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German Pages 222 Year 1990
WOLFGANG FILC UND CLAUS KÖHLER (HG.)
Kooperation, Autonomie und Devisenmarkt
Veröffentlichungen des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung Band 26
Kooperation, Autonomie und Devisenmarkt
Herausgegeben von
Wolfgang File und Clans Köhler
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kooperation, Autonomie und Devisenmarkt I hrsg. von Wolfgang File u. Claus Köhler.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Veröffentlichungen des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung; Bd. 26) ISBN 3-428-06817-3 NE: File, Wolfgang [Hrsg.]; Institut flir Empirische Wirtschaftsforschung (Berlin, West): Veröffentlichungen des Instituts
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7239 ISBN 3-428-06817-3
Inhalt Einführung der Herausgeber . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Informationsökonomie und Preisentwicklung an Finanzmärkten: Abschied von neoklassischen Optimierungsvorstellungen? Von Reinhard H. Schmidt, Trier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aspekte der Ordnungs- und Prozeßpolitik in einer unsicheren Weltwirtschaft Von Hans-Joachim Heinemann, Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Spiele ohne Sieger - Nutzen und Probleme internationaler Kooperation der Wirtschaftspolitk Von Beate Reszat, Harnburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Möglichkeiten und Grenzen des Erkennens spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten Von Werner Gaab, Essen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . .
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Finanzinnovationen und internationaler Kooperationsbedarf in der Geldpolitik Von Peter Bofinger, Stuttgart . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Is There a Systematic Relationship between Coordinated Economic Policies and the Movement of the Dollar Exchange Rate? By Wolfgang File, Trier und Attiat F. Ott, Worcester, Mass., USA
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Wechselkursrisiko und Außenhandel Von Anneliese Herrmann, München
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Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte Von Reinhard Pohl, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . • • . . • • . • . . . • . • . • . . . •
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Inhalt
Der langwierige Prozeß wirtschafts- und währungspolitischer Zusammenarbeit zwischen EG-Staaten Von Rainer Hellmann, Brüssel Verzeichnis der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung der Herausgeber Das Institut für Empirische Wirtschaftsforschung hat vom 23. bis 25. Februar 1989 sein drittes Symposium durchgeführt. Gegenstand waren Themen aus dem Bereich von Zusammenhängen zwischen Devisenmärkten, Finanzmärkten und güterwirtschaftlicher Aktivität vor dem Hintergrund der Frage von Wohlfahrtswirkungen einer stärkeren wirtschaftspolitischen Kooperation zwischen großen Industrieländern. Der vorliegende Band stellt die überarbeiteten Beiträge dar, die Gegenstand des Symposiums waren. Reinhard H. Schmidt stellt neoklassischen Vorstellungen über Vorgänge an Finanzmärkten eine andere Sichtweise gegenüber. Grundlage sind die in der Informationsökonomik berücksichtigten variablen Informationsstände sowie asymmetrische Informationsverteilungen. Qualitätsunsicherheiten bei der Bewertung von Gütern und Finanzaktiva sowie Anreiz- und Informationsprobleme führen zu einer Abkehr von üblichen neoklassischen Optimierungsvorstellungen, obgleich das Individualverhalten weiterhin auf der Basis neoklassischer Entscheidungsregeln beschrieben werden kann. Erst die Informationsökonomik erlaubt es, Institutionen und mengenmäßige Rationierungen von Märkten auch im Gleichgewicht konsistent zu erklären. Die Ergebnisse und Einsichten der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie sind aber nur mit Vorbehalten auf die Analyse makroökonomischer Zusammenhänge und der Rolle der Geldpolitik zu übertragen. Allerdings liefert die Informationsökonomik dem Wirtschaftspolitiker viele Argumente, die davor warnen sollten, Finanzmärkte und Geldpolitik allein aus dem Blickwinkel der Neoklassik zu betrachten. Hans-Joachim Beinemann warnt vor übersteigerter Harmonisierungseuphorie im Zusammenhang mit der Realisierung des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes. Zwar ist durch vollständige Öffnung der Märkte mit einem positiven Einkommenseffekt zu rechnen, jedoch ist nicht auszuschließen, daß parallel hierzu die Stabilitätsrisiken wachsen. Und wenn mit steigendem materiellen Wohlstand Stabilitätsrisiken höher gewichtet werden als die Aussicht aufweitere Realeinkommenssteigeru~gen, so konnten gerade in Ländern mit relativ hohem Realeinkommen stabilitätspolitische Bedenken überwiegen und eine unbegrenzte Öffnung der Märkte behindern. Verstärkt werden Stabilitätsrisiken, wenn Unsicherheiten berücksichtigt werden und dadurch die Dichotomisierung der Ökonomie in einen realwirtschaftlichen und einen monetären Bereich aufgegeben wird. Erratische Wechselkurs-
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schwankungen binden Ressourcen, und sie können protektionistische Maßnahmen auslösen. Aber auch bei wachsendem Stabilitätsbedürfnis vor allem in wohlhabenderen Ländern spricht wenig gegen und viel für eine weitere Intensivierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen einschließlich der Faktormobilität. Denn Stabilitätsrisiken können durch internationale Kooperation oder durch geeignete binnenwirtschaftliche Maßnahmen begrenzt werden, ohne Wohlfahrtsgewinne zu verschenken, die aus vollständiger Öffnung der Märkte erwachsen. Die geringsten volkswirtschaftlichen Kosten dürften entstehen, wenn erstens die stabilitäts- und ordnungspolitischen Grundvorstellungen harmonisiert werden und wenn zweitens ein von allen Beteiligten zu respektierendes Regelwerk im Rahmen internationaler Institutionen entwickelt wird, das die Güter- und Faktormärkte, die Währungsordnung und die Finanzmärkte umfaßt. Der Beitrag von Beate Reszat geht der Frage nach, ob sich die Wirtschaftspolitik Ergebnisse spieltheoretischer Ansätze zur internationalen Kooperation nutzbar machen kann. Mathematische Spiele, die auf der Grundidee des Gefangenendilemmas basieren, sind wegen ihrer restriktiven Modellannahmen und der statischen Sichtweise hierfür nicht geeignet. Denn werden Wiederholungen von Spielsequenzen und damit Reaktion und Gegenreaktion zugelassen, so können sich die pessimistischen Schlußfolgerungen, die aus dem Gefangenendilemma gezogen werden, in eine optimistische Sicht hinsichtlich der Erfolgsaussichten internationaler wirtschaftspolitischer Kooperation umkehren. Soziale Spiele sind besser geeignet, das breite Spektrum von Kooperationsmöglichkeiten zu erfassen. Hingewiesen wird auf die Bedeutung von Information und Kommunikation für soziale und deshalb auch prozessuale Spiele. Weil hierbei aber wechselhafte subjektive Einschätzungen und Wertvorstellungen eingehen, die mit ökonomischen Kategorien allein nicht zu erfassen sind, erlauben auch diese Ansätze keine klaren Aussagen hinsichtlich des Nutzens und der Erfolgsaussichten internationaler Kooperation. Gefordert wird, historische, psychologische und soziologische Aspekte einzubeziehen. Erst eine derartige Interdisziplinarität, ergänzt um Erkenntnisse von Theorien der internationalen Politik, würde es erlauben, aus spieltheoretischen Ansätzen Schlußfolgerungen für die Wirtschaftspolitik zu ziehen. Mit der Frage, ob die starke Variabilität der Wechselkurse bei Flexibilität mit spekulativen Bubbles zu erklären ist, setzt sich der Beitrag von Werner Gaab auseinander. Weil Bubbles modellspezifisch sind, lassen sie sich nur durch Gegenüberstellung der tatsächlichen Wechselkursentwicklung mit einem modellierten Gleichgewichtspfad erkennen. Die unbefriedigende empirische Validität von Wechselkursmodellen ist aber nicht Beleg empirischer Relevanz spekulativer Bubbles, weil Fehlspezifikationen von Modellen bestehen können. Der Rückzug auf rationale Erwartungen und die Einbeziehung von Risikoprämien löst das Problem nicht. Denn bei Annahme jeder-
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zettlger rationaler Erwartung aller Marktteilnehmer werden Bubbles hinwegdefiniert, und die Erklärung von Abweichungen zwischen modellierten Gleichgewichtskursen und tatsächlichen Werten mit Risikoprämien bleibt tautologisch, solange Determinanten von Risiken nicht konkretisiert werden können. Ein Überblick über Verfahren der empirischen Bestimmung spekulativer Bubbles und ihre Ergebnisse weist auf das zentrale theoretische Dilemma hin, nämlich auf den Mangel an einer adäquaten Modeliierung der Dynamik von Wechselkursen sowie der Erwartungsbildung. Ergebnisse empirischer Tests lassen deshalb keine definitive Aussage zu, ob Wechselkursfluktuationen Bubbles ausdrücken. Da aber die Existenz von Bubbles auch nicht auszuschließen ist, sollte die Wirtschaftspolitik daran orientiert sein, für Teilnehmer an Devisenmärkten ein stabileres und Überschaubareres Umfeld zu schaffen. Peter Bofinger untersucht, ob finanzielle Innovationen eine besondere internationale Zusammenarbeit der Zentralbanken großer Industrieländer erfordern. Unterschieden wird zwischen Innovationsprozessen in verschiedenen Bereichen der finanziellen Intermediation, und auch die Schlußfolgerungen sind differenziert. Bei Innovationen im Einlagengeschäft der Kreditinstitute wird eine weitgehende Angleichung der nationalen Mindestreserveregelungen als erforderlich erachtet. Geht die Rolle der Banken im Finanzierungsprozeß zurück, so sinkt einerseits der Einfluß der Zentralbanken auf den Finanzierungsprozeß, weil geldpolitische Instrumente üblicherweise am Bankensektor ansetzen, während andererseits geldpolitisch ausgelöste Zinsänderungen unmittelbarer auf den Nichtbankenbereich durchwirken. Ein besonderer Kooperationsbedarf aus dem Vordringen von Zins-und Währungsswaps wird nicht gesehen. In dem Maße aber, in dem Futures und Options die Volatilität von Zinssätzen bzw. Wechselkursen verstärken oder gar Ursache spekulativer Bubbles werden, könnten sich besondere Anforderungen hinsichtlich einer verstärkten internationalen Kooperation der Zentralbanken ergeben. Allerdings stehen sorgfaltige empirische Analysen zu diesen Fragen noch aus.
Wolfgang File und Attiat F Ott prüfen, ob der Übergang der großen Industrieländer zu einer kooperativen Strategie hinsichtlich der Wechselkurse das kurz- und mittelfristige Verhalten des Dollarkursesam deutschen Devisenkassamarkt beeinflußt hat. Hierzu werden Verfahren der Zeitreihenanalyse sowie Dummy-Regressionen verwendet. Ein Vergleich stochastischer Eigenschaften des Dollarkurses in Phasen eher nicht-kooperativen und eher kooperativen Verhaltens zeigt, daß der Übergang zu einer kooperativen wirtschaftspolitischen Konzeption dazu beigetragen hat, Unsicherheiten am Devisenmarkt zu senken. Zudem hat der Devisenmarkt an Effizienz gewonnen, weil bei kooperativem Verhalten Vergangenheitsrealisationen von Dollarkursen weniger gut genutzt werden können, um die künftige kurzfristige Dollarkursentwicklung einzuschätzen. Ferner zeigt sich, daß in zwei von drei
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untersuchten Zeitperioden koordinierte Devisenmarktinterventionen sowie andere zwischen Regierungen und Zentralbanken der großen Industrieländer abgestimmte Maßnahmen der Wirtschaftspolitik den Trendverlaufvon Dollarkursen verändert haben. Daraus folgt, daß eine zwischen großen Industrieländern koordinierte Strategie geeigneter ist, um das kurzfristige Verhalten des Dollarkurses und seinen Trendverlauf zu beeinflussen als isolierte Aktionen wirtschaftspolitischer Instanzen einzelner Länder. Anneliese Herrmann prüft, ob systematische Wirkungen von Wechselkursrisiken auf den Außenhandel und auf das Wohlfahrtsniveau bestehen. Empirische Untersuchungen zu diesem Fragenbereich haben sich mit mehreren konzeptionellen Problemen auseinanderzusetzen. Erstens wird die lange Zeit unangefochtene Annahme, daß bei risikoabwehrendem Verhalten steigende Risiken die wirtschaftliche Aktivität senken, inzwischen in Frage gestellt. Zweitens ist zu klären, ob der nominale oder der reale Wechselkurs Gegenstand von Unternehmendispositionen ist und deshalb Quelle für Unsicherheiten werden kann. Drittens stellt sich als Problem, wie Wechselkursrisiken statistisch gemessen werden sollen, zumal Ex-ante-Unsicherheiten nicht direkt erfaßbar sind. Unter Verwendung mehrerer Risikomaße wird die Wechselkursvariabilität für vier Währungen ermittelt. Die Prüfung des Zusammenhangs zwischen Wechselkursrisiken und Außenhandelsmengen sowie Außenhandelspreisen zeitigt differenzierte Ergebnisse. Während sich im allgemeinen kein systematischer Einfluß von Wechselkursrisiken auf den globalen Außenhandel der untersuchten Länder feststellen läßt, sind bei Disaggregation der Handelsströme und bei Verwendung unterschiedlicher Risikomaße die Koeffizienten gelegentlich signifikant. Negative Handelseffekte von Wechselkursrisiken konzentrieren sich auf innereuropäische Handelsströme, Unternehmen orientieren sich hin zu Märkten mit größerer Wechselkursstabilität, und Wirkungen von Wechselkursrisiken auf das Außenhandelsvolumen sind eher bei branchenmäßiger Disaggregation als bei globaler Betrachtung des Außenhandels auszumachen. Zudem zeigt sich in den meisten Fällen, daß sich steigende Wechselkursrisiken in erhöhten Außenhandelspreisen niederschlagen. Auch dann also, wenn zunehmende Wechselkursunsicherheiten keine Dämpfung von Außenhandelsmengen auslösen, bewirken sie über Preisaufschläge im Außenhandel sowie durch Schwankungen relativer Preise Wohlfahrtsverluste. Reinhard Pohl diskutiert Modalitäten von Ermittlung, Verteilung und Verwendung von Bundesbankgewinnen und prüft, ob es zweckmäßig ist, diese Regelungen auf ein europäisches Zentralbanksystem zu übertragen. Es werden keine fiskalischen Gründe erkannt, die es rechtfertigen, Zentralbankgewinne anders zu behandeln als Steuereinnahmen, einmal, weil Schätzunsicherheiten beim Zentralbankgewinn in laufender Rechnung nicht höher sind als beim Steueraufkommen, zum anderen, weil sich bei Entstehung und
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Verwendung von Zentralbankgewinnen im Vergleich zu steuerfinanzierten Staatsausgaben keine unterschiedlichen Kreislaufwirkungen ergeben. Kritisch kommentiert wird, daß ab 1989 unerwartete Mehreinnahmen des Bundes aus Bundesbankgewinnen, die ein mittleres Niveau übersteigen, für die Schuldentilgung verwendet werden sollen. Hauptursache schwankender und wenig vorhersehbarer Gewinnausschüttungen der Bundesbank sind Abschreibungen zentraler Währungsreserven. Bei einer als dauerhaft vermuteten Entwertung zentraler Währungsreserven wird empfohlen, die Gewinnabführung der Zentralbank durch Gewährung von Sonderkrediten oder Auflösung von Rücklagen zu verstetigen. Bei erratischen und als reversibel erachteten Wechselkursschwankungen könnte ein Abschreibungsbedarf dadurch vermindert werden, daß die zentralen Währungsreserven zu einem jahresdurchschnittliehen Wechselkurs bewertet werden. Zudem sollte erwogen werden, das für Kapitalgesellschaftlichen geltende Wertaufholungsgebot bei einer Höherbewertung von Fremdwährungsforderungen auch auf die Zentralbank anzuwenden. Dadurch könnten Abschreibungen zentraler Währungsreserven später korrigiert werden, und die Gewinnabführung der Zentralbank an den öffentlichen Gesamthaushalt sowie seine Ausgabengestaltung würden verstetigt. Rainer Hellmann kennzeichnet die zwischen EG-Staaten praktizierten Formen zur Stärkung der Konvergenz der Wirtschaftspolitik und gesamtwirtschaftlicher Eckdaten. Herausgestellt wird, daß der vertragliche Rechtsrahmen für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik innerhalb der EG auch gegenwärtig noch nicht viel zwingender ist als z. B im OECD-Raum. Auch die Einheitliche Europäische Akte zementiert geradezu die nationale Souveränität. Folglich wird noch Jahre nach Verwirklichung des einheitlichen europäischen Binnenmarktes die Koordinierung der Wirtschaftspolitik unterhalb der Schwelle institutioneller Veränderungen bleiben. Die vom Europäischen Rat jährlich definierten Leitlinien für die Wirtschaftspolitik der EG-Staaten leiden an der grundlegenden konstitutionellen Schwäche, daß es auf Gemeinschaftsebene keine Kompetenzen gibt, um in den Mitgliedstaaten die Leitlinien mit Einzelmaßnahmen durchzusetzen. Bislang wurden dort die größten Konvergenzerfolge erzielt, wo bei Abweichungen vom Konvergenzpfad Sanktionen folgen, etwa im geldpolitischen Bereich. Hinsichtlich der beiden im Hinblick auf die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegten offiziellen Berichte auf EG-Ebene wird kritisch angemerkt, daß dem Delors-Bericht aufeinanderfolgende Zieldaten fehlen. Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments enthält dagegen einen genauen Zeitplan bis hin zur Verwirklichung der Währungsunion. Als fraglich erscheint, ob ohne den Druck eines Zeitplans das ehrgeizige Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion realisiert werden kann. Wolfgang File und Claus Köhler
Informationsökonomie und Preisentwicklung an Finanzmärkten: Abschied von neoklassischen Optimierungsvorstellungen? Von Reinhard H. Schmidt, Trier I. Einordnung und Problemstellung
Die Informationsökonomik hat sich in den vergangeneo zwanzig Jahren zu einem Schwerpunkt der mikroökonomischen Forschung entwickelt. Sie baut auf der Theorie der Entscheidungen und des Marktgleichgewichts bei unsicheren Erwartungen auf und unterscheidet sich von dieser dadurch, daß zum einen die Möglichkeit von Marktteilnehmern, ihren Informationsstand zu verbessern, in den Vordergrund gerückt wird und zum anderen Auswirkungen von systematischen Informationsunterschieden zwischen Marktteilnehmern - sog. asymmetrische Informationsverteilungen (ASIV) - als Determinante von Marktstrukturen und Vertragsformen thematisiert werden.1 Ich will wegen des mir vorgegebenen Themas in diesem Beitrag zwei Teilgebiete der Informationsökonomik 2 aufgreifen: im Abschnitt II die Theorie "effizienter Kapitalmärkte", weil die Effizienzthese unmittelbar den Zusammenhang zwischen Informationen und Kursverläufen auf Finanzmärkten betrifft, und im Abschnitt III die Theorie von Märkten bei ASIV, weil sich diese besonders eignet, die Frage nach einer möglichen "Abkehr von neoklassischen Optimierungsvorstellungen" zu untersuchen. 1 Vgl. zum Überblick z. B. J. E. Stiglitz, Information and Economic Analysis, in: M. Parkin, A. R. Nobay (eds.), Current Economic Problems, London 1975, S. 27-52; P. Diamond, M. Rothschild (eds.), Uncertainty in Economics, New York, San Francisco, London 1978; div. Beiträge in E. Streissler (Hrsg.), Information in der Wirtschaft, Berlin 1982; und J. E. Stiglitz, Information and Economic Analysis: A Perspective, in: Economic Journal, Vol. 95 (1985), Conference Papers 1984, S. 21-41. 2 Zur Informationsökonomik gehören auch die Theorien des Marktgleichgewichts in Situationen, in denen die Marktteilnehmer Suchkosten haben, und der Marktbewertung von Informationen. Auf diese Teilgebiete will ich hier nicht eingehen, obwohl sie sich sehr gut eignen würden, die These zu belegen, daß die Hervorhebung von Informationsproblemen zu wesentlichen Änderungen der qualitativen Eigenschaften von Marktgleichgewichten-wenn man so will: zu einer Abkehr von neoklassischen Vorstellungen- führt; vgl. insb. M. Rothschild, Models of Market Organization with Imperfect Information: A Survey, in: Journal ofPolitical Economy. Vol. 81 (1973), S. 1283-1308, bzw. J. Hirshleifer, The Private and Social Value of Information and the Reward to Inventive Acivity, in: American Economic Review, Vol. 61 (1971), S. 561-574.
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Ich glaube und werde unten zu verdeutlichen versuchen, daß die Berücksichtigung variabler Informationsstände und asymmetrischer Informationsverteilungen nicht wie die Effizienzthese als ein weiterer Schritt innerhalb einer Reihe von Schritten zu werten ist, durch die die neoklassische (Mikro-) Theorie erweitert, verfeinert und vervollkommnet wird, sondern zu einer gravierenden qualitativen Änderung der Vorstellungen darüber führt, wie Märkte funktionieren (können). Gerade aus der Sicht der betriebswirtschaftlich-mikroökonomischen Finanztheorie kann man die Themenfrage nach der Abkehr von neoklassischen Vorstellungen eindeutig positiv beantworten: Es hat eine deutliche Abkehr gegeben, und dabei ist auch angebbar, welche Form der neoklassischen Theorie es ist, von der man sich abkehrt. Dies will ich unten verdeutlichen und mich dabei auf Grundlagen der Informationsökonomik stützen. Abschließend möchte ich darzulegen versuchen, inwieweit dieneueren Entwicklungen der Informationsökonomik auch auf dem Gebiet der Geldtheorie und -politik Anlaß zu einer ähnlichen Einschätzung bieten könnten.
II. Markteffizienz und Preisentwicklungen auf organisierten Finanzmärkten Die gegenwärtig wichtigste Theorie über Preis- oder Kursentwicklungen auf Finanzmärkten ist die sogenannte "efficient market hypothesis" (EMH). Sie ist in ihren verschiedenen Formen ebenso bekannt wie ihre Herkunft aus der induktiv gewonnenen Random-Walk-Hypothese, ihre empirische Bestätigung für gut organisierte Sekundärmärkte und ihre weitreichenden Implikationen für die Anlageplanung: Auf einem effizienten Kapitalmarkt gibt es keine Anlagestrategie, die es erlauben würde, systematisch höhere Anlageerträge zu erzielen als eine sachgemäß zu definierende N ormalverzinsung. 3 Zwar gibt es eine Reihe von empirisch gut belegten Ineffizienzen auf Kapitalmärkten; aber sie sind "Anomalien" oder Ausnahmen. 4 Im Grunde ist die EMH zumindest in akademischen Diskussionen die "herrschende Lehre". Die EMH ist eine Theorie des intertemporalen Gleichgewichts oder des Antizipationsgleichgewichts. Die Grundidee ist, daß der heutige Kurs K, eines Wertpapiers, z. B. einer Aktie, sich in Abhängigkeit von dem Kurs ergibt, der für die Zukunft erwartet wird. Der wirkliche Kurs Kt+I kann von dem erwarteten Kurs ETKt+I] abweichen. Deshalb ist die Kursänderung zwischen t und t+ 1 zusammengesetzt aus einer Komponente, die der Normal3 Vgl. dazu insb. E. F. Fama, Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal ofFinance, Vol., 25 (1970), S. 383-407. Als Normalverzinsung wird meist die betrachtet, die bei Geltung des Marktmodells oder des Capital Asset Pricing Model erwartet wird. 4 Vgl. dazu insb. die Untersuchungsergebnisse im Sonderheft von Vol. 6 (1978) des Journal of Financial Economics mit der Einleitung von M. Jensen, S. 95 ff.
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verzinsung entspricht, und einer Zufallskomponente, und deshalb sind Kursverläufe Zufallspfade im Sinne der Stochastik. Systematische Abweichungen des heutigen Kurses vom diskontierten erwarteten Kurs würden Arbitragegewinne möglich machen und sind deshalb im Gleichgewicht nicht möglich. Die auf den zukünftigen Kurs bezogenen Erwartungen gründen sich auf Informationen, die sich ihrerseits auf Sachverhalte beziehen, von denen vermutet wird, daß zwischen ihnen und den zukünftigen Kursen ein Zusammenhang besteht. Es lohnt sich finanziell, bessere Kursprognosen als andere Marktteilnehmer erstellen zu können; deshalb kann man vermuten, daß es einen endogenen Mechanismus im Markt gibt, der dafür sorgt, daß verzerrte Prognosefunktionen eliminiert werden. Von ihrer Struktur her entspricht die EMH dem Konzept der rationalen Erwartungen. Freilich ist die Annahme rationaler Erwartungen sehr formal. Sie ist nur ein Merkmal, das Gleichgewichtstheorien aufweisen sollten, wenn sie konsistent formuliert sind. Sie ist aber selbst keine Gleichgewichtstheorie, denn sie besagt nur, daß brauchbare und verfügbare Informationen von den Marktteilnehmern auch genutzt werden; welche Informationen gebraucht werden bzw. wie die ökonomischen Zusammenhänge gestaltet sind, auf die sich die Informationen und die (rationalen) Erwartungen beziehen, ergibt sich aus der Annahme rationaler Erwartungen nicht. Dies folgt vielmehr aus einer materialen Theorie, die mit der Annahme der rationalen Erwartungen kombiniert wird. 5 Eine Reihe von Kontroversen um die EMH läßt sich auf die Frage nach ihrer angemessenen Interpretation zurückführen: Enthält die EMH per se schon mehr als die Behauptung eines Erwartungs- oder Antizipationsgleichgewichts? Mit seiner bekannten Definition für" mittelstreng effiziente" Kapitalmärkte - "security prices at any time 'fully reflect' all available information"6- hat Famatrotz der Anführungsstriche einige Anhänger und einige Kritiker der EMH zu einer sehr weiten oder anspruchsvollen Interpretation der These veranlaßt: Sie scheint zu besagen, daß "der Markt" auch in einem materiellen Sinne "richtige" Erwartungen bildet und assets "richtig" bewertet. Ein effizienter Aktienmarkt sei deshalb ein "intrinsic-value random-walk market". 7 5 Vgl. dazu R. Maddock, M. Carter, A Child's Guide to Rational Expectations, in: Journal of Economic Literature, Vol. 20 ( 1982), S. 39-51. In den meisten makroökonomischen Rational-Expectations-Modellen wird ein sehr einfaches "neoklassisches" Modell der Ökonomie zugrundegelegt. Das mag zu der Vorstellung beigetragen haben, daß rationale Erwartungen immer (nur) in einer Modellwelt vorkommen können, die so einfach strukturiert ist, daß u. a. staatliche Wirtschaftspolitik keine Rolle spielen kann, wenn diese sich nicht aus "irrationalen" Erwartungen ergibt. 6 Vgl. E. F. Fama, Efficient Capital Markets, a.a.O., S. 383. 7 Als besonders ausgeprägt in dieser Richtung aber keineswegs untypisch für die neuere Lehrbuchliteratur- vgl. J. C. Francis, Investments, 4. Aufl., New York 1986, S.
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Wäre die Gleichsetzung von "fully reflected" mit "richtig bewertet" zulässig, würde die EMH weit mehr als eine Erweiterung des neoklassischen Denkgebäudes darstellen; sie wäre geradezu dessen Vollendung. Apriori ist die Berechtigung einer so weitreichenden Interpretation der EMH auch nicht auszuschließen. Die empirischen Befunde zur EMH sprechen nicht gegen sie, denn ein "intrinsic-value market" ist immer auch ein Markt mit "rationalen Erwartungen" und erfüllt die Bedingung der Arbitragefreiheit. Nur gilt die Umkehrung nicht: Markteffizienz bzw. rationale Erwartungen sind mit sehr vielen Vorstellungen darüber vereinbar, was die Marktteilnehmer erwarten und was sie wie bewerten. Die hohe Variabilität der Aktienkurse, Zinsen und Wechselkurse gerade in letzter Zeit spricht deshalb zwar stark gegen die Gleichsetzung von Markteffizienz mit "richtiger" Erwartungsbildung und Bewertung. Ich sehe hingegen nicht, warum sie gegen die bescheidene Interpretation der EMH im Sinne der Annahme "rationaler Erwartungen" sprechen sollte. Auch hohe Variabilität ist kein Zeichen dafür, daß systematisch ausnutzbare Informationen ungenutzt bleiben und Arbitragemöglichkeiten bestehen sollten. Auch die von Fama inspirierte und geprägte Literatur zur EMH läßt nur die bescheidenere Interpretation zu. Die zentralen Begriffe "Information" und "fully reflected" bleiben dort undefiniert. Die halbstrenge EMH erweckt zu Unrecht den Anschein, als würden die Kursverläufe und die Unmöglichkeit, Überrenditen zu verdienen, mit einer substantiellen Theorie darüber erklärt, wie "der Markt" Erwartungen bildet und assets bewertet. ,Fully reflected' ist aber keine Erklärung, sondern nur eine logisch äquivalente Formulierung für ,ungeeignet zur Erzielung von Überrenditen'. 8 Es scheint mir wichtig, die anspruchsvolle Interpretation zurückzuweisen, um den haltbaren Kern der EMH vor unangemessener Kritik zu schützen. 9 Wie sich Erwartungen bilden und wie "der Markt" bewertet- und was dabei "rational" heißen kann - ist eine weitgehend andere Frage als die, die in der Prüfung der EMH anstand, und sie ist bisher weitgehend unbeantwortet geblieben. 10 Die Effizienzthese ist "nur" eine wertvolle Erweiterung des neoklassischen Denkgebäudes. 201 f. und S. 525-558; das Zitat ist von S. 554. Plausibilität konnte diese weitgehende Interpretation u. a. dadurch gewinnen, daß die empirische Bilanzforschung um 1970 herum eine Reihe von Belegen dafür erbracht hat, daß sich die Anleger an der Börse in ihrer Gesamtheit durch Manipulation der Rechnungslegung nicht irreführen lassen. Gemessen an der Kapitalmarktreaktion beurteilen sie Jahresabschlußinformationen richtig. Vgl. dazu z. B. W. H. Beaver, Financial Reporting: An Accounting Revolution, Englewood Cliffs, N. J. 1981, S. 177 ff. 8 Vgl. dazu ausführlicher R. H. Schmidt, Aktienkursprognose, Wiesbaden 1976, S. 399-411. 9 Vgl. z. B. M. J. M. Neumann, M. Klein, Probleme der Theorie effizienter Märkte und ihrer empirischen Überprüfung, in: Kredit und Kapital, 15. Jg. (1982), S. 165-187. 10 Eine sehr grundsätzliche Formulierung dieses Problems enthält R. E. Lucas jr., Asset Prices in an Exchange Economy, in: Econometrica, Vol. 46 (1978), S. 1429-1445.
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Man kann die Idee des "fully reflected" auch anders als über die wenig geglückte gedankliche Konstruktion der(richtigen) Erwartungen "des Marktes" zu erläutern versuchen: Wenn ein Marktteilnehmer aus der Beobachtung des Kurses auf die Informationen informierter Marktteilnehmer zurückschließen und genauso gute Entscheidungen treffen kann, wie wenn er die Informationen von vornherein gehabt hätte, wirkt der Kurs als InformationskanaL Wenn jeder Marktteilnehmer nur einen Teil der gesamten Information des Marktes kennt und trotzdem im Marktgleichgewicht Entscheidungen trifft, die nicht schlechter sind als diejenigen, die er getroffen hätte, wenn er von vornherein die gesamte Information gehabt hätte, wirkt der Preisbildungsprozeß als Informationsaggregator. Modelle, die eine solche Situation abbilden, kann man entweder als Explikationen des Begriffs "fully reflected" oder als Erklärungsversuch dafür ansehen, wie die Informationen in die Kurse "hineinkommen", die dann in diesen "reflektiert" werden. Daß sich die intuitive Idee der in Kursen reflektierten Informationen präzise machen läßt, 11 ist als eine Fortentwicklung neoklassischer Vorstellungen von der hohen LeistungsHihigkeit von Märkten zu werten. Es ist aber auch kein Anlaß zu unterstellen, daß die reflektierten Informationen sachlich richtig sein müßten. Welche Eigenschaften die Gleichgewichte in den Modellen zur Informationsaggregation haben, hängt von den Informationskosten ab. Denn wenn es etwas kostet, die Informationen aus anderen Quellen als aus den Kursen zu bekommen, werden rationale Marktteilnehmer versuchen, diese Kosten zu sparen. Tun das alle, dann kommen die Informationen nicht in die Kurse hinein und können folglich auch nicht widergespiegelt werden. Im Gleichgewicht mit Informationskosten gilt die These von der Markteffizienz immer nur als Approximation. Diese Paradoxie - keine Effizienz, weil Kurse Informationen reflektieren 12 - läßt sich vielleicht als eine erste Abkehr von neoklassischen Grundvorstellungen verstehen. Als keineswegs überraschend ist es deshalb anzusehen, daß dieneuere Forschung über "Anomalien" auf mittlere Sicht die Geltung der Effizienzthese in Frage stellt. Es gibt inzwischen sehr ausführliche empirische Belege für Ineffizienzen auf dem Aktienmarkt; die Literatur tendiert dazu, sie nicht mehr als die unvermeidbaren Ausnahmen von der Regel abzutun. Sie führt die Verletzungen der Effizienzthese vielmehr auf systematische Verzerrungen beim Mechanismus der Erwartungsbildung bei der Mehrzahl von Marktteilnehmern zurück. Diese Verzerrungen korrigieren sich im Zeitablauf nicht. 13 Damit leite ich zu dem 11 Vgl. z. B. R. Verrecchia, On the Theory ofMarket Information Efficiency, in: Journal of Accounting and Economics, Vol. 3 (1979), S., 77-90. 12 Vgl. dazu u. a. S. Grossman, J. E. Stiglitz, On the lmpossibility of lnformationally Efficient Markets, in: American Econornic Review, Vol. 70 (1980), S. 393-408. 13 Vgl. den Überblick in: W. F. M. De Bondt, R. Thaler, Anomalies: A Mean-Reverting Walk Down WallStreet, in: Journal of Economic Perspectives, Vol. 3 (1989), S. 189-202.
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Teil meines Beitrags über, der sich explizit mit der Auswirkung der Informationsübertragung in Märkten auf die Eigenschaften von Marktgleichgewichten befaßt. 111. Abkehr von neoklassischen Optimierungsvorstellungen durch die Informationsökonomik 1. Die neoklassische Grundvorstellung
Die neoklassische Grundvorstellung über die Struktur von Wirtschaftsbeziehungen und Märkten 14 läßt sich wie folgt charakterisieren: ( l) Die wirtschaftliche Grundbeziehung ist der Tausch von Gütern zwischen zwei Individuen. Dabei wird vorausgesetzt, daß den Individuen die (für sie) wertbestimmenden Eigenschaften der Güter, die getauscht werden, bekannt sind. Es mag zwar Unsicherheit geben, dann sind die gehandelten Güter "contingent claims", aber es gibt keine Informationsunterschiede: Der Fall, daß Partei A über die auch für Partei B wertbestimmenden Gutseigenschaften besser informiert ist als ParteiBund deshalb tauschen möchte, ist durch die Gutsdefinition ausgeschlossen. Zum Tausch kommt es nur, weil A das Gut, das er von B eintauscht, höher schätzt als seine Gegenleistung, und umgekehrt. (2) Zum Markt wird angenommen, daß er friktionslos funktioniert, daß es keine Transaktionskosten gibt. Jeder- gemessen an Präferenzen und Gutseigenschaften- vorteilhafte Tausch kommt zustande. Weitgehend wird auch eine polypolistische Marktstruktur angenommen. Mit den üblichen Konvexitätseigenschaften von Technologien und Präferenzen gibt es Gleichgewichtspreise für alle Güter. Jeder einzelne Marktteilnehmer ist price-taker. Die Situation stellt sich ihm so dar, daß er von einem bestimmten Gut mehr kaufen bzw. verkaufen kann, wenn er mindestens den Markt-Gleichgewichtspreis zu bezahlen bereit ist bzw. höchstens den Markt-Gleichgewichtspreis verlangt. (3) Ein allgemeines Marktgleichgewicht ist dadurch gekennzeichnet, daß alle Marktteilnehmer ihr individuelles Optimum oder Gleichgewicht realisieren, daß die Märkte für alle einzelnen Güter im Gleichgewicht sind und geräumt werden und daß es ein eindeutiges (Gleichgewichts-) Preissystem gibt. Jedes allgemeine Marktgleichgewicht ist- unter der Beschränkung gegebener Anfangsausstattungen und TechnologienVgl. auch D. Stock, Emprical Tests ofthe Overaction Hypotheses fortheGerman Stock Market, Discussion Paper, Uni. Bonn 1988. 14 Vgl. G. Debreu, TheTheoryofValue, NewYork 1959, und K. J. Arrow, F. H. Hahn, General Competitive Analysis, New York/San Francisco 1971.
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ein Pareto-Optimum, und umgekehrt ist jede pareto-optimale Allokation ein Marktgleichgewicht relativ zu einer bestimmten Anfangsausstattung. Eine wesentliche Implikation eines allgemeinen Gleichgewichts ist, daß es in der so beschriebenen Ökonomie keine Institutionen außer dem Eigentum und dem Recht auf Erfüllung der Tauschverträge gibt. Es bedarf insbesondere nicht der Institution des Geldes und der Institutionen der Finanzintermediäre.15 Verträge sind gemäß dieser Theorie immer nur einfache Tauschoder Kaufverträge. Die sich auf Punktmärkten begegnenden Individuen sind im Prinzip anonym: ihre Identität ist nicht wichtig; wirtschaftliche Dauerbeziehungen sind funktionslos. Komplexe Institutionen - d. h. Institutionen im engeren Sinne (z. B. Banken) sowie komplexe Verträge und nicht anonyme und/oder dauerhafte Wirtschaftsbeziehungen- sind nicht nur nicht nötig, sie würden auch die Existenz (bzw. die Beweisbarkeit) des allgemeinen Gleichgewichts behindern. Die Informationsökonomik stellt die gekennzeichnete neoklassische Grundvorstellung in Frage. Sie behält die anderen Annahmen der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie weitgehend bei, hebt aber die Annahme, daß die Information über die wertbestimmenden Gutseigenschaften gleichverteilt ist, auf. Die Modelle der Informationsökonomik führen zu der Erkenntnis, daß reale Märkte, auf denen es (nur) Informationsprobleme gibt, wichtige andere qualitative Eigenschaften aufweisen als die "neoklassischen" Märkte: "Even a small amount of imperfect information could have a significant effect on competitive markets". 16 Um dies zu zeigen, will ich mich zuerst auf die Theorie über "quality uncertainty" beziehen, in der die (wertbestimmenden) Gutseigenschaften gegeben sind und nur die Information über sie am Markt zwischen Käufern und Verkäufern ungleich verteilt ist. Danach gehe ich auf das sog. agency-Problem ein, das sich aus dem Einfluß des Vertrages über den Tausch eines Gutes auf dessen wertbestimmende Eigenschaften herleiten läßt. 2. Informationsverteilung und Marktgleichgewicht
Daß jemand, der besser informiert ist als die Marktgegenseite, als Anbieter oder Nachfrager auftritt, hat nicht nur zur Folge, daß sich der anderen Seite eine Transaktionsmöglichkeit eröffnet, sondern sein Verhalten enthüllt auch 15 Vgl. schon R. Radner, Problems in the Theory of Markets under Uncertainty, in: American Economic Review, Vol. 60 (1970), Papersand Proceedings, S. 454-460, und neuerdings F. Hahn, Equilibrium and Macroeconomics, Ne~ York 1984, hier S. 308 f. 16 M. Rothschild, J. E. Stiglitz, Equilibrium in Competitive Insurance Markets: An Essay on the Economics of lmperfect Information, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 90 ( 1976), S. 629-649. Rotschild/Stiglitz verwenden hier den Begriff 'imperfect information' im Sinne von asymmetrisch verteilter Information.
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Informationen, die die Gegenseite vielleicht noch nicht hatte. Der potentielle Aufkäufer eines unsignierten Gemäldes kann sich gerade durch ein großzügiges Angebot seine Chancen verderben, weil dieses Angebot dem Verkäufer möglicherweise zeigt, daß das Bild viel wertvoller ist, als er gedacht hatte. Das ist ein generelles Phänomen: Markthandlungen oder ihre Ergebnisse übertragen Informationen und ändern damit die Marktsituation. Bedeutsam ist dieser Einfluß auch und besonders, wenn die Information am Markt ungleich verteilt ist und die Güter heterogen sind. Dann kann es zu "adverse selection" und im Extremfall zum Zusammenbruch eines Marktes kommen: Transaktionen, die für beide Marktseiten vorteilhaft wären, kommen nicht zustande. Wären die Informationen gleich verteilt, kämen sie zustande, und zwar gleichermaßen, wenn beide Seiten gut oder schlecht informiert wären. Akerlofs bekanntes Beispiel von Altwagen unterschiedlicher Qualität 17 demonstriert diesen Effekt: Käufer kennen nur die Durchschnittsqualität; sie bewerten alle angebotenen Autos als durchschnittlich und veranlassen die Anbieter der guten Autos, ihr Angebot vom Markt zurückzuziehen. In Akerlofs Beispiel führt das Zusammenspiel von Durchschnittsbewertung durch die schlecht informierten Käufer und Rückzug vom Markt durch die gut informierten Verkäufer dazu, daß kein Auto umgesetzt wird. Bei homogenen Gütern oder bei gleichverteilter Information käme es nicht zum Marktzusammenbruch. Formal ausgedrückt: Das Gleichgewicht bei "adverse selection" ist kein Pareto-Optimum. Jeder, der ein Auto mit einer anderen- nur ihm genau bekannten- Qualität anbietet, beeinflußt die Erwartungen der Marktgegenseite und übt einen (negativen) externen Effekt auf die anderen potentiellen Verkäufer alter Autos aus. Natürlich kann man für alte Autos andere Marktobjekte setzen: Beteiligungstitel an Unternehmungen oder Forderungen von Kreditgebern, also die Idee der "adverse selection" direkt auf Finanzmärkte übertragen. Die Marktteilnehmer auf Märkten mit asymmetrisch verteilter Information und heterogenen Gütern haben ein Interesse, Information zu übertragen bzw. zu gewinnen. Die Informationsgewinnung bezeichnet man in der Informationsökonomik als "screening", die Informationsübertragung als "signaling" . 18 Beides verursacht Kosten, und ein Marktgleichgewicht mit (erfolgreichem) "screening" bzw. "signaling" weist in der Modellanalyse ähnliche pathologische Eigenschaften auf wie ein Markt mit "adverse selection": Gleichgewichte- es kann mehrere geben- sind nicht pareto-opti17 Vgl. G. A. Akerlof, The Market for "Lemons": Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 84 (1970), S. 488-500. 18 Vgl. zu "Screening" Stiglitz, Information (1975), a.a.O., und zu "signaling" A. M. Spence, Job Market Signaling, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 87 (1973), S. 355-374.
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mal, und Pareto-Optima sind keine Gleichgewichte. Die Informationsverteilung führt dazu, daß ein Anbieter mit einer nach außen nicht erkennbaren Qualität seines Angebots einen negativen externen Effekt auf die anderen Anbieter ausübt: Er zwingt sie zum Signalisieren, bzw. er veranlaßt die Marktgegenseite zum "Screening" - und ggf. zur Überwälzung der damit verbundenen Kosten. In der Realität von Finanzmärkten gibt es eine Reihe von Aktivitäten, die man als kostenverursachende Versuche der Informationsübertragung bzw. -gewinnung deuten kann. Kreditwürdigkeits- und Beteiligungsprüfung bzw. Rechnungslegung sind offensichtliche Beispiele. Kostenlos ist die Informationsübertragung bei "self-selection": Sie gelingt, wenn die uninformierte Marktseite mehrere Angebote machen kann, unter denen die Marktteilnehmer im eigenen Interesse so auswählen, daß sie damit ihre Information aufdecken. Auch bei "self-selection" kann es zu pathologischen Eigenschaften von Marktgleichgewichten kommen, und auch sie sind darauf zurückzuführen, daß es externe Effekte gibt und daß- bzw. weildas Marktgleichgewicht Informationen überträgt: Natürlich genügt nicht ein Angebot der uninformierten Marktseite, um Selbsteinordnung der informierten Marktseite zu ermöglichen. Es muß am Markt mindestens zwei Angebote geben. Damit diese zu der gewünschten Einordnung führen, muß mindestens eines von ihnen ein Merkmal aufweisen, das für einige der informierten Marktteilnehmer so "unangenehm" ist, daß sie dieses Angebot nicht annehmen. So übt eine Gruppe der informierten Marktteilnehmer einen negativen externen Effekt auf (mindestens) eine andere Gruppe ausY Aber auch auf der Seite der Anbieter kann es solche externen Effekte geben: Wenn die Gesamtheit der an einem Markt vorhandenen Angebote zur Selbsteinordnung führt, können weitere Marktteilnehmer in den Markt eintreten, um die aufgedeckte Information zu nutzen. Damit ändert sich die Menge der Angebote am Markt, und dies kann dazu führen, daß der "self-selection mechanism" nicht mehr funktioniert. Ein Anbieter kann also für andere Informationen schaffen oder auch zerstören. Wie Rothschild/Stiglitz in einem wichtigen Beitrag zur Informationsökonomik gezeigt haben, ist es infolge solcher Effekte möglich, daß es überhaupt kein Gleichgewicht gibt. Wenn es doch eines gibt, ist es ebenfalls nicht pareto-optimal. 20 Das Musterbeispiel für diese Form des informationsbedingten Marktversagens ist der Versicherungsmarkt. Die Angebote sind Policen, die unbeobachtbaren Merkmale sind die Schadenswahrscheinlichkeiten der Versicherten. Bemerkenswert an diesem Fall ist nicht nur, daß es zu Funktionsproble19 Vgl. St. Salop, J. Salop, Self-Selection and Turn-over in the Labor Market, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 90 (1976), S. 619-627. 20 Vgl. Rothschild, Stiglitz, Equilibrium, a.a.O.
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men des Marktes kommt, sondern auch wie- als Reaktion auf die Informationsprobleme - die Angebote gestaltet sind: Es gibt nicht einen Preis für eine "Einheit" Versicherungsschutz, sondern die Versicherungen bieten Kombinationen von Menge und Preis an. Die Versicherten sind Optionsnehmer, nicht Mengenanpasser. 21 Die Übertragung auf den Kreditmarkt2 2 liegt nahe: Banken konkurrieren um Kreditnehmer, deren wahre Kreditwürdigkeit ihnen aber unbekannt ist. Um über Selbsteinordnung zu Informationen zu kommen, müssen Banken ihr Kreditangebot so strukturieren, daß es (z. B.) nur für die Kreditwürdigen attraktiv ist, ein bestimmtes Angebot anzunehmen. Ein solches strukturiertes Kreditangebot ist nicht durch einen an das Ausfallrisiko angepaßten Zins zu kennzeichnen, zu dem Kreditnachfrager soviel Kredit aufnehmen können, wie sie wollen, sondern durch bestimmte Zins-Kreditvolumen-Kombinationen: Wenn es überhaupt ein Gleichgewicht gibt, kommt es infolge der Informationsprobleme im Gleichgewicht zur Kreditrationierung. Banken müssen - unter gewissen Bedingungen - das Angebot eines Kreditnehmers, höhere Zinsen zu bezahlen, zurückweisen, weil sie sonst ihren "self-selection-mechanism" außer Kraft setzen würden. 23 3. Anreizprobleme und Vertragsstrukturen
Systematisch ungleichmäßige oder asymmetrische Informationsverteilungen prägen auch solche Beziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten, die man als Kooperationsbeziehungen 24 deuten kann: Eine Person trifft unter Unsicherheit eine Entscheidung, deren Ergebnis Auswirkungen für sie selbst wie auch für eine andere Person hat. Außer in trivialen Sonderfällen sind die Auswirkungen aber nicht gleich oder werden nicht gleich bewertet. Es gibt einen Interessenkonflikt. Die erste Person sei mit A (wie agent), die zweite sei mit P (wie principal) bezeichnet. Für P ist es wichtig, wie A entscheidet. A entscheidet aber so, wie es ihm/ihr im Eigeninteresse optimal erscheint. Wegen der Interessendivergenz wird A weder die im alleinigen Interesse von P optimale Entscheidung treffen noch diejenige, die A und P vertraglich 21 Vgl. ebd., S. 642, und allgemeinerE. Baltensperger, The Borrower-Lender Relationship, Competitive Equilibrium, and the Theory ofHedonic Prices, in: American Economic Review, Vol. 66 (1976), S. 401-405. 22 Vgl. D. M. Jaffee, Th. Russell, Imperfect Information, Uncertainty, and Credit Rationing, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 90 (1976), S. 651-666. 23 Vgl. auch die auf Jaffee/Russell aufbauende bekannte Arbeit von J. E. Stiglitz und A. Weiss, Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, in: American Economic Review, Vo. 71 (1981), S. 393-410. 24 Gleichwohl kann man die Entstehung solcher Beziehungen auch als Tausch ansehen: Jeder Partner tauscht (mit den anderen) das, was er in die Beziehung einbringt, gegen das, was er daraus erhält. Auf die formal schwierige Verallgemeinerung auf Beziehungen mit mehr als zwei Personen kann ich hier nicht eingehen.
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vereinbaren würden, wenn die Informationsverteilung eine solche Vereinbarung über die "kooperative" Lösung 25 zuließe. Bei ASIV kommt es, außer in SonderHillen, zu einem Wohlfahrtsverlust, den man auch als "agency costs" bezeichnet. 26 Welche Möglichkeiten bieten sich an, diesen Wohlfahrtsverlust möglichst gering zu halten? Und umgekehrt: welche beobachtbaren Merkmale wirtschaftlicher, insbesondere vertraglicher Beziehungen lassen sich als Ausdruck des Versuchs verstehen, den aus der ASIV resultierenden Wohlfahrtsverlust zu minimieren und den Kooperationsvorteil, woher auch immer der stammen mag, zu sichern? Eine naheliegende Interpretation der beschriebenen Struktur ist die Beziehung zwischen Geschäftsinhaber (Prinzipal) und Geschäftsführer (Agent); daher auch die übliche Bezeichnung "Prinzipal-Agent-Theorie"Y A trifft Entscheidungen für P. P kann keine Weisungen geben und die Entscheidung des A auch nicht kontrollieren. Er kann aber eine Entlohnungs- oder Prämienfunktion s vorgeben, um das Verhalten des A zu steuern. Sie bestimmt, welche Prämie A bei alternativen Ergebnissen seiner Entscheidung erhält. Optimal - ex ante - ist die Prämienfunktion s*, die A veranlaßt, so zu entscheiden, daß für P der erwartete Nutzen dessen, was ihm nach Abzug der Prämie verbleibt, maximal ist. Als Nebenbedingung ist dabei aber zu beachten, daß der erwartete Nutzen des A nicht geringer sein darf als der, den er erreichen könnte, wenn er sich nicht auf die Beziehung einließe und z. B. seine Arbeitskraft alternativ verwendete. Wie Ross gezeigt hat, gibt es nur in wenig plausiblen Sondernilleu eine Funktions*, deren Anwendung dazu führt, daß A die in einer Welt ohne Informationsprobleme optimale Entscheidung trifft. Die Funktion s stellt zugleich eine Aufteilungsregel für das unsichere Entscheidungsergebnis aufP und A dar. Wenn die Prämienfunktions nurdas Entscheidungsverhalten des A optimal im Sinne von P steuern sollte, würde eine andere Risikoverteilung vereinbart als die, die P und A in einer Welt ohne Anreiz-Informationsprobleme und ohne die Notwendigkeit der Verhaltenssteuerung vereinbaren würden. Muß die Prämienfunktion A 's Verhalten steuern, wird -jedenfalls unter plausiblen Annahmen über die Risikoaversion von A und P - der A mehr Risiko tragen als bei gleichverteilten Informationen. Das erhöht die von A geforderte Prämie. Die optimale Man spricht auch von "first best" oder unbeschränktem Optimum. Vgl. M. C. Jensen, W. H. Meckling, Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics, Vol. 3 ( 1976), S. 305-360, hier S. 308 f. 27 Dazu S. A.Ross, The Economic Theory of Agency: The Principal's Problem, in: American Economic Review, Vol. 63 (1973), Papersand Proceedings, S. 134-139. Der sehr engen, formal orientierten Kennzeichnung einer P-A-Beziehung kann als Gegenpol die extrem weite Definition gegenübergestellt werden, die dem von J. W. Prau und R. J. Zeckhauser herausgegebenen Band "Principals and Agents: The Structure of Business", Boston, Mass. 1985, zugrunde liegt; vgl. insb. die einleitenden Aufsätze der Herausgeber und K. J. Arrows. 25 26
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Prämienfunktion s* stellt deshalb einen Kompromiß zwischen den Funktionen Verhaltenssteuerung und Risikoverteilung dar- einen Kompromiß, der in einer "neoklassischen" Welt, in der AIIokation und Verteilung durch Markt-Gleichgewichtspreise separierbar sind, nicht nötig ist. Die logische Struktur des Problems ist dieselbe, wenn die Initiative von A ausgeht: A versucht, einen P zu finden, der sich auf die Kooperationsbeziehung einläßt, obwohl er, der P, weiß, daß A Anlaß und Möglichkeiten hat, Entscheidungen zu treffen, die nur in seinem, des A 's, Interesse liegen und die Interessen des P verletzen. Um P's im Prinzip gerechtfertigtes Mißtrauen zu verringern, wird A selbst an einem im oben beschriebenen Sinne optimalen Anreizsystem s* interessiert sein. Die Ausgestaltung von Prämien- oder Ergebnisverteilungsregeln ist nicht die einzige Möglichkeit, wie das Anreizproblem gemildert werden kann. Insbesondere bieten sich Kontrollen bzw. Rechenschaft und Beschränkungen des Handlungsspielraums des A bzw. Selbstbindungen an. Abgesehen von Ausnahmefällen verursachen solche Maßnahmen zwar ihrerseits Kosten, sogenannte "monitoring and bonding costs". Diese können aber geringer zu gewichten sein als der durch sie vermiedene Wohlfahrtsverlust oder "residual Ioss". 28 Ein Parameter, mit dem P versuchen kann, das Verhalten des A zu steuern, ist auch die Menge der Ressourcen, die P in die Kooperation einbringt. Eine weitere wichtige Möglichkeit, Anreizprobleme zu reduzieren, ist die Einbindung kurzfristiger in längerfristige, aber kündbare bzw. abbrechbare Beziehungen. Die Drohung, daß P- mit mehr oder weniger gutem Grunde- die Beziehung mit A abbricht, kann dessen Verhalten in einer - auch für ihn selbst -vorteilhaften Weise beeinflussen. Auch dauerhafte Marktpräsenz und die Investition in "Reputation" ist als implizite Garantie eine Form der Selbstbindung für jemanden, der häufig als "agent" fungiert. Prinzipai-Agent-ModeiJe beruhen auflnformationsasymmetrien zwischen P und A, aber sie untersteHen trotzdem rationale Erwartungen: P antizipiert im Durchschnitt richtig, daß ihn A aufgrund seines Informationsvorsprungs schädigen kann, auch wenn er (P) dies nicht verhindern kann. Und A geht davon aus, daß P seinen Informationsnachteil richtig einschätzt. Deshalb sind ja die institutionellen "Details" vertraglicher und außervertraglicher Beziehungen zwischen P und A, die das Anreizproblem mildern, so wichtig für das Zustandekommen solcher Beziehungen. 29 28 Die agency costs werden von Jensen/Meckling, a.a.O., S. 308 f., als die Summe aus monitoring costs, bonding costs und residualloss definiert. 29 In den meisten P-A-Modellen wird unterstellt, daß die Information über die Entscheidungen des A asymmetrisch und gleichzeitig die über Art und Ausmaß des AgencyProblems symmetrisch zwischen P und A verteilt ist. Dies ist nicht sachlogisch nötig, sondern eine modelltechnische Vereinfachung. Beide Aspekte der Informationsasymme-
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Die Theorie der Prinzipal-Agent-Beziehungen ist direkt auf die Finanzierung zu übertragen: Mit der Kapitalüberlassung ist immer ein Anreiz- und häufig ein Informationsproblem verbunden. Ein Kapitalnehmer als Investor und/oder Manager hat immer Anlaß, andere Investitions- und Betriebsentscheidungen zu treffen, wenn er Kapital extern beschafft, weil mit jeder externen Finanzierung eine Regelung zur Aufteilung aller Investitionserträge einschließlich der fringe benefits verbunden ist. Wie und unter welchen Modellbedingungen sich die Agency-Probleme auswirken können, ist ausführlich untersucht worden; ebenso die Möglichkeiten, sie durch vertragliche und andere Vorkehrungen zu begrenzen. 30 Um das Verhalten von Kreditnehmern (als A) so zu steuern, daß eine für beide Seiten wirtschaftlich vorteilhafte Kreditbeziehung möglich wird, kann es für Kreditgeber (als P) sinnvoll sein, das Kreditvolumen auf ein niedrigeres Niveau zu begrenzen, als der Nachfrage entsprechen würde. Kreditrationierung ist so auch im Licht der Agency-Problematik als Gleichgewichtssituation rekonstruierbar. 31 4. Eine Abkehr von neoklassischen Vorstellungen in der Finanzierungstheorie
Nachdem die betriebswirtschaftliche Finanzierungslehre für viele Jahre ein Konglomerat aus deskriptiver Institutionenlehre und angewandter Entscheidungstheorie gewesen war, erhielt sie in den 60er Jahren - und verstärkt in den 70er Jahren- zum ersten Mal ein deutliche markttheoretische Fundierung; sie wurde zur Finanzierungstheorie. Prägend war die Übernahme der neoklassischen Methodik und der zugehörigen Vorstellungen über den Objektbereich: Die Finanzmärkte, auf denen Unternehmen sich finanzieren und Sparer Kapital anlegen, werden als vollkommen betrachtet. Die Thesen von Modigliani und Miller, das Capital-Asset-Pricing-Modell der Kapitalmarkttheorie und die Optionspreistheorie nach Merton, Black und Schales sind zu dem theoretischen Kern der Finanzierungstheorie geworden. Diese Theorien sind betriebswirtschaftlich interessant, weil sie Bewertungstheorien für die von Unternehmungen ausgegebenen und erworbenen "assets" darstellen und weil aus ihnen die zentralen Irrelevanz- und Separationstheoreme folgen: Finanzierungsentscheidungen und reine Diversifikationstrie können zusammentreffen, und es kann zu adverse selection kommen, weil Marktteilnehmer nur die durchschnittliche, aber nicht die spezifische Ausprägung der agency costs kennen. 30 Vgl. u. a. den Überblick in R. Ewert, Rechnungslegung, Gläubigerschutz und Agency-Probleme, Wiesbaden 1986, S. 10-23, und M. C. Jensen, C. W. Smithjr., Stockholder, Manager, and Creditor Interests: Applications of Agency Theory, in: E. L. Altman, M. G. Subrahmanyam (eds.): Recent Advances in Corporate Finance, Homewood, Ill. 1985, S. 93-131, und die dort genannten Probleme. 31 Vgl. Stiglitz/Weiss. a.a.O.
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entscheidungen von Unternehmungen sind irrelevant; die Konsum-SparEntscheidungen der Haushalte sind trennbar von der Entscheidung über die Strukturierung des risikobehafteten Teils der Portefeuilles, und die Investitionsentscheidungen der Unternehmungen sind unabhängig von der Unternehmensfinanzierung. 32 Die Irrelevanz und die doppelte Trennbarkeit sind eine direkte Folge der Annahme, daß alle Formen des Finanzvermögens auf vollkommenen Märkten gehandelt werden können. 33 Die Kerninhalte der neoklassischen Finanzierungstheorie erweisen sich als analoge Übertragungen der zentralen Aussage der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie in ihrer strengsten Fassung nach Arrow und Debreu. Plausibilität konnte die Vorstellung der Allgemeinheit von vollkommen funktionsfähigen Finanzierungsmärkten durch die zeitgleiche Entwicklung der These von der Kapitalmarkteffizienz und deren weitgehende empirische Stützung beziehen. Darüber hinaus ist die Annahme der vollkommenen Kapitalmärkte für alle Finanztitel natürlich in keiner Weise realistisch, doch dies ist in der neoklassichen Finanzierungstheorie nicht als Problem betrachtet worden: zum einen, weil- nach Friedman 34 - der Realismus der Annahmen ohnehin nicht wichtig ist, und zum anderen, weil das Interesse an Stringenz vor allem anderen rangiert. Daß es z. B. Transaktionskosten gibt, mag wahr sein, aber in der Theorie stellen diese nur ein störendes Element dar. Ohne Zweifel liegt die wesentliche Stärke der neoklassischen Finanzierungstheorie in ihrer Stringenz. Konsequent angewandte Markt- und Gleichgewichtstheorieeignet sich insbesondere dazu, in älteren Aussagen zu Finanzierungsfragen enthaltene Annahmen über Ungleichgewicht und irrationales Verhalten zu erkennen und zu eliminieren. Freilich ist es nicht zwingend, mit der konsequenten Berücksichtigung von Markt und Gleichgewicht auch zugleich die Perspektive auf den Fall vollkommen funktionsfähiger oder "neoklassischer" Finanzmärkte zu verengen. Diese Verengung mag durch das Interesse an der Herleitung starker Aussagen, wie insbesondere der Irrelevanz- und Separationstheoreme, motiviert gewesen sein. Aus ihr ergeben sich jedoch zugleich die wesentlichen Schwächen des Denkansatzes: Innerhalb der Theorie gibt es keinen konzeptionellen Ansatzpunkt für die Lehre vom Finanzmanagement, da ja - theorieimmanent - die Finanzierungsentscheidungen irrelevant erscheinen. Ebensowenig bietet die Theorie Möglichkeiten, institutionellen Gegebenheiten und 32 Über diese Theorien und die angesprochenen Implikationen informieren alleneueren theoretisch ausgerichteten Lehrbücher; vgl. z. B. D. Schneider, Investition und Finanzierung, 5. Aufl., Wiesbaden 1980, P. Swoboda, Betriebliche Finanzierung, Würzburg-Wien 1981, und G. Franke, H. Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, Berlin u.a. 1988. 33 Nur "können", weil es in dem Modell keinen Anlaß gibt, sie auch wirklich zu handeln. 34 Vgl. M. Friedman, The Methodology of Positive Economics, in: Essays in Positive Economics, Chicago 1953, S. 3-43.
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insbesondere Finanzinstitutionen konsequent, d. h. nicht nur als belanglose Details oder gar als Ungleichgewichtsphänomene, zu behandeln. Denn auch Finanzintermediation ist "irrelevant"; Banken erscheinen dem konsequent neoklassisch argumentierenden Theoretiker nur als Produzenten der Dienstleistung "Zahlungsverkehr". 35 Diese Schwächen der neoklassischen Theorie machen es verständlich, daß in der Rezeption der Informationsökonomik die Möglichkeit gesehen und von vielen Finanzierungstheoretikern freudig aufgenommen wurde, Finanzmanagement und Institutionslehre mit einer Theorie der Finanzmärkte zu verbinden. 36 In der Finanzierungstheorie wird heute die Realität kaum mehr so gesehen, als wäre sie mit der strikten neoklassischen Theorie im Prinzip richtig beschrieben. Die Annahme asymmetrischer Informationsverteilung beginnt die Fachdiskussion zu beherrschen. Der Fall "neoklassischer" Märkte mit symmetrischer Informationsverteilung wird zum- zweifellos wichtigen - Sonderfall "degradiert". Diese Umorientierung von der neoklassischen zu einer "neoinstitutionalistischen" 37 Ausrichtung der Finanzierungstheorie läßt sich an einer Reihe von Einzelthemen nachweisen. Ich beschränke mich auf einige wenige, aber wichtige Beispiele: (1) Bei den Finanzmärkten wendet sich die Aufmerksamkeit den Primäroder Emissionsmärkten zu, auf denen man von deutlichen Asymmetrien der Informationsverteilung zwischen Kapitalnehmern und Kapitalgebern ausgehen kann. Kreditrationierung ist nach vielen Jahren als Gleichgewichtsphänomen erklärbar geworden, das sich sowohl auf adverse selection bzw. self-selection als auch auf "moral hazard" oder Agency-Probleme- oder auf eine Kombination von beidem- zurückführen läßt. 38 Ebenso ist deutlich geworden, daß Informationsvorsprünge sich in Funktionsproblemen von Märkten für neue Beteiligungen niederschlagen können, die ihren Ausdruck darin finden, daß es zu "underpricing" am Markt für Erstemissionen kommt, daß Kapitalerhöhungen zu Marktwertverlusten führen und daß es sogar ganz unmöglich sein kann, Eigenkapital extern zu beschaffen. 39 35 Vgl. insb. E. F. Fama, Banking in the Theory of Finance, in: Journal of Monetary Economics, Vol. 6 (1980), S. 39-57. 36 Vgl. z. B. die in M. C. Jensen, C. W. Smithjr., The Modern Theory ofFinance, New York u. a. 1984, und in G. Bamberg, K. Spremann (eds. ), Agency Theory, Information and · Incentives, Berlin u. a. 1987, enthaltenen Beiträge. 37 Die Bezeichnung ergibt sich daraus, daß (erst) durch die Abkehr vom neoklassischen Annahmenrahmen Institutionen theoriegeleitet analysiert W\!rden können. Sinngemäß ähnlich 0. E. Williamson, The Economic Institutions ofCapitalism, New York 1985, S. 26. 38 Vgl. E. Terberger, Der Kreditvertrag als Instrument zur Lösung von Anreizproblemen, Heidelberg 1987. 39 Vgl. C. W. Smith jr., Investment Banking and the Capital Acquisition Process, in: Journal of Financial Econornics, Vol. 15 (1986), S. 3-29.
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(2) Institutionelle Merkmale von Finanzierungsvereinbarungen wie Stimmrechte, Negativklauseln, Kreditsicherheiten, Rechnungslegungs- und Ausschüttungssperrvorschriften, Kündigungsrechte etc. lassen sich als Mittel deuten, um direkt oder indirekt ein Verhalten von Kapitalnehmern (als agents) zu verhindern oder zu erschweren, durch das Kapitalgeber (als principals) geschädigt werden können, oder um zu vermeiden, daß Finanzierungsbeziehungen allein aus Informationsgründen nicht zustande kommen. 40 Diese Art der Analyse läßt sich auf die Erklärung von Finanzierungsformen und, noch weiter, auf Unternehmensformen übertragen. 41 Ein wichtiger Befund ist in diesem Zusammenhang, daß Kreditverträge im Vergleich zu Beteiligungsverträgen die geringeren bzw. die besser beherrschbaren Anreizprobleme aufweisen. 42 (3) Finanzinstitutionen haben in einer Welt mit ASIV auch Funktionen als Finanzintermediäre und als "Produzenten" von Liquidität: Sie sind Spezialisten in der Herstellung und Nutzung von Information und in der Kontrolle von Kapital. Eine "Daseinsberechtigung" haben sie, weil bzw. soweit die Anreiz- und Informationsprobleme mediater Finanzierung geringer als die direkter Finanzierung sind. 43 (4) Aus der Informationsasymmetrie folgt für das Finanzmanagement von Unternehmungen, daß die Irrelevanzthese nahezu sicher nicht gilt. Externe Eigen- und Fremdfinanzierung in ihren verschiedenen Formen verursachen vielfältige und komplexe Anreizprobleme. Selbst unabhängig von diesen Einflüssen aller Finanzierungsverträge auf das, wasjeder einzelne Kapitalgeber als Gegenleistung für seine Kapitalüberlassung zu erhalten erwarten kann, ist auch die Information über den "Wert" dieser Ansprüche ungleich verteilt. Es ist deshalb sehr "relevant", ob es einer Unternehmung gelingt, die Skepsis bezüglich übermittelter Informationen und das Mißtrauen bezüglich noch zu treffender Entscheidungen zu überwinden. Das Problem ist zwar erkannt, kohärente, alle Informationsprobleme erfassende Lösungen sind aber noch nicht gefunden. 44 40 Vgl. die in Jensen/Smith, a.a.O, und in R. H. Schmidt, Neuere Property Rights-Analysen in der Finanzierungstheorie, in: D. Budäus, E. Gerum, G. Zimmermann (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre und Theorie der Verfügungsrechte, Wiesbaden 1988, S. 240-267, genannten Quellen. 41 Vgl. insb. E. F. Fama, M. C. Jensen, Separation of Ownership and Control, in: Journal of Law and Economics, Vol. 26 (1983), S. 301-325. 42 Vgl. J. P. Krahnen, Kapitalmarkt und Kreditbank, Berlin 1985. 43 Vgl. D. W. Diamond, Financial Intermediation and Delegated Monitoring, in: Review of Economic Studies, Vol. 51 (1984), S. 393-414 sowie E. F. Fama, What's Different about Banks?, in: Journal ofMonetary Economics, Vol. 15 (1985), S. 29-39, arid J. E. Stiglitz, Credit Markets and the Control of Capital, in: Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 17 (1985), S. 133-152. 44 Vgl. P. Swoboda, Kapitalmarkt und Unternehmensfinanzierung, in: D. Schneider, (Hrsg.): Kapitalmarkt und Finanzierung, Berlin 1987, S. 49-68.
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Die kurzen Andeutungen mögen genügen, um meine These zu belegen: Wie in der mikroökonomischen Theorie selbst ist es in der Finanzierungstheorie zu einer Abkehr von der neoklassischen Grundvorstellung über die Beschaffenheit von Finanzmärkten gekommen. Keineswegs tendieren alle Finanzmärkte immer zu einem Gleichgewicht, das auch ein Optimum darstellt und in dem sich ein Gleichgewichts-Preissystem einstellt, das die Separation von einigen Entscheidungsbereichen und die Irrelevanz anderer Entscheidungen mit sich bringt; institutionelle Gestaltungen sind nicht nebensächliche Details. Inhaltlich erscheinen die Aussagen, zu denen die Informationsökonomik in der Finanzierungstheorie führt, jedenfalls auf den ersten Blick wenig verblüffend: Ist es nicht ohnehin klar bzw. stellt die entgegengesetzte Vermutung nicht nur eine der offensichtlichen "Verirrungen" der neoklassischen Theorie dar, daß Finanzierung problematisch ist, daß Finanzinstitutionen mehr sind als Abwickler des Zahlungsverkehrs und daß es gute und schlechte Organisationsformen für Finanzmärkte gibt? All dies ist in der Tat klar. Trotzdem ist die theoriegeleitete Analyse der möglichen Funktionsprobleme von (fiktiven) Märkten und Kontrakten, für die gemäß neoklassischer Grundvorstellungen nur eine institutionelle Minimalausstattung gelten würde, und die darauf aufbauende Funktionsbestimmung komplexer realer Institutionen zum Erkennen und- vielleicht- zum Lösen realer Probleme hilfreich. Denn erstens sind diese Aussagen vorher niemals aus Annahmen rationalen Verhaltens und für Marktgleichgewichte abgeleitet worden. Zweitens entsprechen nur die Grundaussagen der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie den Vorstellungen aus der Zeit vor der Dominanz der neoklassischen Finanzierungstheorie und damit den eh und je unveränderten Vorstellungen in "der Praxis", eine Reihe von Implikationen der neoinstitutionalistischen Theorie steht hingegen in einem krassen Gegensatz sowohl zu den neoklassischen als auch zu den älteren Vorstellungen. Das läßt sich am Beispiel der sogenannten Eigenkapitallücke gut demonstrieren: Die Berücksichtigung der "agency costs" von Eigen- und Fremdkapitalläßt eine möglichst hohe Verschuldung sinnvoll erscheinen; die Klage über eine Eigenkapitallücke oder "verschlechterte" Kapitalstrukturen 45 erweist sich so als ein Mißverständnis. 46 Das widerspricht nicht nur der neoklassischen Auffassung, daß im Grunde alle Kapitalstrukturen gleich gut oder schlecht sind, sondern auch und vor allem der aus tradierten Vorstellungen gespeisten Auffassung, daß hohe Verschuldungsgrade ein bedrohlicher Mißstand seien. Dieses Beispiel für kontraintuitive und damit instruktive Implikationen des neuen Denkansatzes ließe sich durch eine Reihe weiterer ergänzen. 45 Vgl. z. B. P. Pütz, H. Willgerodt, Gleiches Recht für Beteiligungskapital, Baden-Baden 1985. 46 So auch J. P. Krahnen, a.a.O., S. ll-13 und S. 129 f.
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Aber nur auf der inhaltlichen Ebene läßt sich die Abkehr so eindeutig konstatieren. Gleichviel ob die finanzierungstheoretisch interessanten Folgen asymmetrischer Informationsverteilung in formal-mathematischen oder in verbalen Modellen herausgearbeitet werden, sind diese Modelle stets so formuliert, daß sie von individueller Rationalität der Wirtschaftssubjekte ausgehen. Es wird Optimierungsverhalten unterstellt. Das schließt auch die Erwartungsbildung ein. Die Erwartungen sind konsistent und- optimal gemessen an dem, was die Einzelnen über die Situation wissen können, in der sie sich befinden. Auf der methodischen Ebene kommt es nicht zu einer Abkehr von Optimierungsvorstellungen. Auch auf der pragmatischen Ebene kann man, so scheint es zumindest, nicht von einer Abkehr von Optimierungsvorstellungen sprechen, sondern sogar eher von einer Hinwendung: Da die Finanzierung von Unternehmungen, die Tätigkeit von Finanzinstitutionen und die Gestaltung von organisierten Märkten wie z. B. Börsen keineswegs irrelevant ist und da es die Theorie gerade nicht zuläßt, eine allgemeine Tendenz zu einem Optimum zu vermuten, ist auch theorieimmanent Raum und Gelegenheit für Gestaltung -oder "Optimierungsverhalten"- gegeben. Das Wissen, warum Kooperation mißlingen und Märkte nicht funktionieren können, bietet dabei eine wichtige Orientierungshilfe. Die Informationsökonomik bietet zwar keine Rezepte an, aber sie vermittelt eine Sicht der Welt, und aus ihr ergeben sich auch praktisch nützliche Prinzipien institutioneller Gestaltung. Diese auf die pragmatische Ebene bezogene Einschätzung kann man jedoch auch in Frage stellen. In der neoinstitutionalistischen Forschung im Finanzbereich steht zur Zeit nicht die Gestaltungsabsicht im Vordergrund, sondern die Suche nach Erklärungen. Dabei geht man rekonstruierend vor, d. h. man fragt, wie ein Anreiz- und Informationsproblem gestaltet sein könnte, so daß das Phänomen, das man beobachten kann und erklären will, Teil der Problemlösung ist. Beispielsweise fragt man, wie sich wohl für Kapitalgeber und für Kapitalnehmer die mit externer Finanzierung verbundenen Probleme darstellen, so daß es sich für sie in der überwiegenden Mehrzahl von Fällen als vorteilhaft erweist, nicht Beteiligungs-, sondern Kreditverträge einzugehen. Diese Methode der funktionalen Erklärung setzt logisch voraus, daß sich in der Realität die effiziente Gestaltung immer schon durchgesetzt hat. Es besteht dann, streng genommen, doch kein Anlaß mehr, in der Realität etwas anders gestalten zu wollen, als es bereits ist. Das bei der Rekonstruktion verwendete methodische Prinzip der "economic natural selection"47 beruht seinerseits auf der Unterstellung eines Gleichgewichts- und Optimierungsmechanismus. 47 Vgl. A. A. Alchian, Uncertainty, Evolution and Economic Theory, in: Journal of Political Economy, Vol. 58 (1951), S. 211-222, und neuerdings Fama/Jensen, a.a.O.
Informationsökonomie und Preisentwicklung an Finanzmärkten
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Damit ist freilich ein Dilemma beschrieben, das für jede Art von Gleichgewichtstheorie gilt, wenn man sie zur Gestaltung heranziehen will. Einen logisch zwingenden Ausweg aus ihm gibt es nicht, sondern nur Notbehelfe. Die Einstufung der Annahme, daß sich die effiziente institutionelle Gestaltung auch durchsetzt, ist ein solcher Notbehelf. Er erlaubt zu vermuten, daß sich in der Realität sowohl effiziente als auch ineffiziente institutionelle Gestaltung finden lassen. Die ersteren bieten Gelegenheit zu erproben, ob sich die aus der Theorie, hier: der Informationsökonomik, entnommenen Prinzipien als wichtige und hilfreiche Rekonstruktionsprinzipien erweisen. Ist das der Fall, kann man sie bei den ineffizienten als Konstruktionsprinzipien zur Verbesserung zu nutzen versuchen. Der Notbehelf ist so schlecht nicht: Warum sollte in einer Welt mit gravierenden Informationsproblemen ausgerechnet der Wettbewerb zwischen verschiedenen institutionellen Gestaltungen problemlos funktionieren und Ineffizientes schnell eliminieren? Ich fasse mein Ergebnis zusammen: In der durch die Informationsökonomik geprägten neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie zeigt sich inhaltlich eine ganz klare Abkehr von neoklassischen Grundvorstellungen über die Funktionsweise vieler Finanzmärkte. Methodisch ist es jedoch keine Abkehr; es wird konsequent gleichgewichtstheoretisch und "rationalistisch" argumentiert. Deshalb gibt es auch bei der Beschreibung des Individualverhaltens keine Abkehr von (neo klassischen) Optimierungsvorstellungen, und selbst ein in anderer Hinsicht aus Informationsgründen pathologisches Marktgleichgewicht ist eines mit "rationalen" Erwartungen. Wenn mangewisse unvermeidbare Inkonsistenzen in den theoretischen Grundlagen hinzunehmen bereit ist, läßt die neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie dem Institutionengestalter sogar mehr Handlungsspielraum als die neoklassische Theorie. IV. lmplikationen für die Theorie der Geldpolitik?
Abschließend will ich kurz auf die Frage eingehen, ob auch in der Geldtheorie - im Sinne einer theoretischen Fundierung von Geldpolitik 48 -durch die Informationsökonomik eine Abkehr von neoklassischen Vorstellungen geboten erscheint und worin sie bestehen könnte. Ich gehe dabei mangels Fachkompetenz davon aus, daß gängige Lehrbücher ein adäquates Bild von der gegenwärtig "herrschenden" Geldtheorie vermitteln. 49 48 Die Relevanz der Informationsökonomik für die Fragen nach dem "Wesen" und der Rolle des Geldes ist ohnehin unbestritten; vgl. z. B. G. Illing, Geld und asymmetrische Information, Berlin u. a. 1985. 49 Vgl. z. B. D. Duwendag, u. a., Geldtheorie und Geldpolitik, 3. Aufl., Köln 1985, und G. G. Kaufman, Money, the Financial System and the Economy, 3rd., Chicago 1983.
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Reinhard H. Schmidt
Die Literatur zur Geldtheorie argumentiert sehr makroökonomisch, d. h. auf einem hohen Aggregationsniveau. Geld ist ein besonderes "financial asset", das sich dadurch klar von anderen "assets" unterscheidet, daß es Zahlungsmittelfunktionen erfüllt. Das Geldangebot ist deshalb durch die Zentralbank weitgehend steuerbar. Die klare Unterscheidbarkeit zwischen Geld einerseits und Kredit bzw. Kapital andererseits schließt Substitutionsprozesse nicht aus. Diese werden jedoch, so mein Eindruck, als erstaunlich unproblematisch und reibungsfrei behandelt. Dies gilt weitgehend unabhängig davon, ob der betreffende Autor die Geldpolitik für realwirtschaftlich relevant oder irrelevant hält bzw. ob er ausschließlich der Geldpolitik eine Rolle für die Konjunktursteuerung zumißt oder nicht. Mir scheinen nicht nur bei dezidierten Monetaristen diesbezüglich neoklassische Vorstellungen vorzuherrschen. Der scharfen Trennung zwischen monetären und nichtmonetären Finanzaktiva scheint die Behandlung von Finanzinstitutionen in der Geldtheorie zu entsprechen: Das weite Konzept der Finanzinstitution wird verkürzt zu dem engen Konzept der (Geschäfts-)Bank. Diese wird zudem fast ausschließlich als Geldanbieter betrachtet. Dahinter scheint mir die Vorstellung zu stehen, daß die Finanzintermediation per se wirtschaftspolitisch nicht problematisch und wohl auch realwirtschaftlich eher belanglos ist - nicht weil sie nicht nötig ist, sondern weil sie ohnehin reibungslos funktioniert. Auch das darf man wohl als "neoklassische" Vorstellung einstufen. In der Literatur wird den institutionellen Aspekten des Finanzsystems zwar durchaus Aufmerksamkeit geschenkt, aber solche Überlegungen sind im deskriptiven Teil der Lehrbücher zu finden und nicht mit der Theorie verbunden. Die gängige Literatur zur Geldtheorie bringt eine Vorstellung über die Beschaffenheit ihres Objektbereichs zum Ausdruck, die sich radikal von der Vorstellungswelt der Informationsökonomik unterscheidet. Liegt jener die Sicht zugrunde, daß "money (vielleicht) matters", "finance" und "institutions" aber (fast) sicher nicht, so läßt diese weitgehend das Gegenteil vermuten: Informationsbedingte Funktionsstörungen von Finanzmärkten sind verbreitet, es gibt Kreditrationierung und Zugangsprobleme zu öffentlichen Kapitalmärkten, Angebots- und Nachfragefunktionen sind nicht "well-behaved", Finanzintermediation ist wichtig und gleichzeitig schwierig, und generell haben institutionelle Gestaltungen einen unübersehbaren Einfluß darauf, ob und wie Märkte und Kooperationsbeziehungen funktionieren. Zumindest eines folgt aus dieser Gegenüberstellung: Auch für die Geldpolitik bietet die Informationsökonomik Anlaß, sich von herkömmlichen neoklassischen Grundvorstellungen abzukehren. Die implizite oder explizite Annahme, das Finanzsystem sei- vielleicht abgesehen von der Geldversorgung- realwirtschaftlich neutral, erscheint ebenso unfundiert wie die "ultraliberale" oder "monetaristische" Auffassung, regulierende und andere staat-
Informationsökonomie und Preisentwicklung an Finanzmärkten
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liehe Eingriffe in das vermeintlich harmonische "Spiel der Marktkräfte" könntenapriorinur schaden. Wenn Märkte und Institutionen so funktionieren, wie die Informationsökonomik vermuten läßt, gibt es Anlaß und Möglichkeiten zu wohlfahrtserhöhenden politischen Eingriffen, ohne daß man dabei auf die Annahme nicht-rationalen Verhaltens und/oder nicht-rationaler Erwartungen rekurrieren müßte. Dieses erste Ergebnis entspricht genau dem, was oben ausführlicher für die mikroökonomisch-betriebswirtschaftliehe Finanzierungstheorie abgeleitet wurde. Auch das pragmatische Dilemma einer gleichgewichtstheoretisch gestützten Gestaltungsabsicht ist dasselbe. Aber folgt mehr als die grundsätzliche Abkehr? Kann man auch in der Geldtheorie der neoklassischen Konzeption eine Alternative entgegensetzen? Es gibt bereits Arbeiten, die die Ergebnisse der mikro-informationsökonomischen Untersuchungen auf makroökonomische und wirtschaftspolitische Fragen übertragen. Der Grundgedanke dabei ist, daß der Fluß von Kapital weitgehend über die Banken verlaufen muß und daß diese im - nicht notwendigerweise stationären - Gleichgewicht Kredite rationieren und so die makroökonomische Entwicklung beeinflussen. Nicht die drastische Reduktion der Geldmenge, sondern eher der weitgehende Zusammenbruch des Kreditsystems hat nach dieser Sicht die Große Depression am Anfang der 30er Jahre ausgelöst. 50 Man kann vermuten, daß derselbe Mechanismus auch heute noch wirksam ist. Die informationsökonomisch inspirierte neue Sicht der makroökonomischen Rolle des Finanzsystems 5 1 scheint mir überzeugender als die konkurrierende neoklassische Sicht. 52 Blinder/Stiglitz haben aus denselben informationsökonomischen Grundlagen die Implikation "abgeleitet", daß die wirtschaftspolitisch entscheidende Größe nicht eine Geldmenge, sondern die "loanable funds" aller Finanzinstitutionen sind. 53 Daraus folgt unmittelbar, daß die Effizienz und die Stabilität des gesamten Finanzsystems nicht nur aus struktur-und ordnungspolitischen, sondern auch aus konjunktur- und wachstumspolitischen Erwägungen eine wichtige Zielgröße darstellt. Auch das leuchtet (mir) unmittelbar ein. Bei Blinder/Stiglitz kann der Eindruck entstehen, ihr Votum für eine nicht an Zinssätzen, sondern an Kreditvolumina ausgerichtete Makrosteuerung 50 Vgl. insb. B. S. Bernanke, Non-monetary Effects of the Financial Crisis in the Propagation ofthe Great Depression, in: American Economic Review, Vol. 73 (1983), S. 257-276. 51 Einen hervorragenden Überblick über den aktuellen Forschungsstand bietet M. Gertler, Financial Structure and Aggregate Economic Activity, in: Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 20 (1988), S. 559-588. 52 Warum Kreditpolitik wissenschaftlich nicht als wichtiges Thema und wirtschaftspolitisch nicht als wirksames Instrument zu gelten scheint, habe ich nie verstanden. Angesichts der wichtigen Rolle der Kreditpolitik innerhalb der IWF-Programme in Entwicklungsländern ist es auch schwer verständlich. 53 Vgl. A. S. Blinder, J. E. Stiglitz, Money, Credit Constraints, and Economic Activity, in: American Economic Review, Vol. 73 (1983), Papersand Proceedings, S. 297-302.
3 File/Köhler
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Reinhard H. Schmidt
folge allein aus dem Nachweis von Stiglitz/Weiss und anderen, daß Kreditrationierung ein Gleichgewichtsphänomen ist. Ein solcher Eindruck wäre falsch: Kreditrationierung ist unter bestimmten Annahmen möglich. Aber von dieser mikroökonomischen Möglichkeitsanalyse zu einer makroökonomischen Behauptung ist ein weiter Weg. Er ist bisher nicht zurückgelegt worden, und es ist fraglich, ob das als eine Abfolge streng logischer Schritte je möglich sein wird. Die meisten informationsökonomischen Modelle sind sehr speziell, ihre Ergebnisse können bei geringfügig erscheinenden Änderungen in den Annahmen "umkippen". 54 Die Aussagen sind meist nicht derart, daß sie sich zur Aggregation eignen würden. Ob es makroökonomisch belangvolle Kreditrationierung gibt, bleibt deswegen - zumindest vorerst - eine Frage des Glaubens oder der Überzeugung. Die Informationsökonomik bietet, wenn ich dies richtig sehe, dem Wirtschaftspolitiker weder mikroökonomisch streng fundierte allgemeine Gesetze noch Rezepte. Sie erspart ihm nicht die eigene Entscheidung, wie er die Welt sieht. Aber sie liefert ihm viele Argumente, warum er sie anders als der "Neoklassiker" sehen sollte. Mehr als Orientierung bietet ökonomische Theorie aber ohnehin selten, aber deren praktische Relevanz ist nicht zu unterschätzen. 55
54 Im Zusammenhang mit Kreditrationierung und dem Einsatz von Kreditsicherheiten wird dies von E. Terberger, Kreditvertrag, a.a.O., Kap. 4, und speziell bezüglich des Ergebnisses von Stiglitz/Weiss, von D. deMeze, D. Webb, Too Much Investment: A Problem of Asymmetrie Information, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. I 02 ( 1987), S. 281-292, gezeigt. 55 Neuere Untersuchungen über das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis betonen nachdrücklich diese Orientierungsfunktion allgemeiner und abstrakter Theorien; vgl. dazu G. Schor, Zur rationalen Lenkung ökonomischer Forschung, Diss. Trier 1989, Kap. C.
Aspekte der Ordnungs- und Prozeßpolitik in einer unsicheren Weltwirtschaft* Von Hans-J oachim Heinemann, Hannover 1. Alle reden vom Europäischen Binnenmarkt, der ab 1992/93 nach Meinung vieler hierzulande viel ändern wird, ob zum guten oder schlechten etwa im Sinne erhöhter Instabilität -ist strittig. Amerikaner sprechen von der Festung Europa, von der sie mehr Protektion gegenüber Drittländern und somit geringere Chancen für ihre Produkte befürchten. Der vor kurzem zu beobachtende Handelskonflikt zwischen den USA und der Europäischen Gemeinschaft bot vielleicht einen Vorgeschmack auf Kommendes, selbst wenn er manchen eher als grotesk erscheint und gesundheitspolitische Vorsorge möglicherweise (ähnlich wie beim Reinheitsgebot des deutschen Bieres oder den Streit um Hart- oder Weichweizenspaghettis) nur vorgetäuscht ist. Auch von Harmonisierung fiskal- oder tarifpolitischer Bedingungen ist häufig die Rede. Obwohl es sicher richtig ist, daß Volkswirtschaften mit einer hohen außenwirtschaftliehen Verflechtung Alternativen nicht mehr zur Verfügung stehen, die in geschlossenen oder nur wenig geöffneten Volkswirtschaften möglich erscheinen (zu denken sei an das in offenen Wirtschaften gegenüber dem Kostenargument von Lohnsteigerungen in den Hintergrund tretende Kaufkraftargument), ist vor übersteigerter Harmonisierungseuphorie zu warnen: die Ursachen für internationalen Handelliegen auf der Angebotsseite in unterschiedlichen Faktorproduktivitäten (Ricardo) und Faktorproportionen (Heckscher-Ohlin) begründet. Ihre "Harmonisierung" - ob durch Faktormobilität oder Produktivitätsunterschiede ausgleichenden Technologietransfer- mag für sich wohlfahrtssteigernd wirken, verringert aber zugleich möglicherweise die Handelsanreize. Während "natürliche" Unterschiede nicht harmonisiert werden sollen (niemand denkt - selbst nicht bei "anormaler" regionaler Schneeverteilung - aus touristischen Gründen an eine gleichmäßige Verteilung der in Österreich, der Schweiz und einzelnen Regionen der EG-Länder Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland konzentrierten Berge auf ganz Europ~ bzw. zumindest den EG-Raum insgesamt), bestand (in der Gründungsphase der EG in den aus-
* Ich danke meinen Mitarbeitern J. Cordes, D. Knies, St. Rasche und Dr. J. Wagner für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und den Teilnehmern dieses Symposiums, sowie den Teilnehmern der Tagung 1989 des Ausschusses für Außenwirtschaftstheorie und -politik für ihre Anregungen. 3•
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Hans-Joachim Beinemann
gehenden 50er Jahren) bzw. besteht heute die Vorstellung, "künstliche", gemeint sind politisch verursachte, Unterschiede möglichst auszugleichen, um Handelsverzerrungen zu beseitigen. Dieser Meinung liegt eine wissenschaftlich kaum haltbare Vorstellung von der Rolle des Staates als "Störenfried" des wirtschaftlichen Geschehens zugrunde. Öffentliche Güter wie verkehrsmäßige oder soziale Infrastruktur haben darin wohl keinen Platz. 1 Allerdings ist zu unterscheiden zwischen Belastungen, die durch den internationalen Preismechanismus ausgeglichen werden können und solchen, bei denen dieser keine Anpassungen bewirkt. Die Bedenken gegen eine zu weit gehende ex-ante Harmonisierung schließen freilich Einigungen über ordnungs- und stabilitätspolitische Rahmenbedingungen keineswegs aus, im Gegenteil: die internationale Güter- und Faktormobilität kann hierdurch nachhaltig gefördert werden, wie die Erfolge des GATT und- zumindest bis zum Ende der 60er Jahre- auch des IMF belegen. Daneben solltenjedoch i. d. R. Handels- und Faktorbewegungen für eine "ex post Harmonisierung" der unterschiedlichen Angebots- und Nachfragebedingungen sorgen. 2. Zu den traditionellen Argumenten für Zölle und andere Beschränkungen außenwirtschaftlicher Aktivitäten treten zunehmend Begründungen, die mit zunehmenden Skalenerträgen argumentieren oder stabilitätspolitische Bedenken gegen eine zu "weite" Marktöffnung äußern. Den ersten- vornehmlich aus den USA stammenden Überlegungen -liegen industriepolitische Forderungen zugrunde, die externe Vorteile des Unternehmenswachstums ins Feld führen, obgleich die Skaleneffekte i. d. R. rein interne Kosten und Erträge verursachen, auf die somit aus dem Erziehungszollargument begründbare Handelsbeschränkungen nicht zutreffen. 2 Stabilitätspolitische Argumente gegen eine unbegrenzte Öffnung der Märkte für Güter und Faktoren gehen von der wahrscheinlich zutreffenden Vermutung aus, daß mit zunehmendem Wohlstand das Interesse an weiterem Zuwachs an materiellen Gütern hinter das an Stabilität zurücktritt (Besitzstandswahrung, ausgedrückt im Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit oder Realvermögenssicherheit), auch wenn diese Präferenzen sicherlich unterschiedlich sind, wenn man z. B. die größere Flexibilität in den USA mit der Entwicklung in der Bundesrepublik vergleicht. 3 Solche Argumente können freilich nur überzeugen, wenn mit zunehmender internationaler Verflechtung tatsächlich das Stabilitätsrisiko steigt- wofür sicherlich manches spricht 4 1 Man stelle sich z. B. eine Anhebung der sozialen Infrastruktur Portugals auf unser Niveau vor; die Wettbewerbsfähigkeit Portugals bei arbeitsintensiven Produkten ginge weitgehend verloren, während die Bundesrepublik plötzlich zusätzliche Wettbewerbsfähigkeit in solchen Gütern erlangte. Vgl. zu diesen Überlegungen auch Magee ( 1987), S. 369, S. 376 und 387 ff. und Siebert (1989). 2 Vgl. hierzu Helpman u. Krugman (1985), G. Eliasson u. R. Portes (1987). 3 Ähnliche Überlegungen finden sich bei Gahlen (1987), S. 110 f., Hesse (1984), S. 161, Holzheu (1987) und Rothschild (1979, 1985). 4 Vgl. hierzu Überlegungen in den verschiedenen Beiträgen von H. Hesse.
Ordnungs- und Prozeßpolitik in einer unsicheren Weltwirtschaft
37
und wenn die Öffnung der Märkte keinen Spielraum verschaffen sollte, Stabilitätsbedingungen zu verbessern. Wäre nur die erste Einschränkung relevant, so könnte man analog zu dem Schluß kommen, Kartellabsprachen und sonstige Konzentrationen wirtschaftlicher Macht seien aus stabilitätspolitischer Sicht zu begrüßen, weil sie mit ihrenMarktein-und -austrittsschranken Unruhe durch zu starke Konkurrenz fernhielten.
3. Die letzten Gedanken sollen anhand eines einfachen Modells weiter verfolgt werden. 5 Die Transformationsfunktion zwischen Stabilität (A) und Wachstumsrate (r) sei (I)
Für die Wachstumsrate gelte die Beziehung (2)
wobei ro die Wachstumsrate bei fehlender außenwirtschaftlicher Verflechtung und m die für das Ausmaß der internationalen Wirtschaftsbeziehungen stehende Importquote bedeuten. Die gesellschaftliche Zielfunktion sei (3)
U= A~
r"'
Setzen wir (1) in (3) ein, so erhalten wir die Optimalwerte
JJ.+rl> 2JJ.+rl>
(4)
r=
(5)
A=
(6)
m= ( r- ro) -k hr0
+ rjJ) (2J.I. + r/>)2
J.l. (J.I.
A1
(rw '~O,
(1)
wobeiSt den realisierten Wechselkurs in t und X, die fundamentalen Einflußfaktoren gemäß einer spezifischen Wechselkurstheorie darstellen und E, (S, + 1) den erwarteten Wechselkurs in t + I auf Grund der in t verfügbaren Informationen bezeichnet. Alle Variablen sind in Logarithmen gemessen, so daß [E, (S, + 1)- S,] approximativ gleich der erwarteten prozentualen Veränderung des Wechselkurses ist. Der Parameter a hat je nach Modell eine unterschiedliche Interpretation. 18 Zur Vereinfachung der Analyse wurde auf die Einbeziehung einer stochastischen Störgröße in Gl. (I) verzichtet. Gemäß Gl. (I) ergibt sich mit b = a/ (1 +a) ao
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
75
00
(4)
S,=(1-b) ~ b;E,(X,+;).I 9 i=O
Der Wechselkurs in t wird demnach durch die in t beobachteten Werte der fundamentalen Einflußfaktoren X, (wegen E, (X,)= X,) und den in t gebildeten, geometrisch gewichteten Erwartungen bezüglich der künftigen Entwicklung der fundamentalen Einflußfaktoren bestimmt. Gleichung (4) beschreibt demnach den gleichgewichtigen Entwicklungspfad des Wechselkurses ohne spekulative Bubbles. Sie kann nur dann als Nullhypothese in empirischen Bubble-Tests verwendet werden, wenn die Erwartungen bezüglich der Entwicklung der fundamentalen Einflußfaktoren in Termini beobachteter Größen spezifiziert werden. Die Implikationen der Hypothese rationaler Erwartungen für die Wechselkursentwicklung können anband der folgenden Zerlegung verdeutlicht werden. Für die tatsächliche Veränderung des Wechselkurses gilt (6)
S, + I -
s, =
[E, (S, + I)- S,)
erwartete Veränderung des Wechselkurses
+
[S, + I - E, (S, + I)]
Erwartungsfehler
= "news" + "noise"
Unter Berücksichtigung von GI. (4) ergibt sich bei Vernachlässigung der "noise" -Komponente 00
(7)
s, +I- s, =
(1- b)
~ bi [E, Xt+i+l- E, Xt+i]
+
[Et+l Xt+i+l- E, Xt+i+i]
i=O
erwartete Veränderung der fundamentalen Einflußfaktoren
Veränderung der Erwartung
Die tatsächliche Veränderung des Wechselkurses ist demnach gleich dem Gegenwartswert der Summe der im Zeitpunkt t erwarteten Veränderung der fundamentalen Einflußfaktoren und der Veränderung der Erwartungen bezüglich der fundamentalen Einflußfaktoren. Der zweite Term ist den Marktteilnehmern zum Zeitpunkt t völlig unbekannt, da sie die Revision ihrer Erwartungen in t + 1 noch nicht kennen, die von neuen, d. h. zufällig in den Markt gelangenden Informationen abhängt. Die Hypothese rationaler Erwartungen hat für das Verhalten der Wechselkurse die folgenden wichtigen Implikationen: 20 19 Gleichung (2) stellt eine Differenzengleichung l. Ordnung dar, dessen partikuläre Lösung GI. (4) ist. 20 Vgl. hierzu Mussa (1979, S. 44; 1984, S. 20).
76 (i)
(ii)
(iii)
Werner Gaab Kleine Veränderungen der fundamentalen Einflußfaktoren können über die Beeinflussung der Erwartungen bezüglich der künftigen Entwicklung derselben große Einflüsse auf die tatsächliche Wechselkursentwicklung haben. So kann z. B. eine kleine Veränderung des Geldangebots Informationen enthalten, die zu einer relativ großen Revision der Erwartungen bezüglich der künftigen Entwicklung des Geldangebots und damit zu einer beträchtlichen unerwarteten Veränderung des Wechselkurses führt. Man bezeichnet diesen Sachverhalt auch als "magnification-effect". Die Wirkung einer gleich großen Veränderung der fundamentalen Einflußfaktoren kann über die Beeinflussung der Erwartungen im Zeitverlauf unterschiedliche Wirkungen auf den Wechselkurs haben. So kann z. B. eine Erhöhung der Geldmenge um einen bestimmten Betrag in verschiedenen Perioden - z. B. in Abhängigkeit von der Glaubwürdigkeit der Zentralbank - unterschiedliche Wirkungen haben. Das in vielen empirischen Studien gefundene Random-Walk-Verhalten der Wechselkurse ist theoretisch nur dann zu erwarten, wenn die fundamentalen Einflußfaktoren selbst einem Random-Walk folgen. Neue Informationen können jedoch die Wechselkursentwicklung dominieren, so daß die gemäß den fundamentalen Einflußfaktoren erwartete Komponente der Wechselkursentwicklung durch starkes "weißes Rauschen" derart überlagert wird, daß in empirischen Untersuchungen approximativ ein Random-Walk-Prozeß gefunden wird.
Es zeigt sich somit, daß Wechselkursveränderungen auch in einem informationseffizienten Markt eine hohe Variabilität aufweisen und diese nicht per se als Evidenz für ein Marktversagen interpretiert werden kann. Inwieweit diese Veränderungen exzessiv bzw. durch Bubbles geprägt sind, ist eine Frage, die nur mit Hilfe eines spezifischen Modells beantwortet werden kann. Damit tritt das Problem sämtlicher Bubble-Tests bzw. Tests auf Markteffizienz deutlich zutage. Sie hängen von den Annahmen des jeweiligen Modells ab. Eine Möglichkeit zur Reduktion dieser Problematik besteht darin, nicht das vollständige Wechselkursmodell zu schätzen, sondern nur relevante Bausteine desselben zu untersuchen. Damit kann das Problem des gleichzeitigen Testens mehrerer Hypothesen auf eine Analyse der für eine spezifische Fragestellung notwendigen Annahmen reduziert werden. Eine häufig untersuchte Implikation rationaler Erwartungen besteht darin, daß bei effizienter Informationsverarbeitung der Terminkurs die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich der künftigen Wechselkursentwicklung reflektieren sollte. Der Terminkurs ist jedoch nur dann ein unverzerrter Prediktor des entsprechenden künftigen Kassakurses, wenn inländische und ausländische Wertpapiere vollkommene Substitute sind- wie
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
77
dies in Modellen des sog. "Monetären" Ansatzes angenommen wird-, d. h., wenn die Marktteilnehmer risikoneutral sind, und wenn keine Informationsund Transaktionskosten existieren. Abweichungen zwischen Terminkurs und der entsprechenden Realisation des Kassakurses, d. h. F,, , + i - S, + i, werden deshalb unter Beibehaltung der Hypothese rationaler Erwartungen häufig auf die Existenz einer Risiko-Prämie bei risikoscheuem Verhalten der Marktteilnehmer zurückgeführt. Durch das Festhalten an der Hypothese rationaler Erwartungen und ohne Erklärung der Determinanten der Risikoprämie wird damitjedoch das Testproblem gegenüber anderen Erklärungsmöglichkeiten immunisiert. 21 Eine andere Interpretation ist natürlich, daß irrationale, d. h., von der Entwicklung der fundamentalen Einflußfaktoren losgelöste Erwartungen z. B. auf Grund extrinsischer Informationen die tatsächliche Wechselkursentwicklung dominieren und eine evtl. vorhandene Risikoprämie nur eine untergeordnete Rolle spielt. Im Anschluß an die Arbeit von Flood und Garher (1980) für Aktienkurse hat sich in der Literatur eine umfangreiche Diskussion darüber entwickelt, ob und unter welchen Umständen Abweichungen von dem durch die fundamentalen Faktoren determinierten Entwicklungspfad - d. h. insbesondere Bubbles- rational sein können. 22 Die Theorie rationaler Bubbles beruht auf der Tatsache, daß GI. (4) nur eine partikuläre Lösung der inhomogenen Differenzengleichung GI. (2) darstellt und die allgemeine Lösung sich aus der Summe einer partikulären (S*) und der Lösung des homogenen Teils der Differenzengleichung (S") zusammensetzt, d. h. für die allgemeine Lösung gilt (8)
Die allgemeine Lösung der Differenzengleichung (I) lautet demnach (9)
S,
.,
I b E, (Xt+i)
= (1 -b)
1
i
=0
+
(llb) 'z,,
21 Es ist hierbei zusätzlich jedoch anzumerken, daß Risikoneutralität per se nicht unbedingt eine Risiko-Prämie von Null impliziert, wie z. B. Frenkel und Razin (1980) anhand eines Zwei-Perioden-Optimierungsmodells des Erwartungsnutzens des Konsums mit stochastischen Güterpreisen aufgezeigt haben (Vgl. hierzu auch Frenkel (1986)). Weitere theoretische Abweichungsmöglichkeiten zwischen Terminkurs und erwartetem Kassakurs resultieren aus der Verteilungsannahme (Vgl. z. B. Frenkel (1979)) und dem sog. Siegel-Paradoxon (für eine Diskussion vgl. z. B. Gaab (1983, S. 236 f.). 22 Zur Diskussion der Existenz rationaler Bubbles auf Finanzmärkte vgl. z. B. Flood und Garber (1980, 1982, 1983, 1984}, Flood und Hodrick (1986), Blanchard (1979), Blanchard und Watson (1982), Diba und Grossman (1983, 1984, 1985), Obstfeld und Rogoff (1983, 1986), Farmer (1984) und speziell für Wechselkurse Dornbusch (1982}, Obstfeld (1985), Meese (1986), Franke! und Meese (1987), Singleton (1987). 23 Diese Mehrdeutigkeit der Lösung ist ein allgemeines Problem in Modellen mit
78
Werner Gaab
wobei z, ein beliebiger stochastischer Prozeß mit der Martingal-Eigenschaft (10)
darstellt. Der sich am Markt bildende Wechselkurs kann somit gemäß Gl. (8) von seinem fundamentalen Wert abweichen, ohne daß dadurch Gl. (l) verletzt wird. Da jedoch b < l ist, ergibt sich im Zeitverlauf eine zunehmende Abweichung, d. h. eine explosive Wechselkursentwicklung. Die Variable z, ist irgendeine beliebige extrinsische Information ("sunspots"), die über sich selbsterfüllende Erwartungen, selbst bei Konstanz der fundamentalen Einflußfaktoren, einen Bubble auslösen kann. Die Marktteilnehmer erwarten dann Wechselkurserhöhungen bzw. -reduktionen mit ständig zunehmender Veränderungsrate. Die Fundamentallösung ergibt sich nur für z, = 0. Diese Nichteindeutigkeit bzw. Unbestimmtheit der Lösung ist typisch für Modelle mit rationalen Erwartungen. Sie resultiert daraus, daß die Markträumung nicht nur über den Preis selbst sondern auch über den erwarteten Preis erfolgt, wobei jedoch nur eine Gleichgewichtsbedingung existiert. Es zeigt sich somit, daß rationale Erwartungen theoretisch nicht die Existenz von Bubbles ausschließen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob derartige Bubbles realistisch sind, d. h. ob u. U. Restriktionen existieren, die derartige rationale Bubbles unplausibel machen, so daß ihre Existenz faktisch ausgeschlossen werden kann. Die Bubbleiäsung (Gl. 8) entspricht natürlich nicht der beobachteten Wechselkursentwicklung, die zwar große Schwingungen, nicht aber eine explosive Entwicklung aufweist. Blanchard (1979) und Blanchard und Watson (1982) diskutieren Bubbles, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit platzen können, womit eine Rückkehr zum fundamentalen Entwicklungspfad möglich ist. Ein derartiger Prozeß für die extrinsische Variable z, hat z. B. die folgende Gestalt:
= = Ef.l.t = Zt
(11) mit
(l/7r)
+ f.l.t,
mit Wahrscheinlichkeit
1r
mit Wahrscheinlichkeit (1- 1r).
Jlt
0.
Zt- 1
24
In jeder Periode besteht eine Wahrscheinlichkeit rr, daß sich der Bubble fortsetzt und eine Wahrscheinlichkeit (1 - rr) für sein Platzen, wobei die durchschnittliche Dauerdes Bubbles (1- rrr 1 Perioden beträgt. Dabei kann rationalen Erwartungen, wobei häufig auf Grund von Plausibilitätsüberlegungen die instabile Lösung ausgeschlossen wird. (Vgl. hierzu z. B. McCallum (1983), Evans (1985)). 24 Es gilt E, (z, + ,) = 1r (z,ITT) +(I- 1r) 0 = z,, d. h. die Martingaleigenschaft ist erfüllt.
79
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
1r selbst wiederum z. B. mit der Länge des Bubbles oder mit der Größe der Abweichung vom fundamentalen Pfad variieren. 25
Als allgemeine Lösung des durch GI. (2) und GI. (11) beschriebenen Modells ergibt sich dann S, (I2)
"'
= (I -b) ~ b jE, X.+j + [1/ (b1r)] 'z,
mit Wahrscheinlichkeit
1r1
i=O
"'
= (I -b) ~ b jE, X,+j
mit Wahrscheinlichkeit I -
7T1•
i=O
Da b1r < b wächst der Bubble in (12) schneller als in (9). 26 Dieses Modell kann zwar erklären, wie es zu Umkehrungen in der Richtung der Wechselkursbewegungen kommen kann, nicht jedoch, wie ein derartiger Bubble zustande kommt. Wenn alle Marktteilnehmer rationale Erwartungen haben, d. h., das korrekte Wechselkursmodell kennen und die gleichen Informationen besitzen, so ist es schwer einzusehen, wie es überhaupt zu einer Entstehung des Bubbles auf Grund extrinsischer Informationen kommen kannY Hinzu kommt, daß es eine Reihe von Argumenten gibt, die ernsthafte Zweifel an einer Existenz rationaler Bubbles aufkommen lassen. 28 Auch die vorliegenden Beobachtungen über das Wechselkursverhalten sprechen nicht unbedingt für ein Modell mit rationalen Bubbles. Dies trifft sowohl für das Platzen eines Bubbles zu als auch für die relativ großen täglichen Wechselkursschwankungen. Außerdem kann das Modell nicht das approximative Random-Walk-Verhalten erklären. Dieses bedeutet nicht, daß damit allgemein die Existenz von Bubbles für wenig wahrscheinlich gehalten wird, sondern nur, daß andere bzw. modifizierte Hypothesen zu ihrer Erklärung notwendig sind, z. B. unter Einbeziehung heterogener Marktteilnehmer mit heterogenen Erwartungen. 29 Als ein hypothetisches Beispiel für eine Modeliierung von heterogenen Erwartungen kann z. B. die unterschiedliche Erwartungsbildung von Chartisten und Fundamentalisten herangezogen werden, denen von Marktteilnehmern in Befragungen eine gewisse Bedeutung für die Wechselkursentwick25
ble.
Dornbusch (1982, S. 583 ff.) gibt ein Beispiel für einen derartigen Wechselkurs-Bub-
26 Für eine Interpretation dieses Sachverhalts, der sich auch auf Wechselkurse übertragen läßt vgl. Rarnilton (1986, S. 548). 27 Diba und Grassman (1987) zeigen auf, daß bei Existenz eines Bubbles dieser von Anfang an vorhanden sein muß. Wegen E,- 1 (z,) = z,- 1 gilt für z,- 1 = 0 mit Wahrscheinlichkeit Eins, daß z, = 0 ist. 28 Für eine Diskussion der Plausibilitätsfrage rationaler Bubbles bei spekulativen Preisen vgl. z. B. Obstfeld und Rogoff(l986), Diba und Grassman (1985, 1987), Tirole (1985), Singleton ( 1987). 29 Vgl. hierzu z. B. die Diskussion in Singleton (1987).
80
WernerGaab
lung zugesprochen wird. Wenn unterstellt wird, daß Chartisten extrapolative Erwartungen und Fundamentalisten regressive Erwartungen haben, ergibt sich z. B. ein einfaches Modell der folgenden Art: 30 (13)
E, (S,
+
I - S,)
=
er. (S, I
s, - I) + ß(s; -
S,)
I
extrapolative
Erwartungen
I
regressive
Erwartungen
Eine Entfernung des tatsächlichen Wechselkurses von dem gleichgewichtigen Kurs (S) kommt dann zustande, wenn die extrapolativen Erwartungen der Chartisten die regressiven Erwartungen der Fundamentalisten dominieren. Dieses Modell erlaubt einige interessante Interpretationen: Für a = 0, ß>O ergeben sich regressive Erwartungen, die gemäß dem Dornbusch-Modell bei langsamer Anpassung der Güterpreise auch rational sein können. Andererseits können die sich bei ß = 0, a > 0 ergebenden "bandwaggon"-Effekte rational sein - wie die zuvor diskutierte Theorie rationaler Bubbles zeigt. Für a = ß = 0 ergeben sich statische Erwartungen, wie sie bei einem Random-Walk vorliegen. Die Parameter a und ß können in der Zeit variabel sein, so daß es möglich ist, daß sich die Gewichte der beiden Marktteilnehmer im Zeitverlauf verschieben. So ist es z. B. denkbar, daß kurzfristig extrapolative Erwartungen auf Grund einer technischen Analyse dominieren längerfristig sich jedoch regressive Erwartungen durchsetzen, weil immer mehr Marktteilnehmer mit zunehmender Dauer des Bubbles und mit zunehmender Abweichung des tatsächlichen Wechselkurses von seinem fundamentalen Wert eine Rückkehr zu diesem erwarten. 31 Bei der empirischen Analyse treten zwei weitere Probleme auf, die in der Literatur eine gewisse Beachtung gefunden haben und welche die Testproblematik noch weiter verdeutlichen: (i) die "Overshooting"-Hypothese und (ii) das "Peso"-Problem. In beiden Fällen können sich in empirischen Untersuchungen bubbleähnliche Abweichungen von dem fundamentalen Wechselkurspfad ergeben, die jedoch nicht auf spekulative Bubbles, sondern auf einer Fehlspezifikation des Modells bezüglich der Dynamik bzw. der Erwartungen basieren. Bei der Overshooting-Hypothese wird davon ausgegangen, Vgl. Franke) und Froot (1986b), Franke) und Meese (1987). Ein derartiges Modell wäre z. B. konsistent mit dem Ergebnis einer Untersuchung mit Hilfe von Survey-Daten von Franke) und Meese (1987), wonach sich Erwartungen mit relativ kurzem Zeithorizont als destabilisierend erwiesen haben, während sich bei längerfristigem Zeithorizont eher regressive Elemente ergaben. Auch in der Befragung der Group ofThirty (1985) kam zum Ausdruck, daß die technische Analyse vor allem zur kurzfristigen Prognose verwendet wird, während längerfristig fundamentale Einflußfaktoren eine größere Rolle spielen. 30
31
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
81
daß infolge unterschiedlicher Anpassungsgeschwindigkeiten der Finanz- und Gütermärkte der Wechselkurs bei einer Störung des Gleichgewichts infolge kurzfristiger Starrheit der Güterpreise seinen langfristigen Gleichgewichtswert überschießen kann, da er kurzfristig die gesamte Last der Anpassung zu tragen hat. 32 Dieses Überschießen ist umso ausgeprägter je langsamer sich die Anpassung der Gütermärkte vollzieht. Wenn diese Dynamik nicht korrekt spezifiziert wird, so besteht in empirischen Untersuchungen die Gefahr, daß dieses Überschießen als Bubble interpretiert wird. Ein Peso-Problem tritt dann auf, wenn der Markt eine Erwartung über ein Ereignis in der Zukunft, z. B. eine grundlegende Veränderung der Geldpolitik oder eine Änderung der Steuerpolitik hat, dieses dem Ökonometriker jedoch infolge fehlender Beobachtungen nicht bekannt ist. 33 Auf Grund dieser Erwartung kommt es in einem Modell der durch GI. (I) beschriebenen Art zu einer Veränderung des Zeitpfads des tatsächlichen Wechselkurses, und der Ökonometriker stellt eine Abweichung vom Fundamentalpfad fest, die er u. U. als Bubble interpretiert, obwohl eine Fehlspezifikation der Erwartungen, d. h. der fundamentalen Einflußfaktoren vorliegt. Außerdem ist in diesem Fall die bedingte Varianz des Wechselkurses größer als die sich aufgrundder fundamentalen Einflußfaktoren ergebende Varianz. Das PesoProblem ist typisch für Finanzmärkte bei Existenz von Erwartungen über relativ seltene Ereignisse, die zwar den Marktteilnehmern, nicht aber dem Ökonometriker bekannt sind. 34 Dieser Sachverhalt kann anband des obigen Standardmodells (GI. 9) wie folgt gezeigt werden, wobei zur Vereinfachung angenommen wird, daß E, (X,+ i) = Xo V i ist, d. h. es wird erwartet, daß die fundamentalen Einflußfaktoren unverändert bleiben. Unter Annahme eines deterministischen Bubbles (z, = Ao) lautet die allgemeine Lösung des Modells somit (14)
S,
= Xo + (1/b)
Ao.
1
Wenn nun die Marktteilnehmer jedoch erwarten, daß zum Zeitpunkt Tein Regimewechsel der Wirtschaftspolitik erfolgt, z. B. eine Erhöhung des Geldangebots, die zu einer Veränderung der fundamentalen Einflußfaktoren um DX= const. (D = Differenzenoperator) führt, so lautet die Fundamentallösung des Modells 35 Vgl. hierzu z. B. Dornbusch (1976). Vgl. zum Peso-Problem bei der Analyse von Wechselkursen z. B. Dornbusch (1982), Franke! und Meese (1987), Krasker (1980), Cumby und Obstfeld (1984), Lewis (1988). Flood und Garber (1980) sprechen in diesem Zusammenhang allgemein von "processswitching". 34 Vgl. Salant und Henderson (1978), Singleton (1987). 35 Vgl. hierzu auch Hamilton (1986). 32 33
6 File/Köhler
82
Werner Gaab
(15)
S,
= (1 -b)
I ~
b iE, (Xt+i)
+ (1 -
I ~
b)
b iEt+i (DX)
i :T- t
i =0
bzw. (16)
S,
= Xo + bT-t (DX)
und für bT (DX) = Ao ergibt sich dann (14)
St
= Xo + (1/b)
1
Ao.
Dieses bedeutet, daß die allgemeine Bubble-Lösung die gleiche Struktur wie die Fundamentallösung bei Existenz eines Peso-Problems aufweist. In empirischen Untersuchungen kann es deshalb leicht zu Fehlinterpretationen kommen. Je nach Weltanschauung kann ein empirischer Befund einer Abweichung von der Fundamentallösung dann als spekulativer Bubble oder als Implikation eines Peso-Problems interpretiert werden. Diese Argumentation läßt sich- wie Aarnilton und Whiteman ( 1985) und Aarnilton (1986) gezeigt haben- durch Erweiterung des Ausgangsmodells (1) um eine additive Komponente e, verallgemeinern, welche alle in X, nicht berücksichtigten fundamentalen Einflußfaktoren erfaßt, wie z. B. eine Risikoprämie, Schocks in der Geldnachfragefunktion oder die Veränderung von Steuergesetzen wie z. B. die beabsichtigte Einführung der Quellensteuer. Die Variable e, kann dann als Restgröße in einer entsprechenden Regressionsgleichung interpretiert werden. Das Ausgangsmodelllautet dann (1 ')
S, =X,
+ a [E, (S,. 1)- S,] + e,
mit der Fundamentallösung (4 ')
S,
= (1 -b)
I ~
i=O
b iE, (X,.i)
+
I b iE, (e,.i). ~
(1 - b) i
=0
Das zuvor diskutierte Peso-Problem kann somit als ein Spezialfall von (4 ') interpretiert werden. Diese Ausführungen machen deutlich, daß eine conditio sine qua non für die empirische Überprüfung von Bubbles oder der Exzessivität von Wechselkursschwankungen die korrekte Spezifikation der fundamentalen Einflußfaktoren einschließlich der Erwartungen ist. Ohne Kenntnis der "wahren" Struktur des Modells ist das Problem der empirischen Feststellung von Bubbles im Prinzip nicht lösbar. Aarnilton und Whiteman (1985) haben allgemein gezeigt, daß die Hypothese, daß Preise wesentlich durch extrinsi-
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
83
sehe Informationen beeinflußt werden, empirisch nicht testbar ist, wenn die Möglichkeit einer Fehlspezifikation nichtaprioriausgeschlossen wird, da" ... one can always relax restrictions on the dynamics of the fundamental driving variables so as to interpret what appears tobe a speculative bubble as instead having arisen from rational agents responding solely to economic fundamentals not observed by the econometrician. "36 4. Empirische Untersuchungen Da Bubbles oder allgemeiner Abweichungen der tatsächlichen Wechselkurse von der Fundamentallösung der Wechselkurse die Faktorallokation über eine Veränderung der Relativpreise beeinflussen und somit reale Wirkungen haben können, stellt sich natürlich die Frage, ob und wie häufig derartige Abweichungen in der Realität auftreten. Es gibt mittlerweile eine Reihe von empirischen Untersuchungen, die sich mit z. T. unterschiedlichen Methoden mit dieser Fragestellung beschäftigt haben. Es würde sicherlich zuweit führen, die einzelnen Beiträge im Detail zu diskutieren. Stattdessen sollen hier nur die grundsätzlichen Testideen und ihre Problematik aufgezeigt werden. Zunächst einmal ist festzustellen, daß eine direkte Schätzung von Gl. (9 oder 13) zwar wünschenswert, infolge der fehlenden Informationen über den Bubble-Prozeß jedoch nicht oder nur sehr schwer durchführbar ist. Man geht deshalb üblicherweise den umgekehrten Weg, indem die Nullhypothese getestet wird, daß kein Bubble vorliegt. Dabei können unterschiedliche Testansätze unterschieden werden.
4.1 Integrations-Tests Ein einfaches Verfahren, das von Diba und Grossman (1984) und Hamitton und Whiteman ( 1985) vorgeschlagen wurde, basiert auf einem Vergleich der Stationaritätseigenschaften der fundamentalen Einflußfaktoren und des Wechselkurses. Die Null-Hypothese, daß kein Bubble vorliegt, ist dann erfüllt, wenn die Ordnung der Differenzenbildung zur Erreichung von Stationarität des Wechselkurses nicht größer ist als die Ordnung der Differenzenbildung zur Erreichung von Stationarität der fundamentalen Einflußfaktoren, d. h. es werden die Differenzen (1- L) "St und.(1- L) kXt miteinander verglichen 37 , wobei die erwarteten Werte der fundamentalen Einflußfaktoren gemäß der Hypothese rationaler Erwartungen bzw. vollkommener Voraus36 37
6*
Hamilton und Whiteman (1985, S. 354). L bezeichnet den Iag-Operator mit L k z, = z,- k·
84
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sieht durch ihre beobachteten Werte ersetzt wurden, d. h. es ist Et (Xt + i) = Xt + i, und eine konstante Zeitreihenstruktur angenommen wurde. Wenn n = k ist, d. h. wenn St und X, mit der gleichen Ordnung integriert sind, dann spricht dieses für die Vermutung, daß kein Bubble vorliegt. Die Stationarität wird anband der Autokorrelationsfunktion bzw. mit Hilfe der Spektralanalyse geprüft. Barnilton und Whiteman ( 1985) betonen, daß die Stationaritätsanalyse die einzige beobachtbare Implikation des Modells ( 1) zur Überprüfung der Nullhypothese ist. Dieses ist natürlich ein sehr grobes Verfahren von geringer Mächtigkeit, da die einzelnen Zeitreihen in der Regel bereits nach einmaligem differenzieren stationär erscheinen. 38 Statistische Probleme treten dabei vor allem dann auf, wenn Wurzeln von Eins in den Zeitreihenprozessen auftreten und bei Vorliegen kleiner Stichproben. Auf einer Analyse der Stationarität basiert auch der Test auf Kointegration des Wechselkurses und der fundamentalen Einflußfaktoren. Kointegration zwischen verschiedenen Variablen liegt dann vor, wenn jedes Element einer Vektorzeitreihe qt zur Erreichung von Stationarität genau d-mal differenziert werden muß, eine Linearkombination dieser Zeitreihen jedoch nur (d-b)-mal. 39 Kointegration bedeutet, daß zwischen diesen Variablen eine langfristige stochastische Gleichgewichtsbeziehung besteht. Für das grundlegende Wechselkursmodell (2) bedeutet dieses, daß bei Annahme rationaler Erwartungen und Stationarität der 1. Differenzen desWechselkursesSt und der fundamentalen Einflußfaktoren X, die Linearkombination Zt dieser Variablen mit Zt
= S, -
(1 - b) X, - bS,
+ I
stationär ist, wobei Zt als gleichgewichtiger Fehler interpretiert werden kann. Wenn der Wechselkurs und die fundamentalen Einflußfaktoren kointegriert sind, dann kann kein Bubble vorliegen. Meese (1986) findet für den DM/$-, f/$ und~/$- Kurs für die Periode 1973(10)- 1982(11) keine Kointegration und schließt daraus, daß diese Ergebnisse konsistent mit der möglichen Existenz von Bubbles sind. 4.2 Spezifikations-Test
Die folgende für Aktienkurse entwickelte Testidee geht auf West (1987) zurück. 40 Ausgangspunkt bilden die beiden Gleichungen 38 Zur Kritik dieses Verfahren vgl. Meese (1986), der anhand einer Monte-Cario-Analyse gezeigt hat, daß mit diesem Verfahren Bubbles mit einer Crash-Wahrscheinlichkeit nur sehr schwer nachzuweisen sind. 39 Vgl. hierzu Engle und Granger ( 1987).
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
S,
(2)
= (l -
b) X,+ bE, (S,
+
85
1)
und die Fundamentallösung des Modells (4)
Si= (I- b\~ ;E, (X,+;).
Um die Parameter in beiden Modellen schätzen zu können, müssen die nichtbeobachtbaren Erwartungsgrößen in beiden Gleichungen durch beobachtbare Größen ersetzt werden. GI. (2) kann bei rationalen Erwartungen mit Hilfe der McCallum (1976)-Methode geschätzt werden, wobei Et (St + 1) durch den beobachteten Wert St + 1 abzüglich eines Prognosefehlers ersetzt wird. Der Parameterb kann mit Hilfe eines Instrumental-Variablen-Schätzers konsistent geschätzt werden, selbst bei Existenz eines Bubbles. Zur Berechnung der erwarteten fundamentalen Einflußfaktoren Et (Xt + 1) wird für Xt ein Vektorautoregressives (VAR) System geschätzt und unter Annahme der strukturellen Stabilität werden dann mit Hilfe der Hansen/ Sargent (1980)-Prognoseformeln die Erwartungswerte durch die Prognosewerte substituiert. Die Parameter der daraus resultierenden Fundamentallösung können dann geschätzt werden. Der Trick bei diesem Test liegt darin, daß die Schätzwerte für die Parameter in GI. (4) nur unter der Nullhypothese, daß keine Bubbles vorliegen, konsistent sind, während die Schätzung von GI. (2) mit Hilfe der McCallum-Methode auch bei Existenz von Bubbles konsistente Schätzwerte liefert. Beide Schätzgleichungen können dann mit Hilfe des Hausman (1978)-Spezifikations-Tests auf Unterschied getestet werden. Meese (1986) hat diesen Test fürden DM/$-Kurs und den :EI$- Kurs für die Periode 1973(10)-1982(11) auf der Basis des Extremmodells des monetären Ansatzes verwendet und findet in beiden Fällen eine Ablehnung der Nullhypothese. Das Hauptproblem bei diesem Test liegt darin, daß die Fehlspezifikation des Wechselkursmodells, der Erwartungen und/oder des VAR-Sytems einschließlich der Annahme der Strukturkonstanz u. U. als Bubble interpretiert wird. Diese Tests sind deshalb nur dann sinnvoll, wenn man einigermaßen sicher sein kann, daß das verwendete Modell nicht fehlspezifiziert ist. Deshalb sind derartige Tests bei der Analyse von Wechselkursen besonders problematisch. Mattey und Meese (1986) haben außerdem mit Hilfe einer Monte-Cario-Studie gezeigt, daß - im Kontext von Aktienkursen - der Spezifikations-Test bei Vorliegen kleiner Stichproben nicht sehr aussagekräftig ist. Dieses gilt vor allem im Vergleich zu nichtparametrischen BubbleTests.
4
° Für eine Anwendung auf Wechselkurse vgl. Meese (1986).
86
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4.3 Varianzgrenzen-Tests
In einer Reihe von Arbeiten wurden in Anlehnung an die von Shiller ( 1979, 1981 ), LeRoy und Porter ( 1981) und Singleton ( 1980) für Wertpapierrenditen und Aktienkurse entwickelten Testideen sog. Varianzgrenzen-Tests für Wechselkurse entwickelt. 41 Dabei geht es darum, die durch die jeweiligen Wechselkursmodelle implizierten Varianzgrenzen zu berechnen und mit der Varianz der tatsächlichen Wechselkursentwicklung zu vergleichen. Ausgangspunkt der Varianzgrenzen-Berechnungbildet dabei in der Regel ein Modell der durch GI. ( 1) beschriebenen Art, wie es für sich auf spekulativen Finanzmärkten bildenden Preisen typisch ist. Bei vollkommener Voraussicht der Marktteilnehmer, d. h. EtXt + i = Xt + i ergibt sich ex post als Fundamentallösung (17)
"'
s~ = (1 -b) ~ b ix,+j. i=O
Da bei rationalen Erwartungen ohne Existenz von Bubbles die tatsächliche Wechselkursentwicklung (St) von der Fundamentallösung nur durch einen stochastischen Fehlerterm (ut) abweicht, d. h., daß St = S~ + Ut ist, ergibt sich bei Unabhängigkeit von S~ und Ut- d. h. es gilt cov (S~. Ut) = 0- als obere Grenze die Ungleichung (18)
var (S,)::; var (S~). 42
Wenn diese Ungleichung nicht erfüllt ist, so ist eine mögliche Interpretation die Existenz von Bubbles. Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, ist dieses jedoch nicht die einzige Interpretationsmöglichkeit, wenn die Möglichkeit einer Fehlspezifikation existiert. Gleichung (18) zeigt auch, daß es nicht zulässig ist, die Varianz einzelner fundamentaler Einflußfaktoren mit der Varianz der beobachteten Wechselkurse zu vergleichen - wie dieses nicht selten in der Diskussion über die Exzessivität von Wechselkursschwankungen getan wird. Es muß jeweils die Modellstruktur der fundamentalen Einflußfaktoren berücksichtigt werden. Ein Hauptproblem bei der Durchführung von Varianzgrenzen-Tests dieser Art liegt in der Berechnung des fundamentalen Wechselkurspfades bei vollkommener Voraussicht, d. h. von S~. 43 Da bei empirischen Untersuchun41 Vgl. hierzu z. B. Huang (1981), Meese und Singleton (1983), Van der Kraats und Booth (1983). Für eine Diskussion und Kritik vgl. Levich (1985), Diba (1987). 42 Es muß hierbei natürlich vorausgesetzt werden, daß die Varianzen endlich sind. D1eses bedeutet, daß die Modelle erst so zu transformieren sind (z. B. in 1. Differenzen), daß diese Bedingung gewährleistet ist.
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
87
gen nur endlich viele Beobachtungen über die künftige Entwicklung der fundamentalen Einflußfaktoren vorliegen, wird häufig als Proxy-Variable fürs~
(19)
•
r-t
t .
S, =(I - b) '- b 'Xt+i
+ bT _,Sr
i=O
berechnet, wobei natürlich Informationen über die Parameter des Modells vorliegen müssen. Unter Berücksichtigung von Gl. (17) und Gl. (19) ergibt sich (20)
S, = s~ + br-
t
(Sr- S~),
wobei Sr- Si gemäß Gl. (8) bzw. Gl. (9) gleich dem Wert des Bubble-Terms zum Zeitpunkt t = T, nämlich (1/b)r zr, ist. Die Proxy-Variable S, ist somit nicht bubble-frei, sondern von der Entwicklung des Bubbles von t bis Tabhängig. Aus einer Verletzung der Ungleichung (21)
var (S,)::::; var (S,)
kann deshalb- selbst wenn das Modell korrekt ist- nicht auf einen Bubble geschlossen werden. Auf dieses Problem haben Flood und Hodrick ( 1986) im Kontext der Analyse von Aktienkursen aufmerksam gemacht. Für die von Huang (1981) und Van der Kraats und Boothe (1983) für verschiedene Wechselkurse durchgeführten Varianzgrenzen-Tests, gilt die Flood/Hodrick-Kritik analog, obwohl diese Autoren eine etwas andere Transformation von Gl. (4) bei der Ableitung der Varianzgrenzen verwenden. In beiden Arbeiten wird eine Verletzung der Varianzgrenzen gefunden und als Hinweis auf die Existenz von Bubbles interpretiert. Diba (1987) hat jedoch schlüssig aufgezeigt, daß die obigen Autoren bei der Berechnung der Varianzgrenzen jeweils ein Fehler bezüglich der Größenordnung der SemiZinselastizität unterlaufen ist, und daß bei Korrektur dieses Fehlers die Nullhypothese nicht verworfen werden kann. West (1984, 1986) hat einen Varianzgrenzen-Test zur Feststellung von Bubbles entwickelt, welcher der Flood/Hodrick-Kritik nicht ausgesetzt ist. Der Test basiert auf der Überlegung, daß ohne Bubbles die Varianz der Innovationen der Prognosen des Marktes kleiner oder wenigstens gleich den 43 Vgl. hierzu und zu einer Diskussion statistischer Probleme bei der Durchführung derartiger Varianzgrenzen-Tests Flavin ( 1983), Le Roy ( 1984), Mankiw, Rom er u. Shapiro (1985), Kleidon (1986), Mattey und Meese (1986).
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Innovationen der Prognosen auf Basis der Informationsmenge H, ist, welche eine Untermenge der Informationsmenge des Marktes ist, d. h. es gilt (22)
var [E, (S,)- E,- 1 (S,)] ::S [E, (S, I H,)- Et-1 (S,j H,- 1)],
wobei nur die Innovationen des Marktes (linke Seite) durch Bubbles beeinflußt werden. Die Varianz der Innovationen des Marktes kann z. B. durch Schätzung von GI. (2) mit Hilfe der bereits erläuterten McCallum-Methode berechnet werden, die rechte Seite mit Hilfe der Schätzung eines VAR-Systems.44 Die Berechnungen von West (1986) auf der Basis des oben skizzierten Standardmodells des monetären Ansatzes - allerdings unter Annahme einer verzögerten Anpassung in der Geldnachfragefunktion - weisen keine Verletzung der obigen Ungleichung aus, d. h. die Nullhypothese, daß Bubbles die Wechselkursentwicklung nicht beeinflußt haben, kann nicht verworfen werden. 45 Für alle Varianzgrenzen-Testszur Überprüfung von Bubbles gilt natürlich die allgemeine Kritik, daß diese jeweils einen gleichzeitigen Test der RubbleHypothese und der Möglichkeit der Fehlspezifikation des Modells bezüglich der fundamentalen Einflußfaktoren, der Erwartungen und der Dynamik darstellen, so daß bei einer Ablehnung der Nullhypothese die Ursache unklar ist. Insgesamt gesehen sind diese Tests zum Auffinden von Bubbles doch äußerst problematisch, zumal kein Konsens bezüglich eines Wechselkursmodells besteht und die verwendeten Parameterschätzungen sehr unsicher sind. 4.4 Analyse der Erwartungsfehler
Eine wesentliche Implikation rationaler Erwartungen besteht darin, daß bei Risikoneutralität der Marktteilnehmer und Nichtexistenz von Transaktions- und Informationskosten, die Erwartungsfehler "white-noise" sind, d. h., es gilt (23)
S,- E,- 1 (S,) = v,,
E (v,)
= 0, var (v,) = a~
cov (v, v,)
= 0 V t :f s
Da sich die allgemeine Lösung des Modells (2) aus der Fundamentallösung
(S*,) und einem Rubble-Term (B,) zusammensetzt, d. h. es ist
Für Einzelheiten bezüglich des relativ aufwendigen Rechenwegs vgl. West (1986). Für eine weitere Untersuchung für verschiedene Wechselkurse unter Verwendung der Testidee von West, jedoch mit einem anderen Rechenweg zur Ermittlung der beiden Varianzen, vgl. Meese ( 1986). Für die Diskussion weiterer Testmöglichkeiten vgl. Mankiw, Romer und Shapiro (1985), Mattey und Meese (1986). 44 45
Erkennen spekulativer Bubbles an den Devisenmärkten
89
s, = s*, +B,,
(24)
ist der Erwartungsfehler "' gleich der Summe aus den Innovationen in den fundamentalen Einflußfaktoren (~,) und der Innovation im BubbkTerm (t:,). Es ist demnach (25)
s, -
E, - I (S,)
= P.t + ~.
I b i [E, (X,+, (X+i)] ~
mit p., =(I -b)
i =0
und
~~
= B, -
E, (B,).
Solange ein Bubble anhält, weisen zeitlich aufeinanderfolgende Innovationen im Bubble-Term über eine längere Periode tendenziell die gleichen Vorzeichen und bei einem Platzen das umgekehrte Vorzeichen auf. Wenn man als Run eine Folge von Realisationen einer Zufallsvariable mit dem gleichen Vorzeichen bezeichnet, so sind Runs bei Existenz eines Bubbles länger als bei einem reinen Zufallsprozeß, d. h. die Anzahl von Runs ist insgesamt geringer und die Verteilung ist schief. Das Platzen von Bubbles resultiert außerdem in großen Ausreißern, so daß die Verteilung der Innovationen des Bubble-Terms fette Enden aufweist, d. h. die Verteilung Ieptakurtisch ist. 46 ' 47 Die Berechnung von Schiefe und Exzeß der Stichprobenverteilungen der Erwartungsfehler sowie die Durchführung sog. Runs-Tests können unter bestirnten Voraussetzungen Hinweise auf die Existenz von Bubbles liefern. 48 Die Durchführung dieser Tests setzt die Kenntnis des erwarteten Wechselkurses voraus. Dieser kann einerseits auf der Basis eines spezifischen Modells in Form der modellkonsistenten Prognosen ermittelt werden, die Mehrzahl der Untersuchungen verwendetjedoch den Terminkurs als erwartungstreuen Prediktor für den entsprechenden künftigen Kassakurs. Vgl. hierzu z. B. Blanchard und Watson (1982). Auch eine Analyse der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Wechselkursveränderungen kann erste Hinweise auf ein Vorliegen von Bubbles liefern. Es ist u. E. heute ein empirisch gesichertes Ergebnis, daß tägliche Wechselkursveränderungen leptokurtische Verteilungen, d. h. eine geringe Zahl relativ großer Veränderungen aufweisen, wie dies bei einem Platzen von Bubbles der Fall ist. (Vgl. hierzu z. B. Westerfield (1977), Friedman und Vandersteel (1982), Gaab (1983), Diehold (1988)). Bei zeitlicher Aggregation verschwinden jedoch die fetten Enden in den Verteilungen woraus sich u. U. auf eine vergleichsweise kurze Lebensdauer der Bubbles schließen läßt. (Vgl. hierzu Gaab (1983), Diehold (1988)). 48 Neben diesen Tests können eine Reihe weiterer nicht-parametrischer Tests bezüglich der Phasenhäufigkeit und Phasenlänge gegenüber einem reinem Zufallsprozeß als Nullhypothese durchgeführt werden. Vgl. hierzu z. B. Gaab (1983, S. 145 ff.). 46
47
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Bei Annahme rationaler Erwartungen, Risikoneutralität und Vernachlässigung von Transaktionskosten gilt (26)
und damit für den Erwartungsfehler (27)
v,
= s, -
F, -
I . ,,
dessen Verteilung mit den obigen Verfahren analysiert werden kann. Eine Voraussetzung dafür, daß mit Hilfe dieser Tests auf Bubbles geschlossen werden kann, besteht gemäß Gl. (27) darin, daß die Verteilung der Innovationen in den fundamentalen Einflußfaktoren (~,)symmetrisch ist, was nicht ohne weiteres angenommen werden kann - vor allen Dingen dann nicht, wenn neue Informationen über die fundamentalen Einflußfaktoren nicht kontinuierlich sondern gebündelt in den Markt gelangen. 49 Wesentlich gewichtiger ist jedoch der Einwand, daß bei Existenz von Risiko-Aversion der Teminkurs kein erwartungstreuer Prediktor für den erwarteten Kassakurs ist, d. h. daß Gl. (26) bei Berücksichtigung einer Risikoprämie nicht gilt. Es gibt mittlerweile eine immense Literatur zu der Frage der Existenz einer Risikoprämie, wobei in der überwiegenden Mehrheit der empirischen Arbeiten die äußerst schlechten Prognoseeigenschaften des Terminkurses auf die Existenz einer Risikoprämie zurückgeführt werden. 50 Wir halten deshalb die oben beschriebenen Tests ohne explizite ModelIierung und Berücksichtigung einer Risikoprämie für wenig aussagekräftig bezüglich der Feststellung von Wechselkursbubbles. Dieses gilt auch für die Untersuchung von Evans ( 1986), der für den $/f-Kurs mit Hilfe eines interessanten Runs-Tests eine Ablehnung der Null-Hypothese findet, sich jedoch der Schwierigkeiten, die bei der Interpretation dieses Ergebnisses auftreten, bewußt ist. Diese Problematik könnte bei Verwendung von Survey-Daten bezüglich von Wechselkurserwartungen vermieden werden, da dabei die Existenz einer Risikoprämie keine Rolle spielt. 5 1
Vgl. hierzu Shiller ( 1981 ). Hansen und Hodrick (1980, 1983), Hodrick und Srivastava (1984), Fama (1984), Gaab, Granziol und Horner (1986) z. B. finden bei Unterstellung rationaler Erwartungen einen relativ großen Einfluß der Risikoprämie. Diese Interpretation setzt jedoch voraus, daß die Erwartungen auch rational sind. Franke! und Froot ( 1986a) gelangen mit Hilfe von Survey-Daten bezüglich Wechselkurserwartungen zu dem Ergebnis, daß der Prognosefehler des Terminkurses nicht nur durch eine Risikoprämie als einzigen Grund erklärt werden kann, sondern auch durch die Existenz exzessiver Spekulation. 51 Vgl. Franke! und Froot (1986a). 49
50
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4.5 Filter-Analyse
Eine weitere Testmöglichkeit auf Bubbles bietet die sog. FilteranalyseY Dabei wird mit Hilfe von Kauf- und Verkaufsregeln, die unabhängig von fundamentalen Einflußfaktoren sind, untersucht, ob außergewöhnliche Gewinnmöglichkeiten in dem untersuchten Markt bestanden haben. Wenn der Markt informationseffizient ist, so ist es nicht möglich, durch Kauf und Verkaufvon Devisen eine Rendite zu erzielen, die größer als die Marktrendite ist. Eine derartige Filter-Regellautet etwa wie folgt: Wenn- ausgehend von einem lokalen Minimum- der Wert der DM gegenüber dem US-$ um X% steigt, dann kaufe und verkaufe, wenn er um Y % gegenüber einem lokalen Maximum sinkt. Ein wesentliches Problem bei der Filteranalyse besteht u. a. in der Ermittlung der Marktrendite unter Einbeziehung von Risiko und Transaktionskosten, um außergewöhnliche Gewinnmöglichkeiten feststellen zu können. 53 Dieses ist deshalb von Bedeutung, weil auch für reine Zufallsprozesse profitable Filter gefunden werden können. 54 Wenn die Wechselkursentwicklung durch Bubbles beeinflußt wird, dann führen Filterregeln zu außergewöhnlichen positiven Gewinnen. Ein Vorteil der Filteranalyse gegenüber der Regressionsanalyse besteht darin, daß sie nicht an reguläre Zeitintervalle gebunden ist und vor allem, daß die zufälligen Einflüsse, welche einen evtl. vorhandenen irregulären Trend überlagern, herausgefiltert werden. Bei der Regressionsanalyse besteht dagegen infolge der äquidistanten Zeitintervalle immer die Gefahr, daß eine irreguläre Trendkomponente derart durch Zufallseinflüsse überlagert wird, daß sich approximativ ein Random-Walk-Verhalten der analysierten Zeitreihe ergibt. Auch für Wechselkurse liegen eine Reihe von derartigen Filteranalysen vor, wobei in nahezu allen Studien profitable Filterregeln gefunden und dahingehend interpretiert werden, daß der Markt ineffizient ist. 55 Eine derartige Interpretation der Ergebnisse ist jedoch nicht unproblematisch, da in den meisten Arbeiten keine Risikoprämie berücksichtigt wird. Es ist deshalb unklar, ob die außergewöhnlichen Gewinne auf Bubbles oder auf Risikoüberlegungen zurückgeführt werden können. Sweeny ( 1986) weist zwar auch bei Berücksichtigung einer Risikoprämie auf der Basis eines Capital Asset Pricing-Modells außergewöhnliche Gewinne der Filterregeln aus, unterstellt aber Konstanz derselben. Inwieweit diese Ergebnisse u. U. auf eine in der Zeit variable Risikoprämie zurückzuführen sind - wie dieses aufgrund der ErDie Filteranalyse geht auf Alexander (1964) zurück. Für eine Diskussion unterschiedlicher Ansätze vgl. Sweeny (1986). s• Vgl. Cargill und Rausser (1975). ss Vgl. z. B. Poo1e (1967), Logue, Sweeny und Willett (1978), Dooley, Cornell und Dietrich (1978) und Shafer (1983). 52
53
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gebnisse einer zunehmenden Anzahl von Untersuchungen angenommen werden kann- ist fraglich. Die Gewinne aus der Filter-Analyse weisen auf eine positive Autokorrelationsstruktur hin, die im Zeitverlauf nicht konstant ist, da sich sonst nicht approximativ das Random-Walk-Verhalten der Wechselkurse ergeben würde. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß trendmäßige Entwicklungen sowohl durch Peso- und Overshooting-Szenarien als auch durch Interventionen der Zentralbanken hervorgerufen werden können und damit die Gefahr einer Interpretation als Bubble besteht. 56 Schließlich sind auch die Filtergewinne nicht unabhängig von Peso- und Overshooting-Problemen, die ebenfalls zu bubbleähnlichen Entwicklungen führen. Dieses bedeutet, daß auch mit Hilfe der Filter-Analyse- obwohl dieses zunächst so scheint- keine eindeutigen Aussagen möglich sind, da zur Bestimmung der Marktrendite unter Einbeziehung von Risikoüberlegungen wiederum ein Wechselkursmodell notwendig ist.
5. Schlußbetrachtung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Stand unseres heutigen Wissens nicht ausreicht, eine definitive Aussage darüber zu machen, ob die seit 1973 beobachteten Fluktuationen der Wechselkurse z. T. durch Bubbles erklärt werden können, wie groß gegebenenfalls deren Einfluß war und wie sie zustandegekommen sind. Die Mehrzahl der empirischen Untersuchungen kommt zwar zu dem Ergebnis, daß die Nullhypothese, - d. h. (i) es liegen keine Bubbles vor und (ii) das den Untersuchungen zugrundeliegende Modell ist korrekt - abgelehnt werden kann, es ist jedoch vom wissenschaftlichen Standpunkt her nicht legitim, diese Ablehnung unbedingt der Existenz von Bubbles anzulasten, solange die Möglichkeit einer Fehlspezifikation des Modells nichtaprioriausgeschlossen wird. Bubbles sind immer modellspezifisch, da sie Abweichungen der tatsächlichen Wechselkursentwicklung von den Prognosen des Modells darstellen. Nach dem heutigen Stand der Forschung gibt es kein Wechselkursmodell, über das ein allgemeiner Konsens existiert, so daß ein hohes Risiko dabei besteht, eine Ablehnung der Nullhypothese als Beweis für die Existenz von Bubbles zu interpretieren. Bubbleähnliche Entwicklungspfade der Wechselkurse können sich auch in Reaktion auffundamentale Einflußfaktoren ergeben, wie dieses die Overshooting-Hypothese und das "Peso"-Problem aufzeigen. Die adäquate Modeliierung der Dynamik und der Erwartungen spielen deshalb bei empirischen Untersuchungen eine ganz zentrale Rolle. 56 Es ist allerdings auch möglich, daß Interventionen und Bubbles den Wechselkurs gleichzeitig in die gleiche Richtung beeinflussen. Im Zuge der 1985 einsetzenden DollarAbwertung haben die Zentralbanken kein "leaning against the wind" betrieben, sondern zur Rückbildung einer vermuteten Überbewertung des Dollars mit dem Trend interveniert.
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Damit sind auch Aussagen über eine Überbewertung oder Unterbewertung einer Währung- wie sie in den letzten Jahren von einigen Zentralbanken und auch bekannten Nationalökonomen zu vernehmen waren- äußerst kritisch zu bewerten, da sie die Vorgabe von Kenntnissen über den fundamentalen Entwicklungspfad der Wechselkurse beinhalten. Derartige Interpretationen sind schon deshalb problematisch, weil sie den Fehler in der mangelhaften Erklärung der Wechselkursentwicklung nicht dem Modell, sondern den Daten anlasten. Ich glaube aber, daß wir in erster Linie nicht bessere Daten benötigen, obwohl dieses natürlich auch wünschenswert wäre, sondern bessere Wechselkursmodelle, wobei es m. E. nicht darum gehen kann, die bestehenden Wechselkursmodelle mit vollkommenen homogenen Informationen und rationaler Informationsverarbeitung weiter zu komplizieren. In diesem Zusammenhang spielt m. E. die Frage einer adäquaten Modeliierung der Erwartungen eine ganz zentrale Rolle und hierbei vor allem, ob die Hypothese rationaler Erwartungen in ihrer strengen Form aufrechterhalten werden kann. Direkte Befragungen der Marktteilnehmer bezüglich der Bildung ihrer Erwartungen und die Analyse von Survey-Daten über Erwartungen lassen eher auf eine Heterogenität der Erwartungen schließen, wobei zumindest kurzfristig auch irrationale und massenpsychologische Einflüsse eine Rolle zu spielen scheinen und dieses umso eher je unsicherer die Erwartungen sind, während längerfristig fundamentale Einflußfaktoren mit einem größeren Gewicht in die Erwartungsbildung einfließen. Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Wirtschaftspolitik spielen kann, damit sich die Erwartungsbildung und damit die Wechselkursentwicklung stärker an den ökonomischen Grundtatbeständen orientiert. Die Beantwortung dieser Frage hängt natürlich wesentlich von der Diagnose bezüglich der Bestimmungsgründe der Wechselkursentwicklung ab, die- wie die obigen Ausführungen gezeigt haben- mit einer großen Unsicherheit verbunden ist. Wenn die empirischen Untersuchungen dahingehend interpretiert werden, daß die Wechselkursentwicklung zeitweise durch Bubbles dominiert wird, so kann daraus eine Rechtfertigung für eine aktive Wechselkurspolitik abgeleitet werden. Es sind in den letzten Jahren eine Reihe von Varschlägen zur Erreichung einer stabileren Wechselkursentwicklung in der Literatur diskutiert worden, wie z. B. die internationale Koordinierung der Wirtschaftspolitik, die Schaffung von Zielzonen, die Einführung fester Wechselkurse zwischen den wichtigsten Weltwährungen, die Einrichtung eines unabhängigen Interventionsfonds und die Besteuerung von Devisentransaktionen. 57 Unabhängig davon wie man zu den einzelnen Vorschlägen steht, kann davon ausgegangen werden, daß ihr Erfolg davon abhängt, inwieweit es gelingt, die Unsicherheit 57
Für eine Diskussion dieser Vorschläge vgl. Dornbusch und Franke! (1987).
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der Marktteilnehmer abzubauen und ein stabileres Umfeld für die Erwartungsbildung zu schaffen.
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Finanzinnovationen und internationaler Kooperationsbedarf in der Geldpolitik Von Peter Bofinger, Stuttgart I. Einleitung
Die Diskussion über die geldpolitischen Implikationen von Finanzinnovationen ist bisher fast ausschließlich unter dem Blickwinkel einer einzelnen nationalen Notenbank geführt worden. Wenig beachtet wurde demgegenüber der Aspekt, ob es durch diese Instrumente nicht auch zu einem zunehmenden internationalen Kooperationsbedarf zwischen Notenbanken kommen kann. Zur Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung wird folgendes Vorgehen gewählt: Da die geldpolitischen Effekte verschiedener Typen von Finanzinnovationen erheblich divergieren, werden zunächst vier Grundformen von Finanzinnovationen definiert. Es wird dann jeweils im einzelnen geprüft, welche geldpolitischen Implikationen damit verbunden sind und welche Auswirkungen sich daraus wiederum für die internationale Kooperation der Notenbanken ergeben können. In einem zusammenfassenden Abschnitt wird gezeigt, unter welchen geld- und währungspolitischen Rahmenbedingungen die abgeleiteten Störfaktoren auch zu einem verstärkten geldpolitischen Kooperationsbedarf führen können und welche Kooperationsformen dafür erforderlich sind. Aufgrund der Themenstellung bleiben die bankaufsichtsrechtlichen Implikationen von Finanzinnovationen weitgehend unberücksichtigt. II. Zur Definition von Finanzinnovationen
Da es heute fast ebenso viele Definitionen von Finanzinnovationen gibt wie Finanzinnovationen selbst (Pranzen 1988, Bofinger 1986), soll hier aus Gründen der Vereinfachung auf eine Diskussion der verschiedenen Abgrenzungsmöglichkeiten verzichtet werden. Statt dessen sollen vier Gruppen von Finanzinstrumenten herausgegriffen werden, die in den achtziger Jahren eine besonders expansive Marktentwicklung aufgewiesen haben und die in der Literatur im allgemeinen durchgängig mit dem Etikett der "Finanzinnovation" belegt werden: 7*
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a)
Instrumente, die als Substitute zu traditionellen Sicht-, Termin- und Spareinlagen dienen, b) Instrumente, die an die Stelle von traditionell verbrieften internationalen Bankkrediten treten ("Securitization"), c) Instrumente, die eine intensivere Arbitrage zwischen den einzelnen Marktsegmenten der Finanzmärkte erlauben und dabei häufig auch als Substitut für Termingeschäfte dienen (Finanzswaps), d) Instrumente, mit denen neue Terminmärkte geschaffen wurden und mit denen teilweise auch eine Standardisierung traditioneller derivativer Finanzinstrumente ermöglicht wird (Options und Financial Futures). III. Finanzinnovationen im Einlagengeschäft 1. Innovationsprozesse in den Vereinigten Staaten
Besonders evident sind die geldpolitischen Implikationen von Finanzinnovationen im Einlagengeschäft der Banken. Da geldpolitische Regulierungen und Meßkonzepte im allgemeinen auf der Passivseite der Bankbilanzen ansetzen, führen nachhaltige Strukturveränderungen in diesem Bereich ganz unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der Geldpolitik, wobei im Rahmen dieses Beitrags vor allem zu prüfen ist, inwieweit damit auch ein internationaler Kooperationsbedarf der Notenbanken verbunden sein kann. Sehr weitreichende Konsequenzen der Finanzinnovationen dieses Typs sind in den Vereinigten Staaten zu beobachten gewesen. Begünstigt durch ein Trennbankensystem, staatliche Zinsobergrenzen und einen langwierigen sich von 1978 bis 1986 erstreckenden Deregulierungsprozeß löste die Hochzinsphase der Jahre 1980 bis 1982 erhebliche Instabilitäten auf der Passivseite der US-Finanzinstitute aus (Streit 1986). Tabelle 1 verdeutlicht diese Strukturverschiebungen, bei denen frei-verzinsliche Instrumente (insbesondere "checkable deposits" und Geldmarktfondsanteile) an die Stelle von traditionell unverzinslichen Sichteinlagen und von der Zinsregulierung unterliegenden Termin- und Spareinlagen getreten sind. Es zeigt sich bei der Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit, daß bei solchen Prozessen ganz offensichtlich ein Hysterese-Phänomen im Spiel ist- in dem Sinne, daß die innovativen Strukturen auch nach Wegfallen der meisten Zinsregulierungen 1 und des Zinsschocks beibehalten wurden. Für die amerikanische Geldpolitik hatten diese Entwicklungen die eindeutige Konsequenz, daß die erst im Oktober 1979 eingeführte Geldmengenstrategie schon sehr bald wieder in den Hintergrund getreten ist. Auch wenn Geldmengenziele für M2 und M3 1 Ende März 1986 waren in den Vereinigten Staaten alle Zinsobergrenzen beseitigt. Das Verbot der Verzinsung von Sichteinlagen gilt jedoch weiterhin.
Quelle: Federal Reserve Bulletin, lfd. Jg.
Anteil der Innovationen an M3 (in vH)
Geldmenge M3
Geldmarktfonds-Anteile (Money Market Mutual Fonds)
Geldmarktfonds-Einlagen (Money Market Deposit Accounts)
Verzinsliche Einlagen, über die mit Schecks verfügt werden kann ("checkable interest-bearing deposits")
1984
1985
1986
29
27
25
16
12
5
3211
2467
2243
1958
2991
181 2717
512
180
241
417
148
230
379
132
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3681 30
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1988
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1987
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292
573
237
Jahresendstände in Mrd.Oollar
1983
236
43
104
1982
189
-
79
1981
77
-
27
1980
Tabelle 1: Finanzinnovationen in den Vereinigten Staaten
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bis heute formal beibehalten worden sind, ist die Politik der Federal Reserve seit Mitte 1982 wieder fast ausschließlich an der Kontrolle der kurzfristigen Zinsen ausgerichtet (Benjamin Friedman 1988, S. 71). Diese Abkehr von einer regelgebundenen Politik monetaristischer Prägung ist nahezu zwangsläufig, da die für eine solche Strategie erforderliche Stabilität der Geldnachfrage in den Vereinigten Staaten von 1980 an nicht mehr unterstellt werden kann. 2 Da diese besonders spektakulären Innovationsprozesse ein spezifisch amerikanisches Problem darstellen, sind sie unter dem Aspekt der internationalen Zusammenarbeit von Notenbanken nicht von zentraler Bedeutung. Die dadurch in den Vereinigten Staaten ausgelöste Abkehr von einer monetaristisch ausgerichteten Geldpolitik ist allerdings eine wichtige Voraussetzung für jede Form einer stärker außenwirtschaftlich orientierten Strategie, so daß diese Innovationsprozesse gleichsam als Wegbereiter einer intensiveren internationalen geldpolitischen Kooperation angesehen werden können. 2. Innovationsprozesse in der Bundesrepublik
Die in der Bundesrepublik zu beobachtenden Innovationsprozesse im Einlagenbereich verliefen bei weitem nicht so dramatisch wie in den Vereinigten Staaten, die Implikationen für die internationale Kooperation sind dafür jedoch ausgeprägter. Als bedeutsamste Innovation der achtziger Jahre sind die kurzfristigen Bankschuldverschreibungen anzusehen, deren Volumen sich 1985 auf fast 40 Mrd DM belief, was einen Anteil an der entsprechend erweiterten Geldmenge M3 von rund 4 vH entsprach. Das Hauptmotiv für die Verwendung dieses Instruments ist darin zu sehen, daß den Banken damit ein mindestreservefreies Substitut zu den traditionellen Termineinlagen zur Verfügung stand. Da die Banken 1985 außerdem auf die Einführung von DM-Depositenzertifikaten drängten, sah sich die Bundesbank zur Sicherung der Effizienz des Mindestreserve-Instruments gezwungen, eine grundlegende Neuordnung ihrer Mindestreserve-Bestimmungen vorzunehmen, durch die auch verbriefte Einlagen der Mindestreservepflicht unterworfen wurden, sofern sie eine Laufzeit von unter zwei Jahren aufweisen. Gleichzeitig wurden die Reservesätze vor allem für Termineinlagen deutlich gesenkt (von maximal 7,15 vH auf 4,5 vH). Das Resultat dieser Neuregelung wird durch Schaubild 1 verdeutlicht: Der Umlauf der kurzfristigen Bankschuldverschreibungen kam sehr rasch zum Erliegen, was verdeutlicht, daß deren Funktion tatsächlich fast ausschließlich in der Umgehung der Mindestreserve bestanden hatte. Im Gegenzug nahm jedoch ein anderes reservefreies Termineinlagen-Substitutinfast genau gleichem Ausmaß zu: die DM-Euroeinlagen inländischer Nichtbanken. 2 Benjamin Friedmann ( 1988), S. 62: "The breakdown of long-standing relationships to income and prices has not been confined to the MI money measure. Neither M2 nor M3, nor the monetary base, nor the total debt of domestic nonfinancial borrowers has displayed a consistent relationship to nominal income growth or inflation during this period".
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Daß diese Ausweichprozesse zunächst über Bankschuldverschreibungen und dann über die traditionellen Euro-Einlagen gelaufen sind, ist wesentlich auf die Bestrebungen der Bundesbank zurückzuführen, innovative EinlageSubstitute, insbesondere Geldmarktfonds, im DM-Bereich zu verhindern und bei den zugelassenen Instrumenten wie den DM-Depositenzertifikaten eine Verankerung im Inland zu gewährleisten. Mit der für Ende 1992 projektierten Schaffung des Europäischen Binnenmarktes dürfte es jedoch zunehmend schwerer fallen, solche Prinzipien aufrechtzuerhalten, da sie auf eine Privilegierung im Inland domizilierender Anbieter hinauslaufen. 3. Allgemein: Zur geldpolitischen Problematik externer Märkte
Die Verlagerungsprozesse auf den Euromarkt und die- wie im folgenden noch zu zeigen sein wird - mit vielen Finanzinnovationen verbundene Internationalisierung des Bankgeschäfts führen ganz allgemein auf die Problematik "externer Märkte". Aus geldpolitischer Sicht werden dabei von Issing ( 1987, S. 170) vier mögliche Problemfelder gesehen: a) b) c) d)
Externe Finanzmärkte können eine nur schwer kontraHierbare Quelle der Geldschöpfung darstellen. Einlagen und Kredite auf externen Märkten beeinträchtigen die Qualität inländischer Aggregate als Indikatoren der Geldpolitik. Im Fall einer restriktiven Geldpolitik können Kreditnehmer auf den externen Markt ausweichen. Die internationale Kapitalmobilität nimmt zu, es kann zu einer erhöhten Volatilität der Wechselkurse kommen.
Was Punkt a) betrifft, so ist die intensive Diskussion über die Euro-Märkte zu dem abschließenden Ergebnis gekommen, daß diesen Märkten kein eigenständiges Geldschöpfungspotential zukommt. Es handelt sich dabei primär um "an international transmission mechanism and it is hardly conceivable that on its own, it could exert major inflationary pressures on a global scale" (Mayer 1979, S. 65). Punkt d) kann ebenfalls für die hier zu beobachtenden Verlagerungen in den Euro-DM-Bereich ausgeschlossen werden, da es dabei zu keiner Änderung der Währungsdenomination von Aktiva kommt. Einer näheren Überprüfung bedürfen die Punkte b) und c). Eine Ausweichmöglichkeit auf den Euromarkt ist im Falle einer restriktiven Geldpolitik (Punkt c) nur dann gegeben, wenn sich eine Notenbank dirigistischer Instrumente, wie beispielsweise Kreditzuwachsbeschränkungen bedient. Bei einer über zins- und liquiditätspolitische Maßnahmen gesteuerten Restriktionspolitik ist ein Unterlaufen durch die Euromärkte somit nicht möglich, da sich inländische Zinssteigerungen nahezu vollständig auf den externen Markt übertragen.
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
I 05
Die Beeinträchtigung inländischer Aggregate als Indikatoren der Geldpolitik (Punkt b) ist einer von zwei möglichen Störfaktoren, die sich aus der Konkurrenz zwischen externen Märkten und nationalen Märkten ergeben. Dieser Effekt tritt vor allem dann auf, wenn die Notenbankentrotz sinkender Transaktionskosten des Ausweichensan ihren Regulierungen festhalten. Die Inlandsmärkte verlieren gegenüber dem Euromarkt an Marktanteilen, die auf diesen Markt bezogenen Geldmengenaggregate werden weniger aussagekräftig. Diese Störwirkung ist - wie die Praxis der Bundesbank zeigt allerdings durch entsprechende Berichtspflichten der Banken noch vergleichsweise einfach in Grenzen zu halten. 3 Schwerer wiegt, daß bei solchen Ausweichprozessen der mit einem Instrument angestrebte Regulierungszweck nur noch eingeschränkt erreicht werden kann. Die Beeinträchtigung der Aussagekraft der Geldmengenaggregate unterbleibt, wenn sich eine Notenbank an der "International Competition in Bank Regulation" (Giddy und Allen 1979) beteiligt und ihre Regulierungen reduziert, um die Ausweichprozesse in Grenzen zu halten. Als Ergebnis dieses Wettbewerbsprozesses ist eine Annäherung an die schwächsten Regulierungen zu erwarten; bei der Mindestreserve liefe dies auf die Abschaffung des Instruments hinaus. Die Entwicklung der achtziger Jahre entspricht weitgehend dem Muster eines Deregulierungswettbewerbs. In Ländern mit zuvor besonders dirigistisch ausgerichteten Instrumenten wie Frankreich und Großbritannien ,~,~~~~~~~~~--~~~~--~~~~
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-o
Schaubild 2: Zinsdifferential zwischen Euro-DM-Satz und DM-Dreimonatsgeld und zwischen Euro-Dollar-Satz und Dol/ar-CDs 3 Die Bundesbank erstellt laufend Kontrollrechnungen für eine um Euro-Einlagen und kurzfristige Bankschuldverschreibungen erweiterte Geldmenge M3; siehe dazu beispielsweise den Geschäftsbericht 1986, S. 39.
106
Peter Botinger
wurde verstärkt auf eine Politik der Zinssteuerung übergegangen. In traditionellen Mindestreserve-Ländern wie den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik wurden die Sätze für Termineinlagen deutlich gesenkt (1982/83 in den Vereinigten Staaten; 1986 in der Bundesrepublik). Wie Schaubild 2 für die vor allem durch Mindestreserve-Bestimmungen und Kapitalverkehrskontrollen bestimmte Differenz zwischen Euro-Dollar-Satz und amerikanischem CD-Satz und Euro-DM-Dreimonatsgeld und DM-Dreimonatsgeld verdeutlicht, ist es in den letzten Jahren tatsächlich zu einer merklichen Annäherung der Regulierungen an die "Nullinie" gekommen. Ob man in solchen Innovationsprozessen einen internationalen Kooperationsbedarfbegründet sieht oder nicht, hängt entscheidend davon ab, welche Bedeutung man diesen "policy regulations" beimißt. Im Fall von Kapitalverkehrskontrollen, Zinsobergrenzen und Kreditplafonds ist das Urteil zumindest in der Bundesrepublik eindeutig: Instrumente dieser Art werden für eine funktionsfahige Geldpolitik nicht für erforderlich gehalten; auch im Ausland ist hier- wie erwähnt- ein deutlicher Umdenkungsprozeß im Gange. Bei der Mindestreserve scheiden sich jedoch die Geister. Wie die intensive Diskussion- anläßlich der Neuregelung der Mindestreservebestimmungengezeigt hat, gibt es eine Reihe von engagierten Befürwortern wie Gegnern dieses Instruments (Reither 1985, Rohde und Simmert 1986, Friedman 1988). Wenn man sich vor allem aufgrund des Auseinanderfallens gesamtwirtschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Rationalität bei der Liquiditätsplanung von Kreditinstituten zugunsten der Mindestreserve ausspricht (Botinger 1988), so ist der Kooperationsbedarf eindeutig. Die Notenbanken müßten sich zumindest europaweit, voraussichtlich aber weltweit zu einheitlichen Mindestreserve-Vorschriften durchringen. Nur so kann das Instrument in zunehmend integrierten Finanzmärkten und bei damit voraussichtlich zunehmenden Innovationsaktivitäten im Einlagenbereich auf Dauer funktionsfähig bleiben. IV. Finanzinnovationen im internationalen Kreditgeschäft Der zweite große Bereich, in dem in den achtziger Jahren massive Innovationsprozesse zu beobachten gewesen sind, ist das internationale Kreditgeschäft der Banken. Tabelle 2 verdeutlicht, daß das traditionelle Instrument des (unverbrieften) syndizierten Eurokredits einen Marktanteilsverlust von zeitweise bis zu 40 Prozentpunkten hinnehmen mußte. An dessen Stelle traten verbriefte Instrumente wie die internationalen Kreditsicherungsfazilitäten ("Note-Issuance-Facilities" oder NIFs), die Floating-Rate-Notes und die Euro-Commercial-Papers. Bei diesen Innovationsprozessen waren die bankaufsichtsrechtlichen Implikationen von Anfang an evident, da es sich bei den Kreditsicherungsfazili-
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
l 07
täten als "oft-balance-sheet"-Positionen um nicht-bilanzierungspflichtige Aktiva handelt, die zunächst nicht in die bankaufsichtsrechtlichen Normen einzubeziehen waren. Die Umgehung der Bankenaufsicht war ohne Zweifel ein wichtiges Moment hinter einem Großteil der Innovationen in diesem Bereich, da sich viele ausländische Banken nach der Schuldenkrise erhöhten Eigenkapitalanforderungen der regulierenden Behörden gegenübersahen, die ihren geschäftlichen Expansionsspielraum einschränkten. Die Kreditsicherungsfazilitäten boten hier die Möglichkeit, Einnahmen zu erzielen, ohne damit das haftende Eigenkapital belasten zu müssen. Mit der Mitte der achtziger Jahre in allen Industrieländern vorgenommenen Einbeziehung der Fazilitäten in die bankaufsichtsrechtlichen Normen ist ihre Bedeutung wieder deutlich zurückgegangen. Dazu beigetragen hat außerdem die zunehmende Verbreitung der Commercial-Papers an den Euromärkten. Diese kurzfristigen Papiere sind eine logische Fortentwicklung der NIFs, in dem Sinne, daß sich erstklassige Schuldner direkt am Markt verschulden und dabei auf eine Absicherungsfazilität verzichten, um sich Bankgebühren zu ersparen. Auch wenn die verbrieften Kredite in den beiden letzten Jahren wieder etwas an Boden gewonnen haben, dürfte die Verbriefung weiterhin eine dominierende Rolle auf diesen Märkten spielen, da zumindest im deutschen Bankenaufsichtsrecht verbriefte Forderungen weiterhin von den Eigenkapitalanforderungen des Grundsatzes I KWG ausgenommen sind, obwohl die hinter den Forderungen stehenden Risiken durch die Verbriefung nicht vermindert werden. Geldpolitisch sind die Implikationen der Finanzinnovationen dieses Typs nur schwer zu beurteilen. Hier geht es weniger um die Alternative" Verbriefung/Nicht-Verbriefung", sondern vor allem um die Frage der "Disintermediation" des Kreditgeschäfts, d. h. also der Verlagerung von Kreditketten aus dem Bankensektor, was vor allem bei den Euro-Commercial-Papers aber auch bei den internationalen Kreditfazilitäten der Fall ist, sofern die Plazierung der Titel direkt am Markt möglich ist. Natürlich sind die dabei involvierten Quantitäten noch zu gering, um überhaupt einen geldpolitischen Handlungsbedarf zu begründen. Aber es ist unter theoretischen Aspekten durchaus von Interesse, welche Auswirkungen sich daraus für die Geldpolitik ergeben könnten. Es sind dabei zwei Tendenzen zu berücksichtigen:
a)
Wenn die Rolle der Banken im Finanzierungsprozeß zurückgeht, könnte sich damit auch der Einfluß der Notenbank auf das realwirtschaftliche Geschehen vermindern, da sie mit ihren geldpolitischen Instrumenten üblicherweise direkt am Bankensektor ansetzt.·
b)
Eine abnehmende Rolle der Banken bedeutet aber auch, daß die mit Finanztransaktionen verbundenen Risiken (Zinsänderungsrisiken, Ausfallrisiken) mehr und mehr vom Nichtbankensektor getragen werden müssen. Geldpolitisch bedingte Zinsänderungen würden sich damit also
7,7 100,0
11 '9
100,0
7,2 100,0
8,5 100,0
7,7 100,0
9,5 100,0
0,8 100,0
Quelle: OECD, Financial Market Trends, Februar 1989.
Insgesamt
Sonstige Anleihen und Kredite
10,9 6,9 4,0
5,5
5,2
8,6
12 ' 7
2,1
14,2
Anleihen mit Eigenkapitalcharakter (Options- und Wandelanleihen)
15,2
-
Euro-Commercial-PaperProgramme 4,5
21,0
19,4
12,7
7,8
Floating-Rate-Notes
-
~.8
3,3 13,2
-
3,4
7,9
7,5
1~,3
14,6
35,e
27,0
1988
30,9
20,9
1987
36,5
13,5
1986
6,2
33,9
29,6
17.,8
1985
32,0
23,2
1984
5,7
27,0
festverzinsliche Anleihen ("Straight Bonds")
34,4
1983
Note-lssuance-Facilitie s und andere back-up Fazilitäten
56,6
Buchk red i te ("Syndicated loans")
1981/1982
Tabelle 2: Kreditaufnahmen an den internationalen Finanzmärkten nach wichtigen Finanzierungsinstrumenten (in vH)
I
....
~ ....
::1
~
0
tl:l
"....
'"C (;
00
0
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
109
stärker und unmittelbarer auf den Nichtbankensektor auswirken, als dies bisher der Fall ist. Der Reaktionslag auf geldpolitische Maßnahmen würde tendenziell verkürzt werden. Welche der Wirkungen überwiegt, muß hier offengelassen werden. Zu den Problemen, die mit einer zunehmenden Verbriefung, insbesondere auf den externen Märkten verbunden wären, sind vor allem die geringeren statistischen Informationen über finanzielle Entwicklungen im Kreditbereich zu rechnen. Da es bei den Commercial Papers gleichzeitig zu einer erheblichen Laufzeitverkürzung gegenüber den traditionellen Eurokrediten gekommen ist, kann die Verbriefung auch zu einer verminderten Aussagekraft der monetären Aggregate führen, wenn Commercial Papers anstelle von traditionellen Termineinlagen gehalten werden. In Anbetracht der bisher nur schwer erkennbaren geldpolitischen Implikationen von Innovationsprozessen dieses Typs liegt es nahe, daß es kaum möglich ist, in diesem Bereich einen akuten geldpolitischen Kooperationsbedarf der Notenbanken abzuleiten. Unter diesem Aspekt ist die Verbriefung insoweit von Interesse, als sie einen Beitrag zur Senkung der Transaktionskosten internationaler Kreditketten leistet, indem sie die Belastung internationaler Transaktionen durch bankaufsichtsrechtliche Normen zumindest temporär minderte, und indem sie es erstklassigen Schuldnern erlaubt, sich an den internationalen Märkten zu günstigeren Konditionen zu verschulden, als dies bei einem unverbrieften internationalen Bankkredit möglich wäre. Von den bei ISSING genannten Störfaktoren dürfte hier vor allem Punkt d) relevant sein, da mit der Verlagerung des internationalen Kreditgeschäfts zu den Euro-Commercial Papers (mit Laufzeiten bis maximal einem Jahr) auch eine deutliche Fristverkürzung verbunden ist. Für die Kreditnehmer ergibt sich damit die Möglichkeit, die Währungsstruktur ihrer Verbindlichkeiten sehr viel rascher anzupassen, als dies mit einem traditionellen Eurokredit möglich wäre. Insoweit ist hier also ein tendenziell destabilisierender Effekt der Verbriefung zu erkennen, der im Kontext der internationalen Kooperation von Notenbanken (Abschnitt VII) zu berücksichtigen ist. V. Finanzswaps als Arbitrage-Instrumente
Zu den besonders expansiven Finanzinnovationen im internationalen wie auch im deutschen Bankgeschäft zählen die Finanzswaps (Tabelle 3). Diese Instrumente erfüllen zwei wichtige Funktionen. Zum einen eröffnen sie den Marktteilnehmern Arbitragemöglichkeiten zwischen verschiedenen Marktsegmenten der nationalen wie der internationalen Märkte. Zum anderen können Finanzswaps auch dazu verwendet werden, Termingeschäfte über
110
Peter Bofinger
Zins- oder Währungspositionen auf individueller Basis abzuschließen. In beiden Funktionen tragen die Finanzswaps zu einer Transaktionskostensenkung bei. Bei der Verwendung als Arbitrage-Instrument treten an die Stelle einer direkten Verschuldung indirekte Verschuldungsbeziehungen, die nach dem Prinzip der komparativen Kostenvorteile strukturiert werden. Durch den Abschluß eines Finanzswaps werden Zinszahlungsverpflichtungen (Zinsswap) bzw. Zinszahlungs- und Tilgungsverpflichtungen (Währungsswap und Zins-/Währungsswap) so getauscht, daß es beiden Partnern möglich ist, eine gewünschte Bilanzstruktur zu geringeren Kosten aufzubauen als ohne Swapvereinbarung. Tabelle 3: Finanzswaps inländischer Kreditinstitute Insgesamt
Zinsswaps
Währungsswaps
Zins-/Währungsswaps
3. Q.
24.764
12.620
3.567
8.577
4. Q.
32.183
16.769
4.245
11.169
5.157 6.463
13.591
7. 618
17. 797 17.238
1986
1987 I. Q.
44.563
25.815
2. Q.
56.258
3. Q. 4. Q.
70.158 82.431
34.235 44.743 56.995
8.198
15.560
1988 l. Q.
99.827
70.931
9. 298
19.598
2. Q.
122.699
89.263
10.552
22.884
3. Q.
142.842
106.425
II. 564
24.853
4. Q.
154.471
118.306
II. 625
24.540
Quelle: Deutsche Bundesbank.
Die Verwendung von Swaps als Termin-Instrument steht vor allem bei Zinsswaps im Vordergrund. Da in der Vergangenheit keine entwickelten Zinsterminmärkte existierten, war den Banken eine Absicherung von Zinspositionen nur auf dem Wege einer zusätzlichen Kreditaufnahme und/oder Mittelanlage möglich gewesen. Durch eine solche Bilanzverlängerung werdenjedoch bankaufsichtsrechtliche Grundsätze belastet und zugleich Kreditlinien bei anderen Instituten beansprucht. Mit den nicht-bilanzierungspflichtigen Finanzswaps wie auch den Zinsfutures (siehe Abschnitt VI) können Zinspositionen verändert werden, ohne daß es dabei zu solchen Effekten kommt.
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
111
Die Statistik der Swapaktivitäten deutscher Institute wie auch des internationalen Swapgeschäfts (Tabelle 4) zeigt, daß Zinsswaps ganz eindeutig im Vordergrund stehen. Zumindest für die Verhältnisse der Bundesrepublik gilt außerdem, daß es sich dabei zum überwiegenden Teil um Interbankgeschäfte handelt. Somit dürfte die Rolle der Swaps als Termin-Instrument wesentlich bedeutsamer sein als die Funktion der Arbitrage zwischen einzelnen Marktsegmenten. Die vergleichsweise geringe Bedeutung der Devisenswaps ist dabei damit zu erklären, daß in diesem Bereich schon seit langem sehr hoch entwickelte Terminmärkte bestehen, so daß hier der Bedarf an einem zusätzlichen Instrument bei weitem nicht so stark ist wie im Zinsbereich. Da diese Märkte jedoch überwiegend auf kürzere Laufzeiten beschränkt sind, bieten Devisenswaps, die im allgemeinen Laufzeiten von vier bis fünf Jahren aufweisen, eine wichtige Ergänzung des traditionellen Marktspektrums. Wiederum ist es relativ schwierig, die geldpolitischen Implikationen dieser Finanzinstrumente abzuleiten. Die über Zinsswaps erleichterte Transformation von Zinsänderungsrisiken zwischen Banken ist aus der Sicht der Geldpolitik relativ unproblematisch und dürfte unter dem Aspekt der internationalen Kooperation von Notenbanken auf keinen Fall relevant sein. Beim Instrument der Devisenswaps sind die Auswirkungen vor allem darin zu sehen, daß es über die dabei eröffneten Arbitrageprozesse tendenziell zu einem engeren Verbund zwischen den nationalen Zinsniveaus kommt. Dies gilt insbesondere für die gesicherte Zinsarbitrage, bei der die Finanzswaps ein Substitut für die bisher sehr schwach ausgebildeten langfristigen Devisenterminmärkte bieten können. Bei der ungesicherten Zinsarbitrage wirkt die mit Finanzswaps erzielte Transaktionskostensenkung wie eine Verminderung der Risikoprämie und erhöht damit die Substituierbarkeit zwischen Aktiva mit unterschiedlicher Währungsdenomination. Gegenüber den durch starke Wechselkursschwankungen bedingten Risikoprämien zwischen Währungen mit flexiblen Kursen dürfte eine solche Verminderung finanzieller Transaktionskosten jedoch kaum ins Gewicht fallen. Die Regressionsrechnungen im Anhang I lassen jedenfalls keine zunehmende Auslandsabhängigkeit der deutschen Kapitalmarktzinsen erkennen. Zu prüfen ist außerdem, ob es durch Finanzswaps zu einer stärkeren kurzfristigen Kapitalmobilität kommen kann. Dies dürfte bei der überwiegenden Zahl der Geschäfte nicht der Fall sein, da den Statistiken der International Swap Dealers Association zufolge die durchschnittliche Laufzeit der Swapvereinbarungen vier bis fünf Jahre beträgt.
112
Peter Botinger Tabelle 4: Internationales Swapgeschäft Ausstehende Swaptransaktionen nach Währungen (in Hio US-S, Stand 31.12.1987) Währung US-S
Zinsswaps 703,154
Devisenswaps
(79,05 %)
98,015
(44.72 %)
Yen
59,988
6. 74 %)
37,025
(16.89 %)
Pfund Sterling
40,142
( 4.51 %)
6,327
( 2.8g %)
D-Mark
39,583
( 4.45 %)
12,281
( 5.60 %)
Andere
46,662
( 5.25 %)
65,542
(29.90 %)
889,529
(80.23 %)
219,190
(19.77%)
Insgesamt
Neuabgeschlossene Geschäfte im Jahr 1987 Währung
Zinsswaps
Devisenswaps
US-S
286,731
(73.93 %)
38,45g
(44.81 %)
Yen
31,615
( 8.15 %)
13,710
(15.97 %)
Pfund Sterling
22,331
( 5.76 %)
5,782
( 6. 74 l)
D-Mark
20,466
( 5.28 %)
2,112
( 2.46 %)
Andere
26,715
( 6.89 %)
25,761
(30.02 %)
387,858
(81.88 %)
85,824
(18.12 %)
Insgesamt
Quelle: ISDA, International Swap Dealer Association, Bericht vom 19. Juli 1988.
VI. Derivative Instrumente
Zu den sogenannten derivaten Instrumenten zählen vor allem Futures (Finanzterminkontrakte) und Options. Beides sind Instrumente, die ihren Wert aus der Kursentwicklung eines dem Vertrag zugrundeliegenden Aktivums ableiten. Bei den deutschen Kreditinstituten hat das Volumen dieser Geschäfte in den letzten Jahren erheblich zugenommen; von Ende Juli 1986 bis Ende Juni 1988 erhöhten sich die Bestände an
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
113
Finanzterminkontrakten von 2,9 Mrd DM auf 57,6 Mrd DM und Devisenoptionsgeschäften von 2,1 Mrd DM auf 14,4 Mrd DM. Die traditionellen Devisentermingeschäfte legten immerhin noch von 817 Mrd DM auf 1272 Mrd DM zu. Daß diese Instrumente aus geldpolitischer wie bankaufsichtsrechtlicher Sicht von vornherein suspekt erscheinen, liegt nicht nur an diesen hohen Zuwachsraten, sondern auch daran, daß ihre Konstruktion und damit auch ihr spezifischer Betrag im Prozeß der Risikentransformation oft nur schwer zu durchschauen sind. Für manche Betrachter war dann der "crash" vom Oktober 1987 auch der Beweis dafür, daß von solchen abgeleiteten Instrumenten eine erhebliche Instabilität an den Kassamärkten ausgelöst wird (SEC 1988).
1. Futures Bei den Futures handelt es sich um Termingeschäfte über festverzinsliche Wertpapiere (Interest Rate Futures), Devisen (Currency Futures) oder Aktienindizes (Stock Index Futures). Sie zeichnen sich dadurch aus, daß die Losgrößen und die Erfüllungszeitpunkte standardisiert sind, so daß die Kontrakte an speziellen Börsen gehandelt werden können, daß die Verträge im allgemeinen nicht effektiv erfüllt werden, sondern lediglich eine Ausgleichszahlung stattfindet (CORDERO 1986, S. 69) und daß neben einer anfänglichen Zahlung ("initial margin") laufende Zahlungen geleistet werden müssen (bis zur "maintenance margin"), wenn sich aus einer Position ein Verlust ergibt. Aus geldpolitischer Sicht können Futures in zweifacher Hinsicht von Bedeutung sein. Zum einen ist zu überprüfen, wie sich die durch die Standardisierung erzielte Transaktionskostensenkung auswirkt. Zum anderen ist von Interesse, ob es durch die zunehmende Bedeutung derivativer Märkte zu zusätzlicher Instabilität auf den Kassamärkten kommen kann. Dieser Aspekt soll im Zusammenhang mit den Optionsmärkten behandelt werden. In der Bundesrepublik haben Devisenfutures bisher eine verschwindend geringe Bedeutung. Für Hedging-Zwecke erweisen sich die traditionellen Devisentermingeschäfte als eine flexiblere und kostengünstigere Lösung, bei der auch die Zahlung von Margins entfallt. Futures sind daher eigentlich nur für kleinere Anleger mit Spekulationsabsichten von Interesse, denen die Banken kein Termingeschäft aufindividueller Basis anbieten. Somit besteht die Funktion der Devisen-Futures vor allem darin, den Marktzugang zu den Terminmärkten zu erleichtern. Das Interesse der deutschen Banken, ihren Kunden solche spekulativen Instrumente zur Verfügung zu stellen, ist- im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten -jedoch bisher ausgesprochen gering. 8 File/Köhler
114
Peter Botinger
Bei den außerordentlich expansiven Zinstermingeschäften sind nicht nur die standardisierten Geschäfte als Innovation zu werten, sondern auch die nicht-standardisierten "over the counter" (OTC)-Transaktionen in Form von Forward Rate Agreements. Im großen und ganzen ist die Funktion dieser Geschäfte ähnlich zu werten wie die der Zinsswaps: sie erlauben den Banken ein Management ihrer Zinspositionen außerhalb der Bilanz. Um zu ermitteln, ob die Schaffung solcher Terminmärkte für Zinskontrakte zu einer Beeinträchtigung der Geldpolitik führen kann, müßte man vor allem wissen, ob die Instrumente eher zu Hedge-Zwecken oder eher zu spekulativen Zwecken eingesetzt werden und ob damit die Zinsänderungsrisiken im ganzen eher von den Banken zu den Nichtbanken oder in umgekehrter Richtung wandern. Auch hier dürften die geldpolitisch wenig relevanten Interbankgeschäfte im Vordergrund stehen. Käme es zu einer Verlagerung von Zinsänderungsrisiken auf Nichtbanken, dann wären die Effekte ähnlich wie im Fall der Disintermediation zu beurteilen. Ein internationaler Kooperationsbedarf ist hieraus jedoch kaum abzuleiten. 2. Options
Die Besonderheit von Devisenoptionen zeigt sich am besten aus dem Vergleich mit den klassischen Devisentermingeschäften. Die beiden Instrumente unterscheiden sich vor allem durch ihre spezifischen Risikostrukturen: Wird ein Termingeschäft beispielsweise zur Kurssicherung verwendet, besteht für den Inhaber dieses Instruments eine in beiden Richtungen "gehedgte" Position. Seine Vermögensposition wird dann weder von einer Aufwertung noch von einer Abwertung der zugrundeliegenden Währung berührt. Diese Risikostruktur ergibt sich daraus, daß beide Vertragspartner verpflichtet sind, das Geschäft bei Fälligkeit auch durchzuführen. Der Käufer einer Option kann sich gegen Verluste aus der Kursentwicklung einer Fremdwährungsforderung oder -Verbindlichkeit ebenfalls voll absichern. Er hat jedoch die Chance eines theoretisch unbegrenzten Kursgewinns, wenn der Kursanstieg (im Fall einer Verkaufsoption) bzw. Kursverlust (im Fall einer Kaufoption) über den Optionspreis hinausgeht, da er nicht verpflichtet ist, die Option wahrzunehmen. Insoweit muß die Kurssicherung über eine Option von vornherein mit größeren Kosten verbunden sein als die Kurssicherung über ein Termingeschäft. Diese zusätzlichen Kosten werden von einem Unternehmen vor allem dann eingegangen, wenn es ein Geschäft absichern möchte, für das es ein Angebot unterbreitet hat, ohne jedoch schon über eine feste Zusage zu
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
115
verfügen (Bank for International Settlements 1986, S. 93 ff.). Der Stillhalter kann sich mit einer Verkaufsoption nur beschränkt vor Kursrisiken eines in seinem Bestand befindlichen Aktivums absichern, da er immer damit rechnen muß, daß der Käufer der Option diese nicht wahrnimmt. Es zeigt sich also, daß Devisenoptionen eine ganz andere Risikostruktur als Devisentermingeschäfte aufweisen. Die Besonderheit von (handelbaren und nicht-handelbaren) Devisenoptionen ist primär in ihrem spezifischen Beitrag zur Risikotransformation zu sehen. Bei den handelbaren Optionen kommt gegenüber den nicht-handelbaren Optionen allerdings noch der Vorteil der Transaktionskostensenkung hinzu. Aus geldpolitischer Sicht ist von zentraler Bedeutung, ob es aus dem Zusammenspiel von Options-, Futures- und Kassamärkten zu einer stärkeren Volatilität von Zinsen bzw. Wechselkursen kommen kann. Wenn ein solcher Zusammenhang nachgewiesen werden könnte, wäre eine wichtige Ursache für "Bubbles" an den Devisenmärkten identifiziert. Ein internationaler Kooperationsbedarf würde sich dann daraus ergeben, daß ein derart bedingtes "overshooting" von Wechselkursen durch gemeinsame Interventionen der Notenbanken zu verhindern ist. Es stellt sich bei dieser Thematik der erstaunliche Befund, daß in der Literatur bisher keine Versuche unternommen worden sind, die Rolle der derivativen Märkte für die Devisen-Kassakursentwicklung empirisch zu untersuchen. Gewisse Anhaltspunkte können jedoch die Untersuchungen bieten, die in den Vereinigten Staaten nach dem "crash" vom Oktober 1987 an den Aktienmärkten durchgeführt wurden. Die Rolle der derivativen Instrumente wird dabei recht unterschiedlich beurteilt. Die von der Regierung eingesetzte Brady-Commission und die "Division ofMarket RegulationoftheUS Securities and Exchange Commission" kamen zu dem Ergebnis, daß sich die Instabilitäten der derivativen Märkte und des Kassamarktes gegenseitig verstärkt haben, wobei vor allem das Pro gram-Trading als ein "significant factor in accelerating and exacerbating declines" (SEC 1988, S. 3) angesehen wurde. Unter "Program Trading" werden zwei verschiedene Strategien verstanden: a)
die Index-Arbitrage: Sie gleicht Preisunterschiede zwischen dem Terminkurs des dem Aktien-Index zugrundeliegenden Aktivabestandes und dem Kassakurs dieses Bestandes aus. Sie bewirkt also einen engen Zusammenhang zwischen Futures-Preis und Kassakurs.
b)
die Portfolio-lnsurance: die Strategie wird aus ·der Optionspreis-Theorie abgeleitet (ZIMMERMANN 1988). Sie geht davon aus, daß der Wert eines Aktien-Portfolios entweder durch den Kauf einer Verkaufsoption gesichert werden kann oder aber durch eine dynamische Aufteilung des gesamten Portfolios auf Aktien und risikolose Anleihen ("Duplizie-
s•
116
Peter Botinger
rung"). Im zweiten Fall muß die Portfolio-Struktur bei Kursänderungen permanent angepaßt werden, wobei der Anteil der Aktien steigt und der der Wertpapiere sinkt, wenn die Aktienkurse steigen, und der Anteil der Aktien abnimmt und der der Wertpapiere zunimmt, wenn die Kurse fallen. Um Transaktionskosten einzusparen, werden häufig nicht die Aktien selbst verkauft, sondern Index-Futures, die eine Kaufverpflichtung auf diese Aktien repräsentieren. Es zeigt sich dabei, daß derivative Instrumente für diese Strategie nicht unbedingt eingesetzt werden müssen. Insbesondere kann auf Optionen verzichtet werden; die Optionspreistheorie genügt als analytisches Fundament. Futures erleichtern jedoch die Portfolio-Insurance erheblich. Im ganzen gesehen legt die Strategie der Portfolio-Insurance die Vermutung nahe, daß von den derivativen Märkten ein destabilisierender Einfluß auf den Kassamarkt ausgeht, da die Duplizierung einer Option durch eine dynamische Portfoliostrategie im Fall eines Kursanstiegs bzw. -rückgangs kursverstärkende Portfolioanpassungen erforderlich macht. Der dabei zugrundeliegende Zusammenhang einer wechselseitigen Selbstverstärkung wird durch das Schaubild 3 noch einmal verdeutlicht .
Kassa-Kurs
....
Termln-Kurs
...".. _______
t
Kassa-Geschäfte
Futures-Geschäfte
~ @ilm'@lil
~» Schaubild 3: Interdependenz zwischen Kassa- und Futures-Markt
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
117
Der intuitive Befund wird durch empirische Untersuchungenjedoch nicht bestätigt. Eine sehr sorgfältige Analyse des "crash" von SANTONI (1988) kommt zu dem Ergebnis, daß in den Vereinigten Staaten eine solche Selbstverstärkung zwischen Futures- und Kassamarkt selbst in der turbulenten Phase vom 19. und 20. Oktober 1987 nicht nachzuweisen ist: Die durch die Index-Arbitrage bewirkte Verbindung zwischen beiden Marktsegmenten kam bereits am 19. Oktober 1987 um 13.30 Uhr zum Erliegen. Von diesem Zeitpunkt bis zum Schluß des Marktes fiel der DOW-Jones-Index noch um 300 Punkte. Die Preisänderungen von Minute zu Minute lassen in der crash-Phase keine signifikante Autokorrelation der Futures-Kurse erkennen. Ein solcher Zusammenhang müßte jedoch bestehen, um einen "viciouscircle" zwischen Futures-Markt und Kassamarkt zu begründen. Die Kassa-Kurse sind nicht geeignet, wesentlich zur Erklärung der Futures-Kurse beizutragen (GRANGER-Test). Außerdem weist SANTONI darauf hin, daß der Aktienkursverfall in anderen Ländern ohne derivative Instrumente ähnlich stark oder noch stärker ausgefallen ist als in den Vereinigten Staaten. Die Analyse von SANTO NI, die sich auf die Interdependenz von Futuresund Kassamärkten beschränkt läßt es allerdings offen, inwieweit es zu Störungen durch die Portfolio-Insurance über Kassaverkäufe gekommen ist, was besonders dann der Fall gewesen sein dürfte, wenn Investoren über eine von der Gewichtung des Aktienindex abweichende Portfoliostruktur verfügten. Bei einer Übertragung dieser Zusammenhänge auf den Währungsbereich stellt sich das Problem, daß ungeklärt ist, inwieweit dort überhaupt die Portfolio-Insurance als Absicherungsstrategie Anwendung findet. Theoretisch ließe sich dieses Vorgehen ohne weiteres übertragen: die dynamische Portfolio-Anpassung würde dann zwischen Bonds in heimischer Währung und Bonds in Fremdwährung erfolgen. Eine sorgfältige empirische Analyse steht hier noch aus.
VII. Kooperationsbedarfe in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Währungsordnung
Es ist deutlich geworden, daß die geldpolitischen Implikationen von Finanzinnovationen nur bei jenen Instrumenten eindeutig abzuleiten sind, die eine Substitution im Einlagenbereich bewirken. Ein internationaler Kooperationsbedarf läßt sich bei diesen Innovationsprozessen unter instrumentellen Aspekten ableiten, wenn am Instrument der Mindestreserve in einer Welt mit zunehmend integrierten Finanzmärkten festgehalten werden soll.
118
Peter Botinger
In den übrigen Bereichs (Sekuritisierung des internationalen Kreditgeschäfts, Finanzswaps, derivative Instrumente) sind die geldpolitischen Auswirkungen trotz der wachsenden Bedeutung der Instrumente noch immer wenig greifbar. Für die internationale Kooperation der Notenbanken sind dabei offensichtlich zwei Aspekte von Bedeutung: a) die Senkung von Transaktionskosten für internationale GläubigerSchuldner-Beziehungen und für Portfolio-Verschiebungen zwischen Währungen sowie b) die von derivativen Märkten möglicherweise ausgehende Instabilität auf Wechselkurse und Zinsen. 1. Wirkungen einer Transaktionskostensenkung
Die durch Finanzinnovation bewirkte Transaktionskostensenkung ist vor allem dann relevant, wenn es wie z. B. im Falle der Währungsswaps oder der Currency-Futures dazu kommt, daß der Kreis der am Devisenmarktgeschehen Beteiligten zunimmt. Da damit die Markttiefe steigt, liegt die Vermutung nahe, daß die Kursschwankungen im Fall von Großtransaktionen der Richtung nach eher geringer ausfallen. Offen ist allerdings, wie sich eine solche Verbreiterung des Marktes auswirkt, wenn Erwartungsänderungen durch wechselkursrelevante Informationen hervorgerufen werden. Preistheoretisch gilt ganz allgemein, daß Preisänderungen gering (und Mengenreaktionen sehr stark) ausfallen, wenn Nachfrager undAnbieterauf neue Informationen mit jeweils entgegengesetzten Erwartungsänderungen reagieren, und daß Preisänderungen sehr stark (und Mengenänderungen sehr gering) ausfallen, wennAnbieterund Nachfrager auf neue Informationen mit gleichgerichteten Erwartungsänderungen reagieren. Das Ausmaß möglicher Wechselkursschwankungen wird im Fall von Erwartungsänderungen also nicht davon bestimmt, wieviele Marktteilnehmer am Devisenmarkt beteiligt sind, sondern allein davon, ob es eher zu gleichgerichteten oder entgegengesetzten Erwartungsänderungen kommt. Bei sinkenden Transaktionskosten besteht dabei die Vermutung, daß sich wegen des größeren Kreises der am Geschehen Beteiligten tendenziell differenziertere Erwartungsänderungen ergeben. Die Wechselkursschwankungen würden daher eher gedämpfter ausfallen als bei einem schwächeren Internationalisierungsgrad, was nicht heißt, daß es sich dabei um geringe Wechselkursschwankungen handeln muß. Selbst bei völlig gleichgerichteten Erwartungen müssen die Wechselkursausschläge nicht zunehmen. Die Mengenänderungen (Umsätze) werden demgegenüber bei einem höheren Internationalisierungsgrad im allgemeinen stärker ausfallen als bei geringerem Internationalisie-
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
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rungsgrad, es sei denn, es kommt zu völlig gleichgerichteten Erwartungsänderungen, die starke Preisänderungen jedoch keinerlei Umsätze bewirken. Die von Finanzinnovationen bewirkte Transaktionskostensenkung begründet in einem Systemflexibler Wechselkurse für sich genommen keinen erhöhten Kooperationsbedarf der Notenbanken. Es ist nicht damit zu rechnen, daß Wechselkursschwankungen allein deshalb stärkere Amplituden aufweisen, weil mehr Akteure am Devisenmarkt beteiligt sind oder weil größere Anlagevolumina involviert sind. Die dabei tendenziell zunehmenden Kapitalströme stellen in diesem Regime- zumindest in seiner theoretischen Reinform - kein spezifisches geldpolitisches Problem dar. In einem System mitfesten Wechselkursen wie auch in Systemen, in denen sich die Notenbanken um eine gewisse Wechselkursstabilisierung durch Devisenmarktinterventionen ("Louvre I und II") bemühen, sind demgegenüber erhebliche geldpolitische Implikationen zu erkennen. Da die spekulativen Transaktionen in Situationen mit gleichgerichteten Erwartungsänderungen dann sehr viel umfangreicher ausfallen, resultieren daraus -bei gegebenen Wechselkurszielsetzungen der Notenbanken- stärkere Interventionsvolumina (am Kassa- oder am Futures-Markt) und damit einhergehende Veränderungen der Währungsreserven. Unterstellt man, daß die Interventionsvolumina vorgegeben sind, dann können sich durch die Internationalisierung auch größere Wechselkursschwankungen ergeben, da die Notenbanken bei Erreichen der maximal vorgesehenen Interventionsbeträge gezwungen sind, Paritätsänderungen vorzunehmen oder die internen Wechselkursziele zu revidieren. Entscheidend ist nun, ob sich für ein Festkurssystem (oder auch ein System mit informellen Interventionsverpflichtungen) aus einer erhöhten Internationalisierung mit den hier beschriebenen Folgen auch ein erhÖhter Kooperationsbedarf der Notenbanken ableiten läßt. In einem Festkurssystem vom Typ des EWS, in denen die Interventionslasten letztlich einseitig von Notenbanken mit schwachen Währungen getragen werden müssen, ist ein solcher Zusammenhang grundsätzlich gegeben. Da die Netto-Währungsreserven der Schwachwährungsländer nicht ohne weiteres aufgestockt werden können, führt ein zunehmender Interventionsbedarf entweder dazu, daß diese Länder stärker als bisher in ihrem wirtschaftspolitischen Handeln eingeschränkt werden, oder dazu, daß die Stabilität des Systems in der Situation spekulativer Attacken gefährdet wird. Solche Entwicklungen könnten nur dadurch verhindert werden, daß die Saldenausgleichsverpflichtungen des Regelwerks gelockert werden. Eine solche Lösung würde jedoch die gesamte reale Verankerung des Systems in Frage stellen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte dadurch gefunden werden, daß sich die Teilnehmerländer eines Festkurssystems über die Interventionsverpflichtungen hinaus zur geldpolitischen Kooperation bereitfinden und gemeinsame Geldmengen- oder Preisniveau-
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regeln nach den Vorschlägen von McKINNON (1984) vereinbaren. Eine besonders elegante Lösung für eine Kombination von Interventions- und Koordinationsregeln läßt sich auf der Basis eines vom Sachverständigenrat (1976) entwickelten Konzept formulieren. Sie sieht vor, daß die Saldenausgleichsverpflichtungen nur dann eingehalten werden müssen, wenn sich die beteiligten Länder nicht an die vorgegebenen Geldmengenregeln halten (ausführlich Bofinger 1989). Bei der nach dem Louvre-Abkommen betriebenen Wechselkursstabilisierung können sich Probleme dieser Art nicht stellen, da die Interventionen bisher ausschließlich von Ländern mit starken Währungen vorgenommen worden sind und für Schwachwährungsländer keine Saldenausgleichsverpflichtungen bestehen.
2. Wirkungen derivativer Märkte Während die Störwirkungen einer allgemeinen Transaktionskostensenkung auf Währungsordnungen mit festen Kursen (nach dem Vorbild des EWS) beschränkt sind, ist es denkbar, daß derivative Instrumente einen erhöhten Kooperationsbedarf auch bei flexiblen Kursen hervorrufen können. Dazu müßte überzeugend nachgewiesen werden, daß aus der Existenz solcher Märkte tatsächlich destabilisierende Impulse für die Kassakursentwicklung ausgehen. Wäre dies der Fall, bestünde die Aufgabe der Notenbanken darin, solche funktionslosen Kursschwankungen zu verhindern. In Anbetracht der ohnehin sehr ausgeprägten Wechselkursschwankungen, die in der Vergangenheit wohl kaum auf die Existenz der derivativen Märkte zurückgeführt werden können, stellt sich allerdings die Frage, ob es überhaupt zusätzlicher Argumente für ein Kooperationserfordernis in diesem Bereich bedarf. VIII. Zusammenfassung Der Überblick über die Auswirkungen von Finanzinnovationen auf den internationalen Koordinationsbedarf in der Geldpolitik verdeutlicht, daß die theoretische Forschung auf diesem Gebiet noch sehr in den Anfangen steckt. Dies gilt besonders für die Analyse der Interdependenz von derivativen Märkten und den Kassamärkten für Devisen und Wertpapiere. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß die Finanzinnovationen bei der zu beobachtenden Volatilität an den Devisenmärkten und den wirtschaftspolitisch besonders relevanten Misalignments von Wechselkursen bisher keine zentrale Rolle gespielt haben.
Finanzinnovationen und Kooperationsbedarf in der Geldpolitik
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Anhang I Abhängigkeit der Umlaufsrendite festverzinslicher Wertpapiere in der Bundesrepublik Deutschland vom deutschen Geldmarktsatz (Dreimonatsgeld) und von der Umlaufsrendite in den Vereinigten Staaten (t-Werte in Klammern). Abhängige Variable: erste Differenz der Umlaufsrendite
Zeitraum erklärende Variable Konstante Veränderung des Satzes für Dreimonatsgeld Veränderung der US-Umlaufsrendite
iP
Standardfehler DW
75.01-83.12
84.01-88.11
87.01-88.11
-0,02 (0,91)
-0,02 (1,06)
-0,01 (0,39)
0,28 (6,76) 0,23 (5,69)
0,44 (6,56) 0,16 (3,53)
0,40 (5,00) 0,12 (1,34)
0,45 0,21 1,60
0,55 0,13 1,66
0,58 0,14 1,50
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Peter Bofinger
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Is There a Systematic Relationship between Coordinated Economic Policies and the Movement of the Dollar Exchange Rate?* By Wolfgang File, Trier and Attiat F. Ott, Worcester, Mass.
1. Introduction Disenchantment with the present international monetary system is evident by the frequent calls for institutional change. The present regime of unmanaged floating is said tobe a failure. 1 It has led to two undesirable outcomes: a significant misalignment of exchange rates - a persistant deviation of the real rate from the equilibrium rate, and the removal of the pressure on countries to coordinate their economic policies. This view is not shared by all. Exchange rates it is argued, serve as the main center of information on present and future economic policies2 ; that the real failure is not with the system of floating, but rather that: "faulty policies, especially the Iack of synchronization offiscal policies ... are the root causes ofmisalignments" 3 of exchange rates. Frenkel (1987) challenges the notion that a fixed rate system imposes "discipline". He pointsout to the Plaza Hotel Accord, reached by the Group of Five (G-5) in September 1985, as a manifestation ofthe "discipline capabilities" of the flexible exchange rate. At present, the state of the debate about the need for reforming the international monetary system or the extent ofthat reform - a fixed rate system or the adoption of target zones for the exchange rates- is unclear. What seems to have gained favor as a policy • The authors acknowledge valuable assistance from G . Hondroyiannis, Clark University, for processing the data and estimating the statistical model. 1 See J . Williamson, The Exchange Rate System, Institute for International Economics, Washington, D. C., 1985, R. McKinnon, An International Standard for Monetary Stabilization, Institute for International Economics, Washington, D. C., 1984, 1. Tobin, Agenda for Coordinating Macroeconomic Policies, Economic Impact, 2/1988, R. I. McKinnon, Monetary and Exchange Rate Policies for International Financial Stability: A Proposal, The Journal of Economic Perspectives, Vol. 2, No. I, Winter 1988, pp. 83-103. 2 See J. A. Frenkel, The International Monetary System: Should it be Reformed?, The American Economic Review, Papers and Proceedings, Vol. 77, No. 2, May 1987, pp. 205-210. J lbid., p. 207.
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choice is exchange rate management. A closer cooperation of economic policies between major industrial countries is deemed appropriate to reduce the volatility of the short run behavior of exchange rates and to reduce sharp and long-lasting changes of real exchange rates. 4 In this paper, we model the effects of international cooperation on the behavior of exchange rates. We offer a theoretical and empirical analysis of a change in policy from a non-cooperative to a cooperative policy stance. The paper is organized as follows. Section 2 provides a brief overview of the theoretical channels through which economic policy might alter exchange rates. Section 3 discusses the empirical methodology used in the investigation. Specifically, we search for systematic relationships between "cooperative" or coordinated intervention in the foreign exchange market and the behavior ofthe mark/dollar exchange rate. Section 4 summarizes the results and offers some concluding remarks. 2. International Cooperation and Exchange Rates: The Theoretical Model 2.1 Asset Market Approach to Exchange Rate Determination
Economic theory offers three approaches for exchangerate determination: the expenditure approach, the asset approach, and the rational expectation or efficient market hypothesis. 5 Since the 1970's, the asset accumulation approach tagether with rational expectations, have dominated the dynamic behavior of the exchange rate. According to this model, the exchangerate behaves like a forward-looking asset price. 6 This explanation of exchange rate determination combines two essential elements of theorizing: the asset market approach as the relevant framework to analyze a somewhat Ionger time horizon 7 , as well as overshooting ofthe exchangerate in the very short 4 For arguments in favor or against different means of monetary policy coordination in order to stabilize exchange rates see M. Willms, Ansätze zur Währungskooperation und Wechselkursstabilisierung, in: A. Gutowski, (ed.), Wechselkursstabilisierung und Währungskooperation, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Bd. 172, Berlin 1988, pp. 37-58, M. Willms, Concepts and Implications of International Monetary Coordination, tobe published in: Frowen, S. F. (ed.), Monetary Theory and Monetary Policy: New Tracks for the 1990s, London, New York 1989. l R. Dornbusch, S. Fischer, Exchange Rates and the Current Account, The American Economic Review, Vol. 70, No. 5, December 1980, p. 970. 6 For an overview see R. Dornbusch, Exchange Rate Economics: 1986, The Economic Journal, Vol. 97, No. 1, 1987, pp. 1 ff. 7 See R. Dornbusch, Expectations and Exchange Rate Dynamics, Journal of Political Economy, Vol. 84, No. 5, December 1976, pp. 1161-1176, R. Dornbusch, P. Krugman, Flexible Exchange Rates in the Short-Run, Brookings Paper on Economic Activity, 1976, No. 3, pp. 537-575.
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run. An irnportant feature of this rnodel is the ernphasis on expectations. Unlike current good prices, asset prices are rnuch rnore dependent on the anticipated course of future events. However, news, to the extent that they contain relevant inforrnation for exchange rate expectations, alter expected yields on net financial assets of private agents or the arnount of net private wealth. 8 Assurne for sirnplicity that perfect Substitutability exists between financial assets (e. g. bonds) and productive assets (e. g. stocks) within each country. Assurne further that investors regard financial assets denorninated in terrns of dornestic and foreign currency as perfecrt substitutes. lf the dornestic currency is expected to appreciate, interest rates on assets expressed in terrns of the dornestic currency will fall below foreign rates by the expected rate of change in the exchange rate. 9 Interest rate differentials will exactly offset the expected exchangerate rnovernents so that the expected real return on dornestic and foreign securities are equalized. This relationship is expressed by equation (1). (1)
i,
I·*t
Where: i,: short term nominal interest rate of the holding period in the home country i'~: short term nominal interest rate of the holding period in the foreign country s,: the spot exchange rate in period t s, + : the spot exchange rate in period t 1 E, ( ): conditional expectation operator given all information available in period t
+
Equation (1) assurnes perfect capital rnobility. Deviations between dornestic and foreign interest rates can occur only if it is expected that the current spot rate will change until the end of the holding period. While "Covered Interest Parity" (CIP) states that any interest rate differential is equal to the difference (of the logarithrns) between the forward and the spot exchange rate, under the assurnption ofrisk neutrality the hypotheses of "Uncovered Interest Partiy" (UIP) states that the forward rate is the best unbiased predictor of the expected future spot rate: (2) 8 For an introduction of productive assets in a theory to diversifiy portfolios internationally see M. K. Gavin, The Stock Market and Exchange Rate Dynamics, International Finance Discussion Papers, No. 278, Apri11986, W. File, Bestandsorientierte Wechelkurstheorien und Wirtschaftspolitik, Kredit und Kapital, 20. Jg., 1987, H. 1, pp. 48-72. 9 For detailed explanation see P. Isard, Lessons from Empirical Models of Exchange Rates, IMF Staff Papers, Vol. 34, March 1987, pp. 7 ff., G. Kirchgässner, J. Wolters, Uneavered Interest Parity Condition Between the United States and Europe Under Different Exchange Rate Regimes, tobe published in Frowen, S. F. (ed.), Monetary Theory and Monetary Policy, op. cit.
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In the presence of a risk premium, p,, in the foreign exchange market, the forwardrate /t will no Iongerbe an unbiased predictor of the future spot rate, that is:
/t = E,
(3)
(s, •• IJ,)
+ p,,p,::?:
0
Substituting this relation in equation (1) and rearranging terms yields: (4)
s,
= E,
(s, • •li,) - (i - i'~) - P•
Equation (4) describes all possible influences on the spot exchange rate. There are: news, altering expectations, interest rate differentials and risk premia. An important element in this formulation is the emphasis on expectations. Asset prices (and exchange rates) are much more dependent than current goods prices on anticipated future events. Therefore, exchange rate changes may be dominated by information about future events, and not by current changes in the supply and demand conditions in the security markets of the home and foreign countries. Also, changing risk premia may play a significant roJe. Under the assumption of rational expectations, the term E, () contains allrelevant information on future events, not already included in the interest rate differential, which alter the futurespotrate from the perspective of the pro fit maximizing economic agents. And if relevant information enters the market randomly, given the interest rate differential and the risk premium (if relevant), exchange rates in efficient markets should follow a stochastic process. As Equation (4) suggests, international cooperation of economic policies can influence the behavior of the spotrate through various channels. First, by influencing interest rates, through fiscal policy or monetary action (unsterilized intervention in foreign exchange markets); secondly, by altering risk premia for expected returns on domestic and foreign assets 10 ; and thirdly, by supplying information, which alters exchange rate expectations of rational market participants. 2. 2 Possibilities to Influence Exchange Rates through International Coordination of Economic Policies
Those who regard exchange rates as the main center of information about current and prospective measures of economic policies, and who treat bonds, denominated in different currencies, as perfect substitutes (hence neglect risk 10 See R. Pohl, Den Zins ins Visier: Ein monetärer Beitrag für die Wachstumspolitik, WSI-Mitteilungen, 10/1988, pp. 572-579.
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premia, varying over time) are skeptical about exchangerate management or "manipulating" of exchange rates. lt is argued that "without introducing a significant change into the conduct of policies, exchange rate management may not improve matters at all". 11 lf the underlying assumptions of this position were to hold, an "artificial" stabilization of exchange rates will disrupt other market, such as Iabor markets, thus worsening the outcome compared to a scheme where neither intervention nor appropriate measures of fiscal and/or monetary policy were taken. Furthermore, if comparable financial assets denominated in domestic and foreign currencies were perfect substitutes, sterilized intervention would have no effect on either the exchange rate or any other macroeconomic variable. 12 Sterilized intervention in such a case would be futile, as it merely replaces one asset with another with exactly the same properties. Since asset holders are indifferent to the outcome, asset market equilibrium and the exchangerate will not be altered. 13 In terms of equation (4}, the last term {pt) is dropped; risk premia are irrelevant. Sterilized intervention can still have an influence on exchange rates if they were to alter expectations in the exchange market. The exchange market, like other financial-asset markets, is an efficient information process. Traders use all available information including information about predictable future events and anticipated policy action in setting current exchange quotes. lf, however, the sterilized intervention in the foreign exchange markets supplies no "news" relevant to formation of expectations on prospective values of exchange rates (this is the position taken by critics of the effectiveness of sterilized intervention), intervention not accompanied by a change in the money supply would have no influence on exchange rates. Central to this approach is the question of whether risk premia exist, whether or not they change over time. Based on the findings of empirical research reported in the literature, the hypothesis that the forward exchange rate is an unbiased predictor of future spot rates may be rejected. 14 Instead, 11 J. Frenkel, The International Monetary System: Should it be Reformed?, op. cit., p. 207. 12 Fora survey of the Iiterature see R. W. Tryon, Small Empirical Models of Exchange Market Intervention: A Review of the Literature, Board of Governors of the Federal Reserve System, Staff Studies, No. 134, Washington, D. C., September 1983. 13 Forthis line of argument see J. A. Frenkel, The International Monetary System: Should it be Reformed?, op. cit., pp. 205-210, M. Feldstein, New Evidence on the Effects of Exchange Rate Intervention, NBER Working Paper No. 2052, 1986. Fora survey of the Iiterature see R. W. Tryon, Small Ernperkal Models of Exchange Market Intervention: A Review of the Literature, op. cit. 14 The findlings of empirical research to this question are ambigious. While M. Obstfeld, Exchange Rates, Inflation and the Sterilization Problem: Germany 1975- 1981, European Economic Review, Vol. 21, 1983, pp. 161-189 found, that sterilized intervention would not be efficious for Germany, most other empirical research reach the opposite conclusion, especially when using survey data to measure expectations. See R. McDonald, T. S. Torrance, On Risk, Rationality and Excessive Specu1ation in the Deutschmark-US
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"we have to accept the existence ofnon-constant risk premia". 15 The possibility to alter exchange rates by influencing risk premia is a channel that should not be neglected off band. Still, it is not altogether clear how a policy whose objective is to change risk premia in the foreign exchange market, and hence exchange rates should be carried out. Sterilized intervention could very weil reduce risk premia in one period while having detrimental effects in other periods, or they could be neutral. Moreover, the desired effect of sterilized intervention on risk premia may be offset by altering exchange rate expectations in the opposite direction. Using British survey data to measure expectations on future mark/dollar spot rates, MacDonald and Torrance (1988) sought to determine whether the bias of the forwardrate as a predictor of the spotrate is due to the irrationality of speculators or the existence of risk. Their test results are fairly Straightforward: "expectations have been excessive . . . and there appear to be bandwagon effects at work". 16 Based on the findings, the authors conclude that the German Bundesbank should intervene in the foreign exchange market to minimize the deleterious effects of- what they call- "excessive speculation"Y Because they detect an incorrect forecast of the future exchange ratetobe the main cause for misalignments of exchange rates, and not a risk premia that varies over time, they argue that the monetary authorities should rely on nonsterilized intervention to affect the exchange rate. Undoubtedly, this isarather unappealing option for a country like Germany to pursue. Dollar Exchange Market: Some Evidence using Survey Data, Oxford Bulletingof Economics and Statistics, Vol. 50, No. 2, May 1988, pp. 107-123, J. Franke!, K. Froot, Using Survey Data to Test some Standard Propositions Regarding Exchange Rate Expectations, NBER Working Papter, No. 1672. The most telling empirical work regarding determinants of exchange rates and the role of ecpectations is: W. Gaab, Devisenmärkte und Wechselkurse. Eine theoretische und empirische Analyse, Berlin, Heidelberg, New York, Tokio 1983. 15 G. Kirchgässner, J. Wolters, Uncovered Interest Parity Condition Between the United States and Europe under Different Exchange Rate Regimes, op. cit., p. 19. 16 R. McDonald, T. S. Torrance, On Risk, Rationality and Excessive Speculation in the Deutschmark-OS Dollar Exchange Market, op. cit., p. 121. 17 The term "excessive speculation" refers to bubbles which may appear in highly speculative markets. See for example G. W. Evans, A Test for Speculative Bubbles in the Sterling-Dollar-Exchange Rate: 1981-84, The American Economic Review, Vol. 76, No. 4, 1986,_pp. 621 ff. Forareview of the Iiterature see E. Heri, Irrationales rational gesehen: Eine Ubersicht über die Theorie der "Bubbles", Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, Vol. 122, 1986, pp. 163-186. The theory of rational bubbles, formulated for asset markets, is related to the recent discussion of "sunspot-equilibria" which try to explain that "... endogenaus variables fluctuate in response to "sunspot" variables, that is, to random events that in fact have nothing to do with economic "fundamentals" ... ". M. Woodford, Three Questions about Sunspot Equilibria as an Explanation of Economic Fluctuations, The American Economic Review, Papersand Proceedings, Vol. 77, 1987, p.93.
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Although nonsterilized intervention (according to the asset market approach) is shown tobe a very powerful tool to influence exchange rates 18 , sterilized intervention can nonetheless alter exchange rates. 19 Beside influencing risk premia, sterilized intervention can be used to let the market know about the authorities' intentions as to the appropriate course of economic policy. It may also succeed in convincing the market that the prevailing exchangerate is inconsistent with the fundamentals. "Whatever the authorities' reason for wanting the market to revise its views, the market is more likely to take heed when the authorities intervene and thus back their words with money". 20 Sterilized intervention can also be used to change the market's confidence in its own predictions. In most theoretical models with rational expectations, agents are assumed to hold identical views. In reality, expectations are heterogenous, they are held with varying degrees of confidence, and information is not distributed costlessly and symmetrically. Information which is relevant for some participants in the foreign exchange market, for asset prices and exchange rates, may be irrelevant for others. In short, there are a variety of possible channels through which sterilized (and non-sterilized) intervention can alter exchange rates. Due to ambiguities of results of the empirical work on risk premia in the foreign exchange market, and the uncertainties regarding the "true" model of exchangerate determination, the authorities would be ill advised if they were to adhere strictly to one policy. "Choosing ends before means is always dangerous, and clearly so in matters of exchangerate management". 21 This statement could be interpreted as an invitation for economic policy makers to do nothing, even if they have clear signals about misalignments of exchange rates. However, in sofaras we don't have better insight into the functioning ofthe exchange market (relevance orirrelevance ofrisk premia and so on), to avoid serious mistakes policy makers would do weil to experiment, to try and do something perhaps cautiously, and see how the market reacts. There seems to be no a priori reason to exclude sterilized intervention from the arsenal of measures of economic policy. An essential point to make here is 18 For an overview see R. W. Tryon, Small Empirical Models of Exchange Market Intervention, op. cit. 19 For other channels how sterilized interventions influence exchange rates see P. B. Kenen, Exchange Rate Management: What RoJe for Intervention?, The American Economic Review, Papersand Proceedings, Vol. 77, No. 2, May 1987, pp. 194-199, W. File, J. Kuhlmann, Exchange Market Intervention and the US Dollar, Intereconomics, Vol. 21, No. 1, 1986, pp. 15-25, M. Klein, Zentralbankinterventionen an effizienten Devisenmärkten, Harnburg 1985. 20 P. B. Kenen, Exchange Rate Management, op. cit., p. 198. 21 J. Sachs, The Uneasy Case for Greater Exchange Rate Coordination, The American Exonomic Review, Papersand Proceedings, Vol. 76, No. 2, May 1986, p. 336.
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Wolfgang File and Attiat F. Ott
that authorities should not adopt measures to influence exchange rates without saying why - they should supply information as to why they are doing what they are doing. For the policy tobe credible, the authorities must stand by their actions until the economic conditions have changed. Otherwise, the policy measure may well become a source of confusion, make expectations more uncertain and/ or raise risk premia. Centrat to this discussion is the answer to two questions: For what purpose should exchangerate management policy aim? And secondly, is the aim to influence the level of real or nominal exchange rates or the dynamic behavior of nominal exchange rat es? 2.3 Reducing Uncertainty as an Objective of Internationa/Policy Coordination
A major goal of any international monetary system is the maximization of economic welfare worldwide, given productive factors and productivity. From this, it follows that the international monetary system should neither become an obstacle to further progress in the international division oflabor, nor should it view exchange rates as the vehicle for the international allocation of resources. Exchange rate movements should reflect processes of international allocation, on average, and at least over a somewhat Ionger time horizon. Some economists are of the opinion that real exchange rates should become the guideline for a cooperative strategy2 2 , because it is only under the extreme assumption of risk neutrality, that unpredictable and unrestricted volatility does not have any impact on the level of economic activity. 23 Reducing uncertainty would lead to higher levels of economic 22 See R. Dornbusch, The World Economic Outlook and the Need for Further Dollar Depreciation, paper presented at the conference "Trade lmbalances and Exchange Rate Volatility", Clark University, Worcester, MA, September 29-30, 1987 (mimeo). While Feldstein refuses international coordination of economic policies, he shares the view, that a further dollar depreciation is necessary to solve the current trade balance problems and disequilibria of international trade. See M. Feldstein, Rethinking International Economic Coordination, Oxford Economic Papers 40 (1988), pp. 205-219. For ends of policy coordination and problems arising see G. Oudiz, J. Sachs, Macroeconomic Policy Coordination among the lndustrial Economies, Brooking Papers on Economic Activity, 1984, pp. 1-75. For an ecellent overview on basic questions related with international policy coordination see A. Steinherr, Konvergenz und Koordinierung makroökonomischer Politken: Einige grundlegende Fragen, Europäische Wirtschaft, H. 20/1984, pp. 73-116 and for implications of international monetary coordination on economic welfare see R. Pohl, Wohlfahrtstheoretische Aspekte der internationalen geldpolitischen Koopertion, in: A. Gutowski, (ed.), Wechselkursstabilisierung und Währungskooperation, op. cit., pp. 9-36. 23 Fora survey of exchangerate risks and their effects on the international trade and the international division of Iabor see H. Schäfer, Schaden flexible Wechselkurse der Weltwirtschaft? Ein Überblick zum aktuellen theoretischen und empirischen Forschungsstand, Konjunkturpolitik, 33. Jg., H. 4 ( 1987), pp. 219-241. F or some further arguments and their empirical relevance see the contribution of A. Herrmann to this publication.
Coordinated Economic Policies and Dollar Exchange Rates
131
activity, more production and employment. If one accepts this view, then a change in policy regime from non-cooperative behavior to a closer coordination of economic policies, in the normal case, would give rise to welfare improvement. The underlying hypothesis here is that a successful economic strategy reduces uncertainties in the foreign exchange markets. In the following section, we offer an empirical evaluationoftbis hypothesis. The empirical analysis, however, will focus only on one aspect of international economic cooperation - that of coordinated intevention in the foreign exchange market. This coordination is taken as an indicator of cooperative economic behavior by the G-5 and G-7 groups respective1y. Given the current state of exchange rate economics, movements of the exchange rate cannot be explained satisfactorily through the use of a structural model. 24 As structural models of the dollarexchangerate cannot be relied upon to determine whether or not a change from non-cooperation to a cooperative strategy by the major industrial countries has had a systematic influence on the dollar exchange rate, we elected to follow an alternative approach. First, we use time-series models to find out whether different episodes, characterized by different attitudes towards international economic cooperation, exhibit different patterns of exchange rate dynamics. Secondly, we use dummyvariables in regression analysis to find out whether the qualitative variable "international cooperation" altered systematically the behavior of the dollar exchange rate. 3. The Empirical Analysis 3.1 Periods under Study
The period from August 1984 up until the stock market crash in October 1987 is characterized by three episodes of U.S. intervention in the foreign exchange market: August 1984- August 1985; September 1985 - December 1985; and February 1987- September 1987. Prior to the Group of Five (G-5) meeting, the U.S. intervention policy was essentially that which was established in 1981. That policy viewed intervention to be appropriate only to restore "order" or to calm "disorderly markets". From August 1984 until September 1985, the U.S. intervened only on two occasions; in September and October 1984. 25 In each instance, interventionwas "uncoordina24 See R. A. Meese, K. Rogoff, Empirical Exchange Rate Models of the Seventies: Do they Fit Out ofSample?, Journal oflnternational Economics, No. 1, 1983, pp. 3 ff., W. Gaab, Der Beitrag alternativer Finanzmarktmodelle zur Erklärung des DM/$-Wechselkurses von 1974 ( 10)- 1981 (5), Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1982, pp. 601 ff. 25 The U. S. authorities intevened on two occasions in September 1984, buying a total of $ 185 million equivalent of marks and again on one occasion in October 1984, buying $ 95
132
Wolfgang File and Attiat F. Ott
ted" and of short duration. Although central banks of European countries and Japan intervened heavily with the same objective in mind- "leaning against the wind" 26 , we view this period as representing an "uncoordinated" episode for Iack of formal arrangements between central banks as to the policy stands towards the dollar exchange rate. Morever, no attempt was made to coordinate fiscal or monetary actions of the group to influence the behavior of the dollar exchange rate. A change in the intervention regime followed the Plaza Hotel Accord reached in September 1985. Immediately following the Accord, the U.S. intervened heavily in the exchange market. U.S. intervention was closely coordinated with that of the G-5 central banks, and was very visible. This G-5 episode of intervention Iasted until December 1985. The third episode ofU .S. intervention followed the Group of Seven (G-7) meeting in February 1987. The G-7 intervention approach was viewed to be similar to that of the G-5 intervention regime, although "rumor" bad it that the G-7 countries were attempting to maintain the dollar/D-Mark and the dollar/yen exchange rates within target zones. Between February 1987 and September 1987, the U.S. intervened twice, in March through June and again in August 1987. We define these two intervention periods (September 1985 until December 1985 and February 1987 to September 1987) as episodes of "coordination" of economic policies. Webase this on three Observations: First, intervention of monetary authorities in the foreign exchange markets were coordinated closely. Second, the objective of intervention was highly visible i.e. support the decline of the dollar following G-5 meeting and stabilize the dollar exchange rate within a target zone after the Louvre accord. Finally, pronouncements were made to the effect that the United States would attempt to reduce the budget deficit while West Germany and Japan would stimulate economic growth through tax reforms and other fiscal means. These three episodes of intervention offer us two distinct regimes: An uncooperative regime Iasting until September 1985, and a cooperative regime following the G-5 meeting, and again after the G-7 meeting. 3.2 Data and Methodo/ogy
Exchange rates data used in the empirical analysis are daily quotations of the dollar spot rates against the mark (Frankfurt fixing) obtained from Deutsche Bundesbank. In the regression analysis intervention episodes are represented by dummies. Because intervention usuallytakes place throughmillion equivalent of marks, See Treasury and Federal Reserve Foreign Exchange Operations: Interim Report, Federal Reserve Bulletin, February 1985, p. 82. 26 As the result of selling dollars net external asset of the Bundesbank reduced from DM 75 billion at the end of August 1984 to DM 70 billion at the end of September 1984.
271
1984 1985
-----
----
-~ -'---~
124
February 1987 September 1987
-
64
September 1985 December 1985
August August
2134
Number of Observat1ons
November 1979 1988 April
Period
~~-
1 ,827
2,692
3,057
2,312
Mean
-~
----
0,029
o. 123
0,154
0,440
Standard Dev1at1on
0,016
0,046
0,050
0,190
Coeff1c1en t of Var1at1on
0,156
1 ,052
0,169
0,263
Skewness
Kurtosls
- o. 174
- 0 , 239
- 0, 160
- 0,839
Table /: Measures of Various Sampie Moments, DM/Dollar Spot Exchange Rates
:
w w
-
"'
~
PJ
PJ
:r ::s ~ ::tl
(")
>
5.690
5.300
-
$
7.838
7.308
6.180
1.879
Industrieländer
L
FF
DM
Durchschnitt aus vierteljährlichen Varianzen. RV (multipliziert mit 10•). Zur Definitions. S. 153. Quelle: Hardy und Herrmann (1988).
•l bl
3. Ökonornefrische Ansätze
Vom erhöhten Wechselkursrisiko werden Wirkungen auf Mengen (Importe und Exporte) und auf die Außenhandelspreise vermutet. Die Spezifikation der Schätzgleichungen hat folgende allgemeine Form: Für Exporte bzw. Importe: x
=a +
b(L)x
+
c(L)r
+
d(L)y
+ f(L)cu +
gT
+
h(L)V
wobei b (L), c (L) usw. Polynominale im Lag-Operator sind. x bedeutet Export- oder lmportmenge, ristder entsprechende reale Wechselkurs, y die Nachfragevariable (BSP oder Industrieproduktion in der Absatzregion), cu die Kapazitätsauslastung im Absatzland, T der Zeittrend und V ein Unsicherheitsmaß. Alle Variablen gehen in logarithmischer Form ein. Für Export- und lmportpreisindices: Pi= a
+
+
b(L)pi
h (L) YPi*
+ c(L)e + d(L) + JT + k (L) V
lsk
+ f(L)cu +
g(L)ypi
eist der effektive Wechselkurs gegenüber 20 Industrieländern, lsk ist ein Maß
der Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe und YPi und YPi* sind inländische bzw. ausländische BSP-Deflatoren. Auch in die Preisgleichung gehen alle Variablen in logarithmischer Form ein. Für die Schätzungen wurde überwiegend "OLS" angewandt, in einigen Fällen auch "Seemingly Unrelated Regression" und "Maximum Likeli-
Wechselkursrisiko und Außenhandel
155
hood". 3 Der Erklärungswert der Gleichungen sowie Größe und Vorzeichen der geschätzten Koeffizienten waren, wenn mit Lag-Strukturen experimentiert wurde, im allgemeinen befriedigend. Der Einfluß von Wechselkursrisiken auf Außenhandel und Außenhandelspreise wurde für die Länder Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, also zwei Ländern mit gemischten Wechselkurssystemen und niedrigen Wechselkursschwankungen, sowie für Großbritannien und die USA, zwei Ländern mit ausschließlich floatenden Wechselkursen und hohen Wechselkursschwankungen, untersucht. Die folgenden Außenhandelsströme dieser vier Länder wurden mit zunehmendem Disaggregationsgrad getestet: der gesamte Warenhandel, getrennt nach Export und Importen, der bilaterale Handel zwischen den vier Ländern, die regionalen Aus- und Einfuhranteile der jeweils drei Handelspartner sowie der EWS-Region und der Nicht-EWS-Region an den Gesamtexporten bzw. Gesamtimporten, die Aus- und Einfuhren nach 22 Sektoren. 4. Ergebnisse
Die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchungen sind: Erstens: Es gibt offenbar keinen systematischen bzw. allgemeingültigen Einfluß von Wechselkursrisiken auf die Außenhandelsströme. Insofern werden die Resultate früherer ökonometrischer Studien bestätigt, in denen sowohl signifikant handelsmindernde als auch handelssteigernde Effekte zutage traten. Ebenso konnte in vielen Fällen keinerlei Einfluß nachgewiesen werden, d. h. die Koeffizienten waren nicht signifikant. Zweitens: Signifikante Einflüsse der erhöhten Wechselkursrisiken treten auf globaler Ebene kaum in Erscheinung. Eine Ausnahme bilden die Gesamtexporte der BR Deutschland (Tab. 1). Diese werden durch die erhöhte Wechselkursvariabilität offenbar beeinträchtigt. Sie bestätigen damit die Mehrzahl der Ergebnisse der empirischen Literatur. Eine Abhängigkeit der globalen Handelsströme der übrigen drei Länder von Wechselkursrisiken konnte nicht nachgewiesen werden. Die Koeffizienten der Risikovariable waren entweder nicht signifikant oder abhängig von der Wahl des Unsicherheitsmaßes. Drittens: Die bilateralen Handelsströme sind offenbar ebenfalls noch zu hoch aggregiert, als daß sich in einer größeren Anzahl von Fällen eindeutige 3
Für Details s. Hardy/Herrmann. a.a.O.
156
Anneliese Herrmann Tabelle 1: Realer Gesamthandel (Waren) Risikomaß MV Abhängige Variable: gesamte . . •
Risikanaß
\ Pr (Koef.=O) (Signifikanz)
R2 rM
LlMV lAMV L5MV
0.31** 0.34** 0.11** 6.51
98.7 1.99
L6MV
187.17 -245.21 384.60 -133.14
Deutsche Exporte
MV
-272.23
4.81*
98.9 2.09
Französische Irrp:)rte
LlMV L2MV
-118.57 194.86 - 82.88 29.55
10.94 0. 39** 22.77 67.05
99.4 2. 31
MV L3MV
- 49.19 114.55 - 93.92
52.78 17.15 10.68
99.2 1.83
MV LlMV L2MV
17.91 27.06 0.15** 9.71 0.87**
95.0 1.96
L6MV L7MV
-128.41 146.98 -349.76 -139.69 227.85
MV LlMV L2MV L3MV
182.56 -203.96 162.89 -142.01
0.75** 3.57* 10.57 4.72*
95.7 1.95
J\merikanische Irrp:)rte') L2MV lAMV L7MV
147.77 298.84 - 66.88
0.66** 0.01** 21.25
99.8 2.60
63.15 95.86 157.67
29.6 18.3 3.64*
98.5 2.45
Deutsche Irrp:)rte
L6MV L7MV
Französische Exporte
L7MV
Britische Irrp:)rte
Britische Exporte
Airerikanische Exporte
MV L3MV
L6MV
1
geschätzte Koeffizienten
Mit maximum Likelihood geschätzt.
Wirkungen von Wechselkursunsicherheiten identifizieren ließen. Zwar überwiegen im gegenseitigen Handelsaustausch der vier Länder die negativen Koeffizienten der Risikomaße, doch sind die meisten nicht signifikant (Tab. 2). Es zeigte sich auch hier die große Abhängigkeit von der Wahl des Risikomaßes. Signifikante Koeffizienten der einen Risikovariable für einen bilateralen Warenstrom sind nicht mehr gesichert bei Verwendung einer anderen oder wechseln das Vorzeichen beim Test des Einflusses der übrigen beiden Risikovariablen. Tendenzen sind jedoch, bei aller gebotenen Vorsicht, dennoch auszumachen. Mehrmals ergaben sich signifikant negative Vorzeichen für den deutsch-französischen Handel und für den britischen Handel mit den beiden kontinentalen EWS-Ländern, während im Warenaustausch mit den
157
Wechselkursrisiko und Außenhandel Tabelle 2: Realer bilateraler Handel (Waren) Risikomaß FV Abhängige Variable: Exporte von ..•
Risikanaß
DEnach FR
FV L1FV
DEnach UK
R'
%Pr (J 0, U" < 0.
Zur weiteren Vereinfachung sei noch angenommen, daß die Nutzenfunktion U additiv in die beiden Teilfunktionen Ur und Uo zerlegbar ist. Die über den Aktionsparameter XF zu maximierende Zielfunktion lautet dann (4)
Z= E {Ur (p* iq (xr) ))
+ Uo {Po qo (x- XF)).
Als Bedingung I. Ordnung ergibt sich (5)
E
{u; p* iq' (xr)}
= Ur) PD qr) (x- Xr),
der erwartete Grenznutzen aus der Aktivität auf dem Auslandsmarkt entspricht jenem aus der Tätigkeit am Inlandsmarkt. Durch Umformung von (5) erhält man (6)
E
{u; e-} =
u.; Po q' (x- XF) p* q' (XF)
Mit Hilfe von (6) kann nun analyisiert werden, wie eine Zunahme der Variabilität von i auf den optimalen Faktoreinsatz XF wirkt. Zu beachten ist, daß die rechte Seite von (6) von i unabhängig und monoton steigend in XF ist, d. h. die Ableitung der rechten Seite nach XF ist positiv. Zu untersuchen ist demnach nur der Zusammenhang zwischen einer Ausdehnung der Variabilität von i (bei konstantem Mittelwert) undder linken Seite von (6), alsoE{ u; i}.
166
Anneliese Herrmann
e,
Steigt nämlichE{ Ur i} als Folge einer größeren Streuung von dann muß wegen der Monotonieeigenschaft der rechten Seite von (6) auch XF steigen. Die Abhängigkeit von E {Ul i} vom Wechelkurs i kann wie folgt dargestellt
werden: a)
a[U!(p*iq)i]=UI [ UI'Y-F +I] ai u; Bezeichnet man mit R dann folgt weiter:
(7)
b)
a u;i
ae
=
a2 [u; (p* i
ai 2
=-
Ul' U,'1
mity-F
p*
i q.
y F das Maß der relativen Risikoaversion,
u; (I - R) ~ 0 wenn R ~ I. >
I>' ;::;:'
::r "'
s::
::c I>'
Cl>
::r
2. c=;·
~
0.
0:
Cl>
= s:: =
s·
~
Cl>
00
I>'
=
c;:
I>'
N
Cl>
.... = ....
172
Reinhard Pohl
1.3. Komponenten, Quellen und Entwicklung des Zentralbankgewinns
Der stabilste Teil des Bundesbankgewinns ist die in der ersten Spalte der Tabelle "Einnahmen des Bundes aus dem Bundesbankgewinn und aus ausgewählten Steuern" ausgewiesene Komponente. Sie wird hier als Gewinn in laufender Rechnung bezeichnet. Hauptquelle dieses Gewinns waren die Zinserträge aus Inlands- und Auslandsanlagen. Der Zinsaufwand fiel selten ins Gewicht, da die meisten Passiva (neben dem Bargeldumlauf die Giroeinlagen von Kreditinstituten, öffentlichen Haushalten und Unternehmen) nicht verzinst werden. Auch die übrigen Positionen wie die Erträge und Aufwendungen aus Devisengeschäften, ferner Löhne, Gehälter, Pensionen, sächliche Verwaltungskosten und Abschreibungen auf Gebäude, sind vergleichsweise niedrig. In der zweiten Spalte der Tabelle erscheinen die Abschreibungen auf Währungsreserven und sonstige Fremdwährungspositionen (vom Betrag im Jahre 1981 ist die Zuschreibung von 3 Mrd. DM zum Gold abgezogen worden). Der um diese Abschreibungen verminderte "laufende" Gewinn ist der sogenannte Jahresüberschuß (oder Jahresfehlbetrag: -). Nach Abzug eines aus dem Vorjahr übernommenen Verlustvortrages ergibt sich der sogenannte Bilanzgewinn. Nach Dotierung der Rücklagen und des "Fonds zum Ankauf von Ausgleichsforderungen" verbleibt ein "Restbetrag", der im jeweils folgenden Jahr an den Bund abgeführt wird (für 1978 und 1979 ist in der Tabelle der Verlustvortrag aus rechnerischen Gründen wie eine Rücklagenverminderung "verbucht" worden). Nachdem die ausgeschütteten Bundesbankgewinne bis zum Jahre 1981 keine nennenswerte Rolle gespielt hatten, kam es von 1982 bis 1986 zu Ausschüttungen in Höhe von 10 bis 13 Mrd. DM. Bald danach, im Jahre 1988, versiegte die Ausschüttung fast völlig. Doch 1989 schnellte sie wieder auf 10 Mrd. DM hoch. Diese Bewegungen beruhen nur zum kleineren Teil auf den Schwankungen des Gewinns in laufender Rechnung, also der Zinserträge. In erster Linie resultierte das abrupte Auf und Ab aus den mehrmaligen Höherbewertungen der D-Mark gegenüber dem US-Dollar und aus deren Konsequenzen für den Bilanzgewinn der Bundesbank (vgl. die Positionen "Verlustvortrag" und "Abschreibungen auf Fremdwährungspositionen"). 1.4. Einige zentrale Fragen
Die erratischen Schwankungen des Bilanzgewinns der Bundesbank entfachten einen Streit darüber, wie der Gewinn einer Zentralbank und seine Ausschüttung an den Staat ökonomisch und fiskalisch zu beurteilen seien. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die ökonomische Rolle des Zentralbank-
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
173
gewinns, also seine Wirkungen auf den Geldumlauf, den Einkommenskreislauf, die Finanzmärkte. Aber auch fiskalische Überlegungen waren von Bedeutung; auf sie geht das Haushaltsgesetz 1989 zurück. In meinem Beitrag werde ich vor allem auf folgende Fragen eingehen: 1. Gibt es ökonomisch einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den
Einnahmen des Staates aus Zentralbankgewinnen und den Einnahmen des Staates aus sonstigen Erwerbseinkünften sowie aus Steuern und Gebühren? Mit dieser allgemeinen Frage werden gewöhnlich spezielle Fragen folgender Art assoziiert: a) Muß man nicht bei der Wirkungsanalyse zwischen den verschiedenen Quellen und Komponenten des Zentralbankgewinns unterscheiden: Wirken zum Beispiel nur die aus Inlandsanlagen der Zentralbank stammenden Zinserträge (oder deren Zunahme) kontraktiv auf den Einkommens- und Geldkreislauf (H. Schlesinger, 1985), während Auslandszinserträge keinen Entzug von inländischer Kaufkraft darstellen und Bewertungsvorgänge "kreislaufneutral" sind? b) Ist eine mit Zentralbankgewinnen erreichte Verminderung des Finanzierungsdefizits oder Schuldenstandes des Staates eine echte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte oder werden damit die Konsolidierungsfortschritte nur überzeichnet - wie es die Sparerschutzgemeinschaft behauptet hat (Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, 1987/88, s. 33)? c) Wird durch die Ausschüttung oder die Mehrausschüttung von Zentralbankgewinnen an den Staat eine stabilitätsgerechte Geldversorgung gefährdet?
2. Ist die Vorausschätzung des Zentralbankgewinns "mit besonders großer Unsicherheit behaftet" (wie es der Bundesminister der Finanzen am 26.10.1988 in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag behauptet hat), so daß der ausgeschüttete Zentralbankgewinn fiskalisch als eine Einnahme sui generis zu behandeln sei? 3. Wird der Bundesbankgewinn ökonomisch sinnvoll ermittelt? Andere Fragen sind offengeblieben, zum Beispiel: 1. Die Deutsche Bundesbank ist eine bundesunmittelbare juristische Person (§ 2 BBankG) und hat gemäߧ 3 BBankG die Aufgabe, den Geldumlauf mit dem Ziel zu regeln, die Währung zu sichern; die Erzielung von Gewinnen ist nur ein unvermeidliches Nebenprodukt (H.-D. Wettlaufer, 1987, S. 84): Ist es mit dieser Aufgabe vereinbar, im Rechnungswesen der Bundesbank die Aktiva, Passiva und Transaktionen (fast) genauso zu behandeln wie im Rechnungswesen einer Kapitalgesellschaft, die auf Gewinne zielt, dabei aber auch in Konkurs gehen kann?
174
Reinhard Pohl
2. Die Bundesbank kann deshalb hohe Gewinne erzielen, weil der größte Teil ihrer Passiva praktisch nicht verzinst werden kann (wie das Bargeld) oder nicht verzinst werden darf (wie gemäߧ 19 Abs. 1 Nr. 4 BBankG die Giroeinlagen): Sollte man der Bundesbank zur Verminderung des Gewinns die Verzinsung der Mindestreserven und anderer Giroeinlagen vorschreiben? 3. In den 50er und 60er Jahren ist ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf inländischer Produktion an das Ausland (Ausfuhrüberschüsse) zum Aufbau von Goldreserven der Bundesbank verwendet worden; seit vielen Jahren sind diese unverändert und werden zu einem weit unter dem Marktpreis liegenden Preis (144 DM je Feinunze) bewertet: Sollte man, ohne die Buchgewinne auszuschütten, die Reserven unter dem Strich flexibler und marktgerechter bewerten oder sollte man, gemäß dem "Giersch-Plan", das Gold gewinnbringend verkaufen und den Erlös rentabel verwerten (N. Walter, 1972) oder sollte man, um Unruhen zu vermeiden, an der "eisernen" Goldreserve überhaupt nicht rühren? Eine fundierte Antwort auf diese brisanten Fragen würde die mir gesteckten Grenzen überschreiten. Deshalb werde ich mich mit einer eng umrissenen Frage bescheiden, die zunächst die Bundesbank und den Bund betrifft, sinngemäß aber auch auf eine europäische Zentralbank und einen europäischen Fiskus bezogen werden kann: Wie kann man die Praxis der Ermittlung, der Ausschüttung und der Verwendung des Bundesbankgewinns reformieren, ohne die Positionen "Unverzinsliche Giroeinlagen" und "Gold" in Frage zu stellen und ohne den sonstigen rechtlich-institutionellen Rahmen der Aktivitäten von Bundesbank und Bund gravierend zu ändern? 1.5. Einige umstrittene zentrale Thesen
Diese Frage ist ganz verschieden, zum Teil auch schon vom Gesetzgeber (Haushaltsgesetz 1989), beantwortet worden. Die wesentlichen Antworten schlagen sich wörtlich oder sinngemäß in folgenden Thesen nieder: 1. These: "Die Gewinne der Bundesbank sollten grundsätzlich stillgelegt werden, sei es durch die Bundesbank selbst (z. B. durch Tilgung von Verbindlichkeiten des Bundes bei der Bundesbank), sei es durch die Bildung von Sonderrücklagen nach § 5 des Stabilitätsgesetzes." (Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer. 1980/81, S. 40). 2. These: Die Gewinne der Zentralbank sollten zwar weitgehend ausgeschüttet werden, dies sollte aber stetig geschehen! Denken könnte man an einen auf mittlerem Niveau festgesetzten konstanten Ausschüttungsbetrag (Sachverständigenrat, 1981, Tz. 33) oder an einen mit der Zentralbankgeldmenge relativ stetig wachsenden Betrag (Sachverständigenrat, 1984, Tz. 242)
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
175
oder an einen als gleitenden Durchschnitt ermittelten Betrag. Wäre der tatsächliche Gewinn größer als dieser Betrag, so würden die "sonstigen" Rücklagen der Zentralbank aufgestockt; wäre er geringer, so würde die Zentralbank diese Rücklagen zum Teil auflösen oder notfalls einen Sonderkredit an den Staat gewähren, der aus späteren Zusatzgewinnen zu tilgen wäre. 3. These: Die Verwendung des unstetig ausgeschütteten Zentralbankgewinns zu Ausgaben des Staates für Güter, Dienste und Übertragungen sollte nach dem in der zweiten These vorgeschlagenen Modus verstetigt werden. Dieser Vorschlag entspricht insoweit den Vorstellungen des Bundesministers der Finanzen, als gemäß Haushaltsgesetz 1989 ungeplante Mehreinnahmen aus dem Bundesbankgewinn zur Schuldentilgung verwendet werden müssen. Eine konsequente Verstetigung würde allerdings erfordern, daß ungeplante Mindereinnahmen zu einer Kreditaufnahme führen.
2. Voraussetzungen der Wirkungsanalyse 2.1. Arten der Wirkungsanalyse
Bei den meisten Thesen zur Ausschüttung des Zentralbankgewinns und dessen Verwendung durch den Staat wird vernachlässigt, daß der zur Verteilung auf die Rücklagen u. ä. sowie auf die Ausschüttung verfügbare Bilanzgewinn aus mehreren heterogenen Komponenten besteht: dem Gewinn in laufender Rechnung, den Wertberichtigungen (vor allem Abschreibungen) und dem Verlustvortrag (Tabelle 1). Diese Komponenten haben in ökonomischer Sicht ganz verschiedene Bedeutungen. Sie müssen deshalb getrennt analysiert werden. Der Gewinn in laufender Rechnung wird, wie oben erwähnt, hauptsächlich aus den Zinserträgen der Zentralbank gespeist. Zinsen können zumindest unter zwei Aspekten betrachtet werden: unter portfolioanalytischem Aspekt erscheinen Zinsen im Kalkül der Wirtschaftssubjekte bei ihren Entscheidungen über den Umfang und die Struktur ihres Sach- und Geldvermögens, namentlich bei ihren Investitions- und Sparentscheidungen; unter kreislaufanalytischem Aspekt werden Zinsen einerseits als Erträge oder Einnahmen und andererseits als Aufwand oder Ausgaben gesehen. Im Mittelpunkt meiner Betrachtungen wird der kreislaufanalytische Aspekt stehen, also die Frage nach den unmittelbaren Konsequenzen der Entstehung und der Verwendung des Zentralbankgewinns für den Einkommenskreislauf, den Geldumlaufund die Struktur der Aktiva und Passiva von
176
Reinhard Pohl
Zentralbank, Staat und privatem Sektor. Allerdings wird nicht außer acht gelassen werden, daß eine bestimmte Verwendung des Zentralbankgewinns mittelbar bestimmte Wirkungen auf die Zinssätze und damit die Investitionsund die Sparneigung hat. 2.2. Die Volkswirtschaft im Spiegel der Bilanzen
Diese Analysen sollen anband einiger gesamtwirtschaftlicher Szenarien vorgenommen werden, die eine ähnliche, extrem einfache Grundstruktur aufweisen und sich fast nur um die verschiedenen Formen der Entstehung und Verwendung des Zentralbankgewinns unterscheiden. Erläutert wird diese Grundstruktur mit Hilfe der Tabelle 2 mit den Bilanzen und den Ertrags- und Aufwandsrechnungen für die Sektoren "Zentralbank", "Staat" und "Privater Sektor", der die Finanzierungsinstitute, namentlich die Kreditinstitute, die Unternehmen und die privaten Haushalte umfaßt: Auf der rechten Seite erscheinen die verschiedenen Aufwendungen und Erträge der Sektoren in der Ausgangsperiode To und der darauf folgenden Periode Tt, und auf der linken Seite stehen die (Bestands-)Bilanzen zu den Bilanzstichtagen to und ft am Ende der beiden Perioden. In der Bilanz für die Zentralbank heißt das erste Aktivum Devisen. Es umfaßt die Netto-Währungsreserven und die sonstigen Netto-Fremdwährungspositionen; damit die Tabelle nicht "überladen" wird, werden Auslandsaktiva und -passiva in eigener Währung hier nicht aufgeführt. Zu den übrigen Passiva gehören der Sonderkredit wegen Neubewertung der Devisen, die Refinanzierung der Kreditinstitute bei der Zentralbank, die vom Staat emittierten Schatzwechsel und das aus Grundstücken und Gebäuden bestehende Sachvermögen. Das wichtigste Passivum ist das - hier ausschließlich vom privaten Sektor gehaltene- Zentralbankgeld in Form von Bargeld und von Zentralbankguthaben, insbesondere der Kreditinstitute. Die übrigen Passiva sind die kumulierten (um Zuschreibungen verminderten)Abschreibungen auf Fremdwährungspositionen sowie das Eigenkapital, das sich aus dem Grundkapital, den gesetzlichen und den sonstigen Rücklagen zusammensetzt. Zur Vermeidung buchungstechnischer Komplikationen wird fingiert, die Zentralbank sei ein "Unternehmen an sich", so daß es beim Staat keine Aktivposition "Eigentumsrechte an der Zentralbank" gibt. 3 3 Beim Einsetzen einer Position "Eigentumsrechte an der Zentralbank" auf der Aktivseite der Bilanz des Staates müßte man auf der Passivseite das Eigenkapital des Staates entsprechend heraufsetzen. Solange es nur um das "Grundkapital der Zentralbank" ginge, gäbe es keine Probleme. In ein Dilemma gerät man aber, sobald die Zentralbank aus ihren Gewinnen offene Rücklagen bildet und damit ihr ausgewiesenes Eigenkapital vergrößert: Wenn man die staatliche Aktivposition "Eigentumsrechte an der Zentralbank" um den Wert dieser Rücklagen aufstockte, würde man den Grundsatz verletzen, daß nur realisierte Vermögenszuwächse, also keine Buchgewinne ausgewiesen werden dürfen. Wenn man
177
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte Tabelle 2
T 0 : Zentralbankkredit (Schatzwechsel) 'ln Staat T 1 :Nicht-Ausschüttung und Zentralbankkredit an Staat
Bilanzpositionen
t1
to
-
t0
E- & A- Positionen
To
T1
-
T0
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sach vermögen
100 10
AkLiva insgesanu
IJO
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert
+10
ERTRAG Zins für Devisen Zins für Sonderkredit Zins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
10
+10
Ertrag insgesamt
10
AUFWAND Abschreibungen Ausschüttung
10
Eigenkapital
100 10
+10
"Ersparnis"
Passil'a insgesamt
/JO
+10
Au/IVand insgesamt
Zentralb~kgeld
-10 +10
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen Sachvermögen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
Akliva insgesaml
300
Erlrag insgesaml
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100 100
+10
Eigenkapital
100
-10
Passiva insgesaml
300
100 100
AUFWAND Zins für Sonderkredite Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis Aufwand insgesaml
10 10 100 10
-10
130
-I(}
10 10 110 130
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
100 100 100
ERTRAG
Sachvermögen
I 000
Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
Akliva imgesaml
I 300
Erlrag insgesaml
Eigenkapital
I 100
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für Staat!. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhrüberschuß Steuern Abschreibungen Nettoeinkommen daraus gespart:
Passiva insgesaml.
I 300
Aufwand insgesamt
PASSIVA Refinanzierung Staat!. Einlagen Staat!. Darlehen
100 100
Abschreibungen, kumuliert
12 File/Köhler
10 10 900 110 I 030
10 10 10 100 900 (-)
1 030
-10 -/(}
178
Reinhard Pohl
Somit sind die einzigen Aktiva des Staates die Bankeinlagen und die Darlehen an den privaten Sektor und das Sachvermögen. Neben den schon erwähnten Positionen Sonderkredit und Schatzwechsel gibt es auf der Passivseite die im privaten Sektor umlaufenden Anleihen des Staates und das Eigenkapital, also das Vermögen des Staates. Fast alle in der Bilanz für den privaten Sektor aufgeführten Positionen sind Gegenposten zu Positionen bei der Zentralbank und beim Staat. Ausnahmen sind das Sachvermögen, die kumulierten Abschreibungen, das Eigenkapital und die Devisen. Wie bei der Zentralbank lauten alle Auslandspositionen nicht auf eigene, sondern auf fremde Währungen. In der Ertrags- und Aufwandsrechnung (E & A~Rechnung) für die Zentralbank decken sich die Zinserträge mit dem Gewinn in laufender Rechnung. Nach Abzug des Aufwands für Abschreibungen auf die Devisenbestände erhält man den Bilanzgewinn, der zum Teil an den Staat ausgeschüttet, zum Teil "gespart" und damit dem Eigenkapital (d. h. den offenen Rücklagen) zugeführt wird. Im Haushalt des Staates gibt es Erträge oder Einnahmen aus Zinsen, Steuern und aus der Ausschüttung des Zentralbankgewinns; ihnen stehen Aufwendungen oder Ausgaben für Zinsen und den Staatsverbrauch (einschließlich des Personal- und Sachaufwands der Zentralbank) gegenüber. Den Abschluß des Kontos bildet die Ersparnis (oder das Entsparen: -),mit der das Eigenkapital des Staates aufgestockt (vermindert) wird; sie deckt sich, sofern das Sachvermögen konstant bleibt, mit dem staatlichen Finanzierungsüberschuß (Defizit:-). In der E & A-Rechnung für den privaten Sektor erscheinen neben den Erträgen aus verzinslichen Auslands- und Inlandsanlagen die Erträge aus dem Verkaufvon Gütern und Diensten für denprivaten Verbrauch und den Staatsverbrauch. Zieht man hiervon ab den Aufwand für Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Devisen und den Einfuhrüberschuß (ohne Zinssaldo ), so erhält man das Nettoeinkommen der privaten Haushalte, der Unternehmen und der Finanzierungsinstitute. In der letzten Zeile (in Klammern) erscheint, was von den Privaten nicht verbraucht, sondern gespart oder entspart (-) wurde und damit dem privaten Vermögen oder Eigenkapital zugeführt bzw. entzogen worden ist; dieser Betrag deckt sich bei konstantem Sachvermögen mit dem privaten Finanzierungsüberschuß bzw. -defizit (-). Aus Platzgründen gibt es in den Tabellen keine Konten für die außenwirtschaftliehen Beziehungen. In einer Bestände-Bilanz würden die beiden Posidagegen weiterhin nur das Grundkapital auswiese, würde man gegen den für eine konsistente gesamtwirtschaftliche Buchführung geltenden Grundsatz verstoßen: In einer Volkswirtschaft (einschließlich des Sektors Ausland) muß die Summe aller Forderungen und sonstigen finanziellen Aktiva gleich der Summe aller Verbindlichkeiten und sonstigen finanziellen Passiva sein!
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
179
tionen "Devisen" bei der Zentralbank und beim privaten Sektor zusammen die finanzielle Nettoposition der Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland darstellen. Deren - um Bewertungsvorgänge bereinigte - Änderungen gingen in die Zahlungsbilanz als Kapitalverkehrssaldo ein, dem der aus dem Einfuhrüberschuß und den Zinserträgen aus den "Devisen" bestehende Leistungsbilanzsaldo gegenüberstünde. Die- in Werteinheiten (WE) ausgedrückten- Zahlenbeispiele basieren auf sehr restriktiven Annahmen: I. Die Position "Refinanzierung" repräsentiert neben den Rediskont- und
den Lombardkrediten ein geldpolitisches Instrumentarium (Offenmarktpolitik u. ä.), mit dem die Zentralbank den Bestand an Zentralbankgeld auf dem von ihr gewünschten Niveau oder Pfad halten kann. Sie vermag also auch, jeden Betrag an Zentralbankgeld, der mit der Entstehung oder Verwendung von Zentralbankgewinnen dem Kreislauf entzogen bzw. zugeführt wird, binnen kurzem wieder zu ersetzen bzw. abzuschöpfen. Die Herrschaft über die Versorgung der Volkswirtschaft mit Zentralbankgeld ist allerdings nur dann gesichert, wenn die Zentralbank nicht anhaltend gegen den Devisenmarkt interveniert: Wenn mit dem Ausland relativ feste Wechselkurse vereinbart sind, muß im Inland ein ähnlicher wirtschaftspolitischer, insbesondere stabilitätspolitischer, Kurs verfolgt werden wie im Ausland; andernfalls müssen die Wechselkurse entweder weitgehend dem Markt überlassen oder- wie im Europäischen Währungssystem (EWS) vorgesehen - bei Bedarf korrigiert werden.
2. Die Zentralbank ermittelt kontinuierlich den Zentralbankgewinn und disponiert kontinuierlich darüber. Auch der Staat ist in der Lage, über den ausgeschütteten Gewinnuno actu zu verfügen. 3. Alle Forderungen und Verbindlichkeiten (ohne Zentralbankgeld) werden mit dem gleichen Satz verzinst; in To zu 10% p. a. 4. In der Ausgangsperiode Tobefindet sich die Volkswirtschaft, wie schon in den Vorperioden, in einem stationären Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung und konstantem Preisniveau; alle geplanten Strom- und Bestandsgrößen decken sich mit den realisierten und bleiben gegenüber der Vorperiode konstant. Die Zentralbank schüttet den gesamten, aus Zinserträgen stammenden, Gewinn in laufender Rechnung von I 0 WE an den Staat aus. Dieser verwendet den Gewinn zusammen mit den Erwerbseinkünften aus Zinserträgen und mit den Steuern zur Deckung seiner Ausgaben für Zinsen und den Staatsverbrauch. Vom Staat wird weder gespart noch entspart (der Finanzierungssaldo ist also Null). Im privaten Sektor wird das gesamte Nettoeinkommen verbraucht; es wird also per Saldo nicht gespart, entspart, investiert und desinvestiert (auch der private Finanzierungssaldo ist also Null). Mithin ist die Summe aller übrigen Aufwendun12•
Reinhard Pohl
180 Tabelle 3
T 0 : Zentralbankkredit (Refinanzlerun&) an den privaten Sektor T 1 :Nicht-Ausschüttung und Anleihen des Staates beim privaten Sektor
Bilanzpositionen
'·
II - to
E- & A- Positionen
T.
T1 - T0
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sachvermögen
100
+10
10
Aktiva insgesamt
110
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert Zentralbankgeld Eigenkapital Passiva insgesamt
ERTRAG Zins für De·:isen Zins für Sonderkredit Zins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
+10
Ertrag insgesamt
100 10
+10
ERTRAG Abschreibung Ausschüttung "Ersparnis"
/10
+10
Aufwand insgesamt
10 10
10
-10 +10
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen Sachvermögen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
Aktiva insgesamt
200
Ertrag i11sgesamt
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100
100
+10
Eigenkapital
100
-10
Passiva i11sgesamt
200
AUFWAND Zins für Sonderkredite Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis Au[wa11d i11sgesamt
10 100 10
-10
120
-10
10 110 120
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
100 100 100
ERTRAG
+10
Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
10 10 900 110
Ertrag i11sgesan11
1 030
Sachvermögen
I 000
Aktiva i11sgesamt
1 300
+10
100
+10
PASSIVA Refinanzierung Staat!. Einlagen Staat!. Darlehen
100
-\bschreibungen, kumuliert Eigenkapital
I 100
Passiva i11sgesamt
1 300
+10
AUFWAND 'Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart: Au[wa11d i11sgesamt
10 10 10 100 900
(-)
1 030
-10 -10
181
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte Tabelle 4
T 0 : Zentralbank hAlt Devisen T 1 : Nicht- Ausschüttung und Minderausgaben des Staates
llilanzpositionen
to
tl - to
E- & A-Positionen
To
Tl- To
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sachvermögen Akliva insgesamt
100 +10 10 110
ERTRAG Zins für Devisen Zins für Sonderkredit Zins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
+10
Erll'ag insgesamt
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert /.cntralbankgeld Eigenkapital
100 10
+10
ERTRAG Abschreibung Ausschüttung "Ersparnis"
Passil a insgesamt
110
+10
Aufwalld i11sgesam1
1
10
10
10
-10 +10
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen Sachvermögen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
.~ktiva ins~:esamt
200
Ertrag insgesamt
120
AUFWAND Zins für Sonderkredit Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch
10 110
100
PASSIVA Sonderkredit S~hatzwechsel
Anleihen
100
Eigenkapital
100
Ersparnis
Passil•a insgesamt
200
Aufwand insgesamt
10 100 10
-10
-10
120
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
ERTRAG
100 100
Sa~hvermögen
I 000
Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
4/..:tira insgesamt
1 200
Ertrag i11sgesam1
PASSIVA Refinanzierung Staat!. Einlagen Staat!. Darlehen
+10 100
Abschreibungen, kumuliert Eigenkapital
I 100
Passiva i11sgesam1
1 200
-10
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart:
Au/wa11d i11sgesam1
10 900 110
-10
1020
-10
10 10 100 900
(-)
-10 (-10)
1 020
-10
182
Reinhard Pohl
gen (Zinsen, Einfuhrüberschuß und Steuern) gleich der Summe der übrigen Erträge (Zinsen und Staatsverbrauch). Die Leistungsbilanz ist ausgeglichen, denn der Einfuhrüberschuß (10 WE) wird voll aus den Auslandszinserträgen finanziert. 2.3 Drei Grundszenarien
Eine beharrliche Konstante in allen Szenarien ist das Geldangebot der Zentralbank. Der Bestand an Zentralbankgeld beträgt sowohl am Ende von To als auch am Ende von T1 immer I 00 WE, unabhängig davon, wie sich Staat und Private verhalten. Allerdings unterscheiden sich die drei Grundszenarien darin, daß das Zentralbankgeld aufverschiedene Weise bereitgestellt worden ist. Aus heuristischen Gründen sollen - anders als es in Wirklichkeit istnur reine Formen der Geldbereitstellung vorgeführt werden: Im Grundszenarium I (Tabelle 2) hat der Staat das Zentralbankgeld gegen Hingabe von Schatzwechseln erhalten und dem privaten Sektor über Bankeinlagen zur Verfügung gestellt. Im Grundszenarium li (Tabelle 3) haben die Kreditinstitute im privaten Sektor das Zentralbankgeld empfangen, indem sie sich bei der Zentralbank refinanziert haben. Im Grundszenarium Il/(Tabelle 4) bilden die "Devisen" der Zentralbank den Gegenposten zum Zentralbankgeld. Mit der Abtretung der Devisen an die Zentralbank entfällt für den privaten Sektor eine Verschuldung gegenüber dem Staat (staatliche Bankeinlagen im Grundszenarium I) oder gegenüber der Zentralbank (Refinanzierung im Grundszenarium II). Hinsichtlich der E & A-Rechnung des Staates sind alle drei Grundszenarien gleichwertig. Im ersten Grundszenarium wird an den Staat in Form von Zentralbankgewinnen das ausgeschüttet, was er vorher für die Schatzwechselkredite der Zentralbank gezahlt hat. In den beiden anderen Grundszenarien zahlt der Staat zwar keine Zinsen für Schatzwechsel, aber er bekommt auch keine Zinsen für Bankeinlagen; für diesen "Zinsentgang" ist die Ausschüttung die Kompensation. Hinsichtlich der E & A-Rechnung des privaten Sektors sind alle drei Grundszenarien insoweit gleichwertig, als das private Nettoeinkommen unverändert bleibt: Das Grundszenarium II unterscheidet sich vom ersten dadurch, daß der private Sektor nicht mehr für staatliche Bankeinlagen, sondern für die Refinanzierung bei der Zentralbank Zinsen zahlt. Das Grundszenarium 111 unterscheidet sich von den beiden anderen
183
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte Tabelle S
T 0 : Zentralbank hlllt De•·isen T 1 : AusschüttunK und Mlnderaus11aben ("Konsolidierung") des Staates
'·
Bilanzpositionen
II- to
E- & A- Positionen
T.
T 1 - T0
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sachvermögen Aktiva insgesamt
ERTRAG Zins für Devisen Zins für Sonderkredit Z_ins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
100
10
10
110
E,.trag insgesamt
10
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert Zentralbankgeld Eigenkapital
100 10
ERTRAG Abschreibung Ausschüttung "Ersparnis"
10
Passira insgesamt
110
Aufwand insgesamt
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen Sachvermögen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
Aktil•a insgesamt
200
E,.t,.ag insgesamt
100
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100
-10
Eigenkapital
100
+10
Passiva insgesamt
200
AUFWAND Zins für Sonderkredit Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis Aufwand insgesamt
10 100 10 120
10 110
-10 +10
120
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
100 100
Sachvermögen
I 000
Aktil•a insgesamt
I 200
ERTRAG Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
900 110
-10
-10
En,.ag insgesamt
I 020
-10
-10
Eigenkapital
I 100
-10
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart:
Passiva ilrsgesamt
1 200
-10
Aufwand insgesamt
PASSJVA Refinanzierung Staatl. Einlagen Staatl. Darlehen
100
Abschreibungen, kumuliert
10
10 10 100 900
-10
(-)
(-10)
I 020
-10
184
Reinhard Pohl
dadurch, daß der private Sektor zwar keine Zinsen für staatliche Bankeinlagen bzw. die Refinanzierung zahlt, dafür aber (zugunsten der Zentralbank) auf Zinserträge aus Devisen verzichtet hat. Wir sehen also: Kreislaufanalytisch unterscheiden sich ausgeschüttete Zentralbankgewinne aus Zinserträgen der Zentralbank nicht von den Erwerbseinkünften des Staates aus Zinsen für seine Geldanlagen (hier: Bankeinlagen), und beide Einkunftsarten sind genauso ein ,.Kaufkraftentzug" für den privaten Sektor wie zum Beispiel die Steuern. Nicht ganz gleichwertig allerdings sind die drei Grundszenarien insofern, als sich die Strukturen der Bilanzen der Kreditinstitute und der übrigen privaten Wirtschaftssubjekte voneinander unterscheiden. Portfoliotheoretisch ist beispielsweise die Verschuldung der Kreditinstitute gegenüber der Zentralbank (Refinanzierung) anders zu beurteilen als die gegenüber dem Staat (Bankeinlagen). Dieser Wirkungsunterschied ist aber marginal im Vergleich zu den im folgenden zu behandelnden Wirkungsdifferenzen zwischen den verschiedenen Formen der Ermittlung und der Verwendung des Zentralbankgewinns (Ausschüttung oder Thesaurierung, Verwendung für Ausgaben oder für Schuldentilgung).
3. Varianten der Verteilung und der Verwendung des Zentralbankgewinns in laufender Rechnung Diese drei Grundszenarien sind der Ausgangspunkt für eine Reihe von weiteren Szenarien, mit denen die Frage beantwortet werden soll: Wie wirkt es sich auf das private Nettoeinkommen und auf die Struktur der Aktiva und Passiva in der Volkswirtschaft aus, wenn der Zentralbankgewinn-zunächst wird es der ,.laufende", später der Bilanzgewinn sein - in der Periode T1 anders verteilt oder verwendet wird als in der Periode To? In den Bilanzen und den E & A-Rechnungen der Tabellen 2 ff. werden für die Periode T1 allerdings nicht die absoluten Beträge verbucht, sondern nur die Differenzen zu den Beträgen in der Periode To; diese Differenzen werden für die Bilanz in der Spalte !1- to, und für die E & A-Rechnung in der Spalte T1- To ausgewiesen. Den ersten drei Szenarien ist eines gemeinsam: Der Zentralbankgewinn in laufender Rechnung von 10 WE wird thesauriert, so daß in der E & A-Rechnung der Zentralbank in der Spalte T1 - To eine Minderausschüttung sowie eine zusätzliche ,.Ersparnis" von 10 WE erscheinen und in der Zentralbankbilanz das ,.Eigenkapital" um 10 WE aufgestockt wird. Diese drei Szenarien unterscheiden sich darin, wie der Staat hierauf reagiert und welche (positiven oder negativen) Impulse er damit auf das private Einkommen und die Kreditmärkte (Zinssätze) auslöst:
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
185
Im ersten Szenarium (Tabelle 2) verschuldet sich der Staat bei der Zentralbank (Schatzwechsel: + 10), um das stationäre Gleichgewicht nicht durch Minderausgaben (oder Steuererhöhungen) zu stören. Bliebe auf diese Weise das stationäre Gleichgewicht erhalten, so würde die Verschuldung des Staates gegenüber der Zentralbank (und damit deren Eigenkapital) von Periode zu Periode zunehmen, und zwar, wegen der Zinseszinsen, um immer mehr als 10 WE. Dieses Szenarium mit seinem absurden Kreislauf zwischen Zentralbank und Staat erweist sich freilich als Farce. Im zweiten Szenarium (Tabelle 3) vermeidet der Staat eine Ausgabensenkung (oder Steuererhöhung), indem er sich beim privaten Sektor (Anleihen:+ 10) verschuldet. Das Nettoeinkommen im privaten Sektor bleibt unberührt. Verschlechert hat sich allerdings die Struktur der Bilanz des privaten Sektors, denn dem Erwerb langfristiger Staatsanleihen durch Kreditinstitute, Unternehmen und private Haushalte steht eine zusätzliche kurzfristige Verschuldung der Kreditinstitute bei der Zentralbank (Refinanzierung:+ 10) gegenüber. Der Absatz der Staatsanleihen war also nur zu niedrigeren Kursen möglich. Der damit verbundene Anstieg des inländischen Zinsniveaus hat in den folgenden Perioden kontraktive Wirkungen auf den privaten Verbrauch und dieN ettoinvestitionen (in diesem Beispiel wäre es eine Verminderung des privaten Sachvermögens durch Netto-Desinvestitionen). Im dritten Szenarium (Tabelle 4) schränkt der Staat, diesmal auf Haushaltsausgleich bedacht, seine Ausgaben ein (Staatsverbrauch: -10). Auf den privaten Sektor wirkt dies über den Einkommenskreislauf und die Kreditmärkte kontraktiv: Dort sinken das Nettoeinkommen und- über ein "Entsparen" von 10 WE-das Eigenkapital. Ferner ziehen die Zinsen etwas an, da sich bei den Kreditinstituten die Bilanzstruktur mit der Refinanzierung bei der Zentralbank verschlechtert. 4 Das vierte Szenarium (Tabelle 5) unterscheidet sich von den anderen darin, daß der Staat den Zentralbankgewinn von 10 WE zwar erhält, aber zur Konsolidierung verwendet, indem er den Staatsverbrauch einschränkt, Anleihen zurückzahlt und damit den Stand seiner Verschuldung um 10 WE senkt. 5 Wie im dritten Szenarium werden das Nettoeinkommen und das Vermögen (Eigenkapital) des privaten Sektors um 10 WE vermindert. Anders als in jenem Szenarium gehen aber diesmal die Zinssätze zurück. Mit der Verminderung des privaten Vermögens um 10 WE vermindert sich zwar auch die Nachfrage der Privaten nach Anleihen, sie sinkt aber nicht so stark wie 4 Gibt es Refinanzierungskontingente, so führt eine Zunahme der Refinanzierung zu einer Reduzierung der freien Liquiditätsreserven und deren Relation zu den Bankeinlagen. 5 Ein derartiges Verhalten paßt eigentlich nicht zur konjunkturellen Konstellation (stationäres Gleichgewicht). Nur aus heuristischen Gründen wird hier fingiert, der Staat habe vor Erreichung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine von ihm für überhöht gehaltene Verschuldung aufgebaut, die es zu vermindern gelte.
186
Reinhard Pohl
das wegen der Tilgung von 10 WE verringerte Angebot an Anleihen; denn mit der Abnahme des Nettoeinkommens und des Vermögens des privaten Sektors sinkt auch der transaktionsbedingte und wegen der Risikostreuung geltend gemachte Bedarf an Liquidität und damit an Zentralbankgeld. Somit entsteht (bei einem "Angebotsüberschuß" an Zentralbankgeld) auf dem Anleihemarkt ein Nachfrageüberschuß, der über steigende Anleihekurse und fallende Renditen absorbiert wird. Diese Zinssenkung hat zwar einen expansiven Effekt auf die Verbrauchs- und die Investitionsneigung; stärker zu Buche schlägt aber der kontraktive Effekt, der von der Reduzierung des Staatsverbrauchs auf den Güterabsatz, die Gewinne und sonstigen Einkommen und auf das Vermögen des privaten Sektors ausgeht.
4. Beantwortung der zentralen Fragen Die folgenden Antworten auf die Fragen im Kapitel 1.4. beziehen sich grundsätzlich nur auf den Gewinn in laufender Rechnung.
Zu Frage 1: Erwerbseinkünfte des Staates aus Zentralbankgewinnen, die aus Zinserträgen gespeist werden, unterscheiden sich ökonomisch überhaupt nicht von Erwerbseinkünften aus Zinsen für Bankeinlagen und Darlehen, und diese beiden Einkunftsarten haben mit der Gruppe der Steuern eines gemeinsam: Sie stellen für den privaten Sektor direkt oder indirekt einen Kaufkraftentzug dar. Zwar unterscheiden sich in anderer Hinsicht Erwerbseinkünfte von Steuern, aber auch innerhalb der Gruppe der Steuern gibt es erhebliche Unterschiede, zum Beispiel zwischen den Wirkungen der Umsatzsteuer und den Wirkungen der Einkommensteuer oder der Vermögensteuer oder bestimmter Verbrauchsteuern auf Kosten, Preise, Wettbewerbsposition, Investitionsneigung, Produktivität usw. Wenn trotz dieser, z. T. beträchtlichen, Unterschiede alle Steuern "gleichberechtigt" als echte Einnahmen in die öffentlichen Haushalten eingestellt werden, muß dies auch für die Einkunftsart "ausgeschütteter Zentralbankgewinn" gelten! Zu Frage 1a: Unmittelbar sind nur die Zinseinnahmen der Zentralbank aus dem Inlandsgeschäft ein Kaufkraftentzug im Inland. Die Zinseinnahmen aus Devisen sind unmittelbar ein Kaufkraftentzug im Ausland. Doch mittelbar sind auch diese ein Kaufkraftentzug beim inländischen privaten Sektor, und zwar in Form "entgangener" Zinseinnahmen oder "vermiedener" Zinsausgaben: Mit dem Verkauf von Devisen an die Zentralbank haben Inländer darauf verzichtet, Zinserträge aus der rentablen Anlage dieser Devisen zu erzielen oder mit der Verwendung dieser Devisen zur Tilgung von Fremdwährungskrediten Zinskosten zu sparen. Daß im übrigen der private Sektor mit dem Verkaufvon Devisen an die Zentralbank keinen endgültigen "Kaufkraftentgang" hinnehmen muß, wird aus dem Vergleich der Grundszenarien
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
187
II (Zentralbankgeldschaffung durch Refinanzierung) und III (Zentralbankgeldschaffung durch Devisenkauf) deutlich. 6
Zu Frage lb: Die Antworten auf die Fragen 1 und la implizieren, daß eine mit Zentralbankgewinnen in laufender Rechnung bewirkte Verminderung des Schuldenstandes des Staates eine echte Konsolidierung ist (wirkungsanalytisches Szenarium 4 in Tabelle 5). Wenn es von 1982 an auch mit Hilfe der Bundesbankgewinne gelungen ist, die Tendenz der Defizite im Bundeshaushalt zu senken, so darf nicht von einer "Überzeichnung" der Konsolidierungsfortschritte gesprochen werden. Zu Frage 1c: Die Frage, ob eine Ausschüttung oder Mehrausschüttung eine stabilitätsgerechte Geldversorgung gefährde, ist zwar für unser Modell verneint worden. Dessen Voraussetzung, die Zentralbank könne die mit der Entstehung und der Ausschüttung des Zentralbankgewinns verbundenen Effekte auf den Zentralbankgeld bestand notfalls binnen kurzem kompensieren, ist aber angesichts der langjährigen Erfahrungen mit einer flexiblen Offenmarktpolitik der Bundesbank als realistisch zu bezeichnen. Wenn es zu Störungen der Geldversorgung kam, so hatte dies andere, vor allem wechselkurspolitische Gründe. Die Frage 2, ob der Zentralbankgewinn besonders schwer vorauszuschätzen sei, kann mit der Tabelle 1 (Einnahmen des Bundes ... ) beantwortet werden. In der Tat schwankten in einigen Jahren der Bilanzgewinn und die Ausschüttung an den Bund sehr viel stärker als die Einnahmen des Bundes aus der Umsatzsteuer und der Körperschaftsteuer (vgl. die drei letzten Spalten). Betrachtet man jedoch den durch Bewertungsvorgänge nicht "verzerrten" Gewinn in laufender Rechnung (erste Spalte), so stellt man keine besonders starken Variationen fest. Die Frage 3 knüpft an diese Feststellung an. Könnte man nicht durch eine andere Bewertungspraxis den Verlauf des Bilanzgewinns dem des Gewinns in laufender Rechnung annähern und damit den Forderungen nach einer doch recht schematisch anmutenden Verstetigung der Ausschüttung (These 2) oder der Verwendung des Gewinns durch den Bund (These 3) weitgehend den Wind aus den Segeln nehmen? Die Antwort, die ich später begründen werde, lautet: Eine marktgerechte Bewertung kann, ergänzt um einige andere Vorkehrungen, einen erheblichen Beitrag zu einer Angleichung des ausgeschütteten Gewinns an den Gewinn in laufender Rechnung leisten. 6 In der Zentralbankbilanz tritt an die Stelle der Refinanzierung ( Grundszenarium II) die Position "Devisen" (III): Die Kreditinstitute verwenden das mit dem Verkauf der Devisen erlöste Zentralbankgeld dazu, ihre Verbindlichkeiten aus Wechsel- und Lombardkrediten sowie aus Wertpapierpensionsgeschäften abzubauen und Offenmarktpapiere der Zentralbank zu erwerben. Im Grenzfall (Grundszenarien), in dem der Zentralbankgeldbestand konstant bleibt und die Zinssätze überall gleich sind, tritt beim privaten Sektor die "Nettoersparnis" an Refinanzierungskosten voll an die Stelle der Zinserträge aus der Anlage der Devisen.
188
Reinhard Pohl
5. Beurteilung der zentralen Thesen
Zur These 1: Wäre es nach dem Willen der Sparerschutzgemeinschaft gegangen, wären von 1982 an die Bundesbankgewinne entweder von der Bundesbank selber thesauriert oder- was praktisch dasselbe gewesen wäre - vom Bund zur Bildung von Sonderrücklagen verwendet worden. Ceteris paribushätte eine Thesaurierung bei der Bundesbank von 1982 bis 1987 dazu geführt, daß deren Rücklagen von damals 2 Mrd. DM nicht, wie in Wirklichkeit, auf 6 Mrd. DM, sondern auf 70 Mrd. DM gestiegen wären. Hätte der Bund thesauriert, so hätte er ceteris paribus Sonderrücklagen von 64 Mrd. DM gebildet. Um diese 64 Mrd. DM hätte sich der Bund dann beim privaten Sektor zusätzlich verschulden müssen, wenn er die Einbuße an verfügbaren Einnahmen nicht auf seine Ausgaben für Güter und Dienste und Übertragungen hätte durchschlagen lassen (vgl. wirkungsanalytisches Szenarium 2). Um diese 64 Mrd. DM hätte sich dagegen der private Sektor ceteris paribus bei der Bundesbank zusätzlich verschulden müssen und dafür weniger Eigenkapital bilden können, wenn der Bund - wie es wohl im Sinne der Sparerschutzgemeinschaft gewesen wäre- 64 Mrd. DM weniger ausgegeben hätte, als er tatsächlich ausgegeben hat (vgl. wirkungsanalytisches Szenarium 3). Beide Szenarien hätten, was schon die Ceteris-paribus-Klausel ahnen läßt, den Keim zu ihrer Selbstzerstörung gehabt. Die Finanzierung eines permanenten Wachstums der Rücklagen der Bundesbank oder des Bundes mit öffentlichen Anleihen wäre früher oder später als ein sinnloser und überdies ständig zinstreibender Zirkel entlarvt - und deshalb abgebrochen worden. Die permanente Bildung von Rücklagen der Bundesbank oder des Bundes zu Lasten der Einnahmen, der Gewinne und des Eigenkapitals des privaten Sektors wäre früher oder später als wachstumshemmend erkannt - und ebenfalls aufgegeben worden. Wohlgemerkt: Hier wird nicht einer überbordenden Staatsverschuldung das Wort geredet. Kritisiert wird nur die Aufstellung einer Regel, nach der die Zentralbankgewinne grundsätzlich nicht als "echte" Einnahmen behandelt werden sollen und deren Einhaltung zwar in mancher Situation sinnvoll, aber in einer anderen schädlich sein kann und überdies auflange Sicht dazu führen würde, daß das permanente Wachstum des Vermögens der Bundesbank oder des Bundes permanent zu Lasten des privaten Vermögens und des Wirtschaftswachstums ginge. Zu These 2: Die Forderung, die Ausschüttung des Zentralbankgewinns auf einem mittleren Niveau oder einem geraden Wachstumspfad zu verstetigen, ist aus zwei Gründen verständlich. Erstens wird der Bundesbankgewinn nicht im Jahr der Entstehung, sondern ein Jahr später ausgeschüttet. Eine derartige Verzögerung hat er mit der veranlagten Einkommensteuer gemeinsam. Dieser Mangelließe sich aber in Analogie zur Lohnsteuer mit einer Anpassung an die laufenden Zinserträge der Bundesbank weitgehend beheben. Gravierender sind, zweitens, die Unstetigkeit des Bilanzgewinns der Bundes-
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
189
bank infolge von Bewertungsvorgängen. Auch dieser Mangel könnte, wie noch gezeigt werden wird, durch eine marktgerechte Bewertung und andere bilanzpolitische Regelungen behoben werden. Wäre aber auf diesen Wegen der ausgeschüttete Gewinn dem relativ stetig anfallenden Gewinn in laufender Rechnung angeglichen, dann entfielen auch die Bedenken gegen den Grundsatz, daß für die Zentralbankgewinne das gelten muß, was auch für andere Erwerbseinkünfte und für alle Steuereinnahmen des Staates gilt: Sie sind ein "gleichberechtigter" Bestandteil der Einnahmen des Staates, gleichgültig, ob sie stetig oder ob sie unstetig anfallen.
Zu These 3: Für die im Haushaltsgesetz 1989 verankerte schematische Regelung, daß ungeplante Mehreinnahmen zur Schuldentilgung zu verwenden seien, gilt grundsätzlich die vorstehend geübte Kritik an der Forderung nach einer schematischen Verstetigung der Ausschüttung. 7 Eine fiskalische Sonderbehandlung des ausgeschütteten Zentralbankgewinns wäre allenfalls dann vertretbar, wenn es sich dabei, nach Art des "Wasserpfennigs", um eine zweckgebundene Abgabe handelte. Dies ist jedoch aus guten Gründen nicht der Fall. 6. Wie sind Abschreibungen auf die Währungsreserven der Zentralbank zu beurteilen? In der Bundesrepublik schwankte, wie dargelegt, der Bilanzgewinn der Bundesbank nicht so sehr wegen der Schwankungen des aus Zinserträgen stammenden Gewinns in laufender Rechnung, sondern vornehmlich wegen der sporadischen Vorgänge im Zusammenhang mit den Neubewertungen der Währungsreserven der Bundesbank (Abschreibungen sowie Tilgungen von Forderungen an den Bund wegen dieser Neubewertungen).
6.1. Einige Varianten der Reaktion auf die Abschreibung Wie sich diese sporadischen Vorgänge auf den privaten Sektor auswirken können, wird mit Hilfe der in den Tabellen 6 bis 9 wiedergegebenen Szenarien 7 Hinter beiden Thesen steht sicherlich die Vorstellung, dadurh könnte eine konjunkturund wachstumspolitisch erwünschte Verstetigung der Expansion der Staatsausgaben erleichtert werden. Dagegen ist aber einzuwenden: Wenn der Staat zur Milderung konjunktureller Schwankungen eine Strategie der Verstetigung seiner Ausgaben bei konjunkturell schwankenden Einnahmen und Haushaltssalden verfolgt, dann muß er das Prinzip des built-in-stabilizers auf die Gesamtheit seiner Einnahmen anwenden, und nicht auf einen Teil wie den Bundesbankgewinn. Wenn der Staat dagegen diskretionäre Konjunkturpolitik betreiben will, dann hängt die Entscheidung über die Ausgaben und die Einnahmen und damit auch die Finanzierungssalden von der jeweils zu erwartenden Konjunktur ab; die automatische Bindung durch das Haushaltsgesetz 1989 wäre dann ebenfalls nicht sinnvoll.
190
Reinhard Pohl
5 bis 8 demonstriert, die wiederum auf extrem einfachen Annahmen basieren: In der Periode T0 herrscht, wie immer, ein stationäres Gleichgewicht. Der Tageswert der Fremdwährungsanlagen (Devisen) ist bis zum Ende der Ausgangsperiodestets gleich den "Anschaffungskosten" dieser Anlagen. Doch gegen Ende der Periode T1 sinkt der Tageswert unter die Anschaffungskosten, so daß am Bilanzstichtag 11 gemäß dem Niederstwertprinzip eine Abschreibung von lO WE fällig wird. Die Dispositionen von Zentralbank und Staat daraufhin werden- so wird hier aus Vereinfachungsgründen unterstellt - noch am Bilanzstichtag t 1 und damit in der Periode T1 für den privaten Sektor wirksam: Szenarium 5 (Tabelle 6): Im privaten Sektor, wo in diesem Szenarium die gesamten Devisen der Volkswirtschaft gehalten werden, führt die Abschreibung zu einer Verminderung des Nettoeinkommens und des Eigenkapitals. Szenarium 6 (Tabelle 7): Die Zentralbank, welche in diesem AlternativSzenarium die gesamten Devisenreserven der Volkswirtschaft hält, schränkt aufgrund der Abschreibung die Ausschüttung an den Staat ein. Dieser vermindert seinen Verbrauch und reduziert damit dasNettoeinkommenund das Eigenkapital im privaten Sektor. In gewissem Umfange restriktiv wirkt sich auch aus, daß die Banken sich bei der Zentralbank refinanzieren müssen, um den Bestand an Zentralbankgeld aufrechtzuerhalten. Szenarium 7 (Tabelle 8): Im Unterschied zum vorigen Szenarium schränkt der Staat seine Ausgaben nicht ein, sondern verschuldet sich bei den Privaten auf dem Anleihemarkt. Dies erhöht zwar die Anleihezinsen, aber das Nettoeinkommen und das Eigenkapital im privaten Sektor bleiben unverändert. Szenarium 8 (Tabelle 9): Anstatt sich auf dem Anleihemarkt zu verschulden, wie gemäß Tabelle 8, nimmt der Staat bei der Zentralbank einen Sonderkredit wegen der Neubewertung der Währungsreserven auf, der entweder in festen Raten oder durch später anfallende Mehrgewinne getilgt wird. Dieser Vorgang läßt zwar den Kapitalmarkt und das Nettoeinkommen der Privaten in Periode T1 noch unberührt, er stellt aber eine Belastung der privaten E & A-Rechnung in den kommenden Perioden dar, da die Tilgungen entweder auf Kosten der Staatsausgaben gehen oder mit zusätzlichen Steuern finanziert werden. 6.2. Beurteilung der Abschreibungs-Szenarien
Die beiden Szenarien in den Tabellen 6 und 7 sind die grundsätzlich wichtigsten. Prima facie haben Abschreibungen und die privaten Devisenbestände dieselben Wirkungen auf das private Nettoeinkommen wie Abschreibungen auf die Devisenbestände der Zentralbank. Wenn man aber den zweiten Blick auf die Konsequenzen in den folgenden Perioden T2, T3 usw.
191
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte Tabelle 6
T 0 : Zentralbankkredit (Reflnanzleruna) an privaten Sektor T 1 : Abschreibung auf private Devisen vermindert privates Eiaenkapital
Bilanzpositionen
t.
t,- t.
E- & A- Positionen
To
T1
-
T0
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sachvermögen
ERTRAG Zins für Devisen Zins für Sonderkredit Zins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
100 10
110
Ertrag i11sgesamt
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert Zentralbankgeld Eigenkapital
100 10
ERTRAG Abschreibung Ausschüttung ''Ersparnis•
Pa.\.\iva insgesamt
110
Au[wa11d i11sgesamt
AkJiva insgesamt
10
10
10
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
100
Sachvermögen
10 110 10
Aktiva i11sgesamt
100
Ertrag i11sgesamt
130
Eigenkapital
100
AUFWAND Zins für Sonderbedite Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis
Pa.uiva insgesamt
100
Au[wa11d i11sgesamt
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100
10 110
110
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
ERTRAG
100 100 100
Sachvermögen
I 000
Zins für Anleihen Zins für Devisen Pri''· Verbrauch Staatsverbrauch
Aktiva iltsgesamt
1 300
Ertrag insgesamt
PASSIVA Refinanzierung Staat!. Einlagen Staat!. Darlehen
100 100 +10
Abschreibungen, kumuliert Eigenkapital
I 100
Passiva i11sgesamt
I 300
-10
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart: Aufwalld i11sgesamt
10 10 900 110
I 030 10 10 10 100 900
(-)
I OJO
+10 -10 (-10)
Reinhard Pohl
192 Tabelle 7
To: Zentralbank hllt De•lsen Tl: Abschreibung auf De•isen, Staat verbraucht bei Minderausschüttung weniger
Bilanzpositionen
t.
tl- t.
E- & A- Positionen
To
T1
-
T0
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sach vermögen
Aktiva insgesamt
100 +10 10 IIO
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert Zentralbankgeld Eigenkapital
100 10
Passiva insgesamt
IIO
+10
+10 +10
ERTRAG Zins fror Devisen Zins für Sonderkredit Zi~s für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
Ertrag insgesamt
10
10
ERTRAG Abschreibung Ausschüttung .. Ersparnis ..
10
Aufwand insgesamt'
10
+10 -10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen
100
Sachvermögen
100
Aktiva insgesanll
zoo
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100
Eigenkapital
100
Passiva insgesamt
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
10 100 10
-10
Ertrag insgesamt
IZO
-10
10 110
-10
IZO
-10
AUFWAND Zins für Sonderkredite Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis
zoo
Aufwand imgesamt PRIVATER SEKTOR
AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
ERTRAG
100 100
Sachvermögen
I 000
Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
Aktiva insgesamt
I ZOO
Ertrag insgesamt
PASSIVA Refinanzierung Staatl. Einlagen Staatl. Darlehen
+10 100
Abschreibungen, kumuliert Eigenkapital
1 100
Passiva insgesamt
I ZOO
-10
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart:
Aufwand insgesamt
10 900 110
-10
I OZO
-10
10 10 100 900
-10
(-)
(-10)
I OZO
-10
193
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte Tabelle 8
To: Zentralbank billt Devisen Tl: Abschreibung auf Devisen, Staat kompensiert Minderausschüttung mit Anleihen
Bilanzpositionen
to
tl- to
E- & A-Posltionen
To
Tl- To
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sachvermögen
Aktiva insgesamt
100 +10 10
1/0
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert Zentralbankgeld Eigenkapital
100 10
PtHsiva insgesamt
1/0
+10 +10
+10
ERTRAG Zins für Devisen Zins für Sonderkredit Zins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
Ertrag insgesamt ERTRAG Abschreibung Ausschüttung "Ersparnis"
Aufwand insgesamt
10
10
10
+10 -10
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen
100
Sachvermögen Aktiva in.o;gesamt
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
10 100 10
-10
200
Ertrag insgesamt
120
-10
100
+10
Eigenkapital
100
-10
Passiva insgesamt
200
AUFWAND Zins für Sonderkredite Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis
Aufwand insgesamt
10 110
120
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
100 100
Sachvermögen
I 000
Aktira insg•·samt
I 200
PASSIVA Refinanzierung Staat!. Einlagen Staat!. Darlehen
ERTRAG +10
+10 +10
100
Abschreibungen, kumuliert Eigenkapital
Passiva insgesamt 13 File/Köhler
100
I 200
+10
Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
900 110
Ertrag insgesamt
I 020
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart:
Aufll'and insgesamt
10
10 10 100 900
(-)
I 020
-10
-10
Reinhard Pohl
194 Tabelle 9
To: Zentralbank hllt Dnlsen Tl: Abschreibuns auf De•·isen, Staat kompensiert MinderausschUltuns mit Sonderkredit
Bilanzpositionen
to
tl- to
E- & A- Positionen
To
Tl- To
ZENTRALBANK AKTIVA Devisen Sonderkredit Refinanzierung Schatzwechsel Sachvermögen Aktiva insgesamt
iOO
+10
ERTRAG Zins für Devisen Zins für Sonderkredit Zins für Refinanzierung Zins für Schatzwechsel
+10
Ertrag i11sgesamt
10 JJO
PASSIVA Abschreibungen, kumuliert Zentralbankgeld Eigenkapital
100 10
Passiva insgesamt
JJ()
+10
+10
ERTRAG Abschreibung Ausschüttung "Ersparnis" Aufwand insgesamt
10
10
10
+10 -10
10
STAAT AKTIVA Bankeinlagen Darlehen Sachvermögen
100
ERTRAG Zins für Bankeinlagen Zins für Darlehen Steuern Ausschüttung
.4ktiva insgesamt
200
Ertrag i11sgesamt
PASSIVA Sonderkredit Schatzwechsel Anleihen
100
+10 100
Eigenkapital
100
Passiva i11sgesamt
200
-10
AUFWAND Zins für Sonderkredite Zins für Schatzwechsel Zins für Anleihen Staatsverbrauch Ersparnis Aufwand i11sgesamt
10 100 10
-10
120
-10
10 110 120
PRIVATER SEKTOR AKTIVA Zentralbankgeld Anleihen Devisen
100 100
ERTRAG
Sachvermögen
I 000
Zins für Anleihen Zins für Devisen Priv. Verbrauch Staatsverbrauch
Aktiva i11sgesamt
1 200
Ertrag i11sgesamt
Eigenkapital
I 100
AUFWAND Zins für Refinanzierung Zins für staatl. Einlagen Zins für Darlehen Einfuhr Steuern Abschreibung Nettoeinkommen daraus gespart:
Passiva insgesamt
1 200
Aufwalld i11sgesamt
PASSIVA Refinanzierung Staat!. Einlagen Staat!. Darlehen
100
Abschreibungen, kumuliert
10 900 110 1 020
10 10 100 900 (-)
I 020
-10 -/0
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
195
richtet, wird man ein anderes Bild haben. Wie dies aussieht, hängt zunächst einmal davon ab, ob die Wertminderung in der Periode T 1 als dauerhaft oder nur als vorübergehend anzusehen ist. 1. Eine Währungsforderung (das gleiche gilt natürlich auch für eine in der eigenen Währung nominierte Forderung) wird dann als dauerhaft entwertet gelten, wenn sie uneinbringlich ist, sei es, weil der individuelle Schuldner zahlungsunfähig geworden ist, sei es, weil das Land des Schuldners die Zahlungen verweigert. Eine als dauerhaft anzusehende Entwertung von Währungsforderungen liegt aber auch bei einer als dauerhaft anzusehenden Abwertung der fremden Währung vor (wegen des Prinzips Mark gleich Mark reicht hierzu eine durch allgemeine Preissteigerungen hervorgerufene Minderung der Kaufkraft der fremden Währung allein noch nicht aus, eine Abschreibung zu begründen). In allen diesen Fällen müssen die "Kaufleute" im privaten Sektor unseres Szenariums 5 von Tabelle 6 eine Abschreibung auf ihre Währungsforderungen vornehmen. Hierauf können sie auf verschiedene Weise reagieren. Im Extremfall wird die Rücklage in voller Höhe der Abschreibung vermindert, und die Dividendenausschüttzung und die Entnahmen bleiben in den folgenden Perioden unverändert. Das andere Extrem besteht darin, daß in der Periode T2 die Dividenden und die Entnahmen um die Abschreibung gekürzt werden und die Rücklage wieder auf den alten Stand gebracht wird. In der Wirklichkeit werden die Banken und die Unternehmen aber einen Mittelweg verfolgen und die Konsequenzen der Wertminderung auf mehrere Perioden verteilen (Dividendenkontinuität), so daß es nicht zu einer abrupten Kontraktion des Wirtschaftskreislaufs kommt. Demgegenüber verhält sich die Zentralbank im Szenarium 6 von Tabelle 7 sinngemäß so, wie es die Bundesbank 1987/88 getan hat: Sie schränkt die Ausschüttung an den Staat um die Abschreibung ein. Wenn der Staat auf Konsolidierung bedacht ist, wird er seine Ausgaben entsprechend kürzen (oder seine Steuern erhöhen). Die dadurch bedingte Verminderung des privaten Nettoeinkommens wird sehr viel kontraktiver wirken als die im Szenarium 5 von Tabelle 6 dargestellte Verminderung des privaten Nettoeinkommens. Deshalb lautet meine Empfehlung: Zentralbank und Staat sollten bei einer als dauerhaft vermuteten Entwertung der zentralen Währungsreserven -wie im Szenarium von Tabelle 6 angedeutet- goldene Mittelwege begehen: Zur Vermeidung einer abrupten Einschränkung der Staatsausgaben gewährt die Zentralbank dem Staat einen Sonderkredit (Tabelle 9), der in angemessenen Raten getilgt wird, oder - was fast auf dasselbe hinausliefe - die Zentralbank hält zu Lasten ihrer Rücklagen die Ausschüttung weitgehend aufrecht und zweigtinspäteren Perioden angemessene Anteile aus dem Zentralbankgewinn zur Wiederauffüllung ihrer Rücklagen ab. Aufbeiden Wegen könnte 13•
196
Reinhard Pohl
einer als dauerhaft vermuteten Verminderung des volkswirtschaftlichen Vermögens (Devisenreserven) ohne konjunkturell schädliche Wirkungen Rechnung getragen werden. 2. Wie sieht es aus, wenn es sich nicht um als dauerhaft, sondern um als vorübergehend anzusehende Wertminderungen bei Währungsforderungen handelt, wie es bei Änderungen aufgrund von Schwankungen des US-Dollarkurses der Fall war? Wenn sich zum Beispiel der Kurs der fremden Währungen bis zum Ende der Periode T 2 erholt, dann müssen Kapitalgesellschaften gemäß dem Wertaufholungsgebot von§ 280 Abs. I HGB nach der Abschreibung von Periode T 1 eine entsprechende Zuschreibung vornehmen, und Kaufleute dürfen dies gemäß § 253 Abs. 5 HGB tun; eine Grenze hierfür setzt, da nicht-realisierte Kursgewinne nicht zu berücksichtigen sind, der in der Bilanz für die Periode T 1 angesetzte Wechselkurs. Mit dieser späteren Zuschreibung wäre allerdings nicht das ~roblem aus der Welt geschafft, daß es um die Jahreswende zu extremen Wechselkursausschlägen kommen kann, wie es Ende 1987 beim Dollarkurs der Fall war. Denn Kreditinstitute müssen ihre offenen Währungspositionen mit dem zum Bilanzstichtag (oder kurz davor) festgestellten Kassa-Mittelkurs bewerten. Doch in der Bunderepublik, wie in anderen Ländern, wird dieses Problem dadurch weitgehend entschärft, daß Kreditinstitute nur in sehr geringem Umfange offene Währungspositionen halten dürfen. Unternehmen hingegen, die keine Kreditinstitute sind, pflegen nach meinen Informationen das Problem dadurch zu mildern, daß sie bei der Bewertung am Jahresende einen jahresdurchschnittliehen Wechselkurs zugrundelegen. Hinzu kommt, daß Unternehmen ihre kurzfristigen Währungsforderungen und -Verbindlichkeiten durch Termingeschäfte oder andere Gegengeschäfte bei ihrer Bank zu sichern pflegen. Daß die Unternehmen in der Bundesrepublik überdies den größten Teil ihrer Auslandsforderungen und -Verbindlichkeiten in D-Mark nominieren, ist allerdings kein Verhalten, das verallgemeinert werden darf: Ob die Unternehmen in einem europäischen Binnenmarkt mit einer einheitlichen Währung ihre Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der "übrigen Welt" überwiegend in dieser Währung nominieren würden, hinge auch von dem standing dieser Währung ab. Aus diesen Gründen wird meine These zum Verhalten von Zentralbank und Staat aufgrund von Abschreibungen sogar noch erhärtet, wenn es sich um eine voraussichtlich vorübergehende Wertminderung bei den Währungsreserven handelt: Man sollte die volkswirtschaftlich unerwünschten Konsequenzen von solchen Wertminderungen mit Sonderkrediten oder über Änderungen der Rücklagen der Zentralbank mildern, und man sollte auch die Zentralbank dem Wertaufholungsgebot unterwerfen. Außerdem wäre es zweckmäßig, den Konsequenzen kurzfristiger Wechselkursschwankungen
Zentralbankgewinne und Öffentliche Haushalte
197
auszuweichen, indem man die Währungsreserven am Bilanzstichtag mit einemjahresdurchschnittliehen Wechselkurs bewertet. Auf diese Weise hätte die Bundesbank Ende 1987 die Abschreibung von fast 9 Mrd. DM aufihre Währungsreserven vermieden. 7. Wie sollte eine Reform aussehen?
1. Der Zentralbankgewinn sollte möglichst "kreislaufneutral" an den Staat (Bund, EG-Fiskus) abgeführt werden, wobei die geringfügige Dotierung der gesetzlichen Rücklagen hier nicht in Frage gestellt werden soll. Dies bedeutet: a) Der realisierte Gewinn wird nicht erst nach Feststellung des Jahresabschlusses ausgeschüttet, sondern aufgrundvon vorläufigen vierteljährlichen Gewinn- und Verlustrechnungen möglichst pari passu mit der erkennbaren Entstehung des realisierten Gewinns. b) Die Bewertungspraxis muß marktgerecht sein. aa) Die Netto-Währungserserven und andere Bilanzpositionen sind zwar vorsichtig zu bewerten, aber die rigorose Anwendung des Niederstwertprinzips durch die Bundesbank ist abzulehnen. Wenn der Grund für eine Abschreibung (z. B. ein unter den ursprünglichen Bilanzkurs gesunkener Dollarkurs) später teilweise oder ganz wegfallen sollte (weil der Dollarkurs sich dem ursprünglichen Bilanzkurs wieder genähert oder ihn zumindest erreicht hat), so müßte eine teilweise oder völlige Wertaufholung durch eine entsprechende Zuschreibung vorgenommen werden. Mit anderen Worten: Das Wertaufholungsgebot muß auch für die Zentralbank gelten! bb) Bei der Bewertung der Aktiva und Passiva sollte nicht der (zufällige) Wert am Bilanzstichtag, sondern ein der Markt-Tendenz entsprechender Wertansatz gewählt werden. c) Wennestrotz einer solchen Bewertung zu ins Gewicht fallenden bewertungsbedingten Änderungen des Bilanzgewinns kommt, sollten volkswirtschaftlich und fiskalisch unerwünschte Konsequenzen durch eine "kompensierende" Ausschüttungspolitik vermieden werden. 2. Der Staat sollte die auf die von mir vorgeschlagene Weise zustandekommenden Einnahmen aus Zentralbankgewinnen nicht als Einkünfte sui generis (wie im Haushaltsgesetz 1989), sondern als "ordentliche" Einnahmen in seinen Haushalt einstellen.
198
Reinhard Pohl
ANHANG
Einschlägige Rechtsvorschriften
I. Gesetz über die Deutsche Bundesbank § 26: Jahresabschluß Absatz 2
"Das Rechnungswesen der Deutschen Bundesbank hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Der Jahresabschluß (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) ist unter Berücksichtigung der Aufgabe der Deutschen Bundesbank zu gliedern und zu erläutern; die Haftungsverhältnisse brauchen nicht vermerkt zu werden. Für die Wertansätze sind die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden;§ 280 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs braucht nicht angewendet zu werden. Die Bildung von Passivposten im Rahmen der Ergebnisermittlung auch für allgemeine Wagnisse im In- und Auslandsgeschäft, wie sie unter Berücksichtigung der Aufgabe der Deutschen Bundesbank im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung für zulässig gehalten wird, bleibt unberührt." § 27: Gewinnverteilung
Der Reingewinn ist in nachstehender Reihenfolge zu verwenden: I. zwanzig vom Hundert des Gewinns,jedoch mindestens zwanzig Millionen Deutsche Mark, sind einer gesetzlichen Rücklage so lange zuzuführen, bis diese fünf vom Hundert des Notenumlaufs erreicht hat; die gesetzliche Rücklage darf nur zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung anderer Verluste verwendet werden; ihrer Verwendung steht nicht entgegen, daß noch andere Rücklagen hierfür vorhanden sind; 2. bis zu zehn vom Hundert des danach verbleibenden Teils des Reingewinns dürfen zur Bildung sonstiger Rücklagen verwendet werden; diese Rücklagen dürfen insgesamt den Betrag des Grundkapitals nicht übersteigen; 3. vierzig Millionen Deutsche Mark, vom Geschäftsjahr 1980 an dreißig Millionen deutsche Mark, sind dem nach dem Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen gebildeten Fonds zum Ankauf von Ausgleichsforderungen bis zu seiner Auflösung zuzuführen; 4. der Restbetrag ist an den Bund abzuführen.
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II. Gesetz zur Durchrührung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz- BiRiLiG) vom 19.12.1985 (Abgedruckt im Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1985, Teil I, 2355 ff.) Artikel I, Änderung des Handelsgesetzbuches. Drittes Buch: Handelsbücher, Erster Abschnitt: Vorschriften für alle Kaufleute § 247 Inhalt der Bilanz Absatz 2
Beim Anlagevermögen sind nur die Gegenstände auszuweisen, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. § 252: Allgemeine Bewertungsgrundsätze Absatz 1, Satz 4
Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorsehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind. § 253: Wertansätze der Vermögensgegenstände und Schulden Absatz 1
Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschreibungen nach den Absätzen 2 und 3 anzusetzen. Verbindlichkeiten sind zu ihrem Rückzahlungsbetrag, Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung und Rückstellungen nur in Höhe des Betrags anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Absatz 2
Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen zu vermindern. Der Plan muß die ·Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt werden kann. Ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, können bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden, um die Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen,
200
Reinhard Pohl
der ihnen am Abschlußstichtag beizulegen ist; sie sind vorzunehmen bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Absatz 3
Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt. Ist ein Börsenoder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlußstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben. Außerdem dürfen Abschreibungen vorgenommen werden, soweit diese nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig sind, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Vermögensgegenstände auf Grund von Wertschwankungen geändert werden muß. Absatz 4
Abschreibungen sind außerdem im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zulässig. Absatz 5
Ein niedrigerer Wertansatz nach Absatz 2 Satz 3, Absatz 3 oder 4 darf beibehalten werden, auch wenn die Gründe dafür nicht mehr bestehen.
Zweiter Abschnitt: Ergänzende Vorschriftenfür Kapita/gesellshaften § 266, Gliederung der Bilanz Absatz 2, B. Umlaufvermögen:
III.
Wertpapiere: 1. Anteile an verbundenen Unternehmen; 2. eigene Anteile; 3. sonstige Wertpapiere;
IV.
Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten.
§ 279: Nichtanwendung von Vorschriften, Abschreibungen Absatz 1
§ 253 Abs. 4 ist nicht anzuwenden. § 253 Abs. 2 Satz 3 darf, wenn es sich nicht um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung handelt, nur auf Vermögensgegenstände, die Finanzanlagen sind, angewendet werden.
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§ 280: Wertaufholungsgebot
Absatz 1
Wird bei einem Vermögensgegenstand eine Abschreibung nach§ 253 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 oder § 254 Satz 1 vorgenommen und stellt sich in einem späteren Geschäftsjahr heraus, daß die Gründe dafür nicht mehr bestehen, so ist der Betrag dieser Abschreibung im Umfang dieser Werterhöhung unter Berücksichtigung der Abschreibungen, die inzwischen vorzunehmen gewesen wären, zuzuschreiben. § 253 Abs. 5, § 254 Satz 2 sind insoweit nicht anzuwenden. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989)
§2 Absatz 1 Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, zur Deckung von Ausgaben für das Haushaltsjahr 1989 Kredite bis zur Höhe von 31 970 000 000 Deutsche Mark aufzunehmen. Absatz 2 Dem Kreditrahmen nach Absatz 1 wachsen die Beträge zur Tilgung von im Haushaltsjahr 1989 fällig werdenden Krediten zu, deren Höhe sich aus der Finanzierungsübersicht (Teil II des Gesamtplans) ergibt. Mehreinnahmen bei Titel 121 04 im Kapitel 6002 (das ist der ausgeschüttete Bundesbankgewinn, d. V.) sind zur Tilgung fälliger Schulden zu verwenden und vermindern die Ermächtigung nach Satz 1.
Literatur Ausschuß zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion (1989): Bericht zur Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft. - Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer ( 1980/81 bis 1987/88): Jahresberichte. -Kioten, Norbert (1988): Wege zu einem Europäischen Zentra1banksystem. In: EuropaArchiv, Folge 11 vom 16.10.1988. - Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ( 1981 und 1984): Jahresgutachten.- Schlesinger, Helmut (1985): Interview mit der ZEIT vom 19.04.1985.- Walter, Norbert (1972): Ungeliebte Dollar - Abschreiben oder verwenden? In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 25. J g., Heft 20 vom 15.10.1972. - Wettlaufer, Hans-Dieter ( 1987): Der Gewinn der Notenbank in volkswirtschaftlicher Sicht, Idstein 1987.
Der langwierige Prozeß wirtschaftsund währungspolitischer Zusammenarbeit zwischen EG-Staaten Von Rainer Hellmann, Brüssel
I. Konvergenzbemühungen ohne Souveränitätsverzicht
Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft versucht seit ihrer Gründung im Jahre 1958 wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten unter Wahrung der nationalen wirtschaftspolitischen Souveränität zu verwirklichen. Art. 103 EWGV, wonach die Mitgliedstaaten ihre Konjunkturpolitik als "eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse" betrachten, tastet die nationale Souveränität und damit die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik nicht an, sondern schreibt den Mitgliedstaaten nur vor, sich "miteinander und der Kommission über die unter den jeweiligen Umständen zu ergreifenden Maßnahmen ins Benehmen" zu setzen. Der vertragliche Rechtsrahmen für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik ist innerhalb der EWG auch heute noch nicht viel zwingender als im größeren OECD-Raum und im Kreise der sieben an den Weltwirtschaftsgipfeln teilnehmenden Staaten. Die am l. Juli 1987 wirksam gewordene Einheitliche Europäische Akte (EEA) hat daran so gut wie nichts geändert. Sie war in erster Linie auf die Erleichterung der Verwirklichung des Binnenmarktes abgestellt und brachte den Übergang zur Mehrheitsabstimmung im Rat in wichtigen dafür erforderlichen Bereichen, außer der Steuer- und der Sozialharmonisierung. In Ziffer l des mit der EEA in den EWGV eingebrachten neuen Art. 102a ist lediglich vorgesehen, daß die Mitgliedstaaten, "um die für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft erforderliche Konvergenz der Wirtschafts- und Währungspolitiken zu sichern", gemäß den Zielen des bestehenden Art. 104 EWGV zusammenarbeiten. Art. 104 sieht vor, daß jeder Mitgliedstaat die Wirtschaftspolitik betreibt, "die erforderlich ist, um unter Wahrung eines hohen Beschäftigungsstands und eines stabilen Preisniveaus das Gleichgewicht seiner Gesamtzahlungsbilanz zu sichern und das Vertrauen in seine Währung aufrechtzuerhalten".
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Mit dem neuen Art. 102 a Absatz 1 EWGV fanden zwar das Europäische Währungssystem (EWS) und die Ecu erstmals Erwähnung im EWGV, was insofern von Bedeutung ist, als das EWS nur auf einer nicht einmal im Amtsblatt der Gemeinschaft veröffentlichten Entschließung des Europäischen Rats und, hinsichtlich seiner Funktionsweise, auf einem Abkommen zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten beruht. Art. 102 a EWGV sagt aber nur aus, daß die Mitgliedstaaten bei ihren Konvergenzbemühungen die Erfahrungen berücksichtigen, die bei der Zusammenarbeit im Rahmen des EWS und bei der Entwicklung der Ecu gesammelt worden sind. Der Zusatz "und (sie) respektieren die bestehenden Zuständigkeiten" ist ein eindeutig restriktiv gemeinter Verweis auf die bestehenden nationalen wirtschaftspolitischen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten. Noch deutlicher wird die Absicht im 2. Abschnitt des auf einem deutschen Formulierungsvorschlag beruhenden Art. 102 a. Er schreibt ausdrücklich das Verfahren der Vertragsänderung von Art. 236 EWGV mit nationaler Ratifizierung durch den Gesetzgeber aller zwölf Mitgliedstaaten vor, "sofern die weitere Entwicklung im Bereich der Wirtschafts- und Währungspolitik institutionelle Veränderungen erforderlich macht." Während die Einheitliche Europäische Akte (EEA) durch die Änderung des Abstimmungsverfahrens im Rat von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit der Verwirklichung des Binnenmarkts den Weg ebnen will, zementiert die Akte im Hinblick auf Bestrebungen zum Ausbau einer gemeinsamen Wirtschafts-und Währungspolitik gerade die nationale Souveränität. Im Lichte von Art. 102 a Ziffer 2 und des Delors-Berichts 1 ist es wahrscheinlich, daß die Fortentwicklung der Zusammenarbeitsverfahren im EWS und bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik noch Jahre nach der Verwirklichung des Binnenmarktes Ende 1992 unterhalb der Schwelle institutioneller Veränderung bleiben wird. Mit anderen Worten, die Konvergenzbemühungen in der EG müssen unter Wahrung der nationalen wirtschaftspolitischen Souveränität und Verantwortlichkeit fortgesetzt werden. Die Supranationalitätsmethode scheidet damit unter den von Wolfgang Cezanne 2 katalogisiert Integrationsmethoden für die wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EG in absehbar Zukunft aus. 1 Ausschuß zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion: Bericht zur Wirtschaftsund Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft (Delors-Bericht), Basel, 12.4.1989. 2 Wolfgang Cezanne unterscheidet in seinem Beitrag: "Begriffe und Optionen der wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EG" folgende sechs Integrationsmethoden, zwischen denen die Übergänge allerdings fließend sind: - Hegemonial-Methode - Gleichberechtigungs-Methode - Supranationalitäts-Methode - Partner-Methode - Konkurrenz-Methode - Eindämmungs-Methode Veröffentlicht in Hans-Eckart Scharrer und Wolfgang Wessels (Hrsg.), Stabilität durch das EWS?, Europäische Schriften 64, Europa Union Verlag, Bonn, 1987, S. 13 ff.
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II. Verfahren zur Stärkung der Konvergenz Zur Verwirklichung des Ziels einer größeren Konvergenz der nationalen Wirtschaftspolitiken unter Wahrung der nationalen Souveränität stehen im wesentlichen fünf sich nicht gegenseitig ausschließende, sondern eher ergänzende Verfahren zur Verfügung: die klassische Form der konsensuellen Abstimmung der Wirtschaftspolitik, einschließlich der Finanz- und Einkommenspolitik die Koordinierungsform über einen Währungsmechanismus, wie die Währungsschlange und das EWS der Anpassungszwang aufgrundeiner Verpflichtung zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs die Koordinierungshilfe durch partnerschaftliehe Verfahren des finanziellen Beistands. die Bindung von Beistandskrediten an wirtschaftspolitische Auflagen. Die Gemeinschaft hat mit diesen Kooperationsverfahren unterschiedlich lange Erfahrungen sammeln können. Um die konsensuelle Abstimmung der Wirtschaftspolitik bemüht sie sich seit ihrer Gründung, sodaß über ihre Möglichkeiten und Grenzen am meisten Erfahrungen gesammtelt wurden. Der Koordinierungsversuch über Währungsmechanismen lief in den frühen siebziger Jahren an und wurde 1979 mit dem EWS reaktiviert. Die Erfahrungen mit der partnerschaftliehen Methode und mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs sind dagegen noch bescheiden. Die Kredit- oder Hilfegewährung unter wirtschaftspolitischen Auflagen wurde nie im größeren Stil auf Gemeinschaftsebene angewendet. 1. Liberalisierung des Kapitalverkehrs
Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs kann spontan von den Mitgliedstaaten ausgehen oder von den Gemeinschaftsorganen über Richtlinien angeordnet oder konsolidiert werden. Die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande sowie Belgien-Luxemburg haben den ersteren Weg der Liberalisierung von Anfang an beschritten, Großbritannien ist diesen Weg in den achtziger Jahren gegangen. Mit der gemeinschaftlich angeordneten Liberalisierung konnten dagegen noch kaum konkrete Erfahrungen gesammelt werden. Diese Liberalisierung blieb bereits nach dem Erlaß von zwei Richtlinien 1960 und 1962 in den Anfangen stecken. Erst mit der Verabschiedung der dritten Liberalisierungsrichtlinie 3 im Juni 1988, die ihre Wirkung in den frühen neunziger Jahren zeigen soll, wurde der 3 Richtlinie des Rates vorn 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel67 des Vertrages (88/361/EWG), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L. 178 vorn 8.7.1988, S.5.
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Versuch gemacht, über die Freigabe des Kapitalverkehrs wirtschaftliche Konvergenz zu erzwingen. Freiwillig wurde der Kapitalverkehr in erster Linie zwischen den EG-Staaten liberalisiert, die bereits Konvergenzfortschritte gemacht hatten. Es gibt deshalb innerhalb der EG kaum Erfahrungswerte, ob ein verordneter freier Kapitalver kehr, in Verbindung mit der Verpflichtung zur Stabilisierung der Wechselkurse, souveräne Regierungen zur Konvergenz veranlassen oder ob er zu einem Sprengsatz des EWS-Wechselkursmechanismus werden kann. Zu berücksichtigen ist, daß die Verbindung von freiem Kapitalverkehr mit einem gemeinschaftlich festgelegtem Wechselkursziel die bisherige Arbeitshypothese der Zusammenarbeit von in ihrer Wirtschaftspolitik souverän bleibenden Mitgliedstaaten empfindlich einengt, ja eine national bestimmte Wirtschaftspolitik nahezu ausschließt. 4 Fraglich ist, ob sich alle Mitgliedstaaten dieser Konsequenz beim Eingehen der Liberalisierungsverpflichtung auch bewußt waren. 2. Partnerschaftlicher Ressourcentransfer
Die partnerschaftliehe Kooperationsform, mit der Ressourcen von den wirtschaftlich wohlhabenderen in die stärker zurückgebliebenen Regionen und Mitgliedstaaten der Gemeinschaft geleitet werden sollen, wird ihre Wirkung erst in den kommenden Jahren deutlicher zeigen können, wenn die EG-Strukturfondsmittel bis Ende 1993 verdoppelt sein werden. Da gerade in diesen Jahren von den südlichen Mitgliedstaaten die Liberalisierung und die volle EWS-Beteiligung erwartet wird, muß sich zeigen, inwieweit ein von vorher nicht viel mehr als 1 Prozent auf etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhter Ressourcentransfer einen Anreiz zur Wahrung der Konvergenz mit wirtschaftlich stärkeren Partnern bieten kann. Die bisher gesammelten Erfahrungen mit der Partner-Methode der Integration im Sinne Cezannes sind beim Regional- und Sozialfonds wegen der bescheidenen Ressourcenverlagerungen gering. Die Kreditvergabe durch die Europäische Investitionsbank hat zweifellos einen positiven Beitrag zum Ressourcentransfer in die weniger entwickelten Gebiete der Gemeinschaft geleistet, wobei besonders hervorzuheben ist, daß diese Kreditvergabe an keinerlei wirtschaftspalititsche Auflagen gebunden ist.
4 Effizienz, Stabilität und Verteilungsgerechtigkeit, Bericht einer von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingesetzten Studiengruppe unter der Leitung von Tommaso Padoa-Schioppa, Brüssel, April 1977, sowie Delors-Bericht, siehe Anmerkung 1, Punkt 12, S. 11.
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3. Auflagen bei der Kreditvergabe
An solche Auflagen sind dagegen Kredite im Rahmen des kurzfristigen Währungsbeistands, des mittelfristigen finanziellen Beistands und Zahlungsbilanzkredite gebunden, die der Rataufgrund des Systems der Gemeinschaftsanleiben zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedsstaaten 5 vergibt. Der kurz- und der mittelfristige Beistand wurden in der Vergangenheit wegen dieser Auflagen kaum beansprucht. Eher wurde der sehr kurzfristige auf dem Interventionssystem beruhende und nicht an Auflagen gebundene Beistand verlängert. Bei Zahlungsbilanzkrediten stellt der Rat zwar sehr konkrete wirtschaftspolitische Bedingungen und macht die Bewilligung einzelner Kredittranchen formal von deren Einhaltung abhängig. Werden die Auflagen jedoch nicht voll eingehalten, so wird bereits die Bemühung um mehr Konvergenz anerkannt und die weitere Kreditvergabe nicht blockiert. Im Rat will niemand die Rolle des Präzeptors oder gar Verweigerers spielen, sodaß auch solche konkreten an die Kreditvergabe geknüpften Auflagen in Wirklichkeit eher Empfehlungscharakter haben. Daran dürfte sich auch in Zukunft, nach der vollzogenen Zusammenlegung der beiden an wirtschaftspolitische Auflagen gebundenen Kreditmechanismen, dem System des mittelfristigen finanziellen Beistands mit dem System der Zahlungsbilanz kredite, zu einer einzigen Fazilität, wenig ändern. Die für sein Image ungünstigen Erfahrungen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) mit dem Abhängigmachen von Krediten von der Erfüllung von Auflagen gemacht hat, ermutigen die Regierungen der Mitgliedstaaten offensichtlich nicht, das Kreditinstrument zu einem Instrument der Erzwingung der wirtschaftspolitischen Koordinierung zu machen, sondern veranlassen sie dazu, es eher im partnerschaftliehen Sinne einzusetzen. Durch Auflagen würde zu deutlich ausgedrückt, daß die währungsstarken Länder mit Zahlungsbilanzüberschüssen allein die Koordinierung der Wirtschaftsund Währungspolitik bestimmen. 4. Konsensuel/e Zusammenarbeit
Seit ihrer Gründung ist die Gemeinschaft um die konsensuelle Zusammenarbeit der in ihrer Wirtschaftspolitik souverän gebliebenen Mitgliedstaaten bemüht. Die Kommission soll dem Rat laut Art. 105 EWGV zur Herbeiführung dieser Zusammenarbeit Empfehlungen unterbreiten. Ein im gleichen 5 Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 des Rates vom 24. Juni 1988 zur Einführung eines einheitlichen Systems des mittelfristigen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 178 vom 8.7.1988, S.l.
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Artikel vorgesehener Beratender Währungsausschuß aus Vertretern der Finanzministerien und der Zentralbanken wurde schon im März 1958 eingesetzt. 1960 folgten ein Ausschuß für Konjunkturpolitik und 1964 Ausschüsse für Haushaltpolitik, sowie für mittelfristige Wirtschaftspolitik. Letztere drei Ausschüsse wurden im Februar 1974 in einem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zusammengefaßt. Die Präsidenten der Zentralbanken der EWG-Mitgliedstaaten bildeten 1964 einen Ausschuß, dessen Einfluß ständig zunahm. a) Ein vom Dollar bestimmter Konvergenzpfad Die Koordinierung orientierte sich in einer ersten durch die vorzeitige Verwirklichung der Zollunion Mitte 1968 gekennzeichneten Zehnjahresphase auch in der EWG am Erfordernis des Zahlungsbilanzausgleichs bei festen vom Bretton Woods System vorgegebenen Wechselkursen. Es handelte sich um ein von der US-Wirtschaft und dem Dollar, d. h. von außen bestimmtes Hegemonialsystem, das sich nicht auf die Gemeinschaft beschränkte. Bis zu den ersten Verfallerscheingungen in den Jahren 1965/66, die schließlich zur Bonner Währungskonferenz vom November 1968 führten, galt es in der westlichen Welt als weitgehend unumstritten. Innerhalb dieses größeren Rahmens konnte sich die Gemeinschaft weitgehend mit Ermahnungen an Mitgliedstaaten begüngen, die dem relativen Stabilitätskurs des Dollar nicht folgen konnten, obwohl dieser bereits in den Sog der Finanzierung des Vietnam-Krieges geraten war. Die EWG-Kommission spielte dabei vor allem gegenüber Italien in den Jahren 1962 bis 1964 die Rolle eines Warners, der die italienische Öffentlichkeit auf die Gefahren einer vom Konvergenzpfad abweichenden, zu expansiven Geld-, Finanz- und Einkommenspolitik aufmerksam machte. Dabei war ein von der kommunistischen Opposition beanstandetes Zusammenspiel zwischen EWG-Kommission und italienischer Regierung unverkennbar, um eine maßvollere Lohnpolitik in Italien durchzusetzen und zur Mäßigung der Ansprüche an den Staatshaushalt zu mahnen. Den nationalen Abweichungen von dem vom Dollar bestimmten Stabilitätspfad wurde in dieser Phase durch mehrmalige kleinere Aufwertungen von DM und Gulden sowie durch Abwertungen der Lira Rechnung getragen. Die im Gefolge der Pariser Maiereignisse des Jahres 1968 zugestandenen französischen Lohnerhöhungen von bis zu 30 % zeigten dann das Ende eines vom Dollar bestimmten Konvergenzpfades der Gemeinschaft auf. Auf der internationalen Bonner Währungskonferenz des Zehnerklubs vom November 1968 standen sich mit Frankreich und Deutschland zwei EG-Länder gegenüber, die sich innerhalb der Sechsergemeinschaft nicht über den zukünftigen Wechselkurs einigen konnten und ihre Differenzen auf der internationalen Bühne austrugen.
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b) Der von der EG bestimmte Konvergenzpfad Aus dem Scheitern dieser Konferenz zog die EG-Kommission die Schlußfolgerung, daß die gerade verwirklichte Zollunion, der geschaffene gemeinsame Agrarmarkt und der noch bescheidene Stand der Liberalisierung des Kapitalverkehrs ohne stärkere Abstimmung der Wirtschafts- und Währungspolitik gefährdet seien. Aufgrund dieser Erfahrung entstand das nach dem damaligen Vizepräsidenten der EG-Kommission Raymond Barre benannte Barre-Memorandum vom 12. Februar 1969,6 das zum Werner-Plan der stufenweise Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion führte. Der Zusammenbruch des Bretton Woods Systems in den Jahren 1971 bis März 1973, in Verbindung mit der einsetzenden Ölkrise, ließ jedoch den ersten Versuch scheitern. Die Ölpreisexplosion war für Mitgliedstaaten, wie die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande Anlaß, eine Stabilisierungspolitik einzuleiten, während die meisten Partner den Versuch machten, möglichen rezessiven Wirkungen auf die Beschäftigung eher mit einer expansiven, die Ölpreissteigerung alimentierenden Geldpolitik zu begegnen. Kommission und Rat versuchten dem Auseinanderstreben der Wirtschaftspolitiken mit der gleichzeitigen Einsetzung eines Ausschusses für Wirtschaftspolitik aufhöchster Beamtenebene und dem Erlaß einer Konvergenzentscheidung sowie einer Richtlinie über Stabilität, Wachstum und Vollbeschäftigung, alle vom 18. Februar 1974, zu begegnen. 7 Die Richtlinie verpflichtete die Mitgliedstaaten auf die vier zentralen gesamtwirtschaftlichen Ziele Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, Wachstum und Vollbeschäftigung, ohne zwischen diesen eine Gewichtung herzustellen. Aufgrund der Konvergenzentscheidung werden anband der Vorschläge der EG-Kommissionjährlich Leitlinien der Wirtschaftspolitik definiert, die anschließend vom Ratjeweils vor Jahresbeginn im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts verabschiedet werden. Dreimal jährlich beraten die EG-Finanzminister über die Wirtschaftslage der Gemeinschaft. Wertvoll ist dabei der Versuch einer Abstimmung der Orientierungsdaten des Staatshaushalts und der Höhe des Nettofinanzierungsdefizits. Bei diesen Beratungen werden den Finanzministern der Mitgliedstaaten mit hohen vom 6 Abgedruckt in: Rainer Hellmann, Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, eine Dokumentation, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1972, S. 54 ff. und in Bulletin der EG, Brüssel, 1971, Nr. I. 7 Entscheidung des Rates vom 18. Februar 1974 zur Erreichung eines hohen Grades an Konvergenz der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (74/120/EWG) in der durch die Ratsentscheidungen vom 18. Dezember 1975 (75/78/EWG) und vom 6. Februar 1979 (79/136/WEG) geänderten Fassung der Richtlinie des Rates vom 18. Februar 1974 überdie Stabilität, das Wachstum unddie Vollbeschäftigung in der Gemeinschaft (74/121/EWG), beide in: Währungsausschuß der Europäischen Gemeinschaften, Kompendium von Gemeinschaftstexten im Bereich der Währungspolitik, Brüssel 1986, S. 19 u. 24.
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Schatzamt finanzierten Defiziten Vergleichsdaten zu den Partnern mit günstigeren Ergebnissen an die Hand gegeben, damit sie sie in ihrer Argumentation bei den nationalen Haushaltsberatungen verwenden können. Die Orientierungsdaten werden auch den nationalen Parlamenten für deren Haushaltsberatungen notifiziert. Der Erfolg der Abstimmung der Haushaltspolitik zwischen den Mitgliedstaaten ließ am längsten auf sich warten. Alle bis vor kurzem erstellten Erfolgsbewertungen der wirtschfts- und währungspolitischen Zusammenarbeit in der EG werten die hohen Abweichungen in den Nettofinanzierungssalden als Mißerfolg des EWS. Diese bis etwa 1987 durchaus berechtigten Bewertungen bedürfen jedoch allmählich erfreulicherweise einer Korrektur. Zwischen 1983 und 1985 wiesen noch fünf der heutigen zwölf Mitgliedstaaten zweistellige negative Nettofinanzierungssalden auf, von denen einzelne zeitweise 13% des BSP überschritten. Dänemark stand mit einem Negativsaldo von 7,2 % BSP an 6. Stelle. 1988 sind von den fünf nur noch zwei Mitgliedstaaten, Griechenland mit geschätzten 12% und Italien mit 10%, mit zweistelligen Negativzahlen übrig geblieben. Portugal und Belgien konnten ihr Defizit aufrd. 8%, Irland 1988 sogar auf geschätzte 3,5% verringern. Dänemark weist schließlich seit 1987 einen Aktivsaldo auf. Die Bemühungen um mehr Konvergenz der Staatsfinanzen sind deshalb nicht einfach als erfolglos abzuschreiben. Nach Peter Schmidhuber, dem 1987/1988 für Wirtschftspolitik verantworlichen Mitglied der EG-Kommission, hat sich bei der Anwendung der Konvergenzentscheidungjedoch "eine grundlegende konstitutionelle Schwäche" 8 herausgestellt. "Der Rat beschließt über die gemeinschaftlichen wirtschaftspolitischen Leitlinien. Er setzt sich aber aus den gleichen Ministern zusammen, die auf nationaler Ebene wirtschaftspolitische Verantwortung tragen. Infolgedessen stellt er Leitlinien auf, die sich kaum von den jeweiligen nationalen Politiken unterscheiden bzw. die nicht im Widerspruch dazu stehen. Die Kommission besitzt wohl die institutionelle Unabhängigkeit vorzuschlagen ... Sie hat aber keine Kompetenzen, um ihre Vorstellungen in Form von Einzelmaßnahmen in den Mitgliedstaaten durchsetzen zu können. Die Leitlinien sind daher vielfach nur formal kompatibel, materiell aber oft divergierend". Eine durchgreifende Wirkung von Empfehlungen läßt sich in der Regel nur dann erzielen, wenn die Kommission sich in Übereinstimmung mit der angesprochenen Regierung befindet. In diesem Falle benutzt die nationale Regierung die Autorität der Gemeinschftsorgane, um die von ihr selbst anggestrebten wirtschaftspolitischen Ziele innenpolitisch im Verhältnis zum Parlament 8 Peter Schmidhuber, Möglichkeiten und Grenzen einer Koordinierung der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik innerhalb und außerhalb der EG, Vortrag in Alp· bach, 7. Juli 1988, EG-Kommission, Brüssel, S. 7.
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oder zu den Sozialpartnern leichter durchzusetzen. Den Gemeinschaftsorganen wird dabei praktisch ein Teil der Verantwortung für unliebsame nationale wirtschaftspolitische Maßnahmen zugeschoben, ein für die Regierungen ziemlich bequemes Verfahren, das allerdings mindestens kurzfristig nicht ohne negative Rückwirkungen auf das Image der Gemeinschaft bleiben kann. 9 Ist die Regierung oder nur der Finanzminister des angesprochenen Landes mit dem Inhalt einer EG-Empfehlung nicht einverstanden, so bleibt deren Wirkung bescheiden. Bereits im Vorfeld der Erstellung des Jahreswirtschftsberichts treffen die Regierungen alle möglichen Vorkehrungen, um zu verhindern, daß für sie unangenehme Vorausschätzungen, z. B. über hohe Inflationsraten (Griechenland 1988) oder über ungenügende Wachstumsraten (Bundesrepublik 1985 und 1987) in den Bericht aufgenommen und verabschiedet werden. Läßt sich die Aufnahme nicht verhindern, so distanzieren sich die betroffenen Regierungen gelegentlich durch einseitige Erklärungen im Ratsprotokoll von ihnen. Die Erstellung von Programmen für die mittelfristige Wirtschaftspolitik erwies sich als Koordinierungsinstrument wenig tauglich, solange die Programme anband der Vorarbeiten des 1964 gegründeten Ausschusses für mittelfristige Wirtschaftspolitik als quantitative, vorwiegend nachfrageorientierte fünfjährige Vorausschauen konzipiert wurden. Erst das fünfte Programm, 10 das Anfang der achtziger Jahre von einer quantitativen Vorprogrammierung auf einen qualitativen angebotsbestimmten Orientierungsrahmen für die nationale Politik und für Aktionen auf Gemeinschaftsebene umgestellt wurde, erwies sich als hilfreich. Bei den Vorarbeiten im Ausschuß für Wirtschaftspolitik und seinen Unterausschüssen konnte z. B. Belgien und Italien bewußt gemacht werden, wie sehr der Mechanismus der gleitenden Lohnskala die Stabilitätsbemühungen behindert. Beiden Ländern wurden Argumentationshilfen, die ihnen die Durchsetzung von Teilreformen erleichterte, geboten. Auch der von EG-Kommissionspräsident Jacques Delors 1985 wiederbelebte soziale Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist ein nützliches Instrument zur Verwirklichung qualitativer Zielsetzungen einer stärker angebotsorientierten Wirtschftspolitik. Der Dialog diente in erster Linie der Erörterung der Frage, wie die angestrebte größere Flexibilität der Arbeit für 9 Zur Rollenverteilung von internationalen Organisationen und nationalen Regierungen bei der Übernahme unpopulärer Aufgaben siehe die Arbeiten von Roland Vaubel u. a., The Moral Hazard of IMF Lending, The World Economy, London, Vol. 6, Nr. 3, September 1983, S. 291-303. 10 Beschluß des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 28. Juli 1982 zur Genehmigung des fünften Programms über die mittelfristige Wirtschaftspolitik (82/534/EWG), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L. 236 vom 11.8.1982, S. 10.
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die Arbeitnehmer ohne unzumutbare Verluste an sozialer Absicherung verwirklicht werden kann. Auf Gemeinschaftsebene muß sich der soziale Dialog allerdings auf allgemeine Grundsatzfragen, Fragen der Beschäftigung und der Berufsausbildung, sowie der Sicherheit und des Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz vor der Formulierung von Kommissionsvorschlägen beschränken. Die Sozialgesetzgebung selbst bleibt weiterhin in nationaler Regie. Die Tarifpolitik kann schon deshalb in einem Binnenmarkt, in dem weitgehende nominale Wechselkursstabilität angestrebt wird, nicht vereinheitlicht werden, da das Lohndifferential die Produktivitätsunterschiede abfedern muß. Die EG-Kommission konnte ihren Jahreswirtschaftsbericht seit 1985 auch dadurch glaubwürdiger gestalten, daß sie mit ihrer "kooperativen Wachstumsstrategie für mehr Beschäftigung" 11 eine geschlossene wirtschaftspolitische Strategie entwickelte und von den Sozialpartnern im Rahmen des sozialen Dialogs absegnen ließ. Mit dieser Strategie soll ein Teil der Gemeinschaft zu mehr Stabilität, der andere zur vollen Ausnutzung des inflationsfreien Wachstumspotentials veranlaßt werden. 5. Währungspolitische Zusammenarbeit
Die Richtung der konsensuellen wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in der EG wurde weniger durch Konvergenzentscheidungen und Stabilitätsrichtlinien als durch Währungsleitbilder, zunächst den Dollar und dann die Deutsche Mark bestimmt. Die große Wende zu mehr Konvergenz, auch bei der konsensuellen wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit, wurde erst über die währungspolitische Zusammenarbeit im EWS, anläßlich der bisher bedeutendsten Leitkursanpassung vom 21. März 1983, erzielt. Der damalige französische Finanzminister Jacques Delors setzte gegen starken Widerstand im Kabinett, dank der Unterstützung von Staatspräsident Francois Mitterrand durch, daß Frankreich im EWS-Wechselkursmechachnismus verblieb und zu einer Stabilisierungspolitik überging. Der Verbleib in diesem Mechanismus stellte die französische Regierung vor eine eindeutige Wahl. Ein Austritt aus dem von Frankreich initiierten EWS wäre, unter Berücksichtigung des zweimaligenAusscheidensaus der Währungsschlange in den Jahren 1974 und 1976, ein offensichtlicher Mißerfolg gewesen. Frankreich hätte auf seine Teilnahme an dem Kernstück der währungspolitischen Integration, dem Wechselkursmechanismus des EWS verzichten müssen. Hier zeigte sich, wie Schmidhuber feststellt, daß ein Währungsmechanismus wie die Schlange der WWU vom 21. März 1972 oder das EWS vom 5. 11 Definiert vor allem in der Entscheidung des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Verabschiedung des Jahresberichts über die Wirtschaftslage in der Gemeinschaft und Festlegung wirtschaftspolitischer Leitlinien für 1987 (86/667/EWG), Ziffer 3, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 385 vom 31.12.1986, S. I.
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Dezember 1978, "selbst bei intakt bleibenden nationalen Souveränitäten Konvergenzzwänge in der Wirtschaftspolitik schafft, da auf Fehlverhalten die Sanktionierung erfolgt". 12 Dies ist in einer Wirtschaftsgemeinschaft mit der Finalität einer späteren politischen Union wohl der entscheidende Unterschied in der Wirksamkeit einer auf einem währungspolitischen Mechanismus beruhenden gegenüber einer rein konsensuellen wirtschaftspolitischen Kooperation. a) Unentbehrlichkeit der Hegemonialmethode Sowohl die Währungsschlange als auch das EWS funktionierten bisher nach der Hegemonialmethode. NachdemderDollar mit zwei Abwertungen in den Jahren 1971 und 1972 und der faktischen Wechselkursfreigabe im März 1973 seine Leitfunktion für die EG abgegeben hatte, übernahm die DM diese Funktion für die EG. Allerdings waren die meisten Mitgliedstaaten wegen der von ihnen in der Ölkrise eingeschlagenen expansiven Geldpolitik nicht in der Lage, dem Kurs der neuen Leitwährung zu folgen. Dies führte zur Verkleinerung der Währungsschlange der WWU, bis diese mit nur noch fünf Mitgliedern nicht mehr der politischen Zielsetzung der Gemeinschaft gerecht werden konnte und durch das EWS am 13. März 1979 ersetzt wurde. Die Klarheit der Verhältnisse im EWS leidet allerdings darunter, daß in einem System mit gleichzeitig wirtschaftlicher und integrationspolitischer Zielsetzung die Rolle der faktischen Leitwährung nicht offen zum Ausdruck kommen soll. Statt der DM wurde die Europäische Währungseinheit Ecu zum "zentralen Punkt" des EWS in der grundlegenden EWS-Entschließung des Europäischen Rats vom 5. Dezember 1978 13 erklärt. Die Rolle des zentralen Punktes kann die Ecu jedoch nur rein mathematisch und symbolisch als gewogener Durchschnitt der in ihrem Korb enthaltenen Währungen spielen. Eine Korbwährung, die definitionsgemäß die Resultante von Stärke und Schwäche der sie konstitutionierenden Währungen ist, kann nur eine konstatierende und keine führende Rolle übernehmen. Als Resultante der bestehenden nationalen Währungen kann die Ecu in einer vollendeten Währungsunion schon definitionsgemäß nicht die die nationalen Währungen ablösende Gemeinschaftswährung werden, da mit dem Verschwinden der nationalen Währungen im Endstadium auch die Definitionsbasis und damit die Existenz der jetzigen Ecu entfällt. Für die Währungspolitik muß in der EG das gleiche wie in der Sozial- und der Umweltpolitik gelten. Als Leitbild ist für die am weitesten in der ÜberPeter Schmidhuber, wie Anmerkung 8, S. 10. Entschließung des Europäischen Rates über die Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS) und damit zusammenhängende Fragen, Brüsse1, 5. Dezember 1978, in: Währungsausschuß der Europäischen Gemeinschaften, Kompendium von Gemeinschaftstexten im Bereich der Währungspolitik, Brüsse1, 1986, S. 43. 12
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windung der Inflationsmentalität fortgeschrittenen Länder niemals der Durchschnitt annehmbar. Das Land oder die Länder mit den stabilsten Währungen müssen die Rolle des Leitbilds übernehmen. Deren Bürger wären nicht bereit, eine durch die EG verursachte Verschlechterung des Wertes ihrer Währung hinzunehmen. 14 Im EWS muß deshalb, trotz der Kritik an der Hegemonialmethode, zwangsläufig die stärkste Währung eine Leitwährungsrolle übernehmen. Die einzige Alternative zur derzeitigen Leitwährungsrolle der DM wäre eine "harte Ecu". Der Korb einer solchen Ecu wäre kein geschlossener, wie der bisherige, sondern ein offener, der beijeder Leitkursänderung so nachgefüllt würde, daß der Wert der Ecu jeweils demjenigen der stärksten Währung folgen würde. Dadurch würde sich die Ecu nie gegenüber der stärksten Währung im Sytem abwerten. 15 In der bisherigen Praxis wären damit allerdings DM und Ecu zusammengefallen. Die Führungsrolle der DM wäre durch ihre Identität mit der Ecu lediglich legitimiert worden. Allerdings hätte eine solche harte Ecu nicht die Mittlerrolle am Kapitalmarkt und in der Rechnungslegung der Unternehmen spielen können, die die derzeitige Ecu dank des Ausgleichens von Wertminderungsnachteilen und Zinsvorteilen gegenüber harten und weichen Währungen im System einnimmt. b) Doppelverpflichtung aus der Hegemonie Kritik an der Hegemonialrolle der DM ist nur dann berechtigt, wenn die deutsche Wirtschafts- und Währungspolitik einen restriktiveren Kurs einschlägt, als zur Erhaltung eines Stabilitätspfads notwendig ist und wenn sie das Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft nicht voll ausnutzt. Die Vermutung, daß eine solche Gefahr dem EWS immanent sei, hat das USSchatzamt schon 1978 bei der Konzeption des EWS vorgebracht. 16 Eine Arbeitsgruppe des Brüssler Centre for European Policy Studies (CEPS) untersucht derzeit, ob die relativ schwachen Wachstumsraten der EG-Länder von 1979 bis 1987 in einem ursächlichem Zusammenhang zum EWS stehen, oder ob sie eher auf Gegebenheiten der einzelnen Mitgliedstaaten beruhen. Würde sich ergeben, daß die deutsche Wirtschaftspolitik der 14 Europäisches Parlament: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und. Industriepolitik über die Entwicklung der Europäischen Währungsintegration von Otmar Franz, Sitzungsdokument, Luxemburg, 22.3.1989. 15 Michael Cwik, Les Europeens ont-ils besoin d'une solution de rechange au dollar? Dossier de discussion sur Je renforcement du SME, Bulletin der Vereinigung der ehemaligen Praktikanten der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 28, Brüssel, März-April 1987, S. 58 ff. und: Raymond Barre plaide pour une nouvelle definition de l'ecu, Le Monde, Paris, 25.4.1989, S. 29. 16 Rainer Hellmann, Das Europäische Währungssystem, kritische Einführung und Dokumentation, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1979, S. 85.
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Rolle der DM als Leitwährung im EWS dadurch nicht voll gerecht wurde, daß sie das inflationsneutrale Wachtumspotential der deutschen Wirtschaft nicht voll ausschöpfte, so hätten die Partner einen Anspruch darauf, daß durch eine intensivere Absprache und Koordinierung eine Wiederholung vermieden wird. Richtig verstandene Symmetrie im EWS kann nicht darin bestehen, daß die Leitwährung ihre Führungsrolle auf dem Stabilitätspfad nur lasch ausübt, sondern darin, daß sie sich der Nachprüfung stellt, ob sie ihr Wachstumspotential voll ausnutztY Eine nicht ausreichende Nutzung durch die führende Währung stellt in einem Währungsverbund ein korrekturbedürftiges Fehlverhalten mit umgekehrten Vorzeichen zu demjenigen des Dollar im früheren Weltwährungssystem dar. Die schwächeren Partner eines Währungsverbunds haben Anlaß zur Klage über eine ungleiche Lastenverteilung, wenn der stärkste Partner sein Wachstumspotential nicht voll ausnutzt und ihnen damit einen übermäßigen Anpassungsbedarf über zu hohe Zinsen aufbürdet. 18 Erschwert wird die Interessenbestimmung in der EG zweifellos dadurch, daß die Bundesrepublik als ein Land mit einer niedrigen Geburtenrate eine bescheidene Wachstumsrate leichter als die meisten Partnerstaaten hinnehmen kann, deren Geburtenraten und Arbeitslosenquoten höher sind.
III. Schlußfolgerungen Aus dreißig Jahren Erfahrung mit Versuchen zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik einer engen Gemeinschaft mit so ehrgeizigen Zielen wie die EG ergibt sich, daß Konvergenz nicht allein über konsensuelle wirtschaftspolitische Zusammenarbeit erreicht werden kann. Von der Währungspolitik muß eine Führungsrolle übernommen werden. Dabei fällt der jeweiligen Leitwährung eine große Verantwortung für die Wahrung des Stabilitätspfads des Systems unter Ausschöpfung des tatsächlichen Wachstumspotentials zu. Die Abstimmung der Wirtschaftspolitik bedarf einer Orientierung, die letztlich, solange es keine gemeinsame Währung gibt, nur die führende Währung bieten kann. Die Krönungstheorie, wonach die wirtschaftspolitische Konvergenz voll erreicht sein muß, bevor sie durch währungspolitische 17 Vgl. hierzu: Leonhard Gleske, Zehn Jahre EWS- eine Bilanz. Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Frankfurt am Main, 22.2.1989, Nr. 16, S. I und Heinrich Matthes, Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des Europäischen Währungssystems aus der Sicht der Gemeinschaften, Europarecht, Baden-Baden, Heft I, 1988. 18 Wolfgang File, Kooperation als Voraussetzung zur Stabilisierung des internationalen Währungssystems, in: Wolfgang File, Lotbar Hübl, Rüdiger Pohl (Hrsg.), Herausforderungen der Wirtschaftspolitik, Festschrift zum 60. Geburtstag von Claus Köhler, Berlin 1988, S. 213 ff. und Wolfgang File, Orientierungshilfen für Leitkursänderungen im EWS, Devisenmarktanalyse für das erste Vierteljahr 1986, Institut für Empirische Wirtschaftsforschung, Berlin, April 1986, S. 5.
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Schritte gekrönt werden kann, läßt sich nicht verifizieren und deshalb schlecht widerlegen. Die zur Verifizierung notwendige Konvergenz kann mit rein wirtschaftspolitischen Mitteln nicht erreicht werden, wenn der Weg nicht von der Währung gewiesen wird. Mit der Krönungstheorie wird nur die eigentliche Fragestellung nach einem für Konvergenz geeigneten Währungsraum verdeckt. In der Zwölfergemeinschaft sind die Voraussetzungen eines optimalen Währungsraums derzeit noch nicht gegeben. Andererseits würden Länder, die der Gemeinschaft nicht angehören, wie Österreich und die Schweiz, ohne weiteres bereits jetzt den Zugehörigkeitskriterien zu einem optimalen Währungsraum entsprechen. In den letzten Jahren wurden allerdings nicht unbedeutende Schritte zur Vorbereitung des Umfeldes für einen optimalen Währungsraum Zwölfergemeinschaft getan. Das EWS wurde mehrmals seit 1983 gestärkt und gehärtet. Der soziale Dialog als ein Instrument zur Verwirklichung einer auf Stabilität ausgerichteten Wachstumspolitik der EG wurde seit 1985 reaktiviert. Bedeutende Beschlüsse über eine stärker partnerschaftliehe Ausrichtung der Gemeinschaft wurden im Februar 1988 mit der Verdoppelung der Strukturfonds bis 1993 gefaßt. Im Juni 1988 wurde die Liberalisierung des Kapitalverkehrs in den frühen neunziger Jahren in Aussicht genommen. Die Gemeinschaft ist im Begriff, die äußeren Voraussetzungen für einen vielleicht nicht optimalen, aber doch für eine Währungsunion geeigneten Raum allmählich zu schaffen. In den neunziger Jahren muß sich zeigen, ob auch die inneren Voraussetzungen dazu in den stärkeren und schwächeren Ländern gegeben sind, d. h. ob die Bevölkerung der Mitgliedstaaten bereit ist, bei der Währung, die als Ausdruck der Souveränität gilt, die nationalen Konzessionen zu erbringen, die notwendig sind, um in den Genuß der Vorteile eines großen Wirtschafts- und Währungsraums zu gelangen. Wenn die Währungsunion nicht von Anfang an als Fernziel ohne feste Verbindlichkeit angesehen werden soll, muß ein Zieldatum festgesetzt werden. Ohne die Jahreszahl 1992 wäre das Ziel Binnenmarkt nicht ernsthaft angegangen worden, auch wenn sich die 300 zur Verwirklichung des Binnenmarktes erforderlichen Richtlinien nicht mit dem zur Verwirklichung einer Währungsunion erforderlichen Prozeß vergleichen lassen. Von den beiden im Hinblick auf die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion verfaßten offiziellen Berichten sieht der von Otmar Franz verfaßte Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments19 die politische Notwendigkeit der Festsetzung eines Zieldatums klarer als der Bericht des von den EG-Regierungschefs EndeJuni 1988 in Hannover eingesetzten Ausschusses für das Studium der Wirtschafts- und Währungs19
Europäisches Parlament, Pranz-Bericht, wie Fußnote 14.
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union, 20 dem die EG-Zentralbankgouverneure und fünf Sachverständige unter Vorsitz von Jacques Delors angehörten. Im Delors-Ausschuß wurde auf die Nennungjedes Datums für den Übergang von der Vorbereitungsstufe zur zweiten Stufe der Verwirklichung und der dritten der Vollendung der Währungsunion bewußt verzichtet. Von Delors wurde das Setzen von Zieldaten für die Währungsunion im Gegensatz zum Binnenmarkt als unvorsichtig und nicht empfehlenswert bezeichnet. 21 Der Rat und, beim Übergang zu endgültig festgelegten Wechelkursen, auch die Zentralbankgouverneure müßten ihre Beurteilung im Lichte der in der vorangegangenen Stufe gemachten Erfahrungen abgeben. Mit diesem Verzicht auf ein Zieldatum entfallt jedoch der Druck, das angestrebte Ziel auch ernsthaft erreichen zu wollen. Der parlamentarische Bericht sieht dagegen drei sehr eng aufeinanderfolgende Zieldaten vor: Die Vorstufe eines Zentralbanksystems am I. Januar 1993, die Gründung einer Europäischen Zentralbank und das Anlaufen der Währungsunion am I. Januar 1995 sowie den Übergang zur harten Ecu als einziger Währung durch den Verzicht auf die nationalen Währungen am I. Januar 1998. Auf Anraten von Delors hat das Parlament in seiner am 14. April 1989 in Straßburg verabschiedeten Entschließung das Schlüsseldatum des I. Januar 1995 für den Übergang zur Europäischen Währung allerdings von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß bis dahin eine "hinreichende Konvergenz" 22 der Wirtschaftsentwicklung der Mitgliedstaatn erzielt wurde. Der Zeitplan des Parlaments für die Währungsunion, wenige Jahre nach der Verwirklichung des Binnenmarktes, mag kühn erscheinen, ist jedoch insofern nur folgerichtig, als beide Berichte darin übereinstimmen, daß der Binnenmarkt sich zwar ohne Währungsunion verwirklichen läßt, jedoch seine volle Wirkung nicht ohne diese entfalten kann. Wenn der Binnenmarkt tatsächlich Anfang 1993 verwirklicht und weitere zwei Jahre über einen freien Kapitalverkehr erprobt sein wird, besteht kein Anlaß, den Test auf den politischen Willen zur Währungsunion weiter in der unrealistischen Erwartung hinauszuzögern, mit fortschreitender Zeit lasse sich eine größere Konvergenz über die Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitik durch eine gemeinsame Währung krönen. Für das Anlaufen einer zukünftigen Währungsunion ist es nicht entscheidend, ob bereits vorher eine möglichst weitgehende Konvergenz der Wirtschafts- und Währungspolitik zwischen den Teilnehmern erreicht wurde. Ausschlaggebend ist, ob alle Teilnehmer an der Union sich in der Lage fühlen Delors-Bericht wie Fußnote 1. Delors-Bericht wie Fußnote I, Punkt 43, S. 32. und Pressekonferenz Delors vom 17. Aprill989 in Luxemburg, S. 7. 22 Europäisches Parlament: Entschließung über die Entwicklung der Europäischen Währungsintegration, Straßburg, Protokoll der Tagung vom Freitag, den 14. Apri11989. 20 21
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und den festen Willen haben, sich vom Stichtag an wie Teilnehmer einer mit einer harten Währung ausgestatteten Union zu verhalten. Dies gilt hinsichtlich der Stabilität vor allem für die bisherigen Weichwährungsländer und bezüglich des erforderlichen Ressourcentransfers für die Hartwährungsländer. Wie das Schwimmen läßt sich die Währungsunion nicht im Trockenen einüben. Der parlamentarische Bericht geht auch folgerichtig vor, wenn er zunächst in einer Dreijahresphase den ungeübten Schwimmern den Rettungsring der Beibehaltung der nationalen Währungen belassen will. Der von Delors präsidierte Ausschuß der Zentralbankpräsidenten lehnt ein System von Parallelwährungen mit dem Argument ab, sie könnten zu einer zusätzlichen Quelle der Geldschöpfung werden und die ohnehin schwierige Aufgabe der Koordinierung verschiedener nationaler Währungspolitiken weiter komplizierenY Diese Gefahren bestehen, sie können jedoch, wenn sie klar erkannt und eingegrenzt sind, auch beherrscht werden. Parallelwährungen geben den Bürgern eine WahlmöglichkeiL Nach Friedrich von Hayek 24 gibt es keine bessere Prüfung für die Solidität einer Währung, als wenn das Volk ihm weniger solide erscheinende Währungen zurückweisen kann. Würde den Bürgern der Gemeinschaftsländer einmal die von Hayek gewünschte Wahlmöglichkeit gegeben, so müßte sich in jedem Land die bessere Währung, entweder die korbfreie Ecu oder die nationale Währung durchsetzen. In den Ländern mit schwacher nationaler Währung würde diese von den Bürgern abgewählt. In den Ländern mit starker eigener Währung könnte sich die korbfreie Ecu nur durchsetzen, wenn sie mindestensgenauso stark, wenn nicht stärker wie die nationale wäre. In einer solchen Periode der Wahlmöglichkeit könnte sich so auch der zukünftige europäische Währungsraum herauskristallisieren, ohne daß dazu eine politische Entscheidung in Form eines Europa der zwei Klassen oder der zwei Geschwindigkeiten notwendig wäre. Die Aussichten, daß sich bei dieser Wahlmöglichkeit die Völker aller Mitgliedstaaten aus freiem Entschluß für die europäische Währung entscheiden, dürfte günstiger als im Falle desWartensauf die allgemeine Konvergenz sein. Bei letzterer Variante besteht die Gefahr, daß die Währungsunion mit dem Warten auf den Letzten aufunbestimmte Zeit hinausgezögert und damit auch der Fortbestand des Binnenmarktes gefährdet wird oder, um dies zu verhindern, eines Tages doch der Schritt zur abgestuften Währungsintegration, unter Ausschluß der Schwächeren, mit allen politischen Folgen getan werden muß. Delors-Bericht, wie Fußnote I, Punkt 47, S. 33. Friedrich von Hayek, Choice of a Currency- A Way toStop Inflation, The Institute of Economic Affairs, London, 1976. 23
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Die Wahlmöglichkeit zwischen Währungen darf allerdings nicht, wie es der britische SchatzkanzlerNigel Lawson vorgeschlagen hat, als Alternative für eine Gemeinschaftswährung vorgesehen werden. Sie läßt sich nur als Mittel zum beschleunigten Erreichen des Ziels einer Gemeinschaftswährung rechtfertigen. Für diejenigen Mitgliedstaaten, deren Währungen im EWS dann bereits durch Festkurse miteinander und mit der harten Ecu verbunden wären, hätte das Parallelwährungssystem nur symbolische Bdeutung, ähnlich wie schottische Banknoten weiter in Großbritannien, neben denjenigen der Londoner Notenbank, umlaufen. Für diejenigen Mitgliedstaaten, die das EWS-Ziel unveränderlicher Wechselkurse nicht eigenständig erreicht hätten, könnte ein Parallelwährungssystem dagegen eine Nachhilfe zur Eingliederung darstellen. Die EG-Staats- und Regierungschefs haben am 27. Juni 1989 in Madrid beschlossen, die erste Stufe der geplanten Europäischen Wirtschfts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 anlaufen zu lassen, ohne für die beiden folgenden Stufen bereits feste Zieldaten vorzusehen. Vor Beginn der ersten Stufe sollen die Befugnisse des Ausschusses der EG-Notenbank-gouverneure gestärkt und das Koordinierungsverfahren der Wirtschaftspolitik im Rat der EG-Finanzminister durch eine Revision der Konvergenzentscheidung vom 18. Februar 1974 gestrafft werden. Während der unbestimmten Zeitdauer der ersten Stufe wird jedoch die nationale wirtschaftspolitische Verantwortung unangetastet bleiben. In dieser ersten Stufe, in der alle EG-Mitgliedstaaten dem Wechselkursmechanismus des EWS beitreten sollen, kann eine Parallelwährung Ländern mit Eingliederungsschwierigkeiten hilfreich sein, wenn sie nicht als Mittel zur Umgehung der angestrebten Gemeinschaftswährung mißverstanden wird. Ein Parallelwährungssystem, das nicht auf eine Gemeinschaftswährung ausgerichtet wäre, sondern im Sinne eines darwinschen Ausleseprozesses die schwächsten zugunsten der stärksten Währungen eliminieren würde, wäre in einer Gemeinschaft der Gleichberechtigten politisch nicht akzeptabel.
Verzeichnis der Mitarbeiter Dr. Peter Bofinger, Landeszentralbank in Baden-Württemberg, Stuttgart Prof. Dr. Wolfgang File, Universität Trier Prof. Dr. Werner Gaab, Universität - Gesamthochschule - Essen Prof. Dr. Hans-Joachim Heinemann, Universität Hannover Dr. Rainer Hellmann, Leiter der Europa-Redaktion der VWD-Vereinigte Wirtschaftsdienste GmbH, Brüssel Dipl.-Volksw. Anneliese Herrmann, IFO-Institut für Wirtschaftsforschung, München Prof. Dr. Attiat F. Ott, Clark University, Worcester, Mass., USA Dr. Reinhard Pohl, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin Dr. Beate Reszat, HWW A-Institut für Wirtschaftsforschung, Harnburg Prof. Dr. Reinhard H. Schmidt, Universität Trier