Als letzter Hoffnungsschimmer, den Carl Sagan selbst als „weitaus spekulativeren Gedanken“5 bezeichnet, bestehe vielleicht die Möglichkeit doch noch ,ganz schnell – überall hin‘ zu kommen, indem man auf der Basis einer Physik der Schwarzen Löcher vielleicht einen Anschluss an eine galaxisweit schon eingerichtete, ein „Millionen voneinander unabhängig entstandene Zivilisationen“6 verbindendes „Schwarze-Loch-Verkehrsnetz“7 zu finden. So bleibt als neomythische Hoffnung auf ein galaxisweites gelingendes Leben mit unvorstellbaren technologischen Möglichkeiten, wie Carl Sagan im letzten Satz dieses eben zitierten Buches über Nachbarn im Kosmos. Leben und Lebensmöglichkeiten im Universum (19731) schreibt: „Der Tod der schweren Sterne schafft möglicherweise die Voraussetzungen zum Überschreiten der gegenwärtigen Grenzen von Raum und Zeit, macht dem Leben vielleicht das gesamte Universum zugänglich und vereint – im wahrsten Sinn – den Kosmos“8.

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Sagan, 1975, 190. Sagan, 1975, 191. Sagan, 1975, 197. Sagan, 1975, 197. Sagan, 1975, 197. Sagan, 1975, 210. Sagan, 1975, 210. Sagan, 1975, 210.

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Nicht alle haben den langen Atem eines Frank Drake, Carl Sagan oder Sebastian von Hoerner, wohl aber die Hoffnung auf außerirdische Hilfe in diesem irdischen Jammertal. Intellektuelle Eliten haben sich mit dem Thema einer Pluralität von Welten – auch unter den Bedingungen einer wissenschaftsfundierten Technik – schon lange beschäftigt. Die Möglichkeit von außerirdischen Besuchern auf der Erde, populär gesprochen die Frage nach UFOs und Präastronautik, wurde von geistigen Trendspürern schon vor einem Robert Charroux (1909-1978), Jacques Bergier (19121978) )1, Louis Pauwels (1920-1997) oder gar späteren Autoren wie Erich von Däniken aus dem esoterischen Kreis der betreffenden Wissenschaft thematisiert. Der exoterische Kreis des SETI-Vernunftunternehmens hat weitergehende Interessen. Es gehört zur populären Rezeption solcher Gedanken, dass sie vereinfacht werden und dass sie übersichtliche und schnelle Lösungen bieten. Die SETI-Forscher haben zwar keine Vertröstungen auf ein jenseitiges Drüben, fischen aber für die Epigonen doch zu stark im raumzeitlich jedes heutige Menschenleben überschreitenden Trüben ferner Sterne. Der exoterische Kreis der SETI-Wissenschaft will handgreiflicher bedient werden. Carl Sagan steht solchen Versuchen sehr deutlich ablehnend gegenüber. Er schreibt ein Buch mit dem Titel The Demon-Haunted World. Science as a Candle in the Dark (19961) gegen moderne Formen des Aberglaubens, in dem er leider – ohne selbst Atheist zu sein – auch auf eine ungute, dem Stil des neuen Atheismus entsprechende Weise Wissenschaft und Religion gegeneinander ausspielt und welches sich deutlich gegen den Ufo-Glauben und New Age-Phantasien wendet2. In Nachbarn im Kosmos ist über den in The Demon-Haunted World nicht präsenten Erich von Däniken zu lesen: „Nach allem, was mir bekannt ist, gibt es solche Legenden und solche Artefakte nicht. Alle Beispiele, die bislang angeführt wurden, beispielsweise von Erich von Däniken in seinem Buch Waren die Götter Astronauten? lassen sich auf verschiedene andere und vor allem plausiblere Weise erklären“3.

Wir wenden uns nun dem populären Glauben an Ufos und an Astronautengötter, die uns und die Pyramiden geschaffen haben sollen, zu. Dabei will ich schon an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das Schwergewicht in dieser Untersuchung auf der Präastronautik liegen wird. Die Präastronautik ist für mich der Musterfall eines neuen Rahmens für eine Systemesoterik, in der sich kosmologische, evolutionstheoretische und politische Perspektiven unter unthematischem Bezug auf die metaphysischer Orientierungsaufgaben der Moderne bündeln und die auf breiter Ebene Längere Gedankenspiele hervorrufen kann. Der UFO-Glaube tendiert hin1 2 3

Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Bergier. Vgl. Sagan, 1997a, bes. pointiert 18f und 283f. Sagan, 1975, 168.

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gegen mehr zum engen Sektierertum da er weniger direkte Erfolgserlebnisse – eigene Sichtungen – ermöglicht und somit eher darauf angewiesen ist, sich an Persönlichkeiten zu binden, die solche Sichtungen oder direkte Kontakte mit Außerirdischen gehabt zu haben behaupten. Der wissenssoziologische Befund entspricht dieser Einschätzung. „Diejenigen, die an Präastronauten glauben und die UFOLeute, verbunden durch einen extraterrestrischen Standpunkt bilden zwei Lager, ohne sich groß zu vermischen. Sie sind gegeneinander freundlich gestimmt, aber keine Freunde“1.

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Goran, 1978, 85, Übersetzung L.H.

§ 33 Pluralität der Welten am Himmel: UFOglaube I.

Die faktische Situation

Die für ihren die Grenzen des Satirischen oft überschreitenden Glauben an die Existenz von UFOs bekannte Deutsche UFO/IFO Studiengesellschaft (DUIST e.V.; 1956-1988)1, in deren Kontext sich auch Hermann Oberth bewegt, hat als ihr Organ die UFO-NACHRICHTEN (UN), in der eine Fülle von kleinen Artikeln zum Themenkreis erscheinen. Die folgende Passage ist ein authentischer und nichts offen lassender Kommentar zur Frage der Bedeutung eines Glaubens an außerweltliche Besucher im Kontext der metaphysischen Orientierungsaufgabe, die das kopernikanische Weltbild auferlegt. „Da, dieser Planet – die Erde – mit seiner Menschheit: ist er allein im toten, leeren Weltraum: in einem abstrakten Nichts, in einem bloß mathematischen Gebilde: wartend auf seinen eigenen Schöpfungstag, nämlich auf die Zeit, da der Mensch von der Erde aus diesen nackten Raum mit menschlichem Leben, mit menschlicher Kultur und Zivilisation erfüllen würde und dadurch diesen Raum erst zum wahren Kosmos machen würde? Oder entspricht – ganz im Gegenteil – dieses Bild der Wirklichkeit: Das ganze Weltall erfüllt von menschenähnlichen Lebewesen: blickend auf den einen Stern, die Erde, die als einziger Planet nichts von alldem weiß?“2. Der Physiker und Sciencefiction-Autor Gregory Benford (*1941) schreibt in einem theoretischen Beitrag zu derartigen Gedankengängen: „Ich denke, dass der Schlüssel zum Verständnis der Sehnsüchte hinter den UFO-Fans und den Star-Trek-Episoden und den endlos langen Sciencefiction-Romanen die Weggefährtenschaft ist, die uns die Aliens geben um die Unendlichkeiten des Kosmos gemütlich zu machen“3.

Um die religiöse Bedeutung des UFO-Glaubens zunächst einmal in einer Ouvertüre zu veranschaulichen, nehme ich einige Belege aus diesen UFO-NACHRICHTEN. Sie zeigen eine fast bruchlose Anschlussfähigkeit des UFO-Glaubens an gängige abendländische Religionsmuster. Aus dem unbekannten Flugobjekt ist hier schon längst das identifizierte Heilssubjekt geworden. „Die IFOLOGIE4 – in dieser Weise in ihrem vollen Umfang verstanden – lehrt nun, daß wir Erdenmenschen heute um die Mitte des 20. Jahrhunderts uns nicht mehr selber aus unseren realen, diesseitigen Schwierigkeiten heraushelfen können. – Und dazu seien die Raummenschen hierher gekommen, um uns zu helfen – um 1 2 3 4

Vgl. http://www.alien.de/alien/info/gruppen/duist.htm. Brunner, R., Christentum und UFOlogie, in: UFO-Nachrichten = ab jetzt UN Nr. 102(1965)3. Benford, 1989, 276, Übersetzung L.H. IFOLOGIE ist die Lehre von den Identifizierten Flugobjekten.

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uns in christlicher Nächstenliebe diesen durchaus diesseitigen Samariterdienst zu leisten. Die UFOLOGIE ist also keine jenseitige Heilsbotschaft wie das Christentum. Das Evangelium von Jesus Christus – vor bald zweitausend Jahren – hatte das ewige Leben wiedergebracht, das verlorengegangen war: ‚Vor Augen stand der ewige Tod‘, wie es in einem alten Adventsliede heißt. Das Evangelium hatte die frohe Aussicht auf ein Neuwerden der ganzen Schöpfung gebracht, und damit auch für jeden einzelnen der Gläubigen die Hoffnung auf eine Auferstehung in einer neuen – Seele und Leib umfassenden – Daseinsform. Die Planetarier dagegen wollen uns bloß aus unseren gegenwärtigen, durchaus diesseitigen Ängsten und Gefahren befreien: aus Krieg, atomarer Verseuchung, Überbevölkerung“1. Wer aber auf das Heil aus dem Himmel wartet, der will auch hier auf der Erde etwas Handfestes haben, um den eigenen Glauben zu stützen. Viele UFOlogen pflegen eine moderne Art mönchischer asketischer Existenz, wenn sie in den Nächten auf ihrem Balkon Wache halten um den Himmel zu meditieren und dazu technische Hilfsmittel wie Ferngläser, Fotoapparate, Geigerzähler und vieles anderes einsetzen. Der Blick in den Himmel findet dann auch endlich ‚etwas‘, das sich ufologisch deuten lässt. Nach einer Zeit der Entsagung auf dem Balkon erscheinen die Götter am Himmel – und dann oft sehr massiv. „Am 6. November 1954 sah ich etwa 100 Fliegende Untertassen länger als zwei Stunden (11 bis 13.30 Uhr) am Himmel über Rom. Genau um 12 Uhr formten 40 von ihnen ein riesiges ,Kreuz‘ über der Vatikan-Stadt. Am Tage danach (7. November) befanden sich wieder etwa 50 Fliegende Untertassen zweieinhalb Stunden (12.00 bis 14.30 Uhr) über Rom. Ich meldete es den italienischen Behörden und später der amerikanischen Botschaft und dem damaligen Oberkommandierenden der NATO in Paris, General Gruenter. Mit Dank wurden meine Schreiben vom italienischen Außenminister Martino und von General Gruenter bestätigt, aber niemand sagte mir, zu wem diese mächtigen Geschwader gehörten! Dadurch begann ich mit Nachforschungen und reiste durch ganz Italien, Europa, Nord- und Südamerika, Indien und Australien. Ich sprach mit Hunderten von Zeugen, die Sichtungen am Himmel hatten oder Landungen beobachtet haben. Während meiner Reisen sah ich 76mal Fliegende Untertassen (über Italien, dem Suez-Kanal, in Australien, am Panama-Kanal und in Brasilien)“2.

Auch das in den Religionen verbreitete kultische Muster der Wallfahrt wird in der UFOlogen-Szene gepflegt. Man macht sich auf in die freie Natur, eventuell zu herausragenden heiligen Plätzen wie den Externsteinen3 und wartet auf die Ankunft der Himmelswesen. 1 2 3

Brunner, 1965, 3, Hervorhebungen durch L.H. Perego, 1970, 2. Interessant ist hier das Kultplatzbuch von Gisela Graichen (1990).

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Steven Spielberg hat diesen Gesichtspunkt einer ufologischen ‚Völkerwallfahrt‘ zum ‚Heiligen Berg Zion‘ – so etwa in Jes 2,2-4; Jes 60; 66,20; Sach 8,22 – in seiner großen Filmerzählung über die Unheimliche Begegnung der dritten Art (Close Encounters Of The Third Kind) 1977 genial in Szene gesetzt.

Eine solche Wallfahrt wird in den UFO-NACHRICHTEN von Karl Ludwig Veit (1906-2001) folgendermaßen angekündigt: „Am Sonntag, 13, Juni, machen Mitglieder der DUIST und Freunde der UFO-Forschung von Wiesbaden und Umgebung einen Omnibusausflug in den Taunus, wobei wir während der Fahrt und von hoch und günstig gelegenen Punkten aus das Firmament nach FLIEGENDEN SCHEIBEN beobachten wollen. ... Für beide Tage wollen wir unsere Gedankenwellen der Einladung zu den Piloten unserer Nachbargestirne aussenden: ‚Willkommen auf dem Planet Erde! Bitte zeigt Euch über Europa und landet auch in Deutschland!‘ Vergessen Sie nicht Fernglas und Fotoapparat für die Gemeinschaftsfahrt oder Ihren privaten Beobachtungsspaziergang mitzunehmen. Wer sich noch anmelden möchte, müßte das umgehend tun. Gerne erwarten wir von den entlegenen Beobachtern oder Urlaubern Sichtungsberichte und noch lieber fotographische Aufnahmen. Viel Glück für diese Tage wie auch für den ganzen Sommer“1. Es ist wahrscheinlich kaum zu vermeiden, dass es an solchen Tagen auch zu Sichtungen kommt. Die Presse liebt solche Berichte. Sogar in DER SPIEGEL und im FOCUS sind UFOs Ausgangspunkt für Titelgeschichten2. Doch nicht alle UFOlogen freuen sich über Sichtungen. Genauso wie jede Hochreligion ihre volkstümlich ausbaufähige positive Theologie hat, die eine systematische Lehre entfaltet und sich dabei möglicherweise nicht an das (abrahamitisch gesprochen) ‚Bilderverbot‘ hinsichtlich der Rede über das transzendente Absolute hält – und in diesem Falle dauernd UFOs sieht – , so gibt es in UFOlogenkreisen auch eine Art negativer Theologie. Diese negative UFOlogie widerlegt alle Sichtungen um nicht der kommenden wirklichen Sichtung oder auch der einzigartigen, seitdem bleibend für alle verbindlichen eigenen Sichtung die Bedeutung zu nehmen. Werner Walter (*1957)3 1976 Mitbegründer der Amateurforscher-Vereinigung Centrales Erforschungsnetz außergewöhnlicher Phänomene (CENAP)4 scheint ein

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UN Nr. 106(1965)6. Hervorhebung im Original. Vgl. DER SPIEGEL (Nr. 45 vom 6.11.1995) und FOCUS (Nr. 45, ebenfalls vom 6.11.1995). Vgl. dazu: Walter, 1996, 21f und 40f. http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Walter_%28Ufologe%29. CENAP nennt sich heute Centrales Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene. Neben der Flut der Broschüren und Internetauftritte vgl.

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solches ufologisches Erweckungserlebnis gehabt zu haben, welches ihn dazu bewegte, alle anderen UFO-Sichtungen für ‚ungültig‘ zu erklären. In einer Selbstdarstellung der CENAP findet sich folgende Berufungsgeschichte, die zur Bildung einer Vereinigung führt, die seitdem nicht enden wollende Berichte über widerlegte UFO-Sichtungen publiziert. „Am Abend des 5. September 1973 observierten Werner Walter und Heinrich Schwiers über 6800 Mannheim-Vogelstang, im Vorhof des Eisenacher Weg 16, eine merkwürdige Erscheinung knapp über dem Panorama des Odenwald: ein trapezförmiger Gegenstand flog geräuschlos über den Horizont in weniger als zehn Sekunden und verschwand in 100 Grad 0 Sichtfeld geräuschlos, als wenn man ein Licht ausschaltet. Beide Zeugen hatten sich vorher nicht sonderlich für Ufos interessiert und standen zu dem Zeitpunkt in voller Berufsausbildung, eines haben sie jedoch gemeinsam: astronomisches Interesse. Nach dieser ,UFO‘-Observation fragten sie sich nun, was das beobachtete Phänomen war. ... Wie auch immer, bis heute wurde keine Identifizierung vorgenommen oder Erklärung hierfür gefunden. Aber etwas anderes tat sich. Kurz nach der Observation trafen1 sich Hansjürgen Köhler und Werner Walter während einer Mittagspause in der Kantine eines Mannheimer Warenhauses, wobei sie sich in Ausbildung befanden“ und stellten bedeutende Gemeinsamkeiten und ein Interesse an UFO-Phänomenen fest. Am 1. November 1973 sei dann die „private UFO-Forschungsgruppe Mannheim“ gegründet worden2.

Immer wird die Hoffnung auf einen sicheren, d.h. die gesamte Menschheit überzeugenden Beweis für die Existenz von UFOs enttäuscht. Und doch sollen UFOs da sein und über die Menschen wachen. Nicht selten fälschen Menschen vermeintliche UFO-Fotos, um diesen Glauben öffentlich bestätigt zu bekommen. So ist der UFO-Glaube, genauso wie die hinter ihm stehende uneingestandene Erlösungssehnsucht, ein geradezu verzweifelter Glaube, der sich um die Menschheit sorgt. Ein Planetarier übermittelt folgende Botschaft an einen UFOlogenkongress: „Die Majorität der Menschen wird sich weiter in ein Schicksal verwickeln, das Zerstörung und Ausrottung bedeutet, ohne dabei die Gefahren ihrer Handlungsweise zu beachten. Sie ist kurzsichtig und sorgt sich wenig um die Zukunft. I h r seid es, ihr Menschen der NEUEN ZEITALTERS, die ihr euch dem Wohlergehen der Menschheit verschrieben habt und den Blick und das Verständnis für die Wege des Aufbauens einer besseren Welt von morgen besitzt, ihr seid es, die vorangehen müssen. Ihr habt die Zukunft in euren Händen, ihr müßt aber Verantwortung auf euch nehmen. Die ‚Fliegende-Untertassen‘-Bewegung gehört zur Er-

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http://de.wikipedia.org/wiki/Centrales_Erforschungsnetz_außergewöhnlicher_Himmelsphäno mene. Rechtschreibfehler stillschweigend korrigiert, L.H. Vgl. CENAP (Köhler/ Walter), ohne Titel zusammengeheftete Informationsbroschüre über CENAP, 1. August 1983, 5 (Archiv Hauser).

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denmenschheit. Unterstützt sie in jeder möglichen Weise. Helft mit, daß sie sich schnell vergrößert und einflußreich in eurer ganzen Welt wird“1. Doch bleibt die Menschheit verstockt. Am Ende sucht der ratlose und rastlose UFOloge auch in der Vergangenheit nach „Erscheinungen“2 und nach Überresten: er wird zum ‚Präastronautiker‘, der in der menschlichen ‚Vorzeit‘ der präkolumbianischen Indianer und der Pyramidenbauten Ägyptens das findet, was die Gegenwart an UFO-Erscheinungen nicht bietet. Doch davon später. Fragen wir zunächst, was wir empirisch über den UFOGlauben und die Präastronautik wissen. Die Frage „Glauben Sie an Ufos?“ beantworten 13% mit Ja und 60% der Deutschen glauben (Mai 2001) nicht daran3. Noch vor einigen Jahren waren es eher 20%. Ist der klassische UFO-Glaube4, gemäß dem man realistische Chancen habe, außerirdische unbekannte Flugobjekte am Himmel sehen zu können, gleichsam der Verlierer, so etabliert sich die Präastronautik im öffentlichen Bewusstsein seit dem Bekanntwerden desselben durch Erich von Däniken. Auf die Frage: „Glauben Sie, dass Besucher aus dem All bereits unseren Planeten betreten haben?“5 antworten (Dezember 2006) 37% der Deutschen mit Ja6. Für menschenähnlich entscheiden sich auf die Frage nach dem Aussehen 44% derer, die an die Existenz außerirdischer Intelligenz glauben7 und 63% der betreffenden deutschen Aliengläubigen sind der Meinung, dass uns die Außerirdischen wohlgesonnen seien8. Umfragen aus den USA fundieren diese Tendenz, gemäß der der Glaube an UFOs weniger zum Längeren Gedankenspiele dient als die Ideen der Präastronautik, die in breiten Teilen der Bevölkerung Fantasien zu wecken in der Lage ist. Im ersten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft hatte ich darauf hingewiesen, dass sich der UFO-Glaube zwischen 1978 und 1996 bei ungefähr 50% bewegt. CNI News9 berichtet am 24.7.1997 über eine entsprechende Gallup-Umfrage vom September 1996. Die Umfragen aus dieser Zeit (1978-1995) zeigen aber auch ein gleichzeitiges Ansteigen des Glaubens an extraterrestrisches Leben. Gab es 1978 57% erwachsener US-Bürger, die von dessen Existenz ausgingen, so

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Sonderbotschaft für den AFSCA-Konvent 1966: Ein Planetarier nimmt Stellung zu Erdenproblemen, in: UN 126(1967)4, Hervorhebung im Original. So ein Buchtitel von Dänikens. Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1149/umfrage/glaube-an-ufos/. An allgemeiner Literatur zum Thema UFOs vgl. Goran, 1978. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1153/umfrage/aussehen-von-ausserirdischen/. Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1159/umfrage/besuch-auf-der-erde-durchausserirdische/. Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1153/umfrage/aussehen-von-ausserirdischen/. Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1155/umfrage/gesinnung-vonausserirdischen-gegenueber-dem-menschen/. Zit. nach: http://www.exosci.com/ufo/news/8.html.

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steigen die Prozentzahlen 1996 auf 72%, von denen 38% ein entsprechendes Leben für menschenähnlich halten. Ich habe im ersten Band auch um 1995 durchgeführte Umfragen unter kanadischen beziehungsweise us-amerikanischen Studierenden zitiert1, die eine hohe Akzeptanz des UFO-Glaubens (Kanada: 60%) und der Thesen der Präastronautik (Kanada: 35%/ USA: ungefähr 30%). Dabei glauben 12% daran, dass viele Monumentalbauten auf der Erde durch Außerirdische errichtet wurden. Blicken wir nun auf die aktuellsten Zahlen aus den USA, dem kulturellen Trendsetter der westlichen Welt. Der ‚klassische‘ UFO-Glaube verliert seine Bedeutung auch in den USA. Im Zusammenhang der promotion für die Serie Chasing UFOs des National Geographic Channel2 wurde 2012 eine repräsentative Umfrage in den USA zum Thema UFO-Glaube durchgeführt. Achtzig Millionen US-Amerikaner (36%) glauben an die Existenz von Ufos, 10% von ihnen geben an, schon einmal ein UFO gesehen zu haben. Auf die Frage, ob sie glauben, dass Außerirdische schon einmal die Erde besucht hätten, antworten 36% der US-Amerikaner mit Ja und 48% sind sich nicht sicher. Interessant ist, dass auch die Zweifler Längere Gedankenspiele zu diesem Thema zu hegen scheinen – 77% der Befragten haben schon darüber nachgedacht, ob es Anzeichen auf der Erde gebe, die auf einen außerirdischen Besuch verweisen. Eine andere Umfrage von 20083 bestätigt dieses Bild. Gemäß dieser gibt jeder zwölfte US-Amerikaner an, schon einmal ein unidentifizierbares Flugobjekt am Himmel gesehen zu haben, das ein außerirdisches Raumschiff gewesen sein könnte. Die National Geographic Channel-Umfrage macht außerdem deutlich4, dass 79% der Befragten davon ausgehen, dass die US-Regierung Informationen über UFOs und Außerirdische zurückhält und 55% der Befragten mutmaßen die Existenz von Regierungsbeauftragten, die als real existierende Men in Black dafür zu sorgen hätten, dass Bürger, die mit UFOs Kontakt hatten, mundtot gemacht würden. Men in Black (1997, Teile II und III, 2002 und 2012) ist eine us-amerikanische Filmsatire auf den Glauben an außerirdische und binnenamerikanische Verschwörungen, in der USRegierungsbeauftragte Außerirdische bekämpfen oder diplomatisch betreuen und bei zufälligen Zeugen außerirdischer Besuche deren Erinnerungen auslöschen.

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Vgl. dazu Gray, 1995 und Hudson, 1995. http://www.foxnews.com/scitech/2012/06/28/one-third-americans-believe-in-ufos-surveysays/. Vgl. http://www.reporternews.com/news/2008/jul/26/you-are-not-alone/. Vgl. http://www.foxnews.com/scitech/2012/06/28/one-third-americans-believe-in-ufossurvey-says/.

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Man sieht, dass der UFO-Glaube, vielleicht aufgrund der größeren Präsenz der Menschheit im Weltraum und entsprechend verbesserter Überwachungsmethoden, an Bedeutung verliert, präastronautische Längere Gedankenspiele über außerirdisches Wirken auf der Erde hingegen an Bedeutung gewinnen. Die Zahlen belegen eindeutig deren große Relevanz in den Längeren Gedankenspielen breiter Kreise der Bevölkerung. Dieser Tendenz entspricht auch das Bild, das sich aus den neomythischen Gedankenspielen der oben angeführten Vertreter der Raumfahrtwissenschaft gewinnen ließ. Aus diesem Grunde beschäftigen sich die folgenden Kapitel weiter primär mit der Präastronautik und behandeln den UFO-Glauben eher als eine Art Anweg zu dieser.

II.

Direkte Anwege zum UFO-Glauben: Atlantis, Lemuria und das „Shaver Mystery“

Der unbekannte Erich von Däniken bietet ab 1966 sein Manuskript zahlreichen Verlagen an1 und wird dann endlich beim Düsseldorfer Econ-Verlag fündig, der das Manuskript unter der Auflage akzeptiert, dass es überarbeitet wird. Dies geschieht durch den Filmemacher Wilhelm Roggersdorf, der seitdem von Dänikens publizistischen Lebensweg begleitet und mit ihm Filme dreht. Die Erstauflage der am 27.2.1968 erscheinenden Erinnerungen an die Zukunft beträgt sechstausend Exemplare, am Ende des Jahres sind 146.000 Exemplare verkauft. Im nächsten Jahr erscheinen schon die ersten Übersetzungen und im Laufe der Jahre wird er „mit einer Gesamtauflage von über 63 Millionen der erfolgreichste Sachbuchautor aller Zeiten“2. Mit diesem Erfolg ist zugleich ein weiterer Indikator gegeben, dass es sich bei der Präastronautik um ein wesentliches – und wie wir sehen werden, beziehungsweise in diesem dritten Band bei den Mitgliedern des esoterischen Denkkollektivs Harry O. Ruppe, Eugen Sänger, Irene Sänger-Bredt und Josef Blumrich schon sehen konnten – neomythisch geprägtes Thema unserer Zeit handelt. Es bietet sich deshalb an, dieses Phänomen ‚Erich von Däniken‘ beziehungsweise sein Denken als Orientierungspunkt in diesem Kapitel über die populäre Rezeption präastronautischer Gedanken im exoterischen Denkkollektiv zu machen. Von Däniken steht für eine nach Helena Petrovna Blavatskys (1831-1891) exemplarischem Entwurf zweite, breitenwirksame Form der modernen Systemesoterik, die den Zusammenhang mit der wissenschaftsfundierten Technik auf eindeutige Weise herstellt. Um ihn zu verstehen, ist es allerdings wichtig einen Blick auf

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Vgl. zur Entstehung und Öffentlichkeitswirkung des ersten von Däniken-Buches Stoczkowski, 1999, 45-47. Ingold, o.J., in: http://tatjana.ingold.ch/index.php?id=buecher.

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die Vorgeschichte seines Ansatzes zu werfen, der von den Inhalten her, wie wir anhand von Vertretern der raumfahrtwissenschaftlichen Elite gesehen haben und weiter sehen werden, nicht neu ist, wohl aber in Däniken einen Autor findet, der zum richtige Zeitpunkt publikumswirksam auftreten konnte. Wir blicken deshalb zunächst auf Blavatsky und einige Autoren, die Denkfiguren der Theosophie und populären Naturphilosophie weiterspinnen und kommen dann auf die Ufologie und auf präastronautische Autoren vor Däniken zu sprechen. Danach wenden wir uns von Däniken selbst zu. In der Antike im Mittelmeerraum auftauchende gnostische Ideen über einen in sich ruhenden, unbewegt bewegenden, leidenschaftslosen abgründigen Gott und mächtige, aus dem Lichtreich Gottes entspringende, vermittelnde Wesen, die in Interaktion mit einer vorgegebenen Sphäre prinzipieller Formbarkeit (Materie) unseren Kosmos erschaffen, tauchen im Kontext der Moderne in neuem Gewande wieder auf. Der UFOglaube und die Präastronautik stehen in einem solchen Kontext. Im ersten Band der Kritik der neomythischen Vernunft wurde die moderne Art (neu)gnostischen Denkens unter anderem am eindrucksvollsten Beispiel an Helena Petrovna Blavatsky dargelegt, deren theosophischen Systemwurf man als grundlegend für den modernen Okkultismus ansehen kann. Blavatsky ist für mich das Musterbeispiel der Systemesoterik des 19. und der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Von Däniken fügt – viel undifferenzierter als Blavatsky – in den theosophischen Grundrahmen die technizistische Bilderwelt und ein empirisches Interesse ein. In dieser Hinsicht wird er zum Musterbeispiel (Kühn) des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Wissenschaftstheoretisch mit Toulmin gesprochen, ist von Dänikens Theorie eine Ideenvariante zu Blavatskys Modell, die dessen Weitergabegehalt wahrt. Das metaphysische Paradigma (Kuhn) Blavatskys wird zwar technizistisch naturalisiert, die metaphysische Ordnung stiftende Funktion dieses Modells und die Grundstruktur der monistischen kosmischen Perspektive bleiben. Helmut Zander schreibt über ihre Stellung in der Geistesgeschichte: „Die Theosophie war ein Neuansatz in der westlichen Religionsgeschichte, soweit man angesichts der konstitutiven Traditionsbindung jeder Innovation von einem Neubeginn reden mag“1.

Aus diesem Grunde skizziere ich Blavatskys Konzeption an dieser Stelle noch einmal im Hinblick auf die Themenhorizonte der Ufologie und Präastronautik. Nach Blavatsky ist das – in sich in schier unendlich viele Universen zerklüftete – Weltall das letzte kosmologische beziehungsweise metaphysische Datum. In diesem Kosmos gebe es Abstufungen der metaphysischen Relevanz von Hand-

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Zander, 2007, 87.

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lungsträgern, die endlich auch zum Konzept von Gestirnsgeistern führten, die sich um die Belange von Planeten beziehungsweise Planetensystemen kümmerten. Der „Geist der Erde“ und seine sechs „Gehilfen“1, auch Dhyan Chohans genannt, vermittelten aus dem „Geiste der Sonne“2 der Erde ihre Lebenskräfte. In den sieben Regionen der Erde erschaffe jeder Dhyan für sich je eine „äußerlich und innerlich verschiedene Rasse von Menschen“3. Auf einer äußersten, siebten Entwicklungsstufe, würden aus den Menschen selbst über Planeten regierende Götter werden. „Der Mensch strebt ein Gott und dann – Gott zu werden so wie jedes andere Atom im Weltall“4. Zugleich gäbe es aber auch eine andere Möglichkeit zu wählen – der zur vierten „Wurzelrasse“ gehörende heutige Mensch kann nach Blavatsky prinzipiell zurückfallen in das Zeitalter, in dem sich die Menschen der vierten Rasse noch mit Tieren haben paaren können. Auch heute noch gebe es solche Menschen. Die dem heutigen Menschen vorangegangene dritte Rasse sei weitgehend durch geologische Katastrophen vernichtet worden. In unvordenkliche Zeiten zurückreichende Erzählungen über Atlantis, Lemurien und die Sintflut seien durch diese Vorgeschichte zu erklären. „Warum sollten nicht eure Geologen … zugestehen, daß unsere gegenwärtigen Kontinente, wie Lemurien und Atlantis, bereits verschiedene Male versenkt worden sind, und die Zeit hatten, wieder zu erscheinen, und ihre neuen Gruppen von Menschheit und Civilisationen zu tragen; und daß bei der ersten großen geologischen Umwälzung, in der Reihe der periodischen Umwälzungen, welche sich vom Anfange bis zum Ende einer jeden Runde ereignen, unsere bereits in Augenschein genommenen Kontinente hinabgehen, und die Lemurien und Atlantisse wieder emporkommen werden?“5.

Archäologische Zeugnisse erinnerten den heutigen Menschen noch hin und wieder an diese alten Perioden – so etwa die Statuen der Osterinseln6 oder Stonehenge7. Im Blick auf die Präastronautik können wir als Anknüpfungspunkte an die im okkultistischen und parawissenschaftlichen Milieu allgegenwärtige Theosophin Blavatsky einige wichtige Gesichtspunkte festhalten. Es ist seit dem Auftauchen der Systemesoterik im ausgehenden 19. Jahrhundert (unter Anknüpfung an antike Muster) folgendes Spielmaterial für Längere Gedankenspiele gegeben: 1. ein unbewusster Evolutionsgott äußert sich als Dynamik des Kosmos,

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Blavatsky, 2/32. Blavatsky, 2/32. Blavatsky, 2/81. Blavatsky, 1/183. Blavatsky, 2/347. Vgl. Blavatsky, 2/351. Vgl. Blavatsky, 2/358.

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2. es gibt innerkosmische Mächte, die sich um die Geschicke der Menschheit beziehungsweise der Erde kümmern, 3. es gibt versunkene Kulturen, die einst eine hoch stehende Zivilisation entwickelt hatten und an deren Entwicklungsstand wir prinzipiell anknüpfen können, weil wir diese Kulturen anhand von Textmaterial beziehungsweise archäologischen Befunden zu erinnern vermögen und weil sie in das Heute auf diese Weise noch hineinwirken, 4. in den Menschen schlummert ein ungeheures Entwicklungspotential, das ihn zu einer wichtigen Funktion im kosmischen Prozess ermächtigen kann. Wenn man diese vier Gesichtspunkte mit dem durch die wissenschaftsfundierte Technik auftauchenden Gedanken von Raumfahrt verbindet und möglicherweise noch gentechnische und sozial-darwinistische Utopien hinzufügt, dann kann man sowohl die übermenschlichen Wesen, die unsere Geschicke lenken, als auch die Lebenssphäre der Menschen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als wesentlich raumfahrttechnisch bestimmte Eingriffe aus dem und Aufbrüche in das Weltall beziehungsweise den metaphysisch aufgeladenen Kosmos eines unbewussten Evolutionsgottes deuten. In der Folgezeit werden zunächst einmal einzelne Aspekte, die bei Blavatsky als kompakte Systemesoterik präsentiert werden, in Längeren Gedankenspielen ‚getestet‘. Nachdem sich Ende des 18. Jahrhunderts langsam herumspricht, dass eine biblizistisch geprägte Chronologie, die unserer Schöpfung ein Alter von sechstausend Jahren zuspricht, nicht mehr trägt, beginnt man den Blick, immer größere Zeitspannen annehmend, in die Paläo-Zeit zu richten. Der französische Naturforscher Georges-Louis Marie Leclerc, Comte de Buffon (1707-1788) schätzt beispielsweise in seiner ab 1749 erscheinenden Histoire naturelle générale et particulière das Alter der Welt auf fünfundsiebzigtausend Jahre. Damit ist der Weg frei, in fernen Zeiten fremde Kulturen in möglicherweise untergegangenen Ländern anzusiedeln und dabei noch den Gedanken in Richtung einer Gründung dieser unvordenklich alten Kulturen durch außerirdische Kulturstifter weiterzuspinnen. Mit diesen Lost Worlds lässt sich auch das – ebenfalls seit der Antike als universalhistorisches Hilfsmittel nicht nur apokalyptischer Geschichtstheologien bekannte – Schema der Abfolge von Weltreichen in die erfahrungswissenschaftlich orientierte Mentalität eintragen. In seiner Theory of the Earth (17881) schreibt der schottische Geologe James Hutton (1726-1797)1, einer der Väter der heutigen Geologie, dass es eine Abfolge von ‚Welten‘ gegeben habe und dass es nicht möglich sei, einen Anfang und ein Ende dieser Entwicklung zu finden. Kontinente entstünden und Kontinente gingen unter. Am Ende des ersten Kapitels gibt Hutton gleichsam seinen Kommentar zur darwinischen Orientierungsaufgabe: „Nachdem

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Vgl. dazu Ramaswamy, 2004, 19f.

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wir in der Naturgeschichte dieser Erde eine Aufeinanderfolge von Welten gesehen haben, können wir daraus schlussfolgern, dass es hier ein System in der Natur gibt ... Aber wenn die Abfolge von Welten im System der Natur vorgesehen ist, dann ist es sinnlos nach einem höheren Gesichtspunkt hinsichtlich der Entstehung der Erde zu suchen. Das Ergebnis dieser physikalischen Untersuchung ist deshalb, dass wir keine Spur eines Anfangs und keine Aussicht auf ein Ende finden“1. Eine dieser Lost Worlds kennt man seit Platons Schriften Kritias und Timaios unter dem Namen Atlantis. Platon schreibt im Kritias über Atlantis: „Als erstes von allem wollen wir uns erinnern, daß sich als Summe 9000 Jahre ergaben, seitdem, wie gezeigt wurde, der Krieg zwischen den jenseits außerhalb der Säulen des Herakles und allen innerhalb derselben Wohnenden stattfand; ihn müssen wir jetzt genau und vollständig erzählen. Es hieß nun, daß an der Spitze der einen Seite unsere Stadt hier stand und den ganzen Krieg allein durchfocht, an der anderen aber die Könige der Insel Atlantis, von welcher wir behaupteten, daß sie einst größer als Asien und Libyen war, jetzt aber, auf Grund von Erdbeben versunken, unpassierbaren Schlamm denjenigen, die von hier aus ins All-Meer hinausfahren wollen, als Hindernis in den Weg stellt, so daß sie nicht mehr weiterfahren können“2.

Ignatius Loyola Donnelly (1831-1901) verfasst 1882 mit Atlantis, the Antedeluvian World ein wirkungsträchtiges Buch, das nicht nur Blavatsky beeindruckt. Sein Atlantis ist das Reich der globalen Kulturstifter, wie Donnelly in vielen Kapiteln über die einzelnen Kulturregionen der Erde ausführlich darlegt und es so zusammenfasst: „Wir können gar nicht alle die Belege über die großen Erfindungen in der fernen Vergangenheit anführen, auf denen unsere Zivilisation weitgehend fußt ...“ und wir seien weiterhin dazu gezwungen uns klarzumachen, dass es vor Ägypten, Griechenland, Chaldäa und China „eine mächtige Zivilisation gab, von der diese Staaten (states) nichts anderes als abgebrochene Fragmente“3 seien. Eine andere der Lost Worlds, die den Menschen – wie Ernst Haeckel ausführt – evolutionsgeschichtlich hervorbringt, heißt Lemuria. Lemuria, das durch Blavatsky bekannt wird, hat für die Vorgeschichte von UFOlogie und Präastronautik eine größere Bedeutung als Atlantis, weil es von seiner Herkunft her im Kontext strenger naturwissenschaftlicher Forschung assoziiert wird. „Lemuria ist ... Vorzeit-Weltort. Er kam zu Stande durch Naturgeschichte, Geologie und Zoogeographie, die als eigenständige Paläodisziplinen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entstanden waren. Lemurias Verlockung für alle ihre Protagonisten resultierte daraus, dass es eine Welt für sich war, die durch einige der prestigereichsten Wissenschaften ihrer Zeit entdeckt worden war. In einem Zeitalter, das durch die globalen Entdeckungen der Paläo-

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Hutton, 1795, letzter Satz des ersten Kapitels, Übersetzung L.H. Platon, Kritias 108e (Platon, 1990, Bd. 7, 219), vgl. auch Timaios, 25c-d. Donnelly, 1882, 455, Übersetzung L.H.

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wissenschaften magnetisch angezogen wurde, war Lemuria eine Schöpfung gerade dieser Wissenschaften“1.

Den wissenschaftlichen ‚Ritterschlag‘ erhält die Lemuria-Phantasie durch den englischen Zoologen Philip Lutley Sclater (1829-1913). Er verwendet 1864 den Terminus Lemuria in einem Aufsatz über The Mammals of Madagascar als Bezeichnung für eine im Meer versunkene Landbrücke, die u.a. das weit verteilte Auftreten von früher Halbaffen genannten Feuchtnasenaffen (Lemuriformes), Lemuren (englisch: Lemurs) erklären können sollte2. „Die Anomalien der Säugetierfauna von Madagaskar können am besten durch die Annahme erklärt werden, dass vor der Existenz Afrikas in seiner gegenwärtigen Form ein großer Kontinent Teile des Atlantik und des indischen Ozeans besetzt hatte, der sich zu dem (was heute) Amerika im Westen und Indien im Osten ist erstreckte; dass dieser Kontinent in Inseln zerfiel, von denen sich einige zum heutigen Kontinent Afrika zusammenfanden und andere, möglicherweise, zu dem was heute Asien ist; und dass wir auf Madagaskar und den Maskareneninseln weiterlebende Relikte dieses großen Kontinente sahen, für die ich ,as the original focus of the ,Stirps Lemurum‘, den Namen Lemuria vorschlagen würde“3. Der weltberühmte Zoologe und evolutionistische Naturphilosoph Ernst Haeckel (1834-1919) bezieht sich in seiner Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen (1874) auch auf Lemuria: „Der Ursprung der ‚Urmenschen‘ fand wahrscheinlich während der Diluvial-Zeit in der heissen Zone der alten Welt statt, entweder auf dem Festlande des tropischen Afrika oder Asien, oder auf einem früheren (jetzt unter dem Spiegel des indischen Oceans versunkenen) Continente, der von Ost-Afrika (Madagascar und Abyssinien) bis nach Ost-Asien (Sunda-Inseln und Hinter-Indien) hinüberreichte. Welche gewichtigen Gründe für die frühere Existenz dieses grossen, Lemurien genannten Continents sprechen, und wie die Verbreitung der verschiedenen Menschen-Arten und -Rassen von diesem ‚Paradiese‘ aus über die Erdoberfläche zu denken ist, habe ich bereits in meiner ‚Natürliche Schöpfungsgeschichte‘ ausführlich erörtert ...“4. Als unmittelbarer Urahn des UFO-Glaubens tritt uns in Zusammenhang von Lemuria Richard Sharpe Shaver (1907-1975) entgegen5. Der psychisch labile US-

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Ramaswamy, 2004, 6, Übersetzung L.H., an dem ich mich im Folgenden im Hinblick auf die Lost Worlds-Thematik von Lemuria orientiere. Vgl. zu Sclater, Ramaswamy, 2004, 21-25, Übersetzung L.H. Sclater, 1864, 219, zit. nach Ramaswamy, 2004, 22, Übersetzung L.H. Später nimmt Sclater diese starke These zurück (Sclater, 1878, 1049). Haeckel, 1874, 496. Zu Shaver vgl. Magin, 2001. Ich habe auch Stoczkowski, 1999, 256-262 herangezogen, der allerdings mit Vorsicht gelesen werden muss. Er ist in der Lage, eine beachtliche Mentalitätsgeschichte des UFO- und Präastronautikglaubens zu skizzieren, arbeitet aber auch unsauber. Stoczkowski, 1999, 198 spricht statt von s.o. Philip Lutley Sclater von „Philip L. Slater“ und führt auf S. 256, einen „Robert Sharp Shaver“ statt Richard Sharpe Shaver ein.

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Amerikaner Shaver hört Stimmen und bezieht sie auf eine unterirdische Zivilisation. Dabei stützt er sich wohl auf Theorien, die eine hohle Erde postulieren. Edmond Halley (1656-1741)1 stellt etwa unter Bezug auf Newtons Theorie, dass die Erde weniger dicht sei als der Mond, diese These einer hohlen Erde auf. Im 19. Jahrhundert schreibt John Cleves Symmes jr. (1779-1829) über dieses Thema, das sogar zu einer, später abgebrochenen Expedition zu einer der von ihm behaupteten Öffnungen zur hohlen Erde in den Polarregionen führt2.

Shaver nimmt Kontakt mit dem Herausgeber des Sciencefiction-Magazins Amazing Stories Raymond Arthur Palmer (1910-1970)3 auf. Es ist unklar, ob Palmer einen Brief von Shaver, in dem dieser über das unterirdische Leben der bösen Deros schreibt, im Januarheft 1944 oder im Märzheft 1945 publiziert4, sicher ist jedoch, dass Amazing Stories daraufhin eine Flut von Leserbriefen erhält, in denen Menschen erzählen, dass sie den Quälereien der Deros ausgesetzt gewesen seien. Manche Leser schreiben, dass sie Raumschiffe gesehen oder in Höhlen auf Deros gestoßen seien. Shaver, der als Künstler, Wander- und Hilfsarbeiter und als Kranfahrer gearbeitet hat, wird daraufhin zum erfolgreichen Schriftsteller, der aus den Deros in seiner Mythologie5 ein wesentliches Moment der Menschheitsgeschichte für viele gläubige Leser macht. Palmer, der in seiner Zeitschrift auch parawissenschaftliche Themen publiziert, landet im Märzheft 1945 mit Shavers I Remember Lemuria, das er eigenständig erweitert, einen literarischen Hit, der unter dem Titel das Shaver-Geheimnis in die Geschichte der populären Literatur eingehen wird6. Hochentwickelte prähistorische Zivilisationen hätten unterirdische Städte hinterlassen und sich dann in den Weltraum begeben. Damit ist das Thema der Raumschifffahrt in der Vergangenheit der Erde angestoßen. Einige Vertreter dieser Zivilisation seien geblieben und ihre Nachfahren hätten sich in gute Teros und böse, wie gefühllose Roboter (dero-robotism7) handelnde Deros aufgespalten. Literarisch interessant wird das als wahrheitstriftige Theorie präsentierte Thema dann auch noch dadurch, dass Shavers Buch zu Aussagen von Personen führt, die in Briefen an Palmer bezeugen, dass sie entführt und durch die Deros sogar vergewaltigt worden seien.

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Vgl. Kollerstrom 1992. Vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/John_Cleves_Symmes_jun, http://de.wikipedia.org/ wiki/Theorie_der_hohlen Erde, http://www.lhup.edu/~dsimanek/hollow/morrow.htm. Zur Biografie von Palmer vgl. Magin, 2001, 61f. Magin, 2001, 62. Magin, 2001, 64f legt eine Zusammenschau des Weltbildes von Shaver vor. Zit. nach: Shaver, 1948, Internetedition: http://www.sacred-texts.com/ufo/irl/irl00.htm, Übersetzung, L.H. Etwa Shaver, 1948, 71, Übersetzung L.H.

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Im November 1946 folgt The Return of Sathanas in dem auch weitergehende interstellare Perspektiven auftauchen. Die Auflage steigt von 1938 25.000 auf Ende 1945 250.000 Exemplare1. „Shavers Konzeption fiel auf fruchtbaren Boden. Viele Menschen hatten nun endlich einen ontologischen Rahmen, eine Deutung für die unheimlichen Erlebnisse, die ihnen widerfahren waren und die sie bis dahin nicht in ihre Alltagswelt einordnen konnten“2. Es bildet sich auch – begründet durch den Pulp-Autor Chester S. Geier (19211990), den Herausgeber des Shaver Mystery Magazine – ein Shaver-Mystery-Club mit zweitausend Mitgliedern3. Die Rede ist in I Remember Lemuria von shuttle ships die bei neutralisierter Gravitation zu einem station ship4 im Weltraum zu fliegen vermögen. Im späteren, 1946 erstmalig publizierten Roman The Return of Sathanas taucht dann massiv ein ufologisch beziehungsweise präastronautisch nutzbares Motiv auf. Die Denkfigur des Euhemeros, gemäß der die Götter einstmals Menschen oder andere Wesen mit besonderen Eigenschaften waren, wird in die SciencefictionSphäre überführt. Neben Loki oder Zeugnis gibt es, titelgebend, auch eine dunkle Gestalt namens Arch-Angle, Sathanas. Sathanas stammt von den „Angles of Earth, die wir Mu nennen ab. Die Angles waren ursprünglich eine blonde, blauäugige Familie normal erscheinender Erdenmenschen. Dann, vor einiger Zeit in der Vergangenheit, wurde des Sathanas Blutlinie gekreuzt mit einer dunklen, haarigen Zweihuferrasse aus dem Weltraum. Lange vor der Migration, die die meisten Planeten der Sonne ohne intelligentes Leben zurückließ, hatte seine Familie einen dunklen Planeten – mit dem Namen Sathana – übernommen …“5.

Es ist klar, dass ein solcher Götterhimmel nicht unbedingt nur Gutes für die Erde bedeutet. Shaver, gefördert durch den verkaufsorientierten Palmer, verweist deutlich darauf, dass es sich bei diesen literarischen Schilderungen auch um Themen handelt, die direkt unsere Wirklichkeit betreffen. In der Buchfassung der beiden Romane von 1948 werden entsprechende Statements von Shaver aufgenommen. „Die Dero der Höhlen sind die größte Bedrohung für unser Glück und unseren Fortschritt; sie sind Ursache für viele verrückte (mad) Dinge, die uns geschehen, bis hin zum Mord. Viele Leute wissen etwas davon, aber sie erzählen nichts. Sie lügen. Sie befürchten als verrückt oder als lächerlich zu gelten. Gehen Sie Ihre eigenen Erinnerung sorgfältig durch. Sie werden viele Belege für außengeleitete Stimuli finden, manche gut, manche böse – aber

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Vgl. Magin, 2001, 60. Magin, 2001, 66. Vgl. http://www.sf-encyclopedia.com/entry/geier_chester_s, http://www.isfdb.org/cgi-bin/ea.cgi?1153 (Bibliographie) und Magin, 2001, 67. Vgl. etwa Shaver, 1948, 37f, Übersetzung L.H. Shaver, 1948, 116, Übersetzung L.H.

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meistens böse“. Im Anschluss an dieses Statement von Shaver schreibt Palmer als Herausgeber: „Mr. Shaver gibt uns diese Information mit großer Ernsthaftigkeit. In den verwüsteten (und nicht komplett versiegelten!) Höhlen von Mu gibt es immer noch Deronachfahren“1.

Man kann davon ausgehen, dass dank entsprechender Abbildungen in populären Technik- und Sciencefiction-Magazinen beziehungsweise Comics ab 1915 die Untertassenformen für außerirdische Flugkörper immer mehr zum breiten populären Bildungsgut gehören. Dies bedeutet, dass zur Zeit der ersten wirkmächtigen2 Ufoerscheinungen ab 1947 das entsprechende Bild schon da ist und nur noch der Anlass fehlt um diesem Bild eine empirische Bestätigung zu geben. Dennis Kirstein hat Covers von u.a. populären Sciencefiction- und Technik-Magazinen und von Comics3 gesammelt, die ein anschauliches Bild damaliger us-amerikanischer Vorstellungen außerirdischer Flugkörper vermitteln. Auf den Titelblättern der Amazing StoriesAusgaben vom November 1926, der Winter-Edition 1930, 1939 und 1946 (ohne Monatsangabe) finden sich außerirdische Flugobjekte in der ‚typischen‘ Tellerform. Auch The Electrical Experimenter (Dezember 1915 und April 1918), Popular Mechanics Magazine (September 1930), die November 1929-Ausgabe von Science Wonder Stories (November 1929), Wonder Stories (April 1926, September 1934, Juli 1935 und Februar 1936), die Wonder Stories Quarterly (Sommer 1930), Air Wonder Stories (April 1930), Science Wonder Quarterly (Frühjahrsheft 1930), The Adventures of Buck Rogers (August 1938), Captain Marvel (September 1946), Comet. Stories of Super Time and Space (Mai 1941), bedienen sich dieses Symbols auf dem Deckblatt. Das durch Shaver breitenwirksam gewordene Motiv des Erdenmenschen als Versuchskaninchen beziehungsweise Missbrauchsopfer von Außerirdischen findet sich auch auf den Titelblättern von Sciencefiction-Magazinen. Auf einem Amazing Stories-Cover von 1927 (der Monat kann leider nicht ermittelt werden) sehen wir zwei leichtbekleidete Frauen in bewusstlosem Zustand auf Labortischen liegen und einen wachen männlichen Erdenmenschen, der einer der Frauen unter Aufsicht eines Außerirdischen Blut zu spenden scheint. Ein vergleichbares Motiv (helfender Mann und halbnackte Frau auf Labortisch) findet sich auch bei Astounding Stories von Juni 1935. Auch das Mai-Heft 1937 von Astounding Stories greift das Thema auf. Wir sehen einen Erdenmann, der auf einem Labortisch von Außerirdischen untersucht wird.

Shaver fasst viele Motive der zeitgenössischen Sciencefiction-Literatur in seinem Kosmos zusammen und dies führt dazu4, dass sich im Shaver-Universum eine „Vielzahl von Motiven, die auch mit dem modernen Ufo-Mythos assoziiert sind, z.B. unheimliche nächtliche Besucher, Entführungen durch Außerirdische, Illusio-

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Fußnote des Herausgebers zu Shavers Ausführungen in Shaver, 1948, 83, Übersetzung L.H. Der Themenkreis vorhergehender Sichtungen unbekannter Flugobjekte wird hier nicht bearbeitet, da es hier immer auch um Breitenrezeption geht. Vgl. http://www.dennis-kirstein.de/. Vgl. Magin, 2001, 60 und vgl. auch 65.

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nen der Fremdsteuerung, Reisen in die Anderswelt, Men in Black oder abgestürzte Raumschiffe“1 finden. Mit raumfahrenden mächtigen Götterwesen den Kosmos zu beleben und einer breiten Öffentlichkeit zur Lektüre vorzulegen und damit auch Längeren kollektiven Gedankenspielen die Möglichkeit zu verschaffen, diese Wesen – seien sie hilfreich oder nicht – am Himmel sehen zu können (Ufoglaube) oder ihre Hinterlassenschaften auf der Erde studieren und ihre kulturstiftende Tätigkeit würdigen zu können (Präastronautik), macht die geistesgeschichtliche Bedeutung von Richard Shaver, aber auch von Raymond Arthur Palmer aus. Palmers Stellenwert für die Popularität von Ufologie und Präastronautik ist damit aber noch nicht zureichend beschrieben, wenn man ihn nur von Shaver her betrachtet. Die Zeit ist reif für einen Menschen, der eindrucksvoll seine Begegnung mit einem UFO zu schildern vermag und Palmer, der Herausgeber einer populären und prosperierenden Zeitschrift steht bereit, diesen Menschen, den us-amerikanischen Geschäftsmann Kenneth A. Arnold (1915-1984), dabei zu unterstützen. Vorher gelingt es aber Orson Welles (1915-1985) mit seinen ‚Deros‘ eine Krieg-derWelten-Panik durch eine Radiosendung zu erzeugen.

III. Orson Welles bringt „Radio Listeners in Panic“ Es ist merkwürdig, dass die UFO-Wesen für den UFOlogen – wie die Umfragen belegen – primär positive Gefühle erwecken. Ein Bild der Untertassen-Wesen, wie es Herbert George Wells in seinem berühmten Buch Der Krieg der Welten (The War oft he Worlds, 1898) entwirft, ist eher die Ausnahme. „Wer nie einen lebenden Marsbewohner gesehen hat, wird sich die grauenvolle Häßlichkeit seiner Erscheinung kaum vorstellen können. Der seltsame V-förmige Mund mit seiner zugespitzten Oberlippe, die fehlenden Augenbrauen, das fehlende Kinn unter der keilförmigen Unterlippe, das unaufhörliche Zittern des Mundes, die gorgonenartige Gruppe der Fühler, das geräuschvolle Atmen der Lungen in dieser fremden Atmosphäre, die augenfällige Schwerfälligkeit und Mühseligkeit der Bewegungen (ohne Zweifel eine Folge der größeren Anziehungskraft der Erde), vor allem aber die außergewöhnliche Intensität ihrer ungeheuren Augen – das alles zusammen verursachte eine Übelkeit, als ob man seekrank würde. Es war etwas Schwammiges in ihrer öligen braunen Haut, und in der plumpen Bedächtigkeit ihrer schwerfälligen Bewegungen lag etwas unbeschreiblich Erschreckendes. Schon bei dieser ersten Begegnung, bei diesem ersten Anblick wurde ich von Abscheu und Grauen überwältigt“2.

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Magin, 2001, 60. Wells, 1990, 21.

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Orson Welles produziert 1938 für das Radio ein Hörspiel zu diesem Klassiker. Es bricht eine Panik aus. Die NEW YORK TIMES1 berichtet unter der Überschrift Radio Listeners in Panic, Taking War Drama as Fact. Many Flee Homes to Escape ‚Gas Raid From Mars‘ – Phone Calls Swamp Police at Broadcast of Wells Fantasy am 31.10.1938, dass am Sonntag den 30.10.1938 zwischen 20.15 und 21.30 Uhr eine Panik unter etlichen tausend Zuhörern ausgebrochen sei. Es gäbe beispielsweise einen Bericht aus Newark, wo aus einem Wohnblock Ecke Heddon Terrace und Hawthorne Avenue mehr als zwanzig Familien aus Angst vor Gasangriffen der Marsianer mit nassen Tüchern vor dem Gesicht flohen. Einige Familien hätten versucht ihre Möbel zu retten. Viele Familien hätten sich in den nahegelegenen Parks zu retten versucht. Nach unzähligen Anrufen von verängstigten Menschen bei der Polizei, der Feuerwehr und Presseorganen versendet Associated Press um 20:48 Uhr die Nachricht: „Hinweis für Redakteure: heute Nacht: Rückfragen an Tageszeitungen von Radiohörern in den ganzen Vereinigten Staaten bezüglich eines gemeldeten Meteoriteneinschlags, der eine Anzahl von Einwohnern New Jerseys getötet haben soll, wurden durch ein Hörspiel verursacht“. Die New Yorker Polizei ließ die Sender die folgende Nachricht verbreiten: „An alle Hörer: die Station WABC hat uns darüber informiert, dass die Sendung, die gerade über die Station lief, eine Hörspielbearbeitung war. Es gibt keinen Grund für einen Alarm“. Ein Flüchtling berichtet der Polizei: „Ich kam um 9:15 P.M. gerade noch dazu einen Telefonanruf meines Neffen anzunehmen, der außer sich vor Angst war. Er erzählte mir, dass die Stadt kurz vor einem Bombenangriff aus der Luft stehe und riet mir das Gebäude sofort zu verlassen. Ich machte das Radio an und hörte die Sendung … schnappte meinen Hut und meinen Mantel und ein paar persönliche Sachen und rannte zum Aufzug. Als ich auf die Straße trat, waren dort Hunderte von Menschen, die in Panik umherirrten“.

Knapp zehn Jahre später erreicht – wie wir gleich sehen werden – die Bereitschaft an außerirdische Besucher zu glauben den Punkt, an dem ein kleiner Anstoß genügt, um eine Lawine in Bewegung zu setzen. Im Allgemeinen werden extraterrestrische Wesen nämlich wie oben bereits beschrieben eher positiv eingeschätzt. Diese eher positive Einstellung der UFOlogen resultiert nach Carl Gustav Jung (1875-1961) aus einer tief mit dem Glauben an Himmelswesen verbundenen Hoffnung, die er in seinem Buch Ein moderner Mythos. Von Dingen, die am Himmel gesehen werden (1958) erkundet hat. Jeder Mensch schleppe, wie wir im ersten Band schon anhand von Adelbert von Chamissos Erzählung über den Schattenverkäufer Peter Schlemihl erfahren konnten, vieles Unbewäl1

Die folgenden entsprechenden Belege : http://incolor.inetnebr.com/wotw/Radio/Newspapers/Oct31/NYT.html, Übersetzungen L.H.

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tigte mit sich. Schuld und Schicksalsschläge, nie zutage getretenes Unbewusstes und Verdrängtes und vieles mehr bildeten eine Schattengestalt, die uns begleite. Diese Schattengestalt würden wir nicht wahrhaben wollen, weil sie uns an unsere negativen Seiten erinnere. Gerade weil wir sie nicht wahrhaben wollten, begleite dieser Schatten uns aber stetig, wie uns unser optischer Schatten begleite. In Träumen tauche manchmal dieser Schatten auf als ein Verfolger, den wir nicht ansehen könnten, der ein unbestimmtes Gefühl des Entsetzens hinterlasse, vor dem wir fliehen und anhand dessen wir uns lieber ‚entscheiden‘ würden aufzuwachen, als dem Angreifer, dem eigenen Schatten ins Gesicht zu sehen. Der Schatten begleite uns aber, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass wir nicht ganz ‚rund‘ sind, dass wir radikal endlich seien. Deswegen begleite den Menschen mit seinem Schatten aber auch eine unabweisbare Idee. Nämlich die, ‚ganz‘ zu sein, so zu sein, dass alles gleichsam ‚rund‘ werde. Das eigene Leben solle ‚rund‘ werden. Die Kugelform, das Runde symbolisiere die Vollendung, die je-mir nicht gegeben sei, „… die runde Ganzheit des Mandalas wird zu einem von intelligenten Wesen gesteuerten Weltraumfahrzeug“1. Fühle man sich der Aufgabe, sich mit sich selbst zumindest anfänglich auseinanderzusetzen und sich mit sich zu versöhnen, nicht gewachsen, verlege man die Erfüllung dieser Aufgabe nach außen, in den Himmel, aus dem früher Engel ‚gekommen‘ seien und heute UFOs (runde, fliegende Untertassen) zu kommen scheinen. Nachrichten über UFOs seien als visionäres Gerücht2 zu verstehen, in dem sich („in nächster Verwandtschaft mit den Kollektivvisionen“3) epochale Ängste und radikale Veränderungen ‚sichtbar‘ machten.

Aus dem Blickwinkel einer solchen Rekonstruktion dieser Versöhnungshoffnung heraus kann man auch zu recht von einem UFO-Glauben sprechen. Erkenntnistheoretisch betrachtet, kann man nicht an UFOs glauben. Es ist zwar möglich, dass es sie gibt, und wenn es sie gibt, sind sie prinzipiell beobachtbar. Aber wenn sie prinzipiell beobachtbar sind, dann kann man prinzipiell genau in der Form des empirischen Wissens und nicht des Glaubens feststellen, ob es sie gibt oder nicht. Solange diese empirische Bestätigung, dass sie wirklich sind, ausbleibt, kann man UFOs nur für möglich halten. Doch sind neomythische Hoffnungen stärker als Erkenntnistheorie. Ernst Benz (1907-1978), einer der Wegweiser ins Reich der Neomythen, schreibt in seinem Buch über Kosmische Bruderschaft. Die Pluralität der Welten (1978): „Die Verbreitung des kopernikanischen Weltbildes in allen Schichten der Bevölkerung der restlichen Welt hat in den beiden letzten Jahrzehnten zu einem in der Religionsgeschichte völlig einzigartigen Phänomen geführt, nämlich zu dem Auftreten einer Neuen Religion, die sich im Bereich dieses wissenschaftlichen Weltbildes entwickelt hat, der Ufologie“4. Wie beginnt sie?

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Jung, 1958, 35. Vgl. Jung, 1958, 11. Jung, 1958, 11. Benz, 1978, 119.

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„Den eigentlichen Anstoß zum Untertassen-Schock und zu ihrer Namensgebung gab am 24. Juni 1947 ein Privatflieger in Idaho namens Ken Arnold“1. Nach Benz habe dieser „über alle Bundesstaaten hinweg eine Untertassen-Hysterie“2 ausgelöst. Die Einschätzung der wesentlichen Stationen des UFO-Glaubens teile ich mit Ernst Benz, der den ersten Anstoß zu einer Breitenbewegung in der ‚Sichtung‘ durch Kenneth Arnold sieht, als nächste wesentliche Stationen der Entwicklung das Buch von Major Donald E. Keyhoe (1897-1988) über Flying saucers from outer space ansetzt und sodann auf den Kontaktler George Adamski (1891-1965) verweist. Im Anschluss an die Darstellung dieser Entwicklungsschritte des UFO-Glaubens wird dann noch ufologisch orientierte Gemeindebildungen dargestellt werden, die katastrophale Folgen für ihre Mitglieder hatte. Die Ufologie hat sich im Laufe der Zeit in kleine Spezialistenzirkel zerklüftet, die teilweise ernstzunehmende Untersuchungen vorlegen, wie etwa das vor allem durch Werner Walter bekannt geworden Centrale Erforschungs-Netz außergewöhnlicher-Himmels-Phänomene (CENAP), aus dessen Frühzeit ich noch viele hektographierte Kleinschriften in meinem Archiv habe, bis hin zu der in ihren UFOnachrichten jeden Unsinn druckenden, 1988 aufgelösten Deutsche UFO/IFO Studiengesellschaft (DUIST e.V.) beziehungsweise neomythischen und in sich abgeschlossenen UFO-Glaubensgemeinschaften.

Andreas Grünschloß führt, Benz‘ und Jungs Thesen ausdifferenzierend, im Hinblick auf derartige Glaubensgemeinschaften neben einem „grundlegenden ‚gnostischen Erlösungsmythos‘“ drei wesentliche religiöse Interessenbereiche im primär religiös interessierten UFO-Glauben an: „(1) die millenaristische Hoffnung auf einen neuen paradiesischen Äon, (2) die cargoistische Hoffnung auf ein technologisches Wunder – und (3) die anthropologische Konzeption eines homo novus, dem eine Vielzahl paranormaler Fähigkeiten zur Verfügung stehen werden“3. Dabei bleibe es offen, ob alle Menschen in den Genuss dieser Segnungen kommen würden. Wir werden später anhand der neomythischen UFO-Gruppe Heavens Gate auch damit konfrontiert werden, wie wichtig diesen neognostischen Gruppierungen oft die Befreiung eines substantiellen Ichkerns aus den Erdenkörper oder zumindest dessen grundlegende Transformation – je nachdem ob man einer pessimistischen oder einer „optimistische(n) Kosmologie“4 anhängt – ist.

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Benz, 1978, 121. Benz, 1978, 121. Grünschloß, 2000, 16. Grünschloß, 2000, 17.

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Als Kenneth Arnold seine UFOs sieht, ist von solchen Phänomenen noch keine Rede.

IV. Wegweiser im UFO-Kult 1.

Kenneth Arnold: Die Uroffenbarung des UFO-Glaubens

Ein texanischer Farmer namens John Martin benutzt den Ausdruck saucer (= Untertasse) schon 1878. In der Umgebung von Denison (Texas) habe er am 2. Januar 1878 ein unbekanntes Flugobjekt beobachtet. Die Lokalzeitung Denison Daily News schreibt am 25. Januar 1878 unter der Überschrift Ein seltsames Phänomen: „Von Mr. John Martin, einem Bauern, der ungefähr sechs Meilen südlich von dieser Stadt wohnt, erfahren wir die folgende seltsame Geschichte. ‚Es sei, während er Dienstag am Morgen jagte, seine Aufmerksamkeit auf ein dunkles Objekt am südlichen Himmel gelenkt worden … Als es direkt über ihm war, habe es wie eine große Untertasse (saucer) gewirkt und sei in großer Höhe gewesen. So viel er beurteilen könne, habe es, so Mr. Martin, einem Ballon geähnelt. Es verschwand so schnell wie es gekommen war …“1.

Doch ist 1878 die Zeit noch nicht reif für den UFO-Glauben. Der richtige Zeitpunkt liegt im Jahre 1947. Am Anfang okkulter Moden steht nicht selten ein paradigmatisches Urerlebnis. Was das Erscheinen von Klopfgeistern in Hydesville (1848) für die Spiritisten bedeutet, ist für die UFOlogen ein Erlebnis, das Kenneth Arnold am 24. Juni 1947 hat2. Zwar hat es schon vor 1947 immer wieder Beobachtungen von ,unidentifizierten Flugobjekten‘ gegeben. Es gibt die Sichtungswelle von 1896 bis 1898, bei der Geister-Luftschiffe gesehen wurden, die Foo-Fighters aus dem Zweiten Weltkrieg oder die 1946 über Skandinavien gesichteten Geister-Raketen. Aber erst durch diese eine Sichtung werden sie ein Thema für Medien und Öffentlichkeit. Arnold ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der Feuerlöschgeräte verkauft und ein erfahrener Such- und Rettungspilot. Dadurch besitzt er das Image des realistischen Blicks auf die Dinge. Es gelingt ihm in Interviews präzise empirische Angaben zu machen, die im Klima des Kalten Krieges von Regierungskreisen ernst genommen werden, weil sie mit möglichen ‚unbekannten sowjetischen Flugobjekten‘ in Verbindung gebracht werden konnten. Im September 1946 wird in der NEW YORK TIMES etwa darüber diskutiert, ob die Sowjetunion Raketentests über

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Zit. nach: http://www.chez.com/lesovnis/htm/denison1878.htm. Vgl. dazu im Folgenden Walter, in: http://cenap.alien.de/cenapnews/zeigen.php?satzid=7903&page=4&search=kenneth+arnold (ohne Seitenangaben).

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Schweden durchgeführt habe und der schwedische Physiknobelpreisträger von 1924, Manne Siegbahn (1886-1978), wird als Beleg dafür zitiert, dass eine derartige Möglichkeit als eher unwahrscheinlich anzusehen ist1. Das Regierungsinteresse an unidentifizierten Flugobjekten offenbart nachrichtendienstliche Erkenntnislücken. „Der Stand der sowjetischen Luftfahrttechnologie – mochte man ihn auch nicht sonderlich hoch einschätzen – war vorerst noch unbekannt, und man war sich nicht darüber im Klaren, welchen Beitrag die penetrant erfinderischem deutschen Raketenbauer, die scharenweise gefangen genommen worden waren, zur weiteren Entwicklung einschlägiger Waffensysteme in Russland leisten würden. ... Die Amerikaner selbst hatten ebenfalls mit einem Flugzeug experimentiert, das man mit einiger Phantasie ebenfalls als untertassenförmig beschreiben könnte – es war der sogenannte flying flapjack (‚fliegende Puderdose‘ oder ‚fliegende Pfannkuchen‘)“2. Unter diesen Umständen war es sicherheitspolitisch geboten, die unbekannten Flugobjekte auch von Seiten des Verteidigungsministeriums zu untersuchen. Die UFOs werden eher als ein für Radareinsatz relevantes Thema, denn als massenpsychologisches Phänomen gesehen. Damit aber ist für grenzwissenschaftliche und esoterische Kreise ein ideales Betätigungsfeld für Verschwörungstheorien gegeben, weil sich die Regierung ‚im Geheimen‘ um UFOs kümmere. Die durch die Bombenabwürfe Hiroshima und Nagasaki realistisch gewordene Furcht vor einem Atomkrieg trägt auch bei der breiten Bevölkerung dazu bei, dass das Thema unbekannter Flugobjekte Interesse findet und des Weiteren, nicht zuletzt geprägt durch entsprechende Illustrationen in populären Magazinen, zu einer Abspaltung der Angst und einer Projektion der Hoffnungen auf Frieden in die Sphäre von Außerirdischen führt. Diese Erklärung ist allerdings nicht zureichend, um die dauerhafte Faszination durch Außerirdische zu erklären3.

Arnold wird das Medium des Zeitgeistes, beziehungsweise macht sich dazu und eröffnet einen zunächst die USA ansteckenden und dann weltweiten Siegeszug des UFO-Glaubens. Was ist das Initialereignis? Er fliegt mit seinem Flugzeug von Chehalis (Washington) nach Yakima (Washington). Er ist auf der Suche nach einem abgestürzten Flugzeug, für dessen Sichtung $ 5.000 ausgesetzt sind. Kurz vor Mineral (Washington) und ungefähr fünfundzwanzig Meilen vom Mount Rainier entfernt will er eine Formation von neun ungewöhnlichen Flugkörpern bemerkt haben, die von Norden nach Süden in 9.500 Fuß Höhe geflogen seien. Zwei bis drei Minuten lang habe er die Flugkörper beobachtet und habe ihre Geschwindigkeit auf 1.200 Stundenmeilen geschätzt. Arnold berichtet sachlich über unbekannte Flugobjekte und tut dies in sehr präziser Weise. Er beschreibt sein Erlebnis und verzichtet auch auf eine metaphorische Umschreibung des Gesehenen.

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Vgl. Lagrange, 2012, 233. Evans, 1976, 161. Vgl. dazu Lagrange, 2012, 232-234.

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Bill Bequette (1921-2014) interviewt zusammen mit Nolan Skiff als erster Journalist am 25. Juni 1947 Kenneth Arnold einen Tag nach der Sichtung und schreibt für Associated Press einen entsprechenden Artikel. Er gibt an, dass das Gespräch nur ungefähr fünf Minuten gedauert habe, Nolan habe sich ein paar Notizen gemacht, dann habe er einen kleinen Artikel verfasst, den er, Bequette dann in gekürzter Form an Associated Press weitergegeben habe. Als er nach dem Mittagessen ins Büro zurückgekommen sei, sei ihm gesagt worden, dass viele usamerikanische Zeitungen und auch Zeitungen aus Kanada nachgefragt und um mehr Details gebeten hätten. Daraufhin interviewt Bequette Arnold noch einmal zwei Stunden lang und schreibt einen langen Artikel, den er telefonisch an das Associated Press-Büro in Portland weitergibt. Am nächsten Tag erscheint diese Geschichte in beinahe allen us-amerikanischen Zeitungen auf der ersten Seite. Bequette kann sich nicht erinnern, ob Arnold die Bezeichnung saucer-shaped craft verwandt habe und er neigt zu der Annahme, dass dieser nur von objects moving like a saucer if you skipped it across the water gesprochen habe. Er ist sich weiterhin sicher, dass er auch nicht den Terminus Flying Saucers geprägt habe1. In seinem ersten Radio-Interview am 25.6.1947 bleibt Arnold ebenfalls in sachlicher Distanz zum Gesehenen. „Ich werde es gerne mit der Hand auf der Bibel bestätigen, weil ich es gesehen habe und ich weiß nicht, ob es irgendetwas mit unserem Militär oder unserem Geheimdienst zu tun hat oder mit irgendeinem anderen Land“2. Der Gedanke an außerirdische Besucher ist Arnold hier noch fremd. Dann setzt sich in der Presse der Terminus Flying Saucers und der Gedanke an Aliens durch – die Titelbilder der Pulps werden wirkmächtig. Ray Palmer entdeckt durch Arnold Möglichkeiten, eine neue Zeitschrift namens Fate einzuführen und plötzlich redet Arnold von Flying Disks und publiziert für Palmer, der auch noch andere Zeitschriften mit UFOthemen wie etwa Mystic Magazine, Flying Saucers From Other Worlds oder Flying Saucers3 herausgibt. „Der Begriff ‚Fliegende Untertasse‘ als Bezeichnung für interplanetarische Raumschiffe tauchte erst Mitte 1950 in einem True-Artikel und dann im Film und schließlich in Keyhoe‘s erstem Buch auf. Erstaunlich auch die Wandlungsfreudigkeit der von Arnold beschriebenen Objekte. So existieren zwei unterschiedliche Darstellungen von ein und demselben Objekt durch Kenneth Arnold; einmal zeichnete er es absolut sichelförmig nieder (in seinem Buch von 1952 und nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, er also weitere Zeit fand, um über seine Beobachtungserfahrung nachzudenken), dann zu Beginn zeichnete er

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Vgl. Lagrange, in: http://tech.groups.yahoo.com/group/UFORL/message/734. Der Text der Sendung ist wiedergegeben durch Powell, in: http://www.arpnet.it/ufo/arno_int.htm, Übersetzung L.H. Walter, in: http://cenap.alien.de/cenapnews/zeigen.php?satzid=7903&page=4&search=kenneth+arnold.

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für das FBI die Objekte sehr an den damals bekannten Flying Flapjack erinnernd auf (abgesehen von den Propellern und Seitenrudern)“1.

Der Leitartikel im ersten Heft von Fate stammt von Arnold und trägt den Titel I Did See the Flying Disks!2 Arnold beginnt seinen Artikel mit dem Hinweis, dass seine folgende Schilderung wirklich wahr sei. Jeder Pilot würde das, was er erlebt habe, genauso erleben. Dann beschreibt er in flugtechnisch klingender Sprache das Flugverhalten der neun objects und führt endlich unter Hinweis auf Zuschriften weitere Zeugen an, die diese Objekte gesehen hätten. In diesem Zusammenhang verwendet er den Ausdruck saucer-like discs3. Diese Zeugen hätten diese Objekte nicht nur in den Vereinigten Staaten sondern auch in Europa gesehen. Weiterhin verweist er auf Zuschriften ehemaliger Luftwaffenpiloten, die mitgeteilt hätten, dass sie vor Kampfeinsätzen darauf hingewiesen worden seien, sie würden möglicherweise unbekannte Flugobjekte sehen und dass die ihnen mitgeteilte Skizze dieser Objekte seiner Schilderung entspreche. Auch in diesem Beitrag findet sich kein Hinweis auf die Hypothese eines außerirdischen Besuchs. Man kann beobachten, wie Arnold „sein Sichtungserlebnis mit den Jahren immer mehr ausschmückte und seinem persönlichen Glauben an UFOs im Sinne von extraterrestrischen Raumschiffen anglich“4. Später (1952) wird Arnold zusammen mit Palmer ein Buch mit dem Titel The Coming of the Flying Saucers schreiben und wiederholt Ufos ‚sehen‘.

2.

Donald E. Keyhoe: Die US-Regierung vertuscht UFO-Beweise

Major Donald Edward Keyhoe (1897-1988)5 ist us-amerikanischer Marine-CorpsAngehöriger (Major), Tourmanager des Fliegerhelden Charles Lindbergh (19021974) und in den zwanziger und dreißiger Jahren Pulp-Autor für Weird Tales, Dr. Yen Sin und Flying Aces und etliche Zeitungen. Kenneth Arnolds Schilderungen inspirieren ihn im Januarheft 1950 des für männliche Leser konzipierten Magazins True einen Aufsatz mit dem Titel Flying Saucers Are Real zu schreiben, der dann 1950 auch in Buchform erscheint und fünfhunderttausendmal verkauft wird.

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Walter, in: http://cenap.alien.de/cenapnews/zeigen.php?satzid=7903&page=4&search= kenneth+arnold. Arnold, 1948. Vgl. Arnold, 1948, 8. Kirstein, in: http://data5.blog.de/media/054/3625054_99e429e04a_d.pdf. Zu Keyhoes Biografie vgl.: http://en.wikipedia.org/wiki/Donald_Keyhoe und http://www.nytimes.com/1988/12/03/obituaries/donald-e-keyhoe-91-exponent-of-ufo-s.html.

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Später erscheinen weitere UFO-Bücher von ihm, so etwa Flying Saucers From Outer Space (1953). Keyhoe wird 1956 einer der Gründer des zivil organisierten National Investigations Committee On Aerial Phenomena (NICAP), steht dieser Organisation einige Zeit vor muss dann allerdings wegen verschiedener Unstimmigkeiten und Unregelmäßigkeiten ausscheiden. Sein 1950 erschienenes Untertassen-Buch ist unter dem Titel Die fliegenden Untertassen existieren übersetzt worden1. Keyhoe kann seinen Artikel in einen fast staatspolitischen Rang erheben, weil im Dezember 1949 ein UFO-Report der US AIR FORCE erscheint. Um die Diskussionen über Kenneth Arnolds UFO-Sichtung einzudämmen, beruft die US AIR FORCE 1948 eine Untersuchungsgruppe unter dem Namen Project Sign ein, der 1949 ein Project Grudge folgt2, dessen negatives Ergebnis passend zum True-Artikel und noch passender zur Buchpublikation der Öffentlichkeit vorgestellt wird, so dass Keyhoe diese Kommission beziehungsweise die weiteren Bemühungen der US AIR FORCE dann in der Buchausgabe auch als Reaktionen auf seine TruePublikation beziehen kann3. Keyhoe gestaltet sein Buch als Erzählung seiner Recherche zum UntertassenPhänomen im Kontext seines Vorhabens, den True-Artikel zu schreiben. Er setzt in seiner einleitenden Vorbemerkung mit dem Statement ein, dass er alle Berichte der amerikanischen Luftwaffe, die in den letzten drei Jahren erschienen seien, „sorgfältig geprüft“4 habe und kommt dann zu der Sensationsnachricht: „Ich glaube, daß die Air Force-Äußerungen, so widersprüchlich wie sie erscheinen, Teil eines komplizierten Programms sind, Amerika – und die Welt – auf das Geheimnis der runden Scheiben vorzubereiten“5. Dann setzt seine Erzählung mit der des Augenblicks ein, indem er von Kenneth William Purdy (1913-1972), dem Herausgeber des True-Magazins, per Telegramm vom 9. Mai 1949 eine Publikationsanfrage bekommen habe. Vierundzwanzig Stunden später sei er in Purdys Büro gewesen. Immer wieder habe er sich dann in der Folgezeit mit einzelnen Sichtungsfällen auseinandergesetzt und immer wieder sei er auf verschleiernde, vieldeutige oder ‚eindeutig-vielsagende‘ Äußerungen aus US AIR FORCE-Kreisen gestoßen: „Der Bericht des Kommandanten McLaughlin – mit Daten und faktischen Details – wurde vom Verteidigungsminis-

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Internetedition: http://nicap.org/docs/GermanTransBooks/FSAR_GermanTranslation.pdf. Ridpath, 1977, 77. Eingescannt in: http://books.google.de/books?id=0ev36vp4V9UC&pg=PA77&lpg=PA77&dq=project+grudge+documents&source=bl&ots=P0xVEIepaq&sig=57MGhZSQgvCLYpRcHunrQoMeKJs& hl=de&sa=X&ei=IrwkUb3RH8bHtAbAx4GIBQ&ved=0CHEQ6AEwCQ#v=onepage&q=pro ject%20grudge%20documents&f=false. Die US Air Force hat diese Akten für die Öffentlichkeit freigegeben und im Internet einsehbar gemacht. Vgl. dazu die Seite der US Air Force: http://www.secretsdeclassified.af.mil/shared/media/document/AFD-110719-005.pdf. Keyhoe, 1950, 2. Keyhoe, 1950, 2.

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terium freigegeben. So geschah es auch mit einer späteren Rundfunksendung. Dann erfolgte die routinemäßige Leugnung durch die Air Force“1. Wenn man den Stil populärer Verschwörungstheorien kennt, ist die Sprache vertraut. „Am nächsten Morgen ging ich zum Pentagon. Ich erwartete, nicht viel zu erfahren, …, daß wir nicht etwa der (nationalen) Sicherheit ins Gehege kamen“2. Das Fazit3 Keyhoes spitzt die Untertassen-Situation auf die Jetztzeit zu. Für ihn ist es klar, dass wir systematisch vom Weltraum aus beobachtet werden. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hätten sich die Außerirdischen nur relativ selten um uns kümmern müssen, da die technologische Entwicklung noch nicht so weit gewesen sei. Nun wendeten sie sich öfter der Erde zu und vor allem dem „fortgeschrittensten Teil des Globus“4, nämlich Europa und Amerika. Einen weitereren Schub in der Intensität der Beobachtung hätten die deutschen V2-Raketen und die Atombombenexplosionen in Japan sowie die entsprechenden Tests nach dem Zweiten Weltkrieg verursacht. Mit einem heroischen Aufruf, auf die moralische Festigkeit des amerikanischen Volkes zu vertrauen und ihm von Regierungsseite her die Wahrheit zu sagen, beendet Keyhoe sein Buch. „Das amerikanische Volk hat seine Fähigkeit, unglaubliche Dinge zu akzeptieren, unter Beweis gestellt. Wir haben das erschütternde Bewußtsein des Atomzeitalters überlebt. Wir sollten in der Lage sein, das interplanetarische Zeitalter ohne Hysterie anzunehmen, wenn es kommt“5. So durch True und Keyhoe vorbereitet, braucht der Zeitgeist aber deutlichere Beweise. In der Gestalt von George Adamski (1891-1965) werden nun die Kontaktler gehört. Wirklich anschaulich können solche Hoffnungen erst werden, wenn es Menschen gibt, die mit den UFOnauten gesprochen und mit ihnen Reisen unternommen haben. „Mochte die Vorstellung, UFOs seien Besucher von fremden Planeten, für Schlagzeilenschreiber auch noch so reizvoll sein: Die breite Öffentlichkeit reagierte seit Anfang der Fünfzigerjahre gelangweilt auf die Untertassen und ihre undefinierbaren und unzugänglichen Besatzungen. Nur Science Fiction-Jünger und jene Leute, die unentwegt auf der Suche nach dem Wundersamen sind, blieben standhaft bei der Stange. 1953 aber erschien ein sensationelles Buch mit dem Titel Flying Saucers have Landed (Fliegende Untertassen sind gelandet) und löste eine dramatische Wiederbelebung des Interesses für Fliegende Untertassen aus“6.

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Keyhoe, 1950, 7. Keyhoe, 1950, 18. Vgl. auch noch bes. 53 u.ö. Vgl. Keyhoe, 1950, 81. Keyhoe, 1950, 81. Keyhoe, 1950, 109. Evans, 1976, 163.

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Und plötzlich melden sich solche Reisende.

3.

George Adamskis Kontakte mit Aliens

Das alte Motiv der apokalyptischen Jenseitsreise bietet sich für den UFO-Gläubigen geradezu an mit Leben gefüllt zu werden. Und mit solchen Erzählungen von UFO-Diesseits/ Jenseitsreisen bedient George Adamski sein Publikum. Nicht umsonst taucht bei diesem berühmtesten aller UFO-Himmelsreisenden auch der schon bekannte „Evergreen der UFO-Archäologen“1, Ezechiels Thronwagenvision auf2. Die beiden Autoren des Buches sind Desmond Leslie (1921-2001) und George Adamski. Leslie (Desmond Arthur Peter Leslie)3 entstammt als Sohn des zum Katholizismus konvertierten Dichters und Kulturphilosophen Sir Shane John Randolph Leslie, 3. Baronet Leslie of Glaslough (1885-1971) irischem Adel4 und wird in der Folgezeit mit weiteren Büchern in die Fußstapfen seines Vaters treten. Er übernimmt es, im ersten Teil eine Art Ideen- und Sichtungsgeschichte der UFOlogie zu verfassen. Eigentliches Aufsehen erregt das Buch durch den polenstämmigen George Adamski5, den „Hauptapostel der Ufo-Religion“6. Bevor Adamski – dessen solide Biografie zu schreiben noch aussteht – zum berühmtesten Kontaktler wird, gründet er nach seinem Militärdienst und wechselnden beruflichen Tätigkeiten den Royal Order of Tibet der sich im Temple of Scientific Philosophy organisiert. Bevor er Ordensgründer und dann Kontaktler wird, bezeichnet er sich selbst als Professor, der seinen Titel in einem tibetanischen Mönchskloster erworben habe, das eine Hochschule über das Universal Law beherberge. Dort habe er sechs Jahre lang studiert und fühle sich deshalb in der Lage, vor wechselndem Publikum auf Bürgersteigen in Los Angeles Philosophievorlesungen zu halten. Adamski beschreibt das Thema dieser Vorlesung genauer

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Evans, 1976, 163. Vgl. Lieb, 1998, 53. Zur Biografie vgl. Evans, 1976, 162-171, http://web.archive.org/web/20071013174405/http://www.nypress.com/print.cfm?content_id= 4039 und auch http://en.wikipedia.org/wiki/Desmond_Leslie. Zu den Adelszusammenhängen vgl. die Stammtafel in: http://www.thepeerage.com/p5479.htm#i54782 und auch http://de.wikipedia.org/wiki/Shane_Leslie. Vgl. dazu Evans, 1976, 162-171 und Benz, 1978, 122f, http://en.wikipedia.org/wiki/George_Adamski, https://webspace.utexas.edu/cokerwr/www/index.html/adamski.htm, Anonymus, in: https://webspace.utexas.edu/cokerwr/www/index.html/adamski.htm, Stoczkowski, 1999, 263266 und Solomon, 2009 (auf dieses trotz des manchmal satirischen Tons solide Buch stütze ich mich, wenn nicht anders angegeben), Redfern/ Roberts, 2003, 118-128. Benz, 1978, 122.

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als „philosophische Gespräche über das Lebensgesetz von einem universalen Entwurf aus“1. 1936 publiziert er ein Buch mit dem Titel Wisdom of the Masters of the Far East – Questions and Answers by the Royal Order of Tibet, das seine Lebensweisheiten noch aus anderen Quellen als den späteren Raumfahrtgeschichten bezieht, wie etwa der dort zu lesende Satz „Der Himmel ist ein Bewusstseinszustand“2 zeigt. Adamski, der über seinen Tibeter-Orden mittlerweile Schüler um sich versammeln kann, zieht 1940 in die Nähe des Mount Palomar, betreibt amateurhafte Astronomie, erwirbt ein Stück Land auf dem Berg und baut dort unter anderem das Palomar Gardens Cafe. Von dort aus schießt er bis 1952 etliche vermeintliche UFO-Fotos, die er dann in Fate publiziert und macht sich einen Namen in UFOKreisen. Langsam macht er sich mit dem Gedanken an landende UFOs vertraut. Am 20. November 1952 habe er dann seine erste Begegnung mit einem Außerirdischen gehabt. Bei ihm seien Alice Wells, eine seine ‚Studentinnen‘, seine Sekretärin Lucy McGinnis, Alfred Bailey (1914-1976), George Hunt Williamson (19261986) und zwei weitere UFOlogen gewesen. Als Ergebnis des Treffens ergibt sich die Publikation von Flying Saucers have Landed und der Erfolg desselben führt dazu, dass Adamski 1955 zusammen mit der Ghostwriterin Charlotte Blodget und Abelard-Schumann gleichsam eine Fortsetzungsgeschichte folgen lässt, Inside the Space Ships, durch die sich Adamski zu einer weltgeschichtlichen Persönlichkeit machen will. 1961 folgt dann noch Flying Saucers Farewell, das unterschiedlichste ufologische Themen behandelt. „Philosophie erfasst das Universum als ein in sich selbst geordnetes und harmonisches System. Unsere gegenwärtige Wahrnehmung von Geist und Materie muss bis zu dem Bereich des Grundes (Cause3) erweitert werden, damit wir verstehen und unseren Platz im Klassenraum des immerwährenden Lernens finden“4. Die UFO-Wesen treten bei Adamski dann wieder zurück. Das Alterswerk knüpft schon wieder an das ‚frühe‘ Wisdom of the Masters of the Far East an. Adamski verfasst eine Cosmic Philosophy eher konventionellen esoterischen Typs. Die üblichen esoterischen Weisheiten verbinden sich mit Born-again-Bibelexegese und Überlegungen über Lemuria und die theosophische Akasha-Chronik. Erst am Ende, in der Conclusion seiner kosmischen Philosophie, kommt er wieder deutlicher auf seine UFO-Themen zurück. „Wir leben in einem Space Age und viele egoistische Vorstellungen des Menschen müssen nun unserer Mitgliedschaft in einer interplanetarischen Gemeinschaft Platz machen. ... Diejenigen, die die

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Solomon, 2009, 3, Übersetzung L.H. Adamski, 1936, zit. nach http://gratisenergi.se/royal.htm, Übersetzung L.H. Auch Cosmic Cause, Adamski, 1961, 8; 16 u.ö. Adamski, 1961, III, Übersetzung L.H.

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Wirklichkeit von Besuchern von anderen Planeten akzeptiert haben, sind begierig darauf, diese Leute zu treffen ...“1. Zur bis heute in Ufologen-Kreisen für glaubwürdig befundenen Legende wird Adamski aber durch zwei frühere Bücher. Sehen wir uns Flying Saucers have Landed und Inside the Space Ships genauer an. Das von Leslie und Adamski 1962 herausgebrachte Buch über Fliegende Untertassen sind gelandet besteht aus zwei Büchern. Zum ersten ein zwar ohne viele Belegstellen, aber trotzdem interessant zu lesender Teil von Leslie über Erscheinungen von Himmelsgebilden im Laufe der Geschichte – inklusive zahllosen Sichtungsberichten2. William Scott-Elliotts (*1930) Atlantisbuch und des britischen Autors James Churchwards (1851-1936) The Children of Mu sowie Helena Blavatsky und ihre Epigonen sind bei Leslie immer präsent. Doch publikumswirksam ist – obgleich mit wenig Seitenzahlen auskommend – ohne Zweifel der zweite Teil von George Adamski. Adamski bestimmt zunächst einmal seine eigene Position in der Welt: „Ich heiße George Adamski und bin von Beruf Philosoph, Studierender, Lehrender und Untertassenforscher“3. Dann setzt er ein mit einem ersten Sichtungserlebnis am 9. Oktober 1946, das für ihn eine entscheidende Bedeutung gehabt habe. Dem distanzierten Leser fällt auf, dass Adamski sein Sichtungserlebnis zeitlich vor das Kenneth Arnolds legt. Am 20. November 1952 habe er dann – begleitet von vier Zeugen, die ihm das dann per Unterschrift bestätigen – „die Bekanntschaft eines Mannes aus einer anderen Welt (gemacht, L.H.). Er landete mit seinem Raumfahrzeug, einer Fliegenden Untertasse. Er nannte es selbst ein Aufklärungsschiff. Die Begegnung war in der Kalifornischen Wüste“4. Bei dieser Gelegenheit sei er noch nicht in der Lage gewesen, das Raumfahrzeug von innen zu besichtigen. Doch schon damals fällt ihm die engelsgleiche Schönheit und Weisheit des außerirdischen Mannes auf. Es ist die Schilderung des Kontaktes mit einer gleichsam transzendenten Wirklichkeit von Personsein als Möglichkeit des eigenen Menschseins, die Adamski bei seinen Schilderungen der Mars-, Saturn- und Venusbewohner und besonders ihrer Frauen gibt. „Die Schönheit seiner Gestalt übertraf alles, was ich bisher gesehen hatte. Die Liebenswürdigkeit seines Gesichtsausdrucks ließ bei mir keine Gedanken an mein persönliches Ich aufkommen“5. Aus diesem Grunde habe er ein selbstverständliches Vertrauen zu dieser Person gefasst. Schon zu diesem Zeitpunkt sei es zu einer ersten Warnung beziehungsweise impliziten Beauftragung durch den Außerirdischen gekommen. Die vielen 1 2 3 4 5

Adamski, 1961, 85, Übersetzung L.H. Vgl. Leslie/ Adamski, 1962, 28-47; 67-87 (als Chronik für den April 1952). Leslie/ Adamski, 1962, 235. Leslie/ Adamski, 1962, 254. Leslie/ Adamski, 1962, 266.

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Atombombenexplosionen würden zur Vernichtung der Erde führen. „Schließlich zeigte er auf die Erde selbst, und mit einer weit ausholenden Handbewegung deutete er an, daß dies alles durch zu viele ‚Bum! Bum!‘ vernichtet werden würde“1. Im Kontext solcher Anmerkungen über Atombombenexplosionen und Kriegsgefahr wird die amerikanische Regierung hellhörig. Es war schon weiter oben darauf hingewiesen worden, dass das Klima des Kalten Krieges einen Teil der gemeinschaftlichen psychischen Dynamik ausmacht, das zu dem gehäuften Auftreten von UFO-Sichtungen und -Kontakten führt. Im Zusammenhang der Angst vor der Innovationsfähigkeit des sowjetischen Feindes kommt es zu mehreren Untersuchungen des Phänomens der unbekannten Flugobjekte durch die UNITED STATES AIR FORCE. Eines davon ist das Project Sign. Alfred C. Loedding2, ein us-amerikanischer Luftfahrt-Ingenieur, der beim die Untertassenfrage bearbeitenden Project HAT-304/ Codename Project Sign (Anweisung zur Gründung 30.12.1947 bis 11.2.1949)3 mitarbeitet, soll um 1948 ein bisher unveröffentlichtes Minderheitenvotum verfasst haben, in dem er die Herkunft der unbekannten Flugobjekte als außerirdisch gekennzeichnet habe. Was damit genau geschah, ist nicht zu klären4. Für die UFO-Gläubigen ist dies ein wichtiger Mosaikstein zum Verschwörung-Mythos. Für unseren Zusammenhang wichtiger ist die Ernsthaftigkeit, mit der das Untertassen-Thema in Regierungskreisen allgemein behandelt wird. Das von Headquarters UNITED STATES AIR FORCE. DIRECTORATE OF INTELLIGENCE zum April 1949 erarbeitete offizielle Dokument zum Project Sign mit der Aktenbezeichnung Top Secret AF cy 102 Control No 6637 mit dem Thema Analysis of Flying Object Incidents in the U.S. schreibt zu dieser Frage: „Sowjetische Begeisterung gab es für die vielversprechenden fortgeschrittenen Ideen, die man aus Deutschland 1945 mitgebracht hatte, und für die mit Hilfe deutscher Wissenschaftler im Hinblick auf die realistischer werdende Möglichkeit, andere Nationen hinsichtlich ihrer technischen Errungenschaften einzuholen und möglicherweise zu überflügeln. Es erscheint als immer mehr wahrscheinlich, dass die Sowjets eine Tendenz haben sich auf bestimmte Entwicklungen zu konzentrieren, die bei uns noch nicht maximale Priorität in unseren eigenen Programmen haben“5. In einem solchen Klima wird auch Adamski ab 1952 mehrmals vom FBI verhört und wirkt dabei so beunruhigend, dass es zu mehreren Gesprächen kommt. Die Akten berichten: „Adamski behauptet, dass San Diego innerhalb der nächsten zwölf Monate bombardiert werden wird. Adamski behauptet, dass es keinerlei Unterschied macht, ob die Vereinigten Staaten mehr Atombomben als Russland haben, weil Russland nur zehn Atombomben benötigt, um die USA kampfunfähig zu machen ... die heutigen Vereinigten Staaten seien im selben Stadium wie das zerfallende Römische Reich und würden genauso unterge-

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Leslie/ Adamski, 1962, 271. Vgl. dazu Hall/ Connors, 1998. Vgl. dazu Hall/ Connors, 1998, 111-148. Vgl. Hall/ Connors, 1998, 162. Headquarters United States Air Force. Directorate of Intelligence, zit. nach http://www.project1947.com, Übersetzung L.H. In den USA müssen viele Dokumente des FBI und der CIA im Netz publiziert werden.

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hen wie es das Römische Reich getan habe. Die Regierung dieses Landes ist eine korrupte Regierung und Kapitalisten versklaven die Armen“1.

Adamski erzählt in dem gemeinsamen Buch weiter, dass sie auch auf die Gottesfrage zu sprechen gekommen seien und der außerirdische Mitmensch ihn darüber aufgeklärt habe, „daß wir auf Erden in Wahrheit sehr wenig über den Schöpfer wissen. Mit anderen Worten: Unser Wissen sei seicht, … außerhalb der Erde achte man mehr auf die Gesetze des Schöpfers, während es die Erdleute mehr mit den Gesetzen des Materialismus hielten“2. Dieses Thema wird von Adamski in späteren Büchern dann ganz ausführlich abgehandelt. Der Außerirdische sei dann davongeflogen und bei einem zweiten Treffen am 13. Dezember 1952 habe er auch gutes fotografisches Material erhalten. Adamskis Buch löst ein großes Echo aus. Es bleibt nicht aus, dass die seit Jahrzehnten durch Pulpmagazine auf Fliegende Untertassen vorbereitete us-amerikanische Öffentlichkeit durch Adamski 1955 dann auch über die Verhältnisse Im Innern der Raumschiffe aufgeklärt wird. Am 18. Februar 1953 startet Adamski zu seiner Himmelsreise. Am Ende seiner Reisen durch die Himmelssphären wird er, ausgestattet mit einer rettenden Botschaft an die Menschheit, zurückkehren um Zeugnis abzulegen. Es ist eine nicht untypische prophetische Ausgangssituation, wenn er die Atmosphäre im abendlichen Los Angeles, die dem anthropologischen Offenbarungserlebnis einer Raumreise mit Außerirdischen vorausgeht, als eher depressiv schildert. Viele literarische Himmelsreisen beginnen mit einer gedrückten Atmosphäre. „Meine Armbanduhr zeigte zehn Uhr und dreißig Minuten. Die späte Stunde und das Fehlen jeglicher Anzeichen von irgendetwas Außergewöhnlichem sandten eine Welle der Enttäuschung durch mich. Und gerade in diesem Augenblick der Depression näherten sich mir zwei Männer. Einer von ihnen sprach mich mit meinem Namen an“3. Sie fliegen dann zum „Mutterschiff von der Venus“4 und Adamski lernt langsam die außerirdischen Lebensverhältnisse kennen. Es geht nicht darum, diesen apokalyptischen Himmelsreisebericht nachzuerzählen. Wichtig ist es, auf einige markante Gesichtspunkte aufmerksam zu machen, die einerseits die religionsförmige apokalyptische Erlebnistönung dieses 1

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Redfern/ Roberts, 2003, 121, Übersetzung L.H. Die Autoren sind zwar eher sensationsorientiert, zitieren aber reale FBI-Akten. Leslie/ Adamski, 1962, 274. Man bemerkt schon hier, dass Stoczkowski, 1966, 263 recht hat, wenn er schreibt, dass Adamskis Buch einen „entscheidenden Schritt zur Reintegration der Fliegenden Untertassen in den Bereich okkulter Theorien“ (Übersetzung, L.H.) darstelle. Über die positive Affinität des UFO-Glaubens zu anderen Glaubensvorstellungen christlicher oder paranormaler Orientierung vgl. Mencken/ Bader/ Kim, 2009. Adamski, 2005, 15. Adamski, 2005, 23.

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Reiseromans, auf der anderen Seite das neomythische Element dieser Art von Ufologie betreffen und zum dritten Anknüpfungspunkte für präastronautische Ideen zu finden. Adamskis außerirdische Mitmenschen sowohl auf der Venus, als auch auf dem Mars und dem Saturn sind in hohem Maße geprägt durch die theoretische Neugier von Wissenschaftlern. Es gebe „Tempel() der Weisheit“1 auf diesem Planeten, wo die UFO-Wesen sich der Beobachtung anderer Welten widmeten und alle drei Monate würden viele dieser Außerirdischen große Erkundungsreisen in den Weltraum machen. Es ist erstaunlich, dass das Bild des Weltraums, das Adamski zeichnet und das von vielen Menschen ernstgenommen wird, keine Bezüge zu einem astronomischen Verständnis hat. „Jeder Planet bewegt sich mit einer Anzahl zugeordneter Planeten um eine Zentralsonne in vollkommenem Gleichmaß, wodurch eine Einheit oder ein System, wie er es nennt, gebildet wird. In jedem System sind, soweit sie auf unseren Reisen beobachten konnten, immer zwölf Planeten. Darüber hinaus kreisen zwölf solcher Systeme vereint um ein Zentralgestirn, unserer Sonne vergleichbar. Diese bilden zusammen eine ,Weltinsel‘, wie einige eurer Wissenschaftler das nennen. Wir haben Grund anzunehmen, daß zwölf solcher Weltinseln wieder eine unermeßliche Einheit bilden in des Vaters Haus mit den vielen Wohnungen ... und so weiter, ohne Ende. Auf unserem Planeten und auch auf anderen Planeten unseres Systems ist die Lebensform, die ihr ‚Mensch‘ nennt, gewachsen und ist geistig und sozial über verschiedene Entwicklungsstufen fortgeschritten bis zu einem Punkt, der für euch Erden-Menschen unfaßbar ist. Diese Entwicklung wurde nur möglich durch die Beachtung der Naturgesetze, wie Ihr sagt. In unseren Welten drücken wir das so aus: Dieses Wachsen ist geschehen durch Befolgen der Gesetze des ALLERHÖCHSTEN GEISTES, der Zeit und Raum regiert“2.

So erfährt der Leser von Adamski, dass der Mond eine atembare Atmosphäre besitze3. Als sie über den Mond geflogen seien, habe er Folgendes gesehen: „Ramu hatte recht; das sah ich ein, als eine ziemlich große Stadt auf dem Schirm vor uns erschien. Tatsächlich schienen wir über die Dächer fortzugleiten und ich konnte sehen, wie die Leute die sauberen, schmalen Straßen entlanggingen. Da war ein dichter bebauter Stadtteil, wohl das Geschäftsviertel; besonders viele Menschen sah ich dort allerdings nicht. Ich stellte fest, daß keinerlei Wagen auf den Straßen parkten, obwohl ich mehrere Fahrzeuge sah, die sich über (nicht auf) der Straße weiterbewegten, denn sie schienen keine Räder zu haben. In der Größe waren sie mit unseren Bussen vergleichbar, die sich genau wie bei uns in der Größe voneinander unterschieden“4.

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Adamski, 2005, 28. Adamski, 2005, 35. Vgl. Adamski, 2005, 66. Adamski, 2005, 97.

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Das Leben auf der Venus schildert Adamski so, dass man unwillkürlich an aktuelle Umfragen in den USA denkt, aus denen hervorgeht, dass ungefähr ein Fünftel der US-Amerikaner sich außerirdische Zivilisationen so vorstellen, wie das Leben in den USA. „Auf dem Lande seien Pferde und Kühe, beide etwas kleiner als die irdischen, aber ihnen sonst sehr ähnlich“1. Es gebe, so habe Adamski erfahren, seit unvordenklichen Zeiten Besucher von anderen Planeten auf unserer Erde. Früher sei es so gewesen, dass man diese Außerirdischen auf der Erde durch Geburt platziert habe. Nachdem Jesus gekreuzigt worden sei, „der auf eure Erde gesandt und eingekörpert wurde, um euch Menschen zu helfen“2, habe man auf dieses Verfahren verzichtet und die außerirdischen Boten wieder auf der Erde abgesetzt. Diese außerirdischen Kundschafter hätten dann die Erde erforscht und entsprechende Kunde auf ihre Heimatplaneten zurückgebracht. Im Hinblick auf die Menschheitsgeschichte scheut Adamski im Kontext seiner populär-theosophischen Prämissen nicht vor der großen Perspektive zurück. „Wir besitzen eine Geschichte der Erde, die achtundsiebzig Millionen Jahre zurückreicht. Ähnliche Geschichtswerke wurden auch von Menschen gemacht; jedoch gingen sie bei der von den Menschen selbst verursachten Vernichtung ihrer Zivilisationen verloren durch dieselben Zerstörungsmethoden, wie sie euch heute wieder bedrohen“3. Schon vor Adamski habe es Menschen gegeben, die durch die Außerirdischen zu interplanetarischen Reisen eingeladen worden seien. Nach ihrer Ankunft auf der Erde seien sie dann allerdings oft für verrückt erklärt worden. Dem apokalyptischen Szenario entspricht die Heilsbotschaft der Außerirdischen. Die Menschheit stehe vor dem Abgrund und vor einer erneuten Selbstzerstörung, weil sie ihrer „Wesenseinheit mit dem göttlichen Ursprung“4 verlustig gegangen seien. Zusätzlich zu diesem apokalyptischen Modell erscheint bei Adamski das für ufologische Glaubensrichtungen auch typische gnostische Verständnismuster einer Verstrickung von Lichtteilen in die Materie. Die Erdenmenschen seien „abgetrennte Wesenheiten“5 geworden. Sie seien sich dadurch selbst ausgeliefert und frönten nur noch ihren selbstsüchtigen Neigungen. „Trotz allem ist in diesen Neigungen die ursprüngliche Seele eingeschlossen, die sich danach sehnt, sich ihrem göttlichen Erbgut entsprechend zu entfalten“6. Dieser Entwicklung der Erdenmenschen entspricht bei Adamski, vom Anfang her gedacht, ein Sündenfall, der, gut gnostisch, mit Geschehnissen außerhalb der Erde zusammenhängt. Die ersten Menschen seien von anderen Planeten auf die

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Adamski, 2005, 101. Adamski, 2005, 43. Adamski, 2005, 43. Adamski, 2005, 48. Adamski, 2005, 48. Adamski, 2005, 48.

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Erde gekommen und hätten nach einigen Generationen festgestellt, dass sich die Lebensverhältnisse verschlechtert hätten. Sie seien dann weitergezogen, doch hätten sich einige dieser „ersten Erdbewohner“1 weiter auf der Erde aufhalten wollen, seien zivilisatorisch regrediert, wären zu Höhlenmenschen geworden und hätten eher dumpf vor sich hin gelebt. Dann habe es eine zweite Besiedlungsphase gegeben, die aber ausgelöst worden sei durch einen Plan, der auf einem „Treffen der Großen weisen Meister vieler Planeten“2 entworfen worden sei. Die Erde sei zum „Verbannungsort“ für die „Selbstsüchtigen“3 bestimmt worden, der dazu dienen sollte, als Umerziehungslager zu fungieren. Diese egoistischen und streitsüchtigen Menschen würden durch die harten Lebensbedingungen der Erde ein neues Gemeinschaftsgefühl entwickeln. Dies habe sich auch ergeben und sie seien deshalb die „wahren Stammväter eurer ursprünglichen ‚zwölf Stämme‘ auf der Erde“4 geworden. Die Bibel erinnere sie als die „‚gefallenen Engel‘“5. Dies seien die Hintergründe dafür, dass die Außerirdischen sich in der Folge um die Belange der Menschen auf der Erde als ihre „irrenden Brüder“6 kümmerten. Allerdings hätten sie nicht verhindern können, dass sich die Menschheit zyklisch selbst zerstört habe. Der unbewusste Evolutionsgott wird auch von Adamskis Außerirdischen verehrt. Gegenüber der personalen Metaphorik dominiert auch hier die Metaphorik des Vitalen. Die Außerirdischen glaubten daran, dass sich das „Göttliche Bewußtsein durch alle Formen ausdrückt, von den kleinsten bis zu den größten. Wir haben erkannt, daß nichts, keine einzige Form, bestehen kann, ohne daß Leben hindurch geht oder sie erhält. Und das Leben, das wir erkennen, ist die Göttliche Allerhöchste Intelligenz“7. Nachdem Adamski seine entsprechenden Erfahrungen auf der Raumreise gemacht habe, sei es dann ans Abschiednehmen gegangen. Bei diesem Abschied habe er auch folgenden Auftrag bekommen: „Und nun, mein Sohn, ist es Zeit für dich, zur Erde zurückzukehren. Was du gelernt hast, kann für die Menschen deines Planeten von großem Wert sein. Teile es ihnen mündlich und schriftlich mit. Fürchte dich nicht, daß du etwas von dem, was man dir gesagt hat, vergißt! Denn sobald du darüber sprichst oder schreiben wirst, wird dir mit dem ersten Gedanken ein fortlaufender Erinnerungsstrom zufließen“8. Der größte Triumph Adamskis in Folge dieser Erzählungen seines ‚Erlebnisses‘ besteht in einem Besuch bei der für ihre esoterischen Interessen bekannten nie-

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Adamski, 2005, 73. Adamski, 2005, 75. Adamski, 2005, 75. Adamski, 2005, 76. Adamski, 2005, 76. Adamski, 2005, 76. Adamski, 2005, 87. Adamski, 2005, 89, Übersetzung L.H.

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derländischen Königin Juliana (1909-2004), der 1959 zu irritierten und kritischen Kommentaren in der niederländischen Presse führt1. Plötzlich erscheinen – motiviert durch Adamskis Erfolg – auch viele ‚Erfahrungsberichte‘ anderer Kontaktler.

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Kontaktlerschwemme – einige Beispiele

Orfeo Mattthew Angelucci (eigentlich: Orville Angelucci, 1912-1993) ist einer von ihnen. Er schreibt mit The Secret of the Saucers (1955) ebenfalls seine entsprechenden ‚Erinnerungen‘ auf. Genau wie Adamski sich vor Keyhoe setzt, so platziert er sein erstes UFO-Erlebnis (1946) zeitlich vor dem Arnolds2. Richtig los geht es für Angelucci dann allerdings erst am 23. Mai 1952. Er habe eine Stimme gehört und unidentifizierte Flugobjekte gesehen. Dann sei er aufgefordert worden aus einem Kristallkelch zu trinken, der auf den Kotflügel seines Autos gestellt worden sei3. Danach hätten die discs4 einen dreidimensionalen Bildschirm gebildet, auf dem er zwei Außerirdische gesehen habe, einen Mann und eine Frau, die Angelucci vergleichbar mit Adamski als engelgleich charakterisiert. „Da war etwas eindrucksvoll adeliges um sie; ihre Augen waren größer und viel ausdrucksvoller und sie strahlten in einer Weise, die mich in Erstaunen versetzte. Noch mehr verwirrte mich der tief in mir sitzende, verstörende Gedanke, dass sie mir so seltsam vertraut waren“5. Endlich kommt es für Angelucci zu einer Art Berufungserlebnis. Man habe unter den Menschen drei Individuen ausgesucht, die sich von ihrem außerirdischen höheren Standpunkt her als die für eine Kontaktaufnahme geeignetsten bewiesen hätten6 und er gehöre dazu. Es kann bei einer solchen Geschichte nicht ausbleiben, dass es auch zu einem „trip in the flying saucer“7 kommt und zum Schluss der Geschichte auch noch die durch UFO-Deuteengel vermittelte, entsprechende Botschaft des Himmelsreisenden unter das lesende Publikum gebracht wird: „In der heutigen Zeit hat die Evolution der Erde sowohl im materiellen als auch spirituellen Bereich ihren kritischsten Punkt erreicht. Zeitlich gesprochen hat für unseren Planeten die Stunde geschlagen, wo der Einfluss von außerirdischen Wesenheiten und ihren materiellen Manifestationen in unserer Bewusstseinssphäre nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten erscheint. Sie kommen als Vorboten des Lichts um alles zu tun um die zerstörerische Welle aufzuhalten, die unsere Erde zu verschlingen droht und die

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Vgl. dazu Anonymus, in: Der Spiegel vom 27. Mai 1959, 55f. Vgl. Angelucci, 1955, ii, Übersetzung L.H. Vgl. Angelucci, 1955, 6f, Übersetzung L.H. Vgl. Angelucci, 1955, 7, Übersetzung L.H. Angelucci, 1955, 7, Übersetzung L.H. Vgl. Angelucci, 1955, 9, Übersetzung L.H. Angelucci, 1955, 37, Übersetzung L.H.

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einen neuen Fall in noch größere Dunkelheit und Gebundenheit an noch schwerere Fesseln der Materie herbeiführen würde“1. Der US-Amerikaner Daniel William Fry (1908-1992) beschreibt seine Reiseabenteuer in dem Buch The White Sands Incident (1955), das unter dem Titel UFO-Erlebnis von White Sands im Wiesbadener Ventla-Verlag des Ufologen Karl Ludwig Veit publiziert wird. Auch auf seiner apokalyptischen Himmelsreise erfährt er das im theosophischen Dunstkreis Markenübliche: „Vor einigen zehntausend Jahren lebten einige unserer Vorfahren auf eurem ‚Erde‘ genannten Planeten, auf dem es damals einen kleinen Kontinent in einem Ozean gab, den ihr jetzt den Pazifischen Ozean nennt. Einige eurer alten Legenden bezeichnen dieses untergegangene Land als den versunkenen Kontinent MU oder Lemuria. Auf diesem Kontinent hatten unsere Stammeltern ein großes Imperium und eine mächtige Wissenschaft entwickelt. Zur selben Zeit gab es eine andere, sich sehr schnell entwickelnde Rasse auf einem Kontinent in einem Meeresgebiet, das heute von euch als ‚Südatlantik‘ bezeichnet wird. In euren Legenden nennt man diesen Kontinent ‚Atlantis‘. Zwischen den beiden Kulturen herrschte wegen der wissenschaftlichen Fortschritte große Rivalität. Zuerst verlief alles friedlich, dann aber wurde diese Rivalität im Laufe der Zeit sehr erbittert, da jede Rasse vor der anderen mit ihren Erfolgen prunkte“2. Dann habe es einen Atomkrieg gegeben und die Menschheit sei in ihrer Entwicklung um Jahrtausende zurückgeworfen worden. Diese Gefahr blühe den Menschen heute wieder. Als Medizin verschreibt der außerirdische Besucher dann eine Förderung der Sozialwissenschaften, die sich mit den Menschen, und der Geisteswissenschaften, die sich mit Gott befassten. Allgemeiner Wohlstand sei auf der Erde möglich, wenn man die Kriegswirtschaft einstellen würde. Das gängige Muster einer apokalyptischen Himmelsreise also beschert Fry eine Raumreise und über die Informationen des außerirdischen Deuteengels den Blick auf einen vorangegangenen Sündenfall und die anstehenden Probleme der Endzeit in der er sich heute befinde. Der US-Amerikaner Buck Nelson (1895-1982)3 publiziert vermutlich 1956, spätestens 1957 im Privatdruck sein Buch My Trip to Mars. Am 30. Juli 1954 habe er zum ersten Mal UFOs gesehen4. Nelson erzählt, weniger versiert als andere Autoren, dass es zunächst (1954) zu eher unbestimmten Sichtungen und Geräuschen gekommen sei, ein Jahr später habe es erste Kontakte gegeben, er sei Männern und einem großen Hund begegnet. 1 2 3 4

Angelucci, 1955, 165, Übersetzung L.H. Fry, 1988, 58. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Buck_Nelson. Vgl. Nelson, o.J., aus: A Word about the Author. Der ganze Privatdruck enthält keine Seitenzahlen.

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Einer der Männer sei ein junger Kontaktler gewesen, der einige Zeit außerirdisch gewohnt habe. Buck Nelson nennt ihn interessanterweise Little Buck oder auch Bucky. Wichtiger ist für die Erzählung der außerirdische, zweihundert Jahre alte Mann namens Bob Solomon. Die Männer hätten das Haus von Nelson besichtigt und eine Reise angekündigt. Bevor er diese später habe antreten dürfen, sei er noch mit ethischen und religiösen Grundwahrheiten der Außerirdischen bekannt gemacht worden. Es seien The Twelfe Laws of God und die Golden Rule. Die außerirdische Weisheit beziehe sich auf eine Bible of twenty pages. Dann beginnt eine Reisetätigkeit, in deren Verlauf er auf dem Mond und der Venus spazieren geht und es kommt zu einem Essen auf der Venus bei der – ich verzichte um der Authentizität des Textes willen auf eine Übersetzung – „meat, milk, eggs, fish, many kinds of salad …“ gereicht werden. Außerirdische sind eben auch nur Menschen. Der übliche Hinweis auf Atlantis, die Godly nation und ihren Untergang in der Sintflut darf auch nicht fehlen. Ebenso merkt man, dass sich in der ufologischen Sprache gewisse Regelungen ergeben haben. Nelson lernt auch ein Mother Ship kennen. Bemerkenswert ist an diesem Buch die außerordentliche Schlichtheit der Vorstellungen, trotz der Nelson eine gewisse Bekanntheit und Glaubwürdigkeit nicht erspart blieb, die natürlich nicht der Adamskis entspricht. Letzten Endes erweist sich allerdings der UFO-Glaube, beziehungsweise die Ufologie als zu rückwärtsgewandt um breites Interesse über schnelle Schlagzeilen hinaus zu bewahren. Die UFOlogie bewegt sich heute in kleinen ‚elitären‘ Zirkeln von zum Teil hochspezialisierten Mitgliedern. Eine Auswirkung auf die breite Bevölkerung verliert sich schon bald nach dem Verebben der Kontaktlerberichte der fünfziger und Sechzigerjahre. Wenn ich davon rede, dass der UFO-Glaube rückwärtsgewandt orientiert ist, so liegt dies daran, dass die Seltenheit und Unwahrscheinlichkeit und natürlich auch die astronomische Unsinnigkeit (atembare Luft auf dem Mond und Kühe auf dem Mars etc.) nicht dazu motivieren kann, eigene Erlebnisse mit Ufos zu erhoffen. Schlagzeilen über UFO-Erscheinungen am Himmel werden zunehmend spielerisch gedeutet. Für die UFO-Gemeinden bleibt dann die Rückbesinnung auf das 19. Jahrhundert und die Wiederentdeckung spiritistischer Methoden. „Merkwürdig rasch … gingen die Berichte über direkte Zusammentreffen mit Raumfahrzeugen und ihrer Besatzung in unserem irdischen Bereich wieder zurück, um ‚Durchgaben‘ von Bewohnern höherer Welten Platz zu machen, die ganz im Stil des traditionellen Spiritismus mithilfe von Medien zu Stande kamen“1. Nur antworten nicht mehr die Toten. Das Jenseits verlagert sich in den Bereich anderer Planeten oder auch außerirdischer Raumschiffe, von denen aus sich die modernen Deuteengel melden.

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Quenzer, 1982, 152.

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Der Zeitgeist möchte aber selbst etwas mit dem trüben Drüben bewerkstelligen und sich aus eigener Erfahrung heraus ein Urteil bilden, um die in der Moderne – wirklich oder scheinbar – zerbrochenen Orientierungsmaßstäbe klassischer abendländischer Bildung und Religion zu kompensieren. Auch die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne können effektiver angegangen werden. Passend dazu wird es üblich, auch als Laie weltweit zu Forschen. Als die Gemeinschaft der Präastronautik-Gläubigen sich noch als Ancient Astronaut Society bezeichnete, gehörte zu ihrer Identität der demokratische Aufruf Come Search with Us! – es ist vielsprechender, auf der Erde nach Spuren außerirdischer Besucher zu suchen als in den Himmel zu starren und an auf dem Mars lebende Kühe und atembare Mondluft zu glauben. Aus diesem Grund mangelnden Zuspruchs in der breiten Öffentlichkeit wird im Folgenden der UFO-Glaube nicht weiter auf dieser Ebene verfolgt, sondern nur noch die teilweise extrem zerstörerische Seite des Neomythischen anhand des Gruppensuizids der UFO-Sekte Heavens Gate dargestellt. Dies ist notwendig, weil nicht nur für die ariosophische Vorgeschichte des Nationalsozialismus, sondern auch für die heutigen Versuchungen eines technizistischen Glaubens, den wir später anhand der Präastronautik als heutiges wichtiges Grundmuster einer politisch bedenklichen Geistesströmung kennen lernen werden, gilt: „Wer Blödsinn sät, wird Wahnsinn ernten“1. Einen solchen Wahnsinn finden wir bei Heavens Gate.

V. Ein tödlicher UFO-Neomythos: Heavens Gate 1.

Die Gruppe, ihr Gründer Marshall Herff Applewhite und ihr Ende

Dieses Kapitel über die „ziemlich geniale und fantasiereiche Mischung aus traditioneller christlicher Theologie mit Ideen des Raumfahrtzeitalters aus Star Wars und Star Trek“2 bei Heaven‘s Gate knüpft auch an das im zweiten Band ausführlich behandelte Thema an, dass Sciencefiction-Romane beziehungsweise entsprechende Filme eine derart inspirierende Wirkung haben können, dass sie zu realen neomythischen Kultstiftungen wie etwa der Church of All Worlds, der LovecraftKulte, dem Jungdeutschen Orden und in gewisser Weise auch der Church of Scientology führen. Heaven‘s Gate3 ist eine Gruppe von UFO-Gläubigen, die ihre Inspiration aus einem gnostisch interpretierten, apokalyptischen Christentum und Ideen aus UFOund Sciencefiction-Vorstellungen zieht. 1 2 3

Schmidt, 1997, 187. Urban, 2011, 119, Übersetzung L.H. Vgl. Chryssides, 2011; Applewhite, 2011; Balch/ Taylor, 2011; Muesse, 2011; Goerman, 2011; Davis; 2011; Urban, 2011; Cowan, 2011; Zeller, 2011; Dawson/ Hennebry, 2003;

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Einundzwanzig Frauen und achtzehn Männer begehen auf ihrem Glaubenshintergrund in drei Gruppen an drei aufeinanderfolgenden Tagen zwischen dem 23. und dem 25.3.1997 Suizid. Aus der Perspektive der Gruppe kann man allerdings nicht von einem Suizid sprechen, sondern von einem lebenswichtigen Körperwechsel. Die meisten der Verstorbenen sind in den Vierzigern, die anderen zwischen zwanzig und zweiundsiebzig. Die Suizidgruppe ist in schwarze Hosen und schwarze Hemden gekleidet, mit einem dunklen Tuch zugedeckt und trägt Nike-Turnschuhe. Die Firma Nike bietet pietätvollerweise (21.3.2013) einen Turnschuh mit dem Namen Nike Dunk High Pemium SB Un-Heaven‘s Gate an1.

Auf der linken Schulter der Hemden befinden sich Aufnäher mit der Aufschrift Heaven‘s Gate Away Team. In der Nähe der Toten gibt es eine kleine Übernachtungstasche mit Kleidern, Collegeblock und Lippenbalsam. Jeder hat eine FünfDollar-Note und Vierteldollarstücke in der vorderen Hosentasche bei sich2. Fünfzig Mitglieder von Heaven‘s Gate haben sich im Hinblick auf ihre Reise zum Himmelslevel ausreichend abgesichert3. Für tausend Dollar versichert die Londoner Versicherung Goodfellow Rebecca Ingrams Pearson Insurance die Himmelsreisenden gegen mögliche Überraschungen. Falls sie wider Erwarten in die Lage geraten sollten, durch außerirdische Missetäter vergewaltigt, geschwängert oder getötet zu werden, so erhalten sie eine Million Dollar. Bei dieser Versicherung kann man sich übrigens auch im Hinblick auf eine ungewollte jungfräuliche Empfängnis oder eine Transformation in einen Werwolf oder Vampir versichern.

Heaven‘s Gate ist das Geschöpf von Marshall Herff Applewhite (1931-1997) und Bonnie „Ti“ Lu Trusdale Nettles (1927-1985).

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Conway/ Bromley, 2010 und Wessinger, 2000. Vgl. weiter dazu die sektenkritische Dokumentation in http://www.religioustolerance.org/dc_highe.htm. Die Homepage von Heaven‘s Gate, von der aus man zu den von mir verwendeten Primärtexten gelangt ist http://www.heavensgatetoo.com/. Sie ist nach dem Gruppensuizid allerdings nicht mehr am ursprünglichen Orte. Das FBI hat diese Homepage aufgelöst. Im Netz hat es allerdings vorher eine Sicherung der Dateien gegeben. Eine Mitgliederliste findet sich unter der Net-Adresse http://www.washingtonpost.com/wp-stv/digest/daily/march/28/cult/id.htm und eine Dokumentation von Mitglieder-Profilen der Associated Press vom 31.3.1997 ist unter http://www.washingtonpost.com/wp-srv/national/longterm/cult/profile.htm greifbar. Die Texte dieses Abschnittes habe ich, wenn nötig, übersetzt. Neuerdings (12.3.2013) finden sich diese Originalquellen zu Heaven‘s Gate in: http://www.heavensgate.com/. Vgl. http://www.nikekickswin.com/nike-dunk-high-pemium-sb-unheavens-gate-p-5645.htm. Vgl. Wessinger, 2000, 231. Vgl. dazu Urban, 2011, 118.

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Applewhite1 ist der Sohn eines presbyterianischen Geistlichen aus Texas. Er beginnt nach einem kurzen theologischen Zwischenspiel mit einem Masterstudium im Bereich der Musik an der UNIVERSITY OF COLORADO, lehrt später nach seinem Masterabschluss in den sechziger Jahren Musik an der UNIVERSITY OF ALABAMA und ab den späten sechziger Jahren an der katholischen UNIVERSITY OF ST. THOMAS (Houston). Er ist zwar verheiratet, hat aber neben seiner Ehe auch noch einige geheime homosexuelle Affären. Aus diesem Grund – wegen einer Affäre mit einem Studenten – verliert er 1970 seine Stelle als Institutsdirektor (chairman) eines neu gegründeten musikwissenschaftlichen Instituts an der St. Thomas-Universität. Nettles arbeitet vor ihrem Zusammentreffen mit Applewhite als Psychiatriepflegerin und als Astrologin2. Sie ist Baptistin, Mutter von vier Kindern und von 1966-1973 Mitglied der Houston Lodge of the Theosophical Society, ihre Ehe zerbricht, nachdem sie Applewhite kennenlernt3. Nettles und Applewhite geben sich pseudonyme Paarnamen wie etwa Guinea und Pig, Bo und Peep und zum Schluss die himmlischen Namen Ti und Do4. Heaven‘s Gate sind schon andere religiöse Experimente von Applewhite und Nettles vorangegangen. Die erste Gruppe, die in der Wüste von Colorado vergeblich auf UFOs wartet, entsteht 1975 und nennt sich Human Individual Metamorphosis (HIM). Nachdem Bonnie Nettles 1985 an Krebs stirbt, gründet Applewhite 1993 eine neue Gruppe mit dem Namen Total Overcomers Anonymous (TOA). In einer Anzeige in der Zeitschrift USA TODAY findet sich der Hinweis, dass die jetzige irdische Zivilisation demnächst recycelt werde. Mit der in Heaven‘s Gate umbenannten Gruppe von Anhängern, die nicht recycelt werden wollen, zieht er umher und siedelt sich endlich im Nobelvorort Rancho Santa Fé bei San Diego in Kalifornien an. Applewhite schreibt in seiner Erklärung ‘88 Update – The UFO Two and their Crew – interessanterweise ohne genaue Datumsangabe, obwohl es sich doch um ein einschneidendes Erlebnis handeln müsste –, dass sich in den „frühen Neunzehnhundertsiebzigern zwei Mitglieder des ‚Königreiches des Himmels‘ (oder wie es andere nennen würden: zwei Aliens aus dem Weltraum) in zwei unvorbereiteten Menschen in Houston inkarnierten (incarnated)“5. Es habe dann einige Zeit gedauert, bis sich die beiden – Nettles und Applewhite – gefunden hätten und darüber hinaus sich an diesen neuen Zustand hätten gewöhnen können. Der neue Zustand sei der Next Level6, der dadurch gekennzeichnet

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Vgl. Davis, 2011, 81; Zeller, 2011, 157f und Urban, 2011, 114f. Vgl. Davis, 2011, 81. Vgl. dazu Zeller, 2011, 157 und Chryssides, 2011, 185. Vgl. Chryssides, 2011, 1. Vgl. Applewhite, 2011, 17, Übersetzung im Folgenden L.H. Vgl. Applewhite, 2011, 17.

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sei, dass man wisse, dass das Königreich des Himmels ein physical evolutionary level sei1. Dabei sei es wichtig zu beachten, dass diese neue evolutionäre Stufe nicht aus der Perspektive Darwins betrachtet werden dürfe. Man könne diese Stufe nur erreichen, wenn man von einem Member of the Heavenly Kingdom2 geholfen bekomme. Schon Jesus habe gewusst, dass derjenige, der einen boarding pass haben wolle3, alles hinter sich lassen müsse. Applewhite grenzt sich deutlich von allen New Age-Glaubensrichtungen ab. Eines der Gesichter des Antichristen sei heute das New Age ‚Ye are Gods‘ concept4. Die als UFOs bezeichneten sogenannten Fliegenden Untertassen seien in Wahrheit „Transportmittel und Laboratorien des Königreiches des Himmels“5. An dieser Stelle führt Applewhite für sich und die verstorbene Nettles – gleichsam als ‚apostolische Legitimation‘ – wieder den Terminus The two (oder auch the Two Witnesses) ein, um dann als eine der zusammenfassenden Wahrheiten seines Standpunktes darauf hinzuweisen, dass die Besatzungen dieser Raumschiffe „Gehilfen bei ‚Gottes Erschaffung‘ der Erde und Gehilfen im Hinblick auf Abraham, die Israeliten, Jesus und aller biblischen Berichte über die Beziehung des Menschen zu Gott“6 waren. Applewhite bezeichnet sie auch als Gardeners7. Gott ist für Applewhite nicht der in jüdischer und griechischer Tradition verstandene abgründige, alles umfassende, ganz Andere, sondern hat einen eher überschaubaren hierarchischen Rang, wenn er ihn als Old Member bezeichnet, wobei er davon ausgeht, dass es auch noch weitere Older Members gebe8 und dass ein solcher Status nicht abgehoben von entsprechenden Aufstiegswünschen sei. Unter ihrem Lehrer, dem Member Applewhite, leben die Mitglieder in einer klosterähnlichen Vereinigung und nennen sich selbst Mönche und Nonnen. Die meisten Mitglieder haben die Kontakte zu ihren Familien und zu den Nachbarn abgebrochen. Viele sind beruflich erfolgreich, bevor sie in diese Gruppe eintreten. Einige verlassen – gemäß den Grundprinzipien dieser Gruppe – ihre Kinder, bevor sie sich Heaven‘s Gate anschließen. Sie kleiden sich in Unisex-Kleidung, um herauszustellen, dass sie sich mit den als geschlechtslos verstandenen Himmelswesen, die sie (wieder) werden wollen jetzt schon identifizieren. Um ihre Geschlechtslosigkeit zu betonen, lassen sich sechs der männlichen Kultmitglieder –

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Vgl. Applewhite, 2011, 18. Vgl. Applewhite, 2011, 18. Vgl. Applewhite, 2011, 18. Vgl. Applewhite, 2011, 18. Applewhite, 2011, 19. Applewhite, 2011, 19. Vgl. Applewhite, 2011, 19. Vgl. Applewhite, 2011, 18f.

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Applewhite eingeschlossen – kastrieren. Ihren Unterhalt bestreitet die Gruppe durch die Erstellung von Internet-Pages unter dem Firmennamen Higher Source1. Zum Programm der Abtötung aller Bindungen an den irdischen Level gehören2 der Verzicht auf Zeitungen und Fernsehen, auf Kontakte mit älteren und alten Freunden, keine Anhalter mitzunehmen, keine Drogen zu konsumieren, den eigenen Namen zu ändern, den Bart zu scheren, vertraute Kleidung und Schmuck abzulegen und keinen Sex zu haben. Es gibt Schweigeperioden um drei Uhr morgens, die Zeit, in der sich die Außerirdischen in ihren ships gewöhnlich der Erde nähern würden. Es sei deshalb die Zeit, in der das notwendige tuning in mit außerirdischen Kontaktpersonen am besten möglich sei. Kontakte erkenne man daran, dass es einem kalt den Rücken herunter laufe, dass man Ohrensausen und ganz allgemein das Gefühl einer energetischen Aufladung habe. Laxe oder unzuverlässige Mitglieder werden in ein Umerziehungslager in Phoenix (Arizona) geschickt. Selbstverantwortlichkeit gehöre dem irdischen Level an und passe nicht zu dem erstrebten Level Above Human. „Nur Luciferians“, so verkündet Applewhite, „können den christlichen Glauben haben, dass Jesus sich aussprach für familiäre Werte, bessere Menschen zu werden, professionelle religiöse Institutionen zu gründen. ... ‚Luci‘ (Luzifer, L.H.) sagte, ‚Sei eine verantwortungsbewusste Person. Klammere dich an deine Karriere. Klammere dich an deine fleischlichen Familienmitglieder. Klammere dich an all die Verantwortungen, die du haben sollst“3. Und an anderer Stelle weist er darauf hin, dass es auf dem irdischen Level gleichgültig sei, wie man sich benehme. „Es gibt keine Moral, die besser ist als eine andere“4. Während einer im November 1976 vorgetragenen Belehrung präsentiert Applewhite eine Art Checkliste zum Thema Gehorsam, die folgendermaßen beginnt: „Kannst Du Instruktionen befolgen ohne deine eigene Interpretation hinzuzufügen? Kannst du Instruktionen so weitergeben wie du sie erhältst oder verheddern sie sich in deinem Computer (Gehirn, L.H.)?“5. Getreu dem von Applewhite in Anspruch genommenen jesuanischen Maßstab, dass Nachfolge impliziere, alles verlassen zu müssen, reisen die Anhänger von Heaven‘s Gate in kleinen families durch das Land und leben unter einfachsten Bedingungen6.

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Das schön gestaltete Logo dieser Firma findet sich im Internet unter http://home.pi.net/~html und der aufschlussreiche Source Code ist unter http://wired.com/news/topframe/2845.html einzusehen. Vgl. Davis, 2011, 86f. Applewhite zit. nach Davis, 2011, 88, Übersetzung L.H. Davis, 2011, 89, Übersetzung L.H. Davis, 2011, 94, Übersetzung L.H. Vgl. Balch/ Taylor, 2011, 37.

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Für Applewhite ist dieses Leben die Voraussetzung für die Human Individual Metamorphosis, die durch eine „chemische und biologische Veränderung“1 die Anhänger neu erschaffen und mit unzerstörbaren Körpern versehen würde. Diese asketische Lebensweise führt auch zu Rebellionen unter den Anhängern und der kurzzeitigen Gründung einer alternativ sich organisierenden, eher libertinären Gruppe, die sich wieder Human Individual Metamorphosis nennt2.

Applewhite dürfte durch diese Gruppe auch seine Homosexualität zu bewältigen versucht haben3. Er hat sich wohl über zwei Jahrzehnte lang Therapien unterzogen um seine Homosexualität in heterosexuelle Neigungen umzuwandeln. Von daher kann die Applewhitesche Entwicklung des Neomythos einer himmlischen, zölibatären Welt auch in dieser Hinsicht gedeutet werden. Innerhalb von sieben Monaten gelingt es Applewhite, in einer ersten Phase4 der Entwicklung der Gruppe, bis zum Frühling 1975 ungefähr einhundertfünfzig, nie mehr als höchstens zweihundert Anhänger um sich zu scharen. Er annonciert in Zeitschriften wie ROLLING STONE und USA TODAY und präsentiert dort das Angebot einer „letzten Chance um über das Menschliche hinaus zu wachsen“5 Bemerkenswert6 ist nicht nur die kurze Zeit der Missionierung, sondern dass dies im Hinblick auf die Mehrzahl der Anhänger durch nur vier Zusammenkünfte in Kalifornien, Oregon und Colorado gelingt. Dauerhaft bleiben ungefähr fünfunddreißig Anhänger bei der Gruppe. Dabei erhalten die Aspiranten eine Woche Bedenkzeit und entscheiden sich im Durchschnitt nach einem ungefähr sechsstündigen direkten Kontakt mit The Two. Eine beträchtliche Minderheit der Mitglieder hat ein College besucht. Die Organisation der Gruppe basiert auf der charismatischen Bedeutung von The Two. Die Anhänger werden in der zweiten Phase in ungefähr vierzehn families aufgeteilt, der zwei Sprecher – analog zu Ti und Do – vorstehen. Die Mitglieder leben zusammen, haben aber keine sexuellen Kontakte, da diese mit dem unteren, irdischen Level in Verbindung gebracht werden. Die families reisen missionierend durch das Land, haben aber keine nennenswerten Erfolge. Diese zweite Phase soll der Abtötung des irdischen Levelbewusstseins dienen7. Bei etlichen Mitgliedern erlischt auf Grund des nur lockeren Zusammenhalts in dieser Phase das Interesse an Heaven‘s Gate8. Die einzelnen Mitglieder werden in 1 2 3

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Balch/ Taylor, 2011, 37, Übersetzung L.H. Vgl. Davis, 2011, 82f. Zur Vermutung abgespaltener Homosexualität bei Applewhite im Hinblick auf seine Kastration vgl. Muesse, 2011, 54. Das Phasenmodell stammt von Goerman, 2011, 61f unter Rückgriff auf ältere Literatur. Zit. nach Urban, 2011, 116, Übersetzung L.H. Vgl. dazu Balch/ Taylor, 2011, 37f. Vgl. Muesse, 2011, 61. Vgl. Balch/ Taylor, 2011, 40.

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der für die Heaven‘s Gate-Sprache typischen informationstechnologischen Metaphorik aufgefordert, durch ein tuning in psychospirituellen Kontakt zu einem Mitglied des Königreiches des Himmels aufzunehmen und dafür alle an die Erde bindenden Tätigkeiten möglichst aufzugeben. Auf diese Weise gelingt es natürlich auch, zwischenmenschliche Kontakte außerhalb von Heaven‘s Gate erfolgreich zu unterbinden1. Die dritte Phase wird als die Classroom phase2 bezeichnet. Ungefähr hundert Gruppenmitglieder versammeln sich wieder, um dem Heaven‘s Gate-Projekt neuen Aufwind zu geben. Häuser werden angemietet, Öffentlichkeitsarbeit über Videos, Versammlungen, Zeitungen und das Internet3 betrieben4. Die große Wende bringt dann die unerwartete Entdeckung und spätere Ankunft des Kometen Hale-Bopp. „Der Komet Hale-Bopp (C/1995 O1) wurde am 23. Juli 1995 unabhängig voneinander durch Alan Hale in New Mexico und Thomas Bopp in Arizona entdeckt ... Man vermutete früh, dass er in der Nähe der Sonne sehr hell werden würde. Die Vorhersage bestätigte sich, als er sein Perihel am 1. April 1997 durchlief. Hale-Bopp wurde daher auch als Der Große Komet von 1997 bezeichnet. Er war wahrscheinlich der am meisten beobachtete Komet des 20. Jahrhunderts und einer der hellsten für mehrere Jahrzehnte. Der Komet konnte über einen Zeitraum von 18 Monaten freiäugig gesehen werden – doppelt so lange wie der bisherige Rekordhalter, der große Komet von 1811. Der Durchgang von Hale-Bopp war – wie bei vielen Kometen zuvor – Anlass für Panik in verschiedenen religiösen Strömungen“5.

Sein Eindruck ist so gewaltig, dass er zum Karios und zur Initialzündung für den kollektiven Suizid wird.

2.

Eine ufognostische Botschaft der Gruppe

Um die Heilslehre der Gruppe6 einzuordnen, muss man sich kurz das in den ersten beiden Bänden schon öfter angesprochene Grundmuster gnostischen Denkens vor Augen führen. Der Gnostiker sieht sich in einer Welt, die in sich zusammengekrümmt an sich selbst leidet und die dunklen dämonischen Mächten ausgeliefert ist. In ihm selbst

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Vgl. Balch/ Taylor, 2011, 40. Vgl. Goerman, 2011, 61. Vgl. Dawson/ Henneby, 2011, bes. 271-279 zur Präsenz im Internet. Vgl. Goerman, 2011, 62. http://de.wikipedia.org/wiki/Hale-Bopp. Ich zitiere die von der Homepage http://www.heavensgatetoo.com/ ausgehenden Dateien im Folgenden ohne diesen langen Vorspann, etwa als „/vg092996.htm“ etc. Vgl. zu einer kurzen Zusammenfassung des Glaubenssystems von Heaven‘s Gate, Goerman, 2011, 60f. Die Übersetzungen von dort L.H. Alle Hervorhebungen im Folgenden im Original.

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gibt es ein zunächst ganz unthematisches Sehnen heil zu werden. Diese meist unthematische Sehnsucht über sich hinaus zu gehen wird in der Gnosis als Präsenz des ganz fernen transzendenten Gottes in der Form eines göttlichen Funkens gedeutet. Weiter gehört zum gnostischen Denken ein Dualismus, der die diesseitige dunkle Welt und die jenseitige Welt des Lichtgottes streng unterscheidet. Mittlerfiguren werden in diese dunkle Welt gesandt, um den gnostisch gläubigen Menschen das Wissen zu bringen, dass sie dieser Welt entkommen können. Dieses Entkommen ist keine Transformation dieser Welt im Sinne einer neuen Schöpfung, sondern ein radikales, alles diesseitig Nichtige hinter sich lassende Entwerden. Wir werden sehen, dass Heaven‘s Gate dieses Grundmuster aufnimmt, aber in einer typisch neomythischen Variante auf dem abgründigen, obersten Gott letzten Endes verzichten kann, auch wenn er als – eines unter anderen – Older Members noch ,dabei sein darf‘. Der Tod kann auf dem Hintergrund dieser Mentalität nur als Befreiung aus quälender Gefangenschaft interpretiert und – wie im Falle der Anhänger von Heaven‘s Gate – willkürlich herbeigeführt werden. „Der Planet ist gerade dabei erneuert zu werden – Deine einzige Chance zu überleben – Verlasse ihn mit uns!“1. In der ins Deutsche übersetzten überarbeiteten Niederschrift des Textes einer Videokassette vom 5. Oktober 1996 erläutert Applewhite seine Gründe für den Massensuizid. Er sei ein extraterrestrisches Wesen namens DO und bereite einige Jünger darauf vor, eine höhere Evolutionsstufe zu betreten. Diese Evolutionsstufe habe den Namen Reich Gottes bzw. Himmelreich (Kingdom of Heaven). Dieser Aufstieg sei überlebensnotwendig, da der Planet Erde erneuert werde. Wenn er sage, dass der Planet gerade erneuert werde, so dürfe man dies nicht mit einer apokalyptischen Angstmacherei verwechseln. Die Erde gehe nicht unter. „Du weißt, intelligente, menschliche Wesen sollten erkennen, dass alle Dinge ihren Zyklus besitzen. Sie haben ihre Jahreszeiten. Sie haben ihren Anfang, sie haben ihr Ende. Wir sagen nicht, daß der Planet Erde zu Ende geht. Wir sagen, dass der Planet Erde gerade dabei ist aufpoliert oder umgegraben zu werden, um eine andere Möglichkeit zu haben, um als ein Garten für eine zukünftige, menschliche Zivilisation zu dienen“2. Die Menschheit werde durch diese Erneuerung auf ein höheres Niveau gehoben. Um nun eine Legitimation für seine Gedankengänge zu geben, weist sich Applewhite als Gesandter des Vaters im Himmelreich aus. Sein Vater habe ihn „lange bevor diese Zivilisation begann“ auf der höheren Evolutionsstufe, der des „Himmelreiches… geboren“3.

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/vg100596.htm. /vg100596.htm. /vg100596.htm.

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Um dieses gnostische Selbstverständnis in seiner spezifisch modernen bzw. neomythischen Gestalt zu verstehen, muss man sich die metaphysischen Grundlagen von Heaven‘s Gate vor Augen führen. Das Heaven‘s Gate, von dem Applewhite spricht, ist durch fünf wesentliche Gesichtspunkte charakterisiert. Gemeingnostisch sind die ersten beiden Gesichtspunkte: 1. Es gebe nur ein einziges Himmelreich, eine einzige Existenzstufe oberhalb des Menschenreiches. 2. Diese Welt habe das Menschenreich geschaffen. Und es gebe keine andere Schöpfungsinstanz. Und nun beginnt die spezifische Ausgestaltung des Modells: 3. Das Himmelreich sei physikalisch real. 4. Einiges im Menschenreich könne sich in einem Evolutionsprozess weiterentwickeln. Auf diese Weise könnten sich einige Menschen aus dem Menschenreich in das Himmelreich erheben, wenn sie ihren „Kleideranzug (= phys. Körper)“ ablegten. Das Himmelreich sei somit eine Art „Evolutionsstufe oberhalb der Menschen“. 5. „Dieselbe Evolutionsstufe, die das Menschenreich geschaffen hat, muß sich physikalisch in diese Welt inkarnieren um ihnen (den fähigen Geschöpfen dieser Welt) Leben anzubieten – ihnen Informationen anzubieten – während sie sich in einem menschlichen Körper befinden“. Auf diese Weise kombinieren sich im Kontext der vierten und fünften Bestimmung die Voraussetzung einer ratio seminalis, durch die sich die Menschen durch einen Schöpfungsplan zum Himmelreich hingezogen fühlen mit dem Programm einer durch Autorität vermittelten Heilsinformation. „Nun, der einzige Zeitpunkt an dem wir die Möglichkeit haben das Menschenreich zu verlassen und in die Evolutionsstufe oberhalb der Menschen zu gehen, ist wenn ein Mitglied des Himmelreiches, in menschlicher Gestalt, dir sagt: ‚Ich werde dir etwas über ein Königreich jenseits von hier erzählen und wenn du dorthin gehen möchtest, so solltest du mir folgen, weil ich derjenige bin, der im Moment den Schlüssel dazu hat‘“. Applewhite greift – um seinen eigenen Heilbringerstatus zu erläutern – auf die Christologie zurück. Er bedient sich dabei unbeabsichtigt der – schon oben erwähnten – patristischen Logos-Sarx-Christologie. Jesus Christus ist faktisch kein ‚wahrer‘ Mensch, sondern nur menschenartig. Diese patristische Denkfigur greift Applewhite unthematisch auf und gibt ihr eine gnostische Pointe. Er könne sich als Extraterrestrier, der auf einer höheren Evolutionsstufe stehe, nicht mit den Menschen ‚gemein‘ machen. Das Menschliche sei gerade abzustreifen, um evolutiv aufzusteigen. Die kosmische Ausweitung seines Verständnisses von Evolution zeigt sich bei ihm im Bilde eines himmlischen Lebens, das das Stadium des menschlichen und geschlechtlichen Säugetieres hinter sich gelassen hat. „Ihr könnt euch nicht an ei-

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nem Säugetier anklammern und mit anderen Säugetieren verbunden sein und erwarten in diejenige Existenzstufe des Lebens, das jenseits der der Säugetiere ist, einzugehen“. Der Name ‚Jesus‘ sei entsprechend nur der Name für den Körper in den er, Applewhite, als dieser kosmische „Verstand/Geist“1 vor zweitausend Jahren geschlüpft sei, um die Menschen auf die bevorstehende Umwälzung vorzubereiten. Applewhite sei der wiedergekommene Sohn des Vaters, der sich in einen Körper begeben habe. Lewis2 macht in diesem Zusammenhang auf Blavatskys Position aufmerksam. Nach Blavatsky gibt es die Menschen und andere endliche vernünftige Wesen beschützende Mächte, die den gesamtkosmischen Prozess mittrügen, die Dhyan-Kohans oder auch Elohim, die ihre Bodhisatvas sendeten. Neu aufbereitet und breit in der New Age-Szene gestreut wird zur Zeit der Konzeption der Heaven‘s Gate-Lehre dieses Konzept wieder durch Ruth Shick Montgomery (1912-2001), us-amerikanische Publizistin, Medium und Wegbereiterin der Reinkarnationstherapie. Montgomery erzählt in Büchern wie Strangers Among Us. Enlightened Beings from a World to Come (1979) und Threshold to Tomorrow (1983) über die Walk-ins höherer Wesen (etwa Moses, Jesus, Muhammed, Columbus, Abraham Lincoln uvm.) auf unserer Erde: „Es gibt Walk-ins auf diesem Planeten. Zehntausende von ihnen. Erleuchtete Wesen, die sich, nachdem sie erfolgreich viele Inkarnationen hinter sich gebracht haben, des Lebenssinns bewusst geworden sind“3 und daraufhin zu humanitären Missionen auf unserem Planeten unterwegs seien.

Auch der Vater habe sich in diese irdischen Prozesse direkt eingemischt und habe die weibliche Gestalt TI bzw. den Körper von Bonnie Lu Trusdale Nettles angenommen. Beide zusammen hätten dann seinen Jüngern – die vor zweitausend Jahren schon einmal einen Körper (als Jünger Jesu) gehabt hätten – geholfen, einen Körper einzunehmen. Auf diese Weise könnten die einstigen menschlichen Jünger jetzt die neue Evolutionsstufe gemeinsam mit dem Sohne betreten. Gegenüber der ‚klassischen‘ gnostischen Haltung ist diesem Neomythos eigentümlich, dass der Vater sich selbst in menschlicher Erscheinungsform in diese Welt einmischt, weil sich im Gegensatz zu der vorangegangen Situation vor zweitausend Jahren die Lage zugespitzt habe. Die Umwälzung der irdischen Verhältnisse stehe unmittelbar bevor. Prinzipiell kann nach Applewhite der Mensch bzw. in diesem Falle besser eine Gestalt ‚endlicher Vernunft‘ seine Endlichkeit mit abstreifen und sogar die Rolle des kosmischen Vaters übernehmen. In diesem Zusammenhang kann man die ‚physikalische Trinität‘ des Himmelreiches näher erläutern4. Für Applewhite wird die trinitarische Bewegung zum 1 2 3 4

/vg100596.htm. Vgl. Lewis, 2003,115. Lewis, 2003, 115. Übersetzung L.H. Vgl. dazu etwa die Dateien /book/422.htm und /book/428.htm.

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Grundmuster der Relationen zwischen den beiden physikalisch real existenten Reichen. Es gibt (im Plural!) Väter1, die als erfahrene Mitglieder des Himmelreiches schon lange aktiv sind. Als eine Art Personifikation dieser physikalischen Größen Väter taucht bei Applewhite auch das Symbol einer Art ‚Über-Vaters‘ auf. Applewhite redet hier etwa von – immer physikalisch existenten – Größen. Er bezeichnet diese Gesamtheit der Mächte des Himmelreiches als den Top Man, als Chief of Chiefs und als the God of Gods. „There‘s only one Creator and that‘s our Father’s Kingdom. And He teaches Creation. He made souls“2. Es gibt in dieser Applewhiteschen Trinität zweitens weniger lang beteiligte Söhne (auch im Plural!). Ein Sohn sei einem kürzer im Himmelreich weilenden Mitglied gegenüber ein Vater. Ein Vater werde gegenüber einem älteren Mitglied zum Sohn. Der Holy Ghost ist in dieser Sicht als dritte Größe keine eigenständige Person, sondern Maßstab für die zureichende Quantität (mindestens mehr als 50% der Soul müsse durch den Mind des Himmelreiches erfüllt sein) akzeptierten Himmelreichs-Wissen in den Vätern und den Söhnen. Die Menschen des Menschenreiches hätten keinen Holy Ghost. Es gebe, so Applewhite, nur drei Arten Menschen, die den Recycling-Prozess3 überleben würden. Zunächst seien es diejenigen, die „ihre Menschlichkeit in einem genügend großen Maße überwunden“4 hätten. Bei diesen der Menschen-Welt entsagenden Menschen handelt es sich um die den Suizid vollziehenden Anhänger von Applewhite. Wenn dieses Aussteigen aus den Menschenkörpern geschehen sei, passten sie zu einem „physikalischen Körper aus dem Himmelreich“5. Dieser neue Körper sei allerdings gleichsam ‚feinstofflicher‘. Es gebe im Himmelreich keine Fortpflanzung und keine Polarität der Geschlechter. Zwar sei der menschliche Körper, so Applewhite, nach dem Ebenbilde der Himmlischen oder – wie es in der Heaven‘s Gate-Sprache heißt – nach dem „selben Grunddesign“6 hergestellt. Aber er besitze in höherem Maße tierische Züge. Die Körper der Außerirdischen oder auch Engel hätten weder Haare noch Zähne. Die Engel im Applewhiteschen Himmelreich sehen so aus, wie man sich auch in Sciencefiction-Filmen Außerirdische vorstellt. Sie haben zwei Augen, die Überbleibsel einer Nase und Reste von Ohren, deren Funktionen durch telepathische Kräfte ersetzt werden. 1

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Manchmal taucht auch noch ein Grandfather (etwa /vg100596.htm) auf, der aber auch eine Art elder statesmen des Himmelreiches ist und deshalb wie alles bei Applewhite innerhalb des Rahmens physikalischer Prämissen existiert. /book/410.htm. Vgl. /vg100596.htm. Vgl. /vg100596.htm. Vgl. /vg100596.htm. Vgl. /vg100596.htm.

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„Eine Reihe der Vorstellungen der Gruppe kommen wohl direkt aus dem Bereich von Science-Fiction-Quellen wie etwa dem Film Unheimliche Begegnung der Dritten Art. In diesem Film wird einer Gruppe von Menschen, als Resultat einer UFO-Begegnung, die Idee, zum Devil‘s Tower in Wyoming zu gehen ‚implanted‘“1. Ebenso ist die Unisex präsentierende Erscheinungsweise der außerirdischen Besucher in Spielbergs Film signifikant vergleichbar mit der Darstellung eines Member of the Heavenly Kingdom auf einer Internetseite von Heaven‘s Gate. Weiterhin wird der Gruppe nachgesagt, dass sie regelmäßig die Folgen der Fernsehserien Star Trek und X-Files (Akte X) gesehen hätte2.

Für menschliche Erlebnisweisen sähen die Engel seltsam aus. Die Menschen müssten allerdings wissen, dass sie einer sündigen Sphäre angehörten und ihre Irritation darauf beruhe. Applewhite formuliert ein gnostisches Selbstbild, wenn er zu seiner für ihn nur augenblicklichen körperhaft-menschlichen Existenzweise schreibt: „Es gefällt mir nicht. Es passt nicht zu mir. Und die, die vor mir sitzen, mögen ihre menschlichen Vehikel, die sie für diese Aufgabe tragen müssen, auch nicht. Aber sie müssen sie tragen, weil ihre Aufgabe der Überwindung des Menschenreiches es erforderlich macht, menschliches Fleisch zu überwinden – die genetischen Vibrationen, die Lust des Fleisches, das Bedürfnis zur Reproduktion, das Verlangen nach Nachwuchs oder nach dem Partner oder nach einem Haus oder nach Geld oder nach Ruhm oder nach einem Job oder, oder – das könnte man beliebig fortführen – Überwinden des menschlichen Fleisches und seiner Bedürfnisse – sogar sein religiöses Verlangen. Es gibt keine Religion auf der Erdoberfläche, die von Gott kommt, so wie sie heutzutage gemacht sind. All diejenigen Ideologien, die man Religionen nennt, benutzen korrupte Überlieferungen, korrupte Informationen über die Beziehung der Menschen mit jemandem aus dem Himmelreich, der Evolutionsstufe oberhalb der Menschen“3. Die religiösen Überlieferungen hätten aus den Erinnerungen an die UFO-Wesen in ihren Raumschiffen Engel mit Vogelflügeln gemacht und aus den Raumschiffen „Wolken von Licht“4. Deshalb sei es wichtig sich klarzumachen, dass er, der hier als Do bzw. als Applewhite auftrete, eigentlich der wiedergekommene Sohn aus dem Reich des Himmels sei.

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Vgl. Goerman, 2011, 67, Übersetzung L.H. Vgl. Goerman, 2011, 67. /vg100596.htm. Vgl. auch: „Wir möchten nicht, daß du dich fortpflanzt, so daß wir mehr Kinder haben und die Sonntags-Schulordnung in unserer Kirche aufstellen. Wir sind eine Gruppe von Gläubigen in der Existenzstufe oberhalb der Menschen, die von hier wegkommen und in das Reich eintreten möchten um von signifikanter Bedeutung für das Reich zu werden“. /vg100596.htm.

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Der Himmel, den sich Applewhite vorstellt, ist entsprechend ein Raumschiff. Ein solches Raumschiff sei weniger ein „Transportmittel“ denn eine „sehr wertvolle Arbeitsstation“1. Raumschiffe seien der „Dienstort für die Stufe oberhalb der Menschen“2. Applewhite und seine Jünger würden diese „Existenzstufe verlassen“3 um als geschlechtslose Individuen dort Dienst zu tun. Zugleich werde in diesem Raumschiff ein Wiedersehen mit Ti-Nettles stattfinden4. Applewhite ist sich allerdings nicht sicher, ob die Körper, die sie verließen, wirklich zurückgelassen würden. Vielleicht würden diese sogar durch ein Raumschiff eingesammelt. „Es ist ebenfalls möglich, dass ein Teil unseres Tests des Glaubens der Haß auf diese Welt ist, sogar auf unsere Körper, dermaßen, dass wir willensbereit sind, sie (die Körper) zu verlassen ohne einen anderen direkten Beweis der Existenz der nächsten Stufe zu haben als den, den wir bereits kennen: dass wir nichts zu befürchten haben; dass wir in Gottes Obhut sind; dass wir den Körper verlassen können in dem wir uns befinden und dass wir zugleich die Seele, die Identität, die die Separation überleben kann, sein werden“5. Auch hier kündigt sich eine Transformation des gnostischen Modells unter den Bedingungen einer neomythischen Vernunft an, die wir auch schon in den beiden vorangegangenen Bänden sehen konnten. Es gibt einerseits in diesem neognostischen Modell einen Dualismus, der aber prinzipiell ‚von unten‘ aufsprengbar ist. Die Menschen sind hier einerseits auf Hilfestellungen von oben angewiesen, doch sind diese Hilfestellungen letzten Endes doch binnenkosmisch und eine letzte radikal transzendente Instanz unserer Wirklichkeit wird nicht mehr benötigt. Die Annehmlichkeiten unserer irdischen, zunächst unteren Sphäre können mit nach oben genommen werden. Man bleibt doch irgendwie Mensch, auch wenn man seine Endlichkeit weit hinter sich gelassen hat. Dies ist Gnosis light. Applewhite bekennt sich ausdrücklich zu einem, sogar auf das Suizid bezogenen, Glauben an seine auktoritative Führerschaft. „Unser Glaube beruht hauptsächlich auf das Vertrauen auf unsere älteren Mitglieder. Wir wissen eine Sache – wir kümmern uns nicht darum uns an das Leben dieses Körpers zu heften solange bis es natürlicherweise aufhört zu funktionieren. Wir kümmern uns mehr darum es abzubrechen, als Beweis für unseren himmlischen Vater, dass wir ihm vertrauen und dass wir bereit sind diesen Ort zu verlassen“6. Der zweite Typ von Menschen, die vor der nahenden Erneuerung gerettet werden könnten, seien diejenigen Leute, die nicht zum Away Team von Heaven‘s Ga-

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/vg100596.htm. /vg100596.htm. /vg100596.htm. Vgl. Wessinger, 2000, 230. /vg100596.htm. /vg100596.htm.

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te gehörten, aber sich zu den Ideen von Applewhite bekennen würden. Sie würden in der kommenden, recycelten Menschenwelt weiterleben und später zum Himmelreich erhoben werden. Zum Dritten gibt es für ihn Menschen, die zwar Applewhite nicht kennen, aber einen gleichsam unthematischen ‚anonymen Glauben‘ an „Heaven‘s Gate“ besitzen, weil sich in ihnen die folgende Sehnsucht ausbreite: „Ich muß hier rauskommen. Ich kann es hier nicht mehr aushalten. Ich möchte mein Leben aufs Spiel setzen für das Himmelreich“1. Diesen Seelen kann Applewhite zusagen: „Dies ist eine Testzeit. Du kannst leicht sagen, ‚Hier ist eine winzig kleine Schulklasse, mit einem alten Burschen mit einem Backpflaumengesicht, der hier sitzt und sich selbst DO nennt und sagt, Wie kann ich das glauben?‘ Wenn du etwas vom Verstand meines Vaters in dir hättest, so würdest du einiges von uns und diese Informationen wiedererkennen“2. Natürlich gehören zu einem solchen Selbst- und Weltbild auch Gegenspieler von kosmischen Ausmaßen. Die Religionsgeschichte zeigt ja immer wieder, dass im gnostischen Denken Elemente einer manichäischen Fortinterpretation des Materiellen angelegt sind. Die materielle Welt ist dann nicht nur ein Ort, in den die Lichtteile verstrickt werden. Die materielle Welt wird in einem weiteren Schritt des Dualismus als Ort des Bösen, des aktiv Widergöttlichen dargestellt. Die ganze Religionsgeschichte zeige die Versuche der „niederen Kräfte“3, die Individuen bzw. Seelen an die Erde zu binden. Insofern wisse er, Applewhite, dass auch die Reaktion auf die Aktion des Away Teams zu diesem Lügenverbund gehören wird, die später aus ihm einen falschen Messias und aus seiner Bewegung einen ‚destruktiven Kult‘ machen würde. „Wir haben nichts zu verstecken“ lässt Applewhite verlauten. „Trotzdem könnten wir für einige einen gefährlichen Kult darstellen. Wir verstehen das. Warum gefährlich? Weil wir die Familien bedrohen, wir bedrohen die etablierten Familien-Normen. Wenn du Jesus 2000 Jahre zuvor gekannt hättest, so würdest du wissen, dass genau die gleiche Sache geschehen war. ... Seine Lehren standen im klaren Gegensatz zu dem was die meisten Menschen lehrten, zu den bestehenden Normen in der Regierung oder in den Familien und sicherlich auch zu der Religion zu der Zeit. ... Eine Chance hier rauszukommen – raus aus dem Menschenreich – wann immer sie angeboten wird, verlangt alles von dir – dass du, als Individuum, dich einem Kult anschließt – dass du alles hinter dir zurücklässt – dass du die Mitglieder deiner Familie ignorierst – dass du die Verantwortung für deine Gemeinde ignorierst – dass du deine Karriere ignorierst – und dass Herzen gebrochen werden“4.

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/vg100596.htm. /vg100596.htm. /vg100596.htm. /vg100596.htm.

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Applewhite geht von der Voraussetzung aus, dass die Sons of God nach dem Verlassen des alten Levels neue Next Level bodies1 bekämen und dass diese Körper der nächsten Stufe „wie Reben am Weinstock gepflanzt (würden, L.H.) und dass sie am Ende ihrer Tragezeit vollkommen erwachsen und handlungsfähig (functional)“2 seien. Zugleich seien diese Körper unsterblich und unverwundbar – Superman-Eigenschaften, die aus anderen Zusammenhängen neomythischen Denkens bestens vertraut sind. Heaven‘s Gate ist der Extremfall einer neognostischen Kultform. Muster gnostischen Denkens werden aufgegriffen und im Hinblick auf einen neomythischen Verständnishorizont transformiert. Das neomythische Denken fasst die Situation des Menschen im Kosmos hinsichtlich seiner Endlichkeit so, dass diese durch (eigene oder fremde) innerkosmische Handlungen real von aller Endlichkeit befreit werden kann. Die außerirdischen Mitglieder des physikalisch realen – d.h. innerkosmischen – Königreiches der Himmel motivieren die Menschen, sich von ihren auf dem niederen Erdlevel befindlichen Körpern zu befreien und dafür in den Genuss unzerstörbarer neuer Körper auf dem (physikalisch realen) Himmelslevel zu kommen. Es liegt auf der Hand, dass dieses neomythische Modell von Religiosität keinen Anklang in Kreisen finden kann, die sich für die irdische Lebensbedeutsamkeit außerirdischer Intelligenzen interessieren. Der elitären Variante eines Gruppensuizids, den das Away Team durchführt, steht das eher als solide erfahrungswissenschaftlich eingeschätzte, durch die höchsten Leistungsträger der raumfahrtwissenschaftlichen Elite abgesegnete Konzept eines demokratischen Forschens unter dem durch die Ancient Astronaut Society propagierten Motto Come Search with us gegenüber.

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Vgl. Applewhite, 2011, 29, Übersetzung L.H. Applewhite, 2011, 29, Übersetzung L.H.

Zehnter Hauptteil: Präastronautik – Die Systemesoterik des 21. Jahrhunderts § 34 Präastronautik. Pseudologia Phantastica zwischen Parawissenschaft und totalitärer Weltpolitik I.

Metaphysische Absprungpunkte der Präastronautik

Im ersten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft wurde die Theosophin Helena Petrovna Blavatsky als paradigmatische Gestalt eines ausgebauten Systems der Esoterik des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts dargestellt1. In ihren zunächst rein synkretistisch und eklektisch erscheinenden Gedankengängen findet sich eine stimmige Grundrichtung, in der sich vorhergehendes und folgendes neomythisches Denken bündeln lässt. Blavatsky historisiert die übergeschichtlich konzipierte aufklärerische Vernunftreligion, fasst sie weiterhin nicht als Grenzbegriff, sondern als prinzipiell (wieder-)herstellbar und gibt ihr dadurch eine prinzipielle Passförmigkeit in ein Epochenmodell. Es habe am Anfang der Menschheitsgeschichte die Geheimlehre nicht als neue „Offenbarung“, sondern als „Essenz“2 aller großen Religionen gegeben. „Die Weisheitsreligion ist das Erbe von allen Nationen des Erdenrunds“3 und die Essenz der „esoterischen Lehren der ganzen Welt, seit dem Anfange unserer Menschheit“4 und sie sei „die allgemein verbreitete Religion der alten und prähistorischen Welt“5 gewesen. Es gebe eine geheime Weltleitzentrale, die ein Buch aller Zentralweisheiten pädagogisch verwende und es auszugsweise zur Lektüre durch die Menschen freigebe. Alle großen Religionsstifter hätten sich auf dieses Buch bezogen. Auf diese Weise kann Blavatsky behaupten, durch das Modell einer Universalreligion beziehungsweise des Universalwissens der Vorzeit religiöse Grundlagentexte einer neomythischen Relecture im Blick auf die Zukunft unterziehen zu können. Am Ende dieser Relecture könne jeder Mensch prinzipiell an den Errungenschaften der Geheimlehre Anteil haben.

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Vgl. dazu Hauser, Bd. 1/307-331. Auf diese Seiten beziehe ich mich in dieser kurzen Zusammenfassung. Den im Folgenden öfter fallenden Terminus „Systemesoterik“ übernehme ich von meinem Promovenden Thomas Körbel, 2001. Blavatsky, 1/XXIV. Blavatsky, 1/2. Blavatsky, 1/4. Blavatsky, 1/18.

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Blavatskys Gegner sind einerseits alle für sie prinzipiell absolutistischen Religionen und andererseits der Materialismus1 ihres Zeitalters. Der Mensch ist für sie „ein Gott in der tierischen Form“2, der nicht durch eine blinde Evolution hervorgebracht werde, sondern durch kosmische Geister, „Dhyan Chohans“, die sich als „Geist der Erde“ und seiner „Gehilfen“3 einschalteten, um aus dem „Geiste der Sonne“, des „Sonnenlogos“4 einen dann aber doch prinzipiell naturwissenschaftlich beschreibbaren Evolutionsprozess in Gang bringen. Auf diese Weise werde die „ursprüngliche Materie mit dem evolutionären Antriebe“ durchdrungen und es würden „ihre Formungskräfte bei der Gestaltung ihrer Erzeugnisse“5 sinnvoll angeleitet. Dabei habe es verschiedene Vorgängerrassen des heutigen Menschen gegeben, die untergegangen seien. „Warum sollten nicht eure Geologen … zugestehen, daß unsere gegenwärtigen Kontinente, wie Lemurien und Atlantis, bereits verschiedene Male versenkt worden sind, und die Zeit hatten, wieder zu erscheinen, und ihre neuen Gruppen von Menschheit und Civilisationen zu tragen; und daß bei der ersten großen geologischen Umwälzung, in der Reihe der periodischen Umwälzungen, welche sich vom Anfange bis zum Ende einer jeden Runde ereignen, unsere bereits in Augenschein genommenen Kontinente hinabgehen, und die Lemurien und Atlantisse wieder emporkommen werden?“6.

Archäologische Zeugnisse erinnerten den heutigen Menschen noch hin und wieder an diese alten Perioden – so etwa die Statuen der Osterinseln7 oder Stonehenge8. Im Verlaufe dieses Evolutionsprozesses seien menschlich-tierische Mischformen aufgekommen und es habe Epochen mit Monstern und „Zwischenrassen“9 gegeben, weil sich Menschen mit Tieren gepaart hätten. Auch sei der heutige Affe Produkt einer solchen blasphemischen Kreuzung. „Man sehe also in den heutigen Bewohnern der großen Wälder von Sumatra die erniedrigten und zwerghaften Muster … von uns selbst, wie wir (die Mehrzahl der Menschheit) in den frühesten Unterrassen der vierten Wurzelrasse … waren. Der Affe, den wir kennen, ist nicht das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung, sondern ein Zufall, eine Kreuzung zwischen einem tierischen Wesen, oder Form, und dem Menschen“10.

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Vgl. Blavatsky, 1/3. Blavatsky, 2/85. Blavatsky, 2/32. Blavatsky, 2/32. Blavatsky, 2/253. Blavatsky, 2/347. Vgl. Blavatsky, 2/351. Vgl. Blavatsky, 2/358. Blavatsky, 2/202. Blavatsky, 2/273.

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Wo Zuchtlinien misslängen, müssten diese beseitigt werden. Rassen würden allerdings nicht durch Menschen ausgelöscht, sondern durch kosmische Katastrophen, die allerdings zielgerichtet von Göttermenschen, eingesetzt würden, zu denen einst auch die meisten Menschen gehören würden. „Nach dem Gesetze paralleler Geschichte und Rassen wird die Mehrheit der zukünftigen Menschheit aus erhabenen Adepten bestehen“1. Im 20. Jahrhundert werden Neomythologen systematisch über diese Übermenschen zu fantasieren beginnen und davon träumen, die Göttermenschenrasse selbst zu erzeugen beziehungsweise – wie im Falle der Präastronautik – die Menschheit zunächst selbst als einst gentechnisch erzeugt anzusehen. Blavatsky selbst bleibt die wissenschaftsfundierte Technik fremd. Blavatskys Göttermenschen gestalten die Natur und Kultur noch durch vortechnische, geistige und magische Kräfte und durch das Eingreifen von mächtigen Wesen, die ihre Reinkarnationen bewusst im Griff haben. Hier setzt die Präastronautik als Musterbeispiel der Systemesoterik des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts andere Maßstäbe, ohne den genialen Systemrahmen Blavatskys zu sprengen. Sie gibt – wie wir sehen werden – auf technizistische Weise ihre Antwort auf die metaphysischen Orientierungsprobleme der Moderne im Hinblick auf die kopernikanische, darwinische, freudianische und die androidische Aufgabenstellung. Zugleich ist es ihr möglich, das Thema der in die Krise geratenen geistigen Gewalten des Abendlandes – auf sicherlich eher unthematische als bewusst aufarbeitende – Weise auch auf ihre Weise in den Griff zu bekommen. Der Bezug auf das Christentum und andere Religionen, den menschlichen Vernunftanspruch und die klassische griechisch-römische Mythologie kann durch ihre technizistische Interpretation scheinbar wiederhergestellt werden. Es wird sich zeigen, dass es die präastronautische Perspektive möglich macht, der christlichen Tradition in der Form einer Relecture der Bibel und der antiken Bilderwelt vermeintlich neue, fruchtbare Impulse zu verleihen. Mit der Einbindung des Vernunftbegriffs in den Zusammenhang einer interstellaren Gemeinschaft, deren Spuren weltweit (und nicht nur im Hinblick auf die abendländische Kultur) gefunden werden können, scheint sie den Weg zu einer humanen Menschengemeinschaft freizumachen. Neben dieser vermeinten Antwort auf die Frage nach dem kosmischen Woher des Menschen gibt es für den Präastronautikgläubigen kein Problem, innerhalb der präastronautischen Konzeption auch die Frage nach dessen Wohin zu beantworten. Das Modell hat keine prinzipiellen Schwierigkeiten Reinkarnationsglaube oder Lebensverlängerung beziehungsweise ‚ewiges‘ Leben durch Klonen oder durch Speicherung auf kosmischen Festplatten für wahr halten zu könnten. Mit der Präastronautik als gleichsam demokratisierter Forschungsrichtung weitet sich in diesem Paragraphen der Blick weg vom – hier jetzt mit Ludwik Fleck

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Blavatsky, 2/465.

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wissenschaftstheoretisch gesprochen – „esoterischen“ Kontext der raumfahrtwissenschaftlichen Elite und ihrer präastronautischen Gedankenspiele hin zu den ‚Sachbuch‘-Autoren und der „exoterischen“ Schar der epigonalen Rezipienten. Der Grund, warum die Präastronautik jetzt nicht direkt im Anschluss an den UFO-Glauben erörtert wird, liegt in der großen Bedeutung, die ein populäres darwinistisches Wirklichkeitsverständnis in der betreffenden Szene besitzt. Insofern wird mit dem Präastronautik-Thema nicht ein radikal neues Kapitel aufgeschlagen, sondern der Glaube an außerirdische Intelligenz und ihre vermeintliche Hilfsbereitschaft gegenüber den Menschen noch einmal differenzierter sichtbar. Aus diesem Grund werden als Anwege zur Präastronautik nicht nur die Lehre von der Pluralität der Welten und die moderne Kosmologie beziehungsweise ihre metaphysischen Ausdeutungen (bzw. ihre epigonalen Rezeptionen) vorausgesetzt, sondern auch ein populärer Darwinismus (bzw. ein Unbehagen an demselben), der auch sozialdarwinistische oder metaphysische Züge annimmt. Unter dem Gesichtspunkt möglicher Absprungpunkte sozialdarwinistischer und/oder metaphysischer Art soll deswegen hier kurz auf einige Gesichtspunkte der Evolutionstheorie beziehungsweise ihrer populären Interpretation eingegangen werden. Die soziobiologische Theorie von Richard Dawkins wird dabei als metaphysischer Absprungpunkt der Präastronautik im Hinblick auf die Evolutionstheorie dienlich sein.

II.

Evolutionstheorie und ihre Tendenz zu Ismen

1.

Ausgangspunkte und Voraussetzungen

Charles Darwin1 fasst 1859 in On the Origin of Species by means of Natural Selection, on the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life Evolutionstheorie als empirische Wissenschaft und in ausdrücklichem Abstand zu metaphysischen Horizonten in erkenntnistheoretisch sensibler Weise. Alfred Russell Wallace (1823-1913) veröffentlicht schon 1855 mit seinem Beitrag On the Law Which Has Regulated the Introduction of New Species2 eine mit Darwin vergleichbare Variante der Selektionstheorie3. Das in dieser Zeit entstehende Selektionsprinzip geht im Falle Darwins von einigen Tatsachen aus, aus denen Schlussfolgerungen gezogen und aus diesen eine Theorie der natürlichen Auslese entwickelt werden4.

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Vgl. die Skizze der Geschichte der Evolutionstheorie bei Storch, Bd. 1, 2001, bes. 1-28. Wallace, 1855. Vgl. zu Wallace: Kutschera, 2006, 30f. Dieses Modell stammt aus einem Seminar von Hermann Schrödter und vgl. Kutschera, 2006, 31-35.

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Alle Arten besäßen (1) eine derart große potentielle Fruchtbarkeit, dass ihre Populationsgröße unverhältnismäßig anwachsen würde, wenn sich alle Individuen fortpflanzen würden. Es handelt sich das „Phänomen der Überproduktion“1 in tierischen und pflanzlichen „Fortpflanzungsgemeinschaften“2. Und doch zeigten (2) Populationen normalerweise Stabilität. Da (3) die natürlichen Ressourcen begrenzt und relativ konstant seien, sei zunächst (4) zu schlussfolgern, dass unter den Individuen einer Population ein harter Kampf ums Überleben stattfinden müsse aus dem möglicherweise nur wenige als Überlebende hervorgingen. Wenn man dann noch (5) bedenke, dass zwei Individuen niemals genau gleich seien (das „Phänomen der Variation“3), dass also jede Population eine große Variabilität von Individuen aufweise und dass (6) ein Teil dieser Variationen erblich sei, dann könne man folgern, dass (7) das Überleben im Kampf ums Dasein nicht zufällig erfolge, sondern zu einem großen Teil von den Erbbedingungen der Überlebenden abhänge. So entstehe (8) ein natürlicher Ausleseprozess, der (9) im Verlauf vieler Generationen zu einer Transformation der Populationen, d.h. zu Evolution und Erzeugung neuer Arten führe. Kutschera fasst die „Kernaussagen von Darwins Abstammungslehre“ in der Form von „fünf separate(n) theoretischen(n) Konzepte(n)“4. Evolution wird als (1) „realhistorischer Prozess“ gefasst, der (2) seine Dynamik durch natürliche Selektion habe. Es gebe weiterhin (3) eine „gemeinsame() Abstammung der Organismen aus einfachen Urformen“ die sich (4) schrittweise („Gradualismus und Konzept der Population“) komplexer organisiert und in (5) vielfache Arten („Biodiversität“) entfaltet hätten. Herbert Spencer (1820-1903) bietet dann Charles Darwin (bei dem dieser Terminus in der ersten Auflage der Origin of Species nicht vorkommt, er verwendet ihn ab 1870) und der späteren Zeit mit seiner Bemerkung in den The Principles of Biology (1864) über „… this survival of the fittest implies multiplication oft he fittest“5 den siegreichen Terminus zur Theorie. In der Folgezeit wird dieses ‚klassische‘ Selektionsprinzip ausdifferenziert bzw. durch andere Gesichtspunkte angereichert. Die Selektionstheorie Darwins konnte seine Voraussetzung einer gemeinsamen Abstammung der Pflanzen und Tiere aus Urformen nicht rekonstruierbar machen. August Weismann (1834-1914)6 formuliert als erster den Ausgangspunkt des Neodarwinismus, wenn er schreibt, dass eine zweigeschlechtliche Fortpflanzung durch die Verbindung mütterlicher und väterlicher Erbanlagen neue Individuenvariationen ermögliche.

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Kutschera, 2006, 31. Kutschera, 2006, 31. Kutschera, 2006, 32. Kutschera, 2006, 34. Spencer, 1864, 444. Vgl. Kutschera, 2006, 61f.

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Durch Gregor Johann Mendels (1822-1884) erstmals 1865 unter dem Titel Versuche über Pflanzen-Hybriden1 vorgestellte Forschungen über die Vererbung von Merkmalen wird etwa der Blick auf den Bereich genetisch bedingter Vererbung gelenkt, der den evolutiven Prozess differenzierter begreifbar macht. Phänomene wie Mutation, Rekombination u.a. lassen dann den ursprünglichen Begriff der natürlichen Selektion hinter sich. Aus der ‚klassischen‘ Evolutionstheorie2 wird zunehmend unter dem Titel Synthetische Evolutionstheorie ein „multifaceted research program“3, wenn etwa auch Aspekte der Kosmologie, der molekularen Phylogenetik, der molekularen Evolution, der evolutionären Verhaltensforschung oder ökologische u.a. Fragen in einem weiten naturgeschichtlichen Zusammenhang einbezogen werden4. Im Ganzen präsentiert dieser synthetische Blick die moderne Evolutionsbiologie. Von Anfang an lässt sich ‚die‘ Evolutionstheorie, als Ismus (Darwinismus) betrachtet, weltanschaulich und metaphysikförmig interpretieren und es können auch weitreichende Reflexionen darüber entstehen, wer – auch unter den Menschen – warum im Prozess des ‚Survival of the Fittest‘ der Fitteste sei oder gar sein dürfe. Einer der frühen emphatischen Vertreter der Position Darwins, der Biologe und spätere Professor für Naturgeschichte an der Londoner ROYAL SCHOOL OF MINES, Thomas Henry Darwin‘s Bulldog Huxley (1825-1895), britischer Agnostizist, der das Wort Agnosticism als Neologismus eingeführt haben soll, schreibt am Ende seiner ausführlichen Rezension von Darwins Origin of Species: „Aufs Ganze betrachtet glauben wir nicht, dass es seit der Publikation von Von Baer‘s Researches on Development5 ein Werk gegeben hat, das darauf angelegt ist, einen so großen Einfluss nicht nur auf die Zukunft der Biologie zu nehmen, sondern auch die Herrschaft der Wissenschaft über Gedankenregionen auszudehnen, zu denen sie bisher kaum Zugang hatte“6. Die Präastronautik gehört zu den fragwürdigen metaphysikförmigen Verwendern des Selektionsprinzips und anderer evolutionstheoretischer Gesichtspunkte in der Form eines Ismus. Die spezifische Weise der Präastronautik den Themenbereich der metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne und die Krise der geistigen Gewalten des Abendlandes lösungsorientiert aufzugreifen, lässt sich am besten darstellen, wenn man sie auch als Antwort auf einen epigonalen evolutionistischen Neoatheismus versteht. Ihr Rückgriff auf die hermeneutischen Prinzipien fundamentalisti1

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6

Der ursprüngliche Originaltext der Vorträge findet sich unter: http://www.mendelweb.org/MWGerText.html. Einführend in das Ganze der Artikel „Evolution“ in Toepfer, 2011, 481-539. Pigliucci/ Müller, 2010, 3. Vgl. dazu als Überblick Kutschera, 2006. Gemeint ist hier: Karl Ernst von Baers (1792-1876) Über Entwickelungsgeschichte der Thiere, 2 Bde. Königsberg, 1828 und 1837 (Internetedition: http://www.biodiversitylibrary.org/item/28306#page/13/mode/1up). Huxley, 1860, 570, Übersetzung L.H.

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scher Bibelauslegung erweist sie dabei als gleichen Niveaus mit dieser und den Methoden des neoatheistischen Denkens. So wird der nächste Schritt eine Auseinandersetzung mit diesem Neoatheismus am Beispiel von Richard Dawkins sein.

2.

Richard Dawkins: Wegweiser im Kosmos der Replikatoren

Clinton Richard Dawkins (*1941), ist ein Evolutionstheoretiker und Zoologe, der von 1995-2008 an der Oxforder Universität Professor für Public Understanding of Science ist. Er ist durch seine populärwissenschaftlichen naturphilosophischen Bücher weltbekannt geworden und herausragender Repräsentant eines kämpferischen Neoatheismus. In seinem 1986 erstmalig publiziertem Buch über Der blinde Uhrmacher. Ein neues Plädoyer für den Darwinismus schreibt Dawkins selbstbewusst: „Dieses Buch ist in der Überzeugung geschrieben, daß unsere eigene Existenz zwar früher einmal das größte aller Rätsel war, heute aber kein Geheimnis mehr darstellt, da das Rätsel gelöst ist. Gelöst haben es Darwin und Wallace, ...“1. Einige Seiten später schränkt er allerdings ein: „... auch wenn es uns nicht gelingt, die Komplexität im Einzelnen zu verstehen“2 – was allerdings nichts am kategorischen Charakter der Wahrheitsbehauptung ändert. Auf der einen Seite wird hier behauptet, dass man die metaphysische Frage nach zumindest dem Woher des Menschen durch eine wissenschaftliche Theorie eindeutig und für alle Zeiten beantworten kann und zum zweiten übersieht Dawkins, dass es sich bei ‚der‘ Evolutionstheorie um eine geradezu unübersichtliche Menge von Hypothesen und Theorien unterschiedlichster Art handelt. Ulrich Lüke schreibt dazu sehr richtig: „Allein das Faktum, dass von einem der Neodarwinismus oder von einer Synthetischen Theorie gesprochen wird, und nicht mehr von einem Darwinismus, dokumentiert die Novellierungs- und Präzisierungsbedürftigkeit der Evolutionstheorie, die, soweit ich sehe, in der Biologie völlig unbestritten ist. … Dass die Evolutionstheorie definitiv unfertig ist, gut so! Ich halte das für eine Stärke und nicht für ein Manko der Evolutionstheorie“3.

Richard Dawkins weitet die Perspektive der Evolutionstheorie erst im Hinblick auf chemische und physikalische Naturprozesse aus und interpretiert diese dann mithilfe seiner Theorie des Replikators metaphysisch. Damit hilft er nicht nur vielen Populärdarwinisten, sondern auch denen, die Ressentiments gegenüber evolutiven Modellen haben.

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Dawkins, 1990, 7. Dawkins, 1990, 15. Lüke, 2006, 110f.

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In den Jahren 2002 und 2003 wurden in den USA, Japan, der Türkei und 31 europäischen Ländern Umfragen hinsichtlich der Akzeptanz der Evolutionstheorie durchgeführt. Insgesamt 78 % der Erwachsenen in Island, Dänemark, Schweden und Frankreich stimmen der Evolutionstheorie zu. In den USA hingegen halten nur 38 % die Evolutionstheorie für zutreffend und in der Türkei nur 25 % der Erwachsenen1.

Dawkins Ausgangspunkt ist die so genannte RNA-Welt-Hypothese. Stanley Lloyd Miller (1930-2007) und Harold C. Urey (1893-1981) führen auf der Basis vorangegangener Theorien anderer Wissenschaftler experimentelle Untersuchungen durch, die die Hypothese triftig werden lassen, dass sich die organischen Bestandteile, die als Grundlage für irdisches Leben dienten, bildeten, „als die Erde eine Atmosphäre aus Methan, Ammoniak, Wasser und Wasserstoff“ besaß2. Das Miller-Urey-Experiment versetzt diese chemischen Substanzen mit elektrischen Entladungen (Blitze in die ‚Ursuppe‘) und es bilden sich organische Moleküle. Der Chemienobelpreisträger von 1980, Walter Gilbert (*1932), führt dann später (1986) in seinem Beitrag über Origin of Life. The RNA World den bekannten Terminus RNA World (RNA-Welt) öffentlichkeitswirksam ein. Die Ribonukleinsäure wird damit zur Steigbügelhalterin des organischen Lebens und RNA-Moleküle werden zu den Ahnherren der Organismen. ‚Spontan‘ könnten sich in der Ursuppe Lebenskeime entwickelt haben. Richard Dawkins setzt an dieser Stelle mit seiner evolutionistischen Argumentation ein. In seiner Schrift über Das egoistische Gen (The Selfish Gene, 1976) zieht er ganz selbstverständlich metaphysische Schlussfolgerungen. „Darwins ‚Überleben der Bestangepassten‘ ist in Wirklichkeit ein Sonderfall des allgemeinen Gesetzes vom ‚Fortbestand des Stabilen‘. Das Universum ist voll von stabilen Gebilden. Ein stabiles Gebilde ist eine Ansammlung von Atomen, das beständig oder verbreitet genug ist, um einen Namen zu verdienen“3. In dem Augenblick, in dem Dawkins mit dem Terminus ‚Fortbestand des Stabilen‘ im Hinblick auf die anorganische Chemie hantiert, begibt er sich in den Bereich, in dem letzten Endes eine zusammenhaltende ‚Lebenskraft‘ vorausgesetzt wird, die diesen Zusammenhalt ausdifferenziert und über das Anorganische hinaus ‚mehr‘ werden lässt. Den Ansatzpunkt für die Vermittlung zwischen anorganische und organischer Chemie bildet im Folgenden dann bei Dawkins der Replikator-Begriff. „Was ist die lebenswichtige Zutat, die ein toter Planet wie die urzeitliche Erde haben muß, um schließlich lebendig zu werden wie unser Planet? Es ist nicht Atem, nicht Wind, nicht irgendein Elixier oder Trank. Es ist überhaupt keine Sub-

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Lurquin/ Stone, 2007, 193. Vgl. Miller, 1953, 528. Dawkins, 1964, 40. Ich entnehme den Hinweis auf diese Passage Bock, 2001, 20, dem ich auch die Idee für die gleich folgende Einführung des Replikatorbegriffes verdanke.

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stanz, es ist eine Eigenschaft, die Eigenschaft der Selbstreplikation. Das ist die grundlegende Zutat der kumulativen Selektion. Es müssen auf irgendeine Weise, als Folge der gewöhnlichen Gesetze der Physik, sich selbst kopierende Gebilde oder, wie ich sie nennen werde, Replikatoren entstehen. ... Die ersten Replikatoren waren wahrscheinlich gröber und einfacher als DNS“1. Es gibt nach Dawkins einige wesentliche Aspekte im Hinblick auf den Begriff des Replikators. Zum ersten zeichne den Replikator aus, dass er sich kopieren könne und dass seine Kopien mit den gleichen Eigenschaften ausgestattet seien wie er selbst. Zweitens müsse damit gerechnet werden, dass es fehlerhafte Kopien gebe. Einige dieser fehlerhaften Kopien könnten allerdings so geartet sein, dass sie eine größere Kopiergenauigkeit beziehungsweise -effektivität haben könnten. Auf diese Weise hätten diese speziellen ‚fehlerhaften‘ Kopien in höherem Maße als andere „Macht“ innerhalb der „Population von Replikatoren“2. Dawkins meint, dass er damit den Begriff der „natürlichen Auslese“ auf eine ganz „elementare“ Weise beschrieben habe3. Gegen eine kreationistische Hypothese gewendet, die von einer einmaligen oder schubweisen Schöpfung redet, spricht Dawkins davon, dass die RNS „durch schrittweise, kumulative Evolution erzeugt“4 worden sei. Nachdem sich Dawkins auf seine Weise mit schöpfungstheologischen Gedanken auseinandergesetzt hat, führt er in Der blinde Uhrmacher einige Gedankenexperimente durch, die ihn endlich zu einer seines Erachtens durch die Evolutionstheorie abgesicherten Überzeugung über die Entstehungswahrscheinlichkeit von Leben im Universum bringen. „Meiner persönlichen Meinung nach brauchen wir, wenn die kumulative Selektion erst einmal richtig in Gang gekommen ist, bei der darauffolgenden Evolution von Leben und Intelligenz nur eine relativ kleine Menge an Glückszufall anzunehmen. Die kumulative Selektion scheint mir, wenn sie erst einmal begonnen hat, mächtig genug, um die Evolution der Intelligenz wahrscheinlich, wenn nicht sogar unausweichlich (!) zu machen“5. Mit seinem Konzept einer kumulativen Evolution und dem damit zusammenhängenden der folgenden Unausweichlichkeit von Intelligenzentwicklung wandert in Dawkins‘ Modell der teleologische Zweckbegriff in die Evolutionssphäre ein. „Einigkeit besteht heute weitgehend darüber, was ein positiver Begriff der Teleologie nicht beinhalten kann, bzw. welche Formen der Teleologie der Vergangenheit als wissenschaftlich erledigt zu betrachten sind. Zu diesen Formen zählt insbesondere die Annahme eines neben den physikalischen Naturkräften stehenden zielgebenden Faktors, der entweder für die gerichtete Entwicklung eines Organismus (Ontogenese) oder die gerichtete Entfaltung

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Dawkins, 1990, 153. Dawkins, 1990, 155. Vgl. Dawkins, 1990, 155. Dawkins, 1990, 159. Dawkins, 1990, 172.

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von Formen in der Evolution (Phylogenese, Orthogenese) verantwortlich gemacht wird. … Die Phylogenese kann mit gleichem Recht gerichtet auf die Bildung einer Amöbenart beurteilt werden wie sie als gerichtet im Hinblick auf den Menschen gedeutet wird: Beides sind terminale Formen eines über Jahrmilliarden sich erstreckenden Evolutionsprozesses. Eine Zwangsläufigkeit bestand aber weder in der einen Richtung der Komplexitätssteigerung noch in der anderen des Verharrens auf einem relativ niedrigen Komplexitätsniveau“1.

Auf diese Weise wird Replikation zu einer ontologischen Größe und der Replikator zu deren Äußerungsinstanz. Die Dynamik des atheistischen Kosmos dawkinsscher Prägung beruht einerseits auf der Macht von Replikatoren effektiv zu kopieren und andererseits auf dem Zufall der Entstehung gegenüber den alten Replikatoren effektiver kopierender neuer Replikatoren. Die Summe der Replikatoren ist dann das Pantheon des atheistischen Evolutionstheoretikers, aus deren unbewusster Interaktion dann „die Evolution der Intelligenz wahrscheinlich, wenn nicht sogar unausweichlich“ entspringt. Der unbewusste Evolutionsgott meldet sich wieder zu Wort. Dawkins verwendet für seine Argumentation einen Genbegriff, der weit über die Biologie hinausweist und einen eher populärwissenschaftlichen ‚Nutzen‘ besitzt. Er schreibt: „Ein Gen ist definiert als jedes beliebige Stück Chromosomenmaterial, welches potentiell so viele Generationen überdauert, daß es als eine Einheit der natürlichen Auslese dienen kann“2. Die Replikatoren verbinden sich als dann unzertrennlich werdende Einheiten zu Genen. Die Gene sind die Herrscher über das Leben. Alle Körper von Lebewesen und auch von Menschen sind nichts anderes als Fahrzeuge der Gene beziehungsweise der sie bildenden Replikatoren. Diese „Vehikel“3 sind vergänglich und nebensächlich gegenüber den unsterblichen Genen4. „Sie sind in dir und in mir, sie schufen uns, Körper und Geist, und ihr Fortbestehen ist der letzte Grund unserer Existenz“5. Die Replikatoren beziehungsweise Gene stellen bei Dawkins auf diese Weise eine innernaturgeschichtliche und zugleich die Geschichte transzendierende, metaphysikförmige Letztwirklichkeit und Letztwirksamkeit dar. Der traditionelle philosophische Begriff von οὐσία (griech.) bzw. substantia (lat.) Sein, Wesen oder Substanz kann (als ad hoc-Arbeitsbegriff) bestimmt werden als innere Wirkmächtigkeit von etwas. In dieser Hinsicht ist der Replikator von substantieller Bedeutung für die Naturwirklichkeit und die zufälligen Eigenschaften derselben beziehungsweise ihre Bündelung in Lebewesen. Die individuellen Menschen sind so die traditionell συµβεβηϰόϛ bzw. ὑπόστᾰσις (Erscheinungsweise) oder accidens

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Toepfer, 2004, 25. Dawkins, 1994, 63; auf diese Passage macht Bock, 2001, 30 aufmerksam. Dawkins, 1994, 401. Vgl. Dawkins, 1994, 73. Dawkins, 1994, 51; auf diese Passage macht Bock, 2001, 30 aufmerksam.

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(lat.) der das Wesentliche seienden ‚Replikatoren‘ genannten zufälligen Akzidenzen. Indem die Replikatoren den Geist hervorbringen entwickelt sich eine neue Dimension des Replikatorseins, das Memesein. Die Theorie der Meme vervollständigt ein naturgeschichtliches und letzten Endes auch geistesgeschichtliches Szenario, das eine weitere wichtige Denkfigur für die Präastronautik liefert. Den Terminus Meme übernimmt Dawkins aus dem Griechischen. Das Nachgeahmte, Mimema (τό µίµηµα), ist nach Dawkins dasjenige Mittel, durch das Kultur möglich ist. Um eine sprachlich-terminologische Vergleichbarkeit zum Terminus Gen zu erhalten, verkürzt er bewusst das Wort zu Mem. Durch Nachahmung würden Sprache, Vergesellschaftungsformen und soziale wie technische Kompetenzen weitergegeben. Auf diese Weise erscheint nach Dawkins der Mensch als eine besondere Art von Replikator-Vehikel und ist als Person ansonsten bedeutungslos. Überlebensfähigkeiten würden – so Dawkins – durch den Menschen bewusst ergreifbar und würden durch dessen Geist weitergegeben. Toepfer schreibt zu solchen Fragen zutreffend: dass nicht die Lebendigkeit als solche im ethischen Bereich Geltungsrelevanz besitzt, sondern nur die „Verknüpfung der Relation, die sie zwischen personalen Lebensformen herstellt“1.

Wichtig ist festzuhalten, dass bei Dawkins der Maßstab auch im Hinblick auf die Meme immer nur relativ auf das reine Überleben angelegt wird. Es gebe keine moralischen Maßstäbe außerhalb der Faktizität reiner Überlebensfähigkeit. Aus diesem Grunde sind für Dawkins auch die „artchauvinistischen Annahmen der Menschenrechte, Menschenwürde und der Heiligkeit des menschlichen Lebens heute“2 nichts anderes als Meme, die sich im Überlebenskampf mit anderen Memen befinden. Moralische Fragen spielen hier keine Rolle. Würden sie sich global durchsetzen, dann hätten sie sich eben faktisch global durchgesetzt und nicht mehr. Wie er aus evolutionsbiologischen Prämissen zur These der ‚Unausweichlichkeit‘ von Intelligenzentwicklung kommt, weiß Dawkins allein. An dieser Stelle, in der mit der Unausweichlichkeit eine Art Analogie zu einem göttlichen Schöpfungsplan auftaucht, ist es sinnvoll, im Blick auf die Konzeptionen der Präastronautik, kurz auf Dawkins‘ Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff und sodann auf seine Art von Wirklichkeitspiritualität einzugehen.

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Toepfer, 2014, 229. Dawkins, 1990, 136.

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„Ich möchte die Gotteshypothese … wie folgt definieren: Es gibt eine übermenschliche, übernatürliche Intelligenz, die das Universum und alles, was darin ist, einschließlich unserer selbst, absichtlich gestaltet und erschaffen hat“1. Man kann Dawkins problemlos vorwerfen, dass er ein philosophischer Laie ist und jede metaphysische Tiefe, die erst einen Einblick in die Traditionen der Religionen ermöglicht, vermissen lässt. Im Zusammenhang des Streites um die Gleichheit Jesu Christi mit dem Vater macht Dawkins etwa folgende Bemerkung, die seinen umgangssprachlichen Umgang mit philosophischer Tradition gut veranschaulicht: „Arius von Alexandrien leugnete im 4. Jahrhundert n. Chr., dass Jesus gleichen Wesens (das heißt von der gleichen Substanz oder Wesensform) sei wie Gott. Nun fragt man sich vielleicht: Was mag das bedeuten? Substanz? Was für eine ‚Substanz‘? Was genau ist mit ‚Wesensform‘ gemeint? Die einzig vernünftige (!) Antwort lautet anscheinend: sehr wenig“2.

Im Blick auf den populären Umgang mit der Wirklichkeit Gottes und im Hinblick auf den unkritischen Gebrauch von Gottesbildern in den Kreisen von theistisch Glaubenden muss man allerdings zugestehen, dass er nur die Kehrseite dieser Medaille ist. Er selbst bezieht die Entwicklung von Intelligenz hingegen auf den Evolutionsprozess einer nichtgöttlichen Natur. Die Evolutionstheorie gilt für ihn als selbstverständlich sinnvollste Hypothese unserer Zeit3. Die Frage nach der Faktizität unserer Wirklichkeit überhaupt, warum also überhaupt etwas ist und nicht Nichts, ist für ihn auf eine unthematische Weise nicht relevant. „In diesem Buch wird dagegen eine ganz andere Ansicht vertreten: Jede kreative Intelligenz, die ausreichend komplex ist, umgehend etwas zu gestalten, entsteht ausschließlich als Endprodukt eines langen Prozesses der allmählichen Evolution“4. Dawkins schränkt seine Betrachtungen über Gott dann im Folgenden ein auf den Gott der abrahamitischen Religionen und dort speziell auf das Christentum. „Damit die einfache Definition der Gotteshypothese, die ich an den Anfang gestellt habe, den abrahamitischen Gott beschreibt, muss sie noch beträchtlich ausgebaut werden. Er hat das Universum nicht nur erschaffen, sondern er ist ein persönlicher Gott, der darin oder vielleicht auch außerhalb davon (was immer das bedeuten mag) wohnt und die unangenehmen menschlichen Eigenschaften besitzt, auf die ich bereits angespielt habe“5. Im Hinblick auf die Einfachheit der philosophischen beziehungsweise religionsgeschichtlichen Bildung entspricht Dawkins den Positionen der Vertreter der Präastronautik, insofern er die Texte des Alten 1 2 3 4 5

Dawkins, 2007, 46. Dawkins, 2007, 49. Dawkins, 2007, 391- 393. Dawkins, 2007, 46. Dawkins, 2007, 55.

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und Neuen Testaments wie vermeinte Tatsachenberichte liest und dann für unwahrscheinlich, rein mythologisch und darüber hinaus als inhuman ‚entlarvt‘. Die hypothetischen Reflexionen, die Dawkins im Anschluss an das SETI-Projekt anstellt, weisen schon durchaus in die Richtung der präastronautischen Längeren Gedankenspiele1. Zunächst einmal geht er von der neomythischen Voraussetzung aus, dass es höchstwahrscheinlich außerirdische Zivilisationen, die übermenschlich und auf eine Weise gottähnlich sind, in unserem Universum gäbe. Würden wir mit solchen Außerirdischen konfrontiert werden, würden sie uns wie Götter erscheinen. Sie wären dann allerdings übermenschlich aber nicht übernatürlich. Der entscheidende Unterschied zwischen Göttern und gottähnlichen Außerirdischen läge nicht in irgendwelchen speziellen Eigenschaften, sondern beträfe ihre Entstehungsgeschichte. Sie seien nämlich wie wir Produkte eines Evolutionsprozesses. Götter hingegen seien reiner Hokuspokus. Es soll aber doch – so die neomythische Bedürfnislage – immer besser werden. Das neomythische Denken tendiert gerade zum Optimum möglichen persönlichen und menschheitlichen Fortschritts. Fasst man mit Rapp den Fortschrittsbegriff so, „... daß eine zeitliche Folge vorliegt, daß die in dieser Folge auftretenden Phänomene nicht isoliert und beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern daß zwischen ihnen ein kontinuierlicher Zusammenhang besteht, und daß innerhalb dieses Zusammenhangs etwas Neues auftritt, das als ‚positiv‘ und im Vergleich zum Vorhergehenden als ‚besser‘ zu bewerten ist. Dabei durchbricht das positiv zu bewertende Neue die Kontinuität dessen, was aus der Vergangenheit überkommen ist und schafft vorher nicht bestehende Möglichkeiten für die Zukunft. Dies innovative, produktive Element macht denn auch das eigentliche Zentrum des Fortschrittsgedankens bzw. des unterstellten Fortschrittsgeschehens aus“2. Für Dawkins geht es aber – wenn wir Rapp paraphrasieren – im Hinblick auf manche evolutiven Veränderungen zwar auch um ein die Kontinuität durchbrechendes Neues aber doch nur um das pure Überleben, nicht um etwas Positiveres oder Besseres und zwar nicht um das Überleben des Einzelnen und nicht um das der Menschheit, sondern nur um das Überleben der Replikatoren, die Meme bewahren, gleichgültig, was das für Meme sind. Diese Replikatoren könnten – nach dawkinsschen Prämissen – aber auch bewusst agierende androidische Festplatten sein. Nun kann vom Dawkinsschen ‚Darwin-Ismus‘ zum ‚die‘ Evolutionstheorie zwar voraussetzenden, aber mit Orientierungssuche und Heilsgedanken versehenden präastronautischen Denken übergegangen werden.

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Zitate im folgenden SETI betreffenden Gedankengang kursiviert aus Dawkins, 2007, 104ff. Rapp, 1992, 20.

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Wir werden uns jetzt, nach der Darstellung der präastronautischen Fantasien von Vertretern der raumfahrtwissenschaftlichen Elite, den Epigonen, also dem exoterischen Kreis der Präastronautiker zuwenden. Die soziobiologische Theorie von Richard Dawkins wird von einer breiten Öffentlichkeit rezipiert, die ein Interesse an einer Abgrenzung vom Christentum hat. Wenn zu diesem Interesse noch das einer alternativen Sinnorientierung kommt, dann bietet sich seine Theorie der Replikatoren und der Meme als Ausgangspunkt Längerer metaphysischer Gedankenspiele an, die auch gute Anknüpfungspunkte für die Präastronautik bieten. Wenn hier auf Dawkins Bezug genommen wurde, so geschah dies nicht, um direkte geistesgeschichtliche Rezeptionsströme festzumachen, sondern um zu zeigen, dass es im Zusammenhang der Kulturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und des 21. Jahrhunderts Denkfiguren gibt, durch die die präastronautische Theorie in ihrer Faszination verständlich gemacht werden kann. Die Präastronautik erscheint dann als eine wichtige populäre Rezeptionsform entsprechender Denkfiguren, die ‚in der Luft‘ der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und des 21. Jahrhunderts liegen, auch wenn man die betreffenden Autoren, die diese Denkfiguren explizit machen, nicht kennt, beziehungsweise wenn diese in ihrem Denken zeitgleich oder sogar später auftreten. Durch die Denkfiguren dieser Autoren, kann man entsprechende populäre Bedürfnislagen und ihre Artikulation vertieft und deutlicher zum Sprechen bringen. Wenn thematisch oder unthematisch vanitas in einem nicht mehr durch einen personalen Gott gehaltenen Kosmos zum Lebensgefühl wird und tempora mutantur, nos et mutamur in illis zu einem kosmischen Gefühl der Unübersichtlichkeit führt, dann sucht mancher in dieser nachchristlichen Zeit nach neuen Festhaltepunkten. Die bei Dawkins ‚trostlos‘ gefasste ‚Ewigkeit‘ der Replikatoren und ihre ‚Vergeistigung‘ in den Memplexen1 bringt ein Bedürfnis auf den begrifflichen Punkt, das die Präastronautik dann durch den Gedanken einer götterastronautisch festgeschriebenen genetischen Schöpfungsordnung, die sich mit der Evolutionstheorie versöhnen zu lassen scheint, ausführlich in sinnstiftender Form zur Sprache bringt.

III. Unmittelbare Vorgänger von Dänikens Erich von Däniken ist der internationale Repräsentant der Präastronautik. Es gab vor ihm aber nicht nur im raumfahrtwissenschaftlichen Sektor Präastronautikautoren. Es sollen im Folgenden einige frühe, zum Teil aus der Wissenschaft und meist zugleich aus dem Bereich der Esoterik stammende Vorreiter der Präastronautik vorgestellt bzw. ausgeführt werden. Dabei geht es nicht mehr um den Bezug auf 1

Vgl. Dawkins, 2007, 275f.

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Wissenschaftler, die eine Höchstleistung erbracht haben, sondern um Autoren, die als Präastronautik-Vertreter zugleich Wissenschaftler sind. Allerdings sind auch einige von diesen namhafte Vertreter ihres Faches, gehören allerdings nicht wie die vorhergehende erwähnten zur wissenschaftlichen Weltelite. Wenn ich hier von Vorreitern der Präastronautik spreche, dann setze ich als symbolischen Starttermin für deren Siegeszug das Jahr 1968 an, in dem Erich von Däniken seinen Erstling Erinnerungen an die Zukunft publiziert. Wer sich vorher zum Themenbereich geäußert hat, gehört zu den Vorreitern. Es handelt sich bei diesen, die hier exemplarisch Erwähnung finden sollen, um Iosif Shklovsky (1916-1985), Matest M. Agrest (1915-2005), Robert Charroux (eigentlich: Robert Grugeau, 1909-1978) und Brinsley Le Poer Trench (19111995).

1.

Iosif Shklovsky: der Marsmond Phobos ist ein künstlicher Satellit

Iosif Samuilowitsch Shklovsky1 ist ein sowjetischer Astronom, der durch seine Forschungen zur Synchrotronstrahlung des Krebsnebels in der Fachwelt bekannt geworden ist. Er erhält an Auszeichnungen die Bruce Medal, den Jansky-Preis und den sowjetischen Lenin-Preis. Er gehört zu denen, die sich schon in den sechziger Jahren mit der Frage möglicher außerirdischer Zivilisationen beschäftigt haben. Der Asteroid Nummer 2849 wurde nach ihm benannt. Shklovsky verfasst 1962 in russischer Sprache das Buch The Universe, Life, and Mind, das in einer Schriftenreihe der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau erscheint. In einer gemeinsam mit Carl Sagan überarbeiteten und erweiterten Fassung erscheint es 1966 unter dem Titel Intelligent Life in the Universe. Aufsehen erregt darin seine These, dass der Marsmond Phobos ein künstlicher Satellit sein könnte. Vorher erscheint schon 1959 ein Interview in der sowjetischen Zeitung Komsomol‘skaya Pravada unter dem Titel Artificial Satellites of Mars. An interesting hypothesis by a Soviet Scientist. Shklovsky sagt dort: „Die Veränderungen in den Bewegungsabläufen von Phobos sind so groß, dass wir mit Sicherheit sagen können: wir werden Zeugen des langsamen Todes eines Himmelskörpers. Am Ende, in nur fünfzehn Millionen Jahren wird Phobos auf den Mars fallen“2. Und etwas später nimmt dann Shklovsky definitiv Stellung: „Nun, kann ein natürlicher Himmelskörper hohl sein? Niemals! Deshalb muss Phobos künstlichen Ursprungs und ein marsianischer Satellit sein“3. Er verweist auf die Diskussion über die mögliche 1

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Vgl. dazu http://phys-astro.sonoma.edu/BruceMedalists/Shklovskii/ und auch http://de.wikipedia.org/wiki/Iossif_Samuilowitsch_Shklowski. Shklovsky, 1959, 3. Shklovsky, 1959, 4.

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Hohlheit des Mondes und sagt dann: „… ein natürlicher Trabant kann kein hohles Objekt sein. Aus diesen Gründen halten wir es für möglich, dass Phobos – und möglicherweise auch genauso Deimos – künstliche Satelliten des Mars sein könnten…“1. Heute ist diese Hypothese, was etwa die geringe Dichte von Phobos betrifft, widerlegt. Und schon 1964 schreibt Öpik im IRISH ASTRONOMICAL JOURNAL, dass diese Vermutung schon damals „allgemein skeptisch aufgenommen wurde“2. Shklovskys Überlegungen im 33. Kapitel3 über Mögliche Konsequenzen eines direkten Kontaktes weisen ihn allerdings als einen (selbst-)kritischen Autor aus, der den präastronautischen Ideen eines Matest oder den SETI-Forschungen mit Distanz begegnet. Da tauchen – unter Rückgriff auf Matest M. Agrest – die mittlerweile präastronautisches Allgemeingut gewordenen Bezüge auf vor- und frühgeschichtliche Felszeichnungen aus der Sahara auf, die er skeptisch betrachtet. Er merkt an, dass die ‚Reiseberichte‘ im slawischen Henochbuch, in ihrer spezifischen metaphysischen Intention außerdem noch dadurch gekennzeichnet seien, dass „die Astronomie weitgehend falsch ist und dass es keine deutliche extraterrestrische Motivation“4 für die Inszenierung der beschriebenen Ereignisse gäbe. Sein Landsmann Matest M. Agrest ist in seinen präastronautischen Vorstellungen wesentlich vollmundiger.

2.

Matest M. Agrest: Sodom und Gomorrha durch extraterrestrische Wesen zerstört

Matest M. Agrest5 ist ein russischer Mathematiker, der bis zu seiner Pensionierung 1992 an der Leningrader Universität arbeitet. Sein wissenschaftliches Hauptwerk ist die zusammen mit Michail S. Maksimov veröffentlichte Theory of Incomplete Cylindrical Functions and their Applications (1971). In der Zeit seines Ruhestandes emigriert er in die USA. Neben seinen fachwissenschaftlichen Artikeln publiziert er im Bereich der Präastronautik und gehört zu denen, die Erich von Däniken direkt beeinflussen. Dies gilt etwa für seine Theorie der Zerstörung von Sodom und Gomorrha durch extraterrestrische Wesen. In einem im Organ der ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY erschienenen Beitrag schreibt er, dass er sich ab 1959 mit Paläokontakten durch außerirdische Intelligenzen beschäftigt habe. Sein problematisches Wissenschaftsbild wird deutlich, wenn man liest, dass er einerseits davon ausgeht, dass die präastronautische Theorie eine erfahrungswissenschaftliche Begründung haben müsse und dass er als

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Shklovsky, 1966, 373, Übersetzungen in Folgenden L.H. Öpik, 1964, 281, Übersetzung L.H. Shklovsky, 1966, 448-464. Shklovsky, 1966, 454. Zur Biografie vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Matest_M._Agrest.

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Beispiele für Bezugswissenschaften die Philosophie und in dieser, als ihren deepest part, die Theosophie anführt1. Er habe davon geträumt den Beweis für die Nachhaltigkeit der Präastronautik in alten Manuskripten zu finden. Dabei sei bald seine Aufmerksamkeit auf das Alte Testament gelenkt worden und er habe in Gen 6,4 die Passage über die Riesen als Söhnen der Engel gelesen. Der weiter oben angesprochenen präastronautischen Hermeneutik entspricht dann, dass Agrest selbstverständlich voraussetzt: „Kein Buchstabe ist in den Schriften bei der Abschrift seit 2500 Jahren verändert worden“2. Nachdem er diese Voraussetzung macht, greift er das hebräische Wort Nephilim auf und behauptet, dass sich dieses Substantiv auf die Bedeutung von ‚Dinge die aus dem Himmel fallen‘ beziehe3. Und wenn dann schon etwas vom Himmel fällt, kann man gleich auch noch die Zerstörung von Sodom und Gomorrha als eine nukleare Aktion der Außerirdischen interpretieren. „Die Einwohner wurden von der tödlichen Gefahr gewarnt (vor der Explosion), vor Blindheit (durch den intensiven Blitz) und vor Verletzung (durch die eindringende Radioaktivität)“4. Am Ende seines Aufsatzes formuliert Agrest einige u.a. kosmoanthropologische Prinzipien seines präastronautischen Ansatzes: „Schlussfolgernd ergibt sich: 1. Die Erde ist einstmals von extraterrestrischen Astronauten besucht worden. 2. Diese Astronauten waren menschenähnliche Wesen. 3. Es gibt viele Planeten im Universum die von intelligenten Wesen bewohnt werden. 4. Anthropomorphismus ... ist ein universales Prinzip bei intelligenten Wesen. 5. Es ist Zeit, die grundlegenden philosophischen Prämissen über das irdische Leben in Übereinstimmung mit den vorangehenden vier Schlussfolgerungen zu bringen“5. In einem späteren Aufsatz über Experimental Proof of the Paleocontact Hypothesis6 weist er dann noch einmal auf die Vernichtung der beiden Städte hin und geht von der Voraussetzung aus, dass neuere Untersuchungen der Beschaffenheit des Untergrundes des Toten Meeres den Beweis einstiger massiver radioaktiver Strahlung erbringen würden.

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Agrest, 1994a, 1. Agrest, 1994a, 2. Ein Thema, das er auch in Agrest, 1994b wieder aufgreift. Agrest, 1994a, 2. Agrest, 1994a, 3. Agrest, 1995b.

466 3.

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Le Poer Trench: Im HOUSE OF LORDS zwischen alter Systemesoterik und Präastronautik

William Francis Brinsley Le Poer Trench, 8th Earl of Clancarty, 7th Marquess of Heusden1 gehört nicht nur zum irischen Hochadel (Peer) und als Marquis von Heusden auch zum niederländischen Adel, sondern er kann zugleich darauf verweisen, dass er seine Ahnen bis in das zweiundsechzigste Jahrtausend v. Chr., der Zeit als Außerirdische auf der Erde gelandet seien, zurück zu verfolgen vermag. Schon seine Herkunft weist ihn also als ‚geborenen‘ Vertreter der PräastronautikTheorie aus. Er ist auch Anhänger der durch den us-amerikanischen Arzt und Kultgründer Cyrus Reed Teed (1839-1908) erstmals aufgestellten Theorie vom Innenweltkosmos (‚Hohlwelttheorie‘). Seine Bildung erwirbt er am PANGBOURNE NAUTICAL COLLEGE, arbeitet später als Annoncenaquisiteur für eine Gartenzeitschrift und kann sich nach dem Erfolg seines ersten Buches (1960) als freier Schriftsteller selbstständig machen. Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt Trench sich für UFOlogie zu interessieren und arbeitet (eventuell sogar als Herausgeber) am Flying Saucer Review mit und gründet 1956 das International UFO Observer Corps, das bis 1960 Bestand hat. Er wird 1962 Vizepräsident der The British UFO Research Association (BUFORA) und ist ebenfalls Vorsitzender des 1965 gegründeten International Committee of the International Sky Scouts. Später (1967) werden die Sky Scouts in Contact International umbenannt und Trench wird zu ihrem ersten Präsidenten. Nach dem Siegeszug der Präastronautik im Gefolge der Publikationen Erich von Dänikens wird er lebenslanges Ehrenmitglied der Ancient Astronauts Society. 1975 erhält er einen Sitz im britischen Oberhaus und versucht dort seinen Standpunkt deutlich zu machen. Trench, hält dort als Earl of Clancarty am 18. Januar 1979 eine Rede, in der er auf die seiner Ansicht nach erwiesene Realität von Ufos Bezug nimmt2. Er verweist zunächst auf seine fachwissenschaftliche Reputation als UFO Forscher, der viele einschlägige Bücher geschrieben habe. Zu diesem Zeitpunkt kann er als Publikationen The Sky People (1960), Men Among Mankind (1962), Forgotten Heritage (1965) und The Flying Saucer Story (1966) vorweisen.

Es folgt dann ein knapper historischer Hinweis, dass es schon vor der Jetztzeit, in der UFOs eine öffentliche Bedeutsamkeit bekommen hätten, Berichte über unbekannte Flugobjekte gegeben habe. Trench verweist dabei auf Thutmose III., der zusammen mit seiner Armee Zeuge eines UFO-Auftauchens gewesen sei. Nach

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Die wesentlichen biografischen Informationen finden sich bei: http://bearalley.blogspot.de/2013/10/brinsley-le-poer-trench.html. Der Wikipedia-Artikel http://en.wikipedia.org/wiki/Brinsley_Le_Poer_Trench,_8th_Earl_of_Clancarty und eigentlich nur neue Informationen bezüglich des Namens. Vgl. Das Scan des Protokolls der Oberhaussitzung in: http://openminds.tv/pdf/ufo-files/house_of_lords_ufo_report_1979.pdf.

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Bezügen auf die legendären Foo fighter, die im Zweiten Weltkrieg gesehen worden seien, auf Kenneth Arnold und ‚namhafte‘ Astronomen, die ebenfalls UFOSichtungen gehabt hätten, wendet er sich dann ‚empirischen‘ Details der aktuellen UFO-Forschung und entsprechenden, nahe zurückliegenden Sichtungserlebnissen zu. Bedeutsam ist für ihn zum Schluss der Verweis auf den französischen Verteidigungsminister Robert Galley (1921-2012), der 1974 in einem Radio-Interview gesagt habe, dass man in Frankreich seit 1954 UFO-Sichtungen kenne und systematisch sammele. Über den Herkunftsort dieser unbekannten Flugobjekte könne er nichts sagen ebenso würde sich die NASA in Zusammenarbeit mit den Franzosen um dieses Thema kümmern. Trenchs Fazit besteht dann in dem Aufruf zur Gründung eines amtlichen UFO-Untersuchungsausschusses durch die Regierung, der die Regierungen anderer Staaten miteinbezieht. Das Thema Präastronautik ist für den UFOlogen Trench noch stark eingebettet in den Rahmen der traditionellen Systemesoterik des 19. Jahrhunderts. In seinem Buch Men among Mankind (1962) das später unter dem Titel Temple oft the Stars (1973) publiziert wird, erweist er sich noch stark eingebunden in den Kontext von Astrologie, Welteislehre und esoterisch gedeuteter Mythologie. Er spricht etwa von einer uralten magic science1 und einer magic geometry and the secret science of the gods2. Es gebe eine uralte Bruderschaft zwischen den Erdenmenschen und einer anderen Menschenart among the stars3. In unserem wissenschaftlichen Zeitalter sei diese Erinnerung als astrologischer Glaube überliefert. Sogar dann, wenn es zu einem Atomkrieg käme, würden diese unterschwelligen Erinnerungen nicht untergehen und etwa im Gebrauch der Tarotkarten weiter tradiert werden. Als ob die restlichen Konsequenzen eines Atomkrieges keine Rolle spielten, schreibt Trench: „Das wäre ein schrecklicher Schlag und eine große Demütigung der modernen Wissenschaft, aber es wäre ein gleichgewichtig großes und lebendes Zeugnis für die uralte Tradition des Überlebens am Fuße der Pyramide“4. Nur die elementarsten Wahrheiten der Menschheit hätten dann nämlich eine Überlebensmöglichkeit.

Derartige Erinnerungen an die Sternenmenschen gebe es auf der Welt in den verschiedensten Formen die sich in der weltweiten Verehrung der Sonne bündelten. Unsere aktuelle Zivilisation beruhe auf den Überlieferungen, die die Kultur von Atlantis hinterlassen habe. Hörbigers Welteislehre bzw. die ihr beigefügten katastrophistischen Elemente werden dann von Trench angeführt, um den Untergang von Atlantis 25.000 Jahre vor unserer Zeit zu lozieren. Seitdem habe es weitere globale Katastrophen gegeben. Was auch immer die einzelnen Zeitalter von den

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Trench, 1976, 65; Übersetzungen im Folgenden L.H. Trench, 1976, 65. Trench, 1976, 11. Trench, 1976, 11.

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vorangegangenen behaupten mögen, so sei es doch auf jeden Fall so, dass es sich immer durchziehende Ideen in der Menschheit gebe. Diese Ideen, sofern sie über das bloße tierische Interesse am Überleben hinausgingen – so etwa die von einem Universum geschaffen von dem Great Architect Himself1 seien uns eingegeben, weil die Great Universal Intelligence2 dies getan habe. Zahlreiche Relikte aus alten Zeiten erinnerten die Menschen an die uralten Zeiten. Zahlreiche vorzeitliche Kraftlinien (Dragon Paths), die die Kommunikation mit den Sternenmenschen regelten, durchzögen unseren Planeten und würden heute zu gern gewählten Anflugschneisen für UFOs3. „Unbezweifelt hatte die alte Welt eine gegenüber der unsrigen weit vorangeschrittene Zivilisation. Nach dem Auftreten von Katastrophen … verschwanden unsere Kultur und Zivilisation und wir haben nun nur noch geheimnisvolle Orte wie das Sonnentor von Tiahuanaco, Stonehenge, Avebury, Carnac in Frankreich, Baalbeck, Easter Island und einige wenige andere Plätze die uns an die vergangene Herrlichkeit erinnern. Die Überlebenden mussten auf eine ganz primitive Art wieder anfangen. … Die Drachenpfade sind eine Erinnerung an die lange vergangenen Zeiten in der dieser Planet in offener Verbindung mit außerirdischen Menschen stand die als die Drachen- oder Schlangenmenschen bekannt waren“.4

Wenn wir unser jetziges Zeitalter betrachteten, das um 8500 vor Christus begonnen habe, so stießen wir auf eine extrem uninspirierte und innovationsfeindliche Art von Menschsein. Menschen seien von Natur aus verharrend und wenig interessiert an Neuerungen. Es habe schon eines drastischen Anstoßes bedurft, damit die Menschheit aus diesem trägen Zustand habe heraustreten können. Man könne es sich vielleicht so vorstellen, dass tierartige Menschen mit einer Sky Person zusammentrafen und sich dann ein regelmäßiger Kontakt ergeben habe. Diese Institutionalisierung eines Kontaktes sei durch die Aufstellung eines Gedenksteines anschaulich gemacht worden. Auf einmal, in dieser Zeit, habe man etwa begonnen rohe Säulen zu errichten. Sie seien Erinnerungen an außerirdische kulturell fortgeschrittene Besucher. „Vielleicht wurde die erste dauerhafte Unterkunft jahrhundertelang gar nicht vom Erdenmenschen selbst benutzt. Nach den Anweisungen seiner Besucher errichtet, war sie vielleicht das erste religiöse Bauwerk, der erste Tempel“5. Um den Gedenkstein herum bzw. dann im Kontext des ersten Tempels habe sich ein Opferkult etablieren können, der zum Ursprung der Religion geworden sei6. Zugleich habe sich im animal-man1 die Sehnsucht geregt so zu werden wie der Sternenmensch – er habe sein wollen wie Gott. 1 2 3 4 5 6

Trench, 1976, 26. Trench, 1976, 26. Trench, 1976, 64f. Trench, 1976, 65. Trench, 1976, 71. Trench, 1976, 73.

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Trench baut seine präastronautischen Gedanken in sein noch eher dem 19. Jahrhundert verhaftetes System ein, das für unseren Kontext einer Hinführung zu Erich von Däniken nicht relevant ist. Der letzte Vorgänger von Dänikens, Robert Charroux, war einige Zeit ein deutlicher Konkurrent.

4.

Von Dänikens direkter Vorfahr: Robert Charroux

Der französische Schriftsteller Robert Charroux (eigentlich: Robert Grugeau)2 verfasst mit Phantastische Vergangenheit. Die unbekannte Geschichte der Menschen seit hunderttausend Jahren (Histoire Inconnue des Hommes Depuis Cent Mille Ans, 19631) ein Buch, das zusammen mit Jacques Bergiers und Louis Pauwels Aufbruch ins dritte Jahrtausend (Le Matin des Magiciens, 19591) die grundlegenden Themen anspricht, die später durch Erich von Däniken grenzwissenschaftliches Allgemeingut werden3. Stoczkowski führt an, dass 71,8% der archäologischen Stätten, auf die sich von Däniken 1968 bezieht, auch in den Büchern von Charroux und Bergier/ Pauwels erwähnt werden4. Bergier und Pauwels entwerfen eine evolutionistische Geschichtsphilosophie, die in dem transhumanistischen Gedanken kulminiert, dass die Menschheit sich auf einem Entwicklungswege befinde, an dessen Ende sich der spätere Übermensch vom heutigen Menschen so unterscheiden werde, wie sich der heutige vom Tiere unterscheide5. Sie sind in ihrer Interpretation der archäologischen Funde noch so stark durch die Systemesoterik des 19. Jahrhunderts geprägt, dass hier nur Charroux, den die beiden deutlich beeindruckt haben6, Berücksichtigung finden soll. Wir hören zu sehr den retrospektiven denn vorwärts gerichteten Nachklang von Madame Blavatskys Geheimlehre wenn Bergier und Pauwels etwa davon schreiben dass sich die „führenden Persönlichkeiten jener hohen Kultur, die großen Weisen, die Söhne der Geister anderer Welten, nach der Katastrophe von Gobi in einem riesigen Höhlenbezirk unter dem Himalaja“ angesiedelt hätten7. Die Söhne der Geister anderer Welten verharren im 19. Jahrhundert. Charroux ist hingegen gleichsam das direkte Missing Link zu Däniken, der von ihm sehr viel mehr als nur Hinweise auf archäologische Stätten übernimmt. Es kommt fast zu einem Plagiatsprozess. DER SPIEGEL schreibt: „Daß es zwischen Werken dieser Art gewisse Zusammenhänge gibt, leugnet selbst Däniken nicht, ‚denn sämtliche 1 2 3 4 5 6 7

Trench, 1976, 73. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Charroux. Vgl. Stoczkowski, 1999, 48f. Stoczkowski, 1999, 54. Stoczkowski, 1999, 147f. Charroux, 1972, 21. Pauwels/ Bergier, 1962, 376.

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Werke, welche etwa in dieser Richtung liegen, bringen immer wieder dasselbe‘. Gleichwohl, die Übereinstimmungen zwischen Däniken und Charroux hatten auch den Econ-Chef ‚stutzig gemacht‘, zumal das Charroux-Werk nicht einmal im Quellenverzeichnis des Däniken-Buches stand. Während noch Herbig-Verlagsleiter Dr. Fleissner (der Verleger von Charroux, L.H.) von seinem Rechtsanwalt die juristische Lage klären ließ (Fleissner: ‚Ein Plagiatprozeß könnte kommen‘), bot Wehrenalp (Dänikens Verleger, L.H.) an, die Münchner und Düsseldorfer sollten gemeinsam für ihre beiden Phantasie-Autoren werben. Als einen ersten Schritt auf diesem Wege will der Econ-Verleger das Charroux-Buch als Däniken-Quelle offiziell anerkennen. Wehrenalp: ‚Wir haben den Charroux-Titel in das Literaturverzeichnis der neuen Auflage des Däniken-Buches aufgenommen‘“1. Im Hinblick auf die gemeinsamen geschäftlichen Interessen haben beide Autoren wohl auf weitergehende gerichtliche Schritte verzichtet.

Wenden wir uns Robert Charroux zu. Sein 1963 zuerst erschienenes Buch über Phantastische Vergangenheit. Die unbekannte Geschichte der Menschen seit hunderttausend Jahren setzt ein mit dem Hinweis auf eine „unbekannte Geschichte der Menschen“, die jetzt als „unbekannte Vergangenheit mit der phantastischen Gegenwart“2 verbunden werden kann. Diese Verbindung bzw. neue Perspektive sei möglich geworden, weil das Weltbild der Menschen sich heute radikal geändert habe. Die gängigen Paradigmen der Wissenschaften seien in eine Krise geraten – „und selbst die Kugelgestalt der Erde werde(n) für ungenau erklärt“3. Auf dem Hintergrund dieser geistesgeschichtlichen Umwälzung präsentiert Charroux seine Theorie der fantastischen Vergangenheit, die er als Primhistorie4 bezeichnet: Der erste Teil dieser Theorie bezieht sich auf die Existenz einer vorangegangenen uralten Zivilisation: „Vor unserer Zivilisation hat es schon eine viel ältere gegeben. … Vor ihrem Tode haben unsere urältesten Vorfahren, die wußten, daß Überlebende nach einem langen und beschwerlichen Weg versuchen würden, das Abenteuer ‚Mensch‘ neu zu bestehen, unseren unmittelbaren Vorfahren eine Botschaft hinterlassen, die künftige Generationen vor ihrem eigenen furchtbaren Schicksal bewahren sollte: Hütet euch vor der Wissenschaft. Hütet euch vor dem Feuer“5. Die früheren Menschen hätten sich vor Jahrtausenden durch atomare Katastrophen nahezu ausgerottet. Das wesentliche Movens für Charroux‘ Warnung vor der Wissenschaft ist die zum Kalten Krieg gehörende Gefahr eines Atomkrieges bzw. einer atomaren Verseuchung. Die letzten Zeilen seines Buches erzählen die Geschichte von einer Demonstration von Menschen nach dem Beginn amerikanischer und russischer Atombombenversuche. Sie seien vor die wis1

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DER SPIEGEL vom 17. März 1969, 84. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45763499.html. Vgl. ausführlich Vgl. Stoczkowski, 1999, 47-50. Charroux, 1972, 10. Charroux, 1972, 11. Charroux, 1972, 23. Charroux, 1972, 12.

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senschaftlichen Laboratorien gezogen. „Sie führten Transparente mit sich, auf denen die Worte standen: Sagt nein zur Atombombe! Bewahrt die Welt vor der Katastrophe! Sie haben nicht zu Gott gebetet. Sie haben sich unmittelbar an die Wissenschaftler gewandt, die die Verantwortung tragen für Hiroshima und Nagasaki.1“

Der zweite Teil dieser Theorie entfaltet sich im Ausgang von der Alternative, ob diese ersten Menschen von der Erde oder aus dem Kosmos stammten. Charroux entscheidet sich für die präastronautische Interpretation und führt etwa mögliche Bewohner der Venus als unsere Ureltern an. Von den Atlantiden werde gesagt, dass sie blaue Hautfarbe bzw. blaues Blut gehabt hätten. Aus diesem Grunde erscheint es Charroux als durchaus plausibel, dass Berichte des Philosophen Platon oder auch neuere Hypothesen aus der Sowjetunion die Venus als Ausgangspunkt der Atlantiden annähmen. „Der Bericht Platons und die sowjetische Darstellung gewinnen eine besondere Bedeutung, wenn man die darin enthaltenen Ausführungen auf vom Planeten Venus auf der Erde gelandete Wesen bezieht. Auf jenem Planeten nämlich hat die Atmosphäre einen hohen Gehalt an Kohlendioxid, was die Blaufärbung der Haut auf natürliche Weise erklären würde“2. Besonders im Zusammenhang der präkolumbianischen Ausgrabungsstätte von Tiahuanaco lasse sich diese Hypothese bekräftigen. „Vom Planeten Venus kommende Wesen haben auf dem Hochplateau der Anden eine wunderbare Kultur begründet“3. Auf der Basis dieser präastronautischen Kulturstiftertheorie kann ein Erich von Däniken seine Theorie ausbauen. Die in der Folge auftauchenden präastronautischen Musterbeispiele wie etwa die Auffassung, dass die alttestamentliche Bundeslade ein technisches Gerät sei (elektrischer Kondensator4) prägen in der Folgezeit die einschlägigen Diskussionen. Zugleich wird aber auch bei der Lektüre verständlich, dass Charroux nicht diesen rasanten Durchbruch zu einer Präastronautik-Massenlektüre zu Stande bringen konnte. Zu sehr bewegt er sich im reinen Aufzählen von parawissenschaftlichen und esoterischen Informationen die teilweise auch noch zu sehr der älteren Systemesoterik verbunden sind. So gibt es für ihn immer noch viele geheimnisvolle Stätten mit geheimnisvollen Weisheitsträgern. Er grenzt sich auf der einen Seite gleichsam von der Konkurrenz ab und behauptet zugleich die esoterischen Prämissen derselben: „Es gibt in der Tat nur eine Gewißheit, die von den Scharlatanen geschickt ausgebeutet wird: Tibet ist das Weltzentrum der schwarzen Magie, vielleicht sogar auch der weißen Magie, wie es manche Eingeweihte wahrhaben wollen“5.

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Charroux, 1972, 288, Hervorhebungen durch den Autor. Charroux, 1972, 50f. Charroux, 1972, 55. Charroux, 1972, 75. Charroux, 1972, 108.

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Und weiter ist seine Rezeptionsweise der apokalyptischen Bildwelt zu sehr vom Muster des Weltuntergangs und nicht dem einer apokalyptischen, hoffnungsvoll stimmenden Jenseitsreise bzw. dem Blick auf ein (neues) heiles Zeitalter geprägt. „Nun, die durch Röntgenaufnahmen, durch Medikamente, Fernsehen usw. verursachten Strahlenschäden werden in den nächsten 5000 Jahren immer häufiger auftreten. … Auf jeden Fall sind schon 75 % der Bewohner unseres Planeten für die nächsten 5000 Jahre strahlenverseucht“1.

Erich von Däniken ist hingegen in der Lage, bündig seine Theorie in einer These zu präsentieren und in hohem Maße auf Begriffe aus der vergangenen Systemesoterik blavatskyscher Provenienz zu verzichten. Er liefert viel weniger Belege und viel weniger Text und dafür aber eine für den Leser gut operationalisierbare These, die scheinbar in jedem Museum auf ihre Triftigkeit erprobt werden kann. Ein letztes Wort noch zu der Gotteslehre von Charroux. Robert Charroux fasst seinen Gottesbegriff stärker – wenn auch nicht konsequent – im Kontext eines evolutionären Denkens. Sein Gott beginnt seine Entwicklung an einer Art von Nullpunkt und entfaltet sich beziehungsweise das Universum dann zu zunehmender spiritueller wie materieller Differenziertheit und Bewusstheit2. Es gebe einen – so schreibt er kryptisch in seinem ersten Buch – „pulsierenden Mikrokosmos, wo das Ding pocht“3. Die Religion müsse an unsere heutige wissenschaftlichen Erkenntnis angepasst und die alten mythischen Gottesvorstellungen müssten verlassen werden. „Bleibt nicht für die Menschen, die sehen können, das unbekannte Vernunftsprinzip allgegenwärtig und wunderbar auch in seinen bescheidensten Offenbarungen? Ein Ährchen des Flughafers fällt auf den Erdboden. Man muß es lange, sehr lange beobachten, aber in einem bestimmten Augenblick, auf das ‚Top-Signal‘ seiner Intelligenz hin, wird es unaufhaltsam anfangen zu kriechen, zu laufen, zu springen, bis es eine Höhlung oder eine Spalte findet, in die es eindringen kann“4.

Auch zu diesem Thema wird Erich von Däniken breitenwirksam Verständlicheres zu sagen haben.

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Charroux, 1972, 177. Vgl. dazu Stoczkowski, 1999, 139-142. Charroux, 1972, 287. Charroux, 1972, 288.

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IV. Erich von Däniken: „Wahrheit und Lüge sind Kriterien, die man auf meine Aussage nicht anwenden kann“ 1.

Die grundlegende Hypothese

Immer wieder wird die Hoffnung auf einen sicheren, d.h. die gesamte Menschheit überzeugenden Beweis für die Existenz von UFOs enttäuscht1. Und doch sollen UFOs da sein, über die Menschen wachen und sie in ihrem Ganzheitsstreben heilen. Nicht selten fälschen Menschen vermeintliche UFO-Fotos, um diesen Glauben öffentlich bestätigt zu bekommen. So ist der UFO-Glaube, genauso wie die hinter ihm stehende uneingestandene Erlösungssehnsucht, oft ein geradezu verzweifelter Glaube. Der UFOloge sucht dann auch in der Vergangenheit nach Erscheinungen2 und nach Überresten: er wird zum Präastronautikforscher, der in der menschlichen ,Vorzeit‘ der Bibel, der präkolumbianischen Indianer oder der Pyramidenbauten Ägyptens das an Belegen findet, was die Gegenwart an UFO-Erscheinungen nicht bietet. Mit den 1968 erschienen Erinnerungen an die Zukunft, die 1969 verfilmt werden, beginnt der Siegeszug des von Dänikens durch die Welt der wissenschaftsgläubigen Esoteriker. Zurück zu den Sternen (1969), Aussaat und Kosmos. Spuren und Pläne ausserirdischer Intelligenzen (1972) und viele andere Bücher folgen. Bis heute bringt es von Däniken (2010) auf eine weltweite Gesamtauflage von fünfundsechzig Millionen Büchern, die in zweiunddreißig Sprachen übersetzt sind3. Die Präastronautik kann in den Bereich der sogenannten Alternativarchäologie/ Cult-Archeology eingeordnet werden. Andersson charakterisiert die Alternativarchäologie folgendermaßen: alternative Archäologen beanspruchen erstens „echte, von den Vorurteilen der akademischen Welt unbeeinflusste Wissenschaft“4 zu betreiben, die sich nicht an Drittmittelinteressen und anderen strategischen Gesichtspunkten orientiere. Zweitens verwende alternative Archäologie Methoden, die in der akademischen Wissenschaft undenkbar seien. Gegenüber den empirischen Vorgehensweisen könne der alternative Archäologe auch die Wünschelrute oder das Pendel einsetzen, per Channeling Kontakt mit Verstorbenen oder außerirdischen Wesen aufnehmen und intuitive oder Traumerfahrungen einsetzen. Drittens sei es kein Problem weitreichende globale interkulturelle Vergleiche anzustellen und Mythen, Legenden, religiöse Texte und Folklore als Quellmaterial der Interpretation von Artefakten einzusetzen. 1 2 3 4

Däniken zitiert nach Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 220, Hervorhebungen durch L.H. So ein Buchtitel von Erich von Däniken. Diese Information stammt aus 2014. Summer, 2014. Andersson, 2012, 133.

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Im Gegensatz zu anderen alternativen Archäologen legt Erich von Däniken – und mit ihm das Gros der Präastronautikautoren – weniger Wert darauf in irgendeiner Weise von der akademischen Archäologie anerkannt zu werden, sondern er bewegt sich eher auf der populistischen Schiene. Es geht ihm darum seinen Lesern einen durch Filme, Fotografien und Reiseangebote vermittelten (vermeintlich) direkten Kontakt zu den Artefakten zu ermöglichen1. Dabei handelt es sich bei der Präastronautik nicht um einen oberflächlich modernisierten Aufguss alter Mythen in neuem Gewande, sondern um den Ausdruck neomythischer Hoffnungen. Die Präastronautik erfüllt die Kriterien für neomythisches Denken. Es geht um die Bewältigung von Endlichkeit unter Ausklammerung des Gedankens ihrer Radikalität. Nicht nur den Weltfrieden und einen ungeheuren Erkenntnis- und Technologieschub erhoffen sich Erich von Däniken und seine Anhänger, sondern auch eine technologisch durchführbare Befreiung vom Tod. „Was ... haben Mumien mit unserer Hypothese von Raumfahrern im grauen Altertum zu tun? Zerren wir Indizien an den Haaren herbei? ... haben irgendwelche ‚Götter‘ (= Raumfahrer) einem aufgeweckten, intelligenten Königssohn ihre Kenntnisse, wie man – nach einer speziellen Behandlung – Leichen wiedererwecken kann, mitgeteilt?“2. 1993 widmet ihm der Fernsehsender Sat1 eine fünfundzwanzigteilige Fernsehserie mit dem Titel Auf den Spuren der All-Mächtigen. Am 26. September 1996 strahlt der Fernsehsender RTL den Film Ausserirdische – kehren sie zurück? von und mit Erich von Däniken aus. Mit 4,9 Millionen Zuschauern erreicht er die höchste Einschaltquote nach zweiundzwanzig Uhr. Gemeinsam mit RTL dreht er 1997 zwei Fortsetzungen, die im Herbst des gleichen Jahres und im Frühjahr 1998 ausgestrahlt werden. Coproduzent ist der große amerikanische Sender ABC. Unter dem Titel Chariots of the Gods wird Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts eine neue Fernsehserie produziert, die Dänikens Weltbild unter dessen Mitarbeit als Sciencefiction inszeniert. Diese Serie wird ab 2003 als Nachfolgerin der bekannten Akte X-Serie weltweit ausgestrahlt. Von Däniken initiiert die Gründung der Stiftung Erich von Däniken Mysteries of the World und einer entsprechenden Aktiengesellschaft, die im Raum Interlaken einen Mystery Park errichtet. Der Park wird am 24. Mai 2003 eröffnet. Das Projekt scheitert allerdings. Der Vater der Präastronautik ist Ehrendoktor der UNIVERSIDAD BOLIVIANA (1975), Ehrenbürger der Städte Nazca und Ica in Peru, Ehrenmitglied des Ordens Codon bleu du Saint-Espit (1987), Premio Lourenço Filho in Gold und Platin (Brasilien 2003), außerdem bekommt er die Auszeichnung Ideen-Oskar als Mystery Park-Gründer.

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Lewis, 2012, 215. Däniken, 1969, 126f.

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Der Kölner Sozialpsychologe Hans Anger (1920-1998) sagt schon 1969 in einem SPIEGEL-Interview im Blick auf Dänikens erstes Buch: „Dänikens Bucherfolg ist kein normaler Bucherfolg. Da steckt mehr dahinter. Vielleicht handelt es sich – zumindest andeutungsweise um das Entstehen eines emotionalen Engagements, wie man es sonst nur auf dem Gebiet der Sektenbildung zu fassen bekommt. Um es am Gegensatz deutlich zu machen: Science-fiction-Literatur mag interessieren und sogar begeistern, aber kein Leser eines populärwissenschaftlichen Buches empfindet sich als ‚Anhänger‘ des Autors. Bei Däniken hingegen hat man – auch bei der Lektüre von Leserbriefen – das Gefühl, den Anfängen eines hitzigen Glaubensstreites beizuwohnen“1. Erich von Däniken bestreitet derartige Analysen. „Es geht auch nicht um eine ‚Ersatzreligion‘, wie manche Kritiker unterstellen. Wenn meine Theorien den ‚Geschmack‘ einer Ersatzreligion haben könnten, dann müßten logischerweise wissenschaftliche Erstgeburten, deren Embryo eine Theorie war, zunächst ‚Ersatzreligionen‘ sein …“2. In Beweise. Lokaltermin in fünf Kontinenten (1977) findet sich eine bündige Formulierung der Grundhypothese Erich von Dänikens. „Meine Theorie In vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Zeiten erhielt die Erde mehrmals Besuche von unbekannten Wesen aus dem All Diese unbekannten Wesen schufen die menschliche Intelligenz durch eine gezielte, künstliche Mutation. Die Außerirdischen veredelten die Hominiden ‚nach ihrem Ebenbild‘. Deshalb haben wir Ähnlichkeit mit ihnen. Jene nicht Ähnlichkeit mit uns Die ersten Besucher fremder Wesen aus dem Weltall wurden in Religionen, Mythologien und Volkslegenden registriert und überliefert – irgendwo durch das Depot von Zeichen ihrer Anwesenheit markiert“3. In dieser Kürze formuliert ein Autor, der mittlerweile weltberühmt geworden ist, seine Auffassung, deren Bekanntheit er bei seinen Lesern schon fast selbstverständlich voraussetzt. Auch der o.a. Buchtitel verweist darauf. Anlässlich seines 80. Geburtstags fasst Erich von Däniken in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung noch einmal seine bleibende Grundthese zusammen: Auf die Frage der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: „Wie lautet Ihr Vermächtnis, Ihre Botschaft an die Erdenbewohner?“ antwortet von Däniken: „Vor vielen Jahrtausenden landeten Außerirdische auf der Erde. Unsere Vorfahren waren Steinzeitmenschen, die hatten keine Ahnung von Technik. Sie meinten irrtümlich, die Außerirdischen wären Götter. Die sogenannten Götter haben – ähnlich wie die Ethnologen heute – ein paar Stämme studiert, ein paar Sprachen erlernt, ein paar Ratschläge erteilt,

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Anger, 1969, 213. Däniken, 1982, 64. Däniken, 1977, 7.

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dann sind sie wieder verduftet. Allerdings mit dem Versprechen, in einer fernen Zukunft wiederzukehren. Diese Götter hielten Einzug in die alten Religionen, in die Mythen, in die Legenden, und das Wiederkunftsversprechen wurde Bestandteil praktisch aller Kulte und aller Religionen, ob Christen, Juden, Muslime oder Buddhisten. Meine These lautet: Es wird wer kommen, aber kein Jesus, kein Buddha, kein Messias – sondern Außerirdische“1.

In seinem ersten Buch muss er seine Position noch ausführlicher einleiten. Von Däniken beginnt sein erstes, 1968 erschienenes Buch Erinnerungen an die Zukunft. Ungelöste Rätsel der Vergangenheit indem er eine Art Indiana Jones-Atmosphäre zu erzeugen versucht. „Dieses Buch zu schreiben, ist eine Mutfrage, es zu lesen nicht minder“2. Nach dem im esoterischen Milieu nicht ungewöhnlichen Hinweis auf die Fachwissenschaftler mit ihrer „bereits zementierten Schulweisheit“3 beginnt er seine These einzuleiten. Mit der Vergangenheit der Menschheit „... stimmt etwas nicht! In ihr wimmelt es von unbekannten Göttern, die in bemannten Raumschiffen der guten, steinalten Erde Besuch abstatteten“4. Mit dieser Behauptung sei er sich im Klaren, dass hier ein weltweit akzeptiertes, „scheinbar so perfektes Denkgebäude“5 zusammenbrechen werde. Ohne den damals (vor Kuhn) noch nicht gebräuchlichen Paradigmenbegriff explizit zu verwenden, nimmt er in Anspruch einen Paradigmenwechsel herbeizuführen, der die krisenhafte Situation der modernen Welt beheben könnte. Ohne den Aufbruch in den Weltraum hätten wir keine „Chance zum Überleben“6. Deshalb gelte: „Es ist an der Zeit, daß wir durch Entdeckungen im unendlichen, unerforschten Kosmos unsere eigene Winzigkeit erkennen. Dann erst werden wir wissen, dass wir Ameisen im Staat des Universums sind. Aber unsere Chance liegt im Weltall – nämlich dort, wo es die Götter versprachen“7. Mit der staatstheoretischen Metaphorik (Staat des Universums) finden wir schon einen Ansatz, die kopernikanische Orientierungsaufgabe zu lösen. Auf der anderen Seite aber wird mit der traditionellen Metaphorik vom Ameisenstaat die Bedeutung des Individuums im Zusammenhang dieses Paradigmenwechsels nicht sonderlich gewürdigt. Im fünften Kapitel formuliert von Däniken dann ausführlich sein Längeres Gedankenspiel, das ihn den Rest seines Lebens begleiten wird. „Wäre es angesichts der unausweichlichen Konfrontation mit der Zukunft nicht klüger, sich mit neuen, phantasievollen Gedanken unserer Vergangenheit zu erinnern? Weit davon

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http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/42927/Es-sind-die-Fantasten-die-die-Weltveraendern. Däniken, 1969, 11. Däniken, 1969, 11. Däniken, 1969, 11. Däniken, 1969, 13. Däniken, 1969, 165. Däniken, 1969, 22.

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entfernt, ungläubig zu sein, können wir es uns nicht mehr leisten, leichtgläubig zu sein. Jede Religion hat die Skizze ihres Gottes; sie ist gehalten, im Bezirk dieser Skizze zu denken und zu glauben. Derweil kommt mit dem Raumzeitalter der geistige jüngste Tag immer näher auf uns zu. Die theologischen Wolken werden sich verflüchtigen, werden wie Nebelfetzen zerrissen. Mit dem entscheidenden Schritt in den Kosmos werden wir erkennen müssen, daß es nicht zwei Millionen Götter, nicht zwanzigtausend Sekten oder zehn große Religionen gibt, sondern nur eine einzige. Bauen wir aber an unserer Hypothese der utopischen Vergangenheit der Menschheit weiter! Bis zu diesem Moment sähe es so aus: Vor grauen, noch unbestimmbaren Zeiten entdeckte ein fremdes Raumschiff unseren Planeten. Die Besatzung des Raumschiffes ermittelte sehr bald, daß die Erde alle Voraussetzungen für das Entstehen intelligenten Lebens besaß. Freilich war der damalige ‚Mensch‘ noch kein homo sapiens, sondern irgend etwas anderes ... Die fremden Raumfahrer befruchteten künstlich einige weibliche Exemplare dieser Wesen, versetzten sie – wie alte Legenden berichten – in Tiefschlaf und reisten wieder ab. Jahrtausende später kehrten die Raumfahrer zurück und fanden vereinzelte Exemplare der Gattung homo sapiens vor. Sie wiederholten die Veredelung einige Male, bis schließlich ein Wesen von einer Intelligenz entstanden war, dem man Gesellschaftsregeln beibringen konnte. Immer noch waren die Menschen zu jener Zeit barbarisch. Weil die Gefahr bestand, daß sie sich zurückentwickelten und wieder mit Tieren paaren würden, vernichteten die Raumfahrer die mißlungenen Exemplare, oder sie nahmen sie mit, um sie auf anderen Kontinenten anzusiedeln. Es entstanden erste Gemeinschaften und erste Fertigkeiten; Fels- und Höhlenwände wurden bemalt, die Töpferei wurde erfunden und erste Versuche der Baukunst gelangen. Diese ersten Menschen haben einen unheimlichen Respekt vor den fremden Raumfahrern. Da sie von irgendwoher kommen und dann irgendwohin entschwinden, werden es für sie die ‚Götter‘. Aus einem unerfindlichen Grund sind die ‚Götter‘ daran interessiert, Intelligenz weiterzugeben. Sie behüten ihre Züchtungen, sie möchten sie vor Verderben schützen und das Böse fernhalten. Sie möchten eine positive Entwicklung ihrer Gemeinwesen erzwingen. Mißgeburten löschen sie aus und trugen Sorge, daß der Rest die Voraussetzungen für eine entwicklungsfähige Gesellschaft bekam“1.

Däniken geht von der Voraussetzung aus, dass die Zukunftsaufgaben, vor denen die Menschheit stehe, nicht nur schwierig zu lösen seien, sondern dass sie auch von anderer Art seien als die Aufgaben, vor denen die Menschheit in der Vergangenheit gestanden habe. Um die Zukunft zu meistern, müsse auch der religiöse Bereich reformiert werden. Es müsse deutlich werden, dass mit dem Raumzeitalter die Phase der Zersplitterung der menschlichen Standpunkte in unterschiedliche Religionen Vergangenheit geworden sei. Die neue, durch Erich von Däniken proklamierte Hypothese nehme die Erkenntnisse des Raumzeitalters ernst. Sie erkenne, dass alle Religionen auf Erinnerungen an die Zukunft fußten, die zum Sprechen gebracht werden müssten, damit die Menschheit sich auf die richtige Weise selbst erkenne und zukunftsfähig werde. Geschähe dies, erfahre sich die

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Däniken, 1969, 83f.

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Menschheit als Produkt von Astronautengöttern, die in einem eugenischen Experiment den ganzen Planeten Erde mit ihrem Geist befruchtet hätten. Im Hintergrund dieser These steht dann aber auch für ihn die zukünftige Einwirkung der Astronautengötter auf die Erdenmenschen in der Form einer Art gerichtlicher Überprüfung, ob das genetische Programm erfüllt worden ist. Und Däniken weist darauf hin, dass eugenisch bedingte Ausrottungen von disfunktionalen Populationen unter unseren Vorfahren üblich waren. Irgendwann seien allerdings die Astronautengötter wieder abgeflogen. Und hier setzt Däniken ein, um seine hermeneutischen Prinzipien verständlich zu machen. Die Ureinwohner hätten über die Landung, das Verhalten und das andersartige Aussehen der Astronautengötter gestaunt, es sei ihnen eine rudimentäre Bildung nahe gebracht worden, einige ihrer Frauen seien von den Außerirdischen befruchtet worden, die Institution des Königtums sei eingerichtet worden und der König habe einen Funkkontakt mit den Astronautengöttern herstellen können. Vor ihrem Abflug hätten die Raumfahrer des Weiteren Artefakte hinterlassen, die eine spätere menschliche, raumfahrende Zivilisation präastronautisch würde deuten können. Nach dem Abflug hätten die frühen Menschen in sagenhaften Göttererzählungen, Inschriften und stilisierten Abbildungen die Erinnerung an die Astronautengötter bewahrt. Der Zivilisationsprozess sei in Gang gesetzt gewesen. „Wie es weitergeht, ist in unseren Geschichtsbüchern nachzulesen ... Doch um zur geschichtlichen ‚Wahrheit‘ zu gelangen, muß in den Wald von Fragezeichen eine Schneise geschlagen werden, die in unsere Vergangenheit führt“1. Es scheint nicht nur zu Erich von Dänikens Selbstdarstellung zu gehören, sondern auch sachlich zuzutreffen, dass er viele Reisen unternommen hat und viele Belege, die seinem Theorierahmen entsprechen können, sammelt. Immer wieder verweist er stolz auf sein Archiv, das in den Kreisen der Präastronautik-Interessierten einen legendären Status besitzt. „Das Gehirn dieses Archivs, sozusagen die Schaltzentrale, besteht aus einigen tausend kleinen Schubladen, die alle eine Nummer haben. Wie findet man zur richtigen Schublade und zur richtigen Nummer? Dafür gibt es eine eigene Kartothek, die eine Vielzahl von Täfelchen umfaßt, wobei jedes Täfelchen durchschnittlich 30 Angaben enthält. Die ganze Kartothek besteht zurzeit aus 2114 solcher Karten à 30 Angaben, das entspricht 63420 archivierten Dokumenten. Ohne diese systematische Ordnung könnte ich heute gar nicht mehr arbeiten. Der Informationsfluß aus der ganzen Welt ist derart umfangreich geworden, daß es nur noch so geht …“2.

Ich will im Folgenden so vorgehen, dass ich zunächst Erich von Dänikens Biografie skizziere und dabei anschließend sowohl auf theologische Hintergründe und daraus folgende hermeneutische Prämissen seiner strengen katholischen Erzie-

1 2

Däniken, 1969, 31. Däniken, 1979b, 186.

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hung in einem Jesuiteninternat, als auch darauf eingehe, dass Däniken von sich sowohl überzeugt ist parapsychische Fähigkeiten zu besitzen als auch behauptet, in seinem Leben einen intensiven Kontakt mit einem Außerirdischen gehabt zu haben. Danach werde ich einige Musterbeispiele Dänikenscher ‚Beweise‘ vorstellen. Was diese Belege von Dänikens betrifft, habe ich im Folgenden einige herausgesucht, die, wissenschaftstheoretisch betrachtet, paradigmatischen Charakter im Sinne von Musterbeispielen besitzen. Es sind Passagen aus den Büchern Genesis und Exodus des Alten Testamens. Danach werde ich das geschichtsphilosophische beziehungsweise heilsgeschichtliche Modell Dänikens erörtern und auf seinen Gottesbegriff beziehungsweise auf seine metaphysischen Voraussetzungen Bezug nehmen. Abschließend wird seine Position gegenüber den Religionen beziehungsweise gegenüber ‚den‘ Wissenschaftlern thematisiert werden.

2.

„Heute Nacht habe ich geespert“. Biografische Notizen zu Erich von Däniken

Peter Rocholl und Wilhelm Roggersdorf1, der damals für den Econ-Verlag die Dänikenbücher bearbeitet, haben 1970 eine biografische Skizze Erich von Dänikens publiziert, die mit der letzten Haft und dem Welterfolg seines ersten Buches endet. Auch wenn man den Eindruck einer tendenziösen Geschichtsschreibung erhält, so finden sich hier doch erstens Basistatsachen und zum zweitens hochinteressante Selbstzeugnisse Erich von Dänikens. Erich Anton von Däniken wird am 14. April 1935 im schweizerischen NiederErlinsbach in eine katholische Familie geboren. Bald siedelt die Familie nach Schaffhausen über und der Vater bringt es zu einem bescheidenen Wohlstand, der es Erich und seinem Bruder Otto ermöglicht als Internatsschüler im COLLÈGE SAINT-MICHEL in Fribourg zur Schule zu gehen (Frühjahr 1949 bis Sommer 1954). Pro Jahr kostet dies die Familie 12.000,- SFr. Erich erhält dort eine strenge, religiös ausgerichtete Erziehung. Rocholl/ Roggersdorf zitieren aus dem Schüler-Reglement vom 30. Oktober 1947: „1. Die Religion ist die Grundlage der Erziehung und des Unterrichts am Kollegium ... Der Unterricht beginnt und schließt mit einem Gebet. ... 15. Die Lektüre und das Halten von Büchern, Zeitungen und Schriften, die der Religion, den guten Sitten und der sozialen Ordnung widersprechen, ist strengstens untersagt“2.

1

2

Das kursivierte Zitat aus Tagebuchnotizen Dänikens entnehme ich: Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 179. Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 20.

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Däniken habe in dieser Zeit Kant, Schopenhauer, Nietzsche und Haeckel gelesen. Bei griechischen beziehungsweise lateinischen Übersetzungen aus dem Neuen Testament habe er das durch diese Übersetzungen gegebene Interpretiertsein der biblischen Texte kennengelernt1. Besonders sei ihm eine Predigt des Präfekten in Erinnerung, in der dieser den Glaubenszweifel als Sünde gekennzeichnet habe. Dies habe Däniken nicht mitmachen wollen. ‚Sein‘ Gott sollte ein Gott sein, der Fragen zuließe und zum Selbstdenken ermuntere2. Nach fünf Jahren endet seine Zeit im Internat, weil sein Zeugnis nicht mehr ausreichend ist. Däniken findet eine Lehrstelle in einem Hotel und arbeitet in der Folgezeit in der Hotelbranche, bis er endlich selbst ein Hotel führt. In dieser Zeit begeht er kleine Diebstähle, deren – altruistische3 oder eigennützige – Motive hier aus Gründen einer fehlenden kritischen Biografie nicht rekonstruiert werden können. Er erhält am 16. April 1957 eine Strafe von sechzehn Monaten Gefängnis wegen Betrugs und Veruntreuung und am 13. Februar 1970 wird er wegen Veruntreuung, Betruges und Urkundenfälschung zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus und 3000 SFr. Geldbuße verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon ein fast weltberühmter, bestens verdienender Schriftsteller. Über die Umstände dieses Verfahrens sind sich die Massenmedien uneinig. Auch solide Tages- und Wochenzeitungen halten diese letztere Strafe für unangemessen.

Danach beginnt der Siegeszug Erich von Dänikens und der Präastronautik. Zwei wichtige Ereignisse im Leben von Dänikens können so etwas wie ein Einstieg in die Beantwortung der Frage sein, inwiefern dieser Erfolgsautor ein Betrüger sein könnte oder ob man nicht dem Gutachten des – ebenfalls von auch soliden Massenmedien kritisch betrachteten – psychiatrischen Sachverständigen Ernst Weber Sachhaltigkeit absprechen solle, wenn er feststellt, „daß unser Explorand wohl pseudologische Züge, wie der geltungssüchtige Psychopath mit hysterischem Charakter hat“4. Das Buch von Rocholl und Roggersdorf enthält hier einige aufschlussreiche Selbstzeugnisse Dänikens. Zunächst einmal ist einer der dunklen Punkte in seiner Biografie, dass er zwei einschneidende Erlebnisse seines Lebens direkt miteinander verknüpft und so den Tod seines Sohnes als Feuerunfall darstellt. Am 8. Januar 1961 erstickt sein Sohn Peterli (*1961) in einem Kinderheim und in der Nacht vom 8. zum 9. Februar 1961 bricht in der Hotelbar, in der er als Barmann arbeitet, ein Feuer aus, während dessen er sich um die Rettung Schlafender kümmert. 1 2 3 4

Vgl. Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 26f. Vgl. Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 28. So die Lesart von Rocholl/ Roggersdorf, 1970. Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 250.

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Sogar seine wohlwollenden Biografen schreiben: „Wenig sympathisch bleibt allerdings die Tatsache, daß Däniken später die Ereignisse vom 8. Januar (Tod des Sohnes) und vom 8. Februar (Brand des Hotels) in einer schrecklichen Weise vereinfachte: in Erzählungen und Briefen ließ er Söhnchen Peter in der Brandnacht ums Leben kommen“1.

Diese pseudologischen Züge bekommen eine andere Dimension, wenn man in Rechnung stellt, dass Erich von Däniken „fest davon überzeugt (ist, L.H.), daß er durch Gehirnstraining in der Lage ist, Dinge klar voraussehen zu können“2. Ein Tagebucheintrag aus seiner Gefängniszeit lautet: „8. Dezember (1970, L.H.)/ Wien. In dieser schlaflosen Nacht gelang es mir zum drittenmal, meine PsiKraft einzusetzen. Ich bin erfreut darüber, denn früher gelang es mir bloß unter Alkohol, die Zeitbarriere aufzuheben, um an einem fremden Ereignis teilzunehmen. Schreiben über das, was ich heute Nacht sah, darf ich nicht, denn auch dieses Tagebuch wird mit dem Willen, mich zu vernichten, gelesen werden. Doch daran erinnern will ich mich“3. Bemerkenswert ist an diesem Eintrag, dass Däniken für sich das Bewusstsein hat, zum einen mental eine zu objektiven Erkenntnissen gelangende Zeitreise unternehmen zu können und dass er zum anderen hier schon das Bewusstsein der Verfolgung im Hinblick auf seine Erkenntnisse kultiviert. Zu dieser Zeit hat er seine Erinnerungen an die Zukunft schon publiziert. Eine spezifisch (‚geesperte‘) ‚Objektivität‘ seiner Erinnerungen an die Zukunft wird hier sichtbar. Am 16. Dezember 1970 trägt er kryptisch bezüglich seines Gerichtsverfahrens ein: „16. Dezember/Wien. Wieder einmal klappte es diese Nacht mit Psi. Was für eine Schau! ... Heute Nacht habe ich geespert ...“4. Und am 29. Januar 1971 findet sich die deutlichste Eintragung: „29. Januar/ Wien. Erlebte wieder einen der irrwitzigen ‚Esperträume‘. Ich schlafe und ich schlafe doch nicht, ich frage mich, ob ich träume und weiß genau, daß ich nicht träume und träume doch. Ich sehe alles farbig und fühlbar vor mir. Diese ‚Esperträume‘, ich nenne sie seit Jahren so, weiß eigentlich nicht, warum, ich hätte sie auch anders nennen können, diese Träume gehören zu den tollsten Erlebnissen: Sie sind immer wahr. Sie geben mir eine gewisse Sicherheit, weil ich mehr weiß – aber sie beunruhigen mich, weil ich das ‚timing‘ meiner Schau nicht kenne“5. Wichtig ist hier die Beziehung auf einerseits den Halbschlaf in dem sich das Längere Gedankenspiel des Präastronautik-Propheten mit dem Traumartigen verbinden kann und weiterhin ist es bedeutsam, dass Däniken neben der Beunruhigung, die dieses Erlebnis bringt, ein eindeutiges ‚objektives‘ Wahrheitsbewusstsein im Hinblick auf diese visionären Erlebnisse verspürt.

1 2 3 4 5

Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 66. Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 42. Däniken zitiert nach Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 175. Däniken zitiert nach Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 179. Däniken zitiert nach Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 194, Hervorhebungen durch L.H.

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In einem SPIEGEL-Interview sagt er 1973 zu diesem Thema: „SPIEGEL: Herr von Däniken. wie sind Sie eigentlich zu Ihren Erkenntnissen über die Astronauten gelangt? VON DÄNIKEN: Auf jeden Fall hat Phantasie damit zu tun. SPIEGEL: Hängt das auch mit jenem privaten Erkenntnis-Vorgang zusammen, den Sie ESP oder ‚Espern‘ genannt haben? Was heißt das eigentlich: ESP? VON DÄNIKEN: Das kommt aus dem Amerikanischen und ist die Abkürzung für außersinnliche Wahrnehmung. Aber das gehört sozusagen zu meinem leiblichen Intimbereich. Dies ist etwas, worüber ich nicht sprechen möchte. SPIEGEL: Aber Espern gehört zu jener Phantasie, die Sie als produktives Element schätzen. VON DÄNIKEN: Ja. SPIEGEL: Können Sie Ihr erstes ESP-Erlebnis lokalisieren? VON DÄNIKEN: Das war vor ziemlich genau 18 Jahren. SPIEGEL: Da waren Sie im Internat? VON DÄNIKEN: Stimmt. SPIEGEL: Und dieses einmalige Erlebnis hat Sie zu der Überzeugung gebracht, daß Astronauten von anderen Sternen … VON DÄNIKEN: … nach meiner Meinung: von anderen Galaxien oder Sonnensystemen … SPIEGEL: … also dieses Jugenderlebnis in Fribourg war für diese Erkenntnis entscheidend? VON DÄNIKEN: Richtig. SPIEGEL: Hat dieses ESP-Erlebnis von damals in Ihnen die feste Gewißheit von der Landung fremder Astronauten auf der Erde geschaffen? VON DÄNIKEN: Anfangs war ich unsicher. Es war ja sehr ungewöhnlich, was ich da erlebt hatte, aber, bitte, ich möchte darüber nicht sprechen. SPIEGEL: Aber Sie selbst haben ja darüber geschrieben. VON DÄNIKEN: Der Econ-Verlag hat Teile aus meinem Tagebuch veröffentlicht, das ich in Wien im Gefängnis geschrieben habe. Darin stand etwas über Espern, ja, und daß ich weiß, wie ich sterbe. SPIEGEL: Auch wann? VON DÄNIKEN: Nein, das nicht. Aber auch das wäre wohl möglich. Bloß, ich will es nicht. Übrigens habe ich lange vor Erscheinen meines ersten Buches gewußt, daß es ein großer Erfolg sein wird. Ich habe zum Beispiel gesagt, welche Auflagen es erreichen wird. SPIEGEL: ESP oder ASW ist also eine wesentliche Quelle Ihrer Erkenntnisse? VON DÄNIKEN: Eine Quelle, die mich zur definitiven Überzeugung brachte, daß die Erde Besuch von außerirdischen Astronauten hatte. Ich weiß es. Und ich weiß, daß in naher Zukunft ein Ereignis eintreten wird, das beweist, daß ich recht habe. SPIEGEL: Können Sie Ihre ESP-Erlebnisse näher beschreiben? VON DÄNIKEN: Man macht eine Art ‚Zeitreise‘. Ich trete dabei aus der Zeit heraus. So stehe ich außerhalb der Zeit und sehe alles gleichzeitig. das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige. Ich führe Gespräche“1.

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DER SPIEGEL vom 19.3.1973. Zit. nach: http://www.spiegel.de/spiegel/print/ d-42645391.html.

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Fassen wir zusammen, so erhalten wir das Bild eines Menschen, der sich mittels seiner Psikräfte in andere Räume und Zeiten zu versetzen können meint und sich darüber hinaus sicher ist, dass diese Erlebnisse Objektivitätscharakter besitzen. Unterstützt wird Dänikens pseudologisches Längeres Gedankenspiel in der Folgezeit dadurch, dass es Anhänger findet. Auf diese Weise wird aus einem privaten Traumgebilde etwas, was neomythischen Empfindungen und Ahnungen des Zeitgeistes der Moderne entspricht und diese so stabilisiert, wie diese allgemeinen latenten Bilder unserer Kultur es umgekehrt für Däniken leisten. Die esoterische und exoterische Erkenntnissphäre befruchten sich so wechselseitig. Grossmann gibt in Anlehnung an das ‚klassische‘ Werk von Delbrück (1891) die Beschreibung eines psychischen Phänomens, welches als Pseudologia phantastica oder auch als Mythomanie bezeichnet wird. Bei der pathologischen Lüge wird eine bestimmte „inhaltlich wechselnde, unsystematisch ins Uferlose fortgesponnene, psychologisch undurchsichtige Fantasie … über eine gewisse Zeitspanne als reale(s) Erlebnis gewertet und in Wort und Tat umgesetzt“1. Der Pseudologe lebe in seiner Fantasiewelt und agiere aus ihr heraus. Dies gebe ihm eine besondere Überzeugungskraft. Brisant wird es, wenn der ‚unsystematische‘ Charakter wegfällt, weil das individuelle Längere Gedankenspiel in den Kulturkontext bestens passt. Dann schreibt man möglicherweise einen sachbuchartigen Bestseller. Grossmann geht davon aus, dass solch eine Lüge durch Aufdecken der Wahrheit gefährdet sei. Dann müsse der pathologische Lügner große Anstrengungen unternehmen, um seine Lügenwelt zu erhalten. „Der im Kontakt mit der Wirklichkeit fortbestehende und trotz einem dauernden Kampf zwischen Phantasie und Realität festgehaltene Selbstbetrug scheint mir gerade das Kennzeichen der echten Pseudologie zu sein“2. Im Falle der hoch erfolgreichen Präastronautik bedeutet dies, dass ein Däniken in den Lesern und später in der Ancient Astronaut Society eine Gemeinschaft findet, die in hohem Maße stabilisierend wirkt.

Nun stimmen trotzdem Dänikens diesbezügliche Erfahrungen mit visionär verdichteten Längerem Gedankenspielen nicht mit dem üblichen Selbst-und Weltverständnis überein, auch wenn diese – in diesem Falle 1970 – schon weit über esoterisch und ufologisch interessierte Kreise hinaus ein Breiteninteresse gefunden haben. Am 6. März 1970 notiert Däniken Gedanken bezüglich dieses Problems, nicht nur in Bezug auf seinen Prozess, in sein Tagebuch. In ihnen findet sich, wissenschaftstheoretisch gesprochen, eine Immunisierungsstrategie. „Ich weiß, daß ich bei meinen Handlungen nie schmutzige Absichten hatte, allerdings sagte ich selten, was ich dachte. Ich sprach weder die Wahrheit noch log ich. Wahrheit und Lüge sind Kriterien, die man auf meine Aussage nicht anwenden kann, weil meine Äußerungen nicht beabsichtigten, eine ‚Realität‘ wiederzu1 2

Grossmann, 1930, 296. Grossmann, 1930, 297.

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geben. Was für mich ‚Realität‘ ist, ist Humbug für die anderen, uns trennt eine Welt. Für die anderen bin ich ein Spinner, die anderen sind für mich Träumer, aber sie wissen nicht, daß sie träumen, sie glauben, hellwach zu sein“1. Dieser Mann, der, wie Ernst von Khuon sagt, „... mit bürgerlichen Maßstäben sicherlich nicht zu messen ist …“2, unterteilt in einer geradezu gnostischen Weise die Menschheit in auf der einen Seite sich selbst (und später seine Anhänger) und auf der anderen Seite die anderen Menschen, die ihn nicht verstehen. Die Frage, ob Erich von Däniken ein Schwindler3 ist, lässt sich nach diesen Ausführungen nicht mit einem Ja oder Nein beantworten. Faktisch kann man feststellen, dass Erich von Däniken in seinen Werken chronisch unrichtige und auch unwahre Behauptungen aufstellt. Auf der anderen Weise gibt es in seiner Welt Menschen, die in der Sphäre der Wahrheit jenseits der üblichen Maßstäbe von Wahrheit und Lüge die Grundlagen unserer Wirklichkeit erkennen können. Der Mensch auf dem Standpunkt der Präastronautik lebt, wie der Gnostiker, in einer anderen Realitätssphäre. Dies liegt darin begründet, dass Wahrheit und Lüge ... Kriterien, die man auf meine Aussage nicht anwenden kann sind, und weil es nicht um die ,Realität‘ derjenigen geht, die nicht wissen ..., daß sie träumen und die glauben, hellwach zu sein. Aus diesem Grund spielt es keine Rolle, ob man innerhalb der Traumrealität aller derer, die nichts von der Präastronautik verstehen, etwas an den vermeintlichen ‚Tatsachen‘ dieser Realität dreht oder nicht. Innerhalb der Traumrealität der in den Schein der überlieferten Religionen verstrickten Herren und Frauen Jedermann sind Wahrheit und Lüge gleich falsch. Dänikens Welt ist die Welt des wissenden Pneumatikers, der versucht den prinzipiell ansprechbaren Psychikern die rettende Gnosis zu bringen und der dies in einer Welt zu tun versucht, in der sich die der falschen Realität ausgelieferten Hyliker nicht nur in der Mehrheit befinden, sondern darüber hinaus auch noch unverschämter Weise die Deutungshoheit über die Wissenschaft und damit die ‚Wahrheit‘ inne zu haben beanspruchen. Aufgrund dieser andersartigen, als qualitativ höher stehende behaupteten Erkenntnisweisen und auch auf dem Hintergrund seiner katholischen Erziehung interessiert sich Däniken nicht nur für Astronautengötter, sondern auch für Erscheinungen aus den – wie auch immer ontologisch zu qualifizierenden – ‚jenseitigen‘ Bereichen, die er allerdings in den präastronautischen Kontext überführt. Er publiziert 1974 sein Buch über Erscheinungen. Phänomene, die die Welt erregen.

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Däniken, zitiert nach Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 220, Hervorhebungen durch L.H. Khuon, 1970, 35. So schnell daher geschrieben durch Hain, 1982, 8.

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3.

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Aus Erscheinungen von Jenseitigen werden außerirdische Besucher

Erich von Däniken verfasst 1974 ein Buch mit dem Titel Erscheinungen. Phänomene, die die Welt erregen. Er will das Phänomen aus dem religiösen Kontext heraus gedeuteter Erscheinungen, unmittelbarer Ansatzpunkt ist ihm hier Lourdes, weltweit untersuchen. Allmachtsfantasien klingen an, wenn er darauf hinweist, dass er mit diesem Buch nach „jahrelangem Studium der Phänomene“ eine einmalige Zusammenstellung liefere, „daß es ein Kompendium wie dieses bisher nicht gibt. ... ich hoffe, daß sich künftig zuständige Wissenschaftler und nicht zuletzt kirchliche Instanzen der Erforschung von Ursache und Wirkung des riesigen Komplexes von Erscheinungen und Wundern annehmen werden, um dann im freien Mut und Ehrlichkeit richtigzustellen, was an falschen Vorstellungen im Umlauf ist“1.

Der Leser hat den Eindruck, dass Däniken hier seine extremen Erfahrungen mit katholischem Glauben verarbeitet. Das Buch beginnt mit dem authentisch klingenden Satz „Dieses Buch musste ich mir von der Seele schreiben“2. Und einige Absätze weiter unten folgt dann das Statement: „Da ich nicht so konstruiert bin, auf die einfache anerzogene Art glauben zu können, vielmehr wissen möchte ... ging ich an die Arbeit. Als neugieriger Arbeiter im Weinberge Gottes. Als einer, dem Gott eine zu erhabene Instanz ist, als daß er es wagen möchte, ihn dauernd als Argumentationshilfe im Munde zu führen“3. Von Däniken liefert im Folgenden auch eine Art Generalabrechnung mit dem Christentum beziehungsweise mit christlichen Theologen und beruft sich dabei auf Joachim Kahl, Das Elend des Christentums (1968), Johannes Lehmann, Jesus-Report (1970) und Rudolf Augstein, Jesus Menschensohn (1972).

Am Ende seines Buches überführt er dann seine Auseinandersetzungen mit der Religion beziehungsweise mit ‚Erscheinungen‘ in seinen präastronautischen Kontext und wird dadurch mit seinem Standpunkt zum jenseits der Religionen stehenden ‚Erben‘ aller Religionen. Seine Lösung des ‚Erscheinungsproblems‘ sieht so aus: „Mit der Manipulation, den Hominiden eigene Art- und Wesensmerkmale ‚aufzupfropfen‘ ... übertrugen die außerirdischen Kosmonauten auch ihre außersinnlichen hoch entwickelten Wahrnehmungsfähigkeiten“4. Auf diese Weise hätten sich die Außerirdischen gleichsam Empfangsstationen für ihre Mitteilungen nach der Abreise erhalten. Weil allerdings vorauszusehen 1 2 3 4

Däniken, 1974, 8. Däniken, 1974, 7. Däniken, 1974, 8. Däniken, 1974, 273.

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gewesen sei, dass sich die Hominiden sprachlich in die unterschiedlichsten Richtungen entwickeln würden, habe diese Kommunikationsmethode sich auf die Übermittlung von Symbolen und Gefühlen beschränken müssen1. Durch zunächst unvermeidliche, kulturbedingte Missverständnisse seien diese ‚Erscheinungen‘ dann religiös gedeutet worden und hätten zu Religionsgründungen geführt. Die Einbettung des Begriffs der Erscheinungen in den Kontext von Bildern und Gefühlen passt zu seinem Verständnis von Glauben: „Glaube wird definiert als innere Gewißheit ohne Rücksicht auf Beweise, eine gefühlsmäßige Überzeugung“2. Wichtig für die Menschheit seien diese Erscheinungen allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt. Genies könnten sie auf andere Art denn als religiöse Erlebnisse deuten und erführen durch sie Inspiration. Hier schreibt Däniken natürlich auch über sich. Denn wenn man in Rechnung stellt, dass Erich von Däniken der Meinung ist, mit seiner Theorie die gesamte Wissenschaftslandschaft und die gesamte Welt der Religionen grundlegend zu transformieren, dann geht man wohl nicht falsch in der Annahme, dass er im Kontext seines Esper-Wahrheitsverständnisses voraussetzt – wie wir gleich sehen werden – auch solche ‚Erscheinungen‘ gehabt zu haben. Die letzten beiden Sätze seines Buches lauten: „Erscheinungen, die religiös unbrauchbar sind, die Visionen und Erleuchtungen, die die Großen aus den Überirdischen beziehen, bringen den Fortschritt. Daran glaube ich“3. Erich von Däniken berichtet Jahre später auch von einer Erscheinung, die ganz materiell aufgetreten ist. Er hat nämlich, in der Sprache des us-amerikanischen Filmregisseurs Steven Spielberg gesprochen, eine unheimliche Begegnung der dritten Art selbst erlebt.

4.

Neuscholastik, Unheimliche Begegnungen der dritten Art und Planeten der Lüge

Die präastronautische Auslegung der Bibel geschieht gemäß einer dogmatisch kanalisierten, ‚wörtlichen‘ christlichen Auslegung, die Däniken in Fribourg kennengelernt haben muss. Nur ist der Bezugspunkt seiner wörtlichen Bibellektüre nicht mehr die Interpretation unter dem Gesichtspunkt einer göttlich-katholischen Vorsehung, sondern dem einer durch außerirdische Intelligenz festgelegten Schöpfungsordnung und Heilsgeschichte.

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Vgl. Däniken, 1974, 274f. Däniken, 1974, 108. Däniken, 1974, 286.

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Dieser Analogie entspricht auch das analoge Interesse an einem eindeutigen ‚Offenbarungsgeschehen‘, sowohl in einer erkenntnistheoretisch nicht haltbaren Schultheologie als auch im Bereich der Präastronautik. Stellen wir diese empiristische Interessenlage zunächst am Beispiel der neuscholastischen katholischen Theologie dar. Die neuscholastische Schultheologie entwickelt besonders seit dem 19. Jahrhundert ein Modell von göttlicher, übernatürlicher Offenbarung, das darauf beruht, dass die Begründung von Glaubenslehren in ihrer vorzüglichsten Form mithilfe eines Beglaubigungswunders geschehen müsse. Dieser Offenbarungs- und Wunderbegriff hat sich bis heute vielerorts erhalten, weil er dem empiristischen Interesse unserer Zeit entgegen kommt. Für den allgemeinen Lehrsatz (erfahrungswissenschaftliche Hypothese/ übernatürliche Glaubenslehre) solle es ein Schlüsselexperiment geben, welches als singuläres – in den Erfahrungswissenschaften allerdings wiederholbares – Experiment/ Geschehen, im Katholizismus als ‚Beglaubigungswunder‘ den allgemeinen Lehrsatz verifiziere. Der katholische Neuscholastiker Albert Lang (1890-1973) formuliert dies beispielhaft so: „Jedes criterium primarium für übernatürliche Offenbarung muß letztlich Wundercharakter tragen. Unter ‚Wunder‘ ist dabei nicht bloß die einzelne, äußere Wundertat zu verstehen, sondern jede Erscheinung und jede Sachlage, die einen Überstieg über das rein natürlich Mögliche bedeutet. Die Richtigkeit der These ergibt sich aus dem Begriff der übernatürlichen Offenbarung, wie ihn die christliche Religion festhält. Offenbarung stellt hier ein unmittelbares Eingreifen Gottes in das geschichtliche Geschehen dar, ist also selbst ein Wundergeschehen, das außerhalb der natürlichen Entwicklung liegt“1. Nur auf der Grundlage eines für alle Menschen (auch Atheisten) eindeutig wahrnehmbaren Wundergeschehens gibt es für diese Art der Theologie eine hinreichende Begründung, dass eine übernatürliche Glaubenslehre wirklich von Gott stammt. Analog zu diesem mirakulösen Offenbarungs- und Wunderverständnis hat sich in den letzten Jahren (seit 2006) Erich von Däniken über einen schon 1987 stattgefunden habenden Kontakt mit außerirdischen Intelligenzen geäußert. In einem Interview begründete er sein langes Schweigen über dieses Erlebnis damit, dass er durch eine solche Kontaktleräußerung jede öffentliche Glaubwürdigkeit verloren haben würde2. Zu diesem Erlebnis – das wohl auch jenseits unserer Kategorien von ‚wahr‘ und ‚falsch‘ anzusiedeln ist – passt der Untertitel des Dänikenschen ‚Tatsachenromans‘: Tomy und der Planet der Lüge. Der Bericht einer unmöglichen Begegnung, die sich nur einen Nano-Millimeter neben unserem Alltag abspielte (2006). Dänikens Welt ist, nur einen Nano-Millimeter neben unserem All1 2

Lang, 1954, 39f, 43f, 94f, 100f. Vgl. http://www.exopolitik.org/index.php/exocommunity/videos/954-Erich+von +D%C3%A4niken+amp%3B+Tomy%3A+Interview.html?groupid=124. Zitate aus dem Interview im Folgenden kursiviert im Text.

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tag, und einerseits so fern, dass Ungläubige sie nicht betreten können und andererseits so nahe, dass es nur eines kleinen Sprunges bedürfte um zum Wissenden zu werden und unsere Realität würde sich präastronautisch erschließen. Er habe, so sagt er in dem o.a. Interview, einen Ruf zu verteidigen, den fundierten Ruf als Sachbuchautor. Und wenn er auf die Idee käme, über seine Begegnung mit einem Außerirdischen zu sprechen, würde man sagen jetzt spinnt er total. Deshalb habe er seine Erlebnisse zunächst einmal in Romanform niedergeschrieben. Jetzt sei er allerdings so alt, dass ihm alles egal geworden sei. Das, was er im Roman geschildert habe, habe sich im Wesentlichen tatsächlich abgespielt. Er sei 1988 durch Pakistan mit einem jungen Begleiter namens Mark gereist. In der Wüste von Belutschistan hätten sie übernachten müssen und im Morgengrauen sei es dann zum Beginn des Kontaktes mit dem Außerirdischen gekommen. Auf einmal seien die Scheibe des Autos und Glasflaschen explodiert. Man kennt dieses Phänomen aus Verfilmungen Steven Spielbergs, etwa dem Film über die unheimliche Begegnung der dritten Art oder aus der berühmten Anfangsszene von Highlander.

Das Wasser aus den Flaschen habe einen Wasserwirbel gebildet, der über dem Wüstensand stehen geblieben sei. Im Sand habe sich dann etwas wie eine Schlange bewegt und es sei eben der Außerirdische gewesen, dem Däniken später den Namen Tomy gegeben habe. Tomy sei dann mit den beiden inkognito – in Menschengestalt – in die Schweiz gefahren. Er habe seine Herkunft aus dem Wegasektor geschildert und dann die Gestalt Erich von Dänikens angenommen. Dabei habe er den Erich von Däniken aus der Zeit von 1968 gespielt. Von Däniken sei sehr erstaunt gewesen, denn ‚du‘ begegnest nicht jeden Tag dir selbst. Tomy habe diese Fähigkeit gehabt, weil er ein reines Energiewesen sei, das auf der einen Seite als Individuum existiere, um etwa auf anderen Planeten als Beobachter tätig zu sein und andererseits könne sich Tomy mit den anderen Individuen seiner Art zusammenschließen und eine größere Einheit bilden. Däniken und Tomy hätten sich dann im Solothurner Restaurant Krone mit Dänikens Frau getroffen. Die Geschichte muss nicht weiter erzählt werden, da schon deutlich wird, dass von Däniken die doch noch hypothetische Diskussion über präastronautische Themen wohl nicht länger erträgt und endlich – ich argumentiere hier jenseits der Alternative ‚Betrüger oder Fall für die Psychiatrie‘ – ein präastronautisches Beglaubigungswunder vorweisen will, das jeden Menschen, der Vernunft besitzt, prinzipiell überzeugen müsste.

PRÄASTRONAUTIK: PSEUDOLOGIA PHANTASTICA

5.

Hermeneutische Prämissen der Präastronautik

a.

Dänikens Euhemerismus

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Schon in den beiden vorangehenden Bänden der Kritik der neomythischen Vernunft war die Bedeutung von Euhemeros von Messene (um 340 – 260 v. Chr.) beziehungsweise des Euhemerismus angesprochen worden1. Däniken stellt bündig in seinem Buch Prophet der Vergangenheit fest: „In meinem Verständnis, man weiß es, wären ‚Götter‘ keine fiktiven Gestalten, keine Ausgeburten grenzenlos-merkwürdiger Phantasie. Sie waren irgendwann Wirklichkeit, leibhaftige, sehr aktive Wesen“2. Dieses Statement qualifiziert ihn eindeutig als Vertreter eines modernen (präastronautischen) Euhemerismus. „Mit Euhemerismus bezeichnet die neuzeitliche Religionswiss. das ... Argumentationsschema des deos homines fuisse: ‚Die Götter seien eigentlich Menschen gewesen, die sich entweder selbst göttliche Ehren angemaßt hätten oder nach ihrem Tode von anderen als Götter ausgegeben worden seien‘“3. In diesem Falle muss man nur noch ergänzen, dass zum hier verwandten Begriff des Euhemerismus auch noch gehören kann, dass die Götter auch noch andere endliche vernünftige Wesen (außerirdische Intelligenzen) und nicht allein Menschen gewesen sein könnten. Werfen wir am Beispiel des Griechen Euhemeros und des Aristoteles-Schülers Palaiphatos (Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr.) einen kurzen Blick auf den antiken Euhemerismus. Als die „Gottlosigkeit schlechthin“4 galt im Altertum der Euhemerismus. Begründet wurde dieser Denkstil durch Euhemeros von Messene. Hatte schon Hekataios von Abdera (ca. 350-290) von den Göttern Ägyptens geschrieben, dass sie vorzeitliche Könige waren, so radikalisiert – kritisch gegen Herrscherverehrung gerichtet – Euhemeros diese Position, ohne allerdings als Atheist gelten zu können. Er schreibt in Hiera Anagraphe (Ὶερὰ Άναγραφἡ) auf der Basis einer romanartigen Rahmenerzählung in der Rolle des Weltreisenden von der am damaligen Ende der Welt im Indischen Ozean gelegenen Insel Panchaia. Dort habe er an einer Säule des Zeustempels eine Inschrift gefunden, die Zeus selbst zitiere. Der Mensch Zeus habe – in Anspielung an Alexander den Großen (356-323 v. Chr.) – fünfmal den Erdkreis umrundet und sei ein großer Kulturstifter unter den Menschen gewesen. Durch Inthronisation von Freunden und Verwandten habe er den archaischen Menschen die Gesetze geschenkt5. Er sei gerühmt worden und

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Vgl. Hauser, Bd. 1, 70 und Bd. 2, 505. Däniken, 1979, 114. Weber, 1994, 1. Köster, 1980, 159. Vgl. auch Dochhorn 2001, 290 und das grundlegende Buch von Winiarczyk, 2002, bes.12 und 107f. Gekürzte Fassung zu Euhemeros vgl. Hauser, 2011. Vgl. Winiarczyk, 2002, 99.

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habe ewige Kultdenkmale zum eigenen Ruhme hinterlassen. Als er alt geworden sei, habe er sich nach Kreta begeben, sei dort gestorben und unter die Götter aufgenommen worden. Derartige ätiologische Geschichten bietet Euhemeros auch für andere griechische Göttinnen und Götter an, deren Großtaten in den Mythen u.a. Erinnerungen an Hofintrigen und Nachfolgekämpfe in Herrscherfamilien spiegelten1. In der griechischen Mythologie ist Uranos (Οὐρανός), der erste Sohn der Gaia (Γαῖα), der die Wölbung des Himmels repräsentierende Gott. Bei Euhemeros hört sich das anders an: „Jenseits der erwähnten Ebene erhebt sich ein hoher Berg, den Göttern heilig, ‚Thron des Uranos‘ genannt oder auch ‚Der Olymp der Drei Stämme‘. Die Mythen berichten nämlich, in alter Zeit, da Uranos als König über die bewohnte Erde herrschte, habe er gern seinen Aufenthalt an diesem Orte genommen und von der Höhe zum Himmel und seinen Sternen aufgeschaut; später sei der Name ‚Olymp der Drei Städte‘ aufgekommen, weil die Bewohner der Umgegend aus drei Völkern herrührten ...“2. Wichtig ist, dass Euhemeros kein Atheist ist. Er unterscheidet zwei Arten von Göttern3, die ewigen und unsterblichen Götter (etwa Sonne, Mond und andere Gestirne) und die irdischen Götter, mit denen er sich auseinandersetzt. Seine Dekonstruktion des Götterglaubens geschieht in religionskritischer, aber nicht in atheistischer Absicht. Seine Religionskritik bewegt sich eher auf der Ebene der bekannteren Religionskritik eines Deuterojesaja (um 545 v. Chr.)4. In Jes 44, 12-18 heißt es: „Der Schmied facht die Kohlenglut an, er formt (das Götterbild) mit seinem Hammer und bearbeitet es mit kräftigem Arm. Dabei wird er hungrig und hat keine Kraft mehr. Trinkt er kein Wasser, so wird er ermatten. Der Schnitzer misst das Holz mit der Messschnur, er entwirft das Bild mit dem Stift und schnitzt es mit seinem Messer; er umreißt es mit seinem Zirkel und formt die Gestalt eines Mannes, das prächtige Bild eines Menschen; in einem Haus soll es wohnen. Man fällt eine Zeder, wählt eine Eiche oder sonst einen mächtigen Baum, den man stärker werden ließ als die übrigen Bäume im Wald. Oder man pflanzt einen Lorbeerbaum, den der Regen groß werden lässt. Das Holz nehmen die Menschen zum Heizen; man macht ein Feuer und wärmt sich daran. Auch schürt man das Feuer und bäckt damit Brot. Oder man schnitzt daraus einen Gott und wirft sich nieder vor ihm; man macht ein Götterbild und fällt vor ihm auf die Knie. Den einen Teil des Holzes wirft man ins Feuer und röstet Fleisch in der Glut und sättigt sich an dem Braten. Oder man wärmt sich am Feuer und sagt: Oh, wie ist mir warm! Ich spüre die Glut. Aus dem Rest des Holzes aber macht man sich einen Gott, ein Götterbild, vor das man sich hinkniet, zu dem man betet und sagt: Rette mich, du bist doch mein Gott! Unwissend sind sie und ohne Verstand; denn ihre Augen sind verklebt, sie sehen nichts mehr und ihr Herz wird nicht klug“.

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Vgl. Köster, 1980, 160. Euhemeros, 1983, 671f. Vgl. Winiarczyk, 2002, 107f. Vgl. dazu Jes 44,14-19.

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Palaiphatos, von dem etwas mehr an Texten überliefert ist, schreibt etwa prosaisch über einen Halbgott namens Kyknos (Κύκνος), den unverwundbarem Sohn des Poseidon: „Dieselbe Sage (von der Unverwundbarkeit ...) gibt es auch über Kyknos von Kolonai (in Kleinasien); man sagt, auch jener sei unverwundbar gewesen. Auch er war ein Kriegsmann und verstand sich auf die Schlacht. Er starb in Troia, von Achilleus mit einem Stein getroffen, und selbst dann wurde er nicht verwundet. Es sagten also die Menschen, die seinen Leichnam sahen, dass er unverwundbar war …“1. Man bemerkt also im Euhemerismus die Tendenz zu einer Entzauberung der Götter auf der einen Seite und zu einer an realgeschichtlichen Geschehnissen orientierten Erklärung ihrer Fähigkeiten beziehungsweise Verhaltensweisen auf der anderen Seite. Dabei bleibt die Frage nach der Existenz eines monotheistischen Gottes prinzipiell ausklammerbar. Diese Methode benutzt auch Erich von Däniken.

b.

‚Wörtliche‘ Bibelauslegung und Realienargumente

Auf der Seite der Vereinigung Die Skeptiker. Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. findet sich ein aufschlussreiches Interview mit Erich von Däniken. Auf die Frage: „Was raten Sie interessierten Laien der A.A.S. (ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY, L.H.), die sich in ein Fachgebiet einarbeiten möchten?“ antwortet von Däniken: „Belegen Sie an der Uni ein Fach mit irgendeiner alten Sprache. Und dann übersetzen Sie Texte neu aus unserer Denkrichtung heraus. Das Resultat wird umwerfend sein. Seien Sie in allen Sammelwissenschaften nicht wissenschaftsgläubig – im Gegensatz zu exakten Wissenschaften. Haben sie keinen Respekt vor ‚großen Tieren‘ in der Wissenschaft. Bilden Sie Ihre eigene Meinung erst dann, wenn Sie zur entsprechenden Wissenschaftsliteratur auch die Gegenliteratur gelesen haben – und umgekehrt! Horchen Sie auf Ihren Instinkt. So manche Erkenntnis kam nicht auf wissenschaftlichem Wege zustande“2. Hier haben wir es mit dem Selbstzeugnis einer fundamentalistischen Position zu tun. Wenn man mit Johannes Drescher3 unter Fundamentalismus eine weltanschauliche Position versteht, die als objektgerichtete Theorie über das Woher, Warum und Wohin des Ganzen unserer Wirklichkeit ein selbstabschließendes Element enthält, dann bietet die präastronautische Theorie ein gutes Beispiel für eine fundamentalistische Position.

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3

Palaiphatos, 2002, 50f. Richter, Zit. nach: http://www.gwup.org/infos/themen-nach-gebiet/340-interview-michaelhaase-und-erich-von-daeniken?catid=91%3Aprae-astronautik. Ein Gesprächsbeitrag in einer Diskussion mit mir 2010.

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Gegenüber der durch von Däniken empfohlene Vorgehensweise wird jede selbstreflexive und damit die Objektebene, das heißt den eigenen Standpunkt verlassende Wendung für unmöglich erklärt. Die eigene Position wird als einzig mögliche Antwort auf die betreffenden Fragen festgesetzt. Es fehlt die Fähigkeit zu einer modalen Transformation des eigenen – als wirklich wahr angenommenen – Standpunktes zu den elementaren Lebensfragen innerhalb der als Wahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten eines Spektrums von anderen vielleicht auch sinnvollen möglichen Antworten. Mit der Verweigerung des Bewusstseins eine Möglichkeit unter anderen zu realisieren, geht die Weigerung einher, die eigene Position in ihrer Wirklichkeit wieder zu vermöglichen und infrage zu stellen. Einfach ausgedrückt: Ein Fundamentalist beweist innerhalb seines Systems die Wahrheit seines Systems.

Däniken geht von der Voraussetzung aus, dass man eine – noch dazu etwa antike oder einem anderen Kultursystem zugehörige – Sprache wie ein abstraktes Zeichensystem ‚lernen‘ und dann ohne Wissen um den kulturgeschichtlichen Kontext ‚anwenden‘ könne. Die Wissenschaften, die sich mit für die Präastronautik einschlägigen Erkenntnissen beschäftigten, seien keine hermeneutisch vorgehenden Verfahrensweisen, sondern Sammelwissenschaften, die ‚museal-objektiv‘ sichten würden und dann Tatsachenmaterial zur weiteren neutralen Bearbeitung vorlegten. Dies unterscheide sie von den exakten Wissenschaften, denen damit implizit allein der wahre, nämlich objektive Wissenschaftscharakter zugesprochen wird, weil sie auch wirkliche Ergebnisse erzielten und nicht nur etwas als Sammlung zwecks Weiterverarbeitung aufbereiteten. Wir finden hier ein positivistisches Wissenschaftsbild, dass wir anhand der vorgestellten Physiker und Raumfahrtwissenschaftler schon kennen. Ganz im Stile der einen – nicht rationalen – Richtung, der des ‚dunklen Ahnens der Wahrheit‘, in die der Weltanschauungsbegriff im 19. Jahrhundert geht, empfiehlt von Däniken dann den Bezug auf den eigenen Instinkt. Da für die Präastronautik Wissenschaft empiristisch und als nach dem naturwissenschaftlichen Modell verfasst gedacht wird, ist für sie eine ‚wissenschaftliche‘ Auseinandersetzung mit kulturwissenschaftlichen Traditionen nur als Rekonstruktion auf der Ebene exakter Naturwissenschaftlichkeit möglich. Die bereichsbezogene Perspektive des Ingenieurs, des Physikers, des Raumfahrtwissenschaftlers, des Evolutionsbiologen, des Genetikers usw. werden so zu den einzig möglichen legitimen Auslegungsweisen eines Wissenschaftlers. Derartige Auslegungsweisen könne die Präastronautik dann übernehmen, transformieren und ausbauen. Der grundsätzliche Zugang zu den biblischen Texten ist dabei vorwissenschaftlich, im Grunde genommen ganz konventionell biblizistisch und entspricht damit der Methode der zu Dänikens Kinder- und Jugendzeit gebräuchlichen Bibelauslegung in der katholischen Kirche. Diese Bibelauslegung war nicht einfach ‚wörtlich‘, sondern gab sich nur den Anschein der Wörtlichkeit. Leitend war für die Interpretation jeder Bibelstelle die lehramtlich bestätigte Dogmatik, deren Lehrsätze durch die Bibel ‚bewiesen‘ werden sollten. Genau diese ‚dogmatische‘, eben nur

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an den präastronautischen Prämissen orientierte Art der Auslegung heiliger Schriften, praktiziert auch Erich von Däniken. Diese ‚konventionelle‘ Bibelauslegung kann man im Ausgang von Himmelfahrtsschilderungen in populären ‚Leben-Jesu-Büchern‘ des frühen 20. Jahrhunderts veranschaulichen, die populäre Vorstellungen von dem, was – in fanatischer Zustimmung und erbittertem Widerspruch gegen ihn – bis heute als ‚biblisch fundierter christlicher Glaube‘ verstanden wird, befestigen sollen. Blicken wir kurz auf historisierende Erzählungen des Lebens Jesu des frühen 20. Jahrhunderts und skizzieren anhand einschlägig bekannter Autoren ihre Weise, populär die Himmelfahrt Jesu Christi als eine mit ‚wunderbarer Raumfahrt‘ assoziierbare reale Flugreise zu schildern. Der Schweizer Jesuit Moritz Meschler (1830-1912)1 verfasst 1906 ein Werk namens Der göttliche Heiland. Ein Lebensbild, der studierenden Jugend gewidmet. Nachdem Jesus Christus vor seinem Abschied auf dem Ölberg seine Jünger gesegnet habe, sei dann folgendes geschehen: „… dann erhob er sich langsam vor den Augen aller Anwesenden in eigener gottmenschlicher Kraft und mit Zeichen und Erweisen großer Macht und Herrlichkeit, wie es sich dem Gottessohn geziemte, in die Höhe, immer höher und lichter ...“2. Der italienische Schriftsteller Giovanni Papini (1881-1956) findet im Alter zu seinem katholischen Glauben zurück und verfasst 1921 unter anderem ein umfangreiches Buch über Das Leben des Herrn. Er fasst er die gleiche Szene so: „Und vor ihren Augen schwebte er von der Erde auf, und plötzlich umhüllte und verbarg ihn eine leuchtende Wolke“3. Der österreichische römisch-katholische Priester Franz Michel Willam (18941981) ‚beschreibt‘ in Das Leben Jesu im Lande und Volke Israel 1937 die Himmelfahrt Jesu in markantester Weise als prinzipiell filmbares Raumfahrt-Geschehen: „Dann sahen sie, wie er der Erde entschwebte; aus eigener Macht hob er sich vor ihnen empor. Auf dem Ölberg sah Jesus weitum die Stätten, die sein irdisches Dasein von der Geburt bis zum Tode geheiligt hatte. Gegen Osten auf der Höhe dehnte sich in braunbleichen Tönen die Wüste Juda hin, hinter ihr sah er die Furche des Jordans, gegen Westen erblickte er vor den Stadtmauern draußen den Kalvarienberg, gegen Süden die Gefilde von Bethlehem. Dieser Blick wurde immer umfassender, je höher er stieg. ... Die Stätten seines Lebens rückten, je höher er stieg, immer näher zusammen, und aus allem wurde gleichsam eine: das Land Israel, das Land des Erlösers“4. Der Überschritt von einer durch Gott verursachten Himmelsreise zu einer durch Astronautengötter verursachten Raumfahrt ist im Hinblick auf solche objektivistischen Vorstellungen der Himmelfahrt nicht sonderlich groß. Es müssen sich nur 1 2 3 4

Vgl. Deutsche Biografie, zit. nach: http://www.deutsche-biographie.de/sfz62181.html. Meschler, 1906, 659. Papini, 1951, 538. Willam, 1937, 534.

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die Vorstellungen eines Zeitalters etwas wandeln und dann erscheint eine technisch bewerkstelligte Raumfahrt plausibel. Vorbereitet wird Dänikens Arbeit auch durch einen neuartigen Zugriff auf archäologische Breitenbildung. Kurt Wilhelm Marek, der unter dem Pseudonym C.W. Ceram (1915-1972) schreibende deutsche Journalist, verfasst mit Götter, Gräber und Gelehrte (1949) ein Buch, das gleichsam am Anfang einer an der Sensation und Bezugnahme auf den Alltagsverstand orientierten populären Literatur über Archäologie steht1. Das Verständnis der Schriften des Alten und Neuen Testaments als detailgetreue Berichte und Reportagen verbindet sich dann kurze Zeit später mit dem Kolportage-Anspruch, dem Christentum als Ganzem einen empirisch verifizierbaren Kern abzugewinnen. Dies geschieht beispielhaft in einem Werk, das ein Weltbestseller wird. Es ist das 1955 erstmals erschienene Buch des deutschen Sachbuchautors Werner Keller (1909-1980) Und die Bibel hat doch recht. Forscher beweisen die historische Wahrheit, das exemplarisch dafür steht, wie die Bibel „im Hinblick auf ihre Aussagen, die als historische verstanden (bzw. mißverstanden) werden“2 in der breiten Öffentlichkeit wirken kann3. Erich von Däniken hat dieses Buch in den späten fünfziger Jahren gelesen4. In DER SPIEGEL vom 28.12.1955 schreibt ein Rezensent zutreffend über ein Werk, das im Laufe der Jahre in Deutschland allein 1,5 Millionen mal verkauft, immer wieder aufgelegt und in zwanzig Sprachen übersetzt wird: „Kellers Buch erfüllt zugleich zwei im deutschen Leserpublikum vorherrschende Wünsche: – es befriedigt das weitverbreitete Interesse an der Archäologie, also an zuverlässigen Zeugnissen über die Vergangenheit und Herkunft des Menschen; – es kommt der Sehnsucht nach dem Glauben entgegen, indem es eine sozusagen wissenschaftlich fundierte Brücke zum Inhalt der Bibel zumindest anbietet“5.

Keller leitet seine Betrachtungen mit einigen hermeneutischen und methodischen Vorüberlegungen ein, die diese empiristische Fundierung des biblischen Glaubens von der Geschichtswissenschaft und Archäologie her deutlich machen: „Weithin galt und gilt die Meinung, die Bibel sei ausschließlich Heilsgeschichte, Glaubensunterpfand für die Christen in aller Welt. Sie ist aber zugleich auch ein Buch tatsächlich stattgehabter Ereignisse“. Was in der Bibel erzählt werde, sei „historisch echt und mit geradezu verblüffender Genauigkeit aufgezeichnet worden. Mit Hilfe der Forschungsergebnisse ist so manche biblische Erzählung besser zu verstehen und zu begreifen, als es bisher möglich war“6. Dann folgt eine Argumentationsfi-

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Auf diesen Gesichtspunkt macht Bernhardt, 1979, 6 aufmerksam. Keel/ Küchler/ Uehlinger, Bd. 1, 1984, 367. Wie wichtig dieses Buch auch heute noch ist, zeigt sich an den Internetnennungen. Gibt man als Suchworte in Anführungszeichen bei Google „Werner Keller“ und auch zugleich „Bibel hat doch recht“ ein, so erhält man ca. 37.200 (8.11.2012) Angebote. Vgl. Rocholl/ Roggersdorf, 1970, 48. Anon. zit. nach: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41960835.html. Keller, 1955, 9.

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gur, die sich auch immer wieder in den präastronautischen Darstellungen lesen lässt: „Bisher blieb das Wissen um diese ungewöhnlichen Entdeckungen einem kleinen Kreis von Experten vorbehalten“1. Keller macht also nach seinem Verständnis offenbar, was bisher nur den einschlägigen Wissenschaftlern bekannt war. Bei Keller gibt es aber nicht den Vorwurf des moralisch inakzeptablen bewussten Verschweigens oder Vertuschens. Die Präastronautik geht von einer vergleichbaren Rezeptionssituation aus. Zugleich spiegelt sie unfreiwillig die heutige Traditions- und Glaubenskrise im Hinblick auf die Legitimation des Christentums als Wahrheitstradition und bearbeitet sie auf eine ambivalente Weise – sie greift sie auf und lehnt sie zugleich ab. Im Hinblick auf den von Dänikenschen Euhemerismus schreibt Bernhardt bezüglich der Ansprechbarkeit von Christen der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts: „Es kann also nicht überraschen, daß die Bücher und Vorträge von E. von Däniken in den christlichen Gemeinden, und zwar sowohl bei den aufgeklärten, der Kirchenlehre gegenüber skeptisch Eingestellten unter ihren Mitgliedern als auch bei denen, die ohnehin schon von der Zuverlässigkeit biblischer Aussagen überzeugt sind (in wörtlicher Auslegung, L.H.), Anhängerschaft gefunden haben. Auf diesen weiten Kreis der Empfänglichen im Raume der Kirchen zielen einige der Veröffentlichungen ganz bewusst. ‚Die Bibel hat bestimmt recht!‘ formuliert unser Autor noch suggestiver als W. Keller (‚Erinnerungen an die Zukunft‘, S. 41)“2. Erich von Dänikens Bibelauslegung (und analog die Auslegung anderer heiliger Schriften) steht, so Bernhardt, weiter in der Tradition der – ansatzweise schon vor der Aufklärung praktizierten – rationalistischen Bibelerklärung, die etwa die mirakulösen Auslegungen von Wundererzählungen auf rational rekonstruierbare, etwa ‚natürliche‘ Weise verständlich machen wollte. Die Methode der Reduktion biblischer Erzählungen auf einen ‚verständlichen‘ natürlichen Kern pflegt auch Erich von Däniken, wenn er religiöse Texte aus der Perspektive des modernen Wissenschaftsglaubens heraus deutet. Der Kolportagetopos der Methode, gemäß dem dieses Vorgehen alle großen Menschheitstraditionen und damit auch alle heiligen Schriften der Menschheit von neuem scheinbar erst sinnvoll zum Sprechen bringt, ist die vorzeitliche Menschenschöpfung und Kulturstiftung durch Astronautengötter, die sich in den großen Zeugnissen der Vergangenheit widerspiegele. Damit versucht sie, ohne dass dies unbedingt intendiert wird, u.a. den biblischen Glauben in seiner Lebensbedeutsamkeit zu bewahren und andererseits durch den vermeinten eindeutig beweisbaren, das heißt empirischen Bezug auf eine präastronautische wissenschaftsfundierte Technik auf ein neues, nunmehr sachlich zutreffendes Erkenntnisniveau zu heben. In einer Radikalisierung der Einschätzung wissenschaftlicher Erkenntnisse

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Keller, 1955, 9. Vgl. Bernhardt, 1979, 18, dem ich in Hinblick auf die Frage nach der präastronautischen Bibellektüre folge.

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werden vermutete Geheiminformationen von Wissenschaftlern nicht selten in den Kontext einer Verschwörungstheorie gestellt. Auf diese Weise kann man ‚die Wissenschaft‘ einerseits von ihrem empiristischen Anspruch her nutzen und andererseits dort denunzieren, wo sie keine passenden Ergebnisse liefert. Programmatisch ist die Überschrift des dritten Kapitels in Dänikens Buch über Beweise. Lokaltermin in fünf Kontinenten (1977). Sie lautet Mythen sind Reportagen1. Und dort weiter unten präzisiert er seine Aussage anhand der Überlieferungen der westafrikanischen Dogon: „Mythen sind geschichtliche Erinnerungen. Der Dogon-Mythos gilt mir als exemplarisches Beispiel dafür, daß alle Mythen im Sinne ihrer Übersetzung aus dem Griechischen ‚Wort‘, ‚Aussage‘ und ‚Erzählung‘ beinhalten. Sie melden in ihrer zeitlosen Überlieferung einen Wahrheitsanspruch an, der zur Kenntnis zu nehmen ist. Einmal, als sie entstanden, waren sie Reportagen erlebter Ereignisse. Die ersten Mythenerzähler brauchten keine vieldeutigen Kommentare: Sie wussten nicht, wovon sie sprachen“2. Hier werden zwei signifikante Voraussetzungen gemacht. Es ist erstens die unmittelbare Identifikation der Mythen als Reportagen. Es handele sich hier um Texte, die durch die unpräzisen, nicht naturwissenschaftlich arbeitenden ‚Sammelwissenschaften‘ geliefert würden und die dann gemäß den dogmatischen Prämissen der Präastronautik ‚wörtlich‘ ausgelegt werden könnten. Möglich ist diese Auslegung, weil zweitens die ersten Mythenerzähler nicht gewusst hätten, wovon sie sprachen. Wenn dann noch in Rechnung gestellt wird, dass die Geisteswissenschaften, die diese Texte sichten, sowieso verblendet sind, dann erhält der Präastronautik-Theoretiker eine universale Lizenz zur Auslegung. Da Erich von Däniken unter Wissenschaftlern wenig Verbündete findet, die er, wenn er solche auftreibt, dann auch deutlich feiert, sind Wissenschaftler, und darunter besonders die Geisteswissenschaftler, für ihn letztlich ahnungslose und inkompetente Fliegenbeinzähler, die seine Theorien ignorieren oder diese und damit ihn selbst sogar bekämpfen. Sich selbst inszeniert er nicht nur als den, der mit seiner Präastronautik-Theorie den universalen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel, sondern darüber hinaus sogar den geistige(n) jüngste(n) Tag3 herbeiführen werde. Mit den Jahren wird diese Polemik gegenüber den Fachwissenschaftlern immer stärker. In seinem 1992 erschienenen Buch Der Götter-Schock schreibt er: „Weder literarische Belege, Masken, Figuren, Stelen und Götterdarstellungen auf Tempeln, geschweige denn praktizierte, lebendige Rituale der Naturvölker beeindrucken die noble Garde der gestrigen Interpreten. Der Götter-Schock sitzt zu tief. Alle diese vom Firmament herniedergestiegenen Kulturbringer werden mit ‚ver-

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Däniken, 1977, 105. Däniken, 1977, 122.

Vgl. Däniken, 1969, 83f.

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menschlichten Elementen der Natur‘ verglichen“1. An anderer Stelle redet er vom „sterilen Starrsinn“2 – in diesem Falle der Ethnologen. Diachrone Verschwörungstheorien werden auch bemüht, um Bücher interessant und Wissenschaftler beziehungsweise Religionsvertreter verdächtig zu machen. So etwa im Falle des äthiopischen Henochbuches (3.-1. Jhd. v. Chr.). Unter der unthematischen Prämisse, dass Konzilsväter immer a priori einer Meinung seien, kann von Däniken die Kirchengeschichte entsprechend vereinfachen. „Hätten die Kirchenväter uns für mündige Bibelleser gehalten, würde das Buch Henoch seinen Platz im Buch der Bücher haben! ... Wenn man erfährt, was Henoch mitzuteilen hat, tat die alte Kirche – in ihrem Sinne – gut daran, uns das Buch vorzuenthalten: es bringt so brisante Mitteilungen, daß sie durchaus im Stande gewesen wären, den Gott des Alten Testaments aus dem Sattel zu heben“3. Umgekehrt bemüht Däniken nicht nur einen Francis Crick oder Harry O. Ruppe, sondern auch die dubiosesten Quellen. Es dürfen natürlich auch die Verweise auf uralte, verborgene und geheimnisvolle Bücher nicht fehlen. Von Däniken erwähnt etwa das Buch des Dzyan, das er durch Helena Petrovna Blavatskys Geheimlehre kennen gelernt habe4. „Es heißt, das Original sei älter als unsere Erde“5. Bezüge auf uralte tibetische Traditionen und geheime Hüter dieser kosmischen Weisheiten werden entsprechend auch bemüht. Ebenso hat Erich von Däniken keine Probleme, das Buch Mormon als authentische Übertragung von außerirdischem Gedankengut anzusehen, das für ihn, wie eine legendäre Metallbibliothek in Ecuador, nicht zu den übernatürlichen Pseudowundern in den Religionen gehört, sondern zu den „handfeste(n), wissenschaftlich einwandfreie(n) Beweise(n) materieller Art. Sie müssten berührbar, fotografierbar, datierbar und definitiv aussagekräftig sein. Sie müssen, wie es im Buch Mormon formuliert wird, ‚von großem Wert‘ sein. Nicht für die Menschen vor Jahrtausenden – die Adressaten sind wir!“6. In seinem Buch über Aussaat und Kosmos. Spuren und Pläne ausserirdischer Intelligenzen (1972) setzt von Däniken ein mit dem Hinweis, dass es unter dem südamerikanischen Kontinent ein riesiges Tunnelsystem gebe, das mehrere tausend Kilometer weit reiche7. In diesem System gebe es Höhlen, in denen sich eine uralte Metallbibliothek befände, „welche“ – und hier zitiert Däniken die Erklärung eines Argentiniers namens Juan Móricz (*1923) – „eine Zusammenfassung der Geschichte der Menschheit beinhalten dürfte wie auch die Herkunft des Menschen

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5 6 7

Däniken, 1994, 159. Däniken, 1982, 110. Däniken, 1977, 231. Vgl. Däniken, 1969a, 246. Auch in Däniken, 1972, 48 bezieht er sich auf die Begründerin der Theosophie. Däniken, 1969a, 240. Däniken, 2008, 213. Vgl. Däniken, 1982, 7.

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auf Erden sowie Kenntnisse über eine vernichtete Zivilisation“1. Teile dieser Bibliothek habe er besichtigen können und er habe auch die beschrifteten Metallplatten gesehen. Seiner Schätzung nach stamme das Tunnelsystem aus einer Zeit vor der Mittelsteinzeit. In Vorbereitung seiner Beweisnot hinsichtlich dieser Anlage wird dann wohl darauf hingewiesen, dass es fraglich sei, ob Wissenschaftler Interesse an diesem unterirdischen Bauwerk haben werden. „Ist ihr (die Wissenschaft, L.H.) an der Entzifferung dieses Urwerkes gelegen, das Wahrheiten zu Tage fördern kann, die die hübsche und doch so fragwürdige Weltordnung völlig auf den Kopf zu stellen vermag? Scheuen die Exekutiven aller Religionen nicht am Ende doch vorgeschichtliche Enthüllungen, die Glauben an die Schöpfung durch Wissen von der Schöpfung ersetzen könnten? Will der Mensch überhaupt zur Kenntnis nehmen, daß seine Abstammungsgeschichte so ganz und gar anders verlief als jene, die ihm wie ein frommes Märchen einfiltriert wird?“2 Auf dieser Basis könnte man dann als Präastronautikfan den Leitartikel des SPIEGELS vom 19. März 1973 als Ausdruck einer Immunisierungsstrategie des Wissenschaftsestablishments deuten. Unter der Überschrift Der Däniken-Schwindel bringt DER SPIEGEL unter anderem ein Interview mit Juan Móricz, in dem dieser eindeutig sagt, dass er nie von Däniken in diese Höhlen geführt und ihm nie die Metallbibliothek gezeigt habe. Allerdings beharrt Móricz darauf, dass es dieses Tunnelsystem und die digitale Bibliothek gebe und will den Namen des Mannes, der ihn dorthin geführt habe, nicht nennen3. Aus Anlass dieser ‚sensationellen Tunnelgeschichte‘ entwickelt von Däniken in Aussaat und Kosmos (1972) das Modell einer vergangenen interstellaren Schlacht „unter menschenähnlichen Intelligenzen“4. Die Verlierer dieser Auseinandersetzung hätten sich auf die Erde geflüchtet und sich zunächst einmal in diesem Tunnelsystem verborgen gehalten. Danach hätten sie den Schöpfungsakt an den Menschen vollzogen. „Auf Grund molekularbiologischer Erkenntnisse ‚schafft‘ der Verlierer aus dem (vorhandenen) Affen den Menschen nach seinem Ebenbild (Genetischer Code, Sagen über die Erschaffung des Menschen, Versprechen ‚Gottes‘ an Abraham und andere, seine Nachkommen werden zahlreich sein wie die Sterne am Himmel etc.)“5. Ein anderes Beispiel für die Verlässlichkeit der Quellen Dänikens ist die von dem Indianerhäuptling Tatunca Nara (alias dem Deutschen Günther Hauck, *1941) erfundene Geschichte des einst am Amazonas siedelnden Stammes der

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Däniken, 1982, 8. Däniken, 1982, 16. Vgl. den Artikel unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42645392.html. Däniken, 1982, 167. Däniken, 1982, 167f.

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Mongulala (um 13.000 v. Chr.), die als Die Chronik von Akakor bekannt wird1, weil der Fernsehjournalist Karl Brugger (†1985) 1975 ein Buch mit dem Titel Die Chronik von Akakor. Erzählt von Tatunca Nara, dem Häuptling der Ugha Mongulala über dessen Erzählungen schreibt. Von solchen methodischen Vorentscheidungen her, mit solchen zweifelhaften Bündnispartnern und in Abgrenzung von der Wissenschaft knüpft Däniken das präastronautische „Stahlnetz der Beweise“2, aus welchem Fangnetz im Folgenden einige Beutestücke näher angesehen werden sollen.

6.

Dänikens Beweise

a.

Alttestamentliche Heilsgeschichte nach Däniken: Der katholische Hintergrund

Wenn man etwa die volkstümlichen Erzählungen und Romane von Wilhelm Hünermann (1900-1975), einem deutschen katholischen Priester, die in den fünfziger Jahren gerne für die Predigtvorbereitung verwendet wurden, liest, dann kann man ungefähr rekonstruieren, wie Erich von Däniken in seiner Internatszeit mit dem Alten Testament konfrontiert wurde. Es handelt sich um Bücher wie Bündnis mit Gott. Die Geschichten aus dem alten Testament (1955), aber auch die bis heute immer neu aufgelegten Ausführungen in Franz Spiragos (1862-1942) Katholischer Volks-Katechismus, pädagogisch und zeitgemäß ausgearbeitet, Erster Theil: Glaubenslehre (1893). Das dargebotene Weltbild sah ungefähr so aus: Auf der einen Seite stammen – so Spirago – alle Menschen von Adam und Eva ab, doch nur dem Leibe nach. Ihre Seele ist von Gott erschaffen worden. Nach dem Sündenfall musste Gott die Menschen „auf empfindliche Weise strafen. Denke an die Sündflut (!), an die Zerstörung der Städte Sodoma und Gomorrha, an den babylonischen Thurmbau“3. Weil die Menschen „durchwegs viel zu sinnlich, und daher nicht fähig, eine so große Gnade zu empfangen“4 waren, musste Gott lange warten, bis er den Erlöser schicken konnte. Zweitausend Jahre nach dem Sündenfall beruft Gott Abraham. „Mitten unter lauter Götzendienern bewahrte er den Glauben an den allein wahren Gott“5. Auch Isaak, Jakob und der tausend Jahre später lebende David hätten von Gott das Versprechen erhalten, eine große Nachkommenschaft zu haben und Palästina zu besitzen.

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Vgl. Däniken, 1977, 167-178. Vgl. dazu Nehberg, 1991, Siebenhaar, 2006 und den Artikel über Tatunca Nara in: http://de.wikipedia.org/wiki/Tatunca_Nara. Däniken, 1977, 274. Spirago, 1895, 89. Spirago, 1895, 89. Spirago, 1895, 90.

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„Es gab 10 Patriarchen vor der Sündflut ... und 12 Patriarchen nach der Sündflut ... Alle Patriarchen erreichten ein hohes Alter. Die vor der Sündflut wurden gegen 1000, die nach der Sündflut 400-150 Jahre alt. (Der Grund hiervon ist die einfache Lebensweise, der Aufenthalt in freier Luft, die günstigeren atmosphärischen Verhältnisse vor der Sündflut, insbesondere aber Gottes weise Vorsehung, die sich ihrer zur Erziehung der späteren Menschen bediente.)“1. In den fünfziger Jahren wird auch Werner Keller im katholischen Milieu rezipiert. In Wilhelm Hünermanns Geschichte über den das Meer teilenden Mose wird aus dem übernatürlichen Geschehen etwas, was prinzipiell den Naturgesetzen entsprechen kann, ein die ganze Nacht über währender Sturm. „‚Seid ruhig, der Herr wird für euch streiten!‘ (Ex 14,14), erwidert Moses gelassen. Dann hebt er auf göttliches Geheiß seinen Stab über das Meer, und von den Bergen im Osten fährt ein gewaltiger Sturm in die Wasser. Die ganze Nacht hindurch währt sein Wehen. Der Wind treibt die Fluten nach Süden und Norden, und im Grauen des Tages liegt der Meeresgrund frei wie eine trockene Straße“2. Entsprechend wird das Volk Israel in der Wüste dann von erschöpften Wachteln und dem Manna aus dem Harz von Tamarisken ernährt. Andererseits hält sich aber die Tamariskenernte an die heiligen Zeiten und wahrt so die übernatürliche Herkunft. „Nur am Sabbat, dem Ruhetag des Herrn, blieb der wunderbare Regen aus. Dafür fiel am Tag zuvor die doppelte Menge“3. Warum sollte einem einfachen Weltbild, das noch dazu einen grausamen Gott zeigt, nicht ein anderes einfaches Weltbild entgegengestellt werden, das die Vorstellung eines rachsüchtigen Willkürgottes vermeidet? Man lese etwa die ausführliche Schilderung der Zerstörung von Sodom und Gomorrha bei Wilhelm Hünermann: „Das Geheul der Sodomiten übertönte das Brausen das Flammensturmes und gellte den Flüchtlingen, die um ihr Leben liefen, in die Ohren. … Von ferne sah Abraham den Rauch aus dem Schmelzofen der göttlichen Strafe“4. Später wird auf das – sich von solchen brutalen Vorstellungen abgrenzende – Gottesbild Erich von Dänikens eingegangen werden. Zunächst einmal interessiert hier, als ein Bereich seiner – wie ein Buchtitel heißt – Beweise, die er bei einem Lokaltermin in fünf Kontinenten gefunden habe, seine Interpretation der ersten beiden Bücher des Alten Testaments.

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Spirago, 1895, 90. Hünermann, 1955, 149. Hünermann, 1955, 155. Hünermann, 1955, 58.

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b.

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„Nehmen wir Moses wörtlich“: Dänikens alttestamentliche Exegesen

In der abendländischen jüdisch-christlich-islamischen Tradition beginnt die Menschheitsgeschichte mit Adam, aus dessen Rippe im elohistischen Schöpfungsbericht Eva gebildet wurde (Gen 2, 21-23)1. Ganz im Sinne der realienorientierten Auslegung gemäß der Methode von Und die Bibel hat doch recht findet sich für Däniken hier der Beweis, dass es einen außerirdischen Eingriff gegeben habe. Die Argumentation ist wert, direkt zitiert zu werden, weil sich in ihr eine sogar für religiöse Verhältnisse ‚extrem wörtliche‘ mit einer extrem technizistischen Auslegung dieser Bibelstelle verbinden und dann weitere abenteuerliche Schlussfolgerungen gezogen werden. Nachdem Däniken darauf hingewiesen hat, dass Eva nicht einfach aus einem Rippenknochen hervorgebracht werden konnte, kommt er zu folgender Schlusskette: Auch männlicher Same könne es nicht gewesen sein, weil: „Da es aber der biblischen Genesis zufolge kein menschliches weibliches Wesen im Paradies gab, das den Samen hätte austragen können, müsste Eva in einer Retorte gezüchtet worden sein. Nun sind einige Höhlenzeichnungen erhalten geblieben, die kolbenähnliche Gebilde in Nachbarschaft des Urhomo zeigen. Sollten wissenschaftlich weit fortgeschrittene Fremdintelligenzen in Kenntnis der immunbiologischen Reaktionen einen Knochen, vielleicht das Knochenmark Adams, als Zellkultur benutzt und darin den Keim zur Entwicklung gebracht haben? Für diesen biologisch möglichen Schöpfungsakt wäre freilich die im menschlichen Körper relativ leicht erreichbare Rippe der gemäße menschliche Behälter gewesen“2. Diese „gezielte Mutation des Genetischen Code der Euhomininen“ habe sich möglicherweise an verschiedenen Orten auf unserem Planeten abgespielt. Weil sich die „‚neuen‘ Menschen“3 nur untereinander hätten fortpflanzen dürfen, es aber trotzdem immer wieder zu einer „Paarung mit affenähnlichen Tieren“4 gekommen sei, sei dann jeweils ein „Sündenfall“ geschehen. „War er nicht gleichsam Erbsünde gegen den Aufbau der der neuen Art gemäßen Zellen?“5. Die Sündenfallerzählung gehört zum jahwistischen Geschichtswerk und stellt den Versuch dar, die Trennung von Gott und Menschen in den Kontext einer gewissen Zwangsläufigkeit und Tragik zu stellen und als ein „heilsgeschichtliches wie ... anthropologisches Grunddatum“6 zu präsentieren. Nach Levin wird man sich „fragen dürfen, ob es dem Jahwisten nicht einfach nur darum zu tun war, auf irgendeine Weise einen ersten Ungehorsam und seine Folgen zu schildern. Für den Ungehorsam bedürfte es eines Gebotes, das übertreten werden

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Das Zitat aus der Überschrift stammt aus: Däniken, 1969a, 63. Däniken, 1969a, 54. Däniken, 1969a, 55. Däniken, 1969a, 55. Däniken, 1969a, 55. Levin, 1993, 86.

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konnte. Es fand seinen Gegenstand in dem, was in der Schöpfungserzählung bis dahin neben dem Menschen erwähnt war: dem Garten, das heißt seinen Bäumen“1. Weiter ist noch darauf hinzuweisen, dass der Jahwist keine vorsintflutlichen Erlebnisse schildert, sondern als Höfling der „judäischen Oberschicht“ schreibt, „die in den Jahren 597 und 598 im Anschluß an die Eroberungen Jerusalems nach Babylon deportiert worden ist“2.

Däniken vermutet, dass die erste evolutive Liftung zum Menschen hin 40.00020.000 Jahre v. Chr. stattgefunden habe und eine zweite Mutationsphase in die Jahre zwischen 7000-3500 v. Chr. gefallen sei3. Dabei könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Schöpfern der Menschheit um dieselben schrittweise vorgehenden außerirdischen Astronauten gehandelt habe, da diese Astronautengötter die Fähigkeit besäßen, im Bereich der Lichtgeschwindigkeit zu reisen. Es ist schön zu beobachten, wie Däniken zwischen dem Stil einer esoterischen Spekulation und einer wissenschaftlichen – empirisch eigentlich schon stark gesicherten – Hypothesenbildung hin und her pendelt: „Ich weiß: Es ist schwer zu begreifen, und trotzdem kann es so sein. Ich darf nochmals betonen, daß das alles keine Spekulation zu sein braucht. Mit diesen merkwürdigen Zeitverschiebungen geht die Astronomie seit langer Zeit erfolgreich um. Eigentlich geht es nun nur noch darum, dass auch Archäologie und Präanthropologie von diesem Faktum Kenntnis nehmen ...“4. Manchmal klingt auch die für präastronautische Interessenten geradezu utopische Vermutung an, dass ‚Göttersperma‘ heute auch noch in verwendbarem Zustand gefunden werden könnte. Im Hinblick auf archäologische Funde auf Malta schreibt er: „Richteten sie (die Astronautengötter, L.H.), ..., an bisher nicht entdeckten Orten Samenbanken ein, deren Eingänge unentdeckt bleiben ... bis sie ... durch einen glücklichen Zufall geöffnet werden? ... Warten irgendwo unter Felsen, und den megalithischen Heiligtümern wohlerhaltene Zellen der Körper der ehemaligen Beherrscher unseres Planeten darauf, gefunden zu werden?“5. Interessant ist dann im Verlauf der alttestamentlichen Erzählungen für Däniken natürlich der – von seiner Datierung her – „vorsintflutliche Prophet Henoch“6, weil „Henoch Superstar“7 von jeher die „Phantasie der Erzähler beflügelt“8 hat, wie es das äthiopische, das slawische, das hebräische Henochbuch, und weitere antike Werke (Jubiläenbuch, Genesisapokryphon) belegen. An seine im Alten Testament erzählte Entrückung in die Himmelsphären (Gen 5,21-24) knüpft Däni-

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Levin, 1993, 85. Levin, 1993, 434. Vgl. Däniken, 1969a, 57. Däniken, 1969a, 58. Hervorhebungen durch L.H. Däniken, 1979, 137f. Däniken, 1979, 49. Vgl. dazu etwa Däniken, 1977, 228-252. So Heininger, 1996, 111. Heininger, 1996, 111.

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ken an und nutzt diese dann unter Bezug auf das äthiopische Henochbuch1 entsprechend immer wieder. Große Bedeutung haben für den an präastronautischen Hochzuchtexperimenten interessierten Däniken die Geschichten über die Verbindung von Gottessöhnen und Menschentöchtern, aus der das Geschlecht der Riesen entspringt (Gen 6,1-4), die Erzählung über die Vernichtung von Sodom und Gomorrha (Gen 18 und 19) und die Exoduserzählungen. Für Däniken ist aus den Menschheitsüberlieferungen klar ersichtlich: „Daß es Riesen gegeben hat, kann nicht bestritten werden. In frühen Überlieferungen wird präzise und plastisch von ihnen berichtet, wie alte Texte hartnäckig versichern, die Riesen seien Abkömmlinge der Götter gewesen, ‚Söhne des Himmels‘“2. Die alttestamentliche Schlüsselstelle ist hier für ihn Gen 6, 1-4. „Als sich die Menschen über die Erde hin zu vermehren begannen und ihnen Töchter geboren wurden, sahen die Gottessöhne, wie schön die Menschentöchter waren, und sie nahmen sich von ihnen Frauen, wie es ihnen gefiel. ... In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen, und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten. Das sind die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer. Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war. Da reute es den Herrn, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh. Der Herr sagte: Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben. Nur Noach fand Gnade in den Augen des Herrn“.

Im Hintergrund von Gen 6,1-4 steht der Gedanke einer Heiligen Hochzeit, deren Vorstellung in der antiken Welt etwa Ägyptens und Griechenland, als sexuelle Verbindung zwischen einem männlichen Gott und sterblichen Frauen „weit verbreitet“ ist3. Die Heilige Hochzeit symbolisiert das „Urbild der menschlichen Ehe und geschlechtlichen Vereinigung oder garantiert die Fruchtbarkeit des Menschen und des Landes“4 oder auch der „Vereinigung von Himmel und Erde“5. In Gen 6,1-4 behält auch noch der Redaktor den „positive(n) Grundtenor“6 einer engsten auch sexuellen Beziehung zwischen Göttlichem und Menschlichem bei. Die weiterführende Interpretation im äthiopischen Henochbuch (1 Hen 6-11), die Mitte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts dann das Thema der Bösartigkeit dieser Riesen ausbaut, hat der Redaktor dieser Geschichte nicht im Sinn, sie legt sich aber für die Rezeption dieser Stelle nahe.

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Vgl. dazu bes. Däniken, 2008. Däniken, 1979, 136. Zimmermann, 1999, 335. Zimmermann, 1999, 335. Zimmermann, 1999, 338. Zimmermann, 1999, 352.

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Für Däniken stellt dies allerdings keinen Fall der Entwicklung religionsgeschichtlicher Motive dar, sondern eine Erzählung, die auf empirischen Tatsachen, das heißt der Existenz von echten Riesen beruht. Entsprechend massiv ist auch die Sprache Dänikens: „Moses berichtet (!) im 1. Buch, Kapitel 6, Vers 4 ...“1. Der Verweis auf Riesen und Engel im Alten Testament ist für ihn ein Beleg dafür, dass außerirdische Intelligenzen systematisch Menschenhochzucht betrieben haben. Die Erinnerung an die Sintflut ist dann die Erinnerung an Ausrottungen fehlgeschlagener Zuchtlinien. „In solcher Sicht wird die Sintflut zu einem voraus geplanten Projekt angelandeter unbekannter Wesen mit dem Ziel, die menschliche Rasse bis auf wenige edle Ausnahmen zu vernichten“ 2. Man beachte die verräterische Terminologie: edle (!) Ausnahmen, die sich durch ‚edle‘ Rassemerkmale unterscheiden3. Nicht anders ist für ihn auch die Zerstörung von Sodom (Gen 19, 1-22) zu verstehen. In Gen 19,1-22 heißt es „Die beiden Engel kamen am Abend nach Sodom. Lot saß im Stadttor von Sodom. Als er sie sah, erhob er sich, trat auf sie zu, warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und sagte: Meine Herren, kehrt doch im Haus eures Knechtes ein, bleibt über Nacht und wascht euch die Füße! Am Morgen könnt ihr euren Weg fortsetzen. Nein, sagten sie, wir wollen im Freien übernachten. Er redete ihnen aber so lange zu, bis sie mitgingen und bei ihm einkehrten. Er bereitete ihnen ein Mahl, ließ ungesäuerte Brote backen und sie aßen. Sie waren noch nicht schlafen gegangen, da umstellten die Einwohner der Stadt das Haus, die Männer von Sodom, Jung und Alt, alles Volk von weit und breit. Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Abend zu dir gekommen sind? … Dann schlugen sie die Leute draußen vor dem Haus, Groß und Klein, mit Blindheit, sodass sie sich vergebens bemühten, den Eingang zu finden. Die Männer sagten dann zu Lot: Hast du hier noch einen Schwiegersohn, Söhne, Töchter oder sonst jemand in der Stadt? Bring sie weg von diesem Ort! Wir wollen nämlich diesen Ort vernichten; denn schwer ist die Klage, die über die Leute zum Herrn gedrungen ist. Der Herr hat uns geschickt, die Stadt zu vernichten. … Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Engel Lot zur Eile: Auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht wegen der Schuld der Stadt hinweggerafft wirst. Da er noch zögerte, fassten die Männer ihn, seine Frau und seine beiden Töchter an der Hand, weil der Herr mit ihm Mitleid hatte, führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt los. Während er sie hinaus ins Freie führte, sagte er: Bring dich in Sicherheit, es geht um dein Leben. Sieh dich nicht um und bleib in der ganzen Gegend nicht stehen! Rette dich ins Gebirge, sonst wirst du auch weggerafft. Lot aber sagte zu ihnen: Nein, mein Herr, dein Knecht hat doch dein Wohlwollen gefunden. Du hast mir große Gunst erwiesen und mich am Leben gelassen. Ich kann aber nicht ins Gebirge fliehen, sonst lässt mich das Unglück nicht mehr los und ich muss sterben. Da, die Stadt in der Nähe, dorthin könnte man fliehen. Sie ist doch klein; dorthin will ich mich retten. Ist sie nicht klein? So könnte ich am Leben bleiben. Er antwortete ihm: Gut, auch das 1 2 3

Däniken, 1969a, 65. Däniken, 1969a, 65. Vgl. Däniken, 1969, 73.

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will ich dir gewähren und die Stadt, von der du sprichst, nicht zerstören. Schnell flieh dorthin; denn ich kann nichts unternehmen, bevor du dort angekommen bist. Deshalb nannte er die Stadt Zoar (Kleine)“.

Erich von Däniken hält sich nicht konsequent an seine biblizistische, wörtliche Auslegung des Alten Testaments. Er legt etwa in seiner von Agrest übernommenen Auslegung der Zerstörung von Sodom und Gomorrha dar1, dass die beiden Städte durch eine Kernexplosion zerstört worden seien. Die Familie Lots sei von den Astronautengöttern ins Gebirge geschickt worden. Lots Frau habe sich umgedreht und in den Atomblitz gesehen. Da sei sie tot ‚zusammengebrochen‘2. Locker übersieht er, dass Lots Frau zur Salzsäule erstarrt ist und weiter interessiert ihn im Hinblick auf die Frage nach dem schützenden Gebirge nicht, dass sich das ganze Geschehen – von der biblischen Erzählung her betrachtet – im städtischen Bereich abspielt3. Es handelt sich bei der Erzählung um eine Ätiologie, das heißt um eine Erzählung, die eine gegenwärtige Situation im Hinblick auf auslösende Ereignisse des Anfangs verständlich machen will. Der Hintergrund dieser Ätiologie sind Ruinenstädte in der Nähe des Toten Meeres. Schon in der frühen Bronzezeit (um 3100-2100 v. Chr.) finden sich hier Siedlungen, die manchmal vom extrem salzhaltigen Wasser des Toten Meeres bedeckt sind und manchmal wieder sichtbar werden. Schwefel und ein Salzfelsen an der Südwestküste, der als eine Frauengestalt gedeutet werden kann, tun ihr Übriges, um eine solche – außerdem noch vorisraelitische – Ursprungssage hervorzubringen. Othmar Keel macht auch noch darauf aufmerksam, dass in dieser Passage auch noch der Gedanke an eine Gottesstrafe eine Rolle spielt, die schon vom ägyptischen Sonnengott her bekannt ist. Des Weiteren weiß man, hier zitiert Keel Fohrer, dass es eine zeitgenössische „Rechtssitte“ gibt, „auf das Territorium einer eroberten und zerstörten Ortschaft Salz zu streuen (Ri 9,45). Das Salzstreuen, dass der Verfemung dient und einen Fluch auf die Stätte legt, hat die Wirkung eines Tabu“4. Aus solchen Ruinen und Salzgestalten den Verweis auf eine vergangene Atombombenexplosion (ohne entsprechende radioaktive Reststrahlung) zu schließen, entspricht der freien Methode der Präastronautik.

Große Bedeutung hat für Erich von Däniken das alttestamentliche Buch Exodus. Seine Interpretation ist bündig formuliert: Die Außerirdischen hätten über einen Stellvertreter, den wir heute als „Propheten“5 Moses kennen würden, eine Gruppe

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Vgl. Däniken, 1969, 62-66. Vgl. Däniken, 1968, 42f. Vgl. Keel, 1979, 10f und vgl. auch Bernhardt, 1979, 23. Keel merkt selbstironisch im Hinblick auf das eigene Fach auch an: „Was die phantasievolle Technisierung der alten Geschichte betrifft, so stehen einzelne Fachkommentare von Däniken allerdings kaum viel nach“ (Keel, 1979, 11). Keel, 1979, 16. Däniken, 1979, 17.

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Menschen aus Zuchtgründen zu einem Wüstenzug bewegt. Feinde, wie etwa die Ägypter, seien von den Außerirdischen vernichtet worden. Die ganze Argumentation fällt schon in sich mit einer einfachen historischen Information zusammen. Es gab niemals ein Fronarbeit leistendes Volk Israel in Ägypten. Ägyptische Texte aus der Zeit um 1200 v. Chr. zeigen, dass es nicht unüblich ist, dass ägyptische Grenzbeamte Halbnomaden in Dürreperioden den Weg nach Ägypten öffnen. In ägyptischen Inschriften aus der Zeit Amenophis‘ III. (griech.; ägyptisch: Amenhotep, um 1388-1351 v. Chr.) und Ramses‘ II. (1303-1213 v. Chr.) tauchen die Konsonanten des Gottesnamens Jahwe (JHWH) in der Verbindung Land der Schasu Jahwe auf. Schasu (ägyptisch = Ziehende, Wandernde) ist die Bezeichnung für nomadisierende Gruppen im Bereich südlich Palästinas. Diese Gruppen werden auch bezeichnet als Schasu von Seïr und als Schasu von Edom. Dem entspricht, dass im Alten Testament Jahwes Kommen vom Sinai synonym mit einem Kommen von Seïr verwendet wird (Dtn 33,2). Das Gebirge Seïr liegt auf dem Gebiet der Edomiter, östlich der Araba zwischen dem Golf von Akaba und dem Toten Meer1. Weidewechselnde Halbnomaden pflegen in der Trockenzeit ins fruchtbare Nildelta zu wandern, damit ihre Herden überleben können. Auch vor der Trockenzeit kann es vorkommen, dass ‚Wandernde‘, Schasu (heute wie: ‚Zigeuner‘), nach Ägypten ziehen. Wenn die winterlichen Regenfälle ausbleiben, kommt über die Schasu der Hunger und sie müssen in das vom Regen unabhängige (Nilüberschwemmungen) Niltal ziehen. In der Josefsgeschichte findet sich eine solche Erinnerung, dass ‚alle Welt‘ nach Ägypten flieht. „Als die Hungersnot über das ganze Land gekommen war, öffnete Josef alle Speicher und verkaufte Getreide an die Ägypter. Aber der Hunger wurde immer drückender in Ägypten. Auch alle Welt kam nach Ägypten, um bei Josef Getreide zu kaufen; denn der Hunger wurde immer drückender auf der ganzen Erde“ (Gen 41,56-42,1). Eine ägyptische Inschrift aus der Zeit um 1350 v. Chr. berichtet etwa, dass eine Gruppe von Halbnomaden, „die nicht wußte, wo sie leben sollte, kam, um ein Heim in dem Gebiet des Pharao zu erbitten“2. Und um 1200 v. Chr. schreibt ein ägyptischer Grenzbeamter seinen Vorgesetzten, dass er Schasu aus der Steppe die Grenzfestungen habe passieren lassen, „um sie und ihr Vieh auf der großen Besitzung des Pharao, der guten Sonne eines jeden Landes, am Leben zu erhalten“3. Solche Gruppen werden von den Ägyptern als Fronarbeiter verwendet. Manche fliehen wieder – in kleinen überschaubaren, wohl ethnisch unterschiedlichen Gruppen. Es gibt aber unter diesen kein Volk Israel. Ein lockerer Sippen- und Stammesverband, der sich Israel nennt, lebt in dieser Zeit in den Bergregionen oberhalb der Ebene der kanaanäischen Stadtstaaten, die als die Philister bekannt werden.

Neben dem Propheten Ezechiel beziehungsweise Josef Blumrichs Interpretation eines vermeintlichen, Ezechiel dienlichen, Fluggeräts ist die Erzählung über das

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Vgl. dazu Metzger/ Miranda, 2002, 38f. Metzger, 31. Metzger, 31.

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Manna in der Wüste einer der Superbelege Dänikens. Auch diese Geschichte wurde geadelt durch eine, innerhalb der Präastronautik als Indikator für Wissenschaftlichkeit geltende Ingenieursperspektive. George Thornycroft Sassoon (1936-2006), ein englischer Elektronikingenieur, Sohn des Helden des Ersten Weltkriegs und bekannten Poeten Siegfried Sassoon (1886-1967), und Rodney Alexander M. Dale (*1933), ein englischer Sachbuchautor1, publizieren 1978 mit The Manna Machine (Die Manna-Maschine) einen präastronautischen Klassiker. Google findet am 27. März 2014 Ungefähr 38.800 Ergebnisse zum Begriff Manna-Maschine. In seinem 1979 erschienenen Buch Prophet der Vergangenheit. Riskante Gedanken um die Allgegenwart der Außerirdischen stellt Däniken dem Leser die Theorie der Mannamaschine als wissenschaftlich vollkommen abgesicherte Tatsache vor. Die beiden Autoren des 1978 erstmals erschienenen Buches über Die Mannamaschine „hielten sich an die so exakte Sohar-Beschreibung2 und ... stellten fest (!), dass ...“3 die Bundeslade ein Behälter für die Mannamaschine gewesen sei, die die Israeliten in der Wüste nach dem Exodus ernährt haben sollte. Besonders unter Rückgriff auf das Sefer ha-Zohar (das Buch des Glanzes) aus dem mittelalterlichen Kabbala versuchen die beiden Autoren die Bundeslade der Juden als atomar betriebenes technisches Gerät, als Manna-Maschine zu deuten. Dass das Zohar im Wesentlichen von Moses Shemtov de Leon (1240-1305) verfasst wird und damit ein beträchtlicher Zeitunterschied zum durch die Präastronautik angenommenen Exodusgeschehen besteht, interessiert die Autoren nicht weiter. „Wir sind der Ansicht, daß es irgendwann einmal wirklich einen Hochbetagten gegeben hat, eine Manna-Maschine, die die Kinder Israels in der Wüste ernährte. Die Priester, welche die Maschine bedienten, ersannen die Namen für die verschiedenen Teile und stellten eine mündlich zu überliefernde ‚Betriebsanleitung‘ zusammen, wobei sie ihre selbsterdachten Namen verwendeten. Die ‚Betriebsanleitung‘ wurde in der Folgezeit dann zum Geheimnis, zur heiligen Überlieferung, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Irgendwann versagte dann die Maschine ihren Dienst, und ihr ursprünglicher Verwendungszweck geriet in Vergessenheit. Noch später verschwand sie ganz, aber die Überlieferungen bestanden fort ...“4. Die technische Skizze der Manna-Maschine5 ist in der Folgezeit gerade zu einem Symbol für die Wissenschaftlichkeit der Präastronautik geworden.

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Vgl. dazu die Artikel: Dale, 1979 und Artikel: Sassoon, 1979. Däniken, 1979, 16. Ausführlich: Däniken, 1977, 389-403. Däniken, 1979, 16. Sassoon/ Dale, 1995, 149. Vgl. Sassoon/ Dale, 1995, 11.

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Erich von Däniken und der Kreationismus

Ulrich Lüke bemerkt: „Wer in Schule, Hochschule oder auch Volkshochschule die Frage nach Schöpfung oder Evolution, Schöpfung als Evolution etc. thematisiert, der erlebt, dass er offenbar immer neu am Punkt Null eine Verhältnisbestimmung ansetzen muss. Zuerst werden nämlich die völlig divergenten Schöpfungserzählungen, das jüngere ‚Siebentagewerk‘ (Priesterschrift, Gen 1,1-2,4a) und die ältere ‚Adam und Eva-Erzählung‘ (Jahwist, Gen 2fbff) zu einem seltsamen biblischen Eintopf verrührt, dann in der weltanschaulichen Speisekarte als Schöpfungstheologie deklariert und schließlich als archaische Naturkunde serviert“1. Diese Methode pflegt auch Erich von Däniken, nur dass er diese archaische Naturkunde eher kritisch betrachtet und durch eine präastronautische Technikgeschichte ersetzt. „Darwins Theorie ist das Credo der Anthropologie. Es gilt als Sakrileg, nicht daran zu ‚glauben‘“2. Gemeinsam ist beiden Standpunkten, dass sie den Schriften des Alten Testaments nicht gerecht werden und gemeinsam ist beiden Methoden, dass sie eine deutliche weltanschauliche Tendenz entwickeln. Bezieht man sich auf einen als ‚christlichen‘ vermeinten Gott, der gleichsam als Konkurrent Darwins auftritt, dann bezeichnet man die neuere Ausbildung dieses Standpunktes als Kreationismus3. Unter den verschiedenen, ob tendenziell krass antimodernen oder tendenziell für Evolutionsfragen oberflächlich aufgeschlossenen kreationistischen Standpunkten gibt es Vertreter einer Theorie, die Gott als intelligenten Designer verstehen wollen. „Zusammengefaßt besteht die Strategie der Intelligent-Design-Theorie“, nach Kummer, „immer in folgendem Dreischritt: 1. Sign detecting: Nachweis komplexer Zweckmäßigkeit in organismischen Bildungen; 2. Argumentum ad ignorantiam: Ausschluß aller bekannten Ursachen (wie Zufall, stufenweise Entstehung usw.); 3. Analogieschluß: Weil zweckmäßiges Design immer einen Designer voraussetzt, muß es einen solchen auch in der Natur geben, selbst wenn wir nicht wissen, wie diese planende Intelligenz gedacht werden soll“4. Diese Argumentation ist insofern vormodern, als sie Immanuel Kants abschließende Argumentation in der Kritik der reinen Vernunft über die Unmöglichkeit transzendenter Urteile ignoriert. Innerweltliche Ursachen und die Frage nach der Existenz beziehungsweise Wirkweise des Grundes von ‚Allem‘ können nicht gleichartig thematisiert werden.

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Lüke, 2006, 100. Däniken, 1977, 305. Vgl. zu den Entwicklungsschritten, die zum heutigen Kreationismus beziehungsweise zur Theorie vom intelligenten Designer führen: Kummer, 2006, 32-34. Kummer, 2006, 36.

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Innerhalb des Kreationismus gibt es Richtungen, die kleine Evolutionsschritte zulassen und das Konzept eines Langzeitkreationismus beinhalten, der besagt, dass es so etwas wie eine geschichtlich sich entfaltende ‚Schöpfung auf Raten‘ gebe. Gott würde an bestimmten Punkten der Entwicklung immer wieder eingreifen. Diese Interpretation von naturgeschichtlicher Entwicklung entspricht Dänikens Denken nicht nur in diesem Bereich, sondern auch im Bereich der Kulturgeschichte. Der Darwinismus, beziehungsweise das, was darunter landläufig verstanden wird, ist auch für Däniken einer der großen Widersacher. In seinem Buch über Beweise. Lokaltermin in fünf Kontinenten (1977) setzt Däniken beispielsweise mit einer entsprechenden steilen These ein. Durch einen Indizienbeweis werde er die „Darwinsche Evolutionstheorie, mindestens soweit sie auf die Motivierung des menschlichen Intelligentwerdens abzielt, widerlegen“1. Von den eben dargelegten kreationistischen Prinzipien her lässt sich Dänikens Theorie als ‚präastronautischer Langzeitkreationismus‘ beschreiben: Nehmen wir als Beispiel die Ernährung des Volkes Israel in seiner Wüstenzeit. Däniken beginnt mit 1. Sign detecting: das Volk Israel wird in der Wüste ernährt. Es folgt als 2. Argumentum ad ignorantiam: ein bisschen Tamariskenmanna wäre zu wenig für ein Volk und dann der 3. Analogieschluss: lange andauernde Nahrungsbeschaffenheit kann nur durch einen außerirdischen Eingriff zustandegekommen sein. 4. Langzeitkreationismus: die Außerirdischen beobachten die Entwicklung des Menschen seit Jahrzehntausenden und die Erschaffung des Menschen war eine dieser zentralen Aktionen in der Geschichte der langen evolutiven Liftung. Durch Dänikens spezifischen Langzeitkreationismus ist es ihm möglich, den Schein einer Verwendbarkeit der Evolutionstheorie innerhalb der Präastronautik und so ebenso den Schein, hier eine wissenschaftlich sinnvolle Hypothese zu vertreten, aufrecht zu erhalten. Dazu modifizierte er später (um 1990) seine Grundthese über die Erschaffung des Menschen durch Außerirdische. In Die Spuren der Außerirdischen (1990) formuliert er etwa sein Programm auf folgende, gegenüber dem früheren Modell einer Paarung mit Außerirdischen abweichenden Weise: „Irgendwann in den vergangenen Jahrtausenden landete zum ersten Mal eine außerirdische Mannschaft auf der Erde. Aus dem bereits vorhandenen Vollmenschen nahmen sie eine Samenzelle, veränderten diese genetisch (was heute laufend praktiziert wird) und ließen die mutierte Zelle in einer Nährlösung wachsen bis zum Ei. Das Ei wurde dem weiblichen Exemplar derselben Gattung künstlich eingepflanzt (Retortenbaby), das Weibchen gebar ein Kind. Logischerweise hat dieses Kind sämtliche Merkmale des ursprünglichen hominiden Stammes, dasselbe Skelett, denselben Körperbau, denselben Kiefer, denselben Schädel. Es ist trotz der künstlichen Mutation ein irdisches Produkt. Nur erwarb es durch den außerirdischen Eingriff einige zusätzliche Fähigkeiten, die den Eltern abgingen. Bei-

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Däniken, 1977, 30.

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spielsweise das Sprachzentrum, das ihm ermöglicht, Erinnerungen jederzeit in Information umzusetzen“1. Durch diese Variante, dass der Mensch ein durch außerirdische Intelligenzen zwar mutiertes aber doch ganz irdisches Produkt sei, kann von Däniken in anderer Weise die Evolutionstheorie scheinbar in seine Theorie integrieren, ohne der Meinung zu sein, seine Theorie aufgeben zu müssen. Vielmehr kann er dann darüber hinaus sogar der Meinung sein, dass ihm eine vollendet zeitgemäße, die Anliegen der Religionen und die Anliegen der Evolutionstheorie aufgreifende Metatheorie gelungen sei. Von Däniken weist im älteren Duktus darauf hin, dass er nicht bestreitet, dass der Mensch „vom Affen abstammt“2. In seiner Folgeargumentation taucht dann aber eine geradezu gnostische Symbolik auf. „Das alles ist unbestritten – nur muß ein Element hinzugekommen sein. Ein außerirdisches meiner Ansicht nach. Eine Kreuzung zwischen Planet Erde (Tier) und Weltall (Intelligenz) ... Weil der intelligente Mensch, so, wie er ist, eben nicht nur von irgendeiner VorAffen-Spezies herkommen kann: seine Rasse allein beweist es“3. Auf den folgenden Seiten spaziert Däniken – sich durchaus bewusst, ‚abstürzen‘ zu können4 – am Rande einer antisemitischen Rassentheorie. Durch die Auslese in der Wüstenerfahrung des Volkes Israel ist es für ihn verständlich, dass die Juden ein auserwähltes Volk sind. „War es für eine besondere Aufgabe prädisponiert?“5. Im Blick auf das 19. und 20. Jahrhundert konstatiert er die herausragenden wissenschaftlichen Leistungen von Juden. Seien sie grundgelegt worden durch die vierzig Jahre lange eugenisch bedingte Wanderung? „Ist von dieser ‚gesetzlichen‘ Isolation des neuen genetischen Materials her am Ende die heute noch gültige Regel abzuleiten, nach der sich Juden nur mit Juden paaren (!) sollten?“ Nach der Verwendung der Säugetierhauth, Rüdigermetapher paaren kommt der nächste Satz noch drastischer: „…hat sich durch Einhaltung dieser mosaischen Maxime zwar keine jüdische ‚Rasse‘, doch aber eine spezielle ‚Art‘ von Menschen erhalten, die sich gegenüber der restlichen Menschheit durch besondere Vorteile wie Nachteile (!) auszeichnet?“6. Wenn man dann noch in Rechnung stellt, dass die für von Däniken sittlich hoch stehenden Intelligenzen keine Probleme haben, ganze Zuchtgruppen von Menschen auszurotten, dann kommt man als distanzierter Leser wieder zurück zu den im ersten Band beschriebenen, nur hier mit transhumanistischen Ideen angereicherten, ariosophischen Fantasiewelten7.

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Däniken, 1990, 24. Däniken, 1979, 65. Däniken, 1979, 66. Vgl. Däniken, 1979, 80. Däniken, 1979, 78. Däniken, 1979, 79. Vgl. dazu Novian, 2013.

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„Das hier entwickelte Modell widerspricht weder der Evolution noch den religiösen Überlieferungen, die allesamt behaupteten, ‚Gott‘ oder die ‚Götter‘ hätten den Menschen ‚nach ihrem Ebenbilde‘ entstehen lassen. Die künstliche Mutation ist das anthropologische ‚Missing link‘, das fehlende Bindeglied. Das Rätsel der Abstammung und Intelligenzwerdung ist lösbar, ohne den milliardenfachen Zufall strapazieren zu müssen“1. Im Hinblick auf den Umgang mit der biblischen Tradition, hier speziell der Auslegung der Schöpfungsgeschichten, entspricht Dänikens Methode der der Kreationisten. Sie wird nicht als in ihrer Bildhaftigkeit geschichtlich wandelbare Interpretation unserer Wirklichkeit im Ganzen verstanden, sondern als reale Erklärungsalternative zu heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Nur dass sein intelligenter Designer nicht transzendenter Natur ist, sondern aus einem Team von Astronautengöttern besteht. „Nach anthropologischer Kathedermeinung haben sich die Arten im riesigen Gewächshaus nach den von Darwin vermuteten Spielregeln ... freilich ausgiebig von Zufällen gegossen, entwickelt. Eins aus dem andern: Alle Individuen derselben Arten sind aus einer gemeinsamen Stammform hervorgegangen und von einem Entstehungsmittelpunkt ausgewandert. Und: Da alle lebenden Formen die unmittelbaren Nachkommen derjenigen sind, die lange vor der kambrischen Epoche lebten, so können wir sicher sein, daß die regelmäßige Aufeinanderfolge der Geschlechter nie unterbrochen war, und daß keine Sintflut die Erde verwüstete“2. Dies sei allerdings nicht der Fall. Durch Zeitreisen und evolutive Liftungen gebe es – nach dem Maßstab der Evolutionstheorie – systemsprengende Gleichzeitigkeiten. Belegt werden durch Däniken solche Aussagen – ohne die Distanz eines Charles Fort (1874-1932)3 – etwa damit, dass der US-Amerikaner William J. Meister (1904-1987) am 3. Juni 1968 in der Gegend von Antelope Springs (Utah) die Fußspur eines beschuhten menschengroßen Wesens in einer 500 Millionen Jahre alten Erdschicht gefunden habe. Man habe erkennen können, dass die betreffende Person gerade einen Trilobiten mit dem linken Absatz zertreten habe4. Weiterhin müsse die Paläoanthropologie manche eindeutigen archäologischen Funde zur Vorgeschichte der Menschheit verdrängen. Es habe etwa in Mount Victoria (Australien) der Direktor des Mount York Natural History Museum, Rex Gilroy5, „fossile Fußspuren von Riesen“6 entdeckt.

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Däniken, 1990, 24. Däniken, 1977, 305. Vgl. dazu Hauser, Bd. 2, 239-250. Vgl. Däniken, 1977, 325. Vgl. dazu Gilroys Homepage: http://www.mysteriousaustralia.com/. Däniken, 1977, 328.

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Ohne dass die Instanz angegeben wird, die das betreffende Urteil gefällt hat, kann man dann lesen: „In die ‚Echtheit‘ der Riesenfußspuren werden nicht die geringsten Zweifel gesetzt“1. Darüber hinaus gebe es auch noch einen grundsätzlichen Vorteil der Präastronautik gegenüber der Evolutionstheorie. Seine Theorie habe, wie es alle kreationistischen Standpunkte gern behaupten, gegenüber den vielen unübersichtlichen wissenschaftlichen Hypothesen zur Evolution des Menschen den Vorteil der Simplizität. „In meinem Denkmodell, dass die Außerirdischen am Drama der Schöpfung beteiligt, sind die Jahrmilliarden der Evolution, zu jedem Zeitpunkt randvoll gespickt mit Zufällen, nicht notwendig“2. Mit den extraterrestrischen Ordnern und dem Hinweis, dass man positiv im Gespräch mit den Religionen bleiben könne, ist damit auch die Frage nach dem ganz großen Weltbaumeister gestellt.

8.

Metaphysische Grundlagen von Dänikens

Erich von Däniken befreit die Systemesoterik bzw. die UFO- und PräastronautikDebatte scheinbar von ihrem esoterischen Zungenschlag und weitgehend auch von einem deutlich metaphysisch-okkultistisch klingenden Interpretationsrahmen. Er verzichtet ebenfalls stark auf mystizistische Andeutungen und konfrontiert dafür den Leser mit einer Vielfalt von – fachwissenschaftlich betrachtet unsachlichen oder erfundenen – ‚Tatsachen’ aus ‚allen’ Wissenschaftsbereichen. Dadurch verleiht er seinen Büchern eine intensive wissenschaftsförmige Lesetönung. Durch den inszenierten Bezug auf Wissenschaft und durch seinen Einbezug berühmter oder in ihrer Bedeutung stilisierter Wissenschaftler wie etwa Francis Crick, Josef Blumrich, Harry O. Ruppe u.a. spricht er ein wissenschaftsgläubiges und doch esoterisch interessiertes Lesepublikum an. Seine Thesen stellt er dabei in einen weiten apokalyptischen Kontext und entwirft eine entsprechende neomythische Heilsgeschichte. Die Außerirdischen hätten uns erschaffen, uns einen Schöpfungsauftrag gegeben und würden wiederkommen und die Ergebnisse sichten. Diese Sichtung könne zu Gunsten oder zu Ungunsten der Menschen ausfallen. Das apokalyptische Weltbild geht hinsichtlich seines Geschichtsmodells von einer Naherwartung des Endes dieses Zeitalters (alter Äon) aus, das mit einem katastrophalen, aber auch heilbringenden Geschehen endet. Das Ende der Geschichte des alten Zeitalters steht in direktem Zusammenhang mit der vorangegangenen Menschheitsgeschichte beziehungsweise der Geschichte des Kosmos. Dabei muss für die apokalyptische Mentalität die Geschichte nicht notwendig durch einen göttlichen Schöpfungsplan bestimmt sein, sie kann auch durch eine gentechnische

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Däniken, 1977, 328. Däniken, 1977, 331.

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Programmierung der Menschheit geordnet werden. „Um den Ablauf der geschichtlichen und der endzeitlichen Vorgänge zu erklären, wird ein nach Klassen abgestuftes Heer von Engeln und Dämonen aufgeboten“1. Natürlich können diese Engel statt Flügeln UFOs zum Fliegen verwenden. Von der Seite der Menschheit her lassen sich dem Glauben an die kommende götterastronautische Heilsherrschaft getreue Anhänger der kommenden Macht von den anderen Menschen unterscheiden. Unter Letzteren gibt es für Däniken nicht nur Unwissende oder Laue sondern auch menschliche Widersacher (beispielsweise die kritischen Wissenschaftler). Die Getreuen würden nach der Ankunft der heilbringenden Mächte eine herausgehobene Rolle im neuen Äon des kosmischen Zeitalters spielen. Die apokalyptischen, klassischen und traditionellen christlichen Versatzstücke werden bei Däniken zwar zur Formgebung der ganzen Darstellungen verwandt, aber tauchen nur in säkularisierter Form auf. Wie sieht es in einem solchen Weltbild mit dem Glauben an den theistischen oder gar christlichen Gott aus? Däniken hält sich lange Jahre hinsichtlich der Frage, ob er noch Christ sei, bedeckt. Trotzdem kommt er aber immer wieder auf Gott zu sprechen. In der als Jugendbuch konzipierten Schrift über Die Rätsel im Alten Europa. Auf den Spuren der geheimnisvollen Linien (1991) widmet sich der letzte Absatz der Gottesfrage. Der Protagonist, ein Vertreter der Präastronautik, namens Mark führt gegenüber Jugendlichen/ Kindern aus: „Das Universum ist riesengroß und die Zeit unendlich. Theoretisch könnten unsere Außerirdischen von anderen Außerirdischen ‚befruchtet‘ worden seien und jene Außerirdischen wiederum von anderen ... und so fort über tausende von Sonnensystemen und Millionen von Jahren. Irgendwann aber sind wir am Ende der Kette … Und spätestens dort werden wir mit jedem Respekt und mit jeder Religion festhalten müssen: Hier ist die unvergleichliche und grandiose Schöpfung. Hier ist, was der menschliche Verstand nicht mehr versteht und nicht mehr verkraftet. Hier ist der Ursprung, nämlich das, was die Menschen und vermutlich alle anderen denkenden Lebensformen im gesamten Universum mit demselben Namen belegen: Mit dem einzigartigen Wörtchen GOTT“2. Däniken redet von Gott oft in der Sprache der Heftchenreihe Perry Rhodan, zu deren Autoren sein alter Freund Walter Ernsting (unter dem Pseudonym Clark Darlton schreibend; 1920-2005) zählt, und bezeichnet seinen Urgrund der Welt dann entsprechend als ES3. Er konfrontiert – weiter oben wurde in seiner Biografie ein Ansatzpunkt für sein wohl durch eine harte und engstirnige religiöse Erziehung geprägtes Bild vom Christentum gefunden – ein volkstümliches, milieuka1

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Hahnenbruch-Jandl, 2002, 21 unter Rückgriff auf Koch, 1970, 25-29. Vgl. dazu auch Dormeyer/ Hauser, 1990, 40f. Däniken, 1991, 212f. Däniken, 1982, 174.

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tholisches Gottesbild inklusive der Theodizee-Frage mit seiner immanentistischen Interpretation der Erschaffung des Menschen. „Wenn alles, was ist, von dem einen und einzigen Gott geschaffen wurde, dann mußte dieser Gott gerecht, allmächtig und gut sein, denn alles ist Schöpfung nach seinem Willen. Warum lässt dieser Gott Kriege entstehen, Blut und Tränen fließen? ... Wenn dieser weise Gott will, daß ihm alle Menschen ‚dienen‘, wie die Religionen sagen, warum läßt er dann auf einem einzigen Planeten 20.000 Religionen und Sekten zu, die sich in seinem Namen in blutigen Auseinandersetzungen bekriegen? ... Welchen Sinn hat dieser eine Gott intelligentem Leben überhaupt zugedacht?“1 Ein spätes Interview mit Jakob Buhre (2013) zeigt noch deutlicher die Auswirkungen der damaligen, historische Forschung ignorierenden populären Theologie, die ihm im Schweizer Internat autoritär präsentiert wurde: „von Däniken: Nach christlichem Denken soll Jesus gekommen sein, um uns Menschen zu erlösen. Aber von was zu erlösen? Von einer sogenannten Erbsünde. Was soll denn das sein? Da gab es mal nach christlichem Denken etwas, das nennt man Gott. In seiner unendlichen Güte zwei Menschen geschaffen: Adam und Eva. Er hat sie in ein angebliches Paradies gesetzt, hat ihnen gesagt: ‚Ihr dürft alles machen, nur von diesem Apfel essen, dürft ihr nicht.‘ Prompt machen sie, was er in seiner Zeitlosigkeit sowieso vorher weiß. Jetzt ist er aber tödlich beleidigt, obschon er das auch selber inszeniert hat, jagt die beiden Stammeltern aus dem Paradies und belastet die ganze Nachkommenschaft, die nichts dafür kann, mit einer sogenannten Sünde. Nach Jahrtausenden schickt der allmächtige Gott dann seinen eigenen Sohn. Der wird Fleisch. Und was machen diese Trottel auf der Erde? Sie verstehen nicht, was er sagt, sie foltern ihn, sie töten ihn, sie nageln ihn ans Kreuz. Und jetzt ist Gott versöhnt. Das ist der Grundgedanke: Das Opfer des Unschuldigen für die Sünden der Schuldigen – das ist ein grauenhaftes Heidentum. Wie kann man so einen Schmarrn… an Weihnachten singen wir das: ‚Himmlische Heere, jauchzen dir Ehre…‘ Das ist nicht zu fassen, wie eine Milliarde Menschen so einen Blödsinn glauben kann“2.

Unter Rückgriff auf Jaques Monods Buch über Zufall und Notwendigkeit charakterisiert er sein eigenes Gottesverständnis. Gegenüber einem atheistischen Standpunkt, dem die Frage warum überhaupt Etwas sei und nicht Nichts, nicht mehr thematisierenswert erscheint, hält Erich von Däniken daran fest, dass das den seiner Meinung nach den Big Bang auslösende „Uratom“3 in seiner Existenz nur denkbar ist durch vorausgesetzte „Schöpfung“4. Da für ihn ein personaler Gott nicht sinnvoll denkbar ist und er andererseits kein Atheist sein möchte, entdeckt er für sich den unbewussten Evolutionsgott.

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Däniken, 1982, 174. Däniken, 2013, Interview mit Jakob Buhre o.S. Rechtschreibfehler korrigiert („In“ statt „in“ am Satzanfang). Däniken, 1982, 178. Däniken, 1982, 178.

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„Die urgewaltige Kraft, die vor dem Beginn allen Werdens bestand, war ein Neutrum. ES war vor dem Big Bang existent. ES löste die große Zerstörung aus. ES ließ daraus alle Welten des Universums entstehen. ES, körperlose Urkraft, bestimmender Urbefehl, wurde Materie und: ES kannte das Resultat der großen Explosion. ES wollte zur erlebten Erfahrung gelangen“1. Und einige Zeilen weiter unten schreibt er unmissverständlich: „Daß ES, Synonym für den Begriff GOTT, vor dem Ur-Knall existiert haben muß, scheint mir eine unwiderlegbarer Gedanke zu sein“2. Auf der anderen Seite kann man religiöse Zeugnisse bei Däniken finden, die durchaus in die Richtung der monotheistischen Gottesvorstellung passen. Jakob Buhre fragt: „Ich habe in einem Interviewband gelesen, dass Sie tagtäglich beten. von Däniken: Ja, aber das Wort beten ist falsch. Vielleicht sollte man sagen ‚meditieren‘. Ich liege am Abend bevor ich einschlafe im Bett, starre zur Decke, stelle mir das Universum vor, die Milliarden Sterne und entwickle irgendwie ein Gefühl der Dankbarkeit, dass ich dabei sein darf, dass ich was erleben darf. Aber ich bete nicht und sage: ‚Bitte, gib mir einen Sechser im Lotto‘. So ist das nicht. (lacht)“3.

Durch die Einführung des Gedankens an ES würden erstens die ganzen Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten im Hinblick auf die Gottesvorstellungen hinfällig werden und außerdem würden sich endlich die vielen Religionen und Sekten nicht mehr bekämpfen müssen. Außerdem wäre es für Däniken geradezu peinlich in einer derart zersplitterten religiösen Landschaft von Außerirdischen besucht zu werden. „Wollen wir uns von einer fremden Intelligenz als geistig minderbemittelt ansehen lassen, weil wir am Samstag keinen Lichtschalter bedienen? (Orthodoxe Juden) Weil wir kein Schweinefleisch essen? (Mohammedaner und Juden) Weil wir magere Kühe und fette Ratten für heilig halten? (Hindus und verwandte Religionen) Oder: weil wir unseren allmächtigen Gott auf grauenhafte Weise ans Kreuz nagelten? Ich vermute, daß mit dem Schritt ins interstellare dritte Jahrtausend zwangsläufig das Ende der irdischen Vielgötterei kommen wird“4. Dabei geht Erich von Däniken durchaus von der Voraussetzung aus, dass die Theorie der Präastronautik und damit er als ihr vermeinter Begründer den Paradigmenwechsel ins neue interstellare Zeitalter repräsentieren. Nicht umsonst heißt eines seiner Bücher Prophet der Vergangenheit. Und schon im ersten Buch über Erinnerungen an die Zukunft spricht Däniken mit prophetischer Stimme und in naher Erwartung des Heils: „Derweil kommt mit dem Raumzeitalter der geistige

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Däniken, 1982, 179. Däniken, 1982, 180. Däniken, 2013, Interview mit Jakob Buhre o.S. Däniken, 1982, 181.

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jüngste Tag immer näher auf uns zu. Die theologischen Wolken werden sich verflüchtigen, werden wie Nebelfetzen zerrissen“1. Die ‚klassischen‘ metaphysischen Fragen nach dem Woher und Wohin des Menschen, nach dem Grund von allem und nach der Grundgestalt unserer Welt überhaupt, werden von Erich von Däniken binnenkosmisch umformuliert und entsprechen so dem neomythischen religionsförmigen Interesse. Es geht um die Sehnsucht nach Frieden, die Sehnsucht nach binnenkosmischer Unsterblichkeit und die Sehnsucht nach dem Aufbruch in den Kosmos. „Das Verlangen nach Frieden, die Suche nach der Unsterblichkeit, die Sehnsucht nach den Sternen – all dies gärt tief im menschlichen Bewußtsein und drängt seit Urzeiten unaufhaltsam nach Verwirklichung. Ist dieses dem Menschenwesen tief eingepflanzte Drängen selbstverständlich? Handelt es sich tatsächlich nur um menschliche ‚Wünsche‘? Oder steckt hinter diesem Streben nach Erfüllung, diesem Heimweh nach den Sternen etwas ganz anderes? Ich bin überzeugt, daß unsere Sehnsucht nach den Sternen durch ein von den ‚Göttern‘ hinterlassenes Erbe wachgehalten wird“2. Die metaphysische Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen bringt wahrscheinlich schon von Anbeginn her die Frage nach einem möglichen Leben nach dem Tode mit sich. Mit dem Bewusstsein, sterblich zu sein, ist auch das Bewusstsein der Möglichkeit, seine radikale Endlichkeit als real aufgehoben zu erfahren, gegeben. Leichen (Bestattungen sind mindestens ab 70.000 v. Chr. nachgewiesen, die Aufbewahrung von Schädeln und Unterkiefern zwischen 400.000 bis 300.000 v. Chr.) werden in vielen Regionen mit Ocker als rituellem Blutersatz bestäubt, sie werden in embryonaler Stellung beerdigt3, damit sie aus der Erde wiedererstehen können, und ihnen werden Grabbeigaben mitgegeben, die dem Toten nutzen sollen. Die oft nach Osten ausgerichtete Position der Toten verbindet diese mit dem Schicksal der im Westen sterbenden und im Osten wieder zu neuem Leben erstehenden Sonne.

Was eher als menschheitsgeschichtlich sich einstellende, anthropologische Grundbestimmtheit erscheint, ist für Erich von Däniken nicht anders als technizistisch erklärbar. Schon in seinem ersten Buch formuliert er eine – schon weiter oben zitierte – neomythische Hypothese, die ein Leben nach dem Tod durch technische Methoden bewerkstelligbar macht. „Was aber haben Mumien mit unserer Hypothese von Raumfahrern im grauen Altertum zu tun? Zerren wir Indizien an den Haaren herbei? ... haben irgendwelche ‚Götter‘ (= Raumfahrer) einem aufgeweckten, intelligenten Königssohn ihre Kenntnisse, wie man – nach einer speziellen Behandlung – Leichen wiedererwecken kann, mitgeteilt?“4.

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Däniken, 1969, 83f. Däniken, 1969a, 13. Vgl. dazu Fischer, 1956, Tafeln 27-30. Däniken, 1969, 126f.

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Philosophische Anthropologie, die die Unhintergehbarkeit radikaler Endlichkeit durch den Menschen und dessen Geneigtheit, dieselbe trotzdem zu übersteigen, reflektiert, wird ersetzt durch die Annahme eines raumzeitlich genau situierbaren Geschehens in der Erdgeschichte. Der Mensch und alle seine Pläne, besonders der Plan, in den Weltraum vorzustoßen, seien ein Produkt außerirdischer Intelligenz. „Darum unterstellen wir, daß die Weltraumforschung nicht Produkt eines freien Entschlusses ist, sondern daß er einem starken inneren Zwang folgt, indem er die Perspektiven seiner Zukunft im Weltall untersucht“1. Auch seine Sehnsucht nach einem ewigen Leben stammt in dieser präastronautischen Hinsicht von der außerirdischen Gentechnik. Damit handelt sich von Däniken das Problem ein, zur Frage nach der möglichen Willkür der Außerirdischen hinsichtlich ihres genetischen Plans Stellung zu nehmen. Einen Ausweg gibt es für ihn durch den Bezug auf eine metaphysische Voraussetzung. Die Astronautengötter gliederten sich in die Grundmuster unseres Universums und seiner grundlegenden, sinnvollen Gesetzmäßigkeiten harmonisch und sachgerecht ein, wenn sie uns entsprechend prädestinierten. Sie handelten stellvertretend für ES. Von Däniken scheut sich nicht, weitreichende philosophische Betrachtungen zur Universalgeschichte des Kosmos anzustellen. Durch diese ‚anthropologische‘, d.h. auf das Wesen aller endlicher vernünftiger Wesen bezogene Prämisse, die er als banale Tatsache bezeichnet, wird es ihm möglich, das Handeln der Außerirdischen metaphysisch zu verankern. Die Astronautengötter handeln nicht willkürlich, wenn sie als unsere Schöpfer ihren Schöpfungsplan in uns hinein legen, sondern sie handeln im metaphysisch begründeten Rahmen. „Die Fremden, unbekannten Raumfahrer, die vor abertausend Jahren unseren Planeten besuchten, müssen kaum weniger weitsichtig gewesen sein, als wir es heute zu sein glauben. Sie waren davon überzeugt, daß der Mensch eines Tages den Schritt ins Weltall aus eigener Kraft und eigenem Wissen tun würde. Es ist eine banale Tatsache der Universalgeschichte, daß die Intelligenz eines Planeten immer nach Verwandtschaft, nach Leben, nach korrespondierender Intelligenz im Weltall suchte“2. Gegen die „Zerstörer der Zukunft vom ‚Orden der Pessimisten‘“ und ihre „finsteren Gedanken“ wendet sich Däniken in seinem Wissenschaftsglauben. In seinem Interview mit Jakob Buhre formuliert Däniken 2013, drastisch an den Nationalsozialismus erinnernd, dass die deutsche und schweizerische Wissenschaft, die seine Thesen nicht zur Kenntnis nehme, „gleichgeschaltet“ sei3. Ungebrochen lebt das 19. Jahrhundert wieder auf, wenn er schreibt: „Ich schätze menschlichen Verstand und menschliche Verantwortung höher ein als die Berufspessimisten. Wie in der vieltausendjährigen Entwicklungsgeschichte der Zivi-

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Däniken, 1969, 168. Däniken, 1969, 141. Däniken, 2013, Interview mit Jakob Buhre o.S.

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lisation werden wir Herr dessen bleiben, was menschliche Denkfähigkeit hervorbringt. In jeder Zukunft“1. An dieser Stelle bezieht sich Däniken auf die Replikation von Menschen. Das Klonen von Menschen ist für ihn wichtig, weil auf diese Weise die geistige Potenz von Genies erhalten bliebe. Besonders bei der Besiedelung anderer Planeten wäre der Rückgriff auf ein derartiges genetisches Potenzial von großer Bedeutung2. Nicht nur im Hinblick auf die Individualität der betreffenden Genies fällt auf, dass das Individuum für von Däniken nicht sonderlich bedeutsam ist. Es geht um die Entwicklung der menschlichen Rasse in den Weltraum hinein. Die Menschen sollten das wiederholen, was die Astronautengötter ihnen vorgemacht haben. „Sie gingen auf sicher. Sie arbeiteten nach Plan. Sie warteten nicht den Ablauf zufallsbedingter Evolutionen ab, sie züchteten Leben und Artenformen nach Plan. Drohte eine unerwünschte Art die Erde zu beherrschen und anderes Leben zu gefährden oder es in der Entwicklung zu stören, dann vernichteten sie diese Spezies“3. Dabei ist bei Däniken das Thema der Erschaffung neuer Arten von Menschen ganz in den Kontext einer technizistischen Metaphorik gestellt. „Cloning! Ist der Planet unbewohnt, wird eine auf die Bedingungen der neuen Umwelt eingestellte ‚Rasse‘ programmiert – gibt es nichtintelligentes Leben, wird in die Eizelle der höchstentwickelten Art menschliches Erbgut eingesetzt. Geschichte wiederholt sich: wir werden tun, was die Außerirdischen mit den Primaten auf unserem Blauen Planeten getan haben!“4 Und selbstverständlich würden diese Göttermenschen-Raumfahrer alle Rassen vernichten, die nicht an das Leben des betreffenden Planeten angepasst sind. Bei uns Menschen waren nach präastronautischer Auffassung die Außerirdischen auch nicht zimperlich was die Ausrottung misslungener Züchtungen betrifft. Aus alledem ergibt sich dann die präastronautische Lösung der darwinischen Orientierungsaufgabe: „… durch Zufall und von selbst sind wir nicht entstanden!“5. Faschistische Allmachtsphantasien klingen hier an. Und weil nach Däniken weiterhin angenommen werden könne, dass hochentwickelte Intelligenzen nicht nur keine Kannibalen sind („Was soll‘s? Höher entwickelte Intelligenzen sind ganz bestimmt keine Kannibalen“6), sondern es mit uns als ihrem Ebenbild gut meinen, sind die Erdenmenschen auf unserem kleinen Provinzplaneten im unübersichtlichen Weltraum geborgen. Damit wird die kopernikanische Orientierungsaufgabe bewältigt. Insofern uns weiterhin diese Wesen durch ihre genetischen Entwürfe auf eine gute und sinnvolle Weise strukturiert haben, können wir uns in der durch Traditionskrisen gebeutelten Moderne trotz

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Däniken, 1979, 63. Däniken, 1979, 84f. Däniken, 1977, 331. Däniken, 1979, 86. Däniken, 1977, 360. Däniken, 1977, 40.

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allem gut orientieren und sicher sein, dass unsere Vernunft in sich stimmig ist. Es gibt keine unausrottbaren Abgründe des Dunklen in uns, wie uns die freudianische Orientierungsaufgabe zu sagen schien. Wir sind rational programmiert. Und da die Außerirdischen des Weiteren in uns ein für uns zurzeit noch unübersehbares und bis in die Unsterblichkeit hineinführendes Entwicklungspotential gelegt haben, hat für den präastronautisch Glaubenden auch die androidische Orientierungsaufgabe ihren Schrecken verloren. Für Erich von Däniken sind die Religionen das größte Hindernis auf dem Weg in einen befreienden Weltraum hochentwickelter galaktischer Zivilisationen, die uns an ihren großen Errungenschaften teilhaben lassen würden. In höchster präastronautischer Autorität verkünde er ex cathedra: „Als Spezialist für Außerirdische weiß ich – nicht: glaube ich! –, vor Jahrtausenden besuchten ETs die Erde. Daraus entstanden heilige Schriften und Religionen. Bekannterweise behauptet jede Religion im irdischen Tollhaus, ihre Heilige Schrift sei die einzig wahre. ... Es müsste selbst dem bescheidensten Gehirn einleuchten: Der wirkliche Gott, der grandiose Geist der Schöpfung, ist für den irdischen Religionssalat und die Rechthaberei der Menschen nicht zuständig“1. In den religiösen Schriften der Menschheit fänden sich einerseits Hinweise auf die einstige Präsenz außerirdische Besucher, die uns erschaffen hätten und andererseits Hinweise in Form etwa der Zehn Gebote, wie wir uns so zu verhalten hätten, dass wir in die Gemeinschaft der „galaktische(n) Zivilisationen“2 aufgenommen werden könnten, wenn wir das Züchtungsziel der Außerirdischen, die raumfahrerische Kompetenz, erworben hätten. „Man kann einem Kind nicht verbieten zu wachsen, einer Menschheit nicht Weltraumflüge zu machen. Für alle intelligenten Lebensformen im Universum gelten dieselben Rechte. Dennoch gibt es eine Schranke, bevor das Tier ‚Mensch‘ aus dem Zoo ausbrechen darf. Es muss seine Friedfertigkeit beweisen. Das funktioniert aber so lange nicht, als rechthaberische Religionen auf die Gläubigen anderer Gemeinschaften losgehen“3. Im Augenblick befänden wir uns deshalb noch in einem Zoo Erde4 und unterständen einem Embargo5. Von Däniken verneint die Frage, ob die Präastronautik eine Heilslehre sei und schreibt dann aber weiter: „Und dennoch behaupte ich: Die Außerirdischen kommen wieder!“6 Nach diesem Statement folgt am Ende des Buches Prophet der Vergangenheit eine neomythische Drohpredigt. Wiederkommen würden allerdings „weder nebulöse Geister noch erdachte, fantastische Schemen“7. Die Außerirdi-

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Däniken, 2008, 194. Däniken, 2008, 196. Däniken, 2008, 197. Däniken, 2008, 197. Däniken, 2008, 198. Däniken, 1979, 270. Däniken, 1979, 271.

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schen werden nach Däniken auch Gericht halten. Wenn die Außerirdischen kämen würden sie vielleicht eine „bequeme, untätige“ Menschheit vorfinden, die das „‚göttliche‘ Erbe der Intelligenz vernachlässigte“1. Auch die Außerirdischen glauben nach von Däniken an Gott. Auch sie verehrten „das unbegreifliche Etwas, das in allen Religionen mangels eines besseren Begriffs ‚Gott‘ genannt wird“2. Um zu verhindern, dass die Menschen aus ihnen Religions-Götter machten, hätten sie unter den Geboten als erstes das Bilderverbot eingesetzt. Danach sei es zu einem theologischen Sündenfall gekommen. „Gleich nach dem Aufbruch der Außerirdischen in die Weiten des Weltraums setzten sich die Menschen über das Gebot hinweg. In allen Religionen aller Kulturen wurden fix Götterbilder verfertigt und auf unterschiedliche Namen getauft“3. Von Däniken hofft einerseits, dass der präastronautische Jüngste Tag noch lange auf sich warten lässt. „Die Menschheit sollte sich moralisch, ethisch und technisch auf die Wiederkunft der ‚Götter‘ vorbereiten. Die zehn Gebote sollten wieder inthronisiert werden“4. Darüber hinaus sollten die Menschen sich auf ihre technische Schöpferkraft besinnen. Als letztes allerdings weist Däniken dann darauf hin, dass es einen einfachen Weg zum guten Leben auf der Erde gebe: wenn die „Götter-Astronauten-Theorie ... in ihrem konstruktiven, positiven Aspekt begriffen würde, könnte die Menschheit getrost und mit großer Zuversicht einer friedlichen, fortschrittsgesegneten Zukunft entgegengehen. Sie müßte sich vor der Wiederkehr der ‚Götter‘ nicht mehr fürchten“5. Andererseits ist es für Däniken wichtig, dass sich die Außerirdischen bald melden. In seinem Interview mit Jakob Buhre (2013) zeigt sich deutlich die eschatologische Hoffnung Dänikens auf einen die Präastronautik bestätigenden Kontakt mit Außerirdischen. „(Buhre: L.H.) Wie wäre es denn jetzt, wenn Ihre Theorie, dass die Außerirdischen bereits auf der Erde waren, komplett anerkannt wäre? Wie würde das unser Bewusstsein, unser tägliches Leben verändern? von Däniken: Komplett. Zum ersten werden wir bescheiden. Wir wissen, wir sind nicht alleine. (Buhre: L.H.) Dass wir nicht alleine sind, das glauben ja heute schon viele. von Däniken: Viele der Religionen und Überlieferungen würden sich dann als falsch erweisen. Wir haben sie falsch verstanden. Das ändert das komplette religiöse Denken, in allen Religionen. Die Geschichten stimmen nicht mehr so, wie wir sie gelernt haben. Da hat nicht Gott eingegriffen, sondern das waren Außerirdische. Das ist etwas ganz anderes. Die neue Generation würde dann natürlich eine neue Wissenschaft schaffen, die viele Einzelheiten prüfen müsste, zum Beispiel, 1 2 3 4 5

Däniken, 1979, 271. Däniken, 1979, 274. Däniken, 1979, 274. Däniken, 1979, 279. Däniken, 1979, 280.

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wie man die Pyramiden wirklich gebaut hat. Man würde ein neues Denken machen. Und das würde der Menschheit gut tun. Seit Jahrtausenden haben wir Krach und Streit, vorwiegend auch um Religionen. Die hauen sich aus religiöser Rechthaberei und Rassismus gegenseitig die Schädel voll. Sowie wir uns bewusst werden, dass wir Bestandteil von etwas Größerem sind….Plötzlich kriegen wir Radiokontakt mit Außerirdischen oder die tauchen sogar auf. Dann wird uns bewusst: Wir sind alle Teilnehmer auf dieser winzigen Kugel. Ob rot oder grün oder gelb oder schwarz: Wir gehören alle dazu, wir sind die Menschheit, wir sind die intelligente Spezies auf diesem Planeten. Und diese verdammte Rechthaberei: ‚Nur wir Weiße(n) haben Recht!‘ oder ‚Nur wir Katholiken haben Recht!‘ oder ‚Nur wir Muslime vertreten das alles!‘ – dieses Denken verändert sich komplett. (Buhre: L.H.) Es wäre dann friedlicher auf der Welt? von Däniken: Ja, definitiv friedlicher. Es gibt doch keinen Grund mehr, für die Kriegerei, außer geographische Gründe“1.

9.

Präastronautik als Lösungsansatz für die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne und ihre Traditionskrise

Ich habe weiter oben schon darauf hingewiesen, dass die Präastronautik für das neomythische Denken der Gegenwart seit dem späten 20. Jahrhundert exemplarischen Charakter als moderne Systemform des Neomythischen hat. So wie die Theosophie Blavatskys das Grundmuster der neomythischen Systemesoterik der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt, können sich im präastronautischen Denken die neomythischen Versatzstücke der vagabundierenden Religiosität und eines entsprechenden Wissenschaftsglaubens bündeln. Das theosophische Grundmuster bleibt dabei allerdings gewahrt. Es ist problemlos möglich, dass ein Theist, ein Deist, ein Theosoph, ein Atheist oder der Angehörige eines Reinkarnationsglaubens das präastronautische System übernehmen. Spannungsfrei lassen sich auch Quantentherapie oder Therapien aus dem Bereich der Archetypen und die Sehnsucht nach dem ursprünglichsten, archaischen Leben oder erlesene Diätvarianten in den Theorierahmen der Präastronautik integrieren. In dieser Hinsicht bekommt die Präastronautik den Charakter als Paradigma im Sinne eines aktuellen Musterbeispiels. Wir haben gesehen, dass namhafte Vertreter der Wissenschaftselite aus der Gründungsphase der Raumfahrtwissenschaft zu den ersten Protagonisten des präastronautischen Denkens gehören. Auch hier, wie so oft, sind Wissenschaftler und Künstler Tendenzspürer des Kommenden und artikulieren das, was Jahrzehnte später zu einer breiten Bewegung wird. Wissenschaftstheoretisch ist dies nach Ludwik Fleck der Weg von der „esoterischen“ Expertengruppe zum „exoterischen“ Kreis der Interessierten, den man je nach dem 1

Däniken, 2013, Interview mit Jakob Buhre o.S.

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betreffenden Fall noch einmal in verschiedene Kreise ausdifferenzieren kann. So unterscheidet sich etwa die Qualifikation des akademisch gebildeten Sachbuchautors von der des sensationslüsterne Leser bedienenden Buchautors und diese wiederum von der des interessierten Leserpublikums. Innerhalb desselben gibt es wiederum Leute die auf der Suche nach dem für sie lebenswichtigen sinnstiftenden Wissen sind und denen, die Nebenbeisinnsuche oder reine Neugier antreibt. Gleiches gilt natürlich für die Rezipienten von entsprechenden Fernsehsendungen. Man darf zum Beispiel nicht unterschätzen, dass die Präastronautik-Thesen nicht nur zu Verfilmungen zusammen mit Däniken geführt haben, sondern auch zu einer breit angelegten, aktuellen Fernsehserie in den USA, die erfolgreich nach Europa exportiert wurde. Wenn also die Präastronautik in diesem Sinne hier als Paradigma neomythischen Denkens im 21. Jahrhundert vorgestellt wird, dann bündeln sich in ihr thematisch oder weitgehend unthematisch Lösungsansprüche von spezifischen Sinnstiftungsproblemen der Moderne. Auf der einen Seite müssten deshalb durch die Präastronautik die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne in irgendeiner, vielleicht auch nur scheinbaren Weise positiv bearbeitet wenn nicht sogar gelöst werden können. Natürlich ist die ‚Lösung‘ der Präastronautik aufgrund ihrer Unwissenschaftlichkeit und der unkritischen Bestreitung möglicher Gegenargumente nur scheinbarer Natur. Wenn ich im Folgenden skizziere, was für Aspekte im Problemzusammenhang der metaphysischen Unübersichtlichkeit der Moderne durch die Präastronautik gleichsam tröstend in der dunklen Nacht der modernen Seele thematisiert werden können, lasse ich den sonst eintönig werdenden Hinweis auf die Scheinhaftigkeit dieser Lösung beiseite. Aus diesem Grunde verfasse ich die folgende Skizze zur metaphysischen Leistungsfähigkeit der Präastronautik im Indikativ und nicht im Konjunktiv.

Sowohl die kopernikanische als auch die darwinische als auch die freudianische als auch die androidische Orientierungsaufgabe können in ein zumindest neues und metaphysisch tröstendes Licht gestellt werden. Der mit dem krisenhaften Wanken der ‚geistigen Gewalten‘ des Abendlandes, des Christentums, der klassischen Bildungsgüter der griechisch-römischen Antike und dem Konzept einer wahrheitsorientierten allgemeinen Menschenvernunft indizierte Transformationsprozess der kulturellen Überlieferung, den man etwas vorschnell als ‚Traditionsbruch‘ bezeichnen mag, kann durch die Präastronautik ebenfalls positiv bearbeitbar werden. Beginnen wir mit diesem Gesichtspunkt. Die Präastronautik ermöglicht nach diesem ‚Traditionsbruch‘ eine Relecture der Mythologie und der religiösen Traditionen des Christentums. Dies geschieht durch eine, dem religiösen Fundamentalismus eigene ‚wörtliche‘ und ungeschichtliche Auslegung von Texten und Artefakten. Trennen die Präastronautik etwa von der inhaltlichen Seite ihres Glaubens gleichsam Welten von einem protestantischen Fundamentalisten des us-amerikanischen Bible Belt, so sind sie sich hinsichtlich der Methode der Bibelauslegung einig. Es gab realgeschichtlich für beide Adams Rippe, aus der die Stammmutter der Menschheit geschaffen wurde,

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nur war sie für die präastronautische Interpretation eben ein Reagenzglas, das von Astronautengöttern zwecks evolutiver Liftung unserer vormenschlichen Vorfahren eingesetzt wurde. Die Präastronautik kann durch ihren globalen, alle Wissenschaften einbeziehenden Ansatz die Sehnsucht nach einem neuen, weltbildmäßig und weltanschaulich revolutionären Paradigma der Selbst- und Weltorientierung befriedigen. Sowohl alle Wissenschaften als auch die Erkenntnisse anderer Religionen und Mythen erhalten durch den Kolportagetopos ‚Außerirdische sind unsere Schöpfer und Kulturstifter‘ eine Richtung, die zu einem globalen Paradigmenwechsel führt. Wenn Erich von Däniken der Präastronautik einen geradezu apokalyptischen Grad an Bedeutsamkeit für die religiöse wie für die wissenschaftliche Welt zuspricht, so nimmt es nicht wunder, wenn diese gleichsam materiale Einheitswissenschaft durch seine Epigonen entworfen wird. Der deutsche Studiendirektor Peter Fiebag und sein Bruder, der Geologe Johannes Fiebag, gelten in Präastronautik-Kreisen als Repräsentanten der präastronautischen Hardcoreforschung. Sie publizieren 1984 in Ancient Skies, dem Organ der Ancient Astronaut Society, einen Aufsatz der die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Präastronautik skizziert. Einleitend weisen sie zunächst darauf hin, dass schon 1976 auf der sechsten Weltkonferenz von der Gründung eines usamerikanischen Lehrstuhls für Präastronautik geredet worden sei. Damals habe aber niemand den Wissenschaftscharakter der Präastronautik reflektiert. Harry O. Ruppe habe dann 1983 die AAS-Hypothese formuliert. Die beiden Autoren wollen hier konkreter werden und nach dem Wissenschaftsstatus der Präastronautik fragen. Sie legen zunächst eine Bestimmung von Wissenschaft vor, die den Eindruck erweckt, sie sei aus populären Konversationslexika übernommen1. Wissenschaft könne eine Tätigkeit, eine Institution oder das Ergebnis einer Tätigkeit sein und sei weiter unterteilbar in Universalwissenschaften und Einzelwissenschaften, die wiederum in Formalwissenschaften und Realwissenschaften unterschieden werden könnten. Der Wissenschaft gehe es entweder um Erkennen um des Erkennens willen oder um Erweiterung des menschlichen Wissens. Die Präastronautik wäre eine Wissenschaft, die sich um die Erweiterung des Wissens kümmern würde. Sie wäre weiterhin eine historische Wissenschaft, „da ihr Forschungsgebiet auf die Vergangenheit (prä-historische/ historische Zeiten) Bezug“2 nehmen würde. Nun wird darauf hingewiesen, dass die Präastronautik kein Teilbereich einer anderen historischen Wissenschaft sei, da ihr spezifisches Charakteristikum der Bezug auf „Erforschung und Rekonstruktion der Einflussnahme außerirdischer Kulturen auf die Erde und die Geschichte der Menschheit“3 sei.

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Fiebag, J. und P., 1984, VIII. Fiebag, J. und P., 1984, IX. Fiebag, J. und P., 1984, IX.

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Nun entwickeln die beiden Autoren ein Netzstrukturmodell genanntes Schema1 durch Verbindung der gleichsam in der Mitte stehenden Präastronautik mit allen anderen Wissenschaften. Auf diese Weise wird die Präastronautik – in der Terminologie der Brüder Fiebag gesprochen – zu einer historischen Realwissenschaft, auf die andererseits alle anderen Wissenschaften bezogen sind. Sie wird durch diesen Kolportagetopos eine materiale Metawissenschaft. „An den beiden Skizzen (die beiden Netzstrukturmodelle, L.H.) wird ferner deutlich, dass zukünftige Studenten der ‚Prä-Astronautik‘ sich nicht auf ein einzelnes Gebiet beschränken können. Entsprechende ‚Zweitfächerkombinationen‘, wie sie aus anderen Studiengängen bekannt sind, müssten hinzu gewählt werden. Zum Beispiel Prä-Astronautik als erstes Hauptfach, Alt-Amerikanistik als zweites Hauptfach, und Raumfahrttechnik als Nebenfach. Oder Geologie als erstes Hauptfach, und Prä-Astronautik als Nebenfach. Denkbar ist auch eine Kombination aus Theologie, Exobiologie und Prä-Astronautik“2.

Zeigen wir den metaphysisch tröstenden Lösungsansatz der Präastronautik nun in Bezug Hawking und Dawkins auf, die als Musterbeispiele heutiger atheistischer Plausibilitäten vorgestellt wurden und an die präastronautisches Denken weiterführend und tröstend anknüpfen kann. Stephen Hawking sagt, dass am Anfang von Allem kein Schöpfergott stehen könne, weil erst durch die Entfaltung des unvordenklichen Quantenvakuums Zeit freigesetzt würde für einen Gott, der aber – um existieren zu können – eines zeitlichen ‚Vorher’ für seine Existenz als Schöpfer aus dem Nichts bedürfte. Schon mit der auch durch Hawking vertretenen Vorstellung eines anthropischen Prinzips ist für viele die Möglichkeit gesetzt, in der kalten Nacht des Universums ein lebenund intelligenzförderndes Prinzip ohne einen übergreifenden personalen ‚Prinzipialisten’ zu konzipieren. Dem Hawkinganhänger blüht dann das Bild eines menschenfreundlichen Kosmos, allerdings ohne den Trost der großen persönlichen Überlebensperspektiven. Aber wie kann es dann weiter gehen? Der Bezug auf einen Darwinismus à la Dawkins ist in der Entwicklung eines neomythischen kosmischen Trostes ein weiterer Schritt auf eine Milderung der Situation. Mit den Replikatoren und der damit gegebenen möglichen Ewigkeit/ Unsterblichkeit bestimmter Memplexe lässt sich die neoatheistische Problemstellung, einsam auf einem Staubkorn in einem Kosmos ohne Perspektiven zu sitzen, in ihren metaphysischen Konsequenzen zumindest mildern. Was aber wäre, so die mögliche präastronautische Interpretation, wenn die Replikatoren und die ‚unsterblichen Memplexe’ durch eine bewusste genetische Hochzucht des Menschen aus vorgefundenen Beständen der Australopithecusarten zustandegekommen wären? Durch die genetischen Manipulationen ist dann ein binnenkosmischer Schöp-

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Fiebag, J. und P., 1984, IX. Fiebag, J. und P., 1984, XI.

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fungsplan für die Menschen denkbar. Da dieser Schöpfungsplan sich auf die Ausbreitung des Geistes im ganzen Universum bezieht, wäre die Menschheit integriert in eine kosmische Gemeinschaft, die sogar von fortgeschrittenen Zivilisationen das Geheimnis der Unsterblichkeit und der Wiedererweckung aller Toten lernen könnte. Denkfiguren dieser Art bietet Frank Tipler mit seiner Physik der Unsterblichkeit an und Frank Drake schürt in seiner Konzeption des SETI-Projektes die Hoffnung auf interstellare Informationen über die technologische Herstellung eines ewigen Lebens. Zugleich können diese Außerirdischen als Repräsentanten einer eindeutig kosmologisch begründeten und damit eindeutig ‚objektiven‘, ‚vernünftigen‘ Vernunft begriffen werden. Mit David Bohm und anderen Quantentheoretikern, kann unsere physikalische Wirklichkeit als Grundwirklichkeit gefasst und dann metaphysisch als ein auf die Entwicklung des kosmischen Geistes hin ausgerichtete, Soma-Signatur besitzendes Holomovement betrachtet werden. So ist nicht nur auf der Ebene einer populären Rezeption der Grund der physikalischen Wirklichkeit geistfreundlich und fördert endliche vernünftige Wesen. Auch hier bieten sich gute Anknüpfungspunkte für eine Rezeption durch die Präastronautik. Die extraterrestrischen Intelligenzen, die dem äffischen Vorfahren der Menschheit auf der Erde die Schöpferhand zur genetischen Liftung bieten, sind getragen von einer wohlwollenden Subquantensphäre, der alle Galaxien unter dem Namen ES huldigen dürfen. Auf dieser Basis können sich populäre Physik und populäre Evolutionsbiologie zu einer soliden Grundlage präastronautischen Denkens verbinden. Im Folgenden will ich den Weg der Präastronautik unter pointiertem Bezug auf diese metaphysikförmigen Lösungsversuche weiter verfolgen. Wir haben ihren Weg verfolgt von seinem Ursprung aus der ‚philosophierenden‘ Raumfahrtwissenschaftselite, über erste wichtige Protagonisten hin zu ihrer wegweisenden ‚Paulusgestalt‘ Erich von Däniken und betrachten jetzt die immer weitere exoterische Kreise betreffende Breitenwirkung. Dazu schauen wir auf die Rezeption präastronautischen Gedankengutes in den Massenmedien am Beispiel von Fernsehserien und Filmen und werfen einen Blick in die Zeit, in der ohne Internet noch präastronautische Forschung in kleinen Privatjournalen und randständigen Verlagen veröffentlicht wurde und wenden uns der heutigen Selbstdarstellung des sich um die A.A.S.-FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR ARCHÄOLOGIE, ASTRONAUTIK UND SETI sammelnden exoterischen Kreises der Präastronautik im Internet zu. Am Ende steht dann ein exemplarischer Blick auf die politisch hochbrisante Rezeption der Präastronautik in Indien. Vorher muss allerdings auch noch eine andere Frage beantwortet werden. Warum gibt es in dieser Kritik der neomythischen Vernunft kein großes Anschlusskapitel zum Thema Transhumanismus/Posthumanismus?

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V. Transhumanismus/ Posthumanismus: Keine alternative Systemesoterik Frank Tipler, Hans Moravec (*1948), Marvin Lee Minsky (*1927), Raymond Kurzweil (*1948) und auch Stephen Hawking sind Repräsentanten einer Denkrichtung, die als Transhumanismus bezeichnet wird. Ebenso gibt es den analogen Terminus Posthumanismus, der sich mehr auf Autoren der literarischen Szene bezieht. Wenn ich unabhängig von wissenssoziologischen Gesichtspunkten einer Art ‚reiner‘ Begriffsentwicklung des neomythischen Denkens folgen würde, dann wäre ein passender Abschluss der Kritik der neomythischen Vernunft sicher im Transhumanismus/Posthumanismus zu finden. Als reine Gedankenentwicklung ist es folgerichtig, dass sich die Menschheit zum Schluss in einem großen Quantencomputer ihre ewige gestaltgewordene Form der Absolutheit schafft. Doch ist dieser Gedanke nur für wenige reizvoll – zu sehr hängt der prosaische Durchschnittsmensch doch an seiner Körperlichkeit. Den Grundgedanken des Transhumanismus kann man anhand einer Passage aus dem Vorwort von Hans Moravecs Kultbuch Mind Children skizieren. Der Österreicher Hans Moravec, Professor für Robotik und Direktor des Mobile Robot Laboratory an der CARNEGIE MELLON UNIVERSITY in Pittsburgh (Pennsylvania) veröffentlicht 1988 mit Mind Children. The Future of Robot and Human Intelligence (Mind Children. Der Wettlauf zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz) ein Schlüsselwerk des Transhumanismus1. Auf der ersten Seite schreibt er: „Für Milliarden von Jahren in einem unbarmherzigen, verschlungenen Wettrennen mit anderen, haben sich endlich unsere Gene durchgesetzt. ... was uns erwartet ist nicht die Vergessenheit sondern eher eine Zukunft, die von unserem augenblicklichen überlegenen Standpunkt am besten beschrieben wird mit ‚postbiologisch‘ und sogar mit ‚übernatürlich‘“2. Mit übernatürlich ist hier kein Bezug auf ‚jenseitige Verhältnisse‘ gemeint, sondern eine innerkosmische Kompetenz seine Angelegenheiten immer autonomer und weitreichender selbst zu regeln und sich dadurch von den Spielregeln der natura prima zu Gunsten einer selbstgestalteten natura secunda zu befreien. Die – im zweiten Band dieser Kritik der neomythischen Vernunft vorgestellte – Vision von Makroleben (Macrolife), die der Sciencefiction-Autor George Zebrowski (*1945)3 entwirft, wird hier als Wirklichkeit angesetzt. Es sei mittelfristig möglich, dass sich menschliche Gehirne auf Computer übertragen ließen. Auf diese Weise gebe es eine technologische Möglichkeit der Reinkarnation. Andere Autoren vertreten analoge Positionen. 1

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Ein späteres Buch mit dem Titel Robot. Mere Machine to Transcendent Mind (1998) bringt keine weitergehenden Erkenntnisse. Moravec, 1988, 1, Übersetzung L.H. Vgl. Hauser, Bd. 2, 352-355.

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Das zeitgleich mit Moravecs Buch 1987 publizierte Werk The Society of Mind (deutsch: Mentopolis)von Marvin Minsky – Mitbegründers des Massachusetts Institute of Technologies AI laboratory – begründet die Hoffnung auf eine transhumanistische Zukunft durch eine grundlegende Voraussetzung im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von menschlichem Gehirn und künstlicher Intelligenz. Intelligenz habe ihre Grundlage im Zusammenspiel von vielen kein Bewusstsein besitzenden Grundbausteinen, die er als Agenten (agents) bezeichnet. In ihrem Zusammenwirken bildeten sie eine societies agents. Das mechanische Weltbild des 19. Jahrhunderts, das in der so genannten Experimentalpsychologie etwa eines Frederick Burrhus Skinner einen wichtigen behavioristischen Zweig gefunden hat, wirkt sich auch im Bereich des populären Philosophierens über Informationstechnologien aus1. In einem zusammen mit Seymour Papert (*1928) publizierten unveröffentlichten Entwurf schreibt Minsky: „Der Geist ist eine Gemeinschaft von Agenten. Jeder hat begrenzte Kraft und kann nur mit bestimmten anderen kommunizieren. Die Kräfte des Geistes stammen aus deren Interaktionen, weil keiner der einzelnen Agenten für sich nennenswert intelligent ist“2. Durch das Baukastenmodell und die Verteilung von unbewusst: Baustein und bewusst/: society of agents scheint es formal möglich, Geist und Computer direkt miteinander in Verbindung zu bringen. Der Transhumanismus findet hier seine erkenntnistheoretische Begründung. Auf die Frage nach Willensfreiheit kann verzichtet werden. In der Society of Mind schreibt er: „Gemäß der modernen, wissenschaftlichen Betrachtungsweise gibt es keinen Raum für ‚Willensfreiheit‘. Alles was im Universum geschieht ist entweder vollkommen determiniert durch das was in der Vergangenheit geschehen ist oder hängt von dem Zufall ab. Alles was sich in unseren Gehirnen ereignet hängt davon ab und nur davon: einer Menge von vorgegebenen Gesetzen. Einem zufälligen Gemenge von Ereignissen“3. Bernhardt macht zu Recht darauf aufmerksam, dass es sich hier um das Erbe von Jacques Monods These über Zufall und Notwendigkeit handelt. Raymond Kurzweil (*1948), leitender Google-Mitarbeiter und Erfinder4 vertritt einen ‚spirituell‘ angehauchten Transhumanismus etwa in seinem Buch über The Age of Spiritual Machines. When Computers exceed Human Intelligence (1999). „Überhaupt wird es am Ende des 21. Jahrhunderts keine Sterblichkeit mehr geben. … Bisher war unsere Sterblichkeit an die Lebensdauer unserer Hardware gebunden. Wenn die Hardware zusammenbrach (crashed), dann war‘s das. Wenn wir uns entschließen uns an Computertechnologie überantworten, dann könnte

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Vgl. Langenheder, 1994, 128-130. Minsky/ Papert, 1976 zit. nach: Singh, 2003 o.S., Übersetzung L.H. Minsky, 1987, 306. Übersetzung L.H. Auf diese Stelle macht Bernhardt, 2008, 251f aufmerksam. Vgl. bes. seine Homepage: http://www.kurzweilai.net/.

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sich unsere Identität auf eine sich entwickelnde Bewusstseinsdatei (mind file)“1 prägen lassen. Wenn wir Eugen Sängers Vision von ins transzendente Milieu fliegenden Photonenraketen in diese Vision hinzunehmen, dann können wir davon ausgehen, dass wir ab Ende des 21. Jahrhunderts für ewige Zeiten das Universum und die Welten die darüber hinaus liegen durchstreifen können. Es fehlt nur noch die ökonomische Vision, dass jeder Mensch zu diesem Zeitpunkt dann auch noch seine eigene Rakete zur Verfügung hat.

Einige Details der neomythischen Zukunftsvision des Transhumanismus wollen wir uns nun anhand des Standpunktes von Stephen Hawking vor Augen führen. Stephen Hawking schreibt in einem kleinen Beitrag über Leben im All eine transhumanistische Vision nieder. Er setzt mit der schon durch andere Autoren bekannt gewordenen ‚Millionen-Jahre-Perspektive‘ ein und verweist auf den kommenden Zeitpunkt, an dem die Erde nicht mehr bewohnbar sein werde. Die Menschen seien in den letzten Jahrhunderten auf ein neues Niveau der Evolution gelangt. Er unterscheidet eine Darwinsche Evolution von einer nun beginnenden selbst gestaltete(n) Evolution2. Diese selbstgestaltete Form der Evolution bestehe wesentlich darin, dass die Zufälligkeit der Ausleseprozesse ausgeschaltet werde. Der Mensch könne sich über gesteuerte Veränderungen der DNA nun „verändern und … verbessern“3. Zwar werde es anfänglich Widerstände konservativer Kreise gegen derartige gentechnologische Experimente geben, doch werde sich durch einige Wegbereiter die Gentechnologie auch auf diesem Gebiet der Verbesserung des Menschen durchsetzen und Supermenschen4 erschaffen. Diese würden die Herrschaft über die Erde übernehmen. Nun beginnt die neomythische Allmachtsfantasie bei Hawking. „Sobald es solche Supermenschen gibt, wird es zur riesigen politischen Problemen mit den nicht verbesserten Menschen kommen, sie nicht werden mithalten können. Vermutlich werden sie aussterben oder unwichtig werden. An ihrer Stelle wird es eine Rasse selbstgestaltender Wesen geben, die sich mit zunehmender Geschwindigkeit selbst verbessern“5. Diese Superwesen würden dann die Sternenwelt besiedeln. Dabei sei es möglicherweise so, dass die Menschen ihre DNA so verbessern könnten, dass sie „unbegrenzt … oder zumindest hunderttausend Jahre lang“6 leben könnten. Sinnvoller wäre es wahrscheinlich, dass intelligente Leben auf Maschinen7 zu übertragen. Nun wird die jetzt schon neomythische Vision in gigantische Zeitdimensionen 1 2 3 4 5 6 7

Kurzweil, 1999, 128f. Übersetzung L.H. Hawking, 2005, 23. Hawking, 2005, 23. Hawking, 2005, 23. Hawking, 2005, 23. Hawking, 2005, 24. Hawking, 2005, 24.

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ausgeweitet. Die Maschinen könnten sich immer weiter verbessern und könnten mindestens fünfzehn Milliarden Jahre lang bis zum Ende unseres strukturierten Universums leben. Der englische Mathematiker Freeman Dyson habe gezeigt, dass es prinzipiell Möglichkeiten gebe, sich an den nahe kommenden energetischen Nullpunkt des Universums anzupassen um im Prinzip ewig weiter bestehen1 zu können. Wie will aber der Transhumanismus die Wahrheit seiner Argumente beweisen? Es gibt ein einfaches philosophisches Argument, welches den Wahrheitsanspruch, die Objektivität derartiger Theorien sprengt, die im Letzten immer die Hirnaktivität als Zentrum des Übertragungsprozesses ins Maschinelle voraussetzen? „Das Objektive ist nicht die vermeintlich so wertfreie Referenz auf ein Außen. Dieses liegt im Hirninnenraum so garnicht vor. Objektiv ist in dieser Analyse nur das Subjektive, dies sind die physiologischen Reaktionen, die sich in einem Moment ereignen, und die dem Subjekt als Wahrnehmung einer Außenwelt erscheinen. Das vermeintlich Objektive, das, was da im Hirn verhandelt wird, ist nur präsent, insofern es verhandelt wird, d.h. als Moment des Subjektiven“2. Ein breitenwirksamer politischer Einspruch gegen den Transhumanismus/Posthumanismus erscheint 2002 in Gestalt des us-amerikanischen Politologen Francis Fukuyama (*1952) unter dem Titel Our Posthuman Future, den er zeitgleich mit seiner beratenden Tätigkeit im United States President's Council on Bioethics, herausbringt.

Die Transformation des Menschen in einen prinzipiell endlos lebenden Computerzusammenhang ist ein weiteres Beispiel für ein hoch ausgebautes neomythisches Denken, das seinen Ursprung in der Wissenschaftselite hat. Wenn man ohne Bezug auf kulturelle Verhältnisse und gesellschaftliche Bedingungen die Entwicklung des ‚reinen‘ Begriffs vom Neomythischen verfolgen wollte, dann würde sich der Bezug auf den Transhumanismus anbieten und es würde sich nun anbieten, der Geschichte und die Gedankenführungen einer radikalen Gruppe wie die der Raelisten3 darzustellen. Der Transhumanismus/Posthumanismus und Theorie und Praxis der Raelisten, wären als eine konsequente begriffliche Weiterführung der Präastronautik präsentierbar. Verwiesen sei hier nur auf die Grundthese der Anhänger von Rael und ihre Ansprüche Menschen zu klonen: „Vor Tausenden von Jahren, kamen Wissenschaftler von einem anderen Planeten zur Erde und schufen alle Formen des Lebens, einschließlich des Menschen, den sie nach ihrem eigenen Bild schufen. Verweise auf diese Wissenschaftler und ihre Arbeit können in den alten Texten vieler Kulturen gefunden werden. Aufgrund ihrer hochentwickelten Technologie, wurden sie durch unsere primitiven Vorfahren als Götter betrachtet und oft als ‚Elohim‘, das im Althebräischen ‚Diejenigen, die vom Himmel kamen‘ bedeutet. Trotz des pluralen Wortes, wurde Elohim im Laufe der Zeit zum Singular ‚Gott‘ über-

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Hawking, 2005, 25. Breidbach, 1994, 193. Vgl. dazu http://de.rael.org/home. Rechtschreibfehler korrigiert.

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setzt. Verweise finden sich in modernen Bibeln. Dennoch, diese Menschen, die vom Himmel kamen (die Elohim) bildeten die Menschheit über die Jahrhunderte mit Hilfe verschiedener Botschafter (auch Propheten genannt), mit denen sie Kontakt hatten, aus. Jedem Botschafter wurde eine Botschaft, passend für das Niveau des Verständnisses, zum gegenwärtigen Zeitpunkt, mit der Absicht die grundlegenden Prinzipien der Gewaltlosigkeit und Respekt näher zu bringen, gegeben. Als die Menschheit ein ausreichendes wissenschaftliches Verständnis erreicht hatte, beschlossen die Elohim sich selbst in einer stärkeren Präsenz in UFO-Sichtungen zu zeigen und ihre letzte Botschaft vorzustellen. Rael wurden zwei Missionen anvertraut: Die letzte Botschaft auf der Erde zu verbreiten und den Bau eines Botschaftsgebäudes um unsere Schöpfer willkommen zu heißen. Die atheistische ‚Intelligentes Design Theory‘ bietet eine vernünftige Lösung für die uralte Debatte zwischen GottGläubigen und Evolutionisten. Es passt nicht nur zu den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auch zu den alten, historischen Berichten aller Kulturen“1.

Doch geht es bei unserer Behauptung, dass die Präastronautik die neue Form der Systemesoterik sei, auch um den Grad der öffentlichen Akzeptanz dieser Theorie. Wenn man von dem Gesichtspunkt der breitenwirksamen Zustimmung absieht, dann wäre in der reinen Entwicklung einer neomythischen begrifflichen Logik der Transhumanismus etwa eines Hawking als Endpunkt entsprechender Allmachtsfantasien und als höchste Stufe neomythischen Systemesoterik präsentierbar. In der immanenten Begriffsentfaltung stünde am Ende des neomythischen Fantasierens die Vision einer Menschheitsentwicklung, die, auf kosmische Festplatten gebannt, durch rein geistige Energien überlebend, gegen alle Möglichkeiten der Kosmosentwicklung gefeit wäre. Entropie, absolute kosmische Leere am Ende oder auch der dann bewältigbare Big Crunch und Neuanfang in einem neuen Big Bang wären dann kein Thema mehr. Aus dem radikal endlichen Menschen wird im neomythischen Glauben der nur zufällig durch Endlichkeit geprägter Mensch und dieser könne dann in die absolute aber verendlichte und damit vorstellbare und lebbare Ewigkeit prinzipiell abzählbarer, 10∞er Jahre eintreten. Es wäre ein selbstgeschaffenes Nirwana. Der ‚elegante‘ Weg des rein begrifflichen Extrapolierens einer dann nur noch reinen ‚Idee‘ soll hier allerdings verschlossen bleiben. Wenn es um die Frage nach der heutigen, wenn auch nur jeweils als Teilmosaik in kollektiven Längeren Gedankenspielen gelebten Form der Systemesoterik geht, also um die Frage nach den exoterischen Mitgliedern der Erkenntnisgemeinschaft, landen wir beim Systemrahmen der Präastronautik. Die Transformation des Menschen in einen prinzipiell endlos lebenden Computerzusammenhang ist ein Beispiel für ein hoch ausgebautes neomythisches Denken, das seinen Ursprung in der Wissenschaftselite hat und nicht darüber hinausreicht. Nehmen wir als Beispiel die Arbeitsgruppe: Transhumanismus der Piratenpartei. In den Jahren 2011 und 2012 konnte die Piratenpartei in Schleswig-Holstein,

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http://de.rael.org/home. Grammatikfehler korrigiert.

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Saarland, Nordrhein-Westfalen und Berlin zwischen 7 und 8% der Wählerstimmen erhalten. Sie bleibt allerdings eine Protestwähler-Partei und fällt bald in die Bedeutungslosigkeit. Trotzdem ist sie ein Indikator für gesellschaftliche Strömungen. Die Arbeitsgruppe: Transhumanismus der Piratenpartei (Gründungsdatum: 24.03.2011) präsentiert auf ihrer Seite folgende Motivation für Mitmachwillige1: „Was ist Transhumanismus? Hast du schon einmal über die Zukunft nachgedacht und dir überlegt, wie Technologien, die sich zur Zeit am Horizont abzeichnen, unser Leben positiv beeinflussen könnten? Wie wäre es zum Beispiel mit... • einem Nanocompiler, der dich mit jedem beliebigen materiellen Objekt beliefert, so dass du nie wieder einkaufen und Geld ausgeben musst? • einem Roboter, der dir langweilige Arbeiten abnimmt? • Urlaub auf anderen Planeten? • Verstärkung des Gehirns durch implantierte Quantencomputer? • Uploading deines gesamten ‚Ichs‘ in den Speicher eines Hypercomputers? Falls dich solche Überlegungen mit Neugierde und wissenschaftlicher Abenteuerlust erfüllen – dann bist du in dieser AG genau richtig. Das Ziel der Transhumanisten besteht darin, die geistigen, körperlichen und emotionalen Fähigkeiten des Menschen mithilfe von Wissenschaft und Technologie umfassend auszudehnen und biologisch bedingte Begrenzungen zu überwinden“. Doch am 7.8.2014 findet der Neugierige die Information „Diese AG ist inaktiv. Wenn du diese AG weiterführen willst: Reaktiviere sie (und nimm Kontakt zur Koordinatorenkonferenz auf)!“ Sogar in einer extremen Nerd-Partei ist Transhumanismus als mögliche kulturelle Strömung bedeutungslos.

VI. Präastronautik in globaler Breitenwirksamkeit – vom cineastischen Abendland zu Indiens politischer Elite 1.

Der Subtext der Präastronautik

Zunächst einmal will ich die These vom Stellenwert der Präastronautik durch eine Reflexion auf den nicht durch die Vertreter der Präastronautik intendierten Subtext derselben ergänzen. Durch diese neue Perspektive verändert sich auch was unter Präastronautik zu verstehen ist. 1

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Transhumanismus.

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Präastronautik wird jetzt nicht mehr eingeordnet vom Zusammenhang mit Erich von Däniken und der der AAS gesehen. Der Begriff der Präastronautik wird jetzt weiter gefasst. Unter Präastronautik verstehe ich im Folgenden die Denkfigur der unvordenklichen/vorzeitlichen Begründung der jetzigen menschlichen Daseinssituation durch die Auswirkungen extraterrestrischer oder übermenschlicher und in hohem Maße weiterentwickelter wissenschaftsfundierter Technik. Damit bekommt die Präastronautik einen anderen Stellenwert. Sie wird ein wichtiges Element im Zusammenhang der Sinnkonstitution einer von Modernitätskrisen geschüttelten global verstrickten und sich durch wissenschaftsfundierte Technik gestaltenden Welt. Das wesentliche Moment an der Präastronautik in diesem ihrem Subtext ist der Versuch, den die metaphysischen Orientierungsaufgaben der wissenschaftlichtechnischen Zivilisation, den Traditionsbruch und die globale Krise der verfassten Religionen/Konfessionen der Moderne begleitenden Problemzusammenhang durch den Rückgriff auf die Idee einer ‚unvordenklichen‘ Begründung der heutigen Gesellschaft durch die wissenschaftsfundierte Technik zu lösen. Es kann dann – so die unthematische Hoffnung – in einem ‚Neuaufbruch‘ zu neuer Sinnstiftung einerseits die Leistungsfähigkeit der modernen wissenschaftsfundierten Technik weiter positiv gewertet werden. Andererseits versucht man dadurch der zunehmenden metaphysischen Heimatlosigkeit zu entgehen, indem man diese moderne Welt scheinbar historisch abgesichert mit technizistischen Metaphern ‚mythologisiert‘ und dabei auch die eigene kulturelle und religiöse Herkunft zu begründen vermag. Dies ist im Bereich der jüdisch-christlichen Traditionssphäre die Antwort auf die Säkularisierung, Demokratisierung und Wende zur wissenschaftsfundierten Technik und in nachkolonialen Regionen bietet sich hier – wie am Beispiel Indiens gezeigt werden kann – die Neubegründung der eigenen religiösen und mythologischen Tradition im Kontext einer Versöhnung mit der wissenschaftsfundierten Technik außerhalb der ‚westlichen Kultur‘ an. Die metaphysische Oikeose, die Beheimatung im Kosmos wird durch die Mythisierung der wissenschaftsfundierten Technik im präastronautischen Denken selbst herzustellen versucht. Im Hinblick auf die Technik im Allgemeinen ist diese Vorgehensweise nicht unplausibel. Mutschler schreibt dazu sehr richtig: „Es gibt keine prästabilierte Eigendynamik des Technischen, die auf ein vorher bestimmtes Ziel gerichtet wäre, sondern Technik ist schlicht, was wir daraus machen“1. Zugleich soll damit – das ‚soll‘ bewegt sich wieder im unterschwelligen Bereich des Subtextes – die Versöhnung des Menschen mit dieser Art der ins Göttermenschliche hineinreichenden Form der technologischen Selbstgestaltung voll-

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Mutschler, 1998, 40.

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zogen werden. Göttermenschen, die ihren Planeten vernichten können, erhoffen sich einen technologisch erzeugten extraterrestrischen Schöpfungsplan, der ihren Umgang mit der wissenschaftsfundierten Technik zum Guten hin regelt. Die wissenschaftsfundierte Technik soll also – wenn ich hier diese unthematischen Hoffnungen zusammenfassen darf – den Systemrahmen abgeben, innerhalb dessen ein Mensch der heutigen Zeit im Kontext des durch die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne modifizierten Bedingungsrahmens von Raum und Zeit seinen sinnvollen Ort wiederfinden kann. In einer umfassenden Relecture von Dokumenten und Artefakten der Vergangenheit wird dazu die Sinnhaftigkeit und gleichsam Notwendigkeit der heutigen wissenschaftlich-technischen Lebensform zu begründen versucht. Die Zusage der Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz aus einer Art gentechnisch fundierter extraterrestrischer Pädagogik entspringender praedestinatio ad bonum durch eine hochtechnisierte ‚edle Vorzeit‘, unter Einbezug einer positiven euhemeristischen Würdigung der überkommenen Gestalten von Religion, ist die unthematisch zu Grunde liegende Intention dieser Präastronautik. Aus den Göttern der Vergangenheit werden präastronautisch wiederentdeckte Übermenschen/Götter aus dem Weltall, die uns einen leuchtenden Pfad in eine Zukunft weisen sollen, in der wir heutigen Menschen selbst zu Göttermenschen werden könnten. Die Präastronautik präsentiert auf der Oberfläche Spielmaterial für Längere Gedankenspiele, die dann im Bereich der Substruktur Hilfen zur Bewältigung der Modernitätsschübe gewähren sollen. Und auf der anderen Seite ist es jedem Vertreter der Präastronautik problemlos möglich, die ‚klassischen‘ esoterischen und grenzwissenschaftlichen Themen in diesen Systemrahmen scheinbar zu integrieren. Es ist für ihn kein Thema den Glauben an Reinkarnation, Telepathie, Geister, Heilsteine, Homöopathie, Kornkreise, Quantenheilung, Kundalini-Erweckungen, Voodoo uvm. beizubehalten und andererseits den Systemrahmen dieser modernen Form der Systemesoterik zu akzeptieren und dadurch einen direkten – jederzeit in jedem Museum und an jeder archäologischen Stätte selbst leistbaren – Zugriff zur Interpretation der gesamten Traditionen der Menschheit zu finden. Die Frage ist nun, in welchem Maße sich diese Behauptung, dass die Präastronautik die heutige Grundform der Systemesoterik sei, auch außerhalb derartiger thesenhafter begrifflicher Reflexionen belegen lässt. Auf der Suche nach der Breitenwirkung von präastronautischer Oberflächenstruktur und Substruktur werden wir den abendländischen Zusammenhang verlassen. Präastronautik kann weltweit zum Längeren Gedankenspiel von Kulturen werden, die sich dem Einflussbereich der wissenschaftsfundierten Technik und der Postmodernität der Global Player geöffnet haben und sich dabei doch vom abendländischen Kontext abgrenzen und ihre eigene kulturelle Identität trotz dieser Rezeption abendländischer Errungenschaften bewahren wollen. Dies soll nun Thema sein.

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Um die breitere Kulturbedeutsamkeit der Präastronautik deutlich zu machen, werde ich zunächst den Schritt von dem esoterischen (Fleck), d.h. inneren Kreis der Teilnehmer des präastronautischen Vernunftunternehmens (Toulmin) zum exoterischen Kreis desselben darstellen. Dieser Schritt wird zunächst, ausgehend von der Wissenschaftsförmigkeit inszenierenden ‚Forschungsorganisation‘ im Umkreis Erich von Dänikens, der – so ihr ursprünglicher Name – ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY und dann im zweiten Schritt am Beispiel des modernen Films und breitenwirksamer Fernsehserien dargestellt. Im letzten Schritt richte ich dann – in bescheidenem Maße, weil entsprechender Sprachen nicht mächtig – den Blick auf Indien, wo das Thema Präastronautik als Stütze totalitärer hindunationalistischer Visionen eine brutale politische Wirklichkeit stützt, die im Zeitalter auch religiös motivierter Terror- und Ausrottungskriege (etwa: so genannter Islamischer Staat) eine schauderhafte und durch den Besitz von Atomwaffen gesteigerte Bedeutung bekommt.

2.

Das präastronautische Denkkollektiv: Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI

Wenn man nach dem Muster der Verhältnisbestimmung eines esoterischen Kreises von Denkkollektivteilnehmern, in dessen Mitte symbolisch Erich von Däniken als der übergroße Fachmann steht, zu einem exoterischen Kreis bzw. nach dem Übergang vom fachmännischen zum populären Wissen fragt, dann stößt man auf ein entsprechendes Denkkollektiv das seine Bezeichnung bis heute in der Abkürzung AAS fasst. Der us-amerikanische Rechtsanwalt Gene M. Phillips (*1926) gründet am 14. September 1973 die ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY und es erscheint in der Folge mit Ancient Skies eine Mitgliederzeitschrift. Der Name der Gesellschaft wird 1998 in FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR ARCHÄOLOGIE, ASTRONAUTIK UND SETI umgewandelt und die Mitglieder beziehen anstelle von Ancient Skies die Nachfolgezeitschrift Sagenhafte Zeiten (bzw. für den englischsprachigen Raum ARCHAEOLOGY, ASTRONAUTICS AND SETI RESEARCH ASSOCIATION mit der Zeitschrift Legendary Times)1. Am Ende der Selbstvorstellung steht dann auch noch der Hinweis: „Was ist die A.A.S. nicht? -Sie ist kein Verein mit Vereinsabstimmungen und Wahlen -Sie ist keine Religion und keine Sekte -Sie ist keine politische Organisation“2.

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https://archive.is/yT7fZ#selection-625.0-847.38, Zugriff am 23.2.2015. https://archive.is/yT7fZ#selection-625.0-847.38, Zugriff am 23.2.2015.

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Die Gesellschaft hat im deutschsprachigen Raum über sechstausend Mitglieder, die offensichtlich sehr fleißig sind. Auf der Homepage von Erich von Däniken steht über seine Mitstreiter: „Das, was sie verbindet sind die Theorien von Erich von Däniken und ähnlicher Autoren, es sind Fans solcher querdenkerischen Hypothesen, über die schon Milliarden (!) von Seiten geschrieben wurden“1. Die Zielsetzung der Gesellschaft wird zurzeit (2015) folgendermaßen umschrieben: „Ziele der A.A.S. Es ist unser Ziel, einen anerkannten Beweis für die Existenz eines Besuches von Außerirdischen auf unserer Erde in früheren Zeiten zu erbringen. Dabei wollen wir den Grundregeln des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns folgen, uns aber nicht von bestehenden Dogmen oder Paradigmen eingrenzen lassen. Ist ein derartiger Beweis von uns oder anderen Forschern gefunden, sehen wir unsere Aufgabe darin, Verbindungen zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit herzustellen“2. Am Beginn der Arbeit der Gesellschaft Jahr hört sich diese Hypothese noch etwas holpriger an: Auf der ersten Seite der alten Hefte von Ancient Skies steht als Programm der Präastronautik: „Die ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY ist eine gemeinnützige Gesellschaft. Zweck der Gesellschaft ist das Sammeln Austauschen und Publizieren von Indizien, die geeignet sind, folgende Theorien zu stützen: a) die Erde erhielt in prähistorischen Zeiten Besuch aus dem Weltall, (oder) b) die gegenwärtige, technische Zivilisation auf diesem Planeten ist nicht die erste, c) a + b kombiniert“3.

Die esoterischen Teilnehmer des Denkkollektivs in der AAS werfen entweder entsprechende präastronautische ‚Sachbücher‘ mit finanziellem Erfolg auf den Markt und/oder kommen aus dem Bereich eines prestigeträchtigen Berufes, wo sie sich einen bedeutsamen Namen gemacht haben. Dazu zählt etwa Robert Charroux, der sich, wie wir gesehen haben, zunächst durchaus in einer Konkurrenzsituation zu dem seine Thesen ‚nutzenden‘ Erich von Däniken befindet, dann aber merkt, dass der Einstieg in das mit Däniken in See stechende Boot ertragreicher sein würde. Weiter lassen sich als erfolgreiche Autoren, die im Zusammenhang der AAS etwa bei deren Weltkongressen auftreten und diese Foren zur Eigenwerbung nutzen, anführen Colin Andrews (*19464; besonders Arbeiten über Kornkreise), Robert Bauval (*1948; Ägypten und Planeten des Orion5), Johannes von Buttlar (*1940; schreibt über fast alle esoterischen und

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http://www.evd.ch/aas.html. http://www.sagenhaftezeiten.com/uploads/media/A.A.S.-Prospekt.pdf. Hier etwa entnommen aus Nr. II 8 (1984)I. Vgl. http://www.colinandrews.net/. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/RobertBauval.

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grenzwissenschaftlichen Themen1) oder Rainer Holbe (*1940; schreibt über fast alle esoterischen und grenzwissenschaftlichen Themen2). Zugänge in die esoterische Sphäre ergeben sich für die eben genannte zweite Gruppe etwa durch den Ausgangspunkt von einer hochkarätigen Position im Forschungssektor der freien Wirtschaft bzw. staatlicher Organisationen wie etwa einer Raumfahrtbehörde oder durch einen Professorentitel. Als Beispiele lassen sich hier nennen3 Josef Blumrich, Harry O. Ruppe, Francis Crick oder Dileep Kumar Kanjilal (*1933, Übersetzungen altindischer Texte unter Bezug auf präastronautische Prämissen4). Andere schaffen es durch eine frühe Bindung an Erich von Däniken bzw. an präastronautisches Gedankengut in den finanziellen oder ideellen Wärmestrom eines Lebens als erfolgreicher Sachbuchautor bzw. Mitarbeiter in die Organisation der AAS einzusteigen. Exemplarisch kann man hier auf Ulrich Dopatka (*1951), Johannes (1956-1999) und Peter Fiebag (*1958), Lars A. Fischinger (*1974), Walter Jörg Langbein (*1954) und Tatjana Ingold (*1975) verweisen. Den exoterischen Kreis kann man unterscheiden in AAS-Mitglieder, die sich unter dem frühen Motto der AAS Come search with us – vielleicht in kleinen ‚Forschungsgemeinschaften‘ organisiert – an der Arbeit des esoterischen Denkkollektivs beteiligen und möglicherweise nicht nur kleine Artikel sondern sogar auch kleine Bücher in entsprechenden dienstbaren Verlagen publizieren. In den sechziger, siebziger und frühen achtziger Jahren fand diese Publikationstätigkeit analog zu den Aktivitäten in Sciencefiction-Fangruppierungen durch das Herausgeben hektographierter Fotokopien statt. Zwar sind die weitaus meisten Beiträge Aufbereitungen von präastronautischen Sachbüchern in eigenen Worten oder kleine Essays zu den verschiedensten archäologischen Stätten oder Fundstücken oder auch zu geschichtlichen oder legendären Ereignissen, doch finden sich auch immer wieder kritische Stimmen zum AAS-Betrieb. Gottfried Bonn (*1964), selbst AAS-Mitglied und in Sagenhafte Zeiten (etwa 2012 und 2015) publizierend, nimmt 1984 deutlich kritisch in Mysteria zur Blumrichschen und Dänikenschen Interpretation der Thronwagen-Vision Ezechiels Stellung. Er schreibt: „Ich glaube, es nützt nichts, der Ezechiel-Vision mit empirisch wissenschaftlichen Mitteln beikommen zu wollen. Es handelt sich hierbei wahrscheinlich wirklich um eine göttliche Offenbarung. Der Mensch kann (und hat in seiner geistigen Unzulänglichkeit nicht das Recht) sich nicht anmaßen, darüber zu entscheiden, ob es einen Gott gibt oder nicht. ... Was die Thesen Erich von

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Vgl. http://www.jvbuttlar.at/#intro.html und http://de.wikipedia.org/wiki/JohannesvonButtlar. Vgl. http://www.rainer-holbe.de/ und http://de.wikipedia.org/wiki/RainerHolbe. Die im Folgenden aufgezählten Namen sind zum Teil aus einer Seite entnommen, auf die ich heute nicht mehr zugreifen kann: http://tatjana.ingold.ch/. Von ihm wird ausführlich noch im Hinblick auf die politischen Auswirkungen präastronautischen Denkens in Indien die Rede sein.

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Dänikens und Josef F. Blumrichs zu diesem Text anbelangt, so glaube ich auf Grund meiner bisherigen Recherchen mit gutem Gewissen sagen zu können, daß ihre Aussagen zum Ezechiel-Kapitel absurd sind“1. Axel Ertelt2, sich selbst charakterisierend als „Freiberuflicher Journalist und Schriftsteller. Themen: Grenzwissenschaften (UFOs, Prä-Astronautik und mehr), Thailand, Bestattung und Hilfe für Behinderte“3, charakterisiert die Nachteile, die die Einladung prominenter Vortragender mit sich bringt. Im Hinblick auf auf seine Erlebnisse bei der Weltkonferenz der AAS von 1984 schreibt er: „Erich von Däniken referierte einmal mehr über seine ‚Strategie der Götter‘ und gab somit (1984! zehnjähriges Jubiläum der Ancient Astronaut Society, L.H.) eine Wiederholung seines Vortrages vom Wiener Kongress 1982. ... auch hier könnte man wieder die altbekannten Einwände bringen, daß man statt der schon zigmal vorgetragenen Referate oder Buchbesprechungen auf einem solchen Kongreß doch die Gelegenheit nutzen sollte, echte Neuigkeiten vorzutragen. Doch dies wird nur von den Wenigsten praktiziert. Und so erhält man bei den Kongressen oftmals den Eindruck eines großen Reklamerummels für den Buchhändler, der am Büchertisch die Werke der Referenten verkauft. ... Diese Meinung vertreten fast alle AAS-Mitglieder, die aktiv am Geschehen beteiligt sind und (fast) keinen Kongress auslassen. Für sie bringen nur die wenigsten Vorträge neue Fakten, der Kongreß ansonsten jedoch nur einen Haufen Kosten, zumal die Hotels und die Anreise in der Regel recht teuer sind“4. Der kritische Beitrag der beiden Präastronautik-Autoren Ingo Runde und Ralf Sonnenberg in der Präastronautik- und UFO-Zeitschrift Mysteria zeigt eine gewisse Anpassungsfähigkeit der Szene im Falle von Betrug: „Dem aufmerksamen Leser der ‚Chronik von Akakor‘ wird kaum entgangen sein, daß in ihr verdächtig viele, faszinierende Rätsel der Vorzeit … von A-Z enthalten sind. Nimmt man dazu die schon genannte Tatsache, daß mehrere Teile der Chronik umgeschrieben und teilweise gefälscht worden sind, so wird jeder Leser sich seine eigene Meinung über ihren Wahrheitsgehalt bilden können …“5. Es fällt allerdings auf, dass Däniken – der sich auf diese Chronik bezieht – hier eher als einer derjenigen angeführt wird, die zur Entlarvung des Betrugs beigetragen haben. Im Allgemeinen überwiegen allerdings naiv zustimmende Beiträge. Die Methode freien Assoziierens zu historischen Texten oder archäologischen Fundstücken ist sowieso typisch für den Forschungsstil der Präastronautik. Als die Computer für Privatpersonen finanzierbar wurden, verbesserte sich dann die Layout-Qualität der Hefte. Mit der Breitenwirkung des Internet erschei1 2 3 4 5

Bonn, o.J. (1984), 21. Zu Bonn vgl. http://www.epubli.de/shop/autor/Gottfried-Bonn/2314. Vgl. http://axelertelt.npage.de/. https://twitter.com/Axel_Ertelt. Ertelt, 1984, 25. Runde/ Sonnenberg, o. J. (1984)7.

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nen die Beiträge jetzt in virtueller Form und haben ästhetisch deutlich gewonnen. Was die Inhalte betrifft – und dies gilt auch für die Arbeiten des esoterischen Teiles dieses AAS-‚Forschungskollektivs‘ – gibt es eine merkwürdige Stagnation und für den distanzierten Leser das Gefühl, dass die Beiträge nur noch langweilig sind, sodass es nicht lohnt, hier noch neue Belege aufzuführen. Womit dies zusammenhängt und warum dies nicht bedeutet, dass die These von der epochalen systemesoterischen Relevanz der Präastronautik damit fallen müsste, wird gleich Thema werden. Etwas anderes ist es allerdings, dass durch das Internet nicht nur die Qualität des Layouts gestiegen ist und es nun die Möglichkeit gibt gute Fotografien bzw. Filme schnell zu organisieren und zu verwerten, sondern dass auch auf der Ebene des präastronautischen Denkkollektivs in höherem Maße strukturierende und archivierende Tätigkeiten möglich werden. Das markanteste Beispiel ist Tatjana Ingold1, die sich beruflich als Informatik-Trainerin bezeichnet und mit ihrer Dokumentationswut über Erich von Däniken einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Über ihre Homepage schreibt sie: „Eines vorneweg: diese Homepage ist eine kleine Welt für sich! Sie werden erstaunt sein, wie viele Informationen Sie hier finden und auch bei Ihrem fünfzigsten Besuch immer noch Neues entdecken können. Sie finden rund 2.000 ‚Unterwebseiten‘ mit den verschiedensten Inhalten. Zudem weit über 10.000 Bilder in meinen Fotoalben. Insgesamt besteht diese Webseite aus rund 50.000 Dateien, welche etwa 10 GB Webspace beanspruchen. Damit dürfte tatjana.ingold.ch die umfangreichste Webseite einer Privatperson in der Schweiz sein! Sie erfahren eine ganze Reihe von Informationen über mich im gleichnamigen Menüpunkt: alles von der Schulzeit bis zur Hochzeit. Mein intensivstes Hobby ist die Prä-Astronautik und insbesondere alles rund um die Person Erich von Däniken. Sie werden auf dieser Homepage das umfangreichste Archiv der Welt was die Person Erich von Däniken angeht anschauen können …“2.

Gerhard Mayer hat sich 2004 mit der Berichterstattung über die Präastronautik im SPIEGEL, in der BILD-ZEITUNG und in der BILD AM SONNTAG beschäftigt. Das Thema hat in der BILD-ZEITUNG keine große Rolle gespielt. Deshalb betrachten wir nur die beiden anderen Zeitungen. Mayer stellt fest, dass in DER SPIEGEL zwischen 1968, dem Erscheinen von Dänikens Erinnerungen an die Zukunft bis 1978 sechsundzwanzig Artikel erschienen sind. Schaut man im Internet im SPIEGEL-Archiv nach, dann wird man feststellen, dass danach nur noch sporadisch Beiträge erscheinen. Wichtig ist auch noch der Hinweis, dass das Thema Präastronautik „fast identisch (ist, L.H.) mit der Berichterstattung über Erich von Däniken und damit eng gekoppelt an die Veröffent-

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Ausführliches Biografisches unter der zur Zeit nicht erreichbaren Seite http://tatjana.ingold.ch/ und kurze Notizen unter http://www.fotocommunity.de/fotografin/tatjana-ingold/583370 und http://www.jaas.de/?g=persons&p=50. Ingold, in: http://web.archive.org/web/20070806041526/http://tatjana.ingold.ch/.

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lichung und den Erfolg seiner Bücher, der Ende der Sechziger rasant begann, bald gipfelte und im Laufe der siebziger Jahre wieder zurückging“1. Die BILD AM SONNTAG präsentiert 1973 eine neunteilige Artikelreihe über das Thema Antike Astronauten. „Die BAMS hatte von Däniken offenbar als Exklusivautor gewonnen: ‚Erregender noch als in seinen Büchern ... schreibt er in BILD AM SONNTAG über die großen Ideen, von denen er besessen ist’. Es ist die erste von insgesamt fünf Serien, die die BAMS diesem Thema bzw. von Däniken widmet. Drei Monate später, im März 1974, wurde die nächste 10teilige Serie nachgeschoben: ‚Bild am Sonntag-Leser fragen – Erich von Däniken antwortet’“2. Es fällt auf, wenn wir aus Mayers Untersuchung Konsequenzen ziehen, dass die Rezeption der Präastronautik vergleichbar ist mit der Rezeption des New Age-Gedankengutes. Es gibt eine Phase in der der Terminus New Age den meisten Westund Mitteleuropäern, Australiern und US-Amerikanern vertraut ist (siebziger bis in die späten achtziger Jahre). Nach dieser Phase gerät das Wort New Age als Markenzeichen alternativ-esoterischen Denkens langsam in Vergessenheit, die Gedankenwelt desselben hat sich allerdings ausgebreitet. Sowohl im privaten Bereich als auch vor allem in der Wellness-Industrie gehören entsprechende ästhetische Präsentationen, alternative Heilmethoden, Lebensmittelexotismus und Wellnessangebote wie selbstverständlich zum Lebensstil. Dies kann man auch am Beispiel der Marke Präastronautik bzw. Erich von Däniken beobachten. Medial präsentiert und explizit besprochen wird das Label bekannt, dann flacht die explizite Rezeption, so etwa der Rückgang der Verkäufe von ‚Däniken-Literatur‘, ab und innovative Ideen innerhalb des Denkkollektivs bleiben aus, aber es folgt – wie wir jetzt am Beispiel des Genres der Sciencefiction-Filme sehen werden – eine sozusagen ‚selbstverständlichere’, nicht mehr die Labels explizit verwendende, deutlich breitere Rezeption. Dieses Stadium ist ein Indikator dafür, dass sich das Thema selbstverständlich in die gesellschaftlichen Plausibilitätshorizonte eingliedern kann. Später werden wir dann noch sehen, dass diese Plausibilität der Präastronautik in Indien eine hochbrisante politische Bedeutung bekommt. Doch zunächst einmal werden wir die steigende ‚Selbstverständlichkeit‘ derselben am Beispiel von Sciencefiction-Filmen betrachten.

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Präastronautik als ein wesentliches Leitmotiv im aktuellen Sciencefiction-Film

Präastronautische Gedankenwelten platzieren sich nicht nur über Bücher und Vorträge in den Bereich selbstverständlicher Längerer Gedankenspiele sondern in ho-

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Mayer, 2004, 111. BILD AM SONNTAG zit. nach Mayer, 2004, 193.

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hem Maße – vor allem auch in Indien – über das Medium des Films bzw. und des Fernsehens. Explizit Präastronautik als Theorie zum Thema macht zunächst Dänikens ‚Dokumentarsendung‘ Erinnerungen an die Zukunft (1970). Alan Landsburg (19332014) produziert in seiner In Search of-Fernsehserie die Folgen In Search of Ancient Astronauts (1973), In Search of Ancient Mysteries (1973) und The Outer Space Connection (1975). Dann folgen unter Mitarbeit von Däniken aufwändige Fernsehserien – die Serien Auf den Spuren der All-Mächtigen (1993, 25 Teile1) und später Ancient Aliens (2009-2014, 8 Staffeln mit bisher 87 Episoden2). Doch nicht nur die direkt das Thema ‚dokumentarisch‘ angehenden Fernsehserien wirken auf die öffentliche Meinung, sondern darüber hinaus ist festzustellen, dass es zahlreiche breitenwirksame Filme bzw. Fernsehserien gibt, die das Thema Präastronautik aufgreifen und auf diese Weise eine präastronautische Plausibilitätsatmosphäre schaffen, die dem postmodernen Zeit Gespür entgegenkommt. Es ist festzustellen, dass aktuelle Sciencefiction-Filme und -serien immer selbstverständlicher einen präastronautischen Kosmos als Folie der Handlung voraussetzen. Dabei ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass sich diese Darstellungen präastronautischer Szenarios nicht mehr auf die Rezeption der Gedankenwelt des Erich von Däniken beziehen, sondern Indikatoren für eine kulturelle Problemlage sind. Das Wesentliche an der Präastronautik ist – wie schon oben ausgeführt – ihr Subtext, ihre Bedeutung als Repräsentantin der Systemesoterik der zweiten Hälfte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts. Als solche dient sie der Selbstvergewisserung vieler Menschen im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit ihres Umganges mit der wissenschaftsfundierten Technik nach der Krise der organisierten Religionen/Konfessionen. Zunächst einmal seien die betreffenden Filme3 und Serien aufgelistet: Quatermass and the Pit (Serie: 1958–1959), Star Trek-Episoden Plato’s Stepchildren (1968) und Who Mourns For Adonais? (1967), in der Star Trek: Voyager-Episode Tattoo; 2001: A Space Odyssey (1968), Pyramids of Mars (Serienteil 3 der 13. Staffel von Doctor Who; 19754), Il était une fois... l'Espace (Serie: 1982, Englisch: Once Upon a Time... Space), The Thing (auch: John Carpenter's The Thing: 1982), Anime-Serie Neon Genesis Evangelion5 (1995), Prometheus and Bob (Serie: 1996), Space Island One (Serie: 1998), Babylon 5 (Serie: 1993-1998), Godzilla: The Series (1998-2000), The X-Files (Serie: 1993–2002), Earth: Final Conflict (Serie: 1997-2002), Alien vs. Predator (2004), Outlander 1

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http://www.fernsehserien.de/auf-den-spuren-der-allmaechtigen und http://thetvdb.com/?tab=seasonall&id=113551&lid=14. http://www.history.com/shows/ancient-aliens/about und http://en.wikipedia.org/wiki/Ancient_Aliens. Primäre Quelle für die Aufzählung ist: http://en.wikipedia.org/wiki/Ancient_astronauts_in_popular_culture. http://en.wikipedia.org/wiki/Pyramids_of_Mars. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Neon_Genesis_Evangelion.

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(2008), Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull (2008), Battlestar Galactica (Serie: 1978f und Remake 2003-2009), The Fourth Kind (2009), A Genesis Found (2009), Stargate (1994) und die Anschlussserien Stargate SG-1 (1997–2007), Stargate Atlantis (2004–2009) und Stargate Universe (2009-2011) sowie die The Stargate: Ultimate Edition: Director's Cut-DVD, in der sich als kurze Dokumentation ein Interview mit Erich von Däniken unter dem Titel Is there a Stargate? findet, Prometheus (2012), The Transformers (Serie: 19841987) und Transformers (2007 und Folgefilme: Transformers: Revenge of the Fallen, 2009; Transformers: Dark of the Moon 2011; Transformers: Age of Extinction 2014). Einige Filme und Serien sollen besonders herausgehoben werden. So etwa die Filmgeschichte machende Inszenierung des durch extraterrestrische Hilfe gelingenden Zu-sich-selbst-Kommens der Menschheit in Stanley Kubricks (1928-1999) 2001: A Space Odyssey oder das Prequel zur Alien-Reihe, Prometheus1, welches 2012 unter der Regie von Ridley Scott (*1937) erst durch den Bezug auf die präastronautische Gedankenwelt eine gleichsam ‚realgeschichtliche‘ Ortung des Themas herstellen kann. In 2001: A Space Odyssey präsentiert uns Kubrick fast mit Stilmitteln einer klassischen Jenseitsreise den übergreifenden Blick auf die Vorgeschichte der Menschheit, dass Essen vom Baum der Erkenntnis, das Auftauchen eines durch extraterrestrische Mächte auf die Erde gestellten Monolithen, dessen Berührung bei den äffisch-menschlichen ‚Missing-Links‘ Menschwerdung erzeugt, eine Art ‚Sündenfall‘ (inklusive Brudermord), der dann die ganze Menschheitsgeschichte bis zu dem Moment prägt, an dem die Menschheit damit konfrontiert wird, dass ihr eigenes Geschöpf, der HAL 9000-Computer des zum Jupiter reisenden Raumschiffs Discovery gegen seinen Schöpfer, die Menschheit, aufbegehrt. Am Ende dieser ‚metaphysischen‘ Reise zum Jupiter wird in der Gestalt des Astronauten Bowman die Menschheit erwachen und gleichsam zu ihrem eigenen, sich selbst bewahren Gestirnsgeist (und damit zum Teil der kosmischen Gemeinschaft) werden. In Prometheus gelingt es Ridley Scott virtuos die Theorie der gelenkten Panspermie und die präastronautischen Hoffnungen auf den absolut sicher alle eigenen Thesen bestätigenden Fund zu Anfang des Films in Szene zu setzen. Der Film beginnt mit dem Blick auf ein anthropomorphes Wesen, welches aus einer Ampulle trinkt und dann im Tode in einen die Ursuppe symbolisierenden Wasserfall fällt und sich dort auflöst und so die Entwicklung von DNS in Gang setzt. Danach erlebt der Zuschauer mit wie Archäologen in einer Höhle Schottlands, auf einer Insel mit dem bezeichnenden Namen Skye eine Wandmalerei aus der Steinzeit sehen, die eine eindeutige Botschaft enthält – extraterrestrische Intelligenzen haben die Menschen geschaffen und teilen ihnen die Daten eines Sterns, des Mondes LV-

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http://de.wikipedia.org/wiki/Prometheus_%E2%80%93_Dunkle_Zeichen.

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223 im System des Doppelstern ζ Reticuli mit. Dann kommt es zu dem folgenreichen Aufbruch zu diesem Sternensystem. Der Star Trek-Kosmos1 (bisher 13 Kinofilme zwischen 1979 und 2013 und 6 Serien mit insgesamt 725 Folgen), nimmt das präastronautische Thema nicht nur in drei Folgen auf, sondern führt über die Möglichkeit von Zeitreisen durch Menschen wie durch Extraterrestrier (Spock) geschaffene alternative Geschichtszeiten für die Erdenmenschheit ein. Auf diese Weise wird der Eingriff der menschlichen und nichtmenschlichen – auf die betreffende Raumzeit bezogen – Außerirdischen zum grundlegenden Movens der irdischen Geschichte. In der Fernsehserie Battlestar Galactica2 (2004-2009; 4 Staffeln mit insgesamt 75 Episoden3), befindet sich der Ursprung des Menschen auf dem Planeten Kobol. Die Menschheit gliedert sich in dreizehn Stämme, von denen sich einst zwölf in interstellare Weiten zerstreuten. Die Handlung setzt ein mit einem Cylonenangriff und der weitgehenden Vernichtung der menschlichen Zivilisation auf allen Planeten, die lange Zeit die durch sie geschaffenen Cylonen wie Sklaven ausgebeutet hatte. Es wird erzählt, dass sich der dreizehnte Stamm auf dem Planeten Erde niedergelassen habe. Die überlebenden Menschen machen sich in Raumschiffen, angeführt von dem Kampfstern Battlestar Galactica auf die Suche nach der Erde bzw. auf die Suche nach der dreizehnten Kolonie. Im Laufe der von ständigen Kämpfen mit den Cylonen begleiteten Fahrt nähern sich Menschen und Cylonen immer mehr einander an und können sogar miteinander Kinder zeugen. Am Ende wird eine von urtümlichen Menschen bewohnte Parallelerde gefunden und die Reste der zivilisierten Menschheit verlassen sich nicht mehr auf ihre moderne Technologie sondern beginnen, gemeinsam mit den Ureinwohnern, den Entwicklungsweg der Menschheit neu. Die Serie endet einhundertfünfzigtausend Jahre später mit einem kurzen ironischen Blick auf das ‚heutige‘ parallele New York und der darin steckenden impliziten Anfrage, ob wieder ein neuer gleichartiger Zyklus des Aufbruchs zu den Sternen beginnen wird4. Scientology bereitet sich – vergleichbar mit diesen (mormonisch getönten) Vorstellungen aus Battlestar Galactica – auf den Tag X vor, an dem die Scientologen, die sich mittlerweile im Thetanenzustand über das ganze Universum verteilt hätten, zurückkehren würden5. Eine Untergruppierung der CHURCH OF SCIENTOLOGY, die CHURCH OF TECHNOLOGY, hat deshalb in einem abgelegenen Teil von New Mexico eine Landebahn mit entsprechen-

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http://de.wikipedia.org/wiki/Star_Trek. Vgl. dazu Hauser/ Novian, 2015. http://de.wikipedia.org/wiki/Battlestar_Galactica#TV-Miniserie_.282003.29. Hauser/ Novian, 2015, 136. Dort wird auch auf den unmittelbaren Religionskontext der Serie, die Mormonen eingegangen. Vgl. dazu http://www.dailymail.co.uk/news/article-2395235/EXCLUSIVE-Pictured-closetime-Scientologys-secret-alien-space-cathedral-landing-pad-New-Mexico-desert-returnfollowers-Armageddon-Earth.html.

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den Markierungen gebaut, damit die Heimkehrenden „ihren Weg von den Enden des Universums zurückfinden können, wenn die Menschheit in der Zukunft vernichtet ist“1. Als Markierungssymbol hat Scientology zwei einander schneidende Kreise gewählt, in denen jeweils eine Raute zu finden ist. Es wird vermutet, dass in einem unterirdischen Bunker Lafayette Ronald Hubbards Werke auf nicht rostendem Stahl oder auf Goldscheiben eingraviert darauf warten, dass die zurückkehrenden Scientologenthetanen die Gedanken ihres Meisters unversehrt wiederfinden können.

Die dritte hier zu erwähnende hoch erfolgreiche Serie ist Stargate. Der Bedingungsrahmen innerhalb dessen die Serie spielt ist die Entdeckung, dass man prinzipiell durch ‚Wurmlöcher‘ ohne Zeitverlust durch das Universum reisen kann. Am Anfang des umwerfenden Erfolges dieser Filmidee steht der Regisseur Roland Emmerich (*1955) mit seinem 1994 in die Kinos gekommenen Film Stargate. Die Art und Weise wie es in diesem Film zu der Entdeckung des ersten Sternentores kommt entspricht ganz und gar den Bedürfnislagen derer, die sich mit alternativer Archäologie beschäftigen. Ein Ägyptologe namens Daniel Jackson wird zunächst einmal von seinen Fachkollegen wegen seiner extremen Frühdatierung der Entstehungszeit der ägyptischen Pyramiden nicht ernst genommen. Dann aber – natürlich ist er arbeitslos, weil verlacht – wird er durch das us-amerikanische Militär nach Ägypten an einen geheimen Ort gebracht, an dem ein 1928 im Bereich von Gizeh gefundenes Objekt aufbewahrt wird. Jackson findet heraus, dass es sich um ein Stargate, ein Sternentor handelt. Damit ist die Möglichkeit gegeben auf anderen Planeten in der Rolle von Astronautengöttern oder aber auch -dämonen etwas zu bewirken bzw. aber durch das Tor auch selbst in Gefahr zu geraten. In den folgenden Filmen und Serien zum Thema Stargate treten, passend zum euhemeristischen Thema, Außerirdische „nicht nur (als, L.H.) ägyptische Götter, sondern auch (als, L.H.) Götter aus der asiatischen, afrikanischen, griechischen, indianischen und nahöstlichen Mythologie“2 auf. Es handelt sich dabei3 um die Science-Fiction-Filme Stargate (1994), Stargate. The Ark of Truth/ Die Quelle der Wahrheit (2008), Stargate. Continuum (2008) und die Fernsehserien Stargate – Kommando SG-1 (1997–2007), Stargate Infinity (Zeichentrick, 2002–2003), Stargate Atlantis (2004–2009) und Stargate Universe (2009–2011). Das Ganze umfasst bisher zwischen 1994-2011 insgesamt 3 Filme und – ohne die Zeichentrickserie – in den Serien 17 Staffeln mit 354 Folgen. Weitere Filme sind ab 2017 geplant4. Die Götter Stargates sind im Indien des 21. Jahrhunderts politisch virulent. Die Fiktionen leben. 1

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Nach: http://www.dailymail.co.uk/news/article-2395235/EXCLUSIVE-Pictured-close-timeScientologys-secret-alien-space-cathedral-landing-pad-New-Mexico-desert-return-followersArmageddon-Earth.html, Übersetzung L.H. http://de.wikipedia.org/wiki/Stargate_%28Film%29. Nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Stargate. http://stargate-wiki.de/wiki/Stargate_%28Reboot%29.

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Präastronautik und totalitärer Hindunationalismus – vom Abendland zu Indiens politischer Elite

Sowohl Indien als auch Pakistan sind seit 1998 Atommächte, deren Regierungen die entsprechend große Verantwortung tragen, hoch sensibel mit diesen Waffen umzugehen. Unter solchen Umständen ist die Vorstellung, dass Fanatismus in der Politik dieser beiden Atommächte eine leitende Bedeutung bekommen könnte, äußerst besorgniserregend. In diesem speziellen Zusammenhang der Frage nach der politischen Brisanz der präastronautischen Neomythen soll hier abschließend auf Indien geschaut werden. Wir werden sehen, dass die Präastronautik eine wichtige Rolle in Indiens aktueller Politik zu spielen beginnt und dass die Frage eines – durchaus auch global betrachtbaren – Atomkriegs Gegenstand präastronautisch gestützter hindunationalistischer Fantasien ist. In Facebook findet sich auf Seiten wie Ancient Indian Technology1/ Ancient Indian history,technology/ Ancient Indian Science and Technology – an IIT Kanpur approach/ Ancient Indian Wisdom/ Science & Technology oder Ancient Indian Scientific Knowledge Forum2 Diskussionen über das Thema einer altindischen wissenschaftsfundierten Technologie. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die von dänikensche Präastronautik eine wichtige motivierende Kraft hat. „Die allbekannte Dokumentarserie Ancient Aliens im History Channel geht mit solchen Fantasien hausieren die dann einfach von den internet-neo-Hindutvaites recycelt wird“3. Diese Blickrichtung ist – ebenso wie im abendländischen Raum – nicht auf einfache Fangemeinschaften reduzierbar. Dileep Kumar Kanjilal (*1933)4 lehrt alte indische Sprachen im WEST BENGAL SENIOR EDUCATIONAL SERVICE, ist Professor am CALCUTTA SANSKRIT COLLEGE und gehört außerdem zur FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR ARCHÄOLOGIE, ASTRONAUTIK UND SETI (AAS). Er publiziert 1985 das Buch Vimanas in Ancient India in deutscher Sprache im Zusammenhang der AAS, 1979 den Aufsatz Fliegende Apparate in altindischen Sanskrit-Texten und später, 1985, den Beitrag Fliegende Maschinen und Weltraumstädte im antiken Indien. In den altindischen Texten und bildnerischen Darstellungen finde sich – so Kanjilal – immer wieder der Bericht über eine extraterrestrische Ankunft der Götter5 und weiterhin der Hinweis darauf, dass die Götter ursprünglich körperliche

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https://www.facebook.com/search/results/?init=quick&q=Ancient%20Indian%20Technology &tas=0.7585189889395989. http://ancientindianscience.weebly.com/. Neelakandan, http://swarajyamag.com/culture/cargo-cult-hindutva/. Übersetzung L.H., Hervorhebung durch den Autor. Leider standen mir hier nur Fiebag, 1985, 127, Ancient Astronaut Society, 1979, 205 und http://de.wikipedia.org/wiki/Dileep_Kumar_Kanjilal (Zugriff 28.11.2014) zur Verfügung. Kanjilal, 1979, 105.

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Wesen waren1. Nun erzählten viele dieser Schriften von einem Fluggerät namens Vimana und schilderten außerdem noch den Mechanismus dieser Fluggeräte. Anhand eines speziellen Vimana, des Sakuna-Vimana stellt Kanjilal diesen Mechanismus sozusagen in Blumrich-Manier detailliert vor. „Das Sakuna-Vimana ist von der Länge her das größte und besteht aus 25 Teilen: Bodenplatte, Hohlmast, dreirädrige Klemmschrauben, vielseitige Heizgeräte, Luftansaugrohre, Kühlmantel, Öltank, Treibstoffanheizer, Dampfkessel mit angeschlossenem Stromerzeuger, Luftantriebsmaschinen, Richtungsanzeiger, zwei Flügel, Frontmotor und Sonnenkollektoren“2. In seinem späteren Beitrag (1985) geht Kanjilal auch auf das Thema von durch außerirdische Astronautengötter konstruierten Weltraumstädten ein, die sich „in einer „stationären Flugbahn um die Erde bewegten und … Hangars besaßen, um das Andocken kleinerer Maschinen zu ermöglichen. Diese Beschreibung ist“ – und hier unterbreche ich den Satz um auf die außerordentlich drastische und für den Autor wie selbstverständlich nicht zu begründende Voraussetzung hinzuweisen – „identisch mit Weltraumstationen, wie sie zur Zeit von der NASA in Zusammenarbeit mit der ESA und der japanischen Weltraumbehörde für das Jahr 1992 geplant sind“3. Das Mahabharata (zw. 400 v. Chr. und 400 n. Chr.) berichte von solchen Weltraumstationen. In einem solchen Werk wie dem Mahabharata, in dem gigantische Schlachten in den himmlischen Sphären geschildert werden, nimmt es nicht Wunder, dass ein Autor wie Kanjilal auch den Bezug auf große Luft- und Raumschlachten finden kann. Aktuell im Hinblick auf eine der gleich zu skizzierenden wichtigen indischen Grundströmungen innerhalb der hinduistischen Religionskultur sind dann Kanjilals Ausführungen über Flugschiffbau in der Zeit nach Christi. Das von Hindunationalisten propagierte Selbstverständnis Indiens als einer schon in der Antike hochtechnisierten Welt wird hier gestützt. Nach Kanjilal finden sich im „‚Samarȃmaganasūtradhȃr‘, das auf König Bhoja zurückgeht und im zwölften Jahrhundert n. Chr. entstand, … die technischen Einzelheiten eines … hölzernen Fluggerätes, offensichtlich eine Verbindung von Motorsegler und Heißluftballon. … Dieses Gerät war kein ‚vimȃna‘ der Götter, aber in ihm spiegelt sich dennoch das noch lange Zeit in Indien gegenwärtige Wissen um Luftfahrt und Flugzeuge wider“4. Die Erinnerung an Fluggeräte und Raumstationen finde sich auch in der Architektur altindischer Tempel und warte darauf gehoben zu werden. Kanjilal schließt seine Ausführungen mit dem Aufruf: „Flugzeuge, Raumschiffe und Weltraumstationen waren im Indien der Veden- und Postveden-Zeit eine Wirklichkeit. Ihre einstige Existenz zu bestreiten, würde die Verleugnung der indischen Geschichte 1 2 3 4

Kanjilal, 1979, 105. Kanjilal, 1979, 106. Kanjilal, 1985, 134. Hervorhebung im Text L.H. Kanjilal, 1985, 139.

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und des indischen Kulturerbes bedeuten. Es ist an der Zeit, den Gang der menschlichen Zivilisation neu zu betrachten und diesen vergessenen Bereich antiker Technologien in den ihm gebührenden Rahmen zu stellen“1. Es geht Kanjilal also um eine Relecture antiker Dokumente im Hinblick auf eine präastronautische Universalgeschichte, die ihren Ursprung vom indischen Subkontinent her nimmt. Wenn man wissen will, warum dies ‚an der Zeit‘ sein soll, dann muss man auf die indischen Hindutvabewegungen und ihr Interesse am präastronautischen Thema blicken. Im Hindunationalismus wird die Legitimität, sich als Inder zu verstehen, über eine integrative Religionsidee definiert. Nur religiöse Standpunkte deren heilige Stätten auf dem indischen Subkontinent lägen gehörten zu Indien. Der Inhalt dieser Standpunkte spielt dabei keine Rolle. Delfs fasst die Hindutvadoktrin so: „Der Hindu-Nationalismus selbst … definiert sich über ein abstraktes ‚Hindutva‘ (= Hindutum), womit das Territorium des Subkontinentes gemeint ist, und zwar nicht nur der geographische Raum, sondern zugleich, über alle bestehenden Unterschiede, allumfassend das, was in diesem Land seinen Ursprung hat“2. Ausgangspunkt dieser Doktrin ist die Publikation Wer ist ein Hindu (1923) von Vinayak Damodar Savarkar (1883-1966), der für ein nachkoloniales Indien eine identitätsstiftende politische Vision sucht. Savarkar erkennt für sich „die Notwendigkeit einen neuen Weg zu beschreiten, der in der Stiftung einer ‚politischen Religion‘ bestand, verstanden als eine politisch-religiöse Doktrin, einer Religion in statu nascendi für das postkoloniale Indien“3. Durch die Einbettung Indiens in eine heroische Geschichte von Göttern und Menschen wird ein Weg in eine Zukunft erschlossen, in der sich eine solche Teamwork wiederholen kann. „Aus diesem Grund spielen die indischen (hinduistischen) Götter eine wichtige Rolle in Savarkars Mythologie. So werden immer wieder in schwierigen Situationen, Götter wie Rama oder Krishna, die mit ihren mythischen 300 Millionen Soldaten der Freiheit zur Hilfe eilen und die mit ihnen verbundenen Vorstellungen der Unbesiegbarkeit beschworen“4. Später werden dann in der heutigen Hindutvabewegung aus diesen indischen Göttern mächtige, unserer empirischen Welt angehörige und doch irgendwie metaphysisch fundierte Götter-Wesen, die ihre Göttlichkeit mit dem vollen Zugriff auf hoch entwickelte Waffensysteme verbinden, die nur durch wissenschaftsfundierte Technik zustande kommen können. Eine wesentliche Basis dieser Doktrin ist die ausschließliche Reservierung des indischen Subkontinents für Hindus. In einer seiner Reflexionen schreibt Savarkar programmatisch: „Hinduismus ist der ‚Ismus‘ des Hindu; und wie das Wort Hindu 1 2 3 4

Kanjilal, 1985, 147. Delfs, 2008, 31. Wolf, 2009, 350. Wolf, 2009, 352.

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von dem Wort Sindhu (Sanskrit für Indus, L.H.), dem Indus, herkommend, primär alle Menschen meint, die in dem Land das vom Sindhu zum Sindhu reicht, so bedeutet Hinduismus notwendigerweise die Religion oder die Religionen die speziell und grundstämmig zu diesem Land und diesem Volk gehören“1. Wenngleich es auch indienstämmige Muslime oder Christen gebe, so „betrachten diese Indien zwar als ihr Heimatland (Homeland), aber nicht als ihr Heiliges Land (Holyland)“2. Sikhs, Jains und Buddhisten gehörten danach zu den legitimen Bürgern Indiens, Christen und Muslime hätten hingegen keinen Anteil an Indien als dem Hindu Rashtra (Land der Hindus). Das indische Volk könne nur so wieder zu einer „organische(n) Einheit“3 werden. Es gibt für Savarkar drei wesentliche Aspekte für die Konstitution einer solchen Hindunation, Hindu-Rashtra: das Land, Bharatboomi, das zugleich Vaterland, Pitribhu und heiliges Land, Punyabhu sei, die gemeinsame arische Urabstammung, Jati und die gemeinsame Kultur, Samskriti4. Mit dem radikalen indischen Nationalisten Aurobindo Ghose (1872-1950) taucht im Hindunationalismus auch das Thema des Rassismus in Ansätzen auf. Der indische Subkontinent sei in die Verfügungsgewalt der „aryarischen Rasse“5 gegeben. Dieses Thema wird dann später in der Hindutva-Ideologie eine große Rolle spielen. Zugleich betont Aurobindo auch die Bedeutung des Nationalismus für die Religion beziehungsweise identifiziert er beide. „Nationalismus ist nicht ein einfaches politisches Programm: Nationalismus ist eine Religion die von Gott gekommen ist. Nationalismus ist ein Glaube den du zu leben hast“6. Dabei ist am Rande auf eine deutliche positive Beziehung des Hindu-Nationalismus zum europäischen Faschismus bzw. Nationalsozialismus und gemeinsamen Ariervorstellungen hinzuweisen, die sich schon bei Savarkar findet. „Savarkars Radikalisierung beruhte zu einem großen Teil auch auf dem europäischen Faschismus, der zu der Zeit weltweit zumindest in Teilen als eine Art ‚Erfolgsmodell‘ wahrgenommen wurde“7.

Weiter auf dem Weg zur präastronautischen Interpretation der Bhagavadgita und der Mahabharata im Hindunationalismus führen die Gedanken des Hindutvatheoretikers und späteren Vorsitzenden der paramilitärischen Non Govermental Organization RASHTRIYA SWAYAMSEVAK SANGH (RSS) Madhav Sadashiv Golwalkar (1906-1973). Golwalkar schreibt in seinem Buch We or Our Nationhood Defined (1939): „ ... in einer Sache können wir uns sicher sein, dass nämlich die erste Seite der Geschichte von uns als einer fortschrittlichen und hochzivilisierten Nation be1 2 3 4 5 6 7

Savarkar, 1969, 104, Übersetzung L.H. Savarkar, 1969, 115f. Töpfer, 2005, 16. Töpfer, 2005, 17. Aurobindo zit. nach Lurquin/ Stone, 2007, 44. Aurobindo zit. nach Lurquin/ Stone, 2007, 44, Übersetzung L.H. Lurquin/ Stone, 2007, 65. Das ‚Arierthema‘ kann hier nicht behandelt werden.

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richtet – der einzigen Nation in der Dann-Welt (die Hindu-Menschheit in der Zeit nach ca. 10.000 vor Christus, die noch von anderen eingewanderten Rassen unbeeinflusst war, L.H.)“1. Mit dem Gesichtspunkt der einzigen hoch entwickelten Kultur am Anfang der menschlichen Achsenzeit ist nun der Absprungpunkt gegeben, um in diese Zeit auch technologische Fantasien zu projizieren, die der Hindukultur die universale technologische Patentelizenz zusprechen. Golwalkar formuliert auch deutlich die Ansprüche des Hindunationalismus an Andersgläubige. „Die nicht-hinduistischen Völker Hindustans müssen auf jeden Fall die hinduistische Kultur und Sprache annehmen, müssen die hinduistische Religion respektieren und adaptieren und dürfen keine andere Ideale haben als die Verherrlichung der Hindurasse und -kultur ...‘“2 – ohne diese Voraussetzungen könnten ihnen keinerlei Bürgerrechte zugesprochen werden. Was zur Legitimation fehlt, ist dann eine wissenschaftstheoretische Begründung derartiger Thesen. Meera Nanda schreibt 2003 mit Prophets Facing Backward. Postmodern Critiques of Science and Hindu Nationalism in India ein Standardwerk zur Thematik. Er arbeitet heraus, dass sich die Hindutva-Theoretiker mit den postmodernen Philosophen verbunden fühlten, weil diese den scheinbaren abendländischen Absolutismus des Geistes, nämlich das Festhalten an den Vorstellungen übergreifender Ideen von Wahrheit und Gutem kulturimperialistisch und kapitalistische Interessen verdeckend kritisieren und andererseits an der Bedeutung der modernen wissenschaftsfundierten Technologie festhielten. Auf diese Weise werde es möglich, die Ideen der Aufklärung (inklusive den Gedanken von liberaler Demokratie und Menschenrechten) von den Vorstellungen einer adäquaten Modernität der jeweiligen nicht abendländischen Region abzukoppeln. Funktionierende Technik und wissenschaftliches Wahrheitsethos können auf diese Weise voneinander unterschieden werden. „Im Licht der globalen anthropologischen und Sozialgeschichte der Wissenschaften kann niemand der Meinung sein, dass wissenschaftliche Methoden eine spezifisch westliche Kulturspezialität seien. Aber, wenn man den post-Kuhnschen konstruktivistischen Theorien und den feministischen Erkenntnistheorien folgt, dann sind nicht nur die Rationalität sondern auch der Inhalt und die Methode der Wissenschaft ein soziales Konstrukt. … Wissenschaft ist dann nur ein weiteres System das man im Glauben annehmen muss“3. Auf dem Hintergrund postmoderner Positionen entstehen in Indien in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts die people‘s science movements, die den hindu-

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Golwalkar zit. nach Lurquin/ Stone, 2007, 94, Übersetzung L.H. Lurquin/ Stone, 2007, 98. Nanda, 2003, 222. Übersetzung L.H.

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nationalistischen Bewegungen eine Art Hindu-Wissenschaftstheorie präsentieren können1. Funktionierende Technologie und auf die Idee der Menschheit bezogene Wahrheitsansprüche auf der Basis eines aufklärerischen Wissenschaftsideals können in der Folge immer besser abgekoppelt werden. Aus einer Wissenschaft, die sich am Gedanken einer kulturübergreifenden Methodik orientiert, wird die Perspektive der Vedic science, gemäß der Astrologie, vastu shastra (Gestaltung der Wirklichkeit aus der Lebenskraft des Kosmos heraus), ayurveda (traditionelle indische Medizin), Transzendentale Meditation, Heilung durch Glaubensakte, Telepathie und andere parawissenschaftliche Methoden zu Wissenschaften werden können. Die vedische Wissenschaft übersteige die westliche Wissenschaft und hebe diese zugleich in sich auf. Diese sei nur prosaische Ausdrucksform von apǡra vidya, des unteren Wissens vom bloßen materiell Gegebenen und werde integriert in die indische Perspektive, die zugleich das höhere Wissen repräsentiere, die pǡra vidya2. Abhay Charan De, der später dann unter dem Namen bzw. dem Titel Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896-1979) zum Gründer der INTERNATIONALEN GESELLSCHAFT FÜR KRISHNA-BEWUSSTSEIN (INTERNATIONAL SOCIETY FOR KRISHNA CONSCIOUSNESS; ISKCON) wird, verdankt die Hindutvabewegung zwei HareKrishna-Anhänger, die ein für sie grundlegendes darwinismuskritisches Werk über das Alter des modernen Menschen geschrieben haben, in dem vedische indische Wissenschaft und westliche Parawissenschaft ein Bündnis eingehen. Der USAmerikaner Michael A. Cremo3, später nennt er sich Drutakarmā Dāsa (*1948) und Richard Leslie Thompson4, späterer Wahlname Sadaputa Dasa (1947-2008) schreiben zusammen Forbidden Archeology. The Hidden History of the Human Race (deutsch: Verbotene Archäologie. Sensationelle Funde verändern die Welt, 1993). Cremo sagt in einem Interview: „Die Idee zum Buch Forbidden Archaeology entstand, als ich Dr. Thompson im Jahr 1984 im Bhaktivedanta Institut von Los Angeles kennenlernte. Dieses Institut, das von der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein gesponsert wird, erforscht die Parallelen zwischen neusten Erkenntnissen der Wissenschaft und den Informationen, die wir aus den jahrtausendealten Sanskritschriften Indiens bekommen. Eine dieser Informationen besagt, daß der zivilisierte Mensch schon seit vielen Millionen von Jahren auf der Erde gegenwärtig ist, was natürlich im krassen Gegensatz zur modernen Auffassung ist, die besagt, daß der Mensch, so wie er heute auf der Erde lebt, erst seit 100.000 oder 200.000 Jahren existiert“5. 1 2 3 4 5

Nanda, 2003, 221. Übersetzung L.H. Nanda, 2003, 65f. http://en.wikipedia.org/wiki/Michael_Cremo. http://en.wikipedia.org/wiki/Richard_L._Thompson. http://armin-risi.ch/Artikel/Interviews/Interview_mit_Michael_Cremo.html.

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Das Buch ist, wie im Bereich der Pseudowissenschaften üblich1, mit ungeheuer vielen Details aus allen Teilen der Welt versehen, formuliert allerdings – auch wie üblich – weder am Anfang noch am Ende eine eindeutige These. Es werden die üblichen Verdächtigungen gegen die etablierte Wissenschaft ausgesprochen. Es gebe eine – allerdings nicht böswillige – „Unterdrückung von Beweisen“2 die auf einer wissenssoziologisch erklärbaren Basis beruhten. Es gebe, wie die moderne Wissenschaftsphilosophie eines Paul Feyerabend (1924-1994) oder die Wissenschaftsgeschichte eines Martin Rudwick (*1934) gezeigt hätten, einen „andauernden gesellschaftlichen Prozeß der Wissensfilterung, der ziemlich harmlos erscheint, aber beträchtliche Auswirkungen hat, die sich zudem verschärfen. So verschwinden bestimmte Kategorien der Beweisführung einfach aus dem Blickfeld“3. Einen solchen Wissensfilter gebe es im Bereich der Frage nach der Vorgeschichte der Menschheit „seit gut einem Jahrhundert“4. Indien wird dann als wichtiger Bezugspunkt auf die neuen Erkenntnisse über den Menschen herangezogen denn dort fände man Steinwerkzeuge, die uns „in eine etwa 2 Millionen Jahre alte Vergangenheit“5 zurückführten. Dann folgt der Rückbezug auf einen alternativen Forschungsstand: „Wie in China und Rußland, so glauben auch in Indien einige Wissenschaftler, daß die entscheidenden Schritte in der Menschenevolution auf dem Boden ihrer Heimat getan wurden“6. Am Ende ihres Buches wird dann ein kleines Fazit gezogen, das die Hindutvabewegung bestens für ihre historisierende Relecture des Mahabharata und der Bhagavadgita verwenden kann: „Und wenn wir diese Entdeckungen mit jenen in Übereinstimmung bringen, die wir in den vorangehenden Kapiteln erörtert haben, bleibt die Schlußfolgerung, daß der gesamte Befund (Fossilien und Artefakte eingeschlossen) sich bestens mit der Ansicht vereinbaren lässt, dass anatomisch moderne Menschen und andere Primaten seit mehreren zehn Millionen Jahren nebeneinanderher gelebt haben“7. Im Hindu-Kosmos der beiden Autoren gibt es keine Naturgeschichte, deshalb beziehen sie sich nur auf archäologische Untersuchungen. Auf diese Weise können sie sogar zu Andeutungen kommen, dass der moderne Mensch schon Hunderte von Millionen Jahre alt ist8. Hinduistische Götterlehre und Präastronautik verbinden sich dann in der vedisch-wissenschaftlichen Hindutvaideologie. In einem von der International Sanatana Dharma Society produzierten Filmclip mit dem Titel Ancient Vedic Aliens wird der US-Amerikaner Frank Morales (er 1 2 3 4 5 6 7 8

Tarzia, 1994, 18. Cremo/ Thompson, 1997, 9. Cremo/ Thompson, 1997, 10. Cremo/ Thompson, 1997, 16. Vgl. auch 165. Cremo/ Thompson, 1997, 183. Cremo/ Thompson, 1997, 183. Cremo/ Thompson, 1997, 408. Tarzia, 1994, 21.

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nennt sich: Sri Dharma Pravartaka Acharya, *1962/63) zitiert. Morales, Leiter der INTERNATIONAL SANATANA DHARMA SOCIETY, ist in hinduistischen Kreisen Indiens anerkannt. Deepak Chopra schreibt beispielsweise über ihn: “You‘ve done truly phenomenal work teaching the pure essence of Yoga”1. Morales formuliert bündig: „Es ist nicht so, dass die Götter und Dämonen der alten Welt Aliens waren. Darüber hinaus sind viele von den heutigen Begegnungen die auf Aliens bezogen werden moderne Manifestationen von ganz realen Göttern und Dämonen. Extraterrestrier sind nicht die space scientists der Sciencefiction. Sie sind metaphysische Gegebenheiten“2. Bilder großer ‚kosmischer‘ Kriege sind für Hindutvaanhänger motivierend. Von dem des Sanskrit mächtigen Robert Oppenheimer, der Physiker, der als ‚Vater der Atombombe‘ bezeichnet wird, wird erzählt, er habe angesichts der Explosion der ersten Atombombe bei Alamogordo in der Wüste von New Mexico am 16. Juli 1945, einen Satz aus der Bhagavad-Gita zitiert: „Ich bin der Tod geworden, der Zertrümmerer der Welten“3. Diese Passage wird bei den Anhängern der Hindutva gern angeführt um dann weiter einem der großen und politisch hochwirkmächtigen Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts zu unterstellen, dass er an eine antike indische Hochtechnologie geglaubt habe. Des Weiteren hat man bei der Lektüre von hindunationalistischen Internetseiten den Eindruck, dass das Oppenheimer-Zitat zugleich auch motivierende Kraft hat, die große Geschichte heldenhafter Kriege in der indischen Antike auch in der Gegenwart zu wiederholen. Auf Internetseiten wie IndiaDivine.org/ Hinduism and Sanatan Dharma/ Ramani‘s blog/ Blog Hinduismdecoded/ hinduims.com/ Akhand Bharat/ Thamizharsenai.com und vielen anderen mehr tummeln sich präastronautische Parawissenschaftler. Der Wissenschaftsjournalist und politische Publizist Aravindan Neelakandan (*1971) berichtet in seinem Artikel Cargo Cult Hindutva4, dass der zum Bundesstaat Tamil Nadu gehörige Teil der hindunationalistischen VISHWA HINDU PARISHAD 2009 in einer der ersten Sendungen ihres WebTV-Programms einen ‚Tatsachenbericht‘ über einen in Tamil Nadu gefundenen uralten Stein brachte, auf dem sich eine Widmung an Shani, die Saturngöttin und ein Symbol befunden hätten, das wie die vor kurzer Zeit durch die NASA-Raumsonde fotografierte Polarregion des Saturn aussähe. Ebenso wird kolportiert, dass NASA-Satelliten auf ihrem Flug um die Erde über dem dieser Göttin geweihten Tempel von Thirunallaar – es sei unerklärlich für die Wissenschaftler – ihre Geschwindigkeit für drei Sekunden verringert hätten. Und während des höchsten regionalen Festes, des Sani-Peyarchchi, das alle dreißig Monate an diesem Tempel begangen werde, fal1 2 3 4

http://www.dharmacentral.com/dharmaactivism/endorsements.php. http://wn.com/vedic_science, Übersetzung L.H. Hijiya, 2000, 123. http://swarajyamag.com/culture/cargo-cult-hindutva/.

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le eine sehr intensive UV-Strahlung aus dem Weltraum auf diesen Ort, der sich sowieso durch eine besonders hohe Strahlungsdichte auszeichne. „No explanations from the Scientists. Just accept it as a miracle. It is not a fiction“1. Großes Aufsehen erregt im hinduistischen Raum auch das global kursierende Gerücht, dass die Experimente, die im CERN (EUROPÄISCHE ORGANISATION FÜR KERNFORSCHUNG) um die Auffindung des Higgsbosons gemacht wurden, zur Ausbildung eines alles verschlingen Schwarzen Loches führen würden. Um den Weltuntergang zu verhindern habe – so die Hindutvaweiterführung des Gerüchtes – der damalige indische Staatspräsident Abdul Kalam (*1931) dafür gesorgt, dass im CERN eine zwei Meter hohe Statue des den kosmischen Tanz von Schöpfung und Zerstörung vollziehenden Gottes Shiva aufgestellt worden sei. Durch seine Anrufung sei der Weltuntergang vermieden worden. Dass es sich hierbei um ein Geschenk aus dem Jahre 2004, das damals die Verbundenheit Indiens mit CERN symbolisieren soll, und keine aktuelle Schenkung aus Anlass von Weltuntergangsangst handelt, wird verschwiegen. Doch über die Führungselite Indiens werden nicht nur Legenden erzählt. Hindunationalistische Spitzenpolitiker erzählen und glauben fleißig mit. Narendra Modi (*1950), amtierender indischer Premierminister und Mitglied der hindunationalistischen BHARATIYA JANATA PARTY (BJP), erlangt 2002 traurige Berühmtheit als er in seiner damaligen Funktion als Chief Minister des Bundesstaates Gujarat zwei Monate lang tatenlos zusieht, als mit Unterstützung der örtlichen Polizei – ‚offiziell‘ zweitausend Menschen – und zwar fast alles Muslime „bei kommunalistischen, d.h. sich über Gruppenidentitäten definierenden Ausschreitungen ermordet“2 werden. Darüber hinaus werden bei diesem Pogrom „mindestens 270 Moscheen und Kultstätten (zumeist Gräber moslemischer Heiliger bzw. Darghas3) zerstört“4. Modi merkt am 25. Oktober 2014 anlässlich der Wiedereinweihung des RELIANCE FOUNDATION HOSPITAL AND RESEARCH CENTRE in Mumbai in seiner Ansprache5 an, dass Indien schon in der Antike eine hochtechnisierte Zivilisationsphase hatte. Narendra Modi bezieht sich bei seiner Hindutva-Relecture der indischen Religionsgeschichte auf das Epos Mahabharata und verweist darin etwa auf den Krieger Karna. 1 2 3 4 5

http://thamizharsenai.blogspot.de/2011/12/thirunallaru-sani-bhagawan-stops-all.html. Eckert, 2002, 23. D.h. Sufischreine L.H. Sprung, 2005, 281. Zit. zusammen mit dem dortigen Kommentar im Folgenden nach: Anonymus, in: http://www.thehindu.com/todays-paper/tp-in-school/genetic-science-existed-in-ancient-timesmodi/article6545958.ece. Übersetzung im Folgenden L.H. Das komplette Interview in Marathischrift ist für mich nicht lesbar und findet sich in: http://www.narendramodi.in/textof-the-prime-minister-shri-narendra-modis-address-at-the-ceremony-held-to-rededicate-sir-hn-reliance-foundation-hospital-and-research-centre-in-mumbai/.

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Kunti1, die Tochter des Prinzen Suūra, erhielt als junges Mädchen von dem Weisen Dur-vāsas ein Mantra, durch das sie einen beliebigen Gott anrufen konnte, um von diesem ein Kind zu erhalten. Sie rief den Sonnengott an und dieser zeugte mit ihr – ohne ihre Jungfräulichkeit zu verletzen – den späteren großen Krieger Karna, der schon in voller Bewaffnung zur Welt kam. „Wir können“, so führt Modi aus, „stolz auf das sein, was unser Land heute an medizinischen Errungenschaften hervorgebracht hat. … Wir lesen alle über Karna im Mahabharata. Wenn wir etwas weiter denken, dann merken wir, dass das Mahabharata erzählt, dass Karna nicht aus seiner Mutter Bauch geboren wurde. Das bedeutet, dass die Gentechnik zu dieser Zeit bekannt war. Aus diesem Grunde konnte Karna außerhalb des Leibes seiner Mutter geboren werden“2. Weiter bezieht sich Modi auf den vierarmigen Gott Ganesa3. Er hat einen Elefantenkopf: „Wir verehren Lord Ganesa. Es muss zu dieser Zeit einen plastischen Chirurgen gegeben haben, der einen Elefantenkopf auf einem Menschenkörper anbrachte und die Praxis der plastischen Chirurgie begründete“4. Der Premierminister führt dann auch noch aus, dass das antike Indien große Kenntnisse in der Raumfahrtwissenschaft gehabt habe. In einem Schulbuchbeitrag aus seiner Zeit als Ministerpräsident von Gujarat hatte er schon früher behauptet, dass Lord Rama das erste Flugzeug besaß und dass das alte Indien auch große Erkenntnisse in der Zellforschung besaß. Auch in der Chefetage der indischen Raumfahrtwissenschaft/-politik findet sich die Rückprojektion der wissenschaftsfundierten Technik in die indische Antike. Madhavan Nair (*1943) ist von 2003 bis 2009 Leiter der indischen Raumfahrtbehörde INDIAN SPACE RESEARCH ORGANISATION (ISRO) und gehört bis heute zu den einflussreichsten Persönlichkeiten Indiens. 2009 wird er als erster Nicht-USAmerikaner zum Präsidenten der INTERNATIONAL ACADEMY OF ASTRONAUTICS, einer angesehenen internationalen Non-Governmental Organization, gewählt. Er wird übereinstimmend mit Charakterisierungen wie „hochqualifizierter Wissenschaftler und Architekt der gegenwärtigen Generation des indischen Raumfahrtprogramms“5 belegt. Nair nimmt 2014 an einer Auftaktveranstaltung zur Planung gesamthinduistischer Versammlungen im Dezember 2014 der Vishwa Hindu Parishad (VHP) und der paramilitäri-

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Vgl. dazu Dowson, 1879, 150f und 171. http://indianexpress.com/article/india/india-others/pm-takes-leaf-from-batra-bookmahabharat-genetics-lord-ganesha-surgery/. Übersetzung L.H. Vgl. dazu Dowson, 1879, 106-108. http://indianexpress.com/article/india/india-others/pm-takes-leaf-from-batra-bookmahabharat-genetics-lord-ganesha-surgery/. Übersetzung L.H. Anonymus, Artikel: The Fall of Madhavan Nair: Decoding the ,Scandal‘, (Internet: http://www.firstpost.com/india/the-fall-of-madhavan-nair-decoding-the-scandal-195987.html) Übersetzung L.H.

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schen Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) teil und gibt ein Statement über den Zusammenhang von Spiritualität und Wissenschaft ab1. Diese beiden extremistischen hindutvaorientierten Organisationen haben wesentlichen Anteil am Zustandekommen der politisch hochbrisanten Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya (1992). Ebenso gehören sie zu den Protagonisten für den Bau des Ram-Janmabhumi-Tempels auf dem Platz der zerstörten Moschee. Bei der Einweihung des Bhaskar Rao Smaraka Mandiram (= Zentrums) im südwestindischen Cochin/Kochin sagt Nair, dass der „entscheidende Moment für die Idee eines einheitlichen Hindutums (Hindu unity) gekommen sei“2. Er höre viele „Klagen, dass Hindus im Staat einer Marginalisierung unterlägen. Aber die hier zustande gekommene große Versammlung von Hindus … zeige, dass das Zustandekommen einer Hindueinheit kein feiner Traum sind“3.

Der Bezug auf Astronautengötter gehört zum Selbstverständnis der indischen Raumfahrtbehörde. Eines der Zentren der staatlichen INDIAN SPACE RESEARCH ORGANISATION (ISRO), die NATIONAL REMOTE SENSING AGENCY gibt 2006 einen Bildband mit dem Titel Images India. Rediscovering India – A Journey through Space Images heraus. Nair schreibt dazu ein Vorwort. In diesem Bildband kann man Rama‘s Bridge bewundern. Die als Rama's Bridge/Ram Setu bezeichnete dreißig Kilometer lange Kette von Sandbänken, Korallenriffen und Inseln zwischen Indien und Sri Lanka ist Thema im indischen Ramayana (zw. 4. Jhd. v. bis 2. Jhd. n Chr.), das neben dem Mahabharata das wichtigste mythologische Werk Indiens ist. Im Zusammenhang der Vorbereitung einer großen Schlacht unterstützen die ‚Waldmenschen/ Affenmenschen‘ (Vānara) des affengestaltigen Gottes Hanuman den göttlichen König Rama dessen Frau Sita der Dämon Ravana nach Lanka entführt hatte. Um Rache zu nehmen muss ein Weg für das Kriegsheer zwischen Indien und Sri Lanka gefunden werden. Einer der Waldmenschen spricht zu Rama: „‚Ich werde über der tiefen See, in der sich Monster tummeln, eine Brücke bauen, oh Rama. Denn als Teilhaber an der Fertigkeit meines Vaters sind Macht und Wille mein‘. ... So sprach er, und schnell sprangen die Vanar‘s auf Rama's Befehl hin auf, beendeten ihre Ruhe und befolgten den Auftrag des Königs. Sie suchten die Waldesschatten auf, warfen entwurzelte Bäume zu Boden und zogen das Holz zum Ozean. … Ungebändigte Wasser schossen in die Höhe, und Regen fiel vom Himmel. Der Ozean wogte hef1

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Anonymus, Artikel: VHP to Focus on Preventing Conversions, in: THE HINDU vom 18.8.2014, (Internet:http://www.thehindu.com/news/cities/mumbai/vhp-to-focus-on-preventing-conversions/article6326656.ece). Anonymus, Artikel: Hindu unity need of the hour: Mohan Bhagwat, in: The New Indian Express, 25.11.2014, (Internet: http://www.newindianexpress.com/states/kerala/article 1535708.ece). Übersetzung L.H. Anonymus, Artikel: Hindu unity need of the hour: Mohan Bhagwat, in: The New Indian Express, 25.11.2014, (Internet: http://www.newindianexpress.com/states/kerala/article 1535708.ece). Übersetzung L.H.

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tig mit Gebrüll, während die Berge fielen. So wurde die große Brücke von wunderbarer Stärke gebaut, dreihundert Meilen lang. Felsen so riesig wie Herbstwolken wurden vom Strand geworfen und mit Seilen festgebunden, auch Teile von all den gespaltenen Bergen und Bäume, die immer noch mit Blüten geschmückt waren. Wild war der Tumult und laut das Getöse, wenn massige Felsen zusammendonnerten. Bevor die Sonne unterging wuchs die Brücke um dreißig und vier Meilen an, so mühte sich jede Truppe. Die Anstrengungen des zweiten Tages brachten sechzig Meilen mehr an fertigem Weg. Und am fünften Tag, als die Sonne sank, da war die ganze phantastische Arbeit getan“1. Für die Raumfahrtbehörde sind die Aufnahmen aus dem Weltraum der Beweis, dass Ram Setu künstlichen Ursprungs sei. „Seine Strukturen legen nahe, dass es durch Menschen gemacht worden ist“2. Es klingt wie der Originalton eines präastronautischen ‚Sachbuches‘ wenn dann auch geschrieben wird: „Der Ursprung der Brücke ist ein Geheimnis. Archäologische Studien haben herausgefunden, dass die Brücke in das primitive Zeitalter vor ungefähr 1.750.000 Jahren datiert werden kann“3. Nicht fehlen darf in dem Buch dann auch noch der Bezug auf die literarische Tradition. Dieser empirische Befund habe ein „Echo in dem altindischen mythologischen Epos Ramayana. Dem Epos zufolge wurde eine solche Brücke durch den Lord Rama und seine Gefolgschaft gebaut um Sri Lanka zu erreichen. Die Forschungen sind zwar noch nicht abgeschlossen, doch wird die Brücke als Beispiel dafür angesehen, wie alte Geschichte und indische Mythologie miteinander verbunden sind“4. Die hindunationalistischen Bewegungen greifen nicht nur auf die religiöse Tradition zurück, sondern arbeiten dergestalt schöpferisch, dass sie von politischem Interesse geleitete Mythenauslegungen und neue Rituale zur Rezeption anbieten5. Der myhische Ram/ Rama bzw. Ramachandra, König von Ayodhya, ursprünglich verehrt im Vaishnavismus, wird zum gesamtindischen Zentralhelden aufgebaut. Aus der utopischen Vision von Mahatma (Mohandas Karamchand) Gandhi (1869-1948) von einer idealen indischen demokratischen und an Frauenrechten orientierten Staatsordnung, einer Ram Rajya, wird eine reale indische Vergangenheit. Die Vishwa Hindu Parishad (VHP) macht aus Ram einen realhistorischen König. 1 2

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Ramayana, Buch 6/ Strophe 22 zit. nach: http://www.ramayana.pushpak.de/b6n022.html. Mir stand das Buch nicht zur Verfügung. Die Zitate entnehme ich http://www.orientalthane.com/archaeology/news_2007_12_13_2.htm, nachdem ich vergleichende Stichproben zu den Zitaten bei anderen Seiten entnommen habe. Nur einmal fand ich einen Seitenbeleg, nämlich für dieses Zitat S. 39. Übersetzungen im Folgenden L.H. Anonymus, Artikel: Ram Setu ‚man-made‘, says government publication, in: http://www.orientalthane.com/archaeology/news_2007_12_13_2.htm. Übersetzung L.H. Anonymus, Artikel: Ram Setu ‚man-made‘, says government publication, in: http://www.orientalthane.com/archaeology/news_2007_12_13_2.htm. Übersetzung L.H. Vgl. Jaffrelot, 1996, 388.

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DIE SYSTEMESOTERIK DES 21. JAHRHUNDERTS

Große öffentlichkeitswirksame Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Fernsehserien1 Ramayan (1987-1988, Regie: Ramanand Sagar; 78 Episoden2), Ramayan (2008-2009, Regie: Anand Sagar; 300 Episoden3) und Ramayan. Sabke Jeevan Ka Aadhar (2012-2013, Regie: Mukesh Singh; 56 Episoden4). Das im Hinduismus etwa aus Sakralgegenstände präsentierenden Prozessionen bekannte Erlebnis des darshan, d.h. des über das Auge vermittelten realen Kontaktes zwischen dem sehenden Gläubigen und der ihn sehenden Gottheit5, dem der Gläubige mit pujas, mit Ritualverhalten antwortet, erleben dabei viele Fernsehzuschauer6. Die diesen Verfilmungen des Ramayana folgende – am Sonntagmorgen günstig gelegene – Verfilmung des Mahabharata wird von 91 % der Besitzer von Fernsehern verfolgt7. Diese Verfilmungen haben einen wesentlich Anteil an der Konstitution einer hindunationalistischen Identität in Indien. Ram wird zum geschichtlich real existierenden Überhelden und zugleich zur herausragenden Gottheit des Hinduismus aufgebaut. Nach dem Hindunationalismus hätten sich die Hindus früher zu stark an Toleranz und Passivität orientiert. Die Verfilmungen über das Leben und die Taten des großen Vorbildes und Gottes Ram sollen nun eine neue Seite des Hindu zeigen – den wütenden und aggressiven Hindu8. Nach Savarkar ist der realgeschichtlich interpretierte Zug Ramas von Indien nach Lanka das Gründungsdatum der Hindu-Nation9. Die hindunationalistische BHARATIYA JANANTA PARTY (BJP)10, „setzt atomare Explosionen mit bestimmten in der Bhagavadgita beschriebenen Ereignissen gleich, um auf diese Weise zu beweisen, dass schon die antiken Indo-Arier über Atomphysik verfügten“11. In dem staatsphilosophischen Werk Arthashastra (zw. 3. Jdh. v. - 3. Jhd. n. Chr.) findet das indische Verteidigungsministerium viel indische Zukunft. Der einzige (katholische) Christ in der Regierung, Indiens Defence Minister George Mathew Fernandes (*1930; Verteidigungsminister von 1998-2004), gibt 2002 – wohl unter dem politischem Druck des damaligen Premierministers Atal Bihari Vajpayee (*1924) von der hindunationalistischen BHARATIYA JANATA PARTY (BJP) – seine Zustimmung zu einem besonderen Forschungsprojekt. Beteiligt sind die indische DEFENCE RESEARCH AND DEVELOPMENT ORGANIZATION und Wis-

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Zur langen Tradition von Rama-Filmen in Indien seit 1917 vgl. Bakke, 2009, 79-131. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Ramayan_%28TV_series%29. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Ramayan_%282008_TV_series%29. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Ramayan_%282012_TV_series%29. Herman, 2010, 151. Jaffrelot, 1996, 389. Jaffrelot, 1996, 389. Jaffrelot, 1996, 391. Lurquin/ Stone, 2007, 87. http://www.bjp.org/. Lurquin/ Stone, 2007, 26, Übersetzung L.H.

PRÄASTRONAUTIK: PSEUDOLOGIA PHANTASTICA

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senschaftler der Universität Pune unter Leitung des Biochemikers Vikram Ghole und des NATIONAL INSTITUTE OF VIROLOGY. Die Texte aus dem Arthashastra enthielten nach Meinung der Projektleitung wesentliche Anregungen für die moderne Kriegsführung. Ghole sagt über die prinzipielle Seite des Programms: „Dies sind rein wissenschaftliche Untersuchungen die nicht auf irgendwelchen Mythen beruhen“1. Der beteiligte Raumfahrtwissenschaftler Professor S.V. Bhavasar geht davon aus, dass die Texte „die Geheimnisse zum Bau von Flugzeugen enthalten, die durch keinerlei äußere Macht zerstört werden, bewegungslos in der Luft stehen und unsichtbar für feindliche Flugzeuge sein können“2. Weitere technische Errungenschaften, deren Entwicklung man sich aus diesem literarischen Werk erhofft, seien ein Nahrungsmittel, das in der Lage sei Soldaten einen Monat lang Kraft zu geben ohne dass sie weiterhin essen müssten, Schuhe aus Kamelfell, die mit einem Serum aus dem Fleisch von Eulen und Geiern behandelt würden und es den Soldaten gestatteten, Hunderte von Meilen zu laufen ohne müde zu werden, ein Puder aus dem Leuchtkäfer Photinus pyralis und den Augen eines Wildschweins, das Soldaten im Dunkeln sehen ließe, Rauch aus der Haut und aus Ausscheidungen bestimmter Reptilien, Säugetiere und Vögel, der die Feinde mit Blindheit oder Verrücktheit schlüge, ein tödlicher Rauch aus Teilen von Schlangen, Insekten und Pflanzensamen3. Auf metaphysische Götter bezogene präastronautische Geschichtsfantasie und Realpolitik verbinden sich auf diese Weise im heutigen Indien.

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Kashyap, 2002, Übersetzung L.H. Rahman, http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/1986595.stm, Übersetzung L.H. Rahman, http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/1986595.stm.

Schlusswort: Begrifflicher Zusammenhang der drei Bände I.

Ein Blick auf die Rezeption der ersten beiden Bände

Mit diesem dritten Band beende ich mein Lebenswerk einer Kritik der neomythischen Vernunft. Der erste Band Menschen als Götter der Erde. 1800-1945 erschien 2004, Neomythen der beruhigten Endlichkeit. Die Zeit von 1945 bis heute wurde 2009 publiziert und nun erscheint als Abschlussband Die Fiktionen der Science auf dem Wege in das 21. Jahrhundert. Wenn man die Vorarbeiten mitrechnet, dann reicht der Beginn der Arbeiten an der Kritik der neomythischen Vernunft weit in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts hinein. Es bleibt nicht aus, dass sich in dieser Zeitspanne meine Perspektiven verändert haben und damit auch meine Begriffe – nicht zuletzt durch die zahlreichen und zum Teil ausführlichen Rezensionen und durch viele Diskussionen im Zusammenhang von Vorträgen zum Themenbereich. Am Anfang dieses zusammenfassenden Blicks will ich daher auf die zahlreichen Rezensionen Bezug nehmen, die sich mit den ersten beiden Bänden beschäftigt haben1. Stefan Breuer hat in seinem Beitrag zum ersten Band in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG geschrieben: „Die wissenschaftliche Fachkritik wird erweisen, ob der kategoriale Rahmen tragfähig ist. Schon jetzt aber lässt sich sagen, daß Hausers Buch ein ganzes Forschungsfeld wenn nicht eröffnet, so doch besser erschließbar gemacht hat“. Er spricht von einer „empiristische(n)“ Religiosität, die im Kontext des Wissenschaftsglaubens verstehbar wird. Dann weist er – wie viele andere Rezensenten auch – zu Recht darauf hin, dass es in „Fragen der Gewichtung“ und Auswahl der Beispiele notgedrungen Lücken gibt. Helmut Zander hat in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG auch darauf hingewiesen: „Dieser Ansatz ermöglicht eine scharfe Kritik der hypertrophen neuen Mythen ...“. Weiter merkt er dann an, dass die Fundierung vom „Stand der Forschung“ her einen deutlichen Schatten auf diese „anregende() Kulturkritik“ wirft. Jürgen Manemann stellt in der THEOLOGISCHEN LITERATURZEITUNG fest, dass die Kritik der neomythischen Vernunft das „große() Wagnis“ eingehe, eine „religiöse Tiefengrammatik der wissenschaftlich-technischen Zivilisation“ zu präsentieren. Er weist auf die Weite der Perspektive hin und kommt dann auch auf die Schattenseite zu sprechen: „Es wäre ein Leichtes, in diesem gewaltigen Unternehmen Schwachstellen und auch hier und da Fehler nachzuweisen“. Manche Darlegungen findet er daher „ärgerlich“. Abschließend konstatiert er, dass es mir

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Vgl. die Auflistung der Rezensionen der ersten beiden Bände im Anhang des Literaturverzeichnisses. Einige kürzere Rezensionen, die eher anzeigender, als besprechender Natur sind, erwähne ich hier nicht.

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SCHLUSSWORT

mit den ersten beiden Bänden gelungen sei, in einem „Entwurf eine Schneise in das Dickicht der auseinanderdriftenden Detailforschungen zu schlagen“. Die ausführlichste Rezension (10 Seiten) stammt von Ingbert Jüdt und beschäftigt sich in der ZEITSCHRIFT FÜR ANOMALISTIK mit dem ersten Band. Er ist auch – explizit mit Breuer und Zander – der Auffassung, dass sich dieser Ansatz in der Diskussion mit der „Fachwelt noch zu bewähren hat“. Für ihn ist es abschließend wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich darauf aufmerksam mache, dass sich große „neomythische Katastrophen“ wiederholen könnten. Er bezieht sich weiterhin darauf, dass sich mit dem Ansatz bei der radikalen Endlichkeit des Menschen eine für ihn spezifisch katholische bzw. theologische Perspektive weitet. „Dadurch gelingt es Hauser … auf beeindruckende Weise eben diesen gerne und oft mit guten Gründen als reaktionär gebrandmarkten katholischen Standpunkt das Gegenteil von Rückwärtsgewandtheit, nämlich ein universalistisches Potenzial abzuringen“. Eckhard Nordhofen bespricht den ersten Band in DIE ZEIT und bezeichnet ihn als einen wesentlichen religionswissenschaftlichen Beitrag. Er kommt zu dem Fazit: „Das liegt an der gründlichen anthropologischen und philosophischen Einführung, an der guten Rekonstruktion der geistesgeschichtlichen Traditionslinien, und es liegt daran, dass er eine Antwort auf die pluralistische Herausforderung, das vielleicht größte Problem der zeitgenössischen Theologie, in Aussicht stellt“. Heiko Ehrhardt schreibt im DEUTSCHEN PFARRERBLATT, dass dem ersten Band das „Verdienst zu(-kommt), die Vielzahl neuer religiöser Phänomene auf einen einheitlichen Begriff gebracht zu haben, und zugleich eine Geschichte des Phänomens ‚neue Religiosität’ mit klarer und fundierter Kritik sowohl der grundlegenden Prämissen als auch einzelner, herausragender Exponenten zu verbinden“. Matthias Pöhlmann nimmt in seiner Rezension im von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen herausgegebenen Materialdienst über den ersten Band zunächst einmal Stellung mit dem Statement, dass hier der „Leser auf eine gelehrte wie materialreiche Entdeckungsreise“ mitgenommen werde und dass dabei ein „sehr beeindruckendes und außerordentlich informatives Werk gelungen“ sei. Josef Kreiml rezensiert in der THEOLOGISCHEN REVUE den ersten Band und kommt zu dem Fazit, dass es „verantwortungslos sei, diese Gestalt der Vernunft einfach zu ignorieren. ... Die Diktion des Vf.s irritiert manchmal ein wenig. Angesichts seiner profunden Quellenkenntnis ist H. ein beachtenswertes Werk gelungen“. Thomas Menges schreibt in EULENFISCH, dass der zweite Band einen „höchst originellen Beitrag zur Erhellung der Tiefenstruktur der gegenwärtigen religiösen Situation (leistet, L.H.), in dem er den Zusammenhang zwischen Endlichkeitsflucht und Neomythen aufzeigt“. Stefan Breuer beurteilt dann den zweiten Band in seiner Rezension in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG auf vergleichbare Weise wie den ersten. Er macht auf Unstimmigkeiten aufmerksam und kommt doch zu dem Urteil, dass diese „Schwächen“ und „Flüchtigkeitsfehler() ... bei einem Projekt dieser Größenordnung wohl unvermeidlich sind und er seine Position hinsichtlich des Gewichts dieses zweiten Bandes gegenüber seiner Einschätzung des ersten Bandes nicht re-

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vidieren muss. „Auch in diesem zweiten Band fügen sich Klarheit und Souveränität der Gedankenführung mit der Fähigkeit zur dichten Beschreibung so glücklich zusammen, dass man von einem großen Wurf sprechen kann“. An dieser Stelle kann ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich Breuers Terminus „Göttermenschen“ aus seiner Rezension des ersten Bandes für die Folgebände übernommen habe. Michael Bongardt (THEOLOGISCHE REVUE) merkt in seiner Rezension des zweiten Bandes an, dass das Ziel erreicht wurde, „die ‚religionsförmigen Neomythen’ als ein Phänomen darzustellen, das wegen seiner Gefährlichkeit für freiheitliche Gesellschaften der wachsamen Aufmerksamkeit bedarf“. Er verweist anhand des Themas auf die Dringlichkeit einer ausführlichen Metareflexion auf philosophisch-theologischer Ebene. Ich habe mich durch die Art und Weise, wie die ersten beiden Bände der Kritik der neomythischen Vernunft aufgenommen wurden, geehrt und verstanden gefühlt. Stefan Breuers Hinweis, mit meinem Versuch einen Aufriss eines ganzen Forschungsfeldes zu geben, passt zu meinem wissenschaftlichen Selbstverständnis. Von daher musste ich es ganz selbstverständlich riskieren, manche Forschungsergebnisse angesichts des weiten Arbeitshorizontes zu übersehen. Es konnte weiterhin überhaupt nicht möglich sein, alle – und wenn auch nur alle wichtigen – Musterbeispiele und Strömungen zu berücksichtigen. Des Weiteren bin ich – um hier auf Michael Bongardt Bezug zu nehmen – von vielen Kolleginnen und Kollegen darauf angesprochen worden, dass nun eigentlich eine theologische Aufarbeitung des Phänomens den Abschluss des dritten Bandes bilden müsste. Ich habe darauf verzichtet, weil ich der Meinung bin, dass zwischen einer solchen Arbeit am Aufriss eines Forschungsfeldes, ihrem Beschluss und dann einer anders gewendeten Reflexion viel Zeit liegen muss, wenn denn diese nicht sich in ‚Üblichkeiten’ bewegen wollte. Im Hinblick auf solche Perspektiven ergibt sich dann das nicht forschungsimmanente, sondern mit der radikalen Endlichkeit des Menschen gegebene Problem der begrenzten Lebenszeit. Damit komme ich zur abschließenden begrifflichen Zusammenfassung von Gedankengängen, deren Genese bis in meine späteren Studentenjahre zurückreicht und will am Ende dieses Projektes noch einmal, ganz im Begrifflichen bleibend, die grundlegenden Denkfiguren bzw. die verwendeten Begriffe dieser drei Bände so zusammenfügen, wie sie mir am Ende der Arbeiten am abschließenden dritten Band am Stimmigsten erscheinen.

II.

Die Ausgangspunkte: Mythos, Religion und Kultur

Ich habe mich gedanklich und sprachlich nicht selten an Begriffen und Termini anderer Autoren orientiert. In den drei Bänden habe ich dies auch entsprechend eindeutig kenntlich gemacht. In diesem abschließenden Teil verzichte ich aus

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Gründen der Lesbarkeit auf entsprechende Belege, es sei denn, dass es sich um neue Termini und Begriffe handelt. Begriffe und Termini, die mir besonders wichtig waren und die zum systematischen Zusammenhang gehören, habe ich in der Folge kursiviert. Wir setzen ein mit der bekannten Ätiologie vom Ursprung des Mythos. Eine Ätiologie redet über einen ‚Anfangʻ, der nicht empirisch rekonstruiert werden kann, sondern vielmehr aus einem späteren Stadium der Entwicklung – ätiologisch – entworfen wird. Am Anfang – und dieser Anfang kann sich auch auf das Beginnen einer neuen epochalen Konstellation beziehen – begegnet uns die Wirklichkeit als eine, der wir gleichsam keine Bedingungen stellen können. Der Mensch wird konfrontiert mit dem Absolutismus – oder besser, weil unpersönlich der ‚Absolutheitʻ – der Wirklichkeit (Blumenberg). Keine Bedingungen stellen zu können und ‚Allesʻ in seiner Welt als unerklärlich und als bedrohlich zu erleben, erzeugt Angst vor ‚Allemʻ, und das Subjekt, das in diese Lebenswirklichkeit ‚geworfen’ wird, ist ‚im Ganzenʻ bedroht. Indem Adam in der jahwistischen Schöpfungserzählung von Jahwe die Möglichkeit geschenkt bekommt, alles zu benennen, wird am Anfang die ungreifbare Angst verwandelt in eine auf Einzelnes gerichtete konkrete und damit bewältigbare oder zumindest benennbare Furcht. Dann tut sich die Welt auf als die, in der wir einerseits ein absolutes Befremden (Otto) durch eine allem zugrunde liegende schlechthinnige Übergewalt erfahren und zugleich aber durch dieselbe in Kontrastharmonie angezogen sind. Die Welt wird damit zur möglichen Erfahrungsraum des Heiligen. Das Heilige kann aber immer wieder in seiner konkreten Ausformung negiert werden. Der Tempel, in dem alle Göttinnen und Götter verehrt werden, das Pantheon bleibt bestehen – nur die Belegschaft verändert sich. Sogar das – zunächst einmal scheinbar – Unheilige, das als radikale Negation des Heiligen und des Pantheon auftritt, gerät dann doch wieder in den Sog des Heiligen und entwickelt seine eigene Sakralität. In der Arbeit am Mythos geschieht zugleich Arbeit an der eigenen Weltanschauung. Die Weltanschauung eines Menschen ist sein nie ganz bewusst gestalteter und auch nie ganz in sich schlüssiger, also prinzipiell spannungsreicher Verstehenshorizont von Wirklichkeit, der durch eine je-individuelle Aneignung von Tradition in persönlichen Erfahrungen das Verhalten eines Menschen ausrichtet. In diesem Verstehenshorizont liegt sein Selbst- und Weltverständnis als Feststellung von Endlichkeit und zugleich als Streben nach der Aufhebung von Endlichkeit. Oder – kurz gefasst – ist die Weltanschauung die Versammlung aller menschlichen Erlebnisweisen, die sich auf das Verstehen von Welt und Selbst auswirken. Weil sich in einer Weltanschauung Thematisches und Unthematisches auf spannungsreiche Weise verbinden, gehört zur Weltanschauung auch das Moment der Rückbindung an die Tradition, die sich in der Form eines aus der – thematischen oder unthematischen – Beschäftigung mit ihr erwachsenen Standpunktes. Wir haben weiterhin definiert, dass die Weltanschauung auf zweierlei Weise von

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jedem Menschen ergriffen wird. Sie ist zum einen eine bewusst ergriffene Lebensorientierung, ein bewusst ergriffener Standpunkt, der sich explizit auf die Tradition bezieht, und zugleich ein Längeres Gedankenspiel, in dem sich zukünftige weltanschauliche Mosaiksteine zeigen. Der bewusst ergriffene Standpunkt und das Längere Gedankenspiel können dabei in einem deutlichen Spannungsverhältnis stehen, wie etwa die Koexistenz von Auferstehungsglauben und (abendländischem) Reinkarnationsglauben zeigt. Repräsentiert der bewusst ergriffene Standpunkt die Rückbindung an die kulturellen Vorgaben und an traditionelle Gegebenheiten, so bezieht sich das Längere Gedankenspiel beispielsweise auf relative Dispens vom ernsthaften Alltag oder aber auch auf eine zukünftige wirkmächtige weltanschauliche Position, die sich noch nicht real etabliert hat bzw. zu der man sich noch nicht – im bewussten Ergreifen derselben – vor sich selbst und vor anderen bekennt. Es gibt nun zwei anthropologische Grundbestimmtheiten, die eine unhintergehbare Bedeutung für die Konstitution von Weltanschauungen besitzen. Alle Menschen haben notwendig – d.h. in jedem Selbstvollzug – thematisch oder unthematisch das Bewusstsein von Endlichkeit. In jedem Augenblick des menschlichen Lebens zeigt sich Endlichkeit in der fortwährenden Arbeit am Selbsterhalt, in der seelischen Arbeit sich selbst möglichst stabil und in Selbstkonsistenz zu bewahren und in der intellektuellen Arbeit sich in dieser Welt im Hinblick auf die eigene Selbstgestaltung zu orientieren. Endlichkeitsbewusstsein ist nicht negierbar, schon allein deshalb, weil man im Akt der Negation derselben andere Positionen ausgegrenzt und damit nicht gelebt hat. Ich führe für dieses Bewusstsein von Endlichkeit den Terminus Kontingenzbewusstsein ein. Eine zweite – ebenfalls nicht negierbare - ebenfalls thematisch oder unthematisch in jedem Lebensaugenblick vorausgesetzte Grundbestimmtheit ist die Geneigtheit nicht endlich zu sein. Sie ist die zweite anthropologische Prämisse, die in den eben angeführten drei Beispielen zum Thema des Kontingenzbewusstseins ebenfalls vorausgesetzt wird. Für diese Geneigtheit, nicht endlich zu sein, habe ich seinerzeit den Terminus Religiosität gewählt. Die Erfahrung bei der Verwendung dieses Terminus in Vorträgen hat gezeigt, dass es besser ist, hier den buddhistischen Ausdruck Lebensdurst zu verwenden. Der Lebensdurst zeigt sich ebenso wie die Endlichkeit in jedem menschlichen Selbstvollzug. Unthematisch setze ich in meinen elementaren organischen Selbstvollzügen auf Lebenserhaltung. Unthematisch setze ich auch in jedem ganz alltäglichen Handlungszusammenhang auf eine partielle Linderung der Auswirkungen meiner Endlichkeit. Philosophisch betrachtet bedeutet dies, dass ich in jedem Moment meines Lebens unter der Idee einer vollendeten Aufhebung meiner Endlichkeit stehe. Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass ich die Realisierung dieser Idee für möglich halte. Diese beiden Grundbestimmtheiten stehen – wie schon deutlich geworden ist – in einem spannungsreichen einander implizierenden Verhältnis. Ein Mensch kann nur geneigt sein, nicht endlich zu sein, wenn er die Erfahrung von Endlichkeit

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macht und umgekehrt setzt die Erfahrung von Endlichkeit die Idee einer Alternative, die Idee der Aufhebung von Endlichkeit, voraus. Aus diesem Grunde spielt sich auch die Beantwortung der Frage, wozu man als Mensch lebt, also die Frage nach dem Sinn des Lebens, in dieser Spannung ab. Mit dem Gesichtspunkt, dass Endlichkeitsbewusstsein zugleich den Lebensdurst mitsetzt (und umgekehrt), erscheint im endlichen menschlichen Dasein der Gesichtspunkt, dass der Mensch immer zugleich als diese gegebene ‚endliche Tatsache’ in der Welt ist und doch notwendigerweise in jedem Selbstvollzug sich übersteigt, transzendiert. Er ist sich also zugleich immer schon als Entwurf gegeben. Diese Transzendenzfähigkeit des Menschen äußert sich zunächst in dem, was man als Graduelles Transzendieren oder auch als Relatives Transzendieren bezeichnen kann. Im graduellen/relativen Transzendieren hat der Mensch von sich (und natürlich – was hier nicht Thema sein soll – von prinzipiell allen anderen Aspekten unserer Wirklichkeit) einen Entwurf möglichen Andersseins vor Augen. Dieser Entwurf ist bezogen auf seine faktische Ausgangssituation und kann dieselbe graduell im Entwurf verbessern und neue Möglichkeiten erkunden. Dabei ist das graduelle/relative Transzendieren geprägt durch die Ausgangssituation. Es ist relativ zum Vorgegebenen und reflektiert dieses im Entwurf einer dieses Vorgegebene überschreitenden Möglichkeit. Anders ist die Situation beim absoluten Transzendieren. Hier geht es um eine gewandelte Perspektive im Reflektieren seiner Daseinssituation. Die Reflexion richtet sich hier nicht auf das Faktische als unhintergehbare Maßstab für die Richtung des Transzendierens. Im absoluten Transzendieren führt sich das reflektierende Subjekt selbst an die Grenze aller seiner Orientierungsmöglichkeiten angesichts der Frage nach dem transzendenten Absoluten. In der metaphysischen Perspektive geht es darum, die Frage nach dem ‚Grund von Allemʻ und nach der Bedeutung des Menschen in diesem ‚Allenʻ so anzugehen, dass vorschnelle Interpretationen ausgeschlossen werden. Im absoluten Transzendieren konfrontiert sich der Mensch mit dem Zerbrechen aller Maßstäbe. Der Grund von Allem ist nicht mit der Sphäre des Göttlichen, sei dieses polytheistisch oder monotheistisch interpretiert, und auch nicht mit einer apersonalen ‚Naturʻ, Evolution oder dem Universum bzw. einem unbewussten Evolutionsgott gleichzusetzen. Alle diese Versuche der Bebilderung dieses Grundes von Allem sind Interpretationen, die ihre erkenntnistheoretische Legitimität nur auf der Grundlage einer vorangegangenen absoluten Selbsttranszendenz besitzen, durch die sie erst bewusst als standpunktabhängige Interpretationen wahrgenommen werden. Die phänomenologische Perspektive lässt hier vom Heiligen reden, weil es sich allen Maßstäben entzieht und nur so sichtbar wird. Es wird in diesem Zusammenhang deshalb auch von einem Mysterium tremendum und dessen fascinans gesprochen, die sich in einer spannungsreichen Kontrastharmonie befinden können. Es tauchen dann in dieser phänomenologischen Perspektive Termini wie absolutes

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Befremden und schlechthinnige Übergewalt oder schlechthinnige Unnahbarkeit auf. In einem ersten Zugriff macht also der Grund von allem mit seiner Sicht auf ihn nur als verschließend erschließenden Art des Absolutismus ‚absolut orientierungslos’ und damit auch Angst, die in Arbeit am Mythos und Arbeit am Logos zu Furcht und Hoffnung verarbeitet werden kann. Die sich verschränkende Arbeit am Mythos und am Logos führt zur Arbeit an der eigenen Weltanschauung. Ausgangspunkt aller weltanschaulichen Orientierung ist die Spannung zwischen dem Kontingenzbewusstsein und dem Lebensdurst, innerhalb derer ein Mensch sich auf dem Hintergrund einer durch Kultur überlieferten Tradition seinen Standpunkt sucht, von dem aus er seine Lebenswelt in den Blick nimmt. Aus diesem Grunde wurde der Begriff der Kultur bestimmt als Zusammenhang überlieferter Möglichkeiten zur Gestaltung der Endlichkeit des Menschen im Kontext des menschlichen Strebens nach vollendeter Selbstgestaltung. Auf diese Weise stellt die Weltanschauung auch eine Aufgabe zur Selbstgestaltung dar, die ein Mensch nicht vermeiden kann, obwohl er diese leichtnehmen oder ernstnehmen kann. Weil eine Weltanschauung auch in der Form eines Längeren Gedankenspiels gelebt wird, gibt es für erst später dann klar erkennbare weltanschauliche Positionen, die eine epochale gesellschaftliche Bedeutung bekommen können, eine oft lange Kulturelle Inkubationszeit. Weltanschauliche Zusammenhänge können sich stark verändern, wenn sich epochale neue Erfahrungen ergeben. Es kommt dann zu Erschließungserfahrungen von Selbst und Welt auf der Basis einer Art kollektiver Überraschung. Eine derartige kollektive Überraschung ereignet sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Die die Menschheitsgeschichte bis dahin prägende Naturtechnik, die sich an die Strukturen des vorgegebenen Natürlichen gleichsam ‚anschmiegt’ (Adorno), verliert schrittweise ihre Bedeutung zugunsten einer wissenschaftsfundierten Technik, die die Natur in ihren Grundlagen umformt. Die wissenschaftsfundierte Technik greift die Errungenschaften der seit der Renaissance entstehenden empirischen Wissenschaften auf und nutzt sie technologisch. Mit der Erfahrung der wissenschaftsfundierten Technik ergibt sich eine neue Erlebnistönung im Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten, und zwar eine, die sowohl Wissenschaftsgläubigkeit als auch Wissenschaftsangst hervorruft. Durch die wissenschaftsfundierte Technik erhält der Mensch als Herrscher im Reich der Natur eine gleichsam übernatürliche Bedeutung, die der Interpretation harrt. Ebenso ergeben sich mit der kollektiven Entdeckung von politisch bedeutsamen Menschenrechten, mit den Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit überfliegende Hoffnungen auf ein weltimmanentes Freiheitsreich, in dem die Menschen zu Göttern oder Beherrschern der Erde werden. Zugleich entsteht ein Gefühl der Angst vor dem Chaos der Orientierungslosigkeit angesichts der in die Krise geratenen Legitimität der christlichen Kirchen, des Vertrauensverlustes von philosophischer Vernunft und

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des zunehmenden Bedeutungsverlustes der vertrauten Paradigmen abendländischer ‚klassischer’ Bildung. Die Erlebnistönung der Moderne wird dabei fundiert durch die Erfahrung einiger epochaler Orientierungsaufgaben. Die kopernikanische, darwinische, freudianische und die androidische Orientierungsaufgabe bilden zusammen die metaphysischen Orientierungsaufgaben der Moderne, die thematisch oder unthematisch wirkend zur Logik der nachchristlichen Selbstkonstitution gehören. Es entstehen seit dem 19. Jahrhundert im Ausgang von den empirischen Wissenschaften und in metaphysikförmiger ‘Verwendung’ derselben, Versuche, in unserer empirischen Wirklichkeit einen kosmischen Zusammenhang der Dinge zu finden. Eine wichtige epochale Rolle nimmt dabei die Erfahrung der Krise des überkommenen Christentums ein. Aufgrund einer Art geschichtlicher Transzendentalität des abendländischen Verstehensschemas des Christentums entsteht eine Haltung, die weiter oben als Christentum der Endlichkeit (Heidegger) bezeichnet wurde. Das Christentum der Endlichkeit spiegelt den Prozess der Ablösung von Interpretationen unserer Wirklichkeit unter Beibehaltung der formalen Erlebnistönung christlicher Weltspiritualität. Das Christentum der Endlichkeit ist ein von den ursprünglichen Weltdeutungen abgelöstes Selbstverstehen, in dem es um eine spezifisch abendländische Weise der Erfahrung von Endlichkeit geht und darum, wie diese Kontingenzerfahrung auf eine spezifisch neue, eher säkulare bzw. auch postsäkulare (Höhn) Weise in den unterschiedlichsten Spielarten gelebt wird. Auf diese Weise kommt man auf keine Form von begrifflich unbestimmtem ‚NachChristentumʻ, sondern auf eine parallele Entwicklung, von Forme von Christentum, des Atheismus und der Neomythen. Die neomythische Lebensform ist dann eine unter anderen Spielformen eines Christentums der Endlichkeit. Sie greift den Gedanken der Erlösung durch den menschgewordenen Gott auf und wendet ihn – in gut feuerbachscher Manier – zu dem einer Gottwerdung des Menschen um, die aber auch den christlichen Gedanken einer Theosis, eine Vergöttlichung des Menschen auf nachchristlich transformierte Weise enthält. Auf diesem Wege entwickeln sich seit dem 19. Jahrhundert Entwürfe einer neuen Mythologie, die teilweise bewusst artikulieren, dass sie durch Genies geschaffene künstlichste aller Kunstwerke sein müssten, weil die geistigen Gewalten des Abendlandes ihre Prägekraft unwiederbringlich eingebüßt hätten. Es entsteht ein Christentum der Endlichkeit, das den verwandelten Heilbringer im künstlerischen oder wissenschaftlichen Genie, Papst oder Führer zu finden vermeint. Geschichtlich neue Sinngestalten werden gesucht und können sich beispielsweise in der Systemesoterik in epochalen wegweisenden Entwürfen bündeln (Helena Blavatsky). Eine dialektische Logik hinter dem Bewusstsein (Hegel) lässt die kompensatorische Spannung von Wissenschaftsgläubigkeit und Wissenschaftsangst den Weg zu einer suchenden Neomythologie einschlagen, die durch die unterschiedlichsten Technologien Göttermenschen erzeugen will.

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Sucht man dabei nach einer neomythischen Familienähnlichkeit, dann findet man eine meist unthematische Grundentscheidung. Um diese zu thematisieren, muss wieder auf den Begriff der Weltanschauung zurückgegriffen werden. Die Weltanschauung als Ensemble aller menschlichen Erlebnisweisen, die sich auf das Verstehen von Welt und Selbst auswirken, kann im Zusammenhang von Kontingenzbewusstsein und Lebensdurst – in einem ersten Schritt der Entfaltung ihrer begrifflichen Logik – in zwei grundlegende Arten weltanschaulicher Selbstund Weltorientierung unterteilt werden. Die zuerst gegebene allgemeinste Negationsmöglichkeit betrifft die Interpretation der das Kontingenzbewusstsein und den Lebensdurst fundierenden Endlichkeit des Menschen. Als epochal neue, durch den Eindruckswert der gehobenen Freiheitsmöglichkeiten und der durch die wissenschaftsfundierte Technik gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten taucht der Gedanke eines neuen Umgangs mit Endlichkeit auf. Die Frage ihrer möglichen Bewältigung erhält nun auch außerhalb des Christentums eine neue Antwortmöglichkeit. Die Endlichkeit des Menschen kann epochal – als Resultat der kollektiven Überraschung durch die Errungenschaften modernen Lebens – entweder als radikale Endlichkeit, die alle Ausdrucksformen menschlichen Daseins fundiert, begriffen werden oder als in sich selbst kontingente Endlichkeit, die durch innerweltliche Bemühungen real aufgehoben werden kann.

III. Die Neomythen Weltanschauliche Standpunkte, die die Voraussetzung einer in sich selbst kontingenten Endlichkeit des Menschen – thematisch oder unthematisch – machen, wurden in den drei Bänden der Kritik der neomythischen Vernunft als Neomythen bezeichnet. Die Neomythen unterscheiden sich vom Standpunkt der Religion in zwei wesentlichen Hinsichten. Die Religion macht zwar die Voraussetzung einer (polytheistischen, monotheistischen, buddhistisch-atheistischen) realen Aufhebung der Endlichkeit, geht aber von der Radikalität von Endlichkeit aus und begründet die erhoffte reale Aufhebung der Endlichkeit in Bezug auf einen metaphysisch transzendenten Urgrund von allem bzw. ihn repräsentierenden übermenschlichen Mächten – im Zusammenhang der Antwort auf ein Heilsversprechen (Riesebrodt und Bäumer)1. Der abendländisch begründete Atheismus unterscheidet sich wiederum von den Neomythen durch seine Bestreitung einer realen Aufhebung von Endlichkeit und teilt mit dem Standpunkt der Religion die Akzeptanz der Radikalität derselben.

1

Vgl. dazu Riesebrodt 2007, bes. 108ff und Bäumer, 2015, 252, der diesen Begriff in den Zusammenhang von elementaren Dimensionen der Erfahrung radikaler Endlichkeit stellt und damit das fundamentale Begriffsfeld komplettiert.

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In einer aus anthropologischen Grundlagen heraus wertenden Perspektive kann deshalb der Begriff der Weltanschauung zunächst in zwei Arten untergliedert werden, die das universe of discourse komplett disjungieren. Diese Unterteilung betrifft die in anthropologisch unzureichend begründete (Neomythen) und anthropologisch zureichend begründete (etwa Religion, Agnostizismus und Atheismen) Standpunkte. Maßstab für die Beurteilung des anthropologisch Unzureichenden ist dabei die Bestreitung der Radikalität von Endlichkeit. Auf diesem begrifflichen Hintergrund lässt sich der Begriff der Neomythen folgendermaßen bestimmen: Neomythen sind ein kulturelles und individuelles SichBeziehen auf Endlichkeit unter Absehen von ihrer Radikalität und in der Erwartung der realen Aufhebung derselben durch das Handeln des Menschen oder anderer innerweltlicher Mächte. Ihre Zielvision ist die Schaffung von Göttermenschen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fördert ein bald breitenwirksamer diffuser Postmodernismus der Beliebigkeit die Offenheit für Anything-goes-Vorstellungen von Wahrheit, Moral und Schönheit. Zugleich erweist es sich aber, dass die Sehnsuchtswerte der Erlebnisgesellschaft und ihrer Beruhigten Endlichkeit auch auf neue Formen der Verbindlichkeit ausgehen. Fantasiegeschaffene Begriffe werden als deshalb reale Lebensmöglichkeiten akzeptierbar. Aus bewusst als Fiktionen wahrgenommenen Erzählungen können dann Neomythen entstehen, die ihre Anhänger in verbindlichen Gemeinschaften über lange Zeit oder sogar lebenslänglich an sich binden. Ausgangspunkte für solche Bindungen können kleine utopische Entwürfe oder Romane sein. Die ihre Gestalt stetig verändernde und dabei doch stets wiederkehrende Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit der Moderne findet in den empirischen Wissenschaften den neuen Trost der kompensatorischen Großen Perspektive, die das Versprechen enthält, ein Grandioses Verstehen der Welt zu ermöglichen. In einer metaphysikförmigen Kolportage werden unter einem oft einzelwissenschaftlich begründeten Kolportagetopos alle Lebensfragen so beantwortet, dass sich die Perspektive einer Lösung aller Lebensprobleme zu eröffnen scheint. Eine Kolportage ist ein Längeres Gedankenspiel, das aus unterschiedlichen künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken oder Wirklichkeitsbereichen einen bisher ungewohnten und fremdartigen Aspekt (Kolportagetopos) herausarbeitet, durch den das Verstehen neue und oft faszinierende Maßstäbe angeboten bekommt, die zu einer Entscheidung über deren Triftigkeit herausfordern. Das der alten Vorstellung von einer Jenseitsreise entsprechende Bedürfnis nach einem absoluten Standpunkt, der durch einen Deuteengel zur Sprache gebracht wird, wird auch in der Moderne ausgelebt. Die metaphysikförmige Kolportage verbindet scheinbar alle Aspekte unserer Wirklichkeit in einem Grandiosen Verstehen. Eine Wissenschaftsförmige Kolportage – als eine Form der metaphysikförmigen – verabsolutiert unter dem Schein erfahrungswissenschaftlicher Grundlegung Maßstäbe einer speziellen Disziplin und/oder auch mehrerer aktueller Leitwissen-

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schaften, findet in diesen ihren Kolportagetopos und deutet aus diesem die Teilbereiche des Lebens oder auch der Wirklichkeit im Ganzen. Neben der Sciencefiction als neomythischem Weltdeutungsangebot erscheinen auch die neomythischen Fiktionen der Science als entsprechende Sehnsuchtsstiller, die zu wissenschaftsförmigen Kolportagen einladen. Durch eine Immunisierungsstrategie kann hier eine geradezu zügellos werdende mythologische Apperzeption willkürlich metaphysische Absprungpunkte suchen. Die Immunisierung gegenüber andersartigen Argumenten besteht oft darin, dass – immer wieder den abendländischen Wissenschaftsglauben geschichtsphilosophisch unterfütternd – das Dreistadiengesetz von Auguste Comte herangezogen wird. Die Neuzeit bzw. die Moderne setzt mit der Orientierung an empirischer Erfahrung Grundsätze, die für viele hochkarätige Wissenschaftler und für ein breites gebildetes Publikum nur derjenige überschreiten darf, der sich zunächst einmal zur hard science bekannt hat. Wer auf diesem Gebiet große Leistungen erbracht hat, dem wird dann auch zugetraut, Aussagen über das Woher und Wohin von ‚Allem’ zu machen. Da diese Aussagen dann nicht als die der Metaphysik, die in der Moderne in manchen Kreisen eher als willkürliches Fischen im Trüben des Drüben gilt, sondern als Ausdruck letzter empirischer Extrapolation verstanden werden, können sie sich gleichsam nahtlos in den Reigen empirisch gesicherter Tatsachen einreihen. Aus der weltanschaulichen Interessenahme entstehen seit Jahrhunderten – man kann hier etwa schon auf Iamblichos, das Neue Testament hat hingegen eher „kein spezifisches Weltbild“1, verweisen – die Phänomene der wissenschaftlichen Weltanschauung und des wissenschaftlichen Weltbildes. Jeder Mensch, der mit wissenschaftsfundierter Technik konfrontiert ist, hat ein zu seiner Weltanschauung gehörendes wissenschaftliches Weltbild. Weil das wissenschaftliche Weltbild ein Element der Weltanschauung ist, ist es ebenso nie ganz explizit und nie ganz in sich schlüssig (auch wenn das betreffende Subjekt dies vermeint). Es erscheint auch spannungsreich als Bewusst ergriffener Standpunkt und als Längeres Gedankenspiel. Insofern es auch ein Längeres Gedankenspiel ist, verweist es von sich aus auf die voraussetzungsreicher ausgebaute wissenschaftliche Weltanschauung. Das Wissenschaftliche Weltbild eines Menschen wurde von mir bestimmt als ein als standpunktunabhängiges vermeintes Wissen über die Wissenschaften im Allgemeinen, einzelne wissenschaftliche Erkenntnisse und eine Beurteilung ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung. Zugleich wurde auch deutlich gemacht, dass das wissenschaftliche Weltbild nicht notwendig einen Bezug auf reale Bildung bzw. reale ‚Wissenschaftlichkeit’ haben müsse. Das wissenschaftliche

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Dormeyer, 2013, o.S.

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Weltbild spiegelt nur das wider, was ein Mensch als ‚vermeintesʻ Wissen über den aktuellen Stand der Wissenschaften und ihre lebensweltliche Bedeutung besitzt. Weil das wissenschaftliche Weltbild als Sammlung objektiv vermeinter Informationen verstanden wird, weist es über sich hinaus. Die vermeinte Fülle des ‚objektiven Wissensʻ ruft nach Interpretation. Eine der Interpretationsmöglichkeiten des wissenschaftlichen Weltbildes besteht in der Herausbildung einer wissenschaftlichen Weltanschauung. Die Wissenschaftliche Weltanschauung ist eine spezifische Interpretation des Wissenschaftlichen Weltbildes. Sie vertritt die Auffassung, dass eine/die Wissenschaft/-en die großen menschheitlichen Fragen einer Beantwortung zuführen könnte(-n). Sie ist oft von dem Bewusstsein begleitet, die einzig wahre Interpretation des Wissenschaftlichen Weltbildes einer Zeit zu sein und ebenso durch den Hang geprägt, ihre Erklärungskraft als Ansatzpunkt für die Lösung vieler oder gar aller menschlichen Lebensprobleme anzusehen. Mit diesem Wahrheitsbewusstsein (dem bewusst ergriffenen Standpunkt) ist bei der wissenschaftlichen Weltanschauung manchmal die Vorstellung einer Zukunft gegeben, in der sich diese wissenschaftliche Weltanschauung immer mehr bewahrheitet und Zustimmung findet, sich ausbreitet und der Menschheit oder einer bestimmten Gruppe eine langfristige Identifizierung oder gar universale Problemlösungen bietet (Längeres Gedankenspiel). Das Zentrum einer Wissenschaftlichen Weltanschauung bilden meist bestimmte Schlüsseltermini bzw. vermeintlich anschauliche Modelle. Ein wesentliches Wort, das als völlig legitimer wissenschaftlicher Begriff aus der modernen Physik, Biologie oder aus den Sozialwissenschaften mit Recht nicht mehr wegzudenken ist, das aber auch zu einem Absprungpunkt für den alle Empirie überfliegenden Gebrauch in populären Metaphysiken verwendet werden kann, ist der Terminus Selbstorganisation. Wird das Wort Chaos in der Moderne zur Chiffre einer Aufgabe, die Selbstorientierung in der Moderne anzugehen, so wird Selbstorganisation – als immanentistische, aber zugleich metaphysikförmige Fundierungsfunktion – zu einer universalen, alles fundierenden schöpferischen Tätigkeit ohne transzendenten Handelnden. Im Hintergrund dieser Vorstellungen steht das Bild eines ‚unbewusstenʻ Sehnens des Kosmos, der seit Anbeginn etwas herausprozessieren (Ernst Bloch) will. Die Naturgeschichte bzw. Kosmosgeschichte sei die Geschichte dieses Prozesses. Innerhalb dieses Prozesses komme es auch zum Auftreten von Geistigkeit, die, ohne einen einstigen geistigen Ausgangspunkt am Beginn von Allem zu haben, doch von Anbeginn herbeigesehnt worden sei. Als sinnstiftendes Angebot der Moderne ermöglicht dieses Bild den Bezug auf ein monistisch gedachtes transzendentes Absolutes, das von mir als unbewusster Evolutionsgott bezeichnet wurde. Eine derartige immanentistische Metaphysik als Ausdruck der Suche nach einer stimmigen evolutiven Weltanschauung kann seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in statu nascendi beobachtet werden.

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Die moderne Makro- und Mikrophysik bieten hier metaphysische Absprungpunkte für entsprechende Interpretationen einer Subquantensphäre, aus der heraus das alles materielle und geistige Ordnung Stiftende als deren Einheitsgrund entspringe. So wie Iamblichos (zw. 275-330) davon ausgeht, dass der Mensch durch seinen stofflichen Körper nicht nur mit dem Kosmos im allgemeinen verbunden ist, sondern dass er innerhalb eines kosmischen Sympathiezusammenhanges das Wohlwollen der Götter durch magische Praktiken für sich nutzen könne, so erwartet der Vertreter einer immanentistischen evolutiven Weltanschauung das Heil aus der Tiefe der Subquantensphäre. Waren bei Helena Blavatsky Götterwesen wie die Mahatmas, die Kontakt zu den Menschen aufnehmen, Wesen, die man in fernen Landstrichen antreffen konnte, so bekommt die Systemesoterik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch einmal einen Schub an technizistischer Symbolik. Das neue Paradigma der Systemesoterik kleidet sich in das präastronautische Gewand. Auch wenn das Grundmodell der Theosophie nach wie vor gilt, so verändern sich die Metaphern. Aus einem kosmistisch und abendländisch-hinduistisch sich gebenden wird ein technizistisch gekleideter Okkultismus, der aber die alten Systemstrukturen prinzipiell behält. In den Artefakten der Vergangenheit könne man eine Prophetie auf die glorreiche technische Zukunft finden, die uns den Weg in den Weltraum und hinaus aus einer Welt voller Krieg und Krankheit und geringer Lebenserwartung weisen werde. Auch andere Weltregionen erweisen sich – wie das Beispiel Indiens zeigt – als empfänglich für solche Vorstellungen. Doch diese in ihrer Breite mit dem seinerseits vielgesichtigen Neomythos zu vergleichen, liegt nicht mehr in meinem Vermögen.

Biografische Informationen zum dritten Band Abelard-Schumann; us-amerikanische Ghostwriterin von George Adamski Adamski, George (1891-1965); us-amerikanischer UFO-Schriftsteller und Kontaktler Agrest, Matest M. (1915-2005); russischer Mathematiker und Präastronautik-Anhänger Albrecht, Ernst Carl Julius (1930-2014); Politiker der CDU, Ministerpräsident von Niedersachsen von 1976-1990 Alexander der Große/ Alexander III. von Makedonien (356-323 v. Chr.); König von Makedonien Alexander, Frederick Matthias (1869-1955); australischer Schauspieler, entwickelt die Alexander-Technik Allen, Grant (eigentlich: Charles Grant Blairfindie Allen, 1848-1899); irischstämmiger, kanadischer Schriftsteller und Philosophieprofessor Allen, Paul Gardner (*1953); us-amerikanischer Mitbegründer von Microsoft Allgeier, Franz Arthur (1882-1952); Alttestamentler an der Freiburger katholisch-theologischen Fakultät Amenophis III. (griech.; ägyptisch: Amenhotep, um 1388-1351 v. Chr.); Pharao Ägyptens Anaxagoras (ca. 500 v. Chr.); griechischer Philosoph Anaximander (ca. 610-547 v. Chr.); griechischer Gründer der Schwarzmeer-Kolonie, Naturwissenschaftler und Philosoph Anderson, Roger A., in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts leitender Ingenieur im LANGLEY RESEARCH CENTER der NASA Andrews, Colin (*1953); britischer Elektroingenieur, der sich mit Kornkreisen befasst Angelucci, Orfeo Matthew (eigentlich: Orville Angelucci, 1912-1993); UFO-Kontaktler Anger, Hans (*1920); erster Lehrstuhlvertreter für Sozialpsychologie in Deutschland, lehrt an der Universität Köln Antoniou, Ioannis (1955); Direktor der Chaos and Innovation Research Unit an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki Applewhite, Marshall Herff (1931-1997); Leiter der Heaven‘s Gate-Gruppe Aquin, Thomas von (1225-1274); italienischer, scholastischer Theologe Aristoteles (384-322 v. Chr.); griechischer Philosoph Arnold, Kenneth A. (1915-1984); us-amerikanischer Geschäftsmann und UFO-Beobachter Arrhenius, Svante August (1859-1927); schwedischer Begründer der physikalischen Chemie, Nobelpreis 1903 Asimov, Isaac (eigentlich: Isaak Iudich Azimov, 1920-1992); russischstämmiger amerikanischer Professor für Biochemie an der BOSTON UNIVERSITY SCHOOL OF MEDICINE und weltberühmter Sachbuch- und Sciencefiction-Autor Baden Powell, Robert (1796-1860); englischer anglikanischer Pfarrer und Geometrieprofessor in Oxford Baer, Karl Ernst von (1792-1876); deutsch-baltischer Naturwissenschaftler und Entdecker der menschlichen Eizelle Bailey, Alfred (1914-1976); us-amerikanischer UFOloge Bailey, Alice (1880-1940); englischstämmige us-amerikanische Theosophin Barrow, John David (*1952); englischer Physiker, Professor für angewandte Mathematik und theoretische Physik an der CAMBRIDGE UNIVERSITY Bartlett, Richard (*1945); Chiropraktiker und Quantentherapeut Basilides von Alexandrien (1. Hälfte des 2. Jahrhunderts); gnostischer Theologe Baums, Lyman Frank (1856-1919); us-amerikanischer Schriftsteller Bauval, Robert (*1948); belgischer grenzwissenschaftlicher Autor

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Beckett, Samuel (1906-1989); irischer Schriftsteller, 1969 Literaturnobelpreis Begrette, Bill; amerikanischer Journalist Bell, John Stewart (1928-1990); nordirischer Physiker Bender, Hans (1907-1991); fachlich umstrittener Freiburger Professor für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie, Mitarbeiter im AHNENERBE Benford, Gregory (*1941); us-amerikanischer Physiker und Sciencefiction-Autor Benz, Ernst Wilhelm (1907-1978); deutscher evangelischer Theologe Bequette, Bill (1921-2014); us-amerikanischer Journalist Bergier, Jacques (ursprünglich: Jakow Michailowitsch Berger, 1912-1978); ukrainestämmiger Okkultist und Parawissenschaftler Berlitz, Charles (1913-2003); US-amerikanischer Schriftsteller und Esoteriker, wird bekannt durch seine Bücher über das Bermudadreieck Bertalanffy, Karl Ludwig von (1901-1972); österreichischer Biologie und Systemtheoretiker Besant, Annie (1847-1933); englische Theosophin und Frauenrechtlerin Bhavasar, S. V., indische Raumfahrtwissenschaftler und Hindutvaanhänger Blavatsky, Helena Petrovna, geb. Hahn von Rottenstern (1831-1891); Gründergestalt der Theosophie Bloch, Ernst (1885-1977); deutscher Philosoph Blodget, Charlotte; us-amerikanische Ghostwriterin von George Adamski Blumrich, Josef F. (1913-2002); österreichischer Raumfahrtingenieur und Publizist, Mitglied der ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY; arbeitet für das NATIONAL AERONAUTICS AND SPACE ADMINISTRATION'S MARSHALL SPACE FLIGHT CENTER im Forschungsbereich der Saturn V-Rakete, verschiedener Satteliten, der Skylab und des Space Shuttle; leitet bis zu seiner Pensionierung 1974 die ADVANCED STRUCTURAL DEVELOPMENT BRANCH der NASA; Miglied des AMERICAN INSTITUTE AERONAUTICS AND ASTRONAUTICS, der AMERICAN ASSOCIATION FOR THE ADVANCEMENT OF SCIENCE und der AMERICAN ASTRONAUTICAL SOCIETY; er erhält 1974 die Exceptional Service Medal der NASA Bochinger, Christoph (*1959); deutscher Religionswissenschaftler und Verfasser eines Standardwerkes über die New Age-Bewegung Böcklin, Arnold (1827-1901); schweizer Maler Bohm, David Joseph (1917-1992); us-amerikanischer Physiker Bohr, Niels (1885-1962); dänischer Physiker, Nobelpreis 1922 Bölsche, Wilhelm (1861-1939); deutscher Schriftsteller naturalistischer Richtung Bonn, Gottfried (*1964); deutscher parawissenschaftlicher Autor und Präastronautikanhänger Braun, Wernher von (Wernher Magnus Maximilian Freiherr, 1912-1977) deutscher Raketeningenieur Braunstein, Sanuel L. (*1961); australischer Physiker, lehrt Computer Science an der UNIVERSITY OF YORK (UK) Breuer, Reinhard (*1946); deutscher Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Brockes, Barthold Heinrich (1680-1747); deutscher Dichter Brugger, Karl (1941-1984); in Rio de Janeiro ermordeter deutscher Auslandskorrespondent der ARD, Autor der Die Chronik von Akakor Bruno, Giordano (1548-1600); in Rom wegen Ketzerei und Magie verbrannter italienischer Priester und Astronom Bunsen, Robert (Robert Wilhelm Eberhard, 1811-1899); deutscher Chemiker Buttlar, Johannes von (Freiherr Treusch von Buttlar-Brandenfels, *1940); deutscher parawissenschaftlicher und Esoterikautor

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Byrd, Randolph; us-amerikanischer Kardiologe, der empirische Forschung zur therapeutischen Wirkung des Gebets unternimmt Caddy, Eileen (1917-2006); eine der Gründerinnen der Findhorn Foundation und New Age-Autorin Caddy, Peter (1917-1994); einer der Gründer der Findhorn Foundation Campbell, Joseph (1904-1987); amerikanischer Mythenforscher Cannon, Burrell (1848-1922); baptistischer Reverend, Sägewerksbetreiber und Konstrukteur eines Flugapparates Cannon, Burrell (1848-1922); amerikanischer Baptistenpfarrer, Sägewerksbetreiber und Flugpionier Capra, Fritjof (*1939); österreichischer New Age-Philosoph und Physiker Capra-Teuffenbach, Ingeborg (1914-1992); nationalsozialistische österreichische Schriftstellerin Carnot, Nicolas Léonard Sadi (1796-1832); französischer Physiker und Begründer der Thermodynamik Carol II. von Hohenzollern-Sigmaringen (1893-1953); König Rumäniens von 1930 bis 1940 Carter, Brandon (*1942); australischer theoretischer Physiker, arbeitet zur Physik der Schwarzen Löcher Carter, James Earl (‚Jimmy‘, *1924); US-Präsident von 1977-1981 Castañeda, Carlos (zw. 1925-1931 - 1998); aus Peru stammender, us-amerikanischer parawissenschaftlicher (Ethnologie) und esoterischer Autor Chamisso, Adelbert von (eigentlich: Louis Charles Adélaïde de Chamisso de Boncourt, 1781-1838); Erzähler, Lyriker und Vorsteher des Berliner Herbariums Chardin Pierre Teilhard de (188-1955); französischer Jesuit, Theologe und Naturwissenschaftler Charroux, Robert (1909-1978); französischer Esoteriker und Vorläufer der Präastronautik Cherbury Lord Edward Herbert of (1583-1648); walisischer Philosoph und Diplomat, einer der Begründer des Deismus Cocconi, Giuseppe (1914-2008); publiziert 1959 zusammen mit Philip Morrison den ersten Artikel über die radioastronomische Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, zuletzt bei CERN tätig Coll, P., (Autorenname von: Hans Werner Gabert, *1905); deutscher Sachbuchautor Cremo, Michael A. (Pseudonym: Drutakarmā Dāsa, *1948); schreibt zusammen mit → Richard Leslie Thompson ein parawissenschaftliches Buch über Archäologie Crick, Francis Harry Compton (1916- 2004); englischer Physiker und Biochemiker, Nobelpreis für die Entdeckung der Molekularstruktur der Desoxyribonukleinsäure (DNA) Czesław Miłosz, Czesław (1911-2004), polnischer Dichter, Nobelpreis für Literatur 1980 Dale, Rodney (*1933); englischer Ingenieur, allgemeiner Sachbuchautor und Präastronautikautor Dale, Rodney Alexander M. (*1933); englischer grenzwissenschaftlicher Schriftsteller Däniken, Erich Anton Paul (*1935); schweizer Präastronautik-Autor Däniken, Otto von; Bruder Erich von Dänikens Däniken, Peter „Peterli“ von (* und †1961); Sohn Erich von Dänikens Darwin, Charles Robert (1809-1882); britischer Evolutionstheoretiker Davies, Paul (*1946); britischer Physiker Dawkins, Clinton Richard (*1941); Evolutionstheoretiker und Zoologe, von 1995-2008. Professor in Oxford mit dem Lehrgebiet Public Understanding of Science De, Abhay Charan (nennt sich A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada, 1896-1979); Gründer der INTERNATIONALEN GESELLSCHAFT FÜR KRISHNA-BEWUSSTSEIN

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Delbrück, Anton (1862-1944); deutscher Psychiater Demokrit (460-371 v. Chr.); griechischer Philosoph Descartes, René (1596-1650); französischer Philosoph Deuterojesaja (um 545 v. Chr.); Bezeichnung des anonymen Propheten, der bei den exilierten Israeliten in Babylon wirkt, ihm werden die spätexilischen Texte (Jes 40-55) zugeschrieben DeWitt, Bryce (1923-2004); us-amerikanischer Physiker Dick, Steven J. (*1949); us-amerikanischer Astronom und Wissenschaftshistoriker, von 2003-2009 Leitender Historiker bei der NATIONAL AERONAUTICS AND SPACE ADMINISTATION Digges, Thomas (1546-1595); englischer Mathematiker, Astronom und Parlamentsangehöriger Dominik, Hans (1872-1945); deutscher Ingenieur und Sciencefiction-Autor Donne, John (1572-1631); englischer metaphysischer Dichter, Katholik und späterer anglikanischer Kleriker Dopatka, Ulrich (*1951); deutscher Präastronautikautor Dossey, Larry; us-amerikanischer Alternativmediziner Drake, Frank (*1930); us-amerikanischer Astronom und Astrophysiker mit dem Schwerpunkt der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz Duns Scotus, Johannes (* um 1266-1308); schottischer Theologe und Philosoph Dürr, Hans-Peter Emil (1929-2014); ökologisch engagierter deutscher Physiker Dyson Freeman John (*1923); britischstämmiger us-amerikanischer Physiker und Mathematiker Ehrlich, Paul Ralph (*1932); us-amerikanischer Biologe Eigen, Manfred (1927); deutscher Biochemiker, Nobelpreis für Chemie 1967 Einstein, Albert (1879-1955); deutscher Physiker, Nobelpreis für Physik 1922 Ellis, Jonathan R. (*1946); britischer Physiker Emden, Robert (1862-1940); Schweizer Physiker, arbeitet als eine der ersten mit den Ergebnissen der Thermodynamik Emmerich, Roland (*1955); deutscher Filmregisseur und -produzent Engel-Himmelstoß, Andrea (*1967); deutsche Quantentherapeutin Engels, Friedrich (1820-1895); deutscher sozialistischer Philosoph Epikur (um 341 - um 271 v. Chr.); griechischer Philosoph Ernsting, Walter (Pseudonym: Clark Darlton, 1920-2005); Perry Rhodan-Autor Ertelt, Axel (*1954); Vertreter der Präastronautik und von 1979-1990 Herausgeber der Privatzeitschrift MYSTERIA Esnault-Pelterie, Robert Albert Charles (1881-1957); französischer Raketenpionier Euhemeros von Messene (um 340-260 v. Chr.); griechischer Mythentheoretiker Eusebius von Caesarea (um 260-339); christlicher Theologe und Geschichtsautor Evans, Christopher Riche (1931-1979); britischer Psychologe und Autor eines berühmten Buches über die Neue Religiosität Everett III, Hugh (1930-1982); us-amerikanischer Physiker, wesentlicher Vertreter der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik Eymann Renate; deutsche Synergetiktherapeutin Ferguson, Marilyn (1938-2008); us-amerikanische New Age-Repräsentantin Fernandes, George Matthew (*1930); indischer Verteidigungsminister von 1998-2004 Feynman, Richard Philipps (1918-1988); us-amerikanischer Physiker, Nobelpreis 1965 Fiebag, Johannes (1956-1999); deutscher, in Geologie promovierter Präastronautikautor und freiberuflicher Schriftsteller Fiebag, Peter (*1958); deutscher Präastronautik-Autor

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Finkelstein, David Ritz (*1929); us-amerikanischer Physiker Fischinger, Lars A. (*1974); deutscher parawissenschaftlicher Autor und Präastronautikanhänger Fjodorov, Aleksandr Petrovič (1829-1913); russischer Schriftstelle und Konstrukteur Flammarion, Camille (1842-1925); französischer Astronom und grenzwissenschaftlicher Autor Fleck, Ludwig (1896-1961); polnischer Mediziner und Mikrobiologe, verfasst ein wirkungsgeschichtlich wichtiges medizinhistorisches Buch Fleck, Ludwik (1896-1961); polnischer Wissenschaftstheoretiker und Mediziner Flew, Antony (1919-2010); englischer analytischer Philosoph Foerster, Heinz von (früher: Förster, 1911-2002); österreichischer Physiker und Mitbegründer der Kybernetik Fort, Charles Hoy (1874-1932); amerikanischer Schriftsteller und unfreiwilliger Begründer grenzwissenschaftlicher Theorien Fourier, Jean Baptiste Joseph (1768-1830), französischer Physiker und Mathematiker Francis, Linda; us-amerikanische New Age-Autorin Frankl, Viktor Emil (1905-1997); österreichischer Neurologe und Psychiater, Begründer der Logotherapie Franklin, Rosalind Elsie (1920-1958); englische Biochemikerin und Mitentwicklerin der DANN-Beschreibung Freud, Sigmund (1856-1939); österreichischer Begründer der Psychoanalyse Fry, Daniel William (1908-1992); UFO-Kontaktler Fuchs, Eberhard; Sachbuchautor über Jugendsekten Fukuyama, Francis (*1952); us-amerikanischer Politologe Galilei, Galileo (1564-1641); italienischer Mathematiker und Astronom Gamow, George (1904-1968); aus Russland stammender us-amerikanischer Physiker, der zu den Vätern der Urknalltheorie gehört Gandhi, Mohandas Karamchand Mahatma (1869-1948); Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung Ganswindt, Hermann (1856-1934); Raumfahrtpionier Geier, Chester S. (1921-1990); Pulp-Autor, Herausgeber des SHAVER MYSTERY MAGAZINE und Gründer des Shaver-Mystery-Club Geller, Uri (György Gellér, *1946); israelischer Magier mit dem Anspruch parapsychische Fähigkeiten zu besitzen Georgievitz-Weitzer, Demeter (Pseudonym G.W. Surya, 1873-1949); österreichischer Maschinenbau-Ingenieur und selbst ernannter Spezialist für alternative Heilmethoden Ghole, Vikram, Professor für Biochemie an der indischen Pune-Universität und Hindutvaanhänger Ghose, Sri Aurobindo (1872-1950); indischer Politiker, Philosoph, Hindu-Mystiker, Yogi und Guru Gilbert, Walter (*1932); us-amerikanischer Chemienobelpreisträger von 1980 Gilroy, Rex; australischer Parawissenschaftler, der sich mit Fragen zum Themenkreis Anthropologie, Archäologie, Kryptozoologie und Hominologie beschäftigt Giovanni Papini (1881-1956); italienischer katholischer Schriftsteller und Autor geistlicher Literatur Goddard, Robert Hutchings (1882-1945); us-amerikanischer Begründer der Raumfahrtwissenschaft Godwin, Francis (1562-1633); anglikanischer Bischof von Llandaff, Autor historischer und utopischer Werke Goenner, Hubert (*1936); deutscher Physiker

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Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832); deutscher Dichter, Naturforscher und Politiker Golowanow, Jaroslaw (1932- 2003); russischer Forschungskosmonaut und Raumfahrthistoriker Golwalkar, Madhav Sadashiv (1906-1973); hindunationalistischer Publizist und Führer der extremistischen RASHTRIYA SWAYAMSEVAK SANGH-Bewegung Gopčević, Spiridon (Pseudonym: Leo Brenner 1855- nach 1928); österreichischer Journalist und Astronom Graham, R. Neil; us-amerikanischer Doktorand von DeWitt Greene, Brian (*1963); us-amerikanischer Physiker Grof, Stanislav (*1931); polnischer Begründer der transpersonalen Psychologie Gropius, Walter (eigentlich noch: Adolf Georg, 1883-1969); deutschstämmiger, us-amerikanischer Architekt Guth, Alan H. (1947); us-amerikanischer theoretischer Physiker und Kosmologe, entwickelt die Hypothese vom inflationären Universum Haack, Friedrich-Wilhelm (1935-1991); Sektenbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Pionier im Forschungsbereich der Neuen Religiosität Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August (1834-1919); deutscher Zoologe und einern der Begründer der derv monistischen Philosophie und des MONISTENBUNDES Hahn, Kurt (1886-1974); deutscher Reformpädagogen Haken, Hermann (1927); deutscher Physiker, Begründer der Synergetik Haken-Krell, Maria; Studienrätin für Biologie und Chemie am E.T.A. Hoffmann-Gymnasium in Bamberg, verfasst mit Hermann Haken ein Buch über Synergetik und Neurologie Haldane, John Burdon Sanderson (1892-1964); schottischer Biologe und Genetiker Halley, Edmond (1656-1741); englischer Astronom Harbou, Thea Gabriele von (1888-1954); deutsche Autorin und Schriftstellerin Hartmann, Eduard von (1842-1906); deutscher Philosoph Hasted, John (1921-2002); parapsychologisch interessierter Physiker am Birkbeck College der Universität London Hauck, Günther (Tatunca Nara, *1941); Deutscher, der vorgibt, ein brasilianischer Indianerhäuptling zu sein Hauth, Rüdiger (1940-2015); Sektenbeauftragter der westfälischen Landeskirche Hawking, Stephen William (*1942); britischer Physiker Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831); deutscher Philosoph Heidegger, Martin (1889-1976); deutscher Philosoph Heisenberg, Werner Karl (1901-1976); deutscher Physiker, einer der Begründer der Quantenphysik Hekataios von Abdera (ca. 350-290); griechische Ethnograf Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von (1821-1894); deutscher Physiker und Physiologe, Militärarzt Herakli von Ephesos (um 520 - um 460 v Chr.); griechischer Philosoph Herodot von Halikarnassos (um 486 - um 424 v. Chr.); griechischer Historiker Hewlett, William Reddington (1913-2001); ein der Gründer des Hewlett-Packard-Konzerns Higgs, Peter Ware (*1929); britischer Physiker, 2013 Nobelpreis für Physik Himelstoß, Andreas Franz (*1970); deutscher Quantentherapeut Hippolyt, (um 170-235); Kirchenvater Hitler, Adolf (1889-1945); deutscher Reichskanzler, Führer der nationalsozialistischen Bewegung Hoerner, Sebastian Rudolf Karl von (1919-2003); deutscher Astrophysiker und Radioastronom

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Holbe, Rainer (*1940); aus Böhmen stammender deutscher Journalist; moderiert u.a. Fernsehendungen zu parawissenschaftlichen Themen Holling, Crawford Stanley (*1930); kanadischer Ökologe Hönigswald, Richard (1875-1947); aus Österreich stammender us-amerikanischer Philosoph Hörbiger, Hanns (1860-1931); österreichischer Erfinder, Unternehmer, Begründer der Welteislehre Horowitz, Paul (*1942); us-amerikanischer Physiker, Elektroniker und SETI-Forscher Hoyle, Fred (1915-2001); britischer Astronom und Mathematiker, der sich manchmal dem Grenzwissenschaftlichen näherte Huang, Al Chungliang; möglicherweise nur legendärer T‘ai Chi Meister Hubble, Edwin Powell (1889-1953); us-amerikanischer Astronom Hubert, Henri (1872-1927); französischer Soziologe Hünermann, Wilhelm (1900-1975); deutscher katholischer Priester und Autor populärer religiöser Romane und Erzählungen Husserl, Edmund (1859-1938); mährischer Mathematiker und Philosoph Hutten, Kur (1901-1979); evangelischer Theologe, einer der Begründer der deutschen Sekten- und Weltanschauungsforschung Hutton, James (1726-1797); schottischer Geologe Huxley, Thomas Henry (1825-1895); britischer Biologe und militanter Agnostizist Ingold, Tatjana; schweizer Präastronautikanhängerin, besitzt das größte Internet-Archiv über → Erich von Däniken Jacob, François (1920-2013); französischer Mediziner und Genetiker, Nobelpreis 1965 James, William (1842-1910); us-amerikanischer Psychologe und Philosoph Jastrow, Robert; (*1948); nach Studien an der COLUMBIA UNIVERSITY, Leiter der THEORETICAL DIVISION OF THE NATIONAL AERONAUTICS AND SPACE ADMINISTRATION (1958-61); Gründungsdirektor des GODDARD INSTITUTE der NASA, Professor für Geophysik an der COLUMBIA UNIVERSITY und dann Professor für SPACE STUDIES-EARTH SCIENCES am Dartmouth College Jeschke, Wolfgang (1936-2015); deutscher Schriftsteller und langjähriger SciencefictionHerausgeber Jordan, Pascual (1902-1980); deutscher Physiker, Begründer der Quantenfeldtheorie Juliana Louise Emma Marie Wilhelmina (1909-2004); Königin der Niederlande Jung, Carl Gustav (1875-1961); schweizer Psychiater, begründet die analytische Psychologie Kalam, Avul Pakir Jainulabdeen Abdul (1931-2015); indischer Raketeningenieur und Staatspräsident von 2002-2007 Kanitscheider, Bernulf (*1939); Gießener Naturphilosoph Kanjilal, Dileep Kumar (*1933); lehrt alte indische Sprachen im WEST BENGAL SENIOR EDUCATIONAL SERVICE, ist Professor am CALCUTTA SANSKRIT COLLEGE und Präastronautikautor Kant, Immanuel (1724-1804); deutscher Philosoph Kardec, Allan; Pseudonym von → Rivail Keller, Werner (1909-1980); deutscher Journalist und Widerstandskämpfer Keyhoe, Donald Edward (1897-1988); us-amerikanischer Marine-Corps-Angehöriger (Major), Tourmanager von Charles Lindbergh und Pulp-Autor Khuon-Wildegg, Ernst von (1915-1997); deutscher Rundfunk- und Fernsehjournalist und Sachbuchautor Kinslow, Frank (1946); us-amerikanischer Quantentherapeut Kircher, Athanasius (1602-1680); deutscher Jesuit mit universaler Bildung

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Kirchhoff, Gustav Robert (1824-1887); deutscher Physiker, erforschte die Elektrizität Kondratjuk, Juri Wassiljewitsch (1897-1942); aus der Ukraine stammender sowjetischer Ingenieur Raumfahrtwissenschaftler Kopernikus, Nikolaus (eigentlich Koppernigk, 1473-1543); polnischer Astronom Korzybski, Alfred Habdank Skarbek Graf (1880-1950) Krasser, Friedrich (1818-1893); deutscher Arzt und Darwinist Krauss, Lawrence (*1954); us-amerikanischer Kosmologe Krishnamurti, Jiddu (1895-1986); indischer Philosoph Kubrick, Stanley (1928-1999) us-amerikanischer Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Kuhn, Thomas Samuel (1922-1996); amerikanischer Physiker und Wissenschaftstheoretiker Kurzweil, Raymond (*1948); Director of Engineering bei Google Landsburg, Alan William (1933-2014); us-amerikanischer Filmproduzent und Drehbuchautor Lang, Albert (1893-1973); deutscher katholischer Theologe, Vertreter der Neuscholastik Lang, Fritz (1890-1976); deutscher Regisseur Langbein, Walter-Jörg (*1954); deutscher parawissenschaftlicher Autor und Präastronautikanhänger Laplace, Pierre-Simon (Marquis de; 1749-1827); französischer Mathematiker und Astronom Laßwitz, Carl Theodor Victor Kurd (1848-1910); deutscher Schriftsteller und Naturphilosoph Lay, Rupert (*1929); deutscher Philosoph, Jesuit und Unternehmensberater Le Verrier, Urbain Jean Joseph (1811-1877); französischer Astronom und Mathematiker Leavitt, Henrietta Swan (1868-1921); us-amerikanische Astronomin Leclerc, Georges-Louis Marie (1707-1788); französischer Naturforscher Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646-1716); deutscher Philosoph und Mathematiker Leon, Moses Shemtov de (1240-1305); spanischer Rabbi und Redaktor des Zohar Leslie, Desmond Arthur Peter (1921-2001); britischer Pilot und UFOloge Leslie, Sir Shane John Randolph 3. Baronet Leslie of Glaslough (1885-1971); irischer Kulturphilosoph und Dichter, konvertiert zum Katholizismus Ley, Willy (1906-1969), populärwissenschaftlicher Autor und Raumfahrtpionier Lilly, John Cunningham (1915-2001); Neurophysiologe Lindbergh, Charles (1902-1974); us-amerikanischer Fliegerheld Linné, Carl von (geboren als Carl Nilsson Linnæus; 1707-1778); schwedischer Naturforscher, Loedding, Alfred C.; us-amerikanischer Luftfahrt-Ingenieur, gehört zum UFO-Forschungsteam der US-Air Force Lorenz, Edward Norton (1917-2008); us-amerikanischer Mathematiker und Meteorologe Lotka, Alfred James (1880-1949); aus k.k. Österreich stammender us-amerikanischer Biophysiker Lovecraft, Howard Phillips (1890-1935); amerikanischer Autor kosmischen Schreckens Lucas, George (*1944); us-amerikanischer Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Lukian von Samosata (* um 120 - nach 180); griechischer Satiriker Lukrez (Titus Lucretius Carus; ca. zw. 99-94 v. Chr. - 55-53 v. Chr.); römischer Dichter und Philosoph Lwoff, André (1902-1994); französischer Mikrobiologe Maksimov, Michail S.; arbeitet mit → Matest M. Agrest zusammen Mallett, Ronald Lawrence (*1945); lehrt theoretische Physik an der UNIVERSITY OF CONNECTICUT

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Mandelbrot, Benoît B. (1924-2010); französisch-amerikanischer Mathematiker Marek, Kurt Wilhelm (Pseudonym C.W. Ceram, 1915-1972); deutscher Journalist Martin, John; texanischer Farmer, führt 1878 den Ausdruck saucer für UFOs ein Maslow, Abraham Harold (1908-1970); us-amerikanischer Begründer der Psychologie Mastai-Ferretti, Giovanni Maria (Pius IX., 1792-1878); römisch-katholischer Papst Mattingly, Terry (*1954); us-amerikanischer Publizist Maturana, Humberto Romesín (*1928); chilenischer Biologe, der zu den Begründern der Theorie der Selbstorganisation gehört Mauss, Marcel (1872-1950); französischer Soziologe und Ethnologe May, Robert McCredie Baron May of Oxford (*1936); britischer Biophysiker, verbindet Theorien der Selbstorganisation und der Ökologie Mayer, Julius Robert (1814-1878); deutscher Arzt und Physiker, Satz von der Erhaltung der Energie McGinnis; us-amerikanische UFOlogin Mečnikov, Ilja Iljič (1845-1916); russischer Zoologe, Arzt und Naturphilosoph, erhält 1908 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin Meister, William J. (1904-1987); US-Amerikaner, meint eine 500 Millionen Jahre alte menschliche Fußspur gefunden zu haben Mendel, Gregor Johann (1822-1884); k.u.k. österreichischer Naturforscher der die Genetik begründet Meschler, Moritz (1830-1912); Schweizer Jesuit, Verfasser geistlicher Schriften Mesmer, Franz Anton (1734-1815); Schweizer Mediziner und herausragender Vertreter des animalischen Magnetismus Miller, Stanley Lloyd (1930-2007); us-amerikanischer Biochemiker der die Uratmosphäre der Erde zu rekonstruieren versucht Milner, Juri Borissowitsch (*1961); russischer Internetinvestor und Förderer des SETI-Projektes Minsky, Marvin Lee (*1927); AI-Forscher am Massachusetts Institute of Technologies AI laboratory Mlodinow, Leonard (*1954); us-amerikanischen Physiker und Sachbuch- und Drehbuchautor, verfasst mit Stephen Hawking zusammen ein Buch Modi, Narendra Damodardas (*1950); hindunationalistischer indischer Premierminister seit 2014 Monod, Jaques (1910-1976); französischer Biochemiker, Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 1965 Montesquieu, Charles (-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de, 1689-1755); französischer Philosoph und Publizist Montgomery, Ruth Shick (1912-2001); us-amerikanische Publizistin, Medium und Wegbereiterin der Reinkarnationstherapie Moon, Sun Myung (1920-2012); südkoreanischer Gründer der Vereinigungskirche Moore, Gordon Earle (*1929); Mitgründer der Firma Intel Morales, Frank (Pseudonym: Sri Dharma Pravartaka Acharya, *1962/63); us-amerikanischer Leiter der INTERNATIONAL SANATANA DHARMA SOCIETY Moravec, Hans Peter (*1948); austro-kanadischer Robotiker der CARNEGIE MELLON UNIVERSITY in Pittsburgh Móricz, Juan (*1923); ein undurchsichtiger Gewährsmann Erich von Dänikens Morrison, Philip (1915-2005); us-amerikanischer Physiker, der zu den Pionieren der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz gehört Murphy, Joseph (1898-1981); us-amerikanischer Minister-Director der Church of Divine Science in Los Angeles, Radioprediger und berühmter Buchautor über positives Denken

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Nair, Madhavan (*1943); von 2003 bis 2009 Leiter der indischen Raumfahrtbehörde INDIAN SPACE RESEARCH ORGANISATION (ISRO) Needham, Joseph Terence Montgomery (1900-1995); britischer Sinologe und Wissenschaftshistoriker Neelakandan, Aravindan (*1971); indischer politischer Publizist Nelson, Buck (1895-1982); us-amerikanischer UFO-Kontaktler Newman, Robert C.; us-amerikanischer Astrophysiker und Neutestamentler Newton, Sir Isaac (1643-1727); englischer Physiker, Astronom und Mathematiker Nietzsche, Friedrich (1844-1900); deutscher Philosoph Obels, Frank; Anhänger der Quantentherapie Oberth, Hermann Julius (1894-1989); Begründer der deutschen Raumfahrt und UFOloge Oparin, Alexander Iwanowitsch (1894-1980); russischer Biochemiker Opel, Fritz von (1899-1971); deutscher Industrieller und Raketenpionier Oppenheimer, Julius Robert (1904-1967); us-amerikanischer Physiker Orgel, Leslie (1927-2007); britischer Chemiker Ørsted, Hans Christian (1777-1851); dänischer Physiker, Chemiker und Naturphilosoph Osswald, Ute; Synergetiktherapie-Ausbilderin Packard, David (1912-1996); us-amerikanischer Mitgründer von Hewlett-Packard Palaiphatos (Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr.); pseudonymer griechischer Autor Palmer, Raymond Arthur (1910-1970); us-amerikanischer Herausgeber und Autor von Pulpfiction Pannenberg, Wolfhart (1928-2014); deutscher evangelischer Theologe Papert, Seymour (*1928); Professor für Mathematik und Erziehungswissenschaften am MASSACHUSETTS INSTITUTE OF TECHNOLOGY Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, 1493-1541); Vertreter der magia naturalis Pascal, Blaise (1623-1662); französischer Universalgelehrter Pasteur, Louis (1822-1895); französischer Chemiker und Mikrobiologe Pauling, Linus (1901-1994); us-amerikanischer Wissenschaftler, Nobelpreis für Chemie 1954 und Friedensnobelpreis 1963 Paulus († Anfang der sechziger Jahre 1. Jhd.); Apostel der frühen Christen und Briefautor Pauwels, Louis (1920-1997); belgischer grenzwissenschaftlicher Autor Pearman, J. Peter; Biologe und us-amerikanischer Verwaltungsoffizier Penrose, Sir Roger (1931); englischer Mathematiker, Physiker und Populärautor Philipp Melanchthon (eigentlich Philipp Schwartzerdt; 1497-1560); reformatorischer Theologe und Philosoph Phillips, Gene (*1926); us-amerikanischer Rechtsanwalt und Gründer der ANCIENT ASTRONAUT SOCIETY Pietschmann, Herbert (*1936); österreichischer Physiker Planck, Max (1858-1947); deutscher Physiker Platon (um 427 - um 347 v. Chr.); griechischer Philosoph Pluche, Noël-Antoine (1688-1761); französischer Priester, Verfasser einer populären Naturgeschichte Plutarch (*um 45 - um 125); griechischer Autor Poincaré, Jules Henri (1854-1912); französischer Mathematiker, Physiker und Wissenschaftsphilosoph Popper, Sir Karl Raimund (1902-1994); österreichischer Philosoph, Begründer des Kritischen Rationalismus Prel, Carl Freiherr du (1839-1899); deutscher Theosoph und Verfasser grenzwissenschaftlicher und philosophischer Bücher

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Pretzl, Klaus; bis 2006 Leiter des LABORATORIUM FÜR HOCHENERGIEPHYSIK (LHEP) an der UNIVERSITÄT BERN Prigogine, Ilya (1917-2003); russlandstämmiger belgischer Chemiker und Physiker, Nobelpreis 1977 Pseudo-Dionysius Areopagita (Anfang 6. Jahrhundert); Bezeichnung für einen unbekannten christlichen Autor Pythocles (spätes 3. - frühes 4. Jhd.); Schüler des Philosophen Epikur Ramses II. (um 1303-1213 v. Chr.); ägyptischer Pharao Rand, Ayn; Pseudonym von → Rosenbaum Ray, John (1627-1705); britischer Theologe und Naturforscher Raymond Arthur Palmer (1910-1977); Herausgeber von Amazing Stories (1938-1949); ufologischem und spiritistischem Schrifttum Richter, Hans-J.; deutscher Quantentherapeut Richter, Johann Paul Friedrich (gen. Jean Paul, 1763-1825); deutscher Schriftsteller Rikel, Dionys (der Kartäuser) (1402/3-1471); belgischer Theologe Rivail, Hyypolyte Léon Dénizard (Pseudonym: Allan Kardec, 1804-1869); französischer Schriftsteller, Grundlagentheoretiker des Spiritismus, verbindet Spiritismus mit Reinkarnationsglauben, Gründer der GESELLSCHAFT FÜR SPIRITISTISCHE STUDIEN Robert Charroux (eigentlich: Robert Grugeau, 1909-1978); französischer Parawissenschaftler und Vertreter der Präastronautik Rocholl, Peter (*1929); deutscher Journalist Rogers, Carl (1902-1987); Begründer der humanistischen Psychologie Roggersdorf, Wilhelm (Pseudonym von Utz Utermann, eigentlich Wilhelm Utermann, 1912-1991); deutscher Schriftsteller, Journalist, Drehbuchautor und Filmproduzent1 Rosenbaum, Alisa (Pseudonym: Ayn Rand, 1905-1982); aus Russland stammende amerikanische Philosophin und Schriftstellerin, vertritt philosophisch einen Objektivismus und ökonomisch einen unbegrenzten Liberalismus Rosenberger-Knau, Ute; deutsche Quantentherapeutin Roszak, Theodore (1933-2011); us-amerikanischer Historiker und sozialkritischer Autor Rowe, Jacque; us-amerikanischer Chiropraktiker Rudwick, Martin (*1932); britischer Paläontologe und Wissenschaftshistoriker Runde, Ingo; deutscher Präastronautikanhänger Ruppe, Harry O. (*1929); Professor für Raumfahrttechnik der TECHNISCHEN UNIVERSITÄT MÜNCHEN Promotion über die Kosten bemannter Marsflüge; arbeitet am MARSHALL SPACE FLIGHT CENTER in Huntsville für die NASA, wird dort Direktor des FUTURE PROJECTS OFFICE, verfasst dort das zweibändige Lehrbuch der Raumfahrttechnik Introduction to Astronautics (1966f); untersucht Fragen der bemannten und unbemannten Erforschung des Sonnensystems, wirkt an Vorhaben zur Erforschung des Mondes und der Planeten Mars und Pluto mit Russell, Peter (*1946); New Age-Autor Sagan, Carl (1934-1996); us-amerikanischer Astronom, Fernsehstar und Fachbuchautor Sänger, Eugen (1905-1964); böhmischer Raumfahrtpionier, arbeitet an einem Raketengleiter und an einem Photonentriebwerk Sänger-Bredt, Irene (1911-1983); deutsche Mathematikerin und Physikerin, die im raumfahrtwissenschaftlichen Sektor arbeitet Sassoon, George Thornycroft (1936-2006); britischer Elektroingenieur und Präastronautikautor

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http://www.cyclopaedia.de/wiki/Utz-Utermann.

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Sassoon, Siegfried (1886-1967); britischer Schriftsteller Savarkar, Vinayak Damodar (1883-1966); indischer Schriftsteller und Politiker, der zu den Begründern des Hindunationalismus gehört Scheurlen, Paul; evangelischer Theologe und Sektenforscher Schirach, Baldur von (1907-1974); Reichsjugendführer der NSDAP Schmidt-Salomon, Michael (*1967); Vorsitzender der Giordano Bruno-Stiftung Schopenhauer, Arthur (1788-1860); deutscher Philosoph Schorsch, Christof; deutscher Autor eines Standardwerkes über die New Age-Bewegung Schrödinger, Erwin (1887-1961); österreichischer Physiker Schwiers, Heinrich; deutscher UFO-Interessierter Sclater, Philip Lutley (1829-1913); britischer Zoologe, verwendet 1864 den Terminus Lemuria Scott, Sir Ridley (*1937); britischer Filmregisseur und -produzent Scott-Elliott, William (†1930); britischer Bankier und theosophischer Autor Shaver, Richard Sharpe (1907-1975); us-amerikanischer Sciencefictionautor Shrivastava, Mahesh Verma (oder Mahesh Prasad Varma; Maharishi Mahesh Yogi , 19182008); indischer Begründer der Transzendentalen Meditation Siegbahn, Karl Manne Georg (1886-1978); schwedischer Nobelpreisträger für Physik Simon, Thomas Collyns; Autor von Büchern über andere Planeten Skiff, Nolan; us-amerikanischer Journalist Skinner, Frederick Burrhus (1904-1990); amerikanischer Mitbegründer des Behaviorismus Slipher, Vesto Melvin (1875-1969); us-amerikanischer Astronom Sneed, Joseph Donald (*1938); Professor an der COLORADO SCHOOL OF MINES, Physiker und Wissenschaftstheoretiker Snyder, Allan Whitenack (*1942); australischer Hirnforscher und Direktor des CENTRE OF THE MIND an der UNIVERSITY OF SIDNEY Sobel, Dava (*1947); Wissenschaftsjournalistin der NEW YORK TIMES Sommerfeld, Arnold Johannes Wilhelm (1868-1951); deutscher Physiker Sonnenberg, Ralf; deutscher Präastronautikanhänger Sorokin, Pitirim Alexandrowitsch (1889-1968); russischstämmiger us-amerikanischer Soziologe Soto, Domingo de (1499-1560); spanischer Dominikaner-Theologe Spangler, David (*1945); us-amerikanischer New Age-Autor Spencer, Herbert (1820-1903); englischer Sozialwissenschaftler und -philosoph Spielberg, Steven Allan (*1946); us-amerikanischer Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent Spirago, Franz (1862-1942); tschechoslowakischer katholischer Theologe Stadler, Beda Martin (*1950); Direktor des INSTITUTS FÜR IMMUNOLOGIE der UNIVERSITÄT BERN Stamps; us-amerikanischer Flugapparatepionier, testet 1902 den Flugapparat von → Cannon Stegmüller, Wolfgang (1923-1991); deutscher Wissenschaftstheoretiker, einer der Begründer des strukturalistischen Theorienkonzeptes Stein, Walter Johannes (1891-1957; österreichischer Anthroposoph Steiner, Rudolf (1861-1925); österreichisch-ungarischer Begründer der Anthroposophie Stengers, Isabelle (*1949); belgische Philosophin Stevenson, Charles Leslie (1908-1979); us-amerikanischer analytischer Philosoph Suarez, Franz (1548-1617); spanischer Theologe und Philosoph Sudbrack, Josef (1925-1910); deutscher Jesuit, der sich mit Grundlagen und Verfallsformen der Mystik beschäftigt

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Symmes jr., John Cleves (1779-1829); amerikanischer Vertreter der Hohlwelttheorie Teed, Cyrus Reed (Pseudonym: Koresh Teed ,1839-1908); us-amerikanischer Arzt und Begründer der Theorie vom Innenweltkosmos (‚Hohlwelttheorieʻ) Teilhard de Chardin, Pierre (1881-1955); französischer Jesuit, Theologe und Paläanthropologe Thompson, Richard Leslie (Pseudonym: Sadaputa Dasa, 1947-2008); schreibt zusammen mit → Richard Leslie Thompson ein parawissenschaftliches Buch über Archäologie Thomson, William (Lord Kelvin, 1824-1907); irisch-englischer Physiker Tillich, Paul (1886-1965); deutscher später us-amerikanischer protestantischer Theologe und Religionsphilosoph Tipler, Frank Jennings (*1947); us-amerikanischer Physiker Toulmin, Stephen Edelston (1922-2009); englischstämmiger us-amerikanischer Philosoph Toynbee, Arnold Joseph (1889-1975); englischer Kultur- und Geschichtsphilosoph Trench, William Francis Brinsley Le Poer, 8th Earl of Clancarty, 7th Marquess of Heusden (1911-1995); irischer Präastronautikpionier, UFOloge und Vertreter der Hohlwelttheorie Trevelyan, George Macaulay (1876-1962); britischer Historiker Trevelyan, Katharine „Kitty“ (*1908); Schwester von George Trevelyan Trevelyan, Lady Paulina (geb. Jermyn, 1816-1866); britische Malerin Trevelyan, Sir Charles Edward, 1st Baronet (1807-1886); britischer Kolonialoffizier Trevelyan, Sir George Lowthian 4th Baronet (1906-1996); englischer Mitbegründer der New Age-Bewegung Troll, Barbara; Medium Hermann Oberths Trusdale Nettles, Bonnie „Ti“ Lu (1927-1985); Mitbegründer der Heavens Gate-Gruppe Turing, Alan Mathison (1912-1954); englischer Logiker, der Grundlagen der modernen Informatik schuf Uexküll, Jakob Johann Baron von (1864-1944); estnischer Biologe und Philosoph, eine der Begründer der Kybernetik Urey, Harold Clayton (1893-1981); us-amerikanischer Chemiker Vajpayee, Atal Bihari (*1924); (mit Unterbrechungen) hindunationalistischer Premierminister Indiens zwischen 1996-2004 Valentin († nach 160); ägyptischer Gnostiker Valier, Hedwig (geb. Bucek Alden, *1875); Frau und Sponsorin des Raketenpioniers Max Valier Valier, Max (1895-1930); südtiroler Raketenpionier und grenzwissenschaftlicher Autor Varela García, Francisco Javier (1946-2001); chilenischer Biologe, Philosoph und Erforscher der Autopoiese Veit, Anny (1911-2000); Pionierin des deutschen UFO-Glaubens, zusammen mit ihrem Mann → Karl Veit Gründerin der Deutschen UFO/IFO-Studiengesellschaft (DUIST) e.V. Veit, Karl L. (1907-2001); einer der Gründer der DEUTSCHEN UFO/IFO-STUDIENGESELLSCHAFT (DUIST) e.V. und seit 1956 Herausgeber der UFO-NACHRICHTEN und Inhaber des Wiesbadener VENTLA-Verlages Veit, Karl Ludwig (1906-2001); deutscher UFOloge Verne, Jules (1828-1905); französischer Verfasser utopischer Romane Vilsmeier, Perpetua (*1967); deutsche Quantentherapeutin Vio, Thomas Cajetan de (1469-1534); italienischer Dominikanertheologe

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Volkrodt, Wolfgang (1925-2000); deutscher Physiker und Elektrotechniker, langjähriger Leiter von Entwicklungsabteilungen der Siemens AG, über 150 Patentanmeldungen, macht das Thema ‚Elektrosmog‘ breitenwirksam bekannt1, publiziert im Bereich der Präastronautik Volterra, Vito (1860-1940); italienischer Mathematiker und Physiker Wagner, Hans (1917-2000); deutscher Transzendentalphilosoph Waldheim, Kurt (1918-2007); Generalsekretär der Vereinten Nationen und später österreichischer Bundespräsident Wallace, Alfred Russell (1823-1913); britischer Mitbegründer der Evolutionstheorie Walter, Werner (*1957); deutscher UFO-Forscher Watson, James Dewey (*1928); us-amerikanischer Nobelpreisträger für Molekularbiologie Webb, James (1946-1980); us-amerikanischer Weber, Ernst; psychiatrischer Gutachter im Prozess gegen → Erich von Däniken Weinelt, Thorsten (1968); Chef-Aktienstratege der UNICREDIT und später Leiter Private Wealth Management bei der HypoVereinsbank (HVB) Weißkopf, Gustav Albin (später Whitehead, 1874-1927); deutsch-amerikanischer Luftfahrtpionier Weissmann, Friedrich Leopold August (1834-1914); deutscher Biologe und Begründer des Neodarwinismus Weizsäcker, Carl Friedrich von (1912-2007); deutscher Physiker, Philosoph und Friedensforscher Welles, Orson (1915-1985); us-amerikanischer Regisseur und Schauspieler Wells, Alice; us-amerikanische UFOlogin Wells, Hebert George (1866-1946); englischer Schriftsteller Welte, Bernhard (1906-1983); katholischer Religionsphilosoph Wheeler, John Archibald (1911-2008); us-amerikanischer Physiker Whewell, William (1794-1866); britischer Philosoph und Wissenschaftshistoriker Wickramasinghe, Nalin Chandra (*1939); Astrophysiker aus Sri Lanka, Professor of Applied Mathematics and Astronomy an der CARDIFF UNIVERSITY OF WALES, Großbritannien, und Direktor des CARDIFF CENTRE FOR ASTROBIOLOGY, Vertreter der PanspermieHypothese und Vortragender bei Präastronautik-Kongressen Wigner, Eugene Paul (1902-1995); aus Ungarn stammender us-amerikanischer Physiker, 1963 Nobelpreis für Physik Wilber, Ken Earl (*1949); us-amerikanischer New Age-Autor Wilder; Flugpionier, der versucht Burrell Cannons Flugapparat in die Luft zu bekommen Wilder; testet 1913 den Flugapparat von → Cannon Wilkins, Maurice Hugh Frederick (1916-2004); neuseeländischer Physiker der Rosalind Franklin Forschungsergebnisse stahl Willam, Franz Michael (1894-1981); österreichischer katholischer Theologe und geistlicher Schriftsteller Williamson, George Hunt (Pseudonyme: Michael d'Obrenovic und Brother Philip, 19261986); us-amerikanischer ufologischer Autor und Kontaktler Winchell, Alexander (1824-1891); us-amerikanischer Geologe und Paläontologe Wolf, Max (1863-1932); Heidelberger Astronom Wolff, Christian (1679-1754); deutscher Aufklärer mit Schwerpunkt in der Philosophie und Mathematik 1

http://www.verlaghartmutbecker.de/Der_Verlag/Autoren_innen/Wolfgang_Volkrodt_/wolfgang_volkrodt_.html.

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Wright, Orville (1871-1948); Flugzeugpionier, erster gelenkter Motorflug Wright, Wilbur (1867-1912); Flugzeugpionier, erster gelenkter Motorflug Zacharias, Johannes (*1850); deutscher Ingenieur und Privatforscher, der eine neue Physik entwirft Zander, Helmut (*1957); deutscher Religionsgeschichtler, Autor zweier Standardwerke über den Reinkarnationsglauben im Abendland und über die deutsche Anthroposophie Zebrowski, George (*1945); in Österreich geborener Philosoph und Sciencefiction-Autor Ziolkowski, Konstantin Eduardowitsch (1857-1935); russischer Raumfahrtpionier und Präastronautik-Begründer Zukav, Gary (*1942); us-amerikanischer New Age-Autor

Literatur Adamski, G., Cosmic Philosophy, mit einer Ringspirale gebundener Privatdruck mit der Aufschrift COPYRIGHT George Adamski 1961, Scan in: http://de.scribd.com/doc/61479601/Cosmic-Philosophy-by-George-Adamski Ders., Im Innern der Raumschiffe, 2005, Internetedition: http://www.vielewelten.at/pdf/im%20innern%20der%20raumschiffe.pdf Agrest, M.M., The Historical Evidence of Paleocontacts, in: Ancient Skies. Official Logbook of the Ancient Astronaut Society, 20 H. 6(1994)1-3 (=1994a) Ders., Experimental Proof of the Paleocontact Hypothesis, in: Ancient Skies. Official Logbook of the Ancient Astronaut Society, 21 H. 6(1995)1f (=1995b) Ders., The Origin of Paleocontact Hypothesis and the Struggle for its Development in the Former Soviet Union, Charleston (South Carolina) 1995 (=1995a) Allen, G., The Evolution of the Idea of God. An Inquiry into the Origins of Religions, London 1897, Internetedition: http://www.archive.org/details/evolutionofideaoOOalle Allex, S., Hindunationalismus und Governance am Beispiel des Bundesstaates Gujarat. Ideologie und Praxis im Vergleich, Diplomarbeit Wien 2011, http://othes.univie.ac.at/14966/ Allgeier, F.A., Religiöse Volksströmungen der Gegenwart. Vorträge über die ‚Ernsten Bibelforscher‘, Okkultismus und die Anthroposophie R. Steiners, Freiburg im Breisgau 1924 Altner, G. (Hrsg.), Die Welt als offenes System. Eine Kontroverse um das Werk von Ilya Prigogine, Frankfurt am Main 1986 Ders., Wer ist‘s, der alles dies zusammenhält? Das Gespräch zwischen Theologie und Biologie unter der Herausforderung von Prigogines Dialog mit der Natur, in: Altner, G. (Hrsg.), Die Welt als offenes System. Eine Kontroverse um das Werk von Ilya Prigogine, Frankfurt am Main 1986, 161-171 Andersson, P., Alternative Archaeology. Many Pasts in Our Present, in: Numen. International Review for the History of Religions 59(2012)125-137 Andresen, C. (Hrsg.), Die Gnosis, Bd. 1: Zeugnisse der Kirchenväter, Zürich 1969 Angelucci, O., The Secret of the Saucers, Amherst 1955, Internetedition: www.exopoliticshongkong.com/uploads/secretofthesaucers_by_Orpheo_Angelucci_1955.pdf Anger, H., Wunderglaube in dieser aufregenden Welt. SPIEGEL-Interview mit dem Sozialpsychologen Hans Anger über die Bucherfolge Erich von Dänikens, in: DER SPIEGEL Heft 48(1969)211-213 Anonymus, (Whewell, W.), The Plurality of Worlds, Boston 1854 (Zit. als Whewell, 1854) Anonymus, ‚Dialog mit dem Universum‘, in: Materialdienst 52(1989)217 Anonymus, ‚Die Jagd ist eröffnet‘. Gibt es intelligentes Leben in fremden Welten, in: Der Spiegel H.45(1995)208-232 (Spiegeltitel) Anonymus, 17 % der Deutschen glauben an Ufos, in: Materialdienst 57(1994)246 Anonymus, Artikel: Die Moral der Bombe, in: Der Spiegel Nr.17(1954)18 Anonymus, Artikel: Hindu unity need of the hour: Mohan Bhagwat, in: THE NEW INDIAN EXPRESS, 25.11.2014, Internet: http://www.newindianexpress.com/states/kerala/ article1535708.ece Anonymus, Artikel: Ram Setu ‚man-made‘, says government publication, in: http://www.orientalthane.com/archaeology/news_2007_12_13_2.htm Anonymus, Artikel: The Fall of Madhavan Nair: Decoding the ,Scandal‘, Internet: http://www.firstpost.com/india/the-fall-of-madhavan-nair-decoding-the-scandal195987.html

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