Kommunikation der Pest: Seestädte des Ostseeraums und die Bedrohung durch die Seuche 1708–1713 [1 ed.] 9783428538812, 9783428138814

Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Ostseeraum von einer der größten Pestepidemien heimgesucht. Dieser zugleich letzte

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German Pages 394 Year 2012

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Kommunikation der Pest: Seestädte des Ostseeraums und die Bedrohung durch die Seuche 1708–1713 [1 ed.]
 9783428538812, 9783428138814

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Historische Forschungen Band 98

Kommunikation der Pest Seestädte des Ostseeraums und die Bedrohung durch die Seuche 1708–1713

Von Carl Christian Wahrmann

Duncker & Humblot · Berlin

CARL CHRISTIAN WAHRMANN

Kommunikation der Pest

Historische Forschungen Band 98

Kommunikation der Pest Seestädte des Ostseeraums und die Bedrohung durch die Seuche 1708–1713

Von Carl Christian Wahrmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Philosophische Fakultät der Universität Rostock hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 978-3-428-13881-4 (Print) ISBN 978-3-428-53881-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83881-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der vorliegende Band der „Historischen Forschungen“ enthält die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2011 von der Philosophischen Fakultät der Univer­sität Rostock angenommen wurde. Es war eine glückliche Fügung, dass die Ereig­nisse, mit denen ich mich befasste, in einem Abstand von genau 300 Jahren statt­fanden. Der Beginn der Seuche im Danziger Umland 1707 / 1708, das Ausgreifen der Krankheit auf Pommern und Preußen 1709 / 1710 und schließlich auf Schweden, seine Ostseeprovinzen und Dänemark 1710 / 1711 hatten einen direkten Bezug zu meiner Gegenwart. Es war immer ein besonderes Erlebnis, einen Brief zu lesen, der auf den Tag genau 300 Jahre alt war und dessen Schreiber in seiner Zeit nur wenige Meter von meinem damaligen Sitzplatz in den Archiven entfernt gesessen hatte. Sehr herzlich danke ich allen, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Zuerst gilt dieser Dank Herrn Prof. Dr. Stefan Kroll, der als Erstbetreuer diese Untersuchung maßgeblich begleitet hat. Ihm verdanke ich nicht nur die Hinführung zu meinem Thema sowie ein stets offenes Ohr, wenn es um den Fortgang meiner Arbeit ging, sondern auch eine wohlwollende Förderung, durch die ich meine Untersuchung als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität abschließen konnte. In gleicher Weise danke ich Herrn Prof. Dr. Hans-Uwe Lammel, der das Zweitgutachten über­nahm und meine Untersuchung seit ihrem Beginn ebenso intensiv begleitet hat. Seine Begeisterung für die „Contagion“ hat mich – im Wortsinne – angesteckt. Bei beiden Betreuern wusste ich mich im wissenschaftlichen Dialog und Trialog immer sehr gut aufgehoben. Herrn Prof. Dr. Karl-Erik Frandsen danke ich für seine spon­ tane Zusage zur Übernahme des Drittgutachtens und in besonderem Maße für die wichtigen Impulse, die er meiner Arbeit in der Endphase gab. Ganz besonders danke ich weiterhin allen Archiven, in denen ich über Monate hin­weg arbeiten konnte, und allen Mitarbeitern, ohne die ich viele der alten Schätze nicht hätte heben können. Stellvertretend für alle möchte ich Frau Angela Schlegel aus dem Archiv der Hansestadt Lübeck und Herrn Dr. Nils Jörn aus dem Stadtarchiv Wismar für Ihre Unermüdlichkeit danken, mir mit dem Aufdecken von Ver­knüpfungen und benachbarten Beständen wertvolle Einblicke zu gewähren. Ein weiterer Dank gebührt der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., die mich im Rahmen ihres Graduiertenprogrammes von 2008 bis 2010 förderte und

6 Vorwort

dadurch frei von finanziellen Sorgen arbeiten ließ, sowie der OestreichStiftung, welche die Veröffentlichung dieser Arbeit mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss unter­stützte. Zuletzt danke ich meiner weiten Familie und meinen Freunden, die von mir mit immer neuen Texten und – so hoffe ich – unterhaltsamen Anekdoten aus den Quellen ver­sorgt wurden. Sie haben die natürlichen Höhen und Tiefen des Arbeitsprozesses be­gleitet. Erstere wären ohne sie weniger schön und letztere präsenter gewesen. Lübeck, im Dezember 2011

Carl Christian Wahrmann

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Forschungsstand und eigene Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Quellenlage und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Kommunikationstheoretische Überlegungen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Die fünf Seestädte und die angrenzenden Territorien  . . . . . . . . . . . . . . 32 V. Überblick über den Verlauf der letzten Pest im Ostseeraum  . . . . . . . . 40 VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen . . . . . . . . . . . . . 41 B. Das System der Pestmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Defensive Pestpolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Systematische Zugangskontrolle zur Stadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Pässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Regelmäßige Opferzählung in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Aktive Pestpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Überwachte Abtrennung der Kontaktpersonen und In­fi­zier­t­en von Gesunden in Privathäusern ohne Ausnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Einrichtung von Pestspitälern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Systematische Desinfektion bzw. Vernichtung des Besitzes von Pest­ opfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 III. Institutionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Einrichtung einer „Pestbehörde“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Umfassende Pestgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 IV. Überregionale Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C. Einsatz und Wirkung von Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I. Primärmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Befragungen und Verhöre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Pestgottesdienste und Betstunden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Patrouillierende Amtsträger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Kollekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Sekundärmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Obrigkeitliche und nichtobrigkeitliche Briefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Berichte und Reskripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Sitzungsprotokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5. Suppliken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

8 Inhaltsverzeichnis 6. Traktate  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 7. Zeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Tertiärmedien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Quarantänebaracken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Pestgalgen und Pesttafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 D. Exemplarische Pestkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Unerwünschte Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. „Zigeuner“ und Bettler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . 255 III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Der Einmarsch des Korps Krassow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Der unerwünschte Aufenthalt des polnischen Hofes in Schwedisch Pommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Handel in Zeiten der Pest – Bürgermeister Kuhlmans Laken­trans­port . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 E. Schlussfolgerungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Unveröffentlichte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2. Veröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 III. Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. System der Pestmaßnahmen nach Martin Dinges . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 II. Kommunikationspartner der Stadträte von Lübeck, Wismar, Stralsund, Rostock, Greifswald sowie des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Personen- und Sachwortregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Pestverlauf im Ostseeraum (Städte in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . 42 Abb. 2 Vordruck eines Gesundheitspasses aus Schwedisch Pommern von 1710. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abb. 3 Modell der Kommunikationsebenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Abb. 4 Obrigkeitlicher Briefverkehr 1708–1713. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Abb. 5 Obrigkeitlicher Briefverkehr 1708–1713: Lübscher Rat . . . . . . . 137 Abb. 6 Obrigkeitlicher Briefverkehr 1708–1713: Tribunal und Wismarer Rat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Abb. 7 Obrigkeitlicher Briefverkehr 1708–1713: Rostocker Rat. . . . . . . 139 Abb. 8 Obrigkeitlicher Briefverkehr 1708–1713: Greifswalder Rat . . . . 140 Abb. 9 Obrigkeitlicher Briefverkehr 1708–1713: Stralsunder Rat. . . . . . 141 Abb. 10 Kommunikationspartner des Stadtrates in Lübeck. . . . . . . . . . . . 142 Abb. 11 Kommunikationspartner des Tribunals in Wismar. . . . . . . . . . . . 143 Abb. 12 Kommunikationspartner des Stadtrates in Wismar. . . . . . . . . . . . 144 Abb. 13 Kommunikationspartner des Stadtrates in Rostock . . . . . . . . . . . 145 Abb. 14 Kommunikationspartner des Stadtrates in Stralsund . . . . . . . . . . 146 Abb. 15 Kommunikationspartner des Stadtrates in Greifswald. . . . . . . . . 147 Abb. 16 Darstellung aus Lämmel 1710. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Abb. 17 Detail einer mecklenburgischen Pesttafel mit der Darstellung eines Gehenkten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Abb. 18 Wetterphänomene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Anhang Anhang Anhang Anhang Anhang Anhang

1 2 3 4 5 6

Kommunikationspartner Kommunikationspartner Kommunikationspartner Kommunikationspartner Kommunikationspartner Kommunikationspartner

des des des des des des

Stadtrates in Lübeck. . . . . . . . . . . . Tribunals in Wismar. . . . . . . . . . . . Stadtrates in Wismar. . . . . . . . . . . . Stadtrates in Rostock . . . . . . . . . . . Stadtrates in Stralsund . . . . . . . . . . Stadtrates in Greifswald. . . . . . . . .

376 380 382 383 385 387

Der Abdruck der nicht durch den Verfasser erstellten Abbildungen erfolgt mit freund­licher Genehmigung der Rechteinhaber.

A. Einleitung I. Forschungsstand und eigene Fragestellung Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Länder der Ostsee zum letzten Mal in großem Um­fang von einer Seuche heimgesucht, welche die Zeitgenossen als „Pest“ bezeichneten.1 Der erste heftige Ausbruch der Krankheit geschah im Sommer des Jahres 1709 in Danzig, nachdem einzelne Fälle dort bereits Ende 1708 zu ver­zeich­nen gewesen waren. Nach Danzig war die Seuche im Zuge der Kampf­hand­lungen des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) durch schwedische Truppen gekom­ men, die auf ihrem Weg aus Polen nach Norden marschiert waren. In den folgenden Jahren breitete sich die Seuche über (Ost)Preußen, Livland, Estland, Schweden, Pommern und Dänemark aus und klang erst 1712 weitgehend ab.2 Neben dem unmit­ telbaren Ostseeraum war in der weiteren Umgebung auch Ham­burg betroffen, wo es im darauf folgenden Jahr zu einer letzten Epidemie kam. Dieser Ausbruch war derart heftig, dass die Stadt sogar durch dänische Truppen vom Umland abgesperrt wurde, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Der Handel kam deshalb weitge­ hend zum Erliegen.3 Lediglich in Teilen der Herzogtümer Schles­wig und Holstein hielt sich die Seuche bis 1  Ob es sich hierbei um die heute nachweisbaren Pestformen des seit 1894 bekannten Erregers Yersinia pestis handelt, ist umstritten. Lammel, Hans-Uwe: Die „Contagion“ im frühen 18. Jahrhundert im Ostseeraum und ihre Stellung in der historischen Seuchenforschung, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Le­bensräume und Historische Infor­ma­ti­ons­systeme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 12), Berlin 2006, S. 149–171, hier S. 170 f. Siehe dazu auch Kap. A.VI. 2  Dazu jüngst ausführlich: Frandsen, Karl-Erik: The Last Plague in the Baltic Region 1709–1713, Kopen­hagen 2010. 3  Wohlwill, Adolf: Hamburg während der Pestjahre 1712–1714, in: Jahrbuch der hamburgischen Wissen­schaftlichen Anstalten 10 / II (1892), S. 293–406, hier besonders S. 359 ff. und 394 f. Boyens, Kathrin: Die Krise in der Krise. Die Maßnahmen Hamburgs während der letzten Pest 1712–1714, in: Ulbricht, Otto (Hrsg.): Die leidige Seuche. Pest-Fälle in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2004, S. 295– 325. Vgl. die Vorschläge, wie Hamburg trotz einer Absperrung mit Lebensmitteln zu versorgen sei und deren Diskussion, in: Archiv der Hansestadt Lübeck (AHL): Altes Senatsarchiv (ASA), Interna, Pest 11 / 1.

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A. Einleitung

1714.4 Die Möglichkeit einer Ansteckung und eines baldigen Aus­ bruchs schwebte nicht nur in diesen Jahren über allen und niemand konnte die dauerhafte Sicherheit des eigenen Gemeinwesens garantieren.5 Trotz des zum Teil verheerenden Ausmaßes (allein in Stockholm starben mindestens 18.000 Menschen6, für Stralsund schwanken die Opferzahlen zwischen 3.500 und 7.8007) und obwohl sich das Sterben über viele Jahre hinzog, hat die Geschichts­ schreibung der Epidemie um 1710 bisher vergleichsweise wenig Interesse entgegen­ gebracht. Die Aufmerksamkeit der historischen Pestforschung konzentriert sich zeit­ lich auf die so genannte Initialphase vom 14. Jahrhundert bis um 16008, territorial hingegen ist ein besonderes Interesse am Mittelmeerraum festzustellen.9 Die Arbeiten, die 4  Gaul, Volker: Möglichkeiten und Grenzen absolutistischer Herrschaft. Landesherrliche Kommu­ni­ka­ti­ons­strategien und städtische Interessen während der Pest in den Herzogtümern Schleswig-Holstein-Gottorf (1709–1713), Tönning / Lübeck / Marburg 2005, S. 31. 5  Vgl. Ulbricht, Otto: Einleitung. Die Allgegenwärtigkeit der Pest in der Frühen Neuzeit und ihre Ver­nach­lässigung in der Geschichtswissenschaft, in: Ulbricht, Otto (Hrsg.): Die leidige Seuche. Pest-Fälle in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2004, S. 1–63, hier S. 6–8. Höhl, Monika: Die Pest in Hildes­heim. Krankheit als Krisenfaktor im städtischen Leben des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (1350– 1750) (Schriftenreihe des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Hildesheim 28), Hildesheim 2002, S. 7. 6  Preinitz, Lars: Befolkningsförlusten under pesten i Stockholm 1710–1711, in: Karolinska Förbundets Årsbok 1985, S. 20–61, hier S. 60. Frandsen, Karl-Erik: „Das könnte nützen.“ Krieg, Pest, Hunger und Not in Helsingør im Jahr 1711, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Städtesystem und Urba­ni­sie­rung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebensräume und Historische Informations­sys­ teme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Ge­schichte. Forschung und Wissenschaft 12), Berlin 2006, S. 205–225, hier S. 208. Gaul (2005), S. 23. Die bei Gaul zu findende Angabe von 40.000 Pesttoten ist bei einer seinerzeitigen Bevölkerungszahl von ca. 50.000 sicherlich zu hoch gegriffen. 7  Zapnik, Jörg: Pest und Krieg im Ostseeraum. Der „Schwarze Tod“ in Stralsund während des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) (Greifswalder Historische Studien 7), Hamburg 2007, S. 223 ff. und 253. Kroll, Stefan: Stadtgesellschaft und Krieg. Sozialstruktur, Bevöl­ke­rung und Wirtschaft in Stralsund und Stade 1700 bis 1715 (Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 18), Göttingen 1997, S. 117. 8  Vgl. den Forschungsüberblick bei Schlenkrich, Elke: Alltagsleben während der späten Pestzüge des aus­gehenden 17. und frühen 18. Jahrhunderts in Sachsen, Schlesien und Böhmen. Eine ver­ glei­ chende Untersuchung, Habil. masch. Universität Frankfurt an der Oder 2006, S. 2–18. Lammel, S. 150. So auch Ulbricht, Einleitung, S. 25. 9  Vgl. Beckmann, Gudrun: Europa und die Große Pest 1348–1720, in: Keim, Christiane (Hrsg.): Eine Zeit großer Traurigkeit. Die Pest und ihre Auswirkungen, Marburg 1987, S. 11–71. Bergdolt, Klaus: Der schwarze Tod in Europa. Die Große



I. Forschungsstand und eigene Fragestellung 13

sich mit der Pest des 18. Jahrhunderts in Mittel- und Nordeuropa aus­ein­ ander setzen, beschränken sich außer­dem meist auf lokale Fallstudien10, die auf den Seuchenverlauf, Opferzahlen und obrigkeitliche Maßnahmen fokusPest und das Ende des Mittelalters, 5. Auflage, München 2003. Naphy, William / Spicer, Andrew: Der schwarze Tod. Die Pest in Europa, Essen 2003. Biraben, JeanNoël: Les Hommes et la peste en France et dans les pays européens et méditerranéens, Bd. 1 und 2, Paris 1975 und 1976. Bulst, Neithard / Delort, Robert (Hrsg.): Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles). Actes du colloque de Bielefeld novembre 1986, Paris 1989. Carmichael, Ann G.: Plague and the poor in Renaissance Florence, Cambridge (u. a.) 1986. Cipolla, Carlo M.: Fighting the plague in seven­ teenth-century Italy, Wisconsin 1981. Graus, František: Pest, Geissler, Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 86), 3. Auflage, Göttingen 1994. Conrad, Lawrence I. / Wujastik, Dominik (Hrsg.): Contagion. Perspectives from Pre-Modern Societies, Aldershot (u. a.) 2000. Boeckl, Christine M.: Images of Plague and Pestilence. Iconography and Iconology (Sixteenth century essays & studies 53), Kirksville 2000. Rodenwaldt, Ernst: Pest in Venedig 1575–1577. Ein Beitrag zur Frage der Infekt­kette bei den Pestepidemien West-Europas (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissen­ schaften. Math.-naturwiss. Klasse, Jg. 1952, 2. Abhandlung), Heidelberg 1953. French, Roger (u. a.) (Hrsg.): Medicine from the Black Death to the French Disease (History of Medicine in Context), Aldershot 1988. 10  Schwarz, Klaus: Die Pest in Bremen. Epidemien und freier Handel in einer deutschen Hafenstadt 1350–1713 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen 60), Bremen 1996. Schwarz, Klaus: Ein ärztlicher Bericht über die Pest in Bremen 1713, in: Bremisches Jahrbuch 62 (1984), S. 19–43. Górska, Li­ liana: „Theatrum atrocissimorum fatorum“. Religiöse Pestbewältigung in Danzig 1709, Tönning / Lübeck / Marburg 2010. Coch, Ingrid: Geschichtliches über die Pest in Stralsund, Diss. masch. Universität Greifs­wald 1964. Wendler, Ulf: Nicht nur Pest und Pocken. Zur Bevöl­kerungsgeschichte der Lüneburger Heide, des Wendlandes und der Marschen des Fürstentums Lüneburg 1550–1850 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 128 / Schriften des Freilichtmuseums am Kiekeberg 64), Hannover 2008. Höhl, Monika: Die Pest in Hildesheim, Hildesheim 2002. Hatje, Frank: Leben und Sterben im Zeitalter der Pest. Basel im 15. bis 17. Jahrhundert, Basel 1992. Porzelt, Carolin: Die Pest in Nürn­berg. Leben und Herrschen in Pestzeiten in der Reichsstadt Nürnberg (1562–1713) (Forschungen zur Landes- und Regionalgeschichte 7), St. Ottilien 2000. Woehlkens, Erich: Pest und Ruhr im 16. und 17. Jahrhundert. Grundlagen zu einer statistisch topographischen Beschreibung der großen Seuchen, insbesondere in der Stadt Uelzen, Hannover 1954. Schmölzer, Hilde: Die Pest in Wien. „Deß wütenden Todts Ein umbständig Beschreibung …“, Berlin 1988. Keyser, Annemarie: Die Pestepide­mien in Deutschland im 14.–18. Jahrhundert nach dem „Deutschen Städtebuch“, Inaug.-Diss. masch. Universität Hamburg 1950. Goertchen, Roland: Die Geschichte der Pest in Mecklenburg, Inaug.-Diss. masch. Universität Rostock 1967. Karrig, Otto: Geschichtliches über das Auftreten der Pest in Meck­lenburg, in: Archiv für Geschichte der Medizin 5, H. 6 (1912), S. 436–446. Zapnik, Jörg: Die Pest in Reval und Stralsund während des Großen Nordischen Krieges 1710. Ein Vergleich anhand ausge­wählter Beispiele, in: Fischer, Torsten / Riis, Thomas (Hrsg.): Tod und Trauer. Todeswahrnehmung und Trauerriten in Nord­eu­ropa, Kiel 2004, S. 186–194. Demgegenüber stehen die überregionalen Arbeiten von Elke Schlenkrich und Kirsten Renate Seelbach, zuletzt: Schlenkrich, Elke und Seelbach,

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A. Einleitung

siert sind.11 Im Mittelpunkt standen zumeist wirtschafts- und sozialgeschicht­ li­che, demo­grafische und mentalitätshistorische Fragestellungen12, während die traditionelle Medizin­ ge­ schichtsschreibung besonderes Interesse am Aufzeigen des durch akademische Ärzte herbeigeführten medizinischen Fortschritts hatte.13 Bislang fehlt es an Arbeiten, die sich mit Norddeutschland und dem Ostseeraum befassen sowie über­regio­nalen Studien, die über die rein ereignisgeschichtlichen Begebenheiten hinausgehen und neue Forschungsansätze miteinbeziehen.14 In Dänemark und Schweden ist die Erfor­ schung der Pestauswirkungen vergleichsweise weit vorangeschritten, doch wurde auch hier zunächst Wert auf einzelne Städte gelegt.15 Jörg Zapnik ist Kirsten Renate: In dieser harten und sterbenden Zeit. Maß­nahmen gegen die Pest 1620–1750, Mar­burg 2007. 11  Ulbricht, Einleitung, S. 27. Zapnik (2007), S. 12. Höhl, S. 12. 12  Dinges, Martin: Neue Wege in der Seuchengeschichte, in: Dinges, Martin / Schlich, Thomas (Hrsg.): Neue Wege in der Seuchengeschichte (Medizin, Geschichte und Gesellschaft, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S. 7–24. Ulbricht, Einleitung, S. 16 und 26 f. 13  Schulz, Stefan: Medizingeschichte(n), in: Schulz, Stefan (u.  a.) (Hrsg.): Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Eine Einführung, Frankfurt am Main 2006, S. 46–58, hier S. 47–50. Kinzelbach, Annemarie: Gesundbleiben, Krankwerden, Arm­ sein in der früh­neu­zeitlichen Gesellschaft. Gesunde und Kranke in den Reichsstädten Überlingen und Ulm, 1500–1700 (Medizin, Gesell­schaft und Geschichte, Beiheft 8), Stuttgart 1995, S. 12–17. Kinzelbach kritisiert diese einseitige Ausrichtung zu Recht, da sie eine offene Forschung behindert und Räume, in denen akademische Ärzte nicht zentral bedeutend waren, ignoriert oder per se abwertet. Vgl. Lammel, Hans-Uwe: Zwischen Klio und Hippokrates. Zu den kulturellen Ursprüngen eines medizinhistorischen Interesses und der Ausprägung einer historischen Mentalität unter Ärzten zwischen 1750 und 1850 in Deutschland, Habil. masch. Rostock 1999. 14  Vgl. Kroll, Stefan: Die „Pest“ im Ostseeraum zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Stand und Per­spek­ti­ven der Forschung, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ost­see­raum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebensräume und Historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 12), Berlin 2006, S. 124–148, hier S. 134. Lammel (2006), S. 152. Ulbricht, Einleitung, S. 36–58. Kinzelbach, S. 20. 15  Bergstrand, Anders: Pesten i Stockholm 1710–1711, in: Nordisk Medicinhistorisk Årsbok 1995, S. 77–84. Cronberg, Klaus: Pesten i Malmö år 1712, in: Syd­ svenska Medicinhistoriska Sällskapets Årsskrift 23 (1986), S. 93–103. Hertel, Klaus: Tre store københavnske epidemier, Kopenhagen 1980. Ottosson, Per-Gunnar: Fight­ ing the plague in 17th- and 18th-century Sweden: A survey, in: Brandström, Anders  /  Tiedebrand, Lars-Göran (Hrsg.): Society, Health and Population during the Demographic Transition, Umeå 1988, S. 309–322. Pitkänen, Kari J.: Pesten i Finland 1710–1711 – en tvivel undekastad historia, in: Historisk Tidskrift för Finland 62 (1977), S. 201–214. Öjessjö, Mona Lisa: Pesten i Linköping 1710–1711, in: Östergötland. Meddelanden fran Östergötlands och Linköpings Stad Museum 1987, S. 95–100. Frandsen (2006), S. 205–225. Persson, Bodil E. B.: Pestens Gåta. Farsoter i det tidiga 1700-talets Skåne (Studia Historica Lundensia 5), Malmö 2001.



I. Forschungsstand und eigene Fragestellung 15

also Recht zu geben, wenn er meint, dass die letzte Pest bislang „vielfach als eine auf ein bestimmtes Territorium oder eine bestimmte Stadt beschränkte Epidemie wahr­ ge­ nommen [wird], ohne daß dieses Seuchengeschehen als Ganzes verstanden wird.“16 Bislang geht lediglich Karl-Erik Frandsen in seinem kürzlich erschienenen Überblicks­werk „The Last Plague in the Baltic Region 1709–1713“ andere Wege.17 Es muss da­her Ziel dieser und kommender Untersuchungen sein, zu einer umfassenden Sicht des letzten Pestzuges beizutragen. Das „Kümmerdasein“, welches die gesamte frühneuzeitliche Pest in der Geschichts­wissen­schaft führt, wurde erst vor wenigen Jahren als Problem der Forschung er­ kannt.18 Otto Ulbricht vermutet wohl nicht zu Unrecht dahinter den Glanz der – auch für Historiker – vermeintlich spektakuläreren und dramatischeren Pest des Mittel­alters – des „Schwarzen Todes“.19 Obwohl diesem bloßen Vorurteil entschieden entge­genzutreten ist, sind wichtige Fragen bislang weitgehend unbe­ ant­ wortet geblieben. So ist die Er­ forschung von Informations­ beschaffung, -austausch und -ver­ arbei­ tung im Zusammenhang mit der Pest im Ostseeraum bislang nur in zwei Arbei­ten und nicht mit der angestrebten Konsequenz untersucht worden, so dass gerade auf diesem Gebiet erheblicher Forschungsbedarf besteht.20 Dabei Persson, Bodil E. B.: The boy with the rake and the girl with the broom. Pestilences in Early Eigh­ teenth Century Southern Sweden, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Städtesystem und Ur­ bani­ sierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebensräume und Historische Informations­ systeme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 12), Berlin 2006, S. 172–204. Preinitz (1985), S. 20–61. Preinitz, Lars: Pesten i Stockholm 1710–1711, in: Sydsvenska Medicin­ historiska Sällskapets Årsskrift 24 (1987), S. 157–179. Preinitz, Lars: Pest och hantverkarna. Dödligheten bland hantverkare och andra ämbetsorganiserade yrkesutövare under pesten i Stockholm 1710–1711, in: Karolinska Förbundets Årsbok 1988, S. 92–122. Ergänzend siehe Zapnik (2007), S. 14. Eine Auflistung auch der älteren Literatur bei Frandsen (2010), S. 518–523 sowie auf der Homepage des Projekts „Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum“ der Universität Rostock: http: /   / www.phf.unirostock.de / imd / Forschung / HomeMare2 / Seuchenzug / index.html (21.02.2011). 16  Zapnik (2007), S. 15. 17  Frandsen (2010). 18  Ulbricht, Einleitung, S. 1. So auch: Schlenkrich, S. 3. 19  Ulbricht, Einleitung, S. 58–63. 20  Zapnik (2007). Gaul (2005). Vgl. hierzu folgende Rezensionen: Opitz, Eckart: Volker Gaul, Möglich­kei­ten und Grenzen absolutistischer Herrschaft: landesherrliche Kommunikationsstrategien und städti­sche Interessen während der Pest in den Herzogtümern Schleswig-Holstein-Gottorf; 1709–1713. Tönning; Lübeck; Marburg: Der andere Verl., 2005. 256 S. – Zugl.: Kiel, Univ., Diss. 2004, in: Zeit­schrift der Gesell­ schaft für Schles­wig-Holsteinische Geschichte 131 (2006), S. 266 f. Bischoff, Malte: Rezension von: Volker Gaul: Möglichkeiten und Grenzen ab­solutis­tischer Herrschaft. Landesherrliche Kommuni­ kations­ strategien und städtische Inte­ res­ sen während der

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A. Einleitung

hält die historische Kommunikationswissenschaft nicht nur in Deutschland zurzeit an verschiedenen Stellen neue Impulse bereit, die es zu nutzen gilt.21 Auch die neuesten Arbeiten, die sich mit der Pest im Ostseeraum zu Beginn des 18. Jahrhunderts befassen, geben hierzu keine ausreichenden Antworten. In seiner 2007 veröffentlichten Studie zur Pestepidemie in Stralsund 1710 / 1711, in der er auch die Verhältnisse in Reval und Riga aufzeigt, spricht Jörg Zapnik zwar von dem „durchaus funktionierende[n] Nachrichtenaustauschsystem“, welches die Hafenstädte des südlichen Ostseeraumes unterhielten, geht aber nicht auf die einzelnen Ver­bin­dungs­wege, das Ausmaß und die Strukturen dieser Kommunikation ein.22 Dabei wäre besonders interessant, welche Kommunikationswege den Beteiligten offen standen und wie sie von ihnen genutzt wurden. Worauf konnte zurückgegriffen wer­den und wie wirkte sich die Seuche auf bereits bestehende Kom­mu­ni­ka­tions­ strukturen (verändernd, unmöglichmachend) und die Entstehung neuer Strukturen aus? Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Seuche hier einen entscheidenden Einfluss hatte und die Verhältnisse um 1710 nicht nur durch Pest in den Herzogtümern Schleswig-Holstein-Gottorf (1709–1713), Tönning: Der Andere Verlag 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 3 [15.03.2006], (http: /  / www.sehe punkte.de  /  2006  /  03  /  8762.html) (21.02.2011). Ein ähnliches Projekt zur Pest im 18. Jahrhundert für den Bereich des Herzogtums / Königreichs Preußen wird zur Zeit von Katrin Möller-Funck an der Universität Rostock bearbeitet (Möller-Funck, Katrin: Existenzielle Bedro­hung und Kommunikation im Herzogtum Preußen zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Diss. Uni­versität Rostock (in Bearb.). Mit den Verhältnissen in Hamburg befassen sich, zum Teil unter kommunikati­onswissenschaftlichen Gesichtspunkten: Boyens und Wohlwill. Vgl. den vor kurzem erschienenen Sam­ melband: Brendecke, Arndt / Friedrich, Markus / Friedrich, Susanne (Hrsg.): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien (Plura­li­sie­rung & Autorität 16), Berlin 2008. 21  SFB 496 der Universität Münster, Leitung Barbara Stollberg-Rilinger: Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution. SFB 537 der TU Dresden: Institutionalität und Geschichtlichkeit, Teilprojekt S: Institutionelle Ordnungs­ar­ran­ge­ments öffentlicher Räume in der Frühen Neuzeit, Leitung Gerd Schwerhoff. Graduiertenkolleg 891 der Universität Gießen: Transnationale Medienereignisse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. SFB / FK 427 der Universität Köln, Leitung Ludwig Jäger, Jürgen Fohrmann und Friedrich Balke: Medien und kulturelle Kommunikation. Burkhardt, Johannes / Werkstetter, Christine (Hrsg.): Kommuni­kation und Medien in der Frühen Neuzeit (Historische Zeitschrift, Beihefte N. F. 41), München 2005. Forschungsprojekt der Hochschule Södertörn (Schweden) „Die Einführung der Post in Schweden im 17. Jahrhundert. Die Kommunikationsrevolution des 17. Jahrhunderts aus schwedischer Sicht“, Leitung Heiko Droste, Kekke Stadin und Örjan Simonson (2006–2008). Schlögl, Rudolf: Vergesellschaftung unter Anwesenden. Zur kommunikativen Form des Politischen in der vormodernen Stadt, in: Schlögl, Rudolf (Hrsg.): Interaktion und Herrschaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt (Historische Kulturwissenschaft 5), Konstanz 2004, S. 9–60. 22  Zapnik (2007), S. 76.



I. Forschungsstand und eigene Fragestellung 17

ihr unmittelbares Vorhanden­sein23, sondern auch indirekt massiv beeinflusste. Damit wird sie zu einem bislang vernachlässigten Faktor, mindestens einem Katalysator24, der historischen Entwick­lung.25 Volker Gaul richtet den Blick auf die „Möglichkeiten und Grenzen absolutistischer Herrschaft“ und untersucht den Medieneinsatz der beiden Landesherren in Schles­wig und Holstein. Mit Hilfe der Einbeziehung mehrerer Städte zeigt Gaul die örtlich verschiedene Wirksamkeit der eingesetzten Medien. Aufgrund seiner Frage­stellung und der Suche nach der Durchsetzungsfähigkeit der Obrigkeit werden (Re-)Aktionen der Bevölkerung nur gestreift.26 Die umfangreicheren tatsächlichen Gegebenheiten werden somit nicht vollständig erfasst, so dass leicht der Eindruck einer passiven Einwohnerschaft entstehen kann, welche ausschließlich dann Informationen bekam, wenn ihre Herrschaft es für richtig hielt und nicht, wie in Wirklichkeit, aktiv kommuni­zierte. Es waren aber gerade die nichtoffiziellen Nachrichten, das Gerede der Leute, die für die Obrigkeiten bedeutsam waren. Gaul kommt zu dem Schluss, dass der dä­nische König im Unterschied zur wohlunterrichteten herzoglichen Seite Nachrichten über die Pest „eher zufällig“ erhielt.27 Seiner Ansicht nach wurde durch die Seuche der Informationsaustausch aus Furcht oder Verbot stark eingeschränkt und die Eigenständigkeit der Städte zugunsten des absolutistischen Fürsten vermindert. Zu koordinierenden Aktionen zwischen den Städten sei es nicht gekommen.28 Diese 23  Zu denken ist etwa an den Pestausbruch in Reval, bei dem die Verteidigungskraft der Stadt gegen die russische Belagerung entscheidend geschwächt wurde. Frandsen (2010), S. 60–64. Zapnik (2007), S. 46–57. Hartmann, Stefan: Reval im Nordischen Krieg (Quellen und Studien zur Baltischen Geschichte 1), Bonn 1973, S. 82–90. Eckert, Edward A.: The retreat of Plague from Central Europe, 1640–1720: A Geomedical Approach, in: Bulletin of the history of medicine 74 (1) (2000), S. 1–28, hier S. 27. 24  Dinges, Martin: Pest und Staat: Von der Institutionengeschichte zur sozialen Konstruktion?, in: Dinges, Martin / Schlich, Thomas (Hrsg.): Neue Wege in der Seuchengeschichte (Medizin, Gesell­schaft und Geschichte, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S. 71–103, hier S. 74 ff. Gaul (2005), S. 9. 25  Auf die Bedeutung von Seuchenzügen auf die Geschichte weist auch Höhl hin. Höhl, S. 9 und 13 f. Einen entsprechenden Titel bekamen die Arbeiten von Wilderotter, Hans (Hrsg.): Das große Ster­ ben. Seuchen machen Geschichte, Dresden 1995 und McNeill, William H.: Seuchen machen Ge­schichte. Geißeln der Völker, München 1978. Siehe hierzu die generelle Kritik an McNeill von Dinges, Pest, S. 71 und 81. 26  Gaul (2005), S. 186–190, 200–206. 27  Ebd., S. 224. 28  Gaul, Volker: Kommunikation zur Zeit der Pest. Das Herzogtum HolsteinGottorf in den Jahren 1709–1713, in: Ulbricht, Otto (Hrsg.): Die leidige Seuche. Pest-Fälle in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2004, S. 258–294, hier S. 294. Gaul (2005), S. 225.

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A. Einleitung

These gilt es im Folgenden zu überprüfen, gerade im Hinblick auf die in der neueren Hanseforschung betonte Wichtigkeit der einzelnen Regionen.29 Es soll unter­sucht werden, inwieweit es ein Gefühl der Gemeinsamkeit und der Not­ wendig­ keit gemein­ samen Handelns zwischen den fünf Seestädten gab und ob die aus der Hanse­zeit gekommenen Informationswege weiter Bedeutung hatten. Es ist festzustellen, dass fast alle Ostseeanrainer von dem Ausbruch direkt betroffen waren und die jahrelange Bedrohung und Unsicherheit auch in den verschont geblie­benen Städten und Territorien als Krisensituation empfunden wurde.30 Ein damit ent­standener gesteigerter Informationsbedarf war die unmittelbare Folge. Jede Nach­richt über die Ausbreitung der Seuche und über die Möglichkeiten, der Bedrohung zu begegnen, war bei Obrigkeiten wie Privatpersonen sehr begehrt und wurde auf viel­fältige Weise bezogen. Aufgrund der Über­lieferungs­situation werden in dieser Arbeit die Stadträte und die Regierungen der sie umgebenden Territorien am ausführlichs­ten beleuchtet werden können. Um eine Einengung auf das obrig­keitliche Gesche­hen zu vermeiden, werden die erhaltenen Schreiben privater Personen (Suppliken, Briefe) miteinbezogen, um auf diese Weise den Großteil der Bevölkerung mit seinen anders gelagerten Infor­mations­möglich­keiten und -arten zu berück29  Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, 3., aktualisierte Auflage, München 2004, hier S. 16. Vgl. Brandt, Ahasver von: Das Ende der hanseatischen Gemeinschaft. Ein Beitrag zur neuesten Geschichte der drei Hansestädte, in: Hansische Geschichtsblätter 74 (1956), S. 65–96. 30  Der Begriff der Krise ist in der Forschung zwar verbreitet, aber derzeit noch ohne allgemein aner­kannte Definition geblieben. Als Orientierung dient hier die von Graus vorgeschlagene Deutung als „das Zusammenfallen verschiedenartiger Erschütterungen (sog. Teilkrisen) objektiver Art […], sofern sie von Erschütterungen (drohenden Verlusten) bisher kaum bestrittener Sicherheiten (Werte) be­ gleitet sind.“ (Graus, S. 537). Das be­deutet, dass die Krise als unerwartete Erscheinung zu betrachten ist, die sich auf verschiedene Berei­ che (Teilsysteme) bezieht und deren Ende offen ist. Weder handelt es sich in der Wahrnehmung um eine schnell vorübergehende Einschränkung noch um eine mit Sicherheit alles vernichtende Katastro­ phe. Die Pest ist in diesem Sinne als Teilkrise zu sehen, da sie die Möglichkeit einer Ver­ nichtung des persönlichen Lebens und der gesellschaftlichen Ordnung (sozial, ökonomisch) mit sich brachte, aber auch die Aussicht bestand, dass sie sich als eine harmlose, ohne weitreichende Folgen schnell ver­schwindende Krankheit herausstellen konnte. Den anderen großen Aspekt stellt der Nordische Krieg mit der einschneidenden Veränderung des politischen Gleichgewichts im Ostseeraum dar, einherge­ hend mit den Kriegsverheerungen und den Konsequenzen für die wirtschaftliche Ent­wicklung der direkt und indirekt betroffenen Gebiete. Die Pest ordnet sich demzufolge in die all­gemeine Krisensitu­ation der Jahre ein. Vgl. den Überblick über die Diskussion seit Burckhardt bei Vierhaus, Rudolf: Zum Problem historischer Krisen, in: Faber, Karl-Georg / Meier, Christian (Hrsg.): Historische Prozesse (Beiträge zur Historik 2), München 1978, S. 313–329, hier S. 313 f. So auch Gaul (2005), S. 4 und Boyens, S. 298.



I. Forschungsstand und eigene Fragestellung 19

sichtigen und zu überprüfen, welchen Einfluss einzelne, nicht­­amtl­iche Personen auf das Geschehen ausüben konnten.31 Die in der vorliegenden Arbeit untersuchte Zeitspanne umfasst sechs Jahre. Der ge­wählte Zeitrahmen setzt im Januar 1708 ein, bevor die Seuche den Ostseeraum er­reicht hatte und endet mit ihrem Nachlassen und weitgehenden Verschwinden von den Küsten. Hierdurch soll vermieden werden, ausschließlich die Krisenjahre mit ihren Besonderheiten zu betrachten, weil Strukturveränderungen nur unter Berück­sichtigung der vorher und nachher bestehenden Verhältnisse untersucht und ent­ sprechend bewertet werden können. Die Grundlage zur Beantwortung der Fragestellung bildet die Archivüberlieferung in fünf Seestädten des südwestlichen Ostseeraumes. Für eine zweckmäßige Betrach­tung der seuchenspezifischen Kommunikation wurden die fünf wichtigsten Seestädte des südwestlichen Ostseeraums ausgewählt und deren Beeinflussung durch die Seuche untersucht. Die Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald, die allesamt zum alten wendischen Quartier der Hanse zählten und deren Bewoh­nern daher ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl unterstellt werden kann, bie­ten sich in besonderem Maße für eine kommunikations­ wissen­ schaft­ liche Unter­ suchung an. Als Orte verdichteter Kommunikation liefen die meisten Infor­mations­ wege in ihren Mauern zusammen und konnten viele, verschiedene Adressaten errei­chen.32 Ihr gemeinsamer Charakter als maßgeblich durch den Seehandel geprägte Städte33 bedingte eine gleichartige Sozialstruktur: ein Stadtregiment mit gleichen Ansatz verfolgt Seelbach, S. 7. Altenhöner, Florian: Kommunikation und Kontrolle. Gerüchte und städtische Öffentlichkeiten in Berlin und London 1914  /  1918 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 62), München 2008, S. 17. Mölich, Georg / Schwerhoff, Gerd: Die Stadt Köln in der Frühen Neuzeit. Kommunikationszentrum – Kommunikationsraum – politische Öffentlichkeit, in: Mölich, Georg / Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Köln als Kommunikationszentrum. Studien zur frühneuzeitli­chen Stadtgeschichte (Der Riss im Himmel 4), Köln 2000, S. 11–38, hier S. 13–25. Werkstetter, Christine: Die Pest in der Stadt des Reichstags. Die Regens­ burger „Contagion“ von 1713 / 14 in kommunikations­geschichtlicher Perspektive, in: Burkhardt, Johannes / Werkstetter, Christine (Hrsg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (Historische Zeit­schrift, Beihefte N. F. 41), München 2005, S. 267– 292, hier S. 270. Zum Begriff der „wendischen Städte“: Engel, Evamaria: Aus dem Alltag des Hanse­historikers: Wie viele und warum wendische Städte?, in: Urbanski, Silke / Lamschus, Christian / Ellermeyer, Jürgen (Hrsg.): Recht und Alltag im Hanseraum. Gerhard Theuerkauf zum 60. Geburtstag (De Sulte 4), Lüne­ burg 1993, S. 125–143. 33  Die wichtigsten Handelsgüter waren Getreide und Getreideprodukte (Bier, Mehl, Malz), welche expor­tiert wurden. Durch seine Lage am westlichen Ende der 31  Den

32  Vgl.

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A. Einleitung

einem Rat an der Spitze, bestehend aus Angehörigen des ersten Standes, vornehmlich (Fern-)Kauf­leute und Brauer, aus deren Reihen die jeweiligen Bürgermeister hervorgingen. Der Rat vertrat die Stadt nach außen und war Autorität, regierte aber nicht allein, sondern war auf die Zusammenarbeit mit der ebenfalls in einem Gremium organisierten Bür­ger­schaft angewiesen. Durch den einheitlichen Gebrauch des Lübschen und des ähnlichen Magdeburger Rechts gab es entsprechende politische Ordnungen in der Mehr­zahl der ehemaligen Hansestädte.34 Die politische Beziehung der einzelnen Städte zu den sie umgebenden Territorien hatte sich nach vergleichbaren Anfängen in der mittelalterlichen Gründungsphase in der Frühen Neuzeit zugunsten der Territorialherren entwickelt. Bis auf Lübeck waren alle Städte in eine übergeordnete staatliche Ordnung integriert. Diese Abhängigkeit hatte vermutlich starken Einfluss auf die jeweiligen Kommunikations­möglichkeiten. Lübeck als Freie Reichsstadt konnte seine Politik weit­ gehend eigen­ verant­ wort­ lich gestalten, die beiden Festungsstädte Wismar und Stralsund hingegen mussten ebenso wie Ostsee und seine Nähe zu Hamburg wurden über Lübeck außerdem Waren aus Westeuropa gehandelt. Vgl. Kroll, Stefan: Schiffahrt und See­handel mecklenburgischer und pommerscher Städte im Jahre 1706, in: Deutsches Schif­fahrts­archiv 21 (1998), S. 7–34, hier. S. 18. Kroll (1997), S. 74–92, 124–131 und 146 f. Münch, Ernst: Nieder­gang und Stagnation. 1648 bis 1806, in: Schröder, Karsten (Hrsg.): In deinen Mauern herrsche Ein­tracht und all­ge­meines Wohlergehen. Eine Geschichte der Stadt Rostock von ihren Ursprüngen bis zum Jahr 1990, Rostock 2002, S. 93–108, hier S. 93–96. Olechnowitz, Karl-Friedrich: Handel und See­schiffahrt der späten Hanse (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte 6), Weimar 1965, S. 47. Müller, Walther: Rostocks Seeschiffahrt und Seehandel im Wandel der Zeiten. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Seestädte, Rostock 1930, S. 12–16. Wahrmann, Carl Christian: Auf­schwung und Nieder­gang. Die Entwicklung des Wismarer Seehandels in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Kleine Stadtgeschichte 4), Berlin 2007, S. 109–114, 117 ff. Allgemein dazu: de Boer, Dick E. H. / Gleba, Gudrun / Holbach, Rudolf (Hrsg.): „… in guete freuntlichen nachbarlichen verwantnus und hantierung …“. Wanderung von Personen, Verbreitung von Ideen, Austausch von Waren in den nieder­ ländischen und deutschen Küstenregionen vom 13.–18. Jahrhundert, Oldenburg 2001. 34  Z. B. in Bremen: Schwarz (1996), S. 15 ff. Vgl. Lück, Heiner / Puhle, Matthias /  Ranft, Andreas (Hrsg.): Grund­lagen für ein neues Europa. Das Magdeburger und Lübecker Recht in Spätmittelalter und Frü­her Neuzeit (Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts 6), Köln (u. a.) 2009. Ebel, Friedrich: Unseren fruntlichen grus zuvor. Deutsches Recht des Mittelalters im mittel- und ost­euro­päischen Raum. Kleine Schriften. Hg. von Andreas Fijal, Hans-Jörg Leuchte und Hans-Jochen Schiewer, Köln (u. a.) 2004. Bueckling, Adrian: Lübisches Recht in (Schwedisch)Neuvorpommern und Rügen (Landeskundliche Hefte), Schwerin 1997. Vgl. auch den Überblick bei Eibach, Joachim: Städtische Strafjustiz als konsensuale Praxis: Frankfurt a. M. im 17. und 18. Jahrhundert, in: Schlögl, Rudolf (Hrsg.): Interaktion und Herrschaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt (Historische Kultur­ wissenschaft 5), Konstanz 2004, S. 181–214, hier S. 188–191.



I. Forschungsstand und eigene Fragestellung 21

die Universitätsstadt Greifswald auf die schwedische Krone, Rostock auf den mecklen­ burgischen Herzog und dessen Belange Rücksicht nehmen. Durch die heraus­ge­hobene Stellung der Seestädte in ihrem jeweiligen Territorium war der Nach­richten­aus­tausch mit der Landesherrschaft intensiv, so dass sich die städti­schen Initiativen und Auffassungen gut nachvollziehen und einordnen lassen dürften.35 Die Besonderheit der folgenden Arbeit ist, dass die Mehrzahl der untersuchten Ge­ mein­ wesen nicht direkt von der Pest betroffen war. Üblicher­ weise stehen in ver­ gleich­ baren Untersuchungen Orte im Mittelpunkt, in welchen es zu einem Seuchen­aus­bruch kam und in denen die unmittelbare Betroffenheit zu Reaktionen seitens der Obrig­keiten und der Bevölkerung führte. Der hier gegangene Weg möchte neue Sicht­weisen ermöglichen. Eine Gegenüberstellung der Verhältnisse in Lübeck, Wismar, Rostock und Greifswald mit den Zuständen in Stralsund, wo 1710 / 1711 etwa ein Drittel der Bewohner an der Pest starb, soll zeigen, welche Formen der Kommu­ni­ ka­tion allgemein üblich waren und welche Unterschiede es zwischen einer betroffenen und einer nichtbetroffenen Stadt gab.36 Anderer­ seits kam es auch im Gebiet der verschont gebliebenen vier Seestädte immer wieder zu Verdächtigungen, Gerüchten und einzelnen unklaren Todesfällen. Es ist bemerkenswert und wird daher zu unter­suchen sein, warum gerade Lübeck, Wismar, Rostock und Greifswald pest­frei blieben, während ein Großteil der um­lie­gen­den Gebiete infiziert wurde. Es kann vermutet werden, dass je nach empfundener Gefähr­dung die In­ formations­ bedürfnisse und -inter­ es­ sen der Regierungen, Stadträte, unter­­ geordneten Amtsträger und der übrigen Bevölkerung verschieden geartet waren. Ausgehend von diesem im Ernstfall lebensnotwendigen Informationsbedarf fragt die vorliegende Arbeit nach der Ausprägung pestspezifischer Kommunikation: Wer kom­mu­nizierte mit wem in wel­cher Weise über die Pest? In welcher Weise förderte oder behinderte die Seuche die Kommunikation? Welche Möglichkeiten der Informa­ tions­­ gewinnung standen den Menschen angesichts der Bedrohung offen und wie wurden diese Möglichkeiten ge­nutzt? Es wird nach den einzelnen Akteuren des Geschehens gefragt, ihren Sicht­weisen und daraus resultierenden kommunikativen Hand35  Durch die in vielen anderen Gebieten anzutreffende Herrschaftsferne bzw. den wenig ausgeprägten schrift­lichen Austausch zwischen untergeordneter Obrigkeit und Landesherrschaft sind die hiesigen Verhält­nisse als besonders günstig einzustufen, da sie das tatsächliche politische Machtpotential an­schau­lich abbilden. Vgl. Schilling, Heinz: Die Stadt in der frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 24), 2. Auflage, München 2004, S. 72–78. Kinzelbach, S. 15. Schlögl, S. 30 und 44. 36  Zapnik (2007), S. 253. Die weit höheren Totenzahlen in einzelnen anderen Quellen bewertet Zapnik auf der Grundlage seiner aus­führ­lichen Untersuchung als unglaubwürdig.

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A. Einleitung

lungen, wobei in betroffenen Orten (Stralsund) und Regionen (Schwedisch Pommern) vielschichtigere Aktivitäten zu vermuten sind. Die eigene Wahr­ nehmung unterschied sich möglicherweise erheb­ lich von den nach außen demons­trierten Haltungen, so dass ein Blick „hinter die Kulissen“, in Brief­ ent­würfe und Sitzungsprotokolle, Aufklärung verspricht. Ferner ist anzunehmen, dass in Lübeck, dem größten und bedeutendsten Hafen der west­lichen Ostsee, ein regionales Zentrum der Informationsgewinnung und -ver­teilung lag, so dass der Lübsche Rat stets besonders gut informiert war. In den ande­ren vier See­städten dürfte in diesen Bereichen der Einfluss der Landes­herr­schaft dominiert haben, welche mit ihren Gesandten über weit­reichende Ver­bindungen verfügte. Sicherlich waren aber auch die ver­wandt­schaft­lichen bzw. geschäftlichen Beziehungen der städtischen, ratsfähigen Oberschicht von Vorteil und erbrachten wertvolle Informationen. Es ist zu vermuten, dass Über­schneidungen bestanden und es zu einer Zusammenarbeit der Obrigkeiten beim Umgang mit der ge­mein­samen Gefahr kam. Ob diese Zusammenarbeit zeitlich und örtlich begrenzt blieb oder die jahrelange Bedrohung zur Herausbildung fester Organisations­ strukturen führte, gilt es im Folgenden zu überprüfen.

II. Quellenlage und Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit stützt sich maßgeblich auf die Auswertung der in den fünf Stadt- sowie den je zwei Universitäts- und Landesarchiven vorhandenen Quellen. Das Ziel war, die aktenkundig erfasste Realität möglichst umfassend darzustellen. Es war daher geboten, über den Rahmen der normativen Ebene hinauszugehen und größere Quellen­­­bestände zu sichten, um in privaten Briefen wie Verhöraussagen das Inoffi­ zielle in den Akten zu sichten. Eine Fixierung auf die „programmatischen Äuße­rungen oder obrigkeitlichen Verordnungen“ und eine „Konzentration auf staat­liche Entwicklungen“, wie sie auch Annemarie Kinzelbach ablehnt, müsste sich als unzu­ reichend erweisen.37 Ein breites Quellenspektrum ist Vorraussetzung für einen Anspruch auf Gültigkeit der Ergebnisse. Die umfangreichsten Bestände zur Pest um 1710 bilden die in jeder Stadt angelegten Pest­akten, in denen obrigkeitliche Korrespondenzen und Verordnungen zusammen mit Berichten verschiedener Amtsträger, sowie Beschwerden und Bitten von Privat­per­sonen abgelegt wurden. Über die Beratungen und unterschiedlichen Meinungen hin­sichtlich der für andere Stadträte, Fürsten und Regierungen bestimmten Schrei­ben wie auch den Umgang mit neuen Informationen innerhalb der verant­wort­lichen Gremien geben die 37  Kinzelbach,

S. 14.



II. Quellenlage und Gang der Untersuchung23

Protokolle von Rat, Bürgerschaft und Collegium Sanitatis Aus­kunft. Letztere sind nur in Lübeck, Stralsund und Greifswald verfügbar, da hier die Unmittelbarkeit der Gefahr zur Herausbildung differenzierter ad­ministrativer Struktu­ ren der Pestvorsorge führte. Dabei zeigen die Niederschriften ein überlegtes und gemäß der Zeit sinnvolles Vorgehen. Von einer „deutlich ablesbaren adminis­ trativen Hilflosigkeit“ der städtischen Verwaltung zu sprechen, wie sie Monika Höhl für Hil­desheim feststellt, kann in den fünf Seestädten keine Rede sein.38 Daneben wurden die Bestände der Barbierämter und der Ärzte herangezogen. Die Beschränkungen, mit denen der Brief-, Waren- und Personenverkehr in der untersuchten Zeit konfron­ tiert war, zeigen Akten des Post- und Handelswesens. Ergänzend wurde auf ver­ schiedene kleinere Bestände zurückgegriffen, mit denen sich Fragen nach eventuell krisenbedingt zunehmenden wohltätigen Stiftungen und Totenkassen, der Reflexion auf die allgemeinen Buß- und Feiertage, auf den verstärkten medialen Einsatz von Richtstätten und Galgen sowie auf das Vorhandensein spezieller Pestkollekten be­antworten lassen. Die meisten Bestände zeichnen sich durch eine sehr günstige Parallelüberlieferung aus. Alle fünf Stadträte wie auch das Wismarer Tribunal legten nicht nur die erhalte­nen, auswärtigen Schreiben zu den Akten, sondern ebenso die eigenen Ent­würfe, deren endgültige Fassungen nachmals abgesendet wurden. Auf diese Weise konnten unvollständige Korrespondenzen in einzelnen Städten in der Bearbeitung vervollständigt werden, wobei sich zeigte, dass die Brief-Akten des Lübschen und Rostocker Rates besonders voll­stän­dig sind, die des Wismarer und Greifswalder Magistrats hingegen größere Lücken aufweisen.39 Die obrig­keitlichen Briefe zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie nur ein Thema berühren. Wenn mehrere Themen zu besprechen waren, wurden – anstatt ein Schreiben zu „überfrachten“ – mehrere mono­thematische Briefe an einem Tag verfasst.40 Sicherlich hat hierbei das Archivierungsprinzip eine Rolle ge­spielt, denn die vorliegenden Briefe ließen sich auf diese Weise leichter unterschied­lichen Bereichen zuordnen, erhielten z. B. den Vermerk „Pest=Sachen“.41 Die Quellenlage in Lübeck erweist sich als besonders günstig. Die für die Unter­su­chung bedeutsamen Bestände, die nach kriegsbedingter Auslagerung 38  Höhl,

S. 8. fehlen im ersten Halbjahr 1710 in den Greifswalder Pestakten die Monate April und Mai völlig und sind bis einschließlich Juli nur sechs Schreiben vorhanden. 40  Z. B. zwei Schreiben Lübecks an Danzig: AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Lübscher Rat an Danziger Rat (E, 22.11.1710) sowie an Danziger und Königsberger Rat (E, 22.11.1710). 41  So Archiv der Hansestadt Rostock (AHR): 1.1.3.15 – 160, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 18.07.1711). 39  So

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A. Einleitung

zum Teil erst um 1990 zurückgeführt wurden, zeichnen sich durch eine hohe Überlieferungs­ dichte und inhaltliche Vielseitigkeit aus. Große Teile der relevanten Quellen im Wismarer Archiv sind bislang nicht verzeichnet worden.42 Wenn Monika Höhl unter Verweis auf Neithard Bulst feststellt43, dass ein Großteil der in den Archiven Niedersachsens und NordrheinWestfalens liegenden Quellen zur Pest entweder bislang nicht systema­tisch ausgewertet bzw. noch gar nicht entdeckt sei, so gilt das, mit Einschränkung, ebenso in den fünf Seestädten. Dank der laufenden Erschließung unter Leitung von Nils Jörn konnten allerdings neben den einschlägigen Quellen erst­mals die Überliefe­rungen des Wismarer Tribunals in größerem Umfang genutzt werden.44 Die erhalte­nen Schreiben, welche zum größten Teil den Rat und den Vize­ gou­ verneur als Kor­ respondenzpartner haben, klären die bislang offene Bedeutung dieses Obergerichts und seine Kompetenzen hinsichtlich der Seuchenabwehr.45 Für die Rostocker Akten kennzeichnend sind die vielen erhaltenen Verhör­ proto­kolle.46 Mehr als 60mal sind Fälle überliefert, bei denen entweder durch die Gerichts­ herren, den Warnemünder Hafenvogt oder einen Notar verdächtige Perso­nen befragt wurden. Sie galten entweder selbst als pestverdächtig oder hatten ver­dächtige Waren bzw. Personen transportiert oder bei sich aufgenommen.47 Es zeigte sich, dass die Verhöre nie nach einem starren Fragekatalog geführt wurden, sondern auf die jeweilige Situation und die Antworten der Verdächtigen abgestimmt waren. Damit unterscheiden sie sich von der durch Pest- oder reguläre Wachen durchge­führten stereotypen Befragung der Reisenden an den Toren. Die Qualität der Ratsprotokolle schwankt von Stadt zu Stadt stark. Die Rostocker und Greifswalder Bestände zeichnen sich durch eine besondere Übersichtlichkeit aus. Andererseits fehlen ihnen, da ausschließlich in Reinschrift vorliegend, die für Lübeck und Wismar nachvollziehbaren Zwischenschritte der Entscheidungsfindung ebenso wie einzelne Wortmeldungen der Ratsmitglieder. Besonders bei den Wismarer Rats- und Konsulatsprotokollen müssen hinsichtlich der Lesbarkeit Abstriche gemacht wer­den. Dieses Man42  Hierzu zählen die Tribunalsbestände Stadtarchiv Wismar (STAW): Abt. IV, 1, a, Loc II n. 17, Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1 und Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2. 43  Höhl, S. 17. 44  Vgl. Stein, Hans-Konrad: Bericht über den Tribunalsbestand im Stadtarchiv Wismar und Vorschläge zur Verzeichnung der Tribunalsakten, in: Jörn, Nils / Diestelkamp, Bernhard / Modéer, Kjell Ake (Hrsg.): Inte­gration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806) (Quellen und Forschungen zur Ge­schich­te der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 47), Köln (u. a.) 2003, S. 367–370. 45  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1 und Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2. 46  Zur Bedeutung von Verhörprotokollen: Eibach, S.  183 ff. 47  Besonders eng die Überlieferung in AHR: 1.1.3.15 – 159.



II. Quellenlage und Gang der Untersuchung25

ko fiel bereits Friedrich Techen auf. In einem der Protokollbände findet sich eine entnervte Notiz des Stadtarchivars aus dem Jahre 1927: „Ein un­ glaubliches Geschmiere, nur in kleinen Bruchstücken lesbar, übrigens inhaltlos.“48 Dieser Aussage muss ich mich in Teilen anschließen. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Wismarer Protokolle mit breitem Strich, offensichtlich nachlässig, ausgeführt. Es hat den Anschein, als wären sie während der Sitzungen angefertigt worden, was die mehr als üblichen Abkürzungen und stichwortartigen Sätze erklären würde. Die inhaltlichen Zusammenhänge der Sitzungen lassen sich dadurch manchmal kaum erschließen. Durch die Kenntnis der Zusammenhänge aus anderen Quellen können diese allerdings oft ergänzt werden, nicht zuletzt durch beiliegende Schreiben.49 Eine an anderer Stelle gegebene Erklärung für derart „ausgeschriebene“ Hand­schriften liefert der Vogt in Warnemünde in einem Schreiben an den worthabenden Rostocker Bürgermeister. Der Grund, warum er so „undeütlich“ schreibe, sei folgen­der: Die meisten Nachrichten erreichten ihn erst am Abend, wenn es dunkelt „undt zu einer Brillen kan mir noch nicht gewehnen.“50 Die zitierten Quellen werden, sofern es sich um den obrigkeitlichen Briefverkehr han­ delt, so angegeben, dass sowohl der Entwurf – gekennzeichnet mit (E) – als auch die Reinschrift (R) zitiert werden, gedruckte Verordnungen sind mit (D), Kopien mit (K) und Protokolle mit (P) gekennzeichnet.51 Der Aufbau der Arbeit ergibt sich aus der Fragestellung, in welchen Bereichen und in welchem Maße die Kommunikation durch die Seuche beeinflusst wurde. Im An­schluss an die einführenden Bemerkungen, den Stand der Forschung zur früh­neu­zeit­lichen Pest und die Vorstellung der genutzten Quellenbestände werden darauf aufbauend einzelne Aspekte der Kommu­ nikations­theorie skizziert, auf deren Grund­lage die Quellen­aus­wertung im Hauptteil erfolgen wird. Der gewählte Kommu­ni­ka­ti­ons­begriff ist bewusst weit gefasst, um der breiten Anzahl vorhandener kom­mu­ni­kati­ver Situationen gerecht zu werden. Eine Einführung in den historischen Kontext im Ostseeraum zur Zeit des Großen Nordischen Krieges sowie eine kurze Dar­ 48  STAW:

Abt. VI, 5, A, 22, S. 1 rechts. der Piloten- (= Lotsen) und der Wachtbürgereid von 1710 nebst Liste der bestallten Bürger. STAW: Ratsakte 83, R, 24.09.1710 und 17.09.1710. 50  AHR: 1.1.3.15 – 133, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Stever (R, 30.10. 1712). 51  Vgl. Schmidt, Gerhard: Akten, in: Beck, Friedrich  / Henning, Eckart (Hrsg.): Die archivalischen Quel­len. Mit einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, 4. durchgesehene Auflage, Köln  /  Weimar  /  Wien 2004, S. 74–110, hier S. 78–90. 49  Z. B.

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A. Einleitung

stellung der zeitgenössischen medizinischen Sicht auf die grassierende Seuche beschließen dieses erste Kapitel. Ihm schließt sich der Hauptteil der Arbeit an, in dem zunächst die im Untersuchungsgebiet nachweisbaren Abwehraktionen in einen Maß­nahmen­katalog eingeordnet werden, der sich an dem „Stufenmodell obrig­keit­licher Pestbe­kämpfung“ des Stuttgarter Historikers Martin Dinges orientiert, welcher seine Eintei­ lung anhand italienischer, englischer und allgemein deutscher Ver­ hält­ nisse entwi­ ckelte.52 Die Gegenüberstellung des Modells mit den Gegebenheiten im südwestli­ chen Ostseeraum lässt dabei die Spezifika der fünf Seestädte im Vergleich zu ande­ren Regionen deutlich hervortreten. Dieser Darstellung folgt eine Auseinandersetzung mit den in der Zeit genutzten Medientypen, um Eigenheiten in der Kommunikationsstrategie der fünf Seestädte wie der sie umgebenden Territorien herauszuarbeiten. Die Schriftmedien, auf welche sich die ältere Forschung beschränkte, werden dabei durch zwei Komplexe ergänzt. Zum einen geschieht dies durch Menschen, die aufgrund ihrer jeweiligen Funktion als Mediatoren wirkten (z. B. Pestwachen, Hafenvögte).53 Diese Personen übermittelten in einer unmittel­ baren Kommuni­kations­situation die schriftlich fixierten Verordnungen und standen der Einwohner­ schaft als direkter Ansprechpartner zur Verfügung. Dar­über hinaus wurden sie von den Stadträten und Landesregierungen gezielt für Auf­gaben der Infor­ma­tions­­beschaffung und -weitergabe eingesetzt. Zum anderen stellen einige Bauwerke (Galgen, Quarantänebaracken), deren Errichtung oder Instandset­zung unmittelbar mit der Pest in Beziehung steht, einen wichtigen Aspekt der non­verbalen Kommunikation dar und werden in diesem Kapitel entsprechend beleuchtet. Im letzten Hauptkapitel werden zunächst mehrere in den Quellentexten wieder­ keh­ rende Topoi herausgearbeitet und nach deren Hintergrund und Verwendung gefragt. In diesen Bereich zählen sowohl Gruppen der randständischen Gesellschaft (z. B. Bettler und Soldaten) wie auch einzelne 52  Dinges, Martin: Süd-Nord-Gefälle in der Pestbekämpfung. Italien, Deutschland und England im Ver­gleich, in: Eckart, Wolfgang U. / Jütte, Robert (Hrsg.): Das europäische Gesundheitssystem. Gemein­samkeiten und Unterschiede in historischer Perspektive (Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Bei­heft 3), Stuttgart 1994, S. 19–52. 53  Diese Personen(gruppen) werden in der Forschung zum Teil auch als Mensch­ medien bezeichnet. Faulstich, Werner: Einführung in die Medienwissenschaft. Prob­ leme – Methoden – Domänen (UTB 2407), München 2002, S. 25. Faulstich, Werner: Medien zwischen Herr­ schaft und Revolte. Die Medien­ kultur der frühen Neuzeit (1400–1700) (Geschichte der Medien 3), Göttingen 1998, S. 300. Kübler, Hans Dieter: Mediale Kommunikation (Grundlagen der Medienkommunikation 9), Tübingen 2000, S. 7. Górska (2010), S. 17. Füssel, Stephan: Klassische Druckmedien der Frühen Neuzeit. Ein­leitung, in: Burkhardt, Johannes / Werkstetter, Christine (Hrsg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (Historische Zeitschrift, Bei­hefte N. F. 41), München 2005, S. 57–61, hier S. 57.



III. Kommunikationstheoretische Überlegungen 27

Phänomene (Postwesen, Wetter), die für die Handelnden eine große Bedeutung in ihrer Informationspolitik und Argumentations­ struktur besaßen. Im Anschluss werden drei krisenhafte Einzel­ereig­nisse näher beleuchtet, welche für jeweils mehrere der fünf Seestädte eine größere Bedeutung hatten. Zu ihrer Bewältigung wurde nicht nur die Arbeit der Seuchen­abwehr auf die Probe gestellt, sondern besonders die Fähigkeit der Obrigkeit, verlässliche Informati­onen zu erlangen und zu bearbeiten. Die Fälle nehmen je ein Beispiel aus den Be­reichen Militär, Politik und Wirtschaft auf und umfassen den nicht zu verhindernden Einmarsch eines pestinfizierten schwedischen Armeekorps, die Ankunft des polni­ schen Hofes in Schwedisch Pommern aus dem pestinfizierten Danzig sowie die Handelsverbindungen eines Wismarer Kaufmannes, dem vorge­worfen wurde, die Verbreitung der Seuche aus Gewinnsucht billigend in Kauf zu nehmen. Im abschlie­ßenden Teil der Arbeit werden die in den vorangehenden Kapiteln gewonnenen Er­kenntnisse zusammengefasst und unter Rückgriff auf die Frage­stellung bewertet. Die vorliegende Arbeit schließt mit einer Einordnung der erzielten Ergebnisse in den ak­ tuellen Forschungsstand und einem weiterführenden Ausblick auf künftige Fragen.

III. Kommunikationstheoretische Überlegungen Der dieser Arbeit zu Grunde liegende Kommunikationsbegriff geht über das starre Sender-Empfänger-Verhältnis der älteren Kommunikationstheorie hinaus. Kommuni­kation soll hier nach Luhmann systemtheoretisch verstanden werden und ist daher nicht als einseitige Handlung (Sender → Empfänger), sondern als Beziehung zwi­schen den Akteuren anzusehen.54 Es ist zu beobachten, dass Luhmanns Theorie seit einigen Jahren wiederholt von der Geschichtswissenschaft aufgegriffen wird und sich immer mehr durchsetzt.55 54  Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, S. 113–124. Depkat, Volker: Kommunikations­ge­schichte zwischen Mediengeschichte und der Geschichte sozialer Kommunikation.  Versuch einer ­kon­zep­tionellen Klärung, in: Spieß, Karl-Heinz (Hrsg.): Medien der Kommunikation im Mittelalter, Stuttgart 2003, S. 9–48. Schlögl, S.  23 f. Burkart, Roland: Kom­mu­ni­ kations­wissen­schaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozial­wissenschaft, 4. über­arb. und aktualisierte Auflage, Wien / Köln / Weimar 2002, S. 30–35. Hohm, Hans-Jürgen: Soziale Systeme, Kommunikation, Mensch. Eine Einführung in soziologische Systemtheorie, 2. überarb. Auflage, Weinheim / München 2006, S.  15 f. 55  Siehe hierzu den Überblick bei Buskotte, Frank: Resonanzen für Geschichte. Niklas Luhmanns Systemtheorie aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive (Kulturwissenschaft 12), Berlin 2006, S. 22–34. Haas, Stefan / Hengerer, Mark: Zur Einführung: Kultur und Kommunikation in politisch-ad­ mi­ nist­ rativen Systemen der Frühen Neuzeit und der Moderne, in: Haas, Stefan  /  Hengerer, Mark (Hrsg.): Im

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A. Einleitung

Der Erfolg einer Kommunikation, der sich in einer Anschlusskommunikation zeigt, hängt zunächst vom Vorhandensein einer Information ab. Diese wird mitgeteilt und als Mitteilung verstanden. Ab diesem Moment, wenn die Mitteilung aufgenommen wird, kann von Kommunikation gesprochen werden, wobei eine unterschiedliche Bedeutungs­ zuschreibung durch Sender und Empfänger konstitutiv ist.56 Das heißt, dass nicht die Einigkeit in einer Sache für eine erfolgreiche Kommunikation ent­schei­dend ist, sondern das Stattfinden einer Anschlusskommunikation.57 Im Gegen­ teil, nur durch das Feststellen der Differenz kommt Kommunikation zustande, andern­ falls wäre der Prozess unvollständig. Dadurch, dass derjenige, der (vermeintlich) eine Mitteilung erhält, der entscheidende Akteur ist58, können so auch die Bereiche einbezo­gen werden, die vonseiten des (vermeintlichen) Senders nicht als Kommuni­kation gedacht waren, wodurch Verbindungen sichtbar werden, die bei Beschrän­kung auf das alte Modell nicht klar würden. Das heißt aber auch, dass keine Gleich­ berechtigung zwischen den „Partnern“ (psychische Systeme (Einzelpersonen) oder soziale Systeme (z. B. Einwohnerschaft))59 vorliegt, sondern der Empfänger allein Bedeutung hat. Für das Vorhandensein dieser Systeme ist die Kommunikation, die sich immer auf vorhergehende Kommunikation bezieht, unabdingbar. Ohne ständi­ges Kommunizieren und Anschlusskommunizieren können die betreffenden Systeme keinen Bestand haben.60 Ein Stadtrat, der von einer benachbarten Obrigkeit, aus welchen Gründen auch immer, nicht angeschrieben wird, kann dieses als Mitteilung verstehen und Maß­nahmen ergreifen. Wie er es verarbeitet, ist nicht entscheidend, sondern vielmehr dass er es tut. Dabei kann es sich um Maßnahmen handeln, die der (vermeintliche) Sender weder bezweckt noch gewünscht Schatten der Macht. Kommunikationskulturen in Politik und Verwaltung 1600–1950, Frankfurt am Main / New York 2008, S. 9–22, hier S. 11. Im Gegensatz dazu die dem traditionellen Kommunikations­modell folgenden Arbeiten von z. B. Wilke, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikations­geschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien 2000, S. 2. Zuletzt hat sich Gaul für seine Untersuchung des traditionellen Kommunikationsbegriffes bedient. Gaul (2005), S. 5. 56  Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven, in: Zeitschrift für Historische Forschung 31 (2004), S. 489–527, hier S. 493. Dieckmann, Johann: Schlüsselbegriffe der Systemtheorie, München 2006, S. 144–147. 57  Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Erster und zweiter Teilband, Frankfurt am Main 1997, S. 229 und 337. Hohm, S.  67 ff. 58  Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984, S. 208. 59  Berghaus, Margot: Luhmann leicht gemacht. Eine Einführung in die Systemtheorie, Köln / Weimar / Wien 2003, S.  76. Dieckmann, S. 297–302. 60  Luhmann (1995), S. 41. Schlögl, S. 23, 60.



III. Kommunikationstheoretische Überlegungen 29

haben könnte, wodurch ohne aktives Zutun des Senders Kommunikation entsteht.61 Anders ausgedrückt, kann mit diesem An­satz auch die Kommunikation untersucht werden, die im klassischen Sinne gar nicht statt­ gefunden hat, da sie zwar einen Empfänger hat, nicht aber einen Sender, der sich als solcher verstand. Es lässt sich also von stattfindender bzw. nichtstattfinden­ der Kommuni­ kation reden, nicht von gestörter oder störungsfreier. Wie Rudolf Schlögl feststellt, verschiebt sich damit die Fragestellung des Historikers: „Die wichtige Frage ist nicht mehr: welche Motivlagen führen zu welchen Handlungen? Sondern: wie muss Kommunikation geformt sein, damit den in ihr formulierten Er­wartungen in der Anschlusskommunikation mit einiger Wahrschein­ lichkeit entspro­chen wird?“62

Da die anschließende Reaktion nicht zwangsläufig vom Mitteilenden intendiert ist und er über keine sichere Steuerungsmöglichkeit verfügt, hängt sie (für ihn) von ver­schie­denen Faktoren ab. Auf diese reagiert der Empfangende in einer spezifischen Weise. Die Systemtheorie spricht hier von Resonanz und meint die systeminterne Über­set­zung äußerer Einflüsse in das eigene System. Gemeint ist, dass unterschiedliche Systeme (Stadtrat, fürstliche Regierung, Kaufmannschaft) sich in eigener Weise ver­halten und die Informationen bearbeiten.63 Das eigene Betroffensein spielt im Falle einer existentiellen Bedrohung wie der Pest eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu Gesunden können infizierte Personen beispielsweise versuchen, Quarantäne­ anord­nungen zu unterlaufen, da sie ihren eigenen Interessen entgegenstehen. Kaufleute werden den freien Handel fördern, Regierungen lieber eine Stadt sperren als das ganze Land, bedrohte Bürger religiöse und /oder medizinische Abwehrmittel entwi­ckeln usw. Der Unterschied zwischen den Reaktionen, die je nach Interessen­lage verschieden sind, wird hier deutlich. Dieser Umstand zeigt sich besonders hinsicht­lich der Frage der Pestgerüchte, deren Verbreitung bzw. Bekämpfung. Ehrlichkeit lässt sich, wie Luhmann feststellt, nicht kommunizieren: „Man braucht nicht zu meinen, was man sagt (zum Beispiel, wenn man ‚guten Morgen‘ sagt). Man kann gleichwohl 61  Den entgegengesetzten Fall des Schweigens, also bewussten Nichtsprechens, das als Kom­muni­ka­ti­on eingesetzt wird, beschreibt Alois Hahn und stellt dabei treffend fest: „Ob er [der Kommunikations­partner] schweigt oder nicht, entscheide ich. Denn eine Kommunikation kommt immer nur zustande, wenn Ego sie als solche versteht.“ Hahn, Alois: Schweigen als Kommunikation und die Paradoxien der Inkommunikabilität, in: Hahn, Alois / Melville, Gert / Röcke, Werner (Hrsg.): Norm und Krise von Kom­mu­ni­kation. Inszenierungen literarischer und sozialer Interaktion im Mittelalter (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 24), Berlin 2006, S. 93–113, hier S. 94. 62  Schlögl, S. 24. 63  Buskotte, S. 162.

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A. Einleitung

nicht sagen, daß man meint, was man sagt. Man kann es zwar sprachlich ausführen, aber die Beteuerung erweckt Zweifel, wirkt also gegen die Absicht.“64 Kommunikation beschränkt sich nicht auf den Gebrauch von Sprache (mündlich und schriftlich), sondern schließt auch Nichtsprachliches wie Gegenstände und Ver­hal­tens­weisen ein.65 In diesem Zusammenhang ist die symbolische Kommunikation von Bedeutung, wie sie gerade in Stadtgemeinschaften wichtig war.66 Im Gegensatz zum instrumentellen Handeln, das einen bestimmten Zweck verfolgt und zur begrifflich-abstrakten, diskursiven Kommunikation, die grundsätzlich eindeutig sein will, ist sym­bolische Kommunikation mehrdeutig.67 Dazu zählen beispielsweise policeyliche Maß­ nahmen der Obrigkeiten wie die Befragung verdächtiger Personen, Quarantäne­ be­ stimmungen und Bittgottesdienste. Berücksichtigt man den Symbolgehalt dieser Maßnahmen, der über die Handlung selbst hinausgeht, wird es möglich, den ge­samten Komplex des Kontaktes zwischen Fürsten, lokalen Obrigkeiten (Rat), städti­ scher Geistlichkeit, der außerordentlichen Pestbehörde (Collegium Sanitatis) und der Bevölkerung zu analysieren. Auf diese Weise wird die zuletzt von Otto Ulbricht kriti­sierte methodische Fixiertheit auf Obrigkeiten und staatliches Handeln vermieden.68 In dieser Arbeit soll auch untersucht werden, ob die beschlossenen Maßnahmen überhaupt durchgeführt wurden und dabei die erwünschten Erfolge brach64  Luhmann

(1984), S. 207 f. S. 490. Den gleichen weiten Kom­ munikationsbegriff verwenden auch: Burkhardt, Johannes / Werkstetter, Christine: Die Frühe Neu­ zeit als Medienzeitalter und ihr kommunikatives Spektrum. Einleitung, in: Burkhardt, Johannes / Werkstetter, Christine (Hrsg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (Historische Zeit­schrift, Beihefte N. F. 41), München 2005, S. 1–10, hier S. 2 f. 66  Stollberg-Rilinger, S. 490 und 495: „Für die Epo­chen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gilt […,] daß politisch-soziale Ordnungen durch symboli­sche Kom­ munikation geprägt und stabilisiert, aber auch angegriffen und neu austariert wurden.“ Körber, Esther-Beate: Öffentlichkeiten der Frühen Neuzeit. Teilnehmer, Formen, Institutionen und Ent­schei­dungen öffentlicher Kommunikation im Herzogtum Preußen von 1525 bis 1618 (Beiträge zur Kom­mu­ni­kationsgeschichte 7), Berlin / New York 1998, S. 373. Körber betont die Wichtigkeit symboli­scher Kom­munikation und geht davon aus, dass „symbolische und zeichenhafte Ausdrucksformen […] hinter schrift­lichen und mündlichen an Bedeutung zurück[standen].“ Vgl. North, Michael: Kommunika­tion, Handel, Geld und Banken in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 59), Mün­chen 2000, hier S. 45 ff. Schlögl, S. 24 f. Mit ähnlichem Ansatz: Hoffmann, Philip R.: Recht­mäßiges Klagen oder Rebellion? Konflikte um die Ordnung politischer Kommunikation im früh­ neu­ zeit­ lichen Leipzig, in: Schlögl, Rudolf (Hrsg.): Interaktion und Herrschaft. Die Politik der frühneu­zeitlichen Stadt (Historische Kulturwissenschaft 5), Konstanz 2004, S. 309–356, hier S. 315. 67  Stollberg-Rilinger, S. 499 und 502. 68  Ulbricht, Einleitung, S. 25. 65  Stollberg-Rilinger,



III. Kommunikationstheoretische Überlegungen 31

ten. Hierzu wird es nötig sein, unter Rückgriff auf das von Martin Dinges entwickelte Stufenmo­dell obrigkeitlicher Pestbekämpfung69 und die Arbeiten von Neithard Bulst70 sowie Annemarie Kinzelbach71 einen Symbolkatalog zu erstellen, der die Formen und Wir­ kungsweisen der spezifischen Kommunikationsarten erfasst. Bei der Bewertung der intendierten Effektivität sind die unterschiedlichen Bevöl­ke­rungs­gruppen und ihre spezifischen Interessen zu berücksichtigen, welche die Reaktionen erklären, die von genauer Befolgung über Gleichgültigkeit bis hin zur Um­ gehung oder Zuwiderhand­lung der Anordnungen reichen.72 Da der Einsatz verschiedener Medien ein wichtiger Aspekt der Kommunikation ist, bedarf der dieser Arbeit zugrunde liegende Medienbegriff ebenfalls einer Klärung. Eine in der Forschung anerkannte Definition existiert derzeit nicht, wobei die grund­legend verschiedenen Auffassungen eine baldige Einigung nicht erwarten lassen.73 Als Medium kann zunächst allgemein das angesehen werden, mit dessen Hilfe Informationen übertragen werden. Dazu zählten jahrhundertelang Geschriebenes und Gedrucktes, seit dem letzten Jahrhundert auch neue Formen wie Radio, Fernse­hen und Internet, also die Techniken, mit denen Nachrichten verbreitet werden, „die Produkte dieser Technik und die jeweiligen Institutionen, die mit der Produktion und Verbreitung solcher Aussagen beschäftigt sind.“74 Für eine historische Fragestellung ist es wichtig, über die „technischen“ Medien, wie sie beispielsweise Jürgen Wilke als einzige Form gelten lassen will, hinauszugehen. Die Sprache als Medium und andere direkte Komponenten, die er als bloße Vorstufe sieht75, welche spätestens mit der Erfindung des Buchdrucks ihre Bedeutung einbüßten, fielen jedoch nicht weg. Sie behielten auch nach Einführung der Druck­technik eine enorme Bedeutung und die­ses gerade im Kommunikationsraum Stadt, in dem verhältnismäßig viele Menschen leicht durch Reden, Predigten und Aus­ rufungen erreicht werden 69  Dinges

(1994), S. 23. Neithard: Krankheit und Gesellschaft in der Vormoderne. Das Beispiel der Pest, in: Bulst, Neithard  /  Delort, Robert (Hrsg.): Maladies et société (XIIe– XVIIIe siècles). Actes du colloque de Bie­lefeld, novembre 1986, Paris 1989, S. 17– 48, hier S. 30 f. 71  Kinzelbach, S. 229–235. 72  Ulbricht, Einleitung, S. 41. Vgl. auch Seelbach, S. 14–17. 73  Wenzel, Horst: Mediengeschichte vor und nach Gutenberg, Darmstadt 2007, S. 10 f. Einen Überblick über verschiedene Theorien bietet: Faulstich, Werner: Mediale Kommunikation (Grundlagen der Me­dien­kommunikation 9), Tübingen 2000, S. 5–10. 74  Wilke (2000), S. 1. Noch enger, nur die elektronischen Technologien akzeptierend, bei: Hiebel, Hans H.: Kleine Medienchronik. Von den ersten Schriftzeichen zum Mikrochip, München 1997, S. 8. 75  Wilke (2000), S. 4. 70  Bulst,

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konnten. Demzu­folge kann nicht von einer Ablösung der oralen Gesellschaft gesprochen werden, sondern vielmehr von einer Ergänzung durch die Schriftlichkeit, die andere Felder (dauerhaftes Vorhandensein, beliebige Wiederholung und Aufbewahrung, Wortge­ nauigkeit) ergänzend besetzt.76 Daher ist es für die historische Untersuchung der Kommunikation sinnvoll, auch Menschen in ihrer Funktion als nachrichtenübermit­telnde Medien in die Untersuchung mit einzubeziehen.77 Ausgehend von der von Harry Pross vorgeschlagenen und von Werner Faulstich präzisierten Einteilung in Primär- und Sekundärmedien, wird im Folgenden eine Systematisierung vorgenom­men, über welche die nutzbaren und genutzten Kommunikations­ wege erhellt werden und anhand derer die Kommuni­ka­tions­­strategien in den fünf Seestädten eingeordnet werden.78

IV. Die fünf Seestädte und die angrenzenden Territorien Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Lübeck die bedeutendste Stadt im süd­west­lichen Ostseeraum.79 Trotz ihrer im Vergleich zu früheren Jahrhunderten verringerten politischen und ökonomischen Macht blieb die Travestadt zwischen Hamburg und Danzig der wichtigste Wirtschaftsplatz und das größte Gemeinwesen im Unter­su­chungs­gebiet. Tatsächlich war das re76  Aus diesem Grund kann nicht von einer allgemeinen, festen Epochengrenze durch Gutenbergs Ent­ wick­ lung gesprochen werden, sondern nur hinsichtlich bestimmter Fragestellungen. Dass sprachliche Vermittlung an die Aufmerksamkeit des anderen und dessen Erinnerungsvermögen geknüpft ist, setzt zwar einerseits Grenzen, andererseits erreicht sie durch ihre Unmittelbarkeit eine andere Qualität. Vgl. Luhmann, Niklas: Das Problem der Epochenbildung und die Evolutionstheorie, in: Gumbrecht, Hans Ulrich  / Link-Heer, Ursula (Hrsg.): Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachhistorie. Frankfurt am Main 1985, S. 1–33, hier S. 19. Wenzel, S. 15. Wilke (2000), S. 39. Schlögl, S. 29. 77  So auch Wenzel, S. 17. Schwerhoff, Gerd: Öffentliche Räume und politische Kultur in der früh­neu­zeitlichen Stadt: Eine Skizze am Beispiel der Reichsstadt Köln, in: Schlögl, Rudolf (Hrsg.): Inter­aktion und Herrschaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt (Historische Kulturwissenschaft 5), Kon­ stanz 2004, S. 113–136, hier S. 116. Schlögl (Schlögl, S. 25) erweitert in Auseinan­dersetzung mit Max Weber den Medienbegriff darüber hinaus und sieht alle Phänomene, die Unter­ schiede wahrnehmbar machen, als Medien an (z. B. Macht). 78  Faulstich (2002), S. 25. Faulstich (1998), S. 300. Kübler, S. 7. 79  Dazu allgemein: Hoffmann, Max: Geschichte der freien und Hansestadt Lübeck, Lübeck 1889. Hoffmann, Max: Geschichte der freien und Hansestadt Lübeck. 2. Hälfte, Lübeck 1892. Graßmann, Antjekathrin (Hrsg.): Lübeckische Geschichte, 4., verb. und erg. Auflage, Lübeck 2008. Graßmann, Antjekathrin (Hrsg.): Niedergang oder Übergang? Zur Spätzeit der Hanse im 16. und 17. Jahrhundert (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, N. F. 44), Köln (u. a.) 1998.



IV. Die fünf Seestädte und die angrenzenden Territorien 33

lative Handelsvolumen in dieser Zeit sogar angestiegen.80 Einschließlich der vor den Toren wohnenden Menschen umfasste die Bevölkerung seinerzeit etwa 24.000 Personen, während innerhalb der Stadtmauern zirka 20.000 Bürger und Einwohner lebten.81 Aufgrund ihrer ökono­ mischen Bedeu­ tung kann der Stadt durch ihre ausgedehnten Handelsbeziehungen und den dabei notwendigen Nachrichtenaustausch eine herausgehobene Rolle als Kommu­nikati­onsknotenpunkt im Gefüge der Ostseestädte unterstellt werden. Die Untersuchung wird zeigen, inwieweit diese These Berechtigung findet. Seitdem im Westfälischen Frieden die schwedische Krone mit Stadt und Herrschaft Wismar belehnt worden war, besaß die Stadt eine Schlüsselstellung in der schwe­dischen Politik und blieb trotz der Schäden des Dreißigjährigen Krieges eine regional wichtige Stadt.82 Wismar befand sich geografisch in der Mitte der 1648 erworbenen Besitzungen Schwedens und es lag nahe, den Ort zum Sitz zentraler Behörden zu machen. Doch das Vorhaben, in Wismar eine Zent­ralregierung zu etablieren, von der aus Pommern, Rügen, Bremen und Verden regiert werden konnten, scheiterte am Widerstand der um ihren Einfluss fürchtenden Stände. Die beiden Landes­regierun­gen verblieben weiterhin in Stade und Stettin.83 Trotzdem konnte mit dem 80  Graßmann, Antjekathrin: Handels- und Schiffahrts-Verträge der Hansestadt Lübeck in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Schriftenreihe der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck 10), Lübeck 1978, S. 12. 81  Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Neuzeit (https: /  / www. phf.uni-rostock.de / imd / forschung / homemare2 / A1 / city / luebeck / info / de_luebeck. html) (21.02.2011). Reisner, Wilhelm: Die Einwohnerzahl deutscher Städte in früheren Jahrhunderten mit besonderer Berück­sichti­gung Lübecks (Sammlungen nationalökomonischer und statistischer Abhandlungen des staats­wissen­schaftlichen Seminars zu Halle a. d. S. 36), Jena 1903, S. 88. Vgl. Berndt, Helmut / Neugebauer, Werner: Lübeck – eine medizinhistorische Studie, in: Archaeologica Lundensia 3 (1968), S. 53–91. 82  Hacker, Claudia / Münch, Ernst: Wismar im 17. und 18. Jahrhundert: Kontinui­ tät und Wandel von der späten Hanse über die Schwedenzeit bis zur Rückkehr nach Mecklenburg, in: Braun, Frank / Kroll, Stefan (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der frühen Neuzeit: Wirtschaft, Baukultur und historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Wis­mar vom 4. und 5. September 2003 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 5), Münster 2004, S. 135–156, hier S. 138 ff. und 151. Tober, Philip: Wismar im Dreißigjährigen Krieg. Untersuchungen zur Wirtschafts-, Bau- und Sozialgeschichte (Kleine Stadtgeschichte 5), Berlin 2007, S. 121–126. 83  Jörn, Nils: Integration durch Recht? Versuch eines Fazits und Perspektiven der Forschung, in: Jörn, Nils  /  Diestelkamp, Bernhard  /  Modéer, Kjell Ake (Hrsg.): Integration durch Recht. Das Wismarer Tribu­ nal (1653–1806) (Quellen und Forschungen zur Geschichte der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 47), Köln (u. a.) 2003, S. 387–408, hier S. 392 ff. Lövgren, Anna-Britta: Die Bedeutung der Städte in der schwedischen Verwaltung, in: Bohmbach, Jürgen (Bearb.): Anspruch

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­ ribunal eine zentrale Einrichtung geschaffen werden, durch welche die T schwedi­schen Besit­ zungen dem Zugriff des Reichskammer­ gerichtes in Speyer weitgehend entzogen wurden.84 Die Rolle des Tribunals im städtischen Machtgefüge ist noch nicht restlos aufgeklärt worden. Friedrich Techen zufolge war der Tribunals-Präsident zeitweise zugleich Statthalter der Herrschaft Wismar, Werner Buchholz sieht in dem Gericht „eine Art Oberregierung“ während Nils Jörn eine bloße „Vermittlungs- und Schlich­tungs­ instanz“ erkennt.85 Hinsichtlich der Pestgefahr entwickelte das Ober­gericht eine beträchtliche Aktivität, deren Auswertung neue Erkenntnisse zur Beantwortung dieser Frage erwarten lässt. Wie in den anderen unter schwedischer Hoheit stehenden Städten Stralsund und Greifs­wald kam dem Stadtkommandanten in Wismar eine wichtige Rolle im inner­ städtischen Machtgefüge zu, da ihm Verwaltung und Rechtsprechung über das in der Stadt liegende Militär oblagen und er eine und Realität. Wirt­ schaft, soziale und politische Entwicklungen in Schweden und seinen deutschen Besitzungen im 17. Jahrhundert. 2. Arbeitsgespräch schwedischer und deutscher Historiker in Stade am 18. und 19. Juni 1987 (Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Stade 8), Stade 1988, S. 7–12. Buchholz, Werner: SchwedischPommern als Territorium des deutschen Reichs 1648–1806, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, Jg. 12 (1990), S. 14–33, hier S. 27–32. Meier, Martin: Vorpommern nördlich der Peene unter dänischer Verwaltung 1715 bis 1721. Aufbau einer Verwaltung und Herrschafts­ siche­ rung in einem eroberten Gebiet, München 2008, S. 27–35. 84  Das Recht zur Errichtung eines eigenen Gerichts war Bestandteil des Osnabrücker Friedens­schlus­ses gewesen: Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständi­ger lateinischer Text und Übersetzung der wichtigeren Teile und Regesten. Bearb. v. Konrad Müller (Quellen zur Neueren Geschichte, Bd. 12 / 13), Berlin 1949, S. 52 (Art. X § 12). Ein Bericht über die Einführung des Tribunals ist erhalten geblieben: Beschreibung des Actus Introductionis des Königl. Hohen Tribunals in Wißmar: geschehen den 17. Maj 1653, in: Jörn, Nils /  Diestelkamp, Bernhard  /  Modéer, Kjell Ake (Hrsg.): Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806) (Quellen und Forschungen zur Geschichte der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 47), Köln (u. a.) 2003, S. 5–17 (= STAW: Ratsakte VIII, 2, 1). Modéer, Kjell Ake: Die Gerichtsstruktur in den deutschen Lehen der schwe­di­schen Krone, in: Jörn, Nils / Diestelkamp, Bernhard / Modéer, Kjell Ake (Hrsg.): Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806) (Quellen und Forschungen zur Geschichte der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 47), Köln (u. a.) 2003, S. 123–138, hier S. 126. Jörn, S. 390. Gmür, Rudolf / Roth, An­ dreas: Grundriss der deutschen Rechts­geschichte, 10., überarb. Auflage, München /  Unterschleißheim 2003, S. 65–67. Vgl. Kroll (1997), S. 50. 85  Techen, Friedrich: Geschichte der Seestadt Wismar. Neudruck der Ausgabe von 1929, Schwerin 2006, S. 206. Backhaus, Helmut: Pommern in der Schwedenzeit. Über die Rahmenbedingungen für das Wismarer Tribunal, in: Jörn, Nils / Diestelkamp, Bernhard / Modéer, Kjell Ake (Hrsg.): Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806) (Quellen und Forschungen zur Geschichte der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 47), Köln (u. a.) 2003, S. 43–50, hier S. 49 f.



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direkte Verbindung zum General­gouver­neur besaß, welcher die militärische und zivile Aufsicht innehatte.86 Da Wismar ein eigenständiges Reichslehen war, hatte der Kommandant zugleich die Position eines Vize­gouverneurs. Eine herausgehobene Rolle konnte jedoch keiner der Amtsinhaber beanspruchen, da das Tribunal als Regierung über Stadt und Herrschaft Wismar galt. Während der Kommandant in die Briefkommunikation über die Seuche nur am Rande eingebunden war, unterrichteten sich Stadtrat und Tribunal beständig über Neuigkeiten. Rostock stellte, ähnlich wie heute, die größte und wirtschaftlich bedeutendste Stadt im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin dar und war nach dem Verlust Wismars dessen einziger Seehafen.87 Wie in Lübeck tritt das Militär nicht als eigenständiger Macht­faktor in Erscheinung. Der Stadtkommandant wurde zwar durch den Magistrat über einige sicherheitsrelevante Entscheidungen informiert und konnte bei dieser Ge­le­genheit seine Ansichten vortragen, war aber nicht in regelmäßige Konsul­tati­o­nen eingebunden.88 Dahingegen versuchte Herzog Friedrich Wilhelm (1675–1713), seine Position in Rostock zu stärken und auszubauen, indem er die Stadt zu seiner Residenz erhob. Dies war eine zweischneidige Ehre, denn die Anwesenheit des Landes­herrn in direkter Nähe zum Rat würde Kompetenzstreit provozieren, anderer­seits konnte die Anwesenheit des vielköpfigen Hofes eine Belebung von Handel und Handwerk nach sich ziehen.89 In der Zeit um 1710 allerdings befand sich der Herzog meistens in Schwerin oder hielt sich zur Kur außer Landes auf, so dass der Rat ver­ gleichsweise selbstständig handeln konnte. Die Rostocker Universität nahm auf die Geschehnisse im Umfeld der Pest nur wenig Einfluss und beschränkte sich auf ihre Rolle als Lehranstalt. Sie galt damals als eine ausgesprochene Landesuniversität, deren 86  Das Verhältnis zwischen Militär und Zivilgesellschaft im frühneuzeitlichen Wismar wird derzeit von Jana Zimdars im Rahmen ihrer Dissertation an der Universität Rostock untersucht (Zimdars, Jana: Wismar als schwedische Garnisons- und Festungsstadt. Fremdheit und Integration zwischen Dreißig­jährigem Krieg und Großem Nordischen Krieg (1632–1718), Diss. Universität Rostock (in Bearb.). 87  Zur Rostocker Stadtentwicklung siehe: Pelc, Ortwin (Hrsg.): 777 Jahre Rostock. Neue Beiträge zur Stadtgeschichte (Schriften des Kulturhistorischen Museums Rostock 2), Rostock 1995. Münch, S. 93–108. Rostock im Ostseeraum in Mittelalter und früher Neuzeit. Hg. vom Rektor der Universität Rostock. Rostock 1994. Barnewitz, Friedrich: Geschichte des Hafenortes Warne­münde. Hg. und bearb. von Georg Moll, Rostock 1992. Olechnowitz, Karl-Friedrich: Rostock von der Stadtrechts­ bestätigung im Jahre 1218 bis zur bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848 / 49, Rostock 1968. 88  Raif, Karl-Friedrich: Söldner und Soldaten der Stadt Rostock vom 16. bis 18. Jahrhundert, in: Bei­ träge zur Geschichte der Stadt Rostock, N. F. 7 (1987), S. 17–34, hier S. 30 f. 89  Münch, S.  97 f.

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Zweck in der Beamten- und Pastorenausbildung für das mecklenburgische Territorium lag. Während anderswo neue Lehrkonzepte etabliert wurden (z. B. Deutsch als Lehrsprache) und sich die Jurisprudenz als neue Leitwissenschaft etab­lierte, blieben die Rostocker beim Althergebrachten.90 Nach Lübeck war Stralsund mit etwa 12.000 Bewohnern die bevölkerungsreichste Stadt der Region, deren nachweislicher Wirtschaftsaufschwung zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einer stetigen Bevölkerungszunahme führte und dies, obwohl die Stadt am Sund sich zu diesem Zeitpunkt erst teilweise von den letzten Ver­hee­rungen (Bombardierung durch brandenburgische Truppen 1678, Stadtbrand 1680) hatte erholen können.91 Ebenso wie Wismar spielte die Stadt als Standort mehrerer schwedischer Regimenter und einer mit beachtlichen Anstrengungen aufgebauten Festung eine wichtige Rolle in der militärischen Konzeption Schwedens. Eine Folge davon war die Anwesenheit tausender Soldaten, die mit ihren Familien in der Stadt untergebracht waren. Schon deshalb kam dem Kommandanten eine besondere Rolle zu. Während der Seuchenzeit kam die Persönlichkeit des von 90  Asche, Matthias: Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen Landes­hochschule. Das regionale und soziale Besucherprofil der Universitäten Rostock und Bützow in der frühen Neuzeit (1500–1800) (Contubernium 52), 2., durchges. Aufl., Stuttgart 2010, S. 65–80. Zur Bedeutung der Universitäten Halle und Göttingen vgl. den Forschungsüberblick mit Angabe der rele­vanten Literatur bei Asche, Matthias: Zu den Funktionen der Universität Greifswald von ihrer Grün­dung bis zum Ende der schwedischen Herrschaft – eine Überprüfung von historiographischen Attri­ buten, in: Alvermann, Dirk  /  Jörn, Nils  /  Olesen, Jens E. (Hrsg.): Die Universität Greifswald in der Bil­ dungslandschaft des Ostseeraums (Nordische Geschichte 5), Berlin 2007, S. 29–68, hier S. 46. Schluchtmann, Axinia: Akademische Medizin und Pest. Das Beispiel Johannes Bacmeister 1623 / 24, in: Ulbricht, Otto (Hrsg.): Die leidige Seuche. Pest-Fälle in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2004, S.  217–257, hier S.  218–220. 91  Zapnik (2007), S. 253. Eine niedrigere Bevölkerungszahl, etwa zwischen 6.500 und 8.500 Personen, nehmen dagegen Kroll und Labahn an. Labahn, Karsten: Räumliche Mobilität in der vorindustriellen Stadt. Wohnungswechsel in Stralsund um 1700 (Kleine Stadtgeschichte 1), Berlin 2006, S. 78. Kroll (1997), S. 117. Kroll, Stefan / Pápay, Gyula: Wohnen und Wirtschaften in Stralsund um 1700. Ein Histo­ risches Stadtinformationssystem, in: Krüger, Kersten  /  Pápay, Gyula  /  Kroll, Stefan (Hrsg.): Stadt­ge­schichte und Historische Informationssysteme. Der Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 21. und 22. März 2002 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 1), 2. Auflage, Berlin 2007, S. 90–135, hier S. 108 ff. Grabinsky, Anne: Die Stral­sunder Doppel­ katastrophe von 1678  /  80. Wieder­ auf­ bau nach zwei vernichtenden Stadtbränden (Kleine Stadtge­schichte 2), Berlin 2006. Kusch, Reinhard: Die schwedische Stadtaufnahme von Stralsund 1706 / 07. Ein soziotopographischer und sozial­ökonomischer Querschnitt, in: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 11 (1977), S. 103–124. Ewe, Herbert (Hrsg.): Geschichte der Stadt Stralsund, 2. Auflage, Stralsund 1985. Hacker, Hans-Joachim: Die Stadt Stralsund in der frühen Schwedenzeit (1630–1690), Diss. masch. Universität Greifswald 1982.



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1702 bis 1711 befehlshabenden Generalmajors Schoultz von Ascheraden hinzu, der sich nicht auf die Rolle eines Befehlsempfängers zurückweisen ließ, sondern die Interessen der Garnison selbst­bewusst gegenüber dem Rat vertrat.92 Nach Stettin und Stralsund war Greifswald die drittgrößte Stadt in Schwedisch Pommern.93 An der Spitze des Stadtregiments stand nicht wie in den anderen See­ städten der städtische Rat, sondern seit 1707 der so genannte Burggraf, ein vom König eingesetzter Beamter.94 Mit dieser Aktion war in die Rechte des Magistrats massiv eingegriffen worden, denn die Entscheidungen des Rates bedurften der Zu­stimmung des Burggrafen.95 Eine eigenständige Position lässt sich für den Burg­gra­fen aber nicht nachweisen, auch scheint er seine Stellung nicht zur Durchsetzung eigener Vorstellungen ausgenutzt zu haben. Dahingegen gestaltete sich das Ver­hältnis des Rates zum Stadtkommandanten nicht immer einfach und die unter­ schied­ lichen Auffassungen bezüglich der Behandlung verdächtiger Waren und Personen führten wie in Stralsund mehrfach zu Konflikten. Anders als das Wismarer Tribunal war das Hofgericht in Greifswald kein zent­ rali­ sierendes Instrument der schwedischen Krone, sondern eine auf ständischer Selbst­ bestimmung gründende Institution.96 Dennoch wurde es durch Schweden von seinem angestammten Platz in Wolgast nach Greifswald verlagert, da dieser Ort in der Mitte Schwedisch Pommerns auf halber Strecke zwischen Stralsund und Stettin und an der wichtigsten Postroute lag. Als höchstes Gericht im Territorium war die Abgrenzung zum Tribunal nicht immer eindeutig.97 Während des Nordischen Krieges wurde das Gericht 1711 aufgeteilt und bis 1721 nach Stralsund und Stettin evakuiert. 92  Tessin, Georg: Die deutschen Regimenter der Krone Schweden. Teil II: Unter Karl XI. und Karl XII. (1660–1718) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern 14), Köln / Graz 1967, S. 272 f. Lewenhaupt, Adam: Karl XII:s Officerare. Biografiska anteckningar. Teil 2: L–Ö, Stockholm 1921, S. 611. Oberst Martin Schoultz von Ascheraden wurde im Mai 1711 Wismarer Vizegouverneur, nachdem er seit 1702 ein Infanterieregiment in Stralsund geführt hatte. 93  Grundlegend: Greifswald. Geschichte der Stadt. Hg. von Horst Wernicke im Auftrag der Hansestadt Greifswald. Schwerin 2000. Ziegler, Julius: Geschichte der Stadt Greifswald, Greifswald 1897. 94  Siehe hierzu Stadtarchiv Greifswald (STAG): Rep. 5, 2432 und Rep. 5, 2433. 95  Hacker, Hans-Joachim / Hardenberg, Harry: Die Schwedenstraße, Rostock 2003, S. 46. 96  Gut, Paweł: Das Hofgericht in Greifswald in schwedischer und preußischer Zeit, in: Jörn, Nils / Diestelkamp, Bernhard / Modéer, Kjell Ake (Hrsg.): Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653–1806) (Quellen und Forschungen zur Geschichte der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 47), Köln (u. a.) 2003, S. 157–177, hier S. 157. 97  Ebd., S. 165.

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Wegen der Pest traten die Richter nicht in Erscheinung. Ihre Rolle beschränkt sich in den Quellen darauf, die vom Rat gewünschte Beteiligung an den Kosten der Pest­vorsorge beharrlich abzulehnen. Als einzige Stadt in den schwedischen Gebieten im Reich besaß Greifswald eine Universität.98 Deren Bedeutung im ursprünglich „universalen“ Sinne hatte sie im Laufe der Zeit weitgehend eingebüßt und war zu einer Lehranstalt geworden, die zwar Bedeutung für die schwedisch beherrschten Gebiete hatte, darüber hinaus aber kaum Ausstrahlungskraft besaß. Im Gegensatz zu ihrer Rostocker Schwester wurde die frequenzschwächste protestantische Universität im Reich allerdings vom Stadtrat und der schwedisch pommerschen Landesherrschaft als eigenständige Obrigkeit wahrgenommen und in beschränktem Maße an der Entscheidungsfindung und Aus­führung der Pestmaßnahmen beteiligt.99 Für die Pestkorrespondenz der fünf Stadträte waren die Landesherrschaften von Schwedisch Pommern und Mecklenburg-Schwerin von besonderer Wichtigkeit, da vier der fünf untersuchten Städte Teile dieser beiden Herzogtümer waren, weswegen mindestens für sie eine Zusammenarbeit mit der Landesherrschaft erforderlich war. Mit der Dritten Hauptlandesteilung von 1701 waren die mecklenburgischen Gebiete in zwei Herzogtümer geteilt worden. Im größeren Landesteil mit der Residenzstadt Schwerin regierte bis 1713 Herzog Friedrich Wilhelm.100 Seine Bewertung durch die Geschichtsschreibung ist wenig positiv und wird weitgehend durch die kriegerischen Auseinandersetzungen mit seiner Familie und den Verkauf und die Vermie98  Das Projekt einer zweiten Hochschule für Bremen und Verden wurde nicht realisiert. Langer, Herbert: Die Universität Greifswald als Mittler zwischen Schweden und den deutschen Territorien (16.–18. Jahrhundert), in: Kulturelle Beziehungen zwischen Schweden und Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. 3. Arbeitsgespräch schwedischer und deutscher Historiker in Stade am 6. und 7. Oktober 1989, Stade 1990, S. 27–34, hier S. 29. Vgl. Asche (2007), S. 54. Allgemein siehe: Langer, Herbert: Die pommersche Landesuniversität Greifswald und das schwedische Reichsinteresse (1630–1720), in: Wörster, Peter (Hrsg.): Universitäten im östlichen Mittel­ europa. Zwischen Kirche, Staat und Nation – Sozialgeschichte und politische Entwicklungen (Völker, Staaten und Kulturen in Ostmitteleuropa 3), München 2008, S. 85–103. 99  Asche (2007), S. 29 f. 100  Karge, Wolf / Münch, Ernst / Schmied, Hartmut: Die Geschichte Mecklenburgs von den Anfängen bis zur Gegenwart, 4. erweiterte Auflage, Rostock 2004, S. 86–88. Borchardt, Erika / Borchardt, Jürgen: Mecklenburgs Herzöge. Ahnengalerie Schloß Schwerin, Schwerin 1991, S. 82–86. Vitense, Otto: Ge­ schichte von Mecklenburg (Allgemeine Staatengeschichte, 3. Abt., Werk 11), 3. Auflage, Gotha 1920 (2. Auflage des Nachdrucks 1990), S. 244 f. Hinsichtlich seiner Eigenschaften als Familienvater vgl. Schulz, Corinna: Friedrich Wilhelm und Carl Ludwig von Mecklen­ burg – zwei illegitime Fürstensöhne in der Frühen Neuzeit, MA-Arbeit masch. Universität Rostock 2008.



IV. Die fünf Seestädte und die angrenzenden Territorien 39

tung von Soldaten im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) bestimmt. Dabei waren seine innenpolitischen Bemühungen weit friedlicher und auf eine Förderung der Landwirt­schaft, eine religiöse Toleranzpolitik (Ansiedlung von Hugenotten in Bützow) sowie den Ausbau der Stadt Schwerin ausgerichtet. Die Residenz erhielt neben einem re­präsentativen Theaterneubau mit der Schelfstadt ein neues Stadtviertel, in dessen Pfarrkirche Friedrich Wilhelm beigesetzt wurde. Da sich der Herzog während eines Großteils der Zeit zwischen 1708 und 1713 nicht im Lande, sondern auf aus­wärtigen Kuren befand, wurde die Korrespondenz mit den Stadträten meist von der Schweri­ner Regierung vollzogen, die in Abwesenheit des Herzogs das Land verwaltete. Nach Friedrich Wilhelms Tod im Juli 1713 folgte ihm sein Bruder Karl Leopold im Amt nach. Hinsichtlich der Pest tritt er bis Ende des Jahres nicht in Erscheinung. Durch die Friedensschlüsse von 1648 gelangte die schwedische Krone unter ande­rem in den Besitz der Stadt und Herrschaft Wismar samt dem Amt Neukloster sowie des Fürstentums Rügen und des westlichen Teils Pommerns.101 Die erworbenen Ge­ biete blieben trotz des Herrschaftswechsels weiterhin Teil des Heiligen Römischen Reichs und behielten dadurch ihre inneren Verfassungen und ständischen Vertretun­ gen weitgehend bei.102 Schwedisch Pommern wurde von einem Generalgouverneur in Zusammenarbeit mit der Landesregierung in Stettin verwaltet, während Wismar dem in der Stadt residierenden Vizegouverneur unterstand. Dem königlich schwedi­ schen Tribunal fielen in der fast 150jährigen Schwedenherrschaft unterschiedliche Machtbefugnisse zu. Während die ersten zweieinhalb Jahrzehnte schwedischer Herrschaft relativ friedlich verliefen und durch einen allgemeinen wirt­schaftlichen Aufschwung gekennzeichnet waren, wirkten sich Schwedens Kriege im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts nachteilig aus, da die Provinzen im Reich zu einem der Haupt­kriegsschauplätze wurden. Der von 1700 bis 1721 andauernde Große Nordische Krieg führte zur mehrfachen Be101  Der Gebietsstreifen östlich der Oder wurde erst später in Verhandlungen zwischen Schweden und Brandenburg genau festgelegt. Die Poeler Dörfer Seedorf, Weitendorf, Brandenhusen und Wangern fielen nicht an Schweden und blieben als so genannte Hospitaldörfer im Besitz des Lübschen Heilig­geistspitals. Instrumenta Pacis Westphalicae, S. 50 (Art. X § 2), S. 52 (Art. X § 6), S. 59 (Art. XII § 1). 102    Langer, Herbert J.: Die „Schwedenzeit“ in Mecklenburg und Pommern, in: Schwedenzeit. Hg. vom Stadt­ geschichtlichen Museum Wismar, Wismar 1998, S. 9–14, hier S. 10, 14. Krieger, Martin: Der süd­liche Ostseeraum und der Deutsche Reichstag (16.–18. Jahrhundert), in: Jörn, Nils / North, Michael (Hrsg.): Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 35), Köln (u. a.) 2000, S. 275–309, hier S.  291 f. Kroll (1997), S. 52. Backhaus, Helmut: Reichsterritorium und schwedische Provinz. Vorpommern unter Karls XI. Vormündern 1660–1672 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 25), Göttingen 1969, S. 47–54.

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A. Einleitung

lagerung und Beschießung Wismars, Stralsunds und Greifswalds und endete für die Städte mit der Einnahme durch feindliche Truppen.103 Die dritte bedeutsame Landesherrschaft war die Regierung von SachsenLauenburg in Ratzeburg.104 Besonders der Lübsche Magistrat unterhielt zu ihr enge Beziehun­gen. Das Verhältnis entwickelte sich während des Untersuchungszeitraums in der Weise, dass Lübeck zahlreiche Zugeständnisse in der Pestpolitik machen musste. Dieses wurde durch den wirtschaftlichen wie politischen Druck ermöglicht, den Sachsen-Lauenburg ausüben konnte. Das Herzogtum gehörte seit 1705 zu den Be­sitzungen des Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg. Kurfürst Georg Ludwig (1660–1727), ab 1714 zugleich König von Großbritannien und Irland, befürwortete eine be­sonders rigide Pestpolitik. Da die Lübsche Wirtschaft auf den Waren­austausch und die freie Durchfahrt in den kurfürstlichen Ländern wesentlich an­ge­wiesen war, hatte der Stadtrat, dem machtvolle Verbündete fehlten, oft keine Wahl und musste sich den kurfürstlichen Forderungen beugen.

V. Überblick über den Verlauf der letzten Pest im Ostseeraum Eine durchgängige Bearbeitung hat der letzte Pestzug um 1710 bislang nicht erfah­ ren und viele Regionen sowie wichtige Fragestellungen sind derzeit noch nicht unter­sucht worden. Es kann daher an dieser Stelle die Entwicklung des Geschehens nur exemplarisch nachgezeichnet werden. Zu ersten gehäuften Todesfällen in Zusam­menhang mit dem Großen Nordischen Krieg kam es 1702, als in den Feldlagern des schwedischen Heeres in Kleinpolen mehr Menschen als üblich starben, wobei in den Quellen noch nicht von einer Pest die Rede ist. Zwei Jahre später war Lemberg be­troffen, 1707 Warschau und Krakau. Nördlich dieser Städte wurde Westpreußen infi­ ziert, im Westen Schlesien und das Kurfürstentum Sachsen. Während 103  Dazu allgemein: Lagerqvist, Lars O.: Schwedische Geschichte, Värnamo 2003, S. 80. Kirby, David: Northern Europe in the Early Modern Period. The Baltic World 1492–1772, London / New York 1998, S. 295–321. Frost, Robert I.: The North­ern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe, 1558–1721, Harlow 2000, S. 226–300. 104  Hierzu allgemein: Opitz, Eckardt: Das Herzogtum Sachsen-Lauenburg in den Kriegen des 17. Jahrhunderts. Das Problem der Neutralität, in: Opitz, Eckardt (Hrsg.): Krieg und Frieden im Her­zogtum Lauenburg und in seinen Nachbarterritorien vom Mittelalter bis zum Ende des Kalten Krieges (Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur, Stiftung Herzogtum Lauenburg, Kolloquium XII), Bochum 2000, S. 175–190. Opitz, Eckardt: Die Bedeutung der Ritter- und Landschaft im Herzogtum Lauen­burg, in: Manke, Matthias / Münch, Ernst (Hrsg.): Verfassung und Lebens­wirk­lich­keit. Der Landes­grund­gesetz­liche Erbvergleich von 1755 in seiner Zeit, Lübeck 2006, S. 351–365.



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen41

schwedische Truppen die Seuche Ende 1708 nach Danzig und damit erstmals an die Ostsee brachten, griff die Pest auch nach Süden aus. Böhmen war ebenso betroffen wie Wien, das 1712 / 1713 einen der schwersten Ausbrüche seiner Geschichte erlebte. Wohl über die Donau gelangte die Pest bis nach Ungarn. Im Juli 1713 war Regens­burg betroffen, wo sich der Immerwährende Reichstag zunächst wenig beeindrucken ließ, allerdings im September die Stadt dann doch aus Furcht vor der Seuche ver­ließ.105 Im Ostseeraum waren besonders die küstennahen Regionen gefährdet. Neben den polnischen Gebieten um Danzig erreichte die Seuche 1709 Hinterpommern bis zur Odermündung und das Königreich Preußen (Ostpreußen). Im folgenden Jahr 1710 waren zusätzlich Vorpommern, Litauen, das schwedische Kernland mit der Haupt­ stadt Stockholm wie auch die baltischen Provinzen betroffen. In weiten Teilen Schwedens hielt sich die Seuche bis 1712 und breitete sich in diesem Jahr nach Dänemark, Schleswig und Holstein aus. Im gleichen Jahr wurde Hamburg erreicht, wohingegen die Krankheit von den Ostseeküsten verschwand. Vereinzelte Todes­ fälle sind zwar bis 1714 in Teilen Schleswigs und Holsteins nachweisbar, doch ist ihre Zuordnung zur Epidemie unsicher. Sie führten weder zu einem neuerlichen Aus­bruch noch zu nachweisbaren Reaktionen in den fünf Seestädten.106 Ab 1712 wurde die Bedrohung nur noch vereinzelt wahrgenommen. Die meisten Quellenüberliefe­rungen enden 1713, nachdem die Seuche in keiner Ostseestadt mehr vorhanden war und die angrenzenden Länder weitgehend pestfrei blieben. 

VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen Die zunächst simple Frage, was mit der Bezeichnung „Pest“ eigentlich gemeint sei, erweist sich bei genauerem Hinsehen als komplexes Feld. Um welche Krankheit oder Krankheiten, denn auch eine Verquickung mehrerer 105  Eckert, S. 17–21. Vasold, Manfred: Pest, Not und schwere Plagen. Seuchen und Epidemien vom Mittelalter bis heute, München 1991. S. 166–171. Schlenkrich. Schmölzer. Werkstetter, Pest, S. 267–292. AHL: ASA, Interna, Pest 10 / 1, Lübscher Rat an Georg Elsperger (E, 30.08.1713): „wan wir aus deßelben Schreiben vom 21 Aug.: [21.08.1713] vernehmen, daß wegen einiger in dortiger guten Stadt sich außernden gefährlichen Kranckheiten ein Hochlöbl:. reichconvent sich ad interim nach Augspurg begeben werden: So möchten wir gerne benachrichtiget seyn, wie unser HH es bey sothanen ümbständen halten, u: unser votum versehen laßen, auch ob, u. welchergestallt von augspurg ab die correspondence werde continuiret werden, worüber eine förderliche antwort erwarten wolten:“ 106  Grundlegend: Frandsen (2010). Zapnik (2007), S. 33–57. Hanssen, Peter: Geschichte der Epidemien bei Menschen und Tieren im Norden. Nach Untersuchungen ausgehend von Schleswig-Holstein, Glückstadt 1925, S. 97–113.

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A. Einleitung

Abb. 1: Pestverlauf im Ostseeraum (Städte in Auswahl)

Krankheiten ist möglich, es sich gehandelt hat, lässt sich aus den Schriftquellen und den Diagnosen der Zeit nur un­ zureichend erfassen. Der Versuch, anhand historischer Beschreibungen auf heute nachweisbare Krankheiten zu schließen (retrospektive Diagnose) steht vor min­ des­ tens vier großen Problemen. Zunächst ist eine beträchtliche Unklarheit über den Namen der Seuche festzustellen. Bei der Gleichsetzung früherer Seuchen mit heutigen Krankheitsformen wird oft über­sehen, dass das aus dem Lateinischen stammende „pestis“ ursprünglich lediglich die Wörter „Seuche“, „Unheil“, „Übel“ bezeichnet.107 Das heißt, jede Krankheit, die viele Men­schen befiel, an der viele der Befallenen starben und die ein größeres Gebiet um­fasste, konnte 107  Diese Ungenauigkeit existiert auch in anderen Sprachen, etwa im heutigen Englisch. Plague be­zeich­net die Pest, aber auch andere Seuchen, so dass Car­michael (Carmichael, S. 12) in ihren Ausführungen über weitere Seuchen von „nonplague plagues“ sprechen muss.



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen 43

als Pest bezeichnet werden und wurde es „zum Leidwesen vieler Historiker heutzutage“ auch, was zu einer allgemeinen Unschärfe in der Begrifflich­keit führte.108 So äußert sich das Nürnberger Ärztekollegium in einem Gutachten von 1634 wie folgt: „Es ist aber zu wissen, daß die Pest nicht nur eine besondere Krankheit sey, sondern es werde eine jedwede Krankheit als Durchbruch, Bräune, Fleckfieber, Ruhr, Hauptfluß, Schweiß, Herzschwachheit und andere Beschwerung, wann sie viel Leut mit einander auffrißt, eine Pest benamset.“109

Als Rest dieser universellen Nutzung finden noch heute Ausdrücke wie „das stinkt wie die Pest“ oder „jemandem die Pest an den Hals wünschen“ Verwendung, bei denen vorrangig die Bedeutung „schlecht, böse“ und nicht die konkrete Pesterkran­kung gemeint sind. Die Angaben in den ausgewerteten Quellen legen nicht den Ver­dacht nahe, es handele sich um eine genau abgegrenzte Krankheit, die mit der durch das Bakterium Yersinia pestis hervorgerufenen identisch ist. Die Begriffe „Pest“, „Pestilentz“, „häuffiges / schleuniges Sterben“, „Sterbensläuffte“, „Contagion“, „lei­dige / schädliche / böse Seuche“ stehen gleichberechtigt neben­einander und enthalten alle die allgemeine Bedeutung „Seuche“, entsprechen aber nicht einer speziellen Krankheit.110 Im Sinne des lateinischen „pestis“ wird der Begriff auch im Tagebuch des Stralsunder Klosterschreibers Drews benutzt: „Dieses 1710. Jahr [sind] schon über 600 Kinder alhir in d Pockn gestorbn, Mag es derohalbn woll ein Pestjahr vor die Kinder heißn.“111 Erschwerend kommt häufig hinzu, dass mehr als eine Seuche an einem Ort zum gleichen Zeitpunkt auftreten konnte, gefördert durch die geschwäch­ten Abwehrkräfte der Bevölkerung, wodurch eine genaue Bestimmung einzelner Krankheiten zusätzlich behindert wird.112 Somit kann leicht jede Erwähnung einer Krankheit mit vielen Todesopfern als „Pest“ gedeutet werden. Sichere Erkenntnis108  Ulbricht, Einleitung, S. 17. Vgl. Carmichael, S.  15 ff. Horn, Herwarth / Kolle, Dietmar: Feuer und Rauch in der Seuchenbekämpfung. Teil 1. Zur Geschichte der Luft- und Raumdesinfektion von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert (Sonderschriften der Akademie gemeinnütziger Wissen­schaften zu Erfurt 23), Erfurt 1994, S. 3. Kinzelbach, S. 139. Weniger deutlich äußert sich Höhl (Höhl, S. 49). Ihr zufolge deuten die Krankheitsbeschreibungen darauf hin, dass das Bewusstsein einer spezifischen Pester­krankung vorhanden war, gibt aber zu, dass zumindest daneben ein allge­meiner Pestbegriff existierte. 109  Zitiert nach Porzelt, S. 27. 110  So auch Schwarz (1996), S. 10 f. und Werkstetter, Pest, S. 268. 111  Stadtarchiv Stralsund (STAS): HS 384, S. 128. 112  Hierzu: Sournia, Jean-Charles: Discipline du diagnostic rétrospectif, in: Bulst, Neithard / Delort, Robert (Hrsg.): Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles). Actes du colloque de Bielefeld, novembre 1986, Paris 1989, S. 57–64. Kinzelbach, S.  134 ff. Carmichael, S. 18–26.

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A. Einleitung

se lassen sich damit nicht gewinnen.113 Erfolgversprechender als die allein auf Schrift­ quellen beruhende retrospektive Diagnose ist die Auswertung archä­o­lo­gischer Funde. Untersuchungen an der Zahnsubstanz von Toten in einem grie­chi­schen Massengrab haben beispielsweise dazu geführt, dass die von Thukydides in Athen beschriebene Pest um 430 v. Chr. mit großer Wahrscheinlichkeit eine Form des Typhus war.114 Für die letzte Pest im Ostseeraum liegen vergleichbare Funde derzeit nicht vor. Die bislang in Dänemark erzielten Ergebnisse sind widersprüchlich und haben noch keine sicheren Resultate erbracht, so dass eine Untersuchung allein auf die Beschreibungen der Zeitgenossen angewiesen ist, deren Verständnis von Krank­heit ein anderes war.115 Dies führt zum zweiten Problem, der Wahrnehmung von Krankheit: Was ist Gesund­heit, was heißt es, krank zu sein, welche Beschwerden sind normal oder dem Alte­rungsprozess geschuldet, ab wann kann von einer Krankheit gesprochen werden? Diese Fragen wurden nicht nur im 18. Jahrhundert anders als heute beantwortet. Die in den Quellen manchmal zu findende Ansicht, es handele sich nicht um eine anste­ckende Krankheit, sondern um Folgen von Mangelernährung und schlechter Pflege, zeigen, dass Symptome nicht eindeutig zugeordnet werden konnten.116 Es existierte zwar eine Vorstellung, dass es eine eigene Pesterkrankung gebe, für deren Erken­nen sogar ein einigermaßen stabiler Symptomkatalog vorlag, doch wurde für sie keine Schmölzer, S. 6. Der Peloponnesische Krieg. Hg. u. übers. v. Georg Peter Landmann, Düsseldorf (u. a.) 2002: Thuk. II. 47–51. Mitchell-Boyask, Robin: The art of medicine. Plague and theatre in ancient Athens, in: The Lancet 373 (2009), S. 374– 375. Littman, Robert J.: The Plague of Athens. Epi­demiology and Paleopathology, in: Mount Sinai journal of medicine 76 (2009), S. 456–467. Schmitz, Winfried: ­Diagnosen der „Pest“ in Athen (430–426 v. Chr.), in: Meier, Mischa (Hrsg.): Pest. Die Ge­schichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, S. 44–65, hier S. 54–59. Schmitz geht anhand der Symptombeschreibung bei Thukydides davon aus, dass es sich um Formen von Fleckfieber oder eine Vergiftung durch Nahrungsmittel gehandelt hat, während die „Seuche, die wir heute als ‚Pest‘ (bzw. Beulenpest) bezeichnen und die durch das Bakterium Yersinia pestis hervorgerufen wird […] außer Betracht bleiben“ kann. Thukydides’ Darstellung der Seuche wurde stilbildend und von Autoren über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten bei der Beschreibung von Epidemien nachgeahmt. Leven, Karl-Heinz: Pest, ‚Attische‘, in: Leven, Karl-Heinz (Hrsg.): Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005, Sp. 687 ff. 115  Frandsen (2010), S. 16 und 400. Zur Veränderung des Krankheitsverständnisses grundlegend: Cunningham, Andrew / Williams, Perry: Transforming plague: the laboratory and the identity of infectious disease, in: Cunningham, Andrew / Williams, Perry (Hrsg.): The laboratory revolution in medicine, Cambridge 1992, S. 209–244, besonders S. 211–219. 116  Z. B. AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 08.10.1709). 113  Vgl.

114  Thukydides:



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen 45

separate Bezeichnung verwendet.117 Auch musste sich eine Krankheit nicht immer auf die gleiche Weise äußern. Abhängig von Geschlecht, Alter, Ernährung und Lebensweise konnten Symptome variieren. Was heute als verschiedene Leiden er­ kannt wird, konnte durchaus als Erscheinungsweisen einer Seuche aufgefasst wer­den. Das dritte Problem stellt der Erreger selbst dar. Bakterien vermehren sich unter günstigen Bedingungen sehr rasch, weswegen Veränderungen ihrer Erbsubstanz in vergleichsweise kurzen Abständen erfolgen können. Dieses kann für das Bakterium vorteilhaft sein, wenn es sich dadurch besser an die Umweltbedingungen anpasst und beispielsweise gegenüber bestimmten Antibiotika resistent wird, kann aber auch zu einer Abschwächung des Erregers führen. Ebenso verändert sich der menschliche Organismus im Laufe der Generationen und reagiert auf schädliche Umwelteinflüsse. Es ist also zu hinterfragen, ob sowohl Erreger als auch Wirt über einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren in gleicher Weise vorkommen können.118 Zuletzt ist nach der ursprünglichen Intention der genutzten Quellen zu fragen. Oft sind die den auswertenden Historiker interessierenden Angaben nur ein Neben­ pro­ dukt. Zum Beispiel arbeiteten viele Chronisten mit bestimmten Topoi, die vor allem mit der literarischen Tradition in Zusammenhang stehen, also eine rhetorische Be­deutung haben und nicht genau reale Ereignisse reflektieren.119 Häufig war es gar nicht die Absicht, nach heutigem Verständnis korrekt eine Krankheit zu beschreiben, sondern zu deuten. Wenn die Seuche als Sündenstrafe erklärt wurde oder mit ihr die Auswirkungen von Katastrophen auf das menschliche Verhalten und die Brüchigkeit sozialer Bindungen gezeigt wurden, war die Pest ein Mittel zur moralischen Beleh­rung oder Unterhaltung.120 In den fünf Seestädten hat die Seuche um 1710 nur eine sehr überschaubare Anzahl an Krankheitsbeschreibungen hinterlassen. Die vielen Erwähnungen der Pest in Briefen, Verordnungen und Erlassen gehen über die Krankheitsbezeichnung „Pest“ selten hinaus. Diagnosen, welche Aufschluss geben könnten, in welchen Fällen eine Erkrankung als verdächtig zu werten war, finden sich in den Quellen kaum. Ver­ständlicherweise wurde oft versucht, eine Erkrankung im eigenen Hause geheim zu halten, so dass letztlich zwar der Tod, nicht aber der genaue Verlauf durch die Amts­träger festgestellt werden konnte.121 Selbst die Berichte aus dem pestbetroffenen Stral117  Ulbricht,

Einleitung, S. 35. Carmichael, S. 10 f. und 26. Naphy / Spicer, S. 91. Claudia / Ries, Renate: Verkannt und heimtückisch. Die unge­brochene Macht der Seuchen, Basel 1996, S. 55. 119  Bergdolt, S. 69 und 79. 120  Kinzelbach, S. 137 und 153. 121  Zapnik (2007), S. 107. 118  Eberhard-Metzger,

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A. Einleitung

sund sind nicht geeignet, genaue Rückschlüsse zu ziehen. Auf Anfrage des Stadt­kommandanten erläuterte der Regi­ments-Feld­scher Johann Marci in einem Brief das Wesen der Pest: „Waß die allhier Grassirende Seuche anlanget, so berichte Zum Gehorsambsten, dz. solche Kranckheit mit Matticheit, düsung im Kopfe, teilß mit Rücken Wehe, teilß Glieder Wehe, durchfall, etc. antrit, wor auff Kopffwehe erfolget, am andern tage Rasen sie, v. sterben d. anderen Oder dritten tag gahr dar hin, da man den an den ver storbenen Cörpern teilß braune, v. blaue Pflecken fin det, v. bey den Meisten Bubones, am halse, unter den armen Meistens aber unten am leibe, Eß seint in Kurtzen tagen uiele auß der bürgerschafft Gestorben so die eine Stunde Gantz frisch zu sein uermeinet haben umb 6. oder 7. Stunde aber seint sie Todt gewehsen“.122

Auf Anfrage des Rates hatten sich die Stralsunder Ärzte zu den Ursachen und Symp­tomen der Seuche zu äußern: „Alle drei seind der meinung das die Symptomata weren axieates Cordis [Herzensunruhe], Dolores Capitis [Kopfschmerzen], Disenteria [Durchfall], vigilia’ [Wachheit, Unruhe] et Deliria [Bewusstseinsstörungen].“123 Einige Fälle mit „Bulbones [Beulen] als Carbunckeln [Geschwüren]“ waren aufgetreten, „worunter Er [Regimentsmedikus Schröder] primum gradum Pestilentia’ [Pest ersten Grades] verstünde“, auch Dr. Stern gibt einen Fall mit „febres Malignos [bösen Fiebern], […] bei welchn sich Carbunckeln gefunden“, an.124 122  STAS: Rep. 13, 1862, Regiments-Feldscher Johann Marci an Kommandant Schoultz von Ascheraden (R, 25.08.1710). Über die Arbeit und gesellschaftliche Stellung der Barbiere, Feldscher und Bader siehe: Buchholz, Werner: Das Amt der Bader und Wundärzte. Zur Geschichte der Chirurgie in Stralsund, in: GreifswaldStralsunder Jahrbuch 6 (1966), S. 125–162 und 7 (1967), S. 163–210. Stürzbecher, Manfred: Über die Stellung und Bedeutung der Wundärzte in Greifswald im 17. und 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern 17), Köln / Wien 1969. Elkeles, Barbara: Medicus und Medikaster. Zum Konflikt zwischen akademi­scher und „empirischer“ Medizin im 17. und frühen 18. Jahrhundert, in: Medizinhistorisches Journal 22 (1987), S. 197–211. Borner, H.: Die Geschichte des Amtes der Barbiere in der freien Hansestadt Lübeck, Diss. Universität Berlin 1934. Brunn, Walter von: Von den Gilden der Barbiere und Chirurgen in den Hansestädten, Leipzig 1921. Pies, Eike: Eisenbarth. Das Ende einer Legende. Leben und Wir­ ken des genialen Chirurgen, weit gereisten Landarztes und ersten deutschen Arzneimittelfabrikanten Johann Andreas Eisenbarth (1663–1727), Wuppertal 2004. Franke, Gisa: Das Rostocker Stadt­chi­rur­gen­amt – eine Einrichtung der Gerichtsmedizin, Rettungschirurgie und Gesundheitsfürsorge im Wan­del von fünf Jahrhunderten, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 30 (2008), S. 113–142. Franke, Gisa: Zwischen Scherbeutel und akademischen Vorlesungen – Das Amt der Barbiere in Rostock von seinen Ursprüngen im 13. Jahrhundert bis zu seiner Auflösung im 19. Jahrhundert, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 29 (2007), S. 7–36. 123  STAS: Rep. 13, 1862, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (P, 01.09.1710). 124  Ebd.



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen 47

Nachdem sich die Pest zwei Jahre lang ausgebreitet und Städte befallen hatte, die Lübeck relativ nahe waren, wurde dort ab Herbst 1710 intensiv nach verdächtigen Krank­heitsfällen gesucht. Ärzte wie Chirurgen wurden zur Meldung auffälliger Pati­enten verpflichtet, damit der Rat sofort Gewissheit über die Art ihrer Erkrankung er­langen konnte. Ein massenhaftes Auftreten von Krankheiten (Pest) sollte auf diese Weise verhindert werden. Der Arzt Dr. Meno Nicolas Hanneken gab folgenden ver­dächtigen Fall zu Protokoll: Der Sohn einer Wirtin, „ein artiger frischer Knab von 14. biß 15. Jahren“ hatte sich am Morgen des 7. Oktobers unwohl gefühlt und war trotz verabreichter Medikamente zwei Tage später gestorben.125 Die von Hanneken ge­ schilderten Symptome sind ähnlich vieldeutig wie in Stralsund. Hinzu kommt, dass der Arzt die Patienten nicht selbst sah.126 Er ließ sich die Beschwerden und Zeichen von der Mutter berichten und auch die Leiche wurde von der Mutter – erfolglos – nach verdächtigen Beulen und Flecken untersucht. Zwei Schwestern erkrankten ebenfalls, hier zeigten die Medikamente Wirkung. Bei einem der Mädchen entdeckte die Mutter ein „bubo“ (Beule), das auch nach der auf ärztlichen Rat hin erfolgten Be­handlung durch einen Chirurgen bestehen blieb.127 Hannekens Kollege Dr. Johann Gottfried Borgehl berichtete hingegen, „arme Leute [in der Stadt] sterben an contagieusen Kranckheiten“ und bei einigen seien Beulen gefunden worden.128 Über die genaue Beschaffenheit dieser Beulen wird nichts ausgesagt. An­fang Oktober war Borgehl schon zu zwei Patienten gefordert worden, deren erster 48 Stunden später starb, wohingegen die zweite erst nach einer Woche ihrer Krank­ heit erlag. Nach dem Tod fand man an ihren Armen blaue Flecken.  125  AHL: ASA, Interna, Pest 5  /  2, Schreiben des Dr. Hanneken (R, wohl 21.10.1710). 126  Im Gegensatz zu Hanneken war es für den in Bergedorf wirkenden Arzt Dr. Cordes ein Ärgernis, die Kranken nicht selbst in Augenschein nehmen zu können. Er berichtete dem Lübschen Rat während der Seuche in den Vierlanden: „[…] weiln ich aber von allen denen so daran laboriret, Keine gesehen noch viel weniger gesprochen, […] so kann [ich] nichts gewisses davon melden;“ AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 2, Dr. Cordes an Amtschreiber Schumacher (R, 22.12.1713). Zum Selbstverständnis der Ärzte siehe: Elkeles, Barbara: Arzt und Patient in der medizinischen Standes­ literatur der Frühen Neuzeit, in: Benzendörfer, Udo  /  Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Heilkunde und Krankheitserfahrung in der frühen Neuzeit. Studien am Grenzrain von Literaturgeschichte und Medizingeschichte (Frühe Neuzeit 10), Tübingen 1992, S. 131–143. Elkeles (1987), S. 197–211. Knefelkamp, Ulrich: Das Verhalten von Ärzten in Zeiten der Pest (14.–18. Jahrhundert), in: Joerden, Jan C. (Hrsg.): Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin. Bloß ein Mittel zum Zweck?, Berlin (u. a.) 1999, S. 13–39, hier S. 38 f. 127  AHL: ASA, ASA, Interna, Pest 5  / 2, Schreiben des Dr. Hanneken (R, wohl 21.10.1710). 128  Ebd. Schreiben des Lübschen Offizium Sanitatis (P, wohl 02.12.1710). Vgl. AHL: ASA, Interna, Physikat 8 / 3.

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A. Einleitung

Als 1713 in den zwischen Hamburg und Lübeck gelegenen Vierlanden die Seuche ausbrach, erhielt der Lübsche Rat hierzu verschiedene Berichte. Die örtlichen Mediziner beschrieben darin mehrere Krankheitsfälle und erwähnten bei manchen Personen auch das Vorhandensein von Beulen, die jedoch auch auf Hautinfektionen oder Entzündungen hindeuten können. Der Physikus Joachim Biester fasste die Erkenntnisse zur Krankheit Ende des Jahres zusammen: „[…] die in wehrender Kranckheit sich eußernde Symptomata, welche alle zusammen eine malignität anzeigen, alß die große Matt= und Müdigkeit, HertzensAngst, duserigkeit, Hefftige Kopf= und Leibschmertzen, da doch der pulß ordentlich schlaget, und keine sonderliche Hitze zu bemercken […] Wie nun diese Zeichen collectivè sumta starcke muthmaßung geben, das nichtes gutes dahinter stecke, zu wohl bey itzigen gefährlichen Leufften, wird man am sichersten gehen, wen man auf eine thunliche Ahrt und weise den Umbgang mit diesen Leuthen hemmet, damit das Besorgliche übel allenfals nicht weiter umb sich greiffe“.129

Bei den Vorkommnissen aus Lübeck handelt es sich wohlgemerkt nicht um „rich­tige“ Pestfälle, sondern um solche, die als problematisch galten. Es blieb bei verein­zelten Todesfällen und das obwohl die Kranken nach ärzt­ licher Aussage Merkmale einer Pesterkrankung aufwiesen. Nun sind die in Lübeck, Holstein wie auch in Stralsund beschrie­benen Kopf- und Rückenschmerzen, Durchfall und Unruhe sehr allgemeine Merk­male. Schwellungen treten auch ohne Pest auf und jede Leiche weist nach einer ge­wissen Zeit Flecken auf. Um es nochmals zusammenzufassen: Anhand der Schrift­ quellen lässt sich keine Krankheit eindeutig in heutige Beschreibungsmuster einord­nen.  Dabei wird hier von der Aufrichtigkeit der Quellen ausgegangen. Es wird an­ge­nom­men, dass Ärzte und Barbiere eine als Pest erkannte Krankheit auch als solche be­ nannten und ihrem Stadtrat meldeten. Was aber, wenn dies nicht der Fall war? Mög­ licherweise hatten sie selbst Angst vor der Wahrheit, fürchteten Konse­quenzen, wenn ihre Mittel im Angesicht der Pest versagten oder ihnen besondere, gefährliche Aufgaben zugemutet wurden. Das Gegenteil ist ebenso denkbar. Eine schnelle Be­ stimmung der Krankheit als Pest, wider besseres Wissen, hätte frühzeitige Maßnah­men des Magistrats beschleunigen können und ist anzunehmen, wenn die geografi­ sche Ausbreitung der Seuche ein Übergreifen auf die Stadt wahrscheinlich machte und die Abwehr bereits davor wirksam sein sollte. Denn was im großen Maßstab zwischen den Obrigkeiten praktiziert wurde, kann auch innerhalb einer Stadt Anwen­dung gefunden haben. Nachweislich verschlei129  AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 2, Schreiben des Physikus Joachim Biester (vermutlich an Lübschen Rat) (K, 24.10.1713).



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen 49

erten Stettin und Stralsund ihre Pest und beschwichtigten in Schreiben ihre Nachbarn. Bremen war 1713 mit dem offenen Ärger der kurhannoverschen Regierung konfrontiert, nachdem die Bremer Ärzte trotz zahlreicher Todesfälle die Bezeichnung Pest vehement vermieden: „Denn obgleich secundum distinctionem medicorum es keine formelle Pest zu nennen, so ist dennoch Pest genug, wenn Leute nach wenigtägiger Krankheit plötzlich versterben.“130

Eine im Vergleich zur internen Einschätzung beschönigende Darstellung gegenüber anderen Obrigkeiten lässt sich durch den Abgleich der Beratungsprotokolle nach­ weisen, wohingegen eine (angenommene) Verheimlichung oder allzu frühe Be­stäti­gung einer Pest sich allerdings nicht belegen lässt. Auch wenn sich keine Hinweise finden lassen und die Angaben des medizinischen Personals durch die städtischen Amtsträger nicht bezweifelt werden, sollte dieser Punkt trotzdem als Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Über die Herkunft der Krankheit waren sich die Zeitgenossen vielfach nicht einig und befürworteten teilweise gegensätzliche Bekämpfungskonzepte.131 Aus den innerhalb der fünf Seestädte zum Teil hitzig geführten Debatten um die verschiedenen Erklä­ rungsweisen leiteten sich entscheidend unterschiedliche Schlussfolgerungen ab, worunter effiziente und schnelle Maßnahmen litten. Zwei Theoriebereiche, die Miasma- und die Kontagionstheorie, lassen sich hier wie im allgemeinen Diskurs ausmachen, die sich gegenüberstanden, aber auch teilweise ergänzten und deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit erst durch die Entwicklung leistungsfähiger Mikroskope und die Entdeckung der Kleinstlebewesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eindeutig entschieden wurde. Gemeinsam war beiden Theorien, dass die Seuche als Strafe Gottes aufgefasst wurde, um die sündigen Menschen zu züchtigen und zur Umkehr zu bewegen. Diese grundsätzliche Deutung war Konsens, auch wenn sich die Miasmatiker zumeist ausdrücklich auf sie beriefen.132 Wenn die Seuche gerade­wegs eine Reaktion Gottes auf Sünden war und unmittelbar von ihm veranlasst wurnach Schwarz (1996), S. 67. Johann: Der Ursprung der Pestilenz. Zur Ätiologie der Pest im loimographischen Diskurs der frühen Neuzeit (Medizin, Kultur und Gesellschaft 2), 2. Auflage, Wien 1999. Schwarz (1996), S. 9. Schwarz verweist darauf, dass die Diagnose „Pest“ in der kalten Jahreszeit dadurch erschwert wurde, dass dunkle Hautverfärbungen, die als Zeichen einer Pest galten, sowohl durch eine Krankheit, als auch durch Erfrierungen hervorgerufen werden konnten. 132  Vgl. zur Deutung der im Alten Testament erwähnten Seuchen: Lieber, Elinor: Old Testament „Leprosy“, Contagion and Sin, in: Conrad, Lawrence I. / Wujastik, Dominik (Hrsg.): Contagion. Per­ spec­ tives from Pre-Modern Societies, Aldershot (u. a.) 2000, S. 99–136. Siehe auch Schluchtmann, S. 226–235. 130  Zitiert

131  Werfring,

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A. Einleitung

de, dann war es einleuchtend, dass die direkte Hinwendung in Form eines ge­änderten Lebenswandels und durch Gebete sowie Gottesdienste Wirkung zeigen konnte. Und selbst wenn man an Ansteckungen, den Sinn von Quarantäne und die Wirksamkeit von Medikamenten, also menschliche Handlungen, glaubte, war dies kein Widerspruch. Denn einerseits konnte sich Gott (indirekt) seiner Schöpfung be­dienen, um die Pest ausbrechen zu lassen, andererseits gab er dem verständigen Menschen Mittel an die Hand, um sich selbst zu helfen.133 Eines dieser Mittel ergab sich aus der Miasmalehre (grch. µιασµα, Verunreini­gung).134 Die seit der Antike anerkannte Theorie geht von der Existenz giftiger Dämpfe aus, die an einem Ort viele Menschen auf die gleiche Weise erkranken las­ sen. Die Dämpfe sollten meist durch Verwesung, aber auch durch ungünstige Planentenkonstellationen entstehen können. In stehenden Gewässern, Sümpfen und Mooren, bei Vulkanausbrüchen, aus Felsspalten und bei der Zersetzung tierischer und menschlicher Körper entwichen diese Dünste besonders gut.135 Durch das Einat­men gelangten sie in den Körper und ließen den Patienten innerlich verfaulen. Als Gegenmaßnahme waren Unrat und Kadaver wegzubringen und möglichst tief in der Erde zu verscharren, wo sie keine Dämpfe mehr aussondern konnten. Wenn aber die Luft bereits verseucht war, stand die Flucht an oder man vertrieb die schlechte Luft durch Wind oder Rauch, womit die Gefahr gebannt werden konnte.136 Eine Einschlep­pung in andere Gebiete war ausgeschlossen, da die Dünste nicht an Men­ schen, Kleidung oder Handelswaren haften konnten, sondern ausschließlich an einem Ort verblieben. Aus diesem Grund lehnten die Anhänger dieser Theorie Qua­ rantäne­ maßnahmen und Handelsbeschränkungen als sinnlos ab.137 Ent­ 133  Kupferschmidt, Hugo: Die Epidemiologie der Pest (Gesnerus Supplement 43), Aarau / Frankfurt am Main / Salzburg 1993, S.  9. 134  Ulbricht, Otto: Die Pest – medizinisch  / medizinhistorisch, in: Ulbricht, Otto (Hrsg.): Die leidige Seuche. Pest-Fälle in der Frühen Neuzeit. Köln / Weimar / Wien 2004, S. 326–332. Leven, Karl-Heinz: Von Ratten und Menschen – Pest, Geschichte und das Problem der retrospektiven Diagnose, in: Meier, Mischa (Hrsg.): Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, S. 11–32, hier S. 16–23. Potter, Paul: Miasma, in: Leven, Karl-Heinz (Hrsg.): Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005, Sp. 615 f. Jütte, Robert: Ärzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit, München / Zürich 1991, S. 178–182. 135  Ulbricht, Pest, S. 330. Herwarth / Kolle, S. 7. Carmichael (Carmichael, S. 11) verweist auf die in italienischen Chroniken vorkommenden Erklärungsmuster, nach denen Erdstöße die Pest verursacht hatten. Vgl. Corbin, Alain: Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Ge­ruchs. Aus dem Französischen von Grete Osterwald, Berlin 2005, besonders S. 21–34 und 173–184. 136  Hierzu ausführlich: Herwarth / Kolle, S. 34–87. 137  Kupferschmidt, S.  9 f.



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen 51

schei­ dend ist, dass eine Ansteckung ausgeschlossen wurde und nur die Dünste selbst als ge­fährlich galten.  Bereits im Altertum kam die Ansicht auf, dass die Seuche durch Ansteckung von Mensch zu Mensch übertragen werden könne. Im Zusammenhang mit der Pest des 14. Jahrhunderts lassen sich weitreichende contagionistische Maßnahmen nach­weisen, aber erst im 16. Jahrhundert erfuhr die Kontagionslehre ihre wissen­schaftli­che Begründung und Ausformulierung durch den Veroneser Arzt Girolamo Fracastoro, wobei die Frage nach der eigentlichen Entstehung der Krankheit in den Hintergrund rückte.138 Die Anhänger dieser Theorie begründeten ihre Meinung mit­hilfe praktischer Beobachtungen. Seuchen blieben mitnichten an einem einzigen Ort, sondern wurden oft verschleppt. Krankheiten, nicht zuletzt die Pest, waren also an­ steckend und konnten über gewisse Entfernungen verbreitet werden. Der krank­ma­chende Stoff, das Contagium, war folglich in der Lage, an Lebewesen und / oder Ge­ genständen zu haften.139 Als pestfangend galten in den fünf Seestädten vor allem die so genannten rauen Waren. Hierunter fielen (Alt)kleider, Stoffe, Hanf, Flachs, Betten, Federn, Haare und Rauchwerk. Glatte und abwaschbare Gegenstände (z. B. Metalle) hingegen wurden für harmlos gehalten. Es waren also gerade die Güter, in denen sich leicht Ungeziefer verbergen und vermehren kann. Mit der Reinigung dieser Waren bzw. deren Ausschluss vom Handel konnte zugleich die Verbreitung von Flöhen und anderen Parasiten unterbunden werden, welche unter heutigen Ge­ sichts­ punkten als Krankheits­ verbreiter gelten. Mit der Absonderung von Infizierten, Desin­fektion oder Vernichtung gefährlicher Waren und strikter Kontrolle der Ankommenden sollte die Ausweitung der Seuche verhindert werden. Weil aber wegen der geforder­ten Beschränkungen tiefe Einschnitte in das Wirtschaftsleben zu befürchten waren, stieß die Kontagionslehre auf vielfachen Widerspruch. Die historische Wirklichkeit sah bis in ins 19. Jahrhundert ein Nebeneinander beider Theorien, wobei in der Theorie das Miasma, in der Praxis das Contagium dominierte. Die teils heftigen Auseinandersetzungen um die Frage der Ansteckung oder Nichtan­steckung, die noch im 19. Jahrhundert geführt wurden, zeigten 138  Erste Quarantäneverordnungen wurden 1377 in Ragusa (Dubrovnik) erlassen, Venedig richtete 1403 die ersten Quarantänestationen ein. Vgl. Kupferschmidt, S. 12. HerwarthKolle, S.  9 ff. Strasser, Gerhard F.: Ansteckungstheorien der Pest in der Frühen Neuzeit am Beispiel von Girolamo Fracastoro und Athanasius Kirchner, in: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Hrsg.): Gotts verhengnis und seine straffe – zur Geschichte der Seuchen in der Frühen Neuzeit. Ausstellung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, in der Augusteerhalle, in der Schatzkammer, im Kabinett und Globenkabinett vom 14. August bis 13. November 2005 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 84), Wiesbaden 2005, S. 69–77. 139  Kupferschmidt, S. 12. Vgl. Schlenkrich, S. 76–79.

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sich ebenso in den untersuchten Städten.140 Während sich die Verant­wort­ lichen in Stralsund mit der Realität einer Seuche auseinandersetzen mussten und die Diskussionen deshalb hart geführt wurden, blieben die Überlegungen in den anderen Städten friedlicher. Die Gut­achten des Wismarer Stadtphysikus Arend (am 17. September 1710 an das Tribunal, am 30. September 1710 an den Rat) gehen zunächst von einer Anste­ckungsgefahr aus – Arends Hinweise sind „wieder das übel der einschleichenden contagion“.141 Er schrieb, dass an den Toren spezielle Pestwachen postiert werden müssten, die für die Untersuchung der ankommenden Personen und Waren verant­ wortlich sein sollten. Sollte die Seuche doch die Stadt erreichen, so seien Quarantä­nehäuser einzurichten, um eine weitere Ansteckung zu verhindern. Ebenso wichtig war ihm aber die Reinhaltung der Stadt, die er „vor aller faulniß zu proserviren“ suchte. Alles, was durch faule Dünste infizieren kann, sollte fortgeschafft werden: Leichen und Kadaver, ausgenommene Hühner und Gänsegedärm, Blut, Harn, Unflat, tote Hühner, Hunde und Katzen „auch sonst stanck ver ur sachendes“. Die „Heimlich stinckende[n] Gemächer“ seien einmal wöchentlich mit ungelöschtem Kalk zu be­werfen und dann mit Sandsäcken abzudichten. Ungelöschter bzw. Ätzkalk (CaO) war für die Behandlung von Wänden und Fäkalien seit langem allgemein üblich. Unter Zusatz von Flüssigkeit entwickelt er beißende Dämpfe, denen eine desinfizierende Wirkung zugeschrieben wurde. Tatsächlich kann er bei ent­sprechender Dosierung eine desinfizierende Wirkung entfalten.142 Arend schreibt weiter, dass ein Räucher­feuer aus Eiche oder Esche und die Verbrennung von Schwefel und Pech die dann noch vorhandene schlechte Luft vertreiben sollte. Die Brunnen, „sonderlich hiesiges Gruben Waßer[,] rein zu halten“ sei wichtig. Tote Hunde, Katzen, Federvieh und ähn­liches sollten nicht in den noch heute die Wismarer Altstadt durchziehenden Kanal geworfen oder zumindest schnell entfernt werden. Es zeigt sich, dass Arend beide Ansätze bei seinem Gutachten einbezog. Einerseits drängte er auf Verhinderung einer Einschleppung durch Auswärtige und Absonderung Erkrankter (Contagion), andererseits sah er die Orte, an denen Gestank entsteht, als gefährlich an (Miasma). In der Forschungsliteratur hat sich bis heute keine einheitliche Meinung über den Charakter des letzten Pestausbruchs im Ostseeraum gebildet. Während Hanssen in den 1920er Jahren noch weitgehend von einer einheitlichen Pestkrankheit ausging, erkannte er die Bezeichnung doch auch Herwarth / Kolle, S. 9. Abt. III, XIX, 2, 6, Dr. Arend an Wismarer Rat (R, 30.09.1710) und Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Dr. Arend an königlich schwedisches Tribunal (R, 17.09.1710). Vgl. Zapnik (2007), S. 181–190. 142  Herwarth / Kolle, S. 82–84. 140  Vgl.

141  STAW:



VI. Die medizinische Sicht auf die „Pest“ in den Quellen 53

als Kollektivbeschreibung an und räumte ein, dass es sich um andere Krankheiten wie z. B. Influenza gehandelt haben könnte.143 Kroll ging in seiner Untersuchung zu Stade 1990 noch davon aus, es han­dele sich „eindeutig um die Beulenpest“144, kam dann aber nach weiteren Forschun­gen zu einem anderen Ergebnis. Er stellte fest, dass zum einen die Aussagen der Zeitgenossen zu Symptomen oft formelhaft sind, zum anderen sie den Merkmalen der durch Yersinia pestis hervorgerufenen Krankheit widersprechen, so dass „allen­falls Aussagen zur Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung zulässig“ sind.145 Zapnik hingegen meint, trotz der geringen Anzahl der Beschreibungen und der „insgesamt einigermaßen dürftig­[en]“ Aussagekraft der Quellen auf eine Form der heute nach­weisbaren Pest schließen zu können.146 Auch in anderen Städten und Regionen ste­hen die Auswertungen vor diesem grundsätzlichen Problem.147 Desgleichen herrscht in der Betrachtung anderer Seuchenzüge keine Einigkeit darüber, um welche Krank­heit es sich gehandelt hat. Nach der Entdeckung des Pestbakteriums, wodurch ein grundlegender Anreiz für die Medizingeschichte gegeben wurde148, war man doch erst wie selbstverständlich von ein und der­ selben Krankheit ausgegangen, die seit ihren historischen Anfängen im Alten Testament149 über die Antike150 und den Schwarzen Tod des 14. Jahrhunderts bis in die Gegenwart unverändert vorkam. Zweifel an dieser Gleichsetzung kamen erst mit eingehenderen Auswertungen der Quellen. Als einer der ersten zweifelte Ernst Rodenwaldt in seinen Untersuchungen zu Venedig die Übertragung durch den Rattenfloh an und wies darauf hin, dass ge­rade diese Übertragung typisch für die mikrobiologisch nachweisbare Pest ist.151 Wenn diese Sichtweise auch mittlerweile relativiert ist, war sie doch wichtig, um die zunächst angenommene Gleichsetzung kritisch zu hinterfra143  Hanssen,

S. 11. Stefan: Die Pest in Stade 1712 und ihre Opfer, in: Stader Jahrbuch 80 (1990), S. 47–67, hier S. 47. So auch Winkle über die Pest in Hamburg. Winkle, Stefan: Epidemiologische und ätiologische Über­ legungen während und nach der letzten Pestepidemie im Hamburger Raum 1712  /  13, in: Ham­ burger Ärzteblatt 2 (1983), S. 51–57, hier S. 51 und 57. 145  Kroll (2006), S. 126–131. 146  Zapnik (2007), S. 13 und 108. 147  Vgl. Schwarz (1996), S. 11. Schmölzer, S. 68. 148  Dazu ausführlich: Kupferschmidt. Vgl. Höhl, S. 12. 149  Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen, Stuttgart 1985: 2. Sam. 24,13. 150  Hier im 6. Jahrhundert als „Pest des Justinian“ bezeichnet. Prokop: Gotenkriege. Hg. von Otto Veh, München 1966: Prokop, Kriege 2, 22 f. Vgl. Meier, Mischa: Die sogenannte Justinianische Pest und ihre Folgen, in: Meier, Mischa (Hrsg.): Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, S. 86–107. 151  Rodenwaldt, S. 224–258. 144  Kroll,

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A. Einleitung

gen.152 Insgesamt hat sich das Bild in der Forschung nachhaltig gewandelt und ist einer differenzierteren Sicht gewichen. Die Aussagen der Quellen und deren Überlieferung bleiben zu un­genau, als dass mit Sicherheit gesagt werden könnte, die modernen Pestformen hätten in der Geschichte ihre genaue Ent­sprechung.153

152  Kupferschmidt,

S. 1, 157–160 und 171 f. (Carmichael, S. 21) geht trotz dieser Unsicherheiten davon aus, dass Yersinia pestis zumindest einen Anteil an den bekannten Pestzügen hatte. Einige Forscher vertreten weiterhin den Standpunkt, es handele sich um eine Kontinuität der Pest. Zapnik (2007), S. 13 und 108. Frandsen (2010), S. 11–16. EberhardMetzger / Ries, S. 41–56. Eckart und Jütte hingegen sprechen von „verführerischbeängstigende[n] Scheinantworten“ der retrospektiven Diagnose. Ihre rigorose Schluss­folgerung lautet: „Eine wenig ergiebige und zudem spekulative Diagnosestellung aus der Rückschau heraus, die heutige, ebenfalls dem Wandel unterliegende Kategorien zugrunde legt, verbietet sich also und hat in einer professionellen Medizingeschichtsschreibung nichts zu suchen.“ Eckart, Wolfgang Uwe / Jütte, Robert: Medizingeschichte. Eine Einführung, Köln / Weimar / Wien 2007, S. 329 ff. 153  Carmichael

B. Das System der Pestmaßnahmen In einem Vergleich italienischer, deutscher und englischer Gebiete hat Martin Dinges ein Süd-Nord-Gefälle in der zeitlichen und institutionalisierten Entwicklung von Pest­maß­nahmen festgestellt und in diesem Zusammenhang ein Stufenmodell obrig­ keit­ li­ cher Pestbekämpfung entwickelt (siehe S. 375). In ihm beschreibt er den typischen Weg von gelegentlichen, auf das Lokale beschränkten Aktionen hin zur etablierten Pest­gesetz­gebung mit festen Verwaltungsstrukturen und einer regelmäßigen Ab­stimmung mit anderen Territorien. Dinges beschränkt sein Modell zweckmäßig auf wesentliche Faktoren der Pestmaßnahmen und grenzt sich damit von anderen, sehr ausführlichen Systematiken ab.1 Im Folgenden wird überprüft, ob sich die von Dinges angenommene Entwicklungsreihenfolge im Südwest-Ostseeraum wieder­findet und zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Maßnahmen durch die Obrigkeiten durchgeführt wurden.

I. Defensive Pestpolitik 1. Systematische Zugangskontrolle zur Stadt Nachweisbare Reaktionen auf die Pest begannen in den fünf Seestädten erst 1708, wenngleich sich in Ostmitteleuropa schon mehrere Jahre zuvor Fälle von Seuchen ereignet hatten. Früher als in den Städten begegnete man der noch vagen Bedro­hung nur fürstlicherseits. Das zeigen zwei Verordnungen des mecklenburg-schwerin­schen Herzogs vom Januar und Februar 1705, in denen erstmals auf die beginnende Seuche in Großpolen eingegangen wurde.2 Im Untersuchungszeitraum (1708–1713) war es ebenfalls Mecklenburg-Schwerin, welches sich als erste Herrschaft in der Region entschloss, am 9. Januar 1708 eine diesbezügliche Ordnung in Erneue­rung der Edikte 1  Dinges (1994), S. 26. Bulst (1989), S. 30 f. Kinzelbach, S. 229–235. Vgl. die Kritik bei Ulbricht, Einleitung, S. 33. 2  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 20.02.1705). Vgl. dagegen Kinzelbach 1995, S. 16. Der dort beschrie­ bene Entwicklungsvorsprung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städte bei der Etab­lierung von Seuchenmaßnahmen war Anfang des 18. Jahrhunderts erschöpft.

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B. Das System der Pestmaßnahmen

von 1705 zu erlassen.3 Fast zeitgleich und möglicherweise als direkte Reaktion darauf reagierte der Lübsche Rat und informierte mehrere Städte in der Region über die Pestgefahr. Gegenüber dem Greifswalder Rat versicherten die Lübecker „insonderheit auff Unsern Hafen gute Auffsicht“ zu nehmen, während sie die Rostocker und Stralsunder Ratsherren baten, dass Personen und Waren aus Schlesien und Sachsen „auff einige Zeit […] in ihren Gebiethe nicht mögen ein= oder durchgelaßen werden“.4 Konkrete Angaben über die eigenen Maßnahmen unter­ blieben ebenso wie genaue Vorstellungen darüber, wie die Adressaten den Zugang zu ihrem Gebiet kontrollieren sollten.5 Aus der privaten Korrespondenz des Stralsun­ der Stadtarztes Neukrantz6 geht hervor, dass Lübeck seine Landwehren und 3  Die Verordnung wurde 1709, 1710 und 1711 erneuert (AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710) und AHR: 1.1.3.15 – 160, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 16.10.1711); AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 08.09.1710)). Vgl. Masius, Georg Heinrich: Bruchstücke einer Geschichte der Medizinalgesetzgebung im Herzogthum Mecklenburg-Schwerin, Rostock 1812 sowie Masius, Georg Heinrich (Hrsg.): Mecklenburg-Schwerinische Medicinalgesetze, Rostock 1811. Noch vor Mecklen­burg-Schwerin, nämlich bereits 1707, hatte die hinter­pommer­sche Regierung in Stargard mit einer eigenen Verordnung reagiert, wie aus einem Schreiben an den Lübschen Rat hervorgeht (AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, preußisch pommersche Regierung an Lübschen Rat (R, 29.07.1709). Dies überrascht nicht, da Hinterpommern den gefährlichen Regionen näher lag. Auch andere Polen benachbarte Obrigkeiten werden der Seuche zeitiger begegnet sein. Vgl. Landesarchiv Greifswald (LAG): Rep. 6, Tit. 76, Nr. 9a, Vol. I, pag. 2 f., Schreiben der schwedisch pommerschen Regierung an den Golnower, Gartzer, Dammer und Wolliner Rat (E, 07.01.1708). 4  STAS: Rep. 14, 88, Lübscher Rat an Stralsunder Rat (R, 14.01.1708). AHR: 1.1.3.15 – 158, Lübscher Rat an Rostocker Rat (R, 14.01.1708). STAG: Rep. 5, 10626, Lübscher Rat an Stralsunder Rat (K, 14.01.1708) und an Greifswalder Rat (R, 17.01.1708). LAG: Rep. 6, Tit. 76, Nr. 9a, pag. 4 f., Lübscher Rat an Stettiner Rat (K, 14.01.1708 und R, 17.01.1708). 5  Vgl. AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Schreiben des Lübschen Offizium Sanitatis (K, 02.08.1709). Konkrete Belege für eine Existenz geson­derter Kontrolleure gibt es erst im August 1709, als das Offizium Sanitatis den Kriegs­kommis­saren auftrug, in Travemünde für eine ständige Anwesenheit der „examinatores“ zu sorgen, welche die Schiffe anhalten und die Passagiere untersuchen sollten. 6  Dr. Johannes Neukrantz, Stadtphysikus, Mühlenstraße 39, HistStralsund ID: 2082. Vgl. dazu: Labahn, Karsten: Zur Erarbeitung und zur Nutzung des Historischen Informationssystems „PestStralsund1710“, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebensräume und Historische Informationssysteme. Bei­ träge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 12), Berlin 2006, S. 256–264. Zapnik, Jörg: Pest in Stralsund während des Großen Nordischen Krieges 1710 und 1711 und das Historische Informationssystem „PestStralsund1710“, in: Kroll, Stefan  /  Krüger, Kersten



I. Defensive Pestpolitik 57

Grenzen mit Wachen besetzt hatte und polnische Juden sowie Zigeuner an der Einreise hinderte.7 Der Beginn der städtischen Pestmaßnahmen kann damit auf den Januar 1708 datiert werden. Die Grenzen der Seestädte wurden mit Ausnahme Lübecks durch landesherrliches Militär und die zur Wache verpflichteten Bürger be­auf­sichtigt. Letztere wurden spätestens ab Sommer 1709 (Ausbruch der Pest in Danzig) durch gesonderte bürgerliche Kontrolleure mit eigenem Eid und Wachord­nung ergänzt.8 In seinem Antwortschreiben auf den Brief vom Januar 1708 dankten die Rostocker Ratsherren dem Lübschen Rat und betonten, dass alles Nötige bereits getan werde. Dabei wurde gleichfalls vermieden, konkrete Maßnahmen zu benennen oder auf die herzogliche Verordnung einzugehen.9 Äußerlich schien es, als sei Rostock auf alles vorbereitet. Doch erst in der Ratssitzung vom 18. Januar 1708, in der das Lübsche Schreiben und das herzogliche Mandat besprochen wurden, erfolgten seitens der Stadt Maßnahmen bezüglich der Pest, denen zufolge unter anderem der Hafenvogt zu erhöhter Wachsamkeit angehalten wurde.10 Diese allgemein gehaltene Formulie­rung, die eher eine Erinnerung an bestehende Pflichten war, zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine systematische Zugangskontrolle existierte. Für Stralsund war das Schreiben aus Lübeck vom 14. Januar 1708 ebenfalls die erste zu belegende Benachrichtigung über die Pest durch eine andere Stadt und wie in Rostock zeigte sich der Rat alarmiert. Noch am selben Tag regten die Ratsherren auf dem Landtag in Anklam eine bessere Kontrolle der von den polnischen Kriegs­schau­plätzen nach Schwedisch Pommern (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebensräume und Historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 12), Berlin 2006, S. 226–255, hier S. 241–255. Das Historische Informationssystem befindet sich auf der dem Buch beigelegten CD. 7  STAS: Rep. 14, 88, Dr. Nicol. Hanneken an Physikus Neukrantz (R, 31.01. 1708). Ähnlich war auch das Verhalten des Hamburger Rates, der außer der Ab­ ­ weisung polnischer Juden noch keine weiteren Pestmaßnahmen verfügt hatte. STAS: Rep. 14, 88, Dr. Johann Müller an Dr. Henry Stern (R, vermutlich Anfang 02.1708). 8  In Zweifelsfällen wurden die wachhabenden Offiziere und  /  oder abgeordnete Ratsmitglieder mit der Entscheidung betraut, was nicht selten zu Spannungen über die jeweiligen Kompetenzen führte. Vgl. die diesbezüglichen, langwierigen Verhandlungen zwischen Tribunal und Wismarer Rat. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1. 9  AHR: 1.1.3.15 – 158, Rostocker Rat an Lübschen Rat (E, 29.01.1708). 10  AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 18.01.1708. Der Warnemünder Hafenvogt Caspar Danckwertz meldete am 22.01.1708, dass er die Instruktion vor 32 Warnemündern, wohl den wichtigsten Einwohnern, verlesen habe (AHR: 1.1.3.15 – 158, Vogt Danckwertz an Rostocker Rat (K, 22.01.1708).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

kommenden Gefangenen und Ver­wunde­ten an, für die eine generelle Quarantäne vorgeschlagen wurde.11 Der Stralsunder Kommandant wurde ebenfalls informiert und gebeten, niemanden aus den verdächti­gen Orten einzulassen, der nicht vorher von den zu diesem Zweck angestellten städtischen Bedienten untersucht wäre und ausreichend Nachweise vorgezeigt hätte.12 An dieser Stelle wird die politische Situation der Seestädte besonders deut­ lich. Mit Ausnahme Lübecks besaß keiner der Räte die absolute Kontrolle über die bewaffnete Macht in der Stadt und musste sich deshalb mit den Soldaten des jeweili­gen Landesfürsten arrangieren. Dies konnte ein Vorteil sein, wenn landesherrliche Soldaten die Tore bewachten und in Pestzeiten den Verkehr gesondert inspizierten, denn der Stadt entstanden dadurch keine zusätzlichen Kosten. Andererseits war es ein erheblicher Nachteil, weil die Ratsherren bei Unstimmigkeiten keine Befehle er­ teilen konnten und mit dem jeweiligen Kommandanten um Durchsetzung ihrer Vor­stellungen verhandeln mussten. Die Stralsunder Kammerherren ließen die regulären Bedienten (zwei Torschreiber und einen Zöllner) zu sich kommen und belehrten sie, gut auf einkommende Perso­ nen und Waren aufzupassen. Dabei sollten sie dezent vorgehen und wurden an­gehalten, sie „möchtn aber dieses so viel möglich Secretirn v. keine blâme davon machen“.13 Solange die Pest in weit entfernten Gebieten grassierte und noch keine abschließende Entscheidung über die akute Bedrohung Stralsunds getroffen war, blieben die Stralsunder Tore für die meisten Waren und Personen offen. Zwar ließ eine misstrauische Wache Ende Januar 1708 wegen fehlender Papiere einige Laken aus Wittstock nicht passieren, doch befand der Rat, dass die Mark Brandenburg un­ verdächtig sei und die Laken deshalb eingelassen werden könnten: Es „findet E. E. Raht nicht rahtsahm, auch nicht nötig denen bey diesen Fahren interessirenden Laken Händlern einige Difficultät Zu machen“.14 Anfang Februar 1708 veröffentlichte die Regierung Schwedisch Pommerns ein Pa­tent, welches Bettlern, Zigeunern, Landstreichern, Juden und Reisenden aus Polen, Schlesien und Obersachsen den Aufenthalt im Land generell untersagte, weil „bekandt geworden / wasgestalt [in diesen Län11  STAS: Rep. 14, 88, Stralsunder Rat an Landtagsdeputierte (E, 16.01.1708) und Ratsprotokollauszug (R, 16.01.1708). 12  Ebd., Stralsunder Rat an Stadtkommandanten (E, 16.01.1708). Als Nachweis galten „gnug gultige Passe und documenta“, über deren Beschaffenheit und Inhalt sich jedoch ausgeschwiegen wurde. Wahr­scheinlich war den Verantwortli­chen selbst nicht bewusst, woran gute Pässe zu erkennen waren, sofern sie nicht in unverdächtigen Gebieten ausgestellt worden waren. 13  STAS: Rep. 14, 85, Protokoll (P, 17.01.1708). Rep. 14, 88, Ratsprotokollauszug (R, 16.01.1708). 14  STAS: Rep. 14, 85, Protokoll (P, 31.01.1708).



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dern] eine gefährliche Seuche […] grassiren“ solle.15 Nachdem der Stralsunder Rat dieses Patent erhalten hatte, be­schloss er, eine eigene Wachordnung zu formulieren. Bis zu deren Ausformulierung sollten zwei Bürger gegen ein Entgelt als zusätzliche Examinatoren verpflichtet wer­den, denn die bisherigen drei Personen schienen der Aufgabe nicht gewachsen.16 In den folgenden Tagen begann man in Stralsund mit der Aufstellung von je zwei bür­gerlichen Examinatoren an den Toren, die für die Kontrolle des Ver­ kehrs zuständig sein sollten. Probleme ergaben sich, weil zum einen nicht klar war, wo genau die Wachen postiert sein sollten und Schlagbäume, um die Straße abzusperren, noch nicht existierten. Einige Ratsherren rieten, dass der Kommandant je eine Schildwa­che abstellen solle. Sie befürchteten, „dz diese leute wenig od nichts mochten respectiret werdn“, wenn sie ohne einschüchterndes Militär die Untersuchung durch­führten.17 War die Bedrohung zunächst allgemein auf ein großes Gebiet (Polen) bezogen wor­den, so geriet mit Danzig im Herbst 1708 erstmals eine einzelne Stadt in Verruf und dieses mehrere Monate vor dem tatsächlichen Ausbrechen der Pest. Den Rostocker Ratsherren wurde Danzig Mitte Oktober suspekt und so ließen sie den nach Danzig und Königsberg auslaufenden Schiffern kund machen, dass keine ver­dächtigen Per­sonen oder Güter angenommen werden dürften. Bei Zuwiderhandlung drohte man, dass weder sie noch ihre Passagiere und Ladung an Land gelassen würden.18 Aller­dings gibt es keine Hinweise auf eine Verstärkung der Torwachen, obwohl die neuen Anordnungen eine Zunahme des Arbeitsaufwandes für die Wachen vermuten lassen. Erst ab August 1709 sind fünf Soldaten nachweisbar, die durch den Rostocker Rat zur Unterstützung des Hafenvogtes nach Warnemünde beordert wurden.19 Vogt Danckwertz war kurz zuvor aufgefordert worden, „wann schiffe daselbst in den Hafen kommen die darauff seinde u. an land tretende leute fleißig examiniren, und welche davon entweder von Dantzig oder andern verdachtigen ohrtern kommen […] in die schiffe wieder zu rück [zu] treiben“ und konnte diese Aufgabe ohne Beistand nicht bewältigen.20 Während der Beginn der meisten Pestmaßnahmen gut dokumentiert ist, ist beson­ ders deren zeitweise oder gänzliche Aufhebung nur schlecht zu 15  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708). LAG: Rep. 6, Tit. 50, Nr. 432, Vol. I, pag. 17, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708). 16  STAS: Rep. 14, 88, Ratsprotokollauszug (R, 17.02.1708 und 27.02.1708). 17  STAS: Rep. 35, 6, Pfundkammerverordnete an Stralsunder Rat (R, 07.03.1708). So auch in Wismar: STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Stadtkommandanten (K, 03.09.1710). 18  AHR: 1.1.3.15 – 158, Ratsschluss (R, 15.10.1708). 19  AHR: 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 12.08.1709, Punkt 3. 20  AHR: 1.1.3.15 – 158, Ratsschluss (R, 07.08.1709).

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belegen. So infor­ mierten die Lübecker zwar Ende August 1708, dass sie „die ehemalige anstalten hinwieder zu renoviren“ gedachten, aber nicht, wann und wie lange die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen eingestellt worden waren.21 Tribunal und Magistrat in Wismar reagierten erst im November des Jahres 1708 mit nachweislichen Maßnahmen, obwohl sie höchstwahrscheinlich im August durch ein Schreiben des Lübschen Rates über die Seuche in Polen informiert worden waren.22 Das Tribunal wies den Rat an, „insonderheit die zu waßer einkommende Personen“ zu kontrollieren.23 Dieser Umstand war weniger dem besonders seuchengefährli­ chen Seeweg als der Tatsache geschuldet, dass auf Befehl des Tribunals an den Landtoren das Militär die Untersuchung übernahm. Noch vor dem quer zur Hafen­einfahrt liegenden Schlagbaum und bevor sie an Land kommen konnten, hatte der städtische Strandschreiber mit einem vom Tribunal ausgearbeiteten Fragenkatalog alle Ankommenden zu befragen.24 Vermutlich fuhr er hierzu mit einem Boot an die Schiffe heran. Der Schreiber sollte sich dabei der Unterstützung durch so genannte Visitierer bedienen, bei denen es sich um reguläre Warenkontrolleure handelte. Neben der Verstärkung bereits bestehender Kontrollen eröffnete sich eine weitere Möglichkeit, die besonders für die fünf Seestädte interessant war. Mit der Ausrüstung eines Wachschiffes konnten Anreisende frühzeitig auf offener See überprüft und ge­gebenenfalls zur Umkehr gezwungen werden, bevor sie an Land gehen konnten. Erste Anstalten dazu machte die Stettiner Regierung, als sie im September 1709 den Stral­sunder Rat aufforderte, ein Schiff zu stellen, damit der Verkehr mit Danzig unter­brochen werden könne. Im folgenden Briefverkehr erreichten die Ratsherren hinge­gen, dass nicht sie, sondern die Regierung ein Schiff ausrüstete, welches vor Rügen 21  STAS:

Rep. 14, 87, Lübscher Rat an Stralsunder Rat (R, 22.08.1708). war jedoch ein Charakteristikum des Lübschen Rates, bei wichtigen Anlässen gleich­ lau­ tende Schreiben an mehrere Obrigkeiten zu verschicken. In den Lübschen Beständen fehlt zwar der Entwurf des Schreibens vom August 1708, doch finden sich mehrere Antwortschreiben auf einen solchen Brief. AHL: ASA, Interna, Pest 2 / 2, Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 31.08.1708), Libauer Rat an Lübschen Rat (R, 01.09.1708), Kolberger Rat an Lübschen Rat (R, 15.09.1708), Stralsunder Rat an Lübschen Rat (R, 06.10.1708), Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 16.10.1708). Vgl. STAS: Rep. 14, 87, Lübscher Rat an Stralsunder Rat (R, 22.08.1708). 23  STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc II. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 11.12.1708) sowie Abt. III, XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 11.12.1708). 24  Vgl. Matzke, Werner: Aus der Geschichte des Baumhauses – das „hauß auffm Bohm“ genannt, in: Wismarer Beiträge 1 (1984), S. 71–78. 22  Es



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kreuzte.25 Für die Stralsunder bedeutete dies zwei große Vorteile, denn Verdächtige wurden fortan weit vor der Stadt abgefangen, während der städtische Etat durch diese wirkungsvolle Maßnahme in keiner Weise belastet wurde. In Wismar drängte das Tribunal im November 1711 den Rat „Eure erklärung wegen hienauß zu legenden wachtSchiffes so vielmehr zu beschleunigen“.26 Die Ratsherren bestritten in ihrer Antwort nicht die Wirksamkeit eines derartigen Schiffes, gaben aber an, an­gesichts der hohen Ausgaben für die Torwachen über keine Finanzmittel für An­schaffung oder Unterhalt zu verfügen, was die Assessoren letztlich akzeptieren mussten und den Plan eines Wachschiffes aufgaben.27 Im Falle Lübecks kam die Anregung von außerhalb. Die in Glückstadt residierende königlich dänische Regierung warf dem Lübschen Rat Mitte November 1711 unzu­reichende Abwehrmaßnahmen vor und empfahl „ein beständiges Wacht-Schiff auf dortiger Rhede [in Travemünde] […] damit durch alle von inficirten oder verdächtigen Ohrten kommenden Fahrzeugen die Anländung in Zeiten verwehret, und verhütet werden könne, daß weder die darauff befindliche Persohnen in Ihre Stadt oder hiesige Fürstenthümer ferner einschleichen, noch auch ihr etwa geladene wahren herein practisirt werden.“28

Sollten sich die Lübecker nicht fügen, hätten sie „andere mesures“ zu gewärtigen – in freundlichen Worten wurde eine Handelssperre angedroht.29 Vier Tage nach der Verlesung im Rat verteidigte dieser gegenüber den 25  STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 15.09.1709), Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 05.09.1709), Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 22.09.1709), schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 17.09.1709) und Ratsprotokollauszug (R, 20.09.1709). Die Schreiben vom 17.09. und 20.09.1709 zeigen eindeutig, dass die Licentjacht eingesetzt wurde, wohingegen Zapnik annimmt, die Regierung habe eine Ent­ sendung des Schiffes abgelehnt. „Wegen der andern auß Dantzig zu vermuthendn Schiffe, habn Wir zwar es auch in die wege gerichtet, daß die Licent-Jacht heüte von hier außlauffen und so viel mög­lich, die von gefährlichn und inficirtn orthn kommende Schiffe zu rück haltn wirdt,“ und „Sonst höret man Zwar gerne, das die Königl. Regierung die Licent Jagdt verordnet in Sêe zu gehen vndt die passagen zu beobachten […]“. Zapnik (2007), S. 73. 26  STAW: Abt. III, Rep. XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 07.11.1710) und Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (K, 07.11.1710). 27  STAW: Abt. III, Rep. XIX, 2, 6, Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (E, 10.11.1710), königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 11.11.1710). Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 10.11.1710), königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 11.11.1710). Abt. VI, Rep. 5, A, 20, S. 46 links ff. 28  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, königlich dänische Regierung zu Glückstadt an Lübschen Rat (R, 16.11.1710). 29  Ebd.

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Glückstädtern seine bisherigen Maßnahmen und erklärte, dass ein eigens angeschafftes Wachschiff nicht nötig sei, da die Lotsen jedes Schiff rechtzeitig auf See abfängen.30 Eine andere, äußerst perso­nalsparende Methode, den Zugang in die Städte vom Land zu beschränken, war das Aufstellen von Pestgalgen und Verbotsschildern an den Grenzen bzw. an Kreuzungen, an denen ein Verlassen des Hauptweges möglich war. Rostock machte hiervon 1709 Gebrauch und ließ an den Landpässen entsprechende Galgen zur Ab­ schreckung errichten.31 Die meisten rekonstruierbaren Vorgänge über festgenommene Personen und ver­ dächtige Waren betreffen jedoch nicht die über Land Anreisenden. Der Grund liegt, besonders zu Beginn der Epidemie, in der Unmittelbarkeit des Seeweges. Wer mit Pferd, Wagen oder zu Fuß durch das Land reiste, war in den durchzogenen Orten und an verschiedenen Grenz­ übergängen den Kontrollen der lokalen Machthaber ausgesetzt. Es war also anzu­nehmen, dass diejenigen, die auf diese Weise die städtischen Grenzposten erreichten, bereits überprüft und mit Pässen ausgestattet waren. Anders auf See. Hier konnte ein Schiff von einem verdächtigen Hafen in See stechen und die fünf Seestädte direkt ansteuern, ohne zwischenzeitlich kontrolliert zu werden. Dies änderte sich erst, als die Seuche den fünf Seestädten näher kam und mit ihrem Übergreifen auf Schwedisch Pommern die über diesen kurzen Landweg ankommenden Personen ebenso gefährlich werden ließ wie Seereisende aus ent­fernten Ländern. Zu Beginn der Pestepidemie unterschieden sich die Kontrollen nicht von denen, die zu normalen Zeiten üblich waren, denn alle Stadttore und Häfen waren regulär mit Wachen besetzt, die unerwünschte Personen abhalten sollten. Eine Sensibilisierung hin­sichtlich einer Zugangskontrolle lässt sich für das Jahr 1708 deutlich nach­voll­ziehen, doch wurden zunächst die bestehenden Kontrollmöglichkeiten genutzt. Eine Festigung dieser noch kurzfristigen Strukturen fand erst im Laufe des folgenden Jah­res statt, als in allen Seestädten eigene Pestwachen aufgestellt wurden und mit fes­ten Fragenkatalogen die Zugangskontrolle systematisiert wurde.32 30  Ebd., Lübscher Rat an königlich dänische Regierung zu Glückstadt (E, 25.11.1710). 31  St., Fr.: Nachrichten von pestartigen Seuchen und Krankheiten, welche von Zeit zu Zeit in Mecklen­burg um sich gegriffen haben (1339–1709), in: Freimütiges Abendblatt 664 (1831), Sp. 807–810, hier Sp. 810. Vgl. Gaul (2005), S. 103. 32  Fragenkataloge in Wismar ab Dezember 1708 (STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc II, n, 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an schwedischen Reichsrat (K, 11.12.1708)), in Lübeck ab August 1709 (AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 09.08.1709)), in Mecklenburg-Schwerin ab Dezember 1709 (ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin, (D, 30.12.1709)), in Rostock erst im September 1711 nachweisbar



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2. Pässe Ebenso wie die Zugangskontrolle gehörte die Einführung der Pflicht, sich mit Ge­ sundheitspässen zu versehen, zu den ersten Pestmaßnahmen. Der Zweck bestand darin, die bisherigen Aufenthaltsorte der Reisenden nachzuvollziehen und ihre An­gaben objektiv überprüfen zu können. Die Obrigkeiten (städtische Räte, Fürsten) be­zeugten mit eigener Unterschrift und Siegel bzw. der ihrer Vertreter (Protonotare, landesherrliche Beamte, Pastoren), die Unverdächtigkeit ihres Ortes oder Landes. Neithard Bulst führt in seiner Untersuchung über niedersächsische Städte an, dass Pässe häufig ohne Bedenken herausgegeben wurden und deswegen ihren Nutzen nicht erbrachten. Anstatt nur an vertrauenswürdige Personen und für deren Güter ausgeteilt zu werden, achteten die Behörden vor allem darauf, dass ihre Stadt im Ausland als gesund galt, was durch die Ausgabe von Pässen erwiesen wurde. Bulst kam in diesem Zusammenhang zu der Erkenntnis, dass der tatsächliche Gesund­heitszustand einer Stadt eine weit geringere Rolle als das wirtschaftliche Interesse spielte und Pässe selbst dann herausgegeben wurden, wenn eine Seuche herrschte.33 Dies bedeutet, dass Pässe anderer Obrigkeiten zumeist als unglaubwür­dig galten, weil sie ihr Eigeninteresse des offenen Handels über das Gemeinwohl und eine Eindämmung der Seuche stellten. Für das hier betrachtete Gebiet lässt sich dieses nicht erhärten. Den von anderen Obrigkeiten herausgegeben Pässen wurde in den meisten Fällen ausdrücklich ver­traut. Zudem existierte eine deutliche Abgrenzung zwischen den nicht akzeptierten Pässen, die von Privatpersonen (z. B. auswärtigen Warenbesitzern) ausgestellt wur­den und den im jeweiligen Territorium akzeptierten, bei denen es sich stets um Aus­weise anderer Obrigkeiten handelte.34 Bei den trotzdem zwischen verschiedenen Herrschaften vorkommenden Spannungen wegen nicht korrekt ausgefüllter Gesund­heitspässe blieb es (wahr­scheinlich vorher nach herzoglichem Muster befragt (AHR: 1.1.3.15 – 160, „Instructio vor die Thor=Schreiber“ (E, vermutlich 09.1711), vgl. 158, „Instruction nach welcher sich die ietzo mit auff ziehende burgerwache zu richten“ (E, 03.09.1709)), in Stralsund im August 1709 (STAS: Rep. 14, 89, Schreiben der Pfundkammerherren (R, 07.08.1709), in Greifswald im August 1709 (STAG: Rep. 5, 10626, „Instruction wornach sich die verordnete PestCommissare zu richten haben“ (E, vermutlich 08.1709)). 33  Bulst, Neithard: Vier Jahrhunderte Pest in niedersächsischen Städten – Vom schwarzen Tod (1349–1351) bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Meckseper, Cord (Hrsg.): Stadt im Wan­del. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150–1650. Landes­ausstellung Nieder­sachsen 1985, Bd. 4, Stuttgart / Bad Cannstatt 1985, S. 251–270, hier S. 260. 34  Z. B. AHL: ASA, Interna, Pest 7, Ratsschluss (R, 14.10.1711); STAS: Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat und Oberstleutnant Eld-

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meist bei der Androhung von Konsequenzen und nur in Ausnah­ mefällen kam es zu einer einmaligen Zurückweisung.35 Allen Pässen gemein war, dass auf ihnen die Gesundheit des jeweiligen Ortes be­zeugt wurde, aus dem der Reisende gekommen war. Von dessen Wohlbefinden konnten sich die Kontrolleure vor Ort überzeugen, so dass sein Gesundheitszustand nicht im Pass vermerkt wurde. Darüber hinaus gehende Angaben variierten. Eine fortschreitende Präzisierung, derzufolge im Laufe der Zeit immer mehr und immer genauere Angaben erforderlich waren, gab es nicht. Schon im Februar 1708 forderte die vorpommersche Regierung auf den Pässen nicht nur den Namen, sondern auch das Alter sowie die Statur des Reisenden und den Ort des ersten Aufbruchs zu ver­ merken.36 An anderer Stelle wurden zusätzlich die Gesichtsfarbe der Personen, die Beschaffenheit sowie Anzahl der mitgeführten Gegenstände und Handelswaren zur Pflichtangabe, was teilweise durch einen protokollierten Eid der Reisenden bestätigt wurde. Lange vor den biometrischen Pässen heutiger Tage sollten die Kontrolleure damit in den Stand versetzt werden, die Vorzeigenden den Pässen eindeutig zuzu­ordnen.37 Der Nachteil dieser wechselnden Vorgaben bestand darin, dass eine Viel­ zahl von Pässen im Umlauf war, die je nach Aussteller unterschiedlich umfangreich waren.38 Die wichtigsten Angaben waren jedoch stets die Versicherung der ausfüllen­ den Stelle, am Abreiseort gäbe es keine ansteckenden Krankheiten.  Die Sicherheit der Papiere wurde durch das Siegel gewährleistet. Meist handelte es sich um einen aufgedrückten Stempel oder ein Wachssiegel. Beide Methoden waren nicht fälschungssicher. Die Stempel konnten nachstierna (R bzw. K, 11.09.1709), Rep. 13, 1861, Passformular (D, undatiert, wohl 09.1710). 35  Z. B. zwischen Lübeck und Hamburg in (AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 05.02.1710), Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 07.02.1710), Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 13.02.1710) und Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 04.03.1710)), zwischen Lübeck und Stralsund (STAS: Rep. 14, 91, Lübscher Rat an Stralsunder Rat (R, 13.09.1709)), zwischen Rostock und Sachsen-Lauenburg (AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 05.11.1708, Punkt 20) und zwischen Lübeck und Hamburg (AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 4, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 28.03.1711) und Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 30.03.1711)). 36  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708). 37  Die Kehrseite der detaillierten Papiere war ein erhöhter Verwaltungsaufwand, der zu Lasten der Schreiber ging. In Greifswald wurde 1709 daraufhin für den verantwortlichen Diener Johann Gößler eine Arbeitszeit von 6 bis 11 und von 12 bis 18 Uhr festgelegt, in der er das Rathaus nicht verlassen durfte. STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 16.09.1709). 38  Besonders in den Rostocker Beständen befindet sich unter den durch den Hafenvogt ein­ge­schick­ten Berichten eine Vielzahl von Pässen.

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Abb. 2: Vordruck eines Gesundheitspasses aus Schwedisch Pommern von 1710 (STAS: Rep. 13, 1861, Passformular (D, undatiert, wohl 09.1710)).

geahmt werden, während das Wachs von gültigen, alten Pässen entfernt und auf neue unerlaubt angebracht werden konnte. Die Hannoversche Regierung ging deswegen im August 1710 dazu über, einen besonderen Druckstempel zu verwenden und empfahl den Lübeckern ein Gleiches.39 Zwischen Lübeck und Hamburg wurde im November vereinbart, dass nur ein Schreiber zur Unterschrift autorisiert sein sollte, so dass die Echtheit auch durch die Handschrift bestimmt werden konnte.40 Ob ein Pass nur zwischen zwei Orten galt und dann ein neuer ausgestellt werden musste oder ein einziger Pass auch auf langen Touren genügte, darüber gab es unterschiedliche Auffassungen. In Wismar war zunächst vorgesehen, jeden auswärtigen Pass bei der Kontrolle einzuziehen und durch einen eigenen zu ersetzen.41 Diese Methode ließ sich aber nicht durchsetzen, denn bei Stückzahlen von mehreren Tausend waren Pässe ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor für die städtischen Kassen.42 Hier wie an39 AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, braunschweig-lüneburgische Regierung zu Hannover an Lübschen Rat (R, 28.08.1710). Gesiegelt wurde künftig „mittelst einer Ablate, so zwischen den bogen geleget“. 40 AHL, Interna, Pest, 5 / 2, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 04.11.1710); 6 / 2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 07.01.1711) und Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 10.01.1711). 41 STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (D, 27.11.1708). 42 In Greifswald, der kleinsten der fünf Seestädte, kommentierte ein Ratsherr die Debatte um Passzettel: „Sonst wan alle solche leute so auß dem thore gehen; ge-

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derswo wurde es üblich, auf dem alten Pass nur einen Vermerk an­zubringen, dass der durchquerte Ort gesund sei.43 Auf diese Weise konnten alle Passstellen den kompletten Reiseweg nachvollziehen und die Chance, mit einem neuen Pass eine verdächtige Reiseroute zu vertuschen, wurde verringert.44 Wegen der verschiedenen Kompetenzen konnten in den fünf Seestädten bis zu vier Stellen gültige Pässe austeilen. Der Rat war für seine Bürger und Einwohner verant­wortlich, der jeweilige Militärkommandant für die Soldaten, das Greifswalder Hofge­richt für seine Bedienten und die Universitäten für ihre Angehörigen, d. h. neben Professoren, deren Familien und Studenten auch akademische Bediente. Konflikte blieben nicht aus, denn aus Sicht der Räte waren Militär und Universität bei der Ver­gabe von Pässen zu sorglos.45 Die ersten Bestrebungen, Reisende mit ihren Waren wegen der Pestgefahr zum Mit­führen von Pässen zu verpflichten, gingen 1705 von MecklenburgSchwerin aus, Schwedisch Pommern und die fünf Seestädte folgten im Laufe des Jahres 1708.46 Ab diesem Jahr wurden die Passvorschriften in beinahe allen Schreiben der zwi­ schenobrigkeitlichen Korrespondenz erwähnt, wodurch die Bedeutung dieses Themas augenfällig wird. Betroffen waren nicht nur Personen aus verdächtigen Ge­bieten, sondern alle Reisenden. In bestimmten Fällen wurden jedoch diese rigiden Bestimmungen außer druckte Zettel haben sollten. würden wier mit 3000 nicht weit reichen, sondern will viermal soviel haben müßen und ein solches Zettel könte auff 6. a 8 tage gelten.“ STAG: Rep. 5, 10626, Schreiben des Ratsherrn „D. J. S.“ (R, 28.08.1709). 43  Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 158, „Instruction nach welcher sich die ietzo mit auff ziehende burgerwache zu richten“ (E, 03.09.1709); 160, Reisepass (D / R, 06.11.1710– 08.11.1710). 44  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (D, 27.11.1708). 45  Z. B. kam es zwischen Rat und Universität in Greifswald zu einem ausufernden Streit, da die Akade­mie einen Gesellen aus dem infizierten Stockholm aufnahm und ihn in der eigenen Druckerei anstellte. Doch der Rat wurde von der königlichen Regierung unterstützt, welche mit Schreiben vom 28.11.1710 der Universität unmissverständlich bedeutete, sich „der denen Städten anvertrauten Pest­auffsicht […] zu conformiren“ und den Mann an die Stadt auszuliefern. Universitätsarchiv Greifswald (UAG): R 267, schwedisch pommersche Regierung an Universität Greifswald (R, 28.11.1710). Vgl. Universitätsarchiv Rostock (UAR): R I B 10. Pässe des Tribunals oder Unstimmigkeiten deswegen sind nicht überliefert. 46  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung Herzog Friedrich Wilhelms von Mecklenburg-Schwerin (D, 20.02.1705); STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, schwedischer Reichsrat an königlich schwedisches Tribunal (R, 23.10.1708); Abt. III, XIX, 2, 6, Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (D, 27.11.1708); AHR: 1.1.3.15 – 158, Ratsschlüsse (R, 15.10.1708); STAS: Rep. 14, 87, Ratsproto­koll­auszug (R, 17.10.1708); 14, 89, Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 01.08.1708); STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an Lübschen Rat (E, 26.01.1708); AHL: ASA, Interna, Pest 2 / 2, Greifswalder Rat an Lübschen Rat (R, 26.01.1708).



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Kraft gesetzt.47 In Wismar und Rostock wurden Adlige, Geistli­che, Pensionäre und deren Angehörige von der Passpflicht ausgenommen, sofern sie bekannt waren und auf entsprechende Nachfrage der Wache „auf ihre Ehre u. Gewißen versicherten“, dass weder sie noch ihre Begleitung oder mitgeführten Sa­chen verdächtig seien.48 Bauern aus der Umgebung benötigten in Rostock keine Papiere, wenn sie auf die Frage nach ihrer Herkunft „richtige antwort gegeben haben; und dabey sonsten kein Zweiffel verspüret wird“.49 In Schwedisch Pommern galt seit Februar 1708, dass Angehörige des schwedischen Militärs auf Befehl der Landesregierung von der Passpflicht befreit waren.50 Nach Greifswald erhielten die Soldaten, die dem Oberbefehl des vorpommerschen General­ gouverneurs unterstan­ den, noch 1710 freien Zugang, sofern sie einen Eid schworen, aus gesunden Orten zu kommen.51 Diese vielfältigen Ausnahmen müssen die Wirksamkeit der Maßnah­men drastisch eingeschränkt haben. Am zuverlässigsten dürften die Passkontrollen bei denjenigen gewesen sein, die aufgrund ihrer fremden Herkunft und Waren Ver­dacht erregten. Auf der anderen Seite nützten die besten Pässe nichts, wenn es sich um Gruppen unerwünschter Personen handelte. Meist galt für „Zigeuner“ und Juden (siehe Kap. D.I), dass sie generell nicht eingelassen wurden, während andere Rei­sende aus infizierten Orten nach Ableistung der Quarantäne aufgenommen wurden. 3. Regelmäßige Opferzählung in der Stadt Vereinzelte Statistiken über Erkrankte und Gestorbene sind in vier der fünf Städte nachweisbar. Ihr Fehlen in Greifswald ist wahrscheinlich auf 47  Schwarz weist für Bremen auf die generellen Ausnahmen für vornehme Reisende hin. Schwarz (1996), S. 36. 48  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, „Pro Memoria“ (E, undatiert, wohl 08.1709). 49  AHR: 1.1.3.15 – 158, „Instruction nach welcher sich die ietzo mit auff ziehende burgerwache zu richten“ (E, 03.09.1709). 50  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708). 51  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 21.09.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 23.09.1710); STAS: Rep. 35, 6, schwedisch pommersche Regierung an Kommandant Schoultz von Ascheraden (K, 23.09.1710); Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 23.09.1710). Wenige Tage darauf wies der Generalgouverneur indes alle Obrigkeiten im Land an, nur Personen mit Pässen einzulassen und schloss Soldaten in diese Entscheidung ausdrücklich mit ein. Eine ähnliche Regelung bestand bereits 1708, als die Stetti­ ner Regierung von allen Reisenden Pässe forderte, allerdings Ausnahmen gestattete für „was von Ihro Königl. May. Armée Kommet“. LAG: Rep. 6, Tit. 76, Nr. 9a, pag. 7 f., schwedisch pommersche Regierung an Kommandant Schoultz von Ascheraden (E, 28.01.1708).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

Quellenverlust zurück­zuführen.52 In den ersten beiden Jahren, als die Pest auf die Territorien an der Süd- und Ostküste des Meeres beschränkt blieb, unterließen es die Räte, sich über Toten­zahlen zu informieren. Die Pest war zu diesem Zeitpunkt weit entfernt und stellte im Bewusstsein der Verantwortlichen keine akute Gefährdung der örtlichen Sicherheit dar. In Lübeck sind erstmals für November 1710 Krankenzettel nachweisbar, die der Krankenbarbier regelmäßig dem Offizium Sanitatis vorlegte und die bis Anfang Feb­ ruar 1711 erhalten sind. Der Barbier gab die Namen der Erkrankten, ihren Zustand, Wohnort und die Bezeichnung ihrer Erkrankung an.53 In Wismar wurden zweimal Listen über den Zustand der Garnison und der Bürgerschaft erstellt, um diese im Ausland zu verbreiten und einen Boykott der Stadt zu vermeiden.54 In Rostock kam es nach der Einnahme der Stadt durch die Dänen im August 1711 zu einer Häufung von Todesfällen, die nicht zu verheimlichen waren. Eine besorgte Anfrage des Strelitzer Herzogs über die tatsächliche Situation erreichte den Rat bereits Ende August, andere wandten sich an den Landesherren in Schwerin.55 Um „der hiesigem Ort angedichteten falschen Blame“ Herr zu werden, beauftragte der Rat die Medizini­sche Fakultät, sich zum Gesundheitszustand Rostocks zu äußern. Die Universität verkündete, dass unter den Bürgern keine Contagion herrsche und holte ihrerseits ein Gutachten des dänischen Garnisonsmedikus über die Anzahl erkrankter däni­scher Soldaten ein.56 Das Schreiben der Universität mit den darin erhaltenen Kranken­zahlen schickten die Rats52  Für 1710 beispielsweise gibt es in den Greifswalder Beständen keine Schreiben aus den Monaten April und Mai, aus dem Juni und Juli lediglich sechs Schreiben. 53  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Schreiben des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 16.12.1710–29.12.1710); 6 / 1, Schreiben (R, 01.11.1710–03.02.1711); 7, Krankenzettel (R, 16.02.1711). 54  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Oberst Posse an königlich schwedisches Tribunal (R, 27.11.1709) und „Specification der jenigen Persohnen, so von der Bürgerschafft, und die darunter sortiren gestorben“ (R, 04.12.1709). Wahrmann, Carl Christian: Das Wismarer Tribunal und die Pestgefahr im Großen Nordischen Krieg. Strategien zur Bewältigung einer Krise (1708–1713), in: Schriftenreihe der DavidMevius-Gesellschaft e. V. 7 (2012), S. 239–263. 55  AHR: 1.1.3.15 – 160, Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz an Rostocker Rat (R, 22.09.1711). Der Herzog wies darauf hin, dass „wegen solchen bruits in der Marck Brandenburg bereits die Mesures genommen, und die Gräntz postirungen gegen die Mecklenburgsche Lande von neuen reguliret worden“, womit er dezent aber un­ miss­ verständlich mit Beschränkungen bzw. Totalboykott drohte. Der dänische und der preußische König hatten direkt an Herzog Friedrich Wilhelm geschrieben. herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 05.10.1711). Vgl. Bernitt, Hans: Zur Geschichte der Stadt Rostock. Rostock 2001, S. 188. 56  AHR: 1.1.3.15 – 160, Schreiben der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock (R, 26.09.1711).



I. Defensive Pestpolitik 69

herren an den Herzog von Mecklenburg-­Strelitz.57 Da es zu keiner umfassenden Seuche innerhalb Rostocks kam, dürfte die Ansicht der Fakultät richtig gewesen sein, dass es sich nur um Fälle von Durchfall, vermutlich aufgrund schlechter Ernährung, und nicht um eine ansteckende Seuche handelte. Für Stralsund ist eine große Zahl statistischer Angaben zu vermuten und die erhalte­nen Zettel, auf denen die Ärzte und Barbiere den Zustand von Bürgerschaft und Garnison angeben, bestätigen dies. Der größte Teil ist jedoch verloren gegangen.58 Erste erhaltene Angaben gibt es ab Januar 1711, doch wurden schon im August 1710 die Barbiere verpflichtet, so genannte Gichtzettel auszustellen, auf denen die Ergebnisse ihrer Besichtigungen vermerkt waren.59 Die Schreiben der Ärzte und Barbiere der Stadt wurden wöchentlich erstellt, während Regimentschirurg Marci seine Zettel sogar täglich ausfertigte.60 Da es auch nach dem offiziellen Ende der Pest in Stralsund zu verdächtigen Todesfällen kam, setzte die Regierung im Juni 1711 Kommandant Schoultz als Oberaufseher über Stralsund ein. Ein unmittelbares Ergebnis dieser Machtverschiebung war erneut eine wöchentlich regelmäßige Auf­ stellung aller Erkrankten, zu deren Zweck alle Ärzte und Barbiere dem Rat Zettel ab­lieferten.61 Diese Atteste sind bis Mitte Mai 1713 nachweisbar, wobei die Lücken in der Überlieferung allerdings erheblich sind.62 In Lübeck setzte das Gesundheits­kollegium im Dezember fest, dass der Krankenbarbier zweimal wöchentlich Berichte über seine Patienten abgeben sollte.63 Da die Zettel nicht immer Auskunft geben, seit wann die Personen erkrankt waren und ob sie wieder genasen, ist ihre Aussage­kraft stark beschränkt, zumal nicht ersichtlich ist, welches Leiden sie hatten und ob es sich um eine Seuche oder sonstige Erkrankungen handelte. Eine darüber hinaus­gehende statisti57  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz (E, 26.09.1711). 58  Zapnik (2007), S. 223. 59  STAS: Rep.  14, 91, Protokoll des Stralsunder Collegium Sanitatis (P, 23.08.1710). Die Stettiner Regierung verwies Anfang Oktober auf „eine [der Regierung] communicirte liste wegen der täglich sterbenden“, welche „Unß […] nicht wenig entsetzet“. Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 04.10.1710). 60  STAS: Rep.  13, 1862, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (P, 01.09.1710), vgl. Rep. 14, 83, Ratsprotokollauszug (R, 20.10.1710). Eine einzelne Aufstellung der Garnisonskranken listet 148 Männer und ihren Aufenthaltsort auf (Rep. 33, 1109, Schreiben von G. Grubenhielm (R, 21.10.1710). 61  STAS: Rep. 14, 83, Stralsunder Collegium Sanitatis an Stralsunder Rat (R, 27.09.1711 sowie R, 02.11.1710). Zapnik (2007), S. 265 f. 62  Zapnik (2007), S. 267. STAS: Rep. 14, 31. 63  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, Protokoll des Lübschen Offizium Saniatis (P, 19.12.1710) sowie 6 / 1, Krankenzettel (R, 01.11.1710–03.02.1711).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

sche Erfassung des Gesundheitszustandes in den Seestädten ist nicht belegbar. Demzufolge wurde eine Opferzählung nur bei nachgewiesener inner­ städtischer Seuche für nötig befunden bzw. wenn im Ausland Gerüchte umliefen, zu deren Entkräftung Statistiken hilfreich waren.

II. Aktive Pestpolitik 1. Überwachte Abtrennung der Kontaktpersonen und In­fi­zier­t­en von Gesunden in Privathäusern ohne Ausnahme Bei erwiesenen Seuchenausbrüchen war die Separierung von Kranken in Privat­häu­sern ein wichtiger Schritt, den Kontakt zwischen ihnen und den Gesunden zu ver­ meiden. Außer in Stralsund, wo das Vorhandensein der Seuche zu diesem Schritt führte, gibt es keine Belege, dass eine Separierung der Kranken in ihren Häusern behördlich geregelt wurde. Selbst in Lübeck, wo Ende 1710 mehrere verdächtige Todes­fälle auftraten und etliche Krankenzettel sowie Protokolle der Gesundheits­behörde erhalten sind, beschränkte sich die Arbeit der Verantwortlichen darauf, die Fälle zu registrieren.64 Da es in vier der fünf Seestädte zu keiner flächendeckenden Ansteckung kam, gab es hier keinen Anlass zu einer derartigen Maßnahme. Vor­sorglich gab es zwar Überlegungen, wo zweckmäßig Häuser für die Erkrankten (Pesthäuser) errichtet werden konnten, doch wurde eine private Abtrennung nicht in Betracht gezogen. Dies hätte bedeutet, die Kranken in ihrem normalen Umfeld zu belassen, wo ihr Umgang mit anderen Personen für die Obrigkeit nicht kontrollierbar war. Anders als im Dinges-Modell angenommen, war die private Isolation in Stralsund nicht der erste gegangene Weg vor der Nutzung öffentlicher Hospitäler, sondern eher eine ungewollte Notlösung. Auf den ersten Blick erscheint die Privatseparierung be­sonders vorteilhaft, denn diese erzeugt keine zusätzlichen Kosten (Krankenwärter, Bau eines Pesthauses). Der klare Nachteil dieser Methode bestand jedoch darin, dass die Erkrankten und ihre Angehörigen sich nicht an die stigmatisierende Isolie­rung hielten. Um die Isolierung aufrecht zu erhalten, wären vor jedem Kranken-Haus Wachen notwendig gewesen. Ein zentrales Hospital konnte dagegen leichter über­ wacht werden. Die Stralsunder Ärzte vermuteten diesen Unwillen wahrscheinlich und regten im August 1710 beim Rat zunächst an, für die Kranken 50 Wohnun64  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Protokolle des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 16.12.1710–29.12.1710).



II. Aktive Pestpolitik71

gen bereitzustellen, so dass die Patienten zwar von den Gesunden getrennt werden konnten, aber unter­einander nicht in Kontakt kamen, um eine Ansteckung derjenigen zu verhindern, die unschuldig verdächtigt wurden. Der Rat nahm den Vorschlag nicht an und plädierte frühzeitig für die Herstellung separater Pesthäuser.65 Angesichts der rapide ansteigen­den Krankenzahlen reichten die Kapazitäten in den vom Rat vorgesehenen Pesthäusern bei weitem nicht aus. Selbst wenn Angehörige einen Pestfall meldeten, musste ein Großteil der Erkrankten in seiner Wohnstätte bleiben. Gegenüber dem Stralsunder Collegium Sanitatis kam es im Oktober 1710 zu massi­ver Kritik, da die Verantwortlichen nicht in der Lage waren, die Isolierung aufrecht zu erhalten und den Kontakt mit anderen Einwohnern zu unterbinden.66 Ein Problem war, dass das Collegium die Versorgung der Eingeschlossenen mit Nahrung nicht gewährleisten konnte, weswegen der Rat sich an den Stadtkommandanten wandte und um Leute bat, die Lebensmittel auf öffentliche Rechnung einkaufen und zu den Eingeschlossenen tragen könnten.67 War dieses organisatorische Problem grundsätz­ lich zu lösen, so schaffte es die Obrigkeit während der gesamten Epidemie nicht, das zweite Problem zu lösen, welches in einer mangelnden Zusammenarbeit bestand. Zu verschieden waren die jeweiligen Interessenlagen. Ärzte und Barbiere gaben nicht wie vorgeschrieben an, welche ihrer Patienten pestverdächtig waren und kaum jemand war bereit, die Absperrung zu vollziehen. Die Gassenläufer verweiger­ten aus Furcht die Tätigkeit, die Portanten lehnten den obligaten Schwur ab, Ge­sunde von Kranken zu trennen, woraufhin der Rat die Gerichtsdiener mit dieser Auf­gabe betraute.68 Ein weiteres Problem war, dass in den Häusern nicht nur Zivilisten, sondern vielfach Soldaten mit ihren Familien wohnten. Eine Zusammen­ arbeit ziviler und militärischer Seuchenabwehr existierte nur rudimentär, so dass grundsätz­ liche Kompetenzprobleme bestehen blieben. Das Collegium Sanitatis beschloss einen Mittelweg und verfügte, dass infizierte Personen in ihren Wohnungen bleiben sollten und ein Haus nur dann verschlossen werden sollte, wenn es bereits ausgestorben sei.69

65  STAS: Rep.  13, 1861, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 01.10.1710). Zapnik (2007), S. 133. 66  STAS: Rep.  13, 1861, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 01.10.1710). Zapnik 2007, S. 135. 67  STAS: Rep. 13, 1861, Ratsprotokollauszug (R, 02.10.1710). 68  Zapnik (2007), S. 136. 69  Ebd., S. 136 und 181.

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B. Das System der Pestmaßnahmen

2. Einrichtung von Pestspitälern In allen fünf Seestädten kam es 1710 unter dem Eindruck der vorrückenden Seuche zu Überlegungen über die Gründung von Häusern, in denen Verdächtige Quarantäne halten, Kranke gepflegt wurden bzw. abgetrennt von den Gesunden sterben konn­ten.70 Da die Seuche in vier Städten gar nicht ausbrach, waren die Unterkünfte in erster Linie für Reisende gedacht, deren Ungefährlichkeit sich noch nicht erwiesen hatte. Folglich wurden die meisten Häuser, bei denen es sich um Holzbaracken han­delte, an den Häfen gebaut. Lübeck errichtete seine Baracken in Travemünde auf dem Leuchtenfeld, in Rostock wurden sie gegenüber Warnemünde am östlichen Warnowufer gebaut. Der Greifswalder Rat ließ verdächtige fremde Personen in Wieck die Quarantäne halten und setzte sich bei der Regierung für den Bau eines Militärlazaretts ein.71 Für die Quarantäne fremder Schiffer installierte der Stralsunder Rat auf dem Dänholm eine Station.72 In Wismar, das über keinen vorgelagerten Hafenort verfügt, ergab sich durch das enge begrenzte Stadtgebiet inmitten mecklenburgischen Territoriums ein Platz­ prob­ lem. Durch die ausgedehnten Befestigungsanlagen, die Wismar zu einer der stärks­ten Festungen des Kontinents werden ließen, gab es keine geeigneten Bau­plätze. Zwar hatte der Rat bereits Ende 1709 „mit nicht geringen Kosten vorm Pöhler thor […] einen Orth Zu Behaltnis der 70  In Preußen führte die Furcht vor der Seuche zur Begründung der Charité, die im Gegensatz zu anderen Pestspitälern zu einer dauerhaften Einrichtung wurde. Fischer, Ernst Peter: Die Charité. Ein Krankenhaus in Berlin. 1710 bis heute, München 2009. Harig, Georg / Lammel, Hans-Uwe: Zur Geschichte der Beziehungen zwischen der Charité und Berlin (1710–1945), in: Harig, Georg: Aufsätze zur Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Hg. von Hans-Uwe Lammel, Marburg an der Lahn 2007, S. 201–215. Vgl. auch Imhof, Arthur E.: Die Funktion des Krankenhauses in der Stadt des 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege 4 (1977), S. 215–242, hier S. 221 ff. Zur Gründung und Ausstattung der in dieser Zeit in Böhmen, Sachsen und Schlesien errichteten Pesthäuser vgl. Schlenkrich, S. 252–266. Jütte, Robert: Vom Hospital zum Krankenhaus: 16. bis 19. Jahrhundert, in: Labisch, Alfons / Spree, Reinhard (Hrsg.): „Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigenes Bett“. Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert. Unter Mitarbeit von Ulrich Koppitz und Norbert Paul, Frankfurt / New York 1996, S. 31–50. 71  STAG: Rep. 5, 10626, Burggraf Cavan an Greifswalder Rat (R, 21.09.1710), Protokoll des Greifswalder Collegium Sanitatis (K, 23.09.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 03.10.1710), Claus Raddas an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710). 72  STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 18.08.1709), schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 13.08.1709). Rep. 14, 91, Schreiben der Bauteverordneten (R, 28.09.1709 (hier genaue Beschreibung der beiden Holzhütten)). Zapnik (2007), S. 72 f.



II. Aktive Pestpolitik73

Krancken“ Soldaten vorgesehen, doch konnte er nicht durchsetzen, erkrankte Soldaten dorthin bringen zu lassen, weil „die officirer alle vorstellungen vor nichtig achten, einen schertz daraus machen, und in der nötigen und geBührenden veranstaltung gar nicht Beytreten“.73 Da der „Orth“ außer­dem aus Mangel an Brennholz nicht beheizbar war und das Militär auch weiter­ hin seine Unterstützung verweigerte, kam es nicht zur dauerhaften Einrichtung eines Lazarettes. Gut ein Jahr später sprach sich Stadtarzt Arend für die außerhalb der Stadt liegen­den Ziegelhütten aus, Generalgouverneur Vellingk plädierte für eine Verlegung Ver­dächtiger in die Amts- und Stadtdörfer.74 Das Tribunal folgte Arends Vorschlag und wies den Rat an, verdächtige Personen entweder in die Ziegelei vor dem Poeler Tor oder „eine von brettern zusammen geschlagene Hütte“ zu verbringen.75 Die Maß­nahme war der Nachbarschaft offensichtlich abgeschaut, denn einen Monat später drängte das Tribunal erneut, dass „ad exemplum den benachbarten Städte, nicht weit vom ufer deß strandes eine Hütte auffgerichtet, und dergestalt aptiret werden müße, daß feuer darin gehalten, und die leute zu ihrer erquickung alda ihren abtritt nehmen können“.76

Ob die Hütte erbaut wurde, ist fraglich, denn in den erhaltenen Vorgängen über qua­rantänierte Schiffer blieben diese stets auf ihren Schiffen. Aus Kostengründen wurde in Greifswald für die Separierung von Bürgern die Nutzung bestehender Gebäude vorgeschlagen.  Die Herren des Gesundheits­ kollegi­ ums trafen sich in dieser Angelegenheit und berieten, welche Häuser außerhalb der Stadt sich eignen könnten.77 Eine Enteignung und Entschädigung der Besitzer sollte das Problem lösen. Doch dieses kam nicht zustande, da die Besitzer glaubhaft versi­ cherten, ohne ihre Häuser ruiniert zu werden, wodurch der Stadt, die ohnehin hohe Kontributionsleistungen für das schwedische Militär aufbringen musste, zahlende Bürger verlustig gegangen wären. Der Rat drängte daher auf Neuerrichtung geeig­ neter Gebäude und erreichte die Lieferung von Bauholz durch die Regie73  STAW: Abt. IV, I, B, 3723, Wismarer Rat an König Karl XII. von Schweden (= königlich schwedisches Tribunal) (R, 02.12.1709). 74  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Dr. Arend an Wismarer Rat (R, 30.09.1710), Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (R, 14.10.1710). 75  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 30.10.1710). 76  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 21.11.1710); Abt. IV, Rep. 1, a, Loc II n 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 21.11.1710). Vgl. Abt. VI, 5, A, 20, Konsulatsprotokoll vom 11.10.1710. Die entstehenden Kosten sollte der Rat aus den Hafengebühren bezahlen, die jeder Schiffer zu entrichten hatte. 77  STAG, Rep. 5, 10626, Schreiben des Greifswalder Collegium Sanitatis (R, 16.09.1710–22.09.1710).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

rung, nach­dem das eigene finanzielle Unvermögen glaubwürdig dargestellt worden war.78 Einzig der Stralsunder Rat richtete unter dem Eindruck der Epidemie in der Stadt mehrere Pest- und Quarantänehäuser ein. Mitte Oktober 1710 erklärte das Collegium Sanitatis, „daß man 2 Krancken Hauser respective angeschaffet und angebauet, ingleichen auch ein quarantaine Hauß, und Wohnungen vor die Wärtherinnen und portanten zu wege gebracht“.79 Zapnik ermittelte insgesamt 24 Gebäude, die zu diesem Zweck genutzt wurden.80 Was die Ausstattung und Nutzungsdauer der Pesthäuser und Quarantänebaracken angeht, so gibt es nur wenige Angaben. Erstere dürften spätestens ab 1713 nach vorheriger Reinigung wieder für ihren ursprünglichen Zweck als Wohn- und Ver­samm­lungs­haus benutzt worden sein, während die nicht mehr benötigten Hütten wahr­­scheinlich abgerissen und die Materialien anderweitig verwendet wurden.81 Durch die nur in Stralsund erfolgende Separierung sind auch nur hier Hinweise auf eine öffentliche Versorgung der Isolierten nachweislich. Über erkrankte Einwohner, deren Wohnungen oder Häuser verschlossen wurden, ist in den anderen Seestädten nichts bekannt. Die wenigen Erkrankten wurden dort innerhalb ihrer sozialen Netze versorgt, ohne dass eine neue behördliche Regelung notwendig wurde. Wer in Stral­ sund der Separierung unterworfen wurde, sollte die Kosten selbst tragen. War dies nicht möglich, mussten Verwandte einspringen und erst wenn diese nicht vermögend genug oder gar nicht vorhanden waren, verpflichtete sich der Rat, die Armen zu ver­sorgen.82 Die genauen Modalitäten sind nicht mehr nachvollziehbar, dürften aber gerade seit der Absperrung Stralsunds durch die Regierung mit er­heb­lichen Proble­men konfrontiert gewesen sein, als die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern für alle Einwohner der Stadt problematisch wurde. Freiwillige Spenden ein­zelner Bürger machten vermutlich den Großteil der notwendigen Finanzmittel aus.83 78  Ebd., Protokolle (P, 24.09.1710–03.10.1710), Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.09.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 1811.1710), Ratsschluss (E, 24.11.1710), Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.11.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 08.12.1710 und R, 22.12.1710). 79  STAS, Rep.  14, 83, Protokoll des Stralsunder Collegium Sanitatis (P, 15.10.1710); vgl. Rep. 13, 1861, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 01.10.1710). 80  Zapnik (2007), S. 133. 81  STAS: Rep. 14, 91, Schreiben der Bauteverordneten (R, 28.09.1709). Auf Abriss und anschließende Weiterverwendung deu­tet eine Direktive aus Rostock hin. AHR: 1.1.3.15 – 160, Verweser der Neuen Kasse an Rostocker Rat (R, 30.06.1713). 82  Zapnik (2007), S. 136.



II. Aktive Pestpolitik75

3. Systematische Desinfektion bzw. Vernichtung des Besitzes von Pest­opfern Zu dieser Form der Bekämpfung konnte es nur kommen, wenn Pestopfer vorhanden waren, also auch hier ausschließlich in Stralsund.84 In den nicht betroffenen See­städten wurde der Besitz der Einwohner keiner planmäßigen Reinigung unterworfen, wenn­gleich einige für den Export bestimmte Handelswaren (vor allem Flachs und Hanf) häufig zur Sicherheit einer speziellen Behandlung unterzogen wurden. Eine Dekontamination importierter Waren war dagegen vielfach üblich und erfolgte über das so genannte Auswittern, wobei die Güter über einen bestimmten Zeitraum Sonne, Wind und frischer Luft ausgesetzt wurden. Sofern es bewegliche Habe Ver­ dächtiger war, die aus dem Ausland angereist und nicht zurückgewiesen worden wa­ ren, wurde diese nicht desinfiziert oder gereinigt, sondern ins Meer versenkt oder an Land verbrannt.85 83

Neben gelegentlichen Vorstößen des Stralsunder Rates zur Vernichtung verdächtiger Waren, deren Art sich nicht von der anderer Magistrate un­ terschied, formulierte Gar­ nisons­ kommandant Schoultz Anfang September 1710 die umfassendsten Regelun­ gen.86 Schoultz konnte seine gutgemeinten Ratschläge jedoch beim Rat zunächst nicht durchsetzen. Zwar dankten die Ratsherren höflich, lehnten jedoch eine schnelle Entscheidung mit Hinweis auf vorherige Rücksprache mit der Bürgerschaft ab und machten deutlich, dass wichtiger als jede Reinigung ein Aus­rücken der Garnison 83  Ebd., S. 146–150. Vgl. die Beschwerde der Viergewerke wegen steigender Lebensmittel­preise in der Stadt und die abschlägige Antwort des Rates auf die Bitte nach Festpreisen: STAS: Rep. 13, 1861, Alterleute der Viergewerke an Stralsunder Rat (R, 26.09.1710), Ratsprotokollauszug (K, 01.10.1710). 84  Zapnik (2007), S. 167–177. 85  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse und den Wismarer Rat (K, 14.02.1711), Johann Hinrich Bahlmann an König Karl XII. (= königlich schwedisches Tribunal) (R, 19.02.1711); Abt. III, XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 14.02.1711 und R, 20.02.1711); AHR: 1.1.3.15 – 133, Jochim Wilcken an Rostocker Rat (R, 11.02.1711 und R, 27.04.1711); Adam Heinig (Heynig) an Rostocker Rat (R, 06.03.1711); 160, Verhörprotokoll (P, 19.01.1711); STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 03.11.1710), Protokoll des Greifswalder Collegium Sanitatis (P, 04.11.1710), Ratsschluss (R, 01.12.1710 und R, 24.11.1710). 86  STAS: Rep. 14, 89, Landrat H. B. Wulffradt an Stralsunder Bürgermeister Zander (R, 07.08.1709), Stralsunder Rat an Tribseer Rat (E, 10.08.1709). Rep. 14, 91, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 22.09.1709). Rep. 13, 1862, Kommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 01.09.1710). Zapnik 2007, S 144 f. Vgl. Rep. 13, 1862, Kommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 02.09.1710).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

sei.87 Schoultz wartete vergeblich auf eine Zusammenarbeit mit dem Rat und be­ schwerte sich schließlich bei der Regierung in Stettin. Diese war daraufhin über­zeugt, dass der Rat „es gäntzlich an gehöriger nachdrücklicher Anstaldt, Unsers rescribiums ohngeachtet“ fehlen ließ und wies ihn an, „das jenige was der H[err] Commendant Zur hemmung der Contagion in Vorschlag bringet, mit Ihm ungesaumt Zu bereden, und fest Zusetzen“, wobei die Verbrennung von Betten, auf denen Seu­chenopfer gelegen hatten, explizit genannt wurde.88 Wenige Tage danach wies die Regierung Schoultz persönlich an, in Stralsund „mit krafftigen nachdruck“ dafür zu sorgen, dass die Habe Verstorbener aus der Stadt gebracht und dort durch Reini­ gungskräfte gesäubert wurde.89 Doch nicht alle Betten wurden außerhalb Stralsunds verbrannt. Im November beschwerte sich der Bürger Philipp Henrich Friedlieb, dass die in der Kramerkompanie stationierten Soldaten „das stroh worauff die Krancke gelegen und gestorben, in die Küche getragen und allda verbrant, welches dan solchen dampf und rauch gab, daß man in meinem Hause fast einen vor den andern nicht sehen konnte, und vor dem heßlichen gestank nicht zu bleiben wuste; […] dadurch nicht allein die Nachbahrschafft, sondern auch die gantze Stadt völlig könte inficiret werden“.90

Erst drei Monate später äußerten sich die städtischen Ärzte zu Reinigungs­ maßnah­men und legten dar, wie Häuser und das darin enthaltene Mobiliar zu reinigen seien.91 Das Collegium Sanitatis veröffentlichte bald darauf eine spezielle Reinigungs­ordnung, mit deren Umsetzung vereidigte Reiniger betraut wurden. Die Kosten der Reinigung sollten die Besitzer der Häuser oder des Mobiliars tragen, das Collegium Sanitatis sprang bei Unvermögen ein oder nutzte die Mittel der landesweit für Stralsund eingeholten Kollekte.92 Mit Einsetzen des Frostes im Januar 1711 be­ gann die planmäßige Reinigung (Räucherungen, Essig- und Laugen­behand­lungen, Lüftungen) in der Stadt.93 87  STAS: Rep. 33, 1109, Stralsunder Rat an Kommandant Schoultz von Ascheraden (E, 02.09.1710). 88  STAS: Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 04.10.1710). 89  STAS: Rep. 33, 1109, schwedisch pommersche Regierung an Kommandant Schoultz von Ascheraden (K, 17.10.1710). 90  STAS: Rep. 14, 93, Philipp Henrich Friedlieb an Stralsunder Rat (undatiert, im Rat besprochen am 19.11.1710). 91  STAS: Rep.  14, 85, Stralsunder Ärzte an Stralsunder Rat (R, vermutlich 12.1710). 92  Zapnik (2007), S. 167 ff. Vgl. Unterricht / Welcher Gestalt Bey Gefährlichen Pest-Zeiten / Die Von der CONTAGION inficirte Häuser zu reinigen, Stralsund 1710. 93  Zapnik (2007), S. 170 ff. Vgl. STAS: Rep. 14, 85, Verordnung des Stralsunder Rates (E, wohl Anfang 12.1710). Rep. 3, 5340.



III. Institutionalisierung77

III. Institutionalisierung 1. Einrichtung einer „Pestbehörde“ Zur Schaffung einer vom Rat ermächtigten Gesundheitsbehörde, welche die Seuchen­abwehr an zentraler Stelle koordinierte, kam es in drei der fünf Städte. Die Lübschen Ratsherren beauftragten schon im Januar 1708 ein Offizium Sanitatis, dessen genaue Zusammensetzung unklar ist.94 Aus dem Schriftverkehr geht ledig­lich hervor, dass es sich um die „ad officium sanitatis verordnete[n] HH. Commiissarien“95 handelte. In Anlehnung an die ebenfalls als „Kommissare“ bezeich­ neten Ratsherren, deren Aufgabe die Verteidigung der Stadt war, dürfte es sich um Mitglieder des Magistrats gehandelt haben.96 Ob die in den Protokollen er­wähnten Ärzte Mitglieder des Offiziums waren oder nur für ihre jeweiligen Berichte angehört wurden, ist fraglich. Die Aufgabe des Gremiums war es, durch Ärzte und Barbiere Nachrichten über den Gesundheitszustand der Lübecker Bevölkerung ein­ zuholen und Abwehrmaßnahmen zu koordinieren. Nicht in den Aufgabenbereich fiel die konkrete Umsetzung der Aktionen. Dies blieb dem Rat als oberstem Gremium vorbehalten, der mit dem Offizium keine eigenmächtige Behörde schaffen wollte, sondern eine ausführende Instanz, die den rät­ lichen Willen umsetzte. Ob vorgezeigte Pässe gültig waren, entschieden folglich die an den Toren diensttuenden Ratsherren. Die Verhöre von Schiffern ordneten die Bürgermeister an, mit denen der Travemün­der Hauptmann ausschließlich korrespondierte.97 Da das Offizium keine Verordnun­gen im eigenen Namen erließ, wurde die Oberaufsicht des Rates nicht angetastet. Die Entstehung des Offiziums konnte nur während der krisenhaften Pestbedrohung erfolgen. Frühere wie spätere Versuche der Ärzte, sich wie in anderen Städten zu einem „Collegium Medicum“ zusammenzufinden, scheiterten am Widerstand des Rates.98 In Wismar war der Rat ebenfalls bestrebt, ein Collegium Sanitatis zu errichten. Eine rätliche Aufsichtsbehörde hätte einerseits die dauernden 94  STAS:

Rep. 14, 88, Dr. Nicol. Hanneken an Physikus Neukrantz (R, 31.01.1708). ASA, Interna, Pest 4 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (R, 02.08.1709) und Schreiben des Lübschen Offizium Sanitatis (E, 02.08.1709). 96  Vgl. Schwark, Thomas: Lübecks Stadtmilitär im 17. und 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Sozial­geschichte einer reichsstädtischen Berufsgruppe (Veröffentlichungen zur Geschichte der Han­sestadt Lübeck 18, Reihe B), Lübeck 1990. S. 105. 97  AHL: ASA, Interna, Pest, 5  /  2, Vogt Sager an Bürgermeister Rodde (R, 31.10.1710 und (R, 11.11.1710); 6 / 2, Schreiben des Vogts Sager (R, 07.01.1711). 98  Engelhardt, Dietrich von: Medizinhistorische Streifzüge durch Lübeck, 3. erweiterte Auflage, Lübeck 1997, S. 9. 95  AHL:

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B. Das System der Pestmaßnahmen

Streitigkeiten zwischen militärischer Wache und bürgerlichen Kontrolleuren an den Toren mildern und zu­gleich den Einfluss des Magistrats erheblich erweitern können. Dem Vorschlag zur Einrichtung des Collegiums, dem Verhandlungen zwischen Rat und Kommandanten vorausgegangen waren, stimmte Generalgouverneur Vellingk zu. Damit alle verant­wortlichen Gremien ein Mitspracherecht im Collegium bekamen, sollten Tribunal und Rat mögliche Vertreter benennen, anschließend wollte der Generalgouverneur ebenfalls Deputierte entsenden.99 Zur tatsächlichen Schaffung des Collegiums kam es allerdings nicht. Weitere Hinweise auf dessen Existenz fehlen. Uneinigkeit zwischen Tribunal, Rat und Gouverneur scheidet als Grund aus, denn das Tribunal wäre aufgrund seiner Rechte zur Einsetzung einer Behörde ermächtigt gewesen. Es ist wahrscheinlicher, dass die Verantwortlichen nach einer gewissen Zeit in einem zusätzlichen Gremium keinen Gewinn an Effektivität sahen und die bisherigen Strukturen ausreichten. Hinzu kam, dass die Pestgefahr angesichts der politischen Situation mit einer drohenden dänischen Belagerung Wismars als weniger dringlich empfunden wurde.100 Der Rostocker Rat passte die in der Stadt bestehenden Strukturen den neuen An­forderungen an ohne die bestehende Verwaltung zu erweitern. Per Ratsbeschluss wurde der Vogt in Warnemünde verpflichtet, neben seinen sonstigen Aufgaben auch die Untersuchung und gegebenenfalls Festsetzung der ankommenden Schiffe, ihrer Besatzung, Passagiere und Waren zu vollziehen.101 Die Initiative zur Bildung eines Collegium Sanitatis ist nicht festzustellen. Sofern nicht der gesamte Rat über Maß­ nahmen beriet und entschied, wurden das Gewett (städtische Gewerbeaufsicht) und das Gericht mit diesen Aufgaben betraut.102 99  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (R, 14.10.1710): „Ein Collegium Sanitatis einzurichten, halte ich eine sehr nützliche sache zu seyn, dannenhero so bald ich erfahren werde, daß das Königl. Tribunal und Meine HH rn von ihren Mitteln die persohnen dazu benennet haben, ich auch also bald, abseiten der Milice, einige darzu zu constituiren nicht ermangeln will.“ 100  Schröder, Dieterich: Kurtze Beschreibung Der Stadt und Herrschafft Wismar, Was betrifft Die Weltli­che Historie Derselben; Mehrentheils aus allerhand schrift­ lichen Urkunden. Zur Erläuterung Der Mecklenburg. Weltlichen Historie, den Liebhabern mitgetheilet von M. Dieterich Schrödern, Wismar 1743, S. 349. Vgl. Techen, S. 240. Wegen der vermuteten dänischen Rüstungen hatte der Rat am 04.02.1711 verfügt, dass sich die Bürgerschaft für ein Jahr mit Lebensmitteln zu versehen habe. Vellingk deutet in einem der folgenden Schreiben (STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (R, 24.10.1710)) an, dass er zu diesem Zeitpunkt die Pestgefahr, „daferne durch gottes gnade die Seuche außbleiben dürffte“, nicht für akut hielt. 101  AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 18.01.1708. 102  In einem Schreiben der Medizinischen Fakultät wird zwar ein „Collegium Medicum“ erwähnt, doch handelte es sich um eine Kommission, vor welcher künf-



III. Institutionalisierung79

Es überrascht nicht, dass die Institutionalisierung in Stralsund durch den tat­ säch­ lichen Seuchenausbruch am ausgeprägtesten war. Die Einrichtung eines eigenen Collegium Sanitatis erfolgte jedoch erst unter dem Eindruck der Pest in der Stadt. Vier Ratsherren, ein Notar und eine nicht genauer benannte Anzahl von Bürger­schaftsmitgliedern wurden verpflichtet, Krankheitsausbrüche in der Stadt zu verhin­dern und sich regelmäßig zur Besprechung zusammen zu finden.103 In erheblichem Maße wurde die Handlungsfähigkeit durch die entgegengesetzten Ansichten der Mit­glieder vermindert, die sich nicht auf eine verbindliche Behandlung der Kranken eini­gen konnten und bereits getroffene Beschlüsse ignorierten.104 Zusätzlich war der Zu­ständigkeitsbereich des Collegiums von vornherein erheblich reglementiert, da sich der Rat die letzte Entscheidung über zu treffende Maßnahmen vorbehielt. Das Colle­gium konnte dadurch keine schnellen Entscheidungen treffen und war auf die Zu­stimmung des Rates angewiesen. In Greifswald verfügte der Rat im September 1710 die Schaffung eines Collegium Sanitatis und verwies ausdrücklich auf das Vorbild anderer Städte.105 Dem Gremium gehörten zwei Ratsherren und mehrere Bürgerschaftsmitglieder an.106 Im Gegensatz zu Lübeck und Stralsund war das Greifswalder Collegium zur Überprüfung von Päs­sen befugt und verhörte selbstständig verdächtige Personen.107 Die entstehenden Kosten sollten nach dem Willen des Rates gemeinsam von Bürger­schaft, Universität und Hofgericht getragen werden. Letzteres erwies sich als problematisch, da insbe­sondere das Hofgericht eine Beteiligung an den entstehenden Unkosten mehrfach verweigerte. Darüber hinaus nahmen die Juristen einen eigenen Pestmedikus tige Ärzte und Barbiere ihre Prüfung ablegten. Eine Indienstnahme des Collegiums durch die Pestabwehr ist nicht belegt. AHR: 1.1.3.15 – 147, Medizinische Fakultät der Universität Rostock an Rostocker Rat (R, 29.07.1709). 103  Der Stadt Stralsund Eventuale Veranstaltung / Wie man Bey etwa eräugenden contagieusen Kranckheiten und hereinbrechenden Pest=Läufften In der Stadt und bey der Ehrlieb: Bürgerschafft sich zu verhalten habe / Nebst einem beygefügten Medicinischen Pest= und PRÆSERVATIONS-CONSILIO, Stralsund 1710, § 2 (auch in: STAS: Rep. 14, 96). Zapnik (2007), S. 91. Vgl. zu den Verhältnissen in Hinterpommern und der Gründung eines Collegium Sanitatis in Stargard im August 1709: LAG: Rep. 4, P I, Tit. 99, Nr. 430, Vol. I, pag. 1–7, preußisch pommersche Regierung an Stargarder Regierungs-, Kammer-, Konsistorial- und Kommissariatsräte sowie Ärzte (R, 14.08.1709) und Protokoll des Stargarder Collegium Sanitatis (P, 22.08.1709). 104  Zapnik (2007), S. 181–190. 105  STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 09.09.1710). 106  Ebd., Joachim Westphall an Greifswalder Rat (R, 06.09.1710), Ratsschlüsse (R, 03.09.1710, 05.09.1710 und 09.09.1710). 107  Z.  B. STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.09.1710), Protokolle des Greifswalder Collegium Sanitatis (P, 25.09.1710 und 25.10.1710), Hinrich Schultz an Greifswalder Rat (R, 22.10.1710).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

an, der in Konkurrenz zu den etablierten Ärzten wirkte und zu einer Klage der Ratsherren vor dem Generalgouverneur führte.108 Über die weitere Entwicklung der Sanitätsverwaltung geben die Akten außer in Stral­sund keinen Aufschluss.109 Dort begannen die Überlegungen zur Auflösung der Seu­chenbekämpfung bereits einen Tag nach dem offiziellen Ende der Pest im April 1711. Wegen vereinzelter Neuerkrankungen wurden die Pläne zunächst ausgesetzt und erst im Laufe des Folgejahres in die Tat umgesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gremien in Lübeck und Greifswald nach dem Ende der Bedrohung eben­falls aufgelöst und die Bedienten entlassen bzw. ihre befristeten Verträge nicht ver­längert wurden, da langwährende und nicht zwingend notwendige Belastungen der Stadtkassen nicht im Sinne der stets auf Wirtschaftlichkeit bedachten Ratsherren waren. 2. Umfassende Pestgesetzgebung Die zur Bekämpfung der Pest erlassenen Verordnungen beschäftigten sich haupt­sächlich mit der Abwehr und dem Umgang mit auswärtigen Personen und Gütern. In ihrer Mehrheit waren diese Erlasse darauf ausgelegt, ein vorgeblich funktionierendes Gemeinwesen vor fremdem und somit schäd­ lichem Einfluss zu bewahren.110 In das Zusammenleben innerhalb der Seestädte griff die Obrigkeit in geringerem Umgang mit ihrer Gesetzgebung ein, wenn die Bereiche Straßen­reinigung, Nahrungshygiene (Obstverkauf), Viehhaltung und Beerdigungen berührt wurden. Die umfangreichsten Gesetze zur Regelung des Zusammenlebens mit direktem Bezug zur Seuche galten in Stralsund und in Rostock. Während die Stralsunder sich unter dem Druck der herr­schenden Pest selbst eine Ordnung gaben, galt im mecklenburgischen Rostock eine herzogliche Verordnung.111 Zur Begleichung der durch die Seuchenabwehr neu entstandenen Kosten (Personal­ kosten, Baumaterial) wurde eine gesetzliche Regelung ebenfalls 108  Ebd., königlich schwedisches Hofgericht an schwedisch pommersche Regierung (K, 23.11.1709), Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 05.12.1709). 109  Zapnik (2007), S. 268 ff. Die letzten Rechnungen wurden im Juli 1714 bezahlt und die Mitglieder des Collegium Sanitatis von ihren Pflichten entbunden. 110  Iseli, Andrea: Gute Policey. Öffentliche Ordnung in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2009, hier S. 84 f. Vgl. auch: Simon, Thomas: „Gute Policey“. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen Han­delns in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2004. 111  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). Der Stadt Stralsund Eventuale Veranstaltung 1710. Zapnik (2007), S. 87–96.



III. Institutionalisierung81

notwendig. Das Stralsunder Collegium Sanitatis schlug zu diesem Zweck eine Sondersteuer vor, was die Bürgerschaft mit Hinweis auf ihr Unvermögen ablehnte. Anstatt eine Zahlung ver­pflichtend einzuführen, entschied der Rat, dass in den drei Hauptkirchen sonntags nach der Nachmittagspredigt die Kollekte für diesen Zweck verwendet und ein Sonderkasten aufgestellt werden sollte, der mit einem Schild versehen wurde, „daß es Zur verpflegung und versorgung der Krancken im Siechen hause solle angewand werden“.112 Der Rostocker Rat veranlasste ebenfalls eine Kollekte, als es nach der dänischen Besatzung zu vermehrten Krankenfällen kam.113 In Wismar befürwortete das Tribunal im September 1710 eine allgemeine Steuer, da „diese praecautiones zu allgemeinen, und eines jeden particulieren sicherheit abzielen“.114 Es sollte „Hauß bey Hauß, ohne unterscheid colligiret werden“, wobei auch Tribunal und Militär beitragen sollten.115 Der im Schreiben an den Stadtkomman­danten ausgedrückte Glaube, auch die Militärs würden ihren Beitrag „gerne und willig“ geben, erwies sich als Trugschluss.116 Der Oberst wies am folgen­den Tag auf „die jetzige knappe Zeiten und halber Lohn der militair persohnen“ hin.117 Da der Rat jedoch vom Generalgouverneur Rückendeckung erhielt, wurde der Kommandant in seine Schranken verwiesen.118 Das Thema tauchte erst 1712 wieder auf, doch ging die Initiative jetzt vom Rat aus. Kommandant Schoultz zeigte sich ge­neigt, doch die Tribunals-Assessoren waren nicht mehr ohne Weiteres bereit, einen Beitrag zu leisten, sondern nur „mit dem außdrücklichen vorbehalt, [dass die Abgabe] als eine freywillige gabe angenommen werde“ und nicht als eine verpflichtende Be­steuerung der Tribunalsmitglieder.119 Als besonders schnell zeigten sich die Greifswalder Ratsherren, die bereits im August 1709 eine allgemeine Steuer der Bürger andachten, um die Kosten der Tor­schreiber zu decken. Der Plan des Rates sah vor, sich nach der Einigung mit der Bürgerschaft mit Hofgericht und Universität zu ver112  STAS:

Rep. 13, 1861, Ratsprotokollauszug (R, 03.10.1710). 1.1.3.15 – 160, Verordnung des Rostocker Rates (E, 04.10.1711). 114  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 03.09.1710). 115  Ebd. 116  Ebd. 117  Ebd., Oberst Posse an königlich schwedisches Tribunal (R, 04.09.1710). 118  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (K, 03.10.1710). 119  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1712), Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 08.08.1712), königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (K, 09.08.1712); Abt. III, XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 03.09.1710) und an Wismarer Rat (R, 05.09.1710). 113  AHR:

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B. Das System der Pestmaßnahmen

ständigen.120 Die Bürgerschaft er­klärte sich bereit, solange „Sie die anlage leydlich zumachen, Weil die Steurausgaben sehr groß außerdem wehren“.121 Doch die Universität wollte nichts von einer Beteiligung wissen und auch das Hofgericht versagte nach anfänglicher Zusage seine Unterstützung.122 Ein Jahr darauf wollte der Rat den anzunehmenden Pestpastor durch die beiden anderen Institutionen bezahlen lassen, „weil die Bürgerschafft wegen der Contribution gäntzlich enerviret“, doch erreichte auch die Vermittlung des Burggrafen nichts.123 Einzig in Lübeck waren die Mittel anscheinend ausreichend, denn als 1710 die Überlegung aufkam, bei einer Verschärfung der Gefahr auf frühere Maßnahmen zurückzugreifen, nahm das Offizium Sanitatis die Verhältnisse der letzten Seuche vor etwa 20 Jahren zum Vorbild und erklärte sich bereit, Gelder für die Herrichtung des Pesthauses bereitzustellen.124

IV. Überregionale Koordination Ein regelmäßiger Informationsaustausch in der Art, dass in bestimmten Intervallen (Woche, Monat) Briefe zum Thema „Pest“ verschickt worden wären, findet sich in keiner der fünf Seestädte. Die Weitergabe von Nachrichten war an das Vorhanden­sein brisanter Neuigkeiten geknüpft und daher sehr unterschiedlich. Die Gegen­über­stellung der Korrespondenzen der Räte sowie des Tribunals zeigt deutlich, dass neben Zeiten intensiven Informa­ tionsaustausches besonders im Spätsommer 1709 und Winter 1710  /  1711 wochenlang keine Schreiben über die Seuche verfasst oder empfangen wurden (vgl. Kap. C.II.1). Die mecklenburgische Regierung in Schwerin versuchte allerdings im August 1710, die Pestabwehr im Lande zu monopolisieren. Die Seuche bot eine willkommene Chance, Herrschafts­ ansprüche gegenüber Rostock durchzusetzen. Die Stadt wurde verpflichtet, „Unß Wöchentlich, und zwar wenigstens ein, oder nach befinden mehrmahl, unterthänigst zu berichten, was des Ohrts für glaubhaffte Nachricht davon einläuffet, oder sonst für Gerüchte deshalber entstehen“.125 Hiergegen war prinzipiell 120  STAG:

Rep. 5, 10626, Ratsschluss (E, 19.08.1709). Ratsschlüsse (E, 20.08.1709 und 21.08.1709). 122  Ebd., Schreiben von D. J. Gerdes und Dr. Fischer (R, 28.08.1709 und 30.08.1709), Ratsprotokollauszug (R, 06.11.1709), Schreiben des Ratssekretärs Bunsow (R, 17.12.1709 und 18.12.1709); Rep. 3, 150, Ratssitzung vom 28.08.1709, Punkt 7. 123  STAG: Rep. 5, 10626, Ratschluss (R, 15.09.1710), Ratsprotokollauszug (R, 23.09.1710). 124  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 22.09.1710). 125  AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 28.08.1710). 121  Ebd.,



IV. Überregionale Koordination83

nichts einzuwenden, aber der Zusatz, „damit die etwa ferner nöhtige Anstalt dieserwegen schleünig verfüget werden möge“ rich­tete sich eindeutig gegen die Selbstbestimmung der Stadt, die zu einem ausführen­den Organ herzoglicher Seuchenabwehr werden sollte.126 Es ist nicht fest­ stell­ bar, dass die Rostocker der herzoglichen Anordnung nachgekommen wären. Von Seiten Lübecks gab es zu Beginn der Epidemie Bestrebungen, einen ver­ läss­ lichen Informationswechsel im gesamten Ostseeraum zu etablieren und allgemein­gültige Maßnahmen durchzusetzen. Zu diesem Zweck wurden Anfang August 1709 insgesamt mindestens 19 Schreiben an Städte und Obrigkeiten versandt, in denen um Beitritt zu einem Pestabwehrsystem ersucht wurde.127 Diese Aktion, der zwei weniger umfänglicher aus dem Vorjahr vorausgingen, konnte nach dem Ausgreifen der Seuche nicht fortgeführt werden.128 Einerseits wird von Lübscher Seite die Unmöglichkeit einer allseits anerkannten Mittlerrolle angesichts der Kriegslage und fürst­ licher Eigeninteressen erkannt worden sein, andererseits war offensichtlich, dass die Stadt durch eine Berührung des Themas unnötig mit der Pest in Verbindung gebracht worden wäre. Wenn auch nicht im gesamten Ostseeraum, so konnten die Lübecker doch in der Region ihre Position als wichtiger Entscheidungsträger behaupten. Als die Seuche 1712 in Holstein ausbrach, bescheinigte zumindest die Regierung des Fürstbistums Lübeck dem Lübschen Rat: „Wir [werden] Uns, nach dem, richten, Was Unsere Hochund VielgeEhrte Herren, desfalls, vor Mesures nehmen“.129 Eine Abstimmung hinsichtlich der Maßnahmen erfolgte zwischen Lübeck und der sachsen-lauen­burgischen Regierung. Um Fragen des Waren- und Personenverkehrs an den gemeinsamen Grenzen in Krummesse, Kronsforde und bei den Stecknitzschleusen zu besprechen, werden mehrfach Aufenthalte des Ratssekretärs Carstens in Ratzeburg sowie des Landdrosten von Werpup in 126  Ebd.

127  „[…] also haben [wir] Ew. Ehrl: Wollw: hirdurch freundlich ersuchen wollen, Sie geruhen unß hirin ihres Ohrtes bey zutreten“ AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an die Räte der Städte Neustadt in Holstein, Kiel, Flens­burg, Wismar, Rostock, Stralsund, Kolberg, Memel, Königsberg, Libau, Windau, Riga, Stockholm, Kalmar, Malmö, Karlskrona, den Herzog Friedrich Wilhelm von MecklenburgSchwerin, eventuell auch an Greifswald (E, 01.08.1709) sowie die preußisch pommersche Regierung (E, 03.08.1709); STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Lübscher Rat an Wismarer Rat (R, 02.08.1709). Persson (Persson (2006), S. 181 f.) weist auf weitere Infor­ma­tions­schreiben des Lübschen Rates von Anfang August 1709 an die dänische Flotte in Karlskrona und die Deutsche Kanzlei in Kopenhagen hin. 128  AHL: ASA, Interna, Pest 2 / 2, Lübscher Rates an die Räte der Städte Königsberg, Libau, Memel, Windau, Kolberg, Anklam, Greifswald und Stettin (E, 18.01.1708) sowie Libau, Windau, Königsberg, Kolberg und Memel (E, 06.10.1708). 129  AHL: ASA, Interna, Pest 9 / 2, fürstbischöfliche Regierung zu Eutin an Lübschen Rat (R, 10.11.1712).

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B. Das System der Pestmaßnahmen

Lübeck erwähnt.130 Auch mit Hamburg konnten die Lübecker gemeinsame Standards aushandeln und einigten sich während der Seuche in der Elbestadt mit Hamburger und Ratzeburger Vertretern auf einer Konferenz in Bergedorf über die Einzelheiten des eingeschränkten Verkehrs.131 Eine engere Zusammenarbeit und häufige gegenseitige Informationenweitergabe findet sich zwischen den fünf Städten über den Rahmen des Territoriums hinaus nicht. Lübeck weist aufgrund seiner Stellung als unabhängige Reichsstadt als einzige einen größeren Schriftverkehr auf, in dem mit anderen Obrigkeiten (Sachsen-Lauen­burg, Hamburg) eine Zusammenarbeit zu belegen ist. Gemeinsame Interessen, in denen eine hansische Zusammenarbeit anklingt, gibt es ausschließlich mit Hamburg, nicht aber mit den unebenbürtigen, da einem Landesherrn unterworfenen, See­ städten östlich der Wakenitz.132 Aus den anderen Städten kamen keine dies­ bezüg­ lichen Initiativen. Zwar wollten die Räte informiert sein, sich in ihre Ent­scheidungen aber nicht reinreden lassen. In dieser Weise ist auch das Schreiben des Rostocker Rates vom 4. März 1711 zu bewerten, in dem zwar von „der Contagion halber […] unter uns [Lübeck und Rostock] beliebte[n] hochstnötige[n] Correspondence“ ge­sprochen und die Bitte geäußert wird, zu erfahren, „wie Sie es ihres Ohrtes, mit denen im eingefallenen Winter aus obbesagten platzen [schwedische Städte] zu Schiff gekommen Wahre[n]“ halten.133 Diese Anfrage hatte nur informativen Charak­ter, denn über die in Rostock durchgeführten Maßnahmen wollten die Rostocker selbst entscheiden. Ähnlich verhielt es sich in Wismar. Der Stadtrat wandte sich im Oktober 1710 in einem Schreiben an Danzig und erbat Informationen über die dort während der Epi­demie veranstalteten Maßnahmen, um sie selbst nutzen zu können.134 Begründet wurde dies mit der sich weiter ausbreitenden Seuche 130  Z. B.: AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 2, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.01.1712), 8 / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.10.1711 und ein weiteres, vermutlich um den 06.01.1712) sowie 11 / 1, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 23.08.1713). 131  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 29.10.1710) und Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 04.11.1710) sowie zahlreiche Schreiben in 11 / 1. 132  Z.  B.: AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 19.11.1710). Im Brief informiert Lübeck über die Nachricht des russischen Residenten Böttiger / Böttcher, dass der Livlandhandel wieder eröffnet wurde, künftig aber genaue Wa­renlisten verlangt würden. Böttiger hatte angeboten, Lübsche Schiffe mit Pässen zu versehen, wor­über Hamburg informiert und eine gemeinsame Antwort an Böttiger vorgeschlagen wurde. 133  AHR: 1.1.3.15 – 160, Rostocker Rat an Lübschen Rat (E, 04.03.1711) = AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 4, Rostocker Rat an Lübschen Rat (R, 04.03.1711). 134  Danzig bekräftigte einen Monat später Lübeck gegenüber seine Gesundheit und ersuchte um die weitere Aufrechterhaltung des Handels und Anerkennung Dan-



IV. Überregionale Koordination85

und der greifbaren Gefährdung Wismars, auf die man erfolgreich reagieren wollte.135 Es ging wohlgemerkt um Informa­tion, bestenfalls um Tipps, nicht jedoch um bindende Handlungs­anweisun­gen. Vielleicht waren die Danziger Maßnahmen auch als Negativbeispiel gedacht, denn wenn trotz der Vorkehrungen die Seuche nicht schneller nachließ als allgemein üblich und es ca. 25.000 Pesttote in der Stadt und ihrem Umland bei einer Gesamt­ einwohnerzahl von annähernd 50.000 Menschen gab, konnte kaum von einer erfolg­reichen Seuchenabwehr gesprochen werden.136 Interessant ist ein dem Entwurf beige­legtes Schreiben des Ratsherrn Martin Rateke. Er gab zu bedenken, mit dem Abschicken des Briefes aus wirtschaftlichen Erwägungen noch ein wenig zu warten. Das für Danzig in diesem Zeitraum bestimmte Bier war noch nicht verschifft worden und die Gerüchte über eine Seuche in Pommern „alß unserer negste nachbahrschafft“ waren, so seine Annahme, „auch woll lengst“ in Danzig bekannt geworden.137 Um nun „übel opinion von Unß zu wenden“, sollte vorerst das Thema Pest nicht berührt werden, damit auch nicht der kleinste Verdacht auf Wismar fallen konnte.138 Die Argumentation war schlüssig, der worthabende Bürgermeister stimmte dem Antrag zu, da „die noht uns noch nicht über eilet“.139 So dramatisch, wie Wismar es im offiziellen Schreiben dargestellt hatte, wurde die Gefahr also nicht einge­schätzt, als dass nicht einige Zeit gewartet werden konnte. Allerdings gab es auf Landesebene Bestrebungen, die Pestabwehr zu koordinieren. Die Landtage beschäftigten sich mit der Pestgefahr, die aber nicht als eigenes Prob­lem wahrgenommen, sondern, wie in Pommern 1709, ziger Pässe, was Lübeck mit Ein­schrän­kungen (raue Waren) auch verfügte. AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 14.11.1710), Lübscher Rat an Danziger Rat (E, 22.11.1710). 135  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Wismarer Rat an Danziger Rat (E, 01.10.1710): „Indeßen aber, da es scheinet, daß die zornige Hand des Höchsten noch nicht ruhen wolle, sondern leider die betrübte Seuche noch weiter üm sich zu greiffen und auch unseren Grentzen mehr und mehr zu nahen beginnet, und dannenhero nebst der Hülffe Gottes auf alle diensame præcaution und gute Anordnungen zu dencken, uns obligiret, So haben wir unsere hochgeehrte Herren als die durch das obige Unglück beschweret gehorsamst ersuchen wollen, uns die freundschafft und liebe zu erweisen, und uns von denen veranstaltungen, so dieselbe dieser Seuche halber so woll respectu der bedienten als auch Hospitäler zu veranlaßen nötig gefunden, so das was vor mittel und Medicin sie diensam und vorträglich bemercket, uns hochgeneigt zu eröffnen“. 136  Zu den Opferangaben: Górska (2010), S. 79–83 und 421 ff. Gralath, Daniel: Versuch der Geschichte Danzigs aus zuverlässigen Quellen und Handschriften, Bd. 3, Berlin 1791, S. 270 f. Hochrechnung der Einwohnerzahl: http: /  / www.phf.unirostock.de / imd / Forschung / HomeMare2 / Seuchenzug / index.html (21.02.2011). 137  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Wismarer Rat an Danziger Rat (E, 01.10.1710). 138  Ebd. 139  Ebd.

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B. Das System der Pestmaßnahmen

als „imminirende Kriegs u. Pest Gefahr“ zusammengefasst wurde.140 Zusammenarbeit im Territorium hieß, gleiche Standards in der Bewertung verdächtiger Waren und Personen und gegen­seitige Anerkennung der Pässe. Je nach Dringlichkeit wurden die Grenzen und Landstraßen zusätzlich von Soldaten kontrolliert. Interstädtische Absprachen lassen sich nicht nachweisen, die Maßnahmen und die normierenden Plakate gingen von der Landesherrschaft aus. Festzustellen ist auch bei den allgemeinen Aufgaben eine Beschränkung auf das eigene Territorium. Zu keinem Zeitpunkt gab es das Bestre­ben, überregionale Gremien zu schaffen, welche die Pestabwehr hätten steuern und effektiver machen können. Sicherlich spielte hier die Sorge um gleich­berechtigte Mitsprache eine nicht unerhebliche Rolle wie auch die Frage, wer für die erforderli­chen Kosten aufzukommen hatte. Einen nachweislichen Vorbildcharakter hatten die Verordnungen Sachsen-Lauenburgs. Hamburg teilte Lübeck Ende Januar 1710 mit, dass eine bereits bestehende Pestordnung „in conformität des in denen Lüneburgi­schen landen publicirten mandati“ erneuert und veröffentlicht wurde.141 Dass sich Lübeck ebenfalls danach richten solle, steht nicht explizit im Schreiben und wäre wohl wenig diplomatisch gewesen, dürfte von den Lübeckern aber richtig als drin­gende Empfehlung verstanden worden sein. Das Tribunal und die vorpommersche Regierung in Stettin erreichte Mitte November 1708 ein Schreiben des schwedischen Reichsrates. Der Nachricht, dass Polen, teils auch preußische und litauische Orte von der Pest betroffen seien, folgten Instruktio­ nen, die dazu dienen sollen, im ganzen schwedischen Reich ein einheit­liches Vorge­hen zu ermöglichen. Die Richtung der Maßnahmen war durch den Senat festgelegt und reichsweit an die nächstuntergeordneten Stellen delegiert worden.  Genauere Anweisungen wurden vermieden und in die Hände des Tribunals gelegt, welches für die Ausarbeitung verantwortlich war. Den Mitgliedern des Reichsrates muss bewusst gewesen sein, dass dies für das Tribunal eine undankbare Auf­gabe war, denn es sollte mit der Ordnung dafür sorgen, „so daß weder die Commercios dadurch gehemmet, noch andererseits etwas versäumet werde, so zu abhaltung und vorbeugung dieser gefährlichen Seuche kann nötig, dienlich und zulänglich erachtet werden.“142 140  STAS: Rep. 13, 589. Vgl. zur Bedeutung der pommerschen Landtage: Wachowiak, Bogdan: Stände und Landesherrschaft in Pommern in der frühen Neuzeit, in: Weczerka, Hugo (Hrsg.): Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa in der frühen Neuzeit (Historische und landeskundliche Ost­mitteleuropa-Studien 16), Marburg 1995, S. 49–62. 141  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 31.01.1710). 142  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, schwedischer Reichsrat an königlich schwedisches Tribunal (R, 23.10.1708). STAS: HS 1026, schwedischer Reichsrat an schwedisch pommersche Regierung (R, 23.10.1708). Gefor­dert wurden eine Pass-



IV. Überregionale Koordination87

Anders als zwischen den fünf Seestädten gab es in ihrer unmittelbaren Nachbar­schaft die Initiative zur überterritorialen Zusammenarbeit. Für die kur­fürst­liche Regie­rung von Lauenburg und den Fürstbischof in Eutin lieferte die Pest eine willkommene Gelegenheit, die „Zigeuner“ aus dem eigenen Territorium zu vertreiben. Zwar wurden die „Zigeuner“ nicht direkt beschuldigt, die Pest verursacht zu haben, aber sie stan­den wie auch andere der Obrigkeit suspekte gesellschaftliche Rand­gruppen im Ver­dacht, generell zur Verbreitung von Krankheiten beizutragen (siehe Kap. D.I).143 In einem Schreiben vom 18. November 1710 bemerkte die fürst­bischöf­liche Regierung, dass, sobald die „Zigeuner“ aus ihrem Gebiet vertrieben seien, sie problemlos auf Plöner und Lübschem Gebiet unterkämen oder auf den Besitzungen des Adels, wes­wegen eine Vertreibung demzufolge wirkungslos sei.144 Deshalb bemühte man sich, um „dieses Geschmeiße aus diesem gantzen winckel des Landes [zu] vertreiben“, Lübeck zu einem abgestimmten und damit erfolgreichen Zusammen­arbeiten zu be­wegen und band auch den Herzog in Plön mit ein.145 Der Lübsche Rat bestritt in der Antwort zunächst den Vorwurf, bei sich „Zigeuner“ zu dulden, befürwortete dann je­doch die Aktion der Fürstbischöflichen und erlaubte seinen Einwohnern, sich an der Aktion zu beteiligen. Da der Lübecker Briefentwurf nur einen Tag vor dem von Eutin angesetzten Termin datiert, ist allerdings fraglich, ob die Straf­aktion derart kurzfristig durchgeführt werden konnte. Der Wille Lübecks zu einem Zusammengehen mit den Nachbarobrigkeiten scheint daher nur gering ausgeprägt gewesen zu sein.146 Um von vornherein die Einreise Fremder zu unterbinden, wurden mehrfach, gerade 1710, als die Seuche in der Region Stettin und Stralsund ergriffen hatte, die Jahr­ märkte abgesagt, wobei im Untersuchungsgebiet Schwedisch Pommern und Meck­lenburg-Schwerin, sowie -Strelitz zu den betroffenen Regionen gehörten.147 Da der Grund der Reise, der Besuch des pflicht und -prüfung durch Amtleute und Bediente, ein Einlassverbot bzw. Qua­ rantänegebot für Waren und Personen aus an Polen grenzenden Gebieten, die Pflicht zur Haupt­stra­ßen­benutzung und die Anweisung keine Briefe aus infizierten Orten zu öffnen, bevor sie nicht an der Luft gereinigt wurden. 143  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, fürstbischöfliche Regierung zu Eutin an Lübschen Rat (R, 18.11.1710): „Wann aber dieses gesindel nicht allein wegen seines gewöhnlichen Stehlens und Raubens, sondern auch wegen der Gefahr, einer bey itzigen contagieusen Läufften leichtlich ins Land zu schleppenden bösen Seuche, billig gäntzlich zu vertreiben, und keiner ohrten zu dulden“. Vgl. 4 / 2, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 18.02.1710). 144  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, fürstbischöfliche Regierung zu Eutin an Lübschen Rat (R, 18.11.1710). 145  Ebd. 146  Ebd., Lübscher Rat an fürstbischöfliche Regierung zu Eutin (E, 24.11.1710). 147  Vgl. Zapnik (2007), S. 201–206.

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B. Das System der Pestmaßnahmen

Marktes als Käufer oder Verkäufer, wegfiel, war weniger bis gar keine Einreise mehr zu befürchten. Es handelte sich um eine Art Eigenboykott, der von den Städten als äußerst schmerzvoll empfunden wurde und entweder auf der Sorge vor Eigenansteckung oder Absperrung durch misstrauische fremde Obrig­keiten beruhte.148 Eine Absprache zwischen den Städten und Landes­obrig­keiten lässt sich in dieser Hinsicht aus den Quellen nicht erkennen, es fällt aber auf, dass auf einen abgesagten Jahrmarkt in einer anderen Stadt oft mit einer Aufhe­bung des Jahr­marktes in der eigenen Stadt reagiert wird, so dass eine indirekte Form der Koordination vorliegt.149 Ein letztes Mal wurden 1713 die Jahrmärkte durch die Pest in Mitleidenschaft gezo­gen.  Demmin hatte wegen der Seuchen- und Kriegsgefahr seinen Vieh- und Jahr­ markt Anfang September ursprünglich abgesagt, sich aber später ument­ schlossen und ihn geöffnet, sofern die Besucher Pässe hätten. Welche Nachricht die Demminer zu diesem Meinungswechsel bewegt hat, sagten sie nicht.150 Da aber auch Anklam in gleicher Weise mit seinem Pferde- und Krammarkt verfuhr und ihn Mitte September stattfinden ließ, kann eine entsprechende Anordnung der Stettiner Regierung vor­ausgesetzt werden.151 Von allgemeiner Entspannung war die Region aber noch weit entfernt. In Mecklenburg blieb man vorsichtig. Zumindest der Bernitter Markt im Amt Rühn fiel noch im Oktober 1713 aus.152

V. Zusammenfassung Der Vergleich mit Dinges’ Maßnahmenkatalog hat gezeigt, dass sich die meisten der von ihm erkannten Indikatoren in allen Seestädten wiederfin148  STAG: Rep. 5, 10626, Anklamer Rat an Greifswalder Rat (R, 01.09.1710): „Ob zwar vor kürtzer Zeit denenselben wir die haltung Unsers einstehenden Jahr Marckts kundt gemachet, […] So haben wir doch aus einigen damahlen Unß Unbekandt gewesenen nunmehro aber sich hervorgegebenen ümbständen [gemeint ist das Bekanntwerden des Seuchenausbruchs in Stralsund], Unsere meinung anderen müßen […]“. Ebd., Demminer Rat an Greifswalder Rat (R, 06.03.1710): „Dazumahlen wier besorgen müßen, daß, wenn wier nicht alle vorsorge wegen der besorglichen Contagion tragen solten, wier hinfüro gäntzlich von der Communication mit dem Mecklenburgischen abgeschnitten werden möchten, wie denn schon vor itzo niemand nach dem Strelitzischen will passiret werden, so nicht von dort aus mit einem Paß versehen. Uns thut leidt, in solche Zeit gerahten zu seyn […].“ 149  STAS: Rep. 36, 316. STAG: Rep. 5, 10626, Wolgaster Rat an Greifswalder Rat (R, 19.09.1709), Anklamer Rat an Greifswalder Rat (R, 01.09.1710). 150  AHR: 1.1.3.15 – 160, Demminer Rat an Rostocker Rat (R, 30.08.1713). STAS: Rep. 36, 316, Demminer Rat an Stralsunder Rat (R, 17.11.1713). Auch ein im November stattfindender Viehmarkt wurde abgehalten.  151  AHR: 1.1.3.15 – 160, Anklamer Rat an Rostocker Rat (R, 02.09.1713). 152  AHR: 1.1.3.20 – 115, Herr Bötticher an Rostocker Rat (R, 13.10.1713).



V. Zusammenfassung89

den. Jeder Stadtrat so­wie das Tribunal reagierten nachweislich auf die Seuche. Im Laufe des Unter­su­chungs­zeitraums kam es in allen fünf Orten zum Aufbau einer spezifischen Seuchen­verwaltung. An den Toren wurden Kontrolleure und Schreiber angestellt, die vorhan­dene Grenzbewachung in die Seuchenvorsorge eingebunden und in der Mehrzahl der Städte wurden selbstständige Gesundheitsbehörden errichtet. Einzelne Aktionen wie die Verhängung von Handelssperren oder die Einrichtung von Pest­ spitälern wurden im gleichen Zeitraum veranlasst. Andere hingegen wurden zum Teil deutlich später oder gar nicht umgesetzt. Lübecks Offizium Sanitatis nahm seine Arbeit beim ersten Anzeichen der Pest im Ostseeraum auf, in Stralsund und Greifswald wurden entsprechende Gremien erst 1710 geschaffen, in Wismar blieben die Bestrebungen des Rates zur Gründung einer Pestbehörde erfolglos und unter­blieben in Rostock gänzlich. Eine regelmäßige und offizielle Abstimmung zwischen den Stadträten gab es nicht, womit die auch in anderen Regionen festgestellte Erkenntnis, dass es zu einer Ko­operation mehrerer Städte in Pestzeiten nicht kam, bestätigt wird.153 Allerdings wurde über eigene und fremde Maßnahmen häufig informiert bzw. wurde in den obrig­keitli­chen Schreiben gezielt danach gefragt. Die aufmerksam verfolgten Maßnahmen be­nachbarter Städte und Territorien wurden oft zum Anlass genommen, in gleicher Weise zu verfahren, so dass eine Vorbildwirkung (negativ wie positiv) vorhanden war und eine Abstimmung auf diese Weise also indirekt erfolgte. Die von Dinges be­schriebene Reihenfolge findet sich in den Quellen meist wieder. In keiner Stadt fin­den sich alle Indikatoren, doch zeigt sich, dass die Dichte und der Grad der Umset­zung im pestbetroffenen Stralsund am höchsten war und in den anderen Orten je nach empfundener Bedrohung (Nähe zu akuten Pestgebieten, Verlässlichkeit von Informationen) variierte.

153  Bulst (1989), S. 33. Gaul (2004), S. 294. Rödel, Walter G.: Die Obrigkei­ ten und die Pest. Abwehrmaßnahmen in der Frühen Neuzeit – dargestellt an Beispielen aus dem süd­ deutschen und Schweizer Raum, in: Bulst, Neithard  /  Delort, Robert (Hrsg.): Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles). Actes du colloque de Bielefeld, novembre 1986, Paris 1989, S. 187–206, hier S. 203.

C. Einsatz und Wirkung von Medien I. Primärmedien 1. Befragungen und Verhöre Um einen fortwährenden Informationsfluss zu gewährleisten und zeitnah auf die Ausbreitung der Seuche reagieren zu können, ließen die Herrschaften der fünf See­städte gezielt Personen nach ihrem Wissen befragen.1 Die hierfür eingesetzten Per­ sonen waren nicht nur als Informationsbeschaffer von Wert. Neben dieser an die Obrigkeit gerichteten Kommunikation (Befragungsergebnisse) schufen sie zugleich durch ihr Tun eine Kommunika­ tionssituation, in der sie den Befragten die Botschaft übermittelten, dass die Obrigkeit zu strukturiertem Handeln bereit und fähig sei. Zwei unterschiedliche Vorgehensweisen sind feststellbar. Die meisten Personen waren von Befragungen nach einem festen Fragenkatalog betroffen, welche bei ihrer Ankunft im Stadtgebiet von untergeordneten Amtsträgern (Pestwachen, -schreiber, Hafen­vögte) an den Grenzpässen, Toren und im Hafenbereich vorgenommen wurden. Bei bestehenden Verdachtsmomenten und sofern die Personen nicht sofort abge­wiesen worden waren, erfolgten im Einzelfall Verhöre, bei denen die für das Gerichts­wesen zuständigen Ratsherren, -sekretäre, Notare und zum Teil die Hafen­vögte in abgetrennten Räumen (Rathaus, Wohnorte der Verdächtigen) individuelle Fragen stellten.2 Beide Gesprächsformen, die ab dem ersten Quartal 1708 nachweis­ bar sind, zählen zu den ersten verfügten Abwehrmaßnahmen. 1  Zur Kritik an den in Prozessen der Frühen Neuzeit gewonnenen Akten, besonders der Glaub­würdig­keit von Zeugenaussagen und ihrem Verhältnis von „facts und fiction“ siehe die Überblicke bei Schnabel-Schüle, Helga: Ego-Dokumente im frühneuzeitlichen Strafprozeß, in: Schulze, Winfried (Hrsg.): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte (Selbstzeugnisse der Neu­zeit 2), Berlin 1996, S. 295–317, hier S. 296 f. und Fuchs, Ralf-Peter: Protokolle von Zeugen­ver­ hören als Quellen zur Wahrnehmung von Zeit und Lebensalter in der Frühen Neuzeit, in: Baumann, Anette (u. a.) (Hrsg.): Prozessakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung der Höchsten Gerichts­barkeit im Alten Reich (Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 37), Köln / Weimar / Wien 2001, S. 141– 164, hier S. 141 f. 2  Die hier vorgenommene Unterscheidung war nicht überall wirksam. Winfried Schulze ist sicher, dass etwa in den vor dem Reichskammergericht ausgetragenen Prozessen um Besitzrechte der Reichs­ stände die zahlreichen Zeugen nach einem



I. Primärmedien91

Dem Prozedere der Befragungen sollte prinzipiell jeder Reisende unterworfen sein, in erster Linie um den Eingang verdächtiger Personen und Waren in die Stadt zu ver­hindern. Ausnahmen galten für bei den Wachen bekannte Personen, welche die Stadt nur kurz verlassen hatten und für Angehörige bestimmter sozialer Gruppen (vor allem Adlige, Geistliche, Pen­ sionäre). Zunächst dürfte sich diese Form der Erkundigung in der einzelnen Frage nach dem Abreiseort erschöpft haben, um die für die Entscheidung über den erbetenen Ein­lass wichtigste Information zu erhalten. Für Wismar sind ab Dezember 1708 umfäng­ liche Fragenkataloge nachweisbar, mit denen der genaue Reiseweg der Personen wie die Herkunft der Waren erkundet werden sollte.3 Um die Befragten zur Wahr­ heit anzuhalten, enthielt der Katalog die Frage, ob die Aussagen auch beeidet werden könnten. Die weltliche Obrigkeit stellte damit einen direkten Bezug zum geistlichen Bereich her. Die Furcht vor göttlicher Strafe sollte die Reisenden be­ ­ we­ gen, ihre Aussagen wahrheitsgetreu abzulegen, selbst wenn dies bedeutete, nicht in die Stadt eingelassen zu werden oder andere Nachteile in Kauf zu nehmen.  Da die Befragungen im öffentlichen Raum stattfanden und für jeden an den Toren und im Hafen Vorbeigehenden wahrnehmbar waren, wurde eine möglichst große Öffentlichkeit hergestellt. Die Befrager waren sicht- und ansprechbarer Ausdruck des obrigkeitlichen Macht- und Fürsorgeanspruches und stellen daher eine direkte Form der Kommunikation zwischen Herrfesten Fragekatalog verhört wurden. Schulze, Winfried: Zur Ergiebigkeit von Zeugenbefragungen und Verhören, in: Schulze, Winfried (Hrsg.): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte (Selbstzeugnisse der Neuzeit 2), Berlin 1996, S. 319–325, hier S. 320. 3  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an schwedischen Reichsrat (K, 11.12.1708). Wortgleich mit Abt. III, XIX, 2, 7, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 05.08.1712) und Abt. III, I, T 16, 496, Verordnung (R, 05.08.1712): „Fragen, so denen Passagirern für zu legen.“, „1. Wie Er heiße? 2. Von was condition er sey? 3. Von wannen er komme? 4. Von welchem orte er zuerst außgereyset? 5. Auf was für öhrter er zugekommen? 6. Wie lange er sich an diesem oder jenem orte aufgehalten? 7. Zu was Geschäfften. 8. Ob er in 40 Tagen an inficirten örtern gewesen? 9. Ob er im durchreysen dergleichen örter betroffen? 10. Ob er innerhalb solcher Zeit mit inficiretn, oder doch solchen Personen, die sich an inficirten örtern aufgehalten, umbgangen, oder auch waaren und Sachen, so an dergleichen orten gewesen, bey sich habe? 11. Ob er einen Paß habe? 12. Wo er weiter hinaus wolle? 13. Ob Er alles was er außgesaget, insonderheit daß sein Paß nicht falsch, Eydlich behaupten könne?“, „Wegen der Güter ist zu fragen. 1. Was es für Güter sind? 2. Wo sie zuerst aufgeladen oder gepackt? 3. Wie viel Stück es sind? 4. Wohin sie verführet werden sollen? 5. Ob solche außsage mit einem attestato zu belegen? 6. Ob auff der herreyse er Keine waaren auffgeladen, was für welche, und an welchem orte?“

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

schaft und Beherrschten dar. Die Stadträte zeigten mit ihnen, dass sie die Gefahr der Seuchenausbreitung wahrnahmen und Maß­nah­men durchführten, die unmittelbar in den Alltag der städtischen Bevölkerung eingrif­fen. Wie wichtig die Anstellung geeigneter Kontrolleure war, dokumentieren am bes­ ten die Sitzungsprotokolle des Wismarer Tribunals. Das Für und Wider festange­stellter und besoldeter Bediensteter bzw. der Einsatz von Bürgern, die aufgrund ihres Bürger­eides zur Verkehrskontrolle herangezogen wurden, wurde kontrovers disku­tiert und findet sich in ähnlicher Form auch in anderen Städten. Dabei ging es nicht allein um die Frage, woher die Löhne der Kontrolleure zu nehmen waren (Bürger mussten aufgrund ihres Bürger­ eides entgeltlos arbeiten), sondern auch um deren Zuverlässigkeit. Unzuverlässige Kontrolleure konnten das Ansehen der Obrig­keit erschüttern, so dass die Auswahl geeigneter Personen, die als Mediatoren wirkten, sowohl einen gesicherten Informationsfluss sicherstellte als auch der Herr­schafts­sicherung diente. Offenen Widerstand gegen die Befragungen gab es dort, wo unterschiedliche Be­fehlsgewalten aufeinander trafen. Der Stralsunder Postdirektor Rosencreutz zeigte bereits früh keinerlei Verständnis für die städtische Kontrolle und wies seinen Post­kutscher an, sich von niemandem aufhalten zu lassen. Dieser gab später zu Proto­koll, ihm sei befohlen worden, „denjenign der ihm auffhalten wolte, über und über zu fahren, und wen ihm auch die Gedärme, aus dem Leibe hengen“.4 Die igno­rierten städtischen Examinatoren hatten nichts dagegen tun können und wand­ten sich an den Stralsunder Rat. Dieser verlangte von Rosencreutz eine Rechtferti­gung, denn die Maßnahme war keine rätliche Willkür, sondern gemäß einem landes­herr­lichen Patent geschehen.5 Rosencreutz stellte sich unwissend. Von einer An­wei­ sung aus Stettin sei ihm nichts bekannt und wenn der Rat informiert worden sei, hätte er als oberster Postmeister auch benachrichtigt werden müssen. Er versicherte, dass von seiner Post keine Gefahr ausgehe. Außerdem habe er seinen Kutschern befohlen, die Wagen untersuchen zu lassen, wenn sie wüssten, dass Ver­ dächtige mitfahren. Wenn aber niemand verdächtig sei, sollten sie sich nicht aufhal­ten lassen. Rosen­creutz spielte in seiner Argumentation die Sonderstellung der Post als landes­ herrlicher Angelegenheit aus. Nicht einmal der Kommandant dürfe die Post durch­suchen oder jemanden aus dem Wagen nehmen, ließ Rosencreutz sich vernehmen. Im Übrigen sollten ihm die Städtischen mehr vertrauen, denn er werde alles tun, was 4  STAS: Rep. 14, 89, Schreiben von Jacob Johan Müller (R, 23.04.1708) und Ratsschluss (K, 23.04.1708). 5  Ebd. Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, undatiert, wohl Ende 04.1708). Verwiesen wurde auf das Edikt vom 06.02.1708. Rep. 14, 88, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708).



I. Primärmedien93

der Sicherheit diene. Der Rat sah ein, dass nur die Regierung in Stettin den Post­ direktor zur Raison rufen konnte und wandte sich folglich an diese, doch ist das Ant­wortschreiben nicht erhalten.6 Im Juni 1708 kam es zu erneuten Klagen, nachdem mehrere mit der Post angelangte Personen wegen fehlender Pässe nicht eingelassen werden konnten. Angeblich hatte Rosencreutz immer noch keine Kenntnis vom Regierungspatent erlangt, wes­wegen er die Passagiere auch nicht hatte informieren können. Der Rat ließ ihm des­wegen das gedruckte Patent vorzeigen und beschwerte sich erneut bei der Regie­rung.7 Dieses Mal war der Rat erfolgreich, denn ein Vorgang aus dem Oktober zeigt, dass die Kutscher ihre Postwagen bereitwillig untersuchen ließen. Ähnlich problematisch gestaltete sich das Verhältnis zum landesherrlichen Militär, da der Rat auch hier keinen direkten Zugriff hatte. Mitte Oktober 1708 erging an den Rat eine Beschwerde des Torschreibers Starnow wegen eines Offiziers, der sich nicht hatte überprüfen lassen wollen. Nach Aussage Starnows hatte der Offizier gesagt, er hätte es nicht nötig, untersucht zu werden, weil er bereits bei der königlichen Wache an­gemeldet sei. Da er Offizier in Stralsund sei, wollte er seinen Namen auch nicht nennen. Im Nachhinein erfuhr der Torschreiber, dass der ihm fremde Offizier ein Neffe des Kommandanten war, weshalb er dessen Rache fürchtete und den Rat um Schutz vor dem Offizier bat.8 Im Gegensatz zu dem deutlich erkennbaren Unmut der landesherrlichen Bedienten, die keine Kontrolle eines Stadtrates zulassen wollten, sind vonseiten der Bevölke­rung keine Klagen über die Kontrollen erhalten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Befragungen im Zuge der Pestvorsorge allgemein akzeptiert wurden. Dass es sich dennoch um ein lästiges und mitunter zeitraubendes Unterfangen handelte, dürfte unstrittig sein. Doch gab es keine Supplikationen, in denen sich gegen die Be­fragungen gewehrt wurde. Selbst der Postmeister und der Offizier zweifelten nicht an ihrem Sinn, sondern wollten die Befragungen lediglich in ihrem Bereich mono­ polisie­ren. Für sie war es wichtig, selbst als Medium zwischen Landesherrschaft und Bevöl­kerung anerkannt zu sein. Von Akzeptanzproblemen berichtete ausschließlich der Warnemünder Hafenvogt. Caspar Danckwertz gab mehrfach an, bei den Befragun­ gen auf Schwierigkeiten zu stoßen. Seine Vorwürfe gegen etliche Schiffer – so hatte einer etwa ein „Gottloeßes Maull“ – sind allerdings in seine üblichen Klagen einzu­ordnen, mit denen 6  STAS:

Rep. 14, 89, Schreiben von Jacob Johan Müller (R, 23.04.1708). Schreiben (R, 06.1708), Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 18.06.1708). 8  STAS: Rep. 14, 87, Ratsprotokollauszug (R, 17.10.1708), 14, 89, Verhörprotokoll (P, 16.10.1708). 7  Ebd.,

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

er in vielen Briefen die Unbotsamkeit der Warnemünder Einwoh­ ner, der Wachsoldaten und der Schiffer beklagt und die auf seine spezifisch geringe Autorität schließen lassen.9 Die an den Toren eingezogenen Informationen waren für die Obrigkeiten von unsi­cherem Wert und dies trotz der Drohung, die Aussagen beeiden zu lassen. Während im obrigkeitlichen Verkehr mehrfach Schreiben anderer Herrschaften und auch die in Verhören gewonnenen Auskünfte explizite Erwähnung finden, werden Befragungen nur selten erwähnt, wenn es um die Verifizierung eines Sachverhalts ging. Der den Befragungen beigemessene Wert zeigt sich deutlich an einem Beispiel aus Lübeck. Dort herrschte gegen Ende des Jahres 1710 Unsicherheit über den Zustand Schonens. Aus einem Schreiben an den Rostocker Rat geht hervor, „daß nachdem mit denen zuletzt retournirten schiffen von Carlscron u. der gegend die nachricht einkommen, daß in der Stadt Calmar dz sterben sehr starck sey, wir alsobald die anstallt [für Abwehrmaßnahmen] verfüget“.10 Da diesen mittels fünf vorher festgeleg­ ter Fragen erlangten Angaben jedoch nicht vorbehaltlos geglaubt wurde, ergingen Schreiben unter anderem nach Kalmar, Malmö und Karlskrona, in denen um eine Stellungnahme zu den Pestgerüchten gebeten wurde.11 Eine erhaltene Befragungs­liste vom Januar 1711 beweist, dass die Schiffer übereinstimmend das Vorhanden­sein einer Seuche in Südschweden bestätigten.12 Dennoch wurden diese übereinstim­menden Angaben vom Lübschen Rat ab dem Zeitpunkt nicht mehr er­wähnt, als die erwartete Antwort des Karlskronaer Rates eintraf. Nur von dieser war fortan in den Anweisungen an das Gesundheits­kollegium und die Bürgerschaft sowie in einem Schreiben an die Ratzeburger Regierung die Rede.13 Anders als Befragungen wurden Verhöre ausschließlich durch höher gestellte Amts­träger ausgeführt. Ratsherren, -schreiber und Notare handelten in diesem Fall, die Hafen­vögte konnten auf obrigkeitlichen Befehl ebenfalls für Verhöre eingesetzt werden und wurden bei dieser Tätigkeit teilweise 9  Z.  B. AHR: 1.1.3.15 – 158, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Stever (R, 25.10.1709), 159, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Stever (R, 28.07.1710), 133, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Stever (R, 26.10.1712), 160, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 19.02.1711). 10  AHL: ASA, Interna, Pest 5  /  2, Lübscher Rat an Rostocker Rat (E, 26.11.1710) = AHR: 1.1.3.15 – 159, Lübscher Rat an Rostocker Rat (R, 26.11.1710). 11  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, Lübscher Rat an die Räte der Städte Danzig, Königberg, Memel, Libau, Windau, Riga, Reval, Stettin, Stralsund, Stockholm, Kalmar, Karlskrona und Malmö (E, 16.12.1710). 12  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 2, Schreiben des Vogts Sager (R, 07.01.1711). 13  AHL: ASA, Interna, Pest 6  / 1, Ratsschluss (R, 30.03.1711), 6 / 4, Ratsschluss (R, 30.03.1711) und Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 31.03.1711).



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durch Schreiber unterstützt, welche die häufig beeideten Aussagen bezeugten. Die Verhöre wurden im Anschluss an Befragungen veranlasst, wenn es Grund für Verdächtigungen gab. In diesem Fall reichte die Kompetenz der einfachen Kontrolleure nicht aus, da sie nur nach dem ihnen übermittelten Frageschema arbeiten durften und eine individuelle Befragung in die Verantwortlichkeit des Rates und der von ihm beauftragten Personen fiel. Der größte Teil der Fragen dürfte aus praktischen Gründen vorformuliert gewesen sein, doch waren die Verhörenden in der Lage, auf unerwartete Sachverhalte mit gezielten Nachfragen zu reagieren.14 Obwohl die Verhöre unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden und den Verhör­ten Geld-, Leib- und Lebensstrafen drohen konnten, ist von einer vergleichsweise „angstfreie[n] Interaktion“ auszugehen.15 Zwar konnte das soziale Gefälle zwischen den Verhörenden aus der städtischen Oberschicht und den aus den unteren Schichten bzw. der Unterschicht stammenden Verhörten einschüchternd wirken, doch wurde in keinem Fall mit Zwangsmaßnahmen gedroht oder gar Folter ange­wendet, wie es etwa bei Zaubereiprozessen der Fall gewesen wäre.16 Auch sind keine Fälle bekannt, in denen Lebensstrafen verhängt wurden. Die personalisierten Verhöre geben bei aller Vorsicht gegenüber den verantwortli­ chen Protokollanten einen sowohl individuell tiefen als auch sozial breit gefächerten Einblick in das Denken der Betroffenen.17 Eindringlicher stellen nur Suppliken (vgl. Kap. II.5) die Hintergründe des Verhaltens und die individuelle Sichtweise auf be­ stimmte Sachverhalte dar. Die in 14  Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 05.08.1710): „F[rage]: ob er nicht vorige Woche von Kopen­hagen nach Hause gekommen und eine Dirne und eine Leutnantsche mitgebracht hat, obwohl sie keine Pässe hatten?, A[ntwort]: die Dirne hatte einen Pass, den hat er in Kopenhagen gesehen und in Warnemünde dem Cass. Danckw. eingeliefert, die Leutnantsche aber hatte keinen, „u. würde Sie desfalß keinen pass in Kopenhagen genommen haben, weile Ihr Mann in Schwedischen diensten stehen solle, doch habe Sie bey der abreise von Kopenhagen gesaget, daß Sie einen pass hätte.“. F: warum er nicht weiter nach gefragt und sich den angeblichen Pass nicht hat zeigen lassen?“ Die letzte Frage bezieht sich ausdrücklich auf das vorher Gesagte. Im Gegensatz dazu betont Schnabel-Schüle, dass Verhörende in frühneuzeitlichen Strafprozessen aufgrund der fortgeschrittenen Verrechtlichung der Prozesse nicht flexibel agieren konnten. Schnabel-Schüle, S. 298. Gegenteilig äußert sich Fuchs auf der Grundlage ausgewerteter Prozesse des Reichskammergerichts. Fuchs, S. 145 f., 152. 15  Behringer, Wolfgang: Gegenreformation als Generationenkonflikt oder: Verhörsprotokolle und andere administrative Quellen zur Mentalitäts­ ge­ schichte, in: Schulze, Winfried (Hrsg.): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Ge­schichte (Selbstzeugnisse der Neuzeit 2), Berlin 1996, S. 275–293, hier S. 282. 16  Vgl. zur Wismarer Sozialhierarchie: Schröder, S.  68 ff. 17  Vgl. Behringer (1996), S. 292.

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Suppliken oft erwähnten ausdrucksstarken Ge­fühlsbezeugungen waren für die Obrigkeiten von keinem objektiven Interesse und wurden daher nicht in die Verhörprotokolle übernommen. Anders als in den stilsicher formulierten Briefen, scheint in Verhörprotokollen die münd­liche Sprache durch. Die durch die städtischen Gerichte und Notare angefer­tigten Protokolle weisen ein Schema auf, welches die gegebenen Antworten mit nur geringer Bearbeitung widerspiegelt. Obwohl einige Aussagen zusammen­gefasst wurden18, machte sich doch kein Protokollant die Mühe, die getätigten Aussagen – abgesehen von der indirekten Redeform (Konjunktiv, Verhörter in dritter Person) – in ein hochsprachliches Schriftdeutsch zu setzen.19 Zwischen Situationsbeschreibung (Ort, Zeit, anwesende Personen), Fragen und Antworten in direkter Rede sowie der Zusammenfassung kann gut unterschieden werden.20 Andererseits bleibt unklar, wie hoch der Anteil der nicht aufgenommenen Beiträge war, also wieviel der Gesamtaus­ sage tatsächlich Eingang in das Protokoll fand.21 Eine Überprüfung der Aussagen durch andere Quellen ist nur in Ausnahmefällen möglich, da Verhöre anderer Perso­nen, Suppliken oder eine reflektierte Aus­einander­setzung der Obrigkeit mit den Protokollen nicht vorhanden sind und andere Quellengruppen der fünf Seestädte, die das soziale Umfeld ausleuchten könnten (Steuerbücher, Amtsakten), bei vielen Be­fragten nicht 18  Z. B. die Antwort einer Rostockerin, die eine Woche lang zwei Männer ohne Passierschein beher­bergt hatte. Mit welchen Worten sie sich mit der Strafe zufrieden gab, wurde nicht vermerkt, sondern nur der Sachverhalt: „Sie hätte n.[icht]s in vermögen behte daß man mit Ihr möge in Gelegen­ heit sehen. Hat hierauff abtreten müßen. Entlich sich der Geldstrafe wegen abgefunden.“ AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 18.09.1710). In einem anderen Verhör erscheint dieselbe Situation in direkterer Form: „F: ob er die Strafe annimmt, A: er hat nicht genug Vermögen, um den Betrag zu begleichen, Conclusum: Jacob Pohl wird zu 24 Stunden Gefängnis verurteilt und nochmal ermahnt“ AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 06.09.1710). 19  Vgl. Behringer (1996), S. 283. Schnabel-Schüle, S. 299 und 308. SchnabelSchüle weist auf die in vielen frühneuzeitlichen Verhörprotokollen zu findenden nonverbalen Informationen hin (protokollierte Gebärden des Verhörten wie Fußfall, Händeheben oder Haare­raufen, emotionale Betroffenheit wie Tränen oder Aggressivität). Derartige über Frage und Antwort hinausge­hende Informationen wurden in den hier untersuchten Beständen nicht vermerkt. 20  Behringer (1996), S. 290. 21  Behringer vermutet, dass zumindest ein Teil der in den Archiven aufbewahrten Verhör­protokolle eine Reinschrift darstellt, die auf der Grundlage eines flüchtigeren Primärprotokolls erstellt wurde, so dass von einem „weiteren Prozeß der Überformung, möglicherweise der Kürzung oder Abs­tra­hierung, der Interpretation, vielleicht auch des Mißverstehens zu rechnen“ ist. Die in den unter­suchten Beständen vorhandenen Protokolle geben zu dieser Vermutung aufgrund ihrer äußeren Form (keine akkurate Schrift) wenig Anlass. Behringer (1996), S. 283.



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greifen können, weil die Befragten oft Auswärtige waren (vgl. den Fall des Eisenschneiders Heynig im Kap. II.5).22 Den durch die Ratsherren, -sekretäre sowie Notare und Eide erhärteten Aussagen in den Verhören wurde eine ungleich höhere Glaubwürdigkeit als den Befragungen an den Toren unterstellt. Dies beruht darauf, dass in Verhören besser ausgebildete Per­sonen eingesetzt wurden und der Faktor Zeit eine untergeordnete Rolle spielte. Die Verhörenden konnten den Verdächtigen solange befragen, bis dieser sich mögli­cherweise in Widersprüche verstrickte23, während an den Toren eine zeitintensive Befragung den Verkehr stark behindert hätte. Auch konnte der moralische Druck, den ein Meineid auslöste, während eines längerdauernden Verhörs anwachsen, so dass Aussagen nicht leichtfertig beeidet wurden.24 Die Überzeugungskraft der Verhöre zeigt sich ebenso im obrigkeitlichen Schriftver­kehr bei der Weitergabe mehrerer Verhörprotokolle zwischen Wismar, Rostock und Lübeck sowie zwischen Stettin und Wismar. Im ersten Fall hatten zwei Rostocker Bürger in einem Wismarer Wirtshaus behauptet, Lübeck sei von der Pest befallen. Kurz darauf waren sie in Rostock wegen des Vorwurfs der Verleumdung verhört worden. Die protokollierten Aussagen schickte der Rostocker Rat zur Auf­klärung der Situation und Entlastung seiner Bürger nach Wismar und Lübeck, wie auch der Wis­marer Rat die Angaben der vor Ort verhörten Wachsoldaten.25 Im zweiten Fall dien­ ten die weitergeleiteten Verhörprotokolle von Stettiner Tuchscherern und Fär22  Vgl. die ausführlichen Beispiele zu bayerischen Kriminalfällen bei Behringer (1996). 23  Beispielsweise fragte der Warnemünder Hafenvogt einen Schiffer, den er verdächtigte, aus dem infizierten Kurland zu kommen, in der Hoffnung, ihn überführen zu können, im Verlauf eines Verhörs viermal nach seinem Pass aus Libau, woraufhin der Schiffer immer wieder angab, dort nicht gewesen zu sein. AHR: 1.1.3.15 – 159, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke sowie Verhörprotokoll (R, 15.08.1710). 24  Eine im September 1711 verhörte Rostockerin, die zunächst ihre gemachte Aussage beeiden wollte, bekam im Verlauf des Gesprächs Skrupel und bat darum, die Sache überdenken zu dürfen. Erst vier Tage später war sie schließlich bereit, ihre nunmehr modifizierten Ausführungen zu be­schwö­ren. AHR: 1.1.3.15 – 160, Verhörprotokolle (P, 18.09.1711 und 21.09.1711). Angesichts der jahrelangen Bedrohungssituation bestand jedoch die Gefahr, dass Eide zu häufig abgefordert wurden und darunter ihr moralischer Wert litt. Diese Sorge führte bei der fürstbischöflichen Regierung zu Eutin zu einem bewusst maßvollen Verhalten. Gegenüber dem Lübschen Rat hieß es, sie lasse „diejenige[n] Leüte, von welchen wir gewiß versichert sind, daß sie nicht außer dem Stiffte reisen, umb ohne noth mit Eiden nicht Zu spielen, eben nicht würcklich schwehren […]“. AHL: ASA, Interna, Pest 9 / 1, fürstbischöfliche Regierung zu Eutin an Lübschen Rat (R, 22.08.1712). 25  Wahrmann, Carl Christian: Die Macht der Gerüchte. Die Seestädte des südwestlichen Ostsee­raums und die Bedrohung durch die Pest 1708–1713, in: Ajaloo­

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bern, einem Schiffer und dem Diener des Wismarer Bürgermeisters Kuhlman dazu, die letzterem unterstellte Verbreitung der Pest zu widerlegen (siehe Kap. D.IV.3). Auch wenn sich die Obrigkeiten in ihrer Argumentation ebenfalls auf Befragungen beriefen, so wurden diese doch in keinem Fall wörtlich wiedergegeben, sondern paraphrasiert verwendet. Einen besonderen Wert scheint der Rostocker Rat auf die Durchführung von Verhö­ren gelegt zu haben, denn mehr als 60 Fälle sind hierzu in den Pestakten dokumen­tiert. Keine andere der untersuchten Obrigkeiten unternahm derart viele Versuche, durch beeidete Aussagen der Seuche vorzubeugen und ihre intensive Fürsorge mit­tels Einsatz von Menschen deutlich zu machen. Einschränkend ist zu sagen, dass wahrscheinlich auch in Lübeck, Wismar, Stralsund und Greifswald mehr Verhöre durchgeführt wurden als bezeugt sind. Die Bedrohungssituation war für alle Orte nahezu identisch und auch sonst unterschied sich die Pestpolitik nicht maßgeblich voneinander. Den Protokollen dürfte jedoch ähnlich den verschriftlichten Befragun­ gen eine lediglich temporäre Bedeutung eingeräumt worden sein, wes­wegen sie heute nicht mehr erhalten sind. 2. Pestgottesdienste und Betstunden Die städtischen Pastoren erfüllten in Zusammenhang mit der Pest zwei Funktionen. Zum einen deuteten sie in ihren Predigten die Seuche als eine Strafe Gottes und wiesen ihr damit im frühneuzeitlichen Weltbild eine feste Rolle zu. Die Seuche, ohne diese Deutung eine unerträgliche Erschütterung, der die Menschen ohne Rettung ausgeliefert waren, wurde zu einem zwar immer noch ängstlich machenden Um­stand, doch war ihr Sinn in Gottes Plan erkennbar und seine versprochene Hilfe tröstlich. In eigens in dieser Zeit eingerichteten Gottesdienstformen erhielt die Ge­meinde die Möglichkeit, Buße für begangene Sünden zu tun und auf diese Weise vom Höchsten die Verschonung der Stadt bzw. ein Ende der grassierenden Seuche zu erbitten. Die zweite Funktion bestand in der Bekanntgabe der obrigkeitlichen Ver­ordnungen (siehe Kap. II.3), die im Anschluss an die Predigten abgekündigt wurden. Durch die Person des Predigers, der im Talar von der erhöhten Kanzel die Bestimmungen des Rates verkündete, verbanden sich in den Augen der Gemeinde geistlicher und weltlicher Bereich.26 line Ajakiri / The Estonian Historical Journal 3 / 4 (129 / 130) (2009), S. 465–491, hier S. 476–480. 26  Vgl. zur religiösen Pestbewältigung die jüngst erschienenen Arbeiten von Górska, Liliana: „Die Pest der Seele“ – Zur religiösen Pestbewältigung in Danzig 1709, in: Wahrmann, Carl Christian / Buchsteiner, Martin / Strahl, Antje (Hrsg.): Seuche und Mensch. Herausforderung in den Jahrhunderten. Ergebnisse der internatio-



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Zunächst sah es so aus, als wäre die Geistlichkeit den Pestgottesdiensten gegen­über besonders aufgeschlossen. Im November 1708 wurden die Rostocker Pastoren bei ihrem Stadtrat aus eigenem Antrieb vorstellig. Sie übergaben ein ausformuliertes Pestgebet, in welchem es um die Abwendung der Gefahr ging. Der Rat ließ es sich nicht nehmen, den Text nachzubessern, genehmigte ihn aber schließlich, so dass das Gebet von den Kanzeln verlesen werden konnte.27 Nur für Rostock ist in dem Anfangsjahr der Seuche diese Art der Reaktion nachweisbar. In Wismar, Stralsund und Greifswald begannen die Überlegungen erst im Folgejahr. In Lübeck hingegen wurde die Einführung von Pestbetstunden oder -gottesdiensten nicht diskutiert. Der Lübsche Rat erfuhr zwar im Sommer 1710 von der mecklenburgischen Regierung in Schwerin, dass diese Formen im Herzogtum wie schon 1709 eingeführt worden seien, sah sich seinerseits aber nicht zu diesem Schritt veranlasst.28 Frühere Benach­richtungen sind nicht nachweisbar, angesichts der sonst dichten Brieffolge aber wahrscheinlich. Der Verzicht auf Pestgottesdienste in Lübeck hat seine Ursache vermutlich darin, dass zum einen die Pest nicht in unmittelbarer Nähe Lübecks auf­ getreten war, andererseits diese öffentliche Vorsorge das Misstrauen der Nachbarob­rigkeiten verstärkt hätte. Trotzdem gab es auch hier Pestgebete, die nach der Predigt verlesen wurden.29 In den anderen vier Seestädten war das Übergreifen der Seuche auf Pommern ein starker Impuls für die weitere Beschäftigung mit dem Thema. Durch die kurfürstliche Regierung in Ratzeburg wurde das Wismarer Tribunal Ende August 1709 hiervon in Kenntnis gesetzt. In seiner Antwort vernalen Tagung vom 29.–31.10.2010 in Rostock (Historische Forschungen 95), Berlin 2012, S. 121–135. Kociumbas, Piotr: Das Repertoire von Pestliedern in den zu Danzig herausgegebenen deutschsprachigen Gesangbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Wahrmann, Carl Christian / Buchsteiner, Martin / Strahl, Antje (Hrsg.): Seuche und Mensch. Herausforderung in den Jahrhunderten. Ergebnisse der internationalen Tagung vom 29.–31.10.2010 in Rostock (Historische Forschungen 95), Berlin 2012, S. 137–155. Walter, François: Katastrophen. Eine Kulturgeschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Aus dem Französischen von Doris Butz-Striebel und Trésy Lejoly, Stuttgart 2010, S. 27–54. 27  AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 09.11.1708, Punkt 2. Vgl. zu den Verhältnissen in Rostock: Wahrmann, Carl Christian: Rostock unter dem Eindruck der letzten Pestepi­demie im Ostseeraum um 1710, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 31 (2011), S. 31–56. 28  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 1, herzogliche Regierung zu Schwerin an Lübschen Rat (R, 04.09.1710) und Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710). Vgl. AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710). 29  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Superintendent Gerdes an königlich schwedisches Tribunal (R, 03.10.1710).

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wies es auf die bereits angelaufenen „öffentliche[n] kirchen gebethe“.30 In Wahrheit wurden diese aber an dem Tag in der Stadt und auf dem Land angeordnet, an welchem das Ratzeburger Schreiben be­sprochen wurde. Da der Druck auf den 24. August datiert, die Ausführung aber erst am 29. August angeordnet wurde, liegt die Vermutung nahe, dass das Gebet zu­nächst zurückgehalten wurde und sich die Juristen erst durch das Ratzeburger Schreiben zur Veröffentlichung verpflichtet sahen. Bei dem Gebet handelt es sich um eine Ergänzung des normalen Gottesdienstablaufes, nicht um einen eigenen Pest­ gottesdienst. Das zusätzliche Gebet war nach der Predigt zu verlesen. Die Kommu­ nikation war für die Gemeinde aber nicht auf das Hören beschränkt. Die Anordnung des Tribunals lautete nämlich weiter, dass die Gläubigen die Worte „mit herzlicher andacht“ nachsprechen sollten.31 Es ist davon auszugehen, dass der Text in gedruck­ ter Form und ausreichender Anzahl auslag und mitgelesen werden konnte.32 Die kommenden acht Monate wurde diese Gottesdienstform beibehalten. Die Ein­stellung des Pestgebetes und dessen Ersetzung durch das gewöhnliche Gebet er­folgte auf Befehl des Tribunals am 15. April 1710. Dazu schrieben die Assessoren an Superintendent Gerdes und teilten ihm mit, dass die „große gefahr der Pest und anderer ansteckenden bösen kranckheiten, nunmero, durch gottes sonderbare gnaden etwas abzunehmen, beginnet“.33 Wie es hier anklingt, ging man nicht von einem totalen Verschwinden der Bedrohung aus und trug Gerdes auf, im ge­wöhn­lichen Gebet einen Satz zu ergänzen, in dem um weitere Verschonung vor der Pest gebeten wurde.34 Im September 1710 stellte das Tribunal fest, dass die Seuche sich „gewaltig außbreitet und dieser unser Herschaft u. Stadt sich mehr und mehr zu nähern, beginnet“.35 Unter Hinweis auf die Nachbargebiete wurde Superintendent Gerdes aufgetragen, ein neues Pestgebet zu entwerfen und dreimal 30  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 02.09.1709). 31  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Landprediger (K, 29.08.1709). 32  Ebd. königlich schwedisches Tribunal an Landprediger (K, 29.08.1709) und „Gebet / Umb Abwendung der Pest.“ (D, 24.08.1709), kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 26.08.1709), königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (K, 02.09.1709. Vgl. den ähnlichen Fall in Rostock, wo die herzogliche Regierung 100 Exemplare des mecklenburgischen Pestgebets zur Auslegung in den Kirchen an den Rostocker Rat sandte (AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 18.12.1709). 33  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Superintendent Gerdes (K, 15.04.1710). 34  Ebd. 35  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Superintendent Gerdes (E, 26.09.1710).



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in der Woche in jeder Kirche Extra-Betstunden einzurichten. Der Gemeinde sollte dabei ein Bußtext vorge­ tragen werden. Doch Gerdes’ Antwort war nicht etwa eine Zustimmung, sondern eine ausführliche Gegendarstellung. Zunächst war Gerdes zufolge ein neues Pestgebet nicht nötig, er änderte in dem des letzten Jahres lediglich einige kleine Passagen.36 In Absprache mit dem geistlichen Ministerium erklärte er weiter, dass zwar eine zent­ rale Betstunde abgehalten werden könne, dabei aber kein Bußtext vorgetragen und erklärt werden solle. Die Ausarbeitung eines speziellen Textes bedeute den gleichen Aufwand wie eine Sonntagspredigt. Die zusätzliche Arbeit vermochten die Prediger nicht zu leisten und ohnehin riefen sie in ihren Predigten zur Buße auf. Dem Verweis auf Pestbetstunden der Nachbarn widersprach Gerdes. Davon sei ihm nichts be­kannt. In Pommern handele es sich seiner Ansicht nach um Friedensbetstunden, die in Mecklenburg seien nach der in Berlin üblichen Weise gehalten und mittlerweile jedoch be­reits wieder eingestellt worden. Gerdes betonte, dass in Wismar Pestbetstun­den ohnedies nie üblich gewesen seien und stützte sich darauf, dass schon im ver­gangenen Jahr 1709 keine Pestbetstunden abge­halten worden waren und es ledig­lich auf dem Land zweimal in der Woche dazu gekommen war. In Rostock habe man die gewöhnlichen Betstunden abgeändert und „itzo auf der Pest gerichtet“, in Lübeck wäre nichts dergleichen geschehen, „sondern nur alle tage nach der gewöhnlichen Predigt das Pestgebet, worunter die Bettglocke itzo gezogen, verlesen“.37 Weiterhin sei es so, dass bei häufig wiederholten Gottesdiensten die Kirchen, anstatt sich zu füllen, „lehrer und lehrer“ würden, „ohngeachtet die noth von Jahre zu Jahre sampt den trübseligen Zeiten zunimmt“.38 Für die wenigen Besucher könne das geistliche Ministerium unmöglich neue Predigten einrichten, die er als „unnütze Arbeit“ be­zeichnete. Das Tribunal schloss sich der Meinung Gerdes’ an und ließ die Ordnung beim Gewohnten, drängte aber immerhin darauf, „zu erweckung mehrer andacht, eine kleine aufmunterung nur mit wenig worten […] an die Gemeine“ ergehen zu las­sen.39 Es ist bemerkenswert, dass es trotz der seit zwei Jahren vorhandenen Gefahr keinen gesteigerten Bedarf an geistlichem Zuspruch gab und stattdessen eine Ermüdung der Stadtbevölkerung festgestellt wurde. Vielleicht 36  So heißt es in den einleitenden Worten nicht mehr, dass eine neue Seuche in Polen begonnen habe, sondern die bereits bekannte „von neuem gewaltig“ auftrete. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Superintendent Gerdes an königlich schwedisches Tribunal (R, 03.10.1710). 37  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Superintendent Gerdes an königlich schwedisches Tribunal (R, 03.10.1710). 38  Ebd. 39  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Superintendent Gerdes (E, 03.10.1710).

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war es aber gerade die lange Dauer der Bedrohung, in welcher die Bedrängnis mittlerweile zum Alltag gehörte und dazu führte, dass die Empfindungen der Einwohner abstumpften und sie sich an die permanente Gefährdung gewöhnten. Der Rat wurde an diesen Konferenzen nicht beteiligt und erst nachdem sich Tribunal und geistliches Ministerium auf eine Gottesdienstordnung für die Betstunde geeinigt und gedruckt hatten, wurden die Ratsherren informiert und aufgefordert, ihre Über­legungen mitzuteilen.40 Auch der für Poel und Neukloster zuständige Oberinspektor Steben wurde lediglich von dem Ergebnis in Kenntnis gesetzt und mit der praktischen Umsetzung betraut.41 Um den veränderten Betstunden Nachdruck zu verleihen und deren Legitimation zu erhöhen, gab das Tribunal einige Tage nach seinem Edikt eine umfassende Verordnung im Namen des Königs heraus, die auch auf die Betstunden Bezug nahm.42 In Rostock war das Pestgebet wahrscheinlich zum Jahresbeginn 1709 eingestellt worden, als das Wetter kalt war und die Pest sich nicht ausbreitete. Nach dem Ein­treffen anderslautender Nachrichten im Sommer 1709 schickte der Rostocker Bür­germeister Tielcke im August den Protonotar zu Superintendent Quistorp und ließ um Wiedereinführung des Pestgebetes bitten. Quistorp reagierte verbindlich und gab vor, den gleichen Gedanken gehabt zu haben. Der Gebetstext wurde aktualisiert und sollte am folgenden Sonntag erstmals verlesen werden.43 Sicher wurde in der Einlei­tung auf den neuen Pestherd Preußen eingegangen. Eine am 26. August 1709 publi­zierte Ratsverordnung wies unter anderem auf die Verantwortung jeder Obrigkeit hin, für die Abwendung der Pest zu beten. Diese Passage ist allerdings ebenso eine rhetorische Formel, die nicht auf das in den Kirchen organisierte Gebet Bezug nimmt, wie die häufigen allgemeinen Ermahnungen, dass jeder Einzelne bußfertig sein müsse.44 Aus einem Schreiben des Ratsdirektors von Unterfärth und des Kanzlers von Klum vom mecklenburgischen Landtag ist zu erfahren, dass der Herzog wegen der Pest vor dem 25. August wöchentliche Betstunden angeordnet hatte. Diese unterschieden sich von den Pestgebeten dadurch, dass die Texte nicht in den Gottesdienst integ­riert, sondern separate Termine angesetzt 40  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 25.10.1710) und Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (D, 25.10.1710). 41  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Oberinspektor Steben (E, 27.10.1710). 42  Ebd., Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal) (D, 28.10.1710). 43  AHR: 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 09.08.1709. 44  AHR: 1.1.3.5.2 – 82 und 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Rostocker Rates (K und E, 26.08.1709).



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wurden, bei denen ausschließlich um Ab­wendung der Seuche gebetet wurde. Der Landtag hatte entschieden, dass „das allgemeine, und sonderbare Gebet zu Gott dem Allerhöchsten, ümb gnädige abwendung dieser Plage und Landstraffe, andächtig und eiffrig continuiret werden möge.“45 Aus der Formulierung geht nicht eindeutig hervor, ob nur Rostock dieses Gebet eigenverantwortlich eingeführt hatte oder es sich um eine landesweite Aktion handelte. Im Verlauf des Jahres wurden die herzoglichen Betstunden wieder aufge­ hoben, denn drei Tage vor dem Jahreswechsel erkundigten sich die Rostocker Rats­herren in Schwerin, weil sie von der geplanten Einführung neuer Pestbetstunden er­fahren hatten. Sie beriefen sich auf „einige gedruckte bogen“, die ihnen zugekommen waren. Ohne ausdrücklichen Befehl wollte der Rat aber nichts veranlassen und fragte deshalb nach.46 Zu Beginn des neuen Jahres erhielt der Rat 100 Stück der herzoglichen Betstunden­ ver­ ordnung und setzte sich umgehend mit der Pastorenschaft zusammen, denn die Einführung der Betstunden war kurzfristig festgesetzt worden. Das Treffen mit dem Superintendenten und den drei Hauptpastoren der großen Stadtkirchen offenbarte die Vorbehalte, welche die Geistlichkeit gegenüber den Maßnahmen hatte. Doch waren es keine theologischen oder medizinischen Bedenken, die den Unmut be­dingten, sondern Arbeitsüberlastung und die Sorge, dass die Bevölkerung keinen Bedarf an den Betstunden hatte. Die Pastoren bestanden darauf, die gewöhnlichen Betstunden auszusetzen, um nur die Peststunden zu halten, weil es ihnen sonst „sehr beschwerlich fallen würde“.47 Da „Sie [die Pastoren] befürchten das die leute werden ermüden, wen tagtäglich in allen Kirchen die betstunden solten gehalten werden“, machten sie den Vorschlag, diese auf vier Wochentage und nur zwei Kirchen zu begrenzen. Auch die Außenwirkung sollte beschränkt werden, denn es sollte hierzu nur „gebimmelt undt nicht geleutet werden“.48 Für die Hospitalkirchen sahen sie weitere Einschränkungen vor, da die dortigen Prediger mit ihren tagtägli­chen Aufgaben ausgelastet seien. Mit allen ihren Vorstellungen konnten sie sich nicht durchsetzen. Der Rat machte der Bevölkerung öffentlich bekannt, dass auf her­zoglichen Befehl von montags bis freitags nachmittägliche Pestbetstunden abgehal­ ten würden, dagegen die „ordinairen“ am Vormittag eingestellt würden.49 Die 45  AHR: 1.1.3.15 – 158, Schreiben des Ratsdirektors von Unterfärth und des Kanzlers von Klum (R, 25.09.1709). 46  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 28.12.1709). 47  AHR: 1.1.3.15 – 159, Bürgermeister Stever an Rostocker Rat (R, 04.01.1710). 48  Ebd. 49  Ebd., herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 18.12.1709), Schreiben des Bürgermeisters Stever (R, 04.01.1710), Ratsschluss (K, vermutlich vor 07.01.1710).

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Rostocker Pastoren brachten mit ihren Gedanken einen Aspekt vor, der in den Überlegungen der Räte und der Regierungen keine Rolle spielte, denn an ein Des­interesse der Bevölkerung hatte man in Rostock noch nicht gedacht. Man ging davon aus, dass jedes Edikt und jeder Brief die ungeteilte Aufmerksamkeit der Adressaten bekäme. Dass aber im Hinblick auf die jahrelange Bedrohung eine Gewöhnung ein­treten würde, war nie in Betracht gezogen worden. Die Häufung überlieferter Pass­ vergehen und ähnlicher Straftaten im Jahr 1710 muss nicht in der zufälligen Überlie­ferung begründet sein, sondern rührt auch daher, dass die Angst- und Drohkulisse im Alltagsleben nicht über mehrere Jahre hinweg auf gleich hohem Niveau aufrecht er­halten werden konnte.50 Nach einem Jahr bemerkten die Leute, dass sie nicht automa­ tisch von der Pest befallen wurden, wodurch die Glaubwürdigkeit der Plakate und auch der Betstunden leiden musste, wenn diese im Wortlaut nicht an die verän­derte Situation angepasst wurden.  Das angebliche Ende der Pest im Frühjahr 1710 wurde in MecklenburgSchwerin – und damit auch in Rostock – durch einen besonderen Pestgottesdienst begangen. Dieser fand an Rogate (25. Mai) statt. Im Gegensatz zu den Betstunden handelte es sich um einen vollwertigen Sonntagsgottesdienst (vormittags und nachmittags). Die Predigt bezog sich ausdrücklich auf die Pest und bei den Liedern, Psalmen und Ge­beten stand der Dank für die Errettung im Vordergrund und nicht die Buße der Ge­meinde.51 Entsprechend der herzoglichen Anweisung machte der Rostocker Rat das landesweite Fest seinen Einwohnern bekannt und wollte sie „vaterlich und ernstl. erinnert und vermahnet haben, daß sie sich zu solchem dancktag christlich bereiten, sampt ihren frauen, kinder und gesinde alda so wohl vor- alß namittags fleißig zur Kirchen einfinden“.52 Dabei sollte in den Gemeinden nicht nur um weitere Verscho­nung vor der Pest, sondern ebenso vor Krieg und Teuerung gebetet werden, womit der Rat die drei klassischen Notlagen miteinander verband. Die Ausarbeitung des Dankgebets wurde dem Superintendenten übergeben, dessen Vorschlag mit einer Änderung durch den Rat angenommen wurde. Die Ratsherren beanstandeten, dass sie nicht ausreichend erwähnt würden und ergänzten den Zusatz „Und negsten dieselbe bewahre auch hiesiger guten Stad Obrigkeit“.53 Zur Besprechung der im­mer 50  Zum Problem der Angst in Krisenzeiten siehe Delumeau, Jean: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 1, Deutsch von Monika Hübner, Gabriele Konder und Martina RotersBurck (Kulturen und Ideen), Reinbek 1985, besonders S. 140–199. Kritik an Delumeaus Ansatz bei Schlenkrich, S. 4. 51  AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 03.05.1710). 52  Ebd., Ratsschluss (R, 18.05.1710). 53  Ebd., Bürgermeister Tielcke an Superintendent Reeder (K, 21.05.1710).



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noch nicht endgültig ausgehandelten Betstunden schickte der Rat Bürgermeister Beselin und Dr. Schwabe als Vertreter zum geistlichen Ministerium.54 Das Ergebnis der Konferenz verkündete der Rat der städtischen Öffentlichkeit und erklärte, dass die Pestbetstunden wegen des Seuchenendes durch die gewöhnlichen Betstunden ersetzt würden und in Abstimmung mit dem geistlichen Ministerium jeweils wechsel­weise nachmittags in zwei der vier Hauptkirchen am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag stattfinden sollten.55 Entgegen der Hoffnung, die Seuche würde nach den Dankgottesdiensten dauerhaft fortbleiben, erreichten im Sommer 1710 Berichte über neu infizierte Regionen die fünf Seestädte. Die Schweriner Regierung reagierte auf diesen Umstand und ließ die Pestbetstunden Mitte August im ganzen Land wieder einführen. Mindestens der Lübsche Rat und die Stettiner Regierung wurden davon direkt in Kenntnis gesetzt, sicherlich auch andere benachbarte Regierungen.56 Es war wichtig zu betonen, dass die ersten Betstunden durch Gott erhört worden waren und nun die Pest aufs Neue auftrete. Im Bewusstsein des Publikums sollte es sich um eine neue Epidemie handeln.  Ausdrücklich wurde auf die am 16.  November 1709 gemachten Veranstal­ tungen eingegangen und die Bevölkerung aufgerufen „den allerhöchsten […] üm gnädige erbarmung und verschonung Unserer Lande und Unterthanen mit dergleichen wollverdienten Straffen, bußfertig und demühtig anzuruffen“.57 Dabei erfuhr die Bedrohung eine Steigerung, wenn es im Schreiben an den Rostocker Rat heißt, die Seuche sei „noch stärcker und näher“.58 Vielleicht waren die Bedenken der Pastoren wegen des geringen Interesses eingetreten, auf jeden Fall wurden diese Andachten nur an zwei Wochentagen (Mittwoch und Freitag) durchgeführt. Der Rat erhielt eine Woche Zeit, die Anordnung in seinem Gebiet von den Kanzeln ab­kündigen zu lassen, damit „das Volck hertzlich ermahnet werde, derselben willig und mit Andacht nachzuleben.“59 Der Rat meldete kurz darauf pflichtgemäß den Voll­zug.60 54  Ebd., N. N. an Bürgermeister Tielcke (R, 20.05.1710) und Bürgermeister Tielcke an Superintendent Reeder (K, 21.05.1710). 55  Ebd., herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 03.05.1710), Ratsschlüsse (R, 18.05.1710 und K, 25.05.1710), N. N. an Bürgermeister Tielcke (R, 20.05.1710), Bürgermeister Tielcke an Superintendent Reeder (K, 21.05.1710). 56  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 1, herzogliche Regierung zu Schwerin an Lübschen Rat (R, 04.09.1710). AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an schwedisch pommersche Regierung (K, 12.08.1710). 57  AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 14.08.1710). 58  Ebd. 59  Ebd.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Und tatsächlich wurde in den kommenden Tagen eine Verordnung erlassen, welche den Einwohnern an jedem Sonn- und Feiertag befahl, Gott um Abwendung der Seu­che zu bitten. Damit wurden nicht nur die Betstunden in das System der Pest­ abwehr eingebunden, sondern jeder Gottesdienst wurde damit zu einem Pest­gottes­dienst und die Aufmerksamkeit der Bevölkerung wurde auf dieses zentrale Problem gerich­tet. Der Rat beließ es nicht bei den Gottesdiensten und den ausformulierten Gebe­ten, sondern verfügte eine strenge Feiertagsheiligung, die das Überqueren der War­now, Alkoholkonsum und Spiele während dieser Zeit untersagte. Das Strafmaß blieb der Willkür der Amtsherren anheim gestellt. Das Problem der Sonntags­heiligung existierte ebenso in den anderen Seestädten, in Rostock finden sich für die Zeit von 1700 bis 1715 fünf ähnlich lautende Verordnungen. Das Besondere an der von 1710 ist die Erwähnung der Pestgefahr und der direkte Bezug, der zwischen Sünden und Pest hergestellt wurde.61 60

In Schwedisch Pommern übernahm die Regierung von Anfang an die Organisation der Pestgebete. Am 1. August 1709 verschickte sie ein gedrucktes Edikt, in dem ne­ben anderen Vorsorgemaßnahmen ein „allgemeines öffentliches Kirchn=Gebet“ an­gekündigt wurde.62 Den Brief erhielten nachweislich Lübeck und Stralsund, außer­ dem vermutlich alle pommerschen Städte und ausgewählte fremde Obrig­ keiten. Annähernd zwei Wochen danach übersandte die Regierung den fertigen Gebetstext und wies den Stralsunder Rat an, ihn an das geistliche Ministerium mit dem Befehl weiterzuleiten, ihn nach jeder Sonntags- und Feiertagspredigt sowie den städtischen Betstunden abzulesen. Wie in Rostock waren „die zuhörer zur Christlichen andacht und Inbrunstigkeit auf[zu]muntern“.63 Das gedruckte Gebet geht mit den Gläubigen hart ins Gericht. Durch deren „vorsetzliche übermachte Bosheit / Sicherheit / Undanck / Ungehorsam und Halsstarrigkeit“ habe der Herr eine Seuche geschickt.64 Bußformeln wie „Wir! Wir! sind dieses ungehorsame Volck“ und „O Weh uns! Weh uns! Daß wir so gesündiget haben“, die laut Text durch „ruffen und schreyen“ be­zeugt wur60  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710) und AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 14.08.1710), Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710) und Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 30.08.1710). 61  AHR: 1.1.3.13 – 270, Verordnung des Rostocker Rates (R, 31.08.1710). 62  STAS: Rep. 14, 89, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709). AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709). 63  STAS: Rep. 14, 89, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 12.08.1709). 64  Ebd., Gebet (D, undatiert, vermutlich Anfang 08.1709).



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den, verdeutlichen die Dramatik dieser Zeit.65 Die gegenwärtige Seuche wurde durch die wortgetreue Übernahme von Psalm 91, 6 mit der im Alten Testa­ment erwähnten Krankheit gleichgesetzt. Dort wird die Seuche als „die Pestilentz / die im Finstern schleichet / die Seuche / die im Mittage verderbet“ bezeichnet.66 Nach der Bußbereitschaft konnte dann die Gemeinde getröstet werden, indem Gott an sein Versprechen erinnert wurde, die Pest bei ehrlicher Reue wieder zurückzunehmen. Der Rat nahm den Befehl auf und entschied in der Ratssitzung vom 16. August 1709, die städtischen Prediger zu informieren und den Gebetstext ohne Änderung ablesen zu lassen.67 Die Einführung gesonderter Pestbetstunden hingegen regte Bürgermeister Zander erst am 30. August 1710 an und schickte Syndikus von Engelbrecht zum Super­inten­den­ten, um mit diesem die einzelnen Modalitäten für allgemeine Andachten in allen städ­tischen Kirchen und Klöstern zu erörtern.68 Das Ergebnis dieser Besprechung trug der Landrat und Bürgermeister Wulf­ raht am 5. September im Rat vor.69 Das Verhal­ten des Superintendenten und des Jacobipastors Sledanus ähnelte dem der Rosto­cker Pastoren. Auch sie hatten „verschiedene uhrsachen angeführet warumb es nicht wol seyn könte, auch wenig nutzen daher zu hoffen.“70 Zusätzliche Gebete lehnten sie rundweg ab, waren aber kompromissbereit und wollten dienstags und donners­ tags nach den Predigten in St. Nikolai Andachten abhalten. Das Pestgebet sollte da­bei mit dem Kriegsgebet kombiniert werden. Im Übrigen war trotz der Ratsanweisung vor zwei Wochen noch kein Pestgebet gehalten worden, da nach Meinung der Predi­ger die üblichen Gebete auch dieses Unglück hinreichend einschlossen. Doch der Rat bestand auf der Umsetzung des landesobrigkeitlichen Befehls und ordnete die Haltung der Pestgebete in St. Nikolai und anderen Kirchen an. Angesichts der sich in diesen Tagen auf dem Höhepunkt befindenden Sterbe­zahlen dürfte der Bedarf an geistlichem Zuspruch und Sinnstiftung besonders groß gewesen sein. Diesem Be­dürfnis kam der Rat entgegen.71 65  Ebd.

66  Psalm

91, 6. Rep. 14, 89, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709), Gebet (D, undatiert, vermutlich Anfang 08.1709), schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 12.08.1709), Ratsprotokollauszug (R, 16.08.1709) und Rep. 9, 430, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709). 2. Chron. 7, 13–14. 68  STAS: Rep. 29, 821, Ratssitzung vom 30.08.1710. 69  Zur Stellung der Landräte in Schwedisch Pommern siehe auch Meier (2008), S. 32. 70  STAS: Rep. 29, 821, Ratssitzung vom 05.09.1710. 71  Ebd. 67  STAS:

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Das Interesse der weltlichen Obrigkeit, die Kirche frühzeitig in die Pestmaßnahmen ein­zu­beziehen, stieß bei dieser überraschenderweise nicht auf die erhoffte Zustim­mung. Zu groß waren die Bedenken einer Arbeitsüberlastung, wie sie in Rostock und Wismar den Stadträten ausführlich dargelegt wurden und der Zweifel am Sinn zu­ sätzlicher Betstunden. Im Laufe der mehrjährigen Epidemie war die Seuche nämlich für die Bevölkerung zu einem gewohnten Bestandteil des Alltags geworden. Informa­tionen über infizierte Städte, Handels- und Reisebeschränkungen konnten in der ersten Zeit für Unruhe sorgen, doch ließ die Dauerbedrohung die Menschen gegen­über der Pest soweit ermüden, dass nicht täglich um das eigene Leben gefürchtet wurde.72 Die Bedenken der Pastoren beruhten daher nicht auf Bequemlichkeit und einer Unlust, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, sondern auf der Einsicht, dass die tröstende Wirkung der kollektiven Gebete vor allem dann gegeben war, wenn die Seuchennachricht noch krisenhaft war. Sie verminderte sich, wenn die Pest dem ei­genen Ort nicht näher kam, auf andere Gebiete beschränkt blieb. Wozu also Gott erneut ständig anrufen, wenn er doch die Gebete längst erhört und die Stadt bereits verschont hatte? Eine andere Bedeutung hatten die öffentlichen Dankgottesdienste, deren Abhaltung ein wichtiges äußerliches Erkennungszeichen für das Ende einer Epidemie war. Als sich im April 1710 die Nachrichten eines allgemeinen Zurückgehens der Seuche in und um Danzig häuften, erkundigten sich die Lübecker Ratsherren direkt beim Danziger Rat und teilten mit, aus den „öffentl. Zeitungen“ vom völligen Verschwinden der Pest aus der Stadt und 72  Elke Schlenkrich (Schlenkrich, S. 405) hat in ihrer Untersuchung zu Sachsen, Böhmen und Schlesien im gleichen Zeitraum das genaue Gegenteil festgestellt. Es „ist ein gestiegenes Bedürfnis zur Teilnahme an den Gottesdiensten und der Feier des Heiligen Abendmahls zu konstatieren.“ Auch Liliana Górska und Otto Ulbricht stellten dieses besonders für die Danziger Epidemie von 1709 fest. Eine ähnlich ablehnende Haltung der Geistlichkeit wie in den Seestädten ist m. W. von keinem anderen Seuchenzug dokumentiert. Möglicherweise spielte das Eindringen des Pietismus nach Nord­deutsch­land eine Rolle und führte zu einer veränderten Religiosität, die in den Quellen nicht nachweisbar ist. Anstatt in öffentlicher Gemeinschaft bei Gottes­diensten zu beten, könnten die Bürger verstärkt private Konventikel genutzt haben, wofür es zumindest in Danzig Belege gibt. Górska (2010), S. 89 f., 143–147 und 393–400. Ulbricht, Otto: Gelebter Glaube in Pestwellen 1580–1720, in: Lehmann, Hartmut / Trepp, Anne-Charlott (Hrsg.): Im Zeichen der Krise. Religiö­ sität im Eu­ropa des 17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 152), Göttingen 1999, S. 159–188, hier S. 165 f., 170 f., 174 und 178. Vgl. Gestrich, Andreas: Pietismus und ländliche Frömmigkeit in Württemberg im 18. und frühen 19. Jahr­ hundert, in: Haag, Norbert  /  Holtz, Sabine  /  Zimmermann, Wolfgang (Hrsg.): Ländliche Frömmig­keit. Konfessionskulturen und Lebens­welten 1500–1850, Stuttgart 2002, S. 343–357. Wallmann, Johannes: Der Pietismus (UTB 2598), Göttingen 2005, S. 132.



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dem deswegen abgehaltenen Dankfest erfahren zu ha­ben, worüber nun eine verifizierende Stellungnahme der Danziger erbeten wurde.73 Die Nachfragen des Lübschen Rates bei den ehemals pestbetroffenen Städten gin­ gen im Mai weiter. Am 10. Mai wurde der Königsberger Rat angeschrieben. Die Lü­ becker wollten explizit wissen, ob eine öffentliche Danksagung anlässlich des Pestendes angeordnet worden war. Dies zeigt, dass der Gottesdienst nicht nur für die Bevölkerung einer betroffenen Stadt abgehalten wurde, sondern fremde Obrig­ keiten hierin den Beweis einer tatsächlich beendeten Epidemie sahen. Im Gegensatz zu möglicherweise verschleiernden Formeln im Briefverkehr war ein Dankfest ein ein­deutiges Signal. Ein wider besseres Wissen abgehaltener Gottesdienst wäre durch die unmittelbare Präsenz Gottes in dem Kommunikationsakt einem Meineid gleich­ge­kommen.74 Die Königsberger antworteten, dass die Seuche in der Stadt, deren Vor­städten und dem Umland gänzlich aufgehört habe und am Palmsonntag 1710 des­wegen ein Dankfest abgehalten worden sei, nach dessen Ende von Türmen und Rathäusern „eine Music mit Herpaucken und Trommenten gehalten“ wurde.75 Zweck­mäßigerweise verschwiegen die Königsberger, dass Palmsonntag bereits das zweite Dankfest stattgefunden hatte. Ein erster Gottesdienst zum Pestende im Januar hatte sich als verfrüht erwiesen, denn danach war es zu erneuten Todesfällen gekommen.76 Auch aus Libau erfuhren die Lübecker über das dortige Pestende so­wie ein entsprechendes Dankfest und teilten die frohe Kunde in ihrem nächsten Schreiben an den Rostocker Rat mit. Ein gewisses Misstrauen gegenüber den Aus­ sagen der betroffenen Städte blieb indes und so gaben die Lü­ becker an, sehr an Nachrichten über Königsberg interessiert zu sei. Der Rostocker Rat wurde gebeten, „von Zeit zu Zeit mit uns darüber zu correspondiren“.77 73  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, Lübscher Rat an Danziger Rat (E, 23.04.1710), Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 02.05.1710). In ihrer Antwort bestätig­ ten die Danziger die Zeitungsmeldung und erklärten, ein Dankfest abgehalten zu haben, mit dem am 27. April die Seuche offiziell für beendet erklärt wurde. 74  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  2, Lübscher Rat an Königsberger Rat (E, 10.05.1710). 75  Ebd., Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 20.05.1710). 76  Vgl. Sahm, Wilhelm: Geschichte der Pest in Ostpreussen, Leipzig 1905, S. 43–71. 77  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Libauer Rat an Lübschen Rat (R, 02.08.1710), Lübscher Rat an Rostocker Rat (E, 16.08.1710) und AHR: 1.1.3.15 – 159, Lübscher Rat an Rostocker Rat (R, 16.08.1710) und Libauer Rat an Lübschen Rat (K, 02.08.1710). Das nach Ende der Pest in Hamburg durchgeführte Dankfest (22.03.1714) hatte ebenfalls keine sofortige Wirkung auf die Nachbar­ obrigkeiten, denn die durch däni­sche und hannoversche Truppen abgesperrte Stadt blieb noch mehrere Wochen von der Außen­welt abgeschnitten. Wohlwill, S.  393 f.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Für Vogt Danckwertz in Warnemünde waren die Gottesdienste ebenfalls ein ein­deu­tiges Signal. Im April 1712 berichtete er, von einem Schiffer erfahren zu haben, dass derzeit Personen aus Seeland, bevor sie auf der Insel Mön an Land durften, eine dreiwöchige Quarantäne zu halten hätten. Danckwertz wollte es jedoch besser wis­sen und meinte, Mön sei pestfrei und die Seuche auch in Seeland inzwischen vorbei. Als Zeichen dafür nannte er den in der gleichen Woche begangenen Buß- und Bet­tag, zu dessen Anlass der Verkehr wieder geöffnet werden sollte. Seine zunächst klare Meinung relativierte Danckwertz aber noch im gleichen Satz und meinte, dass die letzte Gewissheit über das dortige Verschwinden der Seuche nur „die Zeit lehren wird“.78 Über die Wirkung der Dankfeste auf die Bevölkerung lassen die Akten nur an einer Stelle einen Einblick zu. Im August 1710 wurde in Rostock eine Frau aus Königsberg verhört, deren Mann und Kinder möglicherweise an der Pest gestorben waren. Die Frau erwähnte in ihren Aussagen das Dankfest. Sie berichtete zunächst, „das sterben hätte sich ümb neu jahr geleget, doch wehren noch hin dan u. wan noch woll einige leuhte an der Pest gestorben“.79 Aufschlussreich ist die Zäsur, die für sie der Gottesdienst darstellte, denn „[n]ach dem danckfest aber, hätte man kein sterben mehr bemercket“.80 Der Bezug ist deutlich, ganz so, als hätte der Gottesdienst einen direkten Einfluss auf die Seuche gehabt. Ob sie tatsächlich im Anschluss an die Feier von keinen Toten mehr gehört hatte, oder sie nur erzählte, was die Rostocker hören wollten und ihre Unverdächtigkeit erhärten konnte, muss freilich dahingestellt blei­ben.81 3. Patrouillierende Amtsträger Der obrigkeitliche Einsatz von Mediatoren beschränkte sich nicht auf den verbalen Bereich, in dem Amtsträger die Bevölkerung nach ihrem Wissen über die Pest be­fragten oder ihr Verordnungen vorlasen. In die Kommunikation mitein­ geschlossen waren nonverbale Ausdrucksformen, die ohne Sprache oder Schrift funktionierten. Durch ihre bloße Anwesenheit schufen die an den Land- (Stadttore, Grenzpässe) und Seegrenzen (Häfen, Strand) postierten bzw. patrouillierenden Amtsträger eine kommunikative Situation und traten auch allein durch ihre schiere Gegenwart schweigend wie „die Visitenkarte für die Obrigkeit“ auf.82 Zwar fanden vielfach Gesprä­che mit 78  AHR: 79  AHR: 80  Ebd.

1.1.3.15 – 160, Verhörprotokoll (P, 26.04.1712). 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 19.08.1710).

81  Schnabel-Schüle,

S. 300. hat Volker Gaul in seiner Dissertation auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Gaul (2005), S. 84. 82  Erstmals



I. Primärmedien111

der Bevölkerung statt, doch zählte dies nicht immer zu den primären Aufgaben der Bedienten, wie die Bestallung des Stralsunder Strandreiters zeigt.83 Am 17. September 1709, einen Monat nach dem sicheren Bekanntwerden der Danziger Seuche, nahm der Rat Ulrich Spiegelberg in seine Dienste. Im Unterschied zu den sonstigen im Dienste des Stadtrates stehenden Reitern war Spiegelberg aus­ schließlich für die Küstenbewachung zuständig und wurde nicht für Botendienste eingesetzt. Er sollte „seinn Strand Reuter dienst getreu v. fleissig fürstehn, v. d Strand von Stahlbroen biß zur Sundischen wische, od. wo es Ihn sonst befohln wird, fleissig bereitn, v. genaue Auffsicht habn, daß keine Verdächtige v. unbekandte Persohnen aus Pommern in Rügen, od. auß Rügen in Pommern passiren, oder auch von Schiffs gefässn anß land gesetzet werdn mögn v. dabey weder gifftn noch gabn, weder Persohn noch Freundschafft ansehn, wie Er dan wenigstens die woche 2 mahl von dehm was sich zugetragn, v. was er angetroffn relation abstatn soll“.84

Vielleicht war es den Ratsherren selbst nicht bewusst, dass Spiegelberg über sein Berichten hinaus eine weitere wichtige Funktion erfüllte und allen Vorbeikommenden die Krisenhaftigkeit der Seuche wie die Sicherheit der durch die Obrigkeit geschaffe­nen Situation deutlich machte. Die Tätigkeitsbeschreibung stellt eine Aus­nahme dar, denn anders als etwa die Strandreiter im Herzogtum Holstein-Gottorf sollte Spiegel­berg berichten und nicht in erster Linie selbstständig Personen und Waren auf ihre Unverdächtigkeit überprüfen. Dass die Berichte mindestens zweimal in der Woche abgefordert wurden und nicht wie in Gottorf einmal, weist nochmals auf deren Be­deutung hin.85 Spiegelbergs Berichte zeigen denn auch, dass er nicht mit allen Menschen, über die er den Rat benachrichtigte, persönlichen Kontakt hatte. Häufig meldete er nur, dass er in Küstennähe ankernde Schiffe gesehen hatte, die beim nächsten Ritt nicht mehr dort gewesen waren. Sofern Spiegelberg allerdings auf Menschen traf, kontrollierte er ihre Pässe, verjagte einmal unerwünschte Bettler und ermahnte ansonsten die Anwohner, dass keine Unbekannten an Land gesetzt werden sollten. Spiegelbergs Wirkung dürfte, wie die seiner durch den Stralsunder Rat auf Rügen bestellten „Kollegen“86, mehr als nur punktuell gewesen sein. Wir wissen zwar nicht, 83  Vgl. ebd., S. 81. Die fest stationierten Bedienten, deren hauptsächliche Tätigkeit neben der Personenbefragung in der Kontrolle von Reisepässen bestand, mussten hingegen zwingend lesen können, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. 84  STAS: Rep. 14, 91, Verordnung des Stralsunder Rates (R, 17.09.1709). 85  Gaul (2005), S. 86–88. Die Bezahlung war in Schleswig und Holstein jedoch ungleich höher. Der für den Strand um Kappeln zuständige Reiter erhielt 16 Rthlr. monatlich, während Spiegelberg nach zä­hem Feilschen nur sechs Rthlr. zugestanden wurden. 86  Auf der Sundischen Wisch (auf Zingst) war dem Schulzen ebenfalls die Bereitung befohlen wie auch in Altefähr ein Landreiter (Johann Christoph Heldt, Stre-

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wie oft er täglich seinen Strandabschnitt beritt, doch war es ihm möglich, genau dann vor Ort zu sein, wenn die schon von weitem sichtbaren Schiffe soweit in Küstennähe waren, um Beiboote zu Wasser zu lassen. In diesem Moment konnten auch die Schiffs­be­satzungen den Reiter an Land erblicken und erkennen, dass es sich um einen Ver­ treter der Obrigkeit handelte.87 Obwohl der Reiter keine offensichtlichen optischen oder akustischen Zeichen benutzte, wurde er auf den Schiffen sicherlich anhand sei­ner Präsenz als amtlicher Aufpasser erkannt – denn welche Privatperson sollte am Strand mit einem Pferd warten? – und deshalb von Landgängen abgesehen.88 Hier stößt die historische Auswertung allerdings an ihre Grenzen, denn wie stark Spiegel­bergs Erscheinen das Verhalten von Schiffern wie Reisenden beeinflusste, ist nir­ gends festgehalten worden. Selbstverständlich hat niemand dem Rat geschrieben, wenn er wegen eines Strandreiters vom Ausladen pestverdächtiger Passagiere und Waren absah. Das Fehlen jeglicher Berichte nach den ersten zwei Schreiben vom September 1709 kann auf die Zufälle der Überlieferung zurückgeführt werden, wenn man berück­sich­tigt, dass laut Volker Gaul im Landesarchiv Schleswig „diverse Berichte über erfolg­ reiche Einsätze von Strandwachen“ vorliegen.89 Zieht man jedoch den Inhalt der wenigen Stralsunder Berichte mit ein, so erscheint es mindestens ebenso wahr­scheinlich, dass dieses Fehlen ein Ausweis für die Effektivität der Reiter ist. Spiegel­berg berichtet zweimal von Ritten, bei denen „sey n[icht]ß passiret“ bzw. „hätte er n[icht]ß vernommen“.90 Wie zur Rechtfertigung seiner Tätigkeit ergänzte er, er habe „allenthalbn denen leutn [= Anwohner] angestellet dahin Zusehn daß keine främde v. unbekandte leute an land gesetzet werdn möchtn“.91 Auch der Strand­reiter Heldt, der von Niendorf nach Grahl patrouillierte, vermerkte in seinen zwei er­ halte­ nen Berichten, er habe „d Strand observiret v. niemand betroffn“ bzw. sei „am strande […] nichtes pasierett“.92 Nimmt man nun an, dass die nachfolgenden Berichte ähnlich aussahen, so enthielcke Niendorf-Grahl) bestellt worden war. Beide Reiter hatten jeweils wöchentlich zu berichten. STAS: Rep. 14, 91, Verordnung des Stralsunder Rates (R, 17.09.1709), Ratsprotokollauszug (R, 16.09.1709) und Schreiben (R, 28.09.1709). 87  So auch Gaul (2005), S. 87. 88  In Apenrade schlug der Rat 1711 gegenüber der Gottorfer Regierung vor, die Strandreiter durch ein kleines Boot zu ersetzen, welches durch eine Fahne und einen obligatorischen Warnschuss seine Aufgabe sicht- und hörbar deutlich machte. Gaul (2005), S. 89. 89  Ebd., S. 91. 90  STAS: Rep. 14, 91, Schreiben (R, 25.09.1709). 91  Ebd. 92  Ebd., Protokoll des Strandreiters (P, 20.09.1709), Schreiben von Johan Chris­tof Heldt (R, 24.09.1709).



I. Primärmedien113

ten die Angaben faktisch nichts Überliefernswertes und wurden nach einer gewissen Zeit als unwichtige Papiere entsorgt. Tatsächlich gibt es Hin­weise auf unerlaubte Landgänge in der Umgebung nur vor der Bestellung der Strand­reiter in den sonstigen Pestakten, danach nicht mehr.93 Aus den anderen vier Seestädten gibt es keine Belege für extra angenommene Strandreiter und die Enge des städtischen Territoriums machte dies gar nicht not­wendig. Die in den Akten erwähnten Patrouillengänge wurden vom sonstigen Wach­personal übernommen. In allen die fünf Seestädte umgebenden Territorien sind Pa­ trouillen zur Bewachung der Grenzen nachweisbar.94 Eine Fokussierung auf die Bewa­chung der Wasserseite, wie sie Gaul für Schleswig und Holstein auszumachen glaubt, ist dabei nicht festzustellen. Das Argument, übers Wasser Anreisende hätten direkt aus verseuchten Orten ansegeln können, während Landreisende bereits meh­ rere Kontrollstellen erfolgreich hinter sich gebracht haben mussten, ist prinzipiell rich­ tig. Die unmittelbare Nähe der fünf Seestädte zu mehreren Pestorten (z. B. Stralsund, Stettin, Hamburg) machte allerdings in der untersuchten Region den Landweg genauso gefährlich, denn Infizierte konnten die Seestädte mit nur einem Grenzübertritt erreichen, so dass nicht nur Schiffe aus Danzig, Livland oder Schwe­den problematisch waren.95

93  AHR: 1.1.3.15 – 158, Stralsunder Rat an Rostocker Rat (R, 14.09.1709) (Beschwerde des Stralsunder Rates über einen Rosto­cker Schiffer, der Handwerksburschen bei Stralsund an Land gesetzt hatte). STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 07.08.1709) (Recherchen des Stralsunder Rates wegen mehrerer auf Rügen abgesetzten Hand­werks­burschen). 94  Vgl. die verschiedenen landesherrlichen Anordnungen.  Für MecklenburgSchwerin: AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, (D, 30.12.1709) = AHR: 1.1.3.15 – 159, (D, 30.12.1709) und 1.1.3.0 – 17, (D, 30.12.1709), 1.1.3.0 – 18, 16, S. 849–856, (D, 13.08.1712), 1.1.3.15 – 159, (D, 14.08.1710) = AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, (D, 14.08.1710), 1.1.3.15 – 159, (D, 07.11.1710), 160, (D, 16.10.1711). Für Schleswig und Holstein: Gaul (2005), S. 86–93 und AHL: ASA, Interna, 3 / 5, Verordnung des Administrators für das herzogliche Schleswig und Holstein (D, 21.10.1710) (vgl. 5 / 2, Administrator für das herzogliche Schleswig und Holstein an Lübschen Rat (R, 10.11.1710)). Für Lübeck: AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 05.08.1709) und (D, 21.11.1710) = AHR: 1.1.3.15 – 159, (D, 24.11.1710). Für Sachsen-Lauenburg: STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (K, 19.11.1709) = Abt. IV, 1, a, Loc II n, 18, 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 14.11.1709). Für Schwedisch Pommern die Verhandlungen zum Landtag im September 1709: STAS: Rep. 13, 589. 95  Gaul (2005), S. 83 und 93.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

4. Kollekten Während Befragungen, Verhöre und Wachpatrouillen einen präventiven Charakter besaßen, griffen die Obrigkeiten erst in akuten Notsituationen oder nach über­stande­ner Seuche zu Kollekten, weswegen die Sammlungen in bisherigen Dar­stellungen kaum Erwähnung finden.96 Tatsächlich war es für die Betroffenen unan­genehm und kam im wahrsten Sinne einer Bankrotterklärung gleich, wenn bei anderen vermögen­ den Herrschaften oder Privatpersonen um Spenden gebeten werden musste. Kol­lekten reihen sich damit nicht in den Katalog anderer Pestmaßnahmen ein, mit deren Anordnung und Vollzug überlegene Informiertheit und systematisches Handeln de­monstriert wurden. Anstatt als Geber von Schutz und Zwangsmaßnahmen aufzutre­ten, zeigte das Geldsammeln, dass finanzielle Mittel vor Ort nicht ausreichten, um den Anforderungen der Seuche begegnen zu können, womit die Obrigkeit vom Herr­scher zum Bittsteller wurde. Trotz dieser Zwiespältigkeit gab es durchaus einen posi­tiven Aspekt. Bei denen, die Geld gaben, konnte das Gefühl ausgelöst werden, et­was Sinnvolles getan zu haben, sich für ihre Mit­menschen einzusetzen und der Seu­chengefahr nicht passiv gegenüberzustehen. Die umfassendste Sammlung von Kollekten fand im Untersuchungszeitraum für die bei Stettin gelegene Kleinstadt Damm statt. Der Ort war als einer der ersten von der Seuche (ab August 1709) betroffen.97 Obwohl die Stettiner Regierung wie auch der Rat der Stadt eine Epidemie in der Stadt zunächst leugneten, wurde umgehend me­dizinisches Personal nach Damm geschickt und die Versorgung des kurz darauf von der Außenwelt abgesperrten Ortes organisiert.98 Der Durchmarsch schwedischer Truppen unter Ge96  Dinges (1994), S. 26. Bulst (1985), S. 251–270. Kinzelbach, S. 228–241. Vgl. Gaul (2005) und Zapnik (2007). 97  Zapnik (2007), S. 68. AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an Stettiner Rat (E, 04.09.1709). Der Lübsche Rat berief sich gegenüber dem Stettiner Magistrat auf „öffentliche Zeitungen“, aus denen die Verseuchung Damms hervorging und verlangte die umgehende Aufklärung des Gerüchts. Der Rostocker Rat er­klärte auf eine Anfrage des mecklenburgischen Herzogs Anfang September 1709, Damm sei „schon eine Zeit hero“ in Verdacht, dass sich dort Fälle von „Rohte[r] Ruhr“ ereignet hätten. In den letzten Gazetten sei sogar zu lesen gewesen, dass es sich um „contagion“ handele. Das bloße Gerücht und die Zeitungsangaben wurden durch die Rostocker aber als „nichtes zuverlaßiges“ bezeichnet, da die Branden­burger immer noch Pässe aus Damm akzeptierten. Allerdings hatten zwei am 1. September „von sicher hand“ aus Stettin angelangte Briefe, die ein Rostocker Kaufmann dem Rat übergeben hatte, die Stadt Damm als seuchenbefallen beschrieben. AHR: 1.1.3.15 – 158, Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 03.09.1709) und Briefauszüge (K, 24.08.1709 und 27.08.1709). 98  Zapnik (2007), S. 68 f. AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Stettiner Rat an Lübschen Rat (R, 10.09.1709). Der Stettiner Rat antwor­ tete auf das Schreiben vom



I. Primärmedien115

neral Krassow im Oktober 1709 verschärfte die Situation, weil so­wohl die Soldaten als auch die Bewohner der Stadt als infiziert galten.99 Noch im August stellte die Regierung umfassende Geldmittel zur Verfügung und war sich of­fen­sichtlich bewusst, dass Damm diese nicht aus eigener Kraft zurückzahlen konnte. Eine Spendenaktion, zunächst nur auf Schwedisch Pommern begrenzt, wurde ins Leben gerufen, um außerordentliche Gelder „in allen Vorder Städten und in den Districten“ einzusammeln.100 Die Stadträte sollten die Höhe ihres Beitrages selbst festlegen können. Der Text des Regierungsschreibens ist dahingehend zu deuten, dass der Betrag, sofern nicht durch freiwillige private Spenden gedeckt, aus den Finanzen der Stadt komplettiert werden sollte. Somit hatte jeder Rat ein starkes Interesse daran, seine Einwohner zur Spendenfreudigkeit anzuhalten, um nicht selbst zahlen zu müssen.101 Da die Höhe der Gesamtspende durch die Regierung offen gelassen wurde, wandte sich der Anklamer Stadtrat an die Bürgermeister und Ratsherren in Stralsund. Nachgefragt wurde nach der „entschließung wegen intendirten beytrags“, also der Höhe der Auf­wendung, und der Organisation der Sammlung.102 Dabei schwang die Sorge der Anklamer mit, vor der Regierung bei einem unpassenden Beitrag entweder als geizig und hartherzig dazustehen oder unnötig viel Geld aufzuwenden. Die Stralsunder al­lerdings äußerten sich hierzu nicht, sondern meldeten knapp, dass die Sammlung stattfinde.103 Wie bei allen öffentlichen Bekanntmachungen wurden auch hier Pasto­ren beauftragt, welche die Sammlung der Bürgerschaft per Kanzelverkündung kund machen sollten. Ein auf Ende August 1709 datiertes und mit dem Siegel der Regie­rung versehenes Büchlein aus dem Stadtarchiv Stralsund beschreibt, wie die Aktion im Einzelnen durchgeführt wurde. Auf elf Seiten werden die Namen aller Stralsunder Geber und die Höhe ihrer Gaben aufgelistet. Das Buch wurde, wie der Text 04.09.1709 nach Lübeck: „und geben darauf zur freundlichen antwort, daß zwar in gedachten Städtlein [Damm] eine Kranckheit sich spühren laßen, jedoch dagegen alle praecautiones genommen, dergestalten, daß sowoll über dem dammischen See zu Wasser durch die daselbst bestalte Wacht Schiffe, alß zu lande durch Verschließung des dorthin belegenen Thores alle communication mit demselben aufgehoben [weswegen…] nichts gefährliches zu besorgen seyn wird“. Vgl. 4 / 1, Stettiner Rat an Lübschen Rat (R, 04.10.1709) und AHR: 1.1.3.15–158, Stettiner Rat an Rostocker Rat (R, 04.10.1709). Ausführlich beschrieben wurden die verfügten Maßnahmen in einem Schreiben der Stettiner Regierung an die vorpommerschen Land­städte: STAS: Rep. 13, 589, schwedisch pommersche Regierung an die Stadträte Schwedisch Pommerns (R, 19.09.1709). 99  Zapnik (2007), S. 65. 100  STAS: Rep. 14, 91, Anklamer Rat an Stralsunder Rat (R, 03.09.1709). 101  Ebd. 102  Ebd. 103  Ebd., Stralsunder Rat an Anklamer Rat (E, 05.09.1709).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

verrät, von Haus zu Haus getragen, so dass jeder Bürger sehen konnte, wieviel seine Vor­ gänger zu geben bereit gewesen waren und der soziale Druck die Spendenfreudig­keit ankurbelte. Der Einleitungstext gibt die Dramatik der Ereignisse in Damm in einer Weise wieder, die zum Geldgeben aufruft und sich in erster Linie an die christliche Nächstenliebe, aber auch an den Eigennutz wendet, denn „[w]enn das Feür [= Pest] des Nachbahren Hawß albereits ergriffen, so stehet das Eürige in nicht geringer Gefahr“.104 Ob die Sammlung an einem einzigen Tag durchgeführt wurde (nur ein Datum ist vermerkt), ist nicht klar, aber die Summe von mehr als 183 Rthlr. kann als Erfolg gewertet werden.105 Dennoch konnten die Einnahmen nicht die Ausgaben de­cken und so erneuerte die Regierung nach Rücksprache mit den Ständen Mitte Dezember die, „theilß zu wiederersetzung der großen vorschüße, […] theilß auch zu völliger dämpffung der bisher darin sich geaüßerten nun mehro aber Gottlob abnehmenden bösen Kranckheitn“ angesetzte Kollekte.106 Anstatt eine Steuer zu befürworten, was unweigerlich den Widerstand der Stände wie der Bevölkerung her­vorgerufen hätte, sollte „eine affigirte Persohn mit einem dazu zu verfertigenden Buch in dortiger Stadt [hier: Stralsund] und bey dero Landtbeguhterten die angezielte Collecte fordern sambst und ohne einigen Auffenthalt einsamlen, und das Geldt in den LandKasten gegen Qvitung ablieffern […] auch der Königl Regierung das hiezu gebrauchte Buch nachgehendts ad Acta gebührendt ein[…]sendn.“107

Aus den Akten geht hervor, dass das Stettiner Regierungsmitglied Cochenhausen, der eine wichtige Rolle in der Landesverwaltung einnahm und zahlreiche Regie­ rungs­ patente ausfertigte, mit der Sammlung betraut wurde.108 Der Stralsunder Rat instruierte die Landkommissare und die Inspektoren der Armengelder entsprechend und trug ihnen die Einsammlung der Gelder in der Stadt und auf den zu Stralsund gehörenden Gebieten auf.109 104  Ebd.,

gebundenes Büchlein (R, ab 26.08.1709). das Gutachten des Wismarer Stadtphysikus Arend zur Gesundheitssituation in der Stadt und möglichen Pestmaßnahmen, der sich ebenfalls auf dieses Horazzitat bezog. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Dr. Arend an königlich schwedisches Tribunal (R, 17.09.1710). Wieland, Christoph Martin: Übersetzung des Horaz. Hg. von Manfred Fuhrmann. Briefe und Satiren des Horaz. Aus dem Lateinischen übers. und mit Einleitungen und Erläuterungen versehen. Mit dem von Wieland beige­fügten Text des Originals (Christoph Martin Wieland. Werke in zwölf Bänden 9 / Bibliothek deutscher Klassiker 10), Frankfurt am Main 1986: Horaz, Ep. 1, 18, 84. 106  STAS: Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 16.12.1709). 107  Ebd. 108  STAS: Rep. 13, 1863. 109  STAS: Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 16.12.1709), Ratsprotokollauszug (R, 23.12.1709). 105  Vgl.



I. Primärmedien117

Über die Dauer der Sammlung gibt es keine sichere Angabe. In Greifswald wurde Mitte Juni 1710 noch bzw. wieder eine Sammlung durchgeführt. Wie in Stralsund wurde auch hier durch den persönlichen Kontakt zwi­ schen Kollektensammler sowie -geber und nicht zuletzt den Informationen über vor­herige Gaben aus dem Spendenbuch, an der jeweiligen Haus­tür ein moralischer Druck aufgebaut, der sich positiv auf die Zahlungsbereitschaft auswirken sollte. Eine völlige Freiwilligkeit gab es ohnehin nicht, denn Ratssekretär Michaelis vermerkte penibel die Namen von 13 Restanten, also Bürgern, die noch keine Abgabe geleistet hatten, von denen immerhin drei ihre „Schulden“ nachweislich nachträglich begli­chen.110 Die Kollekte für Damm blieb auf das Gebiet der schwedischen Besitzungen be­schränkt.111 Anders bei der für Wolgast 1713 durchgeführten Sammlung: Die Stadt war im Zuge der Kriegshandlungen durch russische Truppen zerstört worden, wes­wegen die Stettiner Regierung zwei besonders würdevollen Personen, dem Wolgas­ ter Probst von Platen und dem Kaufmann Vicke, Pässe ausstellte, damit sie überall Spenden für den Wiederaufbau der Kirchen, der Schule, des Rathauses und der Pfarrhäuser erbitten konnten. Die Anwesenheit der beiden Männer, die aus erster Hand von der Zerstörung berichten konnten, sollte eine starke Wirkung auf die potentiellen Spender ausüben, zumal mit von Platen der ranghöchste Stadtgeistliche und Angehörige eines bekannten pommerschen Adelsgeschlechts dabei war. Mindestens in Rostock wurde um die Durchführung der Kollekte beim Rat gebeten.112 Allerdings war es um das Ansehen ausländischer Kollektensammler nicht gut be­stellt. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Plöner Herzog verfügt, „daß die collectanten und Bettler ohne unterscheid, wenn selbige auch gleich mit pässen versehen, den­noch in Unserm Fürstl: Gebiethe nicht eingelaßen noch geduldet werden“.113 Ähnli­che Vorbehalte gegenüber fremden Sammlern, welche den eigenen Bürgern Geld entzogen, gab es auch in Schwedisch Pommern, wo im September 1709, also wäh­rend der Sammlung für Damm, die Landstände beschlossen, fremde Bettler und „Collecten Samblenden“ aus dem Land zu schaffen.114 Zwei Gründe führten dennoch 110  STAG: Rep. 5, 10626, Schreiben des Ratssekretärs Michaelis (E, 27.06.1710). Das individuelle Spendenvolumen bewegte sich zwischen einem Schilling und vier Reichstalern. 111  STAS: Rep. 13, 1863. 112  AHR: 1.1.3.2.3 – 532, Propst von Platen an Rostocker Rat (R, 28.08.1713) und Schreiben der schwedisch pommerschen Regierung (K, 01.07.1713). Der Erfolg der Wolgaster Sammlung geht aus den Quellen nicht hervor. 113  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Herzog Joachim Friedrich zu Plön an Lübschen Rat (R, 10.10.1711). 114  STAS: Rep. 13, 589, schwedisch pommersche Landstände an schwedisch pommersche Regierung (E, 30.09.1709).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

dazu, dass sich die Pommern an das Ausland wandten. Zum einen waren nach den Zerstörungen durch Krieg und Seuche die Finanzmittel im Land erschöpft, zum an­ dern hatten die Spender die Chance, den Erfolg ihrer Gabe nach einer gewissen Zeit zu sehen. Die Bauwerke, die in Wolgast errichtet werden sollten, appellierten unaus­gesprochen an die Eitelkeit der Spender, die durch den Bau ein Denkmal ihrer Frei­gebigkeit erhielten, das ungleich beständiger war als es beglichene Arzt­ rechnungen in Damm je hätten sein können. Außer für Damm gestattete die Landes­regierung keine allgemeine Kollekte im Land, selbst Stralsund und Stettin blieben unbe­rück­ sichtigt.115 Sicher hat es eine Rolle gespielt, dass in den folgenden Monaten die militäri­sche Landesverteidigung an erster Stelle stand, die drei größten Städte des Herzogtums grundsätzlich besser mit den Kosten umgehen konnten als das kleine Damm und nicht zuletzt, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Einwohner er­schöpft war und die Regierung durch fortwährendes Kollektensammeln keinen Un­mut unter der Bevölkerung erregen wollte. Einzig in Lübeck wurde die Einrichtung von Kollekten während der Pestgefahr nicht debattiert, während man in Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald die Kollekten mehrfach als erwägenswertes Mittel der Kapitalbeschaffung ansah, um laufende Kosten der Pestbekämpfung zu tragen. Vermutlich war der Lübsche Rat vermögend genug, um die drängenden Ausgaben aus den vorhandenen Mitteln begleichen zu können. Viele der in den Quellen der anderen Seestädte erwähnten „Collecten“ stel­len sich jedoch bei genauerem Hinsehen als allgemeine Zusatzsteuern heraus, um deren Höhe wie auch den Kreis derer, die zur Zahlung verpflichtet waren, heftig ge­ stritten wurde.116 115  Vgl. STAS: Rep. 13, 1861, Schreiben von C. Westphal und J. Hagemeister (R, 19.09.1710), Kommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 20.09.1710) und schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 29.09.1710). Komman­dant Schoultz irrte, als er dem Stralsunder Rat riet, von der Regierung eine landesweite Kollekte zu erbitten, „darvon Kein Christl. hertz sich leicht entziehen wirdt“. Zu dieser Bitte scheint es gar nicht gekommen zu sein. Die Regierung wies in einem kurz darauf eintreffenden Schreiben jegliche Wün­sche des Rates bezüglich eines Endes der verhängten Sperre mit dem Hinweis auf die „große […] unverantwordliche […] Säumselich und wiedrigkeit des dortigen Magistrats“ brüsk zurück, so dass die Ratsherren von einer zusätzlichen Bitte abgesehen haben dürften. 116  Hauptstreitpunkt waren die Beteiligungen des Militärs, der Greifswalder Universität, des Hofgerichts sowie des Wismarer Tribunals. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n, 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 03.09.1710), Oberst Posse an königlich schwedisches Tribunal (R, 04.09.1710), Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 30.07.1712, 01.08.1712, 09.08.1712), Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 08.08.1712), königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (K, 09.08.1712), Abt. III, XIX, 2, 6, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 03.09.1710), königlich schwedisches Tribunal an Oberst



I. Primärmedien119

In Greifswald wurde bald deutlich, dass eine allgemeine Steuer aufgrund der deso­laten Wirtschaftssituation nicht den erhofften Erfolg bringen konnte. Das Gesund­heitskollegium bemühte sich daher um eine Sonderkollekte bei den „Capitalisten“, weil von der Bürgerschaft kein zusätzliches Geld zu erwarten sei. Der Rat wandte sich an die Universität sowie das Hofgericht.117 Zusätzlich bat er die Regierung in Stettin um direkte Unterstützung.118 Diese wollte sich in dieser Situation nicht in die Greifswalder Verhältnisse einmischen, erklärte sich für nicht zuständig, verwies auf das Beispiel der Stadt Stettin und empfahl Greifswald entweder, die eigenen Vermö­ genden „auß Christlicher liebe“ zur Kostenübernahme zu bewegen oder es doch mit einer Kollekte zu versuchen, bei der „ein jeder ohne unterscheidt beyzutragen“ habe.119 Letzten Endes erreichte der Rat lediglich eine materielle Unterstützung in Form von Bauholz für die Errichtung von Pesthäusern.120 Für Rostock ist für die Jahre 1711 und 1712 die Errichtung einer Kollekte belegt, „zu beßern pflege, Cur und hülffe leistung einiger hir befindlichen kranck darnider liegenden armen bürgerleüte“.121 In diesem Zeitraum ist tatsächlich eine Häufung von Todesfällen belegt, die der Rat nicht verheimlichen konnte, doch handelte es sich hauptsächlich um Soldaten der dänischen Besatzung und weniger um Rostocker Bürger. Unter Berufung auf Gutachten der Universität und des dänischen Garnisons­medikus begründete der Rat gegenüber dem Schweriner und dem Strelitzer Herzog die TodesfälPosse (K, 03.09.1710) und Wismarer Rat (R, 05.09.1710), Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (K, 03.10.1710), Abt. VI, 5, A, Konsulatsprotokoll vom 11.10.1710. STAG: Rep. 5, 10626, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 16.08.1709), Schreiben von A. Schwartze (R, 06.11.1709 und undatiertes Schreiben, vermutlich Mitte 11.1709), Ratsschluss (R, 29.01.1710), Joachim Westphall an Greifswalder Rat (R, 06.09.1710), Schreiben des Greifswalder Collegium Sanitatis (R, 22.09.1710), Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.09.1710), Ratsprotokollauszug (R, 23.09.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 03.10.1710), Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.11.1710). 117  STAG: Rep. 5, 10626, Schreiben des Greifswalder Collegium Sanitatis (R, 22.09.1710) und Ratsprotokollauszug (E, 23.09.1710). Unter einem Kapitalisten verstand man einen Men­ schen, der von seinen Zinsen und Renten ohne weitere Arbeit leben konnte. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 5, 2. Nachdruck der Auflage Halle / Leipzig 1732–1754, Graz 1994, S. 344. 118  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.09.1710). 119  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 03.10.1710). 120  Ebd., Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.11.1710) sowie schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 08.12.1710). 121  AHR: 1.1.3.15 – 160, Verordnung des Rostocker Rates 122 (E, 04.10.1711).

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le mit Mangelernährung und Durchfallerkrankungen.122 Die Durchführung einer Kollekte bestätigt allerdings, dass die Seuchengerüchte nicht grundlos waren. War die Krankheit im offiziellen Briefverkehr als harmlos dargestellt worden, so er­klärte der Text der städtischen Verordnung, dass die Kollekte den erkrankten Bür­gern „und welche von solchen hinkünfftig noch weiter mit krankheiten heimbgesuchet werden dürfften“, zukommen sollte.123 Eine Ausweitung der Krankheit wurde also nicht ausgeschlossen, weswegen die Bürger ausdrücklich angehalten wurden, den von Haus zu Haus gehenden Beauftragten eine Gabe zukommen zu lassen.124 Neben der persönlichen Sammlung, die vor allem durch den direkten menschlichen Kontakt und den moralischen Druck wirkte, ist in Stralsund eine weitere Form der Kollekte nachweisbar. Dort drängte das Collegium Sanitatis im September 1710 auf eine allgemeine Besteuerung zur Deckung der Pestausgaben. Die Bürgerschaft lehnte dies jedoch ab. Zusammen mit dem Rat einigte man sich aber, dass am kom­ menden Sonntag nach der Nachmittagspredigt, „die becken vor den Kirchthüren auffgesetzet werden, wie dan auch den HH[erren]. Provisoribus der 3 Haubtkirchen auffgetragen wird, einen Kasten Zu lêeren und darüber ein brett mit der Überschrifft Zu setzen, daß es Zur verpflegung und versorgung der Krancken im Siechen hause solle angewand werden, waß ein Jeder mitleidender Christ dar hinein legen werde“.125

Der Ratsschluss kommentiert den Kompromiss, von dem anscheinend nicht viele Gelder erhofft wurden, mit den ironischen Worten: „Man muß vor der hand damit zu frieden sein“.126 Für das folgende Jahr ist jedoch der gleiche Vorgang belegt. Das Collegium Sanitatis bat um zusätzliche Gelder und der Rat verfügte, „daß die becken des Sontages nach der Nachmittags Predigt vor die Kirchen thüren wieder auffgesetzet undt darin etwaß colligiret werde, wie dan am Künfftigen Sontage Vor mittage daßelbe intimiret werden kan.“127 Leider sind direkte Reaktionen der Bevölke­ rung auf die 122  Ebd., Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz an Rostocker Rat (R, 22.09.1711), Schreiben der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock (R, 26.09.1711), Rostocker Rat an Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz (E, 26.09.1711), herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 05.10.1711). 123  Ebd., Verordnung des Rostocker Rates (E, 04.10.1711 und R, 13.10.1711). 124  Um wen es sich bei den Sammlern handelte, bleibt unklar, da die Akten keine genauen Anwei­sungen enthalten und die Verordnung selbst nur von den „deß behueff […] außgehenden“ Menschen spricht. Ebd., Verordnung des Rostocker Rates (E, 04.10.1711 und R, 13.10.1711). 125  STAS: Rep. 13, 1861, Ratsprotokollauszug (R, 01.10.1710). 126  Ebd., Ratsschluss (R, 03.10.1710). Die Höhe der erreichten Kollekte ist nicht überliefert. 127  STAS: Rep. 14, 97, Stralsunder Collegium Sanitatis an Stralsunder Rat (R, 31.08.1711).



II. Sekundärmedien121

Kollekten und die mit dieser Aufgabe betrauten Personen nicht überlie­fert, wie auch die erhaltenen Rechnungen keine Aussage über die Ent­wick­lung der Spendenfreudigkeit zulassen. Die Quellen zeigen, dass die Obrigkeiten nur ungern die Sammlung von Kollekten anordneten. Zu offensichtlich war die eigene Schwäche, wenn Regierung oder Stadt­ rat nicht für die Kosten einer Seuche aufkommen konnten. Anstatt jedoch die Samm­lungen unauffällig durchzuführen und die Kommunikation sozusagen auf das not­wendige Minimum einzuschränken, wurden im Gegenteil hohe Persönlichkeiten mit der Umsetzung betraut. Die Sammlung für die Stadt Damm verantwortete der aus dem engsten Umkreis der Stettiner Regierung stammende Archivar Cochenhausen, nach der Zerstörung Wolgasts baten der örtliche Probst und ein angesehener Kauf­mann um Unterstützung. Diese Flucht nach vorn diente dazu, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Kollekten eine bewusste Entscheidung der Obrigkeit waren, die im Einklang mit anderen Pestmaßnahmen getroffen wurde und zudem belas­tende Steuern vermied.

II. Sekundärmedien 1. Obrigkeitliche und nichtobrigkeitliche Briefe Innerhalb der untersuchten Pestakten umfassen die Briefe den mit Abstand größten Anteil, hierunter stellen die obrigkeitlichen Schreiben die umfangreichste Gruppe.128 Dieses quantitative Übergewicht politischer Überlieferung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geschehen keinesfalls ausschließlich aus zwischen­ staat­ lichen Aktionen bestand. Die Überlieferungssituation in den Stadt- und Landes­archi­ven, welche vorrangig das Schriftgut der Verwaltung aufbewahren und nicht­obrig­keitliche Schreiben nur in weit geringerem Ausmaß enthalten, könnte zu diesem vor­eiligen Schluss verleiten. Die dennoch erhaltenen Texte und verschiedene Hin­weise zeigen aber, dass gerade dieser – meist verlorene – Bereich der Brief­kommunikation erheblich war.129 Bei der Betrachtung einzelner Kom­ 128  Zur frühneuzeitlichen Briefkultur am Beispiel schwedischer Diplomaten des 17. Jahrhunderts: Droste, Heiko: Briefe als Medium symbolischer Kommunikation, in: Füssel, Marian / Weller, Thomas (Hrsg.): Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repräsentation in der ständischen Gesellschaft (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 8), Münster 2005, S. 239–256. Faulstich hebt hervor, dass die Zeit des „Frühkapitalismus und Merkantilismus […] vor allem durch die multifunktionale Rolle des Mediums Brief gekennzeichnet“ war. Faulstich (1998), S. 297. 129  Vgl. zur Glaubwürdigkeit von Ego-Dokumenten: Pečar, Andreas: Innovation des Strukturbegriffs. Ein soziologischer Modellversuch aus geschichtswissenschaft-

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

mu­ ni­ kations­ partner fällt auf, dass sich jeder dieser Partner eines eigenen Beziehungsgeflechtes zur Informationsbe­ schaffung, -weitergabe und zum Erreichen seiner Absichten bediente. Für die Pest­kommunikation lassen sich vier verschiedene Ebenen der hierarchischen Ordnung ausmachen, die sich durch verschiedene Formen der Kom­ mu­ ni­ kationsmöglichkeiten innerhalb ihrer Ebene wie zu den anderen Ebenen aus­zeichnen. Im ersten Rang besteht das Geflecht aus den Königen, Fürsten und den (Ober-)Re­gierungen, deren Kompetenzbereich sich auf eigenständige Territorien (z. B. Meck­lenburg-Schwerin) und Staatsverbände (z. B. Schweden) erstreckte. Neben den Fürsten nahm der Rat der Reichsstadt Lübeck eine vergleichbare Rolle ein, da er außer dem Kaiser keiner weltlichen Macht unterstand und unabhängig agieren konnte. Die Mitglieder dieser Ebene konnten die restlichen drei direkt adressieren. In der Gegen­richtung wurde dagegen aufgrund der Rangunterschiede meist über Ver­mittlung einer der Zwischenebenen agiert. Zum zweiten Rang zählen die Landesregierungen abhängiger Gebiete. Gemeint sind die durch eine Personal- oder Realunion mit anderen Ländern verbundenen Ter­ ritorien, die trotz dieser Union eine eigene, kompetente Verwaltung behielten. Dazu zählen im Untersuchungsgebiet Sachsen-Lauenburg (verbunden mit Braunschweig-Lüneburg), Schwedisch und Preußisch Pommern sowie die königlichen und her­zoglichen Anteile Schleswigs und Holsteins. Das Wismarer Tribunal zählt ebenfalls zur zweiten Ebene, da es in Stadt und Herrschaft Wismar als Entscheidungsinstanz gegenüber Rat und Vizegouverneur die Politik bestimmte und wie eine Provinzregie­rung von auswärtigen Mächten bevorzugt adressiert wurde. Demgegenüber besaßen die Mitglieder des dritten Ranges deutlich weniger Ent­scheidungsfreiheiten. Hierzu werden die Räte der Landesstädte gerechnet, zu denen vier der fünf untersuchten Seestädte (Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald) zäh­len. Ihnen blieb eine direkte Korrespondenz mit auswärtigen Mächten des ersten und zweiten Ranges in der Regel versagt, sofern es sich nicht um die Beantwortung von Briefen handelte. Um ihre Belange trotzdem durchsetzen zu können, wandten sie sich an ihre jeweiligen Regierungen und baten um Vermittlung zu höheren Ebenen. Als Ausnahme ist der einmalige, vom Rostocker Rat ausgehende Kontakt zum däni­schen König anzusehen, mit dem die Ratsherren auf ein entstandenes Pest­gerücht reagierten. Bevor die herzogliche Regierung handeln konnte, licher Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 350–362, hier S.  361 f. und Ulbricht, Einleitung, S. 56 f. Allgemein: Schmid, Irmtraut: Briefe, in: Beck, Friedrich  /  Henning, Eckart (Hrsg.): Die archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, 4. durchgesehene Auflage, ­ Köln / Weimar / Wien 2004, S.  111–118.



II. Sekundärmedien123 Ebene I (Könige, Fürsten, Oberregierungen, Reichsstädte)

Ebene II (Landesregierungen, Tribunal)

Ebene III (Stadträte der Landesstädte, Vizegouverneure)

Ebene IV (untergeordnete Amtsträger, Private) Durchgezogene Linien: direkte Kontaktaufnahme Gepunktete Linien: indirekte Kontaktaufnahme durch Vermittlung der Zwischenebene Gestrichelte Linien: mögliche Kontaktaufnahme, Kompetenz der Zwischenebene wird ignoriert

Abb. 3: Modell der Kommunikationsebenen

war das Schreiben ausgefertigt und versendet. Die Regierung verzichtete auf eine Rüge wegen der offensichtlichen Missachtung der landesherrlichen Kompetenz und be­ schränkte sich darauf, keine weitere Hilfe zu gewähren.130 Zur gleichen Ebene wie die Landesstädte gehören die in diesen Orten eingesetzten Vizegouverneure. Sie waren in hohem Maße an die Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden und verfügten da­durch trotz der Gewalt über die militärische Macht in den Städten über geringe eigen­ständige Möglichkeiten. Auf der untersten Ebene befinden sich die Personen, denen keine politische Gewalt zustand. Dieser Bereich umfasst alle Formen privater Korrespondenz, wie sie beson­ders zwischen Kaufleuten und Ärzten nachweislich sind. Von dieser Ebene führte der Weg in der Regel nur zur nächsthöheren. Direkte Schreiben an die Regierungen gibt es nur in Wismar, wo meh130  AHR: 1.1.3.15 – 159, Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 13.09.1710), Rostocker Rat an König Friedrich IV. von Dänemark (E, 13.09.1710), herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 15.09.1710).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

rere Suppliken an das Tribunal nachzuweisen sind. Ebene IV war die einzige, welche durch eine Sperrung des Post­verkehrs in Gänze betroffen war, denn zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Sicherstellung fortlaufender Informationen bestand der Briefwechsel der anderen Ebenen, mit Einschränkungen, fort.131 Von der ersten Ebene wurden die meisten Schreiben mit der darunter liegenden In­ stanz gewechselt. In kleineren Territorien wie MecklenburgSchwerin, in denen keine untergeordneten Regierungen existierten, fand dieser Kontakt mit Ebene III statt. Hinsichtlich der Pestproblematik gibt es keinen Beleg, dass private Personen oder Korporationen mit den Fürsten korrespondierten. Der Kontakt in dieser Richtung war einseitig und ging von oben aus. Die Mitteilung der Informationen wurde durch die erste Ebene übernommen, wobei auf die Zuständigkeiten der unteren Ebenen ge­achtet wurde. Das bedeutet, dass eine Verordnung in den Landesstädten nicht durch den Fürsten verkündet wurde, sondern durch die lokale Obrigkeit und deren Be­diente. Zuvor waren die Untergebenen in einem eigenen Anschreiben informiert und ihnen befohlen worden, die Bekanntgabe im fürstlichen Namen zu gewähr­leisten. Nur an den Poststationen, die direkt dem Fürsten unterstanden, erfolgte die Be­kanntgabe ohne Umwege. Die Größe des Staatsverbandes wirkte sich maßgeblich auf die Häufigkeit des Kon­taktes mit den unteren Ebenen aus. Je größer der Staatsverband war und die damit verbundenen Aufgaben, desto weniger Kontakte sind zu den unteren Ebenen nach­zuweisen. In Schweden beschränkte sich der Kontakt des Reichsrates in Stock­holm auf wenige Schreiben an die Provinzregierungen, andere Stellen wurden über­haupt nicht adressiert.132 Im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg existierte ein enger Kontakt zwischen der Regierung in Hannover und den Räten des Herzogtums Sachsen-Lauenburg, wie er anhand der Lübschen Akten rekonstruierbar ist. Am in­tensivsten war der Austausch auf den darunter liegenden Ebenen zwischen den Landesregierungen und den -städten, welcher nur durch die teilweise täglich einlau­ auch Schlenkrich, S. 146. Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, schwedischer Reichsrat an königlich schwedisches Tribunal (R, 23.10.1708). STAS: Rep. 14, 88, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 22.11.1708), HS 1026, schwedischer Reichsrat an schwedisch pommersche Regierung (K, 23.10.1708). STAG: Rep. 5, 10626, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 22.11.1708). Die Über­ lieferung und Parallelüberlieferung zum Thema Pest ist in den einbezogenen Archiven außerordentlich dicht. Es gibt keine Hin­weise, dass ein nennenswerter schrift­ licher Austausch über die erhaltenen Schreiben hinaus zwischen den Räten der fünf See­städte (besonders Lübeck) und dem Tribunal mit dem schwe­dischen Reichsrat bestanden hätte. Es ist daher unwahrscheinlich, dass eine Untersuchung der im Reichs­archiv Stockholm la­gernden Gegen­über­lieferung das Ergebnis wesentlich korrigieren würde. 131  So

132  STAW:



II. Sekundärmedien125

fenden Berichte unterer Amtsträger an die Stadträte und deren zurückgehende An­weisungen übertroffen wurde. In den fünf Seestädten gleicht sich das Verhalten der Stadträte gegenüber ab­hängi­gen Amtsträgern und Einwohnerschaft in starkem Maße. Besonders mit Verordnun­gen wurde die Einwohnerschaft entweder in ihrer Gesamtheit oder in Teilen ange­sprochen. In der Gegenrichtung wandten sich stets nur einzelne Teile der Einwohner (Bürgerschaft, Ämter, Private) an den Rat und trugen ihre Anliegen vor, sofern sie Probleme hatten, die sie nicht selbst lösen konnten. Einen steten Aus­ tausch an Informationen gab es mit den Hafenvögten (Lübeck, Rostock, Greifswald) und den Torkontrolleuren, wobei letztere keine individuellen Schreiben, sondern standardi­sierte Berichte aufsetzten und eingezogene Reisepässe einsandten. Von Pastoren und Ärzten wurden durch die Räte und Regierungen gelegentlich Gebets­texte und medizinische Gutachten eingefordert, um durch deren fachliche Autorität eigene Be­hauptungen zu bestärken.133 Um zu begründeten Aussagen über die Bedeutung der verschiedenen Korrespon­ denz­ partner, der Dichte und Weitgespanntheit des jeweiligen Kommuni­ka­tions­netzes zu gelangen, bietet sich eine quantitative Auswertung der Rats- und Tribunals­schrei­ben an, soweit sie den Pestausbruch berühren. Im Folgenden soll geklärt werden, wo die Schwerpunkte der jeweiligen Kommunikation der Räte und des Tribunals lagen und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zwischen den fünf Seestädten gab. Die beiden Universitäten pflegten bis auf drei Schreiben zwischen königlich schwedischer Regierung in Stettin und der Universität Greifswald im November 1710 in diesem Punkt keinen eigenen Briefkontakt mit auswärtigen Mächten.134 Sie stellten zwar Gutachten sowie Gesundheitspässe aus und waren in ihrem Besitz für die Durchsetzung der Pestmaßnahmen zuständig, agierten ansonsten jedoch nicht als autonome Obrigkeiten mit eigenem Informations­netz und beschränkten sich auf ihre Funktion als Lehranstalten. In der vorliegenden Auswertung wird nicht zwischen dem Entwurf und der Reinschrift eines Schreibens unterschieden. Das bedeutet, dass Briefe am Ort ihrer Ausfertigung und beim Adressaten gezählt werden. Ein z. B. vom Rostocker an den Lübschen Rat verfasster Brief wird folglich sowohl in Rostock als auch in Lübeck gewertet. Als Da­tum wird jeweils der Tag der Ausfertigung angesehen. Berücksichtigt werden alle Schreiben, die an auswärtige (Teil-)Obrigkeiten, Gesandte und die Militär­komman­danten ver133  Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 158, Stettiner Rat an Rostocker Rat (R, 04.10.1709) und AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (E, 24.10.1713). 134  UAG: R 267, schwedisch pommersche Regierung an Universität Greifswald (R, 10.11.1710 und 28.11.1710), Rektor der Universität Greifswald an schwedisch pommersche Regierung (E, 23.11.1710).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

sandt wurden bzw. von diesen ausgingen. Unberücksichtigt bleiben die Hinweise auf mündliche Absprachen, Ratsschlüsse, die oft standardisierten Meldun­gen an und von Sekretären, innerstädtischen Berufsgruppen, Hafenvögten und Tor­schreibern, der Schriftverkehr mit Ärzten und Barbieren, da dieser ausschließlich auf deren Privilegien und Vergütungen bezogen ist. Leider kann der private Schriftver­kehr, der bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr überliefert ist, nicht in die Auswer­tung mitein­be­zogen werden, da die geringe Anzahl auswertbarer Schreiben keine zuverlässigen Gesamt­aussagen erlaubt. Nur einzelne Schreiben gelangten in die Archive, sofern sie für die Obrig­keit relevant waren bzw. es sich um juristische Strei­tigkeiten handelte, welche das Thema Pest berührten. Aus diesen seltenen Belegen ist immerhin zu ent­nehmen, dass ein nicht unbedeutendes Nach­richten­system auch auf dieser Ebene existierte. Eingeschlossen in die Unter­suchung sind dagegen die eigentlichen Pestakten ebenso wie die Mitteilungen über abgesagte Jahrmärkte, da sich die Absagen aus­drücklich auf die Seuche beziehen.135 In die Auswertung gingen keine beige­legten Schreiben ein. In der Regel handelt es sich hierbei um auswärtige Pest­ordnungen136, deren Bekanntgabe erbeten wurde, sowie um kopierte Schreiben Dritter. Beispiels­weise fügten Bürgermeister und Rat der Stadt Perleberg einem Brief an den Lübschen Rat zur Verdeutlichung ihrer Argumente Abschriften ihres eigenen Brief­verkehrs mit dem Stendaler Rat und zwei Schreiben von bzw. an die preußische Regierung des Herzogtums Magdeburg bei.137 Da der Lübsche Rat keinen direkten Kontakt zu letzteren hatte, werden diese Schreiben nicht berücksichtigt. Nicht alle Quellenbestände sind lückenlos überliefert. Trotz dieser Fehlstellen las­ sen sich die relative Bedeutung des jeweiligen Schriftverkehrs und die Vielfalt der Korrespondenzpartner deutlich erkennen.  Sieht man zunächst auf die Anzahl der Korrespondenzpartner, so zeigt sich deutlich die Vielseitigkeit der lübschen Kommunikation, hinter der alle anderen Obrigkeiten weit zurückbleiben. Die dortigen Ratsherren verfügten 135  AHL: ASA, Interna, Pest 2 / 2, 4 / 1, 4 / 2, 5 / 1, 5 / 2, 6 / 2, 6 / 3, 6 / 4, 7, 8 / 1, 8 / 2, 8 / 3, 9 / 1, 9 / 2, 9 / 3, 9 / 4, 10 / 1, 10 / 2, 11 / 1, 11 / 2, 65 / 2. STAW: Abt. III, Tit. XIX, 2, Vol. 6 und 7, Abt. IV, 1, a, Loc II n. 17, 18, 1, 18, 2, Abt. IV, I, B, 3723 und 3733. AHR: 1.1.3.15 – 133, 140, 158, 159, 160, 1.1.3.20 – 115. STAG: Rep. 5, 10626. STAS: Rep. 5, 77, Rep. 9, 430, Rep. 13, 1861, 1862, Rep. 14, 83, 84, 85, 87, 88, 89, 91, 92, 93, 94, 96, 97, 98, 99, Rep. 28, 375, Rep. 33, 1109, Rep. 35, 6, Rep. 36, 18, 191 und 316. 136  Z. B. AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1 bis 3 / 7 oder AHR: 1.1.3.0 – 17 / 1. 137  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 3, Perleberger Rat an Lübschen Rat (R, 21.01.1711), Stendaler Rat an Perleberger Rat (K, 10.01.1711), königlich preußische Regierung zu Magdeburg an Landes­haupt­mann der Altmark (K, 03.01.1711) sowie königlich polnische und kurfürstlich sächsische Regierung zu Merseburg an königlich preußische Regierung zu Magdeburg (K, 30.12.1710).



II. Sekundärmedien127

nicht nur über das dichteste, sondern auch das weitgespannteste Netz. Die Verbindungen reichten von Stockholm über Reval nach Regensburg und Den Haag (siehe Abbildungen am Ende). Der größte Teil der Korrespondenz blieb wie bei den anderen vier Städten in einem Radius unter 100 km um die Stadt, so dass Briefe in der Regel am Folgetag zugestellt wurden, was auf den Schreiben durch Sekretäre vermerkt wurde. Trotzdem bleibt der Anteil der entfernten Partner bei Lübeck im Verhältnis zum 100-km-Umkreis sehr hoch. Insgesamt sind 86 verschiedene Partner festzustellen. Als besonders dicht erwies sich die Beziehung zum Nachbarterritorium SachsenLauenburg. Der Anteil der kur­fürstlichen Regierung in Ratzeburg lag mit ca. 22 % aller Schreiben an der Spitze. Zusammen mit den Schriftstücken aus Hannover, wo Kurfürst Georg Ludwig und seine Regierung saßen, betrug der Anteil der Kurfürstlichen mehr als ein Viertel am ge­samten Briefaufkommen. Der starke Einfluss der Kurfürstlichen auf die lübsche Poli­tik, wie er sich auf der inhaltlichen Ebene präsentiert, zeigt sich somit auch mengen­mäßig. An zweiter Stelle gab es einen regen Verkehr mit Hamburg. Als herausragende Wirt­ schaftsmetropole war Hamburg von enormer Wichtigkeit für das ökonomische Ge­füge der Region und Lübeck von der Hamburger Wirtschaft in großem Maße abhän­ gig.138 Ebenso wie Lübeck bewahrte sich Hamburg seine Eigenständigkeit gegen­ über fürstlicher Vereinnahmung, wenngleich die juristisch gesicherte Reichsfreiheit erst 1768 nach Anerkennung durch Dänemark erreicht wurde.139 Zusammen mit Hamburg besaßen die Lübecker mehrere Dorfschaften im Süden des heutigen Schleswig-Holsteins, weswegen es mit diesen Gebieten während der ab 1711 in Hol­stein auftretenden Krankheiten zu einem vermehrten Nachrichten­austausch kam. Beide Städte waren darüber hinaus zusammen mit Bremen die letzten Vertreter des Hansebundes, die ihre gemeinsamen politischen wie wirt­ schaftlichen Interessen in mancher Hinsicht noch zusammen durchsetzten.140 Im Gegen­satz dazu beschränk­ten sich die Gemeinsamkeiten mit den anderen Städten und Obrigkeiten auf die geo­grafische Nähe und damit verbundenen Interessen sowie auf ihre Bedeutung als Handelspartner, wie der verhältnismäßig hohe Anteil an Schreiben in die Flachs- und Hanfexportgebiete in der östlichen Ostsee zeigt. Mit nur sechs verschiedenen nachweisbaren Partnern besaß der Wismarer Rat das kleinste Informationsnetzwerk in allen fünf Seestädten. Allein auf 138  Gömmel, Rainer: Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620–1800 (En­zyk­lopädie deutscher Geschichte 46), München 1998, S. 31– 33. 139  Bohn, Robert: Geschichte Schleswig-Holsteins, München 2006, S. 82. 140  Hammel-Kiesow, S.  120 f.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

den Schriftverkehr mit dem Tribunal entfallen 83 % aller erhaltenen Schreiben, wodurch die beherr­schende Stellung des Gerichts deutlich wird. Der weitaus größte Teil der Rats­korres­pondenz fand daher innerhalb Wismars und mit dem Tribunal statt. Interessanter­weise gibt es keine nachgewiesenen schriftlichen Kontakte zum Kommandanten. Im Gegen­satz zu Stralsund, wo nach der Stettiner Regierung der Kommandant für den Rat der wichtigste Ansprechpartner hinsichtlich der Seuche war, zog in Wismar das Tribunal alle direkte Kommunikation an sich. Der Rat blieb auf die Vermittlung durch das Gericht angewiesen und konnte nicht eigenständig agieren. Für die Wismarer Korrespondenz mit auswärtigen Obrigkeiten fiel nur Lübeck mit 11 % ein nennenswerter Anteil zu. Die Verbindung zu Wismar hielt der Lübsche Rat vornehmlich mit den Wismarer Ratsherren aufrecht und überging dabei das Tribunal. Dieses Verhalten ist einmalig, denn alle anderen auswärtigen Regierungen und Städte wandten sich in erster Linie an die Assessoren des Tribunals. Es ist zu ver­muten, dass sich die Lübschen Stadtväter lieber an den Rat wandten, da sie auf diese Weise zwischen Gleichen verhandeln konnten und Lübeck aufgrund seiner Reichsfreiheit eine höhere Stellung als „primus inter pares“ besaß. Der Kontakt mit einer Institution, die in erster Linie die Interessen eines fremden Fürsten vertrat, mag der Stadtrepublik Lübeck dagegen schwerer gefallen sein, zudem das Tribunal erst Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet wurde und nicht über die langwährende Auto­rität eines Wismarer Stadtrates verfügte. Insgesamt ist deutlich erkennbar, dass die Kompetenz des Rates auf das inner­ städti­ sche Leben beschränkt blieb und das Tribunal nach außen die städtischen Interes­ sen wahrnahm. Doch auch das Obergericht war hauptsächlich in Inneren aktiv und wickelte drei Viertel seiner Korrespondenz mit Rat und Kommandanten ab. Neben Lübeck verstanden es die Juristen weiterhin, sich ihrer diplomatischen Vertreter zu bedienen. Der Verkehr mit den Gesandten Frisendorff (Hannover) und Lilienstedt (Hamburg) betrug zwar nur 3 %, liegt damit aber über dem Gesandtschaftsverkehr der einzig vergleichbaren Lübecker Obrigkeit. Hier wie auch dort handelte es sich aber um keine regelmäßigen Berichte, sondern um ein fall­ weises Vorgehen, welches von der dauerhaften Korrespondenz weit entfernt war, wie sie etwa zwischen dem mecklenburgischen Herzog und seinem Gesandten Fecht in Hamburg bestand.141 Das Informationsnetz des Rostocker Rates präsentiert sich als Mischung aus dem weiten Geflecht des Lübschen und dem engen des Wismarer Rates. Mit den mecklen­burgischen und vorpommerschen Städten pflegten die Ratsherren einen gleich­mäßigen Austausch, scheuten aber auch nicht den Kon141  Z. B.

Landeshauptarchiv Schwerin (LHAS): 2.11-2 / 1, Nr. 1205 / 4282.



II. Sekundärmedien129

takt mit Landes­obrig­keiten bis hin zum dänischen König. Rostocks relative Eigenständigkeit inner­halb des mecklenburgischen Herzogtums erlaubte es also, eigene Netze zu knüpfen. Die Schweriner Regierung gab ihrem Unwillen über die daraus folgende selbst­sichere Politik der Stadt Ausdruck, profitierte jedoch auf der anderen Seite von deren weiter­gegebenen Informa­ tionen.142 Die Zahl der Korrespondenzpartner ist in Stralsund etwa so hoch wie in Rostock, doch fällt sofort auf, dass es sich meist um die Stettiner Regierung oder um vor­ pommersche Städte handelt. Als Besonderheit zeigt sich der Anteil des Garnisons­kommandanten Schoultz, der besonders während der Pestzeit eine wichtige Rolle spielte und mit seinen Vorschlägen und Forderungen vom Rat Entscheidungen er­zwang. Den geringsten Nachrichtenaustausch pflegte der Greifswalder Rat, wobei die feh­lende Überlieferung der Schreiben von 1712 angesichts der in den anderen See­ städten in diesem Jahr quantitativ fast unbedeutenden Briefwechsel kaum ins Ge­wicht fällt. Die engsten Beziehungen unterhielt der Rat zu den benachbarten Städten in Schwedisch Pommern. Insgesamt zeigt sich, dass die Landesregierungen einen großen Anteil an der gesamten Korrespondenz der Stadträte hatten. Ihr Anteil liegt in Wismar mit 83 % am höchsten. Für Rostock lassen sich 40 %, für Stralsund 47 % und für Greifswald 43 % feststellen. In allen Fällen kam den Regierungen der höchste Einzelposten zu. Zählt man den Anteil der innerhalb des Territoriums (MecklenburgSchwerin, Schwedisch Pommern) bzw. des Staatsverbandes (Königreich Schweden) ver­blei­benden Korrespondenzen hinzu, so zeigt sich, dass der Wismarer Rat zu 89 % mit diesen Gebieten korrespondierte und sich auch das Tribunal hauptsächlich mit schwedischen Obrigkeiten (87 %) befasste. Ausgewogen gestaltete es sich in Rostock, wo nur 48 % aller Schreiben mit Stellen innerhalb Mecklenburg-Schwerins ausgetauscht wurden und die restlichen Briefe hauptsächlich von und nach Lübeck und Schwedisch Pommern liefen. Für Stralsund ergibt sich ein Wert von 87 % und für Greifswald von 86 %. Der rätliche Briefverkehr in den fünf Seestädten war zu diesem Zeitpunkt folglich in erster Linie innerterritorial. Nur die besonders wichtigen Ereig­ nisse wurden einem größeren Adressatenkreis zugänglich. Am Beispiel des Tribu­ nals, das viel Umgang mit der Schweriner Regierung pflegte, und des Lübschen Ra­tes, für den gleiche Verhältnisse im Umgang mit der kurfürstlichen Regierung in Ratzeburg galten, sieht man, dass es 142  AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 21.08.1710) und Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von MecklenburgSchwerin (E, 30.08.1710).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

nicht darum ging, die Informationen unbedingt im Territorium zu behalten oder von dort zu erhalten, sondern es sich um Ab­spra­chen mit dem geografisch jeweils Benachbarten handelte. Welche Bedeutung hatten nun die Informationswege zwischen den fünf Seestädten? Lässt sich die These erhärten, dass die wendischen Seestädte noch im 18. Jahrhundert eine besondere Verbindung zueinander hatten? Die Verteilung ist recht unterschiedlich. In Lübeck waren es 6 %, in Wismar 12 %, in Rostock hinge­ gen 32 %, in Stralsund 13 % und in Greifswalds 18 %. Allerdings lag der Anteil beim Tribunal (ohne Wismarer Rat) mit nur 3 % noch deutlich niedriger. Bei aller Vorsich­tigkeit gegenüber absoluten Zahlen lassen sich wegen der uneinheitlichen Überliefe­ rung doch klare Trends erkennen. Der Wert der Korres­pondenz, der zwischen den fünf Seestädten geführt wurde, bewegte sich etwa zwischen 10 und 20 %. Angesichts der Dominanz der jeweiligen Landesregierungen sind die Werte gering. Selbst für Stralsund und Greifswald, die im gleichen Territorium und besonders dicht zueinander liegen, hatte der Austausch mit der jeweils anderen Stadt nur geringe Bedeutung. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass sich über das Ausmaß mündlicher Konsultationen und Absprachen, deren Ergebnisse nicht verschriftlicht wurden, keine Aussagen treffen lassen. Lübeck orientierte sich im Bereich der alten Hansestädte vornehmlich in Richtung Hamburg und war in geringerem Maße auf den Austausch mit den wendischen Seestädten angewiesen. Einzig für die Rostocker Ratsherren blieben die Verbindungen von großer Wichtigkeit, wobei der Austausch mit Lübeck klar dominierte. Was die Stellung im Territorium angeht, gleichen sich besonders die Verhältnisse in Stralsund und Rostock. Die Befugnisse des Stralsun­ der Rates gingen über die anderer Magistrate in Schwedisch Pommern hinaus.143 Trotzdem hatten die Stralsunder Ratsherren nur wenig Kontakt mit den anderen vier Seestädten. Zum großen Teil liegt das in der Betroffenheit der Stadt selbst begrün­det. Während der Pest von 1710 / 1711 war der Rat in erster Linie auf die inneren Verhältnisse in der Stadt bedacht und tauschte sich vornehmlich mit der Stettiner Regierung und dem Stadtkommandanten aus. Eine Berichterstattung über die Aus­maße der Seuche an andere Obrigkeiten war vom Rat nicht gewollt und über die Begebenheiten in anderen Orten, die stets Pestvorsorge zum Ziel hatten, brauchte man nicht informiert zu werden, da es angesichts der Pest in Stralsund für eine Vor­sorge zu spät war. Für Rostock, Wismar und Stralsund war Lübeck die wichtigste auswärtige Anlauf­stelle, wenn es um Informationen bezüglich der Pest ging. Inte­ ressanterweise unter­ schied sich gerade das relativ kleine und entfernte 143  Vgl.

Kroll (1997), S. 69–74.



II. Sekundärmedien131

Greifswald hierin von den anderen Seestädten. Hier übernahmen Rostock und Hamburg diese Rolle, wenngleich die geringe Anzahl an Schreiben (je fünf für Rostock und Hamburg, drei für Lübeck) keine grundsätzlichen Bewertungen zulässt. Betrachtet man die Monate, in denen die meiste Korrespondenz stattfand, so fällt auf, dass zwischen August 1709 und Juli 1711 die meisten Briefe geschrieben wurden. Dieser Effekt ist für alle sechs untersuchten Obrigkeiten festzustellen. Die erste Marke zeigt den Höhepunkt der nicht länger zu vertuschenden Epidemie in Danzig an. Der heftige Abfall um den Jahreswechsel 1709 / 1710 bis zur Mitte des Jahres 1710 ist durch die witterungsbedingte Einstellung des Schiffsverkehrs, die in den Garnisonen verbleibenden Soldaten und ein allgemein zu beobachtendes Ab­flauen von Seuchen in der kalten Jahreszeit saisonal bedingt. Ab August 1710 steigt durch die nahen Seuchenausbrüche in Pommern der Briefverkehr wieder sprunghaft an und wird besonders durch die Stralsunder Epidemie auf einem hohen Niveau gehalten. Die beiden Höhepunkte im August 1712 und Oktober 1713 beruhen auf den Aktionen des Lübschen Rates wegen der Pest in Holstein und Hamburg sowie in schwächerem Maße auf denen von Wismarer Rat und Tribunal. Je eine Besonderheit im Rostocker und im Stralsunder Korrespondenzdiagramm bedarf einer genaueren Erläuterung. Die Steigerung der Rostocker Korres­pondenzen zwischen März und Juli 1711 beruhten zum einen auf der Unsicherheit, den Handel mit Schwedisch Pommern wieder aufzunehmen und pommersche Händler auf dem Rostocker Pfingstmarkt zuzulassen sowie zum anderen auf dem zeit­gleich in Dänemark kursierenden Gerücht über eine Verseuchung Rostocks und der tat­sächlichen Epidemie im dänischen Helsingör.144 Die rege Aktivität des Stral­sunder Rates im Juni 1711 liegt in der Aufhebung des Handelsembargos durch die Stettiner Regierung und neuen verdächtigen Todesfällen in der Stadt begründet. Über private Netzwerke lassen sich nur vereinzelt Belege finden, doch deuten diese auf ein weitverzweigtes und enges Geflecht hin. Besonders Kaufleute informierten sich gegenseitig über die Verhältnisse in ihren Städten und gaben die Schreiben bzw. ihren Inhalt an den Rat weiter, sofern es für die gesamte Stadt relevant sein konnte.145 So übergab der Stralsunder Brauer Johann O(c)ker im Oktober 1709 einen Brief seines Bruders aus Danzig, der die Zustände aus der Perspektive eines Augen­zeugen schilderte. hierzu: Frandsen (2010), S. 129–319. stellen sich die Verhältnisse in Böhmen, Schlesien und Sachsen dar, wo Obrigkeiten ihre bestehenden Nachrichtensysteme durch Nutzung privater Korrespondenzen ergänzen konnten. Schlenkrich, S. 149. 144  Siehe

145  Ähnlich

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Die Schwierigkeit, die Postsperre zu umgehen, wurde dadurch gelöst, dass das Schreiben nicht direkt nach Stralsund, sondern über Breslau ver­schickt wurde, wobei eine Beförderungsdauer von einem Monat in Kauf genommen werden musste. Oker hatte das Schreiben, trotz der Furcht vor einer Ansteckung, zunächst beräuchert, dann geöffnet, selbst abgeschrieben und das Original zur Si­cherheit verbrannt. Okers Neugier, sicher auch Sorge um die Verwandten, war stär­ker als das obrigkeitliche Verbot gewesen, Briefe aus Danzig zu empfangen. Der Rat stufte das Schreiben als wichtig ein und verfügte, es abschreiben zu lassen und der Stettiner Regierung diese Kopie zu übermitteln.146 Die überlieferten Schreiben zeigen, dass verwandtschaftliche Beziehungen die nicht­obrigkeitliche Korrespondenz dominieren. Da dem Stralsunder Rat seine bis­ herigen Informationen über die beginnende Pest im Januar 1708 nicht genügten, engagierte er zwei der städtischen Ärzte, um aus Hamburg und Lübeck verlässliche Neuigkeiten einzuziehen. Stadtphysikus Dr. Neukrantz schrieb seinem Schwager, dem Lübecker Stadtphysikus Dr. Nicolas Hanneken, der Subphysikus Dr. Henry / Heinrich Stern erkundigte sich bei Dr. Johann Müller in Hamburg.147 Warum die Anfragen sämtlich nach Westen und nicht in das dem Geschehen nähere Danzig oder andere Orte gingen, ist fraglich, hängt aber wohl mit den persönlichen Beziehungen zusammen, auf die zurückgegriffen werden konnte. Neukrantz konnte verwandt­ schaftliche Kontakte aktivieren und wenn eine Verwandtschaft zwischen Stern und Müller aus dem Brief auch nicht hervorgeht, deutet doch die Formulierung „Hochgeehrter HErr und Freünd“, mit der Müller Stern titulierte und der Hinweis auf Sterns Bruder als Über­ bringer des Schreibens darauf hin, dass sich beide gut kannten.148 Das Einziehen von Informationen auf diese Weise wurde vom Rat als eine dauerhafte Institu­ tion angesehen. Als im September 1710 die Pest Stralsund erreicht hatte, wurden die Ärzte wieder vor den Rat bestellt und befragt, „[o]b Sie auch 146  STAS: Rep. 14, 91, Schreiben des Stralsunder Protonotars und Ratsprotokoll­ auszug (R, 12.10.1709). Vgl. HistStralsund, ID 1024. Zapniks Aussage (Zapnik (2007), S. 34), dass H. Oker in Königsberg wohnte, ist nicht richtig. Aus dem Brief und einem bei­ liegen­ den Schreiben des Protonotars geht hervor, dass es sich um Danzig handelte. Dieser Brief stellt kei­nen Einzelfall dar, denn auch in den Akten der Stargarder Regierung befindet sich ein ähnliches Pri­vatschreiben vom August 1709 (LAG: Rep. 4, P I, Tit. 99, Nr. 430, Vol. I, pag. 12 f., „Copia eines brieffes aus Dantzig“ (K, im 08.1709). 147  Vgl. Zapnik (2007), S. 77. Die bei Zapnik noch unklare berufliche Stellung Hannekens konnte durch Abgleich mit dem Lübschen Akten zweifelsfrei festgestellt werden. 148  STAS, Rep. 14, 88, Ratsprotokollauszug (R, 01.02.1708), Dr. Nicol. Hanneken an Physikus Neukrantz (R und K, 31.01.1708) und Dr. Johann Müller an Dr. Henry Stern (R, vermutlich Anfang 02.1708).



II. Sekundärmedien133

wie E[in]E[hrbarer]. rath sehr verlanget mit andern Medicis hierüber Correspondirten“ und antworteten, „Sie habn bis dato Correspondiret und wolln auch ferner nicht unterlaßen damit zu Continuiren“.149 Dies beweist, dass sich der ärztliche Nachrichtenaustausch nicht auf die Initialphase zu Beginn des Jahres 1708 beschränkte, sondern ein kontinuierlicher Briefverkehr existierte. Der Lübsche Physikus Hanneken, dessen Stralsunder Schwager Neukrantz Informa­tionen erbeten hatte, war wiederum ein Vetter des Segeberger Amtmannes Anthon Günter Hanneken. Dieser berichtete dem Lübschen Rat im September 1711 von ge­häuften Todesfällen unter den dänischen Soldaten in seinem Amt.150 In einem kurz darauf abgeschickten Brief an seinen Vetter teilte Hanneken eine weitere Geschichte mit. In den Dörfern des Gutes Höltenklinken war es nach Fällen von räuberischer Leichenschändung zu „einer schlimmen Kranckheit“ gekommen.151 Der Lübsche Vet­ ter behielt das Schreiben nicht für sich, sondern informierte umgehend den Lübschen Rat, der den Brief zu seinen Akten nahm und auf dessen Grundlage bald darauf amt­liche Anfragen bei der Stadt Oldesloe vornahm.152 Möglicherweise beabsichtigte Amt­mann Hanneken genau diese Weitergabe durch seinen Ver­wandten, denn der Lübsche Rat erhielt auf diese Weise brisante Informationen, durch deren Erwähnung gegenüber der Stadt Oldesloe auf diese Druck ausgeübt werden konnte. Ohne offi­ziell informiert worden zu sein, konnte sich der Rat ver­wenden und Hanneken erhielt indirekt Unterstützung in seiner Auseinandersetzung mit Oldesloe. Wiederum aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen wurde der Lübsche Rat früh­zeitig über das Bekanntwerden von kompromittierenden Gerüchten informiert.153 Der Leipziger Stadtrichter Dr. Gottfried Götze wandte sich im Dezember 1710 an einen in Lübeck wohnenden „Hn. Gevatt.“, 149  STAS: Rep.  13, 1862, Protokoll des Stralsunder Collegium Sanitatis (P, 01.09.1710). 150  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Segeberger Amtmann Hanneken an Lübschen Rat (R, 04.09.1711). Vgl. Wahrmann, Carl Christian: „nachdem aber die nachricht eingelauffen, daß die contagion sich in Copenhagen u. in andern orten sehr ausgebreitet“ – Gerüchte über die letzte Pestepidemie im Ostseeraum, in: Wahrmann, Carl Christian / Buchsteiner, Martin / Strahl, Antje (Hrsg.): Seuche und Mensch. Herausforderung in den Jahrhunderten. Ergebnisse der internationalen Tagung vom 29.–31. Oktober 2010 in Rostock (Historische Forschungen 95), Berlin 2012, S. 77–97. 151  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Segeberger Amtmann Hanneken an Dr. Nicol. Hanneken (R, 17.09.1711). Hanneken verweist auf einen ersten, nicht überlie­ferten Brief vom 04.09.1711. 152  Ebd., Lübscher Rat an Oldesloer Rat (E, 19.09.1711). 153  Vgl. Wahrmann (2009), S. 480 f.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

dessen Identität unklar bleibt, da das Schreiben nur als Auszug vorliegt. Götze bat seinen Kontaktmann, sich zu er­kundigen, ob die Gerüchte wahr seien und dann umgehend zurückzuschreiben. Vielleicht tat der An­ ge­ schriebene dies, doch zusätzlich wandte er sich an den Lübschen Rat, der damit die Gelegenheit erhielt, die Gerüchte in Leipzig und beim sächsischen Kurfürsten-König zu dementieren. In Rostock erhielt Protonotar Eggerdes von seinem Schwager Häckermann aus Ueckermünde Anfang November 1709 einen Brief. Häckermann schilderte darin die Gefahr eines russischen Angriffs, die im ganzen Lande für Gerede sorgte und deret­wegen er sich und seine Familie durch Flucht nach Rostock in Sicherheit bringen wollte. Er unterließ nicht, auf die tadellose Gesundheit der Einwohner Ueckermündes hinzuweisen und behauptete, dass in der Stadt seit einem Viertel­jahr niemand mehr gestorben sei. Der Schwager sollte das Vorhaben dem Rat mitteilen und für Pässe sorgen, wofür Häckermann ihm die Erstattung seiner Unkosten versprach.154 Ob Häckermann mit seinem Gesuch erfolgreich war, ist nicht über­liefert, doch waren die enthaltenen Informationen für Eggerdes wichtig genug, sie nicht nur dem Rat mitzu­teilen, sondern das Schreiben im Original den Pestakten beizufügen.155 Betrachtet man den Umkreis, in dem sich die Stadträte und das Tribunal über die Pest informierten, so fällt abgesehen vom Lübschen Rat deutlich die Fixiertheit auf den Bereich zwischen Elbe und Oder auf. Die wichtigsten und die meisten Neuigkei­ten wurden folglich aus diesem Gebiet bezogen und an dieses abgegeben. Drei Gründe lassen sich dafür finden. Am naheliegendsten ist die geografische Nähe. Jede der sechs Obrigkeiten unterhielt innerhalb eines Radius von ca. 50 km enge Kontakte zu den unmittelbaren Nachbarn. Diese Entfernung konnte ein Reiter inner­ halb eines Tages zurücklegen, so dass die Antwort auf eine Botschaft am Folgetag zurückerwartet werden konnte. Eine Tagesreise Abstand ist die Richtschnur für den 154  AHR: 1.1.3.15 – 158, Jacob Gottfr. Häckermann an Protonotar Eggerdes (R, 05.11.1709). Vgl. zu Flüchtlingen aus Schwedisch Pommern vor dem Kriegsgeschehen nach Hinterpommern LAG: Rep. 4, P I, Tit. 99, Nr. 430, Vol. II, pag. 77–97, „Acta Betreffen der aus Vorpommern in hiesiges Land geflüchteten Leute und derer mit sich gebrachten Sachen“ (K und R, 10.08.1711–05.09.1711). Zur Fluchtproblematik während Seuchen im Mittelalter und beginnen­der Früher Neuzeit: Dormeier, Heinrich: Die Flucht vor der Pest als religiöses Problem, in: Schreiner, Klaus (Hrsg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusam­menhänge. Tagung vom 13.–16. Juni 1988 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München (Schriften des Historischen Kollegs 20), München 1992, S. 331–397. 155  AHR: 1.1.3.15 – 158, Jacob Gottfr. Häckermann an Protonotar Eggerdes (R, 05.11.1709).



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Kreis der besonders engen Kontakte. Innerhalb dieses Gebietes waren zudem die Verbindungen der Ratsherren durch persönliche Bekanntschaften, Verwandtschaft und geschäftliche Beziehungen am engsten, so dass durch die Einbeziehung indivi­ dueller Netzwerke ausführlichere Informationen bezogen werden konnten. Der zweite Grund liegt in der politischen Zugehörigkeit der Orte. Wie gezeigt, wurden die meisten Briefe innerhalb des eigenen Staatsverbandes gewechselt, gefolgt von den unmittelbar benachbarten Territorien. Damit in enger Beziehung steht das dritte Mo­ tiv, dem wirtschaftliche Überlegungen zugrunde liegen. Der Inhalt vieler Briefe, die mit auswärtigen Städten und Regierungen gewechselt wurden, bezog sich auf Fra­gen des Handels, wenn dieser durch die Pest beschränkt oder nach einer Epidemie wieder freigegeben wurde. Die verhältnismäßig häufigen Benachrichtigungen über pestbedingt ausgefallene Jahrmärkte in Pommern und Mecklenburg zeigen, dass ein Großteil des Handels auf das Gebiet zwischen Elbe und Oder beschränkt war, denn Nachrichten über Jahrmärkte in anderen Regionen fehlen. Diese Behauptung gilt indes nicht für Lübeck, dessen Handelsinteressen bis nach Estland, Sachsen und Holland reichten. In Lübeck ist zudem der geografische Schwer­punkt der Korrespondenz nach Norden und Westen verschoben. Neben dem dauer­ haft engen Kontakt zu Hamburg liegt dies im Auftreten verdächtiger Krankheiten in Holstein ab dem Jahr 1711 begründet. In dieser Zeit bemühte sich der Rat, rechtzeitig und ausführlich über die Seuchen unterrichtet zu sein und begann deswegen einen aus­gedehnten Briefver­kehr mit den Amtmännern und Kleinstädten in den königlichen und herzoglichen Teilen Schleswigs und Holsteins. Vergleichbare Aktionen gab es in den anderen Seestädten nicht, obwohl gerade Greifswald und Stralsund 1709 bis 1711 durch die Pest im eigenen Territorium dazu Anlass gehabt hätten. Es scheint nicht logisch, dass beide Städte grundsätzlich schlechtere Zugänge zu Informationen gehabt ha­ben sollen. Vielmehr kann es an einem höheren Grad an verlässlichen Informationen gelegen haben, dass keine entsprechende Überlieferung vorliegt. Da Lübeck durch seine Reichsfreiheit nicht an das innere Informa­ tionsnetz der nächsten Umgebung in Schleswig und Holstein angeschlossen war, mag hier der Grad an Unsicherheit höher gewesen sein. Stralsund und Greifswald hingegen waren durch ihre Regierung und den freien Austausch mit dem Umland besser informiert und so sahen die dorti­gen Ratsherren keinen Bedarf, ihr Wissen durch zusätzliche Nachfragen an benach­ barte Städte und Landräte zu überprüfen. Das Fehlen eines ausgeprägten Briefver­ kehrs muss daher nicht notwendig mit geringen Kenntnissen einhergegangen sein, sondern kann ebenso gut in einem besonders verlässlichen Kenntnisstand begründet sein, dessen Übertragung keinen Eingang in die rätlichen Akten fand.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Abb. 10: Kommunikationspartner des Stadtrates in Lübeck Eine Legende befindet sich im Anhang.



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Abb. 11: Kommunikationspartner des Tribunals in Wismar

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Abb. 12: Kommunikationspartner des Stadtrates in Wismar



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Abb. 13: Kommunikationspartner des Stadtrates in Rostock

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Abb. 14: Kommunikationspartner des Stadtrates in Stralsund



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Abb. 15: Kommunikationspartner des Stadtrates in Greifswald

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

2. Berichte und Reskripte Im Unterschied zu den eben untersuchten Briefen handelt es sich bei Berichten und Reskripten um den schriftlichen Kontakt zwischen einer Obrigkeit und den ihr unter­ stehenden Amtsstellen. Besonders die Vorkommnisse an den Toren und Häfen wur­den in Form kurzer Berichte von den dortigen Schreibern und Vögten regelmäßig abgefordert, während die Stadträte auf die Berichte in Form von Reskripten reagier­ten und ihre Anweisungen kund taten.156 Gaul stellte in seiner Untersuchung fest, dass „lediglich die Berichte eindeutig zur zweiwegigen Kommunikation [gehören], da sie Interaktionen intendieren.“157 Dieser Sichtweise wird sich hier nicht angeschlos­ sen, da sowohl Reskript als auch Bericht Teile einer unaus­ ge­ setzten Kom­ mu­ ni­ kation sind. Auf einen Bericht folgt eine Entscheidung mittels Reskript, dem wiederum eine Aktion oder ein neuer Bericht der untergeordneten Stelle folgt. Keines­wegs wurden Reskripte kommentarlos hingenommen, denn die adressierten Amts­ personen befan­ den sich am Ort des Geschehens und waren direkt in die Probleme eingebunden. Die besonders gut dokumentierten Schreiben des Warne­münder Vogtes Danckwertz belegen, dass dieser auf Reskripte oft mit einer Bestätigung der befohlenen Hand­lungen antwortete oder die neu entstandenen Widrig­ keiten mit der Bitte um neuerli­che Entscheidung mitteilte.158 Seine Berichte enthalten außerdem die durch Aussa­gen der Schiffer und Reisenden gewonnenen Informationen über die Ausbreitung der Seuche und den Gang des Krieges an anderen Orten. Somit stellten Dankwertzens Berichte für den Rat eine außer­ordentlich wichtige Informationsquelle dar. Seine Mitteilungen bündelten das Wissen einer Vielzahl von Informanten, die sehr viel­schichtige Angaben machten, wobei der geografische Schwerpunkt auf Gebieten des dänischen Machtbereichs liegt, mit dem die Rostocker die engsten Handelsverbin­dungen besaßen. Der Rat konnte mit den Berichten seine auf obrigkeitlichem Wege gewonnenen Informationen ergänzen und teilweise falsche Nachrichten revidieren. Beispielsweise berichtete Danckwertz im August 1711, dass einem Holsteiner Schif­fer zufolge in Holstein keine Handels­beschränkungen mehr für den Kontakt mit Pommern galten, wogegen offiziell Waren und Personen aus Hinterpommern noch einer Begriffsdefinition: Schmidt, Akten, S. 86–89. Vgl. Gaul (2005), S. 60. (2005), S. 60. 158  AHR: 1.1.3.15 – 159, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 06.02.1710 und R, 27.05.1710). In den Pestakten sind 54 Schreiben überliefert, die Danckwertz im Laufe der Seuchen­be­drohung an den jeweils zuständigen Bürgermeister sandte. Ähnlich verhielten sich auch der 1713 im Auftrag Lübecks in den Vierlanden postierte Leutnant Albinus sowie der Bergedorfer Amtsverwalter Reimbold und Amtschreiber Schumacher. AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 1 und 11 / 2. 156  Zur

157  Gaul



II. Sekundärmedien149

40tägigen Quarantäne unterworfen waren.159 Trotz dieses zunächst erhellen­ den Charakters der Berichte nahmen die Ratsherren Danckwertzens Schreiben nicht kritiklos hin. In vielen seiner Schreiben beschwerte sich der Vogt in seiner selbst für die Zeit umständlichen Ausdrucksweise über die seiner Ansicht nach respektlosen Warnemünder und faulen Wachsoldaten, ohne dass eine Reaktion seitens des Ma­gistrats aktenkundig wurde. Auch eine Rüge, die sich Danckwertz wegen eines „zimlich anzüglich[en]“ Be­ schwerde­schreibens einhandelte und andere Fälle, in de­nen sich bei näherer Untersuchung des Rates herausstellte, dass Danckwertz seinen Dienst nicht immer rechtzeitig versah, zeigen, dass dem Vogt zwar eine zentrale Rolle in der Informations­weitergabe zukam, seine Aussagen jedoch nicht als unbe­dingt glaubwürdig eingestuft wurden.160 Für den Lübschen Rat fertigte der Travemünder Vogt Jochim Sager ähnliche Berichte an, doch ist die Überlieferungs­ situation ungleich spärlicher. Lediglich acht Schreiben sind erhalten geblieben. Im­merhin zeigen sie, dass auch Sager über die im Hafen ankommenden Schiffer und deren Neuigkeiten berichtete. Seine Stellung scheint stärker als die des Warnemün­ der Kollegen gewesen zu sein, denn ein Schreiben vom August 1709 befugt ihn, über die auf der Reede liegenden Schiffe zu befinden.161 Seine Berichte zeigen, dass er selbstständig Pässe austeilen durfte, wogegen Danckwertz alle Papiere einsenden und auf eine bürgermeisterliche Entscheidung warten musste.162 Nicht nur an den Häfen, sondern überall dort, wo die städtische Jurisdiktion endete, wurden Wachen postiert, um den Verkehr zu kontrollieren und Informationen einzu­senden. Neben den Reisepässen zählten dazu die Antworten auf die teils umfangrei­chen Fragenkataloge, mit denen die Reisenden Auskunft über sich selbst und ihre Waren geben mussten.163 Von den in den fünf Seestädten angefertigten Registern und regelmäßig eingesendeten Zet159  AHR: 1.1.3.15 – 160, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 06.08.1711). AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 5, Verordnung des Administrators für das herzogliche Schleswig und Holstein (D, 21.10.1710). 160  AHR: 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 07.08.1709, Punkt 17, 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 29.07.1710). 161  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Schreiben (wohl der Lübschen Kanzlei; R, 13.08.1709). 162  AHL: ASA, Interna, Pest 2  / 2, Vogt Sager an die Kommerzienverordneten, Bürgermeister und Kammerherren (R, 03.10.1708), an Bürgermeister Rodde (R, 09.10.1708 und R, 06.11.1708), an Lübschen Rat (R, 08.10.1708 und R, 11.10.1708), an Kämmerer und Bürger­meister (R, 07.11.1708), 5 / 2, Vogt Sager an Bürgermeister Rodde (R, 31.10.1710 und R, 11.11.1710). 163  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 09.08.1709). STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Schreiben (wohl der Wismarer Kanzlei; R, 03.09.1710), 2, 7, Schreiben (wohl der Wismarer Kanzlei; R, 05.08.1712) und Abt. III, I, T 16, 496, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 05.08.1712).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

teln ist nur ein Bruchteil erhalten geblieben. Tatsäch­lich existieren nur noch die wöchentlichen Berichte, die der Lübsche Rat von der Curslaker Schleuse erhielt (Oktober bis Dezember 1713) sowie Berichte vom Stralsunder Fährtor aus dem Zeit­raum zwischen Oktober 1709 und Januar 1710. Die dortigen Angaben beschränken sich zumeist auf die Namen der Wachen, die ankommenden Schiffe und Personen sowie Angaben zu den Reisepässen (Ausstellungsort und -datum), in Stralsund wurden teilweise aber auch detailliertere Aussagen der Befragten zum Geschehen im Ausland mitgeteilt. Eine Ausführlichkeit, wie sie die Lübecker und Wismarer Fragekataloge erwarten lassen, liegt nicht vor und auch eine Wertung der Aussagen, wie sie die Vögte Danckwertz und Sager vornahmen, erfolgte nicht. Das Fehlen kompetenter Vertrau­ enspersonen im Hafen­ bereich führte dazu, dass die Auswertung der Informationen direkt im Rathaus vorgenommen wurde.164 Die Aktualität und damit Flüchtigkeit der Informationen hat vermutlich ihre umfassende Dokumentation verhindert, denn auf­bewahrt wurden vor allem die Entscheidungen der Obrigkeit und deren Schriftver­kehr. In der gesamten Region wurden neben den im unmittelbaren Dienst der Stadträte oder Landesregierungen stehenden Amtspersonen zugleich die Wirte / Krüger in die Berichtspflicht eingebunden, weil in ihren Häusern ein Großteil der Reisenden unter­ kam.165 In einer Lübschen Verordnung vom November 1710 heißt es, dass sie nur Personen aufnehmen dürften, welche die an den Toren extra ausgegebenen Pas­ sierscheine vorweisen konnten. Diese Zettel mussten dann jeden Abend den in den Wirtshäusern (innerwie außerhalb der Landwehr) herumgehenden Tor­schreibern bzw. Stadtsoldaten ausgehändigt werden, welche diese an die Kriegs­kommissare weiterleiteten. Damit handelte es sich zwar nicht um wertende Berichte über die 164  AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 2 und STAS: Rep. 14, 90. Die Akte enthält die gebundenen Zettel des Fährtors. Vermerkt sind die Wa­chen des Tages und die ankommenden Schiffe und Personen im Zeitraum vom 04.10.1709 bis zum 29.01.1710. In der Regel erfolgte nur die Nennung des ange­kommenen Schiffes, der Personen und einiger Angaben zum Pass (Ort und Datum der Ausstellung), teils finden sich detailliertere Aussagen der befragten Ankömmlinge zum Geschehen im Ausland. 165  Im Wismarer Tribunal äußerte Assessor Gerdes ausdrücklich seine Sorge, dass sich in den Krügen ver­dächtige Personen aufhielten, weswegen er darauf drängte, man müsse diese Orte „genau ob­ser­vir[en]“. So auch in Stralsund, wo der Rat überzeugt war, „daß vielmehr der Krug daselbst [bei den Fähren von Stahlbrode und Glewitz] fast beständig voller bettler u. andern verdächtign Gesinde“ und in Greifswald, wo die Ratsherren an den Landrentmeister schrieben, dass „wier besorgen müßen das die bauern und dergleichen leute ohne nachdencken sich in Krüge und gemeine heuser begeben, und dadurch zugleich ansteckende seuchen in die dörffer zihen möchten“. STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc II, n 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709). STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 19.10.1708). STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an Landrentmeister de Stralenberg (E, 01.10.1710).



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Rei­ senden, aber der Rat konnte aus den Pässen genau ersehen, welche Personen in welchem Gasthaus abgestiegen waren.166 In MecklenburgSchwerin ging man einen Schritt weiter und verpflichtete die Gastwirte, jeden fremden Gast inner­halb einer Stunde dem Magistrat zu melden und Passkopien einzusenden. Die ange­ drohten Strafen auf Zuwiderhandlungen galten für die Wirte mit sofortiger Wirkung, während den Fremden eine 30tägige Frist gesetzt wurde, sich mit dem Inhalt der Verordnung bekannt zu machen.167 Wie zu befürchten, befolgten nicht alle Wirte die Anweisun­ gen und so sah sich der Herzog im September 1710 genötigt, die Strafe auf ruinie­rende 100 Rthlr. festzusetzen, andererseits wurde die sofortige Meldung ausgesetzt und befohlen, „so fort des andern Tages“ die Zettel einzureichen, wo sie „verwahrlich beygeleget werden sollen.“168 Der Rostocker Rat setzte wie der Lübecker Magistrat eigene Passierscheine ein, die es Reisenden erlaubten, in den Gasthäusern zu nächtigen. Die „mit dem Signet des Greiffs“ bedruckten Zettel waren ohne Entgelt an der Wache zu bekommen und mussten von den Wirten sofort nach ihrem Erhalt an den worthabenden Bürger­meister eingesendet werden.169 Ein Jahr darauf ging man in ganz Mecklenburg dazu über, den Reisenden an den Toren gedruckte Zettel auszuteilen, ohne die sie in den Gasthäusern nicht beherbergt werden durften.170 Über alle Durchreisenden mussten die mecklenburgischen Torschreiber täglich Bericht abliefern, aus denen die Namen der eingelassenen und abgewiesenen Personen sowie die Daten und Aussteller ihrer Pässe hervorgehen mussten.171 Im Oktober 1710 wurde in Wismar angeordnet, dass die Wirte die bei ihnen abge­stiegenen Bettler umgehend melden sollten, damit diese durch die Bettelvögte aus der Stadt geschafft werden konnten.172 Daneben galt 166  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). Der Beschluss wurde bereits im September durch das Gesundheitskollegium gefasst: 5 / 1, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 22.09.1710). 167  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). 168  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 06.09.1710). Dort enthalten ist ein Blankovordruck der angeordne­ ten Passierscheine. Die 100 Rthlr. wurden zumindest in Rostock nicht eingehalten, denn es drohte Vogt Danckwertz im Februar 1711 allen Warnemünder Krügern zehn Rthlr. Strafe an, sollten sie Leute von den Schiffen aufnehmen. 1.1.3.15 – 160, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 19.02.1711). 169  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Rostocker Rates (D, 24.08.1710). 170  Ebd., Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 19.12.1710). 171  Ebd. 172  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (R, 03.10.1710).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

auch hier die Pflicht für die Wirte, nur Personen mit Reisepass anzunehmen und „verdächtige Persohnen“ dem worthabenden Bürgermeister „so fort“ zu melden, „wiedrigenfalß [die Wirte] mit empfindlicher Straffe beleget werden.“173 1712 wurde diese Regelung noch einmal verschärft. Künftig waren die Wirte verpflichtet, „beym Stadt Magistrat täglich anzuzeigen / was sie für Leute herbergen“, so dass in Wismar die Verhältnisse denen in Lübeck angeglichen wurden.174 Aus Stralsund sind keine Verordnungen bekannt, denenzufolge Fremde mit extra Passierscheinen ausgestattet wurden. Zwar entschieden Rat und Landstände 1709, dass die Krüger nur Personen aufnehmen durften, sofern ihre Herkunft durch amtli­che Dokumente bestätigt wurde, doch findet sich kein Hinweis auf weiterführende innerstädtische Regulierungen. Auf den zum Stralsunder Besitz gehörenden Dörfern wurden die Wirte mit der Aufsicht über die Einhaltung der Verordnungen betraut, worüber sie aber nur „falß Sie alles zu verwahren nicht bestand seyn möchte[n]“ be­richten sollten.175 In Greifswald galt seit August 1709, dass Fremde, unabhängig vom Vorhandensein von Pässen, nur mit „expresse Obrigkeitl. Einwilligung“ aufgenom­men werden durften.176 Jeden Morgen beim Öffnen der Tore waren die reitenden Diener und vor dem Steinbeckertor der Strandvogt, verpflichtet, die Wirtshäuser auf­zusuchen „und von allen, wie sich die Sache befinden schrifftliche nachricht auf[zu]setzen“.177 Ähnlich wie die Torberichte so ist auch von den eingereichten Wirtshaus­zetteln kaum etwas überliefert. Lediglich in Rostock existiert eine Auflistung aus dem August 1710, welche die Namen von 16 Personen abgibt, die in sechs ver­schiedenen Häusern abgestiegen waren.178 Die Berichte ihrer Amtsträger waren für jede Obrigkeit die quantitativ ergiebigste und zugleich vielseitigste Quelle. In der Streuung der Informationen, die aus fremden Ge­bieten eintrafen, sind sie nur mit Zeitungen zu vergleichen. Gegenüber diesen besa­ßen sie den Vorteil, nicht öffentlich zu sein, 173  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal (D, 28.10.1710). 174  STAW: Abt. III, I, 6, 14, Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal (D, 02.08.1712). 175  STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 02.08.1709), Verordnung des Stralsunder Rates (E, 04.08.1709), Ratsprotokollauszug (R, 09.08.1709), Rep. 13, 589, schwedisch pommersche Landstände an schwedisch pommersche Regierung (E, 30.09.1709). 176  STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 19.08.1709). 177  Ebd. sowie Rep. 3, 150, 1709, Ratssitzung vom 19.08.1709, Punkt 2. 178  AHR: 1.1.3.15 – 159, Schreiben (28.08.1710). Die Unterkünfte waren die so genannte Rotenburg, der Weinkeller, die Hamburger Herberge, das Schiffergelage, der Schmiedekrug, „Kockes Hauß“ und eine Absteigemöglichkeit bei Postmeister Völschau / Völschow.



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womit jede Obrigkeit eine Exklusivität des Wissens für sich beanspruchen konnte.179 Für die Obrigkeit waren die Informationen allerdings nur in dem Moment von großer Wichtigkeit, in dem sie aktuell waren. Eine Erinnerungsfunktion wurde ihnen nicht zugeschrieben und folglich erschien eine ge­ nerelle Archivierung wie beim obrigkeitlichen Schriftverkehr nicht notwendig. Sofern einzelne Nachrichten bedeutsam waren und Entscheidungen der Stadträte notwen­dig machten, wurden sie im Rat und seinen Gremien besprochen und erhielten auf diese Weise Eingang in die schriftliche Überlieferung. 3. Verordnungen Mit dem Begriff „Verordnung“ werden hier alle Bestimmungen der Obrigkeiten zu­sammengefasst, die sich in Form von Gesetzen mit der Pestabwehr befassten. Die verschiedenen Bestimmungen lassen sich einteilen in solche, die das Verhalten aus­ge­wählter Personengruppen regulierten (Pestwachen und -schreiber, Strandreiter, Schiffer) und in solche, deren Wirkungsfeld potentiell die gesamte städtische Gesell­schaft sowie die anwesenden Fremden umfasste. Erstere wurden den betreffenden Amtsträgern direkt kundgetan. In Rostock wird diese Situation mehrfach beschrieben. Nachdem der Rat einer ihm untergeordneten Instanz (hier: Gerichts­herren oder Warnemünder Vogt) den Auftrag erteilt hatte, beorderte diese die zu betreffenden Personen zu sich, informierte sie und ließ sich die Einhaltung der Verordnung münd­lich bestätigen.180 In den anderen vier Seestädten dürfte in der gleichen Weise verfah­ren worden sein. Ob es zur Austeilung der Texte kam, ist aus den Aktenver­merken nicht ersichtlich; meist ist nur allgemein von „communiciren“ die Rede. In den meisten Fällen war eine Aushändigung sicherlich nicht notwendig, da die Erlasse kurz und damit gut memorierbar und ohnehin nicht alle Adressaten lesekundig wa­ren.181 Mit Sicher179  Zur Bedeutung des Wissens über das politisch relevante Geschehen durch die Obrigkeit siehe Simon, S. 332–341. 180  Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 160, Schreiben des Rostocker Ratssekretärs Geismar (R, 10.09.1710). Der Warnemünder Vogt Danckwertz war auf die erste Nachricht einer Seuche in Polen im Januar 1708 vom Rat beauftragt worden, die Warnemünder zu informieren und berichtete daraufhin: „habe ex Commissione Amplissimi Senatus, Sämbtliche Warnemünder vorbescheiden laßen, Denen selben meine mir ertheilte Instruction Über deß von hochf:r DurchL= publicirten und affigirten mandati, Die bereits in Pohlen etc: inficirte pest=seüche vorgetragen, und wie sie sich in solchen zuverhalten hetten, Welches sie nach zuleben versprochen Da dan folgende præ­ sentes von gewesen sein“ und führte anschließend 32 Namen auf. 1.1.3.15 – 158, Schreiben des Vogts Danckwertz (K, 22.01.1708). 181  So wurden die Schonenfahrer in Rostock meist nur benachrichtigt, welche Häfen zu meiden waren bzw. für welche Gesundheitspässe vorgeschrieben waren. Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 159, Ratsschluss (R, 31.10.1710).

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

heit wurden jedoch die ausführlichen Fragekataloge für die Tor- und Grenzkontrolleure ausgeteilt. Die Pestwachen waren beauftragt, alle Reisenden nach einem bestimmten Schema zu befragen und die in den Katalogen vermerkten Fragen genau einzuhalten. Aus praktischen Gründen war es geboten, mindestens ein Ex­emplar der Kataloge vor Ort zu behalten. Die Lesefähigkeit muss beim Personal min­destens partiell vorausgesetzt werden, um bei den zahlreichen vorgeschriebenen Fragen keine zu vergessen.182 Neben den auf einen eng begrenzten Personenkreis beschränkten Verordnungen gab es eine weitere Gruppe, mit denen die Obrigkeiten ausdrücklich eine möglichst breite Öffentlichkeit ansprachen und die auf verschiedene Weise bekannt gemacht wurden. Zur Erreichung dieses Ziels sind drei Arten der Weitergabe feststellbar.183 Zum einen wurden Verordnungen, die üblicherweise gedruckt wurden, an öffent­li­chen Orten angeschlagen. Der Druck hob den offiziellen Charakter der Texte im Ge­gensatz zu handschriftlichen Meldungen deutlich hervor. Mittels der Aushänge wurde die kommunikative Situation für die Öffentlichkeit ständig präsent.184 So bestimmte der Lübsche Rat seine Mandate „an allen Gassen anschlagen“ zu lassen, „damit keiner der Unwissenheit halber sich zu entschuldigen vermag“.185 Die formel­hafte Aussage, alle Straßen zu versorgen, war eine eindeutige Übertreibung, denn nur be­ stimmte Örtlichkeiten waren betroffen, andernfalls wären die Druckkosten un­ver­hältnis­mäßig gewesen. In ähnlich allgemeiner Weise forderte das Wismarer Tribunal Rat und Stadtkommandanten auf, Verordnungen „aller orten, wo es nöthig“ bzw. „gwöhnlicher maßen [zu] affigiren“.186 Als genutzte Örtlichkeiten kamen in den Städten die Außenwände der Rathäuser und die Stadttore in Frage, in den Häfen, Vorstädten und Dörfern waren es Kirchtüren, Vogteien und Fährhäuser sowie – in Ergänzung zu diesen offiziellen Orten – Wirtshäuser.187 182  In Wismar waren zum Beispiel insgesamt 19 Fragen zu den Personen und zur Beschaffenheit der Waren notwendig. STAW: Abt. III, XIX, 2, 7, Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (R, 05.08.1712). Der Lübsche Rat nennt die Schreibfähigkeit explizit bei den im September 1713 nach Bergedorf geschickten Soldaten, unter denen, „einige[…] vernünfftige[…] Unter=officirer[…], welche des Schreibens erfahren“. AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 1, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 19.09.1713). 183  Vgl. Schwarz (1996), S. 16. Seelbach, S.  21 f. 184  Wilke (2000), S. 7 ff. Frühformen dieser Anschläge finden sich bereits in der Antike. 185  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). 186  STAW: Abt. III, XIX, 2, 7, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (26.08.1713), Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (K, 16.08.1709). 187  Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Rostocker Rates (R, 18.01.1708); STAS: Rep. 14, 89, Schreiben der Stralsunder Apotheken- und Pfundherren (R,



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In den Städten fehlen Belege für die Verwendung von Kirchtüren, soweit es sich nicht um die Bekanntmachung geistlicher Verordnungen wie die Bekanntgabe von Buß­tagen handelte.188 In Greifswald etwa ließen Bürgermeister und Rat „in allen thoren, StadtKrügen Fehren zu Stalbrodt etc. und andern Ohrten, wo es gewöhnlich ist […] die patente affigire[n]“.189 Die für verschiedene andere Obrigkeiten nachweisliche Nutzung von Anschlagspfählen an Straßen und Nebenwegen ist nicht zu belegen.190 Dies dürfte jedoch einzig in einem den Seestädten fehlenden aus­ge­dehnten Hinterland begründet sein, so dass diese speziell territorialherrschaftliche Lösung nicht in Betracht kam. Die Aufstellung eigener Anschlagstafeln, auf denen exklusiv auf Neuerungen in der Pest­gesetz­gebung hingewiesen wurde, ist nicht feststellbar. Allen genutzten Orten war gemein, dass sie an verkehrsgünstigen Stel­ len lagen und viele mobile Personen erreicht wurden, wobei gerade an den Toren und Fähren der Anteil der erreichten reisenden Fremden, die vor allem auf diese Weise einbezogen werden konnten, viel höher war als es bei einem einzigen An­schlag im Stadtzentrum möglich gewesen wäre. In den fünf Seestädten dürften je nach Anzahl der Stadttore und Größe des städtischen Umlandes zwischen sechs (Wismar: fünf Stadttore, ein Rathaus, kein Umland) und 24 (Rostock: 22 Stadttore, ein Rathaus, eine Vogtei) Aushänge vorhanden gewesen sein, wobei die Zahl der darüber hinaus genutzten Wirtshäuser nicht überprüfbar ist.

22.07.1709); STAW: Abt. IV, 1, a, Loc XIII n. 23, Vol. II, königlich schwedisches Tribunal an Landprediger (K, 02.04.1708). Auf die Bedeutung von Schenken, Krügen und Gasthäusern unter kommunikativen Gesichtspunkten hat Daniel Bellingradt erst kürzlich hingewiesen, wenn er von „dem Nachrichtenzentrum der Untertanen“ spricht. Bellingradt, Daniel: Die vergessenen Quellen des Alten Reiches. Ein Forschungsüberblick zu frühneu­zeitlicher Flug­publizistik im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, in: Blome, Astrid / Böning, Holger (Hrsg.): Presse und Geschichte. Leistungen und Perspektiven der historischen Presse­ forschung (Presse und Geschichte – Neue Beiträge 36), Bremen 2008, S. 77–95, hier S. 91. Vgl. zur Bedeutung von Wirtshäusern für die frühneuzeitliche Kommunikation: Kintzinger, Marion: Wirtshaus­geschwätz. Traum­erzählungen in der politischen Publizistik des 17. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für historische Forschung 29 (2002), S. 561–596. Ellis, Markman: The Coffee House, A Cultural History, London 2004. Kümin, Beat / Tlusty, B. Ann (Hrsg.): The World of the Tavern. Public Houses in Early Modern Europe, Aldershot 2002. Wilke (2000), S. 65, 93, 138 f. Iseli, S. 80–83. 188  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc XIII n. 23, Vol. II, königlich schwedisches Tribunal an Landprediger sowie Wismarer Superintendenten, Vizegouverneur und worthabenden Bürgermeister (K, 21.03.1710). 189  STAG: Rep. 5, 10, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 03.08.1709). 190  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 2, Verordnung des Fürstbischofs Christian August von Lübeck (D, 12.08.1712). Gaul (2005), S. 100 ff.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Neben dem Anschlag wurde für die Verbreitung der Gesetze auf das Primärmedium der Pastoren zurückgegriffen. Diese wurden durch die Stadträte beauftragt, die Ver­ ordnungen im Anschluss an ihre Predigten vorzulesen. Durch die spezifische Kom­munikations­situation (persönliche Anwesenheit) erhielten die Texte, die von den erhöht stehenden Kanzeln der Gemeinde verlesen wurden, welche kurz zuvor noch moralisch ermahnt worden war, eine quasi göttliche Zusatz-Legitimation. Ein profaner Anschlag konnte diese Wirkung nicht erzielen. Wichtig war, dass auf diese Weise auch die illiterate Bevölkerung erreicht werden konnte.191 Beide Verbreitungsarten wurden meist gleichzeitig verfügt und richteten sich an die eigene Bevölkerung und die vor Ort befindlichen Fremden.192 Sie ergänzten sich damit gegenseitig, wenn die mündlich vorgetragenen Neuigkeiten auch an vielen Stellen in der Stadt zu lesen waren. Die Kanzelabkündigung erfolgte in der Regel an Sonntagen.193 Dadurch erhielten die Lesefähigen einen zeitlichen Informationsvorteil, wenn die Anschläge Tage zuvor angebracht wurden, doch ist davon auszugehen, dass den Analphabeten schon zu­vor die Verordnungen von Verwandten und Bekannten vorgetragen wurden. Die Lesekundigen wurden damit „zu zwar nicht amtlich bestellten, aber von der Obrigkeit eingeplanten Vermittlern“.194 Vermutlich nutzten zudem die Lesekundigen ihre Fertig­keiten aus, um sich für ihre Mitmenschen interessant oder unabkömmlich zu machen bzw. schmückten die Texte beim Vorlesen aus. In der dabei entstandenen Ge­ sprächssituation dürfte jede der bloßen Nachrichten durch die anwesenden Perso­nen weiter ausgedeutet worden und zum Thema eines Meinungsaustauschs gewor­den sein. Gaul bewertet die öffentlichen Anschläge „nur als 191  Wilke (2000), S. 11. Die häufigen Verordnungen gegen und die Strafandrohungen wegen des Be­triebs von Wirtschaften und Geschäften zu den Gottesdienstzeiten zeigen allerdings, dass sich nicht alle Einwohner wie gewünscht in den Kirchen einfanden. Vgl. z. B. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (E, 25.10.1710) und STAG: Rep. 5, 6531, Verordnung des Greifswalder Rates (R, 29.05.1713). 192  Vgl. Schlaak, Alexander: An den Grenzen des Machbaren. Zur Entwicklung von Schriftlichkeit in frühneuzeitlichen Reichsstädten am Beispiel des Esslinger Supplikenwesens, in: Esslinger Studien 44 (2005), S. 63–83, hier S. 69. 193  In Wismar findet sich dagegen einmal der Befehl des Tribunals an den Poeler Pastor, eine Ver­ord­nung „bey erster wochen-Predigt falß eine gehalten wird, von der Cantzel abzulesen, auch am nechsten Sontag solches zu wiederhohlen.“ In allen anderen Fällen wurde in den Seestädten der je­weils nächste Sonntag für die Abkündigung bestimmt. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n, 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Priester auf Poel (K, undatiert, wohl 31.08.1709). 194  Z. B. STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 05.08.1709): „daß Patent kan am negsten Sontage gekündiget, die affixion aber noch heüte alhie in der Stadt so woll, alß an denen negst angelegenen Ohrten bewerckstelliget werdn“. Körber 1998, S. 316.



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Ergänzung zu den rein optischen Zeichen“ und hält die Mediatoren (Vogt, Pestwachen, Prediger) für den wichtigeren Bestandteil der Kommunika­ tionsstrategie.195 Dies gilt sicher in dem Moment, in welchem die PestPersonen vor Ort waren und ihrer Aufgabe als Infor­mationsträger gerecht wurden, doch wenn sie fehlten, fehlte zwangsläufig auch die Infor­ mation. Weder die Seestädte noch die Landesherrschaften konnten eine flächen­deckende Anwesenheit von Amtsträgern gewährleisten, geschweige denn bezahlen. Anhand der ständig präsenten Aushänge konnte sich die Bevölkerung je­doch jederzeit informieren, zumal wenn die Mitteilung mittels figürlicher Darstellung auch für Analphabeten verständlich war, so dass diese eine zentrale und deshalb keineswegs bloß ergänzende Funktion innehatten (vgl. Kap. III.2). Die Verbreitung der Verordnungen beschränkte sich nicht auf die der eigenen Juris­diktion unterstehenden Gebiete. Um die Gebote und Verbote der Drucke „durch öffentliche publication zu männiglichen notice und wissenschaft gelangen zu lassen“, wurden sie an Obrigkeiten weitergegeben, wobei nicht nur direkte Nachbarn, son­ dern auch weiter entfernte Territorien in Kenntnis gesetzt wurden.196 Es fällt auf, dass nur die Landeserlasse weitergegeben wurden. Das heißt, eine einzelne Stadt sen­dete nicht ihre städtischen Gesetze, sondern die übergeordneten der Landes­regie­rung. Lediglich im Begleitschreiben konnte erläutert werden, dass sie eigene, ent­sprechende Regelungen erlassen habe. Vier der fünf Seestädte unterstanden einem solchem Landesregiment und konnten sich trotz ihrer im Vergleich zu anderen Städten in ihren Territorien relativen Selbstständigkeit nicht dem allgemeinen Staats­ bildungsprozess entziehen.197 Andererseits bot sich für jeden Stadtrat die Gelegen­ heit, sich hinter der vermeintlich überreagierenden Obrigkeit mit ihren rigiden Maß­nahmen zu verstecken und nicht die Verantwortung für den Zorn des Auslandes auf sich zu nehmen, obwohl die Maßnahmen intern befürwortet wurden.198 Das Ziel dieser breiten Streuung war 195  Gaul

(2005), S. 101. ASA, Interna, Pest 5 / 2, herzogliche Regierung zu Gottorf an Lübschen Rat (R, 27.11.1710). 197  Höhl, S. 34. 198  So beschrieben etwa die Rostocker Ratsherren auf eine Anfrage des Hamburger Magistrats aus­schließ­lich die herzoglichen Maßnahmen gegenüber Pommern und unterließen es, auf eigene Akti­on­en einzugehen: „Was Nun daß unß benachbahrte Pommern antrifft; So haben wir die sichere nach­richt daß in demmien, Anklam, und Greiffswalde auch auff dem Platten lande daselbst, und in den landStädten  / : bis auff Passwalck und Goldenau, noch, alß welche man vor verdächtig halt: / es alles guet und gesund sein soll. Von Stetien aber, und Straalsund gehet das gerüchte; obb sey es an diesen beeden ohrten nicht zum besten; doch vermeinet man, daß zu Straalsund auch nichts anders, d.[enn] rote=ruhr, und fleckfieber grassiren solle; Inzwischen ist dieser beeden Pommerschen Stadte halber, umb mehrer præcau­ 196  AHL:

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es, insgesamt möglichst weite Kreise erreichen zu kön­nen, „damit keiner der Unwissenheit halber sich zu entschuldigen vermag“.199 Häufig wurden mehrere Druckexemplare verschickt, so dass diese am Zielort wiederum ausgehängt werden konnten. Zum Teil sollten die Verordnungen als Anregung für das Verhalten der adressierten Obrigkeit gelten.200 In einigen Fällen, besonders wenn es sich um den pestbedingten Ausfall von Jahrmärkten oder die bloße Wieder­holung älterer Verordnungen handelte, beschränkten sich die Obrig­keiten darauf, den Inhalt in ihren Briefen zu paraphrasieren.201 Eine Sonderform im Gegensatz zu den häufigen Einzelerlassen betreffs Passregeln, uner­ wünschten Personengruppen oder Quarantänevorschriften stellen die so ge­nannten Pestordnungen dar. In ihnen wurden umfassende Anweisungen gegeben, wie eine Seuche zu vermeiden war und welche Mittel im Falle einer Erkrankung hal­fen. In den fünf Seestädten brachte nur die Stralsunder Obrigkeit eine Pest­ordnung heraus und dies auch nur nach mehrmonatigen Verhandlungen, so dass der Text erst vorlag, als die Stadt bereits infiziert war.202 Wahrscheinlich wurde die Stralsunder Pestordnung tion. willen, von unserem gnädigsten landes Fürsten und HErren Hochfl. Dl. die Correspondence und daß commercium, was wahren, und passagirer antrifft, zwischen Pommern, und Mecklenburg, bis zu fürder verordnung, gantzlicher verbohten:“ AHR: 1.1.3.15 – 159, Rostocker Rat an Hamburger Rat (K, 05.09.1710). 199  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). Schlögls (Schlögl, S. 53 und 57) Ansicht, dass sich die frühneuzeitliche Stadtobrigkeit, im Gegensatz zu Landes­obrigkeiten, „der Schrift hauptsächlich wegen ihre[r] Aufbewahrungsfunktion bediente und ihr als Kommunikationsmedium grund­sätzlich misstraute“, trifft hier nicht zu. Vgl. Schmidt, Regula: Die Chronik im Archiv. Amtliche Geschichts­schreibung und ihr Gebrauchspotential in Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Das Mittel­ alter. Perspektiven mediävistischer Forschung 5 (2000), S. 115–138. 200  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an Herzog Joachim Friedrich zu Plön, herzogliche Regierungen zu Schwerin und Ratzeburg (E, 07.08.1709) sowie den Fehmarner Landvogt (E, 09.08.1709) und kurfürstliche Regierung zu Hannover an Lübschen Rat (R, 02.09.1709). 201  Z. B. AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Lübscher Rat an Fürstbischof Christian August von Lübeck sowie die herzoglichen Regierungen zu Schwerin und Ratzeburg (E, 30.08.1709); 5 / 1, Lübscher Rat an die Räte der Städte Kiel, Eutin, Neustadt in Holstein, Oldesloe, Plön und Eckernförde (E, 28.09.1710) sowie und Plöner Rat an Lübschen Rat (R, 13.10.1710). 202  STAS: Rep. 14, 96, Der Stadt Stralsund Eventuale Veranstaltung 1710. Zapnik 2007, S. 87–96. Neben den sachlichen Verhandlungen zögerten die Verantwortlichen die Bekanntgabe der Ord­nung lange hinaus, weil sie fürchteten, das Vertrauen des Auslands zu verlieren, „weiln dadurch die Stadt zum unwiederbringlichen schaden handels und wandels in mehreren ruff einiger infection gesetzet werden könne“. STAS: Rep. 14, 91, Ratsprotokollauszug (R, undatiert, wohl Mitte 09.1709). Vgl. zum Bestreben frühneuzeitlicher Obrigkeiten, die „zum Teil notwendige […] Mandatsflut“ in Gesamt­ ordnungen zusammenzufassen: Brauneder, Wilhelm: Frühneuzeitliche Gesetzgebung: Einzelaktionen oder Wahrung einer Gesamtrechtsordnung?,



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aufgrund ihrer Ausführlichkeit (47 Textseiten) ebenso wie ver­ gleich­ bare Verordnungen nicht öffentlich angeschlagen, sondern stattdessen direkt an alle Haushalte verteilt.203 Mit der Umsetzung der Anordnungen wurden damit die Haushalts­vorstände beauftragt, von denen es in Stralsund etwa 1.500 gab.204 Die sich in Niederösterreich findende Schlussformel „Sag’s Einer dem Andern“, womit ein höherer Verbreitungsgrad und eine Indienstnahme und Verpflichtung der Haushalts­vorstände erreicht wurde, gab es in den fünf Seestädten nicht.205 Hier behielt sich die Obrigkeit das (theoretische) Monopol vor, Informationen auszugeben und deren Be­kanntmachung zu regulieren. Obwohl die Seuche nicht auf Stralsund beschränkt blieb und von 1709 bis 1710 weite Teile Schwedisch Pommerns betroffen waren, erarbeitete die Stettiner Regierung keine landesweite Verordnung, wogegen im nicht direkt betroffenen Herzogtum Mecklenburg-Schwerin seit Dezember 1709 eine be­sonders ausführliche Verordnung galt (56 Textseiten).206 4. Sitzungsprotokolle Das Vorhandensein von Sitzungsprotokollen stellt meist einen Glücksfall für den Historiker dar. Oft genug besteht das Material zur Bewertung eines Vorgangs sonst lediglich aus der Dokumentation des Vorher und Nachher, also dem ursprünglichen Problem und dessen Lösung. Der Lösungsweg hingegen, die einzelnen Meinungen der beteiligten Personen, ihre Argumente und Vorschläge bleiben in den meisten Fällen verborgen, da sich die wenigsten Gremien die Mühe einer ausführlichen Protokoll­führung machten. Angein: Döhlemeyer, Barbara / Klippel, Diethelm (Hrsg.): Gesetz und Gesetzgebung im Europa der Frühen Neuzeit (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 22), Berlin 1998, S. 109–129, hier S. 127. 203  Die in den Ratsprotokollen vorhandene Direktive an das Collegium Sanitatis, „die abdruckung der bereits vor langst abgefaßten und Placatirten Pestordnung, zu befodern“, könnte auf eine vorherige (Teil-)Veröffentlichung des handschriftlichen Textes hindeuten, doch wäre dies ein Bruch mit den übli­chen Gepflogenheiten der gedruckten Aushänge. STAS: Rep. 29, 821, Ratssitzung vom 06.08.1710. 204  Zapnik (2007), S. 87. Kroll (1997), S. 128. STAS: Rep. 14, 91, Ratsprotokoll­ auszug (R, 17.09.1709). Rat und Colle­gium Sanitatis einigten sich auf eine Anzahl von 1.500. Buchdrucker Meder erhielt für Papier und Lohn 104 Rthlr. Rep. 38, 1480, Schreiben (R, 08.01.1711). 205  Schmölzer, S. 68. 206  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). AHR: 1.1.3.15 – 159, 18, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709) und 1.1.3.0 – 17, 17 / 1, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). Vgl. Schleßwig=Hollsteinische Hochfürstl. Ober=Vormundschaftliche Ver­ ord­ nung Wegen der Pest / Nebst beygefügten zweyen CONSILIIS MEDICIS, Schleswig 1711.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

sichts der vielfältigen Aufgaben und der zum Teil langwierigen Prozesse kann davon ausgegangen werden, dass alle diese Gremien Protokolle führten, von denen jedoch nur ein kleiner Teil auf uns gekommen ist. Infol­gedessen stellen die vorhandenen Sitzungsprotokolle eine besonders wertvolle Quellenart dar. Für die Pestproblematik sind in erster Linie die Aufzeichnungen der Stadträte, des Tribunals und der Gesundheitskollegien relevant. Den größten Um­fang nehmen die in allen fünf Seestädten vorhandenen Ratsprotokolle ein, deren Qualität jedoch sehr stark schwankt. Die Rostocker, Stralsunder und Greifswalder Bestände zeichnen sich durch eine besondere Übersichtlichkeit aus, in Lübeck sind zum Teil nur die Problematiken, nicht aber die getroffenen Entscheidungen ver­ merkt.207 Ihnen allen fehlen, da ausschließlich in Reinschrift vorliegend, die für Rat und Tribunal in Wismar nachvollziehbaren Zwischenschritte der Entscheidungs­fin­dung. Die Wortmeldungen einzelner Mitglieder lassen sich vor allem beim Tribunal eindeutig zuordnen und bewerten, da neben den in allen Städten üblichen Aus­gangs­ positionen und dem „Conclusium“ der weitere Verlauf der Beratungen und die Kom­mentare der Assessoren eingehend vermerkt wurden. In Lübeck, Stralsund und Greifswald sind etliche Protokolle und -auszüge des Ge­sundheitskollegiums in der rätlichen Überlieferung zu finden. Bedingt wurde dies durch die enge personelle Verflechtung der Mitglieder des Collegium Sanitatis, die zum größten Teil Ratsherren waren. Aus ihnen ist unter anderem zu erfahren, dass das Lübsche Offizium Sanitatis relativ selten zusammenkam und regelmäßige Tref­ fen nur in Zeiten akuter Bedrohung stattfanden. Als die Seuche Anfang November 1711 im Lübecker Umland abgeklungen war, wurden die Sitzungen eingestellt und erst Ende August 1712 wieder aufgenommen. Dies ist eindeutig nachvollziehbar, da die letzte Sitzung von 1711 und die erste von 1712 auf dem­selben Papier protokol­liert wurden.208 Im Gegensatz zu anderen Sekundärmedien wurden Sitzungsprotokolle aus­schließ­lich für den internen Gebrauch angefertigt. Es ist kein Fall be207  Z. B.: AHL: Zentrale Einrichtungen, Kanzlei, Rats- (Senats-)protokolle, I. Serie, 1710, S. 77, Sit­zung vom 26.04.1710, Punkt 1: „[Besprochen wurde der Fall] Jost Springer, wegen seiner ausgestoßenen unglimpflichen redn.“ Für den gesamten Zeitraum vom 13.04.1710 bis 30.07.1710 sind alle Sitzungen in dieser Kurzform aufgeführt, die zudem allesamt die Überschrift „Causa privata“ tragen. Die hier gemachten Angaben geben keine Hinweise auf Zwischenschritte oder endgültige Entscheidungen. Diese müssen an anderer, nicht mehr erhaltener Stelle abgelegt worden sein. 208  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Protokolle des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 19.02.1711–12.11.1712). Die erste Sitzung von 1712 beginnt mit den Worten „wurde ad decretum Senaty die zusammenkunft wieder angestellet u:. conferiret wie es in u außerhalb der Stadt rati[one] Sanitatis stünde“.



II. Sekundärmedien161

kannt, in dem sie außerhalb der jeweiligen Stadt Verwendung fanden. Anders als Verhörprotokolle, die im interobrigkeitlichen Verkehr gezielt eingesetzt wurden, sollten die einzelnen Meinungen der Rats-, Collegium-Sanitatis- oder Tribunalsmitglieder nicht an anderer Stelle bekannt werden. Jedes der Gremien präsentierte sich damit nach außen als eine geschlossene Einheit, auch wenn innerhalb die Meinungen zum Teil heftig di­vergierten.209 Eine über das aktuelle Tagesgeschehen hinausgehende Nutzung der Protokolle ist in einem Fall explizit nachzuweisen und zeigt die Bedeutung dieses Mediums als „Gedächtnis“ der jeweiligen Institution. Im Juli 1712 beauftragte das Tribunal den Assessor Wagner, die Pestakten der vergangenen Jahre zu überprüfen, um frühere Vorgänge und Entscheidungen zu rekonstruieren. Er erfüllte diese wichtige Funktion und legte auf der Grundlage der archivierten Sitzungsprotokolle das Verhalten des Tribunals in den Vorjahren dar, so dass das Gericht seine Handlungsweise ange­sichts neuer Pestfälle in der Umgebung folgerichtig fortführen konnte.210 Ein Blick in die Protokolle macht schnell deutlich, warum ihr Inhalt nicht weiter­gege­ben oder gar veröffentlicht wurde. Einige der Kommentare waren augen­scheinlich nicht für andere bestimmt. Ein Schreiben des mecklenburgischen Herzogs, der das Tribunal im August 1709 vor der Pest in Danzig warnte, wurde durch die Juristen fol­ gendermaßen kommentiert: „daß in general. Terminis zu antworten“.211 Der Herzog erhielt kurz darauf einen Brief, der genau diese allgemeinen (generellen) Formulie­ rungen enthielt. Freundlich, aber letztlich inhaltslos teilte man mit, das Tribunal habe „schon vorlängst, und sofort, auff die erste Zeitung [= Nachricht], daß die Pest in pohlen von neuem eingerißen, alle mügliche verfaßung zu waßer und lande, dagegen zu machen“ und bliebe auch weiterhin sorgfältig, „als die wichtigkeit der sache es erfordert“.212 209  So im Stralsunder Collegium Sanitatis, dessen Mitglieder sich in heftigen Wortgefechten lautstark zerstritten. Der daran beteiligte Bürgermeister Zander berichtete, dass man ihn „mit hefftigen und überlauten Contradictionen der maßen angehalten, daß man es außer der Rathsstube hat hören können“. STAS: Rep. 29, 201, Schreiben von Bürgermeister Zander (R, 24.11.1710). Zapnik 2007, S. 181–190. 210  STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc. II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (29.07.1712). 211  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin an königlich schwedisches Tribunal (R, 12.08.1709) und Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 16.08.1709). 212  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 20.08.1709). Es muss an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die ungewöhnliche Begriffshäufung (vorlängst, sofort, auf die erste Zeitung) in Schwerin den Verdacht erregte, dass sich das Tribunal im Gegenteil bislang wenig mit der Seuchen­gefahr befasst hatte.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

An vielen Sitzungen des Tribunals nahmen Vertreter des Rates teil. Sie trugen oft Beschwerden vor oder wurden vom Tribunal um ihre Meinung gebeten. Für die Be­ratung hingegen verließen sie stets den Raum und überließen die Juristen sich selbst. Meist geschah dies pro Sitzung einmal, konnte jedoch bei schwerwiegenden Fällen auch mehrfach stattfinden. Auf diese Weise erfuhren sie nicht, welcher Jurist welche Meinung vertreten hatte und wurden nur über den endgültigen Beschluss in­formiert. Die ihnen durch das Tribunal nachträglich zugesandten Sitzungsprotokolle enthielten folgerichtig keine Einzelaussagen. In diesen Exemplaren heißt es an den fraglichen Stellen: „[Deputierte] tretten ab. Nach gehaltener deliberation tretten deputati wieder ein“ / „tretten ab. Deputati tretten wieder vor“ / „tretten ab. und wieder vor“.213 Im September 1709 äußerte Tribunalsvizepräsident Tessin Skepsis gegenüber der Ehrlichkeit des Wismarer Rates. Dieser hatte durch seine Beauftragten erklärt, we­gen großer Schwierigkeiten noch keine Pestwachen anstellen zu können. Nachdem die Beauf­trag­ten den Raum verlassen hatten, meldete sich Tessin zu Wort und zweifelte die Schwierigkeiten des Rates an. Er vermutete eher Unlust und den Ver­such, sich hinter der Bürgerschaft zu verstecken („Senatu klagte über die Unvernunft der bürger, [… es], stünde dahin, man hörte noch von keiner disordre).“214 Assessor Gerdes hingegen beklagte sich über die Widerspenstigkeit der Bürger, „man könnte es Ihnen woll imponiren [svw. aufbürden], kähme iemahl ein Unglück, so sey es hernach zu späth.“215 Assessor Wagner pflichtete dem bei und meinte, wenn alle Personen des ersten Standes vernünftig wären, gäbe es gar keine Probleme, „aber sie [die Leute] weren nicht alle [vernünftig]“.216 Nachdem die Deputier­ten den Raum wieder betreten hatten, eröffnete ihnen Tessin die Entschei­dung, die nichts von den zuvor geäußerten Unterstellungen erahnen ließ. Brisanter stand es im April 1711. Aus Pommern waren vor kurzem mehrere Per­so­nen angekommen, bei denen diplomatisches Feingefühl notwendig erschien. Es handelte sich um Oberst Bredtholtz, Befehlshaber eines in Wismar stationierten Regiments, die Frau eines weiteren schwedischen Obristen sowie um einen Militär-Buchhalter namens Kohl.217 Vize­präsident Tessin setzte eine Missive an seine Kollegen auf und erklärte, 213  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709) und Abt. III, XIX, 2, 6, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709, 03.09.1710, 26.09.1710 und 30.09.1710). 214  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 13.09.1709). 215  Ebd. 216  Ebd. 217  Vgl. Wahrmann, Carl Christian: „so will ichs Gott anheim stellen, womit ich solches verdienet“ – Die letzte Pest und ihre Auswirkungen auf die Schifffahrt in



II. Sekundärmedien163 „daß diese Personen auff einem bote zu Pöhl haben ansetzen laßen; scheinet es also, daß Sie Sich durchs Mecklenburgische heimlich durchgeschlichen haben, oder wol gar zu waßer auß Pommern zu Pöhl angelanget.“218

Nur innerhalb des Kollegiums war es möglich, diesen Verdacht laut zu äußern. Tessins Frage war, ob die Personen ohne Quarantäne eingelassen werden dürften und lieferte gleich eine Richtung für die Antwort, denn „daran solte [ich] sehr zweifeln“.219 Bredtholtz selbst war aus Schweden und mittelbar aus Stettin („so notoriè inficiret gewesen […] v: noch nicht für rein declariret worden“), Kohl aus Stral­ sund angereist, „dahero noch weniger admissabel.“220 Die anschließende Beratung fiel kontrovers aus. Assessor Oldenburg bestand auf einer vollständigen Quarantäne für alle Personen und fürchtete den mecklenburgischen Herzog. Wenn dieser von einer leichtfertigen Einlassung erführe, würde er „grose ombrage [Misstrauen] daraus nehmen“.221 Sein Kollege Chemnitz stimmte überein, dass es „bey der Nachbahrschafft solches ombrage geben“ würde, zumal er wusste, dass Bredtholtz in Schwerin vergeblich um einen Reisepass gebeten hatte.222 Da jedoch Bredtholtz und die Frau des Obersts schon zwei Monate in Greifswald „alß einen notoriè gesunden u. uninficirten orthe“ sich aufgehalten hatten, plädierte er für eine verkürzte Quarantäne von 14 Tagen, wohingegen es hieß „der Buchhalter aber mügte Seine ordinaire 40 tage aushalten“.223 Für Assessor Gerdes war es gleichfalls weniger die tatsächliche Gefährdung der Stadt als die negative Außenwirkung, die ein Nachgeben haben müsste. Zwar „mögen auch wol die gesamte sich anmeldenden Personen gesund seyn; allein da wir doch unser nachbarn halber keine precaution aus der Acht lassen dörfen, auch wol verhüten solten. dz daraus keine Gewohnheit würde“, so sollten die Leute sich entweder „von dem orte weg machen“ oder auf Poel auf eigene Kosten Quarantäne halten.224 Wagner stimmte dem Vorschlag zu, ließ nur die Dauer der Sperrzeit offen. Zwei weitere Wortmeldungen verwiesen darauf, dass Bredtholtz sei­nen Aufenthalt in Greifswald beweisen könne und er deshalb sofort einzulassen Mecklenburg (1708–1713), in: Museum Festung Dömitz (Hrsg.): Beiträge zur mecklenburgischen Landes- und Regionalgeschichte vom Tag der Landesgeschichte im Oktober 2010 in Dömitz (Der Festungskurier 10), Rostock 2011, S. 95–108, hier S.  104 f. 218  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 05.04.1711). 219  Ebd. 220  Ebd. 221  Ebd. 222  Ebd. 223  Ebd. 224  Ebd.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

sei.225 Von diesen gegensätzlichen Ansichten erfuhren weder Bredtholtz, die Frau des Obersts noch Buchhalter Kohl. Auch der Wismarer Rat erhielt nur das Fazit der Sitzung zur Kenntnis. Bredtholtz und die Frau hatten letztlich „mit höchst cörperl. Eyde [zu] versicher[n], daß sie inner 6 wochen an keine inficirten orte gewesen“.226 Das Wort eines Ehrenmannes, und um einen solchen handelte es sich bei Bredtholtz, konnte einen Großteil des Verdachts zerstreuen und diente der Legitimation. Kohl dagegen sollte entweder volle Quarantäne halten und dann eingelassen werden oder weiter­ reisen und „versuchen […], ob er etwa ohne Paß durchzukommen, gelegentheit finden mügte“.227 Er hatte nämlich behauptet, wegen eines königlichen Auftrags nach Hamburg reisen zu müssen. Kohl selbst erhielt eine knappe Verlaut­barung, die ihm alle Schuld gab, da „er sich nicht beßer vorgesehen“.228 Eventuell vorhandene Briefe sollte er an den Wismarer Postmeister einsenden und sich von Wismar fernhalten, wobei „er doch für seine Person nicht würde [in anderen Ländern] durch kommen können“.229 Von Quarantäne oder erlaubtem Weiterreisen war anders als im Sitzungs­protokoll nicht die Rede. In der Öffentlichkeit konnte damit niemand dem Tribunal Fahrlässigkeit unterstellen. Ein weiteres Protokoll vom 29. Juli 1712 zeigt, dass die reale Pestgefahr weit gerin­ger eingestuft wurde, als dies die Verordnungen und offiziellen obrigkeitlichen Briefe vermuten lassen. In der Sitzung berieten sich die Juristen mit einigen Rats­deputier­ten. Ratsherr Tancke berichtete, der Vizegouverneur habe dem Rat mitge­teilt, dass in Rendsburg und Glückstadt „sich böse Kranckheiten eräugten“, wes­ wegen er die Kontrolle an den Toren wieder aufnehmen lassen wollte.230 Der Rat sei damit einver­standen gewesen und die Bürgerschaft habe angeboten, aus ihrer Mitte für drei Tore die Kontrolleure zu stellen. Weil der Vizegouverneur allerdings die Anstellung beei­deter und bezahlter Kontrolleure verlangt hatte, der Rat daraufhin mit Hinweis auf die „itzigen nahrlosen Zeiten“, das heißt die finanzielle Notlage der Stadt hinwies, die zusätzliche Ausgaben unmöglich machte, wurde das Tribunal um Schlichtung be­müht.231 In der geheimen Aussprache, bei der die Ratsdeputierten den Sitzungsraum verlassen mussten, erklärte Assessor Oldenburg, von der Zahlungsunfähigkeit der Stadt überzeugt zu sein. Für seinen Kollegen Franz (von) Chemnitz stand dieses ebenfalls au225  Ebd.

226  Ebd., 227  Ebd., 228  Ebd. 229  Ebd.

230  Ebd., 231  Ebd.

königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 08.04.1711). königlich schwedisches Tribunal an Buchhalter Kohl (E, 09.04.1711). Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 29.07.1712).



II. Sekundärmedien165

ßer Frage, da „die gefahr so groß nicht wäre“ und zusätzlich durch die derzeitige Kriegsblockade der Stadt nur wenig Verkehr mit dem Umland vorkäme.232 Assessor Gerdes merkte an, dass vor einer Entscheidung geklärt werden müsse, wo genau die Pest derzeit auftrete. Wenn es nur um Glückstadt und Rendsburg gehe, wäre die Situation unproblematisch. Die von dort kommenden Deserteure, Soldaten­ frauen und Briefträger könnte man leicht aus­sperren und erst bei einer Infektion Lübecks oder weiterer Orte müssten umfang­reichere Maßnahmen getroffen werden. Seiner Ansicht nach waren mindestens vor dem Lübschen und dem Mecklenburger Tor Beeidigte vonnöten, die nicht mit Geld sondern anderem vergütet werden sollten. Offenbar traute auch Gerdes den Bürgern weniger als den Festangestellten. Während die Angestellten einzig die Torbewachung zur Aufgabe hatten und dafür entlohnt wurden, wurden die Bürger durch den zusätz­ lichen Dienst an der Ausübung ihres eigentlichen Berufes behindert. Hierdurch und aufgrund der nicht immer rei­ bungslosen Zusammenarbeit mit den schwedischen Militärwachen war die Motivation der Bürger gering. Gerdes argumentierte weiter, dass auf die Wünsche des Vizegou­ verneurs soviel wie möglich einzugehen sei, denn „dem vice Gouv:[erneur] entgegen zu seyn, sey bedenckl[ich].“233 Eine derart offene Aussage zum Machtverhältnis in Wismar sucht man andernorts vergebens. Durch die an­ schließende Meldung des Assessors von der Lieth erfährt man, dass von unbe­kannter Quelle bereits zuvor der Zustand der beiden Städte nach Wismar gemeldet worden war und dass Hannover234 von Hamburg besondere Vorsicht verlangt habe. Wagner ergänzte, dass er ein Schreiben an den Herzog in Schwerin für denkbar halte. Den wieder eintretenden Ratsdeputierten wurde erklärt, dass das Tribunal festange­stellte Bediente für sinnvoll hielte, weil sonst „täglich neuwe leute von ungleicher erfahrung dazukommen würden“ und deshalb zumindest vor dem Lübschen und dem Mecklenburger Tor ein Beeidigter stehen müsse.235 Grund­sätzlich, so antwortete Ratsherr Tancke, sehe man das ebenso, aber die Mittel des Rates seien erschöpft und kein Geld zur Verfügung. Das Tribunal ignorierte die Einwände. Im Notfall müsse sich die Stadt verschulden, um fähige Kontrolleure zu bezahlen. Der Anfrage der Ratsdeputierten, ob das Tribunal sich an den Kosten beteilige, erteilten die Assessoren sofort eine deutliche Absage. 232  Ebd. 233  Ebd.

234  Von der Lieth dürfte mit „Hannover“ nicht den städtischen Rat, der zu keinem Zeitpunkt als Kor­ res­ pon­ denz­ partner in Erscheinung tritt, gemeint haben, sondern Kurfürst Georg Ludwig bzw. die von ihm ermächtigte Regierung. 235  Ebd.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Der Gegensatz zwischen tatsächlich empfundener und nach außen kommunizierter Bedrohung zeigte sich wenige Tage darauf erneut. Stark beeinflusst wurde die Ent­ scheidung, die Situation als gefährlich zu erklären, durch das Verhalten der Ratze­burger Regierung. Mehrere Tribunalsmitglieder hatten zuvor ihre Sorge geäußert, Wismar könne boykottiert werden, sollte man nicht zu den gleichen strengen Aktio­nen greifen. Entgegen der eigenen Überzeugung, „war [man] einig, das eine instruction auffzusetzen [sei], sich desto mehr zu legitimiren das man die exclusion in der nachbarschafft verhütete“.236 Diese Weisung orientierte sich an den Ratzeburger Gesetzen und betonte in den einleitenden Worten, dass „man nötig gefunden, bey anitzo der leidigen Pest halber abermahl, sehr gefährlich anscheinenden zeiten“ die Tore bewachen zu lassen.237 Die Beispiele machen deutlich, dass im Rahmen der Sitzungen eine deutliche Sprache gesprochen wurde. Bedenken wurden offen geäußert und gegeneinander abgewogen. Was in den nach außen dringenden Entscheidungen und Verordnungen wie ein homogener Beschluss wirkte, war tatsächlich das Ergebnis teils kontroverser Auseinandersetzungen. Nur durch die Sitzungsprotokolle ist heute nachvollziehbar, wie wichtig das auswärtige Ansehen der Seestädte bewertet wurde. Eine unvorsich­tige Handlung wie der Einlass von Personen, die andernorts unerwünscht waren, die aber tatsächlich unverdächtig waren, konnte Handelssperren und Einreiseverbote zur Folge haben. Am besten ist im Falle des Tribunals zu belegen, dass die Verantwortli­ chen diese Einbindung ihrer Stadt in das wirtschaftliche und diplomatische Gesamt­gefüge stets berücksichtigten und ihr einen entscheidenden Stellenwert zumaßen, wobei diese Priorisierung auch für die fünf Stadträte gegolten haben dürfte. 5. Suppliken Unter der Bezeichnung „Supplik“ werden Schreiben zusammengefasst, die von Nichtamtspersonen an Obrigkeiten verfasst wurden und in denen aufgrund einer Notlage um eine Zustandsänderung ersucht wurde.238 In den Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts wird dieses Medium als eine „demüthige, flehentliche, und bewegliche Bitte, ins besondere aber eine Bitt=Schrifft“ 236  Ebd.,

Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 05.08.1712). Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (K, 05.08.1712). 238  Schlaak, Grenzen, S. 70. Bräuer, Helmut: Persönliche Bittschriften als sozialund mentalitäts­geschichtliche Quellen. Beobachtungen aus frühneuzeitlichen Städten Obersachsens, in: Ammerer, Gerhard / Rohr, Christian / Weiss, Alfred Stefan (Hrsg.): Tradition und Wandel. Beiträge zur Kirchen-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte. Festschrift für Heinz Dopsch, Wien 2001, S. 294–304, hier S. 296. 237  Ebd.,



II. Sekundärmedien167

definiert und als „ein schriftlicher Aufsatz, worin man einen Obern um etwas bittet“.239 Die Erforschung dieser für die Kommunikation zwischen Herrschaft und Untertanen äußerst ergiebi­gen Schreiben ist in den vergangenen Jahren auf verstärktes wissenschaftliches Inte­resse gestoßen, wobei die Übergänge zum Mittelalter (nichtschriftlich) und zum mo­dernen Staat (reglementierte Schriftlichkeit) im Mittelpunkt standen.240 Das Ziel einer Supplik besteht darin, beim Höhergestellten um die Veränderung eines als unangenehm empfundenen Zustands zu bitten (supplicare = bitten) und damit Einfluss auf Gesetzgebung und Rechtsprechung zu nehmen.241 Bei diesem Vorgang handelt es sich nicht um ein zuvor verbrief239  Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 41, 2. Nachdruck der Auflage Halle / Leipzig 1732–1754, Graz 1997, S. 364. Krünitz, Johann Georg: Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= u. Landwirthschaft, in alphabethischer Ordnung, Bd. 178, Berlin 1841, S. 499–501 (www.kruenitz1.uni-trier.de) (21.02.2011). Ulbricht, Otto: Supplikationen als Ego-Dokumente. Bittschriften von Leibeigenen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Beispiel, in: Schulze, Winfried (Hrsg.): Ego-Doku­mente. Annä­he­rung an den Menschen in der Geschichte (Selbstzeugnisse der Neuzeit 2), Berlin 1996, S. 149–174, hier S. 150 f. Vgl. Schwerhoff, Gerd: Das Kölner Supplikenwesen in der Frühen Neuzeit. Annäherungen an ein Kommunika­ tionsmedium zwischen Untertanen und Obrigkeit, in: Mölich, Georg / Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Köln als Kommunikationszentrum. Studien zur frühneuzeitli­ chen Stadtgeschichte (Der Riss im Himmel 4), Köln 2000, S. 473–497, hier S. 476. 240  Würgler, Andreas: Bitten und Begehren. Suppliken und Gravamina in der deutschsprachigen Früh­ neu­ zeitforschung, in: Nubola, Cecilia  /  Würgler, Andreas (Hrsg.): Bittschriften und Gravamina. Politik, Ver­ waltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert) (Schriften des Italienisch-Deutschen Histori­schen Instituts in Trient 19), Berlin 2005, S. 17–52. Rehse, Birgit: Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen. Eine Untersuchung am Beispiel der Kurmark unter Friedrich Wilhelm II. (1786–1797) (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 35), Berlin 2008, besonders S. 35–52. Schlaak, Alexander: Bittschriften an den Rat in der Frühen Neuzeit. Das Beispiel Esslingen am Neckar. MA-Arbeit masch., Universität Konstanz 2005. Schlaak, Grenzen, S. 63–83. Weinfurter, Stefan / Siefarth, Frank Martin (Hrsg.): Geschichte als Argument. Berichtsband des 41. Deutschen Historikertages in München vom 17. bis 20. September 1996, München 1997, S. 104–108. Nubola, Cecilia / Würgler, Andreas (Hrsg.): Bitt­ schriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert) (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 19), Berlin 2005. Blickle, Peter (Hrsg.): Gemeinde und Staat im Alten Europa (Historische Zeitschrift, Beiheft 25), München 1998. Ulbricht (1996) S. 149–174. Ulbricht, Otto: „Angemaßte Leibeigenschaft“. Supplikationen von schles­ wigschen Untertanen gegen ihre Gutsherren zu Beginn des 17. Jahrhunderts, in: Demokratische Geschichte 6 (1991), S. 11–34. 241  Suppliken unter Gleichrangigen waren vor allem im privaten Bereich möglich und üblich, tauchen jedoch hinsichtlich der Pestproblematik nicht auf. Vgl. Rehse, S. 93. Nubola, Cecilia / Würgler, Andreas (Hrsg.): Formen der politischen Kommunikation in Europa vom 15.–18. Jahrhundert. Bitten, Beschwerden, Briefe. Contri­

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tes oder deutlich umgrenztes Recht, son­dern um einen gewohnheitsrecht­ lichen „überlieferte[n] Brauch“, der eine charakter­istische Form der Kommunikation zwischen Herrschaft und Untertanen bildete.242 Privatpersonen wie ständische Korporationen konnten sich an ihre Obrigkeit wenden bzw., wenn diese der Grund der Beschwerde war, direkt an Kaiser und Reich heran­treten. Da keine fixierte rechtliche Grundlage existierte, gab es keine in der Frühen Neuzeit sonst zu erwartenden schichtenspezifischen Ausnahmen, so dass das Supplizieren potentiell jedem offen stand und alltägliche Praxis war.243 Eine genaue begriffliche Trennung zwischen den in den Quellen verwendeten Ausdrücken Supplik, Supplikation, Vorstellung und anderen ist kaum möglich.244 Schon Helmut Neuhaus weist darauf hin, dass buti / Beiträge zur Tagung vom 29. November bis 1. Dezember 2001 (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 14), Bologna  /  Berlin 2004. Schlaak, Grenzen, S. 68. 242  Schwerhoff (2000), S. 473–497. Eibach, S. 199–204. Neuhaus, Helmut: Supplikationen als landes­geschichtliche Quelle. Das Beispiel der Landgrafschaft Hessen im 16. Jahrhundert, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 28 (1978), S. 110– 190 und 29 (1979), S. 63–97, hier S. 113 f. und 160. Ulbricht (1996), S. 152. Rehse, S. 90. 243  Härter, Karl: Das Aushandeln von Sanktionen und Normen. Zu Funktion und Bedeutung von Sup­ pli­ kationen in der frühneuzeitlichen Strafpraxis, in: Nubola, Cecilia / Würgler, Andreas (Hrsg.): Bitt­schriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert) (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 19), Berlin 2005, S. 243–274, hier S. 243. Schlaak, Grenzen, S. 70. Holenstein, André: Bittgesuche, Gesetze und Ver­waltung. Zur Praxis „Guter Policey“ in Gemeinde und Staat des Ancien Régime am Beispiel der Mark­graf­schaft Baden(-Durlach), in: Blickle, Peter (Hrsg.): Gemeinde und Staat im Alten Europa (Histori­sche Zeitschrift, Beiheft 25), München 1998, S. 325–357, hier S. 328. Rehse, S. 93. Blickle, Renate: Supplikationen und Demonstrationen. Mittel und Wege der Partizipation im bay­ e­ rischen Territorialstaat, in: Rösener, Werner (Hrsg.): Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mit­ telalter bis zur Moderne, Göttingen 2000, S.  263–317, hier S.  278. Fuhrmann, Rosie / Kümin, Beat / Würgler, Andreas: Supplizierende Gemeinden. Aspekte einer vergleichenden Quellen­betrachtung, in: Blickle, Peter (Hrsg.): Gemeinde und Staat im Alten Europa (Historische Zeitschrift, Beiheft 25), München 1998, S. 267–323, hier S. 269. Ulbricht (1996), S. 152. Rehse weist darauf hin, dass noch ungeklärt ist, inwieweit Randständische und Angehörige anderer Religionen Anteil am Sup­ pli­ ken­ wesen haben konnten. Im Untersuchungsgebiet existieren keine Suppliken nicht-lutherischer Personen. Die in Stralsund zu beobachtende Rücksichtnahme auf einen ausländischen Schiffer, der als Quäker keinen Eid leisten konnte und dem diese sonst obligatorische Forderung gegen eine einfa­ che mündliche Versicherung erlassen wurde, lässt jedoch auf eine zumindest innerhalb der christ­ lichen Konfessionen geltende Rücksichtnahme schließen, die auch ein Supplikationsrecht beinhaltete. STAS: Rep. 14, 91, Ratsprotokollauszug (04.09.1709). 244  In anderen Beständen finden sich zusätzlich die Bezeichnungen Anbringen, Vorstellung, Memorial, Memorabile, Desideria sowie Petition und Gravamina. R ­ ehse, S. 90.



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Suppliken nicht mit Gravamina oder Petitionen gleichgesetzt werden können. Die ersten besaßen bei Landtagen und fürstlichen Re­gierungsantritten einen gesetzmäßig festgelegten Ort und wurden von ständischen Zusammenschlüssen vorgelegt, letztere besaßen einen stärkeren Rechts­­charakter, der den Petenten ein gesichertes Anrecht auf Beschwerde gab.245 Im Gegensatz zu beiden Formen erfassen Suppliken alltägliche Problemlagen, entstanden aus aktu­ellem Anlass und spontan.246 Eine Unterscheidung zwischen Supplik und Supplika­tion, für die es in den Quellen keine Entsprechung gibt und die je nach Historiker unterschiedlich ausfallen kann, wird hier nicht übernommen.247 Für die Obrigkeiten waren Suppliken zugleich eine Chance, über den Unmut der Be­völkerung und allgemeine Missstände informiert zu werden und sich dieser anzu­ nehmen, bevor es zu Unruhen oder gar Aufständen kommen konnte.248 Die Bittschrif­ten wurden im Untersuchungsgebiet meist innerhalb der Stadträte behandelt und durch diese nicht an die Öffentlichkeit gebracht. In welchem Maße die Suppliken er­gänzend mündlich vorgetragen oder ausschließlich in dieser Form gestellt wurden, ist nicht nach245  Neuhaus (1978), S. 113 und 161 sowie (1979), S. 88 f. Vgl. Eibach, S. 201. Ludewig, Eberhard: Petitionsfreundliche Monarchen im alten Preußen, in: Bockhofer, Reinhard (Hrsg.): Mit Petitionen Politik verändern, Baden-Baden 1999, S. 21–28. Schlaak, Grenzen, S. 73. Eine weniger scharfe Trennung nimmt Jütte vor. Er geht davon aus, dass sowohl Gravamina als auch Suppliken Gemein­samkeiten (an die jeweilige Obrigkeit gerichtet, Bezug auf Miss­ stände, bestimmtes Aufforderungs­ muster) besitzen, so dass sie unter dem Begriff „Beschwerde­schriften“ zusammengefasst werden können. Jütte, Robert: Sprachliches Handeln und kommunikative Struktur. Der Diskurs zwischen Obrigkeit und Untertanen am Beispiel der Neuzeit, in: Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Internationaler Kongress, Krems an der Donau, 9. bis 12. Oktober 1990 (Sitzungs­ berichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.  Philo­so­phisch-Historische Klasse 596; Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 15), Wien 1992, S. 159–181, hier S. 166 f. 246  Rehse, S. 42. Für eine präzisere Abgrenzung der Begriffe und den Vorschlag, „Bittschrift“ als einigendes Synonym zu setzen, siehe Schlaak, Bittschriften, S. 25– 33. 247  In dieser Weise auch: Härter, S. 245 und Schlaak, Bittschriften, S. 26  ff. Würgler (2005), S. 19–23. Hülle, Werner: Das Supplikenwesen in Rechtssachen. Anlageplan für eine Dissertation, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 90 (1973), S. 187–202, hier S. 197, Neuhaus (1978), S. 114 ff. Köbler, Gerhard: Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, München 1997, S. 566. Vgl. Fuhrmann / Kümin / Würgler, S. 322. Ulbricht, Gunda: „… fordern wir unterthänigst“. Von der Supplik zur Petition, in: Aurig, Rainer / Herzog, Steffen / Lässig, Simone (Hrsg.): Landesgeschichte in Sachsen. Tradition und Innovation (Studien zur Regionalgeschichte 10), Bielefeld 1997, S. 217–234, hier S. 232 f. 248  Schlaak, Grenzen, S.  72. Holenstein (1998), S. 357. Rehse, S. 42. Fuhrmann / Kümin / Würgler, S. 320. Schwerhoff (2000), S. 482 und 489.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

vollziehbar.249 Die angezeigten Probleme fielen in den Kompetenzbereich der Stadträte und auch in längerfristigen Fällen wurde keine übergeordnete Instanz (Herzog, Tribunal, Landesregierung) um Mithilfe gebeten, wie auch keine unterge­ordneten Instanzen geschaffen wurden. Die bestehenden Ratsgremien (Wette, Kriegsstube, Kanzlei etc.) wurden lediglich mit der Bekanntgabe und Umsetzung der Entscheidungen betraut.250 Selbst die in Lübeck, Stralsund und Greifswald eingerichte­ten Gesundheitskollegien waren nicht befugt, über pest­be­zogene Suppli­ken zu entscheiden. Das Ergebnis dieser Konzentration auf den jeweiligen Rat war ein hoher Arbeitsaufwand. Klagen über eine Überlastung des Magistrats oder Be­schwerden der Supplikanten über lange Bearbeitungszeiten wie in anderen Regio­nen sind jedoch nicht bekannt.251 Auf der anderen Seite überließen die Juristen des Wismarer Tribunals ihre erhaltenen Suppliken den örtlichen Ratsherren. Dem Tribu­ nal oblag zwar die Autorität über die Herrschaft Wismar, weswegen sie von Suppli­kanten häufig statt des Magistrats angeschrieben wurden, doch gab das Gericht die Gesuche zur Ausführung und weiteren Bearbeitung willig ab, „damit nicht nötig sey das Kön. hohe Tribunal alle Zeit des falls zu überlauffen“.252 In ähnlicher Weise gab auch in Holstein die Landesherrschaft die Bearbeitung der zahlreichen Bittschriften an untergeordnete Instanzen ab.253

Schlaak, Bittschriften, S. 63. Schlaak, Grenzen, S. 64 und 77. 251  Ebd., S. 63 f. und 74 f. Schwerhoff (2000), S. 490. Rudolph, Harriet: „Sich der höchsten Gnade würdig zu machen“. Das frühneuzeitliche Sup­pli­ken­wesen als Instrument symboli­ scher Interaktion zwischen Untertanen und Obrigkeit, in: Nubola, Cecilia / Würgler, Andreas (Hrsg.): Bittschriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert) (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 19), Berlin 2005, S. 421–449, hier S. 446. 252  STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc. II n. 17, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 04.08.1712). Ähnlich reagierte auch die kurfürstliche Regierung in Ratzeburg auf die vielen Suppliken Lübscher Kaufleute: „Weil Wir auch täglich Von dasiger Kauffmannschafft Behelliget werden, die Aus fuhr Verschiedener Von Hamburg nach Bergedorff gebrachter wahren durch dieses Fürstenthümb Zu Verstatten, […] So ersuchen wir die Herren, ihre Kauffmannschafft ein für allemahl an Hand Zugeben, daß sie wegen anderer wahren Bey Uns Keine weitere instances thun mögen, […]“ AHL: ASA, Interna, Pest 10 / 2, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 27.10.1713). 253  Hattendorff, Mathias: Begegnung und Konfrontation der bäuerlichen Bevölkerung mit Herrschafts­re­präsentationen im Spiegel von Bittschriften (am Beispiel des holsteinischen Amtes Rendsburg zwischen 1660 und 1720), in: Lange, Ulrich (Hrsg.): Landgemeinde und frühmoderner Staat. Beiträge zum Problem der gemeindlichen Selbstverwaltung in Dänemark, Schleswig-Holstein und Nieder­sach­sen in der frühen Neuzeit (Kieler historische Studien 32), Sigmaringen 1988, S. 149–164, hier S. 153. Ulbricht (1996), S. 155. 249  Vgl. 250  Vgl.



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In der Sprache der meisten Supplikanten werden die Schriftstücke meist als „Allerdienstliches Suchen und bitten“ und „Gehorsamste Bitte“ bezeichnet und wei­ sen damit eine Form symbolischer Unterwerfung auf.254 Der lateinische Begriff wird nur von den Obrigkeiten bzw. ihren Amtsträgern im Schriftverkehr verwendet oder von Personen mit einer gewissen Vorbildung wie dem Leipziger Augenarzt Hummel, der mit „eine[m] kleinen Supplico“ um eine Arbeitserlaubnis in Rostock bat.255 Die Stan­desunterschiede werden im Stil der Schreiben durch die stets selbst­erniedrigenden Formen wie „alleruntherthänigst“ ausgedrückt und anerkannt, wohingegen die Ange­ schriebenen als „Wohlthäter“, „Christliche liebe Freünde und Gönner“ oder einfach nur als „Ew. Magnificent Hoch Edlen und Hoch=Weisen G[nädi] gsten und Herrligkeiten“ bezeichnet werden, die aufgrund ihrer „sonst berühmten Christlichen Gütigkeit nach“ milde agieren sollten.256 Als Erwiderung auf die erhoffte Gnade wird in einigen Fällen eine lebenslange Dankbarkeit angeboten („davor ich Lebenslang verhahre“, „der ich lebenslang in tieffster devotion verbleibe“, „Solche hohe barmherzigkeit und gnade wird der hochste vergelten alles gute in Zeit und Ewigkeit ersetzen, und Ich werde Zeit meines Lebens allewege mit tieffsten Respect erkennen daß ich sey Ewer HochEdlen Herr. und Hochgelahrten Günst. demütigst gehorsambster diener“).257 Wie es um diese Dankbarkeit tatsächlich bestellt war und ob die Sachlagen sich so wie beschrieben oder weniger dramatisch zuge­tragen hatten, ist leider nicht nachprüfbar. Es kann jedoch entsprechend der Intention davon ausgegangen werden, dass Einzelheiten beschönigt oder entstellt wurden, um der Supplik zum Erfolg zu verhelfen.258 Verfasst wurden die Texte in der Regel durch beauftragte Schreiber, was am Ausdruck, der geübten Handschrift und einer abwei­ chenden Unterschrift erkennbar 254  AHR: 1.1.3.15 – 160, Martin Eggers, Jochim Gladerauw, Jochen Lahbahn und Hanß Pust an Rostocker Rat (R, 16.01.1711), Schiffer Jochim Gladerow und Eggerdes an Rostocker Rat (R, im 03.1711). Schlaak, Grenzen, S. 71. Vgl. Rehse, S. 90. 255  AHR: 1.1.3.15 – 47, Christopher Hummel an Bürgermeister Beselin (R, 20.07.1709). 256  Ebd., Adam Heinig (Heynig) an Rostocker (R, 06.03.1711). Vgl. Schwerhoff (2000), S. 483 ff. sowie Schlaak, Grenzen, S. 71. 257  Für das mehrheitlich katholische Bayern hat Renate Blickle herausgearbeitet, dass die Sup­pli­kan­ten der Obrig­keit ein Angebot machten, diese in das eigene Fürbittgebet einzuschließen, sofern die Bitte erhört wurde. Blickle, Renate: Interzes­ sion. Die Fürbitte auf Erden und im Himmel als Element der Herr­schafts­beziehungen, in: Nubola, Cecilia / Würgler, Andreas (Hrsg.): Bittschriften und Grava­mina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert) (Schriften des ItalienischDeut­schen Historischen Instituts in Trient 19), Berlin 2005, S. 293–322, hier S. 317 f. Rehse, S. 50. 258  Schwerhoff (2000), S. 488.

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ist.259 Wenngleich Rechnungen fehlen, so dürften die Kosten für die meisten erschwinglich gewesen sein.260 Es liegen aber auch eindeutig selbstverfasste Suppliken vor, besonders wenn sich die Supplikanten in Quarantäne befanden. Die auf diese Weise verfassten Schreiben sind durch identische Schrift und Unterschrift, einfachere Formulierungen, eine oft direkt der gesprochenen Sprache entnommene Satzstruktur (Anakoluthie) und typische, der niederdeutschen Sprache entstammende grammatische Eigenheiten gekenn­zeichnet. Für die Bevölkerung der Frühen Neuzeit waren Suppliken der übliche Weg, um auf Missstände hinzuweisen und entsprechend häufig wurde dieser Weg beschritten. In der Regel handelte es sich um die Bürger einer Stadt, doch finden sich in den fünf Seestädten zahlreiche Suppliken, die von ausländischen Reisenden und fremden Schiffern verfasst wurden. Durch die Schilderung der Probleme, der genauen Um­stände und zumeist der damit zusammenhängenden persönlichen Situation erlauben Suppliken einen direkten Einblick in die sonst oft nur indirekt fassbaren Ansichten und Beweggründe weiter Kreise der Bevölkerung. Die Betroffenen konnten entweder für sich selbst supplizieren oder in der Gruppe gemeinsame Interesse vertreten.261 In dieser Weise traten im August 1709 mehrere Lübecker Getreidehändler an ihren städtischen Rat heran. Sie baten darum, ihr Korn von einem aus Danzig ge­komme­nen Schiff ausladen zu dürfen. Ihre Argumentationsweise ist modellhaft für die meis­ten anderen Suppliken. Zum einen erläuterten sie, dass es keinen nachvoll­ziehbaren Grund für die obrigkeitliche Verordnung gebe. Die Verordnung an sich wurde nicht in Frage gestellt, wohl aber ihre Anwendung in diesem speziellen Fall. Das Getreide könne unbesorgt gelöscht werden, denn es sei mehrfach gelüftet worden und des­halb „von aller infection befreyet“; auch die Schiffsbesatzung war gesund und unver­ dächtig.262 Zum anderen legten sie ihren erwarteten wirtschaftlichen Verlust dar, weil „an dem bemeldetn Getreide ein ziemliches Capital hafftet“.263 Drittens verwiesen sie auf ähnliche Fälle, in denen positiv entschieden wor259  Ulbricht

(1996), S. 153. auch in anderen Regionen. Schlaak, Grenzen, S. 76 f. Rehse, S. 129–135 und 139 ff. Schwerhoff (2000), S. 485. Rudolph, S. 434. Ulbricht (1997), S. 229. 261  Zur Bedeutung von Suppliken als Ego-Dokumente: Ulbricht (1991). Ulbricht (1996). Schwerhoff (2000), S. 474. Pečar, S.  361 f. Ulbricht, Einleitung, S. 56 f. Vgl. allgemein zur Nutzung der Suppliken zur Interessendurchsetzung: Blickle, Ge­ meinde. 262  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Berendt Schröder und Johan Holterman an Lübschen Rat (R, 20.08.1709). 263  Ebd. 260  So



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den war: „wie dan wir auch nichtes anders verlangen, alß daß wir dieselbe Freyheit nur erlangen mögn, die andere hiesige Kaufleüte würcklich geniessen“.264 In diesem Beispiel waren die Suppli­kanten erfolgreich, denn der Rat erlaubte, das Korn nach einigen Tagen weiter zu verladen, sofern die Kaufleute ihre eigenen Leute beauftragten. Allerdings durfte das Getreide nicht an Land gebracht werden. Was genau mit der Ladung passierte, bleibt daher unklar.265 Während dieser Vorgang ausschließlich auf die obrigkeitliche Tätigkeit des Rates abzielte, richteten sich viele Suppliken auf seine Funktion als Gerichtsherr.266 Im Oktober 1710 war der aus Stettin über Güstrow nach Rostock gereiste Eisen­ schnei­ der Adam Heynig / Heinich durch den Rostocker Rat verurteilt worden, die Stadt zwei Jahre lang nicht zu betreten, weil „er sich bey gegen wertigen gefährlichen Läufften verbohtener weise ins Land und hiesige Stadt practisiret“.267 Daneben sollte Heynigs Habe verbrannt werden. Dieser gab sich mit dem Urteil verständlicherweise nicht zufrieden und schrieb dem Rat innerhalb weniger Tage zweimal, er habe die Ent­scheidung „mit hochster bestürtzung vernehmen müßen“.268 Seiner Meinung nach hatte der Rat nicht alles berücksichtigt, „wogegen ich gantz gehorsambst berichten muß“.269 Als „ein unerfahrener und einfältiger“ Mensch habe Heynig seinen zugegebe­ nen Fehler „auß bloßer unbedachtsamkeit begangen“.270 Diese Recht­fertigung, die allein keine Gnade erwarten ließ, untermauerte er mit dem Hinweis auf seinen Ruin. Die Kosten für seine Quarantäne und Bewachung hatte er nämlich selbst zahlen müssen und in dieser Zeit keinen Verdienst gehabt. Wie die Lübschen Kauf­leute lobte er grundsätzlich die „offenbahre sorgfalt pro publica salute“ des Rates.271 In seinem Fall jedoch sei sie überzogen. Sie würde der Stadt nichts einbrin­gen 264  Ebd. sowie Nikolaus Tiedtgen, Johann Borrendt von der Wiedenn, Schmidt, Claßon Hirsche an Lübschen Rat (R, 26.08.1709), 3.1-2, Ratsprotokolle, I. Serie, 1709, Ratssitzung vom 21.08.1709, Punkt 7 (S. 193). 265  AHL: 3.1-2, Ratsprotokolle, I. Serie, 1709, Ratssitzung vom 21.08.1709, Punkt 7 (S. 193). Vgl. Abel, Wilhelm: Landwirtschaft 1648–1800, in: Aubin, Hermann / Zorn, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch der deut­schen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1971, S. 495–530, hier S. 508. Die bei Abel gezeigte Abbildung zur Entwicklung der Danziger Getreideausfuhr zeigt deutlich den drama­ tischen Einbruch zu Beginn des 18. Jahrhunderts, für den die Pest zu einem nicht uner­heblichen Teil verant­wortlich war. 266  Schwerhoff (2000), S. 478 f. Schlaak, Grenzen, S. 74. 267  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 20.09.1710). 268  Ebd., Adam Heynig (Heinig) an Rostocker Rat (R, 15.10.1710). 269  Ebd. 270  Ebd. 271  Ebd.

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und im Gegenteil „wenn gleich mir dictirte straffe [auf]gehoben wird, doch dadurch dem publico nichtes nachtheiliges zuwachsen kan“.272 Deshalb „ergehet […] Mein wehmütiges gehorsames Flehen und bitten es geruhen dießelbe Meinen klaglichen zustandt Ihnen Hochgeneygt zu Hertzen gehen zu laßen“.273 Eine gene­ relle Gnadenpraxis gab es jedoch nicht. Der Rat entschied, „daß es allerdings bey vorigem E. E. Rahts conclus, einwandts ungeachtet gelaßen“ würde.274 Dass Heynig als Fremder nicht schlechter behandelt wurde als Einheimische, zeigt ein vergleich­barer Fall vom Februar 1711. Hier wurde ein Postknecht, der einen verdächtigen Koffer vorsätzlich nach Rostock gebracht hatte, ebenfalls mit Verbrennung seiner Habe bestraft und erhielt eine einjährige Ausweisung.275 Seine Supplik um Ver­ scho­nung wurde ebenso abschlägig behandelt wie die seines Mitangeklagten, welcher zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.276 Als letztes Beispiel für die Nutzung von Suppliken soll ein besonders ausführlicher Vorgang aus Greifswald dienen, in dessen Verlauf sieben Suppliken an den städti­ schen Rat verfasst wurden und folglich eine längere Folge von Kommunikation und Anschlusskommunikation vorliegt. Am 3. November 1710 berieten die Mitglieder des Greifswalder Rates über eine Person, die unerlaubt in die Stadt gekommen und dort ergriffen worden war. Es handelte sich um den jüngsten Sohn der kürzlich verwitwe­ten Frau des Bürgers Elias Trittelvitz.277 Der Junge war auf einem Schiff, das seiner Mutter gehörte, zusammen mit seinem ältesten Bruder aus Stockholm über Kalmar und Karlshafen (Karlshamn) gekommen. Die schwedische Hauptstadt hatte im vorangegangenen Sommer einen heftigen Pestausbruch mit schätzungsweise 18.000 Opfern hinnehmen müssen, Karlshafen liegt in der seinerzeit durch die Schweden mit einem militärischen Cordon gesperrten Provinz Schonen und nur etwa 50 km vom Flottenstützpunkt Karlskrona entfernt, wo ab November 1710 Hunderte Matrosen ebenfalls mit der Seu272  Ebd.,

Adam Heynig (Heinig) an Rostocker Rat (R, 17.10.1710). Adam Heynig (Heinig) an Rostocker Rat (R, 15.10.1710). 274  Neben dem Verdienstausfall und den Quarantänekosten war für Heynig die Verbrennung seiner be­weg­lichen Habe ein besonders schwerer Schlag. AHR: 1.1.3. 15 – 133, Adam Heinig (Heynig) an Rostocker Rat (R, 06.03.1711), 1.1.3.15 – 159, Adam Heynig (Heinig) an Rostocker Rat (R, 15.10.1710 und R, 17.10.1710). 275  AHR: 1.1.3.15 – 160, Verhörprotokoll (P, 19.01.1711), 1.1.3.15 – 133, Jochim Wilcken an Rostocker Rat (R, 11.02.1711). 276  AHR: 1.1.3.15 – 133, Bastian Brümmer an Rostocker Rat (R, 28.02.1711), Ratsschluss (R, 02.03.1711), Jochim Wilcken an Rostocker Rat (R, 27.04.1711), Ratsschluss 29.04.1711, 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 03.11.1710) und 1.1.3.15 – 160, Verhörprotokoll (P, 12.02.1711). 277  Trittelvitz war Mitglied der Schonenfahrerkompanie gewesen und starb im Spätsommer 1710. STAG: Rep. 5, 1646, Protokoll der Schonenfahrerkompanie (P, 22.09.1710). Seine Frau hieß Catharina Köhnen. 273  Ebd.,



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che infiziert waren.278 Besonders prekär war, dass es auf dem TrittelvitzSchiff Todesfälle gegeben hatte. Der Verdacht einer Pestinfektion lag nahe und so war bei der Ankunft des Schiffes eine Quarantäne verfügt worden. Trittelvitz junior setzte sich jedoch über die rätliche Anordnung hinweg und war in die Stadt zu seiner Mutter gekommen, wo er aus ungeklärter Ursache ergriffen wurde. Der Rat reagierte, indem er das elterliche Haus „vorn und hintn“ mit sechs Wachen besetzen ließ, um zu verhindern, dass möglicherweise infizierte Gegenstände aus dem Haus gebracht werden konnten oder Bürger Kontakt zur Familie aufnahmen.279 Laut Rats­protokoll war der Junge nur eine halbe Stunde in der Stadt gewesen, wes­wegen die Bewachung bald auf einen Mann reduziert wurde. Die Witwe Trittelvitz wurde auf rätlichen Befehl hin befragt, ob andere Personen Kontakt zu den mitge­brachten Betten des Jungen hatte. Sie musste beeiden, „ins künftige weder hemlich noch öffentlich [… ihren] Sohn oder einige Sache ohne expresse consens EE Raths in die Stadt u. ihr oder andere Haüßer zu bringen.“280 Ihr Schiff durfte sie zur Hälfte löschen lassen, wobei die geladenen Bretter, Eisen und Teer in Wieck ausgewittert werden mussten. Das Schiff selbst sollte in Küstennähe verbleiben, die Besatzung durfte nicht nach Greifswald, alle Kleider und Betten auf dem Schiff waren umgehend zu verbrennen. Ein Teil der Mannschaft stammte nicht aus Greifswald und wollte um­gehend zurückreisen. Der Rat entsprach dem Anliegen und wollte ihnen für die Rück­reise nach Schweden Pässe ausstellen, auf denen allerdings alle unklaren Umstände zu vermerken waren. Einen Tag später reichte das Collegium Sanitatis das Ergebnis der Befragung der Witwe Trittelvitz beim Rat ein. Ihrzufolge war ihr Sohn zu Fuß in die Stadt gekommen und nur eine Nacht lang geblieben. Kleidung und Betten habe er nicht mitgebracht. Sie stimmte allen weiteren Bestimmungen zu und „lest sich solches gefallen“.281 Soweit das Protokoll. Anscheinend hatte die Witwe Trittelvitz im ersten Moment allem zugestimmt, es sich aber bald anders überlegt. Noch am selben Tag ließ sie die erste von insgesamt fünf Suppliken aufsetzen. Wer die Schreiben abgefasst hat, ist nicht bekannt, doch zeigt die deutlich andere Handschrift der Signatur, dass sie ihr Anlie­gen nicht selbst formulierte. Im Text bat sie, die sechs Soldaten wegzunehmen, die offenbar trotz Ratsbeschluss das Haus besetzt hielten. Durch deren Kosten, die ihr nach dem Verursacherprinzip aufgebürdet wurden, könne sie die regulären Steuern 278  Frandsen

61.

279  STAG:

(2010), S. 66–69, 469–472. Persson (2001). Preinitz (1985), S. 20–

Rep. 3, 150, 1710, Ratssitzung vom 03.11.1710, Punkt 1. Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 03.11.1710). 281  Ebd., Protokoll des Greifswalder Collegium Sanitatis (P, 04.11.1710). 280  STAG:

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nicht mehr erbringen. Weiterhin wünschte sie, ihr Schiff und ihre Waren aus der offe­nen See in den Bereich innerhalb des Bollwerks zu bringen. Geschickt begründete sie ihr Gesuch mit Hinweis auf „die beyden fremden so von Stettin und suspecten Orten anhero kommen sind“, „damit ich doch so viel freyheit [wie diese] genießen möge“.282 Ungeachtet dieser Einwände war für die Obrigkeit die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen. Das Collegium Sanitatis befragte zusätzlich zwei Greifswalder, die sich am Wasser aufgehalten hatten. Die Nachforschung ergab, dass ein dritter Trittelvitz-Sohn bereits auf See gestorben war. Die Befragten wussten auch zu be­richten, dass die Schiffsbesatzung nicht auf dem Schiff geblieben war, sondern sich an Land eine Hütte errichtet hatte, „wodurch die Leüte dreist gemacht würden, undt umb die Hütte herumb gingen, und dieselbe besuchen“.283 Am Nachmittag wurde die Witwe Trittelvitz erneut befragt und musste beeiden, keine Sachen vom Schiff ge­nommen zu haben und das Zimmer, in dem ihr Jüngster geschlafen hatte mitsamt dessen Inhalt zu versiegeln und ohne obrigkeitlichen Befehl nicht zu öffnen. Die Ausladung der Waren wurde generell gestattet, doch sollte alles auf Kosten der In­ haberin gehen und die Träger sechs Wochen lang Quarantäne halten. Nach der Be­fragung überlegten sich die Ratsherren, dass eine erneute Befragung notwendig sei. Witwe Trittelvitz sollte sagen, was mit ihrem dritten Sohn passiert sei, denn den bis­herigen Aussagen glaubte man nicht. An diesem 5. November bestimmte man ferner, dass die Bewachung des Hauses gänzlich unterbeiben könne. Dass auch die Mutter oder andere Gegenstände des Hauses infiziert sein könnten, glaubte man im Rat offensichtlich nicht. Die Gefahr wurde damit nicht bei der Witwe oder ihrem Haus, sondern ausschließlich bei der Schiffsbesatzung lokalisiert.284 Immerhin war Trittelvitzens Argument der Steuerlast erfolgreich gewesen. Der Rat entschied, bei künftigen Fällen dieser Art die Wache nicht durch die Betroffenen bezahlen zu las­sen, „demnach die burger mit Abführung der Steuren genugsahm zu thun hatten“.285 Der Verweis auf die anderen Schiffer bewirkte beim Rat hingegen keine Milde. Ver­mutlich waren die Ratsherren darüber dankbar, was Ihnen auf diese Weise gemeldet worden war. Die verantwortlichen Amtsträger wurden beauftragt, um­gehend „relation abzustatten, ob nicht nach dem rescripto regiminis und was sonst mit mehren concludiret worden, darnach verfahren sey, und wo solches nicht geschehen, es ad effectum [zu] bringen, und mit aller rigeur darüber zu der Stadt conservation“ durchzuset­zen.286 282  Ebd.,

Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 04.11.1710). Protokoll des Greifswalder Collegium Sanitatis (P, 05.11.1710). 284  Ebd., Ratsschluss (K, 05.11.1710). 285  Ebd. 286  Ebd. 283  Ebd.,



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Mit Ausnahme eines kurzen Ratsbeschlusses, demzufolge der Witwe Trittelvitz die Einzelheiten der Warenlöschung genau beschieden werden sollten, schien es für die nächsten zwei Wochen, als wäre die Sache erledigt.287 Ende des Monats meldete sich jedoch die Stettiner Regierung und beanstandete den Fall. Der Greifswalder Stadtkommandant hatte seinen Vorgesetzten Meldung gemacht und diese sahen sich genötigt, den Rat zu rügen und Schiff und Person auf keinen Fall vorzeitig einzu­lassen bis die Quarantäne beendet sei. Der Rat erhielt zusätzlich eine Reinigungs­vorschrift, die der Stettiner Arzt F. Luther ausgearbeitet hatte und nun der Witwe Trittelvitz übergeben wurde.288 Diese wollte die nunmehr landesherrliche Entscheidung nicht akzeptieren und über­brachte eine zweite Supplik. Erneut stellte sie ihre Situation vor. Als „höchstbetrübte Wittwe“ habe sie unter dem Verlust ihres Mannes sehr zu leiden. Sie vergaß nicht, auf die Verdienste ihres Mannes als langjährigen Bürger und „rechtwilligen Contribuenten [Steuerzahler]“ hinzuweisen und brachte ebenso den Tod weiterer ihrer „lieben Kinder“ vor, von denen bislang nicht die Rede gewesen war.289 Das der­ maßen beschriebene Elend sollte die Entscheidung des Rates beeinflussen und Mitleid erregen, wenn die Ratsherren die Umstände „Christliche […] behertzigen“.290 Anders als die Lübschen Kaufleute sprach sie nicht von ihrem gefährdeten Kapital, sondern nutzte euphemistisch einen anderen Ausdruck, wenn sie erklärte, dass „meine Armuth in dem Schiffe, und in denen darin befindlichen wahren stecket“.291 Endlich sprach sie ihre Bitte offen aus und wünschte die Einlassung der Waren und der auf dem Schiff befindlichen Personen, die sonst „crepiren dürfften, wen Sie noch länger solten von hiesiger Stadt abgewiesen werden“.292 Schließlich sollte noch ihr jüngster Sohn begnadigt werden, „welcher auß sähnlichen verlangen nach dem Mutter Hertzen einmahl bey mir in die Stadt gewesen“.293 Mit seinen kaum 17 Jahren habe er „nicht verstanden, waß der gleichen unternehmen für folge noch gefahr nach sich ziehen können“.294 Der Rat blieb jedoch unnachgiebig und gestattete nur die Auswitterung der Waren auf dem Bollwerk. Das Schiff sollte 287  Ebd.,

Ratsschluss (E, 06.11.1710). schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 21.11.1710), Dr. F. Luther an schwedisch pommersche Regierung (K, 09.11.1710), Ratsschluss (R, 24.11.1710). 289  Ebd., Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 26.11.1710). 290  Ebd. 291  Ebd. 292  Ebd. 293  Ebd. 294  Ebd. Vgl. zu Suppliken, in welchen die Jugendlichkeit von Personen zur Strafminderung herausge­stellt wird: Rehse, S. 467–469. 288  Ebd.,

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

vorschriftsmäßig ge­rei­nigt werden, alle Kleider und sonstige Stoffe waren zu verbrennen. Über die Be­stra­fung des Sohnes war man sich nicht einig geworden und vertagte die Entscheidung hierüber.295 Die Bestimmung, Schiff und Mannschaft vorerst in See zu belassen, rief den Protest des Schiffers hervor. Claus Raddas erklärte deshalb in einer weiteren Supplik seine Sicht der Dinge. Er sei lange genug von Stockholm fort gewesen, könne auch Ge­ sundheitspässe vorweisen. Die zunehmende Kälte, auf die schon Witwe Trittelvitz hingewiesen hatte, würde eine schnelle Einlassung in die Stadt dringend erforderlich machen.296 Auch die Witwe Trittelvitz meldete sich mit ihrer nunmehr dritten Supplik und begründete, warum ihre Güter ungefährlich seien. Der Rat ließ sich kaum erwei­chen, gestattete aber eine Verlegung der Personen vom Schiff auf das Festland in Wieck, wo sie bequemer untergebracht werden konnten und die Lagerung der Waren an Land.297 Eine völlige Freigabe wollten die Ratsherren trotz der vorhandenen Ge­sundheitspässe und der nachweislich langen Abwesenheit von infizierten Orten nicht gewähren, vermutlich, weil sie sich durch die Regierung beobachtet wussten. Inzwischen ging das Agieren endgültig auf Trittelvitz und Raddas über, während der Rat nur noch reagierte. Ohne die Antwort des Rates auf die letzte Bittschrift abzu­warten, meldete sich die Witwe Trittelvitz erneut und gab in emotional erregendem Ton zu verstehen, dass die Gesundheit aller auf dem Schiff verbliebenen Personen durch die objektive Kälte stark gefährdet sei. Ebenso sachlich war ihr Argument, dass die notwendige Quarantänezeit längst abgelaufen sei. Ihre Bitte war maßvoll und bezog sich auf ihren ältesten Sohn, für dessen Verbringung in den Wiecker Krug sie bat, damit er dort „wärme und pflege“ erhielte.298 Dann jedoch erklärte die „höchstbetrübte Wittwe“ gefühlsbetont, „GOTT weiß, eß [ihr Ältester] ist die einige Stütze so ich in meinen betrübten Wittwenstandt habe […] weil eß gleichwohl ein Mensch und kein Hundt ist“.299 Wieder brachte sie ihren jüngster Sohn vor, der die erforderliche Quarantänezeit ebenfalls ausgestanden habe und erläuterte, dass der Junge nur „wegen seiner Jugendt, und zu meinem Trost“ seinen Fehler begangen hatte und folglich begnadigt werden sollte.300 Dieses Mal ging der Rat auf die Bitten ein und war einverstanden, den ältesten Sohn nach Wieck zu überstellen, sofern er komplett mit neuen 295  STAG:

Rep. 5, 10626, Ratsschlüsse (R, 01.12.1710). Claus Raddas an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710). 297  Ebd., Ratsschlüsse (R, 09.12.1710), Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710). 298  Ebd., Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 08.12.1710). 299  Ebd. 300  Ebd. 296  Ebd.,



II. Sekundärmedien179

Kleidern ausstaffiert würde. Für den jüngsten Sohn jedoch, der unzweifelhaft gegen das Gesetz verstoßen hatte, sollte es keinen Straferlass geben, wobei über die genaue Ahndung „hienächst“ entschieden werden sollte.301 Mitte des Monats verfassten Raddas und Trittelvitz ihre letzten Suppliken. Raddas gab an, eine ausreichende Zeit die Quarantäne gehalten zu haben und beeidete „mit gutem Gewißen“ die Gesundheit seiner Mannschaft.302 Diese sachliche Aussage schien Raddas nicht ausreichend und so fügte er an, „wie saur und schwer eß meine Frauw die Zeit über geworden,“ die ihn in Wieck versorgen musste und bat „alß einen Lasttragenden Bürger und willigen Contribuenten“ nach Hause in die Stadt kommen zu dürfen.303 Einen Tag darauf schrieb Witwe Trittelvitz einen ähnlichen Brief und berief sich auf die abgelaufene Quarantänezeit sowie „das [baldige] heyl: Weyhenacht Fest“. Diesen Zeitpunkt sah sie als günstig an, wiederum um die Ein­lassung der in Wieck liegenden Personen und Freilassung ihres Jüngsten zu bitten, der „ein sänliches Verlangen nach Mir träget“.304 Sie erklärte ferner, dass ihr Sohn „aber sich befürchtet, daß die angedrohete Straffe wegen des ehemahligen Hereinschleichens an Ihm dürffte empfindlich exeqviret werden“, weswegen sie letztmalig um Gnade bat.305 Die Angelegenheit war ihr offensichtlich sehr ernst, denn sie begann, mit dem Rat zu handeln und bot bei entsprechender Berücksichtigung an, „ein billiges an arme Häuser aus theilen zu laßen“, womit ihre zunächst heraus­gestellte eigene Armut als übertrieben erscheint.306 Im Rat hatte man das Problem erfolgreich ausgesessen und konnte nunmehr großmütig den Einlass aller Personen erlauben, sofern sie nur „gantz neue Kleider“ anlegten.307 Ob Trittelvitz junior aller­dings doch noch bestraft wur301  Ebd., 302  Ebd.,

Ratsschluss (R, 09.12.1710). Claus Raddas an Greifswalder Rat (R, 15.12.1710).

304  Ebd.,

Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat. 149 (R, 16.12.1710).

303  Ebd. 305  Ebd. 306  Ebd.

307  Ebd., Ratsschluss (R, 17.12.1709). Die Einbußen in dieser Zeit führten trotz der in den Sup­pliken beschworenen Armut nicht zum Ruin der Familie. Das während der Zeit der Dänen­herr­schaft ange­fertigte Seelenre­gister führt den Kaufmann Michel Trittelvitz auf, der zusammen mit seiner Frau, einem Kleinkind, zwei Mägden, seiner Mutter und seinem Bruder in einem Haus in der Stein­becker­straße wohnte. Es ist wahrscheinlich, dass es sich um einen der erwähnten Söhne handelt, da zum Zeitpunkt der Erhebung nur in diesem einen Haushalt Personen des Namens Trittelvitz wohnten. Reich­ s­ archiv Kopenhagen: Midlertidigt besatte lande, Regeringskancelliet i Stralsund, Arkiv-Nr. 574, Nr. 62 B, Nr. 366. Für diesen Hinweis danke ich Sarah Brauer (Rostock). Vgl. Brauer, Sarah: Die Be­ völkerung Greifs­ walds zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Staats­examens­arbeit, Universität Rostock (in Bearb.). Siehe auch: Greifswalder Informationssystem zur Schwedischen Landesaufnahme von Vor­pommern Teil Digitales Archiv – Die Verwaltung der Schwedischen

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

de, ist nicht nachvollziehbar, denn außer dem zum drit­ten Mal verfügten Ratsbeschluss, es „soll hienechst wegen der Straffe verordnung erfolgen“, ist keine Reaktion bekannt.308 In den meisten Suppliken bedienten sich die Bittsteller dreier Argumente, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Zum einen stellten sie ihre wirtschaftliche Not dar, die durch das aktuelle Problem verschlimmert wurde. Damit eng verknüpft stellten sie eine Beziehung zwischen ihrer (angeblichen) Armut und dem Gemeinwohl her. Würden sie allein gelassen und keine Hilfe erfahren, so ihre Argumentation, könnten sie künftig keine Steuern zahlen. Mit der unschlagbaren „Super-Norm“ des Gemeinen Nutzens wurde der Rat unter Druck gesetzt und sollte sich dagegen entscheiden, unschuldige Personen ins Elend zu treiben und die eigene Stadt ökonomisch zu schädigen.309 Auf diese Weise appellierten die Supplikanten an das ökonomische Denken der Ratsherren, die selbst vielfach im Handel tätig waren. Die dritte Strategie war es, auf andere Personen zu verweisen, die in gleicher Situation besser be­han­delt wurden und auf diese Weise den Rat zu einem Einlenken zu bewegen. Die Ge­setze der Stadt oder des Landes wurden dabei nie grundsätzlich angezweifelt, son­dern nur in Bezug auf den vorliegenden Fall als unpassend herausgestellt. Allge­ meine Verbesserungsvorschläge zum staatlichen Aufbau, wie sie in anderen Regio­nen mittels Suppliken überbracht wurden, wurden nicht geäußert.310 In keinem Fall in den Pestakten wurde sich in einer Supplik präzise auf ein Gesetz oder einen Para­grafen berufen, der die Obrigkeit an ihre eigenen Vorschriften erinnert hätte, son­dern die Entscheidung alleine der Gnade überlassen. Diese Textstrategien finden sich in ähnlicher Form auch in anderen untersuchten Gebieten und zeigen, dass Suppliken in ihrem Aufbau einem allgemeinen Muster folgten, bei dem lokale Besonder­ heiten eine untergeordnete Rolle spielen.311 Es würde jedoch dem Wesen der Suppliken nicht gerecht, sähe man sie nur unter dem Gesichtspunkt der Gnade. Suppliken waren der ausgeprägteste Kommunikationskanal, den Bevölkerung und Obrigkeit zum beiderseitigen Aushandeln der geltenden Ordnung nutzten. Die Beharrlichkeit, mit der einzelne Personen ihre Anliegen vortruLandesaufnahme von Vor­pommern 1692–1709: http: /  / greif.uni-greifswald.de / geo greif / ?cat=2 (21.02.2011). Vgl. Meier (2008). 308  STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 17.12.1709). 309  Schlaak, Bittschriften, S. 5, 58–60. Schorn-Schütte, Luise: „Den eygen nutz hindan setzen und der Gemeyn wolfart suchen“. Überlegungen zum Wandel politischer Normen im 16. / 17. Jahrhundert, in: Neuhaus, Helmut / Stollberg-Rilinger, Barbara (Hrsg.): Menschen und Strukturen in der Geschichte Alt­europas. Festschrift für Johannes Kunisch, Berlin 2002, S. 167–184, hier S. 171. 310  Vgl. Ulbricht (1997), S. 226 f. 311  Vgl. zu weiteren Faktoren und Argumentationsmustern: Rehse, S. 343–375. Schlaak, Bittschriften, S. 52–66. Ulbricht (1997), S. 225 f.



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gen und Ent­scheidungen der Stadträte nicht akzeptierten sowie das häufige Entgegenkommen der Obrigkeiten zeigen dies deutlich.312 Die Form der Bittschriften ist sehr individuell. Ein verbindlicher Aufbau existierte nicht und selbst die Verwendung der Gruß- und Abschiedsformeln unterschied sich im Einzelfall. Juristische Wendungen und genormte Ausdrücke treten erst im Laufe des 18. Jahrhunderts an die bis dato eher spontanen Ausdrücke, was auf eine zuneh­mende Verrechtlichung der Suppliken hinweist.313 Die Regulierung trat zuerst in den Territorialstaaten ein und galt als verbindlich. Diese Erfahrung mussten die Lübschen Ratsherren machen, als sie 1711 beim sächsischen Kurfürsten für ihre Kauf­leute um Zugang zur Leipziger Messe baten, der diesen wegen Pestgerüchten ver­sperrt war. Eine Supplik, welche die Ratsherren direkt an den Kurfürsten gesandt hatten, wurde ihnen unkommentiert zurückgeschickt. Den Korrespondenzen mit dem Leipziger Rat ist zu entnehmen, dass die Lübecker die angemessene Form einer Supplikation nicht getroffen hatten und unter anderem eine „unanständige Courtoisie“ in der Anrede gebraucht hatten, weswegen „das ietzige [Schreiben] allergnädigst anbefohlener maßen in originali zurück gesendet wird“.314 Ein wichtiger Aspekt des Supplikenwesens ist die grundsätzliche Aushandelbarkeit der obrigkeitlichen Entscheidungen. Die Annahme einer Supplik war zwar ein Akt der Gnade, doch die Bearbeitung der Bittschrift war ungeschriebenes Gesetz. Dem Ver­urteilten bzw. Unzufriedenen eröffnete sich die Möglichkeit, seine Argumente mehr­fach vorzutragen und dadurch eine Veränderung zu erwirken. Die Obrigkeit konnte dadurch eine Strafe mildern, ohne ihre Autorität einzubüßen. Die Bevölkerung fühlte sich ernstgenommen und nahm Einfluss auf die Politik, während die Obrigkeit durch die im Idealfall beidseitige Akzeptanz der Entscheidung ihre Herrschaft in den See­städten gestärkt und bestätigt wusste.315 Schlaak betont, dass die meisten 312  Härter,

S. 274. Rudolph, S. 422. Grenzen, S. 73. Rehse, S.  96 f. Blickle, Renate: Laufen gen Hof. Die Beschwerden der Untertanen und die Entstehung des Hofrats in Bayern. Ein Beitrag zu den Varianten rechtlicher Verfahren im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Blickle, Peter (Hrsg.): Gemeinde und Staat im Alten Europa (Historische Zeitschrift, Beiheft 25), München 1998, S. 241–266, hier S. 259–265. Ulbricht (1996), S.  153 ff. 314  AHL: ASA, Interna, Pest 6  / 4, Lübscher Rat an König August II. / Kurfürst Friedrich August (E und R, 25.03.1711), Leipziger Rat (E, 25.03.1711), Leipziger Rat an Lübschen Rat (R, 30.03.1711 und R, 17.04.1711). Vgl. zu den Auswirkungen der Pest auf die Leipziger Messe: Schlenkrich 2006, S. 93 f. 315  Rudolph, S. 448. Schlaak, Grenzen, S. 72. Holenstein, André: Die Umstände der Normen – die Normen der Umstände. Policeyordnungen im kommunikativen Handeln von Verwaltung und lokaler Gesellschaft im Ancien Régime, in: Härter, 313  Schlaak,

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Stadträte gut daran taten, auf Suppliken angemessen einzugehen, da ihnen zur Durch­setzung kaum ausreichende physische Machtmittel zur Verfügung standen.316 Für Lübeck als unabhängige Stadt mit einem nur geringen Militärstaat mag das zutreffen, die ande­ ren vier Seestädte stellen in dieser Hinsicht jedoch eine Besonder­ heit dar, weil hier die Stadträte zumindest potentiell auf die in der Stadt unter­ ge­ brachten landesherrli­ chen Soldaten zurückgreifen konnten.317 Es ist unstrittig, dass die Pestkrise die Entstehung von Suppliken maßgeblich beein­flusste.318 Vermutlich führte die Seuche nicht nur zu einer thematischen Schwer­ punkt­ bildung, sondern förderte die Herstellung von Bittschriften generell. Die allge­mein fortschreitende Verschriftlichung dürfte hier einen starken Impuls gefunden ha­ben, der bei der Entwicklung von der auf Anwesenheit und Mündlichkeit basierenden mittelalterlichen Gesellschaft hin zum modernen Schriftstaat auffallen müsste.319 Ge­naue Ergebnisse könnte allerdings nur eine quantitative Analyse der aus dieser Zeit vorhandenen Suppliken bzw. eine vollständige Untersuchung der Ratsprotokolle, in denen die Gesuche verhandelt wurden, liefern.320 6. Traktate Während die Seuche in sozialer und ökonomischer Hinsicht eindeutig negativ wirkte, konnten einige Menschen von der Furcht und dem gesteigerten Informations­ bedürf­ nis profitieren. Es kam zur Herausbildung einer noch weitgehend uner­forsch­ten Pestliteratur, die sich ausdrücklich auf die Epidemie um 1710 bezog.321 Die Schriften lassen sich nach Inhalt und Intention in belehrende und unterhaltende Ab­ hand­ lungen unterteilen. Die belehrenden Texte wurden Karl (Hrsg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 129), Frankfurt 2000, S. 1–46, hier S. 11. Rehse, S.  45 f. Härter, S. 267. 316  Schlaak, Grenzen, S. 73. 317  Vgl. Schwark. 318  Vgl. Schwerhoff (2000), S. 482. Fuhrmann / Kümin / Würgler, S. 320. 319  Vgl. Schlaak, Grenzen, S. 65 ff. Rehse stellte eine Häufung von Suppliken zu markanten Zeit­ punkten (u. a. Krönungen, religiöse Feiertage, Rückkehr aus dem Krieg) fest. Eine Er­ wei­ terung ihres Untersuchungszeitraumes, in dem sich keine umfassenden Epidemien ereigneten, dürfte ihren Punkten den Faktor Seuche hinzufügen. Rehse, S. 193–214. 320  Vgl. Schwerhoff (2000), S. 486 f. 321  So auch Zapnik (2007), S. 150. Schwarz (1996), S. 229. Vgl. zur Vielfalt frühneuzeitlicher Publizistik und dem derzeitigen For­schungs­stand: Bellingradt, S. 77– 95.



II. Sekundärmedien183

durch die Obrigkeiten herausgegeben, etwa als Anhang allgemeiner Pestordnungen322 oder als Einzel­schrif­ten durch Ärzte, Geistliche und Barbiere.323 Ihr Hauptzweck bestand in der Bereit­stellung von Informationen. Der Leser sollte in die Lage versetzt werden, die Pest zu erkennen und sich vor ihr zu schützen. Die Selbstmedikation spielte eine große Rolle. Dabei wurden ver322  Z. B. AHL: ASA, Interna, Pest, 3 / 6, AHR: 1.1.3.15 – 159, 18 und 1.1.3.0 – 17, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709) (Hoch = Fürstl. Mecklenb. Verordnung / Wie es bey instehenden besorglichen grassirenden Seuchen und ansteckenden Kranckheiten / wegen der Passagierer und anderer Ankommenden oder Durchreisende / in Dero Hertzogthümern und Landen zu halten / auch / wie allenfals / wann / da GOtt in Gnaden für sey / dieselben mit dergleichen Land=Plage und Straffe auch heimgesuchet werden solten / einjeder sich darbey zuverwahren habe / damit es niemand an gebührlicher Pfleg und Wartung / samt anderer darzu erforderten Nohtturfft / ermanglen möge, Schwerin 1710). STAS: Rep. 14, 96, Verneuertes Medicinisches Pest-CONSILIUM, Stralsund 1710. Der Stadt Stralsund Eventuale Veranstaltung 1710. 323  Z. B. Kurtze Nachricht / Wie man sich In Pest=Zeiten / und wenn andere Ansteckende Kranckheiten grassiren / So wol auf dem Lande als in Städten / durch geringe und andere hiebey gedruckte dienliche Mittel præserviren und curiren könne, Alten Stettin 1709. Kurtze und Böthige Unterweisung / Wie man sich bey der jetzigen CONTAGION Vor dem Pestilentzialischen Gifft Und andern bösen Zufällen bewahren / Auch / so jemand damit inficiret / gebührend curiren könne / Nebst einer Taxe und Dosi der Medicamenten, Für dem Land= und gemeinen Mann Zum Besten in Druck gegeben, Küstrin 1710. Kürtzlicher und gründlicher Unterricht / Wie bey denen anitzo grassirenden gefährlichen Seuchen ein jeglicher sein eigen Medicus seyn / und vor demselben sich gebührend verwahren könne, Berlin 1709. Barnstorff, Eberhard: Consilium praeservatorium, oder Wolgemeinte jedoch unvor­greiffliche Gedancken, wie man sich bey grassirender und herumschleichender Pestilentzialischen Contagion Zu verhalten und zu verwahren habe, begleitet Von eines Anonymi gantz vernuenfftigen und gleichfals hierauf gerichteteten vorschlag, Greifswald 1709. Gohl, Johann Daniel: HISTORIA PESTIS Das ist Wahrheits =Gemässe Nachricht Von der Natur und Cur Der PEST / Zum gemeinen Besten in kurtze Sätze gefasset, Berlin 1709. Hoffmann, Friederich: Gründliche Untersuchung Von der PEST / Uhrsprung und Wesen / Nebst angehängten Bedencken / Wie man sich vor selbiger præserviren, und sich sicher curiren könne?, Berlin 1710. Kanold, J.: Einiger Medicorum Schreiben von Der in Preussen An. 1708. in Danzig An. 1709. in Rosenberg An. 1708. und in Fraustadt An. 1709. Grassireten Pest: wie auch Von der wahren Beschaffenheit des Brechens / des Schweisses / und der Pest=Schwären / sonderlich der Beulen: Und denn folglich Von rechtem Gebrauch der Vomitoriorum und Sudoriferorum, Breslau 1711. Stöckl, Manasse: Anmerckungen / Welche Bey der PEST / Die Anno 1709. in Dantzig grassirte / beobachtet, Hamburg 1710. An Abridgement of a Book intitl’d, A Description of the Plague, which happened in the Royal City of Dantzick, in the Year 1709. Written in Highdutch by Dr. John Christoph. Gottwald, and Communicated by Dr. Joh. Phil. Breynius, as the best Account of that Distemper there Publish’d. Translated by C. J. Sprengell, M. D., in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. For the Year 1713, Bd. 28 (1714), S. 101–144. Chamberlayne, J.: Remarks upon the Plague at Copenhagen in the Year 1711, in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. For the Year 1713, Bd. 28 (1714), S. 279 ff. Vgl. Lammel, S. 159. Vgl. Naphy / Spicer, S. 157.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

mögenden Lesern andere Mittel und Zubereitungen empfohlen als ärmeren Zeitgenossen. Was auf den ersten Blick ungerecht wirken mag, ist bei genauerem Hinsehen sinnvoll. Längst nicht jeder war in der Lage, die Zutaten der besten Medikamente zu erwerben. Um denjenigen, „welche keinen Medicum haben oder bezahlen können“ trotzdem Hilfe zu erteilen, wurden einfache Präparate aus Wacholder, Holunder oder auch „frische[m] Ochsen= oder Kuh = Mist“ empfohlen, die ebenso wirkmächtig waren wie der oft zitierte Theriak.324 Auf diese Weise konnte die gesamte Bevölkerung Vorkehrungen treffen und sich mit wirksamer Medizin eindecken. Inhaltlich unterscheiden sich die privaten Einzelschriften nicht von den amtlichen Verlautbarungen. Es muss auch dahingestellt bleiben, ob eine der beiden Textsorten mehr Vertrauen beim Publikum als die andere genoss, da Äußerungen von Zeitge­ nossen zu den Texten nicht überliefert sind. Die relativ große Anzahl nicht­obrig­keitlicher Drucke, die im Untersuchungszeitraum erschienen und in der Region kursierten, zeigt jedenfalls, dass es einen Markt für dieses Thema gab und ein Infor­mations­bedürfnis beim Publikum vorlag. Bezeichnenderweise werden die Autoren der Schriften nicht immer namentlich genannt. So gab die im Bereich der fünf See­städte erscheinende mecklenburgische Pestordnung vom 30. Dezember 1709 als Verfasser der praktischen Medikamentenvorschläge nur ein Namenskürzel an („W. D. S.“). Der Greifswalder Professor Barnstorff ergänzte seine eigenen Gedanken durch einen angeblich „Von eine[m] Anonymi gantz vernuenfftigen und gleichfals hierauf gerichteten vorschlag.“325 Bei weiteren Titeln sind nur der Drucker bzw. der Druckort angegeben. Wollte man sich hier eine Rückzugsmöglichkeit offenhalten, wenn die empfohlenen Mittel nicht den erwünschten Erfolg brachten und den eige­nen Ruf nicht aufs Spiel setzen? Immerhin versprachen die meisten Texte nicht nur wirksame Prävention, sondern auch die Heilung bestehender Pest­erkrankungen. Der überwiegende Teil der Abhandlungen war auf Deutsch verfasst und sollte weite Teile der lesekundigen Bevölkerung erreichen, wie auch die Titel oftmals eindeutig einen breiten Leserkreis adressieren („Für dem Land= und gemeinen Mann Zum Besten“, „So wol auf dem Lande als in Städten“, „Wie […] ein jeglicher sein eigen Medicus seyn [könne]“). Daneben existierten aber auch lateinisch verfasste Pest­schriften, die sich durch 324  Verneuertes Medicinisches Pest-CONSILIUM 1710, S. 6 f. Als Theriak wurde ein aus ver­schie­de­nen Grundstoffen (u. a. Vipernfleisch) hergestelltes Medikament bezeichnet, dessen behauptete Wirk­sam­keit im Laufe der Zeit immer weiter ausgedehnt wurde, bis es schließlich als klassisches All­heil­mittel galt. Dilg, Peter: The­ riak, in: Leven, Karl-Heinz (Hrsg.): Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005, Sp.  859 f. 325  AHL: ASA, Interna, Pest, 3  / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). Barnstorff.



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die Fremdsprache ausdrücklich an ein gebildetes Publikum wandten. Ein in Hamburg während des Ausbruchs 1713 erschienenes Pamphlet gab Wesen und historische Entwicklung der Krankheit wieder. Daneben sind gegenwärtig je eine Dissertation aus Rostock und Greifswald zum Thema bekannt. Diese Schriften befassten sich sowohl mit der praktischen Behandlung der Seuche als auch mit ihrem Sinn im theologisch-philosophischen Weltbild.326 Die in Greifswald entstan­dene Schrift entstand ebenfalls unter der Leitung des Professors Barnstorff. Im Gegensatz zu den belehrenden Texten zielte die zweite Sorte der verbreiteten Druckschriften darauf ab, das Publikum zu unterhalten und mit besonders grausa­men Schreckensnachrichten in seinen Bann zu ziehen. Eine Bewertung des Ge­ schehens wurde hier nur selten vorgenommen.327 Ein Beispiel ist der Erschreckliche Zorn-Spiegel aus Hamburg von 1710, der in einer Art historischer Gesamt­schau verschiedene Geschichten vereint und dabei besonders bildhaft die Vorgänge bei Kindstötungen und Kannibalismus während Pestzeiten beschreibt.328 Mit einer Auf­merksamkeit heischenden Illustration wurde das Publikumsinteresse ge­weckt und erinnert in dieser Weise an heutige Formen der Regenbogenpresse: Ein Peitsche schwingendes Skelett fährt einen von geflügelten Pferden gezogenen Leichenwagen, auf dem wie in einem mittelalterlichen Totentanz Königskronen und Bischofsmützen zu sehen sind. Auch die schlagwortartigen Überschriftsworte lassen den potentiellen Leser nicht unbeeindruckt: „Erschrecklicher Zorn=Spiegel des eyferigen und gerechten Gottes allen, sonderlich großen und prächtigen Städten bey itziger an vielen Orten hefftig grassirenden Pestilentz. Nebenst Wahrhafftigen Bericht und Erzählung Der zuvor nie erhörten grausamen Thaten und erschrecklichen Historien zur treuherzigen Warnung vorgestellet [Hervorh. ccw].“329 326  Bötticher, Johann Gottlieb: Morborum Malignorum: Imprimis Pestis Et Pestilentiæ, Brevis & genuina Explicatio sanis Principiis et Propriis observationibus superstructa, Cui Pestis Per Sex Menses Anno 1711. Haffniae sævientis, brevissima & vera Historica Descriptio Hinc & inde est adiuncta, Hamburg 1713. Schirach, Balthasar Ludovicus: PROBLEMA MEDICO-MORALE AN EXPEDIAT PESTE MORI? Obs gut sey an der Peste zu sterben?, Rostock 1709. Ockel, Samuel Friedrich: De vocatione pastoris pestilentialis / Von dem Beruff Eines Pest-Pfarrers, Diss. Universität Greifswald 1709. 327  Wilke (2000), S. 23. 328  Lämmel, Christoph Friedrich: Erschrecklicher Zorn=Spiegel des eyferigen und gerechten Gottes allen, sonderlich großen und prächtigen Städten bey itziger an vielen Orten hefftig grassirenden Pestilentz. Nebenst Wahrhafftigen Bericht und Erzählung Der zuvor nie erhörten grausamen Thaten und erschrecklichen Historien zur treuherzigen Warnung vorgestellet, Hamburg 1710. 329  Diese Art der Darstellung war allgemein üblich, um den Absatz der Drucke zu fördern. Wilke (2000), S. 20–24.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Abb. 16: Darstellung aus Lämmel 1710

In ähnlicher Weise verfuhren auch andere Herausgeber von Flugblättern und -schriften, um den Absatz ihrer Druckerzeugnisse zu erhöhen. Mit Übertreibungen und zusätzlichen Schauergeschichten warben sie um das Publikum. Da die betroffe­nen Städte in diesen Schriften verständlicherweise eine Rufschädigung sahen, schritten die Obrigkeiten ein und verboten die Texte. Im Untersuchungs­zeitraum wehrten sich nachweislich der Danziger und der Fraustädtische Rat gegen die Verbreitung der Geschichten.330 Die fünf Seestädte taten sich als Druckorte nicht hervor. Unter dem unmittelbaren Eindruck der Seuche entstanden nur an den Univer­sitäten in Rostock (Schirach) und Greifswald (Ockel) neben den amtlichen Pest­ ord­ nungen entsprechende Abhandlungen, die wegen ihres wissenschaftlichen An­spruchs nicht zur Unterhaltungsliteratur zählten.

330  N. N.: COPIA Eines sehr kläglichen Briefes Aus Dantzig / Vom 12. Septembr. 1709, O. O. O. J. Lauterbach, Samuel Friedrich: Kleine Frauenstädtische Pest= Chronica, Leipzig 1710, S.  23–25. Schelwig, Samuel: Denckmahl Der Pesti­ lentz / Womit der gerechte GOTT Nach seinem heiligen Raht und Willen / Die Stadt Dantzig / Im Jahre 1709. heimgesucht hat, Danzig o. J. Górska (2010), S. 151–224 und 412 f.). Vgl. Ulbricht, Einleitung, S. 22 f.



II. Sekundärmedien187

7. Zeitungen In den Quellen wird die Nutzung regelmäßig erscheinender Schriftmedien zur eige­ nen Informationsversorgung und zur Weiterverbreitung eigener Nachrichten an ver­schiedenen Stellen erwähnt.331 Die verwendeten Bezeichnungen lauten „Zeitung“ und „Gazette“, selten wird das Wort „Avise“ vergen Sprachgebrauch war „Zeitung“ wendet.332 Im Gegensatz zum heuti­ gleichbedeutend mit „Nachricht“, so dass viele Nennungen sich allgemein auf Botschaften beziehen und nicht auf ihre nieder­ge­schriebenen Papierformen. Für eine Klarheit im Ausdruck wurden Adjektive wie „publique“, „öffentlich“, „allgemein“, „ordinair“, „gedruckt“ oder der jeweilige Er­ schein­ungs­ort ergänzt, wenn Zeitungen im heutigen Sinne gemeint waren, wohingegen eine „unvermuthete“, „klägliche“ oder „betrübte“ Zeitung eindeutig auf den Charakter einer Nachricht verweist. Charakterisiert wird das Medium, dessen Verbreitung seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts nur mit der Bibel und kirchlichen Erbauungs­ schriften vergleichbar ist, durch die vier Merkmale der Periodizität, Aktualität, Publi­zität und Universalität.333 331  Neben den Vorworten einiger Pestverordnungen zeigen auch Ratsprotokolle und obrigkeitliche Briefe, dass Zeitungen für die Information der Obrigkeiten eine große Rolle spielten. Z. B.: „Demnach aus denen öffentlichen Zeitungen und anderen sicheren Nachrichten / bekannt ist […]“, „Ist auf anzeige Dni Cons. Dicent: wie man auß denen gazetten täglich leider horen müßen, welcher gestalt die contagion in Pohlen allemahl weiter umb sich freße […]“ und „Ew: Edl: Hoch= und Wollw: wird zweiffelsohne so woll auß denen öffentlichen Zeitungen, alß auch anderen beglaubten nachrichten, guter maßen längst bekant seyn […]“. AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 30.08.1710); AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 15.10.1708, Punkt 10 und STAG: Rep. 5, 10626, Lübscher Rat an Greifswalder Rat (R, 17.01.1708). 332  Das Verhältnis zwischen gedruckter und geschriebener Zeitung bleibt aufgrund mangelnder Über­ lie­ ferung weitgehend unbekannt. Droste, Heiko: Die Geschriebene Zeitung im 17. und 18. Jahr­hundert. Ein öffentliches Nachrichtenmedium, in: Ajalooline Ajakiri / The Estonian Historical Journal 3 / 4 (129 / 130) (2009), S. 509– 523. Vgl. Stöber, Rudolf: Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar, Konstanz 2000, S. 58–60. 333  Wilke, Jürgen: Die Zeitung, in: Fischer, Ernst / Haefs, Wilhelm / Mix, York-Got­ hard (Hrsg.): Von Alma­nach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800, München 1999, S. 388–402, hier S. 388 ff. Wilke (2000), S. 18–25. Über den derzeitigen Stand der deutschen historischen Pres­se­forschung und die „noch immer immensen Wissensdefizite“ in diesem Bereich informiert: Welke, Martin: Neues zu „Relation“ und „Aviso“. Studien zur Nachrichtenbeschaffung der ersten Zeitungen, in: Blome, Astrid / Böning, Holger (Hrsg.): Presse und Geschichte. Leistungen und Perspektiven der historischen Presseforschung (Presse und Geschichte – Neue Beiträge 36), Bremen 2008, S. 21–40, hier S. 25. Vgl. Würgler, Andreas: Veröffentlichte Meinung – öffentliche Meinung. Lokal-internationale Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netze im 18. Jahrhundert, in: Knabe, Peter-Eckhard (Hrsg.): Opinion. Concepts & Symbols du Dix-huitième siècle Européen, Berlin 2000, S. 101–135.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Anders als Flugblätter gaben Zeitungen die Nachrichten­texte bild- und wertungslos wieder. Da veröffentlicht wurde, was über die Postwege in den Druckorten verfügbar war, widersprachen sich die Texte teilweise. So konnte etwa der Ausgang einer Schlacht von allen Kriegsparteien als Sieg gemeldet werden. Eine redaktionelle Wertung neben der ursprünglichen Text­ intention fand nicht statt. Auf diese Weise erhielt der Leser die Gesamtheit der verfügbaren Informationen und konnte sich selbst eine Meinung bilden.334 Für die redaktionelle Zurückhaltung gibt es mehrere Gründe. Erstens stand in den Zeitungen aufgrund der geringen Seitenan­zahl für die einzelnen Meldungen nur wenig Raum zur Verfügung, zweitens setzte eine Wertung weitere Hintergrundinformationen und Recherchearbeiten voraus, wo­durch die Herstellungskosten der Zeitung gestiegen wären. Sehr wichtig ist ferner, dass der Drucker dem Vorwurf der Parteinahme entging, was sich auf die Zensur negativ hätte auswirken können. Für die Abonnenten, die verschiedenen konfessio­nellen und politischen Lagern angehören konnten, war eine einseitige Parteinahme ebenso unerwünscht, was sich auf das Kaufverhalten ausgewirkt hätte. Wie Rudolf Stöber feststellt, waren Zeitungen gerade für kleinere Höfe und andere Obrigkeiten ein Ersatz für das fehlende eigene Korrespondentennetz.335 Folglich bestand ein Inte­resse an der reinen Information und nicht an vorweggenommener Interpretation der Nachricht. In der Regel erfolgte der Druck in der Reihenfolge des Nachrichten­eingangs, so dass die letzte Neuigkeit am Schluss zu finden war. Anstelle der heute gebräuchlichen Überschriften mit einer Kurzangabe des Inhalts begnügten sich die Drucker mit der Angabe, woher die Information stammte (Hamburg, Spanien etc.) und auf welchen Tag sie datierte.336 Die Indienstnahme von Zeitungen durch die Räte größerer Städte kommt zu Beginn des 18. Jahrhunderts erstmals zum Tragen und zeigt den Wert, der ihnen beigemes­sen wurde. Durch die Veröffentlichung offizieller Verlautbarungen konnte sich der Rat ein Sprachrohr schaffen, welches nicht­ obrigkeitliche, örtliche sowie ortsferne Adres­saten ansprach. Auch brauchten die üblichen Korrespondenzpartner nicht separat angeschrieben werden, wodurch die Information potentiell jedermann zugänglich wurde. Es gab keine Beschränkung hinsichtlich des Rezipientenkreises oder des Ortes. Nicht nur Ratsmitglieder und Sekretäre in Amtsstuben oder die an den Anschlagstafeln des Ortes vorbeigehenden Menschen lasen die Nachrichten, son­ dern auch Personen, die keine öffentlichen Ämter innehatten. Mit der Zeitung ergab sich zudem die Chance zu zeigen, dass man nichts zu verbergen hatte und bereitwil­lig alles bekannt machte. 334  Stöber,

S. 58–60, 65. S. 62–66, 95–105. 336  Ebd., S. 62. 335  Ebd.,



II. Sekundärmedien189

Die Öffentlichkeit konnte sich somit selbst informieren und bekam zumindest die frei­ge­gebenen Informationen mitgeteilt, wenn schon kein Blick hinter die Kulissen der Gremiensitzungen und Geheimnachrichten gegeben war. Damaliges Zeitunglesen ist nicht als individueller Akt zu verstehen. Vielerorts wurden sie vorgelesen, lagen in Wirtshäusern aus oder es teilten sich mehrere Personen ein kostenpflichtiges Abon­ nement, um die jeweiligen Bezugspreise zu reduzieren. Deshalb ist von durch­ schnitt­ lich mindestens zehn Lesern pro Exemplar auszugehen, so dass auch mit einer ge­ringen Auflage ein großes Publikum erreicht werden konnte.337 Außerhalb des Untersuchungsraumes ist diese Frühform bewusster Pressepolitik während der Pestepidemie für Stockholm, Hamburg und Stettin belegbar. Hamburg, das innerhalb des Reiches zu den bedeutendsten Druckorten zählte, entschied sich während des Ausbruchs dazu, wöchentliche Totenlisten und eingehende Berichte im Hamburger Relations-Courier zu veröffentlichen.338 Diese hatten den Zweck, die aktive Tätigkeit des Senates zu unterstreichen und das sich stetig vermindernde Gefährdungs­ potential durch Abnahme der Sterblichkeit zu dokumentieren. Inte­re­ s­sant ist, dass nur eine und nicht alle zur Verfügung stehenden Zeitungen genutzt wurden.339 Der Nordische Mercurius, in dem verschiedene, informierende Anzeigen anderer Obrigkeiten erschienen, wurde ebenso wie andere nicht mitein­ bezogen, so dass der Relations-Courier gewissermaßen die Stellung einer Rats-Zeitung inne­hatte.340 Ähnlich wie der Hamburger Rat verhielt sich das 337  Ebd., S. 69. Münch, Paul: Lebensformen in der Frühen Neuzeit 1500 bis 1800, Frankfurt am Main / Berlin 1996, S. 508 f. Wilke (2000), S. 65, 93, 138 f. Für Ende des 17. Jahrhunderts geht Wilke davon aus, dass 20–25 % der das politische, kirchliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben im Reich Be­stimmenden durch Zeitungen erreicht wurden (200.000–300.000 Leser), wobei berücksichtigt werden muss, dass von der gesamten Bevölkerung nur etwa 2 % erreicht werden konnten. Ein all­ge­meines Medium war die Zeitung damit noch nicht. Im Verlauf des folgenden Jahrhunderts steigerte sich die Rezipientenzahl durch Zunahme der Auflagenstärke und Aufkommen von Lesegesellschaften enorm auf etwa das Zehnfache (ca. 3.000.000 Leser). 338  Wohlwill, S.  357 f. Boyens, S.  304 f. Stöber, S. 68. Vgl. Prange, Carsten: Die Zeitungen und Zeit­schriften des 17. Jahrhunderts in Hamburg und Altona. Ein Beitrag zur Publizistik der Frühaufklärung (Beiträge zur Geschichte Hamburgs 13), Hamburg 1978, S. 125–192. 339  Es existierten weiterhin seit dem 17. Jahrhundert die Relation aus dem Parnasso, seit 1704 die Ham­burgische Gazette und seit 1712 der Hollsteinische Correspondent. Wilke (2000), S. 81. 340  Vgl. zur Bedeutung des Mercurius: Wilke (2000), S. 60 und 63. Gieseler, Jens / Kühnle-Xemaire, Elke: Der „Nordische Mercurius“ – eine besondere Zeitung des 17. Jahrhunderts? Eine sprachwissen­ schaftl­ iche Untersuchung der Hamburger Zeitung, in: Publizistik. Vierteljahreshefte für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­forschung 40  /  2 (1995), S. 163–185. Blühm, Elger: Nordischer Mercurius, Hamburg (1665–1730), in: Fischer, Heinz-Dietrich (Hrsg.): Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Stockholmer Collegium Medicum, das mit einem Artikel in der Stockholmiske Post-Tidender den Charakter der ausgebrochenen Krankheit als Pest bestritt und auf diese Weise, ungeachtet der steigenden Opferzahlen, beruhigen wollte.341 In Stettin war es 1712 nicht die Pest, sondern das Gerücht, die Stadt plane, sich von Schweden loszusagen und sich des­sen Gegnern zu unterwerfen. Um ein deutliches Zeichen zu setzen, ließen Rat und Bürgerschaft in den Zeitungen verlauten, dass Stettin weiter fest zu seinem König stehe und setzten 200 Dukaten für die Ergreifung der Verleumder aus. Eine derart hohe Summe zeigt, wie schwerwiegend der Vorwurf und wie viel wert den Stadtvä­tern die Wiederherstellung ihrer durch ein bloßes Gerücht beschädigten Reputation war.342 Die Möglichkeit, eigene Zeitungen zu nutzen, besaßen im Untersuchungsgebiet der Stralsunder und der Rostocker Rat. In Stralsund bestand seit 1687 eine Zeitung, ab 1689 unter dem Namen „Stralsundischer Relations-Courier“, deren Vorbild die gleich­namige in Hamburg erscheinende Zeitung und der Nordische Mercurius waren.343 Neben den sonst üblichen Meldungen aus aller Welt enthielt sie bereits in kleinerem Um­ fang lokale Nachrichten.344 Dass auch Lokalnachrichten aufgenommen wurden, ist als innovativ anzusehen und zeigt die liberale Haltung der örtlichen Zensur­behörde, die anderswo die meisten Meldungen zum örtlichen Geschehen als unpas­send be­wertete und schnell einem Veröffentlichungsverbot unterwarf. Die meisten anderen Zeitungen beschränkten sich daher darauf, Informationen aus (Publizistik-Histori­ sche Beiträge 2), Pullach bei München 1972, S. 91–102 und Blühm, Elger: Der „Stralsundische Relations Courier“ und der „Nordische Mercu­ rius“ in Hamburg, in: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 9 (1970 / 71), S. 79–84. 341  Stockholmiske Post-Tidender vom 30.08.1710. 342  Zitiert nach Thiede, Fr.: Chronik der Stadt Stettin. Bearb. nach Urkunden und den bewährtesten historischen Nachrichten, Stettin 1849, S. 775 f. Welche Zeitungen genutzt wurden und ob ein oder meh­rere Anzeigen notwendig waren, gibt Thiede nicht an. 343  Blühm (1970  / 71), S. 80 und 82. Eine umfassendere Analyse des Stralsunder Relations-Couriers als Blühms sechsseitigen Artikel, die weitere Fragen nach Ver­ brei­tungs­grad und Themenkomplexen liefern könnte, gibt es derzeit nicht. 344  Reinhardt, Hanns Heino: Die Geschichte des Zeitungswesens in Stralsund, Inaug.-Diss. Universität Leipzig, Stralsund 1936, S. 12 und 19 f. Wehrmann, Martin: Die pommerschen Zeitungen und Zeit­schriften in alter und neuer Zeit. Hg. von der Gesellschaft für Zeitungskunde und Buchdruck in Pommern, Pyritz 1936, S. 97. Vgl. Wilke (2000), S. 62. In Ergänzung zu der Angabe bei Wehrmann und Fabian (Wehrmann, S. 97. Fabian, Bernhard (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner, Hildesheim 2003 (http: /  / 134.76. 163.162 / fabian? Archivbibliothek_Stralsund) (21.02.2011)) sei auf eine weitere im STAS vorhandene Ausgabe des Relations-Couriers verwiesen, die dem Nachlass des Regierungsrates Olthoff beiliegt (STAS: HS 1026, Stralsunder Relations-Couriers vom 13.09.1715 (Nr. 74).



II. Sekundärmedien191

anderen Ge­bieten zu präsentieren, zudem wurden Neuigkeiten aus dem Erscheinungsort als bekannt voraus­gesetzt bzw. waren aus anderen örtlichen Medien (Plakate, Kanzel­ver­lesungen) erfahrbar.345 In Rostock, wo erste Anfänge des Zeitungswesens um 1630 begannen, schlug der Universitätsdrucker Weppling Anfang 1711 die Gründung einer Zeitung vor. Weppling untermauerte seine Bitte mit dem Hinweis auf alte Privilegien und seine schlechte wirtschaftliche Situation, die er durch eine Zeitung zu verbessern hoffte. Die Privile­ gien konnte er allerdings nicht genauer benennen und gab auf Nachfrage an, „daß Eß bey seiner Zeit nicht geschehen, sondern Er nur gehöret, daß eß geschehen“.346 Zwar gab es innerhalb des Konzils auch Gegenstimmen, die Streit mit dem Rat über die Zensurrechte an der neuen Zeitung befürchteten und Wepplings Projekt nur eine kurze Lebensdauer voraussagten, letztlich genehmigte die Univer­sität jedoch das Gesuch. Als „Curieuser Extract der Neuesten Nachrichten“ erschien das neue Me­dium künftig zweimal wöchentlich und war für lange Zeit die einzige mecklen­burgi­sche Zeitung.347 In welcher Weise Weppling tätig wurde, beschrieb er selbst in sei­nem Antrag: „Wann mir von curieuser Handt kund gemacht worden, wie sich Gelegenheit vorzeige, von allen Correspondencen, oder doch den meisten so aus Spanien, Franckreich, Engeland, Holland, Teutschland etc. bey der Nieder-Elbe concentriren; Nicht weniger die, welche aus Moscau, Türckey, Pohlen, Preussen etc. in Stettin und Strahlsund zusammen lauffen, genaue Nachricht einzuhohlen, und dergestalt gleichsahm die Quintessence aus denselben zu extrahiren, alß dasjenige, welches in allen dispergiret, compendiosè für Augen zu legen:“348

Mit der seinerzeit üblichen Weitschweifigkeit beantragte Weppling, in seiner Zeitung ausschließlich Auszüge aus anderen Zeitungen veröffent­ 345  Stöber, 346  UAR:

S. 71. R XVI 7, Rektor Matthias Stein an Kollegen (R, undatiert, wohl nach

09.02.1711). 347  Kohfeldt, Gustav: Aus der 200jährigen Geschichte der „Rostocker Zeitung“, in: Beiträge zur Ge­schich­te der Stadt Rostock 6 (1912), S. 1–70, hier S. 2 und 68. Der „Extract“ wurde später in „Ros­tocker Zeitung“ umbenannt und firmierte unter dieser Bezeichnung bis nach dem Ersten Weltkrieg. Schnitzler, Elisabeth: Rostocker Zeitungen und Zeitschriften im Wandel der Zeit, in: Schnitzler, Elisabeth: Zur Stadtund Universitätsgeschichte Rostocks. Kleine Beiträge (1941–1961). Zu­sammen­ge­ stellt und bearb. von Sabine Pettke, Gerhard Schlegel und Hanno Lietz, Rostock 1998, S. 135–145, hier S. 143. Jügelt, Karl-Heinz: Lesekultur in Rostock im 18. und 19. Jahrhundert, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 28 (2006), S. 53–78, hier S.  53 ff. Vgl. Bachmann, Jürgen: Ent­wick­lungs­stufen der periodischen Presse beider Mecklenburg, in: Die deutschen Zeitungen. Ihr Werden, Wesen und Wirken. Hg. vom Verein deutscher Zeitungsverleger, Köln 1928, S. 56–68. 348  UAR: Rektorat R XVI 7. Vgl. zu Druckprivilegien und Zensur: Duchkowitsch, Wolfgang: Einführung in die Medien- und Kommunikationsgeschichte, Wien 2000, S.  26 ff. und Wilke (2000), S. 49.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

lichen zu dürfen. Was heute als Diebstahl geistigen Eigentums bezeichnet würde, war damals gängige Praxis. Weppling kopierte lediglich Nachrichten aus anderen Zeitungen und gab, wie im Titel beschrieben, einen Auszug aus anderen Blättern. Ein eigenes Korrespondentennetz besaß er nicht und profitierte ausschließlich von den Verbindungen anderer. Wie der Stralsunder Relations-Courier verzichtete Weppling auf eine Bewertung der Nach­richten und beschränkte sich auf die bloße Wiedergabe, wie es bis weit in das 18. Jahrhundert üblich blieb. Den Hauptbestandteil nahmen politische Nachrichten ein, nur wenige andere Bereiche (z. B. Kriminalfälle, gelehrte und kirchliche Persona­lia) werden erwähnt, wobei Krankheiten und Seuchen im ersten Jahrgang immerhin 40mal Erwähnung finden.349 Weppling profitierte folglich von den seiner­zeitigen Kriegs- und Seuchenzügen. Über die Auf­ lagenstärke der Zeitung gibt es nur einen Hinweis. Im Jahre 1711 wurden 32 Exemplare des „Extracts“ nach Güstrow gesendet. Gustav Kohfeldt vermutete eine Auflage von etwa 500 Stück während des 18. Jahrhunderts.350 In den anderen drei Seestädten kam es nicht zur Entstehung einer eigenen Zei­tung.351 In Lübeck entstand erst in der zweiten Jahrhunderthälfte die „Lübeckische Fama“.352 Trotzdem nutzten die Lübecker das Medium Zeitung besonders intensiv und griffen dabei auf ihre guten Kontakte zur Nachbarstadt Hamburg zurück. Als vermehrt Ende 1710 und Anfang 1711 Gerüchte über eine Verseuchung Lübecks umliefen, wandte sich der Stadtrat an den Hamburger Magistrat, um eine weite Be­kanntmachung seiner Gegendarstellungen zu erreichen.353 Zunächst handelten die Hamburger eigenmächtig, als sie im November 1710 in der Zeitung bekanntgaben, dass über Lübeck Gerüchte im Umlauf seien und sofort nachschoben, dass „aber nicht nur Privat=Briefe / sondern auch [die] H[erre]n. H[erre]n. Bürgermeistere und 349  Kohfeldt,

S. 7 und 19. S. 16. 351  Wilke (2000), S. 80. In Stettin, das spätestens seit 1633 über einige meist kurzlebige Zeitungen ver­fügte, bestanden 1708 die Stettinische Extraordinaire PostZeitung und von 1710 bis 1720 die Stet­tinische Ordinaire Post-zeitung. Wehrmann, S.  68 f. 352  Neckels, Conrad: 175 Jahre Zeit- und Zeitungsgeschichte, in: Lübeck seit Mitte des 18. Jahr­ hun­ derts (1751). Ein Jubiläumsbeitrag zur 700-Jahrfeier der Reichsfreiheit Lübecks aus Anlaß des 175jährigen Bestehens der Lübeckischen Anzeigen und Lübecker Zeitung herausgegeben, Lübeck 1926, S. 271–278, hier S. 271 f. Hans, Ernst: 175 Jahre Zeitungsgeschichte. Ein Rückblick auf die Geschichte der „Lübeckischen Anzeigen und Lübecker Zeitung“, in: Lübeck seit Mitte des 18. Jahrhunderts (1751). Ein Jubiläumsbeitrag zur 700-Jahrfeier der Reichsfreiheit Lübecks aus Anlaß des 175jährigen Beste­ hens der Lübeckischen Anzeigen und Lübecker Zeitung herausgegeben, Lübeck 1926, S. 293–304, hier S. 293–297. 353  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 18.11.1710), Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 22.11.1710). Vgl. Wahrmann (2009), S. 480–483. 350  Ebd.,



II. Sekundärmedien193

Rath besagter Stadt Lübeck selbsten in ihrem an E[inen]. E[hrbaren]. Rath dieser Stadt / […] bezeiget / daß alles / was von einer sich allda geäusserten ansteckenden Kranckheit ausgestreuet werden wollen / ein lauteres Geschwätz und falsche Blame“ sei.354 Die Lübecker hatten in ihrem Brief nicht um eine Veröffentlichung gebeten und wurden durch die Hamburger erst nachträglich in Kenntnis gesetzt, dass sie die Nach­richt „in allen unseren gestrigen gedruckten Zeitungen zu jedermänniglichen Nachricht pro notificatione mit einrücken zu laßen, wie die Ew. Ehrbl. Wollw. sonder Zweiffel zu Händen gekommenen gazetten in mehrer bezeugen werden.“355 Sie muss­ten allerdings mit dieser Maßnahme rechnen, denn bereits einen Monat zuvor hatten die Hamburger es für angemessen gehalten, dem Gerücht „in unseren ordinairen wöchentlichen Zeitungen zu widersprechen, und dessen ungrundt kund zu machen“, was von den Lübeckern als „sehr angenehm“ aufgenommen worden war.356 Wenige Tage nach dem Erscheinen des Dementi behauptete der kaiserliche Gesandte in Hamburg in einem Schreiben nach Lübeck, er sei es gewesen, der „bey dem hiesigen Magistrat sofort die erinnerung gethan“, die Gegendarstellung in die Zeitungen aufzunehmen.357 Die Gegendarstellungen allein erbrachten jedoch nicht den gewünschten Effekt und sogar in sächsischen Zeitungen wurden über eine Pest in Lübeck berichtet.358 Eine Folge war, dass lübsche Kaufleute und Waren nicht mehr zur Leipziger Messe zuge­lassen wurden. Dadurch war die bis dahin ärgerliche Verleumdung zu einem hand­festen wirtschaftlichen Schaden geworden und so sandte der Lübsche Rat einen Text nach Hamburg, um dessen baldige Veröffentlichung gebeten wurde.359 Zwei Tage danach erfuhren die Leser des Hamburgischen Relations-Couriers, dass „diese gute Stadt bißhero das Unglück gehabt / daß dieselbe von boßhafften Leuthen schändlich blamiret worden / als wann darinne einige Contagion grassire / solches aber GOtt Lob! biß auff diese Stunde ohne Grund und gantz falsch […]“.360 354  Hamburger

Relations-Courier vom 18.11.1710 (Nr. 181). Interna, Pest 5 / 2, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 16.11.1710), Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 18.11.1710). 356  Ebd., Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 23.10.1710), Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 26.10.1710). 5  /  1, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 16.10.1710). 357  Ebd., Graf Schönborn an Lübschen Rat (R, 26.11.1710). 358  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 2, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 06.01.1711). 359  Ebd. sowie Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 07.01.1711) und Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 10.01.1711): „so haben wir eine nohtdurft zu seyn erachtet beykommendes avertisement publiciren zu laßen, u. wollen EEw. dienstl. ersuchet haben sie geruhen gütig zu veranstalten, daß es also in dortigen avisen gedrücket werden möge“. 360  Hamburger Relations-Courier vom 08.01.1711 (Nr. 5). 355  AHL: ASA,

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

Gegenüber den Hamburgern war eine zusätzliche Richtigstellung nicht notwendig gewesen, doch in zwei Schreiben an den Leipziger Rat und den sächsischen Kur­fürsten erklärten die Lübecker ausführlich die Sachlage, unterließen es aber, um eine Ver­öffentlichung in den Zeitungen zu bitten.361 Vermutlich waren sie davon über­zeugt, dass das Dementi in den Hamburger Zeitungen von selbst bald in Leipzig und Dresden erscheinen würde und wollten diese Entwicklung nicht durch drängendes Verhalten stören oder neues Misstrauen schüren. Stattdessen erschien ihnen eine direkte Ansprache der verantwortlichen Stellen sinnvoll. Lübecks offensive Presse­politik setzte der Rat zugleich als Beweismittel gegenüber anderen Städten ein. So verwiesen die Ratsherren in ihren Schreiben an die Städte Leipzig und Perleberg ausdrücklich darauf, dass „wir wegen des anfangs erwehnten, boshaften u. ungegründten ausstreuens, das publicum, durch die offene gazette desavahiren [in Abrede stellen] laßen“ bzw. „wir haben auch dieser falsche[n] ausstreuung in öffentl. Zeitung ohnlengst widersprochen.“362 In Rostock stand man vor ähnlichen Problemen, denn auch diese Stadt stand zeit­weise im Ruf, ein Hort der Seuche zu sein.363 Im September 1710 meldete der in Altona erscheinende Nordische Mercurius eine Verseuchung Rostocks. Erste Re­aktionen des Rostocker Rates erfolgten erst eine Woche später, als der Mercurius Rostock erreichte. Umgehend schrieben die Ratsherren an den Hamburger Magistrat und dementierten das Gerücht, da sie Nachteile für den Handel befürchteten.364 Eine Antwort aus Hamburg ist nicht erhalten. Aus dem weiteren Schriftverkehr ist jedoch ersichtlich, dass das Gerücht weiter in Umlauf blieb und verschiedene Privat­ perso­ nen in ihrer Korrespondenz die Geschichte weiter ausschmückten.365 Im Gegensatz zu den Lübeckern unterließen die Rostocker Ratsherren ein direktes Dementi. Sie schrieben nicht an den Altonaer Rat und baten auch die Hamburger nicht um eine Berichtigung der Falschmeldung in der ört­ 361  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 2, Lübscher Rat an Leipziger Rat (E, 06.01.1711) und an König August II. / Kurfürst Friedrich August den Starken zu Dresden (E, 03.01.1711). Neben dem reinen Informa­tionsgehalt markiert die Weitschweifigkeit in den Briefen, dass der Korrespondenzpartner ernst genommen und wertgeschätzt wurde. Gerade in diesem Fall war es wichtig, auf ein gutes Verhältnis zum Adressaten hinzuwirken. Droste (2005), S. 247. 362  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 4, Lübscher Rat an Leipziger Rat (E, 12.02.1711). 6 / 3, Lübscher Rat an Perleberger Rat (E, 30.01.1711). Vgl. auch das Bemühen des Lübschen Rates in 10 / 2, im Dezember 1713 unter anderem den preußischen König dazu zu bewegen, für Lübecks Gesundheit in Zeitungen zu bürgen. 363  Siehe dazu Wahrmann, Rostock, S. 45–49. 364  AHR: 1.1.3.15 – 159, Rostocker Rat an Hamburger Rat (E, 05.09.1710). 365  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 13.09.1710).



II. Sekundärmedien195

lichen Presse. Das durch die enge politische und wirtschaftliche Verzahnung Lübecks und Hamburgs besondere Vertrauensverhältnis gab es in dieser Form zwischen Rostock und Hamburg nicht. Vielleicht erschien es den Rostocker Ratsherren daher unklug, um Zeitungsabdruck zu bitten, ganz so, als fürchteten sie, dass ihnen sonst nicht geglaubt würde. Statt­dessen wandten sie sich an andere Obrigkeiten und vertrauten allein darauf, an die­sen Stellen Einfluss zu nehmen. In den nachfolgenden Schreiben an den dänischen König, den mecklenburgischen Herzog und die dänische Regierung von Schleswig und Holstein erwähnten sie zwar die Zeitungsmeldung, machten aber auch hier keine Anstalten, auf eine Richtigstellung im Zeitungsmedium hinzuwirken. Eine vergleich­bare Haltung ist beim Wismarer Tribunal festzustellen, das umlaufen­den Gerüchten ausschließlich über die Nutzung obrigkeitlicher und Gesandtschafts­ netz­ werke entge­ genwirkte und auf eine Einbindung von Zeitungen verzichtete.366 Als Ergebnis ist festzustellen, dass Zeitungen für die Obrigkeiten eine große Rolle in der Informationsbeschaffung spielten. Die häufigen Verweise auf Zeitungs­meldun­gen, die als vertrauenswürdig eingestuft wurden, zeigen deren Bedeutung. In Lübeck ist zusätzlich eine offensive Nutzung von Zeitungen belegbar, wenn der Rat selbst Dementi herausbrachte und auf diese Weise veröffentlichen ließ. Neben den obrig­ keitlichen und persönlichen Netzwerken bedienten sie sich der schriftlichen Medien, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Allerdings bewirkten die Dementi keine sofortige Rücknahme der Handelssperren. Hierzu war weiterhin der obrigkeitliche Brief notwendig, in dem die für die Sperren verant­wortlichen Obrigkei­ten direkt adressiert und überzeugt wurden. Eine Wirkung dürften die Zeitungsmel­dungen allerdings auf das Verhalten von Schiffern, Reisenden und Kaufleuten ge­ habt haben, die sich nach dem (Vor)Lesen einer Zeitung für oder gegen eine Reise nach Lübeck entschlossen. Mangels Quellenmaterial ist diese Wirkung auf die Be­völkerung jedoch nicht nachvollziehbar und kann nur vermutet werden. Die Wert­schätzung der Obrigkeiten gegenüber den Zeitungen macht es aber wahr­scheinlich, dass auch diese Personengruppen den Meldungen Vertrauen ent­gegen­brachten. Obwohl auch die anderen vier Seestädte im Laufe des Unter­suchungs­zeitraums mit Gerüchten umgehen mussten, die über sie in Zeitungen erschienen, finden sich keine Hinweise, dass die Räte in Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald oder das Tribunal das Medium in ihre Überlegungen einbezogen hätten. Sie orientierten sich nicht am Lübecker Vorbild oder anderen Städten, schwiegen gegenüber der Öffentlichkeit zu den Gerüchten und unterließen es, in breiten Kreisen durch Wieder­holung und Widerlegung der Nachrichten ihre Städte erneut mit der Seuche in Ver­bindung zu bringen. 366  Wahrmann,

Tribunal.

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C. Einsatz und Wirkung von Medien

III. Tertiärmedien 1. Quarantänebaracken Anders als Pestgalgen und -tafeln wurden die in den Häfen errichteten Quarantäne­baracken nicht primär dazu eingesetzt, über die Seuche und bestimmte Gesetze zu informieren oder das Verhalten der Vorbeikommenden zu steuern. In erster Linie er­füllten sie einen praktischen Zweck, indem sie internierten Personen als zeitweiliger Aufenthaltsort dienten. Ihre Bedeutung als Mittel der Kommunikation wird in den Pestakten nicht erwähnt und lag doch jedem Betrachter deutlich vor Augen. Die ab­gesonderte Lage in sicherer Entfernung von den Wohnhäusern offenbarte ihre Funk­tion wie auch die aufgestellten Wachen zur Identifikation der Gebäude beitrugen, so dass diese schon von See erkannt werden konnten.367 Zwei Botschaften übermittelten die Baracken. Zunächst wurde das Vorhandensein einer Seuchengefahr deutlich gemacht und dann veranschaulicht, dass die lokale Obrigkeit ihre Aufgabe zum Schutz der Einwohner erfüllte. Das Vorhandensein der Seuchengefahr darf nicht mit dem Eingeständnis gleichgesetzt werden, dass der je­weilige Ort seuchenbetroffen wäre, denn die Baracken sollten durch die Isolierung genau dies verhindern. Quarantänebaracken deuten deshalb auf eine auswärtige Seuchengefahr hin. Obwohl sie eine eindeutige Abwehrmaßnahme waren, erwähnten die Stadträte die errichteten Baracken kaum in ihrem offiziellen Briefverkehr. Der Grund hierfür wird deutlich, wenn man sich die Grundlage der Seuchenbekämpfung in Erinnerung ruft. Es galt, die Krankheit so weit wie möglich vom eigenen Gebiet entfernt zu halten und den Aufenthalt verdächtiger Personen und Waren auf ein Minimum zu beschränken. Das Vorhandensein der Gebäude hingegen bedeutete, dass die jeweilige Stadt in Kauf nahm, dass in ihrer unmittelbaren Nähe sich ein unter Umständen höchst ge­ fährlicher Seuchenherd befand. Die Weiterführung dieses Gedankens bedeutete, dass diese Stadt selbst leichter angesteckt werden konnte als ein Ort, der den Kon­ takt mit verseuchten Gebieten komplett abbrach und Reisende wie Güter nicht auf­ nahm, sondern zurückschick367  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Schreiben (wohl der Lübschen Kanzlei; R, 13.08.1709). AHR: 1.1.3.15 – 158, Schreiben (wohl der Rostocker Kanzlei; R, undatiert, wohl Ende 09.1709). STAS: Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (K, 09.10.1709). In Lübeck sollten die Baracken nicht direkt am Leuchtturm errichtet werden, da sonst die Befragung zu dicht und zu gefährlich nahe am Leuchtturm stattfinden würde, in Rostock wurden sie auf der dem Dorf Warnemünde gegenüberliegenden Warnowseite erbaut, in Stralsund auf der Insel Dänholm im Sund vor Rügen.



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te.368 Vorurteilslos betrachtet war es jedoch eine Not­wendig­keit, Baracken zu errichten. Jede Obrigkeit war verpflichtet, für ihre Bürger und Einwohner zu sorgen, so dass zumindest für diese eine sichere Unterkunft zu stellen war, wenn sie aus verdächtigen Gebieten kamen. Dazu kam, dass die städti­ schen Ökonomien auf einen Warenaustausch mit den Gebieten im Süden und Osten des baltischen Raumes dringend angewiesen waren, um ihre gewohnte Warenpro­duktion und Handelstätigkeit aufrecht zu erhalten. Besonders ein Ausfall des balti­ schen Hanf- und Flachsimports wäre für die Seestädte und die angrenzende Region nicht denkbar gewesen.369 Im obrigkeitlichen Briefverkehr finden die Baracken kaum Erwähnung und auch die Öffentlichkeit wurde nur einmal in einer Verordnung vom 368  In aller Deutlichkeit brachte der Greifswalder Kommandant Sperlingk diesen Vorwurf im November 1710 gegenüber dem städtischen Rat zum Ausdruck und protestierte dagegen: „Wann ich dann anizo erfahren muß dz E. Woll Edl. Magistrat verschiedenen Schiffen, so auß Stettin und anderen alda in der nähe liegenden Örtern angekommen, sonder gehaltene qvarantaine und mir desfals gethanen communication, unter andern aber an den Herrn von Langen, dem Vorgeben nach auß Gartz, unter welchen prætext viele verdächtige Sachen einkommen könne, so woll ihre waaren außzusetzen, auff der wicke denen Schiffleütten hütten zubauen, alß auch gar die mit gebrachte Gütter in die Stadt zu führen, und denen hiesigen Bürgern mit ihnen Handel und Wandel zu treiben vergont worden, indeßen hiebey allerdings zu besorgen, dz dieser ort hiedurch ebenmäßig angestecket und die Guarnison zum höchsten Schaden Ihro Königlichen Majestät in Gefahr gesetzet werden dürffte, solches aber bestmögligst zu verhütten meine Pflicht erfordert; […] und ich reciproquement von ihnen verlange, […] solchen leütten nache an der Stadt keines weges hütten aufzurichten, […] wiedrigenfals ich nicht nur bey der Königl. Regierung deshalb klagend einkommen, sondern auch von selbst zur conservation Allerhöchstgedachter Königl Majestät hir liegenden Leütte alle benöhtigte Mittel an die Hand zu nehmen wißen werde.“ STAG: Rep. 5, 10626, Kommandant Sperlingk an Greifswalder Rat (R, 08.11.1710). 369  Ende 1711 begann der pestbedingte Mangel an diesen beiden Rohstoffen in Lübeck und den an­gren­zenden Herrschaften spürbar zu werden. In Briefen an den Kurfürsten von Braunschweig-Lüne­burg, den Schweriner Herzog, den Administrator des herzoglichen Schleswigs und Holsteins sowie die kurfürstliche Regie­ rung in Ratzeburg stellten die Ratsherren die unbedingte Unverdächtigkeit der Ware heraus und errei­chten Anfang 1712 tatsächlich die Aufhebung des Handelsverbotes. In einem Nachsatz gab die kur­fürst­liche Regierung zu, dass es Versorgungsengpässe für die Möllner und Lüneburger Reepschläger gab und die Einfuhr von Hanf und Flachs aus dem Baltikum über Lübeck alternativlos war. AHL: ASA, Interna, Pest 7, Lübscher Rat an Kurfürst Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (E, 12.12.1711), an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin und den Administrator für das herzogliche Schleswig und Holstein (E, 11.12.1711 und 15.12.1711), an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 23.12.1711), Schreiben der kurfürstlichen Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 04.01.1712, inklusive Schreiben des Kurfürsten Georg Ludwig zu Braunschweig-Lüneburg (wohl an Lübschen Rat, K und R, 23.12.1711).

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November 1710 auf deren Vorhandensein hingewiesen.370 Zweimal erwähnten die Lübecker Räte sie gegen­über dem Kurfürsten in Hannover. Beide Male sollte damit eine besondere Wach­ samkeit demonstriert werden. Im Juli 1709 wurde auf diese vorsorgliche Maßnahme in Zusammenhang mit der Danzigpest hingewiesen, als die Nachricht über den Aus­bruch in Danzig noch nicht zweifelsfrei bestätigt war.371 Auch die zweite Nennung, die sich auf die Pest in Kopenhagen im Sommer 1711 bezog, betonte, dass die Ba­ racken ab dem ersten Verdachtsmoment genutzt wurden. Auf diese Weise wurde offengehalten, ob bei einer Bestätigung des Pestgerüchts nicht ein gänzlicher Ab­bruch des Kontaktes mit Kopenhagen vorgenommen wurde.372 Gegenüber Rostock wurde nur einmal erwähnt, dass „zu Travemünde […] besondere baraquen“ existier­ten, in die Libauer Waren gekommen waren.373 In Rostock berichtete Vogt Danckwertz gelegentlich von Vorfällen an den Warne­münder Baracken, doch im offiziellen Verkehr erwähnte der Rostocker Rat die Hütten nur gegenüber dem Herzog, wenn in Berichtsschreiben die verfügten rätlichen Maß­nahmen aufgezählt wurden.374 Über Quarantänebaracken in anderen Städten muss­ten sich die Stadträte also auf andere Informationsquellen verlassen. Ein Rostocker Schiffer berichtete bei seiner Befragung über die Seuche in Karlskrona, „wan einige von ihnen [schwedische Marineangehörige] kranck geworden, Sie so wenig in der Stadt alß auff dem Schiff gelaßen, sondern in Baraquen gelaßen.“375 Der Wismarer Rat ließ sich von einem seiner Bürger namens Voigt eine „Gegründete Re370  AHL: ASA, Interna, Pest 3  /  1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710) = AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). 371  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an Kurfürst Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (E, 27.07.1709). 372  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Hannover (E, 29.08.1711): „nachdem aber die nachricht eingelauffen, daß die contagion sich in Copenhagen u. in andern orten sehr ausgebreitet so haben wir darauff sofort unsere anstallten wieder vermehret, und laßen nachhero alle passagirer die völlige quarantaine halten, wie dann diejenige, so seithero u. von anfang dieses monathß ankommn, noch würcklich in denen baraquen zu Travemünde liegen müßn“. 373  AHL: ASA, Interna, Pest, 6  /  4, Lübscher Rat an Rostocker Rat (E, 11.03.1711) = AHR: 1.1.3.15 – 160, Lübscher Rat an Rostocker Rat (R, 11.03.1711). Eine weitere Erwähnung der Quarantäne­baracken, aus denen der Widerwillen der Obrigkeiten gegen die kostspieligen Hütten hervorgeht, findet sich in einem Schreiben des Bergedorfer Amtschreibers Schumacher. Er meldete dem Lübschen Rat, eine bestimmte verdächtige Person, „machet unkosten und beschwerden, den es muß in ermangelung sicherer commoditet eine hütte vor ihm auf dem Gojenberg gemachet und wache dabey gestellet werden“. AHL: ASA, Interna, Pest 11 / 2, Amtschreiber Schumacher an Lübschen Rat (E, 28.10.1713). 374  AHR: 1.1.3.156 – 159, Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 19.08.1710, 02.09.1710 sowie 18.10.1710). 375  AHR: 1.1.3.15 – 160, Verhörprotokoll (P, 22.01.1711).



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lation von dem jetzigen Zustandt der Stadt Lübeck die Contagion betreffend“ geben.376 Voigt erwähnte bei der Darstellung eines verdächtigen Krankheitsfalles, dass es in Trave­münde Quarantänehütten gäbe.377 Die Planung zur Errichtung von Quarantänehütten begann in Stralsund wie in Lübeck bereits 1709. Die Regierung in Stettin beauftragte den Stralsunder Rat, Vorschläge zu einzureichen, wo am besten entsprechende Gebäude aufgerichtet werden könn­ ten.378 Der Magistrat sprach sich für die Stralsund vorgelagerte Insel Dänholm aus und berichtete, dort schon zwei Häuser „mit inwendiger zimlich[er] Commodität“ er­richtet zu haben.379 Aus Sorge, verdächtige Personen könnten von der nahen Insel „leichtlich […] sich in die Stadt oder ins landt practiciren“, setzte die Regierung die Benutzung des Dänholms bis zu dem Fall aus, „wen, welches der höchste Gott in Gnaden abwenden wolle, in der Stadt selbst einige Contagion entstehen solte“.380 Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die abgelegenen Inseln Vilm und Schnakenwerder für alle in Stralsund und auf Rügen aufgegriffenen Verdächtigen Verwendung finden. Die Rügensche Ritterschaft sollte einen Teil der zu erwartenden Kosten tragen, womit das Stralsunder Stadtsäckel entlastet wurde.381 Zu einer neuerlichen Beschäftigung mit dem Thema führte dann im folgenden Jahr die in Stralsund ausbrechende Pest, deretwegen die Stettiner Regierung den Rat anwies, „in den Vor Städten oder sonst dazu Häuser oder Hütten“ auszuweisen.382 Die Bevölkerung reagierte auf den Anblick der Hütten – soweit dokumentiert – nicht in der von den Obrigkeiten gewünschten Weise. In Greifswald musste das Collegium Sanitatis erfahren, dass durch die in Wieck erbaute 376  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, H. C. Voigt an Wismarer Rat (R, 28.11.1710). Vermutlich Hermann Caspar Voigt, der von 1721 bis zu seinem Tode 1731 Wismarer Bürgermeister war. Schröder, S. 49. 377  Ebd.: „Ingleichen ein bootsman, welchem, nachdem, selbige[m] die Pest=bäulen auffgebrochen, und dessen frau daher dH. Bürgermeister Rodde ersuchet, zuerlauben, daß, bey solcher bewandniß, ihr Mann, in die auff dem leuchtenfelde erbauete Baraquen gebracht, und alda wollig couriret und besser verpfleget werden möchte, dH. Bürgermeister geantwortet: Er wolte, daß Sie mit sampt ihrem Manne nach dem Teuffel wären, und habe ich dieses auß dem Munde eines gewissen freundes, gegen welchen gedachte frau, sich über die empfangene Antwort beklaget;“. 378  STAS: Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 21.09.1709). 379  Ebd., Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 04.10.1709). 380  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (K, 09.10.1709). 381  STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 01.09.1709). 382  STAS: Rep. 28, 375, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (K, 06.09.1710).

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Hütte, „die Leüte dreist gemacht würden, undt umb die Hütte herumb gingen, und dieselbe besuchen.“383 Eine abschre­ckende Wirkung hatte das Gebäude folglich nicht. In Rostock wurde es sogar nötig, eine extra Wachinstruktion für die Quarantänehütten zu erlassen. Zwei Passa­gen machen auch hier deutlich, dass das Verständnis für eine strenge Quarantäne unter der Bevölkerung nicht ausgeprägt war. Zum einen wurden die Internierten auf­ gefordert, ­„freünde Jung oder alt wan sie auß Rostock oder woher sie auch kommen“ nicht zu empfangen und andererseits hieß es, „die wachtleüte solln mit dem Schiffer boßleütn undt fögen [der internierte Rostocker Schiffer Johan Vöge] weder Eßen nich drinken noch von niemandt verstatn daß eß geschicht“, woraus zu schließen ist, dass es zu derartigen Situationen bereits gekommen war.384 Im Mai 1710 beschwerte sich der Rostocker Bürger Joachim Wilde über den Zustand der Hütten, in denen sich sein Sohn seit einiger Zeit aufhalten musste. Er beklagte, sein Sohn sei durch den Aufenthalt krank geworden, „die baraquen so drunten gemacht worden, sind lumpig darin“ und verwies auf seine Erfahrung bei Reisen nach Italien und Frankreich. Die dort bestehenden Baracken, „worinnen angekommene fremde leute gantz bequemlich logiren konten“, seien viel besser ausgestattet und erlaubten eine Ver­sorgung der Internierten.385 Die Antwort des Rates ist nicht erhalten. Der mangelnde Respekt gegenüber den Gebäuden führte in Rostock sogar zur Be­schädigung der Gebäude. Von einer der Baracken waren im Januar 1710 Bretter abgerissen und gestohlen worden. Offenkundig waren die Gebäude nicht besetzt ge­wesen, was dafür spricht, dass die Hütten nur besetzt wurden, wenn Schiffer bereits quarantäniert waren. Der Rat sah sich veranlasst, eine Belohnung von fünf Rthlr. auszusetzen und sicherte dem Denunzianten darüber hinaus die Geheimhaltung sei­nes Namens zu.386 Es scheint jedoch, als ob die Schuldigen nicht gefunden wurden, denn aus Sorge vor weiterem Diebstahl ließ Vogt Danckwertz Anfang Februar alle beweglichen Teile in Sicherheit bringen und die Baracken durch seinen Diener si­chern.387 Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Bedeutung der Quarantänehütten im Wesentlichen auf ihren praktischen Nutzen beschränkte. Die Abtrennung der ver­ dächtigen Personen und ihrer Güter war der eigentliche Zweck. Ein darüber hinaus­gehender Einsatz in der obrigkeitlichen Korres383  STAG: Rep. 5, 10626, Protokoll des Greifswalder Collegium Sanitatis (P, 05.11.1710). 384  AHR: 1.1.3.15 – 158, Schreiben (wohl der Rostocker Kanzlei; R, undatiert, wohl Ende 09.1709). 385  AHR: 1.1.3.15 – 159, Joachim Wilde an Rostocker Rat (R, 27.05.1710 und 30.05.1710). 386  Ebd., Ratsschluss (R, 04.01.1710). 387  Ebd., Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 06.02.1710).



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pondenz zur Herausstellung eigener vorbildlicher Maßnahmen ist marginal. Im Gegensatz zu den ausführlich dargelegten Passvorschriften, unerwünschten Personengruppen und der Art und Weise, wie mit bestimmten Waren verfahren wurde, steht das Schweigen über die vorhandenen Quarantänebaracken in einem Widerspruch. Die Nichterwähnung liegt darin begrün­det, dass alle anderen Maßnahmen stets auf die Fernhaltung infizierter Personen und Güter abzielten, während die Quarantäne potentielle Pestüberträger auf städti­ schem Gebiet duldete. Nur in einem engen Adressatenkreis wurde über die Bara­cken geschrieben. Hierbei handelte es sich meist um den innerstädtischen Aus­tausch zwischen Rat und ausführenden Stellen bzw. um den Kontakt zwischen Rat und Landesherrschaft. Die Korrespondenz mit Obrigkeiten außerhalb des eigenen Territoriums berührte das Thema nur selten und auch hier standen die Briefpartner in einem ohnehin engen Briefverhältnis. 2. Pestgalgen und Pesttafeln Die Aufstellung von Pestgalgen war eine der drastischen Maßnahmen, um den Un­tertanen und Reisenden deutlich zu machen, welche Art der Bestrafung bei Unge­horsam drohte. Die Abschreckungsfunktion tritt deutlich zutage. Rostock machte hiervon 1709 Gebrauch und verfügte an den Pässen Galgen errichten zu lassen.388 Die Galgen wurden ebenso an Wasserwegen aufgestellt und erfüllten hier dieselbe Funktion. Im Zuge der Absperrung Pommerns durch Herzog Friedrich Wilhelm im Sommer 1710 wurde die Überquerung der Recknitz verboten, „welche gäntzlich bey lebensstraffe mit setzung eines Galgens verbohten und auffgehoben wird“.389 An der offenen See hingegen wurden keine Galgen aufgestellt, was den grenzspezifischen Charakter unterstreicht. Einen weiteren Hinweis auf Pestgalgen gibt es in dem mecklenburg-­schwerinschen Edikt vom 7. November 1710. Die Grenzwachen wur­den dort angewiesen, jeden unerlaubt ins Land Kommenden „so fort auff der Stelle / ohn eintzig Pardon, niederzuschiessen / und darauff durch den nechsten Scharff=Richter an den darzu auffgerichteten Galgen hencken zu lassen“. Es waren folglich nicht die üblichen Gerichtsgalgen, an denen die Strafen vollzogen wurden. Da die Übeltäter an der Grenze erschossen werden sollten und dem nächsten Scharfrichter zu übergeben waren, ist es wahrscheinlich, dass die 388  St.,

Sp. 810. Vgl. Gaul (2005), S. 103. 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an die Beamten in Ribnitz, den Ribnitzer Rat „und andere Grenz-örter“ (K, 12.08.1710). Mit der gleichen Strafe drohte auch der Strelitzer Her­zog, als er verfügte, dass jeder, der „außerhalb des rechten Weges als ein Ein- und Durch­schleicher betroffen wird, ohne einige Gnade mit dem Strange am Leben bestraft werden solle.“ Zitiert nach Vi­tense, S. 249. 389  AHR:

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Aufhängung ebenfalls an der Grenze und an den seit August bestehenden Pestgalgen erfolgen sollte.390 Eine Schwierigkeit fällt auf: Woran erkannte ein Vorbeikommender, dass es sich um eine die Pest betreffende Botschaft des Herzogs handelte und nicht um eine ge­wöhnliche Richtstätte, die bestenfalls allgemein zum Befolgen der Gesetze aufrief? Es war der spezifische Ort der Aufstellung. Die Pestgalgen markierten an den Kreu­zungen der großen Straßen die Nebenwege, welche bei Strafe nicht betreten werden durften. Während die regulären Galgen an zentralen Orten in den Städten, zumindest aber gut sichtbar aufgestellt wurden, wurden durch Pestgalgen geografische Punkte markiert, die eine Möglichkeit zur Veränderung des Weges offenließen, dabei aber durchaus abseits liegen konnten. Auf diese Weise verdeut­lichten sie die von allen Territorialherren eingeführte Pflicht, nur die großen Land­straßen zu benutzen.391 Von der Pestgefahr musste der Reisende allerdings wissen, um das Symbol „Galgen“ entsprechend deuten zu können.392 In den fünf Seestädten fanden Pest­ galgen keine besondere Verbreitung. Bis auf das angeführte Rostocker Beispiel feh­len in den Quellen Belege für seine Verbreitung. In erster Linie ist das auf den be­grenzten territorialen Besitz der Städte zurückzuführen, während den fürstlichen Ob­rigkeiten größere Gebiete und damit mehr Straßenkreuzungen und Grenzwege un­ terstanden. Der Lübsche Rat erfuhr zwar durch Königsberg von den dortigen vor al­len Toren stehenden Galgen, an denen zur deutlichen Abschreckung ausdrücklich Personen mit falschen Pässen und / oder aus verdächtigen Orten aufgehängt werden sollten, ließ sich aber nicht zu derart drastischen Methoden verleiten.393 Während die Pestgalgen eine eindeutige Funktion besaßen, wurden Schandpfähle (so genannte Kaaks / Kacks) nicht speziell für diesen Zweck errichtet.394 Die in Lübeck im November 1710 durch den Rat erlassene 390  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 07.11.1710). 391  Da kein zusätzlicher Mittel- oder Personalaufwand nötig war, gehörte die Hauptstraßenpflicht zu den frühesten verfügten Maßnahmen, galt aber ebenso in seuchenfreien Zeiten. Reisende waren stets angehalten, die regulären Wege zu benutzen, auch um an Zollstationen Abgaben zu entrichten. 392  Vgl. Gaul (2005), S. 102–104. 393  AHL: ASA, Interna, Pest 5,1, Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 12.09.1710). In Wien wurden während der letzten beiden Pestepidemien 1679 und 1713–1714 für die zum Tode verurteilten Übertreter der Pestordnungen (Plünderer, untreue Bediente) extra „Schnellgalgen“, ebenfalls vor den Stadttoren, aufgestellt, um die Verurteilten zügig und an gut sichtbarer Stelle hängen zu können. Schmölzer, S. 98 und 180. 394  Zur Entwicklung und Nutzung der Schandpfähle vgl. Schwerhoff, Gerd: Verordnete Schande? Spät­ mittel­ alter­ liche und frühneuzeitliche Ehrenstrafen zwischen Rechtsakt und sozialer Sanktion, in: Blauert, Andreas / Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Mit



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Verkehrsordnung verschärfte beste­hende Regelungen und erwähnte erstmals Kaaks. Wer sich auf „einem verbothenen Neben-Wege antreffen“ ließ, sollte unabhängig vom Stand ans nächste Tor gebracht und dort bestraft werden. Bettlern und Landstreichern drohten dabei entweder der Schandpfahl oder die Auspeitschung.395 In Rostock waren bereits 1701 Anstalten getroffen worden, den „zum fall sich neigende[n] Kack“ auf dem Neuen Markt zu reparieren.396 Der Galgen vor dem Stein­tor wurde 1707, also kurz vor dem Auftreten der Pest im Ostseeraum, in Stand ge­setzt397. Ein Zusammenhang mit der Seuche ist unsicher. Für Stralsund gibt es kei­nen Hin­weis, dass einer der insgesamt sechs Pranger und Galgen in der Zeit eine besondere Aufmerksamkeit erfahren hätte398, ebenso in Wismar.399 In Greifswald arbeitete das Amt der Schmiede Ende 1709 an dem „Höltzernen Justice-Ross“, welches im Januar 1710 aufgerichtet wurde.400 Die Initiative hierzu ging, obwohl der Rat die Arbeiten zu zahlen hatte, vom Kommandanten aus, so dass nicht eindeutig ist, ob es sich nicht um eine Maßnahme zur gewöhnlichen Disziplinierung der Garni­son handelt. Andererseits war die Pestgefahr nach dem Seuchenausbruch in Stettin im gleichen Jahr in unmittelbarer Nachbarschaft, jedoch gibt es keinen greif­ baren Zusammenhang zwischen Pest und Bau des „Rosses“. Ausdrückliche Pest­schand­pfähle gab es nicht. Die zeitlich begrenzten Kaakstrafen entfalteten ihre Wirkung am besten in Städten mit viel Publikum. Dort existierten bereits Pfähle, so dass kein Neubau nötig war. Auf den Landstraßen waren die ohne Delinquenten schmucklosen Pfähle nicht geeignet, Furcht zu bewirken. Dahingegen waren Galgen schon von weitem an ihrer Form eindeutig zu identifizieren und verwiesen auf die endgültige Todesstrafe. Zur Anwendung dieser und anderer Körper- und Ehrenstrafen ist festzustellen, dass sie kaum verhängt wurden. In der Regel bestand die Strafe aus einer Geldbuße, die zwar für den Betroffenen empfindlich hoch sein konnte, den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1993, S. 158–188. 395  AHL: ASA, Interna, Pest 3,1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). Diese Verordnung erneuerte die wegen der Pest in Polen erlassene Bestimmung von 1709 (Verordnung des Lübschen Rates (D, 02.08.1709). 396  AHR: 1.1.3.22 – 287, Ratsschluss (R, 12.10.1701). 397  AHR: 1.1.3.22 – 288. 398  STAS: HS 583, S. 232 ff. HS 384, S. 125. 399  Der Wismarer Kaak befand sich auf dem Marktplatz und wurde nach dem Vorbild Rostocks 1799 abgebrochen. STAW: Ratsakte 3706, Protokoll des Bürgerschaftsausschusses (P, 05.07.1799), Protokoll des Kämmereiausschusses (P, 08.08.1799). Schlie, Friedrich: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin, Bd. 2, Schwerin 1898, S. 176. 400  STAG: Rep. 5, 2921, Schreiben des Amtes der Schmiede (R, 28.12.1709).

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ihn aber nicht ruinierte. Selbst wenn dieses der Fall war, wurde die Zahlungshöhe nach Einspruch angepasst oder ganz fallengelassen. Bei der Bestrafung standen nicht der Gewinn für die Stadt­kasse im Vordergrund, sondern die abschreckende Wirkung und der Nutzen für das Gemeinwohl. Wenn deutlich wurde, dass Übertretungen gesühnt, die Delinquenten aber nicht irreparabel geschädigt wurden und weiterhin Teil der Stadtgesellschaft blieben, war der Zweck erfüllt.401 Im Falle ihrer Verarmung hätte die Stadt ihre Fürsor­gepflicht wahrnehmen müssen und die Richter, zugleich Ratsherren, wollten die Almosenkästen und milden Stiftungen offensichtlich nicht unnötig belasten.402 So ist kein Fall überliefert, in dem ein Todesurteil auch nur ausgesprochen wurde. Die schärfsten Strafen im Untersuchungszeitraum waren in Rostock die Ver­ brennung eines Hausrats mit anschließender Ausweisung aus der Stadt, in Greifswald das An­legen des Halseisens. Betroffen waren, voneinander unabhängig, der Postknecht Jochim Wilcken, der Münzgraveur Adam Heynig und der Bauer Claus Levin. An Wilcken, der gefährliche Sachen wissentlich nach Rostock gefahren hatte, wurde ein Exempel statuiert. „[A]ndern zum Exempel, und ihn selbst zur wolverdinten Straffe“ lautete die Begründung, während in seinem Fall die anderen Beklagten mit den übli­chen Geldbußen davonkamen.403 Der aus Stettin gekommene Heynig, dem der Ge­ sundheitspass des Generalgouverneurs nichts nützte, wurde durch das Urteil (Haus­ratsverbrennung) dazu gezwungen, in Rostock zu bleiben und dort Bürger zu wer­den, was die Angelegenheit mehr unter dem Lichte einer fragwürdigen Peuplierungs­politik denn als Pestmaßnahme erscheinen lässt.404 Dagegen kam der Greifswalder Claus Levin relativ glimpflich davon. Er hatte einem Stralsunder Bäcker in der Pest­zeit Roggen verkauft und damit mutwillig gegen das städtische Verbot ver­ stoßen. Da er seinen Gefährten außerdem nicht informiert hatte, wurde er zu zehn Rthlr. verur­teilt oder musste das Halseisen tragen.405 Die Rostocker Urteile wurden öffentlich zelebriert, auf dem zentralen Punkt der Stadt: dem Marktplatz. In Greifswald heißt es, dass Levin in Reinberg, etwa 20 km vor der Stadt, abgestraft werden sollte. Die bei den Ahndungen anwe­senden Zuschauer waren in den Vorgang miteingebunden, indem sie durch ihre An­wesenheit den Aktionen zustimmten und diese 401  Eibach,

S. 184. ebd., S. 202. 403  AHR: 1.1.3.15 – 160, Verhörprotokoll (P, 19.01.1711), 1.1.3.15 – 133, Jochim Wilke an Rostocker Rat (R, 11.02.1711). 404  AHR: 1.1.3.15 – 133, Adam Heinig (Heynig) an Rostocker Rat (R, 06.03.1711), 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 20.09.1710), Reisepass (R, 30.08.1710), Ratsschluss (R, 15.10.1710), Adam Heynig (Heinig) an Rostocker Rat (R, 15.10.1710 und 17.10.1710), Verhörprotokoll (P, 20.09.1710), 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 20.08.1710. 405  STAG: Rep. 5, 10626, Verhörprotokoll (P, 25.09.1710). 402  Vgl.



III. Tertiärmedien205

als kommunikativen Akt begreifen konnten. Sie wurden zwar nicht offen ­adressiert (eine An­wesen­heitspflicht bestand nicht) aber Feuer, Rauch und ein Verurteilter waren deutliche Zeichen, mit denen der Rat die Zuschauer ermahnte und ihnen Unwissenheit als Form der Entschuldigung nahm.406 In Ergänzung zu den gedruckten Papierplakaten und dauerhafter als diese, kam es vereinzelt zur Aufstellung von Pesttafeln. Diese auch als „Zigeunerwarnstöcke“, „Taterpfähle“ oder „Heidenstöcke“ benannten Tafeln waren ein in vielen Territorien genutztes Kommunikationsmittel und fanden bis Ende des 18. Jahrhunderts vielfache Verwendung.407 Im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin wurden erstmals gemäß der Verordnung vom 12. November 1709 an den Grenzen und Pässen „gewiße verwarnungs=Pöste“ angebracht, auf denen über die verfügten Maßnahmen infor­miert wurde.408 Das Landeshauptarchiv Schwerin verfügt über eine blecherne Warnta­ fel, die in die Zeit kurz nach 1709 datiert wird. Ihren ursprünglichen Standort hatte sie an der Landesgrenze und dort mit einiger Wahrscheinlichkeit an einem der oben genannten Pfähle. Auf der Tafel werden Betteljuden und Zigeuner ermahnt, ob mit oder ohne Gesundheitspässe, das Land bei Todesstrafe nicht zu betreten. Die Drohung wird durch die Darstellung eines Gehenkten in der linken oberen Ecke auch optisch verdeutlicht.409 Die Adressaten dieser unmissverständlichen Botschaft waren in erster Linie Juden und Zigeuner, daneben aber auch alle anderen Reisenden. Auch den Nichtlesekundigen wurde durch das Bild die Botschaft deutlich gemacht und verhindert, dass sie in Verhören die Frage nach der Kenntnis des Verbotes ver­neinen konnten.410 Allerdings war die Botschaft verkürzt, denn der Gehenkte trägt keine Juden- oder Zigeunerattribute. Die durch die Tafel zur Eibach, S.  204 f. Martin: „In die Erde könnten sie nicht kriechen“. Zigeunerverfolgungen im früh­neu­zeit­lichen Schleswig-Holstein, in: Historische Anthropologie 4 (1996), S. 330–358, hier S. 244. Opfermann, Ulrich Friedrich: „Seye kein Ziegeuner, sondern kayserlicher Cornet“. Sinti im 17. und 18. Jahrhundert. Eine Untersuchung anhand archivalischer Quellen (Dokumente – Texte – Materialien 65), Berlin 2007, S. 141–146. Dort auch zwei Abbildungen von „Zigeunerblechen“ aus dem 18. Jahr­ hundert. 408  AHR, 1.1.3.11 – 68, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 12.11.1709). 409  LHAS: 2.12-2 / 3, Nr.  1266. Steinbruch, Brigitta: Blech in Akten – eine rostige Warnungs­tafel und ihre düstere Geschichte, in: Stier und Greif. Blätter zur Kulturund Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern, Bd.  13, Schwerin 2003, S. 194–195, hier S. 195. Ein Vergleich mit west­ deutschen Tafeln ergibt, dass die Bilder mindestens die Galgenstrafe zeigten, oft aber auch weitere ab­ schreckende Ahndungen (z. B. Pranger, Auspeitschung). Opfermann, S.  141 f. 410  Opfermann weist auf eine von der Norm abweichende Tafel aus Kurtrier von 1711 hin, die ab­bil­dungs­los war und „damit an den Adressaten vorbei[ging].“ Opfermann, S.  142 f. 406  Vgl.

407  Rheinheimer,

206

C. Einsatz und Wirkung von Medien

Abb. 17: Detail einer mecklenburgischen Pesttafel mit der Darstellung eines Gehenkten (LHAS: 2.12-2.3, Nr. 1266).

Schau gestellte Fürsorge des Landesherrn konnte durch die pauschale Ausgrenzung bei den Vorbeiziehenden ein Gemeinschaftsgefühl gegen die „gefährlichen“ Fremden erzeugen und die Pestängste auf bestimmte soziale Gruppen kanalisieren. Eher beiläufig ist von einer weiteren Pesttafel zu erfahren. Der Lübsche Rat beschwerte sich 1710 bei der kurfürstlichen Regierung in Ratzeburg. Diese hatte auf der Grönauer Heide „einen neüen Phahl mit einem Brette, davon der Zigäuner Straffe gemahlet“ gesetzt, was für die Ratsherren „höchst præjudicirlich und deren [der Stadt Lübeck] bekandten Gräntzen gantz nachtheilig seyn würde.“411 Die Lübecker verlangten die Wegnahme 411 Landesarchiv Schleswig (LAS): Abt. 210, Nr. 579, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (R, 06.09.1710). Für die spontane und unkomplizierte Hilfe bei der Recherche danke ich Karsten Christian (Rendsburg). Vgl. Rheinheimer, S. 344.



III. Tertiärmedien207

des Pfahls, der ihrer Ansicht nach unnötig sei, da „an diesem Ohrte […] sich ohnedem keine Zigäuner pflegen antreffen zu lassen.“412 Wäre der Pfosten nur überflüssig gewesen, hätte es vermutlich keinen Briefwechsel ge­geben. Sein Vorhandensein an der Grenze bedeutete aber auch, dass das Gebiet von jedem Vorbeiziehenden (Fuhrleute, Kaufleute, Reisende) mit „Zigeunern“ in Ver­bindung gebracht wurde und das wollten die Lübschen Ratsherren auf jeden Fall vermeiden. Mindestens ebenso wichtig war daneben der genaue Standort der Tafel, die nach Ansicht der Lübecker zu nahe an der Stadt gesetzt war und ihre Rechte beeinträchtigte.413 Entsprechende Hinweise auf eigene Pestschilder der fünf Seestädte fehlen, wohl aus demselben Grund wie Hinweise auf Pestgalgen. Trotzdem waren auch Pesttafeln nicht auf fürstliche Obrigkeiten beschränkt, wie ein Beispiel aus Bremen zeigt. Die Stadt ließ 1712 an ihren Grenzpfählen schwarze Schilder mit weißer Schrift an­brin­gen. Mit dieser Farbsymbolik wurde an die üblicherweise weißen Markierungen infi­zierter Häuser angeknüpft, während die schwarze Grundfarbe für Würde, Ernst aber auch den Tod stehen konnte. Der verwendete Text war im Gegensatz zu sonstigen wortreichen Erläuterungen ungewöhnlich knapp: „Stadt-Bremisch. Wer von einigen verdächtigen Orte sich einschleichet, soll am Leben gestraffet werden.“414 In der Korrespondenz der Obrigkeiten spielten die Pestgalgen und -tafeln kaum eine Rolle. Bis auf die angeführten Beispiele fehlen Belege. Aus der Sicht der Verant­wort­lichen war es nicht notwendig, andere Herrschaften mit den Einzelheiten aller ver­fügten Maßnahmen zu überschütten. Es genügte, darauf hinzuweisen, dass die Be­nutzung der Nebenwege unter Strafe stand und bestimmte Personengruppen nicht einreisen durften. Die bei anderen Bestimmungen zu findende Ausführlichkeit, be­sonders beim Umgang mit Flachs und Hanf sowie die detaillierten Be­ schrei­ bungen, was in welcher Form in einem gültigen Pass zu erwähnen sei, war dort notwendig, weil die berührten Personen und Waren unmittelbaren Kontakt mit den Städten hat­ ten und deshalb ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Genauigkeit erwünscht war, wohingegen die von den Pestgalgen und -tafeln Betroffenen überall unerwünscht waren und keinen Zutritt erhielten.

412  Ebd.

413  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 19.12.1710). 414  Zitiert nach Schwarz (1996), S. 36.

D. Exemplarische Pestkommunikation I. Unerwünschte Personengruppen 1. „Zigeuner“ und Bettler Der in den Quellen genutzte Begriff „Zigeuner“1 bezeichnet eine nichtsesshafte Gruppe von Menschen, auf welche die frühneuzeitliche Staatlichkeit nur sehr be­schränkten Zugriff hatte. Die Zuordnung zu einer bestimmten Ethnie ist unwahr­scheinlich und so ist die Bezeichnung in erster Linie auf das abweichende Sozial­verhalten verschiedener Personen zu beziehen.2 1  Im Folgenden werden zur Unterscheidung der frühneuzeitlichen Bezeichnung von der heute verbrei­teten Gleichsetzung des Wortes Zigeuner mit Sinti und Roma Anführungsstriche benutzt. 2  Im Zedler findet sich die Ansicht, es handele sich nicht um Angehörige eines Volkes, sondern um „ein zusammen gelauffenes böses Gesindel, […] Es finden sich hierbey abgedanckte und desertirte Soldaten, liederliche Bedienten und HandwerksPursche, die ihren Herren und Meistern nicht wollen gut thun, ungerathene Söhne, die ihren Eltern entlauffen, solche Weibes-Vetteln, die den Staupen­schlag erhalten, und sich weder durch Kuppeln noch huren etwas merh verdienen können.“ Zedler macht für die offensichtliche Andersartigkeit der „Zigeuner“ zwei Hauptgründe aus und bezeichnet die dunkel geschminkten Gesichter und den künstlichen Soziolekt als Mittel, „damit sie desto scheußlicher aussehen, und unwissenden Leuten die meynung desto eher beybringen, als ob sie aus den heissen Mittags-Ländern ihren Ursprung herführten.“ Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Begriff „Zigeuner“ gibt es in den untersuchten Pestakten nicht, er bezeichnet vielmehr einen Sammelbegriff für unerwünschte Personen. Vorarbeiten für das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch zeigen, dass zu den als charakteristisch geltenden Eigenschaften eine unklare Herkunft, Nichtsesshaftigkeit und krimi­nelles Verhalten gehören. Die letztlich aufgenommene Worterklärung lautet: „Zigeuner: Ange­höriger einer in der Regel sozial, in einigen wenigen Belegen auch tendenziell ethnisch gefaßten Minder­heit.“ Iris Wigger stellt in ihrer Untersuchung von 1998 fest, dass sich mit der Aufklärung eine Bedeutungs­ wandlung vollzieht. Ursprünglich gemeint waren mit „Zigeuner“ Angehörige des „sozial diskriminierten unnützen Volkes der ziehenden Gauner“ – also keine ethnische, sondern eine gesell­ schaftliche Kate­ gorisierung und erst im 18. Jahrhundert änderte sich die Wahrnehmung hin zu einem „rassistisch dis­ kriminierte[n] Volk der Zigeuner“. Eine genaue Definition bleibt allerdings schwierig, da aufgrund der Homonymie heute zum Teil innerhalb der Sinti und Roma selbst von einer Gleichartigkeit der Begriffe ausgegangen wird. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissen­schaften und Künste, Bd. 62, 2. Nachdruck der Auflage Halle / Leipzig 1732–1754, Graz 1999, S. 520– 544, hier S. 522–526. Awosusi, Anita: Das Zigeunerstereotyp. Zur Geschichte einer



I. Unerwünschte Personengruppen209

Die Abgrenzung zu „Bettler“ und „Landstreicher“ ist unscharf. Für diese beiden nichtsesshaften Gruppen kann ange­ nommen werden, dass es sich vornehmlich um Personen handelte, die durch Na­mens­gebung (Tauf- und Nachnamen), Geburtsort, Sprache / Dialekt und Konfession Gemeinsamkeiten mit der Bevölkerungsmehrheit besaßen. Auf „Zigeuner“ trafen diese Kategorien nicht oder nur teilweise zu, was sie als fremdartig und damit als potentiell gefährlich erscheinen ließ. In Zusammenhang mit der Pest­ bedrohung treten „Zigeuner“ fast ausschließlich in den normativen Texten in Erscheinung. Die fünf Seestädte, die Landesherrschaften MecklenburgSchwerin und Schwedisch Pommern sorgten sich während des Untersuchungszeitraums darum, dieser Perso­nengruppe den Zugang in das eigene Territorium zu untersagen, doch gibt es kaum Belege für die Notwendigkeit dieser Maßnahme und das Vorhanden­sein umherzie­hender „Zigeuner“.3 Ihre rassisti­ schen Konstruktion, in: Awosusi, Anita (Hrsg.): Stichwort: Zigeuner. Zur Stigmatisierung von Sinti und Roma in Lexika und Enzy­klopädien (Schriftenreihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deut­scher Sinti und Roma 8), Heidelberg 1998, S. 7–11, hier S. 8. Wigger, Iris: Ein eigenartiges Volk. Die Ethnisierung des Zigeuner­stereotyps im Spiegel von Enzyklopädien und Lexika, in: Awosusi, Anita (Hrsg.): Stichwort: Zigeuner. Zur Stigmatisierung von Sinti und Roma in Lexika und Enzyklopädien (Schriften­reihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma 8), Heidelberg 1998, S. 13–43, hier S. 17 ff. Bär, Jochen A. / Bär, Silke: Zur Verwendung des Wortes Zigeuner in der Frühen Neuzeit. Dar­ge­stellt mit dem Belegmaterial und nach der Methode des Frühneuhochdeutschen Wörter­buches, in: Awosusi, Anita (Hrsg.): Stichwort: Zigeuner. Zur Stigmatisierung von Sinti und Roma in Lexika und Enzyklopädien (Schriftenreihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deut­ scher Sinti und Roma 8), Heidelberg 1998, S. 119–155, hier S. 122–126 und 143. Uerlings, Herbert / Patrut, Iulia-Karin: „Zigeuner“, Europa und Nation. Einleitung, in: Uerlings, Herbert / Patrut, Iulia-Karin (Hrsg.): „Zigeuner“ und Nation. Repräsentation – Inklusion – Exklusion (Inklusion  /  Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart 8), Frankfurt am Main (u. a.) 2008, S. 9–63, hier S. 12. Dazu grundsätzlich: Lucassen, Leo: Zigeuner. Die Geschichte eines polizeilichen Ord­ nungsbegriffes in Deutschland 1700–1945, Köln / Weimar / Wien 1996. Vgl. zur Forschung der letzten Jahre sowie den Fremdbzw. Selbstbildern der „Zigeuner“: Lucassen, Leo: Zigeuner im frühneuzeitli­ chen Deutschland: neue Forschungsergebnisse, -probleme und -vorschläge, in: Härter, Karl (Hrsg.): Policey und früh­neu­zeitliche Gesellschaft (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 129), Frankfurt 2000, S. 235–262. Opfermann, S. 11–22, 47–111 sowie Hippel, Wolfgang von: Armut, Unter­ schichten, Rand­ gruppen in der frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 34), München 1995. Vgl. Meier (2008), S. 228–244. 3  Eine ausdrückliche (zeitweise) Duldung von „Zigeunern“, wie sie in verschiedenen Regionen des Reiches belegbar ist, kann im Untersuchungsgebiet nicht nachgewiesen werden. Die Untersuchung eines längeren Zeitraums könnte die von Lucassen für Süddeutschland festgestellte Häufung von „Zigeuner“-Edikten in der Zeit zwischen 1700 und 1720 vielleicht bestätigen und erklären helfen, wa­ rum es in diesen Jahren zu dieser auffälligen Intensivierung kam. Lucassen (1996), S. 52–59. Meuser, Maria: Vagabunden und Arbeitsscheue. Der Zigeunerbegriff der Polizei als

210

D. Exemplarische Pestkommunikation

Existenz im Untersuchungsgebiet beschränkt sich im We­sentlichen auf die erlassenen Verordnungen. Erste Hinweise auf die Verbindung zwischen Pest und „Zigeunern“ enthält das Edikt des mecklenburgischen Herzogs Friedrich Wilhelm vom 20. Februar 1705, welches im Januar 1708 mit nur wenigen Veränderungen fast wortwörtlich wiederholt wurde.4 In erster Linie richtet sich die Verordnung gegen die Einreise polnischer Juden, denen die Verbreitung der Seuche vorgeworfen wird. Unter den uner­wünschten Gruppen finden sich aber auch „Zigeuner, fremde Bettler [… und] ander Gott= und Herren=loses Gesinde“, denen die Einreise nach Mecklenburg in jedem Fall unter­sagt wird.5 Aus der pauschalen Nennung wird deutlich, dass der Text alle Eventualitäten abdecken will und „Zigeuner“ zur in diesen Fällen üblichen Reihung „Juden, Bettler und Zigeuner“ gehörten, mit denen die Gesamtheit unerwünschter Menschen abgedeckt wurde. Dieser sprachliche Dreiklang findet sich fast immer wieder in den Verfügungen und zeigt, dass der Wortlaut einer bestimmten Text­tradi­tion folgt.6 In Rostock übernahm man die Verordnung sinngemäß, passte sie den örtlichen Ge­gebenheiten an und drohte allen Einwohnern schwere Strafen soziale Kategorie, in: Hund, Wulf D. (Hrsg.): Zigeuner. Geschichte und Struktur einer rassistischen Konstruktion, Duisburg 1996, S. 107–128, hier S. 111 ff. 4  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (K, 09.01.1708). 5  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 20.02.1705). 6  Kronauer weist auf die Schrift des Altdorfer Professors Wagenseil von 1697 hin, nach der es sich bei Zigeunern eigentlich um Juden handele, die aus Furcht vor Verfolgung eine neue Identität an­ge­nommen hätten. Dieser Gruppe seien im Laufe der Zeit „allerley Lumpengesind aus den Christen“ beigetreten, „denen das freye und keiner Oberkeit unterworffene Leben […] wol gefiel“. Wagenseils These war bis in das 19. Jahrhundert maßgebend und wurde, wenn auch nicht unwidersprochen, viel­fach aufgegriffen. Kronauer, Ulrich: Vom gemeinsamen Vorurteil gegenüber „Juden, Zigeunern und derlei Gesindel“ im 18. Jahrhundert, in: Uerlings, Herbert / Patrut, Iulia-Karin (Hrsg.): „Zigeuner“ und Nation. Repräsentation – Inklusion – Exklusion (Inklusion / Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart 8), Frankfurt am Main (u. a.) 2008, S. 137–150, hier S. 137–139. Zitiert nach Wagenseil, Johann Christoph: Buch von der Meister-Singer Holdseligen Kunst (Aus: De civitate Noribergensi commentatio, Altdorf 1697). Hg. von Horst Brunner (Litterae. Göppinger Beiträge zur Textgeschichte 38), Göppingen 1975, S.  440 f., 446 f. Biester, Johann Erich: Ueber die Zigeuner; besonders im Königreich Preußen, in: Berlinische Monatsschrift 21 (1793), S. 108–165, 360–393, hier S. 150. Grellmann, Heinrich Moritz Gottlieb: Historischer Versuch über die Zigeuner betreffend die Leben­ sart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes seit seiner Erscheinung in Europa und dessen Ursprung, 2., bearb. Auflage, Göttingen 1787, hier S. 241 f.



I. Unerwünschte Personengruppen211

an, wenn sie „Zigeuner[n] und fremde[n] Bettler[n]“ Obdach gewährten.7 Die nachträgliche, zusam­ men­ fassende Bezeichnung der Unbeliebten als „dieses gesindel“ macht deutlich, dass beide Begriffe weitgehend synonym verwendet wurden.8 In dem auf Betreiben des Stralsunder Rates veranlassten Briefverkehr zwischen den Ärzten Lübecks und Stralsunds aus dem Januar 1708 wird erwähnt, dass „überall“ in der Umgebung Lübecks die Einreise polnischer Juden und von Zigeunern untersagt sei. Während eine Einschränkung des Verkehrs mit Polen angesichts der dort aufge­tretenen Pest sinnvoll war, wird der Zusammenhang zwischen der Pest und „Zigeu­nern“ nicht klar. Für sie galt eine totale Ächtung und es war unerheblich, ob sie ihren Weg aus Polen oder anderen Orten her nahmen.9 Während der langjährigen Streitigkeiten zwischen Stralsund und Greifswald um die Aufsicht über die Fähren zwischen Pommern und der Insel Rügen warfen die Stral­ sunder dem Greifswalder Stadtrat vor, in seinem Bereich die unwillkommenen Per­sonengruppen nicht effektiv abzuhalten.10 Die komplette Nennung aller Gruppen beschränkte sich auf die initiale Aufzählung bzw. die erste Erwiderung aus Greifs­wald. Im Folgeschreiben des Stralsunder Rates, in dem auf die tatsächlichen Miss­stände eingegangen wird, ist nur noch von „allerhandt verdächtige[n] leüte[n …] Undt insonderheit bettler[n]“ die Rede und einem Gasthaus, welches „fast beständig voller bettler u. andern verdächtign Gesinde“ sei.11 Eine gesonderte Gruppe von „Zigeu­ nern“ fanden die Stralsunder Kundschafter nicht und im letzten ­Schreiben von 1708 heißt es dann auch, dass „insonderheit bettler sich hier einfindn“.12 7  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Rostocker Rates (E, 28.10.1708). Die Verordnung vom Oktober wiederholte einen Er­lass vom 22.01.1708. 8  Ebd. 9  STAS: Rep. 14, 88, Dr. Nicol. Hanneken an Physikus Neukrantz (R, 31.01. 1708). 10  „Landstreicher, Bettler, Zigeuner, Juden“, „bettler Judn Zigeuner u. landtstreicher“, „fremde bettler, landstreicher, Juden, Zigeuner pp“, „Landstreicher, Bettler, Zigeuner, Juden“. STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 01.08.1708), Greifswalder Rat an Stralsunder Rat (R, 10.08.1708) und Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 19.10.1708). 11  Ebd., Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 19.10.1708). 12  Ebd. Vgl. STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an Stralsunder Rat (E, 24.08.1709) = STAS: Rep. 14, 89, Greifswalder Rat an Stralsunder Rat (R, 24.08.1709). STAG: Rep. 5, 10626, Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (R, 18.08.1709) = STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 18.08.1709). AHR: Rep. 3, 150, 1708, Ratssitzung vom 06.08.1708, Punkt 2 und 08.08.1708, Punkt 6, 22.08.1708, Punkt 12, Rep. 3, 150, 1709, Ratssitzung vom 19.08.1709, Punkt 4.

212

D. Exemplarische Pestkommunikation

Auch im Folgejahr 1709 veränderte sich die Wahrnehmung der „Zigeuner“ nicht. Am 1. August 1709 informierte die schwedisch pommersche Regierung die Landes- und auswärtigen Obrigkeiten, dass sie wegen der Pest in Danzig „alle Bettler / Zigeuner und Juden“ nicht in ihrem Territorium haben wollte und ihren Aufenthalt auch mit Pässen nicht gestattete.13 Im Mittelpunkt dieser wie der meisten anderen Ver­ord­nungen standen jedoch die Bekanntgabe der boykottierten Orte sowie Pass­ vor­schriften, um eine Einschleppung der Seuche zu verhindern. Die drei gesondert auf­ gelisteten Personengruppen unterschieden sich von anderen Reisenden dadurch, dass sie keine Möglichkeit hatten, auf legalem Wege ins Land zu kommen, denn ihre Gesundheitspässe sollten grundsätzlich nicht akzeptiert werden.14 Die Pest diente somit als Gelegenheit, bestehende Bestimmungen zu wiederholen. Dadurch, dass die Aus- und Abweisung bestimmter Personen mit der Seuchengefahr zusammen genannt wurde, muss sich bei den Adressaten der Eindruck verfestigt haben, als ge­hörten Pest, „Bettler / Zigeuner und Juden“ zwingend zusammen.15 Die Art der Bestrafung, die ergriffene „Zigeuner“ zu erwarten hatten, unterschied sich von den Methoden, die für die Mehrheitsbevölkerung vorgesehen waren.16 In Lübeck galt, dass sie und Bettler an einen vor einem 13  STAS: Rep. 14, 89, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709) = AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709). 14  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnungen des Lübschen Rates (D, 21.11.1710, 02.08.1709, 30.08.1710 und 05.08.1709), 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709), 4 / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 24.10.1709), 5 / 1, Verordnung des Kurfürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 12.08.1710), Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710). AHR: 1.1.3.15 – 82, Verordnung des Rostocker Rates (K, 26.08.1709), 1.1.3.15 – 158, Verordnungen des Rostocker Rates (E, 26.08.1709 und 03.09.1709), 1.1.3.15 – 159, Verordnungen des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 19.12.1710 und D, 18.08.1710), Verordnung des Rostocker Rates (D, 24.08.1710), Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). STAS: Rep. 13, 1862, Verordnung des Kurfürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 12.08.1710). STAG: Rep. 5, 10626, Schreiben des Kommandanten Eldstierna in Stralsund (R, 12.08.1709), zwei Verordnungen (des Greifswalder Rates oder des Collegium Sanitatis; undatiert, wohl 08.1709). 15  STAS: Rep. 14, 89, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709) = AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709). 16  Lucassen weist darauf hin, dass zwischen angeordneter und tatsächlich vollstreckter Strafe oft ein Wider­spruch bestand, indem „Zigeuner“ nicht anders bestraft wurden als andere Vagabunden. Lucassen (1996), S. 42 ff. und 55. Generell erwartete Nichtsesshafte jedoch eine härtere Strafe als die sess­hafte Bevölkerung. Schuck, Gerhard: Arbeit als Policeystrafe, in: Härter, Karl (Hrsg.): Policey und früh­ neuzeitliche Gesellschaft (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäi-



I. Unerwünschte Personengruppen213

Stadttor aufgestellten Schand­pfahl gebracht wurden oder mit Ruten geschlagen wurden. Andere Personen sahen einer Geldbuße, Gefängnisstrafe oder der Ausweisung entgegen, erst beim zweiten Mal drohte auch ihnen eine „unausbleibliche[…] Leibes-Straffe“. Geeint wurden beide Gruppen dadurch, dass die Lübschen Soldaten „Macht / und expresse Ordre“ beka­men, auf flüchtende oder sich widersetzende Übeltäter zu schießen.17 In Rostock verfügte der Rat bei Bettlern, Juden, „Zigeunern“ und abgedankten Soldaten eine Ahndung in Form des Halseisens und anschließender dauerhafter Ausweisung. Bei „normalen“ Gesetzesbrechern genügte eine mehrjährige Ausweisung, das Halseisen kam nur bei Reisenden ohne jeden Pass in Anwendung. Für Einwohner der Stadt hingegen galten Geldstrafen zwischen fünf und zehn Rthlr.18 Die vor­pommerschen Stände erklärten, alle im Land ergriffenen „Zigeuner“, aber auch fremde Bettler seien nicht nur zu schlagen, sondern in Form eines Brandmals dauerhaft zu kennzeichnen. Gerechterweise wurde ihnen eine Frist von einem Monat gesetzt, innerhalb der sie das Land zu verlassen hatten.19 Die genutzten Formulierungen, in denen „Zigeuner“ stets Teil einer Gesamtmenge unerwünschter Personen sind, legen den Schluss nahe, dass diese Gruppe in den fünf Seestädten selten, vielleicht auch gar nicht vorhanden war. Anders als Juden, welche zumindest in Lübeck eine Konstante im Wirtschaftsleben darstellten20 und wegen deren Vorhandensein sich fremde Obrigkeiten mehrfach beim Lübschen Rat beschwerten und anders sche Rechts­ geschichte. Sonderhefte, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 129), Frankfurt am Main 2000, S. 611–625, hier S. 612. 17  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710) = AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). In Schwedisch Pommern verfügte die Regierung ab September 1709 „Bettler Juden und dergleichen Gesindel […] mit nieder schießung von den Grentzen abzuhalten“, wobei „Zigeuner“ nicht gesondert erwähnt wurden. STAS: Rep. 13, 589, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (K, 22.09.1709). Die Ausweisung stellt laut Schwerhoff „die meist­gewählte Sanktion der vormodernen Kriminaljustiz“ dar. Opfermann konstatiert im von ihm unter­suchten westdeutschen Raum ab etwa 1720, dass Leibesstrafen die häufigste Bestrafungsform dar­ stellten. Opfermann, S. 182– 184. Schwerhoff, Gerd: Aktenkundig und gerichts­notorisch. Einfüh­rung in die Historische Kriminalitätsforschung, Tübingen 1999, S. 103. 18  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Rostocker Rates (D, 24.08.1710). 19  STAS: Rep.  13, 589, schwedisch pommersche Landstände an schwedisch pommersche Regierung (E, 30.09.1709). Die in anderen Regionen häufig angeordnete Brandmarkung, welche bei Wieder­ holungs­ tätern als letzte Warnung vor der Todesstrafe angewandt wurde, findet sich im Unter­ suchungs­ gebiet selten. Opfermann, S. 186. Lucassen (1996), S. 40. 20  Vgl. Guttkuhn, Peter: Die Geschichte der Juden in Moisling und Lübeck. Von den Anfängen 1656 bis zur Emanzipation 1852 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck 30, Reihe B), Lübeck 1999.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

als Bettler, deren häufig verfügte, detaillierte Ausweisung ihre Anwesenheit vor Ort voraussetzt, heißt es in den Verordnungen zu „Zigeunern“ meist nur, dass sie abgewiesen werden sollen. Es ist kein Fall bekannt, in dem eine individuell fassbare Person als „Zigeuner“ klassifiziert wird, wohingegen Bettler und Juden mehrfach als Schiffspassagiere oder Landreisende namentlich aufgeführt werden. Einzelverordnungen zu „Zigeunern“, wie sie für Bettler und Juden vorhanden sind, existieren ebenfalls nicht. Lediglich einmal berichtete der Stralsunder Strand­ reiter Spiegelberg im September 1709, er habe bei einem Patrouillenritt in Brandes­hagen drei „Taters“ angetroffen und „sie ver jaget biß auff die Greiffswaldische gräntze“.21 Ob diese „Taters“, wie Nichtsesshafte in Anlehnung an das Volk der Tataren im skandinavischen Raum auch genannt werden, identisch mit dem Perso­nen­ kreis waren, der im Sinne der Verordnungen ein „Zigeuner“ war, bleibt unklar.22 Das Wort „Tater“ taucht in keiner weiteren Quelle auf. Einzig für Lübeck existiert ein einmaliger Vorwurf der fürstbischöflichen Regierung in Eutin, demzufolge Eutiner Strafaktionen wirkungslos seien, weil die „Zigeuner“ auf Lübschem Gebiet Unter­schlupf fänden.23 Überdies ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass sich „Zigeuner“ in einer der fünf Städte oder ihrem Territorium aufhielten.24 Das Vorhandensein von Bettlern im Untersuchungsgebiet hingegen ist unstrittig.25 Eine Duldung durch die Obrigkeit konnten aber nur örtliche Arme erwarten und so richten sich die Regelungen, die das Betteln in den Städten verbieten, gegen die von auswärts anreisenden Personen, für deren Unterhalt eigentlich die Heimatkommune zuständig war.26 In den Verordnungen wird sehr oft ausdrücklich betont, dass es sich um „fremde Bettler“ handelt, denen 21  STAS:

Rep. 14, 91, Schreiben (wohl der Stralsunder Kanzlei; R, 25.09.1709). Gegensatz dazu geht Rheinheimer mindestens für die Gebiete Schleswig und Holsteins „von einem relativ präzisen Gebrauch des Begriffes“ und einer ethnischen Definition aus. Seiner Ansicht nach besaßen Obrigkeiten und Bevölkerung ein klares Bild von dem, was ein „Zigeuner“ sei. Allerdings bleibt er in seinen Ausführungen entsprechende Quellenbelege schuldig und vermerkt, dass die Mehr­heit der „Zigeuner“ aus Norddeutschland stammte. Rheinheimer, S. 332 und 350. Vgl. Meier (2008), S.  228 f. 23  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, fürstbischöfliche Regierung zu Eutin an Lübschen Rat (R, 18.11.1710). 24  Vgl. die von der Eutiner und Ratzeburger Regierung initiierte Vertreibung der „Zigeuner“ in den Jahren 1710 und 1711 (Kap. B.IV) sowie Rheinheimer, S. 338 und 344 f. 25  Zu den Gründen (Bevölkerungswachstum, Landarmut) siehe Wehler, HansUlrich: Deutsche Ge­ sell­ schafts­ geschichte, Bd.  1, 3. Auflage, München 1996, S. 140 ff, 159 ff., 170 ff. Opfermann (Opfermann, S. 41) schätzt den Anteil der wandernden Armen an der Bevölkerung des Reiches auf fünf bis zehn Prozent. 26  Opfermann, S.  42 f. 22  Im



I. Unerwünschte Personengruppen215

kein Aufenthaltsrecht zustand und die ihren Tätigkeiten nicht nachgehen durften.27 Für sie galt, dass ihnen selbst das Vor­handen­sein einwandfreier Gesundheitspässe keine Einreise ermöglichte. Zusammen mit (polnischen) Juden und „Zigeunern“ wurden sie daher zu einer Gesamtgruppe unerwünschter Personen zusammengefasst, deren Behandlung (Abweisung) meist in einer Verordnung gebündelt wurde. In Lübeck erarbeitete der Rat im November 1710 einen Erlass, der sich gegen „frembdes Gesinde und BettlerVolck“ richtete und eine bessere Kontrolle der Haupt- und Nebenwege im Lübschen Territorium sicherstellen sollte.28 An dieser Stelle wird zum einzigen Mal in den Pestakten festgelegt, dass den Ergriffenen „ohne andern Process“ die Zurschaustellung an einem Schandpfahl oder eine öffentliche Prügelstrafe drohte.29 Alle anderen Gesetze der fünf Seestädte beschränken sich auf den Hinweis, Bettler seien von den Grenzen abzuhalten. Mit dieser Regelung agierten die städtischen Obrigkeiten verhältnismäßig milde. Im Ver­ gleich dazu drohte fremden Bettlern im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg seit 1699 eine Gefängnisstrafe. Ergänzt wurde dieser Befehl im August 1710, als die alten und arbeitsunfähigen Bettler nach einem Tag Haft in das Ausland abgeschoben werden sollten, während die jungen und starken Bettler innerhalb des Landes zu öf­fentlichen Arbeiten („ad operas publicas“) zwangsverpflichtet wurden.30 In Mecklen­burg-Schwerin wurden fremde Bettler immerhin vorher verwarnt, das Land zu räu­men. Erst beim zweiten Mal und 27  Z.  B. AHL: ASA, Interna, Pest 3  /  1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 02.08.1709). Für die in der Regel nicht aufgeführten ein­heimischen Bettler galten andere Vorschriften. In Stralsund sollten sie auf Wunsch des Rats­ver­wandten Abraham Richter mit Pässen ausgestattet und ein- und ausgelassen werden. STAS: Rep. 14, 90, Kontrollzettel (R, 22.10.1709). 28  AHL: ASA, Interna, Pest 3  /  1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710) = AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). 29  Ebd. In ähnlicher Weise drohten in Holstein-Gottorf allen nach dem 13. August 1711 an­ ge­ troffe­ nen Bettlern der Staupenschlag, eine Brandmarkung und die anschließende Ausweisung. AHL: ASA, In­terna, Pest 7, Administrator für das herzogliche Schleswig und Holstein an Lübschen Rat (R, 14.08.1711) und Verordnung des Administrators für das herzogliche Schleswig und Holstein (K, 13.08.1711). 30  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 22.08.1710) und Verordnung des Kurfürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 12.08.1710). Der Einsatz der öffentlichen Arbeits­strafe im Gegensatz zur Ausweisung setzte sich seit dem 17. Jahrhundert in Mitteleuropa durch und wurde zum Teil als mildernde Ahndung bei einer ursprünglich verhängten Todesstrafe eingesetzt. Die Kosten für Unterbringung und Verpflegung hatte der Verurteilte prinzipiell selbst zu zahlen, so dass dem Gemeinwesen nur materielle Vorteile erwachsen sollten. In dieser Weise wurden auch die Kosten der Quarantäne den Betroffenen aufgebürdet. „Im Prinzip ‚Arbeit‘ waren der Besserungs-, Ver­ geltungs- und Abschreckungsgedanke wie auch die ökonomischen Interessen an der Nutzung der Arbeitskraft sowohl miteinander verknüpft als auch legitimiert.“ Schuck, S.  619 f. Vgl. Kröner, Wolfgang: Freiheitsstrafe und Strafvollzug in den Herzogtü-

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sofern sie „starcken Leibes sind“, sollte man sie „in verhafft bringen / und zu denen vorfallenden Arbeiten / bey Wasser und Brot anstrengen“.31 Wenn es vor Ort keine Verwendung gab, sollte der Herzog benach­richtigt werden, der dann ihre Verwendung „ad operas publicas“ anordnete oder sie mit Staupenschlägen des Landes verwies.32 Trotz der Verfügungen hielten sich immer wieder Bettler in den Seestädten auf. Ver­mutlich konnten sie an den Toren Papiere vorweisen und behaupteten, sich eine Ar­beit in der Stadt zu suchen oder Handel zu treiben.33 In Lübeck befasste sich das Offizium Sanitatis Ende Oktober 1710 mit der Problematik und verhörte die Proviso­ ren des St.-Annen-Klosters. Ihnen wurde vorgeworfen, bei der Fortschaffung der Bettler von den Straßen versagt zu haben. Die Provisoren erwiderten, es sei un­mög­lich, alle Bettler in das Kloster zu schaffen. Neben dem offen vorgetragenen Argu­ ment, die Bettler würden womöglich das Kloster mit Krankheiten infizieren, zeigt der Beschluss des Offiziums, das es ein Autoritätsproblem gab. Denn zur Unter­ stützung der im Auftrag der Provisoren handelnden Vögte wurde künftig die Stadt­wache ein­gesetzt, um unbotmäßige Bettler zum Verlassen öffentlicher Plätze zwingen zu können. Im Protokoll heißt es, dass sie vor das Kloster gebracht werden sollten.34 Eine Ausweisung scheint zunächst nicht stattgefunden zu haben, denn Anfang Dezember erschien einer der Provisoren erneut vor dem Offizium, wo ihm „vor guten anfang in wegnehmung der bettler von gaßen“ gedankt wurde.35 Sein Bedenken, das Offizium möge mehr Raum für die ergriffemern Schleswig, Holstein und Lauenburg von 1700 bis 1864 (Rechtshistorische Reihe 63), Frankfurt am Main (u. a.) 1988, S. 2–25. 31  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 08.09.1710). 32  Ebd. Bislang ist noch nicht untersucht worden, ob die ge­fan­ge­nen Männer zur mecklenburgischen Armee gepresst wurden und sich unter den durch Herzog Friedrich Wilhelm an andere Fürsten ver­mieteten Soldaten auch landfremde Bettler und „Zigeuner“ befanden, wie es vor allem in Hessen-Kas­sel, Sachsen und Württemberg vorkam. Opfermann, S. 44. 33  Ein in Warnemünde angekommener Mann, den Hafenvogt Danckwertz als Soldaten identifizierte, gab etwa an, er sei weder Soldat noch Bettler und könne mit seinen Papieren beweisen, dass er ein ehr­licher Wandschneider sei. AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 15.08.1710). Über einen durch Stral­sunder Bediente bei einer Rügenfähre aufgegriffenen alten Mann heißt es, dass er in Karlskrona bet­teln war, während er behauptete, dort eine Erbschaft geholt zu haben. STAS: Rep. 35, 6, Schreiben des Notars Wulff (R, 17.06.1711). 34  AHL: ASA, Interna, Pest 6  / 2, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 30.10.1710). 35  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 02.12.1710).



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nen Bettler zur Verfügung stellen, wurde zur Beratung angenommen, doch ist die Entscheidung nicht dokumentiert.36 Als problematisch erwies sich die Fortschaffung und Strafverschärfung, als Lübeck unter Pest­gerüchten zu leiden hatte. In einem Schreiben an den Leipziger Magistrat im Januar 1711 erklärten die Lübecker Ratsherren, dass wahrscheinlich ausgewie­sene Bettler für die Gerüchte über eine Verseuchung Lübecks verantwortlich seien und die Geschichten aus Groll verbreiten würden.37 Auf diese Weise konnten die Uner­wünschten, obwohl sie über keine mächtigen Fürsprecher verfügten und inner­halb der sozialen Hierarchie unten standen, zu einer wichtigen Komponente im Nach­ richten­ austausch werden. Die Voraussetzung war, dass es ihnen gelang, als glaub­ würdig eingestuft zu werden, wofür außer diesem Vorgang allerdings Belege fehlen. In Wismar sahen die Verantwortlichen besonders zu Beginn der Krise im August 1709 Handlungsbedarf. Der Rat bat das Tribunal, über das schwedische Militär si­cherzustellen, dass Bettler nicht eingelassen werden sollten und ihnen zusätzlich verboten sein solle, sich in der Nähe der Wachhäuser aufzuhalten.38 Die Bitte zeigt, dass sich das Bettlerproblem nicht durch eine Ausweisung lösen ließ, denn wer nicht in der Stadt bleiben durfte, blieb eben in einem gewissen Abstand vor der Stadt. Viele ließen sich auch trotz des Verbots nicht abhalten und so stellten Rat und Bür­gerschaft fest, „[e]s ging[en] so viel Bettler in der Stadt, daß [das] Examen genauer seyn müsse.“39 Das Tribunal folgte dem Gesuch und forderte den Vize­gouverneur auf, sich der Pestgefahr anzunehmen. „[A]ls auch die tägliche erfahrung giebet, wie sehr man dieses ohrts mit frembden bettlern incommodiret 36  So entschied das Offizium etwa sehr allgemein, dass eine in der Stadt umhergehende und mit Vor­ zei­ gen ihrer Beulen bettelnde Frau „vondergaßen gehalten werden“ solle, was nichts über den späte­ren Verbleib und Umgang mit der Frau aussagt. AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 19.12.1710). 37  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 2, Lübscher Rat an Leipziger Rat (E, 03.01.1711). 38  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Ratsprotokoll (P, 05.08.1709), Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709). Auch in Stralsund war der Rat auf das schwedische Militär und dessen Einsicht an­ge­wiesen, um Bettler fernzuhalten, denn die städtischen Torschreiber verfügten nicht über die not­wendige Autorität (Waffen), um renitente Personen aufzuhalten. STAS: Rep. 35, 6, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 01.09.1710), Stralsunder Collegium Sanitatis an Stralsunder Rat (R, 12.11.1710), Rep. 13, 1862, Ratsprotokoll­ auszug (R, 01.09.1710), Rep. 14, 83, Stralsunder Rat an Kommandant Schoultz von Ascheraden (E, 26.04.1711), Stralsunder Collegium Sanitatis an Stralsunder Rat (R, 24.04.1711) und Ratsprotokollauszug (R, 24.04.1711). Vgl. die Bitte des Greifswalder Rates an den Generalgouverneur um Ver­stärkung der Garnison, um den Verkehr besser zu kontrollieren und Bettler abhalten zu können. STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommerschen Generalgouverneur (E, 18.08.1709). 39  STAW: Ratsakte 82, Sitzung vom 02.10.1709.

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wird“, sollte Oberst Posse die Bettler weder in die Stadt einlassen noch ihr Lagern zwischen den Wachen ges­tatten.40 Eine öffentliche Bekanntmachung erfuhr diese Regelung durch eine im Namen des Königs gedruckte Verordnung des Tribunals wenige Tage später.41 Gänz­ lich erfolgreich war die Verordnung jedoch nicht und so beschwerte sich das Tribunal im März 1710 bei Posse und hielt ihn an, besser auf Bettler zu achten, damit sie sich nicht einschleichen können, „wie eine Zeitlang verspüret“.42 Nachdem sich der Erfolg auch im zweiten Jahr nicht einstellen wollte, bat der Rat das Tribunal, mit­tels des Militärs „die unnützen bettler auff einen hauffen, und so mit ein­mahl zur Stadt hinauß zu bringen“.43 Diejenigen, denen das Bleiben erlaubt sein sollte, müssten ein separates Bettelzeichen erhalten, mit dem sie sich ausweisen könnten. Wie wenig sich die Verfemten bislang um die Gesetze der Stadt kümmerten, zeigt sich daran, dass „man hörte, daß sie einen eigenen krug hätten, und sich alda offt lustig macheten.“44 Das Tribunal befand den Vorschlag des Rates für gut und entschied, „[m]an wolte dem Obristen die sache so vorstellen, alß w[en]n alles vom Tribunal herkähme“.45 Die tatsächliche Absprache über die Einzelheiten der vom Rat ge­wünschten Maßnahmen wurde jedoch durch dessen Deputierte und Oberst Posse ­durchgeführt. Der Rat erreichte sogar eine Bestätigung aller Punkte durch General­gouverneur Vellingk. Das Hereinkommen von Bettlern sollte endlich verhindert wer­den. Die in der Stadt vorhandenen Personen sollten amtlich gemeldet werden und „dan zu zeiten auf einem gewißen tage, durch die bettel vögde und denen prophosen von der milice zusammen gezogen, und auß der Stadt begleitet werden“.46 Zusätz­lich sollte der Rat die Wirte anweisen, keine Bettler zu beher­ber­gen. 40  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Kommandant Posse (K, 14.08.1709). 41  Ebd., Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal) (D, 16.08.1709). 42  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Kommandant Posse (K, 04.03.1710). 43  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 03.09.1710). Vgl. Ratsakte 82, Sitzung vom 26.08.1709, Punkt 2 und Abt. VI, Rep. 5, A, 18, Ratssitzung vom 04.09.1709 (S. 187 ff.). Der Versuch des Ra­tes, die Bettler mit eigenen Mitteln amtlich zu verzeichnen und anschließend auszuweisen, war an­scheinend nicht von dauerhaftem Erfolg. 44  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 03.09.1710). 45  Ebd. sowie Schreiben des Wismarer Rates (R, 03.09.1710). In dieser „Designatio derjenigen Puncten, welche, mit dH. Obristen, und Commendanten H. Baron von Possen, zu besprechen“, wird mit dem kommenden Sonnabend sogar ein konkreter Termin genannt, um die Bettler durch das Militär „auf ein mahl“ aus der Stadt zu schaffen. 46  Ebd., Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (03.10.1710).



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Ähnliche Schwierigkeiten, Bettler abzuhalten, hatten auch die anderen Seestädte. In Rostock erteilte der Rat im Januar 1708 den Auftrag, alle fremden Bettler in der Stadt zu überprüfen. Die wirklich bedürftigen sollten einmalig Almosen erhalten, dann aber sofort ausgewiesen und im Wiederholungsfall bestraft werden.47 Die Ausweisung erfolgte zu diesem frühen Zeitpunkt noch ohne Bezug zur Pest in Polen und war ei­ner der wiederkehrenden Versuche, dem allgemeinen Bettlerproblem gerecht zu werden.48 Spätestens mit Beginn der sich verdichtenden Nachrichten über Krank­heiten in Polen im Sommer 1708 wurde die Abwehr unerwünschter Personen fest mit dem Seuchenthema verbunden und die Öffentlichkeit sensibilisiert.49 Bei den Verordnungen konnten sich die Autoritäten nur bedingt auf die Unterstützung durch die Bevölkerung verlassen, denn besonders die Menschen außerhalb der Stadtmauern waren oftmals bereit, Fremde für Bezahlung, kleine Dienste oder Neuig­ keiten aus der Ferne aufzunehmen. So wurde etwa im August 1709 der vor dem Rostocker Mühlentor wohnende Ziegelmeister bestraft, weil er „die Bettler so häuffig einimbt, u. dieselbn immer heget“.50 Da kaum erkennbar war, ob es sich um Bettler handelte, galt der Bekanntheitsgrad als Kriterium. Wer unbekannt war, galt als verdächtig und wurde als Bettler einge­ stuft, den es abzuweisen galt. Die Warnowfischer 47  AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 30.01.1708, Punkt 2. Ebenso in Greifs­ wald. Rep. 5, 10626, Ratsschluss (R, 19.08.1709) und Rep. 3, 150, 1709, Ratssitzung vom 19.08.1709, Punkt 2. 48  Ebenso vor der Verbindung Pest-Bettler stehen folgende Schreiben, die Bettlerabwehr behandelnd: STAS: Rep. 14, 88, Stralsunder Rat an Kommandanten (E, 16.01.1708) und Ratsprotokollauszug (R, 16.01.1708). 49  STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 02.08.1708) und an Greifswalder Rat (E, 01.08.1708), Ratsprotokollauszug (R, 30.07.1708). STAG: Rep. 3, 150, 1708, Ratssitzung vom 01.08.1708, Punkt 12 und vom 06.08.1708, Punkt 2. Eine Ausnahme stellen einige „Unvorgreifliche gedankn wegen der besorgendn Contagion“ dar, die sich als anonyme Schrift in den Stral­ sunder Pestakten befinden. Dort heißt es wegen der Seuchengefahr, dass es den „außerhalb thores wohnendn Bürger[n] […] zu unter­sagen Keine Frembde Bettler oder unbekante leute zu herbergen“. STAS: Rep. 14, 88, Schreiben von N. N. (R, un­datiert, wohl 01.1708). 50  AHR: 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 07.08.1709, Punkt 2. Ähnlich in Stral­ sund, wo im Rat Beschwerden über die Bewohner der Dämme laut wurde, denen es nicht effektiv ver­ boten werden konnte, „Bettler undt ander unnutzes gesinde zu hausen und zu hegen“. STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 30.07.1708) und Pfundherren an Stralsunder Rat (R, 01.08.1709). In Greifswald sorgte sich der Rat frühzeitig, dass Bettler nicht vor den Toren einquartiert wurden, musste aber im Folgejahr die Verordnung aus­drück­lich auf den innerstädtischen Bereich ausdehnen, in dem es offensichtlich zu Beherbergungen gekommen war. STAG: Rep. 3, 150, 1708, Ratssitzung vom 06.08.1708, Punkt 2, Rep. 5, 10626, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 19.08.1709) und Ratsschluss (R, 19.08.1709).

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wurden angehalten, „daß sie keine frembde Bettler oder andere unbekandte hieselbst sich nicht auffhaltende personen, uber die Warnau ubersetzen“, wobei das Moment des Unbekannten ausschlagge­ bend war.51 In gleicher Weise beklagte sich auch der mecklenburgische Landtag, dass die „aus frembden Landen kommende Bettler, und allerhand unbekantes Volck, bey nachläßiger exequirung der darwieder bereits gemachten Anstalten, sich mit ein zu schleichen pfleget“ und „diese[s] Land[] mit anstecken möchten.“52 In Schwedisch Pommern richtete sich das Augenmerk auf Juden, Bettler und „auch einige andere frembde oder auß der frembde kommende Persohnen, Wahren undt güther“.53 Für die vorpommerschen Stände war es dabei uner­heblich, woher die Bettler stammten. Sie hielten ihre Landesregierung an, „auch diejenign so auß dem Königreich Schweden anhero zu nichts alß zur betteley insonderheit ietzo, ankommendn, zurücke zu schaffen“, so dass auch Untertanen des schwedischen Königs keine au­ ßerordentliche Hilfe erwarten konnten.54 Herzog Friedrich Wilhelm musste im November 1709 feststellen, dass „hindangesetzet sothaner Verordnung / nicht allein die Juden und Bettler sich heimlich ins Land hereinschleichen / sondern auch die Zigeuner und ander liederliches Geschmeiß sich abermahlen in diesen Hertzogthümern und Landen / sonderlich an denen Grentzen / bey grossen Trouppen eingefunden / und bey diesen ohne dem beklemmeten Zeiten / Unsern Unterthanen und Einwohnern auff dem Lande mercklichen Schaden / Uberlast und Verdruß zufügen.“55

Zwei Wochen gab der Herzog allen unerwünschten Personen Zeit, das Land zu ver­lassen. Nach Ablauf dieser Frist drohte den Männern der Strang, 51  AHR: 1.1.3.15 – 158, Ratsschluss (R, 16.08.1709). Ähnliches zeigte auch die kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg, als sie im November 1713 den Lübschen Rat zu mehr Sorgfalt anmahnte und ihm die voreilige Erteilung eines Reisepasses an eine Frau vorwarf, „Zumahl an eine frembde Gemeine Person, von der gar leicht einiger Betrug oder Gefahr Zu vermuthen […].“ AHL: ASA, Interna, Pest 10 / 2, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 17.11.1713). 52  AHR: 1.1.3.15 – 158, Schreiben des Ratsdirektors von Unterfärth und des Kanzlers von Klum (R, 25.09.1709). 53  STAS: Rep. 14, 89, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 06.08.1709), Verordnung des Stralsunder Rates (E, 10.08.1709). Der Wortlaut des Regierungs­ schrei­ bens wurde in der städtischen Verordnung in Stralsund fast wörtlich übernommen: „keine Juden und Bettler oder andere Fremde oder aus der Fremde Kommende Waren und Personen“. Vgl. die Verhandlungen im vorpommerschen Landtag über die landesweite Bettlerabwehr und deren Kosten STAS: Rep. 13, 589, Punkt 6. 54  STAS: Rep.  13, 589, schwedisch pommersche Landstände an schwedisch pommersche Regierung (E, 30.09.1709). 55  AHR: 1.1.3.11 – 68, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 12.11.1709).



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den Frauen der Staupbesen und die anschließende Ausweisung.56 Weil die Unerwünschten nicht nur alleine auftraten und als Gruppe nicht ohne Widerstand gefangen werden konn­ten, sollten die Tore in den Städten geschlossen werden, um die Übeltäter festzuset­zen. Auf dem Lande waren die Glocken zu läuten, damit auch benachbarte Dörfler zur Hilfe kommen konnten. Um das Umherstreifen von Bettlern zu verhindern, wies der Herzog alle Obrigkeiten im Land an, sich um „die Versorgung ihrer Einheimischen Armen=und Bettler nach Möglichkeit“ zu kümmern, um ihnen keinen Grund zum Ortswechsel zu geben.57 Ähnlich bekannte auch der Rostocker Rat, dass „heuffig die frembden betler, ungeachtet schon hiebevor die verordnung gemachet […] dennoch sich hierin practiciren so wohl bey abendts Zeiten als des tages […] und dadurch nicht allein denen einheimischen die almosen entzogen werden; besondern auch bey gegenwertigen gebrechlichen Zeiten hir […] leicht gefahr zugezogen werden konnte“.58

Eine wirksamere Maßnahme als die bereits verfügten war jedoch auch hier nicht in Sicht und so verbot der Rat erneut die Aufnahme der Bettler und beließ es bei der Drohung, die Bettler sollten „sofort sich wegpacken“ und sich „so wenig offentl. alß heimbl: einschleichen“, andernfalls kämen sie an das Halseisen.59 Zwei Jahre später verschärfte der Rat die Anordnung dahingehend, dass selbst die in der Rostocker Armen­ordnung aufgeführten Leute nicht frei in der Stadt umhergehen durften und auch ihnen das Halseisen drohte.60 Die in den Quellen fassbaren Bezeichnungen „Zigeuner“ und Bettler sind kaum von­einander zu trennen. In den nach rhetorischer Regelhaftigkeit verfassten normativen Quellen wird zwar ersteren durchweg eine strengere Strafe angedroht und vielfach bedeutete nur die Existenz als „Zigeuner“ den sicheren Tod, doch wird nirgends aus­ geführt, was einen „Zigeuner“ aus56  Die herzogliche Regierung bekräftigte diese Anweisung auch im folgenden Jahr in einem Brief an die Regierung von Schwedisch Pommern. AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an schwedisch pommersche Regierung (K, 12.08.1710). 57  AHR: 1.1.3.11 – 68, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 12.11.1709). 58  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Rostocker Rates (E, 08.12.1709). So auch in Stralsund, wo Rat und Collegium Sanitatis kurz nach dem offiziellen Ende der Pest im April 1711 feststellten, „daß allerhand bettelvolck, u. leute vom lande in die Stadt gelaßen würden, welche sich in die Kleinen buden, Kellern u. Winckeln wieder ein legten, u. mit selbigen sich leichtlich allerhand besorgliche Kranckheiten wieder einschleichen dürfften“. STAS: Rep. 14, 83, Stralsunder Rat an Kommandant Schoultz von Ascheraden (E, 26.04.1711) Stralsunder Collegium Sanitatis an Stralsunder Rat (R, 24.04.1711). 59  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Rostocker Rates (E, 08.12.1709). 60  AHR: 1.1.3.15 – 160, Verordnung des Rostocker Rates (D, 04.09.1712).

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machte und von einem einfachen Bettler unter­schied. Die oft gleichzeitige Nennung mit anderen unerwünschten Personen­ gruppen erschwert zudem eine differenzierte Betrachtung. Es kann davon ausgegangen wer­den, dass es sich bei „Zigeunern“ um eine hypothetische Menschengruppe handelte, die sich bei unmittelbarer Betrachtung als Ansammlung von Deserteuren, Versehrten und ausländischen Bettlern herausstellte. In den See­städten wurde eine Unterschei­dung zwischen der einheimischen Armut und den fremden Bettlern vorgenommen. Erstere besaßen berechtigte Ansprüche auf Versorgung durch die Stadtgesellschaft, letztere waren ausnahmslos unerwünscht. Die vorgesehene Art der Bestrafung war allgemein härter als gegenüber Bürgern und Einwohnern der eigenen Stadt. Das Auftreten der Pest war für alle Obrigkeiten eine Gelegenheit, „Zigeuner“ und Bettler mit der Seuche in Verbindung zu bringen. Die Edikte, die sich mit diesen Gruppen befassten, erhielten nun eine Einleitung, die auf die Seuchengefahr Bezug nahm. Somit wurde die Pest mit der Notwendigkeit verknüpft, verdächtige Personen abzu­halten. Auch wenn oftmals nicht explizit gesagt wurde, dass „Zigeuner“ und Bettler für eine Verbreitung der Pest verantwortlich waren, schuf die wiederholte Nennung einen festen und für das Publikum nach­voll­ zieh­baren Zusammenhang. Der Obrigkeit bot sich zugleich eine Möglichkeit, ihre Fürsorge unter Beweis zu stellen, wenn sie der (behaupteten) zerstörerischen Gewalt der „Zigeuner“ mit einer dem Gemeinwohl dienenden Gegengewalt ant­wortete. 2. Juden Der Verdacht, der auf Juden in Zusammenhang mit der Ausbreitung von Seuchen lastete, ist in Europa über viele Jahrhunderte nachweisbar.61 Die Vorstellung, Juden würden mittels Brunnenvergiftung und tödlichen Salben die Christenheit ausrotten wollen, führte unter anderem zu den berüchtigten Pogromen des 14. Jahrhunderts. Damals wurden viele der im Reich bestehenden jüdischen Gemeinden zerstört, ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung wanderte deswegen nach Ostmitteleuropa. Als die letzte Pest zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Erscheinung trat, gab es im Ostsee­raum keine größeren jüdischen Ansiedlungen. Die Region stellte ein kon­fessi­o­nell weitgehend einheitliches Gebiet dar, in der seit der Reformation das lutherische Bekenntnis galt. Eine Ausnahme machte nur das polnische Königreich, dessen Haupt­ hafen Danzig jedoch ebenfalls mehrheitlich evangelisch war.62 In dieser fast 61  Bergdolt,

S. 119–145. Górska (2010), S. 89 f. Neben der lutherischen Mehrheitsbevölkerung (ca. 85 %) bestanden in Danzig eine katholische (ca. 10 %) und eine calvinistische Gemeinschaft (ca. 5 %). 62  Vgl.



I. Unerwünschte Personengruppen223

mono­ konfessionellen Umwelt mussten Angehörige anderer Bekenntnisse auf­fallen und als Fremdlinge besonderes Misstrauen erregen, zumal wenn sie sich durch Klei­dung und Gesten anders als die Bevölkerungsmehrheit verhielten.63 Tatsächlich finden sich jedoch keine Stereotype gegenüber der katholischen oder reformierten Konfession und auch die Verdächtigungen gegenüber Juden werden nicht theo­lo­gisch begründet. Die in den Quellen erwähnten Juden lassen sich in drei Gruppen einteilen: Altkleider­händler, polnische Juden, Schutzjuden. Eine weitgehende Überschneidung besteht zwischen der ersten und der zweiten Gruppe, da die meisten jüdischen Händler aus dem polnischen Hinterland stammten. Ihre Herkunft aus dem Gebiet, in dem die Pest zuerst auftrat und ihre Beschäftigung mit seuchenverdächtigen Gütern führten dazu, dass sie in den meisten Edikten ausdrücklich aufgeführt werden. Dagegen galten für die so genannten Schutzjuden, die gegen Zahlung von Sondersteuern ein Auf­ent­halts­ recht genossen, andere Bestimmungen. Sie waren in gewisser Hinsicht privile­giert und konnten bei Vorlage entsprechender Papiere ohne weitere Ein­ schränkun­ gen reisen. Ihre Glaubensbrüder hingegen durften oft selbst mit Gesund­ heits­ pässen nicht einreisen und hatten keine Möglichkeit, auf legalem Wege ihren Geschäften weiterhin nachzugehen. Inwieweit es sich um Formen von Antijudaismus oder -semitismus gehandelt hat oder ob die Regelungen andere Gründe hatten, wird im Folgenden zu ermitteln sein. Von den fünf Seestädten gab es in Lübeck die meisten und regelmäßigsten Kontakte mit Juden. Zum einen besaß Lübeck besonders enge Handelsverbindungen zu Danzig und anderen Städten des polnischen Königreiches (Libau, Windau, Elbing) sowie zu Hamburg und Altona, welche in ihren Mauern eine gewisse Zahl an Schutzjuden beherbergten, zum anderen existierte vor den Toren der Stadt im holstein­ischen Moisling (heute ein Stadtteil Lübecks) die einzige nennenswerte jüdi­sche Ansiedlung in der Region. Zuletzt gab es auch in Lübeck seit 1697 einzelne Schutzjuden. Dies führte dazu, dass sich das Misstrauen der Lübecker nicht generell gegen den Kontakt mit Juden richtete, sondern vor allem gegen die aus der Fremde An­reisenden.  Die erste Nachricht in Zusammenhang mit der Pest stammt vom Januar 1708. Die Greifswalder Ratsherren wurden durch den Lübschen Magistrat informiert, dass wegen der Seuche in Polen keine polnischen Juden in Lübeck eingelassen würden und man in Greifswald ihnen die Fahrt nach Lü63  Uerlings und Patrut beschreiben diesen Umstand als „Homogenitätsparadigma“, dessen Folge es ist, dass von der Mehrheit abweichende kulturelle Haltungen als bedrohlich oder zumindest irritierend auf­ge­fasst werden. Sie weisen dabei auf die in jüngster Zeit von Roma behauptete gemeinsame Ab­ stam­ mung von Juden und Zigeunern hin, welche der Heidelberger Philosoph Kronauer für „historisch nicht haltbar“ hält. Uerlings / Patrut, S. 11 und S. 23. Kronauer, S. 137.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

beck untersagen sollte, selbst wenn sie Pässe vorzeigen konnten.64 Für alle anderen Schiffer und Reisenden galt die Pflicht, sich mit Gesundheitspässen zu versorgen. Die auffällige Zurücksetzung jüdi­scher Personen wurde nicht genauer erklärt. Mit den Adressaten muss Eintracht dar­über bestanden haben, dass und warum der Umgang mit Juden eine erhöhte Gefähr­lichkeit aufwies. In ihrer Antwort gaben die Greifswalder bekannt, dem Lüb­schen Gesuch stattzugeben. Sie beeilten sich auch zu versichern, dass Polen ohne Pässe und polnische Juden „ohne dem in diesem Lande nicht toleriret werden“.65 Zu diesem frühen Zeitpunkt ging es also um die Abweisung polnischer Unter­ tanen, wo­bei Christen mit amtlichen Dokumenten die ursprüngliche Frei­ zügig­keit zurückerlan­gen konnten. Allerdings verschärfte schon wenige Tage darauf ein Edikt der schwe­disch pommerschen Regierung die Situation und erklärte ausdrücklich, dass „keine […] Juden“ ins Land gelassen werden sollten.66 Den Quellen zufolge behielt der Greifswalder Rat zunächst seine weniger strengen Bestimmungen bei und schloss sich erst unter dem Druck des Stralsunder Rates im August 1708 den rigorosen An­ordnungen an. In einer Instruktion für die städtischen Fähren erklärte er alle Juden für verdächtig und untersagte ihre Überfahrt von und nach Rügen.67 In Mecklenburg hatte Herzog Friedrich Wilhelm wie die Lübecker schon im Januar 1708 mit Pestmaßnahmen gegen die Seuche in Polen und Schlesien reagiert, damit „unsere Lande mit dieser schädlichen Contagion durch die aus Pohlen Kommende Leüte, insonderheit durch die von dannen Hauffen weise sich retirirende Juden nicht angestecket werden mögen“.68 Diese 64  STAG: Rep. 5, 10626, Lübscher Rat an Greifswalder Rat (R, 17.01.1708) = AHL: ASA, Interna, Pest 2 / 2, Lübscher Rat an Greifswalder Rat (E, 18.01.1708). Es ist davon auszugehen, dass neben den Greifs­waldern auch andere Obrigkeiten adressiert waren und es sich um eines der charakteristischen „Rund­schreiben“ aus Lübeck handelte, in denen die wichtigsten Handelspartner über neu erlassene Verordnungen informiert wurden. Die Abwehr der polnischen Juden bestätigt auch der Lübsche Arzt Hanneken im Brief an seinen Schwager in Stralsund. STAS: Rep. 14, 88, Dr. Nicol. Hanneken an Physikus Neukrantz (R, 31.01.1708). 65  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an Lübschen Rat (E, 26.01.1708). 66  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708), Ratsprotokollauszug (R, 17.02.1708, P, 27.02.1708). Vgl. Rep. 14, 89, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 27.07.1708). 67  STAG: Rep. 3, 150, 1708, Ratssitzung vom 08.08.1708, Punkt 6. Vgl. STAS: Rep. 14, 89, Stralsunder Rat an Greifswalder Rat (E, 01.08.1708 und 19.10.1708), Greifswalder Rat an Stralsunder Rat (R, 10.08.1708), Ratsprotokollauszug (R, 17.10.1708). 68  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (K, 09.01.1708). Diese Verordnung stellt eine Erneuerung der 1705 wegen der Pest in Polen erstmals erlassenen Regelungen dar und ist mit dieser inhaltlich identisch. Wann die erste Ordnung aufge­hoben wurde und sich der Kontakt mit jüdischen Händlern zwischen­ zeitlich normalisierte, ist aus den Quellen nicht



I. Unerwünschte Personengruppen225

zuerst antijudaistisch erscheinende besondere Nennung wird durch den Inhalt des Ediktes relativiert, denn für „frembde Juden“ galt, dass sie mit beglaubigten Pässen nach Mecklenburg einreisen konnten und damit ihren christlichen Landsleuten gleichgestellt waren.69 Fremd bedeutete aber nicht polnisch, denn für Juden aus Polen gab es eine Extraregelung, derzufolge sie „ob Sie gleich Pässe hätten, gäntzlich und schlechter Dinge ab= undt zurücke[zu]weisen“ seien.70 Im Vergleich zu späteren Anordnungen, die fast ausschließlich Körperstra­fen enthalten, drohte lediglich die Beschlagnahmung aller mitgeführten Waren. In Rostock wurden die Regelungen verschärft und der Stadtkommandant angewiesen, alle fremden Juden von der Stadt abzuhalten.71 In seinen ersten Verordnungen hinge­gen hatte der Rostocker Rat keine Juden genannt.72 Seine Sorge galt zu­nächst ausschließlich Zigeunern und fremden Bettlern. Vermutlich ließen sich jüdi­sche Händler, die auf die Benutzung von Straßen und Schiffen angewiesen waren, leichter von den Landesgrenzen abhalten als die beiden anderen Gruppen, für die diese Einschränkung nicht galt, so dass die herzoglichen Bestimmungen nicht durch rätliche ergänzt wurden. Eine auffällige Häufung der Erwähnung von Juden in den Quellen findet sich im Sommer 1709, als die Nachricht von der Seuche in Danzig in den fünf Seestädten Gewissheit geworden war und viele Obrigkeiten mit einem Boykott der Stadt antwor­teten. Als erstes ist die Reaktion des Kurfürsten in Hannover nachvollziehbar, der in einem Schreiben Mitte Juli 1709 dem Lübschen Rat nahe legte, Vorkehrungen zu treffen, damit die Seuche durch „von Dantzig ankommende Wahren und Leute und insonderheit die Juden“ nicht nach Lübeck und in weitere Gebiete gebracht würde.73 In einem nachersichtlich. AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 20.02.1705). 69  STAS: Rep. 14, 88, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (K, 09.01.1708). 70  Ebd. 71  AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 23.01.1708, Punkt 11. Wie lange die Verfügung Gültigkeit hatte und wie streng sie gehandhabt wurde, ist nicht bekannt. Einen voll­ständigen Ausschluss jüdischer Kaufleute hat es, wenn überhaupt, nicht lange gegeben. Im Mai 1709 sind mehrere Juden auf dem Rostocker Jahrmarkt nachweisbar, die mit Haaren handelten. 1.1.3.11 – 73  /  1, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 25.05.1709) und Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 29.05.1709). Vgl. Kronauer, S. 148. Rohrbacher, Stephan / Schmidt, Michael: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile, Reinbek 1991, S. 64 ff. 72  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnung des Rostocker Rates (E, 28.10.1708). Die Verordnung erneuerte ein nicht überliefertes Man­dat vom 22.01.1708. 73  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Kurfürst Georg Ludwig von BraunschweigLüneburg an Lübschen Rat (R, 12.07.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

folgenden Schreiben bat die kurfürstliche Regierung in Ratzeburg um Bekanntgabe der von den Lübeckern wegen der Danzigpest durchgeführten Sicher­heitsmaßnahmen und wollte im Besonderen wissen, was „wegen passierung der fremdländischen Juden für anstalt gemacht“ werde.74 In ihrer Antwort gaben die Rats­ herren bekannt, noch keine gesicherten Berichte über die Seuche in Danzig zu haben, sicherheitshalber aber allen Juden den Zutritt auf Lübecker Gebiet untersagt zu haben.75 Zwischen der Seuche und der Judenabweisung war kein direkter Bezug vorhanden, denn es gab keine konkreten Informationen über pestverbreitende Juden. Die Ächtung wurde nur wegen des grundsätzlichen Misstrauens aus­ge­spro­chen. Die Lübecker Nachforschungen ergaben, dass die Seuche tatsächlich in Danzig ausgebrochen war. Aus Königsberg, Stettin und Stargard erfuhren die Ratsherren weiterhin, dass in Schwedisch und Preußisch Pommern sowie in Königsberg (ver­mutlich in ganz (Ost-)Preußen) gar keine Juden geduldet würden.76 Dieser Maß­nahme schloss sich Lübeck unverzüglich an und verkündete per Rundschreiben an 18 verschiedene Obrigkeiten, dass alle Schiffe mit Juden an Bord bis zum Ende der Pestgefahr auf der Reede vor Travemünde liegen müssten, wo die Verdächtigen niemanden infizieren konnten.77 Das Wismarer Tribunal und die mecklenburgische Regierung in Schwerin erließen kurz darauf Verordnungen, in denen ebenfalls der Schiffstransport von Juden untersagt wurde.78 Der Wortlaut stimmt in weiten Teilen mit dem Lübecker Initialschreiben überein. Diese Übernahme ganzer Passagen zeigt deutlich Lübecks Einfluss auf die Gesetzgebung benachbarter Gebiete. In der einen Tag darauf gedruckten Lübschen Ordnung wird erstmals eine Schuld­ zuweisung vorgenommen. Die Gründe für die aufgetretene Seuche seien neben Schiff­fahrt und Reisenden die Juden. Mit den Worten, es handele sich bei letzteren um „an sich unsaubern Gesinde“, wird das jüdische 74  Ebd.,

kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 19.07.1709). Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 20.07.1709). 76  Ebd., preußisch pommersche Regierung an Lübschen Rat (R, 29.07.1709), Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 01.08.1709) und schwedisch pommersche Regierung an Lübschen Rat (D, 01.08.1709). 77  Ebd., Lübscher Rat an die Räte der Städte Neustadt in Holstein, Kiel, Flens­ burg, Wismar, Rostock, Stralsund, Kolberg, Memel, Königsberg, Libau, Windau, Riga, Stockholm, Kalmar, Malmö, Karlskrona, den Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin, eventuell auch an Greifswald (E, 01.08.1709). Vgl. STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Lübscher Rat an Wismarer Rat (R, 02.08.1709). AHR: 1.1.3.15 – 158, Lübscher Rat an Rostocker Rat (R, 02.08.1709). STAS: Rep. 14, 89, Lübscher Rat an Stralsunder Rat (R, 02.08.1709). 78  AHR: 1.1.3.15 – 158, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 06.08.1709). STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Hannover (E, 28.09.1709). 75  Ebd.,



I. Unerwünschte Personengruppen227

Leben pauschal herab­gewürdigt und mit den in der Vorstellung der Zeit aus Unsauberkeit entstehenden Krankheiten in direkte Verbindung gebracht.79 Es ist bezeichnend, dass alle christlichen Perso­nen, die mit Schifffahrt und Handel zu tun hatten und damit unmittelbar an der Verbreitung infektiöser Krankheiten beteiligt sein konnten, sich mit hinreichenden Gesundheitspapieren von jedem Verdacht auslösen konnten, während für Juden ein Einreiseverbot ohne Ausnahme galt. Nicht die Handelstätigkeit war somit aus­ schlaggebend, sondern die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. So rigoros, wie die Verordnung es glauben machen will, war das Verbot jedoch nicht. Schon eine Woche darauf erließ der Rat eine Anweisung für die Torschreiber. In die­ser ist beschrieben, dass polnische Juden nicht eingelassen werden, sie nicht einmal bei den diensttuenden Vorgesetzten anzumelden seien. Allerdings heißt es auch, dass Juden mit Pässen in die Stadt kommen dürfen, sofern die Bürgermeister es er­lauben und sie sich vorher anmelden würden. Da polnischen Juden die Anmeldung verboten war, konnten sie folglich selbst dann nicht nach Lübeck, wenn sie korrekte Papiere hätten vorweisen können. Indessen wird deutlich, dass der Kontakt in Ein­zelfällen aufrechterhalten wurde, wovon in erster Linie die Moislinger Gemeinde wie auch Schutzjuden betroffen waren. Da die eigentliche Entscheidung, wer einzulassen war und wer vor der Stadt bleiben musste, den Bürgermeistern überlassen wurde und es für sie keine weitere rechtliche Bindung gab, blieb die Verordnung ein jeweils neu entschiedener Akt der Willkür.80 Äußerlich blieb Lübeck bei seiner rigorosen Politik und versicherte gegenüber ande­ren Obrigkeiten mehrfach, keine Juden in die Stadt einzulassen.81 Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit blieb im Ausland nicht lange verborgen. Schon Mitte August 1709 erklärte die Ratzeburger Regierung, sie werde „alles commercium“ mit Lübeck unverzüglich aufheben, sollte die Stadt weiterhin mit verdächtigen Ge­bieten handeln und von dort Juden passieren lassen.82 In ihrer Antwort schwiegen sich die Lübecker über die strittigen Punkte aus. Statt die Vor­würfe direkt zuzugeben 79  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 02.08.1709). In gleicher Weise die Verhaltensordnung für das Wachpersonal (D, 05.08.1709). 80  Ebd., Verordnung des Lübschen Rates (D, 09.08.1709). Erhalten ist z. B. eine Auf­enthalts­genehmigung des Altonaer Schutzju­den Moses Spannier. ASA, Interna, Pest 4 / 1, Schreiben des kaiserlichen Notars Klangstedt (R, 26.08.1709). 81  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an preußisch pommersche Regierung (E, 03.08.1709) sowie die Räte der Städte Riga und Reval (E, 04.09.1709). 82  Ebd., kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 16.08.1709), Verordnung des Kurfürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 19.08.1709). Die wenige Tage darauf abgefasste Verordnung erklärte, dass Juden in die kurfürstlichen Länder mit entsprechenden Pässen einreisen dürften. Gemeint sein dürften aber hier nur Juden, die nicht aus Polen kamen. 

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D. Exemplarische Pestkommunikation

oder abzustreiten, betonten sie ihre Sicherheitsmaßnahmen an den Toren und in Travemünde, deretwegen es zu keiner Ausbreitung der Seuche kommen könne.83 Die Warnung verfehlte indes ihre Wirkung nicht. Am 22. September 1709 informierte der Lübsche Magistrat den Besitzer Moislings, den herzoglichen Rat von Wedderkop, über die Danzigseuche. Ihm wurde eröffnet, dass Lübeck durch die Kurfürstlichen gewarnt worden sei. Um dem Ausland keinen Anlass zum Boykott Lübecks zu ge­ben, habe man entschieden, die geltenden Reise­ bestimmungen für die Moislinger Juden aufzuheben, welche erst im Juni 1709 nach längeren Verhandlungen in Kraft getreten waren und einen begrenzten Waren- und Personenaustausch zwischen Lübeck und Moisling zuließen.84 Postwendend antwortete Wedderkop und berich­tete von den Maßnahmen Hamburgs. Er habe Verständnis, wenn Lübeck die Ein­wohner infizierter Orte ausschließe, aber warum dieses auf gesunde Orte ausge­dehnt würde, verstehe er nicht. Die Juden aus dem dänischen Altona kämen nach Hamburg, wenn der König darauf dränge, ebenso wenn die Besitzer des Gutes Wandsbek auf dem Einlass der zum Gut gehörenden Juden bestünden. Wedderkop überließ die endgültige Entscheidung über den Ein­ lass der Moislinger Juden dem Rat, meinte aber, dass das kurfürstliche Schreiben sich nicht auf diese, sondern nur auf Juden aus infizierten Orten bezogen hätte. Als Argument führte er den kurfürst­ lichen Envoyé und Geheimen Rat Baron von Groote an, der ihm bestätigt habe, dass das Schreiben nicht auf Moislinger Juden bezogen sei. Einleuchtend ist auch Wedderkops weitere Begründung: „Mir ist ja wohl am meisten an Conservation meines guthes gelegen, und da ich darin was verabsäumt, würde die Contagion so wohl durch die Christen als durch die Juden kommen an mich und weiter gebracht werden.“85

Auf die erhandelten Waren der Juden wolle er aber gleichwohl Acht geben. Mit seiner Aussage bürgte er sozusagen mit seiner Gesundheit und seinem Leben für die Un­ver­dächtigkeit der Moislinger Juden. Gleichzeitig stellte er Christen und Juden hin­sichtlich ihrer Gefährlichkeit auf eine Stufe und widersprach damit rigideren Bestim­mungen gegenüber Juden. Im Rathaus wartete man einige Tage ab und antwortete dann, dass trotz der Seuchengefahr Moislinger Juden die Stadt weiter betreten dürf­ ten. Wie in Hamburg könne man nicht auf einer totalen Absperrung be­stehen. Damit der Rat sein Gesicht wahren konnte, fügte er erklärend hinzu, dass die Juden, wel­ che fremde Glaubensgenossen beherbergten, nicht mehr eingelassen 83  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 22.08.1709). 84  Ebd., Lübscher Rat an Magnus von Wedderkop (E, 22.08.1709). Guttkuhn 1999, S. 26. 85  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Magnus von Wedderkop an Lübschen Rat (R, 23.08.1709).



I. Unerwünschte Personengruppen229

werden soll­ten.86 Tatsächlich konnten die Lübecker aber die Beherbergungen außer­­halb ihrer Ju­risdiktion nicht überprüfen, so dass dieser Punkt vor allem dem Lübschen Ansehen geschuldet war.87 Neben der kurfürstlichen Regierung mussten sich die Lübecker auch mit Vorwürfen der Stadt Lüneburg auseinandersetzen. Am 26. August 1709 beschuldigten sie die Lübecker, den Handel mit Danzig aufrecht zu erhalten und drohten mit Einreise- und Durchfahrtsverbot.88 Die Stadt Lüneburg konnte diese Drohung aussprechen, weil man sich der Unterstützung der kurfürstlichen Landesregierung in dieser Hinsicht sicher sein konnte. Einen Tag später griffen die Lüneburger erneut verbal an. Zu­ nächst wurde die Stadt Lübeck gelobt, dass sie „neben unß“ sich um eine Vorsorge verdient mache. Dann aber erfolgte die Beschuldigung, dass es den Lübeckern „nicht unbekannt“ sei, „daß dergleichen ansteckende Seuchen durch die auß euren Lande und anderer vagirende Juden“ verbreitet würden.89 Der Lüneburger Rat berief sich auf seine Verantwortung gegenüber dem Landesherrn und verbot am kommenden Michaelismarkt ausnahmslos allen Juden den Zugang zur Stadt. Hinter dieser Rege­lung nur antijüdische Ressentiments zu sehen, greift allerdings zu kurz, denn die „Krahmer unserer religion“, die mit alten Kleidern, Perücken und ähnlichem handel­ten, sollten gleichfalls nicht eingelassen werden.90 Das Verbot bezog sich an dieser Stelle also vornehmlich auf den Handel mit gefährlichen Waren und nahm den Aus­ schluss von Juden nebenbei mit auf. In seiner Antwort bemühte sich der Lübsche Magistrat um Entspannung und vermeldete, den Inhalt beider Schreiben sofort be­kannt gemacht zu haben und außer dem einen seit Jahren in Lübeck lebenden Schutzjuden allen Juden den Zutritt zu untersagen. Die Bekanntgabe des Verbotes, den Michaelismarkt zu besuchen, wurde veröffentlicht. Der Lübecker Schutzjude Ruben Magnus wurde angehalten, „seine glaubensginoßen“ hierüber zu informieren, so dass die Lübecker auf diese Weise eine größtmögliche Bekannt­ machung unter einer 86  Vorschriften innerhalb der jüdischen Gesellschaft ermöglichten umherziehenden Mitgliedern ande­rer Gemeinden meistens ein Aufenthaltsrecht von einer Nacht sowie eine kleine finanzielle Unter­stützung. Opfermann, S. 45. Battenberg, J. Friedrich: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Enzyklopädie deutscher Geschichte 80), München 2001, S. 112–116. 87  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Lübscher Rat an Magnus von Wedderkop (E, 29.08.1709). Die Vielzahl der Beherbergungsverbote auch gegen­über Bettlern und „Zigeunern“ deutet darauf hin, dass die Mehrheitsbevölkerung diesen Grup­pen nicht immer ablehnend gegenüberstand und sie durchaus aufnahm. Kronauer, S. 148. Opfermann, S. 15. Meuser, S. 114. 88  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Lüneburger Rat an Lübschen Rat (R, 26.08.1709). 89  Ebd., Lüneburger Rat an Lübschen Rat (R, 27.08.1709). 90  Ebd.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Gruppe erzielten, die durch das allgemein übliche Mittel der Kanzelverlesung nicht erreichbar war.91 Lübeck ging damit auf die Forderungen aus Lüneburg ein und verzichtete völlig auf eine Darstellung seiner Sicht der Dinge. Diese Strategie war erfolgreich, denn das nächste Schreiben aus Lüneburg wurde erst einen Monat später verfasst und erwähnte Juden nicht mehr.92 Dennoch blieb es in Lüneburg bei dem grundsätzlichen Argwohn. Die dortigen Stadtväter untersagten im folgenden Jahr allen Juden den Zugang zum Michaelismarkt, da „durch dergleichen Leute die schädt­ liche Seuche der Pestilentz am meisten verschleppet wird“.93 Im Gegensatz zu dem neutralen Verbot des vergangenen Jahres, in dem alle Kleider­händler be­troffen waren, richtete sich diese Verordnung eindeutig gegen Juden, deren Han­delsgüter nun keine Rolle mehr spielten. Waren die Lübecker gegenüber den Moislinger und Altonaer Juden zu Kom­promis­sen bereit, so zeigten sie gegenüber fremden keine Nachsicht. Mit Unver­ständnis reagierte der Lübsche Rat deshalb in einem Schreiben an Königsberg. Anfang September 1709 war ein Schiff von dort mit jüdischen Passagieren an Bord einge­troffen. Diese Tatsache hatte den Rat „nicht wenig verwundert“, denn man war infor­miert, dass der preußische König keine Juden in seinem Land dulde.94 In Lübeck waren sie ebenso unerwünscht und so wurden die Passagiere sofort wieder zurück­ geschickt.95 In der auf den 26. September datierten Antwort korrigierten die Königsber­ger das Wissen ihrer Kollegen und erklärten, dass keinem Juden inzwi­schen mehr Pässe für die Fahrt nach Lübeck ausgestellt würde. Die in der Stadt lebenden Schutzjuden genössen jedoch gegenüber den Fremdlingen eine grund­sätzliche Reisefreiheit. Im Fall, dass Juden aus Königsberg in Lübeck an­kämen, hätten diese sich auf ihrer Reise nicht an verdächtigen Orten aufgehalten und wären deshalb ungefährlich. Wie die Königsberger Ratsherren diese Behauptung garantie­ren wollten und woher der genaue Reiseverlauf der Personen nach ihrer Abreise aus Königsberg bekannt sein sollte, bleibt ein Geheimnis.96 91  Ebd., Lübscher Rat an Lüneburger Rat (E, undatiert, wohl Ende 08.  / Anfang 09.1709). Die Nutzung des innerjüdischen Briefnetzes erfolgte ebenso durch Kurfürst Georg Ludwig, als er im Januar 1710 die Schutzjuden in seinem Land aufforderte, „ihren auswärtigen Glaubens-Genossen / wohin sie Correspondenz haben“ seine Erlasse mitzuteilen. 5  /  1, Verordnung des Kurfürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 07.01.1710). 92  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Lüneburger Rat an Lübschen Rat (R, 24.09.1709). 93  AHL: ASA, Interna, Pest 5  /  1, Lüneburger Rat an Lübschen Rat (R, 04.09.1710). 94  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Lübscher Rat an Königsberger Rat (E, 04.09.1709). 95  Ebd.



I. Unerwünschte Personengruppen231

Im August 1709 glaubten die Wismarer Tribunalsmitglieder festzustellen, dass die Stadt durch Juden aus Polen „leicht ins unglück“ gestürzt werden könne. Ihre Schluss­folgerung wiederum bezog sich auf alle Juden, weswegen das Militär ange­wiesen wurde, ihnen den Zugang zur Stadt sowie das Lagern vor derselben zu un­ tersagen und diese Anweisung öffentlich bekanntzugeben.97 Mit dieser Regelung kamen die Juristen einem Gesuch des mecklenburgischen Herzogs zuvor, der bat, dass „das aus Pohlen kommende juden-Gesinde aber gar nicht eingelaßen werden soll“ und Schreiben dieses Inhalts an mehrere benachbarte Obrigkeiten ver­ schickte.98 Wie vorher gezeigt, war die Abweisung von Juden unter den Obrigkeiten konsensfähig. Durch Anordnungen dieser Art konnte im Ausland demonstriert wer­ den, dass man sich verstand und trotz anderweitiger Rivalitäten im ­politischen oder wirtschaftlichen Sektor in wichtigen Dingen einer Meinung gegen eine gemeinsame Bedrohung war. Die von Herzog Friedrich Wilhelm erwünschte „beybehaltung gemeinsamer wolfahrt“ wurde durch die gemeinschaftliche Abwehrstellung gegen­über reisenden Juden zu einer Betonung gleicher Interessen.99 96

Der Rostocker Stadtrat gab in diesem Monat bekannt, dass für Juden und andere verdächtige Personengruppen („Zigeuner“, Bettler) der Aufenthalt in der Stadt nicht mehr möglich sei, da von diesen Personen keine Gesundheitspässe akzeptiert wür­den.100 Im November 1709 sah sich Herzog Friedrich Wilhelm genötigt, seine Ver­ord­nungen zu erneuern und zu verschärfen, 96  Ebd.,

Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 26.09.1709). Abt. IV, 1, a, Loc II n 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an ­Kommandant Posse (E, 14.08.1709), Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal (D, 16.08.1709), königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Hannover (E, 28.09.1709), vgl. Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709), Abt. III, XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 16.08.1709), Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (D, 16.08.1709). Die Verordnung diente zugleich der Erneuerung des Edikts vom 11.12.1708 und wurde nachweislich an die kurfürstliche Regierung in Hannover zur Information über­sandt. 98  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n 18, 1, Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin an königlich schwedisches Tribunal (R, 12.08.1709). Der Herzog erneu­erte diese Verordnung im Folgejahr (Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710), in: AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1 und AHR: 1.1.3.15 – 159. Eine vorherige Information über diese Maßnahme erhielt die Regierung in Stettin (159, herzogliche Regierung zu Schwerin an schwedisch pommersche Regierung (K, 12.08.1710)). 99  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n 18, 1, Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin an königlich schwedisches Tribunal (R, 12.08.1709), vgl. Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 16.08.1709). 100  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verordnungen des Rostocker Rates (E, 26.08.1709 und 03.09.1709) und 1.1.3.5.2 – 82, Verordnung des Rostocker Rates (K, 26.08.1709). 97  STAW:

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D. Exemplarische Pestkommunikation

da die schon ergangenen Erlasse nicht die erwünschte Wirkung gezeigt hatten. Der diesmalige Erlass richtete sich gegen alle unerwünschten Personengruppen und listete Juden an erster Stelle auf.101 War es bislang möglich gewesen, dass Juden mit auswärtigen Schutzbriefen nach Mecklen­ burg kommen konnten, so sollte künftig nur eine „speciale gnädigste Concession“ des Herzogs anerkannt werden.102 Ob diese nur gegen eine bestimmte Gebühr abge­geben wurde, ist nicht bekannt, doch wahrscheinlich ließ sich Friedrich Wilhelm sein Wohlwollen bei der Passgewährung mit einem direkten Nutzen für die herzogli­che Kasse vergüten. Eine Frist von 14 Tagen wurde allen anderen Juden gewährt, um das Land zu ver­ lassen, wobei „die Polnische oder andere Bettel=Juden“, die somit gleichgesetzt wurden, keine Aussicht auf Erteilung der Konzession hatten.103 Aus der bislang mangel­haften Durchsetzung zog der Herzog die Konsequenz, dass die ergreifenden Stellen mit der Hälfte des sofort konfiszierten jüdischen Besitzes belohnt werden sollten.104 Den Ergriffenen drohten darüber hinaus eine unehrenhafte Prügelstrafe mit dem „Staub-Besen“ und die sofortige Ausweisung aus dem Lande.105 Der Anreiz beinhaltet allerdings einen krassen Widerspruch. Eine Aufteilung des Besitzes und Übereignung an die Exekutive hätte im schlimmsten Fall eine Infizierung des Landes zur Folge haben können. Was nützte die Vertreibung der jüdischen Personen, wenn ihr kontaminiertes Hab und Gut ungehindert ins Land durfte? Entweder geht der Text stillschweigend davon aus, dass nur unverdächtiges Material verteilt wurde oder die Verantwortlichen waren in unverantwortlicher Weise nachlässig gewesen. Ende des Jahrs 1709 erweiterte und präzisierte der Mecklenburger Herzog die be­reits bestehenden Regelungen noch einmal und erließ eine 56-seitige Pest­ordnung. In ihr wurde unter anderem festgelegt, dass Juden die Todesstrafe drohte, sollten sie versuchen, das mecklenburgische Gebiet zu betreten.106 101  AHR: 1.1.3.11 – 68, Verordnung Herzog Friedrich Wilhelms von Mecklenburg-Schwerin (D, 12.11.1709): „wegen der Polnischen und anderer frembden Juden / auch Bettler […] nicht allein die Juden und Bettler […] sondern auch die Zigeuner und ander liederliches Geschmeiß“. 102  Ebd. 103  In gleicher Weise auch eine 20-seitige Verordnung, die sich in erster Linie an die örtlichen Obrig­keiten und die Torwachen richtete, in der es heißt, dass Juden auch mit Pässen nicht einreisen dürfen: „Doch werden von solchen Verbot billig ausgenommen die Schutz=Juden in Unsern Landen“. AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 19.12.1710). 104  AHR: 1.1.3.11 – 68, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 12.11.1709). 105  Ebd. 106  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709).



I. Unerwünschte Personengruppen233

Christen konnten zwar eben­falls Körperstrafen und Verbrennung ihrer Waren erwarten, wenn sie zu den unerwünschten Gruppen gehörten, keine Pässe hatten oder die vorge­schriebenen Hauptstraßen verließen, doch waren sie nur in Ausnahmefällen mit dem Tode be­droht. Die Aufmerksamkeit richtete sich in dieser wie vielen anderen Verord­nungen vornehmlich auf den Reiseverkehr und fremde Personen. Die Pest wurde als eine von außen eindringende Gefahr betrachtet und fest mit den unerwünschten sozialen Gruppen (Juden wie Christen) verbunden. In Schwedisch Pommern ließ die Landesregierung unter dem Eindruck der zur Sicherheit gewordenen Nachrichten über die Infizierung Danzigs ihre Verordnung von 1708 erneuern, womit sie wiederum allen Juden den Zutritt in das Herzogtum versperrte und ihre Pässe, im Gegensatz etwa zu den Mecklenburgern, nicht aner­kannte. Eine Unterteilung in geduldete und nicht geduldete Personen (z. B. polnische Juden, Altkleiderhändler) fand nicht statt.107 Der Stralsunder Rat schloss sich diesen Maßnahmen an und präzisierte in einem eigenen Edikt, dass Juden nicht nach oder von Rügen übergesetzt werden dürften und stimmte in diesem Punkt mit dem Greifswalder Magistrat überein.108 Trotz der mehrfach wiederholten Drohungen und der von Ausweisung bis zu Lebens­strafen reichenden Ahndungen, hörte der jüdische Handel in den fünf Seestädten keineswegs auf. Um die obrigkeitlichen Handelsverbote zu umgehen, schickten jüdi­sche Kaufleute ihren Glaubensbrüdern in der Nähe von Lübeck Kleider und andere verbotene Waren. Unter dem Anschein, es handele sich um Güter aus unverdächti­gen Gebieten, konnten die Empfänger anschließend die Waren ver­kaufen und damit die Verbote umgehen. Über diese Vorgänge setzte die kurfürstliche Regierung in Ratzeburg den Lübschen Rat im Januar 1710 in Kenntnis, der daraufhin beteuerte, besondere Sorgfalt bei allen Güterbewegungen walten zu lassen.109 Einen ähnlichen Brief erhielt wahrscheinlich auch der Hamburger Rat. Dieser teilte den Lübecker Ratsherren Ende Januar 1710 mit, dass sie „in conformität des in denen Lüneburgischen landen publicirten mandati“ ihre eigene Ordnung aus­drück­lich auf mit Kleidern handelnde Juden ausgeweitet hatten. Die für diese Gruppe verwendete Bezeichnung „Bettel-Juden“ macht deutlich, dass 107  STAS: Rep. 14, 89, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 01.08.1709), schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 03.08.1709 und 06.08.1709), Rep. 13, 589, Schreiben der königlich schwedischen Regierung (K, 22.09.1709). 108  STAS: Rep. 14, 89, Verordnung des Stralsunder Rates (E, 10.08.1709). STAG: Rep. 5, 10626, Schreiben des Kommandanten Eldstierna in Stralsund (R, 12.08.1709). 109  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 07.01.1710), Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Hannover (E, 22.01.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

der Unterschied zwischen jüdischem Händler und jüdischem Bettler für den Hamburger Rat gering war.110 Dass die Unterscheidung zwischen den einzelnen Personengruppen nicht klar war und auch keine eindeutige Trennung für nötig erachtet wurde, zeigt ein Schreiben der Ratzeburger Regierung vom 18. Februar 1710 an den Lübschen Rat. Dort heißt es, die befohlene Ausweisung von Zigeunern sei im letzten Jahr ohne Erfolg geblie­ ben und deswegen habe der Kurfürst gegen Zigeuner eine neue Verordnung erlas­sen, um diese zu vertreiben. Wie selbstverständlich richtete sich diese Verordnung auch gegen Bettel- und auswärtige Juden. In einem beigefügten Schreiben wird der Rat darüber hinaus vor den Juden in Moisling gewarnt, auf welche besonders ge­achtet werden solle, „damit durch sie […] keine ansteckende Seuche zugebracht werden möge“.111 Eine parallele Begründung führte im Oktober 1710 das Tribunal an, als es verfügte, dass „durchaus keine Bettler und Juden / alß von welchen die meiste Gefahr zubesorgen […] eingelassen“ werden sollten.112 Eine identische Behandlung, nämlich das Halseisen und die „ewige“ Ausweisung, erwartete ab August 1710 in Rostock alle fremden Bettler, Juden, „Zigeuner“, Landstreicher und abgedankte Sol­daten.113 Auch der mecklenburgische Herzog verurteilte im September eine kaum unterscheid­ bare Menschengruppe, die er als „frembde Juden / Betler / Zi­ geüner / und ander Gott=und Herrenloses Gesinde“ bezeichnete und die er beschuldigte, „dergleichen Pest=Seuche von einem Orth zum andern fort­ zubringen“.114 An diesen Stellen ist es nicht der Handel mit gefährlichen Waren oder die Herkunft aus einem pest­ver­dächti­gen Gebiet, sondern einzig die Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft, deret­ we­ gen Personen als unerwünschte potentielle Seuchenüberträger galten. Einige Monate später fiel die Reaktion der kurfürstlichen Amtsträger drastischer aus, denn trotz der erneuten Erlasse konnten die unliebsamen Personengruppen nicht aus den eigenen Landen verdrängt werden. Kurfürst Georg Ludwig nahm zwar aus­drücklich Juden aus bestimmten, wirtschaftlich bedeutenden Metropolen wie Frank­furt am Main und Hamburg von seinen Verboten aus, wenn diese wegen „nothwendiger Geschäfte“ und mit tadellosen Papieren einreisten, drohte aber allen anderen Juden mit Verbrennung ihrer 110  Ebd.,

Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 31.01.1710). kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 18.02.1710). 112  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal (D, 28.10.1710). Die Verordnung wiederholte die Erlasse der beiden vorangegangenen Jahre. 113  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Rostocker Rates (D, 24.08.1710). 114  Ebd., Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 08.09.1710). 111  Ebd.,



I. Unerwünschte Personengruppen235

Waren, Staupenschlägen, bei Passfälschung sogar mit sofortiger Erhängung.115 Vergleichbare Verordnungen aus den fünf Seestäd­ten sind nicht zu belegen. In ihrer Antwort auf eine dieser Verordnungen gingen die Lübecker etwa auf ihre eigenen Maßnahmen nicht weiter ein. Stattdessen betonten sie nur, fremde Juden nicht einzulassen und ließen in ihren Ordnungen dem jeweiligen Richter einen Ermessensspielraum, wenn Juden aus verdächti­ gen Gebieten mit „unausbleiblicher schwerer / auch / denen Umbständen nach / mit Leibes- oder gar Lebensstraffe“ bedroht werden und für eine Verurteilung zum Teil noch „gnugsahme Zeugen“ notwendig waren.116 Im Gegensatz dazu schrieb etwa die Stadt Plön im gleichen Zeitraum für alle Juden lediglich einen „glaubwürdigen Schein“ vor, mit dem sie die Stadt betreten durften.117 Im herzoglichen Schleswig-Holstein wurden im Oktober 1710 alle Juden auch mit Pässen abgewiesen, zwei Monate später jedoch konnten sie wieder einreisen, wenn sie Atteste mit der Unter­schrift des Administrators oder des Ministers von Görtz vorwiesen.118 Die ange­ord­nete wie die tatsächliche Strenge hinsichtlich der Freizügigkeit gegenüber Juden variierte folglich in den verschiedenen Herrschaften zum Teil sehr stark und war von den Protagonisten (wenig vermögende Kleinhändler bzw. privilegierte Schutzjuden) und deren wirtschaftlicher Bedeutung für das Gebiet abhängig. Gehörten Juden zu Beginn der Seuche zu den ersten von Verboten betroffenen Per­sonen, so waren sie meist auch die letzten, welche ungehindert wieder am Handel teilhaben konnten. Nachdem in Königsberg die Seuche weitgehend aufgehört hatte und der dortige Rat die Wiederaufnahme des Verkehrs in Lübeck erbat, betonte er, dass weiterhin „[d]ie Juden, und anderes verdächtiges Geschmeiß, […] gleichfals nicht herein gelaßen“ würden.119 Der grobschlächtige Tonfall ist als ein stilistisches Mittel zu deuten, 115  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, kurfürstliche Regierung zu Hannover an Lübschen Rat (R, 17.08.1710 und 03.10.1710), kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 22.08.1710 und 30.09.1710), Verordnungen des Kurfürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 07.01.1710, 12.08.1710, 13.09.1710). STAS: Rep. 13, 1862, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Stralsunder Rat (R, 22.08.1710). 116  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 23.08.1710); 3 / 1, Verordnungen des Lübschen Rates (D, 21.11.1710 und 30.08.1710). AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710). Vgl. aber das Bekenntnis des Rates an die Ratze­bur­ger Regierung, dass keine Juden in die Stadt kommen dürften (AHL: ASA; Interna, Pest 6 / 3, Lübscher Rat an kurfürstliche bzw. herzogliche Regierung zu Ratzeburg (E, undatiert, wohl Mitte 01.1711). 117  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Plöner Rat an Lübschen Rat (R, 13.10.1710). 118  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 5, Verordnungen des Administrators für das herzogliche Schleswig und Holstein (D, 21.10.1710 und 3 / 2, (D, 24.12.1710)). 119  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  2, Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 27.03.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

mit dem auf die judenfeindlichen Lübecker Verordnungen Bezug genommen wurde, um so die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Städten gegenüber den als fremd empfundenen Personen zu verstärken. Die Lübecker verhielten sich ähnlich und erklärten im April 1710 gegenüber dem Danziger Rat, den Handel nach Ende der dortigen Pest wieder aufzunehmen unter der Bedingung, „dz. noch keine juden anhero gelaßen werden“.120 Doch auch hier sah die Wirklichkeit anders aus als die meisten offiziellen Schreiben Glauben machen wollen. Im September 1710 rügte der Lübsche Magistrat die Königsberger und Danziger Ratsherren, da diese trotz bekanntem Verbot die Reise von Juden auf ihren Schiffen gestattet hatten. „[O]b wir nun wohl ursach gehabt hätten, um dieser Juden willen dz. gantze schiff abzuweisen, so haben wir dennoch aufdermahl der commercii halber so hart annoch nicht verfah­ren wollen“.121 Dieses Eingeständnis zeigt, dass der Handel mit Juden selbst aus zwei der am härtesten von der Seuche getroffenen Städte möglich war. Der nach­folgende Satz, man werde alle künftigen Schiffe ganz bestimmt abhalten, er­ scheint daher fast wie eine bloße Phrase, um den Schein der strengen Verord­nungen auf­recht zu erhalten. Wiederum ein Jahr darauf – die Pest wütete zu dieser Zeit vor al­lem in Dänemark und Schweden – monierte einer der Lübschen Ärzte während einer Sitzung des Offizium Sanitatis, „daß sehr viel juden sich in der Stadt sehen ließen, [und] daß sie möchten zurück gehalten werden“.122 Über die Wirkung all dieser Erlasse auf die Mehrheitsbevölkerung ist wenig bekannt. In einem aufgeschriebenen Verhör aus Rostock ist immerhin für einen Fall fassbar, dass die Verordnungen nur auf die verfemten Gruppen bezogen wurden. Der Eisen­schneider Heynig (siehe auch Kap. C.II.5) gab Folgendes zu Protokoll: „[Frage:] Ob Er woll wiße daß man von inficirten Ohrten nach gesunden n. reisen müste? R[espondet]: Ja Er hätte woll gesehen daß solches an geschlagen wehre, Er hätte aber gemeinet daß solches nur von Juden u. Zigeunern zu verstehen wehre.“123

Inwieweit Heynig damit sein eigenes Delikt entschuldigen wollte, bleibt unklar, doch wird allein durch den Versuch einer Begründung deutlich, dass die Edikte auch dazu dienten, die Bevölkerung zu beruhigen, indem sich Restriktionen und Strafen auf notorisch verdächtige Menschengruppen konzentrierten und separate Erlasse für die Mehrheitsbevölkerung als nicht notwendig erschienen. 120  Ebd., Lübscher Rat an Danziger Rat (E, 23.04.1710), vgl. Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 02.05.1710). 121  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Lübscher Rat an Danziger Rat (E, 13.09.1710). 122  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 17.08.1711). 123  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 20.09.1710).



I. Unerwünschte Personengruppen237

Die im Laufe des Untersuchungszeitraumes immer stärker werdende Einflussnahme der kurfürstlichen Regierung auf die Politik des Lübschen Rates zeigt sich auch in der Behandlung der Juden. Im November 1711 bat der Rat die Stadt Altona, den dort wohnenden Juden bestimmte Anweisungen bekannt zu machen. Der Grund war, dass „Ihr. Churfl. durchl. zu braunschweig Luneburg dero regierung zu Ratzeburg uns wegen derer in der nachbarschaft wohnhaften juden, und deren passirung notificiret und begehret, daß wir es auf gleiche maaße halten möchten:. wan wir dann zuconservation unserer Stadt eigenen wohlstandes, als auch der freyen communication mit den benachbarten Ländern, uns dieser veranstaltung rat[ione] der in der nähe wohnenden juden conformiret“.124

Vereinfacht ausgedrückt bedeutete dies, dass Lübeck aus Sorge vor den Kurfürstli­ chen deren Maßnahmen beigetreten war. Eine Beschwerde aus Ratzeburg hatten die Lübecker zunächst mit den politischen Umständen entschuldigt. Unter den Händlern, welche der dänischen Armee in Mecklenburg Lebensmittel lieferten, seien auch Juden aus Glückstadt, die ungehindert die Lübschen Grenzen passieren dürf­ten, weil der dänische König sie schützte. Auf die energische Entgegnung der kur­fürstlichen Regierung, dass „von diesen Leüthen die mehriste gefahr zu besorgen [sei], inmaßen sich dieselbe mit allerhand verdächtigen wahren aus Gewinnsucht zu beladen pflegen“, beugten sich die Ratsherren.125 In dem nur einen Tag nach Erhalt des ersten Schreibens aufgesetzten Brief an den Hamburger Rat, gaben die Lübe­cker unumwunden zu, dass „wir derselben [der kurfürstlichen Verordnung] uns wohl mit conformiren müßen“.126 Es gehörte zu den festen Aussagen der meisten Schreiben, die Einreise von Juden zu unterbinden. Hinsichtlich der generellen Verdächtigkeit der jüdischen Reisenden waren sich die städtischen wie landesherrlichen Obrigkeiten einig. Diese Maßnahme fand einerseits allgemeine Zustimmung und war andererseits am leichtesten einzu­ halten, da hinter den Juden keine einflussreiche Macht stand und ein Ausfall des jü­dischen Kleinhandels keine allgemeinen wirtschaftlichen Einbußen bewirken konnte. Unter dem Eindruck der Pest in Holstein nahm das Offizium Sanitatis seine Tätigkeit in Lübeck wieder auf und beriet als einen der ersten Punkte, ob aus Sicherheits­grün­den allen Juden die Einreise in die Stadt zu untersa124  AHL:

ASA, Interna, Pest 7, Lübscher Rat an Altonaer Rat (E, 03.11.1711). ASA, Interna, Pest 8 / 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 12.10.1711) und Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 14.10.1711), 7, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 26.10.1711). 126  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 31.10.1711) und an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 31.10.1711). 125  AHL:

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D. Exemplarische Pestkommunikation

gen sei. Es wurde diese Maß­nahme zwar im Gremium „sonderlich gut gefunden“, doch gibt es keine entspre­chende Ordnung des Rates oder andere Belege für eine Verschärfung der Bestim­mungen.127 In Wismar kam es zur gleichen Zeit, ebenfalls wegen der Seuche in Hol­ stein, zu Überlegungen innerhalb des Tribunals, welche Maßnahmen sinnvoll seien. Nur in einem Punkt, nämlich bei der Nichteinlassung von Bettlern und Juden, waren sich alle Mitglieder einig, während andere Aktionen wie Waren- und Post­ kontrolle zum Teil weitschweifige Diskussionen hervorriefen.128 Die in den Quellen aufgeführten Gründe für einen Boykott jüdischen Handels beru­hen auf drei unterschiedlich gewichteten Bereichen. Besonders zu Beginn der Epi­demie, als neben Polen keine anderen Länder von der Seuche betroffen waren, wurde die Herkunft als Kriterium angeführt, das heißt Juden aus Polen war der Zutritt in die Seestädte verschlossen. Zweitens galten bestimmte Handelsgüter als gefähr­ lich, wobei die Person des Händlers in den Hintergrund rückte. Von den entspre­ chenden Verboten waren folglich sowohl Juden als auch Christen betroffen, für wel­che eine Herkunft aus Polen in der Anfangszeit gleichermaßen unvorteilhaft war. Eine pauschale Verurteilung als Juden, bei der nur die religiöse Zugehörigkeit die Reise- und Handelsverbote bedingte, findet sich jedoch ebenso. Von diesen Rege­lungen gab es im Einzelfall Ausnahmen, die für Schutzjuden galten bzw. es im aktu­ ellen Ermessen der Verantwortlichen lag, aus der Situation heraus zu entscheiden. Abgesehen von den besonders strengen hannoverschen Erlassen ist kein signifi­kanter Unterschied in der Gesetzgebung der fünf Seestädte und der sie umgebenden Landesherrschaften erkennbar. 3. Soldaten Die meisten der unerwünschten Personengruppen – Bettler, „Zigeuner“ und Juden – ließen sich durch Verordnungen der städtischen Räte abwehren und je nach Inten­ sität der umgesetzten Maßnahmen tatsächlich von den Städten fernhalten. Die größte Gruppe – Soldaten – jedoch entzog sich weitgehend der rätlichen Autorität. Das Verhältnis zum Militär war in den Städten zwiespältig. Einerseits stellten die Garnisonen, die zum Teil mehrere Tausend Personen umfassten, einen erheblichen Wirtschafts­ faktor und 127  Ebd.,

Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 22.08.1712). Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 30.07.1712), Abt. III, XIX, 2, 6, Verordnung (hs. datiert auf 03.09.1710, wahrscheinlich aber um den 05.08.1712), Abt. III, XIX, 2, 7, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 05.08.1712), Abt. III, I, T 16, 496, Verordnung (R, 05.08.1712), Ratsakten, I, 6, 14, Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal (D, 02.08.1712). 128  STAW:



I. Unerwünschte Personengruppen239

eine willkommene Einnahmequelle für die Städte dar, anderer­seits wurden die Bürger durch die Einquartierungen belastet, der gesteigerte Ver­brauch erhöhte die Grundnahrungsmittelpreise vor Ort und der Magistrat hatte weder die Möglichkeit direkter Besteuerung der Soldaten noch eine Weisungsbefugnis, da das Militär dem Landesherrn unterstand.129 Von den untersuchten Seestädten war allein Lübeck in der Lage, eigenverantwortlich über das in der Stadt stationierte Mili­tär zu verfügen. Besonders in den großen Festungsstädten Stralsund und Wismar, aber auch in Greifswald und Rostock war das Militär eine nicht zu unter­schätzende Größe im öffentlichen Leben. Problematisch wurde diese Größe in dem Moment, als schwedische Soldaten aus den Kriegsgebieten in Polen zurückkehrten und im Ver­dacht standen, mit der Seuche infiziert zu sein (vgl. Kap. IV.1). Neben dem eigentli­chen Heer zogen abgedankte und desertierte Soldaten sowie deren Familien die Aufmerksamkeit auf sich. Sofern eine Anstellung vor Ort in einem anderen Berufsfeld nicht gelang, wanderten die ehemaligen Soldaten durch die Lande, um in ihre Hei­ matgebiete zu kommen oder unterwegs einen neuen Posten zu finden. Wenn sie unterwegs kein Geld verdienen konnten und die Reserven sich ver­ brauchten, waren sie auf anderweitige Unterstützung angewiesen. Ein Soldat ohne An­stellung stand damit schnell unter Bettelverdacht, wie die Einschätzung des Rostocker Hafenvogtes zeigt, der über einen mit Frau und Kindern aus Malmö angereisten Soldaten sofort urteilte, dass sie „daselbst vielleicht schon lang gnugk mögen gebettelt haben“.130 129  Vgl. Kroll (1997), S. 49–65. Pröve, Ralf: Der Soldat in der ‚guten Bürgerstube‘: Das frühneuzeitliche Ein­quartierungssystem und die sozioökonomischen Folgen, in: Kroener, Bernhard R. / Pröve, Ralf (Hrsg.): Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn (u. a.) 1996, S. 191–218. Ein Beispiel für die positive Verbindung von Festungs- und Handelsstadt stellt das 1621 ge­grün­dete Göteborg dar, das sich ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem Wirt­ schafts­zentrum mit weitgespannten Handelsbeziehungen entwickelte. Vgl. Dalhede, Christina: Handels­familjer på stormaktstidens europamarknad: resor och resande i internationella förbindelser och kulturella interessen. Augsburg, Antwerpen, Lübeck, Göteborg och Arboga, Bd. 2 (Meddelanden från Ekonomisk-Historiska Institutionen vid Göteborgs Universitet 82), Göteborg 2001, S. 321. Krüger, Kersten: Die Idealstadt der frühen Neuzeit, insbesondere in Nordeuropa, in: Braun, Frank / Kroll, Stefan (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der frühen Neuzeit: Wirtschaft, Baukultur und historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Wismar vom 4. und 5. September 2003 (Geschichte. Forschung und Wissenschaft 5), Münster 2004 S. 11–47, hier S. 20 ff. Rathjen, Jörg: Soldaten im Dorf. Ländliche Gesellschaft und Kriege in den Her­zog­tümern Schleswig und Holstein 1625–1720: eine Fallstudie anhand der Ämter Reinbek und Trittau, Kiel 2004. 130  AHR: 1.1.3.15 – 159, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 18.08.1710 und 15.08.1710) und Verhörprotokoll (P, 15.08.1710). Vgl. Meumann, Markus: Solda­ten­familien und uneheliche Kinder: Ein soziales Problem im Gefolge

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Da gegen fremde Soldaten, solange sie sich im regulären Dienst befanden, nicht ein­ge­schritten werden konnte, ohne diplomatische Verwicklungen zu riskieren, erwäh­nen die Verordnungen nur die Männer, die nicht mehr im Dienst eines Landes­herrn standen. Mit dem Verlust des Dienstes – sei es durch ordentliche Beendigung oder Desertion – verloren sie zugleich ihren sozialen Status.131 Ohne ordnungs­gemäßen Broterwerb standen sie auf einer Stufe mit anderen unerwünschten Personen. Insge­samt finden sich daher in den Erlassen verhältnismäßig wenige Aus­führungen über Soldaten, da sie mit Bettlern gleichgesetzt wurden. Die ausführliche Pest­ordnung des mecklenburgischen Herzogs vom 30. Dezember 1709 listet denn auch „HerrenLoses Gesinde / Krancke / und übelgestalte Leute / vagirende Schüler / und andere Landstreicher / abgedanckte Soldaten / Bettler / und liederliche Handwercks-Bursche“ in einer Reihe auf und macht deutlich, dass kein Unterschied zwischen die­sen Personen gemacht wurde.132 Die gedankliche Verbindung zwischen Soldaten und Krankheitsübertragung findet sich vielfach in den Quellen. Den ersten Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Soldat und Seuche liefert ein Schreiben der der stehenden Heere, in: Kroener, Bernhard R. / Pröve, Ralf (Hrsg.): Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn (u. a.) 1996, S. 219– 236, hier S. 222 f. Engelen, Beate: Soldatenfrauen in Preußen. Eine Strukturanalyse der Garnisons­ gesell­ schaft im späten 17. und im 18. Jahrhundert (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 7), Münster 2005. 131  Vgl. Sikora, Michael: Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahr­ hundert, Berlin 1996, S. 54–97. Rink, Martin: Die noch ungezähmte Bellona – Der kleine Krieg und die Landbevölkerung in der Frühen Neuzeit, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 1), Münster / Hamburg / London 2000, S.  165–189, hier S.  166 ff. Sikora, Michael: Das 18. Jahrhundert: Die Zeit der Deserteure, in: Bröckling, Ulrich  /  Sikora, Michael (Hrsg.): Armeen und ihre Deserteure. Ver­nachlässigte Kapitel einer Militärgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1998, S. 86–111. 132  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). Die Ordnung wurde 1710 erneuert (AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von MecklenburgSchwerin (D, 19.12.1710). Der angeführte Abschnitt ist wortgleich mit dem ent­ sprechen­den Passus in der Pestordnung des Fürstbistums Lübeck vom 18.11.1710. (AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 2, Verordnung des Fürstbischofs Christian August von Lübeck (D, 18.11.1710). Ähnlich in Rostock, wo abgedankte Soldaten zusammen mit Bettlern, Ju­den und Zigeunern mit dem Halseisen bedroht wurden, Lübeck, wo eine Gleichsetzung mit Bettlern und Juden stattfand und Bergen (Rügen), wo ab November 1710 „kein Bettelman, Soldaten, oder Verkäuffer weiber, ins Land gelaßn werden“ sollte. AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Rostocker Rates (D und E, 24.08.1710), Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.1710) (auch in: AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1). STAS: Rep. 9, 430, Schreiben von N. N. aus Bergen (Rügen) (R, 09.11.1710).



I. Unerwünschte Personengruppen241

Stadt Stralsund an ihre Landtags­depu­tierten vom Januar 1708. Diese sollten überlegen „ob nicht auch wegen der Gefangenen und blessirten, so eine Zeit lang, Zimlich haüffig auß Pohlen anhero gesand vorsicht zu gebrauchen, daß dieselbe nicht so gleich admittiret, sondern vorhero eine Zeitlang à part verwahret werdn müßn.“133

Eine Unterscheidung zwischen eigenen („blessirten“) und feindlichen („Gefangenen“) wurde nicht vorgenommen, so dass nicht die nationale Zugehörigkeit, sondern allein der Aufenthaltsort in Polen ausschlaggebend für das Misstrauen war. Am besten do­kumentiert ist der Zug des Korps Krassow. Als im Sommer und Herbst 1709 mehrere Regimenter dieses Korps nach Schwedisch Pommern und Wismar einrückten, ver­boten die Nachbarterritorien die Einreise der von dort kommenden Soldaten, weil sie aus bekanntermaßen infizierten Gebieten kamen und deshalb als Krank­ heits­ überträ­ger per se eingestuft wurden.134 Unter dem Druck der kurfürstlichen Regierung in Ratzeburg drängten als erste die Lübschen Ratsherren den Wismarer Magistrat, den Soldaten keine Pässe mehr auszustellen. Der Rat fügte sich dieser Forderung in Ab­sprache mit dem Tribunal. Erst nach einer mehrmonatigen Wartezeit, in welcher sich der Verdacht einer Infizierung nicht erhärtete, akzeptierten die Nachbarn erneut eine Einreise von Soldaten. Von dem Verbot in Kenntnis gesetzt wurden weiterhin nach­weislich das Tribunal, sowie die Städte Rostock, Schwerin und Güstrow. Die Adres­saten wurden gebeten, keinem aus Pommern Kommenden mehr Pässe für die Reise nach Lübeck auszustellen, um keinen Missbrauch zu ermöglichen. In direkter Folge des Lübecker Schreibens sperrten die Rostocker ihren Ort umgehend für Reisende aus Pommern, wobei sie Soldaten besonders er­ wähnten. Im Informationsschreiben an die vorpommersche Regierung gaben sie zwar an, „der festen meinung [zu] sein, daß in Pommern; ohne was in dem eingeschloßenen Stadlein Dam geweßen sein mag, keine ansteckende seuchen vorhanden“, aber aus Furcht vor einer Blockade Rostocks vor al133  STAS: Rep. 14, 88, Stralsunder Rat an Landtagsdeputierte (E, 16.01.1708), Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708). Die vorpommersche Regierung rea­ gierte verhalten. Zwar wurde für alle aus Polen reisenden Personen Passpflicht vorgeschrieben und bestimmte Personen- und Warengruppen gänzlich gesperrt, doch war das Militär von diesen Re­gelun­gen ausdrücklich ausgenommen. 134  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an königlich schwedisches Tribunal (E, 30.11.1709) und Schweriner Rat (oder Herzog) (E, 30.11.1709). Zum Verhältnis zwischen Bevölkerung und Militär siehe: Langer, Herbert: Formen der Begegnung schwedisch-finni­scher „Nationalvölker“ und Geworbener mit den Einwohnern Schwedisch-Pommerns, in: Asche, Matthias (u. a.) (Hrsg.): Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 9), Münster 2008, S. 71–90.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

lem durch den Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg glaubten sie, zu diesem Schritt genötigt zu sein.135 Obzwar die schwedischen Soldaten mit diesen Mitteln erfolgreich abgewehrt werden konnten, mussten die Rostocker ab 1711 eine Besetzung durch dänische Truppen hin­nehmen. Wenige Wochen nach dem Einmarsch beurteilte der Universitäts­profes­sor Detharding136 die Lage der Stadt als kritisch. Es würde „dieser guten stadt eine nicht geringe gefahr von Kranckheiten bedeute[n], das die so häufig sterbenden [dänischen] soldaten, auff denen Kirchhöfen in dieser stadt begraben oder vielmehr oben in der erden niedergesetzet werden […] So dann drittens mag nicht wenige gefahr bringen das von denen Soldaten, […] nach dehm sie in der bürger Häuser aufgenommen worden sind, annoch an solche Kranckheit der Ruhr behafftet zu sein befunden worden, und also ihren wirthen und andern mit ihnen umbstehenden Leuten die gefahr von neuem über den hals ziehen.“137

In vergleichbarer Weise stellte etwa zeitgleich der Magistrat in Stralsund fest, dass die größte Seuchengefahr vom Militär ausgehe und „daß malum […] großen undt mehrentheilß von der Soldatesqve hergekommen“.138 Als es trotz dieser Bedenken in Rostock zu keinem Pestausbruch kam, andererseits die Dänen nicht aus der Stadt ausrücken wollten, bemühte sich der Rat, die Zahl verdächtiger Personen in der Stadt zu begrenzen. In einem Brief an den Herzog ba­ ten die Ratsherren, dass die dänischen Offiziere ihre Frauen, Kinder, Gesinde oder Güter nicht nach Rostock bringen sollten, 135  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Lübscher Rat an Wismarer Rat (R, 24.08.1709), Wismarer Rat an Lübschen Rat (E, 31.08.1709). AHL: ASA Interna, Pest, 4 / 1, Lübscher Rat an Wismarer Rat (E, 24.08.1709), Wismarer Rat an Lübschen Rat (R, 31.08.1709). „wier [Lübeck] dan vernehmen daß an unsere thören viel Soldaten von dortiger [Wismarer] Guarnison sich einfinden, und bißhero in dieser Stadt kommen sollen, wier aber […] bedencken haben, die solche einkommen zu laßen […]; Alß ersuchen Ew: Ehrb: wolled: freundtl: zu verhüten, daß dortige Soldaten anhero nicht kommen, noch ihnen deßfalß einige päße so wenig von dortiger Stadt, alß von der Guarnison gegeben werden“. Dieselbe Maßnahme verfügten die Lübecker im Oktober 1711 gegenüber den dänischen Soldaten, die in der Nähe der Stadt ein Lager aufgeschlagen hatten und im Lübecker Offizium Sanitatis als pestverdächtig galten. Aus­nahmen galten für die Offiziere, denen mit Pässen der Generalität das Hereinkommen in die Stadt gestattet wurde. AHL: ASA, Interna, Pest 7, Ratsschluss (R, 14.10.1711). 136  Vgl. Catalogus Professorum Rostochiensium (http: /  / cpr.uni-rostock.de / meta data / cpr_ professor_ 000000000400 (21.02.2011). 137  AHR: 1.1.3.15 – 160, Prof. Dr. Detharding an Rostocker Rat (R, 18.09.1711). 138  STAS: Rep.  14, 99, Ratsprotokollauszug (R, 10.06.1711); Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 29.09.1710). Ähnlich auch die frühere Einschätzung der Regierung, dass in Stralsund „Soldaten und allerley unver­dächtige todten […] dieses ohrtes die meisten seyn“.



I. Unerwünschte Personengruppen243

was bislang „ohne unser vorbewust und einwilligung“ geschehe.139 Eine Antwort des Herzogs ist nicht erhalten, doch ist es angesichts der Machtlosigkeit Mecklenburg-Schwerins gegenüber den Durch­zügen der Kriegsparteien unwahrscheinlich, dass Friedrich Wilhelm sich erfolgreich für Rostock verwenden konnte.140 Der Wismarer Rat bemühte sich besonders 1709, die Stadt von Truppenbewegungen und Einquartierungen durch schwedische Soldaten zu verschonen, weil die Ankunft der etwa 400 Mann des aus Posen kommenden Regiments Bredtholtz „der totale ruin dieser Stadt“ sein würde und die Einquartierung über die Möglichkeiten der „Schwachen und elenden Bürgerschafft“ weit hinausginge.141 Neben dem direkten Schaden drohte eine andere Gefahr, weil zu befürchten stand, dass „bey der benachbahrten Herschafft allerhandt wiedrige Soubsons und vermuthungen entstehen, ja dieselbe zu solchen verfaßungen bewogen werden […], so uns à coummune commercio aus[zu]schließen und eine völlige einsperung nach sich ziehen möchten“,

wodurch Stadt und Garnison „Verderb und Untergang“ drohe.142 Mit dieser eindringli­chen Argumentation, die durch Schreiben des Tribunals unterstützt wurde, versuch­ten die Ratsherren, dass die Soldaten stattdessen in Pommern stationiert werden sollten, scheiterten aber am Widerstand des Stettiner Generalgouverneurs. Die in diesen Fällen konkrete Bedrohung durch bestimmte Truppenteile wird in den zahlreichen Gerüchten dieser Jahre durch eine diffuse Angst vor allem Militärischen ergänzt. Es fällt auf, dass bei sehr vielen der nachweisbaren Gerüchtekomplexe Sol­daten eine Rolle spielten. Als Kopenhagen ab dem Winter 1710 in Lübeck als pest­verdächtige Stadt galt, war das Interesse der Lübschen Ratsherren nicht auf die zivile Bevölkerung, sondern be139  AHR: 1.1.3.15 – 160, an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 29.08.1712). 140  Vgl. bezüglich der Durchzüge der Kriegsparteien und den Verhandlungen Mecklenburg-Schwerins mit den Nordischen Alliierten den Bestand „Acta invasionum hostilium“ im Landeshauptarchiv Schwerin, besonders LHAS: 2.11-2  /  1, Nr.  588 / 3137; 2.11-2 / 1, Nr.  1206 / 4283; 2.12.-2 / 19, LXXXV (Schwerin), Vol.  II. 141  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 22.10.1709). Vgl. hierzu die späteren Klagen über Exzesse schwedischer Soldaten im Wismarer Umland und den Lübschen Hospitaldörfern auf Poel. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Oberst Posse an königlich schwedisches ­Tribunal (R, 20.12.1709) und Oberst Marschalk an Oberst Posse (R, 18.12.1709); 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 17.12.1709) und königlich schwedische Regierung zu Bremen (K, 23.01.1710). 142  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 22.10.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

sonders auf die Zustände in der dänischen Flotte ge­richtet. Der Gesandte Hanses berichtete ausführlich, welche Wege die verab­schie­deten Matrosen in ihre Heimatländer nahmen, damit die Lübecker rechtzeitig vor de­ ren Ankunft Maßnahmen ergreifen konnten.143 Bei dem nahe Oldesloe gelegenen Ort Höltenklinken entstand den Gerüchten zufolge die Seuche, nachdem die Leiche ei­nes dänischen Soldaten ausgegraben und beraubt worden war. Besonders gut nachvollziehbar ist ferner eine Geschichte von 1710, bei der ein ausländischer Offi­zier mit einem auffälligen roten Mantel die Seuche nach Lübeck gebracht haben sollte. Nachforschungen der zusammenarbeitenden Lübecker, Wismarer und Rostocker Behörden ergaben, dass es eigentlich ein Bauernknecht gewesen war. Im Laufe der Zeit statteten ihn die Gerüchteerzähler mit der unheimlichen Aura eines Soldaten aus, wodurch die Ereignisse dramatischer und interessanter wurden.144 Das allgemeine Misstrauen gegenüber Soldaten, die oft aus entfernten Ländern stamm­ten, nicht immer Deutsch sprachen und ihr Gewaltpotential zum Teil missbrauchten, um von Reisenden Abgaben zu erpressen, förderte die Aus­ schmückung der Ge­rüchte und gab der Bevölkerung eine Möglichkeit, ihre Vorurteile von gewissenlosen und gefährlichen Soldaten zu bestätigen.145 Es ist festzustellen, dass Erkrankungen unter den Soldaten häufiger genannt werden als Leiden der übrigen Bevölkerung. Zum einen lässt das auf eine tatsächlich höhere Anfälligkeit schließen. Abgesehen von den oben genannten ausführlichen Ge­ schichten berichteten Schiffer immer wieder vom Gesundheitszustand in den Garni­sonen der von ihnen besuchten Städte bzw. wurden hierzu gezielt befragt. Im Brief­ verkehr äußerten sich auch 143  Henning Dethloff (von) Hanses gehörte zu den Aufsteigern im diplomatischen Dienst. Selbst bürgerlicher Herkunft, begann er seine Laufbahn beim Hamburger Residenten von Rondeck, wechselte dann in den Dienst des Kaisers, wurde 1690 geadelt und wirkte ab 1699 als kaiserlicher Gesandter in Kopen­hagen. Hanses’ gutes Verhältnis zum Lübschen Rat ist als Besonderheit anzusehen, denn mit keinem anderen Diplomaten in fremden Diensten wurde in derart häufig und offen korrespondiert. Bittner, Ludwig / Groß, Lothar: Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648). Bd. I (1648–1715), Oldenburg, Berlin 1936, S. 143 und 146. Müller, Klaus: Das kaiserliche Gesandtschaftswesen im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden (1648–1740) (Bonner historische Forschungen 42), Bonn 1976, S. 124, 214 und 236. 144  Wahrmann (2009), S. 476–480. Vgl. Wahrmann, Rostock, S. 45–49. 145  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 31.10.1711) und kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 31.10.1711), kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 28.10.1711), 8 / 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 30.10.1711 und 09.11.1711), Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.11.1711). STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 26.09.1710). AHR: 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 22.01.1709, Punkt 4, 07.08.1709, Punkt 19 und 09.08.1709, 1.1.3.15 – 159, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 15.08.1710).



I. Unerwünschte Personengruppen245

Obrigkeiten und Privatpersonen in der Regel nicht nur über die allgemeine Lage, sondern ausdrücklich auch über die in der Stadt liegenden Soldaten bzw. teilten ihr Wissen über den Zustand in anderen Garnisonen mit. Ande­ rerseits scheint ein erhöhter Krankenstand unter den Soldaten als normal gegolten zu haben. Anders ist die häufige Betonung, es handele sich „nur“ um Kranke und Tote in den Garnisonen nicht zu erklären bzw. erscheint die besondere Herausstel­lung, dass „nicht allein einige Soldaten sondern auch bürgere würcklich daran gestorben“, unverständlich.146 Die Stralsunder Ärzte erklärten, dass nach einer über­standenen Pest vereinzelte neue Fälle besonders unter Soldaten nicht ungewöhnlich seien und sich in Stralsund wenn „solches bey der milice woll inner 8 oder 14 tagen dan undt wan bey einen oder andern angemercket worden es doch dahin nicht gezogen werden könte, oder von solcher importance zu halten, daß des wegen gefahr zu besorgen“.147

Da ein Großteil der Soldaten verheiratet war und die Familien ebenso wie das ei­ gentliche Heer mobil sein mussten, achtete man in den Seestädten nicht nur auf das Verhalten der Musketiere und Dragoner, sondern insbesondere auf das der Ehe­frauen.148 Anders als ihre uniformierten Männer waren sie nicht auf den ersten Blick zu erkennen und trotzdem in gleichem Maße verdächtig, weil sie sich an denselben Orten aufhielten und mit den densel146  STAS: Rep. 14, 99, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 16.06.1711). AHL: ASA, Interna, Pest 6  /  2, Schreiben des Vogts Sager (P, 07.01.1711), 4 / 2, Rostocker Rat an Lübschen Rat (R, 15.01.1710; auch in: AHR: 1.1.3.15 – 159, E, 15.01.1710). AHL: ASA, Interna, Pest 7, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 27.07.1711), Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 29.07.1711). AHR: 1.1.3.15 – 133, Verhörprotokoll (P, 14.11.1713), 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 20.09.1710), Schreiben von N. N. aus Stettin (K, Anfang 02.1710), Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (K, 19.02.1710), 1.1.3.15 – 160, Verhörprotokoll (P, 29.01.1711). Typische Aussagen sind: Die „Soldaten an den ohrt stürben haüffig nebst einigen geringen Leüten, bey welchen Sie in quartier lägen. aber von einer grassirenden Pest hätte er nichts gehöret. […] daß solches [Nachricht über Seuchen in Südschweden] falsch wäre, obgleich nicht zu leügnen, daß ein und ander von der Milice stürben, […] das könte ja nichts machen, den in Carlscrone noch vielmehr unter den Soldaten oder Seefahrenden Leüten ein sterben wäre.“ 147  STAS: Rep. 14, 99, Schreiben der Stralsunder Ärzte (K, 20.06.1711). 148  Siehe hierzu: Engelen, Beate: Warum heiratete man einen Soldaten? Soldatenfrauen in der ländli­chen Gesellschaft Brandenburg-Preußens im 18. Jahrhundert, in: Kroll, Stefan  /  Krüger, Kersten (Hrsg.): Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit 1), Münster / Hamburg / London 2000, S.  251–273. Nowosadtko, Jutta: Soldaten­ partner­ schaften. Stehendes Heer und weibliche Bevölkerung im 18. Jahrhundert, in: Hagemann, Karen / Pröve, Ralf (Hrsg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Ge­ schlechterordnung im historischen Wandel (Geschichte und Geschlechter 26), Frankfurt am Main / New York 1998, S. 297–321.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

ben Personen verkehrten. Als das Korps Krassow für Unruhe in der Region sorgte, baten die Lübschen Ratsherren den Wis­marer Magistrat ausdrücklich, „daß wir mit Soldaten und deren weibern u. passagierern aus Pommern verschont bleiben mögen“.149 Die Eigenschaft als Ehe­frau eines Soldaten wird in den Quellen mehrfach hervorgehoben. Damit unterschei­ den sich diese von anderen reisenden Frauen, die oft nur als „frau“ oder „weib“ be­zeichnet werden, ohne dass der Beruf des Mannes genannt wird.150 Auffallend viele von ihnen werden in den Akten vermerkt, meist in Zusammenhang mit fehlenden oder beanstandeten Gesundheitspässen. Neben den Schiffern stellen sie die größte aus den Quellen erfassbare soziale Gruppe der Reisenden.151 Selbst wenn die Frauen aufgrund ihres Standes von den Torwachen besonders misstrauisch angese­hen wurden und deshalb über sie mehr Vorgänge dokumentiert sind als verhältnis­mäßig wäre, so kann doch angenommen werden, dass ein sehr hoher Anteil der mo­bilen weiblichen Bevölkerung zur Gruppe der Soldatenfrauen gehörte, die alleine oder in Gruppen zu den Einsatzorten ihrer Männer reisten. In Wismar waren sich Tribunal und Rat schon kurz nach Bekanntwerden der Nach­richt, dass die beiden nach Wismar gehörenden Krassowregimenter aus Polen im August 1709 zurückmarschierten, darüber einig, aus Sicherheitsgründen gar keine Soldaten und schon gar nicht die „zum Militair Etaat gehorende“ Frauen in die Stadt einzulassen.152 Trotzdem die Frauen zum Militär des Königs gehörten und damit für das schwedische Reich wichtig waren, diskutierte man im Tribunal ihre Behandlung in einem Atemzug mit Juden und Bettlern.153 Die rigorose Verordnung der Wismara­ner war in der Praxis nicht durchzusetzen. Es blieb bei dem ur­sprüng­lichen Marsch­befehl, 149  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an Wismarer Rat (E, 20.11.1709, auch in: STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, R, 20.11.1709). 150  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Flensburger Rat an Lübschen Rat (R, 26.08.1711), 8 / 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 27.09.1712). Zum Beispiel führte der Anklamer Rat mehrere verdächtige Todesfälle in einem städtischen Haus ausdrücklich auf ein dort untergebrachtes „Soldaten Weib“ zurück und lenkte damit die Aufmerksamkeit von den Bürgern hin zum Militär. STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an Anklamer Rat (E, 06.11.1710) und Anklamer Rat an Greifswalder Rat (R, 11.11.1710). 151  Z. B. AHR: 1.1.3.15 – 158, Verhörprotokoll (P, 24.09.1709), Schreiben des Vogts Danckwertz (R, 20.08.1709), 159, Verhörprotokoll (P, 05.08.1710), Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 01.08.1710), 160, Martin Eggers, des Jochim Gladerauw, des Jochen Lahbahn und des Hanß Pust an Rostocker Rat (R, 16.01.1711). 152  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Ratsprotokoll (P, 05.08.1709), Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709 und 16.08.1709), Ratsakte 82, Sitzung vom 26.08.1709, Punkt 2. 153  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709).



I. Unerwünschte Personengruppen247

demzufolge Wismar hunderte Soldaten aufnehmen musste. In Wismar konnte man nur versuchen, die nachweislich infizierten Personen fern­zu­halten bzw. die Erkrankten rechtzeitig zu separieren.154 Der Vizegouverneur wurde durch das Tribu­nal angewiesen, auf die aus Polen kommenden Soldatenfrauen „genaue acht“ zu geben, so dass „deroselben einschleichung verhütet werden möge“.155 Das bedeutet, dass nur die Frauen, die keine Reisepässe vorweisen konnten, abgewiesen wurden. Eine genauere Begründung dieses Befehls unterblieb anders als bei Bettlern und Juden, von denen das Tribunal meinte, sie würden die Stadt „leicht ins unglück“ stür­zen.156 Der Öffentlichkeit wurde die Regelung durch ein gedrucktes Plakat bekannt gemacht, in dem es recht allgemein hieß, die Einreise der aus Polen zurückkehren­den Soldatenweiber sollte „müglichster massen“ verhindert werden.157 In einem späte­ren Schreiben an die kurfürstliche Regierung in Hannover erklärte das Tribunal allerdings selbstbewusst, gar keine Personen aus Polen einzulassen und nannte ausdrücklich Soldatenfrauen, Bettler und Juden. Die Aus­nahmen von dieser Regel wurden verschwiegen.158 Im diplomatischen Verkehr mit anderen Obrigkeiten wurde stets betont, dass von den Regimentern keine Gefahr ausgehe. Innerhalb Wismars war man sich darüber kei­ neswegs sicher. Am 12. Dezember 1709 beschwerte sich Oberst Bredtholtz, dass die Stadt seinen verheirateten Männern keine Quartiere zuweisen wollte.159 Die Sorge, dass gerade die Soldatenfrauen für die Verschleppung von Krankheiten verant­wort­lich waren, wird hier deutlich, denn andere ebenfalls aus Polen zurück­ge­kehrte ledige Soldaten hatten Quartiere erhalten. Bredtholtz appellierte daher an das Tribu­nal und bat um Durchsetzung seiner Rechte.160 Das Gericht folgte Bredtholtzens Auf­fassung und befahl dem Rat, alle Soldaten, egal ob mit Frau oder ohne, einzuquartie­ ren.161 Der Rat reagierte umgehend und legte dar, dass die Soldaten ohne Erlaubnis geheiratet hätten und die Stände der deutschen Provinzen nur für die Quartiere der Soldaten zuständig seien, weswegen die Frauen „selbsten 154  Vgl. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 04.12.1709). 155  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 14.08.1709). 156  Ebd. 157  Ebd., Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal) (D, 16.08.1709, auch in: Abt. III, XIX, 2, 6). 158  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Hannover (E, 28.09.1709). 159  Soldaten wie ihre Familien unterstanden der militärischen Jurisdiktion, so dass Bredtholtz als Kompa­nie­chef auch für die Soldatenfrauen und deren Auskommen zuständig war. Engelen (2000), S. 258 und 264. 160  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Oberst Bredtholtz an königlich schwedisches Tribunal (R, 12.12.1709). 161  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 13.12.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

raht schaffen müßen“.162 Eine besondere Seuchengefährdung durch die Frauen wurde in diesem Zusammen­hang nicht erwähnt. Das Tribunal indessen kam dem Rat nicht entgegen und ließ nur knapp verlauten, dass es „auff die von Euch […] didicirte argumenta gar n. mehr ankommet“.163 Der Entschluss war eindeutig und der Rat sah sich genötigt, alle Militär­personen mit Obdach zu versorgen.164 Besonders im Spätsommer 1709 erreichten ungeachtet der verhängten Reiseverbote immer noch Personen aus Polen relativ ungehindert die fünf Seestädte. Aus Stral­sund ist der gut dokumentierte Fall einer über Posen und Thorn angereisten Unter­offiziers-Frau bekannt. Die Frau hatte verschiedene Stoffe bei sich. Diese waren Teil eines Erbes und höchstverdächtig, da der Erblasser an der Pest gestorben war. Aus dem Verhörprotokoll geht hervor, dass die Frau mit ihrem Mann bis Mitte Juni 1709 in Posen stationiert gewesen war und anschließend wegen der Pest­ nachricht befohle­ nermaßen die Stadt verlassen hatte.165 Die Frau beteuerte, sie hätte die Quarantäne ordnungsgemäß eingehalten und sei dann, um ihr Erbe zu holen, nach Thorn gefah­ren. Schließlich sei sie zusammen mit anderen Soldaten­ frauen vor beinahe drei Wochen aus Polen aufgebrochen und über Danzig und Stettin nach Pommern ge­kommen. Sie versicherte, nichts Verdächtiges mitgebracht zu haben. Der Stralsunder Rat ließ Nachforschungen anstellen und entschied, alle verdächtigen Habseligkeiten der Frau zu verbrennen. In einem weiteren Verhör berichtete die Frau, dass bei ihrer Anwesenheit in Thorn die Stadt gesund gewesen sei und bewies dies mit einem amt­lichen Attest. In Stralsund schließlich sei sie nach einer Kontrolle am Fährtor einge­lassen worden. Der Fall macht deutlich, dass die Pest keineswegs alles geschäftliche Leben lähmte. Mindestens drei Personen ließen sich von der akuten Pestgefahr nicht abhalten und reisten absichtlich in die gefährdeten Regionen Polens. Den Vorurteilen gab der Fall neue Nahrung, denn ausgerechnet eine Soldatenfrau bedrohte durch ihr fahrlässiges Reiseverhalten die Sicherheit des ganzen Landes.166 Vielleicht war es dieses Vorkommnis, das 162  Ebd.,

Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 18.12.1709). königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 20.12.1709). 164  Vgl. STAW: Ratsakte 82, Sitzung vom 23.12.1709. Für Herbst 1710 bis Frühjahr 1711 ist ebenfalls eine Verlegung für „200 beweibte Soldaten von der ordinairen garnison der Stadt“ nach Poel und Neukloster nachweisbar, die sogar als „gewohnheit“ bezeichnet wird. Abt. III, XIX, 2, 6, General­gouverneur Vellingk an Oberkommissar Steben und Wismarer Rat (beide R, 14.10.1710). 165  Die Seuche in Posen war in den fünf Seestädten nicht unbekannt. Ende Juli 1709 meldeten die Zeitungen, „daß die Contagion in Posen wiederum von neuem angefangen zu grassiren“. Ham­burger Relations-Courier vom 26.07.1709 (Nr. 117). 166  STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 09.08.1709), Verhörprotokoll (P, 06.08.1709), Landrat Wulffradt an Bürgermeister Zander (R, 07.08.1709), Stralsunder Rat an Tribseer Rat (E, 10.08.1709) und Tribseer Rat an Stralsunder Rat (R, 163  Ebd.,



I. Unerwünschte Personengruppen249

den Stralsunder Rat bewegte, sich zusammen mit den vor­ pommerschen Landständen an die Regierung in Stettin zu wenden und sich dafür einzusetzen, dass ein Herum­ ziehen der „unnützen und bettelnden Weiber“ der Reiter und Musketiere verhindert wurde.167 Die Regierung wurde gebeten, die Frauen „zu antreibung ihrer hände arbeit anzutreiben, auch diejenign so auß dem Königreich Schweden anhero zu nichts alß zur betteley insonderheit ietzo, ankommendn, zurücke zu schaffen“.168 Hinsichtlich der Deserteure oder abgedankten Soldaten ist ein generelles Misstrauen seitens der Obrigkeiten festzustellen. Im August 1709 beriet der Stralsunder Rat, was wegen der „sich heimlich einschleichende[n] vieln abgedancktn Kerle und Weiber“ zu tun sein.169 Für die Ratsherren war klar, dass sie nicht in die Stadt sollten und wie selbstverständlich nahm man an, sie alle kämen „von inficirtn Ohrtn“.170 Das Tribunal verbot im Oktober 1709 den Offizieren der Wismarer Besatzung, bei ihrer Werbung Deserteure aufzunehmen, „wan sie damit continuirten, so würde das Malum übel kaum verhütet werden.“171 Das notwendig gewordene Verbot zeigt den hohen Bedarf des Militärs an Rekruten, der nicht nur mit rechtschaffenen Personen gedeckt werden konnte. Die in förmlichen Verlautbarungen immer wieder geschmähten Deserteure besaßen zwei Vorteile. Sie standen in keinem anderen Dienstverhältnis, waren daher auf eine Anstellung angewiesen und waren daneben im Umgang mit Waffen bereits geübt. Unter diesen Umständen waren die Werber bereit, deren in Verordnungen oft betonte Gefährlichkeit unberücksichtigt zu lassen. Nach einer Anfrage des Wismarer Rates erklärte dann auch Generalgouverneur Vellingk Mitte Oktober 1710, dass alle vor Wismar ankommenden Deserteure eingelassen werden könnten, weil wegen der genauen Grenzbewachung nach Brandenburg und Mecklenburg alle gefährlichen Personen abgefangen würden. „[D]ie jenigen aber, welche von dennemark kommen, gar nicht suspect zu halten seyn, in dem sie keine andere alls gesunde öhrter zu passiren haben“.172 Bei begründetem Verdacht erlaubte er allerdings eine vorherige Quarantäne oder Abweisung. 14.08.1709). Neben dem Stralsunder Magistrat untersuchten auch Landrat Wulffrath in Barth und die Tribseer Ratsherren den Fall und informierten einander über ihre Fort­schritte bei der Aufklärung. 167  STAS: Rep. 13, 589, schwedisch pommersche Landstände an schwedisch pommersche Regierung (E, 30.09.1709). 168  Ebd. 169  STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 09.08.1709). 170  Ebd. 171  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 01.10.1709). Vgl. Sikora (1996), S. 216–235. 172  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Generalgouverneur Vellingk an Wismarer Rat (R, 14.10.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Vellingks Ausführungen erscheinen bewusst vage gehalten. Wahrscheinlich konnte er, der sich in Hamburg aufhielt, die Situation vor Ort nicht genau beurteilen. Sich allein auf die Angaben des Rates zu verlassen, hätte zu Fehleinschätzungen führen können, zumal das vom Rat verfasste Schreiben eine grundsätzliche Uneinigkeit zwischen Tribunal und Magistrat vermuten ließ, in die Vellingk nicht mit hineingezogen werden wollte. Diese sehr freizügige Anordnung wurde durch das Tribunal spätestens 1712 ver­schärft. Die Pest hatte zu diesem Zeitpunkt Holstein erreicht, so dass infizierte Per­sonen innerhalb kurzer Zeit nach Wismar kommen konnten. Die Bedrohung durch die Seuche war deutlich näher gerückt und durch die – wie das Tribunal feststellte – „offt ankommende Soldaten weiber, auch dann und wann daher sich einfindende Deserteurs“ war die Stadt in großer Gefahr.173 Dem Vizegouverneur wurde daher durch das Tribunal befohlen, diese Personen nicht mehr in die Stadt zu lassen, wo­bei auch „die aus Pohlen kommenden weiber“ miteingeschlossen sein sollten.174 Dem Tribunal gaben die Deserteure eine der seltenen Gelegenheiten, auf den Lübe­cker Rat Druck auszuüben, der sonst seinerseits auf die Gefährlichkeit durch Wisma­ rer Soldaten hinwies und bestimmte Schutzmaßnahmen zur Voraussetzung des weiterhin freien Handels zwischen beiden Städten machte. Nun aber informierte das Tribunal über die Pest in Holstein und einen verdächtigen Vorfall, zu dem die Lübe­cker Stellung beziehen sollten. Ein schwedischer Unteroffizier war vor kurzem aus Rendsburg in Richtung Wismar gereist, konnte die Stadt aber „wegen großer mattigkeit“ nicht erreichen.175 Er war unweit der Stadt in einem Feld gestürzt und an­schließend in einer Hütte außerhalb der Stadt von einem Feldscher untersucht worden. Dieser hatte Pestbeulen am Körper des Kranken festgestellt. Kurz darauf war der Unteroffizier verstorben und sein Leichnam verbrannt worden. Einen Tag darauf, so das Tribunal, waren außerdem Deserteure aus Rendsburg angekommen, aber nicht eingelassen worden. Die Vermutung lag nahe, dass alle Personen ihren Weg durch Lübsches Gebiet gemacht hatten, weswegen die Lübecker 173  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Kommandant Schoultz von Ascheraden (K, 29.07.1712). 174  Ebd., Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 29.07.1712, 30.07.1712, 01.08.1712, 05.08.1712). Trotz der Anordnungen blieben Zwischenfälle nicht aus. Im August 1712 etwa wurde eine Soldatenfrau zwar abgewiesen, ihr Koffer allerdings anstandslos in die Stadt gebracht, womit der Zweck der Maßnahme verfehlt wurde. Abt. III, XIX, 2, 7, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 19.08.1712 und K, 19.08.1712), Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (K, 22.08.1712); Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 22.08.1712). 175  STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc. II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Lübschen Rat (E, 01.09.1712).



I. Unerwünschte Personengruppen251

gebeten wur­ den, ihre Bedienten besser zu instruieren, damit künftig alle derartigen Personen ab­ge­halten würden. Die Einäscherung des Toten belegt, dass die Leiche als besonders gefährlich eingestuft wurde. Das Verhalten des Tribunals ist jedoch äußerst unge­ wöhnlich. Eine Einschränkung der Beerdigungszeremonien war vielfach üblich und wurde auch gegen den Widerstand der Bevölkerung umgesetzt. In diesem Fall waren nicht einmal leichte Proteste zu erwarten, denn der Tote war in Wismar fremd und konnte weder durch seine Familie noch durch seine Berufsgenossen zu Grabe ge­ tragen werden. Eine formlose Beisetzung wäre demnach machbar ge­ wesen. Warum wurde die Leiche aber anders behandelt? Eine befriedigende Antwort gibt es nicht. Keine andere Obrigkeit im Ostseeraum ließ sich zu diesem Schritt be­ wegen und auch von anderen Epidemien gibt es keine Hinweise, dass in derart eklatanter Weise von den üblichen Riten abgewichen wurde. Selbst in Stralsund, wo die Pest 1710 mehrere Tausend Opfer forderte, fanden auch während des Höhe­ punktes der Seuche zumindest formlose Beerdigungen statt.176 Es war eine beispiel­lose Hand­lung, zu der sich das Tribunal genötigt sah. Wahrscheinlich war der beängstigende Zustand der Leiche ausschlaggebend und ließ jede andere Form der Behandlung als unverantwortlich riskant erscheinen. In seiner Antwort ging der Lübsche Rat nicht auf die ungewöhnliche Behandlung ein und hob stattdessen seine eigenen Vorkehrungen hervor. Diese seien ausgereift, „dannenhero auch nicht glauben können daß der mentionirte unter Officirer, welcher von Rendsbourg kommen, und auff dem wege nach Wißmar an einer verdächtigen Kranckheit gestorben ist, durch einen unserer päße solte durchgelaßen seyn“.177 Sollte das Tribunal aber genau wissen, das dem so wäre, „so wollen ümb deren Communication unterdienstlich gebeten, und versichert haben, daß Wir darauff die nöhtige untersuchung thun zu laßen nicht ermangeln werden.“178 Damit stritten die Lübecker die Verantwortung rundweg ab. Sie konnten sich sicher sein, dass das Tri­bunal keinen Beweis erbringen konnte, denn der Unteroffizier war tot, sein Körper verbrannt und es gab keine Mitreisenden, die über die Route hätten Auskunft geben können. Verschiedentlich finden sich Aussagen über die Unsauberkeit und Fahrlässigkeit der Soldaten, die den Ruf als Seuchenausbreiter bestärkten. All diesen Vorfällen ist ge­ meinsam, dass es sich bei den Beschuldigten um Militärs handelte. Vergleichbare Fälle, bei denen es sich um zivile Übeltäter handelte, sind nicht überliefert. 176  Zapnik

2007, S. 154–166. Seelbach, S. 376–408. Abt. IV, Rep. 1, a, Loc. II n. 18, 2, Lübscher Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 03.09.1712). 178  Ebd. 177  STAW:

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Im März 1710 gab es in Wismar Klagen über die schwedische Garnison, da diese die Kirchhöfe „abscheulich […] mißgehandelt“.179 Statt die Würde des Ortes zu beachten, würden die Soldaten „ihren unflath alda niederlegen, und also die gott gewidmete örter auffs schändlichste verunehren“.180 In Stralsund kam es zu ähnlichen Vorwür­ fen, zudem wurden dort mehrere Soldaten angeklagt, unerlaubt Tiere zu schlachten und die Abfälle auf offener Straße zu entsorgen, ungeachtet der möglichen hygieni­schen Folgen.181 Außerdem wurde schon im September 1709 beobachtet, wie einige Bürger nachts alte Kleider über die Stadtmauern warfen, wahrscheinlich, um sie schnell los­zu­werden. Doch außerhalb der Mauern gefährdeten die Sachen die wach­ habenden Soldaten. Kommandant Schoultz begriff, dass er seine Männer vor sich selbst schützen musste. Er bat den Rat, die Sachen schnell wegschaffen und verbrennen zu lassen, „das nicht die Soldaten hinzulauffen, und solches visitiren, ja woll gar etwas davon auffnehmen solten, welches folglich eine sehr gefährliche consequentz sein würde“.182 Trotzdem das Collegium Sanitatis handelte, das Wegwer­fen von Kleidung unter Strafe stellte und das Verbot am Rathaus anschlagen ließ, kam es wieder­holt zu Verstößen, bei denen „so wohl bürger= alß militairische Kleidung“ innerund außerhalb der Stadt auf wüsten Stellen abgelegt wurde.183 Ein Bürger beschwerte sich, dass Soldaten Stroh verbrannten, auf dem Pestkranke ge­ storben waren, „welches dan solchen dampf und rauch gab, daß man […] vor dem heßlichen gestank nicht zu bleiben wuste“, worauf der klagende Bürger bemerkte: „Nun ist gantz ohnverantwortlich in der Stadt dergleichen inficirte sachen zu verbrennen, dadurch nicht allein die Nachbahrschafft, sondern auch die gantze Stadt völlig könte inficiret werden“.184 Aus Greifswald sind Vorwürfe des Magistrats bekannt, denenzufolge sich die in und um Greifswald stationierten Dragoner während der Hochzeit der Pest in Pommern an verdächtige Orte begaben „und sofort, ohne Jenige pra’caution wider in Ihre quartire rücken, auch bei solcher occasion verdechtige sachen an sich und mit hinein bringen dürfften, [weswegen] gar leicht die contagion könne außgebreitet und nicht weniger könte dadurch etwaß herein gezogen werden“.185 179  Ebd., 180  Ebd.

königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (K, 04.03.1710).

181  STAS:

Rep. 14, 93, Verhörprotokoll (P, 05.11.1710). Rep. 13, 1862, Kommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 02.09.1710). 183  STAS: Rep. 14, 83, Ratsprotokollauszug und Schreiben des Stadtvogtes Giessop (R, 22.04.1711), 14, 85, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 02.12.1710). 184  STAS: Rep.  14, 93, Philipp Henrich Friedlieb an Stralsunder Rat (R, 19.11.1710), Verhörprotokoll (P, 02.01.1712). 182  STAS:



I. Unerwünschte Personengruppen253

Zwei Monate später musste sich der Greifswalder Rat mit dem Verdacht befassen, es „hätte der H Commendant, von Stralsund von der Milice einige eingelaßn, davon mann Nachricht das Sie inficiret gewesn“, konnte jedoch nur den Kommandanten bitten, künftig umsichtiger zu handeln.186 Die Machtlosigkeit der rätlichen Amtsträger zeigt sich mehrfach. So heißt es in einem Schreiben des Greifswalder Rates an die Stettiner Regierung, das sich mit verschiedenen Protesten vor allem aus Wismar gleicht, über die schwedischen Torwachen: 185

„man machet in diesem stücke wenig reflexion auff uns und unsere deputirte und bedinte; in dem was nach unserem oder der dazu verordneten urtheil passiren kan, offt abgewiesen, higegen viele ohne unser oder unserer leute wißen und consens; absonderlich was zur milice gehöret eingelaßen werden“.187

Da Angehörige des Militärs zum Teil die Städte betreten konnten, ohne sich auswei­sen zu müssen, steigerte dies den Argwohn gegenüber der auf diese Weise unkon­trollierbaren Soldateska.188 Als in Stralsund die Seuchengefahr weiter anwuchs, drängte der Rat auf eine sofor­tige Ausweisung der stationierten Soldaten. Statt in Häusern in der Stadt sollten sie außerhalb der Mauern kampieren und somit die Sicherheit der Stralsunder nicht weiter gefährden. Bald stellten die Ratsherren jedoch fest, dass mit dieser Maß­nahme wenig gewonnen wäre, „weil die besten Monahte vorbey undt die Campirung der Soldaten, bey den nunmehro einfallenden Kalten nächten, nur die Kranckheiten unter Ihnen, undt conseqventer bey deren einrückung bey der bürgerschafft vermehren möchten. Zu dem würde die Zeit der Campirung nur etwan auff einen Monaht ankommen, weiber undt Kinder auch in den qvartiren bleiben dürffen“.189 185  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 25.09.1710). 186  STAG: Rep. 3, 150, 1710, Ratssitzung vom 03.11.1710, Punkt 10. 187  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, undatiert, wohl Ende 05.1711). 188  Ebd., Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 21.09.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 23.09.1710). STAS: Rep. 35, 6, schwedisch pommersche Regierung an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (K, 23.09.1710), Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 23.09.1710). 189  STAS: Rep. 13, 1862, Ratsprotokollauszug (R, 02.09.1710), Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 01.09.1710); vgl. Rep. 14, 99, ­Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 27.06.1711 und K, 20.06.1711), Schreiben des J. F. Köppen (R, 18.06.1711), der Stralsunder Ärzte und der Barbiere (beide K, 20.06.1711). Als im nächsten Jahr die Soldaten erneut außer­halb der Stadt kampieren sollten, einigten sich Rat und Kommandant, die „Weiber solten auch campiren, wenn darzu Anstalt gemacht würde, doch nicht beym lager, sondern abgelegen.“ Die weiter­hin aufgeführten Umstände belegen, dass die Soldaten tagsüber in die Stadt kommen konnten und ihnen nur nachts der Zutritt verboten war. Das

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Sowohl das Verbleiben in der Stadt wie das auswärtige Kampieren stellten für die Wehrfähigkeit der Truppe eine Bedrohung dar. Blieben die Soldaten in Stralsund, musste mit einer verstärkten Seuchenverbreitung und Ausfällen durch Krankheit oder Tod gerechnet werden. Ein Lagern vor der Stadt bei kalten Nächten hingegen würde die „sehr schädtliche Desertation“ begünstigen, denn längst nicht alle Soldaten dienten mit Freude.190 Das fragile Verhältnis zwischen Soldat und Truppe wird hier deutlich. Kommandant Schoultz hatte zur Sicherheit bereits die Schildwachen ver­doppelt, damit diese sich gegenseitig kontrollieren konnten und schlug Rat und Re­ gierung vor, aus eigenen Mitteln seinen Männern einen Zusatzsold zu bezahlen, um einen Anreiz zum Bleiben zu schaffen. Schoultz war sich klar, dass keine seiner Maßnahmen eine Desertion würde verhindern können und so bat er die Regierung um eine genaue Bewachung der Landesgrenzen, „damit man solcher gestalt die desertationes der beyden Infanterie Regimenter mügligst hemmen könne“.191 Die Regierung positionierte sich nicht zu einer Ausrückung, sondern überließ Schoultz die eventuelle Umsetzung. Dagegen sagte sie die genaue Grenzbewachung zu und hatte bereits ein eigenes Deserteursedikt erlassen, entgegnete allerdings auf die Bitte nach mehr Geld mit einer abschlägig bedauernden Antwort („zu einem mehren aber zu gelangen wißen wir keinen Raht“).192 Letztlich kam es zu keiner Ausrückung der Soldaten, da der Stralsunder Rat zwar eine Ausweisung befürwortete, aber kei­nerlei Unterstützung in Form von Stroh, Betten, Holz und anderem Material gewäh­ren wollte, so dass ein auswärtiges Kampieren die Situation nur verschlechtert hätte. Erst als Schoultz drohte, den Rat bei der Regierung wegen unkooperativen Ver­hal­tens anzuzeigen, erhielt er MaKampieren beschränkte sich folglich auf eine Tren­nung der Wohn- und Schlafstätten, war aber keine strikte Trennung zwischen Bürgern und Soldaten. 190  STAS: Rep. 13, 1862, Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an schwedisch pommersche Regierung (K, 28.08.1710). Vgl. die Aussagen des Schornsteinfegers Nortmann, der auf einer Reise „den Werbern in die Hände gefallen“ und „[n]achdem mich aber von dem Militair=stande hinwieder loßgekauffet“ nach Stralsund kommen konnte (STAS: Rep. 16, 916, Johan Nortmann an Stralsunder Rat (R, 22.10.1712)) und den Bericht eines Wismarer Bürgers über die Zustände in Lübeck: „ein dortiger Unter=Officier so zugleich einen Krüger abgegeben, [hat] einen unbekandten Kerl, mit list in die Stadt geholffen, und ihn in sein Hauß recipiret, in Meinung, seiner bißherigen gewohnheit nach, denselben, für einen Recompers, an die Werber zu verkauffen“ (STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Schreiben des H. C. Voigt an Wismarer Rat (R, 28.11.1710). Rink, S. 167. Vgl. Sikora (1996). 191  STAS: Rep. 13, 1862, Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an schwedisch pommersche Regierung (K, 28.08.1710), schwedisch pommersche Regierung an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (K, 30.08.1710), vgl. Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 26.08.1710). 192  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (K, 30.08.1710).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 255

terial und ein Haus vor der Stadt für die Kranken­ betreuung. Der Streit zwischen Rat und Schoultz wurde dadurch aber nicht beigelegt und nachdem sich Schoultz energisch bei der Regierung über die Un­ tätig­ keit des Magistrats beschwert hatte, gab ihm diese umfassende Vollmachten. Der Rat konnte künftig keine Entscheidungen gegen Schoultz treffen, so dass dieser die Seuchen­abwehr in seinem Sinne ausführen konnte.193 Das Zusammenleben zwischen Militär und ziviler Gesellschaft war in den Ostsee­städten mit erheblichen Spannungen behaftet. Außer in Lübeck bestanden in jeder der fünf Seestädte mindestens zwei voneinander rechtlich getrennte Lebensbereiche (rätliche und militärische Jurisdiktion). Für die Räte und Bürgerschaften blieb das Militär ein Fremdkörper in den eigenen Stadtmauern, der die Finanzen der Stadt be­lastete, die Steuerleistung der Bürger schmälerte und gerade zur Zeit des Nordi­schen Krieges das Interesse feindlicher Truppen auf die Städte lenkte. Dazu kam die Sorge, dass Soldaten durch ihren Lebenswandel leicht krank wurden und zusätzlich durch ihren Leichtsinn Seuchen einschleppen würden. In erster Linie galt das Miss­trauen der Einwohner jedoch fremden Soldaten und ihren Familien, bei deren Ab- und Ausweisung Einigkeit zwischen Landesherrn, Stadtkommandanten und den Ma­ gistraten herrschte. Hiervon ausgenommen waren die Zeiten, in denen das eigene Militär auf die Anwerbung neuer Soldaten angewiesen war, so dass städtisches Inte­resse hinter den Belangen der Landesverteidigung zurückstehen musste. Ein Schwerpunkt der fortwährenden Auseinandersetzungen waren Fragen der Torbe­wachung und Wachenbezahlung, bei denen sich die Räte meist nicht durchsetzen konnten. Ihnen fehlte vor allem das Machtmittel eines eigenen Militärs, das als Ge­gen­gewicht zur landesherrlichen Garnison hätte dienen können. Negativ wirkte sich auch die personelle Gleichheit von Landesherrn und militärischem Ober­ befehls­ haber (mecklenburgischer Herzog, vorpommerscher Generalgouverneur) aus. Lediglich in Wismar, wo das Tribunal sich vor Ort ein eigenes Urteil bilden konnte und an Wismars Wohlergehen direkten Anteil hatte, erhielt der Rat größere Chancen auf ausreichende Kompromisse.

II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs Im Laufe des 17. Jahrhunderts hatte die Etablierung landesherrlicher Postsysteme für den Austausch von Nachrichten über weite Strecken eine immer 193  STAS: Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 04.10.1710) und Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an schwedisch pommersche Regierung (K, 02.10.1710). Zapnik (2007), S. 192–197.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

größere Bedeu­ tung gewonnen. Die regelmäßig verkehrenden Boten und Wagen führten dazu, dass der Nachrichtenaustausch häufiger stattfand, für die Korrespondenten weniger Auf­wand und Kosten bedeutete und deswegen mehr Informationen aus­ge­tauscht wur­den.194 Die meisten Territorien strebten die Errichtung eines eigenen Post­systems an, um vertrauliche Informationen nicht mit fremden Boten zu transportieren und zugleich von den Gewinnmöglichkeiten durch Gebühren bzw. die Verpachtung von Postrechten zu profitieren.195 In vielen Fällen führte dies zur Schaffung mehrerer Post­ämter in einer Stadt, welche die jeweiligen Schreiben auf ihren Strecken exklusiv und kostenfrei beförderten. So existierten beispielsweise in Hamburg im Unter­su­chungs­zeitraum acht Postämter fremder Obrigkeiten. Mangels Briefverkehr fungier­ten sie zum Teil nur als „Küchenposten“, das heißt, sie wurden vornehmlich zum Weitertransport von Hamburger Importwaren an die eigenen Höfe eingesetzt und nicht für den Transport von Briefen.196 194  Vgl. Behringer, Wolfgang: Kommunikationswesen und territoriale Identität in der Frühen Neuzeit, in: Stauber, Reinhard / Bellabarba, Marco (Hrsg.): Territoriale Identität und politische Kultur in der Frü­ hen Neuzeit (Jahrbuch des italienischdeutschen historischen Instituts in Trient, Beiträge 9), Berlin / Bologna 1998, S. 133– 143. Droste, Heiko: Die Organisation der Post in den schwedisch-deutschen Reichsterritorien, in: Schmelz, Christoph / Zimdars, Jana (Hrsg.): Innovationen im schwedischen Groß­ reich. Eine Darstellung anhand von Fallstudien (Schriftenreihe der David-Mevius-Gesellschaft 3), Hamburg 2009, S. 75–96. Heimann, Heinz-Dieter: Brievedregher. Kommunikations- und alltag­geschichtliche Zugänge zur vormodernen Postgeschichte und Dienstleistungskultur, in: Kom­ mu­ ni­ ka­ ti­ on und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Internationaler Kongress, Krems an der Donau, 9. bis 12. Oktober 1990 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philoso­phisch-Historische Klasse 596, Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 15), Wien 1992, S. 251– 292. Jäger, Peter: Postgeschichte Schles­wig-­Holsteins, 2., erweitere Auflage, Hamburg 1970, S. 17–26 und 33 f. Moeller, Carl: Geschichte des Landes-Postwe­sens in Meklenburg-Schwerin, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Al­tertumskunde 62 (1897), S. 1–360, hier S. 1–108. 195  Höper, Lutz / Sander, Rüdiger: Der Staat, die Post und das Geld: Einnahmen, Ausgaben und Über­ schüsse im kurhannoverschen Postwesen zwischen 1736 und 1799, Teil II, in: Post- und Tele­kom­mu­ni­kationsgeschichte 3,1 (1998), S. 20–49, hier S. 36. Brandter, Gerhard / Vogelsang, Ernst: Die Post in Ostpreußen. Ihre Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert (Einzelschriften der His­to­rischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 19), Lüneburg 2000, hier S. 53–82. Schinkowski, Anton: Aus der Postgeschichte der Stadt Schwerin, Schwerin 1997, S. 9–24. Ehmke, Heinz: Postgeschichte Mecklenburg-Strelitz, Reprint der Ausgabe Neustrelitz 1964 (Strelitzer Ge­schichte(n) 16 (1997), S. 5–9. Roessner, Hans: Die Entwicklung des Postwesens in den Herzog­ tümern Bremen und Verden zur Schwedenzeit, in: Stader Jahrbuch 76 (1986), S. 88–149. 196  North, Michael: Nachrichtenübermittlung und Kommunikation in norddeutschen Hansestädten im Spät­mittelalter und der Frühen Neuzeit, in: Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2 (1991), S. 8–16, hier S. 15. Dänemark richtete 1653 ein eigenes Postamt ein, Brandenburg 1654, Hannover 1659, Schweden 1671, Mecklen-



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 257

Die Nachrichtenübermittlung zu Beginn des 18. Jahrhunderts kann als sicher ange­sehen werden. Wer ein Schreiben mit der Post verschickte, konnte davon ausgehen, dass es unterwegs nicht verloren ging und sein Ziel erreichte. Hinweise für sicher­heits­halber mehrfach versendete Briefe, wie sie vor der Etablierung regelmäßiger Post­ systeme nicht unüblich waren, finden sich nicht.197 Lediglich aus Danzig ist ein Fall bekannt, in dem ein Kaufmann aus der infizierten Stadt Briefe verschickte und diese nach­ einander über einmal Thorn und einmal über Breslau sandte, da die Nachbar­ territorien den regulären Postverkehr wegen der Pest in Danzig behinderten. Er hoffte, auf diese Weise mindestens einen der beiden Briefe sicher zu seinem Bruder, dem Brauer Johann Oker, nach Stralsund senden zu können, was auch ge­lang. In den Schreiben berichtete er über den Zustand Danzigs während der Epide­mie. Nachdem der Stralsunder Oker den über Schlesien angelangten Brief „aufs beste beräuchert“ und sich überwunden hatte, das Kuvert zu erbrechen, fertigte er eine Kopie an und verbrannte das Original.198 Überzeugt, dass die im Brief mitgeteil­ ten Einzelheiten über den Krankheitsverlauf und das Ausmaß der Verheerung in Danzig wichtig seien, übergab er das Schreiben anschließend dem Stralsunder Rat. Zwei Arten der Post werden in den Quellen erwähnt: Die reitende und die fahrende Post. Die Postreiter waren die schnellere Verbindung, da sie nicht durch Passagiere und schwere Gepäckstücke behindert wurden. Diese regulären Verbindungen wur­den durch reitende Boten ergänzt, die als rät­ liche Expressreiter besonders wichtige und  /  oder vertrauliche Botschaften übermittelten, diese dem Empfänger direkt zu­ stellten und das Ant­ wortschreiben auf dem Rückritt mitnahmen. Der Anteil der auf diese Weise transportierten Briefe war verhältnismäßig gering und ist nicht in allen Seestädten eindeutig nachweisbar. Im Text der Schreiben wird die burg-Güstrow 1674, Mecklenburg-Schwerin 1691, Holstein-Gottorf 1695 und Braun­ schweig-Lüneburg 1706. In den ausgewerteten Quellen werden die Küchenposten kaum erwähnt. Eine gewisse Bedeutung erlangt ihr Vorhandensein jedoch zum Jahresende 1713. Im Zusammenhang mit der Seuche in Hamburg wurde Lübeck erneut verdächtigt, in gleicher Weise infiziert zu sein. Der Irrtum wurde unter anderem mit Hinweis auf die weiterhin zweimal wöchentlich nach Lübeck verkehrende preußische Küchenpost entkräftet. Das Gerücht drang bis nach Holland und England, wie die durch den Lübschen Gesandten Gerhard Breier übermittelten Zeitungen verdeutlichen. S’Gravenhaegse Vrydaegse Courant vom 15.12.1713 (Nr. 150), Oprechte Haerlemse Saturdaegse Courant vom 16.12.1713 (Nr. 50), The Post=Man: and The Historical Account, & c vom 12.12.1713, Amsterdamse Saturdaegse Courant vom 16.12.1713 (Nr. 150) sowie eine weitere Zeitung aus Amsterdam vom 19.12.1713 (in: AHL: ASA, Interna, Pest 10 / 2). 197  North (1991), S. 10. 198  STAS: Rep. 14, 91, Schreiben des Stralsunder Protonotars und Ratsprotokoll­ auszug (beide R, 12.10.1709) und H. Oker an Johann Oker (K, 07.09.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Beförderungs­art meist nicht erwähnt und zusätzliche Notizen der Post auf dem Um­schlag, die eine Zuweisung ermöglichen könnten, gibt es nicht. In den belegbaren Fällen handelte es sich um außerordentliche Notfälle, die keinen Zeitaufschub duldeten und in denen nicht auf den regulären Postbetrieb gewartet werden konnte. Das Tribunal konnte auf diese Weise Ende 1709 schnellstmöglich den General­gouverneur zu einem Abzug des pestverdächtigen Krassowschen Regimenter aus Wismar bewegen und der Wismarer Kommandant die Nachricht eiligst an die mecklen­burgischen Herzöge weitergeben. In Rostock sandte der Stadtrat im November 1710 einen Reiter nach Güstrow, um dort vor dem aus Rügen geflohenen Baron von Putbus zu warnen und im April 1712 erreichte eine per Expressreiter geschickte Meldung des Warnemünder Hafenvogts einen Rostocker Bürgermeister recht­zeitig vor der Ankunft verdächtiger Personen. Der Lübsche Rat schließlich gelangte durch seine Reiter Ende 1711 an tagesaktuelle Informationen über die in Holstein grassierenden Krankheiten.199 199  Expressreiter werden erwähnt in: AHL: ASA, Interna, Pest 2 / 2, Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 14.01.1708), 9 / 1, Lübscher Rat an fürstbischöfliche Regierung zu Eutin (E, 01.08.1712), Lübscher Rat an Herzog Joachim Friedrich zu Plön (E, 01.08.1712 und 22.08.1712), Lübscher Rat an Kurfürst Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (E, 03.08.1712), 9 / 2, Herzog Joachim Friedrich zu Plön an Lübschen Rat (R, 11.10.1712), Lübscher Rat an Herzog Joachim Friedrich zu Plön (E, 13.10.1712), Segeberger Amtmann Hanneken an Lübschen Rat (R, 16.12.1712), 9 / 4, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 17.08.1713), Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 18.08.1713), Herzog Joachim Friedrich zu Plön an Lübschen Rat (R, 19.08.1713), 10 / 1, Lübscher Rat an Herzog zu Plön (E, 21.08.1713), 11 / 1, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 30.08.1713, 09.10.1713 und 11.10.1713), Lübscher Rat an Amtsverwalter zu Bergedorf (E, 28.09.1713), 11 / 2, Lübscher Rat an Amtschreiber zu Bergedorf (E, 28.10.1713), Lübscher Rat an Leutnant Albinus (E, 28.10.1713), Daniel Müller und J. L. Carstens an Lübschen Rat (R, 11.11.1713), 4 / 2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 31.01.1710), 6 / 2, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.01.1712, dort fälschlich „1711“), 7, Schreiben (R, 31.08.1711), Lübscher Rat an Segeberger Amtmann Hanneken (E, 04.09.1711), an Graf Dernaht (E, 01.10.1711), an Propst Blome zu Preetz (E, 02.10.1711), an Kieler Rat (E, 03.10.1711), an Hamburger Rat (E, 31.10.1711), an Herzog Joachim Friedrich zu Plön (E, 14.11.1711), an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 14.11.1711, 20.11.1711 und 01.1712), Rendsburger Amtmann Fuchß an Lübschen Rat (R, 12.1711), 8 / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.11.1711). STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Generalgouverneur Gyldenstern (E, 16.12.1709), 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Generalgouverneur Gyldenstern (E, 31.12.1709), an Oberst Posse (E, 31.12.1709), Oberst Posse an königlich schwedisches Tribunal (R, 11.01.1710). AHR: 1.1.3.15 – 140, Baron von Putbus an Rostocker Rat (R, 26.10.1710 und 04.11.1710), 160, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Stever (R, 26.04.1712). Der Güstrower Rat bediente sich ebenfalls eines Expressreiters, um Gerüchte über eine Infizierung der Stadt zu ent­kräf­ten (AHR: 1.1.3.15 – 133, Güstrower Rat an Rostocker Rat (R, 28.04.1713).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 259

Die Reiter wurden nur in Sonderfällen eingesetzt und verkehrten so, dass sie in der Regel noch am selben Tag in der Ausgangsstadt zurück sein konnten (ca. 40 km Luftlinie). Bis auf das Tribunal, welches einen Expressreiter nach Stade schickte, ver­trauten die Obrigkeiten für längere Touren auf die herkömmlichen Postverbindungen, welche ihre Pferde unterwegs wechseln konnten und bei der Überquerung von Lan­des­grenzen kein ungewolltes zusätzliches Aufsehen erregten, wie dies bei Sonder­reitern der Fall gewesen wäre. Anders als die reitende Post transportierte die fahrende neben Briefen auch Perso­nen und Waren. Im Zuge der Pestmaßnahmen war diese Form der Nach­ richten­übermittlung schnell durch Einschränkungen bis hin zur Einstellung betroffen, wäh­rend die reitende Post in der untersuchten Zeit meist durchgängig betrieben wurde. Die wichtigen Postrouten zwischen den Seestädten wurden regelmäßig und mehr­fach in der Woche befahren bzw. beritten; zwischen Hamburg und Lübeck war sogar seit 1651 eine tägliche Kutschenverbindung eingerichtet.200 Für die Post aus Stettin und Hamburg öffnete die Stadt Rostock sogar ihre nachts geschlossenen Tore.201 Die Post und damit der schnelle Nachrichtenaustausch wurden als derart bedeutsam angesehen, dass von den gewöhnlichen Sicherheitsmaßnahmen abge­rückt wurde! Wie heute waren die Schreiber selbst dafür verantwortlich, dass ihre Briefe recht­zeitig auf der Post waren.202 Neben dem Landverkehr bestand in Stralsund seit 1685 eine Postverbindung über die Ostsee nach Ystad, wodurch Stralsund eine zentrale Rolle im pommerschen Postverkehr bekam und Stettin als traditionellen Hauptpostort ablöste.203 Wer die reguläre Post 200  AHL: Stadtcassa, Postwesen 494. Die Häufigkeit der Verbindungen wirkte sich auch auf die Erscheinungsintervalle der Zeitun­ gen aus: Je häufiger die Post kam, desto häufiger erschienen die mitgebrachten Neuigkeiten in den örtlichen ­Zeitungen.  Wilke (2000), S. 83. Zu Stralsund vgl. STAS: Rep. 5, 301, Schreiben (E, 1679) und Schmidt, Karl-Heinz: Postwesen, in: Gudden-Lüddeke, Ilse (Hrsg.): Chronik der Stadt Stettin, Leer 1993, S. 395–405. 201  AHR: 1,1,3,15–158, Verordnung des Rostocker Rates (E, 03.09.1709). Vgl. 1.1.3.11 – 73  /  1, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 25.05.1709). 202  STAS: Rep. 5, 301, Schreiben (E, 1679): „Wem nun an seinen Schreiben und Verrichtungn gelegen, der wird seine briefe in daß dazu verordnete Post Hauß […] zu rechter Zeit ein liefern, widrign fals Er sich der gewißn bestellung nicht wird zuverfahrn haben.“ 203  Gallitsch, Albert: Stralsunds ältere Postgeschichte, in: Baltische Studien, N. F. 36 (1934), S. 91–120, hier S. 110. Vgl. Behnke, Günter: Die Gründung des Landesherrlichen Postregals in Schwedisch-Vor­pommern unter Berücksichtigung des Demminer Raumes (1648–1720), in: Grenzregion zwischen Pommern und Mecklenburg. Vorträge 1997–1999 (Schriften des Fördervereins Kreisheimatmuseum Demmin 1), Schwerin 2000, S. 21–32.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

nicht nutzen wollte oder die fixen Beförderungs­gebühren scheute, gab seine Sendungen bei Fuhrleuten oder Schiffern ab, welche die gewünschte Stadt ansteuerten. Das Entgelt konnte dabei individuell ausge­han­delt werden.204 Wie der Handel unterlag die Post im Untersuchungszeitraum einer ständigen Ver­dächtigung, zur Verbreitung von Seuchen beizutragen, weil beim Transport der Per­ sonen und Güter auch die Seuche transportiert werden konnte. So wurde etwa nach kurzer Zeit die Nachricht über gehäufte Todesfälle in Kiel im November 1711 mit ei­nem Boten verbunden. Der Lübsche Rat gab den Verdacht an die kurfürstliche Re­gierung in Ratzeburg und den Plöner Herzog weiter, dass die Seuche in Kiel zuerst „unter einem gewißen Hause im Keller wo der bote von Christianpries einzukehren gewohnet“ ausgebrochen war, womit die Ratsherren Post und Seuche in eine direkte Beziehung zueinander stellten.205 Über den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung lässt sich keine Aussage treffen, da die verantwortlichen Stellen in Kiel und Gottorf dem Gerücht zwar unter Angabe der wahren Verhältnisse wider­sprachen, jedoch nicht den Boten erwähnten. Die obrigkeitlichen Mandate zur Bekämpfung der Pestgefahr im Bereich des Post­wesens bezogen sich auf die Räucherung der Briefe, die statistische Erfassung so­wie Befragung der Passagiere hinsichtlich ihrer und ihrer Waren Herkunft. Als letztes Mittel schritten die Obrigkeiten zur zeitweisen Aufhebung einer Postlinie bzw. ver­legten die durch ihr Territorium laufende Route derart, dass keine verdächtigen Ge­biete berührt wurden. Wie andere Abwehrmaßnahmen war die Post wichtiger Ge­genstand des Informationsaustauschs auf obrigkeitlicher Ebene und wurde in den Briefen mehrfach erwähnt. Besonders wichtig wurde dieser Aspekt während des ersten akuten Jahres, als die Pest in Danzig ausbrach.206 Anfang August 1709 North (1991), S. 12. AHL: ASA, Interna, Pest 8 / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.11.1711), an herzogliche Regierung zu Gottorf (E, 06.11.1711 und 17.11.1711), an Herzog Joachim Friedrich zu Plön (E, 14.11.1711) und herzogliche Regierung zu Gottorf an Lübschen Rat (R, 26.11.1711). 206  Im Jahr 1708 war die Pest, da noch keine Stadt an der Ostsee infiziert war, eher ein Problem weit ent­fernter Territorien (Polen, Schlesien, Sachsen). Der schwedische Reichsrat verfügte zwar im Okto­ber 1708 erste reichsweite Schutzmaßnahmen, ließ auch die Annahme ungereinigter Briefe aus infi­zierten Orten verbieten, hob aber weder Postverbindungen auf noch wurde verboten, nach infi­zierten Orten zu schreiben. Wie bei anderen Sicherheitsmaßnahmen wurden auch die Bedingungen für den Postverkehr erst bei akuter Bedrohung und nachweislicher Ansteckung verschärft. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, schwedischer Reichsrat an königlich schwedisches Tribunal (R, 23.10.1708). STAG: Rep. 5, 10626, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 22.11.1708). STAS: Rep. 14, 88, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 22.11.1708) und HS 1026, schwedischer Reichsrat an schwedisch pommersche Regierung (R, 23.10.1708). 204  Vgl. 205  Vgl.



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 261

wurde der Lübsche Rat durch die Königsberger Ratsherren informiert, dass der preußische König zur Sperrung Danzigs die Postroute von Berlin verlegt hatte und vor Danzig enden ließ, um einen direkten Kontakt zu unterbinden.207 Wenig später bestätigten die Memeler Ratsherren die Aussage aus Königsberg.208 Noch vor Ankunft beider Schreiben hatte das Lübecker Gesundheitskollegium verfügt, alle aus Danzig an­ kommenden Briefe zur Sicherheit beräuchern zu lassen.209 Eine weitere Ein­mischung in den Postverkehr wurde in Lübeck aber nicht vorgenommen und aus­ drück­ lich erhielten die Torwachen die Anweisung, die Postkutscher zwar zu befragen, die Fahrten aber nicht unnötig aufzuhalten.210 Da zu Beginn der Epidemie noch keine verbindlichen Absprachen über anzustrebende Maßnahmen existierten und keine Einigkeit herrschte, ob neben Danzig auch andere Städte infiziert waren, mussten diese Punkte zunächst geklärt werden. Der Flensburger Rat teilte den Lübeckern auf Anfrage mit, dass Briefe aus Königsberg „ohn sonderliche ümbstände“ bislang ein­gelassen würden und wegen des ohnehin fast nicht existenten Danzig­handels keine Aktionen geplant waren.211 Etwa einen Monat darauf berichteten die Memeler erneut über den Seuchenverdacht in ihrer Region und ergänzten, dass der preußische König inzwischen jede Form der Korrespondenz mit Danzig wegen der Seuche in der Stadt verboten habe.212 Aus Wismar konnten die Lübecker im August 1709 nur erfah­ ren, dass Briefe aus verdächtigen Orten nicht eingelassen würden.213 Dass die ver­dächtigen Orte ungenannt und die Meldung damit nutzlos war, lag nicht an einer planvollen Geheimhaltung der Wismaraner, denn auch in Wismar wurden keine An­gaben hierzu gemacht. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Tribunal und Wismarer Rat ebenfalls Nachrichten über eine Seuche in Danzig erhalten hatten und deswegen die Stadt als verdächtig einstuften. Wie der Schrift­ verkehr der Obrigkeiten im weiteren Untersuchungszeitraum zeigt, galten die direkt benachbarten Regionen und größeren Ortschaften (Preußen, Königsberg, Memel) gleichfalls als suspekt. Nachdem der Wismarer Stadtrat noch Anfang August 1709 durch das Tribunal zu Vorsorgemaßnahmen gedrängt worden war, beschloss er, dass 207  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 01.08.1709). 208  Ebd., Memeler Rat an Lübschen Rat (R, 07.08.1709). 209  Ebd., Protokoll des Lübschen Offizium Sanitatis (P, 02.08.1709). 210  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 05.08.1709). 211  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Flensburger Rat an Lübschen Rat (R, 07.08.1709). 212  Ebd., Memeler Rat an Lübschen Rat (R, 04.09.1709). 213  Ebd., Wismarer Rat an Lübschen Rat (R, 31.08.1709). STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Wismarer Rat an Lübschen Rat (E, 31.08.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

die Postwagen vor der Einfahrt in die Stadt untersucht werden müssten.214 Diese nicht näher ausge­führte Untersuchung sollte die Militärwache vornehmen, um damit der Stadt Wismar Kosten zur Anheuerung eigener Kontrolleure zu ersparen. Dem Tribunal gegenüber bat der Rat, den Licentinspektor und den Postdirektor von den Maßnahmen in Kenntnis zu setzen, womit der komplette See- und Landverkehr abgedeckt werden konnte. Die Assessoren griffen den rätlichen Vorschlag auf und übertrugen dem Vizegouverneur die Kontrolle an den Toren, während der Rat auf den Krügen und so genannten Burgen vor der Stadt dafür sorgen sollte, dass sich auch dort keine Ver­ dächtigen aufhielten. Auf Bitte der Deputierten erarbeitete das Tribunal ferner eine Examinations­ordnung, die Grundlage der künftigen Kontrollen werden sollte. Die Rats­herren konnten damit sicher sein, dass die Ordnung durch das Militär respektiert wurde, wohingegen rätlichen Verfügungen eine geringere Autorität beigemessen wurde, wie Klagen der Bürgerkontrolleure zeigen.215 Einer Absprache mit dem Post­inspektor gaben die Juristen statt, doch vertrauten sie generell auf die ohnehin übli­ che Kontrolle der Post durch den Postinspektor „und mögte das genug seyn“.216 Zu­dem sollte der Rat einen eigenen Kontrolleur bestellen. Die zeitgleiche Aufhebung der Postverbindung von Stettin nach Danzig und Königs­berg sowie die durch Preußen verfügte Verlegung der Post zwischen Stettin und Stargard spielte in den Wismarer Überlegungen noch keine Rolle. Der Rostocker Rat hatte von diesen Maßnahmen durch einen Rostocker Kaufmann erfahren, der aus Stettin „von sicher hand“ informiert worden war.217 Eine Weitergabe dieser Nachricht an andere Stadträte unterblieb und nur ein Schreiben an den Schweriner Herzog ist nachzuweisen. Möglicherweise war die Nachricht nicht so exklusiv, wie sie auf den ersten Blick scheint, weswegen die Rostocker keine andere Stadt anschrieben und die Information nur an den Herzog weitergaben, um ihrer Berichts214  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 03.08.1709), Ratsprotokoll (P, 05.08.1709), Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Vizegouverneur (E, 05.08.1709). Vergleichbare Passagen finden sich auch in Rostock und Greifswald. In Greifs­wald wurde zudem ausdrücklich auch von den mit der Post Reisenden ein Pass verlangt, so dass davon auszugehen ist, dass dieses sonst nicht üblich war und die Postreisenden normalerweise als sicherer denn andere Reisende galten. AHR: 1.1.3.15 – 160, Verordnung des Rostocker Rates (E, 09.1711). STAG: Rep. 5, 10626, Verordnung des Greifswalder Rates (E, undatiert, wohl 08.1709). 215  STAW: Abt. IV, Rep. 1, a, Loc II, n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 20.08.1709). 216  Ebd., Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.08.1709 und 16.08.1709). 217  AHR: 1.1.3.15 – 158, Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 03.09.1709), Schreiben (K, 24.08.1709 und 27.08.1709).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 263

pflicht nach­zu­kommen.218 Ein Blick in den Hamburgischen Relations-Courier verrät, dass schon am 6. August 1709 die durch die Preußen ausgeübte Verlegung der Post zwischen Danzig und Königsberg nach Marienwerder bekannt war.219 Auf die gleiche Weise könnte die Meldung des Kaufmanns bereits in den Zeitungen bekannt gewesen sein. Im gleichen Schreiben widersprachen die Rostocker dem in Schwerin umgehenden Gerücht, Demmin sei von der Pest befallen und schon geschlossen. Der Rat führte dagegen an, dass die Post Demmin „gantz ungehindert passieret“ und es sich um ein falsches Gerücht handeln müsse.220 Ein funktionierender Postverkehr galt somit als sicheres Zeichen einer gesunden Stadt. Die Verlegung der pommerschen Post durch die Preußen wurde von den Mecklen­burgern nicht sofort übernommen. Der Rostocker Rat erließ nämlich Anfang September 1709 eine neu ausgearbeitete Instruktion für die Bürgerwache, in der eine genaue Überprüfung der Hamburger und Stettiner Post vorgeschrieben wurde.221 Da eine Post nur überprüft werden kann, wenn sie existiert, muss folglich von mecklen­burgischer Seite die Postverbindung mit Stettin aufrechterhalten worden sein. Auf die etwa vier Wochen später gestellte Nachfrage des Rostocker Rates verneinten die Stettiner Ratsherren das Vorhandensein von Krankheiten in ihrer Stadt unter Beru­ fung auf ein Attest ihres geistlichen Ministeriums.222 In Rostock schenkte man dem Glauben, berichtete umgehend an Herzog Friedrich Wilhelm und bat um Rücknahme bereits verfügter Wirtschaftssanktionen.223 Hätte man in Rostock vom geplanten Um­zug der vorpommerschen Regierung nach Stralsund gewusst, den die Stettiner in ihrem Brief vom 4. Oktober 1709 wohlweislich verschwiegen hatten, wäre dieses Schreiben wohl anders ausgefallen. Die Gefährlichkeit der Situation hätte die Rosto­cker stattdessen bewogen, den Herzog in seinen Sanktionen zu bestärken. Eine der­art gravierende Lücke im Rostocker Informationsnetz offenbart, dass die Ratsherren trotz der „sicheren hand“ ihres einen Kaufmanns keinen engen Kontakt nach Stettin hatten, wie sie ihn gegenüber Friedrich Wilhelm vorgaben und sich trotzdem auf we­nige Informationen verließen. Waren die Rostocker Ratsherren wirklich arglos? Es erscheint zumindest fragwürdig, dass über das eine Tagesreise entfernte Stettin nur falsche Informationen vorlagen. Es ist nicht 218  Ebd.,

herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 23.08.1709). Relations-Courier vom 06.08.1709 (Nr. 123). 220  AHR: 1.1.3.15 – 158, Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 03.09.1709), Schreiben (K, 24.08.1709 und 27.08.1709). 221  Ebd., Verordnung des Rostocker Rates (E, 03.09.1709), vgl. Ratsschluss (R, 16.10.1709). 222  Ebd., Stettiner Rat an Rostocker Rat (R, 04.10.1709). 223  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 09.10.1709). 219  Hamburger

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D. Exemplarische Pestkommunikation

zu beweisen, doch immerhin möglich, dass dem Rostocker Rat durch Zeitungen und andere Kaufleute der Ernst der Lage bewusst gewesen war, er aber einen kontinuierlichen Postverkehr und ungehinderten Handel als wichtiger ansah denn Vorsichts­maßnahmen, die diese Bereiche einge­schränkt hätten, und der Rat den Herzog deshalb vorsätzlich täuschen wollte. In den beiden größten untersuchten Landesstädten, Stralsund und Rostock, zeigt sich deutlich, dass sich die landesherrliche Postverwaltung trotz mehrfacher Ver­su­che nicht in die rätliche Herrschaft integrieren ließ. Als sich die Nachrichten einer Seuche in Osteuropa verdichteten, verfügte der Stralsunder Rat, an allen Toren den Verkehr zu kontrollieren. Wie wenig Durchsetzungsmacht der Rat allein besaß, ga­ ben die Ratsherren während einer Sitzung selbst zu, als dort Ende Juli 1708 festge­stellt wurde, dass „es aber eine vergebliche Sache sein wirdt, dafern der H. Obriste undt Commendant undt H. PostDirector dabey nicht assistiren“.224 Postdirektor Rosencreutz hatte gar kein Verständnis für die Kontrolle gezeigt und den Postkut­ scher angewiesen, sich von niemandem aufhalten zu lassen (vgl. Kap. C.I.1).225 Die rätlichen Examinatoren wandten sich an die städtischen Richter und erreichten, dass diese von Rosencreutz eine Stellungnahme forderten, denn die Kontrolle geschah letztlich im Auftrag der Landesregierung.226 Rosencreutz machte deutlich, dass er mit bestem Gewissen gehandelt hatte und ihm kein Regierungsedikt bekannt sei. Die Ratsherren konnten bei Rosencreutz nichts erreichen und bemühten sich deshalb direkt bei der Regierung, welcher das vorpommersche Postwesen direkt unterstellt war.227 Der Streit zog sich mehrere Monate hin und erst aus dem Oktober 1708 ist belegt, dass die Post durch die städtischen Kontrolleure untersucht werden konnte.228 Als im folgenden Jahr die Seuche in Danzig für weit größere Erregung sorgte, ge­ hörte für den Stralsunder Rat eine Verständigung mit dem ört­ lichen Postmeister zu den ersten Maßnahmen. Im Juli 1709 wurden die Pfundkammerherren durch den Rat beauftragt, sich zu erkundigen, ob in Preußen und Danzig die Pest ausgebrochen sei. Anscheinend waren unbe224  STAS:

Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 30.07.1708). Schreiben des Jacob Johan Müller (R, 23.04.1708) und Schreiben des Christian Benedicts (K, 23.04.1708). 226  Wahrscheinlich beriefen sich die Ratsherren auf das Patent vom 06.02.1708 (STAS: Rep. 14, 88, Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 06.02.1708). Die darin erwähnten Vor­ schriften erwähnten aber nicht explizit die Post, son­dern schrieben nur den Gebrauch von Gesund­heitspässen vor. Wer zur Kontrolle dieser Pässe be­rechtigt war, wird nicht ausgeführt. 227  STAS: Rep. 14, 89, Ratsschlüsse (R, 25.04.1708 und 02.05.1708). 228  Ebd., Postdirektor Rosencreutz an Stralsunder Rat (R und E, 06.1708) und Verhörprotokoll (16.10.1708). 225  Ebd.,



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 265

stätigte Nachrichten an den Sund gelangt, über die der Rat Gewissheit erlangen wollte. Einige Briefe aus Danzig, die wenige Tage zuvor zwei ­ Stralsunder Bürger erhalten hatten, enthielten keine Hinweise auf die Seuche. Um sicherzugehen, wurde zusätzlich Postkommissar Rosencreutz befragt, der we­gen der regelmäßig verkehrenden Postkurse und den dabei von Reisenden kolpor­ tierten Nachrichten gut unterrichtet sein musste. Rosencreutz bezeichnete das Ge­rücht ebenfalls als falsch und Danzig wie auch Elbing als gesund. Das bis dahin in den Meldungen nicht aufgetauchte Posen allerdings erklärte er für verdächtig. In den Briefen, die er kürzlich aus Danzig erhalten habe, sei nichts von einer Pest enthalten gewesen. Trotz dieser positiven Meldungen sorgten die Ratsherren dafür, dass eine Pestordnung fertiggestellt und in den Apotheken alles Nötige bereit gehalten würde, denn wenn es auch derzeit keinen Grund zur Sorge gäbe, so war doch die Möglich­keit einer späteren Ausbreitung der Seuche vorhanden.229 Rat und Postmeister in Stralsund blieben in Kontakt und wenig später versprach Rosen­creutz, die Post zwecks Kontrolle vor Einfahrt in die Stadt anhalten zu las­sen.230 Da jedoch trotz Verbot noch im August 1709 Briefe aus Danzig bei der Post angenommen wurden, mussten verbindliche Absprachen zwischen Rat und Post­meister her. Der Rat konnte die Annahme nämlich nicht verhindern und lediglich den Post­direktor, der als Landesbedienter nicht der städtischen Obrigkeit unterstellt war, anhören und bitten, „daß solches möge inskünfftige verhütet werdn“.231 Eine grundsätzliche Gegnerschaft zwischen Rat und Postverwaltung hat es jedoch nicht gegeben. Rosencreutz meldete im November 1709 als erster dem Rat, dass an einigen auswärtigen Orten die Meldung von Stralsunds Infizierung umgehe. Sofort reagierten die Ratsherren, ließen sich die Gesundheit der Stadt von den Ärzten attestieren und verfassten ein Dementi, in dem sie erklärten, von dem Gerücht durch Rosencreutz erfahren zu haben.232 Eine vergleichbare Interaktion ist für Rostock nachzuweisen, wo sich der herzogliche Postmeister Völschow nicht nur für die Bekanntwerdung der Pestverordnungen ver­antwortlich fühlte, sondern den Rat über entstandene Schwierigkeiten informierte.233 Doch auch in Rostock trat der Gegen229  Ebd.,

Schreiben der Apotheken- und Pfundherren (R, 22.07.1709). Schreiben der Pfundkammer (R, 07.08.1709). 231  Ebd., Ratsprotokollauszug (R, 08.08.1709). 232  STAS: Rep. 14, 91, Schreiben des Stralsunder Rates (E, 19.11.1709). Auch in Greifswald berichtete der Postmeister dem Rat in mindestens einem Fall bezüglich der Pestausbreitung und der die Stadt Greifswald betreffenden Gerüchte (STAG: Rep.  5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 26.10.1710). 233  AHR: 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 05.11.1708, Punkt 20. 230  Ebd.,

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satz zwischen herzoglichen und städtischen Interessen deutlich zutage. Herzog Friedrich Wilhelm behielt sich die Kontrolle über die Post vor, da „Sie zu Unserm hohen Post=Regal gehöre“.234 Diese Kontrolle bein­haltete eine Aufrechterhaltung des Monopols, den Postbedienten zu befehlen, mit ihrer Hilfe an den Postkontoren eine große Öffentlichkeit zu erreichen und durch sie frühzeitig – sozusagen postwendend – über Neuigkeiten informiert zu werden. Da­hingegen war es für die Stadträte ärgerlich, über die Post keine Gewalt zu haben. Der Kern des Problems war in Rostock wie in Stralsund die fahrende Post, die nicht an den Toren halten wollte. Der Rat konnte auf das Verhalten des Postillions keinen direkten Einfluss nehmen und war auf die Einsicht des verant­wort­lichen Vorgesetz­ten, des Postmeisters Völschow, angewiesen. Zu diesem dürften die Rats­ herren allerdings wegen verschiedener Gerichtsprozesse ein eher gespaltenes Ver­hältnis gehabt haben.235 Während die Weitergabe von Neuigkeiten vom Post­ meister an den Rat als eine Gefälligkeit gelten kann, instrumentalisierte der Herzog die Post zu­gunsten seines Informations­vor­sprungs. Die im August 1710 erlassene mecklen­burgische Postordnung erlegte den Postbedienten eine Berichtspflicht dem Herzog gegenüber auf und machte sie für die Abwehr gefährlicher Güter und Briefe verant­ wortlich. Dass die Postordnung vier Monate vor der entsprechenden Regelung für die Tor- und Grenzschreiber ausgefertigt und in dieser ausdrücklich als Vor­­bild erwähnt wurde, zeigt, dass dem Postwesen, welches Mecklenburg mit dem Aus­land verband, mehr Bedeutung als den innerterritorialen Grenzkontrollen beige­ messen wurde.236 Die Erlangung zahlreicher und verlässlicher Informationen war für den Herzog folg­ lich dringlicher und notwendiger als eine übereilte Sperrung der Grenzen. Dazu kam, dass die Postbedienten ihre Nachrichten ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit er­hielten und weitergeben konnten, wohingegen die Kontrolleure an den Toren und Grenzen notwendigerweise alle Reisenden befragen mussten und offenkundig wurde, 234  AHR: 1.1.3.25 – 205, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 23.03.1708). 235  Ebd. sowie 1.1.3.13 – 270, Verhörprotokoll (P, 16.08.1709), 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 03.11.1710), 160, Verhörprotokoll (P, 12.02.1711), 1.1.3.2 – 109, Ratssitzung vom 23.03.1708, Punkt 20. Völschow tat sich auch in anderen Angelegenheiten als streitbare Person hervor. Carl Moeller urteilte daher: „Zwischen ihm und den schwedischen Postämtern in Pommern bestand ein immerwährender Kleinkrieg, welcher mit dazu beitrug, die Beziehungen zwischen Meklenburg und Schweden mehr und mehr zu verschlechtern.“ Moeller, S. 73–78, 98 f. und 190. 236  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnungen des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 18.08.1710 und 19.12.1710). Franck, David: Register Des Alt= und Neuen Mecklenburgs, nebst zwoen Land-Charten, Meilen=Weiser, und 7 genealogischen Tabellen der Hertzoglichen Mecklenburgischen Häuser, auch Bildniß und Lebens=Lauf des seel. Verfassers David Franck, Güstrow / Leipzig 1758, S. 293 (XVI).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 267

dass eine Gefährdung durch die Pest bestand, was wiederum zu Unruhe und Gerüchten in der Bevölkerung führen konnte. Im September 1710 zeigte sich, dass Völschow seine Berichtspflicht breit auslegte. Er hatte selbst Nachforschungen über die Verbreitung der Seuche in Demmin, Anklam, Greifswald und Stralsund angestellt, war dazu in diese Orte gereist und hatte die Ergebnisse anschließend nach Schwerin gemeldet. Die Schweriner Regie­rung nannte in ihrem nächsten Schreiben an den Rostocker Rat ihren Informanten nicht („Unß ist geziemend hinterbracht“), doch ist eindeutig, dass die Informationen von Völschow stammten.237 Auf irgendeine Weise erfuhren die Rats­herren jedoch von Völschows Nachfragen und verdächtigten ihn, über den Rat Un­wahr­heiten in Schwerin verbreitet zu haben. Zu keiner Zeit sei es zu Befehlen des Rates gegen­über Völschow gekommen, so ihre Aussage. Völschow konnte die Vorwürfe durch Offenbarung seines Briefverkehrs mit dem Schweriner Postmeister zwar entkräften, doch wird sein Ansehen darunter gelitten haben, während sich der Rostocker Rat durchsetzen konnte. Die Übersendung der kopierten Briefe zwischen beiden Post­ meistern zeigt, welchen Einfluss die Rostocker geltend machen konnten.238 Der Rat konnte als Vertreter der größten mecklenburgischen Stadt nicht nur auf seine wirt­schaftliche Bedeutung vertrauen, sondern mit seinen Informations­netzwerken und internen Verbindungen in andere Städte dem Herzog bei der Gewinnung und Be­wertung von Nachrichten sehr nützlich sein. Der Herzog wusste darum und hatte deswegen den Rat angehalten, ihn über Neuigkeiten unverzüglich in Kenntnis zu setzen.239 Wenn sich das Verhältnis zwischen Herzog und Rat ver­schlechterte, konnte man in Schwerin sicher sein, wenige oder keine der brisanten und für die Si­cherheit des Landes wichtigen Nachrichten mehr zu erhalten. Die Kontrolle über In­formationen zeigt sich hier klar als Machtmittel. Herzog und Regierung hatten keinen Grund, sich im Fall Völschow auf eine Machtprobe einzulassen, die sie verlieren mussten und so wurde Völschows Briefverkehr offengelegt. 237  AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (R, 08.09.1710) und herzogliche Regierung an Rostocker Rat (R, 29.10.1710). 238  Ebd., Herzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg-Schwerin an Postmeister Völschow (K, 08.09.1710), an Rostocker Rat (K, 08.09.1710), Postmeister Völschow an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (R, 07.09.1710), 1.1.3.25 – 205, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 09.09.1710). Völschows Reise nach Stralsund lässt sich auch dort belegen. In der Akte „Übersichten über die besonderen Ausgaben während der Zeit der Kontagion zur Eindämmung der Pest und Be­handlung der Erkrankten“ werden die Kosten aufgelistet, welche „Mit den Rostockschen H. Postmeister Fölschauw verunkostet“ wurden (STAS: Rep. 38, 1480, Schreiben (R, 12.09.1710)). 239  AHR: 1.1.3.15 – 158, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 23.08.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Neben den Berichten der Postbedienten wurde die Kunde über die Postverhältnisse an anderen Orten fast nur im innerobrigkeitlichen Bereich mitgeteilt. Von Reisenden und Schiffern wurde diese Aussage nur selten erfragt.240 Der Lübsche Rat erkundigte sich im März 1711 schriftlich in Reval, ob die Seuche dort vorbei sei und man des­ wegen die Privatpost wieder ungehindert passieren lassen könne.241 Dabei bestätigt sich, dass ein Unterschied zwischen der obrigkeitlichen und der privaten Post ge­ macht wurde. Räte und Regierungen hielten trotz der Pest durchgängig Kontakt mit­einander und verzichteten nicht auf dieses Machtmittel, während private Verbindun­gen den Beschränkungen zum Schutz vor Übertragungen in vollem Maße unterla­gen. Anstatt einen direkten und vertrauensvollen Weg zu beschreiten, bediente sich der Wismarer Rat im November 1710 eines seiner Bürger, um exklusive Informationen über Lübeck zu erlangen. Offenbar gab es Zweifel an der Aufrichtigkeit des Lüb­ schen Rates, mindestens aber wollten die Wismaraner dessen Erklärungen überprüft wissen. H. C. Voigt dankte in einem Schreiben, dass die Ratsherren „meiner Persohn […] sich hochgeneigt zubedienen belieben wollen“ und hatte „nach vieler Mühe“ bei einem Aufenthalt in Lübeck unter anderem die dortigen Post­ ver­ hältnisse ausgekund­schaftet. Wer ihm berichtet hatte, legte Voigt nur zum Teil offen, ließ seine Infor­ manten aber auch teilweise im Verborgenen, wenn er schrieb, etwas „[a]uß dem Munde eines gewissen freundes“ erfahren zu haben. Über die Behand­lung von Briefen in Lübeck berichtete er, dass die „zu Schiffe von vorgedachten und andern verpesten Örtern einkommenden briefe, […] zu Travemünde, etliche mahl durch ein Essig gezogen, hernach geräuchert und getrocknet“, womit sich Lübecks Reini­ gungsvorschrift in keiner Weise von der anderer Seestädte unterschied.242 Das Vorhan­densein dieses Informanten belegt, dass sich die Räte nicht nur auf die An­gaben anderer Obrigkeiten verließen oder warteten, bis ein Kaufmann Teile seiner Privatkorrespondenz aus eigenem Antrieb offenlegte, sondern zur Gewin240  In den zahlreichen in dieser Zeit angestellten Befragungen gibt es nur zweimal Angaben über aus­wärtige Postverhältnisse. Die Aussage eines Lübschen Schiffers, dass trotz der im November 1710 gehäuften Todesfälle in Karlshafen die Post von Stockholm wöchentlich verkehrte, war dabei eine durch den Schiffer vorgenommene Ergänzung, die nicht explizit erfragt worden war (AHL: ASA, In­terna, Pest 6 / 2, Schreiben des Vogts Sager (P, 07.01.1711). In Rostock gab eine Befragte auf die Frage, wann die Post zwischen Königsberg und Berlin wieder freigegeben worden war, zu Protokoll: „Sie wiße es n[icht] eigentl. es würde nach dem danckfest geschehen seyn.“ Die Ungenauigkeit der auf diese Weise ge­ won­ nenen Aussagen wird der Grund gewesen sein, dass die Post nicht zum üblichen Fragekatalog zählte (AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 19.08.1710). 241  AHL: ASA, Interna, Pest 7, Revaler Rat an Lübschen Rat (R, 17.04.1711). 242  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, H. C. Voigt an Wismarer Rat (R, 28.11.1710).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 269

nung ver­lässlicher Nachrichten besondere Vertrauenspersonen als verdeckte Ermittler ein­setzten. Allerdings garantierte die Kontrolle über das Postwesen noch keinen störungsfreien Ab­lauf des Nachrichtenaustauschs. Die nachfolgende Affäre um den Postreiter Thomsen illustriert, welche Rolle die Post bei der Weitergabe von Informationen über das obrigkeitlich gewünschte Maß hinaus spielte. Thomsen verkehrte auf der Strecke von Lübeck nach Boizenburg und hatte im Oktober 1710 in Ratzeburg berichtet, dass Lübeck von der Pest infiziert sei. Da er aus erster Hand Neuigkeiten erfuhr und bei der Post nicht nur Waren und Reisende, sondern auch viele Nachrichten zusammen­trafen, wurde seine Geschichte geglaubt und brachte den Lübschen Rat in Bedräng­nis. Ausgerechnet bei der stets misstrauischen Ratzeburger Regierung mussten die Lübschen Ratsherren sein „falsches geschwätz“ entkräften.243 Sofort nach Bekanntwer­den der Geschichte wurde Thomsen in Lübeck inhaftiert. Im Verhör wi­derrief er das Gerücht und die Ratsherren beeilten sich, das Verhörprotokoll nach Ratzeburg und kurz darauf nach Hamburg zu versenden.244 Für Thomsen hatte der Fall weitere Konsequenzen, denn ihm wurde nach seiner Freilassung (100 Rthlr. Kaution) verboten, die Stadt zu verlassen, so dass er seinen Beruf nicht mehr aus­üben konnte.245 Die Post blieb eine besonders empfindliche Stelle, solange sich die Autoritäten nicht auf die Loyalität ihrer Bedienten verlassen konnten. Zwischen Hamburg und Lübeck sorgten die Postillione im Dezember 1710 für großes Ärgernis, weil sie unterwegs Briefe und Passagiere annahmen, deren Unverdächtigkeit nicht sicher war. Gerade weil die Postwagen bei der Einfahrt in andere Städte oft bevorzugt und manchmal nicht einmal kontrolliert wurden und auswärts der Ruf einer Stadt von den regelmäßig und von vielen Menschen genutzten Postwagen abhing, durfte dieses Vertrauen nicht beschädigt werden.246 Als die Pest im Sommer 1709 im Gebiet um Stettin ausbrach und sich nicht mehr ver­heim­lichen ließ, erklärten Generalgouverneur und Regierung in einem Brief an die Landesstädte, dass sie nicht umhin kämen zu berich243  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, Lübscher Rat an Landdrost von Werpup (E, 22.10.1710). 244  Ebd. und Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 16.11.1710). 245  AHL: ASA, Interna, Postwesen 12  / 1, Postreiter Thomsen an Lübschen Rat (R, 08.11.1710). 246  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Oldesloer Rat an Lübschen Rat (R, 18.12.1710). Vgl. AHR: 1.1.3.15 – 159, Verhörprotokoll (P, 03.11.1710). Inwieweit die Postreiter und -fahrer der Passpflicht unterworfen waren, ist nur an einem Beispiel aus Stralsund belegbar. Dort wurde im Oktober 1709 gefordert, dass auch der Bergener Postillion sich mit einem Gesundheitspass versehen müsse, um in die Stadt eingelassen zu werden (STAS: Rep. 14, 92, Schreiben (R, 04.10.1709).

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ten, dass „ohngeachtet aller angewandten Sorgfalt die dortige Kranckheiten in eine Pestilentzialische Seuche endtlich ausgeschlagen“.247 Unter diesen Umständen könne die Regierung nicht län­ger in der Stadt bleiben und ihre Aufgaben erfüllen. Zudem sei der Postverkehr auf den Strecken von Berlin, Stargard und Frankfurt an der Oder nach Stettin wegen der Seuchengefahr durch die Preußen aufgehoben worden und folglich kein Kontakt mehr mit Schlesien, Polen oder dem Reich möglich. Deshalb habe sich die Regie­rung entschlossen, nach Stralsund zu gehen, um dort „die Landes Angelegenheiten ohne Gefahr besorgen, alß auch die Correspondence mit dem Königreich Schweden und denen benachbahrten Landen mit genugsahmer sicherheit continuiren zu können“.248 Als Grund des Umzuges wurde in der Argumentation nicht die Sicherheit der Regierungsmitglieder genannt, sondern die Aufrechterhaltung der Korrespon­ denz mit dem Ausland. Eine geregelte Kommunikation galt damit als entscheidendes Kriterium und ist als bedeutendes Machtinstrument zu charakterisieren! Mag die Be­hauptung im Moment beschönigend gewesen sein, so zeigt auch eine an anderer Stelle in den Akten befindliche Darstellung, dass die postalische Erreichbarkeit eine große Rolle spielte. In den „Rationes Warumb Anclam od Wollgast bequemer sey zum loco Regiminis, alß Stettin“ heißt es dazu unter Punkt 5: „Ist hiebey auch zubeobachten, daß zu Anclam und Wollgast insonderheit aber an jenem ohrte die Post auß Schweden und Hamburg 12 und mehr Stunden eher alß zu Stettin ankompt, auch so viel stunden später abgehet, dahero auch die Regierung an solchen orte zu der correspondence und nötiger beantwortung der einkommenden briefe, mehr Zeit und Gelegenheit hat.“249

Als die Regierung im kommenden Jahr wieder zeitweise Stettin verließ, bewirkte der Umzug nachträglich erhebliche Streitigkeiten. Schlosshauptmann Klinckowström führte die Beendigung der Hamburger und Mecklenburger fahrenden Post auf die Flucht der Regierung zurück und machte Regierungsrat Olthoff für die Misere ver­ antwortlich. Dieser wehrte sich wortreich („Ich weiß nicht ob grausamere beschuldigungen von meinem ärgsten Feinde könten erstiftet werden“) und hielt da­gegen, dass es wegen der Pest in Stralsund zur Aufhebung gekommen sei und zu­dem die reitende Post der Mecklenburger und Preußen nach Stettin weiterhin Be­stand hatte.250 Olthoff führte auch aus, dass er das Verbleiben eines Regierungsmit­ 247  STAS: Rep. 13, 589, schwedisch pommersche Regierung an die Stadträte Schwedisch Pommerns (R, 19.09.1709). 248  Ebd. 249  STAS: Rep. 13, 1130a, Schreiben (undatiert, wohl 1709). Der Autor des Textes ist unbekannt, doch deutet die Akte, in der sich hauptsächlich interne Schreiben der Regierung befinden, auf ein Regierungsmitglied hin. 250  STAS: HS 1026, Schreiben des Regierungsrates Olthoff (R, undatiert, wohl 09.1710).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 271

gliedes in Stettin für sinnvoll hielt. Dieses sollte in der Stadt die Pestanstalten koordi­nieren und mit dem Generalgouverneur und der restlichen Regierung „wie man wol von voriger zeit exempel hat […] unter einem behutsamen Post=reglement […] correspondiren“.251 Es zeigt sich wieder, dass eine vollständige Aufhebung der obrig­keitlichen Post selbst während einer Pest nicht erwünscht war und im Gegenteil ständig aufrecht zu erhalten war.252 Anders verhielt es sich mit dem normalen Postverkehr. Dieser wurde etwa während der Epidemie in Stralsund im Wesentlichen eingestellt („anjetzo sowoll die fahrende alß reitende Post gehoben“), so dass die Bürgerschaft vor dem Rat klagte und wegen der fehlenden Verdienstmöglichkeiten durch die gesperrte Kommunikation um Steuer­ erlass bat.253 Der Rat wiederum versuchte daraufhin, bei der Regierung wenigs­ tens eine Wiedererrichtung der Post innerhalb des Landes zu erreichen, denn „außer landes ist dazu wenig Hoffnung zu machen“.254 Eine totale Aufhebung hatte es trotz der Bürgerschaftsklage aber nicht gegeben, denn wie die Ratsherren fest­stellten, „gehen dahin [in das Ausland] itzund bekanter maßen die Reitende [Post] hin und wieder.“255 Eine begründete Hoffnung auf Normalisierung der Verhältnisse gab es erst im März 1711, als die Zahl der Sterbenden kontinuierlich abgenommen hatte.256 Auf Betreiben der Kaufleute entschied der Rat, einige Deputierte mit dem Postdirektor in Verbindung treten zu lassen, um die Genehmigung für die fahrende Post von der Regierung zu erwirken und deren Unterstützung an auswärtigen Höfen zu sichern.257 Von den ersten Tagen nach Verkündigung eines Postverbots abgesehen, in denen häufig noch Schreiben angenommen wurden, gibt es auch für die Zeit während einer Seuche Belege, dass die Briefsperre nicht so strikt gehandhabt wurde, wie die Be­ fehle und Verordnungen zunächst glauben machen. Denn allen fünf Seestädten ge­mein war der Wunsch, jede Beeinträchtigung des Postverkehrs so gering und so kurz wie möglich zu halten. Diesem Wunsch, der das allgemeine Mitteilungsbedürfnis der Bevölkerung, der städtischen Wirtschaft und des Rates berücksichtigte, standen die landesherrlichen Interessen gegenüber, welchen eine größtmögliche Sicherheit wichtiger als andere Belange erschien. Während in Mecklenburg der Herzog 251  Ebd.,

Schreiben des Regierungsrates Olthoff (R, undatiert, nach 08.1710). auch Schlenkrich, S.  146 ff. 253  STAS: Rep. 13, 1861, Ratsprotokollauszug (R, 19.09.1710). 254  Ebd., Ratsprotokollauszug (R, 19.09.1710). 255  Ebd. 256  Pommeresche, Fr. von: Die morgenländische Pest in Stralsund zur Zeit des nordischen Krieges, in: Sundine. Unterhaltungsblatt für Neu-Vorpommern und Rügen, Jg. 20 (1846), S. 262–264, 270–271, 276–278. So auch Zapnik (2007), S. 226. 257  STAS: Rep. 35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 04.03.1711). 252  So

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D. Exemplarische Pestkommunikation

die Auf­ hebung des Briefverkehrs mit Pommern (besonders Stettin und Stralsund)258 befoh­len hatte, drängte der Rostocker Rat auf eine Milderung der strengen Regelungen. Die Ratsherren, die durch Privatbriefe umfassende Kenntnis von den Zuständen in anderen Städten hatten, verwiesen auf das Beispiel anderer Städte und besonders auf die Preußen, welche „sonsten über die maaßen sogfaltig“ seien und baten, dass alle von Stettin kommenden Briefe „auff dem Post=Contoir vor der außreichung, sogar vor der annahme, geräuchert oder durch eßig gezogen werden“ und dieses genügen sollte.259 Es ging um eine Regulierung der Kommunikation, die der Seuchen­ gefahr Rechnung trug und den Kontakt weiter aufrechterhalten sollte. Denn durch die Aufhebung jeglicher Korrespondenz und jedes Handels mit Pommern würde Rostock „ein großes dadürch mit leiden“, was nicht im Interesse des Herzogs sein könne.260 Der Rat nahm damit ein gewisses Maß an Unsicherheit und die Ge­ fahr einer Seucheneinschleppung bewusst in Kauf, solange die Postwege offen­gehalten wurden. Der von seinen Gütern auf Rügen geflohene Baron von Putbus, dem die Stadt Rostock die Einreise verweigerte, führte in seinen Verteidigungsschreiben unter an­derem den Umstand an, dass noch Ende Oktober 1710 die reitende Post mit Briefen von Rostock nach Stralsund und zurück gegangen sei.261 Die Anschuldigung ent­puppt sich bei genauerem Hinsehen als eine bloße Zustandsbeschreibung. Im Oktober 1710 war die reitende Post nämlich noch nicht aufgehoben worden. Der Greifswalder Postmeister berichtete dem städtischen Rat Ende Oktober, dass der Schweriner Herzog die reitende Post durchs Mecklenburgische Anfang November einstellen wolle. Zur Aufrechterhaltung des normalen Verkehrs wandten sich die Rats­herren an die Stettiner Regierung und baten um diplomatische Hilfe. Die Regie­ rung sollte an Herzog Friedrich Wilhelm schreiben und sich „wegen nöhtiger und unümbgänglicher communication mit der Stadt Wismar und alda befindlichen hohen Königl. Tribunal“ für Greifswald einsetzen.262 Die Antwort aus Stettin war beruhigend, denn „bereits vorhin [sei] an des Hertzogs von Schwerin durchl: ümbständlich geschrieben und angehalten wor258  AHR: 1.1.3.15 – 159, herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 01.09.1710). 259  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 02.09.1710 und 06.09.1710), herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 04.09.1710), an schwedisch pommersche Regierung (K, 05.09.1710). 260  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 06.09.1710). 261  AHR: 1.1.3.15 – 140, Baron von Putbus an Rostocker Rat (R, 26.10.1710 und 04.11.1710). 262  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 26.10.1710).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 273

den, daß eine reitende post durch dero Gebieth verstattet werden möchte“.263 Die Mecklenburger ließen sich aber nicht von ihrem Vorhaben abbringen und hoben die Post auf. In einem Schreiben vom Dezember 1710 bestätigte daher der Rostocker Rat, dass auf Befehl des Herzogs keine Briefe aus Pommern nach Mecklenburg kämen.264 Mag der Vorwurf des Barons nicht zu­letzt durch persönliche Befindlichkeiten motiviert gewesen sein, so zeigt ein öffentli­ cher Anschlag des Rostocker Rates vom Februar 1711, dass Putbus durchaus Recht hatte. Die Ratsherren beklagten sich, dass „auß Pommern in diese Stadt briefe einproduciret werden, welche nicht bey der ordentlichen Post über Broderstorff kommen, und bey welchen also nicht gebuhrende, angeordnete sorgfalt gebraucht werden kan“, weswegen die Einwohner entsprechend erinnert wurden.265 Grundsätz­lich war der Briefaustausch mit Pommern also gewährleistet, sofern die Schreiben „von dem zu Broderstdorff verordneten Post Schreiber, gebührend hantiret, wieder versiegelt, und also passiret“ würden.266 Als die Pest Stralsund im Herbst 1710 erreicht hatte, verfügte das Tribunal die An­stellung städtischer Kontrolleure auf den Landwehren und Brücken, denen auch die Unter­suchung der Postwagen erlaubt war. Zu ihrer Unterstützung wurden ihnen durch das Militär je zwei Soldaten beigeordnet, um ihnen gegenüber den Reisenden mehr Autorität zu verleihen. Erstmals sollten die Passagiere während der Unter­su­chung den Wagen verlassen und auch ihre Warenpakete untersuchen lassen. Um diese Bestimmung zusätzlich zu legitimieren, erließ das Tribunal am 28. Oktober 1710 im Namen des Königs ein entsprechendes Edikt.267 Die nach einiger Zeit wie­der eingestellte Verfügung wurde 1712 erneuert und ausdrücklich auf den lübschen Postwagen ausgedehnt.268 Dieser Schritt war notwendig geworden, da zu dieser Zeit die Pest in Holstein grassierte. Aus der besonderen Nennung Lübecks lässt sich schließen, dass bis dahin dieser Postwagen weniger Aufmerksamkeit erfahren hatte. Im Tribunal war man sich bewusst, dass man gegenüber Lübeck vorsichtig sein musste und dessen Wohlwollen nicht verspielen durfte. Das Verhältnis war durch Über­griffe schwedischer Soldaten auf die 263  Ebd.,

schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 29.10.1710). 1.1.3.15 – 133, Rostocker Rat an königlich dänische Regierung zu Glückstadt (E, 19.12.1710). 265  AHR: 1.1.3.15 – 160, Verordnung des Rostocker Rates (E, 15.02.1711). 266  Ebd. 267  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (E, 03.09.1710), Oberst Posse an königlich schwedisches Tribunal (R, 04.09.1710) und Verordnung des schwedischen Königs Karls XII. (= königlich schwedisches Tribunal) (D, 28.10.1710). 268  STAW: Abt. III, XIX, 2, 7, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 05.08.1712) und Abt. III, I, T 16, 496, Verordnung (R, 05.08.1712). 264  AHR:

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D. Exemplarische Pestkommunikation

lübschen Hospitaldörfer auf Poel ohnehin angespannt und angesichts der für Schweden ungünstig gewordenen Kriegslage war Lübeck immer wichtiger geworden.269 Der mecklenburgische Herzog, dessen Gebiet Wismar vollständig umschloss, war zwar neutral, konnte diese Haltung aber nicht durchsetzen und musste während des Krieges mehrfach den Durchmarsch und den Aufenthalt fremder Heere akzeptieren.270 Lübeck hingegen konnte seine Un­ partei­ lichkeit verteidigen, war über den Seeweg für Wismarer Schiffe leicht erreichbar und zu diesem Zeitpunkt die einzig verbliebene Herrschaft in der Region, mit der umfang­reich und sicher Handel getrieben werden konnte. Auf diese Stadt musste unbedingt Rücksicht genommen werden, wenn das Tribunal nicht Versorgungsschwierigkeiten in Wismar riskieren wollte. Die Juristen waren sich sofort einig, die Lübecker durch Eingriffe in ihre Postrechte nicht zu reizen oder sich durch übe­ rtriebene Vorsorge selbst verdächtig zu machen, denn „vor allen dingen müße man sorgen, eine guhte harmonie zu behalten“.271 Vielleicht erinnerten sich die As­ses­ soren, dass zwei Jahre zuvor dem mecklenburgischen Herzog die auf­kom­ men­den Pestgerüchte eine will­kommene Gelegenheit boten, den schwedischen Nach­richten­aus­tausch zu behin­dern. Unter dem Vorwand, in Greifswald sei es zu einer Seuche gekommen, unter­ sagte er den Versand von Akten zwischen Hofgericht und Tribunal über mecklenbur­gisches Gebiet. Die Juristen des Hofgerichts zeigten den Vorfall beim Tribunal an. Dieses musste dem Herzog versichern, dass „daselbst gesunde Zeiten sind“ und die Akten vor dem Einlass in die Stadt stark beräuchert würden.272 Erst danach gestat­tete Friedrich Wilhelm den Verkehr im ursprünglichen Umfang und hatte durch die Aufhebung des Aktenversands, welche die Arbeit des Tribunals und damit die Handlungsfähigkeit Schwedisch Pommerns stark behinderte, seine Autorität deutlich gemacht. Hatte in den anderen Städten die Sorge dominiert, eine zu strenge Durchsicht könnte auswärts für Verstimmung sorgen, so war es in Greifswald genau umgekehrt. Eine genaue Überprüfung und klar abgegrenzte Kompetenzen zwischen bürgerlichen Pestkommissaren und schwedischem Militär sollten auswärts einen Eindruck der Kompetenz und Sorgfalt hinterlassen, 269  Z. B. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an königlich schwedische Regierung zu Bremen (E, 31.12.1709). 270  Vgl. LHAS: 2.12-2  /  19, LXXI (Schwerin), LXXII (Schwerin), LXXXIV (Schwerin), LXXXV (Schwerin), LXXXVI (Schwerin) und CXXXI (Schwerin). 271  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 30.07.1712). 272  Ebd., königlich schwedisches Hofgericht zu Greifswald an königlich schwedisches Tribunal (R, 27.09.1710), königlich schwedisches Tribunal an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 30.09.1710) und herzogliche Regierung zu Schwerin an königlich schwedisches Tribunal (R, 25.10.1710).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 275

„[w]eil sonst anderer Orthen mann davor halten würde, daß nunmehro alles bunt über die Ecke ginge, […] Insonderheit wenn die Posten solches sähen, und mann [deshalb …] aller Orthen Unß die corres­pondence abschneiden würde“.273 Wie oben gezeigt, waren die Postbedienten für die Landesherren eine sichere Infor­mations­quelle. Auf der anderen Seite wurden die Postmeister ebenso einge­setzt, um Verordnungen unter der Bevölkerung zu verbreiten, womit sie die schrift­ lichen Man­ date und mündlichen Kanzelverlesungen ergänzten. In dieser Weise setzten die Räte Hamburgs und Lübecks ihre Postbedienten ein, als sie 1710 die Passvorschriften Braunschweig-Lüneburgs übernahmen, und die Passagiere durch die Postmeister informieren ließen. In gleicher Weise wurden die Postkontore im Herzogtum Meck­ lenburg-Schwerin zur Verbreitung der Verordnungen eingesetzt.274 In der ausführli­chen Pestordnung vom 30. Dezember 1709 bediente sich der Herzog gleichzeitig des posteigenen Kommunikationssystems und wies an, alle Korres­pondenten der Post über die verfügten Abwehrmaßnahmen zu informieren, wodurch eine zusätzli­che Verbreitung sichergestellt wurde.275 Die Dringlichkeit, an den Poststationen erlas­ sene Ordnungen bekannt zu machen, erkannten auch die kur­ fürst­ lichen Regierungen in Hannover und Ratzeburg und ließen dort den Inhalt der Maßnahmen den Reisen­den bekannt machen. Dabei nutzten sie nicht nur eigene Post­ kontore, sondern wie­sen in dieser Weise auch Lübeck, das Tribunal, den Schweriner Herzog und den Stralsunder Rat in ihrem Gebiet an.276 Doch nicht nur auswärtige 273  STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschlüsse (R, 04.11.1709 und 11.11.1709), Schreiben der Bürgerschaft (R, 06.11.1709). 274  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Verordnungen des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 14.08.1710 und 18.08.1710). AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnungen des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 14.08.1710 und 18.08.1710), herzogliche Regierung zu Schwerin an Rostocker Rat (R, 08.09.1710), an schwedisch pommersche Regierung (K, 05.09.1710), 160, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 16.10.1711). 275  AHL: ASA, Interna, Pest 3 / 6, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709). AHR: 1.1.3.15 – 159, Verordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (D, 30.12.1709; auch in: 1.1.3.0 – 17 / 1, S.  1–56). 276  AHL: ASA, Interna, Pest 8 / 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 22.07.1712), 7, kurfürstliche Regierung zu Hannover an Lübschen Rat (R, 28.09.1711), kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 03.11.1711). STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 14.11.1709), Abt. III, XIX, 2, 6, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (K, 14.11.1709). AHR: 1.1.3.15 – 159, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an herzogliche Regierung zu Schwerin (K, 29.07.1710). STAS: Rep. 13, 1862, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Stralsunder Rat (R, 22.08.1710), Verordnung des Kur-

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Regierungen sperr­ten verdächtige Städte von der Kommunikation weitgehend aus, auch die vor­pommersche Regierung unterband bis ins Frühjahr 1711 die fahrende Post zwischen Stettin und Stralsund, wovon auch das pestfreie Greifswald betroffen war, da die Post die Stadt auf ihrem Weg passierte.277 Der Handlungsfähigkeit des Greifswalder Rates tat dies keinen Abbruch. Die Aufrecht­ erhaltung der Reiterpost erlaubte weiter­ hin einen geregelten Austausch. Tatsächlich gibt es in den untersuchten fünf Jahren keinen Zeitraum, in dem mehr empfangene und versendete Briefe des Rates als zwischen Herbst 1710 und Frühjahr 1711 über­liefert sind. Die reitende Post hingegen unterbrach ihren Betrieb nicht. In Greifswald wurde der Postmeister Ende September 1710 durch den Rat gebeten, das von Stralsund kom­mende Felleisen erst nach sorgfältiger Räucherung in die Stadt zu lassen. In der Rats­sitzung hieß es weiter, allen Bürgern sollte mitgeteilt werden, dass geräucherte Briefe aus Stralsund nur angenommen werden dürften, wenn sie deren Räucherung vor den Toren mit eigenen Augen gesehen hätten. Widrigenfalls drohte ihnen, selbst nicht mehr nach Greifswald eingelassen zu werden. Sollten sie aber „sonsten unter der Hand heimlich Brieffe und andere sachen“ aus Stralsund einschmuggeln, so drohte ihnen Leib- und Lebensstrafe.278 Diese strenge, wenngleich den wechsel­ seiti­gen Briefkontakt offenhaltende, Regelung wurde jedoch nicht in die Tat umge­setzt. Einen Tag darauf wurden die Fuhrleute in Greifswald informiert, dass sie zwar an den Posttagen nach Stralsund reiten und Briefe dort abliefern dürften, doch aus­ drück­ lich keine von dort annehmen sollten. Offensichtlich traute man den Aussagen der Reiter nicht, dass sie die Räucherprozedur mit eigenen Augen gesehen hatten. Hätten die Reiter die Frage verneint, wäre ihnen der Zutritt nach Greifswald und der Umgang mit ihrem sozialen Umfeld verweigert worden. Ihnen daher zu unterstellen, die Frage stets mit „Ja“ zu beantworten, ist nachvollziehbar. Eine solche Haltung gefährdete aber die gesamte Greifswalder Bürgerschaft und so wurde ihnen die Frei­heit der Aussage nach nur einem Tag wieder entzogen.279 Welche Vorschriften sich in der Folgezeit durchsetzten, bleibt unbekannt, doch das Vorhandensein der reitenden Post zwischen Greifswald und Stralsund wurde noch im Oktober 1710 erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr die Post eine weitere Verschärfung. Die aus Stralsund und Anklam kommenden Postilliofürsten Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (D, 12.08.1710), Ratsprotokoll­ auszug (R, 29.08.1710). Für Stralsund ist nachweisbar, dass die Ratsherren zwar die Kaufleute, die Kramer und die Fuhrleute informierten, sich aber nicht für die Post verantwortlich fühlten. 277  STAS: Rep.  35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 04.03.1711). STAG: Rep. 5, 10626, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (K, 19.09.1710). 278  STAG: Rep. 5, 10626, Ratsprotokollauszug (R, 23.09.1710). 279  Ebd., Schreiben des Ratssekretärs Michaelis (R, 24.09.1710).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 277

ne sollten außerhalb der Stadt bleiben und auf eigene Kosten unterkommen, wobei sie nicht direkt vor den Toren lagern durften. Für den Wolgaster Postillion, „weil Er Unser bürger ist“, galt, dass er wegen der Seuchenge­ fahr nicht nach Wolgast in die Stadt durfte, während die „Demminsche Post […] aber, so lange es daselbst noch gesundt, hin und her [kann] passiret werden.“280 Über die Beschlüsse wurde die Stettiner Regierung in Kenntnis gesetzt, welche diese grund­sätzlich guthieß, da „die Benachbahrte dadurch sovielmehr veran­ laßet werden mögen. Unß die Correspondence mit und durch Ihre lande zu verstatten“.281 Aller­dings sollte der Greifswalder Rat für Unterkünfte sorgen. Diesem Befehl widersetzten sich die Greifswalder im Falle des Stralsunder Reiters, „bei welchem die meiste gefahr sein möchte“, und wollten kein Zimmer bereitstellen, da dieses „zum schaden des wirtes und nachtheil der Stadt“ gereichen musste.282 Der Gegenvorschlag bein­ haltete, dass der Postillion nach Ablieferung der Briefe in das nächstgelegene Dorf zurückkehren und von dort nach Stralsund zurückreiten sollte.283 Da Demmin als einziger Ort weder infiziert noch pestverdächtig war, gab der Rat zu bedenken, den dortigen Postillion nicht in eine offizielle Verlautbarung aufzunehmen, weil „diese excludirung der [Demminer] post, leicht zu einer noch größerern blame anlas geben könte.“284 Wie so oft, spielten der Ruf der Stadt und das Misstrauen der Nachbarn eine große Rolle und ebenso wie eine tatsächliche Seuche musste der Verdacht, infiziert zu sein, abgewendet werden. Das Gerücht über eine Seuche war ebenso verhängnisvoll wie die Seuche selbst. Das Ergebnis dieses Briefverkehrs, den die Regierung sicherlich mit weiteren Städten führte, war eine Ende November 280  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 04.11.1710), Ratsschluss (K, 10.10.1710) und Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 11.11.1710). Die Wolgaster Rats­ herren zeigten zwar Verständnis für die Maßnahme („Nun kann man ihrer Guten Stadt nicht verdencken, daß Sie auf dero Huht bey diesen gefährlichen Zeiten stehe“), doch wäre es wegen der offen­sichtlichen Gesund­heit der Stadt unnötig. Die Anklamer Ratsherren erklärten die in ihrer Stadt vor­ge­fallenen Todesfälle als unverdächtig, doch ließen sich die Greifswalder davon nicht beein­drucken und beschlossen, die Post trotzdem nicht in die Stadt kommen zu lassen. Wolgaster Rat an Greifswalder Rat (R, 29.11.1710), Anklamer Rat an Greifswalder Rat (R, 11.11.1710) und Ratsschluss (R, 15.11.1710). 281  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 04.11. 1710). 282  Ebd., Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 11.11.1710). 283  Mit diesem Vorschlag konnten sie sich jedoch nicht durchsetzen, so dass Anfang Dezember 1710 der Postmeister durch den Rat mit der Errichtung von Hütten für die Postillione vor der Stadt beauf­tragt wurde. STAG: Rep. 5, 2250, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 22.11.1710) und Ratsschluss (R, 08.12.1710). 284  STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 11.11.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

1710 ge­druckte landesweite „Interims-Verordnung“, welche die Arbeit der Post und die Be­handlung der Briefe in ganz Schwedisch Pommern regelte, solange die Pest in der Region akut blieb.285 Das Ende der Postverlegungen und -sperren ist im Gegensatz zu ihrem Beginn in den Pestakten weniger gut dokumentiert. Eine Ausnahme hiervon besteht für Danzig. Sieben Monate nach Beginn der preußischen Sperrmaßnahmen teilte der Danziger Rat im März 1710 den Lübeckern erfreut mit, dass „in diesen Tagen die correspondence mit dem benachbahrten Pommern wiederumb geöffnet, die reitende Post von Berlin aus nach dieser Stadt gegangen, [wir] auch die Versicherung von Ihr: Königl: Maytt: in Preußen erhalten, daß die fahrende Post ebenfals ehestens folgen werde“,

so dass auch die Lübecker ihre Maßnahmen beenden sollten.286 Begründet wurde dies mit den zurückgegangenen Totenzahlen und dem durch ein Dankfest fest­ge­stellten Ende der Epidemie in der Stadt. Es ist anzunehmen, dass sich der preußi­sche König auf die Berichte seines Berliner Arztes Gohl und anderer Ärzte wie Chi­rurgen verließ, welche auf der Grundlage statistischer Erhebungen Danziger Opfer­zahlen veröffentlicht hatten.287 Die seit Ende September kontinuierlich sinkenden Totenzahlen hatten bis Jahresende 1709 fast ihre normalen Werte von weniger als einhundert Toten erreicht. Trotzdem warteten die Preußen weitere drei Monate, bis sie die reitende Post wieder zuließen. Eine Normalisierung des Postverkehrs konnte jedoch nicht eintreten, denn kaum war Danzig wieder in das Nachrichtensystem integriert worden, erfuhr der Rostocker Rat, dass die Preußen durch ein „bei dero gesambten Post Contoires Kundt gemachtes reglement“ die Kommunikation mit Königsberg, „als wegen der Contagion verdächtig“, gesperrt hatten.288 Diese Nachricht gaben die Rostocker schriftlich an den Lübschen Rat weiter, nachdem dieser sich nach dem Zustand in Königsberg erkundigt hatte. Den Urheber der Mitteilung gaben sie nicht bekannt und beriefen sich bezüglich ihres Wissens auf eine „besondere Nachricht“.289 Die Rostocker ver­muteten, dass der preußische König seine „eigen Stadt nicht ohne Grund“ bzw. „nicht ohne gnughaffte Anzeige des Verdachts dergestalt tractiren werde“ und 285  STAG: Rep. 5, 2250, schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 22.11.1710) und Verordnung der schwedisch pommerschen Regierung (D, 28.11.1710). 286  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 07.03.1710). 287  Gohl. Kanold. Stöckl. 288  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 1, Rostocker Rat an Lübschen Rat (R, 24.08.1710). AHR: 1.1.3.15 – 159, Rostocker Rat an Lübschen Rat (E, 24.08.1710). 289  Ebd.



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 279

schenkten der Nachricht deswegen Glauben.290 Sie gaben an, sich entsprechend ver­halten zu wollen, zumal das Reglement mittlerweile in Zeitungen veröffentlicht worden war. Die Aufhebung der Post durch einen Landesherrn kann folglich als Beweis einer Infizie­rung angesehen werden, auf den auswärtige Obrigkeiten unver­züglich reagierten. Über den Umgang mit Briefen aus infizierten Orten sind die Vorschriften im Unter­ suchungs­ gebiet gleich. Mit dem Beräuchern und einer Essigbehandlung sollten die Schreiben gereinigt und für den Kontakt mit Menschen ungefährlich werden. Für den Rauch wurde vorzugsweise Wacholder verwendet, für die durch Ärzte empfohlenen offenen Reinigungsfeuer fanden auch andere Stoffe wie Pech und Schwefel Ver­wendung.291 Welche Auswirkungen die Behandlung auf die Lesbarkeit der Schriftstü­cke haben konnte, beklagte der mecklenburgische Gesandte Fecht in ei­nem Schreiben an den Herzog, denn „der Eßig wodurch alle Brieffe geZogen werden solten, [würde] sowohl das Papier als auch die Buchstaben dergestalt an und durchfreßen […], daß hernach wenig oder gar nichts gelesen werden könte“.292 Da Räuchermaterial und Essig einfach und billig herzustellen waren und die Prozedur den Verkehr nicht in großem Maße aufhielt, blieb diese Maßnahme über einen lan­ gen Zeitraum bestehen. Als die empfundene Pestgefahr zur Mitte des Jahres 1711 deutlich abnahm und in der mittelbaren Umge290  Ebd.

291  Vgl. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Dr. Arend an königlich schwedisches Tribunal (R, 17.09.1710), Abt. III, XIX, 2, 6, Dr. Arend an Wismarer Rat (R, 30.09.1710). STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 08.08.1709). 292  LHAS: 2.11-2  / 1, Nr. 4282, S. 116–118, Legationssekretär Fecht an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (R, 15.11.1710). Die ausführlichste Anweisung und Begründung dieser Praxis lieferte der Wismarer Stadtphysikus ­Arend: „Waß nun in sonderheit von solchen Ohrten anlangende Brieffe anlanget: stehet mit selbigen also zu procediren wie die guhte Erfahrung bey Ländern, Republiqven und Städten alß auch die infections Ordnungen anweisen, da dan alle anlangende brieffe woher Sie immer kommen nachdem solche sonderlich waß pacqven sein geöffnet, mit keinen Süß oder wollrichenden dingen sondern mit guhten frischen wachholderbeeren oder in derer Mangel mit Erleern, Eicheern, Kiefernholtz oder Pech solcher gestalt in ein dazu aptirten gefäß zu berauchern daß der rauch woll durch ziehe. Bey zu nehmenden Übel werden die auß inficirten Orten anlangende Brieffe durch Eßig gezogen, wieder berauchert und gleich sahm getrucknet mit dem dampff eines Weyrauch, klein geschnittenen Lunten, guhten reinen pech, Salpeter, guhten reinen Schweffel von welchen bekandt daß er wegen seiner admirablen Krafft in pestilentialischen Seuchen von Hippocrate Τό θέιου genant, und seiner meinung nach omnis contagii in capax auch das vortrefflichste antidotum interum et enterum wo von beim Helmont: Kirchero und andern ein mehrers zu finden. Ubrigens noch zu erinnern, daß das fell Eisen dem Postilion oder Bohten zurück zugeben, und beraucherte Brieffe in ein andern auch beraucherte behältnüße nach der Stadt zu senden.“ STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Dr. Arend an königlich schwedisches Tribunal (R, 17.09.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

bung der fünf Seestädte keine größere Stadt infiziert war, reagierte das Tribunal sehr empfindlich auf Meldung seines am Altwismartor abgestellten Bedienten Anthon Ligner. Ligner erklärte schrift­ lich, Stadt­ kommandant Schoultz habe das Räuchern der Briefe beenden lassen und mindes­ tens einmal seien Briefe ohne Räucherung in die Stadt gekommen.293 Schoultz musste das Missverständnis aufklären und beteuerte, „daß damit nach dem Exempel der benachbarten continuiret werden“ solle und die Schuld bei einem einfältigen Unteroffizier lag. Interessant ist die Befehlskette, die sich offenbart. Der Unteroffizier hatte Schoultz falsch verstanden, als dieser ihn anwies, die Post an den Toren nicht unnötig aufzuhalten, leitete daraus ein Ende der Beräucherung ab und machte dem wachhabenden Offizier eine Meldung. Dieser informierte den Post­inspektor, was Schoultz verstimmte, „da Er sich doch leicht vorstellen können, daß in einer Sache von importance wie diese Ich keine veranstaltung machen würde, ohne vorhero mit dem Königl. hohen Tribunal zu communiciren“.294 Eine Verantwortlichkeit des Rates wird nicht erwähnt. Folglich blieben die Ratsherren bei diesen für die Sicherheit der Stadt entscheidenden Fragen außen vor und nur das Tribunal konnte verbindliche Richtlinien der Seuchenabwehr vorgeben. Wie in den anderen Seestädten zeigt sich, dass die Kontrolle über die Post ein ausgeprägtes Merkmal für die Machtposition der jeweiligen Institution war. In Wismar besaß das Tribunal diese Position, in Rostock der Herzog und in Pommern die Stettiner Regierung. Der Lübsche Rat hatte diese Art des Kompetenzstreits innerhalb der Stadt nicht zu befürchten, war aber gleichfalls auf ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Nachbarn angewiesen, die der lüb­schen Post die Einfahrt in ihr Territorium verweigern konnten. Die Behandlung verdächtiger Briefe in den Seestädten zog sogar das Interesse des kaiserlichen Hofes an. Resident Graf von Schönborn verlangte 293  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Schreiben des Tribunalstrabanten Ligner (R, 14.07.1711). Ligners Aufgabe war das Räuchern aller Schriftstücke, wie es in einer eigenen Ordnung festgelegt war. Er musste das Felleisen der Postillione „mit einem durch Eßig gewässerten Schwamm starck abwischen“, die Briefe der Reisenden und der fahrenden Post abfordern, aus dem Beutel nehmen und mit einem Pulver, das er aus der Apotheke bekommen und mit kleingeschnittenen Luntern vermischt hatte, „so starck, alß müglich, räuchern“. Weiterhin war er dafür verantwortlich, alle Akten und Schriften abzufordern. Jedes Stück war einzeln zu beräuchern „und die blätter, so viel müglich, aus ein ander breyten, daß der rauch woll einziehen könne“. Erst danach durfte er alles wieder zusammenlegen, wobei ihm ausdrücklich die Kontrolle der Vollständigkeit befohlen wurde. Zum Beweis und Abschluss seiner Tätigkeit hatte er die Schreiben „mit dem dahin verordneten Pitschafft hinwieder [zu] versiegeln“. Ebd., Verordnung des königlich schwedischen Tribunals (E, vermutlich Mitte 09.1710). 294  Ebd., Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an königlich schwedisches Tribunal (R, 13.07.1711) und 87 (R, 14.07.1711).



II. Aufrechterhaltung und Aufhebung des Postverkehrs 281

im November 1710 „auf heut erhaltenen Kayl. allergnedigsten Special-befehl“ vom Lübschen Rat eine detaillierte Auskunft darüber, „ob und was dieselbe in ihrer Stadt und in der Ostsee liegenden hafen zu Travemünde, […] der brief und correspondenzien halber für Vorsehung gethan haben“.295 Eine Woche später teilte der Lübsche Rat mit, dass kein Brief mehr angenommen werde, der nicht vorher beräuchert und durch Essig ge­zogen würde. Hierfür sei es unerheblich, ob die Schreiben per Post oder mittels Schiff angekommen waren.296 Die Auswirkungen dieses und eines zwei Jahre später folgenden Berichts sind nicht über­liefert und so bleibt unklar, ob es sich um eine einfache Anfrage handelte oder ob man in Wien eine reichsweite Vereinheitlichung der Pestmaßnahmen beab­ sichtigte.297 Der Bericht zeigt aber auch, dass selbst wenn die Post aufgehoben war, trotzdem weiter­ hin Briefe angenommen wurden. Die Sicherheitsmaßnahmen schrieben in diesem Fall eine vorherige Reinigung vor, aber grundsätzlich blieb ein Briefkontakt für Obrigkeiten und Private möglich. Übrigens waren die Lübecker etwas ungenau in ihrem Schreiben an Schönborn gewesen. Die Ordnung vom 21. November 1710 legte fest, dass nur die Briefe aus infizierten Orten durch Essig zu ziehen waren. Im Umgang mit anderen Briefen sollten die Bürgern zwar behutsam sein und die Schrei­ben, „wo sie nicht mit der Post ankommen / selbst ausräuchern“, doch wurde diese Arbeit nicht von städtischen Bedienten übernommen und in die Ver­ant­wortung der Pri295  AHL: ASA, Interna, Pest 5  /  2, Graf Schönborn an Lübschen Rat (R, 26.11.1710). Vgl. ASA, Interna, Residenten, Kaiserliche Resi­denten beim Niedersächsischen Kreis 2, 8. Bittner / Groß, S. 143. Damian Hugo Graf von Schönborn, Bruder des damaligen Reichsvizekanzlers, war seit 1707 kaiserlicher Gesandter beim Niedersächsischen Kreis und vermittelte den 1712 Hamburger Haupt­rezess. Für seine diplomatischen Verdienste wurde Schönborn durch Fürsprache Kaiser Leopolds I. 1713 zum Kardinal ernannt. Müller (1976), S. 193, 200 und 271. Zur Stellung der Resi­ denten an den Höfen vgl. Meienberger, Peter: Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn als kaiser­licher Resident in Konstantinopel in den Jahren 1629–1643. Ein Beitrag zur Geschichte der diplo­ ma­ tischen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei in der ersten Hälfte des 17. Jahr­hunderts (Geist und Werk der Zeiten 37), Bern / Frankfurt am Main 1973 und Gehling, Theo: Ein euro­pä­ischer Diplomat am Kaiserhof in Wien. François de Pesme, Seigneur de Saint-Saphorin, als englischer Resi­dent am Wiener Hof 1718–1727 (Bonner Historische Forschungen 25), Bonn 1964. Einen regel­rechten Propagandakrieg, der die Bedeutsamkeit eines Residenten zeigt, führte der russische Resi­ dent Böttiger in Hamburg. Fundaminski, Michail I.: Resident Johann Friedrich Böttiger und die russi­sche Propaganda in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Donnert, Erich (Hrsg.): Eu­ro­pa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 3, Weimar (u. a.) 1997, S. 47–60. Vgl. AHL: Altes Senatsarchiv Externa, Ruthenica, 98. 296  AHL: ASA, Interna, Pest 5  /  2, Lübscher Rat an Graf Schönborn (E, 04.12.1710). 297  AHL: ASA, Interna Pest 8 / 2, Kaiser Karl VI. an Lübschen Rat (R, 16.03.1712) und Lübscher Rat an Kaiser Karl VI. (E, 01.04.1712).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

vatpersonen gegeben.298 Dieses Zeichen von Vertrauen und geringer Sorge ver­heimlichte der Rat, um nicht in den Verdacht von Fahrlässigkeit zu geraten und Lübeck selbst verdächtig werden zu lassen. Wie selbstverständlich und wichtig zu­mindest für die Autoritäten ein ununterbrochener Briefkontakt war, belegt ein Schrei­ben des schwedischen Gesandten Lilienstedt. Er reagierte mit Unver­ ständ­ nis auf die Anordnungen Herzog Friedrich Wilhelms, den Postverkehr mit Pommern während der Hochzeit der Stralsunder Pest komplett einzustellen. Bei ent­ sprechender Vorsicht sei nicht das Geringste zu befürchten, „wie aus der pratique voriger Zeiten, da auch bey grassirter formellen Pest-Seuche die Brieff=Posten aller Orten fortgegangen, sattsam erhellete.“299 Die Beeinträchtigung der Post wegen der Pestgefahr ist für 1712 und 1713 nur noch sporadisch nachweisbar. Zwar informierte der Lübsche Rat das Tribunal im August 1713, dass er den täglichen Postverkehr mit Hamburg wegen der dortigen Seuche ausgesetzt hatte, doch war mit der Post nur die fahrende Verbindung gemeint, denn die Briefe der reitenden Post wurden weiterhin nach vorheriger Räucherung ange­nommen.300 Während sich die Lübecker ihrer Sorgfalt rühmten, sorgte in Wismar die Ankunft von „allerley Packen“ aus Hamburg für Aufregung, denn „dadurch [war] die gantze Stadt in höchste gefahr gesetzet“.301 Zur Verhinderung künftiger Pakete „mit der Post oder sonst durch andere gelegenheit“ wies das Tribunal den Rat an, künftig alle Hamburger Pakete vor den Toren zu verbrennen und die Überbringer hart zu bestrafen.302 Im Brief an das Tribunal hatten die Lübecker erklärt, mit der Regierung in Ratzeburg „die nöthige Anstalten zu concertiren“, sich also abzustimmen.303 Gegen­über Rostock, das Mitte September ein ähnliches Schreiben erhielt, waren die Ratsherren offener und gaben zu, die Sperre Hamburgs „auf hohes Veranlaßen“ des Kurfürsten 298  AHL:

1710).

ASA, Interna, Pest 3 / 1, Verordnung des Lübschen Rates (D, 21.11.

299  LHAS: 2.11-2  /  1, Nr. 1205  /  4282, S. 112–114, Legationssekretär Fecht an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (R, 08.11.1710). 300  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Lübscher Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 23.08.1713). Ähnlich war es auch während der Pest in Pommern. Aus einem Schreiben des Schorn­steinfegers Nortmann erfährt man, dass er wegen der Seuche nicht einreisen durfte und deswegen per Brief mit der Mutter seiner Braut korres­pon­diert habe. STAS: Rep. 16, 916, Johan Nortmann an Stralsunder Rat (R, 22.10.1712). 301  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 27.10.1713). 302  Ebd. Ein Schreiben, in dem der Hamburger Rat um Beachtung dieser Vorschrift gebeten wurde, ist nicht nachzuweisen. 303  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Lübscher Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 23.08.1713).



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 283

und der Regierung getan zu haben, womit deutlich wurde, dass ein fürst­ licher Wunsch bzw. Befehl ausgeführt worden war.304 Die häufige Erwähnung der Post in den Schreiben zeigt, dass dem Thema eine große Bedeutung beigemessen wurde. Die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Korrespondenznetzes war von besonderer Wichtigkeit, denn Bürger wie Stadtobere blieben so mit der Außenwelt in Kontakt und konnten auf gefährliche Veränderungen reagieren. Eine eingeschränkte oder gar aufgehobene Postverbindung galt im Aus­land als sicheres Zeichen einer Pestinfektion, die mit Absperrungen des Handels be­ant­wortet wurden. Während die Obrigkeiten den Informationsaustausch über Reiter durchgehend gewährleisteten, musste die restliche Bevölkerung Einschnitte in ihrer Informationsfreiheit hinnehmen. Die Fähigkeit, umfassend und zeitnah informiert zu sein und schnell mit anderen in Kontakt treten zu können, war Merkmal einer funktio­ nierenden Herrschaft und häufiger Streitpunkt zwischen der Landesherrschaft und den Stadträten. Letzteren gelang es nicht, sich gegen die Territorialgewalt durch­zu­setzen und das Postmonopol zu durchbrechen.

III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche Die Witterung und der Einfluss bestimmter Klimaaspekte erfuhren in den Korrespon­denzen der Obrigkeiten und Privatpersonen wie auch in öffentliche An­schlägen und Reisepässen eine besondere Aufmerksamkeit und waren wiederholt Gegen­stand der Kommunikation. Die Angaben zum Wetter häufen sich in den Quellen auffallend in der zweiten Jahreshälfte der Jahre 1709 und 1710 bis zum Früh­ jahr der Jahre 1710 bzw. 1711 sowie zum Ende des Untersuchungszeitraumes. Eine weitere kleinere Anhebung erfuhr das Thema von Sommer 1711 bis Anfang 1712. Die Behandlung dieses Kommunikations­ gegenstands folgt damit der allgemeinen Korrespondenz­ dichte zwischen der Epidemie in Danzig (Sommer 1709) und dem Ende der Seuche in Pommern (Frühjahr 1711) sowie dem Ausbruch in Holstein, wobei auch hier in der Zeit zwischen Hochsommer und der Frostperiode im Winter die meisten Nachrichten weitergegeben wurden. Es ging folglich der allgemeine Informations­austausch über die Pest häufig mit Berichten über Wetterphänomene einher. Bedingt durch die rege Korrespondenz in Zu­ sammen­hang mit der Pest in Pommern und Holstein ist die Wetterüberliefe­ rung aus Stralsund und Lübeck am dichtesten.305 304  AHR:

1.1.3.15 – 160, Lübscher Rat an Rostocker Rat (R, 13.09.1713). eindrücklich ist das Tagebuch des Klosterschreibers Jürgen Drews. Er schilderte darin unter anderem ausgewählte Wetterereignisse, denen er einen denkwürdigen Charakter zuschrieb. STAS: HS 384. Einen fundierten Einblick über 305  Besonders



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 285

Die meisten Informationen wurden durch die Obrigkeiten in Form von Berichten ört­licher Amtsträger gewonnen. Daneben spielten die Beschwerden von Reisenden, die mittels Verhören und Befragungen erlangten Informationen und die aus dem Wortlaut von Reisepässen gewonnenen Angaben eine Rolle. Es gibt weder Hinweise noch Belege, dass eine zielgerichtete Nachfrage nach dem Wetter an anderen Orten statt­fand. Dies blieb stets ein Nebenprodukt anderer Themen. Folglich bezog sich ein Groß­teil der Wetterangaben auf die eigene Stadt und deren unmittelbare Umgebung. Diese Informationen waren zugleich die ausführlichsten. Je weiter der Ort des Ge­schehens entfernt war, desto ungenauer waren die Angaben. Meist waren sie durch die Reisedauer zur Ankunftszeit beim Adressaten nicht mehr aktuell und somit von wenig Interesse. Die Berichtshierarchie bei Wetterangaben war einseitig. Das be­deutet, dass Bürger und Einwohner nicht durch die Autoritäten über anderswo auf­ tretende Witterungen in Kenntnis gesetzt wurden. Sie empfingen nur die aus­ge­wertete Information, wenn die Obrigkeiten ein Gebiet als verdächtig oder unver­däch­tig einstuften. Zahlenmäßig geringer als die Aussagen vor Ort waren die An­gaben anderer Stadträte und Regierungen. Der Anteil der Zeitungen an der Informations­gewinnung kann anhand der Pestakten nicht ermittelt werden. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte zu Verbreitung und Rezeption.  Eine Bewertung bestimmter Klimafaktoren fand im Allgemeinen zwar statt, wurde aber in den meisten Fällen nicht explizit auf die Pest bezogen. Vielmehr galten einige Erscheinungen als allgemein krankheitsfördernd oder -hemmend. Die häufigsten Er­wähnungen bezogen sich auf Kälte, Wärme, Feuchte und die generelle Beschaffen­heit der Luft. Oft ist eine unterschiedliche Bedeutungszuweisung feststellbar, die maß­geblich auf die jeweilige Intention der Kommunikationspartner zurückzuführen ist. Von Seiten der Stadträte, Ärzte und Kaufleute wurde mehrfach betont, wie nütz­lich der Wintereinbruch sei, da die Krankheiten dadurch aufhörten, Waren in der Kälte gereinigt würden und durch die ruhende Schifffahrt keine Verbreitung der Seuche zu befürchten sei. Dieser positiven Wertung steht die eindeutig negative Sicht derjenigen gegenüber, die von dieser Witterung direkt betroffen waren. Schiffer und Reisende, die bei ihren Waren Quarantäne halten mussten, litten in der Winter­kälte und bemühten sich, dem für sie schäd­ lichen Frost und Eis schnellstmöglich zu ent­kommen.

den Einfluss des Wetters auf historische Entwicklungen geben: Schönwiese, Chris­ tian-Dietrich: Klimatologie, 3., wesentlich verb. und aktualisierte Auf­lage, Stuttgart 2008, S. 280–333 und Lamb, H. H.: Klima und Kulturgeschichte. Der Einfluß des Wetters auf den Gang der Geschichte. Aus dem Englischen von Elke Linnepe und Elke Smolan-Härle, Reinbek 1994.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Zum Beispiel wandte sich im November und Dezember 1710 die in Greifswald woh­nende Witwe Trittelvitz wiederholt an den Rat und beschäftigte das Gremium meh­rere Wochen lang.306 Zum einen wollte sie die Erlaubnis zum Einlass ihrer in Quaran­täne befindlichen Söhne in die Stadt bekommen und zum anderen in den Besitz ihrer auf demselben Schiff befindlichen Waren gelangen. Diese seien, so ihre Begründung, „theils von der Kälte des Waßers, theils durch die Lufft und den Wind  / : falß etwas böses sich darin verborgen gehabt haben solte, so Ich doch nicht glaube : / gereiniget“.307 Das Motiv der reinigenden Kälte findet sich mehrfach in den Quel­len. Ihren Söhnen hingegen sei die Kälte abträglich, denn ihr Ältester hatte „in der Kälte auf dem Schiffe liegen, und fast seine gesundheit dabey zusetzen müßen“.308 Die übrigen mit der Besatzung in Wieck einquartierten Söhne würden, „weil eß des Nachts sehr kalt, […] endlich crepiren“.309 In dieser Art beklagten sich auch in den anderen untersuchten Städten verschiedene Schiffer, Reisende und in Stralsund sogar die Torschreiber, die ihren Dienst im Freien zu verrichten hatten.310 In den Verhandlungen zwischen Stettiner Regierung und dem Stralsunder Garnisonskommandanten Schoultz wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass Kälte den Soldaten schade und etwa die Wirkung bereits verab­reichter schweißtreibender Medikamente verhinderte. Andererseits empfahl Schoultz zur Vermeidung einer Ansteckung, gefährliche Güter „mit Kalter handt“ anzufassen, wobei „die handt vorher ins Kalte waßer“ zu tauchen war.311 Das scheinbar Para­doxe war nun, dass Kälte den Menschen offenkundig schadete, der Pest aber ebenso bei geringen Temperaturen am besten begegnet werden konnte, weil 306  STAG: Rep. 5, 10626, Ratsschlüsse (R, 03.11.1710, 05.11.1710, 06.11.1710, 24.11.1710, 01.12.1710, 09.12.1710), Protokolle des Greifswalder Collegium Sanitatis (P, 04.11.1710 und 05.11.1710), Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 04.11.1710, 26.11.1710, 02.12.1710, 08.12.1710, 16.12.1710), schwedisch pommersche Regierung an Greifswalder Rat (R, 21.11.1710), Dr. Luther an schwedisch pommersche Regierung (R, 09.11.1710), Claus Raddas an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710), Rep. 3, 150, 1710, Ratssitzung vom 03.11.1710, Punkt 7. Siehe Kap. C. II.5. 307  STAG: Rep. 5, 10626, Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710). 308  Ebd., Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 08.12.1710). 309  Ebd., Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 26.11.1710). 310  Z. B.: STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Hans Kohl / Kahl an königlich schwedisches Tribunal (R, 30.01.1711). AHR: 1.1.3.15 – 160, Martin Eggers, Jochim Gladerauw, Jochen Lahbahn und Hanß Pust an Rostocker Rat (R, 16.01.1711). STAS: Rep. 35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 06.09.1709), Pfundkammerherren an Stralsunder Rat (E, 25.01.1710) und Claus Schwartz an Stralsunder Rat (R, 14.01.1711). 311  STAS: Rep. 13, 1862, Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 01.09.1710).



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 287

sie ihre Wirkung dann nicht entfalten konnte. Die Kälte bewirkte kein direktes Auftreten der Pest, ließ die Bevölkerung aber generell krankheitsanfälliger werden. Diese Auffas­sung wurde nicht überall geteilt. Der Danziger Rat erklärte gegenüber Lübeck im Juli 1709, dass „der harte Frost des nordischen Winters“ für die Pest in der Stadt mitver­ antwortlich sei.312 Daneben seien der „erlittene Kummer“, die Inflation und „im gleichen die gegenwärtige Witterung“ am Elend schuld.313 In Stralsund beurteilten zwei Schiffer den Winter 1710 / 1711 in ähnlicher Weise und hielten den Frost selbst für pestförderlich („die kälte so selbst ein Gifft der Pest“).314 Sie versuchten deutlich zu machen, dass erst ihre Quarantäne unter den gegebenen Umständen eine schwere Krankheit aus­lösen konnte, um mit dieser Begründung ein Ende ihrer Qua­rantäne zu erreichen. Die Stralsunder Stadtärzte erklärten in einer Reinigungsempfehlung für infizierte Häuser, dass „Hauser aber sogantz ausgestorben werdn mit weniger Gefahr zu Winters Zeit, da die kälte die malignität [Bösartigkeit] ver zehren hilfft, gereiniget“.315 Dieser Maxime folgend verfügte das Stralsunder Collegium Sanitatis im Dezember 1710, „daß keine inficirte oder verschloßene Häuser, ohne alß im kältesten Winter, solten geöffnet werden.“316 Auch im kommenden Jahr gab es ähnliche Verordnun­ gen, denenzufolge alle Reinigungsmaßnahmen bis zum Frost zu verschieben waren.317 Genau diese Kälte führte bald darauf jedoch ein Bürger als Grund dafür an, dass er ein infiziertes Haus nicht vollständig reinigen könne.318 Eine Einschätzung über mildes Winterwetter findet sich nur an einer Stelle. Die Rostocker Ratsherren konstatierten im Januar 1710, es sei bemerkenswert, dass trotz des „ungewohnlich gelinden Winter Wetter[s]“ bislang keine Seuche entstanden war.319 Ihnen galt ein warmer Winter prinzipiell als krankheitsfördernd. Die Quellen zeigen also, dass es keine einheitliche Bewertung des Faktors Kälte gab. Wie die Entstehung und Über312  AHL: 313  Ebd.

ASA, Interna, Pest 4 / 1, Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 31.07.1709).

314  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Johann Rudolph Eckhard und Jochim Mau an königlich schwedisches Tribunal (R, wohl 03.02.1711). 315  STAS: Rep. 14, 85, Stralsunder Ärzte an Stralsunder Rat (R, vermutlich Anfang 12.1710). 316  Ebd., Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 02.12.1710). 317  STAS: Rep. 14, 83, Ratsprotokollauszug (R, 04.11.1711): „E. E. Raht hält gantz nicht gerahten daß bey jetziger Jahrs Zeit diese undt dergleichen sachen gerühret, weniger gereiniget werden undt wirdt vielmehr daß letztere weil der Winter herannahet biß zur Frost Zeit verschieben“. 318  STAS: Rep. 3, 5340, Schreiben (P, 11.03.1711). 319  AHR: 1.1.3.15 – 159, Rostocker Rat an Lübschen Rat (E, 01.1710). AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, Rostocker Rat an Lübschen Rat (R, 15.01.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

tragbarkeit von Krankheiten in der Zeit ein noch unent­schiede­ner Streit war, so war auch die Beurteilung von Frost und Eis von den je­weiligen Interessen und Ansichten abhängig. Während im Winter die Schifffahrt und der Handel pausierten und auch die Natur bei Frost und Schnee ruhte, wurde die Ausbreitung von Seuchen durch aufsteigende Dämpfe ab dem Frühjahr befürchtet. Im Stralsunder Rat wurde im Februar 1711 be­schlossen, die Gräber noch im Winter mit einer dicken Erdschicht zu bedecken, „damit gegen daß früh Jahr die besorgende außdämpfung kein mehrers unheil verursachen möge“.320 Die gleiche Intention lag einer Anweisung des Tribunals vom Juli 1712 zugrunde, in welcher es den Wismarer Rat zu ermahnte, „das bey diesen heißen tagen der unflath von den gaßen wegkäme“.321 Unabhängig von den Jahreszeiten galten feuchte Milieus als gesundheitsschädigend. Es finden sich wiederholt Eingaben bezüglich ungesunder Kellerwohnungen in Stral­ sund, sowie neu erbauter Häuser in Rostock.322 Durch Regen konnte zudem Erde weggespült werden, wodurch insbesondere bei unsachgemäßen Beerdigungen „der gestanck so vil mehr sich in der luft vertheilen wird“.323 Hier muss berücksichtigt wer­den, dass übelriechenden Dämpfen eine krankmachende Wirkung zugeschrieben wurde. Nicht nur in der innerstädtischen, auch in der obrigkeitlichen Korrespondenz findet sich die Feststellung, dass Feuchtigkeit generell krankheitsfördernd war. So betonten zum Beispiel die Königsberger Ratsherren in einem Schreiben an den Lübschen Rat ausdrücklich, dass bei ihnen keine „starke Nebel, oder dicke Wolcken“ wären und der Karlskronaer Magistrat verband die Pest 1710 mit den „in selbiger Zeit entstehenden extraordinairen Nassen und Gelinden Wetter“, durch welches „mehr dann sonst, auch in ordinair Kranckheiten mit Tode sind abgangen“.324 Der Sommer spielte in der Korrespondenz eine untergeordnete Rolle und so fehlt es an Bewertungen dieser Jahreszeit. Der in dieser Zeit am intensivsten betriebene Wa­ren­austausch und die damit einhergehende potentielle 320  STAS:

Rep. 9, 430, Ratsprotokollauszug (R, 23.02.1711). Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 30.07.1712). 322  AHR: 1.1.3.15 – 133, Verwalter Neuer Kasse an Rostocker Rat (R, 09.11.1711). STAS: Rep. 13, 1861, Schreiben des Stadtkommandanten Schoultz von Ascheraden (K, wohl Mitte 09.1710 und R, 19.09.1710). Der Flensburger Rat führte den Tod mehrerer Personen in der Stadt ebenfalls auf deren Wohnen in einem Neubau, „woran die Maurleüte noch arbeitn“, zurück. (AHL: ASA, Interna, Pest 7, Flensburger Rat an Lübschen Rat (R, 26.08.1711). 323  AHR: 1.1.3.15 – 160, Prof. Dr. Detharding an Rostocker Rat (R, 18.09.1711). 324  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Königsberger Rat an Lübschen Rat (R, 08.10.1709) und 6 / 4, Karlskronaer Rat an Lübschen Rat (R / K, 14.01.1711). 321  STAW:



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 289

Seuchenverbreitung wurden zudem nicht mit dem Sommer als solchem in Verbindung gebracht. Als Gegen­ über­ stellung zum pesthemmenden Winter hätte der Sommer die Hochzeit der Pest­verbreitung sein können, doch blieb diese zweifelhafte Ehre in der Wahr­nehmung den beiden anderen Jahreszeiten vorbehalten, wenn Feuchtigkeit das Geschehen dominierte und es deswegen nicht möglich war, verdächtige Handels­waren an der frischen Luft auszubreiten und mittels des so genannten Auswitterns zu reinigen. In den Akten finden sich zwei floskelartige Behauptungen immer wieder. Zum einen die Aussage, es stürben in der betreffenden Stadt oder Region weniger Menschen als zur gegenwärtigen Jahreszeit üblich. Diese allgemeine und nur in zwei Fällen mit absoluten Zahlen untermauerte Behauptung der Obrigkeiten setzte beim Adressaten das Wissen voraus, dass die Menschen während der einzelnen Jahreszeiten in unter­schiedlichem Maße starben und die Wahrscheinlichkeit zu sterben, bei be­stimmten Wettern höher oder niedriger ausfiel. Charakteristisch für die Aussage ist der Umstand, dass sie nur innerhalb des obrigkeitlichen Verkehrs Verwendung fand. Eine öffentliche Bewertung der Totenzahlen durch Anschläge, Kanzelverlesungen oder standardisierte Texte in Passformularen unterblieb in den nicht infizierten See­städten und auch im direkt betroffenen Stralsund unterließen Rat und Collegium Sanitatis diese Maßnahme. Eine Veröffentlichung von Totenzahlen wie in Hamburg oder Danzig fand nicht statt.325 In der Regel behielten die Obrigkeiten die ihnen zugetragenen Zahlen für sich. Keine der fünf Seestädte schritt während der fünf untersuchten Jahre zu diesem Mittel. Bei der Weitergabe von Statistiken an andere Räte oder Regierungen blieben die Obrigkeiten ebenfalls sehr sparsam. Lediglich für Danzig und Wolgast gibt es Gegen­belege. Der Danziger Rat gab im November 1710 an, dass gegenwärtig 35 Menschen je Woche stürben, doch wieviel es gewöhnlich waren, verriet er nicht.326 Die Greifswalder Ratsherren erfuhren zur gleichen Zeit aus Wolgast, dass dort innerhalb von drei Monaten etwa 30 Personen gestorben seien.327 Wie in Danzig sollte die Zahlenangabe die Gesundheit der Stadt und eine sogar geringere 325  Wohlwill, S.  357 f. Boyens, S.  304 f. Kanold. Gohl. Stöckl. N. N. Die Totenzahlen aus Danzig wurden in der Stadt jede Woche veröffentlicht und nach Ende der Seuche 1710 in mehreren Veröffentlichungen abgedruckt. In Hamburg entschloss sich das Sanitätskollegium von 1713 bis 1714 zu einer wöchentlichen Veröffent­ lichung in den Hamburger Zeitungen, um den kontinuierlichen Rückgang verdächtiger Sterbefälle zu belegen. Allerdings erfolgte dieser Schritt erst als die Seuche nicht mehr zu verheimlichen war und nachdem dänische Truppen die Stadt eingeschlossen hatten. 326  AHL: ASA, Interna, Pest 5 / 2, Danziger Rat an Lübschen Rat (R, 14.11.1710) und Lübscher Rat an Danziger Rat (E, 22.11.1710). 327  STAG: Rep. 5, 10626, Wolgaster Rat an Greifswalder Rat (R, 29.11.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Sterblichkeit als üblich demonstrieren, doch fehlt gleichsam eine Angabe zur Normal­sterblichkeit. Hiermit in engem Zusammenhang steht die zweite Floskel. Sie besagt, dass in der Stadt eine reine und gesunde Luft herrsche, es folglich keine Grundlage für die Ent­stehung und Verbreitung von Krankheiten gebe. Die Aussage findet sich vornehmlich in der obrigkeitlichen Korrespondenz, wird in gleicher Weise aber auch bei Be­fragun­gen der Reisenden angegeben und im innerrätlichen Austausch übernommen. Der erste Hinweis auf diese Form der Beruhigung findet sich in Stralsund. Eine Torwache ließ im Januar 1708 ein Gespann aus Wittstock nicht in die Stadt. Obwohl der Fuhrmann keine Gesundheitspässe vorweisen konnte, entschied der Rat, dass die Mark Brandenburg „mit gesunder Lufft begnädiget“ und damit unverdächtig sei und ließ den Fuhrmann passieren.328 Die an dieser Stelle entwe­der aus einer Befragung des Fuhrmannes oder anderweitiger Kunde gewon­nene Erkenntnis findet sich in dieser Weise noch vielfach in den Quellen und war eines der wichtigsten Kriterien für die Unverdächtigkeit einer Region. Aus diesem Grund wurde die Qualität der Luft auf vielen Pässen vermerkt. In der Regel gehörten die Angaben zur Luft zum vorgedruckten Teil des Passes und nur die individuellen Angaben zu den Personen (Name, Aussehen, Reiseroute) wurden handschriftlich vermerkt. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Benutzung des Schriftstückes an­dere Wetterbedingungen geherrscht haben können, da die Pässe in großer Stück­zahl vorgefertigt wurden und folglich der Pass nicht mehr mit den gegenwärtigen Be­dingungen übereinstimmte.329 Die Aussagekraft der Papiere hin­sichtlich der Luftquali­tät ist demzufolge marginal. Während die Aussagen zur gesunden Luft auch von privaten Schreibern angegeben werden (Schiffer, Kaufleute), blieb es den Obrigkeiten und den von ihnen abhängigen Spezialisten (Geistlichkeit, Ärzte) vorbehalten, zu den Sterbezahlen Auskunft zu er­teilen.330 Dieser Umstand dürfte auf dem Informationsvorteil beruhen, den Räte und Regierungen hatten.  Willkommenes Nebenprodukt der meisten Ausführungen ist eine grobe Nach­ zeich­ nung der klimatischen Entwicklungen im Untersuchungsgebiet. 328  STAS: Rep. 14, 85, Ratsprotokollauszug (P, 31.01.1708): „Weil man noch zur Zur Zeit, Gott Lob nicht anders weiß, als daß die Marckesche und Brandenburgische Lande und insonderheit auch Wittstock von wannen diese Laaken sollen geholet seyn, annoch mit gesunder Lufft begnädiget seyn, so findet E. E. Raht nicht rahtsahm, auch nicht nötig denen bey diesen Fahren interessirenden Laken Händlern einige Difficultät Zu machen“. 329  In Greifswald ist belegt, dass im August 1709 3.000 gedruckte Pässe zur Verfügung standen. Ein Rats­herr plädierte in der Diskussion für eine Vervierfachung dieser Anzahl, um einen ausreichenden Vorrat zur Verfügung zu haben. STAG: Rep. 5, 10626, Schreiben des Ratsherrn „D. J. S.“ (R, 28.08.1709). 330  Vgl. Kinzelbach, S. 244.



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 291

Die Angaben können als zuverlässig gelten, da die hauptsächlichen Zuträger örtliche Amtsträger (Hafen­vögte, Pestschreiber) und Schiffer waren, denen kein Interesse an bewussten Falsch­ aussagen unterstellt werden kann. Ihr Verhältnis zur Obrigkeit änderte sich nicht durch Angaben zu auswärtigem Wetter, so dass sie durch beschönigende oder dramatisierende Schilderungen nicht profitiert hätten. Auswärtige Obrigkeiten machten diese Angaben in der Regel nur, wenn es ihre Argumentation der eigenen Unver­dächtig­keit untermauerte. Das heißt, dass Wetter in Briefen erwähnt wurde, wenn da­ durch die eigene Stadt und ihre Waren gesünder erschienen. Tendenziell kann des­ halb von korrekten Angaben ausgegangen werden, wenngleich verständlicherweise nur die positiven Erscheinungen Erwähnung fanden und krankheitsfördernde Witte­rungen verschwiegen wurden. Die Überlieferung beginnt mit dem Schreiben eines Hamburger Arztes, der im Februar 1708 nach Stralsund von dem „gelinden Winter“ an der Elbe berichtete.331 Für die folgenden Monate liegen keine weiteren Angaben vor. Sehr viel ausführlicher werden die Berichte, ebenfalls aus Stralsund, für den Herbst 1708. Dort wurden ei­nige Ratsherren angewiesen, „bey dieser kalten herbst Zeit“, heizbare Unterkünfte für die Torschreiber zu organisieren.332 Die Aufzeichnungen von Klosterschreiber Drews bestätigen diese Meldung. Bereits Ende Oktober „fing der Winter so grausam an, mit schneien und frieren, welches man üm diese Zeit des Jahres sonst noch nicht gewohnet ist“.333 Eine Woche darauf erfolgte ein Wetterumschwung („ward es gleichsahm sommerwetter“) mit schwerem Sturm.334 Durch das Unwetter sanken meh­ rere Schiffe „und zum theil [gingen] Schiffer und andere Seefahrende leüte zu grunde“.335 Die Kälte kehrte jedoch bald wieder zurück und für die Woche vor Weih­nachten 1708 sowie den Februar 1709 kommentierte Drews, es sei „eine so grausahme Kalte gewesen, dz hir und anderswo viel Menschen v. viehe Tod gefrohren seyn.“336 Der gesamte Winter 1708 / 1709 war außerordentlich streng und Drewsens Schilderungen behalten ihre Dramatik: „[D]en ganzen January et Febr: Monaht wahr es eine so grimmige Kälte und harter Frost alß bey Menschen dencken kaum gewehsen, so gahr daß das Waßer in etzlichen Söhden, und wie ich mit augn gesehn, so hart Zugefrohrn, daß man solche mit großer mühe, kaum wieder öffnn können.“337 331  STAS: Rep. 14, 88, Dr. Johann Müller an Dr. Henry Stern (R, vermutlich Anfang 02.1708). 332  STAS: Rep. 14, 87, Ratsprotokollauszug (R, 17.10.1708). 333  STAS: HS 384, S. 123. 334  Ebd. 335  Ebd. 336  Ebd. 337  Ebd., S. 125.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

In ähnlicher Weise wird aus Greifswald berichtet: „Im übrigen ist der scheußliche und sehr harte Winter dieses Jahres nicht zu verschweigen, sondern scheint mir [Prof. Christoph Helwig] hier durchaus erwähnenswert werden zu sollen, daß er nämlich ein Viertel des Jahres, von Weihnachten bis Ostern, unverändert und mit großer Gewalt in ununterbrochenem heftigstem Frost gegen Tiere und Pflanzen wütete.“338

Von den gleichen Wetterverhältnissen erfuhren die Leser des Hamburgischen Relati­ons-Couriers, der die Nachricht, dass sich die Seuche um Danzig „gantz stille“ ver­hielt, kommentierte. „[O]b aber die nun bey 15 Tage her anhaltende strenge Kälte […] diesem Pest=Ubeln steuern / und folglich das Negotium [der Handel] bessern wird / müssen wir von Gott hoffen.“339 Ähnlich klingt es bei Protonotar Balthasar Johann Eggerdes in Rostock, der Anfang Februar in den Ratsprotokollen konstatiert, dass die Amtsgeschäfte „bey diesem harten frost“ vollzogen wurden.340 Handel und Wan­del – und somit auch die Verbreitung der Pest – mussten auf milderes Wetter warten. 338  Geschichte der Medizinischen Fakultät Greifswald. Geschichte der Medizinischen Fakultät von 1456 bis 1713 von Christoph Helwig d. J. und das Dekanatsbuch der Medizinischen Fakultät von 1714 bis 1823. Hg. und übers. von Hans Georg Thümmel (Beiträge zur Geschichte der Universität Greifs­wald 3), Stuttgart 2002, S.  190 f. 339  Hamburger Relations-Courier vom 15.01.1709 (Nr. 9). Vgl. Gralath, S.  269 f. Gralath be­ schreibt in seiner Geschichte Danzigs die Zeit folgendermaßen: „Eine äußerst durchdringende Kälte herrschte vom Anfang des folgenden Jahres bis zum 22sten Tage des Märzmonats [22.03.1709], und nur auf kurze Zwischenräume hat der scharfe Frost einigermaaßen abgenommen gehabt. Reisende und Landleute haben dadurch Krankheiten und verstümmelte Gliedmaßen bekommen. Viele Bäume und das Wintergetreyde in der Erde sind davon erfroren; die Fische in den Teichen und in der Weichsellake sind erstorben, auch große Wasservögel insonderheit eine menge wilder Enten sindt todt oder ermattet zur Erde gefallen. Nach Aussage der Schiffer ist die Ostsee neun Meilen weit von Danzig befroren gewesen, und allererst den 11ten May ist ein Englisches Schiff in den Danziger Hafen eingelaufen, mit der Nachricht, daß an hundert Schiffe im Sunde lägen, die des Eises wegen noch nicht fortkommen könnten. Nachdem aber der Frost nachgelaßen gehabt, so stellte sich die Pest mit ihrer ganzen Wucht in Danzig und den umliegenden Gegenden ein.“ 340  AHR: 1.1.3.2 – 110, Ratssitzung vom 08.02.1709, Punkt 8. Vgl. Erbe, Michael: Deutsche Geschichte 1713–1790. Dualismus und Aufgeklärter Absolutismus, Berlin / Köln / Mainz 1985, S. 29. Erbe bezeichnet den Winter 1708 / 09 als einen „Kälterekord“, welcher einen Höhe­ punkt der „Hunger- und Absatzkrisen […] in den meisten Teilen Europas 1708–1712“ darstellt. Lamb spricht ebenso davon, dass dieser Winter „außergewöhnlich streng“ gewesen sei, während der Anfang des 18. Jahrhunderts in Europa generell von einer leichten Erwärmung gekennzeichnet ist (Lamb, S. 268. Górska (2010), S. 85). Für die Jahre 1708 bis 1710 konstatierte auch Abel mehr­ heitlich schlechte Ernten, die europaweit zu Hungersnöten führten. Abel, Wilhelm: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, 3., neubearb. und



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 293

In Stralsund gab es um Ostern 1709 noch einmal unerwarteten Frost mit Schneefall, durch welchen ein großes Viehsterben ausgelöst wurde. Für Drews waren die Wetter­ erscheinungen Vorboten für spätere Ereignisse, wenn er schreibt: „waß es nach sich Ziehn wird, solches wird die zeit lehrn.“341 Ähnlich äußerte er sich zu den Ende August verstärkt fliegenden Kohlweißlingen, „waß ein solches für eine bedeütung nach sich Ziehn wird, soll, wo ich lebe, hirnegst gemeldet werden.“342 Dieses Versprechen blieb Drews jedoch schuldig. Trotzdem zeigt sein Kommentar, dass eine Beziehung zwischen beiden Wettererscheinungen und späteren Phäno­menen als sicher angenommen wurde, wobei Drews höchstwahrscheinlich nicht der einzige war, der diese Verknüpfungen sah. Wenige Tage vor Pfingsten stellte er sogar Hagel und Schnee fest.343 Nur aufgrund dieser Angabe könnte man verleitet sein, von einem durchgehend kalten Jahr zu sprechen, doch sind Drewsens Angaben nicht vollständig. Seine Intention war es nicht, alle meteorologischen Begebenheiten zu verzeichnen, sondern die Zufälle, die ihm aufschreibenswert erschienen. Schönes Wetter war dabei offensichtlich weniger interessant als schlechtes. Anfang September erreichten den wortführenden Bürger­ meister Stralsunds Klagen, denenzufolge die Torinspektoren ihren Dienst „wegen näße undt windt“ nicht ausüben könnten.344 In dieser Zeit werden auch in Rostock und Greifswald „das regnichte“ bzw. das „bestendig extra-ordinair naße wetter“ be­tont.345 Die Klagen der Inspektoren blieben offensichtlich erfolglos, denn im Januar 1710 be­ schwerten sich die Bürgerdeputierten erneut über die in der Winterkälte unzu­reichenden Quartiere.346 Anders beurteilte der Rostocker Rat die Witterung zu dieser Zeit in einem Schreiben an die Lübschen Ratsherren. Dort war von einem „unge­wöhnlich gelinden Winter Wetter“ die Rede.347 Objektiv betrachtet unterschied sich die in Stralsund erweiterte Auflage, Hamburg und Berlin 1978, S. 176 und 187. Vgl. dazu generell Abel, Wilhelm: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, 3. Auflage, Göttingen 1986. 341  STAS: HS 384, S. 123. 342  Ebd., S. 126. 343  Ebd., S.  125 f. 344  STAS: Rep. 35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 06.09.1709). 345  AHR: 1.1.3.15 – 158, Verhörprotokoll (P, 15.10.1709) und STAG: Rep. 5, 10626, Greifswalder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 05.12.1709). Ähnlich auch bei Schröder, S. 310: „1709 hat man auch in Wismar den harten Winter erlebet, der folgende Sommer ist nicht der wärmeste gewesen.“ 346  STAS: Rep. 35, 6, Pfundkammerherren an Stralsunder Rat (E, 25.01.1710). Vgl. Schröder, S. 712: „1710 ist ein zieml. harter Winter gewesen.“ 347  AHR: 1.1.3.15 – 159, Rostocker Rat an Lübschen Rat (E, 01.1710). AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 2, Rostocker Rat an Lübschen Rat (R, 15.01.1710).

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und Rostock herrschende Witterung vermutlich nur wenig, doch waren die Sichtweisen der in den Quellen berichtenden Parteien sehr unterschied­lich, so dass allein aufgrund der Schriftquellen heute keine gesicherten Aussagen hierzu mehr möglich sind. Die Inspektoren mussten sich mehrere Stunden täglich im Freien aufhalten und erlebten das Wetter unmittelbar, während die Rats­ herren aus der Sicher­ heit ihrer trockenen, womöglich geheizten, Stuben das Wetter bewerten konnten. Die Witterung im August 1710 wird in der Korrespondenz zwischen Stralsunder Rat, Kommandant Schoultz und der Stettiner Regierung mehrfach erwähnt.348 Die kalten und feuchten Nächte, so die Meinung der Regierung, verhinderten ein Kampieren der Garnison außerhalb der Stadt.349 Mit dieser Maßnahme sollte die Stralsunder Bürger­ schaft angesichts der Seuche entlastet werden, denn das enge Beisammen­sein von Soldaten und Zivilisten, Kranken wie Gesunden, war der Entstehung und Verbreitung von Krankheiten förderlich. Laut gegenteiliger Ansicht von Kommandant Schoultz wären jedoch noch bis in den Oktober hinein derartige Verlegungen möglich ge­wesen. Es muss in der Gegend um Stralsund also eher von einem milden und trockenen Wetter ausgegangen werden, denn der erfahrene Truppenführer war, wie seine vielfältigen Ausführungen an anderer Stelle belegen, zu sehr um das Wohl sei­ner Soldaten besorgt, um sie einer vermeidbaren Gefahr in ungünstiger Witterung aus­zu­setzen.350 348  STAS: Rep. 13, 1862, Ratsprotokollauszug (R, 02.09.1710), Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an schwedisch pommersche Regierung (K, 28.08.1710), schwedisch pommersche Regierung an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (K, 30.08.1710), Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 01.09.1710). Vgl. Rep. 14, 99, Schreiben des Stralsunder Collegium Sanitatis (R, 27.06.1711), des J. F. Köppen (R, 18.06.1711), Stralsunder Collegium Sanitatis an Stralsunder Rat (K, 20.06.1711), Rep. 13, 1862, Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 26.08.1710). 349  STAS: Rep. 13, 1862, schwedisch pommersche Regierung an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (K, 30.08.1710): „Waß derselbe [Kommandant Schoultz] wegen der in Stralsundt sich eräugenden Seuche undt zunehmung schleüniger Sterbfälle, so woll bey bürgern alß der Soldatesqve anhero zu berichten, […] solches haben Wir [die Regierung] ab unsers hochgeEhrtern Herren Barons undt General Majors eingelangten Schreiben vom 28 dieses mit mehren ersehen, undt geben darauff in antwort hiedurch zurück, daß so viel daß intendirte Campement betrifft wir dafür halten, solches woll sehr guht undt dienlich gewesen, seyn würde, wen es bereits längst undt ehe undt bevor daß krancken undt sterben in dortiger Stadt dergestalt, wie für augen ist zu genommen, undt bevor daß hebst wetter undt kalte Nächte eingefallen, hätte angestellet werden können, Nunmehr aber mögen wir auß dem Success des hiesigen Campements nicht anders schließen den daß anstalt der vermuhteten Conservation des Regiements ein größerer Abgang dadurch leicht verursachet werden möchte“. 350  Ebd., Ratsprotokollauszug (R, 02.09.1710), Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an schwedisch pommersche Regierung (K, 28.08.1710), schwedisch



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 295

Eine Temperaturabnahme zu Beginn des Oktobers führte in Stralsund zu Klagen des Militärs über die Kälte und zu Gesprächen mit dem Rat über zusätzliche Vergabe von Stroh und Holz.351 Über die Kälte und den Regen wurden auch in Rostock und Greifs­wald Beschwerden geführt, hier jedoch von Reisenden und Schiffern, die eine mehr­wöchige Quarantäne auszustehen hatten.352 Die Witterung führte nicht zu einer Ver­kürzung der Sperrzeit, wie aufgrund der obrigkeitlichen Bewertungen reinigender Kälte zu erwarten gewesen wäre. Das Zusammentreffen von normaler Wartezeit und der Winterkälte dürfte in den Augen der Verantwortlichen zumindest die Sicherheit erhöht und den Erfolg der Quarantäne gewährleistet haben. Die Zeit zwischen Weih­nachten 1710 und Ende Januar 1711 bezeichnet Drews als auffallend mild.353 Im Gegensatz dazu bemühte sich der Lübsche Rat gegenüber Königsberg, Danzig und dem Gesandten Hanses in Kopenhagen von Ende November bis Jahresende 1710, die herrschende Kälte als Grund für nicht durchführbare Quarantänemaßnahmen an­ zu­ geben, weil für verdächtige Personen keine angemessenen Quartiere bereit­stün­den.354 Auch im Wismarer Tribunal war man sich über die Bewertung des gegen­ wärtigen Wetters nicht einig. Während Assessor Chemnitz die „Kälte u. winde“ an­ führte, hielt in derselben Sitzung ein Kollege das Wetter für „gelinde“.355 Immerhin verzögerte „die schwäche des eyßes“, welche ein Betreten zeitweise nicht zuließ, die Be­fragung eines vor Wismar ankernden Schiffers.356 Hingegen waren sich vier Schif­fer einig, die vor Rostock in ihren Schiffen pommersche Regierung an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (K, 30.08.1710), Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 01.09.1710). Andererseits findet sich für die Region um Karlskrona in einem ­Schreiben an den Lübschen Rat ein Vermerk zum „extraordinairen Nassen und Gelinden Wetter“ im Herbst 1710, so dass kein ein­heit­liches Bild entsteht. AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 4, Karlskronaer Rat an Lübschen Rat (R / K, 14.01.1711). 351  STAS: Rep. 13, 1861, Ratsprotokollauszug (R, 03.10.1710). 352  AHR: 1.1.3.15 – 159, Adam Heynig (Heinig) an Rostocker Rat (R, 15.10.1710 und 17.10.1710), G. P. (?) Lilienström an Rostocker Rat (R, 20.10.1710). STAG: Rep. 5, 10626, Claus Raddas an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710), Ratsschlüsse (R, 09.12.1710), Witwe Trittelvitz an Greifswalder Rat (R, 02.12.1710 und 08.12.1710). 353  STAS: HS 384, S. 128. So auch Schröder, S. 310: „1710 & 11 war der Winter desto gelinder. An. 1710 war es um Weihnachten so warm wie sonsten um Michaelis [29.09.].“ 354  AHL: ASA, Interna, Pest 5  / 2, Lübscher Rat an Danziger und Königsberger Rat (E, 22.11.1710) und an Henning Dethloff von Hanses (E, 30.12.1710). 355  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 09.12.1710). 356  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Christian Zinck an Wismarer Rat (R, 31.01.1711), Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Wismarer Rat an königlich schwedisches Tribunal (R, 31.01.1711).

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Quarantäne halten mussten und dem Rat klagten, dass sie „fast von Kälte crepiren müßen“.357 Anfang Februar kam es zu außerordentlich starkem Schneefall und strengem Frost, so „daß nicht allein alle deiche, sondern das Wasser in der See Zu frohre“.358 In Rostock häuften sich die Berichte des Hafenvogtes, der die Leiden der in Quaran­ täne befindlichen Personen eindringlich beschrieb. „[D]ie see ist so weit zuge­froren daß, Man kein offen waßer sehen kan, Hiesiger Strohm [Warnow] ist ebenfalß dicht zu“.359 Das Eis trug auch Menschen, die sich auf dem Wasser zum Aalstechen trafen. Danckwertz’ Einschätzung nach war die Eisgefahr für die Schiffe seit seinem Dienstantritt 1702 nicht so groß gewesen. Auf der Grundlage dieser Berichte fassten die Rostocker Ratsherren einen ausführlichen Brief an den Schweriner Herzog ab und erklärten, dass die Schiffer teilweise an Land in beheizbare Unterkünfte ge­kom­men waren und zur Sicherheit die Schiffe gelöscht werden müssten.360 Die Kälte bestätigt auch das Schreiben eines Schiffers, der mit seiner Mannschaft auf der Stralsunder Reede liegen musste und fürchtete, dass sie „bey diesem Bestendig anhaltenden frost gar Crepiren und Kranck werden dürften“.361 Zudem ahnte er, dass seine Leute weglaufen würden, „weil Es so Hart gefroren ist, daß sie auch wie­der meinen Willen von dem Schiffe heimlich absteigen und Hin weg gehen kön­nen.“362 In ähnlicher Weise äußerte sich ein halbes Jahr später eine Stralsunder Bürgerin, welche „den Strengen Kalten vorigen winter durch“ städtische Pestschrei­ ber in ihrem Hause beherbergt hatte.363 Der Lübsche Rat bemühte sich erneut, mit dem „scharfe[n] winter“ gegenüber anderen Obrigkeiten zu erklären, dass die Qua­rantäne nicht un­ein­geschränkt ablaufen könne und fand sich durch den 357  AHR: 1.1.3.15 – 160, Martin Eggers, Jochim Gladerauw, Jochen Lahbahn und Hanß Pust an Rostocker Rat (R, 16.01.1711). 358  STAS: HS 384, S. 129. Dieterich Schröder (Schröder, S. 310) beschreibt diesen ersten Schneefall hingegen anders: „An. 1711. den 27 Jan. kam der erste Schnee in diesem gantzen Winter, doch auch nur wenig, man kunte dannenhero mitten im Winter in denen Gärten einige Blumen finden, […].“ 359  AHR: 1.1.3.15 – 160, Vogt Danckwertz an Bürgermeister Tielcke (R, 11.02.1711, 10.02.1711, 12.02.1711, 19.02.1711 und 15.02.1711). 360  Ebd., Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 25.02.1711). Es wird nicht genauer ausgeführt, doch dürfte damit gemeint sein, dass leere Schiffe mit wenig Tiefgang dem Druck des Eises in geringerem Maße ausgesetzt waren als gelöschte Schiffe, welche durch das Eis hochgedrückt werden konnten. 361  STAS: Rep. 35, 6, Claus Schwartz an Stralsunder Rat (R, 14.01.1711). 362  Ebd. 363  Ebd. und Schreiben der Witwe des Niclaus Spiern (R, wohl Mitte Februar 1711).



III. Vermuteter Einfluss des Wetters auf die Seuche 297

Rigaer Magistrat bestätigt, der seinerseits die „gewesene scharffe Kälte“ des Winters an­führte.364 Das Wismarer Tribunal und der Rat wurden durch verschiedene Schiffer mehrmals gebeten, ihnen „bey dieser penetranten Kälte“ die Einreise in die Stadt zu erlauben.365 Die Kälte hielt bis in den März 1711 an. Mitte des Monats versprach ein Stralsunder Bürger in einem Schreiben an den Rat, einige Aufgaben zu erledigen, „so bald es nur Gelinde wetter“ würden und der Rostocker Rat erwähnte, dass die Schifffahrt wegen der eisbedeckten Flüsse zum Erliegen gekommen sei.366 In Lübeck war man ge­ danklich bereits einen Schritt weiter und rechnete fest damit, dass der Winter irgend­ wann aufhörte. In mehreren Briefen an Städte in Kurland, Estland und Livland kün­digten die Ratsherren die Wiederaufnahme des Seehandels an.367 Dabei ist zu beden­ ken, dass die durchschnittliche Beförderungsdauer eines Briefes von Lübeck in diese Regionen vier Wochen beanspruchte. Die Schreiben werden erst angekommen sein, als in Lübeck bereits Frühling war und die Schifffahrt beginnen konnte. Ab Mai 1711 ist in den Stralsunder Akten von einer feststellbaren Wärme die Rede, bis der Rat Anfang Juni sogar von „diesen heißen Sommer Tagen“ spricht.368 Eine Supplik aus Rostock erwähnt, dass im Juni 1711 „eine Zeithero es sehr warme tage geweßen“ und auch Dieterich Schröder bemerkte in seiner Chronik Wismars, „der Sommer darauf war zimlich warm und trocken“.369 Aus Flensburg erreichte den Lübschen Rat die Nachricht, dass es im August 1711 „in der großn Hitze“ sogar zu einigen natürlichen, 364  AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 4, Lübscher Rat an König Friedrich I. in Preußen (E, 25.02.1711) und Rigaer Rat an Lübschen Rat (R, 17.03.1711). Ähnlich äußerte sich der preußische König in einem Schreiben an Lübeck aus dem Februar 1711, als er „das jetzige Kalte Wetter“ erwähnte, doch erscheint diese Aussage angesichts der Jahreszeit nicht außergewöhnlich (König Friedrich I. in Preußen an Lübschen Rat (R, 02.02.1711)). 365  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (E, 30.01.1711), Johann Rudolph Eckhard und Jochim Mau an königlich schwedisches Tribunal (R, wohl 03.02.1711), Abt. III, XIX, 2, 6, königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 30.01.1711). 366  AHR: 1.1.3.15 – 160, Rostocker Rat an Lübschen Rat (E, 04.03.1711). AHL: ASA, Interna, Pest 6 / 4, Rostocker Rat an Lübschen Rat (R, 04.03.1711). STAS: Rep. 3, 5340, Schreiben (P, 11.03.1711). 367  AHL: ASA, Interna, Pest 6  / 4, Lübscher Rat an die Räte der Städte Libau, Windau, Riga und Reval (E, 14.03.1711). 368  STAS: Rep. 14, 99, Oberst Ribbing an Stralsunder Rat (R, 22.05.1711), Rep. 14, 98, Oberst Ribbing an Stralsunder Rat (R, 30.05.1711) und Verordnung des Stralsunder Rates (E, 01.06.1711). 369  AHR: 1.1.3.15 – 133, Caspar Mund an Rostocker Rat (R, 01.07.1711). Schröder 1743, S. 310.

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durch die Temperatur bedingten, Todesfällen gekommen war, die ausführlich erklärt wurden, um jeden Be­ zug zur Pest auszuschließen.370 Anfang November 1711 hatte es in Stralsund noch nicht gefroren, weswegen der Rat die Reinigung pestverdächtigen Hausrats bis zum Ein­setzen der Frostperiode untersagte. Für die Zeit der Belagerung Stralsunds durch sächsischpolnische und russische Truppen konstatierte Drews ein „fast bestendig regnigt Wetter“, das Gott nach dem Abzug der Feinde in schönstes Wetter um­wan­delte.371 Für 1712 gibt es weniger konkrete Angaben zum Wettergeschehen. Wenig überraschend ist die Feststellung des Tribunals, derzufolge Ende Juli 1712 „heiße[] tage[]“ herrschten.372 Zum Ende der Pestbedrohung erhielt der Lübsche Rat verschiedene Berichte aus den Vierlanden, aus denen hervorgeht, dass es Ende November 1713 zu einem „Kalten wetter“ gekommen war und ab Anfang Dezember Frost herrschte, der Mitte des Monats zu einem „feüchten[n] wetter“ wurde.373 Abschließend ist festzustellen, dass die Erwähnung von Wetterbedingungen dem allgemeinen Korrespondenzverlauf folgt. Das heißt, in der Zeit des stärksten Brief­ver­kehrs finden sich auch die häufigsten Angaben zum Wetter. Dass die letzten zwei untersuchten Jahre außer in Lübeck kaum diesbezügliche Angaben enthalten, liegt somit in der all­ gemein abnehmenden Seuchenkorrespondenz. Mit dem Zurück­weichen der Seuche aus der Region und den gefestigten Abwehrmechanismen (Quarantäne, Reinigungs­ vorschriften, Ausschluss bestimmter Waren) verlor das Thema an Brisanz. Zwischen der Ausbreitung von Krankheiten und der Witterung wurde eine Beziehung gesehen, doch sind die von Obrigkeiten und Privatpersonen gezogenen Schlüsse widersprüchlich und schließen einander zum Teil aus. Es gab keine allgemein ver­ bind­ lichen Standpunkte, die sich anhand der Quellen belegen lassen. Ein Austausch über die Bewertung der Klima­ erscheinungen und den Umgang mit Personen und Gegen­ständen bei bestimmter Witterung fand nicht statt. Die vielfach verwendete Formulierung der reinen Luft war in Zusammenhang mit den im Voraus hergestellten Gesundheits­pässen ein bloßes rhetorisches Mittel und das in den Briefen erwähnte Wetter eine Information, welche ohnehin vorhandene Verhaltensweisen gegenüber Personen und Waren bestätigte, diese aber nicht revidie370  AHL:

ASA, Interna, Pest 7, Flensburger Rat an Lübschen Rat (R, 26.08.1711). HS 384, S. 131, Rep. 14, 83, Ratsprotokollauszug (R, 04.11.1711). 372  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 30.07.1712). 373  AHL: ASA, Interna, Pest 11  /  2, Hamburger Rat an Lübschen Rat (R, 06.12.1713), Amtschreiber zu Bergedorf an Lübschen Rat (R, 02.12.1713, 09.12.1713, 16.12.1713, R, 23.12.1713), Lübscher Rat an Amtschreiber zu Bergedorf (E, 09.12.1713), Passschreiber Meyer an Lübschen Rat (R, 09.12.1713), Leutnant Albinus an Lübschen Rat (R, 23.12.1713). 371  STAS:



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse299

ren konnte. Im Zweifelsfall kamen die Quarantäne- und Reinigungsmaßnahmen zum Tragen, die in der Vor­stellung der Zeitgenossen die Wirkung ungünstiger Wettererscheinungen neut­ra­li­sie­ren konnten.

IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse 1. Der Einmarsch des Korps Krassow Nachdem die schwedische Armee im Juli 1709 bei Poltawa in der heutigen Ukraine besiegt worden und König Karl XII. auf das Gebiet des Osmanischen Reiches ge­flohen war, zogen sich die schwedischen Truppen nach Westen zurück.374 Beson­ders der Rückmarsch der Soldaten des Armeekorps von General Krassow in ihre Garnisonen in Norddeutschland bedeutete für die gesamte Region des südwest­lichen Ostseeraumes große Aufregung und wurde zu einer Be­ währungs­ probe für die schwedische Verwaltung, denn Krassows Soldaten durchquerten Gebiete, in denen seit Juni 1709 die Pest herrschte.375 Schon Wochen vor dem Abzug aus Polen ab September wurden die Krassowschen Soldaten misstrauisch verfolgt.376 Die Verbin­dung zwischen Pestgefahr und dem Korps findet sich zum ersten Mal Mitte August in den Lübecker Akten. Die sachsen-lauenburgische Regierung in Ratze­burg berichtete in einem Schreiben an den Lübschen Rat von der Seuche und deren Ausbreitung über Polen, Preußen bis hin nach Pommern. Die Sorge der Regierung war, dass die Pest „durch die aus Preußen und Polen oder von dortigen Grentzen nach Pommern sich begebende[n]“ Personen weiter westwärts wandern könnte.377 Nach Meinung der Ratzeburger ging eine besondere Gefahr von dem „in Polen stehenden Crassauischn corps“ aus, wobei noch nicht von einer Ansteckung der Soldaten selbst ausgegangen wurde.378 Woher die „sichere Nachricht“ dieser Gefährdung stammte, berichteten die Ratzeburger indes nicht.379 Die Kurfürstlichen drohten dem Lübschen Rat unmissverständlich mit einem soforti­gen Handelsboykott, sollte Lübeck weiterhin mit den verdäch374  Durchhardt, Heinz: Balance of Power and Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen 4), Paderborn (u. a.) 1997, S. 237–258. Frost, S. 271–296. Zernack, Klaus: Nordosteuropa. Skizzen und Beiträge zu einer Ge­schichte der Ostseeländer, Lüneburg 1993, S. 180. 375  Zur Marschroute des Korps vgl. Zapnik (2007), S. 59–66. 376  Ebd., S. 60. 377  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 16.08.1709). 378  Ebd. 379  Ebd.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

tigen Gegenden Handel treiben oder Juden von dort aufnehmen. Offenbar befürchteten die Ratzeburger je­doch nicht, dass sich Krassows Soldaten in Bewegung setzen würden, denn ein Einlassverbot für sie wurde nicht erwähnt. In ihrer Antwort berichteten die Lübecker von den bereits erlassenen Maßnahmen, betonten ihre Wach­samkeit, gingen aber nicht auf eine Erfüllung der ratzeburgischen Forderungen ein.380 Die durch die Lübe­ cker in den folgenden Tagen an andere Obrigkeiten weiter­gegebenen Schreiben erwähnen zwar die sich in Pommern ausbreitende Seuche, legen aber keinen Wert auf explizite Nennung des Korps Krassow.381 Selbst in einem Schreiben an den Wis­marer Rat ist nur von den „Soldaten von dortiger Guarnison“ die Rede.382 Dieser wurde erfolgreich gebeten, den Soldaten keine Pässe mehr auszustellen, da Lübeck bereits „von benachbahrter hoher handt [= Ratzeburger Regierung]“ mit einer Sper­rung bedroht worden sei und die ausländische Rekrutenwerbung in Lübeck ein Är­gernis für den Rat war.383 Von einem Marsch der Krassow-Soldaten war zu diesem Zeitpunkt noch nichts bekannt und so richteten sich die Appelle allgemein auf die Wismarer Garnison. Selbst die vorpommersche Regierung hatte in diesen Tagen noch keine Klarheit darüber, ob Krassows Soldaten tatsächlich nach Pommern kä­men oder den Feldzug in Polen weiterführen würden.384 Etwa zeitgleich mit Lübeck hatten die Ratzeburger auch das Wismarer Tribunal in Kenntnis gesetzt.385 Wenige Tage nach dem Eintreffen der Antwort aus Wismar setz­ten die Kurfürstlichen erneut ein Schreiben auf und erwähnten unter anderem, „daß bey dem Craßauischen Corps, welches in einigen inficirten Örtern in Polen beleget gewesen, sich eine mortalität äußern solle“.386 Diese Erwähnung bedeutete, dass man in Ratzeburg Sorge vor einem Einmarsch der Truppen nach Schwedisch Pommern bzw. weiter in das schwedische Gebiet von Bremen und Verden oder eine Fortsetzung des Feldzuges auf dem Territorium des dänischen Kriegsgegners hatte. Das Herzogtum Sachsen-Lauenburg wäre von diesem Marsch unmittelbar betrof380  Ebd.,

Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 22.08.1709). Lübscher Rat an Magnus von Wedderkop (E, 22.08.1709). 382  Ebd., Lübscher Rat an Wismarer Rat (E, 23.08.1709). STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Lübscher Rat an Wismarer Rat (R, 24.08.1709). 383  Ebd. sowie STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Wismarer Rat an Lübschen Rat (E, 31.08.1709). AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Wismarer Rat an Lübschen Rat (R, 31.08.1709). 384  Zapnik (2007), S. 61. 385  Hinweis in: STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 26.08.1709) und AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 26.08.1709). 386  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 26.08.1709). 381  Ebd.,



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse301

fen gewesen und so sollte der Zug vermieden werden. Gegenüber dem Tribunal unter­ ließen es die Ratzeburger jedoch, auf ein Einlassverbot zu drängen. Deutlicher wur­ den sie in einem Schreiben nach Lübeck. Darin erklärten sie, sich bei allen Nach­ barn dafür einzusetzen, dass Krassows pestverdächtigen Soldaten die Einreise ver­ weigert würde. Um den schon erzielten Erfolg zu demonstrieren, wurde dem Brief die Ab­ schrift eines Antwortschreibens des Wismarer Vizegouverneurs an die Ratze­burger Regierung beigelegt.387 Sehr zum Ärgernis der Regierung beurteilten die Lübecker die Gefahr weit geringer und stellten den Handel mit den verdächtigen Gebieten nicht ein. Es stand zu befürchten, dass die Soldaten durch Lübecks Gebiet marschieren dürften, zumal viele Bürger in der Stadt „diese Seuche annoch für keine anklebende Kranckheit halten wollen“ und ein Kontakt mit infizierten Personen ungefährlich wäre.388 Deshalb verschärften die Sachsen-Lauenburger ihre Boykottdrohung gegen­über Lübeck, die „auf erster eingekompte zuverlässige Nachricht“ erfolgen sollte und stuften den Einmarsch der schwedischen Truppen als wahrscheinlich ein.389 In ihrer „freundliche[n] antwort“ an die Regierung erwähnten die Tribunalsjuristen das fragliche Korps mit keinem Wort.390 Anscheinend hofften sie, dass der Angelegen­heit in Ratzeburg nur zeitweise Interesse entgegengebracht wurde und sich die Auf­regung bald legen würde. Die nächsten Briefe, welche zwischen Tribunal und Regie­rung gewechselt wurden, scheinen zunächst diese Hoffnung zu bestätigen, denn das Korps wurde tatsächlich nicht mehr aufgeführt. Es war aber in Ratzeburg nicht ver­gessen und Ende September 1709 bat die Regierung das Tribunal niemanden aus infizierten Orten einzulassen und dehnte dieses Ansinnen aus­drücklich auf Krassows Soldaten aus.391 Die Assessoren gaben sich unwissend und erklärten, dass angeb­lich („unsers wißens“) seit längerer Zeit keine Fremden aus den verdächtigen Ge­ genden nach Wismar gekommen seien und sie „alle müglichste sorgfalt anwenden“, um dies auch zukünftig zu garantieren.392 Die internen Protokolle des Tribunals zeigen allerdings, dass in dieser Zeit sogar aus Posen, einer der am schwersten betroffenen Städte, und an387  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Vizegouverneur Ritterhielm an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (K, 22.08.1709). 388  Ebd., kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 26.08.1709). 389  Ebd. 390  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 02.09.1709). 391  Ebd., kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 30.09.1709). Vgl. LAG: Rep. 6, Tit. 50, Nr. 432, Vol. I. 392  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 07.10.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

deren polnischen Orten mehrere Personen nach Wismar gelangten.393 Weiterhin wurden zahlreiche Deser­teure unbekannter Herkunft in Wismar für die schwedische Armee angeworben. Die Vertreter des Rates bemühten sich, diese Praxis zu unterbinden und erklärten, „wan sie damit continuirten, so würde das Malum übel kaum verhütet werden.“394 Zwar waren auch die Juristen überzeugt, mit der „werbung sey es eine sehr gefehrliche sache“, doch konnten sie nicht „finde[n …] wie es zu ändern.“395 Immerhin sollte nie­mand aus verdächtigen Orten geworben werden, doch anstatt dies dem Vize­gouver­neur zu befehlen, schlugen sie dem Rat Verhandlungen mit dem Militär vor.396 Die Gründe für diese Unentschlossenheit dürften der Bedarf der Garnison an neuen Sol­daten und ein befürchteter feindlicher Angriff auf die Stadt gewesen sein, denen die Furcht vor einer Ansteckung Wismars durch infizierte Soldaten gegenüberstand. Vielleicht hatte man im Tribunal auch von den Verhandlungen auf dem vor­pommer­schen Landtag erfahren. Dort brachten die ständischen Vertreter ihr Miss­ trauen ge­ genüber den Krassow-Soldaten deutlich zum Ausdruck, sahen aber keinen soforti­ gen Handlungsbedarf. Ihr Entschluss, zunächst interne Verhandlungen zwischen Ritterschaft und Städten sowie Briefe des Königs abzuwarten, führte dazu, dass der Landtag gegen die einrückenden Soldaten nichts mehr unternehmen konnte.397 Erst am 11. Oktober 1709 informierte die Regierung die Stände über den bevorstehenden Einmarsch, wurde aber selbst durch Krassows schnellen Vormarsch überrumpelt.398 In der Rückschau gaben Generalgouverneur und Regierung sogar zu, „durch die unvermuhtete schleünigste Einrückung des Krassowschen Corpo in diese Province“ überrascht worden zu sein und begründeten die Sperrung Stettins unter anderem mit diesem plötzlichen Eintreffen.399 393  Ebd., Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 20.08.1709 und 01.10.1709). Gegen den Einlass der Personen hatte ein Wismarer Bürgermeister vergeblich protestiert. Ihm waren von dem wachhabenden schwedischen Offizier sofort die Grenzen seiner Möglichkeiten aufgezeigt worden. Laut späterem Protokoll soll der Offizier gesagt haben: „Er [der Offizier] hätte zu commandiren und nicht der BürgerMeister“. 394  Ebd., Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 01.10.1709). 395  Ebd. 396  Ebd. 397  STAS: Rep. 13, 589, Protokoll des schwedisch pommerschen Landtags (P, 27.09.1709). 398  Zapnik 2007, S. 62 ff. 399  STAS: Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 29.09.1710). Diese Überraschung teilte auch das Tribunal mit dem Wismarer Rat, der schon im Dezember 1709 davon sprach, dass „der Marchs [sic] hierher so schleunig gewehsen, und die, en faveur der Stadt erfolgte Resolution des Hohen Senats so Zeitig nicht einlauffen Können, [so dass] diese Beide Regimenter über die



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse303

Von diesen rein obrigkeitlichen Schreiben wussten die meisten städtischen Bürger nichts und trotzdem konnten sie Zugang zu neuen Informationen erlangen, ohne selbst nach Polen reisen zu müssen. Die in regelmäßigen Abständen erscheinenden Zeitungen sorgten dafür, dass eine breite Öffentlichkeit mit Nachrichten zum Verlauf der Krankheiten in Polen und den Heeresbewegungen der verfeindeten Mächte ver­sorgt wurde. Beispielsweise veröffentlichte der Hamburgische Relations-Courier wäh­rend des Sommers 1709 häufig Berichte über die Pest. Schon Anfang Oktober konnten die Leser erfahren, dass „man besorget / daß das Schwedische Corpo unter dem General Crassau / worunter eine ansteckende Seuche seyn soll / nacher Stetin zu gehen willens sey.“400 Folglich waren Tribunal und andere Obrigkeiten nur etwa eine Woche früher über die Ereignisse informiert. Eventuell war es sogar dieser Abdruck im Relations-Courier, der den Schweriner Herzog zu einem besorgten Schreiben an das Tribunal bewog. Er gab an, ihm sei „von sicherer Hand glaubwürdig berichtet worden“, dass General Krassow „mit seinem bey sich habenden, und mehrentheils mit der Pest und anderen anstecke[nden] Seuchen inficirtem Krieges-Volck“ nach Pommern und von dort nach Bremen marschieren wolle.401 Vom Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg habe er zudem erfahren, dass dieser dem Korps in seinen Gebieten den Durchmarsch ver­weigere. Damit die Soldaten nicht in Mecklenburg auf eine Aufhebung des Verbots warteten und das Land belasteten, schloss sich der Herzog der Maßnahme an. Das Tribunal informierte er ferner, deswegen auch an die Regierungen in Stockholm und Stettin geschrieben zu haben. Gleichzeitig bat er die Juristen, ihn in seinem Anliegen zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass Mecklenburg nicht durchquert würde. Zunächst versuchten die Assessoren den Schaden, den das Gerücht über die infi­zierten Soldaten angerichtet hatte, einzudämmen. Der Herzog erhielt zur Antwort, „daß von einigen Gruppen obgedachter Armée bißher der ruff gegangen, als wenn dieselbe mit ansteckend.[er] seuche behaftet wären“.402 Um Friedrich Wilhelm nicht in seiner Meinung zu bestätigen, stellte das ordinaire Garnison […nach Wis­mar] verleget und die Stadt gar sehr damit angefüllet.“ STAW: Abt. IV, I, B, 3723, Wismarer Rat an König Karl XII. von Schweden (= königlich schwedisches Tribunal) (R, 02.12.1709). Vgl. die Korrespondenz der Stettiner Regierung mit den schwedischen Gesandten Frisendorff und Leyonstedt am braunschweig-lüneburgischen und preußischen Hof. LAG: Rep. 6, Tit. 50, Nr. 432, Vol. I. 400  Hamburger Relations-Courier vom 08.10.1709 (Nr. 159). 401  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin an königlich schwedisches Tribunal (R, 12.10.1709). 402  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 15.10.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Tribunal diese Nachricht als bloßes Ge­rücht dar: „[W]ir haben aber hingegen verschiedene zu verläßige nachrichten, daß dies ein bloßer Spargement [Ausstreuung], und in der thatt ged.[achte] Armée keine inficirte trouppen bey sich führen“.403 Einerseits wurde damit das Gerücht widerlegt und andererseits dem Herzog vor Augen geführt, dass er über weniger und schlech­tere Informationen als das Tribunal verfügte. Für Friedrich Wilhelm musste dies die Attraktivität des Tribunals erhöhen, wenn ein gutes Verhältnis nach Wismar die Mög­lichkeit eröffnete, von dem exklusiven Wissen des Tribunals profitieren zu können. Dieses verfolgte die Strategie, Gerüchte rundweg zu dementieren und sich zugleich als wichtiger und vertrauenswürdiger Kommunikationspartner zu definieren. Ganz im Gegensatz zu ihren offiziellen Verlautbarungen waren die Assessoren je­doch keineswegs von der Gesundheit des Korps Krassow überzeugt und bemühten sich ebenfalls nach Kräften, den Einmarsch der Regimenter zu verhindern. Aus den diesbezüglichen Schreiben innerhalb der schwedischen Verwaltung erfährt man, dass es in Wismar keine gesicherten Kenntnisse über die Gesundheit der Truppen gab und dass die nach außen demonstrierte Selbstsicherheit nur vorgetäuscht war. In den folgenden Tagen schrieben die Juristen einen ausführlichen Brief an den Stockholmer Reichsrat als oberster Behörde Schwedens. Umständlich wurde darum gebeten, die Soldaten an andere Orte zu verlegen, da Wismar aufgrund schlechter Ernte­erträge und der seewärtigen Lebensmittel-Blockade durch die feindlichen Dänen zur Versorgung zusätzlicher Soldaten nicht in der Lage sei. Geschickt wurde die Aufmerksamkeit auf die scheinbar objektiv missliche Versorgungslage fokussiert. Ein weiterer Grund sollte die Drohung des mecklenburgischen Herzogs sein, Wismar beim Einrücken des Korps von der Außenwelt abzusperren. Friedrich Wilhelm hatte aber in Wirklichkeit nicht gedroht, sondern sein Anliegen betont höflich und bittend vorgetragen, wohl weil er sich bewusst war, dass er nicht über die Machtmittel ver­fügte, sich gewaltsam gegen Schweden durchzusetzen. Die anschließend ange­ führte Behauptung, auch die Ratzeburger und Hannoveraner Regierungen hätten mit einer Absperrung Wismars gedroht, ist aus den Korrespondenzen ebenso nicht zu erse­hen.404 Wohlwollend betrachtet, handelte es sich um eine vorbeugende Inter­preta­tion der Assessoren. Am Schluss des Briefes wurde ein regelrechtes Schreckens­szenario ausgemalt. Wenn die Soldaten nach Wismar kämen und die Stadt boykot­tiert 403  Ebd.

404  In den letzten Schreiben aus Ratzeburg und Hannover wird den Angehörigen der Krassowschen Regimenter der Zutritt in die kurfürstlichen Lande untersagt. Es gibt keine explizite Ausweitung dieser Androhung auf Wismar oder andere Orte. Ebd., kurfürstliche Regierung zu Hannover an königlich schwedisches Tribunal (R, 02.09.1709) und kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 30.09.1709).



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse305

würde, dann würde sie „zusambt der Milice, unfehlbahr […] crepiren müßen“.405 Mit dieser Spannungskurve, die in dem Untergang Wismars mündete, wurde die Lage der Stadt deutlich dramatisiert. Auf diese Vorbereitung folgte dann die eigentli­che Absicht des Briefes. Der Reichsrat wurde gebeten, Krassow und seine Soldaten nur im Kriegsnotfall nach Westen zu schicken. Erst an dieser Stelle wurde auch die „Pestgefahr“ erwähnt, die aber nicht mit Krassow direkt verknüpft wurde und eine allgemeine Bedrohung darstellen sollte.406 Außer der Stockholmer Zentrale wurde auch der schwedisch pommersche Generalgouverneur Mellin einige Tage später mit einem Brief bedacht. Mellin sollte die Truppenverlegung bis zur Entscheidung aus Stockholm aussetzen.407 Mellin enttäuschte jedoch die Hoffnungen. Er lehnte die Anfrage ab und verwies auf eine Bitte des Wismarer Vize­gouverneurs um militärische Unterstützung wegen eines befürchteten dänischen Angriffs, wes­wegen kein Ab­warten mehr möglich sei.408 In Lübeck erfuhr man sehr schnell, dass Teile der Krassowschen Truppe nach Wis­mar einrückten und fühlte sich durch die Nähe zum mittlerweile pestverdächtigen Wismar bedroht. Die bisherigen Nachrichten reichten den Lübschen Ratsherren nicht aus und noch war nicht klar, ob sich der Verdacht der Pest bestätigen würde. Des­halb baten sie die Ratzeburger Regierung um genauere Informationen, insbesondere über den Krankheitszustand der Soldaten.409 Eine Anfrage in Wismar ist nicht nach­ weis­ bar und mit größter Wahrscheinlichkeit wäre die Antwort von Tribunal und / oder Rat ohne­dies auf die Verneinung einer vorhandenen Seuche hinausgelaufen, wie auch andere betroffene Städte die Pest lange zu verheimlichen suchten. Von der Ratze­burger Regierung erwarteten die Lübecker dagegen sachdienliche Informatio­nen und zeigten zugleich ein Vertrauen in deren Fähigkeiten, wie es für das gegen­seitige Ver­hältnis nur förderlich sein konnte, das nach den Boykottdrohungen aus Ratzeburg unerfreulich geworden war. Tatsächlich änderten die Kurfürstlichen ihren bis dato barschen Tonfall, waren durch die 405  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an schwedischen Reichsrat (K, 19.10.1709). Ein ähnliches Schreiben des Wismarer Rates an den König ist eben­falls erhalten. Es ist denkbar, dass es auf Veranlassung des Tribunals angefertigt wurde, da sich der Entwurf in den Akten des Tribunals und nicht in der rätlichen Über­ lieferung befindet. Ebd., Wismarer Rat an König Karl XII. von Schweden (= königlich schwedisches Tribunal (E, 22.10.1709). 406  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an schwedischen Reichsrat (K, 19.10.1709). 407  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Generalgouverneur Mellin (E, 23.10.1709). 408  Ebd., Generalgouverneur Mellin an königlich schwedisches Tribunal (29.10.1709). 409  AHL: ASA, Interna, Pest 4  / 1, Lübscher Rat an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, undatiert, wohl 07.11.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Anfrage offensichtlich erfreut und zeigten sich sehr verbindlich. Ihre Antwort gaben sie „zu Brüderlicher Nachricht“ und berich­ teten bereitwillig, „daß, obgleich man noch zur zeit nicht gewiß wüste, daß gedachtes Corps mit einer ansteckenden Seuche möchte inficiret seyn, dennoch niemand davon, weil es in inficirten Orten in Polen gestanden, durchzulassen“ sei.410 Hiermit offenbarten sie unbewusst, dass die schon vor Tagen als unzweifelhaft behauptete Nachricht einer Verseuchung des Korps Krassow weiterhin auf ungesicherten Ge­rüchten beruhte und der Verdacht nicht hatte zweifelsfrei bestätigt werden können. Erfreulicherweise war das Tribunal mit seinem Gesuch an den Reichsrat erfolgreich gewesen. Dieser hatte zugestimmt, die Soldaten nicht nach Wismar zu schicken, sondern auf die anderen deutschen Provinzen Schwedens zu verteilen. Die einzige Bedingung war, dass sich die Stadt Wismar an den Unterhaltskosten beteiligen sollte.411 Da Krassows Truppen nicht auf die Entscheidung aus Stockholm gewartet hatten, kam der Entscheid jedoch erst an, als die Soldaten längst in Wismar ange­kommen waren. Das Tribunalskollegium griff die Sache wieder auf und schickte die Ent­ scheidung aus Stockholm umgehend an Generalgouverneur Mellin, um wenigs­ tens jetzt den Abzug der Soldaten zu erreichen. Mellin musste sich den Vor­wurf gefallen lassen, für die inzwischen teilweise umgesetzte Absperrung Wismars ver­ antwortlich zu sein, denn Sachsen-Lauenburg hatte seine Grenzen für Wismarer Personen und Waren geschlossen. Daraufhin hatten Lübeck wie auch Mecklenburg-Schwerin gedroht, den Handel mit Wismar beim geringsten Anzeichen einer Krank­ heit aufzuheben.412 In ihrem vorwurfsvollen Schreiben, in dem sie ausführlich auf die Konsequenzen der Einquartierung eingingen, erwähnten die Juristen die Pest mit keinem Wort. Entgegen der Befürchtung war es unter den Regi­ments­angehörigen nicht zu einer Seuche gekommen und auch nach Wismar gekommene erkrankte Soldaten hatten die Bewohner der Stadt nicht infiziert. Nachdem Mellin benachrichtigt worden war, konnten sich die Juristen der Handels­sperre Sachsen-Lauenburgs zuwenden und passten dabei ihr bisheriges Kommu­ nikations­ verhalten den veränderten Bedingen an. Fortan reagierten sie nicht mehr allein auf empfangene Briefe, sondern setzten sich aktiv für eine Aufhebung der Sperre und eine Widerlegung der Krankheitsgerüchte ein. Die erfahrenen Diplomaten des Tribunals, die von der schwedischen Krone zum Verhandlungsführer in allen diplomatischen Angelegen410  Ebd.,

kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an Lübschen Rat (R, 11.11.1709). Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, schwedischer Reichsrat an königlich schwedisches Tribunal (K, 23.10.1709). 412  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Generalgouverneur Mellin (E, 15.11.1709). 411  STAW:



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse307

heiten auf dem Territorium des Alten Reiches ge­ macht worden waren, nutzten die ihnen zur Verfügung stehenden diplomatischen Kontakte. Zunächst baten sie den schwedischen Gesandten am kurfürstlichen Hof in Hannover um Vermittlung, denn Sachsen-Lauenburg gehörte zu den Ländern des Kurfürsten. Dieser direkte Kontakt zum Hof unter Umgehung der untergeordneten Instanz in Ratzeburg erwies sich als richtig. Wenn der Kurfürst und seine Regierung überzeugt waren, dass von Wismar keine Gefahr ausginge, dann konnten die Ratze­burger dagegen nichts unternehmen. Der Gesandte wurde gebeten, ein Schreiben direkt am Hofe zu übergeben. Der Brief enthielt lobende Worte über die auf­merk­same Ratze­burger Regierung, die in ihrem Eifer gleichwohl zu weit gegangen war, weil eine Sperre Wismars unbegründet sei. Kurfürst Georg Ludwig wurde gebeten, seinen Untertanen eine Aufhebung des Verbots zu befehlen.413 In Ratzeburg ahnte die Regierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie über­gangen wurde. Selbstbewusst setzte sie ein Schreiben an das Tribunal auf, be­ klagte sich über die Gefährdung, die von Krassows Soldaten ausging und warnte, dass die Sperre solange aufrechterhalten bliebe, wie die Unverdächtigkeit der Truppe zwei­felsfrei bewiesen sei.414 Die Assessoren griffen dies auf und beauftragten Rat und Kommandanten, Statistiken anzufertigen, auf denen wochenweise die in der Bürger­schaft und der Garnison verstorbenen Personen aufgelistet wurden.415 Kurz darauf wurden die Listen eingesandt. Da aus ihnen hervorging, dass nur wenige Personen starben und diese ausnahmslos an unverdächtigen Krankheiten, schickte das Tribu­ nal die Papiere weiter. Anstatt den Ratzeburgern zu antworten, wurden diese wieder übergangen. Nur die schwedischen Gesandten in Hamburg und Hannover er­ hielten die Aufstellungen, um sie nach eigenem Ermessen einzu­setzen.416 Für einen Erfolg des Dementis war es höchste Zeit geworden, denn inzwischen hatten die Lübecker Ratsherren nach Hamburg berichtet, der Kurfürst habe ein Einreiseverbot für die Krassow-Soldaten erlassen. Wie aus anderen Briefen hervorgeht, erstreckte sich dieser Erlass nicht nur auf die Garnison, sondern schloss alle zivilen Personen und Waren mit 413  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Baron Frisendorff (E, 15.11.1709) und an Kurfürst Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (E, 15.11.1709). 414  Ebd., kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 14.11.1709), Abt. III, XIX, 2, 6, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (K, 14.11.1709). 415  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (E, 19.11.1709) und an Wismarer Rat (E, 19.11.1709). Vergleichbare Listen wurden auch in Stargard und Bahn angefertigt (LAG: Rep. 4, P I, Tit. 99, Nr. 430, Vol. I, pag. 149  ff., Protokoll des Stargarder Collegium Sanitatis (P, 28.08.1710), Vol. II, pag. 74, Protokoll des Bahner Collegium Sanitatis (P, 08.1711). 416  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an Baron Frisendorff (E, 05.12.1709) und an Vizepräsident Lilienstedt (E, 05.12.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

ein.417 Die Lübecker erklärten zudem, „daß davon [Krassows Soldaten] viele wegsterben“, weswegen sich Lübeck dem Einreiseverbot angeschlossen hatte und Hamburg zum gleichen Schritt ermutigte.418 Der Wismarer Rat berichtete dem Tribunal darüber hinaus, dass „ein Gerücht schon in Hamburg seyn soll, daß hie wochentlich 5. bis 600 Persohnen stürben“, worauf das Tribunal dringend reagieren müsse, „da auch ein Unfundirtes Gerücht sich Leicht ausbreitet und nicht woll Zu heben ist“.419 Der Plan des Tribunals ging allerdings rechtzeitig auf. Mitte Dezember 1709 erhielten die Juristen eine Antwort des Kurfürsten und einen Bericht des Gesandten aus Hannover. Georg Ludwig erklärte, aus Sorge um das Wohl seines Landes zu der Sperrung verpflichtet gewesen zu sein und bedauerte diesen Schritt. Anders als die Ratze­burger Regierung behauptete er, die Aktion sei von Anfang an auf die üblichen 40 Quarantänetage beschränkt gewesen. Sofern nach Ablauf dieser Zeit keine Pest in Wismar ausgebrochen wäre, hätte die Blockade ohnehin aufgehoben werden sol­len. Ob diese Behauptung zutreffend ist, lässt sich aus den Akten nicht erkennen. Vielleicht war es nur eine diplomatische Formulierung, um zu zeigen, dass der Kur­fürst wohlüberlegt und ohne böse Absicht gehandelt hatte. Dem Tribunal konnte diese Frage mittlerweile einerlei sein, denn wichtiger war die Aussage des Kur­fürs­ten, er habe die Ratzeburger Regierung angewiesen, nach dem Ende der Frist den Verkehr wieder zu erlauben.420 Der Gesandte erklärte in seinem Begleitschreiben, dass er den Brief des Tribunals persönlich überreicht habe und daraufhin, „hat sich der Churfürst selbsten, und auch das Ministerium wegen der sachen selbst gar gütig ausgelaßen, und man wird ver­sichern wollen, daß niemahls die intention gewesen, einige reisende aus Wißmar in dem Ratzeburgischen […] aufzuhalten.“421 Die gute Neuigkeit teilte das Tribunal sofort dem Vizegouverneur und dem Rat mit. Darüber hinaus wurde der Postinspek­tor informiert, damit er an der Station auf die bald wieder mögliche Reisefreiheit auf­ merk­ sam machen konnte.422 417  Ebd. kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 14.11.1709), Abt. III, XIX, 2, 6, kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (K, 14.11.1709). 418  AHL: ASA, Interna, Pest 4  /  1, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 28.11.1709). 419  STAW: Abt. IV, I, B, 3723, Wismarer Rat an König Karl XII. von Schweden (= königlich schwedisches Tribunal) (R, 02.12.1709). 420  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Kurfürst Georg Ludwig an königlich schwedisches Tribunal (R, 30.11.1709). 421  Ebd., Baron Frisendorff an königlich schwedisches Tribunal (R, 03.12.1709). 422  Ebd., Kurfürst Georg Ludwig an königlich schwedisches Tribunal (R, 30.11.1709) und königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (E, 10.12.1709)



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse309

Wie beschrieben, waren die Kranken- und Totenlisten zügig an die schwedischen Gesandten verschickt worden. Die Ratzeburger Regierung, auf deren Schreiben hin die Listen erstellt worden waren, bedachte das Tribunal erst nach etwa zwei Wochen mit einem Antwortschreiben. Im Tribunal war man zu diesem Zeitpunkt sicher, dass der Gesandte in Hannover seine Mission erfüllt hatte.423 Ausdrücklich erwähnten die Juristen in ihrem Schreiben ihre Aktion am kurfürstlichen Hof und machten damit deutlich, dass sie nicht auf das Wohlwollen der Ratzeburger Regierung angewiesen waren und andere Möglichkeiten hatten, um ihre Ziele durchzusetzen. Zum Beweis des Gesagten wurde die Antwort des Kurfürsten aus Hannover beigelegt und kom­mentiert. Dabei wurde der Inhalt verzerrend wiedergegeben. Die Juristen behaupte­ten, der Kurfürst habe nach Wismar geschrieben, die Ratzeburger dürften keinem Menschen aus Wismar, der mit Gesundheitspässen versehen sei, die Passage hin­dern. Tatsächlich war nur davon die Rede gewesen, dass dieses nach Ablauf von 40 Tagen möglich wäre und erst nachdem die Gesundheit der Stadt erwiesen sei. Das Tribunal begründete, da die anfängliche Frist abgelaufen sei und die Statistiken Wismars Gesundheit bezeugten, dass nun die Zeit für eine Aufhebung der Blockade gekommen sei.424 Um ihr Gesicht nicht zu verlieren, gingen die Ratze­burger nicht auf das hinterrücks erwirkte hannoversche Schreiben ein. Sie ant­worteten, dass sie selbst „in Erfahrung gebracht [haben], daß die unter dem Craßawischen Corpo sich geäußerte Seuche kein contagium mit sich führe“ und der Handel deswegen freige­geben werden könne.425 Auch die vorsorglich nach Hamburg versendeten Listen erzielten die beabsichtigte Wirkung. Graf Lilienstedt, neben seiner Tätigkeit als Gesandter zugleich Vize­präsi­dent des Tribunals, gab an, dass der Hamburger Rat nie die Absicht gehabt hätte, den Einlass Wismarer Reisender und Güter aufzuhalten und durch die Listen end­gültig von der Ungefährlichkeit der Stadt überzeugt sei.426 und an Wismarer Rat (E, 10.12.1709), Abt. III, XIX, 2. 6., königlich schwedisches Tribunal an Wismarer Rat (R, 10.12.1709). 423  Vgl. STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Baron Frisendorff an königlich schwedisches Tribunal (R, 13.12.1709). 424  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg (E, 16.12.1709). 425  Ebd., kurfürstliche Regierung zu Ratzeburg an königlich schwedisches Tribunal (R, 10.12.1709). 426  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2, Vizepräsident Lilienstedt an königlich schwedisches Tribunal (R, 17.12.1709). Von 1705 bis 1710 zugleich Vize­präsi­dent des Tribunals, wurde Johan Paulinus Lilienstedt vor allem in diplomatischen Mis­ sionen eingesetzt. Servorum Dei Gaudium. Das ist Treuer Gottes Knechte Freu­ den=Lohn. Lebensbeschreibungen aus dem Umfeld des Wismarer Tribunals, hg. u. kommentiert von Nils Jörn, Greifswald 2003, S. 378.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Es fällt auf, dass bei den Schriftwechseln die Regierungen unter sich blieben. Maß­geblich beteiligt waren das Tribunal, der Lübsche Rat sowie die Ratzeburger und Hannoversche Regierung. Der Wismarer Rat, obwohl ebenfalls direkt betroffen, wurde von den Obrigkeiten nicht als Verhandlungspartner, sondern als unter­ge­ordnete und ausführende Verwaltungsinstanz angesehen. Das Tribunal übernahm in dieser Angelegenheit die Koordination und teilte den Ratsherren die getroffenen Ent­scheidungen erst dann mit, wenn es um deren Umsetzung innerhalb Wismars ging. Vertreter des Rates wurden bei Bedarf angehört, wenn Details bei den Waren- und Personenkontrollen an den Toren betroffen waren oder um zwischen Rat und Militär zu vermitteln. Die Ereignisse zeigen, dass es zur Einquartierung der Krassowschen Regimenter in den deutschen Provinzen Schwedens keine Alternative gab. Die Trup­ pen waren notwendig, um einen befürchteten feindlichen Angriff auf das strategisch wichtige Gebiet abzuwehren und konnten nur dort ausreichend mit Nahrung, Aus­rüstung und Obdach versorgt werden. Die Möglichkeit einer An­steckung durch infi­zierte Truppenteile musste dafür in Kauf genommen werden. Den lokalen Obrigkeiten standen zwar verschiedene Wege zur Gerüchtebekämpfung offen wie das totale Ig­norieren aller Verdächtigungen, das Dementieren gegenüber anderen Obrigkeiten, dessen Veröffentlichung in Zeitungen oder Aushängen, die Erstellung von Statistiken oder die Anfertigung beeideter Gesundheitsatteste, doch wirkten diese Mittel nur dann, wenn es keine Seuche gab. Für Tribunal und Rat in Wismar war es daher ein Glück im Unglück, dass die einrückenden Regimenter nicht infiziert waren. 2. Der unerwünschte Aufenthalt des polnischen Hofes in Schwedisch Pommern Die zu Beginn des Großen Nordischen Krieges für Schweden günstige macht­ politi­ sche Gesamtsituation erlaubte es Karl XII., seinen Gegner August den Starken von Sachsen-Polen abzusetzen und den Sejm zur ­ Wahl eines neuen Königs zu bewe­ gen. Schwedens Kandidat Stanislaus Leszczyński (1677–1766) wurde jedoch nur von einer Minderheit der polnischen Adligen unterstützt und konnte seinen An­ spruch auf den Thron nach der schwedischen Niederlage bei Poltawa 1709 nicht aus eigener Kraft verteidigen. Eine militärische Auseinandersetzung mit den Kriegs­ gegnern hatte keine Aussicht auf Erfolg und so entschied Stanislaus, einer direkten Konfrontation auszuweichen und stattdessen im sicheren Exil unter schwedischem Schutz auf eine Besserung der Verhältnisse zu warten. Für die unter schwedischer Herr­schaft ste­henden Seestädte im Untersuchungsgebiet wurden König und Hofstaat zwischen 1709 und 1711 zu einem ernsthaften Problem.



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse311

Drei Gründe sprachen aus der Sicht der Stadträte gegen die Aufnahme des Hofes in einer der Städte. Erstens bestand das königliche Gefolge aus mehreren hundert Per­sonen, deren Versorgung sichergestellt werden musste, was angesichts der Kriegs­situation für Probleme sorgte. Zweitens zog die Anwesenheit des Hofes die Auf­merk­samkeit feindlicher Truppen nach sich. Der letzte und ausschlaggebende Grund je­doch war der Verdacht, die Hofmitglieder selbst könnten durch ihre Reisen zur Verbreitung der Pest beitragen. Im Sommer 1709 entschied sich der polnische Hof für die Übersiedlung nach Schwedisch Pommern, da das Land bislang von Krieg und Seuche verschont geblieben war und weit weg von den gefährlichen Regionen zu liegen schien. Als Aufenthaltsort wurde letztlich Stralsund gewählt, weil das Gebiet um die Landeshauptstadt Stettin pestverdächtig war und Stralsund der nächste grö­ ßere Ort war, für den zudem die starke Festung und die guten Verkehrs­ver­bindungen sprachen.427 Die drohende Ankunft des polnischen Hofstaats war dem Stralsunder Rat mit einem Schreiben vom 31. August 1709 durch die Stettiner Regierung mitgeteilt worden. Um den zu erwartenden Mehrbedarf an Gütern auszugleichen, wurde dem Rat zugleich die Lieferung umfangreicher Holz- und Fischzufuhren zur Versorgung der vielen Menschen zugesagt.428 Weit geringer als erhofft fielen die durch die Regierung zu­ge­sagten Holz- und Fischlieferungen für den Hofstaat aus. Die Königin war im September eingetroffen und hatte im Hause des Barons von Putbus Quartier bezo­gen.429 Da die Holzpreise durch die zusätzlichen Verbraucher bereits merklich an­ge­stiegen waren, schrieben die Ratsherren am 12. September 1709 an die Regierung. Statt ausreichender Lieferungen war bislang nur eine Schute aus Stettin mit Holz geschickt worden, was angesichts des tatsächlichen Verbrauchs viel zu 427  Ein vierter Grund wäre die Vermeidung der hohen Kosten gewesen, welche der polnische Hof ver­ur­sachte, denn König Karl XII. behandelte Stanislaus als seinen Gast und ließ dessen Hofhaltung aus Landes­mitteln decken. Da die Ausgaben aber von allen deutschen Provinzen Schwedens getragen wurden, konnte sich eine Stadt ihres Beitrages selbst dann nicht entziehen, wenn sie nicht zum Aufent­haltsort bestimmt war. Schlüter, E.: Stanislaus Lescinsky in Pommern 1709–1711. Welcher­ ge­stalt die Herzogthümer Bremen und Verden zur Hofhaltung des von König August vertriebenen Königs von Polen Stanislaus Lescinsky in Pommern anno 1709–1711 haben contribuiren müssen, und die Her­ bei­ ziehung der Prediger auf dem Lande, Organisten, Küster und Schulmeister, desgleichen des Gesindes auf dem Lande zum Deficit, in: Archiv des Vereins für Geschichte und Alterthümer der Her­zog­thümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln zu Stade 4 (1871), S. 248–258. 428  Das Originalschreiben ist nicht erhalten, Zusammenfassungen finden sich in einem Rats­ protokoll­ aus­ zug und dem nächsten Brief des Rates an die Regierung. STAS: Rep. 14, 89, Ratsprotokollauszug (R, 02.09.1709), Rep. 14, 91, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 12.09.1709). 429  AHR: 1.1.3.15 – 140, Baron Putbus an Rostocker Rat (R, 04.11.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

wenig war.430 Die Versorgung mit Holz war schon Anfang September, kurz vor der An­ kunft der Polen, problematisch gewesen und so bot sich eine willkommene Gelegen­heit, den Mangel durch Hilfe aus Stettin auszugleichen.431 Ähnlicher Mangel herrschte bei Fischen, nur fand in diesem Fall überhaupt keine Zufuhr statt. Die Versorgungslage war prekär geworden, weil die Zahl der Höflinge noch weiter wachsen sollte und mit ihr der Verbrauch an Fisch, Holz und anderen Waren. Um eine Beunruhigung der Einwohner zu vermeiden und die Teuerung in der Stadt zu stoppen, wurde die Regierung um baldige Lieferung der versprochenen Wa­ ren gebeten. Auch der Kommandant war auf der Seite des Rates, denn ein ent­spre­chendes Schreiben von ihm kündigten die Räte der Regierung an.432 Angesichts der zunehmenden Bewohnerzahl in Stralsund und der Gewissheit über die weitere Aus­breitung der Seuche in Polen, Preußen und Pommern nahm der Rat für die Dauer von vier Wochen einen zusätzlichen Pestschreiber an.433 Nicht nur der Stadtrat, auch die Torkontrolleure nutzten die Anwesenheit der Polen, um ihre Bezüge zu verbessern. Die ihnen zugestandenen vier Rthlr. monatlich seien nicht ausreichend, „bei dieser zu nehmenden theuren Zeit, da so woll das brodt Korn alß andere Lebens Mittel und Victualien wegen Anwesenheit der Königin in Hohern Preise kommen und fast täglich gesteigert werden“.434 Der Rat ließ sich erweichen und gestand den Kontrolleuren eine Lohnerhöhung von 25 % auf fünf Rthlr. zu.435 Einige Tage darauf machten Vertreter der Bürgerschaft den Stralsunder Rat darauf auf­merksam, dass sie auch Kunde von der bevorstehenden Ankunft der Mutter des polnischen Königs hätten. Erstmals wird der bisherige 430  Als Schute wird in dieser Zeit der vorherrschende Typ kleiner bis mittelgroßer Schiffe bezeichnet. Vergleichswerte aus Wismar von 1665 zeigen, dass Schuten sowohl in der Küstenschifffahrt als auch für weite Fahrten nach Schweden eingesetzt wurden. Wahrmann (2007), S. 59–63. 431  STAS: Rep. 14, 91, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 12.09.1709). 432  Ebd. Die zugesagten Lieferungen bereiteten der Regierung während der folgenden Zeit immer wieder sichtliche Schwierigkeiten, wobei sich Stralsund auf die diplomatische Unterstützung durch Kommandant Schoultz verlassen konnte. Rep. 14, 91, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 30.10.1709) und an Licenteinnehmer Schwartz sowie Holzschreiber Janiken (K, 30.10.1709), Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden an Stralsunder Rat (R, 09.11.1709), Stralsunder Rat an Stadtkommandant Schoultz von Ascheraden (E, 09.11.1709). 433  STAS: Rep. 38, 88. 434  STAS: Rep. 35, 6, Examinatoren der Land- und Wassertore an Stralsunder Rat (R, 15.09.1709). 435  Ebd., Ratsschluss (R, 24.09.1709).



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse313

Aufenthaltsort erwähnt. Aus Danzig beabsichtigte die Königinmutter samt Hofstaat nach Stralsund zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt galt Danzig bereits als pestinfiziert. Die Ratsherren hatten da­von durch den Lübschen Rat erfahren und eine größere Öffentlichkeit konnte davon seit Anfang August in den Zeitungen lesen.436 Der Verdacht lag nahe, dass die Königin­mutter vor der Pest floh, was die Bürgerschaftsvertreter als „sehr gefährlich“ für Stralsund bewerteten. Wegen dieser offensichtlichen Gefahr sollte der Rat er­wägen, ob sie nicht durch die Stettiner Regierung von ihrer Absicht abgehalten wer­den könnte. Stattdessen schlugen die Bürgervertreter Pudagla auf Usedom vor. Dort, weit genug von den Städten des Landes und den Handelsrouten entfernt, sei ein geeigneter Ort, um die notwendige Quarantäne zu halten. Die Ratsvertreter nahmen an und versprachen, dem gesamten Rat, „welcher schon deswegen besorg­liche Gedancken gehabt hette“, den Vorschlag vorzutragen.437 Die Ratsherren bemühten sich deutlich zu machen, dass sie schon vorher aktiv ge­worden waren. Sie erwähnten ein Schreiben an die Regierung sowie eine Be­spre­chung mit dem Stadtkommandanten, deren Fortführung sie versprachen („Man will auch noch ferner bey diesem solches continuiren.“).438 Dadurch sollten die Bürger­schaftsvertreter den Eindruck gewinnen, als wäre der Rat ständig mit den wichtigen Regierungsstellen verbunden und würde in Einvernehmen mit diesen die Ankunft der Königinmutter unterbinden. Wichtig war die Verbindung mit dem Kommandanten, der für die Sicherheit seiner Garnison und der ganzen Stadt verant­wortlich war. Die Re­ gierung hingegen dürfte sicherlich froh gewesen sein, dass die verdächtigen Höflinge nicht nach Stettin reisten und wird ihren Aufenthalt in Stralsund daher eher gefördert als verhindert haben. Das Auftreten des Magistrats war für die Darstellung der eige­ nen Kompetenz und Machtposition wichtig, denn auch wenn der Rat letztendlich seine Positionen nicht durchsetzen konnte, stärkte die herausgestellte obrigkeitliche Harmonie seine Stellung innerhalb Stralsunds. Im Moment musste die Bürgerschaft von der Beflissenheit des Rates und dem guten Verhältnis zur Regierung überzeugt sein. Ein Erfolg war dieser Kommunikations­strategie jedoch nicht beschieden, denn wenige Tage darauf beschwerte sich die Bürgerschaft in einer anderen Sache bei der Regierung schriftlich über den Rat und zeigte damit, 436  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Lübscher Rat an die Räte der Städte Neustadt in Holstein, Kiel, Flens­burg, Wismar, Rostock, Stralsund, Kolberg, Memel, Königsberg, Libau, Windau, Riga, Stockholm, Kalmar, Malmö, Karlskrona, den Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin, eventuell auch an Greifswald (E, 01.08.1709). Hamburger Relations-Courier vom 06.08.1709 (Nr. 123). 437  STAS: Rep. Rep. 35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 17.09.1709) und Rep. 14, 91, Ratsprotokoll­aus­zug (E, 17.09.1709). 438  STAS: Rep. 35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 17.09.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

dass sie einer vertrauens­ vollen Verbindung zwischen Rat und Regierung wenig Bedeutung beimaß.439 Hatte der Rat die Ankunft des größten Teils des polnischen Hofes nicht verhindern können, so bemühte er sich doch, den Aufenthalt der Königinmutter zu vermeiden. In einer Besprechung, die der Rat mit dem Kommandanten führte, erklärte dieser, dass die Königinmutter vielleicht nicht käme und beklagte seinerseits, dass die Lebens­mittel durch die Bürger verteuert würden. Die Meinung des Rates zum ersten Punkt überrascht nicht: „E. E. Raht höret gerne daß die Fr: Mutter des Königes Stanislai in kurtzen alhie noch nicht herzu reisen vorhabens“.440 Die vom Kommandanten ange­ führten Nahrungsverteuerungen ließ der Rat untersuchen und übersandte die Aus­sagen der Befragten zur weiteren Behandlung an den Oberstleutnant.441 Obwohl sich in Stralsund die Verantwortlichen einig waren, dass die Königinmutter ohne vorherige Quarantäne nicht in die Stadt kommen sollte, war niemand bereit, ihr diese unangenehme Nachricht zu überbringen. Die Regierung, mittlerweile in Stral­sund, hatte ein Begrüßungsschreiben aufgesetzt und übertrug dem Rat die Auf­gabe, dieses der Königinmutter auf See zu überbringen. Zunächst berieten die Rats­herren intern und kamen überein, die Aufgabe an den polnischen Hof in Stralsund zu über­ geben, da dort besser bekannt sei, wann die Königinmutter ankäme. Es sei wenig sinnvoll, ein Schiff des Rates zu benutzen, da in den langen Nächten leicht Schiffe unbemerkt vorbeisegeln könnten und das Schreiben dann nicht rechtzeitig über­bracht werden könnte, so ihre Meinung.442 Die Polen gingen auf diesen Vorschlag nicht ein und da der Stralsunder Magistrat keine Befehlsgewalt über den Hof hatte, mussten die Ratsherren wieder die Regierung kontaktieren und versuchen, die Auf­gabe abzugeben. Die Ratsherren erklärten, durch den Hof erfahren zu haben, dass der momentane Aufenthaltsort der Königinmutter unbekannt sei. Angeblich hätten sie keine Möglich­keit, ein Schiff auf unbestimmte Zeit auf See zu lassen, um Ausschau zu halten. Stattdessen präsentierten sie einen Gegenvorschlag, der sie zugleich der Über­brin­gungs­pflicht enthob. Die Aufgabe sollte dem Rügener Landvogt von Bohlen anver­traut werden, der die Aufsicht über die Lotsen auf Mönchgut führte. Diese, so die Stralsunder, sollten 439  STAS: Rep. 14, 91, Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 22.09.1709) und schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (K, 24.09.1709). 440  Ebd., Ratsprotokollauszug (R, 18.09.1709). 441  Ebd., Verhörprotokoll (P, 16.09.1709), Ratsprotokollauszüge (R, 18.09.1709 und 20.09.1709), Schreiben des Jochim Richert (R, 19.09.1709), Schreiben des Fridrich W. Klockner (R, 19.09.1709). 442  STAS: Rep. 35, 6, Ratsprotokollauszug (R, 23.09.1709).



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse315

den Brief abliefern, sobald die Polen am Tief ankämen. Ohne auf die Meinung der Regierung zu warten, hatte der Rat bereits an den Landvogt ge­ schrieben und dadurch vollendete Tatsachen zu schaffen versucht. In dem Schrei­ben wird noch einmal deutlich, warum die Königinmutter aus Danzig ausgezogen war. Sie habe, „so dem berichte nach, sich in Dantzig aufgehalten und bey entstandener Contagion sich allernest darauß begeben“ und gehörte folglich zu den Pestflüchtlingen, die man keinesfalls im Lande haben wollte.443 Dem Landrat sollte die Aufgabe zufallen, der Königinmutter „nach der Königl Regierung willn […] zu eröfn, und [sie] zu warnn, daß Sie nicht ans Landt kommen möge, weil Sie nicht angelassen werdn konnte. In dem denen publicirten Königl. Patenten sowoll, alß auch des hohen Königl. Senats verordnung schnurstracks entgegn lauffe, jemandt so von inficirten oder verdächtigen orhten kombt einzulassen; dasfals Sie ihren rückweg nehmen möchte, wo Sie n mit gewalt abgewiesen werden wolte.“444

Auf diese Weise hätte sich der Stadtrat der Angelegenheit entledigen können. Statt­dessen hätte der Landrat die Verantwortung für das ganze Land auf sich ge­nommen und dem Unwillen der Polen ausgesetzt, denn die offene Androhung von Gewalt würde kein Verständnis beim Hofe finden. Hätte nun von Bohlen die An­weisung akzeptiert, so wäre dieser Vorgang sicherlich nicht weiter in den Akten auf­ge­taucht und der Rat hätte keine Meldung über diese Weitergabe an die Regierung gemacht. Doch der Landvogt war nicht bereit gewesen, die ihm zugedachte Aufgabe zu über­nehmen. Persönliche Vorbehalte mögen eine Rolle gespielt haben, denn erst Anfang September hatte der Rat mit einer Mitteilung bei der Regierung Bohlens Pläne durchkreuzt, den Dänholm als Quarantäneort für auf Rügen ertappte Ver­ dächtige zu etablieren.445 Es kann für den Landrat daher eine Genugtuung gewesen sein, den Ratsherren ihre Grenzen aufzuzeigen. Bohlen verwies darauf, dass die Regierung ausdrücklich dem Rat die Aufgabe zugedacht und er folglich nichts damit zu tun habe. Das Begrüßungsschreiben schickte er zusammen mit seiner Antwort an den Rat zurück. Der blamierte Rat war damit genötigt, die Regierung um Hilfe zu ersu­chen, anstatt die unliebsame Aufgabe elegant weiterzudelegieren, konnte aber keine Zusage in seinem Sinne erreichen.446 Im weiteren Schriftverkehr taucht die An­gele­ genheit nicht mehr auf. Fest steht, dass die Königinmutter in Stralsund eintraf, doch wer sie auf See begrüßte und ob das Schreiben überbracht wurde, bleibt unklar. 443  STAS: 444  Ebd.

Rep. 14, 91, Stralsunder Rat an Landvogt von Bohlen (E, 25.09.1709).

445  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 05.09.1709) und Landvogt von Bohlen (K, 03.09.1709). 446  Ebd., Stralsunder Rat an schwedisch pommersche Regierung (E, 08.10.1709), Landvogt von Bohlen an Stralsunder Rat (R, 05.10.1709).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Wahrscheinlich war die Antwort der Regierung abschlägig gewesen, doch da die etwa 200 ankommenden Personen offensichtlich keine Quarantäne halten mussten und ohne Zeitverzug in die Stadt eingelassen wurden, hatte sich der Rat irgendwie von der lästigen Aufgabe befreien können.447 Vermutlich hatten die Regierenden eingesehen, dass sie sich mit der Forderung nach strikter Quarantäne gegenüber dem (unausgesprochenen) Druck des Hofes nicht hätten durchsetzen können und deshalb auf diese Maßnahme verzichtet. Ein Vergleich mit Wismar zeigt, dass dort Standes­personen anstandslos eingelassen wurden, sofern sie bekannt waren und auf entsprechende Nachfrage „auf ihre Ehre u. Gewißen versicherten“, dass weder sie noch ihre Begleitung und mitgeführten Sachen verdächtig seien.448 Im Ausland wurde das Verhalten der Regierung und des Hofes in dieser Zeit genau beobachtet. Der Stettiner Rat erfuhr davon durch den Kaufmann Diederich Budde. Dieser war kurz zuvor nach Lübeck gereist und hatte dort den Eindruck gewonnen, als zweifelte man an Stettins Gesundheit und würde Maßnahmen erwägen. Um die­ ses zu verhindern, bemühten sich die Stettiner Ratsherren, das Misstrauen zu zer­streuen. In einem Schreiben an Lübeck und Rostock beteuerten sie, alles Mögliche zu tun, die Seuche zu verhindern und erklärten, dass das Städtchen Damm durch Sperrung der Straßen und Kontrolle des Dammschen Sees wirkungsvoll von der Au­ßen­ welt abgeschnitten sei.449 Jegliche Nachrichten einer Seuche in Stettin seien „alle windige ungegründete blame“.450 Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit wurde ein Attest des geistlichen Ministeriums präsentiert, in welchem die Pastoren Stettin für pestfrei erklärten, dass es weniger Patienten als sonst üblich gebe, keine der Krank­heiten in der Stadt ansteckend sei und alle Erkrankten durch die Prediger selbst be­sucht würden. Ohne es zu wollen, gaben sie damit aber zu, dass es zu Erkrankungen gekommen war. Angesichts der Verlegung von Regierung und Teilen des polnischen Hofes von Stettin nach Stralsund, was richtigerweise als deutliches Zeichen einer Epidemie in der Stadt gewertet wurde, konnten die an Rostock und Lübeck ge­ schickten Schreiben nichts ausrichten und den Ausschluss von Handel sowie Be­schränkungen im Postverkehr nicht verhindern.451 447  STAS: HS 384, S.  126. König Stanislaus erreichte Stralsund erst am 21.10.1709. 448  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Verordnung des Wismarer Rates (R, undatiert, wohl 08.1709). 449  Die Sperrmaßnahmen der pommerschen Regierung gegen Damm wurden erst am 22.03.1710 auf­gehoben. STAS: Rep. 13, 1863, Eintrag vom 10.12.1711. 450  AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, Stettiner Rat an Lübschen Rat (R, 04.10.1709). 451  Ebd. sowie AHR: 1.1.3.15–158, Stettiner Rat an Rostocker Rat (R, 04.10.1709).



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse317

Zu einem eigenständigen Machtfaktor wurde der polnische Hof in Stralsund nicht. Es gibt nur wenig Hinweise auf weitere Kontakte zwischen Rat und Hof oder dass dieser auf das Verhalten der Stadt gegenüber Danzig und Polen Einfluss nahm. Nur zwei­mal wird die Möglichkeit einer Einflussnahme angesprochen. Anfang September 1710 strebte der Rat die Bildung eines Collegium Sanitatis an. Diese Nachricht war bekannt geworden und Kommandant Schoultz sowie ein königlich polnischer Sekre­tär erschienen persönlich beim worthabenden Bürgermeister und verlangten, den Militärarzt Dr. Schröder und den königlichen Leibarzt in das Gremium aufzu­nehmen, „zum wenigsten so lange biß man von dem wahren zustande gründtlichen bericht erlanget“.452 Der Rat konnte sich dem Ansinnen nicht gänzlich verschließen und teilte mit, dass beide Ärzte „bey denen etwa nohtig gefundenen visitationiby der an verdächtigen Kranckheiten laborirendn oder verstorbenen Cörper“ zugelassen „und dero sentiment mit adhibiret werden“ sollte.453 Zu einer Aufnahme in das originär rätli­ che Collegium Sanitatis wurde nichts ausgesagt. Es stand zu befürchten, dass Militär und polnischer Hof durch die Mitgliedschaft im Gremium über das genaue Ausmaß der Krankheiten bestens informiert gewesen wären und großen Einfluss auf die städtische Gesundheitspolitik erlangt hätten. Der Rat hätte keine vollständige Kontrolle mehr über die Informationen besessen, die er nach eigenem Gutdünken freigab oder zurückhielt. Deshalb war eine Beteiligung anderer am Collegium uner­wünscht. Doch scheint es Schoultz und dem Hof wirklich nur um eine Teilhabe an den dringendsten Informationen gegangen zu sein, denn mit der Beteiligung ihrer Ärzte an den Untersuchungen waren sie zufrieden und bestanden nicht auf ihren weiteren Forderungen. Als sich zwei Monate später die Pest in Stralsund weiter aus­breitete und die Regierung wegen der erfolglosen rätlichen Gegenmaßnahmen „nicht wenig entsetzet“ war, erwähnte sie in ihrem vorwurfsvollen Schreiben vom 4. Oktober 1710, dass die hohen Offiziere sich beschwerten und „der Konigl Pohlnische Hoff nicht wenig allarmiret“ sei.454 Obwohl der Hof in dem Brief keine weitere Erwähnung findet, ist deutlich, dass er gegenüber dem Rat als starkes Druckmittel eingesetzt wurde. Die Vorstellung, dass der Hof mit seiner Autorität die Kunde eines hilflosen Rates in einer pestverseuchten Stadt über seine Korrespondenznetze in halb Europa verbreitete, sollte auf den Rat einschüchternd wirken. Ein Jahr nach den Querelen um die Ankunft des Hofes trugen die Stralsunder Rats­ herren eine umfangreiche Klage bei der Regierung in Stettin 452  STAS: 453  Ebd.

Rep. 29, 821, Ratssitzung vom 06.08.1710.

454  STAS: Rep. 13, 1861, schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 04.10.1710).

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D. Exemplarische Pestkommunikation

vor. Ein Aspekt war, dass die Regierung für die missliche Lage in Stralsund mitverantwortlich war, weil sie den Polen den Aufenthalt in der Stadt erlaubt hatte. Brüsk wiesen die Regierungs­mitglieder die Anschuldigung von sich. Der Hof sei „aus eigenem belieben“ nach Stralsund gekommen und die Regierung habe auf Befehle des schwedischen Königs reagieren müssen.455 Von der ebenfalls aus Polen angereisten Gräfin Kyofska, wel­che die Stralsunder als Verursacher der Seuche identifizierten, habe die Regierung nichts gewusst und warf dem Rat vor, sie sorglos ohne die übliche Quarantäne in die Stadt gelassen zu haben.456 In der rätlichen Korrespondenz mit anderen Seestädten spielte der polnische Hof keine Rolle. Bis auf das Dementi des Stettiner Rates vom Oktober 1709 berührte keines der vielen Schreiben, die in diesen Monaten zwischen Räten und Regierun­gen ausgetauscht wurden, das Thema. Selbst in der innerstädtischen Kommunika­tion zeigt sich nur an einer Stelle, dass die Problematik wahrgenommen wurde. Bei Verhandlungen zwischen Wismarer Rat und Tribunal über den Einlass verdächtiger Personen stellte Vizepräsident Tessin unvermittelt fest, man müsse „in Specie […dafür] sorgen, daß Stanisläus nicht herein käme“.457 Diese Bemerkung wurde nicht weiter thematisiert, zeigt aber, dass der Stralsunder Rat in seinem Wider­ willen gegenüber dem polnischen Herrscher nicht allein war. Das auffallende Fehlen des polnischen Hofes in der Pestkorrespondenz macht deutlich, dass die könig­ liche Fa­ milie und ihr Gefolge nicht mit der Seuche in Verbindung gebracht wurden. Die ge­nauen Umstände (Flucht vor der Pest in Danzig) der bevor­stehenden Ankunft in Stralsund 1709 werden in den anderen Städten unbekannt ge­wesen sein und da unmittelbar nach dem Eintreffen des Hofes keine Seuche die Stadt heim­suchte, fiel kein weiterer Verdacht auf die Polen oder die Stadt Stralsund. 3. Handel in Zeiten der Pest – Bürgermeister Kuhlmans Laken­trans­port Keiner der Magistrate in den fünf Seestädten war an einer Beschränkung des Han­dels interessiert. Nur in Zwangslagen schritten die Verantwortlichen 455  Ebd.,

schwedisch pommersche Regierung an Stralsunder Rat (R, 29.09.1710). Dem „Unglück [hätten] Sie allerdings Zuvorkommen können, wenn Sie sich, wie sichß gebühret, der Einlaßung wiedersetzet, und wenigstens die bey allen Reichen und Republiquen fürsichtig recipirte Qvarantaine und Reinigung, denen einkommenden Gästen und Sachen fürgeschrieben hätten.“ Vgl. Zapnik (2007), S. 128. 457  STAW: Abt. III, XIX, 2, 6, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 03.09.1710). 456  Ebd.



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse319

zu diesem Mittel. Der Ausfall von Im- und Exporten, der damit einhergehende Stillstand des städti­schen Gewerbes, die Erwerbslosigkeit und mögliche Verarmung vieler Bürger schreckten ab und machten ein genaues Abwägen zwischen Sicherheit und Ökono­mie notwendig. Wenn die Seuchengefahr aber durch hinreichende Informatio­ nen bestätigt war, wurden bestimmte Waren und Städte vom Handel ausgeschlossen und dieser Ausschluss konsequent umgesetzt. Für die allgemeine Sicherheit nahmen die Stadträte und Regierungen dann die wirtschaftlichen Verluste ihrer Bürger in Kauf, um ihre Gesundheit zu sichern. Was passierte, wenn von diesen Maßnahmen aller­dings die Interessen der schwedischen Krone und eines der einflussreichsten Wis­marer Bürger betroffen waren, zeigen die Ereignisse um den Bürgermeister und Tuch­großhändler Johan Kuhlman.458 Mitte September 1709 lief in Stralsund ein Schiff aus Stettin ein. Die Umgebung der vor­pommerschen Hauptstadt um das Städtchen Damm war zu dieser Zeit bereits von einer Seuche betroffen und auch in Stettin war es zu verdächtigen Todesfällen ge­ kommen. Wenige Tage bevor die Stettiner Regierung nach Stralsund floh und damit das Vorhandensein einer Pest in Stettin zugab, erreichte Schiffer Brandt den Stral­ sunder Hafen.459 Die ­Ladung des Schiffes bestand aus Laken, die für den Weiter­transport nach Wismar bestimmt waren. Die Tuche stammten aus Kuhlmans erst im selben Jahr errichteter Manufaktur bei Stettin und sollten in Wismar zu Uniformen verarbeitet werden.460 Da die Vor­stellung herrschte, am rauen Material von Stoffen und Kleidern würde das Pestgift gut haften und verbreitet werden, galt der Handel mit diesen Waren als besonders ver­dächtig. In diesem Fall kam die Herkunft aus einem verdächtigen Ort (Stettin und Umgebung) mit der verdächtigen Ware (Stoffe) zusammen und ergab eine äußerst gefähr­ liche Kombination. Beim Eintreffen in Stralsund wurden die Laken zunächst ohne Beanstandung auf die örtliche Packkammer gebracht, wo sie auf die Weiterreise nach 458  Die Schreibung mit einem „n“ folgt der Mehrzahl der Quellen und Kuhlmans eigener Unterschrift. Vgl. Kroll (1997), S. 60. Kuhlman wurde 1699 in den Rat gewählt, wurde 1709 Bürgermeister und behielt das Amt bis zu seinem Tod 1719. Schröder, S. 49, 289, 295 und 711. 459  Christian Brandt, Fährstraße 33 (HistStralsund ID: 1035). Zapnik (2007), S.  103 ff. 460  Die Tuche waren großteils für das Regiment der Obristen Sperlingk angefertigt worden. Sperlingks Regiment gehörte nicht zu den Einheiten, die besonders gut versorgt wurden. Noch 1708 wurde der Wismarer Vizegouverneur durch Generalgouverneur Mellin angewiesen, dem Regiment eine neue Ausrüstung zu gewähren, da dies seit drei Jahren nicht mehr geschehen war (LHAS: 9.1-4, Nr. 2, fasc. 6b, Generalgouverneur Mellin an Vizegouverneur Ridderhielm (R, 21.04.1708). Schröder, S. 711.

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D. Exemplarische Pestkommunikation

Wismar warteten. Kurz darauf meldeten sich der Gewandschneider Tönnies461 und der Kompanie­ verwandte von Thain462 beim Pfundkammergericht und erklärten, dass ihnen die Güter ver­dächtig vorkämen. Sie berichteten, dass die Ware zum Teil in Damm her­gestellt worden war. Kuhlmans Diener sei angeblich kurz vor der Sperrung der Stadt dort gewesen und habe „alles guht eiligst von Damm geholet, und nach Stettien gebracht.“463 Der Vorwurf hätte kaum schwerer sein können und wenn es der Wahr­heit ent­sprach, dass Kuhlman aus Gewinnsucht infizierte Waren verschickte, war Stral­sund von der Seuche direkt bedroht. Der wortführende Bürgermeister Stral­sunds, die Pfundkammerherren und der ganze Rat beratschlagten, was zu tun sei und kamen zu dem Entschluss, dass die Verdächtigungen allein nicht ausreichten. Weitere Unter­suchungen waren nötig. Altermann Michel Rahtcke464 konnte mit einem Frachtbrief Entlastendes vorbringen. Die im Brief gemachten Angaben deckten sich mit Kuhlmans Aussagen, denen­zu­folge die Güter unverdächtig waren.465 Die Denunzianten rückten daraufhin von ihrer Absolutheit ab und mussten zugeben, „daß Sie Zwar nicht sagen Könten, daß alle dieses Guht Zum Damm gemachet, Zum wenigstens sey doch etwas darunter so Zum Damm fabriciret.“466 Den Aufenthalt des Dieners in Damm könnte zudem der Stralsunder Raschmacher Bentzien467 bestätigen. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass Bentzien nicht befragt werden konnte, weil er sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Stadt aufhielt.468 Tönnies und von Thain boten an, nach Stettin zu schreiben, um auf diese Weise ihre Aussagen zu beweisen. Ganz uneigennützig seien sie ge­we­sen, denn „[w]as Sie gethan, hätten Sie des publici halber gethan.“469 Erst jetzt wurde Schiffer Brandt verhört. Er sagte aus, dass alles unverdächtig gewesen sei, er die Stoffe vom Schönfärber Krüger erhalten habe und diese nicht ursprünglich aus Damm stammten. Die Ware sei von mindestens 16 Personen am hellen Tag auf sein Schiff gebracht worden und ihm dabei nicht aufgefallen, dass sie sich dubios 461  Hinrich

Tönnies, Heilgeiststraße (HistStralsund ID: 3005). der Wandschneider Claus von Tien, Alter Markt 15 (HistStralsund

462  Vermutlich

ID: 1051). 463  STAS: Rep. 14, 91, Verhörprotokoll (P, 18.09.1709). 464  Wohl Michel Rathcke / Rahtcke / Rathke / Rathge, Mönchstraße 15, Brauer und Mälzer (HistStralsund ID: 2063). 465  STAS: Rep. 14, 91, Joh. Daniel von Haltern an Michel Rathke (R, 21.09.1709), Johan Kuhlman an Michel Rathcke (R, 25.09.1709). 466  Ebd., Verhörprotokoll (P, 18.09.1709). 467  Wohl der Raschmacher Martin Bentzien, Heilgeiststraße 77 (HistStralsund ID: 1226). 468  STAS: Rep. 14, 91, Verhörprotokoll (P, 18.09.1709). 469  Ebd.



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse321

verhal­ten hätten.  Brandt bekräftigte, dass er verdächtige Güter ohnedies nicht mitge­nom­men hätte. Es ist bezeichnend, dass die Verseuchung Damms in Stralsund Tage vor der offi­ziellen Erklärung der Regierung bereits als Tatsache bekannt war. Erst mit einem auf den 19. September 1709 datierten Brief an die Landesstädte erklärten General­ gou­ verneur und Regierung, dass sie nicht umhin kämen, von den Krankheiten in Damm zu berichten. Anfänglich seien diese als nicht ansteckend eingestuft worden, inzwi­schen waren jedoch Sicherheitsmaßnahmen angelaufen, um mittels Ent­ sendung mehrerer Mediziner, durch Medikamenten- und Lebensmittel­lieferungen die Krank­heiten einzudämmen. Die Maßnahmen hatten nicht den gewünschten Effekt gezeigt und „ohngeachtet aller angewandten Sorgfalt [waren] die dortige Kranckheiten in eine Pestilentzialische Seuche endtlich ausgeschlagen“.470 Als Reaktion auf die Seu­che hatten die Preußen bereits mehrere Postlinien mit Stettin aufgehoben. Des­halb hatte sich die Regierung entschlossen, nach Stralsund zu gehen, um dort „die Landes Angelegenheiten ohne Gefahr besorgen, alß auch die Correspondence mit dem Königreich Schweden und denen benachbahrten Landen mit genugsahmer sicherheit continuiren zu können“.471 Wenige Tage darauf entlastete ein Schreiben des Stettiner Schönfärbers Krüger den ver­ dächtigten Bürgermeister Kuhlman weiter. Krüger bestritt, dass die Laken nach der Sperrung Damms nach Stettin geschmuggelt worden wären, gab aber zu, dass sie aus der Stadt stammten. Allerdings waren sie bereits gewalkt worden und konn­ ten damit gemäß den Befehlen der Regierung eingeführt werden. Interessanter­weise berief sich Krüger wie die Gegenseite auf den nicht anwesenden Rasch­macher Bentzien.472 Der Angeklagte Kuhlman meldete sich eine Woche später selbst zu den Vorwürfen zu Wort. In einem Schreiben an Michel Rathcke erklärte der Bürgermeister die Ange­legenheit aus seiner Sicht. Für den Fall, dass trotzdem noch Auskünfte nötig seien, sollten sich die Stralsunder an seinen Sohn wenden, der in den nächsten Tagen nach Stralsund reiten wollte. Sofern die Gewandschneider ihre Vorwürfe jedoch nicht beweisen könnten, wollte Kuhlman alsbald ein Wagen von Wismar kommen lassen, um die Stoffe abholen zu lassen. Mit Hinweis auf den königlichen Auftraggeber wies 470  STAS: Rep. 13, 589, schwedisch pommersche Regierung an die Stadträte Schwedisch Pommerns (R, 19.09.1709). 471  Ebd. Von den Widerständen, die der Stettiner Rat und die Bürger­ schaft der Flucht entgegen­gesetzt hatten und den Kontroversen innerhalb der Regierung wurde nicht gesprochen. Über die Ver­ hältnisse in Stettin geben die Aufzeichnungen des Regierungsrates Olthoff detailliert Auskunft: STAS: HS 1026, Einträge vom 12.09.1709–28.09.1709 sowie vom 12.09.1710. 472  STAS: Rep. 14, 91, Schreiben des Daniel Krüger (R, 21.09.1709).

322

D. Exemplarische Pestkommunikation

Kuhlman auf die Wichtigkeit des Transportes hin, der keinen Aufschub dulde. Kuhl­man erklärte weiter: „[I]n deßn wirdt man glauben, das wen [ich] die geringste vermuhtung von inficirte wahrn hette, ich mir selber und die Meinign in Keine gefahr […] setzn würde“.473 Er könne versichern, dass die Ware sicher und sowieso nur genau geprüfte Waren in seiner Manufaktur angenommen würden, was auch sein Diener bestätigte.474 Wenig später entschied der Rat, dass die Pfundkammerherren bei Ankunft des Wis­marer Wagens für die Umladung der Laken vom Schiff auf den Wagen sorgen soll­ten. Folglich waren sie übereingekommen, Kuhlman zu glauben. Dies wohl auch, da die Gewandschneider außer ihren Vermutungen keine stichhaltigen Beweise hatten vorlegen können.475 Für die Stralsunder war der Fall damit abgeschlossen. Kuhlman hatte seine Unschuld bewiesen und die fraglichen Waren vollständig ab­transportiert. Anders sah es in Wismar aus, denn auch hier galten Kuhlmans Handels­verbindun­gen als verdächtig. Kurz nach der Ankunft des Landtransportes wandte sich das Tribunal am 27. September 1709 an die vorpommersche Regierung und teilte mit, dass Kuhlmans Laken eingetroffen seien und wohl aus dessen neuer Manufaktur in Damm stamm­ten. Natürlich meldeten die Juristen nicht jedes Fuhrwerk und so muss es die Her­kunft der Waren gewesen sein, welche die Verdächtigung hervorrief. Eine vorherige Kenntnis über die Gefährlichkeit des Transports erscheint unwahr­scheinlich, da das Tribunal die Zwischenzeit in Stralsund nicht ausnutzte und erst nach der Ankunft der Stoffe in Wismar reagierte. Folglich hatte Kuhlman über seine Probleme Stillschwei­gen bewahrt und das Tribunal keine Zuträger aus den Reihen des Wismarer oder Stralsunder Rates. Kuhlmans Handelsinteresse lief dem Sicher­heits­denken des Tribunals zuwider und so fragten die Assessoren bei der Regierung nach, an wel­chem Ort die Laken gemacht seien, ob sie in Stettin aufgeladen und wie lange sie vorher gelegen hatten, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Zur Sicherheit schrieb das Tribunal ebenso an den Stettiner Rat. Inhaltlich identisch un­terscheiden sich beide Schreiben hinsichtlich des Stils beträchtlich, denn das Tribu­nal befahl dem Stadtrat, worum es die Regierung gebeten hatte.476 Vizepräsident Tessin schlug zudem eine direkte Befragung Kuhlmans vor. Ihm wurde zwar von sei­ nen Kollegen entgegnet, „man würde sich auff seine rehde doch nicht verlaßen können“, doch wurde die Anhörung letztlich beschlossen.477 473  Ebd.,

Johan Kuhlman an Michel Rathke (R, 25.09.1709). Joh. Dan. von Haltern an Michel Rathke (R, 21.09.1709). 475  Ebd., Ratsprotokollauszug (R, 27.09.1709). 476  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, königlich schwedisches Tribunal an schwedisch pommersche Regierung (E, 27.09.1709). 477  Ebd., Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 27.09.1709). 474  Ebd.,



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse323

Innerhalb der Stadt wurden auch der Stadtrat und Vizegouverneur Posse ins Ver­ trauen gezogen. Da die Assessoren von der Ungefährlichkeit der Stoffe nicht über­zeugt waren, sollten Rat und Militär sich über die Herkunft weiterer erwarteter Laken erkundigen und diese erst nach dem Beweis der Unverdächtigkeit einlassen. Nicht nur aus Gründen der unmittelbaren Sicherheit war dieses Verhalten notwendig, son­ dern auch, um im Ausland vertrauenswürdig zu bleiben. Es war deutlich, dass „auch vornehmlich dahin zu seyn ist, daß man bey der nachbarschafft, alß welche das augenmerck starck auff diesen ort richtet, außer allem verdacht bleibe“.478 Gemeint waren mit Sicherheit in erster Linie die kurfürstlichen Regierungen in Hannover und Ratzeburg. Dieser Verdacht liegt nahe, denn am gleichen Tag erreichte das Tribunal ein Schreiben der kurfürstlichen Räte in Hannover, in dem diese ausführlich ihre Maßnahmen gegen pestverseuchte Gebiete erklärten.479 Nachdem Rat und Kommandant instruiert worden waren, trat das Tribunal am 1. Oktober 1709 zu einer Sitzung zusammen. Die geladenen Ratsdeputierten be­ richteten von Kuhlmans Vernehmung durch den Rat. Seiner Aussage zufolge waren die Grundstoffe für die Laken und Bojen in Manufakturen in Stettin, Anklam, Wollin und Damm hergestellt worden und zur Weiterverarbeitung nach Stettin ge­kommen.  Kuhlman hatte angegeben, die Stoffe gemäß Verträgen für das schwedische Militär in Wismar angefertigt zu haben und hoffte nun, dass die Einfuhr seiner 100 Laken nicht behindert würde. Außerdem behauptete er, Gesundheits­pässe aus Stettin vor­legen zu können, welches, „wie es in erfahrung gekommen, daß in Damm sich die Contagion auffgegeben, so fort alle Correspondentz, handel und wandel von daher geschloßen“.480 Auf weitere Umstände gingen die Deputierten nicht ein und nutzten die Gelegenheit, sich über die herablassenden Soldatenwachen zu beschweren, die schon mehrfach Transporte nach Wismar eingelassen und die Bedenken der Bür­gerwachen ignoriert hätten. Im geheimen Teil der Sitzung stimmte das Tribunal darin überein, dass Kuhlmans Papiere ausreichend seien, sich der Rat aber wegen der rohen Laken noch einmal 478  Ebd., königlich schwedisches Tribunal an Oberst Posse (E, 27.09.1709) und Wismarer Rat (E, 27.09.1709). 479  Ebd., kurfürstliche Regierung zu Hannover an königlich schwedisches Tribunal (R, 02.09.1709). AHL: ASA, Interna, Pest 4 / 1, kurfürstliche Regierung zu Hannover an Lübschen Rat (R, 02.09.1709). Der Brief ist mit dem Schreiben an Lübeck identisch, in dem der dortige Rat über die im kurfürstlichen Gebiet erlasse­nen Verordnungen in Kenntnis gesetzt wird und diese als Vor­bild für eigene Maßnahmen empfohlen werden. Antwort des Tribunals: STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 27.09.1709) und königlich schwedisches Tribunal an kurfürstliche Regierung zu Hannover (E, 28.09.1709). 480  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokoll des königlich schwedischen Tribunals (P, 01.10.1709).

324

D. Exemplarische Pestkommunikation

erkundigen solle. In gewisser Weise fühlten sich die Juris­ten durch die rätliche Befragung Kuhlmans in ihrer Autorität eingeschränkt, denn ei­gentlich sollte der Rat die Information anderweitig einholen und nicht den Beschul­ digten direkt verhören, was Aufgabe des Gerichts gewesen wäre. Zum ersten Mal zeigten die Assessoren eine Resignation hinsichtlich ihrer eigenen Machtstellung in der Stadt, als sie wegen des Streits zwischen Rat und Oberst feststellten, das „Tribun.[al] richtete bey ihm nichts auß“.481 Zusammen mit den wieder eingetretenen Deputierten beschloss man nun, eine Examensinstruktion aufzusetzen und vom Oberst mitunterzeichnen zu lassen. Nur wenn sich Stadt und Militär nicht einigen könnten, „so müßte Trib. assistiren“.482 Kuhlman wurde gebeten, die Reinheit der fraglichen Tuche durch entlastende Briefe aus Stettin zu beweisen, der Rat sollte ferner Erkundigungen in Stettin nach der Her­kunft und der Lagerdauer der Tuche einholen. Assessor Wagner sprach sich für inof­ fizielle Nachfragen aus und wollte den Stettiner Rat erst nach Eintreffen dieser Nach­ richten informieren. Wie es scheint, hatte Wagner übersehen, dass der Stettiner Rat bereits durch das Tribunal um Mithilfe gebeten worden war und wenige Tage später trafen aus Stettin die vom dortigen Rat angefertigten Verhörprotokolle beim Tribunal ein. Darin bestätigten die vernommenen Tuchscherer und Färber wie auch Kuhlmans Diener die Ungefährlichkeit der Waren. Stettins Rat zeigte sichtlich eine große Be­reitschaft, die Sache aufzuklären. Die Botschaft war deutlich, wenn auch nicht explizit im Schreiben genannt. Stettin wurde als gesunde und sichere Stadt dar­ge­stellt und die Gefahr auf das vollständig abgesperrte Damm beschränkt.483 Etwas länger nahm die Antwort der Regierung in Anspruch, bei der das Tribunal ebenfalls nachge­fragt hatte. Erst nachdem das Gremium Stettin wieder für ungefährlich hielt, kehrte es in die Hauptstadt zurück und beantwortete das Schreiben des Tribunals. Man wisse nichts von einer Verdächtigkeit der Waren und empfahl recht unver­ bindlich eine eidliche Vernehmung Kuhlmans.484 Zu diesem Zeitpunkt waren die Stoffe schon mehr als sechs Wochen außerhalb Stettins und etwa einen Monat in Wismar. In diesen vierzig Ta481  Ebd.

482  Ebd. Intern beschlossen Rat und Bür­ ger­schaft, insgesamt vier Personen anzunehmen und die Errichtung einer Wachhütte vorzusehen, was auch im Sinne des Tribunals war. STAW: Ratsakte 82, Sitzung vom 02.10.1709 und 04.10.1709. 483  STAW: Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Stettiner Rat an König Karl XII. von Schweden (= königlich schwedisches Tribunal) (R, 04.10.1709), Verhörprotokolle (P, 02.10.1709 und 03.10.1709). 484  Ebd., schwedisch pommersche Regierung an königlich schwedisches Tribunal (R, 28.10.1709). Vgl. LAG: Rep. 6, Tit. 50, Nr. 432, Vol. I, pag. 28, Protokoll der schwedisch pommerschen Regierung (P, 17.10.1709).



IV. Regional bedeutsame Einzelereignisse325

gen, die der Dauer ei­ ner regulären Quarantäne entsprachen, hatten sich keine mit den Tuchen in Ver­bin­dung stehenden Krankheits- oder Todesfälle ereignet, womit sich die Unge­fähr­lich­keit von Kuhlmans Waren selbst bewies. Hätte Kuhlman tatsächlich infizierte Stoffe transportiert, so wäre die Reaktion der Regierung viel zu spät erfolgt. Die vor Ort be­findlichen Amtsträger hingegen konnten innerhalb weniger Tage nicht nur innerhalb ihrer Stadt neue Informationen gewinnen, sondern ebenso aus anderen Städten in wenigen Tagen Briefe einholen. Auf diese Weise war es ihnen möglich, angemessen schnell zu reagieren. Die Landesregierung spielte in dieser Hinsicht nur eine Rolle zur nachträglichen Bestätigung der durchgeführten Aktionen. Eine Sonder­ be­ hand­ lung des Großhändlers Kuhlman ist trotz seines königlichen Auftraggebers nicht nachzuweisen. Eine eidliche Versicherung des Bürgermeisters, der immerhin „auf Meine Ehre“ beteuerte, dass die Stoffe ungefährlich waren, genügte nicht.485 Kuhl­mans Meinung wurde sogar von Seiten des Tribunals offen misstraut, da er eigene Interessen verfolgte.486 Stattdessen bedurfte es mehrerer, voneinander unab­ hängi­ger Zeugenaussagen, für deren Einholung mehrere Tage Wartezeit in Kauf genom­men wurden, um einen Transport bzw. eine Weiterverarbeitung der Ware zu gestat­ten. Bei der Behandlung des Falls Kuhlman beschritten Tribunal und Stralsunder Rats­herren verschiedene Wege. Die Stralsunder beschränkten sich auf die Befragung von Kläger und Beklagtem sowie der von diesen benannten Zeugen. Das Tribunal hin­gegen verließ sich nicht auf die Angaben, die ihm von den Konfliktparteien frei­willig zugestellt wurden, sondern weitete die Angelegenheit bewusst aus. Der Wisma­rer Vizegouverneur, die Magistrate in Stettin und Wismar sowie letzten Endes die Landesregierung wurden in die Untersuchungen einbezogen und zur Gewinnung verlässlicher Informationen benutzt. Der Vergleich zwischen Tribunal und Stralsunder Stadtrat bestätigt das Ergebnis aus Kapitel C.II.1, denn bei gleicher Vorraussetzung (pest­ver­dächtige Waren seit kurzem in der Stadt) setzten die Juristen auf weit­räumige, unabhängige Informationsgewinnung, während die Rats­herren nur aufgrund der Aussagen der Konfliktparteien Nachrichten einholten und bekamen.

485  STAS:

Rep. 14, 91, Johan Kuhlman an Michel Rathke (R, 25.09.1709). Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1, Protokolle des königlich schwedischen Tribunals (P, 27.09.1709 und 01.10.1709): „man würde sich auff seine rehde doch nicht verlaßen können“, „man hette nicht H. Kuhlmann selbst zu rede stellen, sondern die Nachricht anderwerts herholen sollen“. 486  STAW:

E. Schlussfolgerungen und Ausblick In den vorangegangenen Kapiteln ist deutlich geworden, dass sich die pestbedingt hervorgerufene Krise massiv auf die Entwicklung der Kommunikation in den fünf Seestädten auswirkte und zur Beeinflussung der vorhandenen sowie zur Entstehung neuer Kommunikationsformen führte. Durch die hier erstmals vorgenommene Gegen­ überstellung von betroffenen und nicht betroffenen Städten konnte gezeigt werden, dass nicht nur die Menschen in tatsächlich verseuchten Gebieten der Be­drohung eine außerordentliche Bedeutung zumaßen, sondern das frühzeitige Wissen über Verbreitungsgebiete der Seuche, Schutzmöglichkeiten sowie die Reaktionen in anderen Territorien eine elementares Bedürfnis war. Bereits beim ersten Bekannt­werden von Pestgerüchten im Januar 1708 begannen die Stadträte eine umfassende Korrespondenz zum Thema, wenngleich zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar war, ob die Seuche je die Ostsee und die Region der fünf Seestädte erreichen würde. Folg­lich genügte der bloße Verdacht einer sich ausbreitenden Seuche, um eine Vielzahl an Kommunikationssituationen zu verändern und neu zu bilden. Warum diese Seuche allerdings ausschließlich Stralsund verheerte, während sie die anderen vier Seestädte unberührt ließ, ist anhand der ausgewerteten Quellen nicht eindeutig zu erklären, denn alle fünf Seestädte waren einem vergleich­baren Gefähr­dungspotential ausgesetzt. Ihre Handels­kontakte verbanden die Menschen gleicher­ maßen mit den besonders gefährdeten Regionen im östlichen Ostseeraum.1 Nicht zuletzt die großen Garnisonen in den schwedisch beherrschten Orten hätten zu einer flächendeckenden Ausbreitung der Epidemie führen können, zumal die Aufnahme pestverdächtiger Truppen wie des schwedischen Armeekorps des Generals Krassow (Kap. D.IV.1) nicht auf Stralsund beschränkt blieb und auch die zeitweise dänische Besetzung Rostocks (vgl. Kap. B.I.3 und D.I.3) zu einem nachweislichen Anstieg problematischer Todesfälle führte. Zudem konnten aller erlassenen Verordnungen zum Trotz während des gesamten Untersuchungs­zeit­ raums Personen und Waren in die Städte kommen, obwohl deren Aufnahme aus seuchenpoliceylichen Gründen strikt verboten war. Warum aber kam es nicht überall zu einem Ausbruch? Womög­lich war die Gefährlichkeit der jeweiligen Vorfälle geringer als befürchtet, vielleicht wurden sie in jedem Fall rechtzeitig entdeckt und die verhängten Quarantäne- und Reinigungs­ 1  Zapnik

(2007), S. 273 f. Vgl. Frandsen (2010), S. 492.



E. Schlussfolgerungen und Ausblick327

aktionen taten ihre Wirkung. Zumindest in Lübeck um die Jahreswende 1710 / 1711 deuten die verdichteten Gerüchte allerdings tatsächlich auf eine begin­nende Seuche hin, welcher die Stadt mehr zufällig entging. Die Verwendung des Dinges’schen Maßnahmenkataloges hat sich für die Unter­su­chung als sinnvoll erwiesen. Es konnte gezeigt werden, dass sich die in Italien und England genutzten Maßnahmen im Ostseeraum wiederfinden und sich zudem die in den fünf Seestädten getroffenen Aktionen unter­ einander stark ähnelten.2 Die fortwäh­rende Kommunikation über verfügte Maßnahmen führte zu einer weitgehend einheitlichen Abwehr­strategie und dies, obwohl einer offiziellen Vereinheitlichung das Selbst­ ständig­ keits­ streben der meisten Obrigkeiten entgegenstand. Entgegen erster Vermutungen besaßen die Unter­schiede im Grad der Betroffenheit und in der politischen wie finanziellen Unab­hängig­keit der fünf Seestädte keinen maßgeblichen Einfluss auf die vorgenommenen Abwehrmaßnahmen. Selbst der un­ mittel­ bare Eindruck einer Epidemie bewirkte keine grundverschiedenen Abwehr­maßnahmen seitens der Obrig­keit. Besonders in Wismar und Stralsund, wo mehrere Machtsphären inner­ halb der Stadt­mauern aufeinandertrafen (Stadtrat, Landesmilitär, Tribunal / Regierung), war der Entscheidungs­prozess oft langwierig und durch die unterschiedlichen Interessen nicht frei von Widersprüchen. Während für die Magist­rate das Wohl der Stadt, ihr guter Ruf als gesunder Ort und der freie Handel im Vor­ dergrund standen, waren Regierungen und Militär territorial orientiert und eher bereit, eigene Städte zu sperren, wenn es für die Sicherheit des ganzen Landes erforderlich schien.  Wie erwartet war die Seuchenabwehr im pestbetroffenen Stralsund am stärksten ausge­ prägt, doch wurden auch in den anderen vier Seestädten große Anstrengun­ gen unternommen, um einen Ausbruch der Seuche zu verhindern. Die zeitliche Ab­folge dieser Bemühungen, ihre Dauer und konsequente Umsetzung variierten nach dem Grad der Bedrohung und den örtlichen, vor allem finanziellen Möglich­keiten. So erforderte die Ausgabe von Gesundheitspässen verhältnismäßig wenig Aufwand und konnte in allen Städten vorgenommen werden. Dahingegen wurden für eine syste­matische Zugangskontrolle und die überwachte Isolierung verdächtiger Personen eigene Bediente benötigt, deren Loyalität und Entlohnung sichergestellt sein musste. Zur Einrichtung von Pestspitälern bedurfte es eines geeigneten Baugrunds oder vor­handenen Gebäudes und diese Voraussetzungen waren nicht in allen Städten erfüllt. Bei der Frage, wer die Kosten der Pestabwehr zu tragen hatte, gab es keine verbind­liche Regelung und so erfolgten Verhandlungen zwischen den Magistraten, den Bür­gerschaften, dem landesherr2  Zum gleichen Ergebnis kommt Annemarie Kinzelbach für die von ihr untersuchten Städte Ulm und Überlingen. Kinzelbach, S.  394 f.

328

E. Schlussfolgerungen und Ausblick

lichen Militär und den Landesregierungen. Am deut­lichsten zeigt sich dieses Manko in Stralsund, wo Rat und Collegium Sanitatis noch während der Epidemie untereinander stritten, so dass ein schnelles und konsequen­ tes Handeln nicht möglich war. Die mit teilweise großen Anstrengungen eingeführten Maßnahmen wurden mit dem Ende des Seuchenzuges um 1713 wieder aufgehoben. Ohne unmittelbare Bedro­hung und ständig neue Informationen über die sich ausbreitende Seuche wurden Pestwachen und -barbiere entlassen, Pestbetstunden eingestellt, Sanitätskollegien aufgelöst, Quarantäne­baracken abgerissen und auch die auf­wändigen Räucherungs- und Waschaktionen beendet. Als keine neuen Nachrichten über die Seuche mehr eintrafen, verschwand die Angst in den fünf Seestädten aus dem Alltag. Kommunika­tionstheoretisch bedeutete dies ein Versiegen des Informations­ flusses. Da es nichts mehr gab, was als Mitteilung verstanden werden konnte, fand keine Anschlusskom­ munikation mehr statt und das komplexe Kommunikationssystem der Pestabwehr hörte folgerichtig auf zu existieren.3 Mithilfe der in Kapitel C vorgenommenen Untersuchungen konnte erstmals eine Ge­samtschau aller für die Pest­kommunikation relevanten Medientypen gegeben und in Kapitel D.IV anhand mehrerer Beispiele überprüft werden. Es zeigte sich, dass zur Informierung und Beeinflussung von Obrigkeiten wie Bevölkerung eine Vielzahl an Mediatoren und Medien zur Verfügung stand. Der Einsatz dieser Personen und kommunikativen Mittel unterschied sich je nach Interessenlage und Möglichkeiten. Während der Lübsche Rat Zeitungen für die Verbreitung seiner Gerüchtedementi nutzte und damit ein großes Publikum erreichte, vermied das Tribunal explizit jegli­che Öffentlichkeit und setzte stattdessen schwedische Gesandte ein, um seine Ziele im Geheimen durchzusetzen. Die in Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald durchgeführten Betstunden dagegen boten die Möglichkeit, verunsicherte Einwohner zu beruhigen, wohingegen Dankgottesdienste das förmliche Ende einer Epidemie bedeuteten, nach dem eine Wiederaufnahme des freien Handels und ungestörte Postrouten erwartet wurden. Mit standardisierten Befragungen und gezielten Verhören verschafften sich alle Stadträte einen durchgehenden und aktuellen Informationsfluss, der durch regel­mäßige Berichte anderer Amtsträger ergänzt wurde. Die gewonnenen Informationen wurden der Bevölkerung in Form mündlicher Abkündigungen, schriftlicher Verord­nungen, dem bloßen Vorhandensein bestimmter Pestbedienter oder – gänzlich wortlos – mittels Schaubildern und Bauwerken kundgetan. Die Bewohner äußerten sich hingegen entweder unfrei3  Dem gegenüber nahm das 1710 errichtete Berliner Pesthaus eine andere Entwicklung. Es wurde nach dem Ende der Epidemie nicht aufgelöst, sondern blieb weiterhin bestehen und entwickelte sich zur heutigen Großklinik der Charité. Fischer.



E. Schlussfolgerungen und Ausblick329

willig bei Befragungen, gaben mit Suppliken ihren Un­ mut schriftlich bekannt oder unterliefen die strengen Seuchengesetze und zeigten auf diese Weise ihre Einstellung zu den erlassenen Maßnahmen.  Eine über die akute Gefahr hinausgehende Bedeutung und ein Eingang in das kultu­relle Gedächtnis kamen dem Seuchenzug um 1710 nicht zu.4 Es kam nicht zur Etablierung regel­mäßiger Gottesdienste oder gar Prozessio­ nen, die über das Pestende hinaus stattfanden und auf die überstandene Gefahr hinwiesen. Hierin un­ terschieden sich die lutherischen Ostseestädte von katholisch geprägten Gebieten, in denen diese Form der Erinnerung vielfach üblich war.5 Ferner wurden keine dauer­haften pestbezogenen Bauwerke errichtet, Kunstwerke gestiftet oder Inschriften installiert, die, wie etwa die bekannte Pestsäule in Wien oder Il Redentore in Venedig, dauerhaft an ein Ende der Bedrohung erinnerten.6 Selbst die Prägung einer Gedenkmünze, wie sie auch in protestantischen Gebieten nach überstandener Pest vorkam, unterblieb in Stralsund, wohl nicht zuletzt wegen des kriegsbedingten finanziellen Unvermögens.7 Deutlich zeigt sich der Unterschied zwischen den einer starken Landes­ herr­schaft unter­geordneten Städten Wismar, Stralsund und Greifswald und der Freien Reichs­stadt Lübeck. Eine Zwischen­stellung nimmt der Rostocker Rat ein, welcher der zum Herzogtum Mecklenburg-Schwerin gehörenden Stadt auch unter dem Eindruck der Seuche eine weitgehende Unabhängigkeit bewahren konnte. 4  Zum Begriff des kulturellen Gedächtnisses und zur Bedeutung der Memoria in vormodernen Gesell­ schaften vgl. die Arbeiten von Jan Assmann, zuletzt: Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, 6. Auflage, München 2007 sowie den For­ schungsüberblick von Andreas Pečar (Pečar, S.  257 f.). 5  Ulbricht, Einleitung, S. 1–6 und 11. 6  Schmölzer, S. 174–177. Einen baulichen Niederschlag fand auch die Kriegsbedrohung kaum, die nur in Stralsund durch eine Inschrift auf dem äußeren Tribseer Tor festgehalten wurde: „Ternis invicta coronis [„von drei Kronen unbesiegt“ – Übers. ccw], ward nach her, auf das aussere Tribseer Thor gesetzet“. STAS: HS 384, S. 131. Vgl. Schmidt, Regula: Öffentliche Geschichte. Kom­munale Inschriften in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Schlögl, Rudolf (Hrsg.): Interaktion und Herr­schaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt (Historische Kulturwissenschaft 5), Konstanz 2004, S. 409–448. Schlögl, S.  49 f. 7  Vgl. Schmölzer, S. 184. Auf die Möglichkeiten, Gedenkmedaillen aus dem begrenzten Um­feld der Sammler zu einem breiten Mittel staatlicher Propaganda zu machen, hat kürzlich Christiane Vogel hingewiesen. Vogel, Christine: „Evenements mémorables“. Mediale (Selbst-)Inszenierung des Parlements de Paris in der Auseinandersetzung mit Ludwig XV., in: Vogel, Christine / Schneider, Herbert / Carl, Horst (Hrsg.): Medienereignisse im 18. und 19. Jahrhundert. Beiträge einer interdis­ ziplinären Tagung aus Anlass des 65. Geburtstages von Rolf Reichardt (Ancien Régime. Aufklärung und Revolution 38), München 2009, S. 19–32.

330

E. Schlussfolgerungen und Ausblick

Nachweislich führte die Seuche zur Herausbildung eigener Kommunikationsmittel. Pest­wachen an den Stadttoren und Landesgrenzen, Strandreiter und Pestbarbiere waren deutlicher Ausdruck einer die Gefahr erkennenden und ihrer Aufgabe als für­sorgende Obrigkeit gerecht werdenden Herrschaft. In diesem Sinne dienten viele Maß­ nahmen nicht nur der medizinischen Vorsorge, sondern waren zugleich eine Legitimation der Regierenden. Ungeachtet der auftretenden Differenzen existierte ein enges Netz regelmäßiger Nach­richten­weitergabe. Benachbarte Obrigkeiten, befreundete Landesherrschaften und weit entfernte Handelspartner wurden über neue Informationen in Kenntnis ge­ setzt, wodurch das eigene Maß an überlegener, frühzeitiger Wohlinformiertheit und der gute Wille gegenüber dem Adressaten kund getan wurde, wenn dieser ins Ver­trauen gezogen wurde. Für die zu treffenden Entscheidungen waren verlässliche In­formationen unabdingbar. Zwischen den Obrigkeiten der Territorien und Städte be­stand ein Korrespondenznetz, das für jede Stadt in Reichweite und Dichte unter­schiedlich ausgeprägt war. In allen Seestädten lässt sich ein unmittelbarer Zusam­ menhang zwischen der Häufigkeit des obrigkeitlichen Schriftverkehrs und den Epi­demien in Danzig (1709) und Pommern (1710 / 1711) feststellen, der dann seine Hö­ hepunkte erreichte, wenn in den betroffenen Gebieten die Seuche am stärksten wü­tete. Es hat sich dabei gezeigt, dass die obrigkeit­ lichen Kommunikations­netzwerke nicht autonom funktionierten, sondern ein reger Austausch mit anderen sozialen Systemen bestand. Die meisten Nachrichten wurden von untergeordneten Amtsträ­gern eingezogen, welche zum regelmäßigen und ausführlichen Berichten verpflichtet waren. Häufig waren sie extra wegen der Seuchengefahr angestellt worden (z. B. Pestwachen, Strandreiter, Krankenbarbiere) oder wurden über ihre normalen Dienst­ pflichten hinaus in die Pestabwehr eingebunden (z. B. Hafenvögte). Von großer Be­deutung waren weiterhin die in Zeitungen publizierten Nachrichten, die zudem einer breiten Öffentlichkeit zugänglich waren, mit deren Meinung sich die Obrigkeiten aus­ einandersetzen mussten. Zum anderen stellten verwandtschaftliche wie berufliche Beziehungen eine viel genutzte Quelle dar, mit deren Hilfe Informationen erlangt bzw. überprüft wurden. Diese Informationen beeinflussten das Verhalten der fünf Stadträte und des Tribunals maßgeblich, womit die eingangs formulierte Vermutung, dass den nichtoffiziellen Nachrichten und Gerüchten eine entscheidende Rolle zu­ kam, bestätigt wird. Die angenommene engere Zusammenarbeit der fünf Seestädte gegen die gemein­same Bedrohung hat sich hingegen ebenso wenig erhärtet wie ein bewusstes An­knüpfen an hansische Traditionen. Die in den ersten beiden Jahren der Bedrohung durch den Lübschen Rat initiierten Vereinheit­ lichungsbestrebungen zielten auf den gesamten Ostseeraum und konzentrierten sich keineswegs nur auf das Gebiet des alten wendischen Hanse­quartiers.



E. Schlussfolgerungen und Ausblick331

Die anzutreffenden Appelle an den gemeinen Nutzen und die Aufrecht­ erhaltung des freien Handels in der Region bezogen sich ebenfalls nicht auf ein exakt definiertes Gebiet, sondern waren ein eher vages Kon­strukt einer individuellen Nach­ bar­ schaft, welche in erster Linie die nach allen Rich­ tungen unmittelbar benachbarten Orte einschloss. Entgegen der Lübschen Ambitio­nen erkannten selbst die Ratsherren dieser Stadt im weiteren Verlauf der Seuche das Vorbild der kurfürstlichen Regierungen in Hannover und Ratzeburg an, welche ihre Verordnungen mit dem Rückhalt ihrer wirtschaftlichen wie geographischen Schlüsselstellung und eines stehenden Heeres teils mit diplomatischer Höflichkeit, teils mit offener Drohung auch bei anderen Obrigkeiten durchsetzten. In ähnlicher Weise nutzten der dänische König sowie die Gottorfsche Regierung die Seuche, ihre politische Stellung gegenüber den Städten in Schleswig und Holstein zu verbes­sern.8 Statt einer städteübergreifenden Kooperation führten die Verantwortlichen auf territo­rial­staatlicher Ebene einheitliche Schritte durch, wie das Verhalten des schwedischen Reichsrates, der Regierungen Mecklenburg-Schwerins und Schwedisch Pommerns sowie der jeweiligen Landtage zeigen.9 In Lübeck musste bald erkannt werden, dass die eigene Autorität nicht zur Durchsetzung der erhofften Standards ausreichte. Zwar wurden für die nach Lübeck kommenden Personen und Waren in den Abreise­orten die Papiere so ausgefertigt, wie es nötig war, um in Lübeck eingelassen zu werden, doch existierten keine ostseeweit gleichmäßigen Formulare. Nur mit dem Hamburger Rat konnten einheitliche Anforderungen an die zwischen beiden Städten verkehrenden Personen und ihre Reise- sowie Warenpässe erreicht werden. Die ohnehin enge politische und ökonomische Beziehung beider Städte erwies sich an dieser Stelle als tragfähig und bewirkte eine anhaltende Kooperation. Wenngleich Lübeck seine seuchenpoliceylichen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte und eine politische Dominanz endgültig der Vergangenheit angehörte, so blieb die Travestadt dennoch das qualitative 8  Gaul

(2005), S. 226. Rolle die norddeutschen Reichskreise bei der Seuchenbekämpfung besaßen, bleibt vor­erst offen. Entgegen der Ansicht von Werkstetter scheint sich der Reichstag ebenfalls mit der Aus­arbeitung einer Pestordnung befasst zu haben, worauf ein Schreiben aus Lübeck hindeutet: „[…] auch hat uns der H[err] Elsperger [Vertreter Lübecks beim Reichstag] ohnlengst von regenspurg ein project der reichsinstruction communiciret, worin wir von dem See commercium nichtes finden […].“ AHL: ASA, Interna, Pest 8 / 3, Lübscher Rat an Hamburger Rat (E, 01.06.1712). Vgl. Werkstetter, Christine: „…auß Wohlmeinender Vorsorg vor deß gesamten Creises Wohlfahrt“. Gesundheitspoliceyliche Maßnahmen des Schwäbischen Reichskreises in Zeiten der Pest, in: Kießling, Rolf / Ullmann, Sabine (Hrsg.): Das Reich in der Region während des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Tagung des Memminger Forums für Schwäbische Regionalgeschichte (24.–26.10.2003) (Forum Suevicum 6), Konstanz 2005, S. 225–257. 9  Welche

332

E. Schlussfolgerungen und Ausblick

wie quantitative Zentrum der Informationsverteilung im süd­west­lichen Ostseeraum. Als Drehpunkt zahlreicher wirtschaftlicher Verflechtungen und neutraler, unabhängiger Machtfaktor im Nordischen Krieg blieb die Stadt für be­ nachbarte und entfernte Herrschaften sowie Kaufleute und andere, nichtobrigkeitli­che Personengruppen interessant, so dass die weitreichendsten und intensivsten Korrespondenznetze hier zu finden sind. Bei aller notwendigen Rücksichtnahme auf andere Obrigkeiten blieb der Lübsche Rat in seinen Entscheidungen frei, wohingegen die anderen vier Magistrate ihren Lan­desherren unterworfen waren. Die jeweilige Abhängigkeit von der Regierung hatte dabei einen starken Einfluss auf die Kommunikationsmöglichkeiten. Anhand der aus­gewerteten Quellen ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Je kleiner das Herr­schaftsgebiet, desto intensiver der Austausch zwischen Regierung und Stadträten im Bereich der Pestkommunikation. Am deutlichsten ausgeprägt waren die Unfreiheit des Wismarer Rates, dem durch das Tribunal fast ausschließlich innerstädtische Aufgaben zugewiesen wurden und die relative Freiheit der Rostocker Ratsherren, die nicht nur direkt mit dem dänischen König korrespondierten, sondern sich auch An­weisungen ihres Herzogs widersetzten.10 Beim Vergleich der Bewertung von Pestnachrichten finden sich deutliche Abwei­chungen. Offiziell wurde jedes Gerücht abgestritten und im Interesse des freien Han­ dels die Gesundheit der eigenen Stadt als unumstößliche Wahrheit präsentiert. Im vertraulicheren Bereich von Gremiensitzungen, Gesandten- und Privatbriefen wurden die Nachrichten jedoch nicht rundweg geleugnet und teilweise sogar zugegeben. Diese Ungleichheiten der verschiedenen Interessenlagen sowie die teils gegen­sätz­li­chen Reaktionen auf Pestgerüchte sind keine Eigenheit der untersuchten Seestädte, sondern bestätigen die von Christine Werkstetter für Regens­burg, Augs­burg und Wien vor einigen Jahren heraus­gearbeiteten Erkenntnisse, wo Stadtrat, Reichstag bzw. der Kaiser und seine Regierung mit ihren jeweiligen Kommu­ni­ka­tions­ netzwer­ken aufeinandertrafen.11 Durch die Zurückweisung bestimmter auswärtiger Personengruppen förderten die Obrigkeiten gezielt das Gefühl einer Gemeinschaft in den Städten bzw. im Territo­rium gegen die als gefährlich erkannten Auswärtigen. Hierdurch wurde die Überzeu­gung gestützt, es handele sich bei der Pest ausschließlich um eine von auswärts einschleppbare Gefahr, so dass in der 10  AHR: 1.1.3.15 – 140 sowie 159, Rostocker Rat an Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (E, 22.10.1710) und an Baron von Putbus (E, 22.10.1710). Im Streit um den von Rügen geflohenen Baron von Putbus weigerten sich die Rostocker, den vom Herzog ausge­ stellten Reisepass anzuerkennen und brachten die Angelegenheit sogar vor den Reichshofrat in Wien. 11  Werkstetter, Pest, S. 270–278. Zapnik (2007), S. 274. Vgl. Höhl, S.  283 f.



E. Schlussfolgerungen und Ausblick333

Bevölkerung vorhandene Ängste kanalisiert werden konnten.12 Die gemeinsame Bedrohung wurde dann wie selbstverständlich mit unliebsamen sozialen Gruppen verbunden, deren Anwesenheit aus verschiede­ nen Gründen unerwünscht war. Der Verdacht richtete sich gegen diejenigen, die auf­grund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihres Gewerbes anders als die Bevölke­ rungsmehrheit waren und damit gefährlich erschienen. Die Beurteilung der Gefähr­lichkeit war wiederum von den jeweiligen Interessen des Beurteilenden abhängig. In den meisten Herrschaften waren jüdische Händler unerwünscht, nicht jedoch bei de­nen, die über Schutzgelder oder sonstige Abgaben von ihnen profitierten. Ein Soldat galt vor allem im Aus- und Feindesland als Pestüberträger, doch auch wer gezwun­gen war, befreundete Truppen in der eigenen Stadt aufzunehmen, betonte deren Gefährlichkeit gegenüber der Landesregierung, vermied aber sorgsam, dies in der Öffentlichkeit zu tun, um nicht selbst als suspekt zu gelten. Selbst für Bettler gab es Differenzierungen. Man unterschied fremde und damit schlechte Bettler, die eine Last für das Gemeinwesen waren und die einheimischen Armen, die selbst ohne festen Broterwerb Teil der Stadtgesellschaft blieben.  Weiterhin konnte gezeigt werden, dass dem Vorhandensein eines ungestörten Post­verkehrs eine große Bedeutung beigemessen wurde und dies für das Ausland ein entscheidender Indikator für die Sicherheit einer Region war. An der Frage unge­störter Korrespondenz entschied sich, ob eine Stadt auswärts als verdächtig oder ungefährlich eingestuft wurde. Es ist festzuhalten, dass auch mit verdächtigen Städten und Regionen ein Austausch von Informationen stattfand. Notwendigerweise wurden Postrouten verlegt und die Beförderung von Personen zeit­weise eingestellt, doch blieb der Briefverkehr aufrecht erhalten und selbst mit betroffenen Städten gab es unter Beachtung bestimmter Sicherheits­maß­nahmen einen Austausch.13 Die vorliegende Arbeit konnte im Bereich der fünf Seestädte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald sowie einiger angrenzender 12  In der Regel werden in den betroffenen Städten nachträglich einzelne Personen ausgemacht, denen die konkrete Übertragung der Seuche angelastet werden konnte. Vgl. Frandsen (2010), S. 491. Zapnik (2007), S. 128. Gaul (2005), S. 124 ff. Vgl. Kinzelbach, S. 395. 13  So etwa auch im 1713 pestbetroffenen Regensburg. Werkstetter, Pest, S. 277. Vgl. zum eingeschränkten, aber unausgesetzten Reise- und Handelsverkehr Nördlingens in Pestzeiten Sturm, Patrick: „[…] dass die burger niemanden frembden, dern orten die pestis regiert, ohne eins erbarn raths wißen unnd bewilligen, sollen einemen“ – Theorie und Praxis von Fluchtaktionen vor der Pest am Beispiel der Reichsstadt Nördlingen, in: Wahrmann, Carl Christian / Buchsteiner, Martin / Strahl, Antje (Hrsg.): Seuche und Mensch. Herausforderung in den Jahrhunderten. Ergebnisse der internationalen Tagung vom 29.–31.10.2010 in Rostock (Historische Forschungen 95), Berlin 2012, S. 187–209, hier S. 203 f.

334

E. Schlussfolgerungen und Ausblick

Herrschaften wichtige Fragen zum Einfluss der Pestkrise auf die Kommunikation beantworten und damit zur weiteren Erforschung dieser Epidemie beitragen. Aufgrund der Konzentration auf städtisches Gebiet bleiben jedoch weiterhin offene Fragen. So ist etwa unklar, wie sich die Pestkrise im ländlichen Umfeld auswirkte und welche Ausprägung spezifi­scher Kommuni­ka­ ti­ons­arten in Dörfern und Landgütern genutzt wurden.14 Ermög­lichte etwa die Konzentration von Herrschaft in der Hand weniger Entscheidungs­träger vor Ort (Dorfschulzen, Vögte, Gutsherren, Pastoren) eine effektive Seuchen­ abwehr oder waren der Mangel an Bedienten und Ressourcen sowie die Ferne des Herrschers eher ein Hindernis? Die von Bodil E. Persson, KarlErik Frandsen und Katrin Möller-Funk begonnene Untersuchung dieser weiträumigen Gebiete könnte bei ent­ sprechender Quellenlage die in den Städten gewonnenen Erkenntnisse fruchtbar kontrastieren.15 Zweifellos existierte im Bewusstsein von Obrigkeiten und Bevölkerung die Erkennt­nis, dass ein Handeln notwendig sei, um der Seuche erfolgreich zu begegnen, doch verhinderte politisches Misstrauen eine umfassende Zusammen­arbeit. Die Beschäfti­gung mit einer Region, die durch einheit­ liche Verwaltungs­strukturen geprägt war, dürfte die Ergebnisse aus der eher kleinteiligen politischen Situation des südwestli­chen Ostseeraums sinnvoll ergänzen. Denkbar sind hierbei Studien zu verfassungs­ gemäß absolutistischen Ländern wie Schweden und Dänemark oder zu ausgedehn­ ten Flächenstaaten wie England und Frankreich, in denen Vorstellungen der Herr­ schaft vermutlich vereinfachter umge­setzt werden konnten.16 Ein Schwerpunkt der weiteren Beschäftigung mit der Pest um 1710 sollte die weitere Unter­suchung der im Ostseeraum betroffenen Regionen sein, um die noch beste­henden Defizite zu beheben und den wirtschaftlich wie politisch zusammen­hängen­den, dabei gleich­wohl überschaubaren Großraum 14  Vgl. Schwerhoff, Gerd: Kommunikationsraum Dorf und Stadt. Einleitung, in: Burkhardt, Johannes / Werkstetter, Christine (Hrsg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (Historische Zeit­ schrift, Beihefte N. F. 41), München 2005, S. 137–146. Freitag, Werner: Die Kirche im Dorf, in: Burkhardt, Johannes / Werk­ stetter, Christine (Hrsg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neu­zeit (Historische Zeitschrift, Beihefte N. F. 41), München 2005, S. 147–157. Die allgemein zur Verfü­gung stehenden Abwehrmaßnahmen dürften dieselben wie in den Seestädten gewesen sein. Kirsten Renate Seelbach behauptet in diesem Zusammenhang, „[d]ie Unterschiede zwischen Stadt und Land […] sind minimal“, doch erscheint etwa im ländlichen Umfeld wegen der höheren Analphabetenquote eine größere Gewichtung der mündlichen Kommunikation wahrscheinlich. Seelbach, S. 432. 15  Frandsen (2010). Persson (2001). Persson (2006). Möller-Funck. 16  Im Gegensatz dazu befasste sich der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches zwar mit der Seuche, initiierte aber keine das ganze Reich umfassenden Gesetze, sondern beschränkte sich auf örtliche und regionale Maßnahmen. Werkstetter, Pest, S. 277. Gaul (2005), S. 224–233.



E. Schlussfolgerungen und Ausblick335

umfassend auszuleuchten. Eine engere Zu­sammen­arbeit innerhalb der nationalen Fachdisziplinen wäre hierbei von Vorteil, wobei an diesbezügliche Vorarbeiten eines an der Universität Rostock ge­planten Forschungsverbundes unter Beteiligung deutscher, dänischer, schwedischer, polnischer und estnischer Wissenschaftler angeknüpft werden könnte.17 Besonde­res Augenmerk kann auf den ländlichen Raum gelegt werden, der bislang zugunsten der besseren Quellenlage in den (See-)Städten vernachlässigt wurde. Als zweiter Schritt wäre die europaweite Aufarbeitung dieses Seuchenzuges möglich. Die Ar­beiten von Christine Werkstetter, Hilde Schmölzer und Carolin Porzelt haben gezeigt, dass nicht nur die Auswertung norddeutscher und skandinavischer Archive neue Er­ kenntnisse verspricht.18 Der europaweite Schrecken und die der Seuche im 18. Jahrhundert letztmalig gewährte Aufmerksamkeit könnten im Vergleich mit den neuen Bedrohungen von Cholera und Tuberkulose und den ihnen eigenen Kommu­ nikationsarten sichtbar gemacht werden.

17  Siehe hierzu die Beiträge von Stefan Kroll, Hans-Uwe Lammel, Bodil E. B. Persson, Karl-Erik Frandsen, Jörg Zapnik und Karsten Labahn in Kroll / Krüger sowie Frandsen (2010), S. 11 f. 18  Werkstetter, Pest. Werkstetter, Vorsorg. Porzelt. Schmölzer.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Quellen 1. Unveröffentlichte Quellen Archiv der Hansestadt Lübeck (AHL) Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 2  /  2

Die Pest in Polen, Schlesien und Obersachsen; Bescheinigungen über Nichtbefall von Krankheit, 1707–1708

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 1

Gedruckte Pestordnungen 1709–12, Lübeck, 1709–11

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 2

Gedruckte Pestordnungen 1709–12, Fürstentum Lübeck, 1710–12

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 3

Gedruckte Pestordnungen 1709–12, Braunschweig-Lüneburg, 1709–12

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 4

Gedruckte Pestordnungen 1709–12, Bremen, 1710

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 5

Gedruckte Pestordnungen 1709–12, Dänemark-Schleswig-Holstein, 1710–12

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 6

Gedruckte Pestordnungen Mecklenburg, 1710

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 3 / 7

Gedruckte Pestordnungen 1709–12, Preußen, 1712

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 4 / 1

Die Pest in Polen, Preußen und Pommern 1709–1710, Übergreifen der Pest von Polen auf Preußen und Hin­ ­ terpommern; Lübecker Verkehrsmaß­regeln, 1709

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 4 / 2

Erlöschen der Seuche in Preußen, Auftreten in Stettin, Januar–Juni 1710

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 5 / 1

Pestgefahr aus dem Baltikum 1710, Die Pest in Kurland und Livland; Maß­nahmen in Mecklenburg, Braun­schweig-Lüneburg, Lübeck und Ham­ burg pp., Juli–Oktober 1710

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 5 / 2

Pestgefahr aus dem Baltikum 1710, Gerüchte über Pestfälle in Lübeck; Maßnah-

1709–12,



I. Quellen337 men in Lübeck und Nachbar­ländern, Oktober–Dezember 1710

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 6 / 1

Sanitäts-Offizium, Krankenzet­tel, 1710– 1711

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 6 / 2

Maßnahmen in Lübeck und ander­wärts; Vermutung von Gerüchten, Januar 1711

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 6 / 3

Erlöschen der Pest im Baltikum; Auf­treten von Flecktyphus in Friedland (Mecklenburg-Strelitz), Jan.–Febr. 1711

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 6 / 4

Weitere Verständigung über die Lage und über Maßnahmen in Handel und Verkehr, 1711 (Febr. / Mai)

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 7

Auftreten der Pest in Dänemark u. Schweden; Seuchenfälle in Holstein; Gerüchte über Lübeck, Juni–Dez. 1711

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 8 / 1

Pestanstalten zu Krummesse, Krons­forde u. bei den Stecknitzschleusen, 1711–1713

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 8 / 2

Abflauen der Pest in Dänemark u. Schweden; Pestfälle in Oldesloe, Januar–Mai 1712

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 8 / 3

Neue Pestfälle in Kopenhagen, Stockholm u. in Holstein (Hölzern­klinke), April–Juli 1712

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 9 / 1

Fortschritte der Pest in Schleswig-Holstein (Rendsburg, Glückstadt, Stade, Krempe), Juli–Oktober 1712

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 9 / 2

Pestfälle in Neumünster, Oktober 1712– Januar 1713

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 9 / 3

Vorbeugung gegen Ansteckungs­gefahr im Handel; Holländische Sicherungsmaßnahmen gegen Lübeck, Februar 1713–Juli 1713

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 10 / 1

Die Pest in Hamburg, August–Oktober 1713

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 10 / 2

Pestverdacht auf Altona u. Lübeck; Nachrichten über Riga u. Reval, Oktober 1713–Januar 1714

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 11 / 1

Lübeckische Postierung in den Vier­landen wegen der Pestseuche in Hamburg, 1713

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 11 / 2

Postierung (Fortsetzung); Pestfälle in Kirchwärder u. Maßnahmen seit deren Auftreten, 1713–1714

338

Quellen- und Literaturverzeichnis

Altes Senatsarchiv, Interna,   Physikat 8,3

Physikus Dr. med. Joh. Gottfried Borgede (Borgehl), 1713)

Altes Senatsarchiv, Interna, Pest 65 / 2

Viehseuchen im 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, Ausfall des Stral­ sunder Jahrmarktes wegen der Vieh­seuchengefahr, 1709

Altes Senatsarchiv, Interna, Postwesen 2  /  1

Inhaftsetzung des Postreiters Hinrich Thomsen wegen unziemlicher Reden, 1710

Altes Senatsarchiv, Interna,   Kaiserliche Residenten beim   Nieder­sächsischen Kreis 2, 8

Resident Cardinal Damian Hugo Graf von Schönborn, dessen Beglaubigung u. Abberufung, 1708–16

Altes Senatsarchiv, Externa,  Ruthenica 98

Acta die Abberufung der bei den Hauptstädten accreditirten Russisch Kaiser­ lichen Residenten v Böttcher betr: 1732, item Correspondenz mit demselben, 1710–1732

Stadtcassa, Postwesen 494

Neue revidierte Ordnung der zwischen Lübeck und Hamburg täglich fahren­ den ordinairen Reige- und Neben-Wagen (Druck), 1709

Zentrale Einrichtungen, Kanzlei,   Rats-(Senats-)protokolle, I. Serie

1710

Stadtarchiv Wismar (STAW) Ratsakte 82

Protokollbuch zu den Verhandlungen zwischen Rat und Bürgerschaft, 1703–1710

Ratsakte 83

Protokollbuch zu den Verhandlungen zwischen Rat und Bürgerschaft, 1710–1713

Ratsakte 3706

Demolierung des Schandpfahls – Kaak genannt – auf dem Markt, 1799

Abt. III, I, 6, 14

Ratsverordnungen, 1700–1736

Abt. III, I, T 16, 496

Prozeßakten 1690–1750

Abt. III, XIX, 2, 6

Pest in Polen, 1704, 1708–1710

Abt. III, XIX, 2, 7

Acta betreffend Vorsichtsmaßregeln, wegen der im Holsteinischen herr­ schenden Pest, 1712

Abt. IV, 1, a, Loc II n. 17

Pest Acta, 1712

Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 1

Pest Acta wobey ob connectatem mit zu finden was wegen Einquartierung der Marschalckschen Dragoner vor­gekommen

des

Magistratsgerichts,



I. Quellen339 item was wegen der Bett-Stunden verordnet worden, 1682–1715

Abt. IV, 1, a, Loc II n. 18, 2

Pest Acta wobey ob connectatem mit zu finden was wegen Einquartierung der Marschalckschen Dragoner vor­gekommen item was wegen der Bett-Stunden verordnet worden, 1682–1715

Abt. IV, 1, a, Loc XIII n. 23, Vol. II

Nachricht wegen der Kirchengebete, Dancksagungen, Bueß-, Beth- und FastTagen in Wismar, Poel und Neucloster, 1656–1713

Abt. IV, I, B, 3723

Prozeßakten des Tribunals, 1653–1803

Abt. IV, I, B, 3733

Prozeßakten des Tribunals, 1653–1803

Abt. VI, 5, A, 18

Rats- und Konsulatsprotokolle, 1708–1709

Abt. VI, 5, A, 20

Rats- und Konsulatsprotokolle, 1710–1711

Abt. VI, 5, A, 22

Rats- und Konsulatsprotokolle, 1712–1713

Ratsakte VIII, 2, 1

Einführung des Tribunals, 1653

Archiv der Hansestadt Rostock (AHR) 1.1.3.0 – 17

Rostocker Sammelbände

1.1.3.0 – 18

Rostocker Sammelbände

1.1.3.2 – 109

Ratsprotokolle, 1705–1708

1.1.3.2 – 110

Ratsprotokolle, 1709–1711

1.1.3.5.2 – 82

Medizinalwesen, 1624–1914

1.1.3.11 – 68

Mecklenburgische Verordnungen we­ gen Bettlern, Landstreichern, Wan­ derburschen, Zigeunern und losem Gesindel, 1545–1801

1.1.3.15 – 133

Maßnahmen gegen das Einschleppen von Seuchen, 1669–1793

1.1.3.14 – 140

Verweigerung der Einreise für den Baron von Putbus nebst Familie und Gesinde wegen in Stralsund aufge­tretener Seuche, 1710

1.1.3.15 – 158

Verhinderung des Einschleppens der Pest, 1705, 1708–1709

1.1.3.15 – 159

Verhinderung des Einschleppens der Pest, (1709) 1710

1.1.3.15 – 160

Verhinderung des Einschleppens der Pest, 1711–1713, 1716

1.1.3.20 – 115

Auswärtige Märkte, 1624, 1665, 1703–1773

1.1.3.22 – 287

Kaak (Schandpfahl), 1701–1796

1.1.3.22 – 288

Galgen vor dem Steintor, 1707, 1772–1804

1.1.3.25 – 205

Bei den Stadtbauten beschäftigte Handwerksgesellen und Arbeiter, 1708–1809

340

Quellen- und Literaturverzeichnis

Universitätsarchiv Rostock (UAR) R I B 10

Akademische Reise- und Gesund­heitspässe, 1599–1830

R XVI 7

Zeitungsdruck und Zensur, 1658–1853

Stadtarchiv Stralsund (STAS) HS 384

Tagebuch des Klosterschreibers Jürgen Drews, 1687–1720

HS 583

Sundensia. Sammlung von Nachrich­ ten zur Geschichte der Kirchen, Klös­ter, Stiftungen, Schulen, Einrichtun­gen, Gebäude, Feste, Ereignisse und Naturkatastrophen, 1882

HS 1026

Nachlaß Olthoff, Persönliche Auf­ zeichnungen und Berichte des Regie­rungsrates Olthoff, 1708–1716

Rep. 3, 5340

Der Nachlaß des Schneiders Ulrich Kausen, 1711

Rep. 5, 77

Getreideeinfuhr zur Pestzeit, 1710–1711 (1728)

Rep. 9, 430

Bekämpfung der Pest und der Kuhpo­cken auf den Landbesitzen des Klos­ters, 1709–1712, 1866

Rep. 13, 589

Der Landtag in Anklam vom 26.–30 September 1709, 1709

Rep. 13, 1130a

Einziehung von landesherrlichen Steuern (Reichssteuer, Türkensteuer, Römermonate), 1662–1732

Rep. 13, 1861

Ansteckende Seuche (Pest) in Stral­sund, 1710

Rep. 13, 1862

Maßnahmen gegen die Verbreitung der Pest, 1710

Rep. 14, 83

Ansteckende Krankheiten, 1623–1786

Rep. 14, 84

Maßnahmen gegen die sich ausbrei­tende Pest, 1676–1733

Rep. 14, 85

Quarantänemaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung der Pest, 1680–1710

Rep. 14, 87

Maßnahmen gegen die Pest auf Mit­teilung der Stadt Lübeck, 1708

Rep. 14, 88

Vorbeugende Maßnahmen gegen die Pest, 1708

Rep. 14, 89

Vorbeugende Maßnahmen gegen die Pest, 1708–1709

Rep. 14, 90

Die Deputierten zum Post Examine (Pestkontrolle), 1709– 1710

Rep. 14, 91

Vorbeugende Maßnahmen gegen die Pest, 1709–1710

Rep. 14, 92

Sicherheitsmaßnahmen gegen die Pest, 1709–1710

Rep. 14, 93

Maßnahmen zur Verhütung der Pest, 1709–1711

Rep. 14, 94

Antwort der Stadt Wolgast wegen des von der Stadt Stralsund zur Bekämp­ fung der Pest erbetenen Feldscher­ meisters oder -gesellen, 1710

Rep. 14, 96

Maßnahmen gegen die sich ausbrei­tende Pest, 1710–1775



I. Quellen341

Rep. 14, 97

Die Pest, 1711

Rep. 14, 98

Verkaufsverbot für Gegenstände aus infizierten Häusern, 1711

Rep. 14, 99

Maßnahmen gegen die in Stralsund herrschende Pest (Bruchstück), 1711

Rep. 16, 916

Verhandlungen über die Anstellung der Stadtschornsteinfeger, 1690–1809

Rep. 28, 375

Beerdigungen und die dafür erhobe­nen Gebühren, 1692–1735

Rep. 29, 821

Ratsprotokolle, 1710

Rep.  33, 1109

Verhandlungen mit dem Komman­ danten Generalmajor Schultz, mit an­deren militärischen Stellen und der Regierung über Unterbringung er­ krankter Soldaten sowie über Auftei­ lung der Einquartierungslast, 1710–1715

Rep. 35, 6

Sicherheitsmaßnahmen gegen die Pest und andere Seuchen, 1654–1737

Rep. 36, 18

Anordnungen zur Versorgung der Stadt Stralsund mit Getreide und Le­bensmitteln aus dem Barther Distrikt, 1710

Rep. 36, 191

Visitation des Kornvorrats auf den Bö­den der Kaufleute zur Bevorratung der Stadt während der Pest, 1710

Rep. 36, 316

Abhaltung von Jahrmärkten in pommerschen Städten, 1709– 1777

Rep. 38, 1480

Übersichten über die besonderen Ausgaben während der Zeit der Kon­tagion zur Eindämmung der Pest und Behandlung der Erkrankten, 1709–1712

Stadtarchiv Greifswald (STAG) Rep. 3, 150, 1708

Ratsprotokolle, 1708

Rep. 3, 150, 1709

Ratsprotokolle, 1709

Rep. 5, 10

Publikation der Landespatente, 1651–1815

Rep. 5, 2432

Der königliche Burggraf Joh. Georg Cavan, Vol. I, 1707–1708

Rep. 5, 2433

Der königliche Burggraf Joh. Georg Cavan, Vol. II, 1709–1711

Rep. 5, 2921

Der Kaak auf dem großen Markt und andere Richtplätze, auch Hinrich­tungskosten, 1709–1814

Rep. 5, 6531

Bettagsfeiern und deren Kündigung, 1686–1724

Rep. 5, 10626

Die hierselbst ausgebrochene Pest und die deshalb geschehene Anstel­lung von Pest-Ärzten, sowie andere gemachte Vorkehrungen, 1577–1753

342

Quellen- und Literaturverzeichnis

Universitätsarchiv Greifswald (UAG) R 267

Vorsichtsmaßnahmen der Universität gegen die Ausweitung von Erkran­kungen in Pest- und Seuchenzeiten, 1559–1780

Landesarchiv Greifswald (LAG) Rep. 4, P I, Tit. 99, Nr. 430, Vol. I

Acta das Collegium Sanitatis betr., 1709– 1710

Rep. 4, P I, Tit. 99, Nr. 430, Vol. II

Acta das Collegium Sanitatis betr., 1711

Rep. 6, Tit. 50, Nr. 432, Vol. I

Wegen der auß Pohlen Unterm H. General Major Crassow zurück ge­kommenen und in Pommern einqvar­tirten Trouppen, 1709

Rep. 6, Tit. 76, Nr. 9a

Maßregeln gegen die von auswärts, namentlich von Polen stammende Pest, 1708–1710

Landeshauptarchiv Schwerin (LHAS) 2.11-2 / 1, Nr.  588 / 3137

Korrespondenz Herzog Friedrich Wilhelms und des Regierungsrats von Wolff­ radt mit dem Legationssekretär August Magnus Fecht zu Hannover, 1712–1713

2.11-2 / 1, Nr.  1205 / 4282

Berichte des Legationssekretärs Magnus August Fecht über seine Ver­ handlungen mit dem kaiserlichen Re­sidenten Graf von Schönborn und dem schwedischen Gesandten Baron von Lilienstedt, 1709–1710

2.11-2 / 1, Nr.  1206 / 4283

Korrespondenz mit dem kaiserlichen Residenten Graf von Schönborn über den Fortgang des Nordischen Krieges und die Kommission mit der Ritter­ schaft, 1711– 1713

2.12-2 / 19, LXXI (Schwerin), Vol. II

Acta invasionum hostilium; Schwedi­scher Durchmarsch, 1706–1710

2.12-2  /  19, LXXII (Schwerin)

Acta invasionum hostilium; Durchmar­ sche der nach Hamburg entsandten Kreistruppen, 1708–1709. 2. Hessen-Casselscher Recruten, 1709 3. Däni­ scher Truppen aus Sachsen, 1709 4. Sächsischer Gefangener aus Däne­mark, 1710

2.12-2 / 19, LXXXIV (Schwerin), Vol. I Acta invasionum hostilium; Durchzüge und Requisitionen der Dänen 1711, Einquartierungen de 1711, Jul.–Nov.



I. Quellen343

2.12.-2 / 19, LXXXV (Schwerin), Vol. II. Acta invasionum hostilium; Nordischer Krieg, Dänische Durchmärsche und Requisitionen 1711, Einquartierungen, 1711– 1712 2.12-2 / 19, LXXXVI (Schwerin), Vol. III Acta invasionum hostilium; Dänische Durchmärsche und Requisitionen, 1711, Einquartierungen und Lieferun­ gen, Oct.1711–1712 2.12-2 / 19, CXXXI (Schwerin), Vol. I Acta invasionum hostilium; Nordischer Krieg seit 1711; Lieferungen an die wider Schweden verbündeten Mächte, insgemein namentlich bei der Belage­ rung Wismars, 1712–1716 2.12-2  /  3, Nr.  1266 Warnungstafel für Betteljuden und Zi­ geuner 9.1-4, Nr. 2, fasc. 6b Schwedische Rentkammer, Einge­gangene Briefe von benachbarten Fürsten wegen Durchmarche, 1690–1710 Landesarchiv Schleswig (LAS) Abt. 210, Nr. 579

Irrungen wegen des auf der Grönauer Heide errichteten Zigeunerpfahls, 1710

Reichsarchiv Kopenhagen Midlertidigt besatte lande, Rege­rings-   kancelliet i Stralsund, Arkiv-Nr. 574,   Nr. 62 B.

1717

2. Veröffentlichte Quellen An Abridgement of a Book intitl’d, A Description of the Plague, which happened in the Royal City of Dantzick, in the Year 1709. Written in Highdutch by Dr. John Christoph. Gottwald, and Communicated by Dr. Joh. Phil. Breynius, as the best Account of that Distemper there Publish’d. Translated by C. J. Sprengell, M. D., in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. For the Year 1713, Bd. 28 (1714), S. 101–144. Barnstorff, Eberhard: Consilium praeservatorium, oder Wolgemeinte jedoch unvor­ greiff­liche Gedancken, wie man sich bey grassirender und herum­schleichender Pestilentzialischen Contagion Zu verhalten und zu verwahren habe, begleitet Von eines Anonymi gantz vernuenfftigen und gleichfals hierauf gerichteteten vorschlag, Greifswald 1709. Beschreibung des Actus Introductionis des Königl. Hohen Tribunals in Wißmar: ge­ schehen den 17. Maj 1653, in: Jörn, Nils / Diestelkamp, Bernhard / Modéer, Kjell

344

Quellen- und Literaturverzeichnis

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I. Quellen345

Kurtze und Böthige Unterweisung / Wie man sich bey der jetzigen CONTAGION Vor dem Pestilentzialischen Gifft Und andern bösen Zufällen bewahren / Auch / so jemand damit inficiret / gebührend curiren könne / Nebst einer Taxe und Dosi der Medicamenten, Für dem Land= und gemeinen Mann Zum Besten in Druck gege­ ben, Küstrin 1710. Kürtzlicher und gründlicher Unterricht / Wie bey denen anitzo grassirenden gefähr­ lichen Seuchen ein jeglicher sein eigen Medicus seyn / und vor demselben sich gebührend verwahren könne, Berlin 1709. Lämmel, Christoph Friedrich: Erschrecklicher Zorn=Spiegel des eyferigen und ge­ rechten Gottes allen, sonderlich großen und prächtigen Städten bey itziger an vielen Orten hefftig grassirenden Pestilentz. Nebenst Wahrhafftigen Bericht und Erzählung Der zuvor nie erhörten grausamen Thaten und erschrecklichen Histo­ rien zur treuherzigen Warnung vorgestellet, Hamburg 1710. Lauterbach, Samuel Friedrich: Kleine Frauenstädtische Pest=Chronica, Leipzig 1710. N. N.: COPIA Eines sehr kläglichen Briefes Aus Dantzig / Vom 12. Septembr. 1709, O. O. O. J. Ockel, Samuel Friedrich: De vocatione pastoris pestilentialis / Von dem Beruff Eines Pest-Pfarrers, Diss. Universität Greifswald 1709. „PestStralsund1710“ / HistStralsund, in: Kroll, Stefan / Krüger, Kersten (Hrsg.): Städte­ system und Urbanisierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebens­ räume und Historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftli­ chen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004 (Geschichte. Forschung und Wissen­schaft 12), Berlin 2006 [Enthalten auf der dem Buch beigelegten CD]. Prokop: Gotenkriege. Hg. von Otto Veh, München 1966. Schelwig, Samuel: Denckmahl Der Pestilentz / Womit der gerechte GOTT Nach seinem heiligen Raht und Willen / Die Stadt Dantzig / Im Jahre 1709. heimge­ sucht hat, Danzig o. J. Schirach, Balthasar Ludovicus: PROBLEMA MEDICO-MORALE AN EXPEDIAT PESTE MORI? Obs gut sey an der Peste zu sterben?, Rostock 1709. Schleßwig=Hollsteinische Hochfürstl. Ober=Vormundschaftliche Verordnung We­gen der Pest / Nebst beygefügten zweyen CONSILIIS MEDICIS, Schleswig 1711. Stockholmiske Post-Tidender vom 30.08.1710. Stöckl, Manasse: Anmerckungen / Welche Bey der PEST / Die Anno 1709. in Dantzig grassirte / beobachtet, Hamburg 1710. Thukydides: Der Peloponnesische Krieg. Hg. u. übers. v. Georg Peter Landmann, Düsseldorf (u. a.) 2002. Unterricht / Welcher Gestalt Bey Gefährlichen Pest-Zeiten / Die Von der CONTA­ GION inficirte Häuser zu reinigen, Stralsund 1710. Verneuertes Medicinisches Pest-CONSILIUM, Stralsund 1710.

346

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Robert:

Medizingeschichte.

Eine

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Anhang I. System der Pestmaßnahmen nach Martin Dinges Stufenmodell obrigkeitlicher Pestbekämpfung nach Martin Dinges1 1. defensive Pestpolitik

2. aktive Pestpolitik

3. Institutionalisierung

4. überregionale Koordination

1  Aus:

Dinges (1994), S. 23.

– Systematische Zugangskontrolle zur Stadt – Schiffspässe – Gesundheitspässe – Regelmäßige Opferzählung in der Stadt – Überwachte Abtrennung der Kontaktpersonen und In­fi­zier­te­ n von Gesunden in Privat­ häusern ohne Ausnahme – Einrichtung von Pestspitälern – Versorgung armer Eingeschlossener aus öffentli­chen Kassen – Systematische Desinfektion bzw. Vernichtung des Besitzes von Pestopfern – Vorübergehende Einrichtung einer „Pestbe­hörde“ – Einrichtung einer permanenten „Pestbehörde“ – Umfassende Pestgesetzgebung – Regelmäßiger Informationsaustausch mit Nach­bar­ter­ri­to­rien – Regelmäßige Koordination von Maßnahmen mit Nach­bar­territorien

376 Anhang

II. Kommunikationspartner der Stadträte von Lübeck, Wismar, Stralsund, Rostock, Greifswald sowie des Tribunals 2

Abb. Anhang 1: Kommunikationspartner des Stadtrates in Lübeck

Nr.

Name des Kommunikationspartners

1

kurfürstlich braunschweig-lüneburgische Regierung (Ratzeburg)2 Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg kurfürstlich braunschweig-lüneburgische Regierung /  Kurfürst Georg Ludwig (Hannover) Amtsverwalter / Amtschreiber (Bergedorf)

2 3 4

2  Bei

überlieferte Schreiben 230 126  49  48

mehrdeutigen Bezeichnungen sind die Ortschaften in Klammern gesetzt.



II. Kommunikationspartner

Nr.

Name des Kommunikationspartners

5

Administrator der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Christian August, Fürstbischof von ­Eutin) / herzoglich schleswigsche und holsteinische Regierung (Gottorf) Bürgermeister und Rat der Stadt Danzig Herzog Joachim Friedrich / herzogliche Regierung (Plön) Bürgermeister und Rat der Stadt Königsberg Bürgermeister und Rat der Stadt Oldesloe Bürgermeister und Rat der Stadt Rostock herzoglich mecklenburg-schwerinsche Regierung /  Herzog Friedrich Wilhelm (Schwerin) Bürgermeister und Rat der Stadt Wismar Bürgermeister und Rat der Stadt Libau fürstbischöfliche Regierung zu Eutin / Fürstbischof Christian August Bürgermeister und Rat der Stadt Leipzig herzoglich mecklenburg-schwerinsche Regierung (Ratzeburg) Amtmann Anthon Günter Hanneken (Segeberg) Bürgermeister und Rat der Stadt Kiel Bürgermeister und Rat der Stadt Memel Gerhard Breier (Amsterdam, Den Haag) Amtmann Graf von Dernath (Trittau, Sierhagen) Bürgermeister und Rat der Stadt Flensburg Bürgermeister und Rat der Stadt Kolberg Bürgermeister und Rat der Stadt Stettin Bürgermeister und Rat der Stadt Stralsund König Friedrich I. in Preußen (Cölln / Berlin) Bürgermeister und Rat der Stadt Altona Bürgermeister und Rat der Stadt Lüneburg kaiserlicher Resident Henning Dethloff von Hanses (Kopenhagen) Bürgermeister und Rat der Stadt Bremen Bürgermeister und Rat der Stadt Riga Bürgermeister und Rat der Stadt Stockholm Bürgermeister und Rat der Stadt Windau königlich schwedisches Tribunal (Wismar)

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

377 überlieferte Schreiben 35

35 35 32 29 29 29 21 17 16 14 11 10 10 10 10  9  9  9  9  9  9  8  8  8  7  7  7  7  7

378 Anhang Nr.

Name des Kommunikationspartners

überlieferte Schreiben

35

Amtmann Fuchß (Rendsburg)

6

36

Bürgermeister und Rat der Stadt Reval

6

37

Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (Braunschweig)

6

38

Bürgermeister und Rat der Stadt Neustadt (Holstein)

5

39

königlich dänische Regierung (Glückstadt)

5

40

königlich preußisches Collegium Sanitatis (Cölln / Berlin)

5

41

königlich schwedischer Vizegouverneur / Kommandant (Wismar)

5

42

Magnus von Wedderkop (Moisling)

5

43

schwedisch pommersche Regierung (Stettin)

5

44

Bürgermeister und Rat der Stadt Kopenhagen

4

45

Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz (Strelitz)

4

46

herzogliche Regierung von Kurland / Gouverneur Clodt (Mitau)

4

47

preußisch pommersche Regierung (Stargard)

4

48

Amtmann Negendanck (Cismar)

3

49

Bürgermeister und Rat der Stadt Friedrichstadt

3

50

Bürgermeister und Rat der Stadt Greifswald

3

51

Bürgermeister und Rat der Stadt Karlskrona

3

52

kaiserlicher Gesandter Damian Hugo Graf von Schönborn (Hamburg)

3

53

königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Envoyé Baron Manteuffel (Hamburg)

3

54

Georg Elsperger (Regensburg)

3

55

König August II. / Kurfürst Friedrich August der Starke (Dresden)

3

56

Probst Blome (Preetz)

3

57

Amtmann und Landrat Kai von Brockdorff (Oldenburg)

2

58

Bürgermeister und Rat der Stadt Elbing

2

59

Bürgermeister und Rat der Stadt Güstrow

2

60

Bürgermeister und Rat der Stadt Husum

2

61

Bürgermeister und Rat der Stadt Kalmar

2

62

Bürgermeister und Rat der Stadt Malmö

2

63

Bürgermeister und Rat der Stadt Perleberg

2



II. Kommunikationspartner

Nr.

Name des Kommunikationspartners

64 65 66 67 68 69 70 71

Bürgermeister und Rat der Stadt Plön Bürgermeister und Rat der Stadt Schwerin Generalstaaten (Den Haag) Gouverneur Dönhoff (Memel) Kaiser Karl VI. König Friedrich IV. von Dänemark (Kopenhagen) Landrichter / Landvogt auf Fehmarn unklar (Administrator der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Christian August, Fürstbischof von Lübeck) / herzoglich schleswigsche und holsteinische Regierung (Gottorf) oder Landrichter auf Fehmarn; General Schult) Bürgermeister und Rat der Stadt Amsterdam Bürgermeister und Rat der Stadt Anklam Bürgermeister und Rat der Stadt Braunschweig Bürgermeister und Rat der Stadt Eckernförde Bürgermeister und Rat der Stadt Eutin Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt an der Oder Bürgermeister und Rat der Stadt Itzehoe Bürgermeister und Rat der Stadt Karlshafen Bürgermeister und Rat der Stadt Lauenburg Bürgermeister und Rat der Stadt Nieköping Bürgermeister und Rat der Stadt Wittstock General Rantzow (vor Wismar) Generalmajor von Ingenhaven (vor Hamburg) Gouverneur Falkbourg (Malmö) Herr Maul / tz (Wien)

72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86

379 überlieferte Schreiben 2 2 2 2 2 2 2 2

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

380 Anhang

Abb. Anhang 2: Kommunikationspartner des Tribunals in Wismar

Nr.

Name des Kommunikationspartners

1 2 3

Bürgermeister und Rat der Stadt Wismar Vizegouverneur Posse (Wismar) kurfürstlich braunschweig-lüneburgische Regierung (Ratzeburg) Herzog Friedrich Wilhelm von MecklenburgSchwerin / Regierung (Schwerin) schwedischer Reichsrat (Stockholm) Bürgermeister und Rat der Stadt Lübeck Generalgouverneur Mellin (Stettin) königlich schwedische Regierung (Bremen) Kurfürst Georg Ludwig von BraunschweigLüne­burg / Regierung (Hannover)

4 5 6 7 8 9 10

königlich schwedischer Gesandter Frisendorff (Hannover)

überlieferte Schreiben 207 23 8 7 6 5 5 4 4 4



II. Kommunikationspartner

Nr.

Name des Kommunikationspartners

11 12

Generalgouverneur Gyldenstern (Stade) königlich schwedischer Gesand­ter  / ­Tribunals­präsident Lilienstedt (Hamburg) Vizegouverneur Schoultz von Ascheraden (Wismar) Bürgermeister und Rat der Stadt Stettin schwedisch pommersche Regierung (Stettin) schwedisch pommersches Hofgericht (Greifswald) unbenannter Gouverneur (Wismar)

13 14 15 16 17

381 überlieferte Schreiben 3 2 2 2 2 1 1

382 Anhang

Abb. Anhang 3: Kommunikationspartner des Stadtrates in Wismar

Nr.

Name des Kommunikationspartners

1 2 3 4 5

königlich schwedisches Tribunal Bürgermeister und Rat der Stadt Lübeck Generalgouverneur Vellingk (Hamburg) Bürgermeister und Rat der Stadt Danzig König Karl XII. von Schweden / Reichsrat (Stock­holm) Bürgermeister und Rat der Stadt Stralsund

6

überlieferte Schreiben 207  14   4   1   1   1



II. Kommunikationspartner

383

Abb. Anhang 4: Kommunikationspartner des Stadtrates in Rostock

Nr.

Name des Kommunikationspartners

1

Herzog Friedrich Wilhelm von MecklenburgSchwerin / Regierung (Schwerin) Bürgermeister und Rat der Stadt Lübeck Bürgermeister und Rat der Stadt Greifswald Bürgermeister und Rat der Stadt Anklam Bürgermeister und Rat der Stadt Güstrow Bürgermeister und Rat der Stadt Stralsund Bürgermeister und Rat der Stadt Stettin Bürgermeister und Rat der Stadt Demmin Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg Bürgermeister und Rat der Stadt Bützow Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz (Strelitz)

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

überlieferte Schreiben 52 27  8  6  6  6  5  4  3  2  2

384 Anhang Nr.

Name des Kommunikationspartners

12 13 14 15

schwedisch pommersche Regierung (Stettin) mecklenburgischer Landtag (Malchin) Bürgermeister und Rat der Stadt Malchin Administrator der Herzogtümer Schleswig und Hol­stein (Christian August, Fürstbischof von Lübeck) (Gottorf) königlich schleswigsche und holsteinische Regie­rung (Glückstadt) König Friedrich IV. von Dänemark (Kopenhagen) Bürgermeister und Rat der Stadt Wismar

16 17 18

überlieferte Schreiben 2 1 1 1

1 1 1



II. Kommunikationspartner

385

Abb. Anhang 5: Kommunikationspartner des Stadtrates in Stralsund

Nr.

Name des Kommunikationspartners

 1

schwedisch pommersche Regierung (Stettin, zeit­weise Stralsund) Vizegouverneur Schoultz von Ascheraden (Stral­sund) Bürgermeister und Rat der Stadt Lübeck Bürgermeister und Rat der Stadt Demmin Bürgermeister und Rat der Stadt Greifswald Bürgermeister und Rat der Stadt Anklam Landvogt von Bohlen (Bergen auf Rügen) Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg Bürgermeister und Rat der Stadt Rostock Bürgermeister und Rat der Stadt Tribsees Bürgermeister und Rat der Stadt Bergen (Rügen)

 2  3  4  5  6  7  8  9 10 11

überlieferte Schreiben 64 17 8 7 6 4 4 3 3 3 2

386 Anhang Nr.

Name des Kommunikationspartners

12

Generalgouverneur Gyldenstern (Barth / Schwedisch Pommern) Feldmarschall Krassow (Greifswald) Bürgermeister und Rat der Stadt Loitz Bürgermeister und Rat der Stadt Wolgast Bürgermeister und Rat der Stadt Güstrow Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz (Strelitz) kurfürstlich braunschweig-lüneburgische Regierung (Ratzeburg) Landrat Carvo (Greifswald) Bürgermeister und Rat der Stadt Neubrandenburg Herr Petersen (Franzburg)

13 14 15 16 17 18 19 20 21

überlieferte Schreiben 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1



II. Kommunikationspartner

387

Abb. Anhang 6: Kommunikationspartner des Stadtrates in Greifswald Nr.

Name des Kommunikationspartners

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

schwedisch pommersche Regierung (Stettin) Bürgermeister und Rat der Stadt Anklam Bürgermeister und Rat der Stadt Stralsund Bürgermeister und Rat der Stadt Demmin Bürgermeister und Rat der Stadt Wolgast Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg Bürgermeister und Rat der Stadt Rostock Kommandant Sperlingk (Greifswald) Bürgermeister und Rat der Stadt Lübeck Kommandant Eldstierna (Stralsund) Bürgermeister und Rat der Stadt Bergen Bürgermeister und Rat der Stadt Neubrandenburg Landrentmeister Stralenberg (Stralsund) königlich dänischer General Hallard (Vorpommern)

überlieferte Schreiben 45 12 11  7  7  5  5  4  3  2  1  1  1  1

Personen- und Sachwortregister Adolf Friedrich III., Herzog von Mecklenburg-Strelitz  68–69, 119 Altona  194, 223, 228, 230, 237 Anklam  57, 88, 115, 267, 276, 323 Arend, Dr. Joh. Georg (Arzt, Wismar)  52, 73 Ärzte  14, 23, 42, 46–49, 51–52, 56, 68–71, 73, 76–77, 79–80, 118–119, 123, 125–126, 132–133, 177, 183– 184, 211, 236, 245, 265, 278–279, 285, 287, 290–291, 317 Augsburg  332 Barbiere  23, 46–48, 68–69, 71, 77, 126, 171, 183, 250, 278, 328, 330 Barnstorff, Eberhard (Professor, Greifs­wald)  184–185 Bentzien, Martin (Raschmacher, Stralsund)  320–321 Berlin  101, 261, 270, 278 Bernitt  88 Beselin (Bürgermeister, Rostock)  105 Biester, Joachim (Arzt, Bergedorf)  48 Bohlen, Adam Christoff von (Landvogt, Rügen)  314–315 Böhmen  41 Borgehl, Johann Gottfried (Arzt, Lübeck)  47 Brandenburg  58, 249, 290 Brandt, Christian (Schiffer, Stralsund)  319–321 Brauer  20, 131, 257 Braunschweig-Lüneburg  40, 86, 122, 124, 215, 233, 242, 275, 303 Bredtholtz, Carl (Oberst, Regimentschef, Wismar)  162–164, 243, 247 Bremen  33, 49, 127, 207, 300, 303

Breslau  132, 257 Buchholz, Werner (Historiker, Greifswald)  34 Budde, Diederich (Kaufmann, Stettin)  316 Bulst, Neithard (Historiker, Bielefeld)  24, 31, 63 Bützow  39 Carstens, Joachim Lüder (Protonotar, Lübeck)  83 Cavan, Joh. Georg (Burggraf, Greifswald)  37, 82 Chemnitz, Franz (von) (Assessor, Wismar)  163–164, 295 Christian August, Fürstbischof von Eutin, Administrator der Herzog­ tümer Schleswig und Holstein  87, 235 Christianpries  260 Cochenhausen (Mitglied der Regierung, Stettin)  116, 121 Curslack  150 Damm (Altdamm)  114, 241, 316, 319, 320–324 Danckwertz, Caspar (Hafenvogt, Warnemünde)  59, 93, 110, 148–150, 198, 200, 296 Dänemark  5, 11, 14, 41, 44, 61, 68, 78, 81, 119, 127, 131, 133, 148, 195, 228, 236–237, 242, 244, 300, 305, 326, 334–335 Dänholm  72, 199, 315 Danzig  5, 11, 27, 32, 41, 57, 59, 60, 84–85, 108–109, 111, 113, 131–132, 161, 172, 186, 198, 212, 222–223, 225–226, 228–229, 233, 236, 248,



Personen- und Sachwortregister389

257, 260–265, 278, 283, 287, 289, 292, 295, 313, 315, 317–318, 330 Demmin  88, 263, 267, 277 Den Haag  127 Detharding, Georg (Professor, Rostock)  242 Dinges, Martin (Historiker, Stuttgart)  26, 31, 55, 70, 88–89, 327, 375 Dresden  194 Drews, Jürgen (Klosterschreiber, Stralsund)  43, 291, 293, 295, 298 Eggerdes, Balthasar Johann (Protonotar, Rostock)  134, 292 Elbing  223, 265 Engelbrecht, von (Syndikus, Stralsund)  107 England  26, 55, 191, 327, 334 Estland  11, 135, 297, 335 Eutin  87, 214 Faulstich, Werner (Medienwissenschaftler, Lüneburg)  32 Fecht, Magnus August (Diplomat, Hamburg)  128, 279 Flensburg  261, 297 Fracastoro, Girolamo (Arzt, Verona)  51 Frandsen, Karl-Erik (Historiker, Kopenhagen)  5, 15, 334 Frankfurt am Main  234 Frankfurt an der Oder  270 Frankreich  191, 200, 334 Fraustadt  186 Friedlieb, Philipp Henrich (Stralsund)  76 Friedrich I., König in Preußen  230, 261, 278 Friedrich IV., König von Dänemark  17, 122, 129, 195, 228, 237, 331–332 Friedrich August (II.), König von Polen, Kurfürst von Sachsen  134, 181, 194 Friedrich Wilhelm, Herzog von Mecklenburg-Schwerin  21, 35, 38,

39, 55, 102, 119, 128, 151, 161, 163, 165, 195, 198, 201–202, 210, 216, 220–221, 224, 231–232, 234, 240, 242–243, 255, 262–264, 266–267, 271–275, 279, 280, 282, 296, 303–304, 332 Frisendorff (Diplomat, Hannover)  128 Gaul, Volker (Historiker, Heide)  17, 112–113, 148, 156 Geistliche  30, 36, 63, 67, 82, 91, 98–108, 115, 117, 121, 125, 156–157, 183, 263, 290, 316, 334 Georg Ludwig, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg  40, 127, 198, 225, 234, 242, 282, 303, 307–309 Gerdes, David Georg (von) (Assessor, Wismar)  162–163, 165 Gerdes, Henning Johann (Superintendent, Wismar)  100, 101 Gerüchte  21, 29, 70, 82, 85, 94, 120, 122, 131, 133–134, 181, 190, 192– 195, 198, 217, 243, 244, 260, 263, 265, 267, 269, 274, 277, 303, 304, 306, 308, 310, 326–328, 330, 332 Glückstadt  61, 164–165, 237 Gohl, Johann Daniel (Arzt, Berlin)  278 Görtz, Georg Heinrich von (Minister, Schleswig)  235 Gottorf  111, 260, 331 Götze, Gottfried (Stadtrichter, Leipzig)  133–134 Grahl  112 Grönau  206 Groote, von (Diplomat)  228 Großbritannien  40 Güstrow  173, 192, 241, 258 Häckermann, Jacob Gottfr. (Ueckermünde)  134 Hafenvögte  24–26, 57, 59, 77–78, 90, 93–94, 110, 125, 126, 148–150, 153, 157, 198, 200, 216, 239, 258, 291, 296, 330, 334

390

Personen- und Sachwortregister

Haltern, Johan Daniel von (Diener, Stettin)  98, 320, 322, 324 Hamburg  11, 32, 41, 48, 65, 84, 86, 113, 127–128, 130–132, 135, 164–165, 185, 188–190, 192–195, 223, 228, 233–234, 237, 250, 256, 259, 263, 269–270, 275, 282, 289, 291–292, 303, 307–309, 331 Hanneken, Anthon Günter (Amtmann, Segeberg)  133 Hanneken, Meno Nicolas (Arzt, Lübeck)  47, 132–133 Hannover  49, 65, 124, 127–128, 165, 198, 225, 238, 247, 275, 304, 307–310, 323, 331 Hanses, Henning Dethloff (von) (Diplomat, Kopenhagen)  244, 295 Hanssen, Peter (Historiker)  52 Heldt, Johan Christof (Strandreiter, Stralsund)  112 Helsingör  131 Helwig, Christoph (Professor, Greifswald)  292 Heynig/Heinich, Adam (Eisenschneider, Rostock)  97, 173–174, 204, 236 Hildesheim  23 Hofgericht  37, 66, 79, 81–82, 119, 274 Höhl, Monika (Historikerin, Tecklenburg)  23, 24 Holland  135, 191 Holstein  11, 17, 41, 48, 83, 111, 113, 122, 127, 131, 135, 148, 170, 195, 223, 235, 237–238, 250, 258, 273, 283, 331 Höltenklinken  133, 244 Hummel, Christoph (Augenarzt, Leipzig)  171 Irland  40 Italien  26, 55, 200, 327 Jörn, Nils (Historiker, Wismar)  5, 24, 34

Kalmar  94, 174 Karl XII., König von Schweden  37, 102, 190, 218, 220, 246, 273, 299, 302, 310, 318, 321, 325 Karl Leopold, Herzog von Mecklenburg-Schwerin  39 Karlshafen  174 Karlskrona  94, 174, 198, 288 Kaufleute  20, 27, 29, 117, 121, 123, 131, 173, 177, 181, 193, 195, 207, 233, 257, 262–264, 268, 271, 285, 290, 316, 332 Kiel  260 Kinzelbach, Annemarie (Historikerin, Erlangen)  22, 31 Klinckowström, von (Schlosshauptmann, Stettin)  270 Klum, Joh. von (Kanzler, Malchin)  102 Kohfeldt, Gustav (Bibliothekar, Rostock)  192 Kohl, D. (Buchhalter)  162–164 Königsberg  59, 109–110, 202, 226, 230, 235–236, 261–263, 278, 288, 295 Kontrolleure  24, 26, 52, 57–62, 64, 67, 70, 78, 81, 89–95, 97, 112–114, 125–126, 149–151, 153–154, 157, 162, 164–165, 175–176, 196, 200–201, 216, 218, 227, 246, 252–255, 261–264, 266, 273, 286, 290–291, 312, 323, 328, 330 Kopenhagen  198, 243, 295 Krakau  40 Krassow, Ernst Detlof von (General­ major)  115, 241, 246, 258, 299–308, 310, 326 Kroll, Stefan (Historiker, Rostock)  5, 53 Krüger, Daniel (Schönfärber, Stettin)  320–321 Kuhlman, Johan (Bürgermeister, Wismar)  98, 318–325 Kurland  297 Kyofska, Gräfin (Stralsund)  318



Personen- und Sachwortregister391

Lammel, Hans-Uwe (Historiker, Rostock)  5 Landtage  57, 85, 102–103, 169, 220, 241, 302, 331 Leipzig  133–134, 171, 181, 193, 194, 217 Lemberg  40 Levin, Claus (Bauer, Greifswald)  204 Libau  109, 198, 223 Ligner, Anthon (Tribunalstrabant, Wismar)  280 Lilienstedt, Johan Paulinus (Diplomat, Vizepräsident, Hamburg)  128, 282, 309 Litauen  41, 86 Livland  11, 113, 297 Lotsen  62, 314 Luhmann, Niklas (Soziologe, Bielefeld)  27, 29 Lüneburg  229–230 Luther, F. (Arzt, Stettin)  177 Magdeburg  20, 126 Magnus, Ruben (Schutzjude, Lübeck)  229 Malmö  94, 239 Marci, Johann (Feldscher, Stralsund)  46, 69 Marienwerder  263 Mecklenburg  35–36, 38, 55, 66, 69, 72, 87–88, 101, 104, 122, 124, 128–129, 135, 151, 159, 163, 184, 201, 205, 209–210, 215, 224–225, 232, 237, 243, 249, 263, 266, 270, 271–275, 303, 306, 329, 331 Mellin, Jürgen von (Generalgouverneur, Stettin)  305–306 Memel  261 Michaelis, Georg (Ratssekretär, Greifswald)  117 Moisling  223, 227–228, 230, 234 Mön  110 Mönchgut  314 Müller, Johann (Arzt, Hamburg)  132

Neukloster  39, 102 Neukrantz, Johannes (Arzt, Stralsund)  56, 132–133 Niederösterreich  159 Niedersachsen  24, 63 Niendorf  112 Nordrhein-Westfalen  24 Nürnberg  42 Oker, Johann (Brauer, Stralsund)  132, 257 Oldenburg, Johannes (Assessor, Wismar)  163–164 Oldesloe  133, 244 Olthoff, Justus Ludwig (Regierungsrat, Stettin und Stralsund)  270 Osmanisches Reich  191, 299 Perleberg  126, 194 Persson, Bodil E. (Historikerin, Lund)  334 Platen, Balthasar Hinrich von (Probst, Wolgast)  117 Plön  87, 117, 235, 260 Poel  102, 163, 274 Polen  11, 27, 40–41, 55, 57–60, 86, 161, 191, 210–211, 215, 219, 222–225, 227, 231–233, 238–239, 241, 246–248, 250, 270, 298–300, 302–303, 306, 310–318, 335 Poltawa  299, 310 Pommern  5, 11, 22, 27, 33, 37–39, 41, 57–58, 62, 64, 66–67, 85–87, 99, 101, 106, 111, 115, 117–118, 122, 128–131, 135, 148, 159, 162–163, 201, 209, 211–213, 220, 224, 226, 233, 241, 243, 246, 248–249, 252, 255, 259, 263–264, 272–274, 276, 278, 280, 282–283, 299–300, 302, 303, 305, 310–312, 319, 322, 330–331 Porzelt, Carolin (Historikerin)  335 Posen  243, 248, 265, 301 Posse, Nils (Oberst, Vizegouverneur, Wismar)  218, 323

392

Personen- und Sachwortregister

Preußen  5, 11, 40–41, 86, 102, 122, 126, 191, 226, 261–264, 270, 272, 278, 299, 312, 321 Pross, Harry (Publizistikwissen­ schaftler, Weiler im Allgäu)  32 Pudagla  313 Putbus, Baron (Rügen)  258, 272–273, 311 Quarantäne  26, 29–30, 50, 52, 58, 67, 72, 74, 110, 149, 158, 163–164, 172–173, 175–179, 196, 198–201, 248–249, 285–287, 295–296, 298–299, 308, 313–316, 318, 325, 326, 328 Quistorp, Johann Nikolaus (Superintendent, Professor, Rostock)  102 Raddas, Claus (Schiffer, Greifswald)  178, 179 Rateke, Martin (Ratsherr, Wismar)  85 Rathcke, Michel (Brauer, Stralsund)  320–321 Ratzeburg  40, 83–84, 94, 99–100, 127, 129, 166, 206, 226–227, 233–234, 237, 241, 260, 269, 275, 282, 299–301, 304–305, 307–310, 323, 331 Regensburg  41, 127, 332 Reichsrat  86, 124, 304–306, 331 Reichstag  41, 332 Rendsburg  164–165, 250 Reval  16, 127, 268 Riga  16, 297 Rodenwaldt, Ernst (Mediziner, Heidelberg)  53 Rosencreutz (Postdirektor, Stralsund)  92–93, 264–265 Rügen  33, 39, 60, 111, 199, 211, 224, 233, 258, 272, 314–315 Russland  117, 134, 191, 298 Sachsen  40, 56, 58, 135, 193, 298, 310 Sachsen-Lauenburg  40, 83–84, 86, 122, 124, 127, 299–301, 306, 307

Sager, Jochim (Hafenvogt, Trave­ münde)  149–150 Schlesien  40, 56, 58, 224, 257, 270 Schleswig  11, 17, 41, 112–113, 122, 127, 135, 195, 235, 331 Schmölzer, Hilde (Kunsthistorikerin, Wien)  335 Schnakenwerder  199 Schönborn, Damian Hugo von (Diplomat, Hamburg)  193, 280–281 Schonen  94, 174 Schoultz von Ascheraden, Martin (Generalmajor, Vizegouverneur, Wismar, Stralsund)  37, 69, 75–76, 81, 129, 252, 254–255, 280, 286, 294, 317 Schröder (Arzt, Stralsund)  46, 317 Schröder, Dieterich (Archidiakon, Wismar)  297 Schwabe, Bernhard (Gerichtspräsident, Rostock)  105 Schweden  5, 11, 14, 21, 27, 33–34, 36–41, 67, 73, 84, 86, 94, 113–114, 117, 122, 124, 129, 162–163, 165, 174–175, 190, 198, 217, 220, 236, 239, 242–243, 246, 249, 250, 252, 253, 270, 273–274, 282, 299–304, 306–307, 309–310, 319, 321, 323, 326, 328, 331, 334–335 Schwerin  35, 38, 39, 68, 82, 99, 103, 105, 129, 163, 165, 205, 226, 241, 262–263, 267, 272, 275, 296, 303, 306 Seehandel  19, 297 Sledanus, Albert (Superintendent, Stralsund)  107 Spanien  188, 191 Speyer  34 Spiegelberg, Ulrich (Strandreiter, Stralsund)  111–112, 214 Stade  33, 53, 259 Stanislaus Leszczyński, König von Polen  310, 312, 314, 318 Stargard  226, 262, 270 Starnow (Torschreiber, Stralsund)  93



Personen- und Sachwortregister393

Steben (Oberinspektor, Neukloster) 102 Stern, Henry (Arzt, Stralsund)  46, 132 Stettin  33, 37, 39, 49, 60, 76, 86–88, 92–93, 97, 105, 113–114, 116–119, 121, 125, 128–132, 159, 163, 173, 176–177, 189–191, 199, 203–204, 226, 243, 248–249, 253, 259, 262– 263, 269–272, 276–277, 280, 286, 294, 302–303, 311–313, 316–325 Stöber, Rudolf (Historiker, Bamberg)  188 Stockholm  12, 41, 124, 127, 174, 178, 189, 190, 303–306 Tancke, Hinrich (Ratsherr, Wismar)  164–165 Techen, Friedrich (Historiker, Wismar)  25, 34 Tessin, Cord Baltzer (Vizepräsident, Wismar)  162–163, 318, 322 Thain/Tien, Claus von (Kompanie­ verwandter, Stralsund)  320 Thomsen, Hinrich (Postreiter, Lübeck)  269 Thorn  248, 257 Tielcke, Joh. Joach. (Bürgermeister, Rostock)  102 Tönnies, Hinrich (Gewandschneider, Stralsund)  320 Travemünde  61, 72, 77, 149, 198–199, 226, 228, 268, 281 Trittelvitz, Witwe (Catharina Köhnen) (Greifswald)  175–179, 286 Ueckermünde  134 Ulbricht, Otto (Historiker, Kiel)  15, 30 Ungarn  41 Universität  21–22, 35, 38, 66, 68, 79, 81–82, 119, 125, 186, 191, 242, 335 Unterfärth, Joachim Martin von (Ratsdirektor, Malchin)  102 Usedom  313 Vellingk, Mauritz (Generalgouverneur, Hamburg)  73, 78, 218, 249–250

Verden  33, 300 Vicke, Christoph (Kaufmann, Wolgast)  117 Vierlande  48, 298 Vilm  199 Vöge, Johan (Schiffer, Rostock)  200 Voigt, H. C. (Bürger, Wismar)  198– 199, 268 Völschow, Johann Christoffer (Postmeister, Rostock)  265–267 von der Lieth, Sebastian (Assessor, Wismar)  165 Wagner, Friedrich (Assessor, Wismar)  161–163, 165, 324 Warnemünde  24–25, 59, 72, 78, 93–94, 110, 148–149, 153, 198, 258 Warschau  40 Wedderkop, Magnus von (Politiker, Moisling)  228 Weppling, Johann (Drucker, Rostock)  191–192 Werkstetter, Christine (Historikerin, Augsburg)  332, 335 Werpup, Georg Ernst von (Landdrost, Ratzeburg)  83 Wieck  72, 175, 178–179, 199, 286 Wien  41, 281, 329, 332 Wilcken, Jochim (Postknecht, Rostock)  204 Wilde, Joachim (Bürger, Rostock)  200 Wilke, Jürgen (Publizistikwissenschaftler, Mainz)  31 Windau  223 Wittstock  58, 290 Wolgast  37, 117–118, 121, 277, 289 Wollin  323 Wulfraht (Landrat, Bürgermeister, Stralsund)  107 Yersinia pestis  42, 53 Ystad  259 Zapnik, Jörg (Historiker)   14, 16, 53, 74